KOMMISSION FÜR ALTE GESCHICHTE U N D EPIGRAPHIK DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
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KOMMISSION FÜR ALTE GESCHICHTE U N D EPIGRAPHIK DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
VESTIGIA BEITRÄGE ZUR ALTEN GESCHICHTE BAND 8
WERNER D A H L H E I M
Struktur und Entwicklung des römischen Völkerrechts im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr.
C. H. BECK'SCHE V E R L A G S B U C H H A N D L U N G M Ü N C H E N 1968
© C. Η. Beck'sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck) München 1968 Gesamtherstellung: Graphische Werkstätten Kösel, Kempten Printed in Germany
VORWORT Dieses Buch ist die erweiterte und umgearbeitete Fassung meiner im Jahre 1964 von der Philosophischen Fakultät der Universität München angenommenen Dissertation, die im Juni 1965 unter dem Titel »Deditio und societas: Untersuchungen zur Entwicklung der römischen Außenpolitik in der Blütezeit der Republik« erschienen ist. Der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik und ihrem ehemaligen Vorsitzenden, Herrn Prof. Dr. Helmut Berve, gilt mein aufrichtiger Dank für die Aufnahme dieser Arbeit in ihre Schriftenreihe »Vestigia«. Desgleichen danke ich Herrn Dr. Edmund Büchner für seine liebenswürdige Hilfe bei der Korrektur und Drucklegung. Berlin, im Mai 1968
Werner Dahlheim
INHALTSVERZEICHNIS Einleitung
ι
I. DIE DEDITION
i.Formular, Vorbedingungen und Abschluß 2. Zweck und Rechtswirkung der Dedition 3. Charakter des Deditionsvorganges a) deditio und Vertrag b) Abschluß der deditio und faktische Übergabe des dedierten Gemeinwesens 4. Deditio in fidem a) Die Rechtsstruktur b) Die praktische Bedeutung der fides und das Problem der historischen Entwicklung der Dedition 5. Dedition im Frieden
5 11 20 20 23 25 25 44 52
II. D I E VÖLKERRECHTLICHE AUTONOMIE
1. Die Restitution dedierter oder eroberter Gemeinwesen 69 2. Charakter und juristische Vieldeutigkeit der römischen Freiheitserklärung im 2. Jhdt. v. Chr 83 a) Die Freiheitsproklamation von Korinth 196 v. Chr.: Voraussetzung, Rechtscharakter und Auswirkung 83 b) Die Neuordnung Kleinasiens im Jahre 188 v. Chr 98 c) Die Freiheitserklärungen völkerrechtlich autonomer Staaten auf Grund der faktischen römischen Suprematie 100 3. Zusammenfassung 107 III.
AMICITIA UND SOCIETAS: DIE GRUNDLAGEN DER RÖMISCHEN AUSSENPOLITIK BIS ZU IHREM AUSGREIFEN IN DAS ÖSTLICHE MITTELMEERBECKEN
i.Die Organisation Italiens in a) Cives Romani m b) Socii nominis Latini 117 2. Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen der römischen Republik zu außeritalischen Staaten von den Anfängen bis zum Ersten Makedonischen Krieg T25
VIII
Inhaltsverzeichnis a) Bundesgenössische Beziehungen
125
b) Amicitiaverhältnisse
136
c) Amicitia als Ergebnis inhaltlich voneinander verschiedener Verträge . .
147
3. Zusammenfassung: Die römische Wehrgemeinschaft und die außeritalischen amici und socii
158
IV. AMICITIA ET SOCIETAS: D A S AUSGREIFEN ROMS IN DEN GRIECHISCHEN U N D HELLENISTISCHEN O S T E N
i . D i e Quellen a) Das Problem: Der Aussagewert des Begriffes amicitia et societas
163 . . .
163
b) Die Überlieferung: Die Gründe der begrifflichen Unklarheit in der römischen Annalistik
166
]^. 2. Inhalt, Bedeutung und Wandlung des Fetialrechts in der römischen Außenpolitik
171
3. Die Rechtsstellung der Verbündeten vor dem Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges
181
a) Der Aitolervertrag von 212 v. Chr
181
b) Der Friede von Phoinike
207
c) Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen Roms im hellenistischen Osten am Vorabend des Zweiten Makedonischen Krieges . .
221
d) Die analoge Entwicklung im Westen: Die römischen Beziehungen zu Syphax und Massinissa 4. Der Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges
229 234
a) Die historischen Ursachen
234
b) Die rechtliche Begründung des Krieges
248
5. Die amici et socii Roms im zweiten Jahrhundert v. Chr
260
a) Die praktische Auswirkung der römischen Suprematie auf ihre Rechtsstellung
260
b) Die Entwicklung des römischen Vertragsrechtes auf Grund der inhaltlichen Veränderung der amicitia
265
c) Die Entwicklung der amicitia zur völkerrechtlichen Klientel nach 168 v. Chr
269
Literaturverzeichnis
275
Abkürzungen
279
Namen-und Sachregister
281
Quellenregister
291
EINLEITUNG Jede Beschäftigung mit den Grundzügen der römischen Außenpolitik beginnt mit der Frage nach der anzuwendenden Methode der Darstellung, da einerseits jede Untersuchung von Rechtsnormen ganz besonders eine systematische Behandlungsweise verlangt, andererseits aber die Quellenlage der Geschichte der römischen Republik weitgehendst die Herauslösung eben dieser Normen aus dem Fluß der politischen Ereignisse unumgänglich macht und damit eine historische Behandlung des Problems nahelegt. Ein Völkerrecht im Sinne moderner Vorstellungen war den Römern unbekannt, so daß von unseren antiken Autoren auch keine theoretische Behandlung dieser Frage erwartet werden kann. Darüber hinaus bleiben die von ihnen verwandten Begriffe zur Bezeichnung völkerrechtlicher Beziehungen (libertas, amiciticty societas) aus zunächst nicht interessierenden Gründen Undefiniert und werden synonym oder widersprüchlich gebraucht. Das Problem stellt sich also nicht aus einer vorgefaßten Konzeption der Römer selbst, sondern ergibt sich aus der Sache, d. h. aus der Verpflichtung, den Aufstieg Roms nicht nur als eine Frage der reinen politischen Macht, sondern auch der ihr aufgesetzten rechtlichen Ordnungsfaktoren zu stellen. Der zunächst naheliegende methodische Weg, die zur Erkenntnis und Darstellung der Struktur der zwischenstaatlichen Beziehungen Roms notwendigen Begriffskategorien und ihre exakte Definition den antiken Quellen zu entnehmen, erweist sich damit von vorneherein als ungangbar. - Trotz dieser für eine juristische Erfassung der internationalen Rechtsnormen denkbar ungünstigen Quellenlage hat sich TH. MOMMSEN, der in Bd. III seines Römischen Staatsrechtes als erster die Beziehungen zwischen Rom und dem Ausland umfassend zu klären versucht hat, für eine systematische Behandlung entschieden, ohne der Gefahr entgangen zu sein, von der festgestellten Norm divergierende historische Ereignisse oder historisch gegebene Sachzusammenhänge aufzuheben bzw. beiseite zu lassen. Nach MOMMSEN hat Rom zu keiner Zeit seiner Geschichte fremde Staaten als ebenbürtig anerkannt. Für ihn war der Bundesgenossenschafts vertrag „der Sache nach ein Unterwerfungsvertrag" (S. 650), der dementsprechend „auf ewige Zeiten in abhängige Wehrgemeinschaft-mit den Römern getretene und somit reichsangehörige Staaten" (S. 645) schuf. Die außeritalischen socii Roms stehen demnach im selben Untertanenverhältnis zu Rom wie die latinischen und italischen foederati und bilden lediglich eine minder konsolidierte Erweiterung der italischen Wehrgemeinschaft.
Einleitung
2
Gegen diesen statischen Aufriß der römischen Außenpolitik hat bereits E. TÄUBLER 1 die Existenz einer echten auf Zusammenarbeit angewiesenen und ausgerichteten völkerrechtlichen Ordnung für die Mittlere Republik nachgewiesen. Methodisch beschritt er denselben Weg wie MOMMSEN, d. h. er systematisierte die aus den erhaltenen Bundesgenossenschaftsverträgen des bereits konstituierten Imperiums gezogenen vertragstechnischen Schlüsse, obwohl der Untertitel seines Buches („Studien zur Entwicklungsgeschichte des römischen Reiches") den Versuch einer mehr historisch gerichteten Betrachtungsweise ankündigte. So war es erst das Verdienst von L. E. MATTHAEI und A. HEUSS 2 , den historisch gegebenen
Sachzusammenhängen einen breiteren Raum auch in der Erörterung völkerrechtlicher Grundsatzfragen einzuräumen. Die von TH. MOMMSEN vorgebildete Systematik blieb jedoch der Eckpfeiler des methodischen Aufbaus, wodurch auch die daraus erwachsene Vernachlässigung des Zeitfaktors mit allen seinen Konsequenzen übernommen wurde.3 Das zuletzt mit außenpolitischen Grundsatzfragen befaßte Buch von E. B A DIAN 4 stellt den behandelten Zeitraum (264-70 v. Chr.) unter den Begriff der Klientel, den die Römer offiziell niemals als Terminus technicus völkerrechtlicher Beziehungen gebraucht haben. BADIAN bricht damit mit der bisher in der Forschung mit Erfolg geübten Praxis, von den wenigen aus der Antike überlieferten Resten rechtlicher Ordnungsprinzipien auszugehen und von hier aus zu einer Erkenntnis der angewandten Rechtsformen und der von diesen mehr oder minder beeinflußten historischen Erscheinungen, letztlich also zu den festen Grundlagen der römischen Herrschaft, zu kommen. Der von ihm als Ausgangspunkt gewählte Begriff kennzeichnet in nursehr ungenauer Weise die Auswirkung und diejdeolozische Be^ründun^dei_xon ganz anderen Faktoren bestimmten Entwicklung Roms zur Herrin des Mittelmeerraumes, und er verzerrt notwendiger1
E. TÄUBLER, Imperium Romanum, 1913. L. E. MATTHAEI, On the Classification of Roman Allies, ClQuart. 1 (1907) S. 182 ff., A. HEUSS, Die völkerrechtlichen Grundlagen der römischen Außenpolitik in republikanischer Zeit, Klio Beih. 31, 1933. 8 Ein detaillierter Überblick über die Forschungsgeschichte erübrigt sich, da das Nötige dazu von L. GALLET, RHDFE 16 (1937) S. 270 ff. bereits gesagt ist. 4 E. BADIAN, Foreign Clienteläe (264-70 B.C.), 1958. Ich schließe mich im Folgenden der von J. BLEICKEN, Gnomon 36 (1964) S. 176 ff. geäußerten grundsätzlichen Kritik an diesem Buch vollinhaltlich an. Trotz des Einwandes von ST. I. OOST, ClPh. 62 (1967) S. 149 halte ich es nach wie vor nicht für richtig, eine Widerlegung BADIANS Punkt für Punkt zu besorgen. Ein in dieser Weise unter streng durchgeführter Prämisse geschriebenes Geschichtsbild ist nur durch ein anderes zu ersetzen, wobei die Entscheidung, welche Seite die überzeugenderen Argumente ins Feld führt, dem Leser nicht abgenommen werden kann. 2
Einleitung
3
weise den Blick in eine Zeit, in der Rom auf Bundesgenossen und Freunde angewiesen war und diesen nicht als patronus gegenübertreten konnte oder als solcher akzeptiert worden wäre. In der hier vorgelegten Arbeit soll die historische Entwicklung zum Aufbauprinzip der Untersuchung gemacht werden, da, wie gezeigt werden soll, nicht nur der Rechtscharakter der zu behandelnden völkerrechtlichen Normen dem historischen Ablauf allein zu entnehmen ist, sondern auch erst der Augenblick ihrer historischen Aktualisierung ihre mit der Entwicklung gewandelte Bedeutung für die römische Politik klar erkennen läßt. Die Normen eines sich entwickelnden Völkerrechts können nicht wie die festumrissene Ordnung einer geschriebenen Verfassung formal-abstrakt gewonnen werden, sondern sie sind ohne die Bedingungen, unter denen sie galten, nicht vorstellbar. Naturgemäß verlagert sich bei dieser Sicht der Schwerpunkt von der Herausarbeitung unveränderlicher Formen des Völkerrechts zu einer Entwicklungsgeschichte des internationalen Rechtsverkehrs, wobei eine Klärung der vielfach umstrittenen historischen Abläufe vorauszugehen hat. Es bleibt jedoch das Endziel jeder Einzeluntersuchung, die allgemeine Struktur einer zwischenstaatlichen Rechtsordnung herauszufinden, die in einer Zeit der römischen Außenpolitik angenommen werden muß, in der diese die rudimentären Anfänge einer latinischen Polis längst hinter sich gebracht hatte. Ziel und Zweck der Untersuchung ist es demnach, neben den von E. TÄUBLER und A. HEUSS schon weitgehend dargestellten formalen Möglichkeiten des Völkerrechts Inhalt, Anwendung und Wandlung der Rechtsnormen zu zeigen, mit denen Rom aus einem italischen Stadtstaat unter vielen zur Herrin der Welt im 2. Jahrhundert v. Chr. wurde. Am Beginn steht eine (nach TÄUBLER und HEUSS) erneute eingehende Behandlung der detfitiOy die als Rechtsinstitut ureigenster römischer Prägung am ehesten einen Einblick in das Wesen der römischen Außenpolitik zu geben vermag. Ihre Rechtswirkung übertrug das uneingeschränkte Spruchrecht über den Dedierten auf das römische Volk, ohne daß Rom daraus grundsätzlich immer die nächstliegende Konsequenz, die Übernahme der direkten Herrschaft, gezogen hätte. Die Anwendung bzw. Nichtanwendung dieser Konsequenz hängt vielmehr von der historischen Situation ab, was auf eine Elastizität der römischen Diplomatie deutet, die rechtlich eine weitestmögliche Flexibilität der angewandten Rechtsform voraussetzt und der als politische Maxime das Bemühen zugrunde liegt, die überkommenen Rechtssätze mit der historischen Realität möglichst zwanglos in Einklang zu bringen. Dasselbe gilt für das Rechtsverhältnis der amicitia. Die formalrechtliche Seite dieses Verhältnisses bedarf nach der grundlegenden Behandlung von A. HEUSS keiner Erörterung, so daß sich die Untersuchung auf die rechtliche und historische Einordnung
4
Einleitung
der amicitia et societas, von der nur der Name und die Tatsache überliefert sind, beschränkt. Beide in dem zu eruierenden Begriff vereinigten internationalen Rechtsformen der amicitia und societas sind der römischen Diplomatie seit Beginn einer römischen Außenpolitik bekannt gewesen. Ihre Anwendung im Verlauf der Entwicklung muß daher den einzig Erfolg versprechenden Ansatzpunkt zur Klärung des von unseren antiken Autoren Undefiniert gelassenen Verhältnisses abgeben. Historisch kumulieren alle Fragenkomplexe - die Dedition, die mögliche Aufhebung ihrer Rechtswirkung und die Abhebung dieses Vorganges von den von rein politischen Faktoren bestimmten Freilassungsdekreten sowie die Bedeutung der amicitia et societas - in den ersten Jahrzehnten des römischen Ausgreifens in das östliche Mittelmeerbecken, so daß erst die Behandlung dieser völkerrechtlichen Formen eine abschließende Beurteilung der römischen Politik zu Beginn der Weltherrschaft erlaubt. Gerade bei der Behandlung dieses Zeitabschnittes wird es sich zeigen, daß die Erfüllung praktischer Bedürfnisse den bestimmenden Wesenszug der römischen Außenpolitik ausmacht und das schließliche Ergebnis, die sachliche Identität von amicitia und societas, keine Frage juristisch doktrinärer Diskussion, sondern historischer Zusammenhänge war. Die Begründung der zeitlichen Beschränkung auf das 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. ist damit im wesentlichen bereits gegeben, wobei davon ausgegangen werden muß, daß die Quellenlage eine ähnliche Fragestellung für die Zeit des 5. und 4. Jahrhunderts von vorneherein ausschließt. Im 2. Jahrhundert hat der sich seit 168 v. Chr. vollziehende Wandel der politischen Machtverteilung jedes völkerrechtliche Verhältnis zur völligen Bedeutungslosigkeit verurteilt, da jede wie auch immer formulierte zwischenstaatliche Beziehung nur soviel wert sein kann wie die Fähigkeit der Partner, ihre Souveränität gegen Übergriffe des Kontrahenten zu wahren. Die durch und seit Pydna fehlende machtpolitische Voraussetzung einer auf Zusammenarbeit beruhenden Rechtsordnung mußte dementsprechend in Rom zwangsläufig jeden Gedanken an rechtliche Schranken und Verpflichtungen verkümmern lassen. Es blieb als einzig denkbare und praktikable Alternative zur Unabhängigkeit der früher völkerrechtlich gebundenen Staaten die politische Selbstaufgabe des Schwächeren, ebenso paradigmatisch wie dramatisch gekennzeichnet durch das Testament des letzten Attaliden, mit dem er sein Reich den Römern vererbte und sie zur direkten Herrschaftsübernahme zwang. Von hier aus beginnt jedoch ein neues Kapitel der römischen Geschichte.
Ι DIE D E D I T I O N
ι. Formular, Vorbedingungen und Abschluß Die Dedition zählt nach der Aussage der hier durchaus glaubwürdigen annalistischen Überlieferung zu den ältesten Formen des römischen Völkerrechtes: mos vetustus erat Romanis, cum quo nee foedere nee aequis legibus inngeretur amicitia, non prius imperio in eum tamquam pacatum uti} quam omnia divina humanaque dedidisset, obsides accepti, arma adempta, praesidia urbibus imposita forent (Liv. 28, 34, 7). Dementsprechend berichtet Livius (1, 38, 1-3) das Deditionsformular am vollständigsten bereits anläßlich des legendären Krieges des Tarquinius gegen die sabinische Stadt Collatia: deditos Collatinos ita accipio eamque deditionis formulam esse: rex interrogavit: estisne vos legati oratoresque missi α populo Conlatino, ut vos populumque Conlatinum dederetis? sumus. estne populus Conlatinus in sua potestatef est. deditisne vos populumque Conlatinum, urbem, aquas, terminos, delubra, utensilia, divina humanaque omnia in meam populique Romani dicionem? dedimus. at ego reeipio.1 Durch Frage und Antwort wird zunächst die Legitimation der Vertreter des sich dedierenden Staates festgestellt. Es folgt, als unabdingbare Voraussetzung des Deditionsaktes, die Frage, ob der Staat in sua potestate, also souverän ist.2 1
Polyb. 36,4,2 (über die Rechtsfolge der Dedition Karthagos im Frühjahr 149 v.Chr.): ol γαρ δίδοντες αυτούς εις τήν 'Ρωμαίων έπιτροπήν διδόασι πρώτον μεν χώραν τήν ύπάρχουσαν αύτοΐς και πόλεις τάς έν ταύτη, σύν δέ τούτοις ανδρας και γυναίκας τους υπάρχοντας έν τη χώρα και ταϊς πόλεσιν απαντάς, ομοίως ποταμούς, λιμένας, Ιερά, τάφους, συλλήβδην-ώστε πάντων είναι κυρίους 'Ρωμαίους, αυτούς δέ τους δίδοντας απλώς μηκέτι μηδενός. Weniger vollständig: Syll.3 646, Ζ. 17-21 (s. S. 81). Liv. 7, 31, 4 {deditio Gapuas 343 v. Chr.). 9, 9, 5 (theoretisdie Erörterung einer möglidien deditio in den caudinischen Pässen). Vgl. Plautus, Amphitruo 259. 2 Vgl. Liv. 31,45,4.
Die Dedition
6
Erst nach bejahender Antwort erfolgt die eigentliche Übergabe, die mit der Annahme derselben durch den römischen Imperiumträger endet. Die Fixierung des Deditionsformulars offenbart nicht nur die Übergabe der drei Rechtskategorien von res publicae, privatae und sacrae, sondern nennt den bestimmenden Wesenszug dieser drei Gruppen im einzelnen: Der Verlust der potestas bedeutet den Verzicht auf die potestas über urbs, agri, aqua, humanaque omnia publica. Die res sacrae hören auf, dem Dedierten zu gehören, d. h. termini und delubra. Schließlich die res privatae: utensilia humanaque omnia privata? Dem Ermessen des Siegers werden somit alle Elemente des Staats- und Privatrechts anheimgestellt. Der Annahme der deditio können Bedingungen vorausgehen. Da die Dedition in jedem Fall nach Aussage des Deditionsformulars eine unbedingte ist, können sie nicht derart sein, daß sie dem Sieger Verpflichtungen gegenüber dem Dedierten auferlegen, die inhaltlich die Existenz eines souveränen Gemeinwesens voraussetzen und zeitlich über den eigentlichen Deditionsvollzug hinausreichen. Als erstes waren Zugeständnisse des Siegers über den praktischen Vollzug der Übergabe möglich, die darauf hinausliefen, Leib und Leben der sich Dedierenden zu schonen, und die von römischen Oberkommandierenden in den Fällen vereinbart wurden, in denen sich die bevorstehende Belagerung als sehr schwer und der Gegner als sehr hartnäckig erwies.4 254 v. Chr. dedierte sich die Bevölkerung von Panormos, die sich nach dem nach kurzer Belagerung erfolgten Fall der Neustadt in die Altstadt retten konnte, unter der Bedingung, daß jedem Bürger, der in der Lage war 2 Minen zu zahlen, Leben und Freiheit zugestanden wurde.5 Die Bürger der Stadt erkannten damit an, daß sie zu rechtlosen Sklaven des Siegers geworden waren, und kauften sich für den vereinbarten Preis los, soweit es ihre finanzielle Lage zuließ.6 Die Armen der Stadt, 13000 an der Zahl, für die 2 Minen unerschwinglich waren, wurden konsequenterweise an Ort
3
M. VOIGT, Die Lehre vom ius naturale aequum et bonum und ius gentium der Römer II, Leipzig 1858, S. 263 ff., F. BENDER, Antikes Völkerrecht, 1901, S. 44ff. 4 War dies nicht der Fall, lehnten die römischen Feldherrn die Verhandlungen ab. Im spanischen Krieg bieten Legaten Caesar die Übergabe an, si sibi vitam concederet. Caesar geht jedoch nicht darauf ein, sondern antwortet: se Caesarem essefidemquepraestaturum (b. Hisp. 19, 5 f.). 5 Diod. 23, 18, 4 f. vgl. Polyb. 1, 38, 7-10. Zonar. 8, 14, 8. 6 Ähnlich kapitulierten nach der Sdilacht bei Cannae 10 000 Römer, denen nach Zahlung eines vereinbarten Lösegeldes freier Abzug gewährt werden sollte: Liv. 22, 52, 2-3; 58, 4. vgl. Polyb. 6, 58, 5. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 20 weist allerdings zu Recht darauf hin, daß hier keinesfalls eine deditio vorliegt, die nur mit Bezug auf ein Staatswesen ausgesprochen werden kann, sondern eine Gefangengabe.
i
nular, Vorbedingungen und Abschluß
7
und Stelle mit der übrigen Beute verkauft. Die Stadt selbst wurde mit römischen Truppen besetzt. Deutlicher erhellt den Tatbestand die Dedition Phokäas 190 v. Chr.7 Nach dem ersten vergeblichen Versuch, die Stadt im Sturm zu nehmen, brach der Praetor Aemilius Regillus die Feindseligkeiten ab, ne obiceret incautos furentibus desperatione ac rabie (§ 6), und verlegte sich aufs Verhandeln: si absistere furore vellent, potestatem iis dari eadem condicione, qua prius C. Livii in fidem venissenty se tradendi (§ 9). 8 Daraufhin öffneten die Phokäer die Stadttore, paed, ne quid hostile paterentur (§ 10), und erhielten, nachdem der Praetor unter Einsatz seiner Person ihr Leben vor der um ihre Beute gebrachten Soldateska schützen konnte, ihren Status als selbständige Gemeinde zurück: urbem agrosque et suas leges iis restituit (§ 13. Zu dem Rechtscharakter eines solchen Restitutionsaktes s. S. 69 ff.). Diese Aufzählung der aus dem Deditionsformular bekannten typischen Souveränitätsmerkmale eines völkerrechtlich anerkannten Gemeinwesens sowie die Formulierung des römischen Angebotes (potestatem iis dari) zeigen klar, daß der entscheidende Wesenszug der deditio, der uneingeschränkte Verzicht auf das eigene Staatswesen, durch derartige Zusicherungen des römischen Feldherrn nicht durchbrochen wird.9 Gleichzeitig wird deutlich, 7
Liv. 37, 32,1-13. Die Stadt hatte sich 191 schon einmal den Römern dediert, wurde aber als selbständiges Gemeinwesen wiederhergestellt und zu harten Tributzahlungen sowie zur Aufnahme und Verpflegung der römischen Flottenmannschaften gezwungen. Aus diesem Grund fiel die Stadt nach dem Seesieg des Polyxenidas im Frühjahr 190 über die rhodische Flotte wieder zu Antiochos ab: Polyb. 21, 6, 2ff. Liv. 36, 43, 11 ff. 37, 9, 1. App. Syr. 22. B. NIESE, Geschichte III, S. 719 denkt an den Abschluß eines Bündnisses mit Rom, jedoch drüdet der von Livius (37, 9, 4; 32, 11) gebrauchte Terminus socius in dieser Zeit meist nur den Tatbestand formloser militärischer Zusammenarbeit und nicht das Bestehen eines Bundesgenossenschaftsvertrages aus, s. S. 163 ff. 9 In diesen Zusammenhang gehören zwei Fälle, in denen Vereinbarungen zugunsten eines Dritten, der außerhalb des eigentlichen Deditionsvorganges steht, überliefert sind: Polyb. 21, 29, 14 f. zur deditio Ambrakias 189 v. Chr. in der letzten Phase des römisch-aitolischen Krieges: ol μέν γαρ Άμβρακιώται πεισθέντες υπό του βασιλέως επέ τρεψαν τα καϋ* αυτούς τφ στρατηγφ των 'Ρωμαίων καΐ παρέδωκαν τήν πόλιν έφ* φ τους Αιτωλούς ύποσπόνδους άπελθεΐν (vgl. 21, 30, 9)· Diese Bestimmung betrifft also nur die Hilfstruppen der verbündeten Aitoler, der ihnen gewährte freie Abzug schränkt die Verfügungsgewalt über die dedierten Ambrakioten nicht ein. Ähnlich handelt Marcellus bei der Einnahme von Syrakus mit dem außerhalb der Stadtmauern stehendem Heer der Syrakusaner bestimmte Vereinbarungen über die Behandlung der Stadt nach der Übergabe aus. (Liv. 25, 28, 3). Die Übergabe selbst sollte bedingungslos geschehen (Liv. 25, 29, 4: nunc - extemplo venimus ad tradenda arma, dedendos nos urbem, moenia, hullam recusandam fortunam, quae imposita α vobis fuerit). A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 68 f. (ähnlich E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 19 Anm. 2), der den beiden Fällen eigentümlichen 8
8
Die Dedition
wie flexibel das Instrument der Dedition zu handhaben war und wie weitgehend der römische Imperiumträger im Kriege seine Entscheidungen den militärischen Gegebenheiten anpassen konnte.10 Zweitens lassen sich drei Bedingungen feststellen, die einseitig den zur deditio bereiten Gegner verpflichten und den realen Vollzug der Übergabe so absichern sollen, daß der Sieger keiner Schein-deditio zum Opfer fällt. Sie konnten daher nur zu Vorbedingungen der Deditionsannahme gemacht werden und gingen zeitlich der Übergabe immer voraus. Erste Bedingung ist die Abgabe der Waffen, die Schutz vor Hinterhalt bieten sollte,11 zweite die Auslieferung der feindlichen Führer,12 dritte die Verpflichtung, Geiseln zu stellen,13 was aus demselben Grund Wesenszug - Abmachung zugunsten eines Dritten, der nicht Subjekt der deditio ist richtig herausgestellt hat, geht jedoch, wie die Deditionen von Panormos und Phokaia zeigen, zu weit, wenn er grundsätzlich Bedingungen, die den realen Ablauf der Dedition regeln, nicht aber ihren Rechtscharakter verändern, leugnet. 10 Vereinbarungen konnten und wurden natürlich auch in den Fällen getroffen, in denen die Stadt bereits erobert und geplündert war, ein Teil der Bewohner sich aber an besonders befestigten Stellen, zum Teil durch auswärtige Hilfstruppen unterstützt, halten konnte. 198 v. Chr. gaben die Verteidiger des euböischen Karystos die Stadt kampflos auf und zogen sich auf die Burg zurück, inde ad fidem ab Romano petendam oratores mittunt. oppidanis extemplo vita ac libertas concessa est; Macedonibus treceni nummi in capita statutum pretium est, et ut armis traditis abirent (Liv. 32, 17, 2. vgl. Paus. 7, 7, 9; 8, 1). Im selben Jahr stürmte Flamininus nach langer Belagerung Elateia und mußte den noch die Burg haltenden makedon. Schutztruppen den Abzug ohne Waffen und den Elateiern die Freiheit versprechen, um den letzten "Widerstand zu brechen (Liv. 32, 24, 7). 11 Liv. 29, 3, 2 f.: quibus culpam in auctorem belli... conferentibus tradentibusque arma et dedentibus sese responsum est in deditionem ita accipi eos, si Mandonium ceterosque belli concitores tradidissent vivos; si minus, exercitum se in agrum Ilergetum Ausetanorumque et deinceps aliorum populorum ducturos. Caes. b. G. 2, 32, 1: deditionis nullam esse condicionem nisi armis traditis. Caes. b. G. 2, 33, 2. Liv. 28, 34, 9. Vgl. Liv. 2, 30, 15 (Velitrae). 5, 27, 14; 32, 3 (Falerii; anders Diod. 14, 96, j). 6, 8, 10 (Volsker im J. 386). 7, 19, 1 (Tibur). 28, 34, 7. 29, 3, 1 f. Polyb. 36, 6, 5. Wie weit die Interpretation von Waffen und Kriegsmaterial gehen konnte, zeigt App. Mithr. 96 an der Dedition der kilikischen Seeräuber: Κίλικες ... άπαντες εαυτούς ένεχείρισαν, δπλα τε όμοϋ ( = vor der deditio) πολλά, τα μέν έτοιμα τα δέ χαλκευόμενα, παρ έδωκαν, και ναΰς τάς μέν ετι πηγνυμένας τάς δ* ήδη πλεούσας, χαλκόν τε καΐ σίδηρον ές ταύτα συνενηνεγμένον και όθόνας και κάλως κά ΰλην ποικίλην (Ε. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 20 Anm. 5). 12 Liv. 4, 10, 3 (Volsker). 29, 3, 3 (s. o.). 8, 20, 6 (Privernum). 36, 28, 3. Dion. Hai. 10, 24, 6 (Aequer im J. 458). Sali. Jug. 28, 2 (Die von Calpurnius ohne Auslieferung des Jugurtha angenommene Dedition wird im Senat verworfen: 19 f.). 13 Diod. 19, 10, 2 (Lanuvium). Liv. 5, 27, 14. 8, 20, 6. 9, 20, 4. 22, 20, 11. 28, 34, 7. 29, 3, ) . Polyb. 36, 5, 6. Caes. b. G. 6, 9, 6. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 20 f. (ergänzend Bellum Helveticum, 1924, S. 123, zustimmend FR. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, i960, S. 53 f.) hat diesen drei möglichen Vorbedingungen als vierte die Zahlung der Kriegskosten, die nach der deditio geleistet werden soll, hinzugefügt. Nun ist es. von vorn-
l^..nulary Vorbedingungen und Abschluß
9
wie die Waffenabgabe gefordert worden sein muß. Auf die Unmöglichkeit, auf Grund dieser Bedingungen eine eigene Klasse der deditio conditionata zu erschließen,14 hat schon E. TÄUBLER hingewiesen. Die hier abgelehnte Forschung glaubte, alle Deditionen, bei denen Vorbedingungen überliefert sind, als eigene Deditionsart neben die sonst übliche bedingungslose Übergabe stellen zu können. Alle Bedingungen gehören jedoch vielmehr in den Vorgang der Dedition in der Weise hinein, daß sie rechtlich und zeitlich vor dem Deditionsabschluß liegen, und keine Verpflichtung für einen der beiden Partner, an die nach der Dedition zu appellieren wäre, formulieren. Geht der Besiegte auf die Vorbedingungen nicht ein, so findet keine Dedition statt und der Krieg nimmt seinen Fortgang. Als eine besondere Vorbedingung, die den schon angeführten nicht wesensgleich ist, da sie den Besiegten nicht verpflichtet, gilt der Grundsatz, daß das Deditionsangebot nur rechtzeitig erfolgen kann, bevor der Sturmbock die Stadtmauer berührt hat: se... civitatem conservaturum, si prius quam murum aries attigissety se dedissent.15 E. TÄUBLER sieht die Erklärung dafür zu Recht in dem
herein auf Grund der von Täubler richtig erkannten Rechtswirkung der Dedition, die in der Selbstverniditung des sich Dedierenden besteht (s. u.), prekär, an Nebenbedingungen zu denken, deren Erfüllung zwangsläufig erst nach der Dedition = Selbstvernichtung möglich sein kann. Unsere Quellen vermitteln denn auch ein anderes Bild: Demnach wurde die Erstattung der Kriegskosten dann verlangt, wenn die dedierte Stadt aus der Rechtswirkung der deditio entlassen und als souveräne Gemeinde wiederhergestellt wurde. Diese Forderung war also Bestandteil des Restitutionsaktes und hatte mit der Dedition nichts zu tun; vgl. Liv. 29, 3, 5 und die oben geschilderte erste Dedition Phokäas; A. HEUSS, Volk. Grdl.S. 67 f. 14 So BRISSONIUS, de formulis et solemnibus populi Romani verbis, Paris 1583, S. 398. GROTIUS, de iure belli ac pacis II 15, 7, 2; III, 4, 12; II, 5, 31; M. VOIGT, a.a.O. S. 281 Anm. 302 und neuerdings wieder S. CALDERONE, Fides S. 72fT. (Dagegen E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 19 f., A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 68). Der Ausgangspunkt dieser Theorie beruht zudem auf einer falschen Textinterpretation, die wieder einmal zeigt, zu welchen Fehlschlüssen ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat führen kann. Livius spricht zwar von »traditum per condiciones", meint aber keinesfalls damit eine Dedition, wie schon ein flüchtiger Blick auf das ganze Kapitel gezeigt hätte. Die Bürger Sutriums, socii Roms, werden von etruskischen Truppen eingeschlossen und gezwungen, ehe römische Hilfe eintreffen kann, die Stadt „per pactionem" (6, 3, 3; 3, 10: per condiciones) zu übergeben, worauf sie waffenlos und ohne ihre Habe die Stadt verlassen. Damit stellt sich die Bürgerschaft nicht freiwillig unter die absolute Gewalt des Siegers - und das allein besagt die Dedition -, sondern sie verläßt gegen die vertraglich gemachte Zusicherung des freien Abzuges ihre Stadt, die daraufhin der Sieger in Besitz nimmt. 15 Caes. b. G. 2, 32. Vgl. Liv. 2, 17, 5. 4, 29, 4. 7, 27, 7. Anders 7, 16, 6. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 21 f., U. v. LÜBTOV, Das römische Volk. Sein Staat und sein Recht, 1955, S. 643, E. SECKEL, Über Krieg und Recht in Rom. Kaisergeburtstagsrede, 1915, S. 18.
Die Dedition
ΙΟ
Kriegsbrauch, nach dem eine Stadt, die der Mauerbrecher berührte, als erobert und den Soldaten verfallen galt. Angeboten wird die Dedition von bevollmächtigten Gesandten des sich dedierenden Staates, die bei Livius terminologisch als „oratores" bezeichnet werden. Möglicherweise sind in der Frühzeit darunter die Fetiaien zu verstehen.16 Die Annahme der deditio erfolgt in der Regel durch den Konsul, Praetor oder seit 326 v. Chr. durch den Promagistrat, da im Krieg in ihnen die römische Staatsgewalt zunächst zum Ausdruck kommt.17 In Einzelfällen konnte dieses Recht eines römischen Imperiumträgers auf einen Legaten mandiert werden.18 Der Deditionsabschluß vor dem Senat erfolgte nur bei einer Dedition im Frieden (S. 56 ff), was allerdings in der Natur der Sache begründet liegt, da nur dann eine Gesandtschaft des sich dedierenden Staates nach Rom praktisch möglich war. 19 Die Mitwirkung des Volkes ist nicht bezeugt und nach dem Wesen der Sache auch nicht anzunehmen, da der römische
F. HAMPL, Römische Politik in republikanischer Zeit und das Problem des „Sittenverfalls", HZ 188 (1959) S. 520 Anm. 1 lehnt die Existenz dieser Vorbedingung mit der Begründung ab, daß Caes. b. G. 2, 32 eine zu sdimale Basis sei, um einen solchen Schluß zu reditfertigen, zumal Caesar nur von seiner „Gewohnheit" und nicht vom allgemein gültigen Kriegsrecht Roms spreche (zustimmend H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 201 Anm. 3). Hinzukäme nadi F. HAMPL, daß die Deditionen Phokäas (Liv. 37, 32) und Satricums (Liv. 7, 27, 7 z. J. 348) angenommen wurden, obwohl das Sturmgerät bereits die Mauern berührt hatte. E. TÄUBLER weist jedoch zu Recht auf Cic. de off. 1, 11, 35 hin, dessen Raisonnement gerade beweist, daß das Gegenteil der Regelfall war: cum iis, quos vi deviceris, consulendum est, tum ii, qui armis positis ad imperatorum fidem confugient, quamvis murum aries percusserit, recipiendi. Dieser Beleg wird durch die Schilderung des Liv. 7, 16, 6 über die Dedition von Privernum (357 v. Chr.) gestützt: ... cum iam scalas moenibus admoverent, in deditionem urbem acceperunt. Außerdem ist die Eroberung Satricums von Livius eindeutig als solche und nicht als Dedition geschildert: Die Übergabe der 4000 Soldaten geschieht außerhalb des Verhaltens der Bürgerschaft (ad quattuor milia militum praeter multitudinem inbellem sese dedidere), so daß sie, da eine Dedition nur durch einen souveränen Staat ohne Einschränkung rechtsgültig vollzogen werden kann, nur als Gefangengabe verstanden werden kann. Die Beweise F. HAMPLS reichen daher m. E. nicht aus, um die Gültigkeit der von E. TÄUBLER festgestellten Regel zu bezweifeln, wobei allerdings zugegeben werden muß, daß die Entscheidung des Feldherrn in jedem Einzelfall den Grundsatz modifizieren konnte. 18 Vgl. TH. MOMMSEN, RStR II, S. 6γ6. Nadi Liv. 8, 20, 6 wiesen sie sich durch einen Heroldsstab aus. 17 Liv. 8, 12, 6: Publilio, cuius ductu auspicioque res gestae erant, in deditionem accipiente Latinos populos. Vgl. Liv. 7, 19, 1. 8, 20, 6; 15, 2. 9, 16, 1; 24, 13. Polyb. 21, 29, 14. App. Iber. 96. Sali. lug. 62, 3. Caes. b. G. 3, 16, 3. Cic. de off. 1, 11, 35. 18 Liv. 28, 22, 1; 23, 5. App. Mithr. 94. 10
Vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 133 f.
λ-ajeck und Rechtswirkung der Dedition
II
Staat im Falle der Deditionsannahme keinerlei Bindungen einging, sondern den Verzicht des sich dedierenden Gemeinwesens auf die eigene Existenz zugunsten Roms annahm.
2. Zweck und Rechtswirkung der Dedition Zweck der Übergabe, die zwar unter dem Druck der drohenden Niederlage aber freiwillig (sua voluntate) geschieht, ist es, die Folgen der occupatio bellica nach Möglichkeit abzuwenden. So heben die Quellen den Gegensatz der rohen Gewalt bei der Eroberung und den Verzicht auf jede Gewalttätigkeit bei der Besetzung eines dedierten Staates hervor: captas non deditas urbes diripi.1 In vielen Fällen stieß diese großzügige Behandlung auf den energischen Widerstand der siegreichen Truppen, für die jeder Krieg mit einem Beutezug identisch war, eine in der ganzen Antike selbstverständliche Einstellung, der jeder Feldherr 1
Liv. 37, 32, 12 (Dedition Phokäas 190 v. Chr. s. o.). Besonders charakteristisch Liv. 30, 7, 2: mox eodem patentibus portis Romani accepti; nee quiequam hostile, quia voluntate concesserant in dicionem, factum. Duae subinde urbes captae direptaeque. Ea praeda et quae castris incensis ex igne rapta erat militi concessa est. Liv. 44, 9, 1: fidem clementiamque Romanorum quam vim expediri mallent. Liv. 39, 54, 11: neque senatui placere deditos spoliari. 203 v. Chr. verweigerte Scipio nach dem Bruch des Waffenstillstandes durch Karthago auf seinem weiteren Vormarsch die Annahme der Dedition und versklavte die Einwohner der gestürmten Städte: αυτός μέν έπεπορεύετο τάς πόλεις, ούκέτι παραλαμβάνων εις τήν πίστιν τους έϋελοντήν σφάς αυτούς εγχειρίζοντας, άλλα μετά βίας άνδραποδιζόμενος (Polyb. 15, 4» 0· I m dritten Mithradatischen Krieg werfen die Soldaten des Licinius Lucullus ihrem Feldherrn vor, δτι πάσας προσάγεται τάς πόλεις, κατά κράτος δέ ούδεμίαν ήρηκεν ουδέ παρέσχηκεν αύτοΐς ώφεληΟήναι διαρπάσασιν (Plut. Luc. 14, 2). Auch in der Kaiserzeit änderte sich an dieser Einstellung nichts. Als sich im Jahre 49 n. Chr. die kaukasische Stadt Uspe gegen die überlegene römische Belagerungskunst nicht halten konnte, bot sie unter bestimmten Bedingungen die Kapitulation an. Der römische Kommandant C. Julius Aquila, der sich nicht in der Lage sah, die zu erwartende Masse der Gefangenen ausreichend zu bewachen, lehnte die Dedition mit der Begründung ab, daß es grausam sei, Dedierte niederzumetzeln, da sei es besser, sie fielen nach Kriegsrecht: quia trueidare deditos saevum, tantam multitudinem custodia cingere arduum belli potius iure caderent (Tac. ann. 12, 17). Ebenso Tac. Hist. 3, 19: expugnatae urbis praedam ad militemy deditae ad duces pertinere. Vgl. Liv. 2, 17, 6. 6, 3, 8. 6, 29, 7. 8, 13, 8 u. 12. 26, 32, 7. 28, 43, 14. 29, 38, 1. 32, 32, 10. Sali. Jug. 36, 1. Cic. de off. 1, 11, 35. ad. Brut. 1, 3, 4. Plin. n. h. 3, 72. O. KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte I, 1885, S. 293, A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 62f. Die Verweigerung der Dedition forderte demgegenüber die Rache des Siegers geradezu heraus. 200 v. Chr. wurde das epirotische Antipatreia, das es abgelehnt hatte zu kapitulieren, dem Erdboden gleich gemacht, seine männlichen Bewohner verfielen dem Beil des Henkers, während Frauen und Kinder samt der beweglichen Habe an die Soldaten fielen: Liv. 31, 27, 2 f.
12
Die Dedition
Rechnung zu tragen hatte, und die in vielen Fällen eine aus politischer Zweckmäßigkeit oder persönlicher Milde entschiedene Schonung zunichte machte.2 Der Feldherr selbst nahm bei jeder Deditionsannahme in Kauf, daß ihm in Rom auf Grund des unblutigen Sieges der Triumph verweigert wurde. Das beweist neben dem wohl seit der Mitte des 2. Jhdts. geübten Grundsatz, nur dann einen Triumph zu bewilligen, wenn mindestens 5000 Feinde in der Schlacht gefallen waren,3 der Streit um den Triumph des Fulvius Nobilior, der 189 v. Chr. Ambrakia und die die Stadt verteidigenden aitolischen Truppen zur Dedition gezwungen hatte (s. S. 7 Anm. 9). Den 187 v. Chr. heimkehrenden Prokonsul erwartete ein von seinem politischen Gegner und amtierenden Konsul A. Aemilius durchgesetzter Senatsbeschluß, Ambraciam vi captam esse non videri,* durch den die Abhaltung des Triumphes unmöglich gemacht wurde. Es bedurfte des eingehenden Beweises durch Nobilior, daß trotz der deditio der Stadt eine langwierige Belagerung durchgeführt werden mußte und in mehreren Ausfällen und Sturmversuchen über 3000 Feinde getötet worden waren, um doch noch zum Triumph zu gelangen (Liv. 39, 4, 9 ff.). Im Wesen der Dedition liegt also der Appell an die Milde des Siegers, weil der sich Dedierende die kampflose Übergabe dem Kampf bis zur Entscheidung vorzog und damit auch die Kräfte des zu erwartenden Siegers schonte.5 Die Rechtswirkung der Dedition bleibt von dieser der Sache immanenten Tatsache unberührt. Wie aus dem Deditionsformular (Liv. 1, 38, iff.) folgt, endet 2 Bei der Eroberung von Syrakus 212 v.Chr. mußte M. Claudius Marcellus nadi der langwierigen Belagerung seinen Legionären die Stadtteile Neapolis und Tydie gegen seinen Willen zur Plünderung überlassen. Er vermochte allein das Leben der Einwohner zu sdiützen: Liv. 15, 25, 7. Plut. Marc. 19, 4. Sil. Ital. 14, 665 ff. MARS MCCLELLAND WESTINGTON, Atrocities in Roman warfare to 133 B. C , 1938, S. 93 ff. (Die übliche Behandlung einer besiegten Stadt vgl. bei Polyb. 10, 15 ff.)· Als nach der Dedition des kleinasiatisdien Phokäa der kommandierende Prätor Aemilius Regillus seinen in die Stadt einrüdcenden Truppen den Befehl gab, die Bewohner zu schonen, kam es zu einer regelrechten Meuterei, bei der es des persönlichen Einsatzes des Prätors bedurfte, um wenigstens einen Teil der Bevölkerung vor der plündernden Soldateska zu retten (Liv. 37» 32)· 3 Val. Max. 2, 8, 1: lege cautum est, ne quis triumpharets nisi qui quinque milia hostium una acte cecidisset. vgl. Plin. n. h. 15, 125. Serv. Aen. 10, 775. 11, 6; 790. Isid. orig. 18,2,3. 4 Liv. 38, 44, 7. vgl. Cato, in M. Fulvium Nobiliorem (H. MALCOVATI, ORF2 57, nr. 148. dazu B. JANZER, Historische Untersudiungen zu den Redefragmenten des M. Porcius Cato, Diss. Würzburg 1937, S. 18 ff.). Der ganze Streitfall bei Liv. 38, 43 f. 39, 4,
1-5, 6. H. VOLK'MANN, Massenversklavungen, S. 209 ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals
Legacy II, 1965, S. 624 ff. δ Dieser Appell an die Milde erhält durdi die loyale Erfüllung der Vorbedingungen natürlidi ein weit stärkeres Gewidit.
2.
jk und Rechtswirkung der Dedition
η
die Dedition mit der rechtlichen Vernichtung des sich Dedierenden, so daß seine Behandlung durch den Sieger logischerweise im Ermessen des Letzteren liegt. Eine rechtliche Verpflichtung, den Besiegten zu schonen, besteht demgemäß nicht, und auch das Deditionsformular enthält keine diesbezügliche Bestimmung. Es würde dies auch auf eine Durchbrechung des Deditionsvorganges hinauslaufen, weil zu den einseitigen Verpflichtungen des sich Dedierenden eine solche des Siegers treten würde, so daß das Formular zu einem Vertragsschema mit zweiseitigen Vereinbarungen erweitert würde. Somit ist die Rechtswirkung der Dedition dieselbe wie bei der Eroberung: Der Besiegte stellt ohne Einschränkung sein ganzes Herrschaftsgebiet, die Rechte seiner Bürger und seiner Götter dem römischen Ermessen anheim. Der dedierte Staat hört damit auf, als Rechtssubjekt zu existieren.6 So berichtet Livius (26, 16, 8 f.) über die Rechtsfolge der Dedition Capuas 212 v. Chr.: ager omnis et tecta publica populi Romani facta, ceterum habitari tantum quamquam urbem Capuam frequentarique placuity corpus nullum civitatis nee senatum nee plebis concilium nee magistratus esse; sine consilio publicOy sine imperio multitudinem, nullius rei inter se sociam, ad consensum inhabilem fore. praefectum ad iura reddenda ab Roma quotannis missuros.7 Es liegt ferner in der Konsequenz einer absoluten Verfügungsgewalt, daß sie an dritte Staaten übertragbar war.8 Terminologisch wird der durch die Dedition herbeigeführte Zustand in unseren Quellen durch verschiedene aber sachlich gleichbedeutende Formeln ausgedrückt: 1. in dicione esse.9 Sehr oft wird der Begriff mit anderen gleichwertigen β
ΤΗ. MOMMSEN, RStR III, S. 55ff.,E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 14 ff. (mit eingehender
Kritik der älteren Literatur), E. SECKEL, a.a.O. S. 18ff., B. KÜBLER, Geschichte des römischen Rechtes, 1925, S. inf., H. HÖRN, Foederati, S. 16ff., A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 6off., P. DE FRANCISCI, Storia del diritto romano I2, 1941, S. 391 f., U. v. LÜBTOW, a.a.O. S. 643 f., FR. DE MARTINO, a.a.O. S. 47ff., B. PARADISI, Deditio infidem.Studi di storia e diritto in onore di A. SOLMI I, 1941, S. 290, K. VON FRITZ, TAPhA 74 (1943) S. 148ff.,A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, S. 605 ff. 7 Capua erleidet also sein Schicksal nach dem in der gesamten antiken "Welt praktizierten und von Xenophon formulierten „ewig gültigen Gesetz", daß Leben und Gut der Eroberten dem Sieger uneingeschränkt gehöre: νόμος έν πάσιν άνθρώποις άίδιός έστιν, δταν πολεμούντων πόλις άλω, των έλόντων είναι και τα σώματα των έν τη πόλει και τα χρήματα (Kyros nach der Eroberung Babylons, Xenophon, Kyrup. 7, 72). Vgl. Polyb. 2, 58, 10. F. KIECHLE, Historia 7 (1958) S. 129ff., H. VOLKMANN, Massen versklavungen, S. 122 ff. 8 210 v. Chr. wird das von Sulpicius Galba eroberte Aigina dem Aitolischen Bund aus geliefert, der die Insel an Attalos weiter verkaufte: Polyb. 9, 42, 5. 22, 11, 9. vgl. E. BIKERMAN, Rev. de Phil. 65 (1939) S. 341ff.,A. HEUSS, Stadt und Herrscher, Nach druck 1963, S. 290. 9 Liv. 1, 38, 2: deditos vos ... in meam populique Romani dicionem. Liv. 28, 1, 3:
Die
*4
Dedition
Ausdrücken kumuliert. 1 0 2. mit potestas
und Imperium
als allgemeine Herr-
schaftsbezeichnungen. Beide Begriffe werden selten allein gebraucht, sondern meist in Verbindung mit dich.11
3. Ebenso verhält es sich mit den nichttechni-
schen Begriffen ins und arbitrium.12
Drückt also dicio die völkerrechtliche Ge-
walt über den Dedierten aus, so w i r d der Übergang in diesen Zustand als eigentliche deditio se permittere,
bezeichnet und z w a r in Formulierungen wie in deditionem accipere,
dicio und se dedere
regere, se dedere.12
D e n lateinischen Begriffen
venire, deditio,
entsprechen im Griechischen επιτροπή b z w . αυτούς εις την
έπιτροπήν διδόναι, 14 παραδιδόναι ( D i o n . H a i . } , 5 1 ) u n d έπιτρέπειν εαυτόν (App. Lib.
64). - D e r Unterschied zwischen Dedition und Eroberung besteht nur in
der Art und Weise, in der der Sieger seine absolute Herrschaft antritt, die danach folgende Rechtslage ist in beiden Fällen die gleiche: Oros. 4, 18, 7: Scipio civitates
aut deditione
aut hello in potestatem
redegit.15
LXXX
D a s wird v o r allem in
Hispania ... Scipionis ac Romanae dicionis erat. Die Zahl der Beispiele ist zu groß, um sie alle aufzuführen, es sind daher nur die wichtigsten genannt. Im übrigen sei auf Thes. ling. Lat. V (1910) Sp. 959ff. verwiesen. Vgl. auch M. VOIGT, a.a.O. S. 263ff., T H . MOMMSEN, RStR III S. 723 Anm. 1, E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 26 f. Die Autonomie
eines Staates wird folgerichtig mit suae dicionis esse oder in sua potestate esse bezeichnet: Liv. 24, 29, 7. 1, 38, 2 f. passim. Der Begriff in dicione esse kann auch im uneigentlichen Sinne als Umschreibung des Zustandes gebraucht werden, wie er durch einen Klientelvertrag hergestellt wird: Liv. 9, 20, 8: impetravere ut foedus daretur, neque ut aequo tarnen foedere, sed ut in dicione p. R. essent. 21, 60, 3. 41,6, 12. 10 Lex repetund. 1 (CIL I 2 583): in arbitratu dicione potestate amicitiave populi Romani. Liv. 26, 33, 12. Plaut. Amphitruo 258. 11 Cic. de leg. agr. 2, 27, 74: dicio ac potestas. Verr. 1, 38, f)j. 1, 21, 55: Imperium dicioque. Liv. 22, 20, 11. 29, 29, 10. potestas allein: Liv. 1, 38, 2. 7, 31, 6. 24, 29, 12. Imperium allein: Liv. 5, 27, 12. 8, 19, 2. 12 ins dicioque: Liv. 21, 61, 7. Sali. Cat. 20, 7. Liv. 7, 28, 21. 8, 36, 14. 9, 38, 48. Zu arbitrium s. o. 13 Selten se tradere: Liv. 34,35.10. Auch hier sei auf Thes.linq.Lat.V. (1910) Sp. 264^ hingewiesen. Auf in fidem venire wird in einem späteren Zusammenhang noch eingegangen. 14 Polyb. 2, 11, 5; 8; 11. 20, 9, 12. 21, 2, 4. 36, 2,1 f.; 3, 9; 4, 2. 15 Eine scharfe Trennung der beiden Erwerbsbegriffe Dedition und Okkupation siehe bei E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 15 f. „Nur auf dem Wege der Okkupation ist der Erwerb von Teilen eines Staatsgebietes, die Einverleibung eines ganzes Staates dagegen in beiden Erwerbsformen möglich". Die Dedition vermag nur ein souveräner Staat rechtsgültig zu vollziehen. Trotzdem haben E. TÄUBLER, S. 140 ff. und ihm folgend F. DE VISSCHER, La deditio internationale et l'affaire des Fourches Caudines, CRAI, 1946, S. 82 ff. auf Grund von App. Samn. 4 dem caudinischen Frieden einen „Deditionsvertrag" voraufgehen lassen. Liv. 9, 1 ff. (vgl. besonders 9, 9, 5 f.) weiß davon bezeichnenderweise nichts. In Wirklichkeit schlössen die Konsuln T. Veturius Calvinus und Sp. Postumius einen definitiven Friedensvertrag mit den Samniten (die Bedingungen bei Liv. 9, 4,
jck und Rechtswirkung der Dedition
η
den Fällen deutlich, in denen der Zweck der Dedition, die gewaltlose Übernahme der Herrschaft, auf Grund der absoluten Verfügungsgewalt des Siegers mißachtet und ins Gegenteil verkehrt wird, ohne daß darin ein Rechtsbruch gesehen werden könnte.16 106 v. Chr. wird Capsa, eine dem Jugurtha botmäßige Stadt im inneren Tunesien, von Marius angegriffen und zur Dedition gezwungen. Sallust berichtet über die Folgen: ceterum oppidum incensum, Numidae puber es interfecit, alii omnes venundati, praeda militibus divisa. id facinus contra ins belli non avaritia neque scelere consulis admissumy sed quia locus Jugurthae opportunus, nobis aditu difficilis, genus hominum nobile, infidum, neque beneficio neque metu coercifum.17 Demnach verstößt ein solches Vorgehen für Sallust als rückblickenden Historiker des i. Jhdts. zwar gegen das ius belli,18 aber nicht gegen die Rechtswirkung der Dedition, die den politischen Erwägungen der Römer, hier der Überzeugung, die Stadt auf die Dauer nicht halten zu können, jede Möglichkeit zu praktischen Konsequenzen offen läßt. Das hier anklingende Motiv, allein aus Gründen der politischen Zweckmäßigkeit Eroberte wie Dedierte unterschiedslos grausam zu behandeln, erhält seine klarste Ausbildung dann, wenn der römische Feldherr durch eine Taktik des Schreckens den schon geschlagenen, aber nicht zur Aufgabe bereiten Gegner in die Knie zwingen will - eine auch in der Antike durchaus geläufige, wenn auch selten erfolgversprechende Methode der Kriegführung. Als Propraetor der Hispania citerior stieß Tib. Sempronius Gracchus 179 v. Chr. in das Gebiet der zentralceltiberischen Stämme vor, verwüstete das flache Land, plünderte die dedierten Städte aus und verkaufte die Einwohner entweder in die Sklaverei oder siedelte sie, was wahrscheinlicher ist, um.19 Nach 4 f. vgl. Civ. de inv. 2, 91), der auch fünf Jahre lang in Kraft blieb und den die römischen Annalisten, da sie ihn mit ihrer Vorstellung von römischer Größe nicht in Einklang bringen konnten, durch alle nur möglichen Verfälschungen hinwegzumanipulieren trachteten. Der berühmte Marsch des römischen Heeres durch das caudinische Joch (einer aus drei Speeren gebildeten rituellen Pforte) symbolisierte die Gefangengabe und gleichzeitige Freilassung, ein in der Antike keineswegs ungewöhnlicher Vorgang, von dem der römische Staat als solcher gar nicht berührt wurde. Das Richtige in der meisterlichen Arbeit von H. NISSEN, Der Caudinische Friede, Rh. Mus. 25 (1870) S. 1 ff. und bei A. HEUSS, Klio 27 (1934) S. 40 Anm. 1, Römische Geschichte2, 1964, S. 48 f. vgl. K. J. NEUMANN, RE 6 (1909) Sp. 2822 ff. s. v. Foedus. 16 Vgl. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 64 ff. 17 Sali. Jug. 91, 6 L Flor. 3, 1, 14. H. DREXLER, Rh. Mus. 102 (1959) S. 106. 18 Wie dieses ius belli in Wirklichkeit aussah, weiß Liv. (P) 31, 30, 2 f. besser: esse enim quaedam belli iura, quae ut facere, ita pati sit fas: sata exuri, dirui tecta, praedas hominum pecorumque agi misera magis quam indigna patienti esse. S. auch S. 13 Anm. 7. 19 Liv. 40, 49, 1-5: ... Gracchus duxit ad depopulandam Celtiberiam legiones, et cum ferret passim cuncta atque ageret populique alii voluntate, alii metu iugum acciperenU
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Die Dedition
Livius (40, 50, 1) hat diese Art der Kriegführung auch begrenzten Nutzen gebracht. Trotzdem wäre es natürlich falsch, die eigentlichen und bleibenden Erfolge des Gracchus darauf zurückzuführen. Die wesentlich erfolgversprechendere und daher auch häufiger angewandte Schonung dedierter Städte im Verlauf der Kampfhandlungen konnte jedoch rückgängig gemacht werden, wenn der durch die Behandlung angestrebte Zweck nicht erreicht wurde. 171 v. Chr. zwingt der Legat Q. Mucius die im übrigen unbekannte illyrische Stadt Ceremia zur Dedition 20 und beläßt den Einwohnern ihr Hab und Gut in der Hoffnung, daß sein mildes Auftreten die benachbarte Stadt Carnutem ebenfalls zur Kapitulation bringen würde. Als diese Hoffnung trog und die Stadt auch nach längerer Belagerung standhielt, gab er das dedierte Ceremia zur Plünderung frei, ne duabus oppugnationibus neqmquam fatigatus miles esset, quam prius intactam urbem reliquerat, diripuit (§ 3). 21 Dieses Beispiel zeigt deutlich, daß der Dedierte solange der absoluten Verfügungsgewalt des Siegers unterstellt und somit rechtlos war, bis dieser sich zu einer definitiven Ordnung der Verhältnisse entschloß. Neben diese Fälle politisch zweckmäßiger (Capsa) und politisch unkluger (Ceremia) Härte treten Beispiele exemplarischer Bestrafung, von denen die Behandlung Capuas nach seiner Dedition 212 v. Chr. als das berühmteste gilt.22 centum tria oppida intra paucos dies in deditionem accepit; praeda potitus ingenti est. vgl. Strab. 3, 163 (nach Polybios). Oros. 4, 20, 32 f. Flor. 1, 33, 9. App. Iber. 43. K. GÖTZFRIED, Annalen der römischen Provinzen beider Spanien, Diss. Erlangen 1907, S.94ff; 20 vi atque armis coegit in deditionem: Liv. 43, 1, 1-3. Diese scharfe, der Schilderung einer gewaltsamen Eroberung angenäherte Diktion, findet sich nur an dieser Stelle; ähnlich 6, 2, 13: ad deditionem Volscos ... subegit. 9, 1, 4. 28, 43, 14: ...urbes vi captas aut metu subactas in dicionem. 36, 39, 9. 41, 22, 4. Oros. 4, 20, 32. 21 Ähnlich sollen die Konsuln des Jahres 502 v. Chr. aus Haß und Rachsucht das dedierte Pometia dem Erdboden gleich gemacht und die Würdenträger der Stadt getötet haben: Aurunci passi: principes securi percussi, sub Corona venierunt coloni alii; oppidum dirutum, ager veniit (Liv. 2, 17, 5-7). Der geschilderte Vorgang ist sachlich paradigmatisch, historisch entbehrt er jeder Wahrscheinlichkeit, da Liv. 2, 22 Pometia als bestehend anführt und es Kap. 25 nodi einmal von P. Servilius, dem Konsul des Jahres 495, zerstören läßt. Vgl. auch das Schicksal der infidemdedierten Statellaten S. 40 f. 22 An der Dedition ist mit A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 65 nicht zu zweifeln, trotz des Einwandes von TH. MOMMSEN, RStR III S. 55 Anm. 1, wonach keine rechtsgültige Dedition vorliegen kann, da eine insurgierte Bürgergemeinde nach römischer Auffassung nicht in sua potestate ist. Die Aussage unserer Quellen läßt keinen anderen Schluß zu: Liv. 26, 14, 2; 16, 1; vor allem die offizielle Gesetzesrogation, eingebracht durch den Volkstribun L. Atilius: Omnes Campani Atellani Calatini Sabatini qui se dediderunt in arbitrium dicionemque populi Romani Fulvio proconsuli, quosque una secum dedidere quaeque una secum dedidere agrum urbemque divina humanaque utensiliaque sive quid
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Die Stadt, nach der Schlacht von Cannae zu Hannibal abgefallen,23 wurde nach langer Belagerung zur Übergabe gezwungen.24 Die Angehörigen der führenden Schicht wurden daraufhin zum Teil hingerichtet, zum Teil auf bundesgenössische latinische Städte verteilt, während der größte Teil der Bürgerschaft in die Sklaverei verkauft wurde.25 Ein ähnliches Beispiel exemplarischer Härte statuierte Caesar bei den Venetern: Itaque se suaque omnia Caesari dediderunt. In quos eo gravius Caesar vindicandum statuit, quo diligentius in reliquum tempus α barbaris ins legatorum conservaretur. Itaque omni senatu necato reliquos sub Corona vendidit.2* Diese für Caesar ungewöhnliche Maßnahme wird moralisch mit der Verletzung des Gesandtenrechtes durch die Veneter begründet, der Vorgang selbst bedarf, da er rechtlich unantastbar war, keiner Erörterung.27 In diesen Zusammenhang gehört auch die Zerstörung Karthagos und Nualiud dediderunty de iis rebus quid fieri velitis vos rogo, Quirites (Liv. 26, 33, 12). Im Gegensatz zur Empörung Sames, die als Aufstand eines römischen Reichsteiles zu sehen ist (s. S. 17 Anm. 27), war es also den Capuanern 216 v. Chr. gelungen, ihren Abfall mit der Konstituierung eines selbständigen Gemeinwesens zu beenden, das von Rom völlig unabhängig war und daher als ausländischer Staat 212 v. Chr. durchaus die Dedition anbieten konnte. 23 Liv. 23,7. 24 Vgl. App. Hannib. 43. Zonar. 9, 6. Sil. Ital. 13, 258 ff. 25
Liv. 26, 16y 6. vgl. H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 156 f., A. J. TOYNBEE,
a.a.O. II, S. 206ff.; 612ff. 28 Caes. b. G. 3, 16. Vgl. die Übergabe Alesias: 7, 89, 5; 90, 3. 27 A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 64 f. führt in diesem Zusammenhang zu Unrecht das Schicksal der Stadt Same auf Kephallenia an, die 189 v. Chr. nach der Besetzung durch die Römer geplündert und zerstört wurde, während die Einwohner in die Sklaverei verkauft wurden: Liv. 38, 29, 11. Eine Dedition kann hier aus verschiedenen Gründen nicht vorliegen: 1. Same hatte sich wie die übrigen Städte Kephallenias bei der Landung des römischen Konsuls M. Fulvius auf der Insel ergeben: Liv. 38, 28, 5. Zonar. 9, 21, 4. Der wenige Wochen darauf erfolgte Aufstand der Samäer ist demzufolge eine Empörung innerhalb des römischen Herrschaftsbereiches, die nicht durch einen völkerrechtlichen Akt beendet werden kann, da die Stadt nicht in sua potestate ist. Der Rechtsgrund für die nach der Besetzung verhängten Strafen ist daher nicht die Dedition, sondern das römische Kriminalrecht. 2. Die Übergabe der Burg erfolgt erst, als die eigentliche Stadt schon genommen ist. Damit ist der Zeitpunkt, an dem eine Dedition noch möglich ist, längst überschritten. - Ebenso ist die Eroberung von Haliartos 171 v. Chr. zu verstehen. Die Stadt wurde von dem Praetor C. Lucretius gestürmt und geplündert, wobei es etwa 2500 Mann gelang, sich auf die-Burg zu flüchten, die aber, da weiterer Widerstand sinnlos erschien, aufgegeben wurde (Liv. 42, 63, 3 ff. Strab. 9, 411). Der Bericht des Livius läßt keinen Zweifel daran, daß es sich hier um eine freiwillige Gefangengabe handelt, vergleichbar mit der Kapitulation römischer Truppenverbände in Cannae (Polyb. 3, 117, 3), und nicht um eine Dedition. Der Staat, der sie hätte vornehmen können, existierte zum Zeitpunkt der Gefangengabe nicht mehr.
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mantias.28 Karthago hatte 150 v. Chr. den Kampf gegen Massinissa eröffnet und damit jene Bestimmung des Friedens von 201 v. Chr. gebrochen, nach der der Stadt jede selbständige Kriegführung auch in Afrika verboten worden war.29 Die daraufhin einsetzenden römischen Kriegsvorbereitungen veranlaßten die Stadt, durch bevollmächtigte Gesandte vor dem römischen Senat die deditio zu vollziehen. 30 Damit war den Römern die rechtliche Handhabe gegeben, die Stadt entweder in Besitz zu nehmen oder - was sie dann auch taten - ihre Zerstörung und die Umsiedlung der Bürger ins afrikanische Hinterland zu verlangen. Als sich die Karthager gegen diesen grausamen Beschluß zur Wehr setzten, kam es zur Belagerung, die das Ende der Stadt bedeuten sollte.31 Formalrechtlich war gegen dieses Vorgehen keine Kritik möglich, wie uns Polybios bestätigt, da jeder römische Befehl nach vollzogener Dedition gerechtfertigt war. 32 Folgerichtig findet sich in den verschiedensten Kritiken antiker Autoren nie der Vorwurf eines strikten Rechtsbruches,33 und die beinahe einhellige Ablehnung des römischen Verhaltens gründet sich einmal auf dem Mißverhältnis zwischen der karthagischen Schuld und der darauf folgenden römischen Brutalität, die auch juristisch stichhaltige Argumente nicht motivieren konnten, zum anderen auf der offenkundigen Tatsache, daß die Vernichtung Karthagos in der römischen Politik längst beschlossen war, bevor eine Verfehlung Karthagos den Rechtsgrund für eine römische Intervention geliefert hatte.34 Die juristisch unanfechtbare Begründung des römischen Vorgehens erschien schon den antiken Autoren als Legitima28
Die formalreditlidie Seite ist in beiden Fällen von A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 65 f., 70 f. mit Anm. 1 geklärt worden. Die Dedition Numantias hat E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 18 zu Unredit verneint. Er kam auf Grund seiner Untersdieidung zwischen angebotener und vertragsmäßig vollzogener Dedition zu dem Schluß, daß die Numantiner die Dedition zwar angeboten, aber nicht vollzogen hätten. Zu den Ereignissen im einzelnen: Α. Ε. ASTIN, Scipio Aemilianus, 1967, S. 48 ff.; 153 ff.; 270 fr. 29
Polyb. 15, 18, 4. Vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 190 ff.
30
Polyb. 36, 4, 4. App. Lib. 76. Liv. Perioch. 49. 31 Eine eingehende Schilderung der Ereignisse gibt M. GELZER, Der Rassengegensatz als gesdiichtlicher Faktor beim Ausbruch der römisch-karthagischen Kriege, in: Rom und Karthago (hg. J. VOGT), 1943, S. 194 fr. 32
Polyb. 36,9, 12 f. Diesen hat erst CH. SAUMAGNE, Les p^textes juridiques de la troisieme guerre punique, RH 168 (1931) S. 1 ff. nachweisen wollen. Dazu die Kritik von A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 71 Anm. 1. Vgl. zur ganzen Frage O. MELTZER-U. KAHRSTEDT, Geschichte der Karthager III, 1913, S. 638 ff., W. HOFFMANN, Die römische Politik des 2. Jahrhunderts und das Ende Karthagos, Historia 9 (i960) S. 309 ff., E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, S. i 33 ff. 34 Polyb. 36, 2, 1; App. Lib. 69. 35 So kritisiert Polybios (36, 9, 10 f.) das römische Verhalten als der römischen Republik 33
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tion eines krassen Willküraktes, der zudem noch auf Grund der politischen Machtkonstellation überflüssig war.35 Schließlich sei noch auf das Schicksal des phokischen Antikyra verwiesen, das 210 von M. Valerius Laevinus nach der Dedition (Liv. 26, 26, 3) den Aitolern übergeben wurde, während die Römer die Bewohner nebst ihrer Habe wegschleppten.36 Zusammenfassend ergibt sich somit als erstes Ergebnis: 1. Die Dedition kann nur angeboten und vollzogen werden von einem Staat, der in svta potestate, also souverän ist. 2. Die Rechtsfolge der Dedition ist die absolute Verfügungsgewalt des Siegers über den Dedierten. Dieser kann soweit gehen, den Dedierten je nach Lage der Dinge zu töten, in die Sklaverei zu verkaufen und seine Stadt zu zerstören. Bindende Verpflichtungen des Siegers gegenüber dem Dedierten, die über den Zeitpunkt des Deditionsvollzuges hinausreichen, sind dementsprechend nicht möglich und nicht überliefert. Bedingungen, die den realen Ablauf der Übergabe regeln und je nach den militärischen Gegebenheiten zugestanden oder gefordert werden konnten, durchbrechen das uneingeschränkte Spruchrecht des Siegers nicht, da auch in diesem Fall der dedierte Staat aufhört, als Rechtssubjekt zu existieren. 3. Die besprochenen Beispiele zeigen, daß diese Rechtsfolge nicht zeitlich begrenzt war, sondern seit Bestehen des Institutes während der ganzen Zeit der Republik unverändert geblieben ist.37 4. Dem Wesen der deditio ist der Appell an die Milde des Siegers immanent; die Fälle, in denen dieser Appell aus Gründen politischer Zweckmäßigkeit oder persönlicher Rachsucht ungehört blieb, sind daher Ausnahmen. unwürdig: νυν δέ πάντα περί τους Καρχηδονίους δι' άπατης και δόλου κεχειρικέναι, κατά βραχύ το μεν προτείνοντας, τό δ'έπικρυπτομένους, Εως ου παρείλαντο πάσας τάς ελπίδας του βοηθεΐν αύτοΐς τους συμμάχους, τοΰτο δέ μοναρχικής πραγματοποιίας οίκεΐον είναι μάλλον ή πολιτικής καΐ 'Ρωμαϊκής αίρέσεως καΐ προσεοικός άσεβήματι και παρασπονδήματι κατά τόν ορθόν λόνον. Dazu jetzt F. W. WALBANK, Political Morality and the Friends of Scipio, JRS 55 (1965) S. 9 f. 36 Polyb. 9, 39, 2 f.; L. LERAT, Les Locriens de Pouest I, 1952, S. 56f., H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 123 ff. Rechtsgrund des hier angewandten Verteilungsschlüssels ist der römisch-aitolisdie Vertrag des Jahres 212, nach dem die Territorien eroberter Staaten an die Aitoler und die bewegliche Beute an die Römer fallen sollten: IG IX2 1, 241, Z. 3 ff. Liv. 26, 24, 11. 37 Diesen Sdiluß bestätigen audi die historisdi völlig wertlosen Deditionen des 5. und frühen 4. Jahrhunderts, deren formaler Hergang von unseren Quellen jedoch richtig wiedergegeben wird: Dedition der Sabiner 501 (Dion. Hai. 5, 49, 2), Dedition von Fidenae 497/6 (Dion. Hai. 5, 60, 1 ff.)» Dedition der Aequer 458 (Dion. Hai. 10, 24, 3 ff. Liv. 3, 28, 11), Dedition der Volsker 389 (Liv. 6, 2, 13; vgl. 8, 8 ff.), Dedition von Praeneste 380 (Liv. 6, 29, 7 ff.), Dedition von Privernum 357 (Liv. 7, 16, 6), Dedition von Tibur (Liv. 7, 19,1 f. Chron. von Oxyrhynchos, P. Ox. I 12 Col. I 5).
Die Dedition
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3. Charakter des Deditionsvorganges a) deditio und Vertrag Im allgemeinen wird in der Forschung der deditio in Anlehnung an MOMMSEN und TÄUBLER Vertragscharakter zugesprochen; beide gelangten zu diesem Schluß auf Grund der unleugbaren Ähnlichkeit zwischen der sponsio oder - um den allgemeineren Begriff zu verwenden - der stipulatio und dem Deditionsformular. Zu untersuchen ist daher, wie weit diese Ähnlichkeit der beiden Rechtsformulare einen Rückschluß auf den Vertragscharakter der Dedition zuläßt. 1 Unter der stipulatio ist ein mündlicher Vertrag zu verstehen, der ein förmliches Schuldversprechen enthält und als formelhafte Frage des Gläubigers und bejahende Antwort des Schuldners stilisiert ist.2 Ein in dieser Form abgeschlossener Verbalkontrakt ermöglichte eine rechtliche Klage beider Vertragspartner und ließ die Möglichkeit der beidseitigen solutio offen.3 Vergleicht man diese Feststellung mit dem Formular und dem Wesen der deditio, so ergibt sich, daß die Ähnlichkeit beider Institute nur auf äußerlichen Anklängen beruht: 1. Die Deditionsformel endet mit der einseitigen Annahme der Übergabe durch den römischen Imperiumträger: at ego recipio. Ihr formaler Aufbau erschöpft sich also nicht in Anund Gegenrede, sondern diese dient nur dem Zweck, die einseitige Behauptung des Siegers herbeizuführen.4 2. Das Wesen der Dedition besteht in einer abso1
TH. MOMMSEN, RStR III, S. 56 Anm. 1, E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 14 ff. u. S. 330ff.
Es ist das Verdienst H. HORNS, Foederati, S. 16 ff., die entscheidenden Argumente zur Widerlegung dieser These geliefert zu haben. Ebenso: A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 61 f. Das Riditige geahnt hat schon O. KARLOWA, a. a.O. S. 293, wenn er schreibt: „Wesentlich verschieden von jedem foedus ist die deditio". Uneingeschränkte Zustimmung gefunden haben die Ergebnisse von H. HÖRN u. A. HEUSS bei J. VOGT, Z. Sav. Stift. R. A. 64 (1934) S. 414fr., A. SCHENK GRAF VON STAUFFENBERG, Foederati, S. 133 ff., J. A. O. LARSEN,
ClPh. 30 (1935) S. 195 f., J. HEURGON, Recherches sur Hiistoire, la religion et la civilisation de Capoue preVomaine, 1942, S. 168 ff., E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 4 ff. (zustimmend J. BLEICKEN, Gnomon 36 [1964] S. 177). Anders: E. GINSBURG, Rome et Judee, 1928, S. 13 ff. (deditio als Klientelvertrag, dazu A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 61 Anm. i), CH. SAUMAGNE, Les pretextes juridiques de la troisieme guerre punique, RH 168 (1931) S. 11 u. S. 23 ff., P. FREZZA, Le forme federative e la struttura dei rapporti internazionali nell'antico diritto romano, SDHI 4 (1938) S. 412, FR. DE MARTINO, a.a.O. S. 47ff., U. VON LUBTOW, a. a. O. S. 643, S. CALDERONE, Fides, S. 70 ff. 2
Zur sponsio und stipulatio im römischen Privatrecht vgl. M. KÄSER, Das römische Privatrecht I, HdAW II, 3, 3, 1, 1955, S. 450 ff. 3
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FR. DE MARTINO, a. a. O. S. 48
A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 61. S. CALDERONE, Fides, S. 74 faßt seine vorausgegangene Philippika gegen die Ansicht von A. HEUSS ZU folgender Interpretation zusam-
Charakter des Deditionsvorganges
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luten Umformung des juristischen Status: der sich dedierende Staat unterwirft sich unwiderruflich und ohne Einschränkung dem Diktat des Siegers. Das schließt jeden Appell an eine vertraglich fixierte Bedingung oder gar eine solutio des durch die Dedition herbeigeführten Zustandes zu einem späteren Zeitpunkt von Seiten des Besiegten unbedingt aus. 3. Im privatrechtlichen Bereich ist die sponsio römischen Bürgern vorbehalten, für die Verwendung inter cives et peregrinos tritt daneben die fidepromissio. Ein Vergleich zwischen sponsio und deditio ist daher schon auf Grund des verschiedenen Anwendungsbereiches problematisch.5 Über die Widerlegung der These TÄUBLERS hinaus sprechen zudem quellenmäßige und sachliche Gründe gegen den Vertragscharakter der deditio: 1. Unsere Quellen verwenden für den Deditionsabschluß nie den Begriff foedus oder pactum.9 Wir besitzen im Gegenteil Aussagen, in denen deditio und foedus sachlich scharf getrennt werden.7 2. Der Terminus foedus umschreibt eine Wilmen: „All'accettazione delle condiciones" (gemeint sind die hier als Vorbedingungen eingestuften Vereinbarungen über die Auslieferung der Waffen usw.) „da parte dei dediti corrisponde, da parte dei vincitore, la sua formale receptio (at ego recipio), per cui soltanto l'atto di deditio pup dirsi completo in ogni sua parte, ο meglio, per cui gli eff etti della deditio subiscono la sostanziale trasformatione (in deditio infidem),che li fa effetti di un vero proprio rapporto giuridico interstatale." Abgesehen davon, daß im Deditionsformular keine Bedingungen genannt werden und nach den Gesetzen der Logik also auch nicht mit der im Formular ausgesprochenen Annahme der Dedition in Relation gesetzt werden können, zwingt die überraschende und in den Quellen durch nichts gesicherte Umwandlung der deditio im Moment der Annahme in eine nun vertragliche deditio in fidem zu dem Schluß, daß die Dedition als solche nur als angebotene, nicht aber als vollzogene historisch existiert hat. Spätestens an diesem Punkt hört m. E. die Verständigungsmöglichkeit auf. 5
β
E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 5; 44 ff.
Ε. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 26 Anm. 1 glaubte in Tac. Ann. 3, 73 u. Agr. 18 dafür einen Beleg gefunden zu haben. In beiden Fällen ist die Dedition jedoch höchst unwahrscheinlich: H. HÖRN, Foederati, S. 18. Ebenso ist die Ansicht ΤΗ. MOMMSENS, RStR III S. 56 Anm. 1, aus der Notiz des Val. Max. 6, 5, 1 (a Papirio cuius manu consule iubente verba deditionis scripta erant) die schriftliche Aufzeichnung des Deditionsabschlusses zu lesen, dahingehend zu präzisieren, daß es sich hier nur um ein Deditionsprotokoll gehandelt haben kann, dem nicht der Rechtscharakter einer Vertragsurkunde zuzusprechen ist, da die Selbstvernichtung des Dedierten den Austausch und die Ratifizierung von Vertragsurkunden unmöglich gemacht hat; E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 319 Die Ausfertigung eines solchen Protokolls war auch nicht die Regel. 7 App. Lib. 64: άλλ' έπιτρεψάτωσαν ήμϊν αυτούς νόμφ νενικημένων, ώς πολλοί σφας επέτρεψαν, σκεψόμεϋα δ'ήμεΐς. καΐ δ τι αν δώμεν, εΐσονται χάριν ουχί συνθήκην νομίζοντες είναι. (Daneben kennt App. b. c. 1, 475 eine vertragsmäßig gesicherte Dedition: άλλα και δσαι έαυτάς έγκεχειρίκεσαν έπί συνθήκαις ένορκοι. Ohne Zweifel ist da bei an den Abschluß eines foedus iniquum gedacht, wie Liv. 9, 20, 8 bestätigt.) - Liv. 8, 2, 13: qui non foedere > sed per deditionem in fidem venissent. Liv. 4, 30, 1: quorum legati foedus ab senatu cum petissent, et pro foedere deditio ostentaretur.
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lenseinigung von zwei oder mehreren Völkern, durch die Pflichten und Rechte begründet werden, ohne die völkerrechtliche Souveränität eines der beiden Partner aufzuheben. Zudem bewirken die im römischen Bereich erhaltenen Vertragsformen des Bundesgenossenschafts- und Klientelvertrages nicht einmalige Handlungen, sondern dauernde Verpflichtungen für die Zukunft.8 Auf Grund der Dedition hört jedoch der Dedierte auf, Rechtssubjekt zu sein, so daß bestimmte Pflichten für ihn nicht festzulegen sind, er hat vielmehr die Entscheidung des Siegers bedingungslos anzunehmen. Eine Bindung des Siegers kann erst recht nicht postuliert werden, da nach der Selbstaufgabe der Dedierten kein Partner existiert, dem gegenüber Verpflichtungen einzuhalten wären.9 Will man also den Begriff in seinem eigentlichen Sinn belassen, so ist die Dedition von den Verträgen abzusondern. 3. Der endgültige Abschluß eines Vertrages wurde bei Griechen und Römern immer in der mündlichen Schwurhandlung vollzogen, durch die der Vertrag Rechtskraft erhielt.10 Diese Schwurhandlung fehlt beim Abschluß der Dedition; konsequenterweise, wie man hinzufügen muß, denn nach Vollzug der Dedition gibt es keine Verpflichtung für beide Partner, deren Nichteinhaltung die Verfluchung des Vertragsbrüchigen Staates bedeuten würde. Dementsprechend untersteht der ganze Vorgang auch nicht dem Fetialrecht. Damit ist der Dedition der Vertragscharakter abzusprechen. Ihr rechtsgültiger Abschluß geschieht allein durch das mündliche Einverständnis der Bevollmächtigten des besiegten Gemeinwesens, sich jeder Entscheidung des Siegers zu beugen, und durch die Annahme der angebotenen Dedition durch den Sieger.11 8
E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 5; 44 ff.
9
A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 62, A. SCHENK GRAF VON STAUFFENBERG, Foederati, S. 122;
vgl. E. TÄUBLERS grundlegende Vertragseinteilung: Imp. Rom. S. 3 ff. 10 Die Bestimmung des Aitolervertrages von 189 v. Chr., nadi der die Gefangenen auszuliefern waren, wird zeitlich begrenzt: ήμέραις εκατόν άφ' ής öv τα δρκια τελεσθη (Polyb. 21, 32, 6); vgl. Α. HEUSS, Abschluß und Beurkundung des griechischen und römischen Staatsvertrages, Klio 27 (1934) S. 14 ff. Der Terminus foedus im strengen Sinne beschränkt sidi auf den Doppeleid beider Vertragspartner und wird erst später auf den ganzen Vertrag ausgedehnt. Zur formelhaften Bedeutung des ursprünglich ganz im religiösen Bereich beheimateten Terminus vgl. P. CATALANO, Lince del sistema sovrannazionale romano I, 1965, S. 190ff. 11 Anders liegen die Dinge bekanntlich im griechischen Völkerrecht, das Kapitulationen auch als zweiseitige vertragliche Abmachungen kennt, vgl. die Kapitulationsurkunde von Theangela: L. ROBERT, Coli. Froehner I, 1936, nr. 52, S. 69fr., E. BIKERMAN, Institutions des Seleucides, 1938, S. 133 Anm. 3.
Charakter des Deditionsvorganges
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b) Abschluß der deditio und faktische Übergabe des dedierten Gemeinwesens A. HEUSS hat die bisher unwidersprochen gebliebene Voraussetzung gemacht, daß zu der formula deditionis die faktische Herrschaftsergreifung treten müsse, um die Dedition rechtskräftig werden zu lassen: „indessen ist dadurch" (gemeint ist der mündliche Deditionsabschluß) „erst das gegenseitige Einverständnis geklärt, und muß deshalb zu der Formalhandlung als rechtserheblicher Bestandteil der Dedition die Herbeiführung des formulierten Zustandes treten. Ohne diese ist die Formel leer und ohne Rechtswirkung".12 Diese Ansicht ist aus grundsätzlichen und historischen Erwägungen nicht haltbar, und sie hat A. HEUSS ZU einer Trennung der Dedition in zwei Deditionsarten verleitet, die nicht unwidersprochen bleiben kann. 1. Stimmt die Trennung des Deditionsvorganges in zwei rechtserhebliche Akte, so fragt man sich, warum im Deditionsformular kein Hinweis darauf zu finden ist. Denn ohne diesen Verweis würde der mündlichen Übergabe ein entscheidender Teil der Dedition fehlen, und dies einmal zum methodischen Ausgangspunkt gemacht, öffnet jeder Interpretation Tür und Tor. 2. Das Formular endet mit der Annahme der Dedition durch den römischen Imperiumträger: at ego recipio. Die Theorie von HEUSS entwertet diesen Passus völlig, was einer Begründung bedürfte. Diese ist A. HEUSS schuldig geblieben. 3. Ä. HEUSS begeht denselben methodischen Fehler, den er mit Recht E. TÄUBLER vorgeworfen hat: mangelnde Unterscheidung zwischen der unmittelbaren negativen Wirkung der Dedition und dem durch den Sieger gesetzten positiven Zustand.13 Die Wirkung der Dedition ist die allumfassende Übertragung der Verfügungsgewalt über den Besiegten auf den Sieger; soweit geht die Aussage des Deditionsformulars. Ein dauernder Personalstand des Dedierten wird damit noch nicht begründet, sondern er erfordert ausdrücklich einen konstituierenden Akt Roms. 14 So geschieht alles, was vom Sieger nach der Dedition beschlossen oder getan wird, nicht als unmittelbare Rechtswirkung der Dedition, sondern durch einen Machtspruch des Siegers, zu dem er auf Grund der Übertragung jeglicher Verfügungsgewalt autorisiert wurde. Es steht in seinem Belieben, die dedierte Stadt zu besetzen oder nicht, sein Rechtsanspruch bleibt davon unberührt. A. HEUSS hat aus dem im Krieg üblichen Normalfall einen rechtlichen Bestand12 13 14
Volk. Grdl. S. 60 f. Volk. Grdl. S. 76. So schon TH. MOMMSEN, RStR III S. 56; S. 70 Anm. 2, E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 22,
A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 63: „...der rechtswirkende Akt enthielt nur den Übergang der Herrschaft, und der Gebrauch der Herrschaftsgewalt war dem Belieben des Siegers anheimgegeben." Vgl. die Gesetzesrogation des Volkstribunen L. Atilius über das Schicksal Capuas nach der deditio 212 v. Chr.: Liv. 26, 33, 12.
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teil der Dedition und die Verfügungsgewalt des Siegers von einer militärischen Aktion abhängig gemacht. 4. In der Konsequenz der von A. HEUSS gemachten Voraussetzung, daß alle nicht militärisch besetzten Städte die deditio de facto und de jure nicht vollzogen hätten, läge es, daß eine formelle Entlassung dieser Städte aus der Rechtswirkung der deditio nicht möglich wäre. Nun beweist eine •ganze Reihe erhaltener Freilassungs- und Restitutionsakte (s. S. 77 f.) eine gleichförmige Behandlungsweise dedierter Städte, gleichgültig ob in diese Städte römische Besatzungen gelegt worden waren oder nicht. 5. Endlich widerlegt A. HEUSS sich selbst: S. 70f. weist er die Dedition der Karthager 149 v. Chr. nach, und unsere Quelle Polybios läßt auch keinen anderen Schluß zu. 15 Nach vollzogener Dedition verspricht der Senat den Karthagern, ihnen ihre Unabhängigkeit zu belassen,16 wenn sie die gestellten Bedingungen erfüllen.17 Dieser Beschluß des Senates kann nur auf Grund eines uneingeschränkt gewonnenen Machtanspruches ergangen sein, denn die Einräumung der Unabhängigkeit setzt den Übergang der Entscheidungsgewalt hierüber an Rom und damit ihren Verlust für die Karthager voraus. So ist der Schluß unausweichlich, daß die Dedition auch ohne militärische Besetzung als vollzogen galt, ohne daß - um in der Terminologie von HEUSS ZU bleiben - „die Herbeiführung des formulierten Zustandes hinzutrat". 6. Zuletzt spricht die geplante Dedition der Aitoler 191 v. Chr. gegen HEUSS. Die Vollendung des Formalaktes ist für den römischen Feldherrn ausreichend, um sofort Befehle an die Aitoler zu erteilen, die nur aus der Erlangung der absoluten Verfügungsgewalt zu erklären sind, denn neben der Auslieferung der Haupträdelsführer fordert der Konsul: Τοιγαροΰν πρώτον μέν δεήσει 15 Polyb. 36, 3> 8-36, 4» 4· Auf die vollzogene Dedition weist neben dem berichteten Deditionsvorgang im Senat die Tatsache hin, daß Polybios daran eine grundsätzliche Erörterung über das Wesen der Dedition anschließt, was wohl nur dann sinnvoll ist, wenn es sidi um eine Dedition in der vollen Bedeutung des Wortes gehandelt hat, und nicht um eine inhaltsleere Phrase. Diesen Schluß bestätigen die Vorhalte, die Mago seinen Landsleuten in Karthago macht, als das ungewisse Schicksal der Stadt zu offener Unzufriedenheit führt: Jetzt sei es zu spät, führt Mago aus, danach zu fragen, wie die Befehle des Konsuls wohl lauten werden; diese Möglichkeit habe nur vor der Dedition bestanden. Nun müsse man sich jedem Befehl fügen: δόντας δε σαφώς γιγνώσκειν διότι παν το παραγγελλόμενον έπιδεκτέον εστίν (Polyb. 36, 5, ι fi\). 16 ελεγεν ό στρατηγός την της συγκλήτου γνώμην δτι καλώς αυτών βεβουλευμένων δίδωσιν αύτοίς ή σύγκλητος τήν τ'έλευθερίαν και τους νόμους, 'ετι δέ την χώραν ίίπασαν καΐ τήν τών αλλων υπαρχόντων κτήσιν και κοινή και κατ* Ιδίαν (Polyb. 36, 4> 4)· 17 Unter diesen Bedingungen befindet sich neben dem Befehl, Geiseln zu stellen, die folgenschwere Verpflichtung, τοις ύπό τών υπάτων παραγγελλομένοις πειϋαρχήσωσιν (Polyb. 36, 4> 0> deren Nichtbefolgen später den Untergang der Stadt bedeuten sollte. Ein solcher Befehl zeigte zugleich, daß der Staat, an den er ergeht, nicht mehr in sua potestate sein kann.
Deditio in fidem
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μηδένα διαβαίνειν υμών εις την Άσιαν, μήτε κατ'ίδίαν μήτε μετά κοινού δόγ ματος 18. Als die aitolischen Gesandten daraufhin, in offensichtlicher Unkenntnis der rechtlichen Konsequenz ihrer Dedition, Ausflüchte machen, läßt sie der Konsul in Ketten legen, um ihnen diese Konsequenz drastisch vor Augen zu führen: βουλόμενος εις εννοιαν αυτούς άγαγεϊν της περιστάσεως. Wir haben damit in der Verhaltensweise eines römischen Imperiumträgers den direkten Beweis, daß der mündlich erfolgte Deditionsakt als vollgültige Dedition anzusehen ist.
4. Deditio in fidem1
a) Die Rechtsstruktur Die bisher aufgezeigten Deditionen sind quellenmäßig als solche oder als Deditionen in potestatem populi Romani belegt. Daneben gibt es eine Fülle von Beispielen, in denen die Kapitulation terminologisch als in fidem accipere oder - aus dem Blickwinkel des sich Dedierenden - als in fidem venire umschrieben wird. 2 Die mit diesem Tatbestand gestellte Frage ist klar: Welche praktische Bedeutung kommt der fides in einem Rechtsinstitut zu, das, wie bisher klar liegt, die uneingeschränkte Verfügungsgewalt des Siegers über den Besiegten begründet? 1. Hat ihr Hinzutritt grundsätzlich oder im Lauf der historischen Entwicklung zu einer Abschwächung der absoluten Rechts Wirkung der Dedition und damit zu einer Veränderung der objektiven Rechtsstruktur des Institutes geführt? Die Bejahung hätte zur Konsequenz, daß spätestens seit dem 3. Jhdt. mit zwei Deditionsarten, einer in ihrer Rechtswirkung weiterhin absoluten und einer abgeschwächten, zu rechnen wäre. —^ 18
Polyb. 20, 10, 4.
VDer Begriff wird, obwohl er in unseren Quellen nidit nachweisbar ist, als in der Forsdiung gebräudilidier terminus tedinicus beibehalten, zumal er den zu eruierenden Tatbestand klar umschreibt. 2 Meist in Verbindungen wie in fidem accipere, redigere, se permittere, se recipere in fidem; selten se dedere in fidem: Liv. 42, 8, 5: deditos in fidem p. R. u. 23, 28, 11: urbem deditione nuper in fidem. Das griediisdie Äquivalent lautet π'ιστις: είς τήν πίστιν εαυτόν έγχειρίζειν (bzw. διδόναι) als Übersetzung von in fidem se dare: Thes. ling. Lat. V (1910) Sp. 959ff., Α. VON PREMERSTEIN, RE 4 (1900) Sp. 26 f. s. v. Clientes, E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 26 f., A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 64, J. HEURGON, Redierdies sur
Phistoire, la religion et la civilisation de Capoue pr£romaine, 1942, S. 169 ff.
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2. Verändert die fides zwar nicht die Rechtsstruktur der deditio, wohl aber den Modus der Verfahrensweise, m. a. W. besaß sie, in diesem Fall als Accidenz des von ihr unabhängigen Rechtsvorganges, die Kraft, eine milde Behandlung des Dedierten als stillschweigende über einen längeren Zeitraum praktizierte Verfahrensweise durchzusetzen? 3. Ist fides in der Sache mit potestas identisch und im römischen Sprachgebrauch nur als euphemistische Formulierung des unverändert kompromißlos gebliebenen Vorganges der bedingungslosen Kapitulation eingeführt worden? Der Begriff der fides, der hier notwendigerweise nur im Bereich der römischen Außenpolitik interessieren kann, 3 ist seit E. FRÄNKEL 4 immer wieder Gegenstand namhafter Untersuchungen geworden, ohne daß eine Einigung über den eigentlichen Sinngehalt dieses für eine klare Vorstellung der römischen Gedankenwelt so ungemein wichtigen Wortes bisher erzielt werden konnte. Nach E. FRÄNKEL heißt „fides in der republikanischen Literatur durchaus: Gewähr, Bürgschaft, Versprechen, Zuverlässigkeit, Treue, Glaubwürdigkeit; bezeichnet also alles, worauf man sich verlassen kann, Garantie im weitesten Sinne, sei es, daß sie in einem Akte, einer Versicherung, einem bestimmten Verhältnis von Personen zueinander oder in einer Eigenschaft von Menschen oder Dingen gründet." Gegen diese Auffassung, nach der fides moralisch indifferent ist, hat R. HEINZE 5 gerade die moralische Seite einer durch die fides gekennzeichneten Bindung betont und die nicht zu leugnenden Fälle moralisch farbloser fides einem jüngeren Stadium der Begriffsentwicklung zugewiesen. R. HEINZE übersetzt fides dementsprechend mit „Vertrauen auf eine ehrliche und gewissenhafte Gesinnung" und definiert: „fides ist das im Menschen, was seine gegenüber einem anderen eingegangene Bindung oder Verpflichtung zu einer sittlichen Bindung macht und so das Vertrauen des anderen begründet." An diesem Punkt einsetzend, wies G. BESELER in einer vehementen Kritik gegen HEINZE ZU Recht darauf hin, daß moralische Wort3
Das vielschichtige Problem der fides ist in der juristisdien, philologisdien und historischen Forschungsrichtung immer wieder durchleuchtet worden. Die dabei angewandte Methodik reicht von der Wortphilologie, Etymologie und Rechtsgeschichte bis hin zu neueren semantischen Forschungsmethoden wie der Wortfeldforschung und der logistischen Sprachtheorie. Vgl. zur Problemstellung die Überblicke von L. LOMBARDI, Dalla „fides" alla „bona fides", 1961, S. 3 ff. und F. WIEACKER, Z. Sav. Stift. R. A. 79 (1962) S. 407 ff. Es liegt auf der Hand, daß bei diesem Stand der Dinge der umkämpfte Begriff nur insofern eine Behandlung erfahren kann und muß, als dies zur Klärung des Rechtsinstitutes der deditio unerläßlich ist. 4 E. FRÄNKEL, Thes. ling. Lat. VI 1, Sp. 663 ff., Zur Geschichte des Wortes Fides, Rh. Mus. 71 (191OS. 187ΓΪ. 5 R. HEINZE, Fides, Hermes 64 (1929) S. 140 ff. = Vom Geist des Römertums3, i960, S. 59 ff.
Deditio in fidem
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bedeutungen niemals ursprünglich sind und die Vorstellung HEINZES eine Ethisierung und Verinnerlichung des Begriffes zu einem sittlichen und sozialen Ideal voraussetzt, das nur in der entwickelten römischen Gesellschaft denkbar ist.6 Seine eigene Deutung, „in fidem alicuius me dedo = Ich gebe mich einem anderen dazu hin, daß er mich für sich bindet; in fide alicuius sum = Ich bin in der Bindung eines anderen, der mich für sich gebunden hat", beruht wesentlich auf den Wortuntersuchungen MERINGERS und ist ohne Kenntnis der Gesamtkonzeption BESELERS, formuliert als „Bindung und Lösung", kaum zu verstehen.7 Zwischen diesen Ansichten vermittelnd, sucht A. PIGANIOL 8 die ursprüngliche Wirkung der fides in der religiös-magischen Sphäre: „La fides est une vertu magique du chef, liee dans une certaine mesure a son imperium. Si rimperium est une sorte de mana que le chef peut transmettre, la fides semble etre aussi une vertu efficace et magique, qui rayonne de la main droite." A. PIGANIOL knüpft damit an die Beobachtung von S. REINACH und W. OTTO an, nach der beim Opferkult der Göttin Fides die flamines ihre rechte Hand bis an die Fingerspitzen in ein weißes Tuch hüllten, significantes fidem tutandam scdemque eins etiam in dexteris sacratam esse.9 Daraus ergibt sich als praktische Schlußfolgerung: „fides 6 G. BESELER, Fides, in: Atti del Congresso Internazionale di diritto, Roma, I, 1934, S. i~33 ff. BESELERS Kritik wird durch die Beobachtung gestützt, daß die ältesten greifbaren Formen der fides auf Akte oder Zustände und nicht auf Personen oder gar deren Gesinnungen weisen (vgl. LOMBARDI, a.a.O. S. 105 ff.). BESELER weitgehend zustimmend: S. CALDERONE, Fides, S. 88 f. Dagegen sieht V. PÖSCHL, Histork Mundi III, 1954, S. 461 ff., Die römische Auffassung der Geschichte, Gymnasium 63 (1956) S. 194 ff. in der fides die Reste einer kollektiven Urmoral, ein Ansatzpunkt, der, da nicht kontrollierbar, auch nicht bestreitbar ist. PÖSCHL zustimmend L. MERTEN, Fides Romana bei Livius, Diss. Frankfurt 1965, S. 4 f. 7 MERINGER, Wörter und Sachen 7 (1921) S. 1 ff. (Wortgeschichte von fides: „Pflanze Binderute - Bindung"). Zu BESELERS „Bindung und Lösung": Z. Sav. Stift. R. A. 45 (1925) S. 3i6ff.;4i2ff., 49 (1929)8.408ff.; 445ff., 51 (1931) S. 400ff., 55 (1935) S. 202ff. 8 A. PIGANIOL, Venire infidem,M£langes F. DE VISSCHER IV = RIDA 5 (1950) S. 345 f. 9 Liv. 1, 21, 4. S. REINACH, Cultes, mythes, religions I, S. 308, W. OTTO, RE 6 (1909) Sp. 2282 f. s. v. Fides mit einer Reihe von Belegen, die die enge Verbindung der fides mit der rechten Hand demonstrieren. Vgl. ebenso A. PIGANIOL, Fides et mains de bronze: Densae dextrae (Cic. Att. VII, ι), Μέΐ. LEVY-BRUHL, 1959, S. 471 ff., J. HELLEGOUARC'H, Le vocabulaire latin des relations et des partis politiques sous la republique, 1963, S. 27. Ebenfalls von der Konzeption eines magisch-religiösen Hintergrundes der fides ausgehend, bemüht sich V. BELLINI, Foedus et sponsio dans Devolution du droit international romain, RHDFE 40 (1962) S. 527ff., Deditio in fidem, RHDFE 42 (1964) S. 448 f. um die Anfänge der Begriffsbildung. Ein ähnlicher Versuch wurde im Bereich des Privatrechtes von I. IMBERT, Fides et nexum, in: Studi ARANGIO RUIZ I, 1953, S. 339ff. und F. WIEACKER, Zum Ursprung der bonae fidei iudicia, Z. Sav. Stift. R. A. 80 (1963) S. 1 ff. bes. S. 20 ff. unternommen, wie es überhaupt das unbestreitbare
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a pu devenir la confiance que le chef possede dans l'efficacite de Pimposition de sa main, et aussi la confiance du faible dans Pengagement pris par cette main." Diese Deutungsversuche erhellen zunächst den umfassenden Anwendungsbereich der fides. Sie manifestiert in der ausgebildeten römischen Gesellschaft im privaten wie im öffentlichen Leben die Verhaltensweise eines Menschen oder Gemeinwesens, das aufrichtig und zuverlässig in Wort und Tat ist und einmal getroffene Abmachungen oder Verpflichtungen ohne Winkelzüge oder Ausflüchte erfüllt. Fides ist dementsprechend in jeder römischen Form internationaler Beziehungen gegenwärtig, gleichgültig ob sie durch ein foedus begründet wurden oder nicht.10 Die Tatsache nun, daß auch ein vertraglich gesichertes völkerrechtliches Verhältnis die fides umgreift, zeigt deutlich, daß der Begriff keine objektiven Maßstäbe setzt, mit denen innerhalb der vertraglichen Beziehungen irgendetwas anzufangen wäre. Der abgeschlossene Vertrag regelt und begrenzt das eingegangene Verhältnis, das so weit reicht wie der Vertrag; die Frage, ob die beiden Kontrahenten sich darüber hinaus „vertrauen" oder nicht, ist ganz sekundär, da sich jeder Partner durch die einzelnen rechtlich einklagbaren Vertragsstipulationen ausreichend gesichert weiß. Fides hat also im Rahmen der Außenpolitik mit „Recht" nichts zu tun, ein Schluß, der schon in der Sache selbst liegt, da ein persönlich-sittliches oder gar moralisches Verhalten erst dann Wert erhält, wenn es durch keinen staatlichen oder rechtlichen Eingriff festgesetzt wird. 11 Verdienst der rechtshistorischen Forschung ist, das ursprüngliche Wesen der fides im Anschluß an G. BESELER so weit wie möglich untersucht zu haben; vgl. F. WIEACKER, Z. Sav. Stift. R. A. 79 (1962) S. 407 ff. 10 Liv. 6, 10, 4: deditionis quam societatis fides sanctior erat. 8, 2, 13; 25, 3; 27, 2. 10, 11, 13; 12, 2. 25, 16, 14. So wird bei Polyb. 3, 29, 7f. προσλαμβάνειν ... ctv τίνες επιτήδειοι φανώσιν αύτοΐς φίλοι και σύμμαχοι gleichgestellt mit προσλαβόντες εις την σφετέραν πίστιν. Syll.3 675» Ζ. 2ο: μή περιιδε(ΐν) πόλιν Ελληνίδα έξανδραποδισθεϊσαν οδσάν τε έν τεΐ 'Ρωμαίων φιλίαι και πίστει. Sali. Jug. 10, 4· 14» 5· 24> Ι 0 · Caes. b. G. 2, 14, *· 6, 4» 2 · 7» 5> 2 · Cic. ΡΓ°· Balb. 12. fides et clientela: Liv. 26, 32, 8. 37, 54, 17. Vgl. Thes. 1. L. Sp. 671, 35ff.: fides amicitiae futurae, fides pacist fides indtitiarum, fides societatis. L. LOMBARDI, a.a.O. S. 123 f., J. HELLEGOUARC'H, a.a.O. S. 24, G. WISSOVA, Religion und Kultus der Römer2, 1912, S. 134. 11 Etwas anders liegen die Dinge im Bereich des römischen Privatrechtes. Es gilt als sicher, daß spätestens in der frühklassischen Zeit die bonae fidei iudicia zivile Klagen waren, fides sich also zu einer Formel des Rechtes entwickelt hat. In der vorklassischen Zeit verknüpft sich die Frage nach der Rolle der fides im Rechtsverfahren mit der noch weithin dunklen Herkunft des Formularprozesses, der vom Praetor kraft seiner Jurisdiktionsgewalt für die Prozesse eingerichtet wurde, denen die Legisaktionen nicht zugänglich waren, also zunächst und vorrangig für Streitfälle zwischen römischen Bürgern und Peregrinen bzw. Peregrinen untereinander. Die materielle Grundlage dieser Rechtsbeziehungen war die fides, da sie vom Bürgerrecht unabhängig war und daher auch für Peregrine verpflichtend sein konnte. Die herrschende Lehre sieht nun in der hier wir-
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So kann auch der Rechtsinhalt der Dedition durch den Hinzutritt der fides nicht verändert worden sein, da beide Begriffe ganz verschiedenen Bereichen a n gehören: „In der dicio drückt sich ein staatsrechtlicher Zustand aus, fides ist aber eine Modalität des Verhaltens und Handelns". 1 2 D a s venire
(recipere)
in
fidem
kenden fides eine ethische und soziale und damit außerrechtliche Bindung (M. KÄSER, Z. Sav. Stift. R. A. 82 [1965] S. 416: „Ausdruck des juristischen Gewissens"), die der Praetor mit konkreten rechtlichen Geboten von Fall zu Fall aktualisieren kann, die aber selbst nicht rechtsverpflichtend in dem Sinne ist, daß allein auf Grund ihres Vorhandenseins Leistungen im Zivilprozeß eingeklagt werden könnten. Gegen die bisher weitgehend als communis opinio zu geltende Auffassung der fides als ethische, d. h. moralische Kategorie sind jedoch in letzter Zeit Einwände erhoben worden, vgl. L. LOMBARDI, a.a.O. S. 173 ff. u. A. CARCATERRA, Interno ai bonae fidei iudicia, 1964, S. 85 ff. pass. Danach war die bona fides keine moralische, sondern formaljuristische Maxime, die dem Richter allein als Richtschnur für den praktischen Verlauf des Prozesses diente (dagegen M. KÄSER, Z. Sav. Stift. R. A. 82 [1965] S. 416 ff.). Vgl. zur ganzen Frage W. KUNKEL, Fides als schöpferisches Element im römischen Schuldrecht, Festschrift KOSCHAKER 2, 1939, S. 1 ff. und ihm zustimmend M. KÄSER, Das römische Privatrecht I, 1955, S. 181 f. ( = HdAW III 3, 1), Das römische Zivilprozeßrecht, 1966, S. io9ff. ( = HdAW III 4), Z. Sav. Stift. R. A. 83 (1966) S. 1 ff. Modifiziert F. WIEACKER, Z. Sav. Stift. R. A. 80 (1963) S. 1 ff. *;LA. HEUSS, Volk. Grdl. S. 63 (dagegen E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 17: „Das Treuverhältnis trat an die Stelle des ungemilderten Herrenrechts"). Die Ansicht von A. HEUSS ist vorgebildet bei T H . MOMMSEN, RStR. III, S. 651 („Nach der Ergebung auf Gnade [in fidem] oder, was dasselbe ist, nach der Dedition") und hat zunächst auch weitgehende Anerkennung gefunden, vgl. B. PARADISI, Deditio in fidem. Studi di storia e diritto in onore di A. SOLMI I, 1941, S. 258 ff., E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, S. 4ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 610f., L. LOMBARDI, a.a.O. S. 48 ff. (dessen Identifizierung von potestas mit fides allerdings mit Recht von A. CARCATERRA, a. a. O. S. 195 zurückgewiesen wurde). Seit A. PIGANIOL, Venire in fidem, ΜέΊ. F. DE VISSCHER IV = RIDA 5 (1950) S. 3 39 ff. beginnt sich der Blickwinkel jedoch zu wandeln. PIGANIOL an erkennt zwar noch die uneingeschränkte Verfügungsgewalt als Rechtsfolge auch einer deditio in fidem (S. 342: „Le recours a la fides... c'est d'abord une deditio"), sieht aber im Lauf der geschichtlichen Entwicklung der deditio verschiedene Interpretationen des realen Kapitulationsvorganges: Zu Beginn des 2. Jhdts. - die Deditionsverhandlungen der Aitoler in den Jahren 191-189 v. Chr. sind dafür kennzeichnend - sei unter griechischem Einfluß ein grundsätzlicher Wandel in der römischen Deditionsauffassung eingetreten. Ursprünglich mit einer immer eingegangenen freiwilligen Verpflichtung zur Schonung und Milde verknüpft, wurde das Institut im 2. Jhdt. zur bedingungslosen Kapitulation, die jede Maßnahme des Siegers rechtfertigte. PIGANIOL hat damit gegen die abstrakt-juristfsche Vorstellung von A. HEUSS (D. TIMPE, Hermes 90 [1962] S. 358) die historische Entwicklung der fides zum eigentlichen, praktisch wirksamen Element der deditio gemacht und mit diesem Schritt fast einhellige Zustimmung gefunden: I. CALABI, Riv. di Fil. 34 (1956) S. 395 Anm. 1, J. PAOLI, Quelques observations sur la fides, Pimperium et leur rapports, in: Aequitas u. Bona Fides, Festgabe A. SIMONIUS, 1955, S. 274ff., D . TIMPE, a.a.O. S. 356ff., G. A. LEHMANN, Untersuchungen zur histori-
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ist de iure mit deditio
in potestatem
da das gewonnene Imperium
Dedition
identisch und terminologisch daher ungenau,
des römischen Staates über den Besiegten außer Be-
tracht bleibt. 1 3 Diese grundsätzliche Einordnung bestätigt unsere Überlieferung, indem sie den Gebrauch der Begriffe in fidem und in dicionem
dedere
als syn-
o n y m bezeichnet: παρά Τωμαίοις ισοδυναμεί το τ'είς την πίστιν αυτόν έγχειρίσαι και το την έπιτροπήν δούναι περί αύτοΰ τ φ κρατοΰντι. 1 4 Trotzdem haben einige
sehen Glaubwürdigkeit des Polybios, 1967 S. 102 ff. Doch blieb es nicht bei den noch zu überprüfenden Ergebnissen von PIGANIOL. Auf dem von ihm vorgezeichneten methodischen Weg mußte die deditio als Rechtsinstrument bald soweit hinter der den realen Vollzug angeblich bestimmenden fides zurücktreten, daß gewissermaßen unter der Hand auch die objektiven Rechtsgrundlagen der Dedition modifiziert wurden. G. A. LEHMANN, a.a.O. S. 104 spricht von „ernster Verantwortung" Roms gegen den Dedierten und einer Schutzverpflichtung gegen Dritte im 3. Jhdt., L. MERTEN, Fides Romana bei Livius, Diss. Frankfurt S. 38 ff. stellt einen ganzen Katalog von Taten auf, die die Kapitulation ausbzw. einschließt, und S. CALDERONE, Fides, S. 70ff. („L'atto di reeeptio in fidem... trasforma tutto") schreibt der deditio in fidem bereits wieder Vertragscharakter zu. L. HARMAND, Le patronat sur les collectivites publiques, 1957, S. 19 f. trennt die dicio als öffentlich-rechtlichen Akt von der fides als personell-private Initiative der Feldherrn, übersieht aber dabei, daß weitaus die Mehrzahl unserer Quellenzeugnisse von fides populi Romani sprechen. Es ist Aufgabe der vorgelegten Untersuchung, gegen diese, das eigentliche Wesen der deditio verwischende Lehrmeinung, den richtigen Ansatz von A. HEUSS noch einmal zu beweisen. 13
Dementsprechend geht unsere gesamte Überlieferung nie soweit, den Terminus deditio in fidem offiziell oder inoffiziell zu gebrauchen. Trotzdem ist zu betonen, daß die hier kritisierte Terminologie nicht der Umgangssprache oder schriftstellerischer Manier angelastet werden kann, sondern durchaus offiziellem römischem Sprachgebrauch entsprechen konnte: CIL XI 1421 (Decret. Pis. de C. Caesare), Z. 35: devietarum aut in fidem reeeptarum ab eo gentium. Zu diesem Schluß zwingt auch der Sprachgebrauch des Polybios: εις τήν πίστιν αυτόν έγχειρίζειν (20, 9> Ι 2 ί Ι0> 2)> αυτούς είς τήν 'Ρωμαίων πίστιν διδόναι (2, 1 1 , 5 ; 12, 2. 20, 9> Ι0 )> παραλαβόντες είς τήν πίστιν (2, 11, ίο); L. LOMBARDI, a.a.O. S. 48. Der Grund dafür muß in der überhaupt vorsichtig gehaltenen und den Unterworfenen oder Schwächeren immer schonenden Terminologie der römischen Amtssprache liegen, die eine starke Betonung der römischen Oberhoheit tunlichst zu vermeiden trachtete, wie ζ. Β. das Fehlen des Terminus foedus iniquum im offi ziellen Sprachgebrauch beweist. 14 Polyb. 20, 9, 12. Liv. 8, 2, 11 ff. (dazu richtig L. LOMBARDI, a.a.O. S. 49 Anm. 9). 8, 10, 1. Liv. 34, 35, 10: Quae (sc. civitates) se suaque in fidem ac dicionem populi Romani tradidissent. 38, 31, 6: ut veniret in Peloponnesum ad urbem Lacedaemonem in fidem dicionemque p. R. aeeipiendam. Caes. b. G. 2, 3, 2: legatos . . . qui dicerent se suaque omnia in fidem atque potestatem p. R. permittere. 2, 13, 2: oppido egressi manus ad Caesarem tendere et voce significare coeperunt sese in eius fidem atque potestatem ve nire. Curt. 8,4,21: qui se regis potestati fideique permisit. 9,7,13; 8,7 f. Plin. paneg. 32,1. TH. MOMMSEN, RStR III, S. 651 Anm. 2, A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 64, FR. DE MARTINO,
a.a.O. S. 51, L. LOMBARDI, a.a.O. S. 53. Dieselbe Beweiskraft kommt natürlich auch den
Deditio in fidem
3i
Zeugnisse beträchtliche Verwirrung gestiftet, in denen deditio in dicionem und venire in fidem gegenübergestellt werden und eine grundsätzliche Scheidung beider Deditionsarten zu rechtfertigen scheinen.15 Eine genauere Prüfung dieser Zeugnisse zeigt aber, daß die Gegenüberstellung nur scheinbar ist und die oben gegebene Definition bestätigt. Erstes Zeugnis soll Liv. 39, 54, 7 sein: Der Krieg gegen die Gallier, die in die Poebene eingefallen waren und sich dort niedergelassen hatten, endet mit der Dedition (183 v. Chr.).16 Die Gallier, unzufrieden mit der Behandlung, die man ihnen im folgenden zuteil werden läßt, schicken daraufhin Gesandte nach Rom, um sich vor dem Senat zu beschweren. Dort führen sie aus: nuper M. Claudium ad se nuntium misisse bellum se cum iis, ni dederentur, gesturum. se certam, etsi non speciosam pacem quam incerta belli praeoptantes dedidisse se prius in fidem quam in potestatem populi Romani (54, β f.). Beim ersten Zusehen ergibt sich eine klare Antithese zweier Deditionsarten: einer deditio in fidem und einer de ditio in potestatem.11 Wäre diese Feststellung richtig, so hätten sich die Gallier in fidem p. R. dediert, einen anderen Sinn können ihre Überlegungen vor der Dedition nicht gehabt haben. Konsequenterweise hätten die Dedierten in ihrer Beschwerde vor dem Senat auf diesen Tatbestand hinweisen können, ja hinweisen müssen, da, angenommen die Antithese stimmte, die Begründung ihrer Beschwerde sich erst aus dem Vorhandensein zweier Deditionen, der deditio in fidem und der deditio in potestatem p. R., ergeben hätte.18 Livius berichtet jedoch nichts davon: 54, 3 ist von einer spezifischen deditio in fidem keine Rede, 54, 9 bitten die Belegen zu, in denen in fidem venire allein zur Bezeichnung des ganzen Deditionsvorganges steht. 15
E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 16f., U. VON LÜBTOV, a.a.O. S. 643, G. BESELER, Z.
Sav. Stift. R. A. 49 (1929) S. 415 f., U. COLI, Regnum, SDHI 17 (1951) S. 105 f. mit Anm. 36, A. CARCATERRA, Intorno ai bonae fidei iudicia, 1964, S. 197 f. Ein Teil der von U. COLI angeführten Beispiele entbehren jeder Diskussionsgrundlage: Nach ihm soll der freiwilligen deditio in fidem der Lucaner und Apulier (Liv. 8, 25, 3 f.) die deditio in dicionem dreier Städte im Verlauf des samnitischen Krieges gegenüberstehen: tria oppida in potestatem venerunt. Die Gegenüberstellung ist im Ansatz falsch, da nur gesagt ist, daß drei Städte in die römische potestas traten, und nicht, ob durch Dedition oder Okkupation. Ebenso verhält es sich mit der Dedition Capuas 343 v. Chr. (Liv. 7, 30f.): Die Campaner ersuchen zunächst um die römische Freundschaft und Bundesgenossenschaft (Liv. 7, 30, 1 f.; 4 f.; 7; 9; 23), und nicht um eine deditio in fidem, wie U. COLI will. 16 Liv. 39, 54, 3: advenienti consuli Galli sese dederunt. 17
TH. MOMMSEN, RStR III, S. 651 Anm. 2, E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 27, U. COLI,
a.a.O. S. 105, FR. DE MARTINO, a.a.O. S. 53 Anm. 127. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 80 spricht ebenfalls von dieser Antithese, bezeichnet sie aber „innerhalb der unmittelbaren Deditionswirkung als vollkommen sinnlos". 18 Die zur Debatte stehende Behandlung der Dedierten s. Liv. 39, 54, 4; 8 f.
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Gesandten, sie nicht wie Feinde (!) zu behandeln,19 und endlich gewährt ihnen der Senat einige Erleichterungen mit der Begründung, neque senatui placere deditos spoliari (54, 11). Eine widerspruchsfreie Lösung ergibt sich, wenn man die Stelle in ihrem historischen Zusammenhang sieht. Die Gallier, mit Krieg bedroht, stehen vor der Wahl, entweder zu kapitulieren oder zu kämpfen. Da die letzte Möglichkeit als aussichtsloses Unterfangen erscheinen muß, ziehen sie einen sicheren wenn auch nicht gerade schmeichelhaften Frieden, den sie nach der Dedition auf Grund der Botschaft des Claudius erhoffen konnten, dem Kriege vor. Die Alternative, die sich ihnen stellt, lautet also nicht deditio in fidem oder deditio in potestatem, sondern deditio oder Krieg, dessen Folgen die sichere und dauernde römische Herrschaft bedeuten würde. Sinngemäß entsprechen sich also zwei Glieder des entscheidenden Satzes: Die Dedition bedeutet einen sicheren Frieden, die römische potestas wäre die unabwendbare Folge eines Krieges. Völlig in Einklang steht die Bitte vor dem Senat, sie als Dedierte nicht härter als Feinde zu behandeln, und ebenso der Bescheid des Senates, daß es nicht seine Gepflogenheit sei, Dedierte zu berauben. Die Argumentation beider Parteien geht also nie von einem Gegensatz zwischen einer deditio in fidem und einer deditio in potestatem aus, sondern einmal von der Entscheidung der Gallier, sich lieber zu dedieren als zu kämpfen, zum anderen von der daraus resultierenden, juristisch nicht faßbaren Verpflichtung des Siegers, den Dedierten zu schonen. Als zweites Argument soll Val. Max. 6, 5, ib dienen: Eadem civitas (sc. Fa~ lerii) aliquotiens rebellando semperque adversis contusa proeliis tandem se Q. Lutatio consuli dedere coacta est. adversum quam saevire cupiens populus RomanuSy postquam α Papirio, cuius manu iubente consule verba deditionis scripta erant, doctus est Faliscos non potestati, sed fidei se Romanorum commisisse, omnem iram placida mente deposuit.20 Die geschilderten Ereignisse beziehen sich auf die Dedition der Falisker, die 241 v. Chr. von Q. Lutatius Cerco nach er folglosem Aufstand zur Räson gebracht wurden. Der Bericht des Valerius führt in die Komitien, die über das Schicksal der Dedierten einen Beschluß fassen sollen, d. h. er setzt voraus, daß die absolute Verfügungsgewalt über Falerii bereits dem populus Romanus zusteht und die Stadt nicht mehr in sua potestate ist. Diese Tatsache wird in ihrer Tragweite voll verständlich nach einem Blick auf den in unserer Parallelüberlieferung erhaltenen Beschluß des nach der Aussage des Valerius durch den Hinweis des Konsuls auf die fides „besänftigten" Volkes: 19 20
ne in se innoxiqs acerbius quam in hostes saevirent. Als Beleg für die Umbildung des dedere in dicionem in ein dedere in fidem heran-
gezogen von E. TÄUBER, Imp. Rom. S. 22 Anm. 2; 27, U. COLI, a.a.O., FR. DE MARTINO, a. a. O., S. CALDERONE, S. 72, H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 41 f.
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Die Falisker müssen ihre Waffen, Pferde, die bewegliche Habe und ihre Sklaven ausliefern. Die Hälfte ihres Gebietes wird römischer ager publicus, die alte auf einem Berg gelegene Stadt durch A. Manlius Torquatus (cos. 241) zerstört und der Rest der Bürgerschaft an einer schlecht zu verteidigenden Stelle neu angesiedelt. Die Neugründung erhält aller Wahrscheinlichkeit nach den Status einer civitas sine suffragio.21 Es gibt nur eine Steigerung, die absolute und uneingeschränkte Rechtswirkung der Dedition noch deutlicher zu demonstrieren: Die Hinrichtung oder Versklavung der gesamten Gemeinde. Der Appell an die fides des römischen Volkes rettete den Faliskern das nackte Leben, die durch die Kapitulation gewonnene Verfügungsgewalt des Siegers über urbs, agri, aqua, utensilia, termini und delubra (soweit geht die Aussage des auf Befehl des Konsuls angefertigten Deditionsprotokolls: Liv. 1, 38, if.) blieb unangetastet und absolut. Angelpunkt der Diskussion bildet die geplante Dedition der Aitoler 191 v. Chr.22 Eine vollständige Klärung des Vorganges bedarf einmal einer chronologisch geordneten Untersuchung der Verhandlungen bis zum Abschluß des foedus iniquum 189 v. Chr., zum anderen einer Erörterung der von beiden Kontrahenten vorgebrachten Argumente. Nach der Niederlage Antiochus* III. an den Thermopylen und dem Fall Herakleias im Sommer 191 bemühte sich der aitolisdie Stratege Phaineas um Friedensverhandlungen und erhielt vom Konsul M. Acilius ^Glabrio eine zehntägige Waffenruhe zugestanden, in deren Verlauf der mit der ersten Fühlungnahme beauftragte Tribun Lucius Valerius Flaccus den Aitolern riet, jeden nutzlosen Rechtfertigungsversuch zu unterlassen und dem Konsul die deditio anzubieten.23 Die Aitoler gehen nach einigem Zögern schließlich auf den 21 Polyb. 1, 65, 2. Liv. per. 20. Zonar. 8, 18, 1. Zum 1. März 240 verzeichnen die Fasti Capitolini den Triumph des Lutatius Cerco (CIL I2 p. 47); der Senat erkannte also die Dedition als einer Eroberung gleichwertig an. Vgl. A. BERNARDI, I cives sine suffragio, Athenaeum N. S. 16 (1938) S. 270, A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy I, 1965, S. 171. Die Behandlung Faleriis erinnert an die römischen Forderungen, die an Karthago nach erfolgter deditio 149 v. Chr. gestellt wurden und die den Verzweiflungskampf der Stadt herausforderten, s. S. 24. 22 Polyb. 20, 9, 1-10, 16 = Liv. 36, 27, 1-30, 1, vgl. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 66 f. Ihm zustimmend F. HAMPL, HZ 188 (1959) S. 519, dagegen R. HEINZE, Fides, S. 70 Anm. 12,
A. PIGANIOL, a.a.O. S. 339if., U. COLI, a.a.O., FR. DE MARTINO, a.a.O. S. 53, L. HARMAND, a. a. O. S. 21 f., L. MERTEN, a. a. O. S. 6 f., S. CALDERONE, Fides, S. 61 ff. 23
Zur Vorgeschichte B. NIESE, Geschichte II, S. 709 f. Es ist sicher, daß der Rat des Valerius Flaccus bei den Aitolern um so schwerer wog, als es sich bei diesem Offizier um einen Verwandten des Propraetors M. Valerius Laevinus handelte, dem 212 v. Chr. das Zustandekommen des römisch-aitolischen Bündnisses zu danken war. Liv. 36, 27, 7 fügt dem Bericht des Polybios aus annalistischer Quelle hinzu, L. Valerius Flaccus habe den Aitolern seine Fürsprache beim Konsul in Aussicht gestellt. Die Notiz verdient Glaub-
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Vorschlag ein, da ihnen ihre militärische Lage aussichtslos erschien und sie, nach Polybios, zudem die Rechtswirkung ihres Schrittes nicht kannten: Liv. 36,27,8: haec una via omnibus ad salutem visa est, ut se i n f i d e m mitterent Romanomm;
ot Polyb. 20,9, 10-11: δ'Αίτωλοί . . . έκριναν έπιτρέπειν τα ολα Μανίφ, δόντες αυτούς εις την Τωμαίων πίστιν, ουκ είδότες τίνα δύναμιν έχει τοΰτο,
ita enim et Ulis violandi supplices verecundiam se imposituros et ipsos nihilo minus suae potestatis fore, si quid melius fortuna ostendisset.
τω δε της πίστεως ονόματι πλανηθέντες, ώς αν δια τοΰτο τελειότερου σφίσιν ελέους ύπάρξοντος. παρά (δε) Τωμαίοις ισοδυναμεί τό τ'είς την πίστιν αυτόν έγχειρίσαι και τό την έπιτροπήν δοΰναι περί αύτοΰ τφ κρατοΰντι. Τ!
Eine aitolische Gesandtschaft unter der Führung des Strategen Phaineas vollzieht wenige Tage später im Lager des Konsuls die Dedition (Liv. 28, 1: Aetolos se suaque omnia fidei p. R. permittere), weigert sich jedoch die von Acilius Glabrio unmittelbar im Anschluß an den Deditionsakt gestellten Forderungen zu erfüllen 24 , worauf sie drastisch über die Rechtswirkung der Dedition belehrt wird: Würdigkeit, da sich die Valerier audi später als Patrone der Aitoler annahmen. Dafür spricht auch das tatsächliche Eintreten des Tribunen für die Gesandten nadi ihrer Festnahme im Verlauf des Deditionsvollzuges: Polyb. 20, 10, 10; vgl. A. PIGANIOL, a.a.O. S. 339 f., F. MÜNZER, RE 8 Α (1955) Sp. 16 ff. s. v. Valerius Flaccus Nr. 173. 24 Polyb. 20, 4. 1. Das Verbot, aus privaten oder öffentlichen Gründen nadi Kleinasien überzusetzen. 2. Die Auslieferung des Dikaiarchos, des Epiroten Menestratos und des Königs der Athamanen Amynandros mit seinem Gefolge. Bei Livius fehlt die erste Bedingung, offensichtlich um eine Ausweitung der Erzählung und damit einen Spannungsabfall gerade am dramatischen Höhepunkt zu vermeiden, während die Forderung auf Auslieferung des Menestratos und des Amynandros im Gegensatz zu Polybios und zur historischen Wahrheit damit begründet wird, daß Menestratos Naupaktos und Amynandros die Aitoler zum Abfall von Rom gebradit hätten. Riditig ist, daß Naupaktos immer aitolisch war (Liv. 36, 11, 6) und die Aitoler Amynandros (nicht er die Aitoler) zur Aufkündigung seiner amicitia mit Rom veranlaßt hatten (Liv. 35, 47, 8). Das Motiv der annalistischen Fälschung ist klar: Beide Personen sollen dem Leser als besonders bösartige Widersacher Roms vor Augen geführt werden, um die Forderung nach ihrer Auslieferung um sc plausibler zu machen. - Nach R. HEINZE, Fides, S. 70 Anm. 12 ist der Bericht des Polybios insofern inkorrekt, als die beiden Forderungen des Konsuls der receptio in fidem hätten vorausgehen müssen. Livius, dem man als Römer solche nur aus Unkenntnis des typisch römischen Rechtsvorganges zu erklärende Unklarheit nicht nachsagen kann, hält sich hier, was den formalen Verlauf betrifft, ganz an die Schilderung des Polybios, ja
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Liv. 36, 28, 4-6: prope dicentem interfatus Romanum „non in Servituten? inquit „sed in fidem tuam nos tradidimus, et certum habeo te imprudentia labt, quid nobis imperes, quae moris Graecorum non sint"
Polyb. 20, 10, 6-7: ό δε Φαινέας μεσολαβήσας „'Αλλ5 ούτε δίκαιον" εφησεν „οΰϋ'Έλληνικόνέστιν, ώ στρατηγέ, το παρακαλούμενον".
ad ea consul „nee hercule" inquit „magnopere nunc curo, quid Aetoli satis ex more Graecorum factum esse censeant, dum ego more Romano imperium inhibeam in deditos modo decreto suOy ante armis victos: itaque, ni propere fit, quod impero, vinciri vos iam iubebo."
(7) ό δε Μάνιος ούχ οΰτως όργισθείς ώς βουλόμενος εις εννοιαν αυτούς άγαγεΐν της περιστάσεως και καταπλήξασθαι τοις δλοις, „'Έτι γαρ ύμεΐς έλληνοκοπεΐτε" φησί „και περί του πρέπόντος και καθήκοντος ποιεΐσΟε λόγον, δεδωκότες εαυτούς εις την πίστιν; ους έγώ δήσας εις την αλυσιν άπάξω πάντας, αν τούτ' έμοί δόξη".
Die Aitoler, in Eisen gelegt und erst auf die Fürbitte der versammelten Tribunen wieder frei gelassen, gestehen jetzt die Erfüllung der gestellten Bedingungen jmter dem Vorbehalt zu, daß die aitolische Bundesversammlung ihre Zustimmung nicht verweigert. Damit ist der formal vollzogene Deditionsvorgang hinfällig und an seine Stelle tritt ein wiederum auf 10 Tage befristeter Waffenstillstand, nach dessen Ablauf der Krieg wieder auflebt. Aus diesen Fakten ergibt sich: Die trotz der rechtskräftig vollzogenen Dedition von den Aitolern gegen die römischen Forderungen erhobenen Einwände veranlassen den Konsul, seine aus der Übergabe resultierende Verfügungsgewalt den Aitolern gegenüber zu demonstrieren. In Ketten müssen sie erkennen, daß er versdiärft sie in ihrem entscheidenden Punkt, der rechtskräftigen und ohne Einschränkung vollzogenen Dedition, indem er es nicht bei der Rückfrage des Konsuls, ob die Aitoler es wirklich ernst mit der deditio meinten, beläßt, sondern Phaineas den Deditionsbeschluß noch schriftlich vorlegen muß (36, 28,2: tum decretum Phaineas, in quo id diserte scriptum erat, ostendit, wiederum eine glatte Fälschung, da Phaineas wenig später erklärt, er bedürfe noch der Zustimmung der aitolischen Bundesversammlung für seine Zugeständnisse). Neben dieser eindeutigen Aussage der Quellen sprechen auch die den Aitolern auferlegten Bedingungen von der Sache her gegen HEINZE. Die Sperrung Asiens kann, da sie sachlich wie zeitlich über den Deditionsvorgang hinausreicht, keinesfalls als Vorbedingung gesehen werden; sie ist daher in ähnlicher Form auch nirgends belegt. Ebenso ist die Forderung auf Auslieferung des Menestratos und des Amynandros keine Bedingung, die den realen Vollzug der Übergabe regeln soll, sondern sie trifft zwei Verbündete der Aitoler und ist daher streng genommen aus deren Dedition herauszuhalten.
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in römischen Augen ihr Appell an die fides keine objektive Grundlage geschaffen hat, die den Konsul in irgendeiner Weise daran hindern kann, seine über den Dedierten gewonnene potestas entsprechend der Rechtswirkung der Dedition absolut und uneingeschränkt anzuwenden. Dieselbe Auffassung vertreten Polybios und Livius. Beide, ihrer Erzähltechnik nach ganz verschieden, berichten den Handlungsablauf nur in seinen wesentlichen Zügen gleich. Die bei Livius sofort zu besprechenden Abweichungen von seiner Vorlage bestätigen jedoch den polybianisdien aus dem Vorgang offensichtlich abstrahierten Schluß, daß nach römischer Auffassung in fidem venire mit in dicione esse identisch ist.25 Livius übergeht zunächst die Unkenntnis der Aitoler über die Rechtswirkung der deditio und formt den bei Polybios daraus resultierenden Entschluß zur Kapitulation in eine Spekulation der Aitoler um, daß der Sieger mit ihnen als Bittflehenden schonend umgehen wird und sie in sua potestate bleiben würden (Liv. 27, 8. Polyb. 9, 11, s. o.). Die anschließende Belehrung bei Polybios über das Wesen der Dedition, die das kommende Unheil praktisch vorwegnimmt, fehlt wiederum. Livius kontrastiert damit seine unvorbereiteten Leser krasser als Polybios mit der folgenden Demütigung der Aitoler, die er im Gegensatz zu diesem wesentlich pointierter erzählt: Der Feldherr stellt nicht nur nach erfolgtem Deditionsangebot die warnende Frage, etiam atque etiam videte, Aetoli, ut ita permittatis, sondern Phaineas weist noch den schriftlichen Deditionsbeschluß vor, womit der rechtskräftige Vollzug der Übergabe außer Zweifel steht26 und der Konsul ohne Umschweife unter Aufnahme des die Deditionsannahme charakterisierenden Stichwortes seine Befehle erteilt: quando ergo ita permittitis, postulo... Die Forderungen selbst divergieren nicht nur von der polybianischen Version (s. o.), sondern sind in einer groben Weise so verfälscht, daß für den römischen Leser die Auslieferung der genannten Kriegstreiber selbstverständlich und billig erscheinen muß. Um so aufreizender wirkt die Unterbrechung des Konsuls durch Phaineas, der dem Römer imprudentia vorwirft, da er im Gegensatz zum mos Graecorum die Aitoler wie servi behandelt: non in servitutem sed in fidem tuam tradimus. Die Strafe folgt dieser Anmaßung auf dem Fuß: Acilius 25
Es genügt in diesem Zusammenhang, die wichtigsten Änderungen des Livius zu besprechen, vgl. im übrigen neben H. NISSEN, Kritische Untersuchungen, S. 30 die eingehende Behandlung von K. WITTE, Über die Form der Darstellung in Livius Geschichtswerk, Rh. Mus. 65 (1910) S. 284 ff. und F. HELLMANN, Livius-Interpretationen, 1939, S. 83ff.,auf die für das Folgende zu verweisen ist. 26 so weist auch Acilius Glabrio ausdrücklich auf dieses Dekret hin (§ 5: in deditos modo decreto suo)y - eine effektvolle Lösung, um die Aitoler unwiderruflich an ihr Deditionsangebot zu binden.
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Glabrio wischt verärgert den Hinweis auf den griechischen Brauch beiseite, um den römischen Standpunkt, der allein hier maßgebend ist, klar zu machen: dum ego more Romano Imperium inhibeam in deditos, und das bedeutet praktisch: ni propere fit quod impero, vinciri vos iam iubeo. Auch an diesem dramatischen Höhepunkt der Verhandlungen ist die polybianische Vorlage bewußt und einschneidend verändert. Polybios erklärt und entschuldigt das harte Auftreten des Konsuls als pädagogische Maßnahme, durch die den Aitolern ihre durch die deditio eingetretene Rechtlosigkeit eindringlich demonstriert werden soll. Livius läßt diese sicher richtige Begründung unter den Tisch fallen und erreicht damit zweierlei: Einmal wird die dramatische Lösung des Knotens durch Acilius Glabrio durch kein retardierendes Moment gestört, und zum anderen, und das interessiert hier vornehmlich, wird das Vorgehen des Konsuls von persönlichen Motiven befreit und zur vorbildlichen Reaktion eines römischen Feldherrn gegenüber störrischen Dedierten objektiviert. Dementsprechend muß auch das ververmittelnde Eingreifen des Valerius Flaccus und anderer anwesender Kriegstribunen, die um Schonung für die unverletzlichen Gesandten bitten, weggelassen werden, da bei einem beispielhaften Vorgehen eines römischen Konsuls eine Kritik seiner Offiziere natürlich fehl am Platz war.27 Von Liktoren umstellt und von Fesseln bedroht, bricht nach Livius jetzt endlich der Trotz der Aitoler zusammen, und sie erkennen ihre tatsächliche Lage nach der Dedition, die ihnen "nur noch die Ausführung der römischen Befehle gestattet: tarn fracta Phaeneae ferocia Aetolisque aliis est, et tandem, cuius condicionis essent, senserunt, et Phaeneas se quidem et, qui adsint Aetolorum, sehe facienda esse, quae imperentur, dixit (§ 7). Wiederum wird um des dramatischen Effektes willen Polybios korrigiert, der die aitolischen Gesandten durch das gewalttätige Verfahren des Feldherrn zwar ebenfalls nachgeben, sie ihren grundsätzlichen Irrtum über die Folgen ihrer deditio aber erst nach ihrer Rückkehr nach Hypata erkennen läßt.28 Sachlich hat Livius mit diesem Satz den dogmatischen Ausgangspunkt des Polybios, daß εις πίστιν αυτόν έγχειρίσαι dieselbe Bedeutung hat wie το την έπιτροπήν δούναι περί αύτοΰ τφ κρατοΰντι, erreicht, nachdem er in der vorange gangenen Darstellung in der Erzählweise dramatischer als Polybios und unter 21
Tragbar war für Livius diese von Valerius bereits 27, 2 angekündigte Intervention zugunsten der Aitoler, als Phaineas um die Gewährung eines nochmaligen Waffenstillstandes bittet, um die römischen Forderungen der aitolischen Bundesversammlung vorlegen zu können. An dieser Stelle traf sich die Fürsprache mit der Absicht des Konsuls und war daher legitim. 28 Polyb. 20, 10, 13: παραγενόμενοι δ'είς την Ύπάταν διεσάφουν τοις άποκλήτοις τά γεγονότα και τους φηθέντας λόγους, ών άκούσαντες τότε πρώτον εννοιαν ελαβον ΑΙτωλοί της αυτών άγνοιας και της έπιφερομένης αύτοίς ανάγκης.
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stärkerer Betonung der dem römischen Verhalten zugrunde liegenden Rechtsvorstellung denselben Tatbestand bereits bewiesen hat.29 Aus diesen ersten Verhandlungen ergibt sich also: i. Die Aitoler halten es für vorteilhaft, den Römern die Kapitulation anzubieten, in dem Glauben, damit die Basis für ein freundschaftliches Verhalten der siegreichen Römer gewonnen zu haben. Sie lassen sich dabei durch den Begriff πίστις, der den Vorgang der Übergabe umschreibt, täuschen, da er in der griechischen Praxis im Gegensatz zu seinem römischen Aequivalent fides durchaus zweiseitige Vereinbarungen bezeichnen kann.80 2. Demgegenüber setzt der römische Verhandlungspartner nach dem sachlich übereinstimmenden Zeugnis des Polybios und des Livius sowie auf Grund des realen Handlungsablaufes venire in fidem und deditio in dicionem durchaus gleich. Zu weiteren Verhandlungen kommt es im Winter des Jahres 19i/o vor dem Senat in Rom. Der Senat, über das aitolische Verhalten, dem man die ganze Schuld am Krieg zuschob, erbittert, bleibt in der Sache bei seinen harten Forderungen, läßt aber jetzt den Aitolern die Wahl zwischen der Dedition und dem Abschluß eines Klientelvertrages.31 Bedeutsam hierbei ist, daß die Dedition einem Vertrag zu ungleichem Recht, der jedoch die völkerrechtliche Souveränität des unterlegenen Partners unangetastet ließ, durchaus gleichgestellt wird. 32 Das bleibt 29 Nach L. MERTEN, a.a.O. S. 6f. (vgl. Gnomon 38 [1966] S. 419) übt Livius an dem „Vorgehen des Konsuls gegen die fides" Kritik, „indem er den Beridit des Polybios umformt" und selbst den Ton auf den „moralischen Anspruch, der mit der Übergabe an den Sieger gestellt wurde", legt. Vgl. zu diesem kühnen Gedankenflug Acilius Glabrio (28, 5): nee hercule magnopere nunc curo quid Aetoli satis ex more Graecorum factum esse censeant, dum ego more Romano Imperium inhibeam in deditos. S. CALDERONE", Fides, S. 61 ff. sieht die Erklärung des römischen Verhaltens in der fehlenden reeeptio in fidem, die die Aitoler vergeblich angestrebt hätten, und U. COLI, a.a.O. versteigt sich zu der Behauptung, das Zeugnis des Polybios sei als Beweis für die Verständnislosigkeit zu werten, mit der man der juristischen Mentalität Roms gegenüberstand. Die Sprachlosigkeit der gefesselten Aitoler bezeugt laut das Gegenteil. 30 Zu Bedeutung und Anwendungsbereich der griechischen πίστις s. R. HEINZE, Fides, S. 79 f., S. CALDERONE, Fides, S. 39 ff., V. BELLINI, RHDFE 42 (1964) S. 435 Anm. 18. 31 Polyb. 2i, 2, 1 ff. εδοξε τφ συνεδρίψ δύο προτείνειν γνώμας τοις Αιτωλοΐς, ή διδόναι την έπιτροπήν περί πάντων τών καθ' αυτούς ή χίλια τάλαντα παραχρήμα δούναι και τον αυτόν έχϋρόν και φίλον νομίζειν 'Ρωμαίοις. Die Antwort der Aitoler daraufhin, επί τ'ισι δει τήν έπιτροπήν διδόναι, beweist, daß sie das Wesen der Dedition immer noch nicht begriffen hatten, und sie bleibt daher folgerichtig vom Senat unbeantwortet. 32 195 v. Chr. weigert sich Flaminin sogar, die Dedition Spartas anzunehmen und besteht auf dem Abschluß eines Vertrages: Liv. 34, 35 ff. (J. A. O. LARSEN, a.a.O. S. 198 f., A. PIGANIOL, a.a.O. S. 340f.). Vgl. dagegen die heftige Diskussion im Senat über die Beendigung des zweiten punischen Krieges: Während Scipio und sein Anhang auf dem Abschluß eines Vertrages und damit auf der rechtlichen Erhaltung Karthagos bestehen,
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auch der Wesenszug der dritten Verhandlungsphase, die nach der Ankunft der Scipionen auf dem griechischen Kriegsschauplatz im Frühjahr 190 durch die Vermittlung des athenischen Gesandten Echedemos möglich wird. 3 3 Publius Scipio behandelt die aitolischen Unterhändler zwar überaus freundlich, da er fest entschlossen ist, seine gesamte Macht auf dem asiatischen Kriegsschauplatz einzusetzen, wofür die Beendigung des aitolischen Krieges unabdingbare Voraussetzung war, wich jedoch kein Jota v o n den alten Forderungen des Senates ab. 3 4 Daran änderten auch vierte 3 5 und fünfte 3 6 Verhandlungen, die die Aitoler anstrengten, nichts. 37 Die von dem Sprachgebrauch der Quellen her gestellte Frage ist damit beantwortet. D i e scheinbar pointierte Antithese v o n dich
und potestas
einer- und
verlangt die Gegenpartei die Fortsetzung des Krieges bis zur Dedition (App. Lib. 57 f.; 62 f.; 64. Zur Quellenfrage siehe H. H. SCULLARD, Roman Politics 220-150 B. C , 1951, S.2 7 9 f·)· 33 Polyb. 21, 4 f. Liv. 37, 6, 4 ff. App. Syr. 23. Zonar. 9, 20, 1. 34 Den Passus des polybianischen Berichtes, nach dem die Aitoler nach den Bedingungen des Friedens fragen (21, 4, 12), benutzt FR. DE MARTINO, a.a.O. S. 53 Anm. 127 dazu, seine Annahme einer faßbaren Unterscheidung zweier Deditionsarten gegen A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 66 f. zu stützen. Seine Argumentation verfängt aus vier Gründen nicht: 1. Weder ist in den ersten Verhandlungen, und gerade auf sie stützt sich A. HEUSS, von Friedensbedingungen die Rede, noch erlaubt der polybianische Bericht über die dritten Verhandlungen einen Rückschluß auf die ersten, da dort die Situation gänzlich anders ist: Die Alternative zwischen deditio und foedus iniquum ist von römischer Seite noch gar nicht gestellt. 2. Das in den dritten wie in den zweiten Verhandlungen gemachte Angebot, einen Vertrag abzuschließen, ist sehr wohl an Bedingungen gebunden, die erst den Vertrag ausmachen und deren Erfüllung den Frieden herbeiführt (vgl. Polyb. 21, 4, 13). 3. Die Aitoler sind auf Grund des freundlichen Empfanges im römischen Hauptquartier überzeugt, wesentlich günstigere Bedingungen als bei den ersten Versuchen einhandeln zu können. Sie werden also ernstlich nur den Abschluß eines Vertrages ins Auge gefaßt haben mit wesentlich gemäßigten römischen Forderungen. 4. Endlich ist es methodisch auch hier nicht gerechtfertigt, Aussagen der Aitoler zur Definition des Institutes der Dedition heranzuziehen, da sie ihren Rechtsinhalt ebensowenig verstanden haben wie in den beiden ersten Verhandlungen. Das beweist ihr letzter Versuch, nach dem Scheitern der Verhandlungen doch noch erträgliche Bedingungen einzuhandeln: Sie bitten Scipio, von der Dedition wenigstens die Bürger und ihre Frauen auszunehmen: τους πολιτικούς άνδρας και τάς γυναίκας (Polyb. 21, 5» 4)· Diese Bitte wird, da sie dem Wesen der Dedition widerspricht, ebenso abgelehnt wie beispielsweise die Bitte der Numantiner an Scipio, εΐ μετριοπαθώς σφ'ισι χρήσεται, εί τα μέτρια κελεύοις (App. Iber. 95)· 85 Im Spätsommers 90 in Rom nach Ablauf des von Scipio gewährten sechsmonatigen Waffenstillstandes: Diod. 29, 9. Liv. 37, 49. Polyb. 21, 25, 8. 36 Verhandlungen mit dem Konsul Fulvius Nobilior während der Belagerung Ambrakias, die schließlich zum Vertragsabschluß führten: Polyb. 21, 32, 2ff. Liv. 38, 11, 2ff. 37 Vgl. im einzelnen: A. PIGANIOL, a.a.O. S. 340f., E. BADIAN, Foreign Clientelae, S.8 4 f.
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fides andererseits ist in der Sache unhaltbar und geht offensichtlich auf den Einfluß der hellenistischen πίστις-Vorstellung zurück. Die Fälle, in denen ein Dedierter über Gebühr grausam verfolgt wird, sind gewiß kein alltägliches Schauspiel römischer Feldherrn gewesen, doch haben sie, wenn sie vorkamen, die fides Roms oder seiner Magistrate unberührt gelassen, da formal das Recht auf der Seite Roms stand. Wenn tatsächlich einmal vor dem Senat ein besonders krasser Fall feldherrlicher Barbarei verhandelt werden mußte, so gaben politische Gründe oder Privatfehden römischer Nobilitätsgeschlechter dafür den Ausschlag. Paradigmatisch deutlich wird diese Tatsache bei der Beratung des Senates über die Folgen, die die Dedition für die Statellaten, einen ligurischen Volksstamm, hatte, der sich 173 v. Chr. dem Konsul M. Popilius Laenas ergeben hatte.38 Die Kritik des Senates an dem brutalen Vorgehen des Konsuls wird nicht damit begründet, daß den Ligurern auf Grund der Dedition ein rechtlicher Anspruch auf Schonung zustehe, sondern mit den politischen Konsequenzen, die sich aus einer solchen Barbarei zwangsläufig ergeben müssen. So berät der Senat nicht eigentlich über das Los der Statellaten, deren Behandlung auf Grund der Dedition nicht als rechtswidrig angesehen wurde und auch wohl kaum das besondere Mitleid des Senates beansprucht haben wird, 39 sondern er sucht die Scherben eines politisch unklugen Vorgehens zu reparieren. Er beschloß daher, Popilius solle die Ligurer wieder freikaufen und ihnen ihre Habe und ihre Waffen zurückgeben. Die Durchführung dieses SC, das im Jahre 172 durch ein Plebiszit unterstützt wurde, das die Einsetzung eines außerordentlichen Gerichtshofes gegen den an38 Liv. 42, 8, 5 f.: atrox res visa senatui, Statellates, qui uni ex Ligurum gente non tulissent arma adversus Romanos, tum quoque oppugnatos, non ultro inferentis bellum, deditos in fidem populi Romani, omni ultimae crudelitatis exemplo laceratos et deletos esse, tot milia capitum innoxiorum, fidem implorantia populi Romani, ne quis umquam se postea dedere auderet, pessumo exemplo venisse, et distractos passim iustis quondam bostis populi Romani pacatos servire. Den Vorgang der Kapitulation selbst bezeichnet Livius (8, 1) als einfache deditio, er gebraudit den Begriff also audi hier synonym mit in fidem venire. 39 Man denke nur an das furchtbare Strafgericht, das sedis Jahre später nach Beendigung des Dritten Makedonisdien Krieges die Molosser traf, die zu Perseus abgefallen waren, und bei dem 70 Orte in den Landstrichen Molossis und Atintania vernichtet und 150000 Menschen in die Sklaverei verkauft worden waren. Das Unternehmen war durch ein SC dem Aemilius Paullus ausdrücklich befohlen und vor seiner Ausführung sorgfältig geplant worden (vgl. Polyb. 30, 15. Liv. 45, 34. Plut. Aem. 29, 1. 30, 1. Strab. 7, 7, 3). Die Annahme von H. H. SCULLARD, JRS 35 (1945) S. 58 ff., Roman Politics, 1951, S. 211 ff., daß diese bisher nicht dagewesene Brutalität in der römischen Ostpolitik auf den Aufstieg neuer plebejischer gentes zurückgeführt werden müsse, ist reine Spekulation; vgl. F. HAMPL, Anz. f. d. Altertumswiss. 6 (1953) S. 97, H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 28,
N. G. L. HAMMOND, Epirus, 1967, S. 634 f.
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ordnete, der nicht bis zum 31. 7. die Statellaten in Freiheit gesetzt hätte, versandete kläglich im Machtkampf zwischen patrizischen Geschlechtern und plebejischen homines novi, die in den Jahren 172-170 alle Konsulatsstellen besetzen konnten.40 Ein ähnliches Schicksal erlitten 151 v. Chr. die Lusitaner, die trotz ihrer deditio in fidem niedergehauen oder nach Gallien in die Sklaverei verkauft wurden.41 Nach der Rückkehr des verantwortlichen Propraetors Servius Sulpicius Galba aus der Provinz (149) stellte der Volkstribun L. Scribonius Libo den Antrag, den Lusitanern ihre Freiheit wiederzugeben und gegen Galba eine quaestio durchzuführen. Der Antrag wurde bezeichnenderweise auch hier nicht mit dem Vorwurf eines Rechtsbruches begründet, sondern einmal mit dem Wortbruch des Propraetors, der den Dedierten gutes Siedlungsland in Aussicht gestellt hatte, zum anderen mit dem Vorwurf der Habsucht, da der Erlös aus dem Verkauf der Lusitaner nur zu einem kleinen Teil unter den Soldaten verteilt wurde, während der Löwenanteil in die Tasche des Feldherrn gewandert war. 42 Das finanzielle Interesse, das Feldherr wie Soldat an einer Massenversklavung hatten, wurde hier den dedierten Lusitanern zum Verhängnis.43 Die bisherige Erörterung beschränkte sich auf die Kapitulation in die fides des römischen Staates, der in den meisten Fällen ausdrücklich genannt wird. Der herausgestellten rechtlichen Identität von in fidem und in potestatem p. R. venire Entsprach dabei konsequenterweise die Wirkung der hier synonym mit dicio gebrauchten fides über den Deditionsvorgang hinaus: sie begründet in gar keiner Weise ein dauerndes Patronats- oder irgendwie zu definierendes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Sieger und Besiegten. Auf dieser Grundlage gilt es, die seltenen Quellenzeugnisse zu beurteilen, in denen der Appell an die fides an den römischen Feldherrn, der die Dedition annimmt, selbst gerichtet ist: Asiae civi40
Vgl. im einzelnen E. PAIS, Dalle guerre puniche a Caesare Augusto, 1918, S. 514 f., Η. Η. SCULLARD, Roman Politics, 1951, S. 194 ff., J. BLEICHEN, Das Volkstribunat der klassischen Republik, 1955, S. 56 f.; 141, H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 212ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 632 ff. 41 Liv. per. 49: Lusitani, qui in fidem populo Romano dediti ab Ser. Galba ... Suet. Galb. 3, 2 spricht von 30000 Versklavten; anders Val. Max. 9, 6, 2. 42 App. Iber. 60; vgl. Val. Max. 8, 1, 2. 9, 6, 2. F. MÜNZER, RE 4 Α (1931) Sp. 762 ff. s. v. Sulpicius (Galba) Nr. 57, J. BLEICHEN, a.a.O. S. 145, H. SIMON, Roms Kriege in Spanien (154—i33)v 1962, S. 60ff., H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 216, A. J. TOYNBEE, a. a. O. II, S. 642 ff. Der Prozeß endete bekanntlich trotz der Intervention Catos mit Freisprudi, die Bluttat selbst beschwor den 10jährigen Rachekrieg des Viriathus gegen Rom. 48 Daß solche Überlegungen in vielen Fällen die Behandlung der Besiegten bestimmten, beweist hinreichend die zitierte Untersuchung von H. VOLKMANN.
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tates in fidem consulis dicionemque populi Romani sese tradebantM Vorgang und Formulierung lassen von vorneherein keinen Zweifel daran, daß der römische Feldherr hier nicht als Privatmann, sondern in seiner offiziellen Eigenschaft als Magistrat, d. h. als Stellvertreter Roms im Kriege, angesprochen wird und somit der Besiegte sich nicht in die individuelle fides des Konsuls, sondern in die durch ihn repräsentierte fides des römischen Staates dediert. Damit schließt neben der unbedingten Rechtswirkung der Dedition auch dieser nur an den Amtsträger, nicht an die Person gerichtete Appell die Begründung eines persönlichen Patronatsverhältnisses zwischen einer dedierten Gemeinde und einem Angehörigen der römischen Nobilität auf dem Wege der Dedition aus. Kamen derartige Bindungen zustande, so setzten sie die Restitution des dedierten Gemeinwesens und die Aufnahme Völker- (amicitiay societas) oder staatsrechtlicher (Einverleibung in die römische Bürgergemeinde, Provinzialisierung) Beziehungen voraus, die neben den Komitien in Rom auch der Imperiumträger als Repräsentant des römischen Staates herstellen konnte. Gleichzeitig wird durch die damit geschaffenen neuen Rechtsverhältnisse die Wirksamkeit der fides bestimmt und begrenzt. Wenn Cicero (de off. i, 35) schreibt, ut ii, qui civitates aut nationes devictas hello in fidem recepissent, earum patroni essent more maiorum, so charakterisiert er eine Klientel, die alle Staaten umfaßt, die auf dem Wege der Eroberung oder der Dedition in die römische Verfügungsgewalt gelangten und entweder aus dieser wieder entlassen oder provinzialisiert wurden; in beiden Fällen wird der faktische Fortbestand der besiegten Gemeinde durch eine lex data oder rogata, später auch durch ein SC, festgesetzt und reglementiert. Mit einer deditio in fidem hat also die Begründung staatlicher oder personeller Patronatsverhältnisse unmittelbar nichts zu tun,45 sondern sie ist eine der möglichen mittelbaren Voraussetzungen der römischen Klientel, die sich bekanntlich nicht nur auf Besiegte, sondern ebenso auf befreundete und verbündete Staaten und Individuen erstrecken kann 46 und auf einem willkürlich und einseitig gefaßten Entschluß des römischen patronus beruht. 44 Liv. 37, 45, 3; 54, 17. 1, 38, 2. (im Deditionsformular): in meam populique Romani dicionem. 8, 20, 6: se in dicionem consulis permisisse. Cic. de off. 1, 11, 35: ii qui armis positis ad imperatorumfidemconfugiunt. 45 TH. MOMMSEN, RStR III, S. 65, E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 156f. Anders: TH. MOMMSEN, Römische Forschungen I, 1864, S. 361 f.; 363: „Die publicistische Clientel entsteht immer durch deditio", M. GELZER, Die Nobilität der römischen Republik, 1912, S. 50 f. (= Kl. Schrift. I, 1962, S. 68 f.), A. VON PREMERSTEIN, RE 4 (1900) Sp. 26 ii., s. v. Clientes, Vom Werden und Wesen des Prinzipates, Abh. Bayr. Ak. Wiss., phil.-hist. Kl., N. F. 15, 1937, S. 16ff., H. D. MEYER, Cicero und das Reich, Diss. Köln 1957, S. 212,
L. LOMBARDI, a. a. O. S. 57 ff., D. TIMPE, Hermes 90 (1962) S. 3 57. 48
Es genügt, auf das Patronat der Valerier über die Aitoler seit Abschluß des Bundes-
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Abschließend zwingen die vorgelegten Einzeluntersuchungen zu folgenden zusammenfassenden Ergebnissen: Eine deditio in fidem hat es weder als Terminus noch als Tatsache in der römischen Außenpolitik gegeben. Der Begriff der fides wird, wenn er im Zusammenhang mit der Kapitulation eines besiegten Gemeinwesens belegt ist, durchweg gleichbedeutend mit dich, deditio, Imperium und potestas gebraucht, ohne daß dicio und fides der Sache nach grundsätzlich dasselbe wären, vielmehr ist die ethische Seite der durch die deditio gewonnenen potestas hier mit dem Vorgang des Übertritts in die römische Herrschaft wie mit dieser selbst terminologisch zusammengefallen. Einer genaueren Definition im völkerrechtlichen Bereich entzieht sich die fides, da der Begriff mit amicitia, societas und foedus ebenso gekoppelt wurde wie mit den aufgeführten Termini eines unbegrenzten Herrschaftsanspruches, und dieser Sprachgebrauch läßt allein den negativen Schluß zu, daß i. fides und potestas sachlich nicht identisch sein können, und 2. der Terminus wenigstens im 3. und 2. Jhdt. v. Chr. gedanklich keineswegs durchgebildet und daher zur Bezeichnung objektiver Tatbestände ungeeignet war.47 Erst für die von den Lehren der Stoa beeinflußten Zeit Ciceros kann die fides als durchdachter Begriff eines hochentwickelten politischen Denkens die moralische Bindung der Macht bezeichnen; eine Modifizierung der uneingeschränkten Rechtswirkung der deditio bewirkte sie auch dann nicht. geiiossenschaftsvertrages 212 v. Chr. hinzuweisen. Vgl. im übrigen TH. MOMMSEN, RF I, S. 221 ff., L. HARMAND, a.a.O. S. 13fr., CH. MEIER, Res publica amissa, 1966, S. 34ff. und E. BADIAN, a.a.O. S. 155 ff., dessen an sich ansprechende Vermutung, daß das Patronat des Marcellus über Syrakus das erste dieser Art und vorbildlich für die römische Nobilität war, die Tessera hospitalis aus Fundi (Dessau, ILS 6093) leider außer Betracht läßt, obwohl nach diesem zwischen 222 und 188 v. Chr. zu datierenden Zeugnis die Formel in fide esse offenbar bereits stereotyp war, vgl. L. LOMBARDI, a.a.O. S. 56f. Die Vorstellung, die L. MERTEN, a.a.O. S. 10 in diesem Zusammenhang über römische Bundesgenossen entwickelt („.. .die ihm [ = Rom] zwar in einigen Fällen durch Vertrag verbunden waren, oft aber auch alleine durch eine friedliche deditio sich in seinerfidesbefanden"), ist wohl nur als Kuriosum gedacht und sei als solches nicht verschwiegen. 47 Diese Tatsache wird um so deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, daß Wortpaare wie amicitia et dicio, oder societas et potestas ganz undenkbar sind, da diese klar definierbaren völkerrechtlichen Verhältnisse (s. S. 158ff.) eine ebenso eindeutige Verfügungsgewalt ausschließen. Ebensowenig wie fides waren die Begriffe clientes, clientelae oder patrocinium juristisch-technische Begriffe der außenpolitischen Beziehungen Roms, da auch sie eine Seite der völkerrechtlichen Bindungen Roms ansprechen, die keine objektive Norm setzt, an die appellierbar wäre, sondern eine den Umständen angepaßte, von Fall zu Fall anders zu realisierende, d. h. subjektive Verfahrensweise bezeichnen.
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Die hergestellte Identität von in fidem venire und deditio in potestatem weist den Weg zur Klärung der praktischen Bedeutung, die die Einführung des fidesBegriffes in die Dedition haben muß, da es sich dabei nicht um eine schriftstellerische Marotte unserer antiken Gewährsmänner, sondern um den offiziellen römischen Sprachgebrauch handelt, der nicht sinnlos gewesen sein kann. Dem Vorgang der Dedition ist, wie bereits gesagt, der Appell an den Sieger immanent, die rechtlich unerbittliche Konsequenz der Übergabe den Umständen entsprechend milde anzuwenden, da sie dem siegreichen Heer die letzte Anstrengung, die Eroberung der Stadtmauern und des Stadtkerns, erspart, und der Besiegte durch sie im Gegensatz zur willenlos erlittenen Eroberung bewußt und freiwillig die Oberhoheit Roms anerkennt. Die stille Bitte um Schonung also, primär von Leib und Leben, bleibt als konkreter Inhalt der fides im Rahmen der Dedition, d. h. sie ist, was das Verhalten des Siegers betrifft, gleichbedeutend mit dementia, die ebenfalls völlige Unterwerfung und Verzicht auf jeden Rechtsanspruch von Seiten des Objekts voraussetzt: paulo, ut se suaque omnia in fidem et clementiam p. R. permitteret, tendente.*8 Die terminologische Koppelung oder Gleichsetzung der fides mit potestas und dicio stellt somit die dem Deditionsvollzug immanente Möglichkeit der Schonung des Besiegten in den Vordergrund und ist, da sie die Rechtswirkung der deditio verschleiert, nur aus dem Bemühen der römischen Diplomatie zu erklären, die Dedition aus noch zu erörternden Gründen möglichst wirkungsvoll anzuwenden. Dieser Politik entsprach es, daß in den meisten Fällen die Übergabe ohne Blutvergießen vollzogen wurde und oft die Restitution des Dedierten unmittelbar folgte. Es ist für die richtige Einordnung dieses Tatbestandes wichtig, daß sich die Römer im Gegensatz zu der von den Griechen seit der Pentekontaetie durchaus aus humanitären Gründen erhobenen Forderung nach Schonung des Besiegten und des kapitulierenden Gegners 49 zunächst und vor allem von dem nüchternen Ge48 Liv. 45, 4, 7. So rät Valerius Flaccus 191 den Aitolern zur deditio, nee enim in causa ipsorum, sed in p. R. dementia spem salutis positam esse: Liv. 36, 27, 6. 44, 9, 1: fidem clementiamque Romanorum quam vim experiri mallent. Sali. Jug. 33, 4: in fide et dementia p. R. magnum spem Uli sitam. Cic. Ep. 13, 66, 1. S. CALDERONE, Fides, S. 92 f., E. Bux, dementia Romana, Würzburger Jbb. 3 (1948) S. 201 ff., bes. S. 207 ff. 49 Thuk. 3, 58, 3: ό δέ νόμος τοϊς "Ελλησι μή κτείνειν χείρας προΐσχομένους (in der Rede, die die Player nach ihrer Kapitulation 427 v. Chr. vor einem spartanischen Ge richtstribunal hielten und in der sie die Spartaner baten, sie nicht aus ihrer Gewalt und ihrer πίστις den Thebanern zu übergeben: 3, 59, 4). Audi in Griechenland hatten derartige theoretische Erwägungen meist nur dann Aussicht auf praktischen Erfolg, wenn die
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bot der Zweckmäßigkeit leiten ließen, wenn sie auf die härteste Anwendung des Kriegsrechtes verzichteten. Maßstab des Handelns war der Erfolg, der nicht darin bestand, als Sieger eine Wüste zu schaffen, sondern die eroberten Städte und Gebiete als praemia victoriae dem römischen ager publicus einzugliedern oder sie als treue Bündner oder Freunde Roms bestehen zu lassen. Diese politische Maxime verfochten nach dem Zeugnis der Annalistik bereits Romulus und die Konsuln der frühen Republik, eine ex eventu getroffene Erkenntnis natürlich, die aber, solange man politisch zweckmäßige Kriegführung nicht mit Humanisierung oder moralisch bedingter Zurückhaltung verwechselt, einen Grundzug römischer Außenpolitik aufdeckt.50 So konnte noch Flavius Josephus Jerusalem Staatsklugheit für die Schonung oder zumindest nicht dagegen sprach, das zeigt das Los der Platäer, die alle hingerichtet wurden, am besten (ebenso Diod. 12, γ6, 3). Trotzdem gab es in Griechenland eine öffentliche Meinung, die ζ. Β. auf den Terror Athens im peloponnesischen Krieg mit wachsender Empörung reagierte und dadurch zum politisch beachtenswerten Faktor werden konnte (Plut. Lys. 14). Vgl. im übrigen zur Humanität in der griechischen Kriegführung F. KIECHLE, Historia 7 (1958) S. 129fr., Gesch. in Wiss. und Unterricht 10 (1959) S. 525 ff. 50 Dion. Hai. 2, 16, 1, Text bei H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 191 f., dazu F. SCHULZ, Prinzipien des römischen Rechts, 1955, S. 144f. Cic. de imp. Cn. Pomp. 60: non dicam hoc loco maiores nostros semper in pace consuetudini, in hello utilitati paruisse. Ebenso beansprucht die Annalistik für Rom den Ruhm, seit den ältesten Zeiten die dementia anderen Völkern gegenüber geübt zu haben: Liv. 3, 2, 5. Polyb. 18, 37, 2. E. Bux, a.a.O. S. 207f., H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 212ff. Auch dieses annalistische Ruhmesblatt enthält Richtiges, wenn man sich darüber im klaren ist, daß dementia in den Jahrhunderten des römischen Aufstiegs nicht in einem stoischen Postulat nach echter humanitas, sondern in der Staatsraison begründet liegt und praktische Außenpolitik mit wertvoller Propaganda vereinigt. (Dasselbe gilt für die Innenpolitik: Es sei daran erinnert, daß dementia spätestens in den 60er Jahren auch als Schlagwort populärer Propaganda eingeführt wurde [H. DAHLMANN, dementia Caesaris, NJb 10 (1934) S. 17 ff.] und als Mittel zur Opposition gegen die Optimaten, denen man saevitia und cmdelitas vorwarf, diente; vgl. L. WICKERT, Klio 30 [1937] S. 236ff.) Cicero und seine Zeitgenossen haben die historischen Fakten der römischen Außenpolitik bis zu einem gewissen Grade richtig gesehen, ihnen jedoch als Beweggrund eine sittliche Haltung unterschoben, die den ethischen Forderungen der griechischen Philosophen entsprach (vgl. Cic. ad Q. fr. 1, 1, 25. de off. 1, 35-36; 88. rep. 3, 35. E. Bux a.a.O., K. WINKLER, RAC 3 [χ957] Sp. 207fr. s. v. dementia, Lit. Sp. 230f.). Es ist das Verdienst von F. HAMPL, „Stoische Staatsethik" und frühes Rom, HZ 184 (1957) S. 249ff. (zustimmend H. VOLKMANN, S. 193 ff.), diesen Blickwinkel der Überlieferung aufgedeckt und den Grund dafür im Anschluß an R.-IHERING, Dt. Rundschau 51 (1887) S. 357 ff. auf eine allgemein gültige Formel gebracht zu haben: „Es handelt sich, mit einem Wort, darum, daß gewisse Institutionen und Verhaltensweisen, die einen rein praktischen Ursprung haben, im Laufe der Zeit einen sittlichen Gehalt gewinnen und daß dann die späteren Menscheri diesen sittlichen Gehalt auch für die frühe Zeit voraussetzen und hier vielleicht nun gar die Wurzel der betreffenden Institutionen sehen."
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mit der Begründung zur Kapitulation auffordern, daß die Römer berechnende Sieger seien, die ihren Vorteil über ihre momentane Erbitterung stellen würden, und der liege nun nicht darin, eine menschenleere Stadt und ein verödetes Land in Besitz zu nehmen: φύσει τε γαρ εν τφ κρατεϊν ήμερους είναι και προ θυμών θήσεσθαι το συμφέρον, τοΰτο δ'εΐναι μήτε την πόλιν ανδρών κενήν μήτε την χώραν ερημον εχειν (b. J. 5, 373)· Dieses sachliche, an den materiellen Nutzen gebundene Verhalten hat in den verschiedenen Phasen des römischen Weges zur Weltmacht natürlich jeweils verschiedene Begründungen gefunden und zeitweilig auch bewußt humanen Zügen Raum gelassen. Im zweiten makedonischen Krieg wurde die Härte der Kriegführung des Sulpicius Galba und seines Legaten L. Apustius (vgl. Liv. 31, 27, 3) auf griechischem Boden wohl nur von Philipp V. übertroffen. Der Nachfolger des Galba, Flamininus, befleißigte sich einer wesentlich schmiegsameren und milderen Politik, einmal, um die ausgegebene Parole, Griechenland vom makedonischen Joch zu befreien, nicht zur leeren Phrase werden zu lassen und damit den politischen Erfolg zu gefährden, zum anderen aus echtem Mitgefühl mit dem griechischen Schicksal.51 Die römische Politik praktizierte in diesen Jahren ein bereits im hellenistischen Bereich oft propagiertes Schlagwort, nachdem eine »griechische Stadt" eine Sonderstellung und bevorzugten Schutz beanspruchen könne,62 sie gab diesen Standpunkt in dem Augenblick auf, in dem der Erfolg ausblieb und die harte Sprache der römischen Siege im 3. makedonischen Krieg Schonung und Milde zwecklos werden ließ und ihre Ausübung allein human gewesen wäre. Das Beispiel demonstriert mit hinreichender Klarheit die grundsätzlich untergeordnete Bedeutung ethischer Begriffe wie der der fides in der Praxis der römischen Außenpolitik: Angesichts des den Römern von der Umwelt und dem eigenen Willen diktierten Zwangs, sich zunächst in Italien und im westlichen Mittelmeer und seit 200 v. Chr. im Osten als bestimmende Macht behaupten zu können, bleiben sie ebenso kraftlos wie angesichts der seit Pydna errungenen Weltherrschaft, zu deren Übernahme im Sinne einer moralischen Verpflichtung den Besiegten gegenüber Rom nicht bereit war.53 In der praktischen Kriegführung bedeutet dieser Grundsatz, daß fides im Rahmen der Dedition keine objektive Norm setzen konnte, an die sich ein rö51
S. S. 90ff. H. VOLKMANN, Griechische Rhetorik oder römische Politik?, Hermes 82 (1954) S. 465 ff. 52 Vgl. H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 188 f. und hier S. 248 ff. 53 Erst die Verzweiflungstat des letzten Attaliden, sein Reich den Römern zu vererben, sowie die Kampfe in beiden spanischen Provinzen zwangen der römischen Nobilität die Erkenntnis auf, daß es nicht genügt zu siegen, sondern daß das damit heraufbeschworene Chaos nur durch eine neue Ordnung des Siegers, die gleidizeitig Herrscherpflichten mit sich brachte, beseitigt werden konnte. Vgl. J. BLEICKEN, Gnomon 36 (1964) S. 180 ff.
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mischer Feldherr, der als Vertreter der römischen Macht im Krieg die deditio annahm, verpflichtend gebunden fühlen mußte. Im Gegenteil: Die Anwendung der fides war und blieb von der subjektiven und rechtlich irrelevanten Entscheidung des Feldherrn abhängig, der sein Verhalten nur vor der Maxime des politischen und militärischen Erfolges zu verantworten hatte und allein innerhalb der damit gesteckten Richtlinien moralisch-humanitäre Überlegungen in die Praxis umsetzen konnte.54 Es liegt im Wesen der Dedition selbst begründet, daß die Erhaltung zumindest der physischen Existenz des Unterworfenen und nicht seine Vernichtung die Regel war, da die Aufforderung zur Übergabe als militärisch und politisch wirkungsvolles Instrument natürlich nur solange prak tikabel war, solange die stille Zuversicht der Dedierten, schonend behandelt zu werden, nicht dauernd und grundlos getäuscht wurde. Beispiele eines unmotiviert brutalen Vorgehens mußten zur Konsequenz haben, daß die im weiteren Verlauf des Krieges angegriffenen Städte äußersten Widerstand leisteten, sich mit ebenfalls gefährdeten Nachbarn zusammenschlössen, oder zum Gegner überliefen (vgl. ζ. Β. Liv. 24, 37-39; 44, 9-)> während kluge Zugeständnisse an die Dedierten ganze Landstriche zum Anschluß an Rom brachten.55 Ließ sich ein römischer 54 Gegen D. TIMPE, Hermes 90 (1962) S. 336ff., der in dankenswerter Klarheit den von einem großen Teil der Forsdiung geteilten gegenteiligen Standpunkt in Anlehnung an/A. PIGANIOL, a.a.O. S. 339ff. formuliert hat. D. TIMPE nimmt eine historisdie Entwicklung der Dedition von einer deditio in fidem zu einer deditio „als Generalvollmacht für imperiale Politik" (S. 360) an. »Die gleidizeitige Ergebung in die römische fides ist nicht ein bloßes Accidens des Rechtsvorganges und nicht eine bloß zufällige und wechselnde subjektive Modalität des Verhaltens ohne innere Bindung zur objektiven Rechtsstruktur der Dedition" (S. 357). Bezeichnenderweise formuliert D. TIMPE hier wie im folgenden seine Ansicht negativ, wodurch die innere Logik seiner Argumentation gewahrt bleibt, eine konkrete Vorstellung der von ihm postulierten Deditionsart jedoch unmöglich gemacht wird. Ins Positive gewendet bleibt die Annahme, daß die deditio in fidem eine objektive moralische Verpflichtung des Siegers beinhaltet, der Eckpfeiler seiner Argumentation. Jede objektive Verpflichtung setzt aber eine Regel bzw. eine Norm voraus, nach der in einer bestimmten Zeit verfahren wird und Ausnahmen als solche vor diesem normativen Hintergrund erkannt werden können. Das hier vorgelegte Quellenmaterial beweist nun, daß es eine solche Regel gerade nicht gab, sondern jeder römische Feldherr nach eigenem Gutdünken (so ζ. Β. Polyb. 33, 10, 11) oder nach den Instruktionen des Senates (so z. B. im Falle Capuas 211, TH. MOMMSEN, RStR, III, S. 1110 Anm. 1) verfuhr, die allein nach der politischen Zweckmäßigkeit ausgerichtet wurden und eine ganze Verfahrensskala von der Wiederherstellung des Dedierten als unabhängiges Gemeinwesen bis zu seiner erbarmungslosen Unterdrückung umfassen konnten. 55 Liv. 44, 7, 5: ut reliquorum Macedonum animos sibi conciliaret, obsidibus contentus sine praesidio relinquere se eis urbem immunesque ac suis legibus victuros est policitus. 31,1: urbes regionis eins idem faciebant (sc. se tradiderunt) adiurante inclinationem animorum dementia in omnes et iustitia praetoris Romani; H. VOLKMANN, S. 141 f.
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Imperiumträger aus persönlichem Ergeiz, oder weil er die militärische Lage falsch beurteilt hatte, zu einer überflüssigen und folgenschweren Brutalität hinreißen, so verstieß er gegen das politische Interesse Roms und konnte von Senat und Volk aus diesem Grunde, obwohl seine Maßnahmen nach Vollzug der Dedition rechtlich unantastbar waren, zur Rechenschaft gezogen werden.56 Es entspricht dieser Verfahrensweise, daß eine milde Ausübung des Kriegsrechtes eroberten Städten gegenüber seltener aber ebenso selbstverständlich war, wenn es der politische Nutzen forderte;57 deditio und Eroberung bewirkten nicht nur denselben Rechtsstatus sondern unterliegen auch denselben Maximen seiner Ausübung. Das Gesagte schließt eine historische Entwicklung der Dedition, sowohl was ihren Rechtscharakter als auch was die Modalitäten ihres realen Vollzugs betrifft, aus. A. PIGANIOL hat in seiner nahezu zum Allgemeingut der Forschung gewordenen These eine Entwicklung der Verfahrensweise (nicht der Rechtswirkung) von einer Interpretation genereuse (ausgewiesen durch den Brief der Scipionen an die Stadt Herakleia am Latmos, Syll. 3 618) im 3. und 4. Jhdt. zu einer Interpretation atroce (angewandt von Acilius Glabrio in den Verhandlungen mit den Aitolern, s. o.) im 2. Jhdt. nachzuweisen versucht.58 Zunächst ist das 56
s. o. S. 40 f. H. VOLKMANN, S. 212 ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965,
S. 608ff.Die Bedeutung dieses Vorgangs wird nicht dadurch geschmälert, daß solche Prozesse meist von den Betroffenen mit Hilfe ihrer Parteifreunde und auf Grund der Tatsache, daß außerordentliche Strafgerichte gegen ehemalige Magistrate sich erst seit Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. durchzusetzen beginnen, verschleppt werden konnten, vgl. W. KUNKEL, RE 24 (1963) Sp. 732 f. s. v. quaestio. 57 199 v. Chr. restituierte Sulpicius Galba das eroberte Pelion, um es als Ausgangsbasis für Angriffe ins eigentliche makedonische Gebiet zu benutzen: servitia inde cum cetera praeda abduxit, libera capita sine pretio dimisit oppidumque iis reddidit praesidio valido imposito, nam et sita opportune urbs erat ad impetum in Macedoniam faciendos (Liv. 31, 40, 4 f.). Ebenso verschonte Flamininus das phokische Elateia, da es die wichtigsten Übergänge von der Küste nach Mittelgriechenland beherrschte (Paus. 10, 34, 4. Liv. 32, 24, 1-7, vgl. S. ACCAME, Riv. di Fil. 27 [1949] S. 217 fr.), und Scipio 208 v. Chr. Neukarthago, um für die weiteren Feldzüge in Spanien einen militärischen Stützpunkt zu gewinnen (H. VOLKMANN, S. 200 f.). 58
Diese speziell auf die Dedition zugeschnittene Beweisführung PIGANIOLS ist mit der grundsätzlichen Vorstellung einer Wandlung der Politik und der politischen Moral Roms seit Beginn des 2. Jhdts., wie sie bereits Polybios, Cato Censorius, Sallust und Livius entwickelt haben, verknüpft (vgl. dazu richtig F. HAMPL, Römische Politik in republikanischer Zeit und das Problem des „Sittenverfalls**, HZ 188 (1959) S. 497ff.)· Die gegenteilige Ansicht findet sich bereits bei Strabo (9, 41 = FGrHist 70 F 119 in einer Note zu Ephoros) und bei Plutarch (Marc. 20, 1 aus Poseidonios?), der die furchtbare und unmenschliche Kriegführung der Römer erst durch griechischen Einfluß, dem sich zuerst Marcellus gebeugt habe, gemildert sieht: των δέ 'Ρωμαίων τοις έκτος άνθρώποις δεινών
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μέν είναι πόλεμον μεταχειρίσασθαι και φοβερών εις χείρας έλθεΐν νομιζομένων, ευγνω μοσύνης δέ καΐ φιλανθρωπίας και δλως πολιτικής αρετής υποδείγματα μή δεδωκότων, πρώτος δοκεΐ τότε Μάρκελλος ύποδεΐξαι τοις "Ελλησι δικαιότατους 'Ρωμαίους. S. Η. VOLKMANN, S. 173 f· — Ebenfalls eine Entwicklung der deditio in fidem, allerdings aus formalrechtlichen Gründen und mit einem Ergebnis, das den Rechtscharakter des Institutes betrifft, nimmt V. BELLINI, RHDFE 42 (1964) S. 454 ff. an: „Les clauses, qui accompagnent la deditio prennent un role de plus en plus determinant: elles deviennent e^ments constitutifs et fondamentaux du rapport et peu a peu perdent leur caractere de simples pr^misses a Pacceptio pour assumer un caractere pleinement synallagmatique. On s'explique ainsi que Ton trouve la fides sous la forme d'une adiectio au foedus: ,maiestatem populi Romani comiter conservanto'" (S. 456); vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 397 fF. Es ist richtig^geseheh, daß äie aufgeführte Maiestasklausel ein vertraglich zustandegekommenes bundesgenössisches Verhältnis kennzeichnet, dessen Bedingungen den S&wächeren einseitig und in einer Weise verpflichten, die die Vorstellung an eine vertraglich gesicherte Dedition nahelegen (vgl. das foedu^Jiniß^unT^mh 189 v. Chr.). Aus diesem Grund erklärt es sich auch, daß in den Deditionsverhandlungen mit den Aitolern 191-189 die Scipionen und der Senat dem Aitolischen Bund die deditio oder den Abschluß eines foedus iniquum als Alternative anbieten können (s. o.). Trotzdem sind beide Formen des zwischenstaatlichen Verkehrs ihrer Entstehung wie ihrer Rechtswirkung nach grundverschieden. Die möglichen Vorbedingungen der Dedition sind ihrem Charakter nach nur ephemer und regeln allein den Vollzug der Übergabe nach der sie gegenstandslos werden, d. h. sie sind als Stipulationen eines Vertrages, der die zukünftigen zwischenstaatlichen Beziehungen zweier Staaten regeln soll, gar nicht denkbar. So konnten in einem Friedensvertrag zwar alle drei Vorbedingungen der Dedition als Stipulationen vorhanden sein, doch in einem ganz anderen Sinn als bei der Dedition: 1. Die Abgabe der Waffen wurde nie total gefordert, sondern nur begrenzt, da eine völlige Abrüstung der durch den Abschluß des Vertrages gegenseitig garantierten völkerrechtlichen Souveränität widersprach. 2. Die Auslieferung der feindlichen Führer des besiegten Landes war aus demselben Grunde unmöglich bzw. auf Personen beschränkt, die nicht Bürger des Vertragskontrahenten, sondern, wie im Frieden mit Antiochos III., Flüchtlinge aus anderen Ländern waren (Polyb. 21, 45, 11). 3. Die Stellung von Geiseln schützte bei der Übergabe den Sieger vor einer Schein-Dedition, garantiert dagegen im Friedensvertrag die pünktliche Zahlung der dem Besiegten auferlegten Kriegskontributionen. Lief innerhalb der im Vertrag fixierten Frist die letzte Zahlung ein, so erhielten die Geiseln ihre Freiheit zurück, während die Geiseln der dedierten Städte als Kriegsgefangene unter das Spruchrecht des Siegers fielen. Die historische Entwicklung des foedus^ inicjuum (bzw. Klientelvertrages) ist nur aus dem foedus aequHm vorstellbar, mit dem es alle entscheidenden vertragstechnischen Merkmale gemein hat: zweiseitige Beeidigung, gegenseitige Anerkennung der völkerrechtlichen Souveränität und gleicher Aufbau der Bestimmungen, denn auch hier folgt auf eine allgemeine, den Inhalt der durch das Vertragsinstrument hergestellten Beziehungen bereits definierende Bestimmung eine Neutralitäts- und Bundesgenossenscharftsbestimmung. Der inhaltliche Unterschied zwischen beiden Vertragstypen, d2e^in^eit4ge_StiUiierjLmjjder_ VerpfliAtungen, ist demgegenüber sekundär und folgt aus der politischen Situation. Die Dedition gründet äagegen auf dem ursprünglichen Gegensatz rwischen Gefangengabe und Gefangennahme (E. TÄUBLER, IMP. ROM. S. 398), den sie aus dem Bereich des Schlachtfeldes in den der zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen überträgt.
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von ihm ausgewählte Quellenmaterial irreführend, da alle für das 4. und 3. Jhdt. vorgelegten Beispiele Deditionen im Frieden sind, die, was als in der Natur der Sache liegend ohne weiteres einleuchtet, auf ganz anderen Voraussetzungen beruhen und dementsprechend, wie noch zu zeigen sein wird, ganz andere Maßstäbe dem römischen Verhalten setzen: Weder beruhte ihr Zustandekommen auf der Absicht des sich Dedierenden, der vollen Härte des Kriegsrechtes nach Möglichkeit zu entkommen, noch auf der Intention Roms, diese Gemeinwesen in Besitz zu nehmen. Ein Vergleich dieser Deditionsmöglichkeit mit der Übergabe im Verlauf eines Krieges, der, wie ζ. Β. im Falle Numantias, von beiden Seiten kompromißlos und mit grausamer Erbitterung geführt wurde, kann daher nicht beweiskräftig sein. Die von PIGANIOL festgestellten gegensätzlichen Verfahrensweisen sind demnach paradigmatisch nur für die praktischen Möglichkeiten, die die uneingeschränkte Rechtswirkung der Übergabe dem Sieger offen ließ, einen zeitlichen Wendepunkt der römischen Kriegführung markieren sie nicht, da das 4. und 3. Jhdt. ebenso Beispiele kompromißloser Brutalität wie das 2. und 1. Jhdt. Beispiele milder weil zweckmäßiger Behandlung kennt.59 59
Trotz der für das 4. und 3. Jhdt. ungleich schlechteren Quellenlage ist dieses Faktum unschwer nachzuweisen. Im Gegensatz zum ersten Karthagervertrag, der den Rom nicht untertänigen latinischen Städten ausdrücklich Schutz gewährte (Polyb. 3, 22, 12), hat sich die Situation im zweiten, 348 v. Chr. abgeschlossenen Vertrag, grundlegend verschoben: Statt των πόλεων άπεχέσθωσαν" heißt es jetzt: „έάν δέ Καρχηδόνιοι λάβωσιν έν τη Λατίνη πόλιν τινά μη ουσαν ύπήκοον Τωμαίοις, τα χρήματα και τους άνδρας έχέτωσαν, την δέ πόλιν άποδιδότωσαν" (Polyb. 3» *4> 5)· Rom lädt also die Karthager geradezu zu Beutezügen in Latium ein, um die betroffenen Städte, mit denen die Beziehungen aufs äußerste gespannt gewesen sein müssen (ED. MEYER, Kl. Schrift Π, 1924, S. 296), in seine Hand zu bekommen (vgl. W. HOFFMANN, Rom und die griechische Welt im 4. Jhdt., 1934, S. 13, R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 342 f.). Der Vertrag demonstriert eine politische Haltung, der Begriffe wie Stammesverwandtschaft und Humanität fremd sind und die keineswegs „toute id£e d'humilation ou d'infami" (PIGANIOL, S. 344) ausschließt, um das einmal gesteckte Ziel zu erreichen; vgl. F. HAMPL, HZ 184 (1957) S. 251 f. Im selben Jahr des Vertragsabschlusses führt M. Valerius Corvus die Verteidiger von Satricum, die freiwillig in die Gefangenschaft gegangen waren, im Triumphzug vor seinem Wagen und läßt sie danach als Sklaven versteigern; ihre Stadt wird zerstört (Liv. 7, 27, γ-9). In den Keltenkriegen 285-283 v. Chr. (Chronologie und Ereignisse s. bei R. WERNER, a.a.O. S. 89ff.) wird der Stamm der Senonen so vernichtend geschlagen, daß sie von diesem Zeitpunkt an aus der Geschichte verschwinden und nur ihr Name in der im Verlauf der Kämpfe von M. Curius gegründeten Kolonie Sena Gallica fortlebte. Die Aufteilung des ager Galliens auf Antrag des trib. pleb. Flaminius 232 (Quellen und Lit. R. WERNER, a.a.O. S. 99) forderte den Entscheidungskampf mit den Kelten 225-222 v. Chr. heraus, da die zunächst an das römische Gebiet angrenzenden Boier zu Recht nach Polyb. 2, 21, 9 aus diesem Vorgehen schlössen, daß Rom nun nicht mehr um die Hegemonie mit ihnen kämpfen wolle, „sondern mit
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Es ist gewiß ohne weiteres einsichtig, daß die Erringung der Weltherrschaft in vielen Fällen jede Rücksicht auf politische Konstellationen überflüssig werden ließ, und daher römische Oberkommandierende des 2. und 1. Jhdts. eher zu nutzlosen Grausamkeiten neigten als Feldherrn einer Zeit, in der der militärische Erfolg mit behutsamer Diplomatie verbunden werden mußte und das eine ohne das andere nicht denkbar war. Trotzdem hat diese theoretische Möglichkeit nie zu praktischen Konsequenzen in einem Ausmaß geführt, die die Annahme der von PIGANIOL aufgestellten Norm rechtfertigten und Abweichungen davon ab solche erkennen ließen. Zunächst war die Ostpolitik des Senats in den Jahren bis 168 v. Chr. aus vielschichtigen Gründen sehr schonend und von dem Wunsch diktiert, den Griechen und den hellenistischen Königreichen zumindest ihre lokale Autonomie und Selbstverwaltung zu belassen - gewiß keine von Erfolg gekrönte, aber auch keine grausamere Politik als die in den Kriegen gegen Pyrrhos und Karthago. Das Jahr 168 bedeutet hier zweifellos einen Wendepunkt, da nach der Schlacht von Pydna kein Ereignis die römische Suprematie mehr in Frage stellen konnte und die philhellenische Politik eines Flamininus - durch wessen Schuld bleibe dahingestellt - zu Ende war. Damit änderte sich vor allem zunächst die römische Diplomatie; die praktische römische Kriegführung, die sich seit diesem Zeitpunkt nur vor vergleichsweise harmlose Aufgaben gestellt sah, blieb auch in den folgenden für den Bestand Roms unwichtigen Guerilla- und Kleinkriegen der Maxime des militärischen Erfolges verpflichtet. Der Zerstörer von Karthago und Numantia, Scipio Aemilianus, noch heute mit den Augen Ciceros als Exponent griechischer Humanitätsbildung gesehen, beherrschte in dem Ziel ihrer vollständigen Vertreibung und Vernichtung", (vgl. A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 44). Als Rhegion 282 v. Chr. zusammen mit Thurioi und Lokroi auf die römische Seite trat, um vor dem Zugriff der Lucaner und Samniten sicher zu sein (s. S. 63 Anm. 39), erhielt es als römische Besatzung kampanische Söldner, die im Jahre 280 die Herrschaft über die Stadt an sich rissen, die Bewohner ermordeten oder vertrieben und erst 270 nadi Beendigung des Pyrrhoskrieges von Rom wieder zur Raison gebracht werden konnten. Nach der Untersuchung von F. CASSOLA, I gruppi politici romani nel III secolo a. C , 1962, S. 171 ff. (zustimmend A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy I, 1965, S. 101 f.) fand das Massaker des J. 280 entgegen der offiziellen römischen Version nicht auf eigene Initiative der in die Stadt gelegten Besatzung statt, sondern auf Befehl des C. Fabricius (cos. 282. 278), um dem befürchteten und wahrscheinlich auch geplanten Abfall der Stadt zu Pyrrhos zuvorkommen, zumal man in Lokroi im analogen Fall den Untergang der dort stationierten Truppen riskiert hatte. Abschließend sei an die hinreichend bekannte Annexion Sardiniens 238/7 erinnert, um gegen PIGANIOL noch einmal festzustellen: Die römische Politik des 4. und 3. Jhdts. war nicht großzügiger und nicht humaner als die des 2. Jhdts., sondern wie diese nur dann milde, wenn es dem jeweils erstrebten Ziel dienlich war. Der Untergang Capuas 212 ist von dem Karthagos 149/6 nicht verschieden.
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Wirklichkeit sein soldatisches Handwerk nicht nur perfekt, sondern übte es geradezu „mit wahrer Begeisterung" aus. Wie sein Vater Aemilius Paullus und wohl jeder römische Offizier dieser Zeit scheute er im Kampf vor keiner Gewalttat zurück, um das von der Staatsraison einmal gesteckte Ziel zu erreichen und um als großer Feldherr, nicht als Förderer humaner Philosophie und Literatur, in Rom Anerkennung zu finden.60 Die Feldherren der auswärtigen Kriege des ersten Jahrhunderts, Lucullus, Pompeius, Caesar und Augustus, verzichteten in vielen Fällen auf die Ausübung des strengen Kriegsrechtes61, so daß eine Tendenz zur Humanisierung der Kriegführung eher aufzuzeigen wäre als das Gegenteil. Bewiesen wird durch diese Tatsache jedoch nur, daß von der Person des Feldherrn und von seiner subjektiven Entscheidung wie in den Jahrhunderten davor das Schicksal der dedierten wie eroberten Städte abhing.
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Unsere Überlieferung berichtet Deditionen, denen weder ein Krieg mit Rom noch ein politischer Druck von römischer Seite vorausgeht. Auf den ersten Blick erscheint damit der bis jetzt festgestellte Zweck der Dedition, die absolute Verfügungsgewalt des Siegers als Ergebnis der militärischen Niederlage des Gegners ohne Blutvergießen bei der Einnahme der Stadt herzustellen, auf den Kopf gestellt. Denn die Gründe, die einen Staat zur Dedition im Frieden zwingen und Rom zur Annahme veranlassen können, liegen einmal für den sich Dedierenden außerhalb der Absicht, den Folgen kriegsrechtlicher Eroberung durch Rom unter Umständen zu entgehen, zum anderen basieren sie zunächst auch nicht auf der politischen Intention Roms, diesen Staat in seine Gewalt zu bringen.1 Aus dieser Voraussetzung ergibt sich die Fragestellung: (1) Welche Gründe haben zu dem Angebot und zu der Annahme einer solchen Dedition geführt. (2) Wurde diese 60
Zitat nach M. GELZER, Kl. Schriften II, 1963, S. 63. Vgl. Η. Η. SCULLARD, Scipio Aemilianus and Roman Politics, JRS 50 (i960) S. 59ff., H. STRASBURGER, Der „Scipionenkreis", Hermes 94 (1966) S. 69 f. Zu Aemilius Paullus s. S. 40 Anm. 39. 61 H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 202 f. pass. Zu Augustus vgl. Mon. Anc. (ed. H. VOLKMANNV 1964 2) 3, 15 f.: Externas gentes, quibus tuto ignosci potuit, conservare quam excidere malui. 1 A.HEUSS, Volk. Grdl. S. 80 ff., G. BESELER, Bindung und Lösung, 2. Sav. Stift. R. A. 49 (1929) S. 415 f., B. PARADISI, a. a. O. S. 292 f., FR. DE MARTINO, a. a. O. S. 52 f.
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Dedition rechtsgültig vollzogen oder hat ihr veränderter Inhalt die rechtliche Dignität des Institutes modifiziert oder nicht.2 Am deutlichsten ist uns eine solche Dedition beim Eingreifen der Römer in Illyrien bezeugt.3 Beim Anmarsch der beiden Konsuln ergeben sich die griechischen Städte an der illyrischen Küste den Römern, um vor dem Zugriff der illyrischen Königin Teuta sicher zu sein. Zunächst Korkyra: οι δε Κερκυραίοι την παρουσίαν των Τωμαίων ασμένως ιδόντες, την τε φρουράν παρέδοσαν των 'Ιλλυριών μετά της του Δημητρίου γνώμης, αυτοί τε σφας ομοθυμαδόν έδωκαν παρακληθέντες εις την των Τωμαίων πίστιν, μίαν ταυτην ύπολαβόντες άσφάλειαν αύτοΐς ύπαρχειν εις τον μέλλοντα χρόνον προς την Ιλλυριών παρανομιαν. Τωμαϊοι δε προσδεξάμενοι τους Κερκυραίους εις την φιλίαν επλεον ... 4 Es folgen Apollonia, Epidamnos, die Parthiner, die Atintanen und Issa.5 Die vorliegende Dedi tion wird durch die genaue terminologische Unterscheidung bestätigt, die Polybios zwischen der Dedition und der gewaltsamen Unterwerfung der Ardiäer macht: αμα καταστρεφόμενοι τους Άρδιαίους.0 Α. HEUSS schließt aus dem promiscuen Gebrauch von πίστις und φιλία, daß die Dedition hier nicht zu den üblichen rechtlichen Konsequenzen geführt hat, sondern automatisch ein völkerrechtliches Verhältnis hergestellt wurde. Unsere Überlieferung über das Schicksal der dedierten Städte belehrt uns jedoch eines Besseren: Polybios berichtet, daß der Konsul zum Schutz der Unterworfenen und Dedierten im Lande überwintert. Nach Polybios kann also bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung über das endgültige Schicksal der Dedierten ergangen sein, sie befinden sich vielmehr in einer durchaus prekären Rechtslage." 2
Zu diesem Schluß kommt A. HEUSS; zustimmend A. SCHENK VON STAUFFENBERG,
Foederati, S. 133 f., A. H. Mc DONALD, JRS 46 (1956) S. 157 f. G. BESELER spricht von einer abgesdiwächten Dedition und vergleidit sie mittler Kommendation. 3 G. ZIPPEL, Die römische Herrschaft in Illyrien, Diss. Leipzig 1877, M. FLUSS, RE V Α (1934) Sp. 1140 ff. s. v. Teuta, M. HOLLEAUX, fitudes IV, 1942, S. 77 ff., H. BENGTSON, GG3,1965, S. 411 f. (mit weit. Lit. S. 411 Anm. 3). 4 Polyb. 2, 11, 5-12, 3 (aus Fabius Pictor: M. GELZER, Hermes 68 (1933) S. 142 t.; dagegen nicht überzeugend P. BUNG, Q. Fabius Pictor, der erste römische Annalist, Diss. Köln 1950, S. 180 ff.) 5 Vgl. zu Issa Cass. Dio frg. 49, 1 (Boiss.). e Polyb. 2, 11, io; ebenso 12, 2: συνεφεδρεύων τφ τε των Άρδιαίων εθνει και τοις άλλοις τοίς δεδωκόσιν εαυτούς εις την πίστιν. 7 G. WALSER, Die-Ursachen des ersten römisdi-illyrisdien Krieges, Historia 2 (1953/54) S. 312 f. sdiließt aus der Tatsadie, daß der Konsul Postumius vor dem Überwintern sein Heer aus den umliegenden Städten ergänzt (Polyb. 2, 12, 2), daß es sidi bei diesen Städten um civitates foederatae handelt. Von einer soldien Reditslage wissen Polybios und Appian nichts. Selbst Korkyra und Apollonia, über die wir genauer informiert sind, werden nur zu civitates liberae erklärt. Zudem muß die Aufstellung illyrischer Truppen nicht als
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Wäre auf Grund der Dedition automatisch ein völkerrechtliches Verhältnis eingetreten, so bliebe die Terminologie des Polybios unverständlich, auf die hier um so mehr zu achten ist, da ihre Genauigkeit schon festgestellt werden konnte. Bestätigt wird die Auffassung, Polybios beim Wort nehmen zu müssen, durch die von Appian überlieferten Freiheitserklärungen für Korkyra und Apollonia 228 v. Chr.: Τωμαΐοι δ* έπ' αύταΐς Κέρκυραν μεν και Άπολλωνίαν άφήκαν ελευθέρας,8 womit die rechtliche Auflösung der dedierten Gemeinwesen außer Frage steht. Sieht man sich daraufhin den von A. HEUSS angenommenen promiscuen Gebrauch von πίστις und φιλία beim Deditionsabschluß genauer an, so zeigt sich, daß Polybios die Begriffe nicht austauscht, sondern sie sachlich und zeitlich nachordnet: erst nach Abschluß der Dedition wird ein Teil der dedierten Gemeinden in die römische φιλία aufgenommen, wobei zwischen beiden Akten die Restitution des Dedierten ergänzt werden muß, wie sie uns für Korkyra und Apollonia überliefert ist. Der einzige Fehler des Polybios, den zeitlichen Abstand beider Institute nicht genau fixiert zu haben, berührt nicht das Wesen der Sache und ist zudem historisch ohne Bedeutung.9 regelrechter Zuzug vertraglich verpflichteter Bündner angesehen werden, wie sich aus der Situation ergibt: Der Krieg mit Teuta war ohne Mühe beendet worden und außerdem eine Kriegführung im Winter nicht üblich. Es wird sich also bei dem von Polybios genannten „στρατόπεδον" um formlos zusammengezogene einheimische Verbände gehandelt haben, die die Versorgung der restlichen im Lande verbliebenen römischen Truppen gegen räuberische Überfälle zu sichern hatten. 8 App. Illyr. 8. Strab. frg. 8. Wenn wir Appian trauen dürfen, so ist diese Freiheitserklärung nach dem Friedensvertrag Teutas mit Rom im Frühjahr 228 v. Chr. zu datieren. Vgl. W. HENZE, De civitatibus liberis, quae fuerunt in provinciis populi Romani, Diss. Berlin, 1892, S. 32 f. 9 Die rechtliche Stellung der illyrischen Städte nach 228 v. Chr. ist umstritten. Ein Lösungsversuch würde den Fragenkomplex über Gebühr in die Länge ziehen, so daß ich mich auf einige Schwerpunkte beschränken muß. Die überwiegende Meinung der Forschung geht dahin, in dem im Frühjahr abgeschlossenen Friedensvertrag die Begründung eines römischen Protektorates zu sehen, unter dem die dedierten Städte (im Vertrag nach App. Illyr. 7 υπήκοοι) als dediticii zwar frei von römischer Besatzung und Tributverpflichtung sind, jedoch zur Stellung von Truppen herangezogen werden können. Grundlegend M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 104ff., Etudes IV (1952) S. 90 ff. Anders G. DE SANCTIS, Storia dei Romani III 1, 1916, S. 301, der Issa, Epidamnos und Apollonia als socii und Korkyra als civitas libera sieht (Vgl. G. WALSER, a.a.O.). Richtig ist sicher die Annahme eines römischen Protektorates, dessen Inhalt jedoch rechtlich nicht zu fassen ist. (vgl. die Einwände K. E. PETZOLDS, Gnomon 30 [1958] S. 213 gegen M. HOLLEAUX). Dediticii blieben die griechischen Städte kaum, da es politisch zumindest unklug gewesen wäre, Gemeinden, clie sich unter römischen Schutz gestellt hatten, in einem völlig rechtlosen Zustand zu belassen. Außerdem berichten Polybios und Appian, daß wenigstens ein Teil der vormals Dedierten in ein völkerrechtliches Verhältnis zu Rom traten. Da zudem das besiegte Illyrien nach seinem Friedensvertrag mit Rom zu diesem in das Ver-
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Bemerkenswert ist der Anlaß, der zu den vorliegenden Deditionen geführt hat. Die Furcht, den Raubsdiaren der Königin Teuta in die Hände zu fallen, tritt an die Stelle des allgemein üblichen Motivs, dem Schicksal einer kriegerischen Eroberung durch römische Truppen zu entgehen. Mit anderen Worten: nicht die direkte Bedrohung durch Rom, sondern der Angriff einer dritten Macht führt zur Dedition, wobei sich die Erwartungen des Dedierten auf römische Hilfe hältnis der amicitia eintrat, ist es höchstwahrscheinlich, daß die Städte, über deren Schicksal wir nichts erfahren, ebenfalls in freundschaftliche Beziehungen zu Rom traten, nachdem sie ihre völkerrechtliche Souveränität wieder erhalten hatten. (Vgl. J. A. O. LARSEN, Was Greece Free between 196 and 146 B. C.? ClPh. 30 [1935] S. 198 f., ST. I. OOST, Roman Policy in Epirus and Acarnania in the Age of the Roman Conquest of Greece, Arn. Found. St. N. S. IV, 1954, S. uff., E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 45.). Ihre Rechtsstellung ist daher am genauesten mit der Zugehörigkeit derjenigen Staaten zu Rom zu identifizieren, die sich nach der Lex repetund. vom Jahre 123/22 (CIL I2 583, Z. 1) in arhitratu dicione potestate amicitiave p. R. befinden (Hinweise von M. GELZER, Gnomon 29 [1957] S. 404). Eine endgültige Lösung allerdings bedarf einer Klärung der bei Polybios auf die illyrischen Verhältnisse angewandten Termini. Zu Beginn des Zweiten Illyrischen Krieges, so berichtet Polybios, habe Demetrios von Pharos begonnen, πορϋεΐν μέν και καταστρέφεσθαι τάς κατά την Ίλλυριδα πόλεις τάς ύπό 'Ρωμαίους ταττομένας (3, i6, 3)> eine Formulierung, die auf direkte römische Herrschaft hinzuweisen scheint, möglicherweise jedoch nur die faktische Auswirkung des ausgeübten römischen Protektorates charakterisiert. Über die Regelung der Verhältnisse nach Beendigung des Krieges unterrichtet uns nur eine sehr summarische Notiz: της δέ λοιπής Ίλλυρίδος εγκρατής γενόμενος και πάντα διατάξας κατά τήν αύτοΰ (gemeint ist der Konsul Aemilius) προαίρεσιν (Polyb. 3, 19, 12, vgl. J. VAN ANTWERP FINE, Macedon, Illyria, and Rome 220-219 B· C., JRS 16 [1936] S. 24 ff.). Der nächste Ansatzpunkt ist die Klausel des Vertrages zwischen Hannibal und Philipp V., nach der beide Vertragspartner nur unter der Bedingung Freundschaft mit Rom schließen können, daß 1. die Römer nicht Herr sein sollten (κυρίους εΐναι) über Korkyra, Apollonia, Epidamnos, Pharos, Dimale, die Parthiner und die Atintanen, 2. Demetrios von Pharos alle die Untertanen zurückerhält, die sich jetzt έν τψ κοινω των 'Ρωμαίων befänden (Polyb. 7» 9> Ι3)· Fraglich sind die Begriffe κυρίους είναι (vgl. Polyb. 36, 4, 3 f. 9, 42, 6. 33, 10, 12) und έν τψ κοινψ είναι, da sie keine genaue rechtliche Bestimmung des römischen Protektorates zulassen. Da die illyrischen Gebiete jedoch im römisch-aitolischen Bündnis 212 v. Chr. als die Staaten aufgeführt werden, die unter der römischen dicio stehen (Liv. 26, 24, 12), scheint eine Perpetuierung der deditio am wahrscheinlichsten. Später tauchen die fraglichen Gebiete alle als römische Stützpunkte in den Auseinandersetzungen mit Philipp V. und AntiochosIII. auf, und seitdem finden sich häufig Kontingente dieser Städte unter den römischen Bundesgenossen (Belege beiiL TÄUBLER, Imp. Rom. S. 25 Anm. 2, vgl. F. W. WALBANK, Α historical Commentary on Polybius, 1957, S. 161 ff.). Einen Überblick über die römische Politik in Illyrien in der Zeit von 230-201 v.Chr. gibt E. BADIAN, Notes on Roman Policy in Illyria, Papers of the Brit. School at Rome 20 (1952) S. 72 ff. = Studies in Greek and Roman History, 1964, S. 1 ff. Die makedonische Reaktion auf das römische Vorgehen s. bei H. J. DELL, Antigonus III and Rome, ClPh. 62 (1967) S. 94 ff.
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gegen den Angreifer richten.10 Der Preis für diese Hilfe ist die Aufgabe des eigenen Gemeinwesens. Sie wiegt jedoch leicht gegenüber dem sicheren Untergang durch einen Dritten, wenn man bedenkt, daß die Vernichtung des Dedierten weder von vorneherein in der Absicht Roms gelegen haben kann, noch nach Vollzug der Dedition wahrscheinlich ist, da sich mit ihrer Annahme Rom die politischen Intentionen des Dedierten zu eigen gemacht hat.11 Daraus ergibt sich eine bestimmte Verhaltensweise Roms diesen Dedierten gegenüber, die vor allem die folgenden Beispiele verdeutlichen. Rom nimmt die angebotene Dedition zwar an, entläßt den Dedierten aber in der Regel in ein völkerrechtliches Verhältnis durch den Abschluß eines foedus oder durch die Herstellung der amicitia. Dieser Regelfall, und das beweisen die folgenden Beispiele zur Evidenz, hat jedoch zu keiner Modifizierung des Rechtsinstitutes geführt, wie das A. HEUSS annahm. 264 v. Chr. dedieren sich die Mamertiner aus dem typischen Motiv der Bedrängnis durch einen übermächtigen Gegner. Die Dedition ergibt sich aus Polyb. I, 10, 2: προς 'Ρωμαίους έπρέσβευον, παραδίδοντες τήν πόλιν και δεόμενοι βοηθήσειν σφίσιν.12 Das entspricht durchaus der politischen Situation, denn ein 10
In diesen sachlichen Zusammenhang gehört m. E. Polyb. frg. 18, 49, ι: Έάν, το δη λεγόμενον, τρέχωσι τήν έσχάτην (von wem die Rede ist, wissen wir nicht), έπί τους 'Ρωμαίους καταφεύξονται και τούτοις έγχειριοΰσι σφάς αυτούς και τήν πόλιν. Ähnlich G. Α. LEHMANN, Untersuchungen zur historischen Glaubwürdigkeit des Polybios, 1967, S. 104 Anm. 121. 11
Es bedarf keiner besonderen Betonung, daß Rom die freiwillige deditio jederzeit ablehnen konnte, wenn eine Annahme seinen eigenen politischen Intentionen widersprochen hätte. So wird die angebotene deditio Uticas 241/0 v. Chr., das von dem durch schwere Söldneraufstände erschütterten Karthago abgefallen war, im Senat abgelehnt: των δ' Ίτυκαίων έγχειριζόντων σφας, ου προσεδέξαντο, τηροΰντες τα κατά τάς συνΟήκας δίκαια (Polyb. ι, 83, 11). Der von Polybios angegebene Grund muß dahingehend erweitert werden, daß Rom kurz nach Kriegsende nicht mehr die Kraft besaß, die Auseinandersetzung mit Karthago bis zur endgültigen Entscheidung weiterzuführen, was die logische Konsequenz der Deditionsannahme gewesen wäre. 12 Die Antwort des Senates nach Annahme der Dedition: έκριναν βοηθεΐν (Polyb. 1, II, 2) und κελεύσαντες βοηθεΐν (ιι, 3; vgl. Liv. 31, 29, 6). Die Dedition richtig gesehen haben E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 91 und A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 82 (zustimmend H. T. WALLINGA, Tijdschrift voor Geschiedenis 73 [i960] S. 190) gegen H. HÖRN, Foederati, S. 39. Sie ist gegenüber dem folgenden Vertragsabschluß, der nach dem Stand des römischen Vertragsrechtes im 3. Jhdt. nur ein Bundesgenossenschaftsverhältnis begründet haben kann (s. S. 158ff.), in der Forschung völlig in den Hintergrund getreten. Vgl. P. MEYER, Der Ausbruch des Ersten Punischen Krieges, 1908, T. FRANK, CAH VII (1928) S. 667ff., G. DE SANCTIS, a.a.O. S. 97ff., G. GIANNELLI, Roma nell* etä delle guerre puniche, 1938, S. 62ff., J. VOGT, Rom. Gesch.4, 1959, S. 104 f., PHILIPP, RE 15 (1931) S. 1227 f., K. J. BELOCH, Gr. Gesch. IV2 1, 1925, S. 643 ff., A. SCHENK GRAF VON STAUF-
FENBERG, König Hieron der Zweite von Syrakus, 1933, S. 20 ff. und Exkurs IV (S. 96ff.), H. BERVE, König Hieron IL, SB Bayr. Ak. Wiss., philos.-hist. Kl., N. F. 47, München
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römisches Eingreifen in Sizilien war keinesfalls durch ein einfaches Hilfegesuch zu erreichen: einmal bestand kein römisches Interesse in Sizilien zu intervenieren 13 , zum anderen war Rom kurz vorher selbst mit beispielloser Härte gegen kampanische Freibeutereien vorgegangen14, so daß eine militärische Hilfe für Messana Rom in direkten Widerspruch mit seinen eigenen politischen Grundsätzen bringen mußte.15 Als besonders erschwerend mußte dem Senat die Tatsache erscheinen, daß sich die Stadt vor ihrem Hilfegesuch in Rom schon an die Karthager gewandt und einer karthagischen Besatzung die Tore geöffnet hatte.16 Der Vollzug der Dedition erscheint also auch hier als Preis für die römische Hilfe, die sofort nach Deditionsabschluß im Frühjahr 263 gewährt wird. 17 Als erste Maßnahme des Krieges wird die Stadt durch den Konsul Appius Claudius militärisch besetzt: οί δε Μαμερτΐνοι τον μεν των Καρχηδονίων στρατηγόν ήδη κατέχοντα την ακραν έξέβαλον, τα μέν καταπληξάμενοι, τά δε παραλογισάμενοι. τον δ1 "Αππιον έπεσπώντο και τούτω την πόλιν ένεχείριξον 18 , so daß die auf Grund 1959, S. 20ff. A. LIPPOLD, Der Consul Appius Claudius und der Beginn des ersten Punischen Krieges, Orpheus 1 (1954) S. 154 glaubt an einen Freundschaftsvertrag, „als dessen unmittelbare Folge die römische Hilfssendung anzusehen ist." Weder MOMMSEN noch TÄUBLER, auf die die von A. HEUSS, Volk. Grdl. widerlegte Vorstellung eines Freundschaftsvertrages zurückgeht, waren so kühn, dem „Freundschaftsvertrag" diese "Wirkung zuzuschreiben. Vgl. im übrigen zum Forsdiungsstand F. CASSOLA, I gruppi politici romani nell III secolo a. C , 1962, S. 171 ff. 13 A. HEUSS, Der erste Punisdie Krieg und das Problem des römischen Imperialismus, HZ (1949) S. 457 ff., Rom. Gesch.2, 1964, S. 70. 14 Rhegion hatte 282 v. Chr. kampanische Söldner als römische Besatzung erhalten, die sich nach mamertinischem Vorbild bald zu Herrn der Stadt machten (F. CASSOLA, a.a.O. S. 171 ff.). 270 v. Chr. wurde das Raubnest von Rom ausgehoben und von der kampanischen Soldateska hingerichtet, was nodi übrig geblieben war: Polyb. 1, 7. Die syrakusanische Hilfe dabei ist eine annalistische Vordatierung der römisdi-syrakusanischen Zusammenarbeit während des Krieges (Zonar. 8, 6, 14 f.), vgl. Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 86 ff., M. GELZER, Der Rassengegensatz als geschichtlicher Faktor beim Ausbruch der römisch-karthagischen Kriege, in: Rom und Karthago (hrsg. J. VOGT), 1943, S. 178 ff. Anders A. SCHENK GRAF VON STAUFFENBERG, Kg. Hieron, S. 8 Anm. 4,
H. E. STIER, WaG 7 (1941) S. 16 u. S. ^γ. - Eine direkte Parallele zwischen Rhegion und Messana läßt sich allerdings nicht ziehen, da die rechtliche Stellung beider Städte grundsätzlich verschieden war: Die kampanischen Söldner galten als meuternde Abteilung des römischen Heeres und wurden als solche behandelt, während Messana eine souveräne Stadt war. 15 ie
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Polyb. 1, 10, 3 ff. Polyb. 1, 10, 1.
Zur Chronologie siehe K. J. BELOCH, Griech. Gesch. IV2 2, S. 278 ff., A. HEUSS, HZ 169 (1949) S. 465 Anm. 1, R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S.62ff. 18 Polyb. 1, 11, 4. Diod. 23. 1. 2 berichtet über das syrakusanisch-karthagische Bund-
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der Dedition gewonnene Herrschaft auch angetreten wurde.19 Der später erfolgte Abschluß eines foedus setzt daher die Wiedereinsetzung des Dedierten in den früheren Rechtszustand voraus.20 Ebenso stellt sich die freiwillige Übergabe von Gades 206 y._ Chr. _dar. Zur ersten Fühlungnahme beider Parteien kam es^zü Beginffldes'^ahres^als UberJ^i^AeJlJy?i?i:^ der^punischen Be21 satzung anbieten. Den daraufhin aufbrechenden römischen Truppen kommt jedoch Mago zuvor, indem er die Tempelschätze der Stadt plündert und den Bürgern eine hohe Kriegssteuer auferlegt.22 Nach seinem Abzug schließen die Gaditaner die Tore und ergeben sich schließlich den anrückenden Römern: Post Ma%onis ab Oceani ora discessum Gaditani Romanis deduntur.2^ Motiy_und Rechtsfolge der Dedition erweisen sichj^ejer^alsdie gleichen: die Furcht vor den Karthagern führt zum Deditionsangebot, dessen Annahme die römische Hilfe erwirkt. In diesem Fall muß sie in der Einquartierung eine^Garnisonj^n der Stadt bestandenJia^en4 da^ sie vor Mago geschützt werden mußte224 und außerdem für Rom ein so wichtiger Stützpunkt war, daß ein vollständiger Abzug sträflicher Leichtsinn gewesen wäre. Aus diesem Grunde behielten sich die Römer das Recht vor, jährlich einen Praefectus, in dem nach Lage der Dinge ein militärischer Befehlshaber zu sehen ist, nach Gades zu schicken. Erst 2 Jahre nach .dem Friedensschluß mit Karthago verzichtete, der Senat,auL.die. Bitte_.einer gaditanischen Gesandtschaft hin auf die Ausübung dieses Rechtes: Gaditanis item petentibus r.enussum.ne praefectus Gadis mitteretur adversus id, quod iis in fidem populi Romani venientibus cum L. MAXCW Septimo convenisset.25 nis gegen Rom: έποιήσαντο γάρ συμμαχίαν 'Ρωμαίους πολεμήσαι, έάν μη την ταχίστην έκ της Σικελίας άπαλλάττωνται. Demnadi müssen zur Zeit des Vertragsabsdilusses römisdie Truppen in Sizilien gestanden haben, und das kann nur in Messana der Fall gewesen sein (vgl. A. SCHENK GRAF VON STAUFFENBERG, a. a. O. S. yy). 19
A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 82 hat diesen Punkt übersehen, der auf Grund seiner Trennung der Dedition in zwei rechtserhebliche Akte (dazu S. 23 f.) seine Auffassung von einer rechtlich modifizierten Abart der Dedition widerlegt hätte. 20 Cic. Verr. 5, 50-51. Der genaue Zeitpunkt des Bündnisabschlusses ist uns nicht überliefert, doch dürfte er nach der Sprengung des Belagerungsgürtels um Messana und nach den ersten römischen Erfolgen zu datieren sein (vgl. Polyb. 1, 12, 1 ff.). 21 Liv. 28, 23, 6; 30, 4 f. 22 Liv. 28, 31, 1; 36, iff. 23 Liv. 28, 37, 1 f.; 10. Perioch. 28. 24 Daß die Stadt nicht in der Lage war, sich selbst zu schützen, beweist Liv. 28, 36, 1. 25 Liv. 32, 2, 5 (zum Jahr 199 v. Chr.). Der erwähnte Lucius Marcius hat, wie wir aus Polyb. 11, 33, 8 erfahren, nach der Abreise Scipios zur Übernahme seines Konsulates 205 v. Chr. das Kommando in Spanien bis zum Eintreffen der Nachfolger erhalten. In
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Von zentraler Bedeutung ist die umstrittene Dedition Capuas 343 v. Chr. Nach Livius 7, 30f. bitten die Campaner den Senat um die Gewährung von Freundschaft und Bundesgenossenschaft, um sich mit römischer Hilfe der Samniten des Binnenlandes erwehren zu können. Der Senat lehnt dieses Angebot mit dem Hinweis auf das seit 354 v. Chr. mit den Samniten bestehende Bündnis ab.26 Er bewahrt damit Rom vor dem Dilemma, einem Bundesgenossen gegen einen älteren Bundesgenossen beistehen zu müssen, wobei die Verpflichtung, dem ersten zu helfen, zu einem Zeitpunkt eingegangen -worden wäre, in dem die politischen Absichten des zweiten so klar zutage traten, daß eine römische Verteidigung Capuas dem Sinn des Vertrages von 354 v. Chr. widersprochen hätte. Eine ganz andere Situation ergibt sich nach Annahme der Dedition. 27 Intervenierte Rom jetzt zugunsten Capuas, so tat es das nicht für einen souveränen Staat auf Grund einer Bündnisverpflichtung, sondern verteidigte sein eigenes Hoheitsgebiet, womit die Fortführung des samnitischen Angriffes seinerseits die Verletzung des Bündnisses bedeutet hätte. So weit Livius. Sein Bericht mutet sehr konstruiert an, doch ist an der sachlichen Richtigkeit der dargestellten rechtlichen Formalitäten nicht zu zweifeln.28 dieser Zeit muß die Vereinbarung mit Gades getroffen worden sein, wobei die Frage, ob sie mit dem von Cic. pro Balb. 15, 34 erwähnten foedus identisdi sein kann und in welche Zeit dessen Abschluß zu datieren ist, dahingestellt sei. Die Interpretation des Livius-Textes geht von der bereits von Weißenborn 2. St. gemaditen Beobachtung aus, daß der Wortstellung nach ne... mitteretur abhängig von remissum ist, »wobei dann bezeichnet würde, daß die Römer ein Recht gehabt haben, Präfekten zu schicken, = es wurde ihnen nachgelassen, daß nicht ... solle... obgleich dies gegen... wäre." Weißenborn, der selbst aus historischen Gründen an seine Übersetzung nicht recht glauben wollte, wurde erst von E. BADIAN, The Prefect at Gades, CLPh. 49 (1954) S. 250ff., Foreign Clientelae, 1958, S. 118 f.; 123 bestätigt, während die gesamte übrige Forschung den bei Cic. pro Balb. überlieferten Bündnisabschluß für das Jahr 205 als gegeben hinnahm und daher auf Grund der die Souveränität des Kontrahenten anerkennenden Vertragswirkung ne... mitteretur nicht von remissum, sondern von petentibus abhängig machen mußte, d. h. den entscheidenden Passus genau umgekehrt wie Weißenborn übersetzte: „es solle kein Praefekt nach Gades geschickt werden, da es gegen den Vertrag ... sei." Vgl. E. TAUBLER, Imp. Rom. S. 6$ f.; 118 ff., H. HÖRN, Foederati, Diss. Frankfurt 1930, S. 43 ff., HÜBNER, RE 7 (1920) Sp. 455 f. s. v. Gades, F. MÜNZER, RE 14 (1930) Sp. 1954 f. s. v. L. Marcius Septimus Nr. 101, A. HEUSS, Klio 27 (1934) S. 40 Anm. 1. 26 Von diesem Bündnis ist uns nur die Tatsache überliefert: Liv. 7, 31, 3 f. - Zum Aufbau des livianischen Berichtes vgl. E. BURCK, Zum Rombild des Livius, in: Der altsprachliche Unterricht, ReiHe 3, Heft 2, 1957, S. 56ff. 27 Liv. 7, 31, 3 f. 28 G. BESELER, a.a.O. S. 416, A. PASSERINI, Athenaeum N. S. 11 (1933) S. 400, F. KAUFMANN, Roms Ausgreifen nach dem Osten, maschinenschriftl. Diss. Innsbruck 1949, S. 11 Anm. 2, H. SIBER, Römisches Verfassungsrecht, 1952, S. 70. Anders A. HEUSS, Völk.Grdl.S. 81.
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Nach Vollzug der Dedition erwarten die Campaner als dediticii ihr weiteres Schicksal von Rom: quid deinde patiemur dediticii vestri passuri (31, 4). Der Terminus umschreibt die unbestimmte Rechtslage zwischen der Herrschaftser greifung des Siegers auf Grund der Dedition und der definitiven Entscheidung über das Schicksal des Dedierten, 29 und in dieser prekären Rechtslage bleibt Capua bis zu seiner Teilnahme am latinischen Aufstand gegen Rom. 30 Das Hoheitsgebiet der Stadt wird römischer ager publicus: agrum urbemque per deditionem factam populi Romani (31, 7), und gerade diesen Punkt betont die römische Gesandtschaft vor den Samniten: ut dediticiis suis parcerent, neque in eum agrum, qui populi Romani factus est, hostilia arma inferrent (31, 7). Abschließend wird noch einmal der rechtsgültige Vollzug der Dedition hervorgehoben: deditionem postremo factam Samnitibus exponerent (31, 8). Daraus geht mit genügender Klarheit hervor, daß Livius den Abschluß einer Dedition im Frieden als vollgültige und mit denselben Rechtsfolgen wie bei einer kriegsrechtlichen Dedition ausgestattete Übergabe versteht. Eine zweite Frage ist die nach der historischen Glaubwürdigkeit des livianischen Berichtes.31 Livius 20
Gai. 1, 14: peregrini dediticii vocantur hi, qui quondam adversus populum Romanum armis susceptis pugnaverunt, deinde victi se dediderunt. Aufgezeichnet ist damit nur die historische Stufenfolge, die zu dem Rechtszustand eines dediticius geführt hat. TH. MOMMSEN, RStR III S. 139, J. STROUX, Die Constitutio Antoniniana, Philologus 88 (1933), S. 286f., A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 69ff., Ρ. Α. D'ORS, Estudios II, 1944, S. 10ff., CH. SASSE, Die Constitutio Antoniniana, 1958, S. 70ff. Anders S. CALDERONE, Fides, S. 95 ff., der gegen A. HEUSS in der „receptio infidem",deren konkreter Inhalt allerdings das Geheimnis des Vf.s bleibt, die Aufhebung der Rechtlosigkeit des Dedierten sieht. Der Gebrauch des Begriffes dediticii ist bei den antiken Autoren äußerst selten und in den wenigsten Fällen in seinem rechtlich präzisem Sinn gebraucht. Vgl. Caes. b. G. 1, 27, 4. 2, 17, 2. b. Alex. 9, 3. Sali. lug. 31, 19. Gran. Lic. p. 21, 9. Curtius 7, 11, 2$. 30 Die vollständige Unterwerfung, die diese Dedition bedeutet, betont Liv. 8, 2, 13 noch einmal :Campanοrum aliam condicionem esse, qui non foedere sed per deditionem in fidem venissent; itaque Campanos, seu velint seu nolint, quieturos. Dazu L. LOMBARDI, Dalla „fides" alla „bona fides", 1961, S. 50 Anm. 9. 31 Er hat in der neueren Forschung eine fast einhellige Ablehnung gefunden. E. PAIS, Storia critica di Roma III, 1920, S. 362; 382ff. hält ihn für eine reine Erfindung. K. J. BELOCH, Rom. Gesch. S. 369^ vermutet eine Rückprojizierung der Dedition von 212 v. Chr. und nimmt für das Jahr 343 ein Bündnis mit der römisch-latinischen Eidgenossenschaft an. M. GELZER, RE 12 (1924) Sp. 961 s. v. Latium glaubt an ein foedus aequum. L. PARETI, Storia di Roma e del mondo romano I, 1952, S. 570 f. sieht in dem Bericht eine annalistische Erfindung, um einen römischen Vertragsbruch gegenüber den Samniten zu vertuschen. J. HEURGON, Recherches sur l'histoire, la religion, et la civilisation de Capoue preromaine des origines a la deuxieme guerre punique, 1942, S. 168: „il y a beau temps qu'elle (gemeint ist die Dedition) est rejetie dans le monde des legendes les moins fond^es." Ebenso A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 399 ff., basierend auf der falschen Annahme, daß der Vollzug der deditio den späteren Abschluß eines
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selbst bleibt, mit einer Ausnahme, in seinen späteren Verweisen bei seiner ersten Version, was allerdings noch nicht viel besagen will, da seine Quellenvorlage in allen Fällen annalistisch ist.32 Mehr Aufschluß vermag ein Blick auf die politischen Ereignisse zu geben. Es besteht kein Zweifel daran, daß der Anschluß Capuas an Rom in das Jahr 343 v. Chr. fällt, da die Campaner an der Erhebung der Latiner gegen Rom 340 v. Chr. teilgenommen haben.33 Ebensowenig zweifelhaft ist, daß dieser Anschluß von Rom nicht gewaltsam erzwungen wurde, da ein solcher Krieg von unserer Überlieferung sicher nicht unterschlagen worden wäre. Das Motiv des Anschlusses kann daher nur die Zwangslage gewesen sein, römische Hilfe gegen einen samnitischen Angriff erbitten zu müssen, und man darf hinzusetzen, daß die militärische Situation der Stadt fast hoffnungslos gewesen sein muß, ehe sie sich zu diesem Schritt entschloß.34 Was vor allem gegen die Glaubwürdigkeit des Livius spricht, ist seine mögliche Absicht, Rom vor dem Vorwurf eines Vertragsbruches schützen zu wollen. 35 Dagegen gilt es jedoch zu bedenken: Römische Hilfe für Capua auf Grund eines mit der Stadt abgeschlossenen Vertrages hätte keine Bestimmung des Vertrages mit den Samniten verletzt, der als foedus aequum der außenpolitischen Bewegungsfreiheit beider Vertragskontrahenten keinerlei Bindung in dem Sinn auferlegt haben konnte, daß neue Vertragsabschlüsse der Zustimmung des Vertragspartners bedurft hätten. Allerdings, und das scheint mir bedeutsam, widersprach vertragliche Hilfe Roms für Capua der politischen Zielsetzung des Vertrages mit foedus ausschließt. Für historisch halten die Dedition: G. BESELER, a.a.O. S. 416, A. PiGANIOL, a.a.O. S. 344ff. Vgl. H. BENGTSON-R. WERNER, Staatsverträge II, Nr. 335, S. 322 ff. (mit weh. Lit.). 32
8, 2, 3. 23, 5, 9. Anders 31, 31, 11, allerdings in der Rede eines römischen Gesandten, in der es galt, römischen Großmut gegenüber anderen Völkern ins rechte Licht zu rücken (ebenso Diod. 29, 76, 5). 33 Diod. 16, 90, 2. Liv. 8, 2, 7. Die Dedition 338 v. Chr.: Liv. 8,11, 12. 34 Vgl. K. J. BELOCH, Rom. Gesch. S. 369. Anders G. A. WEYER, Die staatsrechtlidien Beziehungen Kapuas zu Rom, Diss. Bonn, 1913, S. 15 ff., der die Existenz Capuas durch den samnitischen Angriff keinen Augenblick gefährdet sieht. Man darf aber dann fragen, wieso das ganze Hilfegesuch an einen Staat, mit dem man bis dahin keinerlei Beziehungen angeknüpft hatte, zustande kam. 35 J. W. SPAETH, Α Study of the Causes of Rome's Wars from 343 to 265 B. C , Diss. Princeton 1926, S. 17ff., L. PARETI, a.a.O. J. HEURGON, a.a.O. S. 169f. hält die Verwendung des Begriffes deditio für durchaus zweideutig. Neben dem Rechtsinstitut soll damit auch das Protektorat des stärkeren über den schwächeren Staat ausgedrückt werden können. Im Falle Capuas sei der letztere Fall von Livius oder seinen Vorlagen zu einer Dedition im rechtlich strengen Sinne verfälscht worden. Die Deutung scheitert an der einfachen Tatsache, daß uns die angenommene Zweideutigkeit des Begriffes quellenmäßig nicht bezeugt ist.
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den Samniten, der seinem Wesen nach eine Basis gemeinsamen Handelns schaffen sollte, die Rom mit der Aufnahme Capuas in seine Bundesgenossenschaft in dem Moment gröblich verletzen mußte, in dem die Absicht des samnitischen Bündners, seine Macht auch nach Campanien auszudehnen, offen zutage lag. Rom mag also durch die Annahme des capuanischen Deditionsangebotes geglaubt haben, seine Stellung in den zu erwartenden Auseinandersetzungen mit den Samniten nicht unerheblich verstärkt zu haben, wenn es den samnitischen Bund darauf hinweisen konnte, daß der Angriff auf Capua gegen römisches Hoheitsgebiet zielte. Hinzu kommt die geschilderte historische Situation: Das campanische Hilfegesuch mußte Rom aller Voraussicht nach in eine militärische Auseinandersetzung mit den Samniten treiben, so daß die Campaner, da ihre Lage keine politisch verlockenden Angebote zuließ, ihre eigene staatliche Existenz auf die Waagschale für die römische Hilfe legen mußten. Sie konnten das um so leichter tun, da eine günstige Entscheidung über ihr zukünftiges Schicksal von Rom sicher zu erwarten war. Das ergibt sich einmal aus der von vorneherein fehlenden Intention Roms, Capua faktisch zu vernichten, zum anderen aus der durch den Deditionsvollzug hergestellten Gleichheit der politischen Interessen, und schließlich aus der moralischen Verpflichtung Roms, den Dedierten zu schonen, die bei einer Dedition im Frieden ungleich stärker sein mußte als bei einer im Krieg erzwungenen Übergabe. Ferner ist die Annahme einer Dedition im Frieden ein durchaus nicht seltenes Mittel der römischen Politik, und nach unserer Überlieferung wird es gerade zur Zeit der Samnitenkriege häufig angewandt. Aus denselben Gründen wie Capua sollen sich 330 v. Chr. die Fabraterner und Lucaner freiwillig den Römern dediert haben.36 Die Historizität dieser Deditionen ist ebensowenig wahrscheinlich37 wie das abgelehnte Deditionsangebot der Sidiciner.38 Entscheidend jedoch ist, daß Livius und seine Quellen diese Deditionen seit der Mitte des vierten Jahrhunderts für durchaus selbstverständlich halten und als einheitliches Kennzeichen immer das Motiv der Bedrängnis als Veranlassung und den rechtlich konsequenten aber 36
Liv. 8, 19, 1. Zum Jahre 326 v. Chr. bestreitet Livius, daß die Lucaner je etwas mit Rom zu tun hatten: 8, 25, 3; vgl. Claud. Quadrig. frg. 15 (HRR I2). Gell. 6, 11, 7. Ein Versudi, den Widerspruch zu lösen, bei E. PAIS, a.a.O. S. 191 Anm. 5. Anders K. J. BELOCH, Rom. Gesch. S. 434. Vgl. HONIGMANN, RE 13 (1927) Sp. 1945 s. v. Lucania. Zum Jahr 298 v. Chr. führt Livius ein zweites Deditionsangebot der Lucaner an: 10, 11, 12f. Auf Grund der anderslautenden Grabinschrift des L. Cornelius Scipio Barbatus: subigit omne Loucanom opsidesque abdoucit (CIL I2 6, 7), verdient diese Notiz ebenfalls keine historische Beachtung. 38 Liv. 8, 2, 6 (z. J. 341 v. Chr.). 37
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schonenden Vollzug als Ausführung berichten.39 So ist die Dedition Capuas, da zu dem formal richtig berichteten Deditionsabschluß die historische Wahrscheinlichkeit hinzutritt, glaubwürdig. - Eine besondere Stellung nimmt in diesem Zusammenhang jJie^Dejhtion^N^ die dieselben charakteristischen Merkmale einer Dedition im Frieden aufweist, obwohl sie erst nach einer langen Belagerung erfolgte, die Rom sogar dazu zwang - zum ersten Mal in seiner Geschichte-das Imperium des oberkommandierenden Konsuls Publilius Philo zu prorogieren.40 Um das Zustandekommen der Übergabe richtig zu interpretieren, bedarf es eines kurzen Blickes auf die Vorgeschichte und den Verlauf der Belagerung.41 Nach Beseitigung der annalistischen Verzerrung unserer Quellenberichte kristallisiert sich als Ergebnis der Verhandlungen vor Ausbruch des Krieges der römische Wunsch heraus, mit Neapel freundschaftliche Beziehungen aufzunehmen.42 Das heißt auf die politische Situation angewandt: Die römische Diplomatie versucht diese Stadt als möglichen Gegner in der erwarteten Auseinandersetzung mit den Samniten auszuschalten.43 Das Ziel der römischen Politik
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282 ν .Chr. stellen sich Thurioi (Plin. n. h. 34, 32. Val. Max. 1, 8, 6. Dion. Hai. 19, 13. Liv. Perioch. 11. 12. Fasti Triumph, z. J. 282), Rhegion und Lokroi unter römischen Schutz, um vor den Einfällen der Lucaner, Samniten und Bruttier sicher zu sein: Dion. Hai. 20, 4. App. Samn. 9 (die übrigen Quellen Polyb. 1, 7, 6. Diod. 22, 1, 2 f. Liv. Perioch. 12 nennen als Grund des Anschlusses den Anmarsch des Pyrrhos. Dagegen mit Recht K. J.BELOCH,KÜO Ι [1901] S.285 f., Griech. Gesch. IV2 1, S. 545; IV2 2, S. 479ff.). Alle drei Städte werden mit römischen Truppen belegt, und eine römische Flotte kreuzte zum Schutz in tarentinischen Gewässern. Die Aussage unserer Quellen erlaubt uns keinen exakten Schluß auf die vorliegende Dedition, sie ist jedoch auf Grund der Ähnlichkeit mit den besprochenen Beispielen höchst wahrscheinlich. Dafür spräche ein lokrischer Münztypus aus der Zeit vor 268 v. Chr., auf dem Τώμα durch Πίστις bekränzt wird. (B. V. HEAD, Hist. Num.2, 1911, S. 104, TH. MOMMSEN, Römisches Münzwesen, 1860, S. 326 f., OLDFATHER, RE 13 [1927] Sp. 1338 f. s. v. Lokroi, K. LATTE, Römische Religionsgeschichte, i960, S. 237, A. ALFÖLDI, Die trojanischen Urahnen der Römer, 1957, S. 12, Taf. XI 1; Forschungsstand bei A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 238 Anm. 54.). Mit MOMMSEN ist darunter die Treue Roms zu verstehen (Zweifel u. a. bei F. HAMPL, HZ 188 [1959] S. 517 Anm. 1), was allerdings kein zwingender Hinweis sein kann, da die fides jedem völkerrechtlichen Verhältnis eigen ist, s. o. S. 28 mit Anm. 10 (Eine eingehende Behandlung der politischen Ereignisse gibt W. HOFFMANN, Rom und die griechisdie Welt im 4. Jahrhundert, Philologus Suppl. 27, H. 1, 1934, S. 60 ff.). 40 Liv. 8, 23,11 f.; 26, 7. Fasti Triumph, z. J. 326 (CIL I2 p. 45). 41 Vgl. zum Folgenden W. HOFFMANN, a.a.O. S. 21 ff., der eine eingehende Analyse unserer beiden Quellen Livius (8, 22, 5-26) und Dionys von Halikarnaß (15, 5 f.) durchgeführt hat und dessen Ergebnissen ich mich anschließe. Die Tatsache der Dedition hat HOFFMANN allerdings nicht berücksichtigt. 42 Dion. Hai. 15,5,1: σφίσι δ'αύτοΐς γενέσθαι φιλην. 43 Da die formlosen Beziehungen der amicitia der römischen Diplomatie auf italischem
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war also von vorneherein nicht die Vernichtung der Stadt, sondern der verständliche Wunsch, Neapel lieber auf römischer Seite als auf der der Samniten zu sehen, in denen man in Rom mit Recht die eigentlichen Urheber des Konfliktes sah, der sich an dem Hilfegesuch der Kampaner in Rom entzündete.44 Der Verlauf der Ereignisse nach der Eröffnung des Krieges bestätigt diesen Schluß: Während der römischen Belagerung warfen Samnium und Nola eigene Truppen in die Stadt, die sich jedoch nicht mit einer Beschützerrolle zufrieden gaben, sondern die Geschicke der Stadt in die Hand zu nehmen drohten.45 Um dieser Gefahr zu entgehen, wandten sich die führenden Magistrate der Stadt an den römischen Feldherrn und übergaben die Stadt.46 Beide wesefltjichsn Elemente der deditio im Frieden sind vorhanden: Die Bedrängnis des sich Dedierenden durch einen Dritten, dem man sich nicht beugen will, und die ursprünglich fehlende Absicht Roms, die Stadt in Besitz zu nehmen. Beide Komponenten führten nach der Restitution der dedierten Stadt zum Abschluß eines foedus, dessen günstige Bedingungen noch im ersten Jahrhundert deutlich wurden.47 Die grundsätzlichen Wesenszüge dieser Deditionsmöglichkeit im Frieden haben sich auch in der Zeit der beginnenden römischen Weltherrschaft nicht geändert. So sagen sich zu Beginn der Winters 198 v. Chr. die opuntischen Lokrer von Philipp V. los und dedieren sich, um der Aufnahme in das κοινόν der Aitoler zu entgehen, den Römern: Όπούντιοι δε, καίπερ Αιτωλών τότε Τωμαίοις συνα γωνιζόμενων προθυμότατα και την πόλιν άξιούντων παραλαβεΐν και φυλάττειν, ου προσέσχον, άλλα μεταπεμψάμενοι τον Τίτον έκείνω διεπιστευσαν εαυτούς και παρέδωκαν.48 Die Stadt wird daraufhin von römischen Truppen besetzt. Ebenso verhält sich das thessalische Metropolis im selben Jahre: Der Stadt gelingt es, die eingefallenen Aitoler abzuwehren, worauf sie sich nach der römischen UmBoden fremd waren (s. S. 158 ff.), so muß hier an den Versuch, ein formelles foedus abzuschließen, gedacht werden. 44 Von engen Beziehungen zwischen Neapel und Samnium berichtet Dion. Hai. 15, 8, 3; vgl. 15, 5,2. Liv. 8,23, 1. 45 Liv. 8,23, i;25, 7. 48 Liv. 8, 25, 8: postremo levissimum malorum deditio ad Romanos visa. Das ungewöhnliche Einsetzen römischer Truppen im Verlauf der Übergabe war durch die militärische Situation in der Stadt bedingt: Die starken nolanischen und samnitischen Truppenverbände hätten einer deditio nie zugestimmt, so daß ihre Vertreibung mit dem Vollzug der deditio Hand in Hand gehen mußte. Wenn Liv. 8, 2j, 10 schreibt, die Stadt wurde übergeben, quod bonum faustum felix Palaepolitanis populoque Romano esset, so trifft das - streicht man den Zusatz populoque Romano - genau die Vorstellung, die die neapolitanischen Führer zur deditio bewog. 47 Cic. pro Balb. 21. 48 Plut. Flam. 5,4; vgl. Liv. 32, 32,1 ff., B. NIESE, Geschichte II, S. 620.
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gehung der Aoosstellung freiwillig dem römischen Feldherrn dediert.49 Im weiteren Verlauf des römischen Vormarsches durch Thessalien hat dieses Beispiel Schule gemacht, da Aristainos Ende des Jahres 198 v. Chr. vor der achäischen Bundesversammlung in Sikyon von „tot Thessaliae urbes" (Liv. 32, 21, 13), die in römischer Hand seien, sprechen kann. 191 v. Chr. bieten die Messenier Flaminin die Dedition an, als die Achaier versuchen, sie gewaltsam ihrem Bund anzuschließen.50 Flamininus muß die Dedition angenommen haben, denn anders ist das Folgende nicht zu verstehen: Den achäischen Bundesstrategen veranlaßt der Römer, die Belagerung aufzuheben, und den Messeniern wird befohlen, die Verbannten heimkehren zu lassen und sich dem Achäischen Bund anzuschließen.51 Das Bündnis mit dem Achäischen Bund wird schließlich nach von Flaminin aufgesetzten Bedingungen (το του Τίτου διάγραμμα) abgeschlossen.52 An der tatsächlichen Ausübung der gewonnenen Verfügungsgewalt kann hier kein Zweifel bestehen; in der Regel beschränkt sie sich jedoch auch in dieser Zeit auf die Entlassung aus der römischen Herrschaft. So ging den Privilegien, welche die Autonomie der kleinasiatischen Freistädte nach dem Krieg mit Antiochos III. begründen, die freiwillige Dedition voraus: συγχωροΰμεν δε ύμΐν τήν τε έλευθερίαγ, καθότι και [ταΐς α]λλαις πόλεσιν, δσαι ήμΐν τήν έπιτροπήν έδωκαν.53 49
Liv. 32, 13, 11; 15» 3· Zum Vorgang (nicht zur Deutung) G. A. LEHMANN, Untersudiungen zur historischen Glaubwürdigkeit des Polybios, 1967, S. 107 f. 50 Liv. 36,31, 5. 51 Liv. 36, 31, 6 ff. Bezeichnenderweise gebraucht Livius hier das Verb Jmperare". 52 Polyb. 22, 13, 6. Zwei Jahre später wiederholt sich der Vorgang mit Sparta. Die Stadt dedierte sich im Verlauf der endlosen Streitigkeiten mit dem Achäischen Bund (vgl. dazu B. NIESE, Geschichte III, S. 42 ff., H. E. STIER, Roms Aufstieg, S. 169 ff.) 189 v. Chr. dem Konsul M. Fulvius Nobilior (Liv. 38, 31, 5), worauf dieser beide Parteien zur Vertagung ihres Streites bis zur Entscheidung des Senates zwang. Das orakelhafte Gutachten des Senates erlaubte es ein Jahr später Philopoimen, Sparta gewaltsam zur Annahme der achäischen Forderungen zu zwingen, und an dem damit einmal gesdiaffenen Zustand vermochten auch spätere römische Beschwerden nichts mehr zu ändern (Polyb. 22, 3, 3; 7, 6; 10, 12. Paus. yy 9, 1. Im einzelnen ausgeführt von E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 222 ff.). Trotz des negativen Ausganges der römischen Bemühungen um das dedierte Sparta ist die Rechtslage die gleiche wie im Falle Messenes (da der Mißerfolg anderen Faktoren als dem durch den Rechtsakt der Dedition hergestellten Zustand zu danken ist), und die tatsächlich rechtskräftig vollzogene Dedition bildet den einzigen Rechtsgrund des römischen Eingreifens. 63
Syll.3 618 = SEG II 566. Vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 25, A. PIGANIOL, a.a.O.
S. 342. Eine eingehende Besprechung der wichtigen Inschrift s. S. 78 ff. Die Möglichkeit, sich im Frieden zu dedieren, taucht auch in der politischen Diskussion auf: stratisque tot hostium exercitibus omnes Italiae populos aut vi aut voluntate in deditionem accepissent (Liv. 29, 3, 10.).
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Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Möglichkeit, sich im Frieden zu dedieren, keine Abart der eigentlichen Dedition mit modifizierter Rechtswirkung sein kann. Anders ist nur der Anlaß zur Dedition, und auch dieser hat als gemeinsamen Nenner mit der Dedition im Krieg die militärische oder politische Notlage des sich Dedierenden: An die SteJ^ejnnerjcUre durch Rom UittjisXLAngriff, einer dritten Macht, der_nur^ mit^ römis^cher^iilfeabgewehrt werden.Jkana.JDiese, grundsätzliche Gleichheit.aller Deditiqnen, den sicheren Untergang durch freiwillige Übergabe abzuwenden, erklän auchL warum eine rechtliche Milderung des Institutes bei einer Dedition im Frieden nicht erfolgt Jst. Sachlich zwischen^_d_iesejijbexde^ steht der freiwillige Anschluß _ypn_Staajtei^ Krieges ihrer ursprünglich verfochtenen Sache untreu werden, wenn die römische Überlegenheit offenkundig zutage t r i t t . Ρίρςρ D e d i t i n n e n w u r d e n vielfach rjnrrh Has V e r h a l l e n dpr rnmi.srhpn F P I H -
herrn geradezu herausgefordert, da sie solche Staaten besonders^ milde zu behandeln pflegten und in^ der endgültigen Fnedensregejlung ihre Freilassung in ihre .alten Rechte durchsetzten. In den Friedensverhandlungen im Tempetal 197 v. Chr. lehnt Titus Flamininus die aitolische Forderung auf die südthessalischen Städte Larisa Kremaste, Pharsalos, Theben und Echinos mit der Begründung ab, daß der Vertrag von 212 v. Chr., der die aitolischen Ansprüche legitimiere, nicht mehr bestehe und - selbst wenn er noch in Kraft wäre - den Aitolern nicht das Recht einräume, Ansprüche auf Städte geltend zu machen, die sich den Römern freiwillig ergeben hätten. 54 Aus dem letzten Argument schließt A. HEUSS, daß 54
Liv. 33, 13, 12: Thessaliae civitates sua voluntate in dicionem nostram venerunt. Polyb. 18, 39, 9; vgl. App. Maced. 9, 2. Plut. Flam. 9. Die freiwillige Übergabe der Thessaler beim Anmarsdi der Römer auf die thessalischen Grenzen (άψαμένοις Θετταλίας) erfolgte unter dem Eindruck der römischen Heeresmacht (Plut. Flam. 5, 4). Das gleiche gilt für die Dedition Uticas 149 vor der offiziellen Kriegserklärung Roms: Polyb. 36, 3, 1. App. Lib. 75. Liv. Perioch. 49 (auf Grund der Übergabe landet die römische Flotte zu Beginn des Feldzuges in der Stadt: Polyb. 36, 6, 1. Diod. 32, 6, 2. App. Lib. 78), und ebenso für die Dedition der Akarnanen nach Bekanntwerden der makedonischen Niederlage bei Kynoskephalai: Liv. 33, 17, 15. Unter denselben Vorzeidien dedierten sich nach Liv. 9, 20, 4 schon 318 v. Chr. die apulischen Teanen (vgl. Diod. 19, 10, 1). Derselbe Vorgang wird für das folgende Jahr auf Grund einer zweiten annalistischen Quelle noch einmal von den Teates Apuli berichtet, deren Identität mit den Teanen Livius hier nicht erkannt hat, nur erhalten die Teaten jetzt ein foedus zu ungleichem Recht zugestanden (9> 20, 7). Es ist sicher, daß die Dedition, wenn sie überhaupt als historisch angesehen werden kann, freiwillig erfolgte, da Erfolge der römischen Waffen in Apulien bis zu dieser Zeit nicht nachweisbar sind (K. J. BELOCH, Rom. Gesch. S. 400 f.). Trotzdem sucht Livius die deditio als ein Ergebnis militärischer Aktionen Roms (populationibus fessi) zu retten, wobei er nicht von einem direkten Feldzug spricht, sondern nur von gelegentlichen Raubzügen, die die Teaten zur Übergabe reif gemacht hätten (vgl. die erfundenen
Dedition im Frieden
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sich die Römer selbst kein eigenes Verfügungsrecht über freiwillig dedierte Gemeinden vindizierten.65 Zu Unrecht, denn dieses Argument Flaminins ist nicht in einem Rechtssatz, der sich aus der freiwilligen Dedition ergäbe, begründet, sondern je nach der politischen Situation angewandt worden oder nicht (s. S. 194 ff.). Auch in solchen Fällen ist die rechtlich uneinschränkbare Konsequenz der Dedition in der praktischen Politik den modifizierten Voraussetzungen dieser Kapitulationen entsprechend völlig in den Hintergrund getreten, ohne den Charakter der Dedition verändert zu haben, da seine negative Rechtswirkung den politischen Zielen des Siegers keine Schranke setzt. Somit können abschließend alle historisch möglichen Voraussetzungen der deditio unter ein Ergebnis zusammengefaßt werden: Die Rechtswirkung der Dedition besteht in der Übergabe der absoluten Verfügungsgewalt über den Dedierten auf den Sieger. Diese Wirkung ist insofern negativ, als durch sie keine neue Rechtsordnung gesetzt wird. Diese bedarf eines konstitutiven Aktes Roms, für den rechtlich erst die Dedition die Voraussetzung geschaffen hat. Rechtliche Schranken sind der Entscheidung des Siegers nicht gesetzt, gleichgültig ob die Dedition im Krieg oder im Frieden geschieht oder terminologisch in den Quellen venire in fidem genannt wird. Im ersten Fall können die politischen Gründe, die zum Deditionsangebot wie zu seiner Annahme führten, erheblich modifiziert sein, ohne jedoch eine rechtliche Änderung des Institutes zu begründen, da seine negative Wirkung den politischen Intentionen des Siegers jeden Spielraum läßt. Im zweiten Fall bedeutet der Hinzutritt der fides nur eine Modalität des römischen Verhaltens, ohne rechtlich verbindlich zu sein. Feldzüge nach Apulien 323/22 v. Chr.: Liv. 8, 37, 6. App. Samn. 4, 1. Liv. 8, 40, 1. K. J. BELOCH, S. 400). Ungeachtet der historischen Widersprüche und Unsinnigkeiten im Beridit des Livius wird jedoch wie in den oben aufgeführten Fällen des 2. Jahrhunderts eine bestimmte Möglichkeit der Dedition aufgezeigt, die nur dem Anschein nach freiwillig vollzogen wird, in Wirklichkeit jedoch nur das Ergebnis eines gezielten römischen Drucks ist, der politisch und militärisch ausgeübt werden konnte. Diese Modifikation der bis jetzt behandelten Deditionen im Frieden ist historisch dann selbstverständlich, wenn der Druck der römischen Überlegenheit dem schwächeren Staat die freiwillige Unterwerfung als die sicherste Art des Überlebens nahelegte. Im wesentlichen unterscheidet sie sich nicht von der durch direkte kriegerische Einwirkung erzwungenen Übergabe, da ihr mit dieser die militärische Zwangsandrohung durch Rom gemeinsam ist, und die Abwesenheit römischer Truppen bei dem eigentlichen Deditionsvollzug als reiner Zeitfaktor nur als sekundäres Merkmal bewertet werden kann. M Volk. Grdl. S. 83.
π DIE VÖLKERRECHTLICHE AUTONOMIE
i. Die Restitution dedierter oder eroberter Gemeinwesen Die völkerrechtliche Autonomie und ihre Anerkennung durch Rom ist bei den Staaten selbstverständlich, die entweder mit Rom nie Beziehungen irgendwelcher Art aufgenommen haben oder als amici bzw. socii durch teils formlose teils vertragliche Bindungen Rom rechtlich gleichgestellt sind. Das gilt auch für die Ver-
txagsßamusc»jdie als imJ^eg.B€^t».Äum.Abso jwar Rom in den wemgsten Fällen bereit, als konsequenteste Folge: der Dedmon die Einverleibung des Dedierten in das römische;.StaatsgebietL zu y^llziehenv es entließ viel öfter die Dedierten wieder in ihren alten völkerrechtlichen Zustand.39 Politisch ergibt sich daraus ein offenkundiger Mangel an Expansionsstreben, der zu der Maxime geführt hat, die außenpolitische Unabhängigkeit der römischen Nachbarn zwar einzuschränken, niemals aber deren staatliche Existenz zu vernichten. Rechtlich wurde der ehemals Dedierte als populus sui[ generis anerkanjit^j^ejtjwa^ undnicjit; staaisre.chtUcher.Natur. Die Wiederherstellung des Dedierten als selbständige res ρμΗίςχι isJLd£ZU_ujnLabdingbare ypraussetzuni^ und sie unterscheidet sich rechtlich nicht von der Restitution eines eroberten Gemeinwesens.40 Unsere Quellen berichten nun von einer ganzen Reihe von Freilassungsakten aus der römischen Herrschaft, in denen ebenso wie im Deditionsformular die staatstragenden Elemente kumulativ aufgezählt und zurückgegeben werden, und zwar entweder vom römischen Imperiumträger, vom Senat oder im Zusammenwirken von Senat und Volk.41 Der Sprachgebrauch von reddere und restituere, Bitte um Frieden und erhält den Bescheid, bis zur Rückkehr des Konsuls zu warten: Τarentinorum legatis pacem petentibus cum libertate ac legibus suis responsum ab senatu est, ut redirent cum Fabius consul Romam venisset (Liv. 27, 21, 8). Später erhalten die Tarentiner den Bescheid, sich bis zur Beruhigung der italischen Verhältnisse zu gedulden: Liv. 27, 25, 2; vgl. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 70. , 3 0 A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 78 ff., FR. DE MARTINO, a. a. O. S. 81 f. 40
Man vergleiche auch die Rechtsstellung der von Rom deduzierten Kolonien latinisdien Rechtes, deren staatsrechtlicher Gründungsakt durch ein römisches Komitialgesetz oder durch ein SC das spätere völkerrechtliche Verhältnis der Kolonie zu Rom gar nicht berührte. Auch das beweist einmal mehr, daß der in der modernen Forschung oft angenommene formaljuristische Widerspruch zwischen völkerrechtlichem Status und einseitigem römischem "Wiederherstellungs- oder Einsetzungsakt dem römischen Staatsrecht unbekannt war. 41 Liv. 37, 32,14: urbem agrosque et suas leges iis restituit (Freilassung derPhokäer; ihre Dedition bei Liv. 37, 32, 10); Liv. 38, 39, 12: Phocaeensibus et ager, quem ante bellum babueranty redditus, et ut legibus antiquis uterentur permissum. Cic. Verrv 2, 37, 90: cum... senatus et populus Romanus Thermitanis} quod semper in amicitiafidequemansissent, urbem agros legesque suas reddidisset. Liv. 9, 43, 23: suae leges redditae. 29, 21,7: Locrensium deinde contionem habuit atque iis libertatem legesque suas populum
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Die völkerrechtliche Autonomie
außerdem die eindeutige Formulierung der Freilassung als einseitiger Akt der römischen Staatsorgane lassen keinen Zweifel daran, daß es sich hier um die Wiederherstellung eines rechtlich nicht mehr existenten Gemeinwesens handelt, ja wäre nur diese berichtet, so müßte ein Vorgang, durch den die alte Rechtslage beseitigt wurde, erschlossen werden. Der durch die Restitutipn herbeigeführte Zustand wird mit suis legibus uti oaex.vivere bezeichnet.42 Der römische Verzicht auf die Ausübung der unbeschränkten Gewalt fordert also die offizielle Freilassung aus dem römischen Spruchrecht. Die Folgen der vorangegangenen Kämpfe oder der römische Wunsch, den dedierten oder eroberten Staat in neuer Form wiederherzustellen, bedingte in vielen Fällen eine detaillierte Neuordnung der Verhältnisse der Besiegten, die in der Regel eine Senatskommission durchführte, die von dem jeweils zuständigen Magistrat unterstützt wurde. Das Freilassungsdekret konnte demnach nicht nur die Aufhebung des römischen Herrschaftsanspruches enthalten, sondern setzte von Fall zu Fall Richtlinien der durchzuführenden Neuregelung fest, an die die ausführenden Organe gebunden waren. Bereits die in den literarischen Quellen überlieferten Freilassungsakte, die sich der Arbeitsweise der Quelle gemäß auf das Wesentliche, die Rückgabe der eigentlichen Souveränitätsmerkmale, beschränkten, erwiesen sich nach Form und Inhalt als positive Satzungen der dazu befugten römischen Staatsorgane. Die wenigen inschriftlichen Zeugnisse eines solchen Vorganges, die Restitution der dedierten Städte Herakleia, Thisbe und des eroberten Koroneia, bestätigen diesen Schluß und gestatten eine Vorstellung davon, wie differenziert ein Freilassungsdekret im Einzelfall sein konnte. Herakleia am Latmos kapitulierte beim Übergang des römischen Heeres 190 v. Chr. nach Klein-
Romanum senatumque restituere dixit; 8, 14, 2: Lanuvinis civitas data sacraque reddita. 31, 31, 8 ( = Plut. Marcell. 23). 33, 34, 6. 45, 29, 4. Polyb. 36, 2, 4. 15, 18, 1 f. Syll.3 618. Syll.3 646, Z. 17-21 (s. S. 81). CIL I2 585, Z. 75; γ^\ 85; (vgl. Cic. Scaur. 19; Utica behält demnach sein Gebiet als ager privatus ex iure peregrino). Euseb. Chron. 1, 243: Thetalii vero α Romanis libertatem suis legibus (vivendi) acceperunt. Liv. 26, 47, 1 = Polyb. 10, 17, 6 ff. 42, 22, 5 f. (Ligurer). Vgl. M. KÄSER, Die Typen der römischen Bodenredite in der späteren Republik, Z. Sav. Stift. R. A. 61 (1942) S. 57 ff., E. SCHÖNBAUER, Deditizier, Doppelbürgerschaft und Personalitätsprinzip, JJP 6 (1952) S. 27 f. 42 Liv. 38, 44, 4: senatus consultum factum est, ut Ambraciensibus suae res omnes redderentur, in libertate essent ac legibus suis uterentur (z. J. 187. Ambrakia hatte sich 189 dediert: Polyb. 21, 29, 14. Die Abhängigkeit dieses SC von der Gruppenpolitik der römischen Nobilität bei H. VOLKMANN, Massenversklavungen, S. 209 ff. u. A. J. TOYNBEE, a.a.O. II, S..624ff.). Liv. 25, 16, 7; 23, 4. 33, 32, 5 (vgl. Polyb. 18, 29, 5. App. Maced. 7, 2. Plut. Flam. 10, 3). 37, 54, 26. Gell. noct. Att. 16, 13. Cic. de leg. agr. 2, 34, 86. CIL I2 589 = ILS 38, Z. 5 ff.; vereinzelt steht auch in sua potestate esse: Liv. 36, 27, 8. Cic. de leg. agr. 2, 31, 86. Zum ganzen Komplex A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 94 f.
Die Rt
Jition dedierter oder eroberter Gemeinwesen
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asien, ohne direkt bedroht worden zu sein, und erhielt durch ein Schreiben der Scipionen im Winter 190/89 seine Freiheit uneingeschränkt zurück.43 A. HEUSS versteht die vorliegende Dedition als Typus, „der keine praktische Machtergreifung involviert, sondern mit sofortiger Wirkung das Freundschaftsverhältnis erstellt". Auf Grund dieser schon abgelehnten Annahme (s. S. 52 ff.) folgert er weiter, daß es sich hier um keinen wirklichen Freilassungsvorgang, sondern um die „Anerkennung eines bereits bestehenden Rechtszustandes" handelt. Dem widerspricht zunächst die eindeutige Aussage der Inschrift: συγχωροΰμεν δε ύμϊν την τε έλευτερίαγ, καθότι και τ[αΐς α]λλαις πόλεσιν, δσαι ήμΐν την έπιτροπήν έδωκαν, εχουσιν ύ[φ αύτοΐς πάν] τα τα αύτώμ πολιτεύεσθαι κατά τους υμετέρους νόμους.44 In dieser Freiheitserklärung ist weder die Freiwilligkeit der Dedition noch ein Unterschied zweier Deditionsarten betont, vielmehr deutet gerade der Hinweis auf andere Städte, die sich ebenfalls dediert haben und ebenfalls befreit werden, auf eine gleichmäßige Behandlung aller Dedierten hin, gleichgültig wie sie in dieses Rechtsverhältnis gelangten. So kann die Freilassung nicht Ausfluß eines rechtlichen Tatbestandes sein, der sich auf Grund der besonderen Deditionsart zwanglos ergeben hätte, sondern sie ist Ausdruck einer politischen Konzeption, nach der Rom die Dedierten in dieser Zeit zu behandeln pflegte. Rechtlich ist die Freilassung klar genug als konstitutiver Akt stilisiert, und daran ändert auch nichts der Versuch von A. HEUSS, in dem Passus der Inschrift, nach dem Rom einen Beauftragten zur Ordnung des herakleischen Gemeinwesens nach Kleinasien abgesandt hat, eine Bitte Herakleias um römische Hilfe zu diesem Zweck zu sehen.45 Damit ist dem Text der Inschrift einfach Gewalt 48
Syll.3 618 = SEG II 566. Deditionsbeweis bei A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 98. Grundlegend G. DE SANCTIS, Una lettera degli Scipioni, in: Atti Accad. Scienze Torino 57 (1921/22) S. 242 ff., wonach der Brief von den beiden Scipionen abgefaßt worden sein muß und in den Winter 190/89 zu datieren ist; zustimmend M. HOLLEAUX, La lettera degli Scipioni agli abitanti di Colofone a mare, Riv. di Fil. N. S. 2 (1924) S. 29ff.; 39ff. (gegen seine REA 19 [1917] S. 237 ff. vertretene Ansicht. Zu Kolophon vgl. SEG I 440), S. ACCAME, II dominio romano in Grecia dalla guerra acaica ad Augusto, 1946, S. 53 f., D. MAGIE, Roman Rule II, 1950, S. 949f., A. PIGANIOL, ΜέΊ. F. de Visscher IV, 1950, S. 342, FR. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, i960, S. 313 f., Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 130 Anm. 2. 44
Z. 10 ff. d. Inschrift (τα αυτών πολιτεύεσϋαι) ist die Übersetzung des lateinischen suis legibus HÜ: A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 98 Anm. 1. 45 Z; 16f.: άπεστάλκαμεν δέ προς ύμας Λεύκιον "Ορβιον τόν έπιμελησόμενον της [πόλεως και] της χώρας, δπως μηδείς ύμας παρενοχλήι. Α. HEUSS, Volk. Grdl. S. 98 Anm. 1: „Diese Maßnahmen sind... unabhängig von der Freiheitserklärung, und zeigen dadurch, daß sie besonders erbeten wurden, zugleich, daß diese Erklärungen ganz und gar keine konstitutiven Akte sind". Seine Ansicht bekräftigt hat A. HEUSS in: Stadt und Herrscher, S. 233 Anm. 2.
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angetan, denn von einer diesbezüglichen Bitte ist nicht die Rede. Vielmehr wird die Absendung des römischen Bevollmächtigten im Perfekt berichtet, d. h. zur Zeit der Abfassung des Briefes muß der Gesandte schon abgereist sein, während die definitive Freilassung im Präsens steht. Daraus ergibt sich: Die Neuordnung des Staates durch den römischen Gesandten muß auf dem römischen Imperium beruhen, das auf Grund der Dedition gewonnen wurde, will man nicht einen unlösbaren Gegensatz zwischen dieser Ordnung und der tatsächlichen Freilassung bestehen lassen. Rechtlich folgt die Freiheitserklärung der Neukonstitution Herakleias nach, zeitlich ist diese Trennung absolut nicht möglich und auch nicht nötig. Sie ist jedoch durch den verschiedenen Tempusgebrauch der Inschrift deutlich ausgedrückt. Die böotische Stadt Thisbe, wie Koroneia und Haliartos im Dritten Makedonischen Krieg auf Seiten des Perseus (Polyb. 27, 5, 1-8), dedierte sich im Herbst 171 v. Chr. dem Prätor Gaius Lucretius, da makedonischer Ersatz ausblieb und die Stadt allein auf sich gestellt gegen das heranrückende römische Belagerungsheer, das bereits Haliartos und Koroneia gestürmt hatte, nicht zu halten war. 46 Lucretius überließ die Stadt provisorisch den aus der Verbannung zurückgerufenen Römerfreunden, verkaufte die Sklaven und Güter der makedonisch Gesinnten und verschleppte diese, soweit sie nicht in andere griechische Städte flüchten konnten, nach Italien. Das endgültige Schicksal der Stadt blieb bis zur Entscheidung des Senates ungewiß, um die Ende September 170 Gesandte der Stadt, die nach Lage der Dinge Römerfreunde waren (Syll. 3 646, Z. 4), baten, nachdem der Senat durch Gesandte des in Thessalien überwinternden Konsuls Aulus Hostilius Mancinus im Winter 171/70 der Stadt seine Anerkennung ausgesprochen und sie ermahnt hatte, weiterhin den Römern die Treue zu halten.47 Im Oktober 170 v. Chr. fand die entscheidende Senatssitzung statt, deren Beschlüsse in griechischer Übersetzung in Thisbe inschriftlich aufbewahrt wurden.48 Das erste SC 48
Liv. 42, 46, 7; 63, 12: inde Thisbas ductus exercitus; quibus sine certamine receptis urbem tradidit exulibus et qui Romanorum partis erant; adversae factionis hominum fautorumque regis ac Macedonum familias sub Corona vendidit. Syll.3 646, Z. 41 f. 47 Polyb. 28, 3, 2. Liv. 43, 17, 2. 48
Syll.3 646 = IG VII 2225 = RICCOBONO, FIR I2, 1941, nr. 31, 1 u. 2. TH. MOMM-
SEN, S. C. de Thisbaeis a. u. c. DLXXXIV, in: Ges. Schrift. 8,1913, S. 274 ίί., Ρ. FOUCART, Le SC de Thisbe\ Μέπι. de l'Acad. des inscriptions et belles-lettres 37 (1906) S. 309 ff. Die Inschrift ist vielfach paraphrasiert und die sich ergebenden Probleme sind eingehend erörtert worden, vgl. J. SCHMIDT, Ein Fehler des Livius, Hermes 16 (1881) S. 155 fr., 2. Sav. Stift. R. A. 2 (1881) S. n6ff., G. COLIN, Rome et la Grece, 1905,8. 424ff., B. NIESE, Geschichte III, S. 116; 126 f., G. CORRADI, Le grandi conquiste mediterranee, 1945, S. 202 f., P. MELONI, Perseo e la fine della monarchia macedone, 1953, S. 245 Anm. 3; 261 ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 637ff. Die Ereignisse des Winters
Die Re> Mion dedierter oder eroberter Gemeinwesen
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(Z. 1-13) empfahl dem Praetor Q. Maenius eine fünfköpfige Senatskommission zu bilden, die die Verhältnisse in Thisbe ordnen sollten.49 Das zweite SC, Richtlinien, die der inzwischen gewählten Kommission mit auf den Weg gegeben wurden, setzt die Wiederherstellung Thisbes als souveräne Gemeinde mit gewissen Auflagen 50 fest: 'Ωσαύτως περί ών οι αυτοί λόγους έποιήσαντο περί χώρας Ι [κ]αϊ περί λιμένων και προσόδων και περί ορέων α αυτών έγε|[γ]όνεισαν, ταΰτα ημών μεν ένεκεν εχειν έξεΐναι εδοίξεν. περί αρχών και περί ιερών και προσόδων, δπως αυτοί Ι [κ]υριεύωσι, περί τούτου του πράγματος ούτως εδοξεν Ι οΐτινες εις την φιλιαν την ήμετέραν (παρεγένοντο) προ του ή Γάιος ΛοκρέΙτιος το στρατόπεδον προς την πόλιν Θίσβας προσήγαίγεν, δπως ούτοι ετη δέκα τ[ά] εγγιστα κυριεύωσιν. εδοξ[εν]. Ι περί χώρας οικιών και τών υπαρχόντων αύτοΐς· ου ποτέ Ι τι αυτών γέγονεν, δπως [τά] εαυτών αύτοΐς εχειν έξη, Ι εδοξεν. 'Ωσαύτως περί ών οι αυτοί λόγους έποιήσαντο, δπω[ς] | οι αυτόμολοι οι ίδιοι έκεϊ φυγάδες δντες την ακραν αύτοΐς δπως Ι τειχίσαι έξη και έκεϊ κατοικώσιν ούτοι, καθότι ένεφάνισαν, ούΐτως εδοξεν όπως έκεϊ κατοικώσιν και τούτο τειχίσωσιν εδοίξεν. τήν πόλιν τειχίσαι ούκ εδοξεν. Dieselbe Entscheidung fällte der Senat über die eroberten Städte Koroneia und Abdera,51 d. h. er verfuhr in den Jahren des 3. Makedonischen Krieges nach einem 17i/o und des folgenden Sommers sind nur teilweise rekonstruierbar, da sie bei Livius durch eine Lücke der einzigen Handschrift ausgefallen sind. Zu den dadurch notwendigerweise auftauchenden chronologischen Problemen L. ROBERT, Senatus-consulte de Koroηέε, in:fitudesepigraphiques et philologiques, 1938, S. 287ff. 4e Anders kann der betreffende Passus (Z. 11-12: δπως Κοίντος Μαίνιος στρατηγός τών έκ της συνκλήτου [π]έντε άποτάξη) nicht verstanden werden, vgl. TH. MOMMSEN, a.a.O. S. 290f. Maenius selbst (Z. 39 f.) sowie der in Böötien operierende Konsul Man£inus (Z. 43 f.) wurden entsprechend ihrer Amtsgewalt mit Teilaufgaben betraut; dazu G. COLIN, a. a. O. S. 427. 50 Die Stadt erhält zwar de iure ihre volle Souveränität (Z. 17-20), ihre innere Verwaltung wird jedoch in einer Weise geregelt, die jeden Abfall von Rom zukünftig ausschließt: Die Besetzung der Magistraturen und Priesterstellen sowie die Verwaltung der Einkünfte wird für 10 Jahre den Römerfreunden vorbehalten, die zudem, falls sie wegen ihrer Treue zu Rom verbannt worden waren, das Recht erhielten, auf der Burg zu wohnen und diese auch zu befestigen. Jede Befestigung der Stadt wurde dagegen ausdrücklich verboten. Mit diesen Bestimmungen kam Rom zweifellos den Wünschen der Römerfreunde entgegen, band diese aber gleichzeitig auf Gedeih und Verderben an Rom, da ihre Stellung auf dem Machtspruch des Siegers und nicht auf der Wahl der Bevölkerung ruhte. 51 Bruchstücke des SC über Koroneia sind inschriftlich erhalten und von L. ROBERT, a.a.O. S. 289 den Formulierungen des SC über Thisbe entsprechend ergänzt worden.
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Die völkerrechtliche Autonomie
ganz bestimmten Schema: Die dedierten und eroberten Gemeinden wurden als völkerrechtliche Subjekte wiederhergestellt, ihre Mauern jedoch geschleift und ihre innere Verwaltung auf Jahre hinaus in die Händ Rom höriger Parteigänger gelegt, die die Treue der Stadt hinreichend garantierten, da ihre Stellung als von Rom geschaffene nur solange Bestand haben konnte, solange sie dieses Faktum nicht vergaßen. Im Gegensatz zu der uneingeschränkten Freilassung Herakleias 190/89 hält die römische Politik zwar noch an dem Grundsatz der griechischen Freiheit und Selbstbestimmung fest, sichert sich aber durch die Neuregelung der Verhältnisse zugunsten einer Partei wie durch das militärisch einschneidende Befestigungsverbot vor einer allzu selbständigen möglicherweise wieder gegen Rom gerichteten Außenpolitik. Rechtlich erweisen sich die aufgeführten Freilassungsdekrete ebenfalls als konstitutive Akte, die die durch sie bewirkte Rechtslage wie positive Einzelfestsetzungen bis ins Detail formulierten und festlegten. Scheint also an dem bisherigen Ergebnis, in der Freiheitserklärung einen konstitutiven oder - modern gesprochen - staatsrechtlichen Akt Roms zu sehen, kein Zweifel möglich, so bereitet die Einordnung der großen Freiheitsproklamationen in Griechenland und Kleinasien erhebliche Schwierigkeiten, da im Verlauf ihrer praktischen Durchführung auch Städte betroffen werden, die in der offiziellen Freiheitserklärung nicht genannt werden. Vor allem aus der Auseinandersetzung mit diesen Proklamationen hat A. HEUSS den Schluß gezogen, daß es sich bei den Freiheitserklärungen generell um rein völkerrechtlich-deklaratorische Akte handelt, denen nur die Bedeutung von Mitteilungen an die schon durch den Rückzug der römischen Herrschaft Befreiten zukommt.52 Dieser Schluß widerspricht nun offensichtlich der Aussage unserer Quellen, die den Freilassungsakt eindeutig als konstitutiven und nicht deklaratorischen Vorgang berichten, so daß es unerläßlich ist, den rechtlichen Charakter vor allem der Freiheitsproklamation auf den isthmischen Spielen von Korinth 196 zu klären, zum anderen eine Beziehung zu den bisher aufgezeigten Freilassungen dedierter und eroberter Städte herzustellen. Zu Abdera Liv. 43, 4, 11 f.: decreverunt eadem de Abderitis, quae de Coronaeis decreverant priore anno; eademque pro contione edicere Q. Maenium praetorem iusserunt. et legati duo, C. Sempronius Blaesus Sex. Iulius Caesar> ad restituendos in überteuern Abderitas missi. P. MELONI, a. a. O. S. 264 und Anm. 2. 52 A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 78 ff.
Ct. akter der römischen Freiheitserklärung
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2. Charakter und juristische Vieldeutigkeit der römischen Freiheitserklärung im 2. Jhdt. v. Chr. a) Die Freiheitsproklamation von Korinth 196 v. Chr.: Voraussetzung, Rechtscharakter und Auswirkung Auszugehen hat die Untersuchung von dem Friedensvertrag zwischen Philipp V. und Rom, der die rechtlichen und territorialen Voraussetzungen der Proklamation von Korinth schuf. Bereits wenige Tage nach Kynoskephalai schlössen T. Quinctius Flamininus und Philipp einen auf vier Monate befristeten Waffenstillstand und einen Praeliminarvertrag, in dem der König alle von Rom und seinen Verbündeten gestellten Forderungen akzeptierte und Einzelfragen der Entscheidung des Senates anheimstellte. Im Winter 197/6 wurde dieser Friedens Vorschlag nach zeitweise heftigen Debatten im Senat angenommen und von den Komitien ratifiziert.1 Der rechtskräftige Abschluß des Vertrages, die beidseitige Schwurhandlung, erfolgte im Frühjahr 196, nachdem Flamininus und eine senatorische Zehnmännerkommission nach den Richtlinien des Senates mit Philipp V. das endgültige Vertragsinstrument festgesetzt hatten.2 Der authentische Vertragstext ist nicht erhalten, da Polybios nur die wichtigsten Passagen des Senatsbeschlusses über den Friedensschluß (τα συνέχοντα του δόγματος) berichtet,3 so daß die urkundliche 1
Polyb. 18, 42, 2; 4. Polyb. 18, 42, 5, präziser Liv. 33, 24, 7: decem legati more maiorum, quorum ex consilio T. Quinctius imperator leges pacis Philippo daret, decreti; ebenso 33, 30, 1: Decem legati ab Roma venerum, quorum ex consilio pax data Philippo in has leges est, ut... Die möglichen Zusätze und Änderungen vor der Beeidigung können nur geringfügig und in der Sache nebensächlich gewesen sein, da die Komitien den Praeliminarien bereits zugestimmt hatten. Vgl. allgemein M. HOLLEAUX, CAH VII, S. 180 f., J. H. THIEL, .Studies on the History on the Roman Sea-Power in republican times, 1946, S. 249 fr. Gegen J. A. O. LARSEN, The Treaty of Peace at the Conclusion of the Second Macedonian War, ClPh. 31 (1936) S. 342 ff. (zustimmend F. W. WALBANK, Philip V, S. 177 f.), der den Vertrag bereits im Herbst 197 rechtskräftig abgeschlossen sein läßt und dementsprediend die Aufgabe der Zehnmännerkommission auf die Neuordnung der griechischen Verhältnisse nach den Richtlinien des ergangenen SC beschränkt, halte ich an der Version des Livius fest. Da die Begründung im einzelnen grundsätzliche Fragen des römischen Vertragsabschlusses aufwirft, wird sie an anderer Stelle gegeben. 3 Polyb. 18, 44, -2-7; davon abhängig App. Mak. 9, 3. Plut. Flam. 9. Livius 33, 30, 1-11 (ebenso Zonar. 9, 16, 12) weicht in der Wiedergabe des polybianischen Vertragstextes nicht wesentlich von seiner Vorlage ab (dazu E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 230) und fügt dieser nach Valerius Antias und Claudius Quadrigarius weitere, Philipp belastende Bestimmungen hinzu, darunter als wichtigste: (1) das Verbot, mehr als 5000 Soldaten unter Waffen zu haben und Elefanten zu besitzen, (2) das Verbot, außerhalb Makedoniens 2
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Autonomie
Ökonomie des Vertrages w i e die Stipulationen im einzelnen aus dem S C und den Präliminarien zu erschließen sind. D e r Vertrag muß demnach gelautet haben: I. Einleitungsformalien: φιλίαν είναι. 4 II. Spezialbestimmungen ι. Vereinbarung über den zukünftigen Status der freien Griechenstädte in Kleinasien und Griechenland: a) Verzicht Philipps, die Freiheit dieser Städte in Zukunft anzutasten b) gleichlautender Verzicht R o m s : τους μεν άλλους "Ελληνας πάντας, τους
ohne Erlaubnis des Senates Krieg zu führen. Beide Stipulationen sind den analogen Bestimmungen im Friedensvertrag mit Karthago 201 v. Chr. (Polyb. 15, 18, 3 f.) nachgebildet und durch die quellenkritischen Forschungen von H. NISSEN, Kritische Untersuchungen, S. 144 ff., E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 228 ff. und Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung,
S. 92 f. als Fälschungen erkannt worden, die die annalistische Basis für die Rechtfertigung des Perseuskrieges abgeben. Da auch die Ökonomie des Vertrages zeigt, daß sowohl das von Rom proklamierte Kriegsziel, die Freiheit der griechischen Städte (s. S. 248 ff.), wie auch die in römischen Verträgen üblichen Bestimmungen zur Liquidation des Krieges (dazu TÄUBLER, S. 66 ή.) durch den Vertrag erreicht waren, sind die annalistischen Zu sätze zu streichen (anders L. BIVONA, Kokalos 2 [1956] S. 50 ff.). Zu den übrigen, ebenfalls wertlosen annalistischen Zutaten das Nötige bei M. HOLLEAUX, Notes sur Tite Live I. Les additions annalistiques au traite de 196 (33, 30, 6-11), £tudes V, S. 104ff. (Im Anschluß an A. KLOTZ, ZU den Quellen der 4. und 5. Dekade des Livius, Hermes 50 [1915] S. 523 ff.), E. V. HANSEN, The Attalids of Pergamon, 1947, S. 68 Anm. 7, Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 112 f.; 217, S. ACCAME, Roma alla conquista del mediterraneo Orientale, 1966, S. 185 ff. 4
Im SC nicht erhalten, aber aus dem allgemeinen von den Römern geübten Vertragsbrauch, nachweisbar in den ersten beiden römisch-punischen Verträgen (Polyb. 3, 22, 4; 24, 3), dem Präliminarfrieden mit Karthago 241 v. Chr. (Polyb. 1, 62, 8) und dem Frieden mit Antiochos III. 188 v. Chr. (Polyb. 21, 43, 1), mit Gewißheit zu erschließen. Die den Bundesgenossenschaftsverträgen ursprünglich vorbehaltene Neutralitätsbestimmung (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 47. 49 ff.) ist im Vertrag mit Antiochos zum erstenmal urkundlich auch für einen Friedensvertrag belegt (Polyb. 21, 43, 2-3). Es muß offen bleiben, ob die noch zu besprechenden Gründe für diese Änderung des Vertragsformulars (s. S. 265 f.) bereits beim Abschluß des Vertrages mit Philipp vertragstechnische Konsequenzen hatten oder nicht. Auf jeden Fall stand diese Bestimmung im Bundesgenossenschaftsvertrag, dessen Abschluß die Zehnmännerkommission im September 196 Philipp nahelegte, um ihm eine Parteinahme zugunsten des Antiochos möglichst zu erschweren, Polyb. 18, 48, 3 ff. Vgl. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 37, A. AYMARD, Les premiers rapports de Rome et de la confederation achaienne (198-189 av. J.-C), 1938, S. 219 Anm. 24; 263 f., P. MELONI, Perseo e la fine della monarchia macedone, 1953, S. 6y. Zweifel am Vertragsabschluß bei G. DE SANCTIS, Storia IV 1, S. 105 f. Vertragstechnisch werden die Friedensbedingungen beim Abschluß des Bundesgenossenschaftsvertrages diesem als Spezialbestimmungen hinzugefügt, vgl. das Bündnis mit Karthago 201 v. Chr. (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 190 ff.).
C,
akter der römischen Freiheitserklärung
8β
τε κατά την Ά σ ί α ν και κατά την Εύρώπην, ελευθέρους ύπάρχειν και νόμοις χρήσθαι τοις ιδίοις. 5 2. Gebietsabtretungen Philipps: a) alle besetzten griechischen Städte in Griechenland, die den Römern bis zu den Isthmien v o n Korinth zu übergeben waren: τους δέ ταττομένους υπό Φίλιππον και τάς πόλεις τάς έμφρούρους παραδοΰναι Φίλιππον Τωμαίοις προ της των Ίσθμίων πανηγύρεως. 6 b) alle besetzten griechischen Städte in Kleinasien, die freizulassen waren und aus denen die makedonischen Besatzungen abziehen mußten: Εΰρωμον δέ και Πήδασα και Βαργύλια και την Ί α σ έ ω ν πόλιν, ομοίως "Αβυδον, Θάσον, Μύριναν, Πέρινθον, ελευθέρας άφεΐναι τάς φρουράς έξ αυτών μεταστησάμενον. 7 c) Rückgabe der v o n R o m im Frieden v o n Phoinike abgetretenen illyrischen Gebiete. 8 5
Polyb. 18, 44, 2. Zweiseitige Stipulationen sind in einem römischen Friedensvertrag nichts Ungewöhnliches, vgl. den Frieden von 241: Polyb. 3, 27, 2-4. e 44, 3. Die betroffenen Städte sind namentlich nicht aufgeführt, aber die aitolische Kritik an dem Vertragswerk richtete sich vor allem gegen die Übergabe von Oreos, Eretria, Chalkis, Demetrias und Korinth, in denen die Griechen selbst die „Fußfesseln" Griechenlands erkannten: Polyb. 18, 45, 5 f. Eine gleichlautende Bestimmung findet sich nur noch in den Präliminarien des Friedens mit Nabis: in Creta insula ne quam urbem haberet, quas habuisset redderet Romanis (Liv. 34, 35, 9); ebenso stilisiert ist die Forderung, die argivischen Gebiete zu räumen (35, 3), vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 433. 7 44, 4. In der Aufzählung fehlen Sestos und Stratonikeia, s. Polyb. 18, 2, 4; 48, 2. Mit dieser Bedingung wurde ein Teil der rhodischen Forderungen (Polyb. 18, 2, 3-4) erfüllt. Eine gleichlautende Bestimmung findet sich wieder im Friedensvertrag mit Nabis, der einen Teil der von ihm besetzten Städte als selbständige Gemeinwesen wiederherzustellen hatte: civitatibus omnibus, quasque ipse restituisset quaeque se suaque in fidem ac dicionem p. R. tradidissent, omnia praesidia deduceret seque ipse suosque ab iis abstineret (Liv. 34, 35, 10; restituisset ist hier im Gegensatz zu tradidissent kondizional zu verstehen, vgl. WEISSENBORN Z. St.). 8
Diese Bestimmung muß auf Grund der in Nikaia erhobenen Forderungen aufgenommen worden sein und bezieht sich vor allem auf die Rückgabe der Atintania: τους κατά τήν Ίλλυρίδα τόπους παραδοΰναι 'Ρωμαίοις, ών νέγονε κύριος μετά τάς έν Ήπείρω διαλύσεις (Polyb. 18, ι, 14 = Liv. 32, 33» 3 : restituenda . . . loca quae post pacem in Epiro factam occupasset). Bereits G. ZIPPEL, Die römische Herrschaft in Illyrien bis auf Augustus, 1877, S. 73 f. hat zu Recht die Präposition μετά im Sinne von διά mit „nach... und gemäß" dem Frieden von Phoinike übersetzt und eine temporale Deutung „nach dem Friedensschluß" mit der Begründung abgelehnt, daß makedonische Eroberungen im römischen Illyrien nach 205 in den Quellen nicht verschwiegen worden sein können. Ebenso M. HOLLEAUX, Rom, la Grece, S. 278 Anm. 1, REG 36 (1923) S. 123, F. W. WALBANK,
Philip V, S. 103 Anm. 4, ST. I. OOST, Philip V and Illyria, 205-200 B. C., ClPh. 54 (1959) S. 158 ff. Dagegen E. BADIAN, Studies in Greek and Roman History, 1964, S. 22 f.;
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d) Rückgabe aller dem Ptolemaierreich seit dem Tode Ptolemaios' IV. entrissenen Städte. 9 3. Erfüllung der Forderungen der römischen amici et socii.10 4. Auslieferungsbestimmungen und Rüstungsbeschränkungen. 11 a) Auslieferung der römischen Gefangenen und Überläufer. b) Auslieferung der makedonischen Kriegsflotte. 5. Zahlung der Kriegskosten und Geiselstellung. 1 2 33, Foreign Clintelae, S. 61 (mit Verweis auf den mit ομοίως anschließenden Satz, in dem die Freilassung der nach dem Tode des Ptolemaios IV. von Philipp eroberten lagidischen Besitzungen gefordert wird), und J. P. V. D. BALSDON, CLQuart. 47 (1953)8.163 f. Vgl. die Diskussion des Streitfalls zwischen T. A. DOREY, E. BADIAN und ST. I. OOST,
ClPh. 55 (i960) S. 180ff. BADIAN wie BALSDON gehen von der Voraussetzung aus, daß die Verwerfung der annalistischen Version der Anlässe des 2. Makedonischen Krieges aus quellenkritischen Gründen durch M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, pass., CAH VIII, 156 Anm. 1 und Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 45 ff. in ihrer Unbedingtheit falsch ist und die bei Liv. (A) 30, 26, 2 f., 42, 2 f. z. J. 203 berichtete Protestgesandtschaft des Senates (BROUGHTON, Magistrates I, S. 313; 315) gegen makedonische Übergriffe auf sociae urbes wenigstens in ihrem Kern historisch ist. Das noch zu erörternde römische Verhalten vor Ausbruch des Krieges im J. 200 (s. S. 239 ff.) wie die Rechtswirkung des Friedens von Phoinike (s. S. 207 fr.) bestätigen jedoch die quellenkritischen Ergebnisse Petzolds und schließen Eroberungen Philipps im illyrischen Raum nach 205 aus. 9 Ebenfalls in Nikaia gefordert (Polyb. 18, 1, 14) und durch L. Stertinius, Mitglied der Zehnmännerkommission, im Herbst 196 durchgeführt (Polyb. 18, 42, 2 = Liv. 33, 35» 2). 10 Im einzelnen aus den Verhandlungen von Nikaia zu rekonstruieren, vgl. J. A. O. LARSEN, a. a. O. S. 344, F. W. WALBANK, Philip V, S. 179 f., A. AYMARD, a. a. O. S. 272 ff.,
E. V. HANSEN, a.a.O. S. 63, D. MAGIE, Roman Rule in Asia Minor II, 1950, S. 753, H. H. SCMITT, Rom und Rhodos, S. 73, R. B. MCSHANE, The foreign Policy of the Attalids of Pergamum, 1964, S. 129ff. Wertlos Valerius Antias bei Liv. 33, 30, 10f., dazu M. HOLLEAUX, a. a. O. 11
Polyb. 18, 44, 6. Derartige Stipulationen waren in jedem römischen Friedensvertrag selbstverständlich. Die Forderung auf Auslieferung der Flotte involviert das Verbot, in Zukunft mehr als die festgesetzte Zahl von Schiffen auf Kiel zu legen, auch wenn das nicht ausdrücklich wie in den Verträgen mit Nabis (Liv. 34, 35, 5) und Antiochos (Polyb. 2i, 43, 11) vertraglich formuliert wurde, vgl. (mit anderer Deutung) E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 80 ff. 12 44, 7. Polybios läßt die bereits beim Abschluß der Präliminarien überlieferte (18, 39, 5) und ebenfalls selbstverständliche Geiselstellung hier weg. Da die Geiseln für die pünktliche Zahlung der Kriegskosten (und nicht für die Einhaltung des Vertrages) bürgten, bedingen sich beide Bestimmungen gegenseitig. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 35; 67ff.; 70ff.; 335 ff. - Das SC trug Flamininus weiter auf, über die Freiheit des propontischen Kios mit Prusias I. von Bithynien schriftlich zu verhandeln. Polybios berichtet diesen Auftrag zwischen der in dem Vertrag aufgenommenen Verpflichtung, die kleinasiatischen Städte zu räumen, und der Forderung auf Auslieferung der Gefangenen und Überläufer.
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kter der römischen Freiheitserklärung
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Die entscheidenden Bedingungen des Vertrages setzen die Freiheit und Unabhängigkeit der altfreien griechischen Städte in der Form der Selbstbindung der beiden Vertragskontrahenten fest (II ia-b), erwirken den unter makedonischer Botmäßigkeit stehenden kleinasiatischen Städten die Freiheit (II 2 b) und regeln die Übergabe derselben Städtekategorie auf europäischem Boden an Rom (II 2a). E. TÄUBLER hat zunächst richtig erkannt, daß die polybianische Formulierung τους μεν άλλους nur im Gegensatz zu dem im nächsten Satz anschließenden τους δέ ταττομένους verständlich wird und der Vertragstext demnach den in der Herrschaft Philipps befindlichen Griechen die freien Griechenstädte gegenübergestellt haben muß.18 Seine Deutung der Bestimmung II 1 als zweiseitige Garantie der Freiheit der griechischen Städte durch beide Kontrahenten konnte dagegen von A. HEUSS bündig widerlegt werden.14 HEUSS hält wie TÄUBLER an der Zweiseitigkeit der Verpflichtung fest, definiert sie aber als Selbstbindung der Vertragspartner, „von denen jeder sich in der Art bindet, daß er gegen die Unabhängigkeit der Griechen nichts unternimmt." Die politische Situation läßt keinen Zweifel daran, daß diese Stipulation trotz ihrer zweiseitigen Stilisierung vor allem Philipp treffen sollte und mußte, da seinem Expansionsdrang gegen die griechischen Städte ein endgültiger Riegel vorgeschoben wurde. Gleichzeitig enthielt der freiwillige Verzicht Roms auf jede Einmischung in die griechischen Verhältnisse eine offene Warnung an Antiochos III., dessen Vorstoß gegen die kleinasiatischen Griechenstädte seit 197 v. Chr. in Rom mit wachsender Sorge verfolgt wurde. 15 44, 5: περί δέ της των Κιανών ελευθερώσεως Τίτον γράψαι προς Προυσίαν κατά τό δόγμα της συγκλήτου. Kios war im Jahre 202 ν. Chr. von Philipp V. im Bunde mit sei nem Schwager Prusias I. erobert (Polyb. 15, 21 f.) und dem bithynischen König übergeben worden, Polyb. 15, 28, 8 f. Vgl. B. V. HEAD, Hist. Num.2 1911, S. 513, CH. HABICHT, RE 21 (1957) Sp. 1093 ff. s· v · Prusias I. Es ist aus vertragstechnischen Gründen klar, daß eine solche Bestimmung nicht in den Vertrag aufgenommen worden sein kann (J. A. O. LARSEN, a.a.O. S. 346). Derselbe Schluß ergibt sich aus sachlichen Gründen: Kios war z. Zt. des Friedensschlusses im Besitz des Prusias und daher von Philipp, der sich schon in Nikaia nur auf eine Mitwirkung an der Eroberung festgelegt hatte (Polyb. 18, 4, 7. Liv. 32, 34, 6), gar nicht zu fordern. 13 E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 231 f. zustimmend: A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 85, FR. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, i960, S. 275. 14
A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 85 f. gegen E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 433 f., E. BICKER-
MANN, Hermes 67 (1932) S. 47 f., M. HOLLEAUX, CAH VIII, S. 181. 15 Polyb. 18, 43, 2; 45, 11; 48, 1 f. Plut. Flam. 10. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 85, F. W. WALBANK, Philip V, S. 179, E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, S. 72 f., F. KIECHLE,
Römische Geschichte I, 1967, S. 140. Zur Eroberungspolitik Antiochos' III. s. Η. Η. SCHMITT, Untersuchungen zur Geschichte Antiochos' des Großen und seiner Zeit,Historia Einzelschr. 6, 1964, S. 278 ff. Der Vertragsabschluß mit Philipp wurde von Rom vor allem unter dem Druck der seleukidischen Expansion beschleunigt, da der Senat weder
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Auf dem Hintergrund dieser konkreten Situation kann es nicht zweifelhaft sein, daß diese Vertragsbestimmung wie die Proklamation von Korinth trotz ihrer Stilisierung als Selbstbindung eine römische Interessenssphäre absteckte, die notfalls mit Waffengewalt verteidigt werden sollte. Der einzige Unterschied zur Garantie des einmal festgesetzten Status liegt also in der rechtlichen Unverbindlichkeit dieser Stipulation, d. h. sie verpflichtete Rom nicht zum Eingreifen, wenn es aus bestimmten Gründen dazu nicht willens oder in der Lage war. Im Jahre 196 allerdings liegen die Dinge klar: Jeder Angriff auf Griechenland, so mußte Antiochos Vertragstext und Proklamation verstehen, bedeutete Krieg mit Rom.16 Einer Erklärung bedarf die unterschiedliche Behandlung der von Philipp abzutretenden Gebiete. Im Gegensatz zu den europäischen erhalten die kleinasiatischen Griechenstädte sofort ihre Freiheit, ohne erst römische Besatzungen aufnehmen zu müssen. Ihre Freilassung, die konkret durch den Abzug der makedonischenTruppen zustande kam, wurde lediglich durch eine Gesandtschaft der in Griechenland amtierenden Zehnmännerkommission überwacht.17 Unterschiedlich ist hier nur die Verfahrensweise, die rechtliche Voraussetzung ist in beiden Fällen dieselbe, da auch die kleinasiatischen Städte dem nach Kriegsrecht erworbenen Besitz Roms zuzurechnen sind, der im Vertrag mit Philipp festgelegt wurde und über den Rom kraft seines Siegerrechtes jede Entscheidung, auch die der sofortigen Freilassung, fällen konnte.18 Die Gründe dieses Vorgehens sind wiederum historischer Art. Bereits in den Friedensverhandlungen vonNikaia zeigte es sich,18 daß eine Friedensordnung in Griechenland ohne eine durchgreifende Regelung der verworrenen territorialen Verhältnisse unmöglich sein werde, da jede Gemeinde mit mehr oder minder guten Gründen ihre Ansprüche dem Sieger anmeldete, sofern sie sich nicht in den vorangegangenen Kämpfen als makedonenfreundlich kompromittiert hatte. Der Abschluß des Friedens mit Philipp, den Rom natürlich aus den innergriechischen Streitfällen heraushalten wollte, geschah daher ohne Beteiligung der Griechen und mit der praktischen Konsequenz, daß Rom die direkte Herrschaft in Griechenland zunächst übernahm und damit die Verpflichtung, die Freilassung und Neuordnung der Betroffenen selbst in die Hand zu nehmen. Hinzu kamen die berechtigten Bedenken über die schnellen ihre genauen Ziele kannte noch das Verhalten Philipps im Moment einer befürchteten Landung des Antiochos in Griechenland voraussehen konnte. Vgl. A. PASSERINI, Athenaeum N. S. 10 (1932) S. 105 ff., L. DE REGIBUS, La repubblica romana e gli ultimi re di Macedonia, 1951,8. 143 ff. 16 Vgl. S. ACCAME, Roma alla conquista del mediterraneo Orientale, 1966, S. 196 ff. 17 Polyb. 18, 48*, 1 f. = Liv. 33, 35, 1 f. 18
Anders E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 438 f.
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Polyb. 18, 1-10 = Liv. 32, 32, 9-36, 10.
Cb...akter der römischen Freiheitserklärung
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kriegerischen Erfolge des Antiochos (s. o.), die den Besitz der strategisch wichtigen Plätze in Griechenland wenigstens bis zur Klärung der Absichten des Seleukiden geboten.20 Der Vertrag impliziert demnach einmal den endgültigen Verzicht Philipps V. auf seine griechischen Besitzungen in Europa und Kleinasien, zum anderen konstituiert er die Verfügungsgewalt Roms über die geräumten Griechenstädte in Europa.21 Darunter fallen allerdings nur noch die drei „Fußfesseln Griechenlands" Chalkis, Demetrias und Korinth als strategisch bedeutsame Plätze, da der größte Teil Griechenlands noch während des Krieges militärisch besetzt worden war.22 Alle drei Städte werden sofort nach Vertragsabschluß geräumt und nehmen römische Besatzungen auf.23 Rechtlich gesprochen befinden sich damit nach Beendigung des Krieges zwei Kategorien ehemals makedonischen Besitzes in der Verfügungsgewalt Roms, wobei die zweite Kategorie in zwei Untergruppen zerfällt: i. Eroberte oder durch Dedition gewonnene Gebiete, die aus makedonischem Stammland, griechischen Besitzungen und ehemaligen Bündnern bestehen. 2 a. Von Philipp den Römern übergebene und von ihnen durch militärische Besetzung okkupierte Städte. 2 b. Von Philipp direkt freizugebende Städte in Kleinasien. Der rechtliche Unterschied liegt jedoch nur in der verschiedenen Art der Herstellung der römischen Herrschaft, wobei die Verschiedenheit in der zweiten Kategorie nicht rechtlich begründet ist, sondern durch die politische Zweckmäßigkeit; Rechtsgrund ist in jedem Fall das römische Siegerrecht, das römische imperium gilt in allen Fällen uneingeschränkt.24 20
Grundlegend auch hier A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 88 f. An dieser unterschiedlichen Behandlung der Griechenstädte in Kleinasicn und Europa entzündete sich die Kritik der Aitoler, die den Senatsbeschluß über die griechische Freiheit für eine papierene Zusage erklärten: ...έκ δέ τούτων εύθεώρητον ύπάρχειν πάσιν δτι μεταλαμβάνουσι τάς Έλληνικάς πέδας παρά Φιλίππου 'Ρωμαίοι, και γίνεται μεθάρμοσις δεσποτών, ουκ έλευϋέρωσις των Ελλήνων (Polyb. 18, 45> 3^· Liv. 33> 3θ· 22 Daneben sind noch die Gebiete der Doloper, Magneten und Euboia zu nennen, das zwar 198 von den Verbündeten erobert und verwüstet worden war, jedodi wieder aufgegeben werden mußte (Polyb. 18, 45, 5 berichtet uns die Übergabe vonOreos und Eretria), 21
F. W. WALBANK, Philip V, S. 146 f. 23
Polyb. 18, 45, 12 — Liv. 33, 31, 11. Eine Sonderstellung unter den ehemals von Philipp abhängigen Gebieten nimmt Böotien ein: Im Frühjahr 197 zum Bündnis mit den Alliierten mehr oder weniger freiwillig veranlaßt (Liv. 33, 1 f. Plut. Flam. 6. Polyb. 18, 17, 6), wird es im Winter 197/96 von Flaminin mit Waffengewalt dazu gezwungen, Genugtuung in Form einer Entschädigungssumme für den Mord an 500 römischen Bürgern zu leisten. Das Bündnis scheint jedoch auch nach diesem Vorfall weiter bestanden zu haben, da die Böoter weder in der 24
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Alle diese ehemals unter makedonischer Herrschaft stehenden europäischen Gebiete (Liv. 33, 32, 6: . . . gentes, quae sab dicione Philippi regis fuerunt) werden von Rom auf den Isthmien von Korinth in feierlicher Form freigelassen, und zwar ohne Unterscheidung zwischen den von Rom eroberten und den von Philipp übergebenen Städten: „Ή σύγκλητος ή Τωμαίων και Τίτος Κοΐντιος στρατηγός ύπατος, καταπολεμήσαντες βασιλέα Φίλιππον και Μακεδόνας, άφιασιν ελευθέρους, άφρουρήτους, αφορολόγητους, νόμοις χρωμένους τοις πατρίοις, Κορινθίους, Φωκέας, Λοκρούς, Εύβοεΐς, 'Αχαιούς τους Φθιώτας, Μάγνητας, Θετταλούς, Περραιβούς".25 Die ehemalige Zugehörigkeit der aufgezählten Gebiete zum makedonischen Herrschaftsbereich ergibt sich aus dem Kriegsverlauf: Korinth wird nach Kynoskephalai übergeben.26 Die phokischen Städte werden zu Beginn des Winters 198 erobert.27 Die Räumung der festen Plätze in Lokris und teilweise in Phokis wird Philipp als Bedingung für den nach den Verhandlungen von Nikaia zugebilligten Waffenstillstand auferlegt.28 Euboia wird 197/6 besetzt. Von den nordgriechischen Stämmen sind die vier bedeutendsten Städte der achäischen Phthiotis, Larisa Kremaste, Echinos, Theben und Pharsalos, im Krieg nicht besiegt worden. Alle vier Städte müssen sich jedoch nach der Schlacht bei Kynoskephalai den Römern ergeben haben.29 Die Magneten sind wahrscheinlich erst nach Abschluß des Friedensvertrages von Philipp den Römern übergeben worden; Genaueres wissen wir nicht. Das thessalische Gebiet wird nach der Ausmanövrierung Philipps aus seiner festen Stellung am Aoos 198 teils von den Freiheitsproklamation von 196 noch in der anschließenden Neuordnung der griechischen Verhältnisse erwähnt werden. Polyb. 18, 43. Liv. 33, 27, 5; 28 f. Η. Ε. STIER, Roms Auf stieg, S. 140 ff. 25 Polyb. 18, 46, 5 = Liv. 33, 32, j . Die spätere Überlieferung fälschte diese Freilassung in eine Befreiung ganz Griechenlands um: Plut. Flam. 10 und 12. App. Maced. 9, 4. In derselben Form und mit derselben Vorliebe für theatralisches Gepränge erklärte Flamininus im Herbst 195 Argos für frei (Liv. 34, 41, 3), das auf Grund des Friedensvertrages mit Nabis den Römern übergeben werden sollte (35, 3), sich inzwischen aber bereits aus eigener Kraft der spartanischen Besatzung entledigt hatte. Plut. Flam. 12, 5 berichtet auch hier fälschlicherweise eine nochmalige Befreiung ganz Griechenlands. 28 27 Polyb. 18, 45, 12. Liv. 32, 18. 28 Polyb. 18, 10, 4 z. J. 198. 29 Das ergibt sich aus der Ablehnung der aitolischen Forderungen auf diese Städte bei den Verhandlungen im Tempetal, wobei Flaminin ausdrücklich ihre freiwillige Übergabe erwähnt: Polyb. 18, 38, 3. Er nimmt dabei allein Theben aus, d. h. er muß den erfolgreichen offenen Widerstand der Stadt beim römischen Vormarsch auf Kynoskephalai (Liv. 33, 5 fr.) als* so schwerwiegend angesehen haben, daß er der Stadt nach der tatsächlichen Übergabe den Status einer eroberten Stadt zuschrieb. Rechtlich bedeutsam wurde diese Klassifizierung für die Stadt nicht, was als Beweis für die Gleichheit der Rechtsstellung einer dedierten und eroberten Gemeinde gewertet werden kann.
Ch*. *kter der römischen Freiheitserklärung
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Aitolern, teils von Amynandros von Athamanien besetzt,30 der größte Teil ergibt sich freiwillig den Römern.31 Die Perrhäber schließlich gehören zum größten Teil zu den von Philipp übergebenen Gebieten, da der Vorstoß des Flaminin in thessalisches Gebiet kaum so weit nach Norden geführt haben wird.32 Über Vermutungen kommen wir hier ebenfalls nicht hinaus. Die Beschränkung des Freiheitsdekretes auf ehemals makedonische Gebiete zeigt, daß das Dekret zunächst als Freilassung aus dem römischen Herrschaftsbereich verstanden werden muß und nicht als Eleutherieerklärung im allgemeineren Sinne, wie sie für die altfreien griechischen Städte im Vertrag mit Philipp ausgesprochen wurde.33 Aus der Aufzählung der Freigelassenen ergibt sich allerdings, daß von den ehemals makedonischen Gebieten die Akarnanen, Doloper, Oresten und Parthiner in der Gegend von Lychnidos in der Proklamation nicht genannt sind, obwohl sie alle von der späteren Neuordnung betroffen werden und, mit Ausnahme der Doloper, im Kriege von Rom militärisch besetzt worden sind.34 Das mag seinen Grund darin haben, daß die Oresten als Bewohner des ehemals makedonischen Kernlandes nicht zu den Griechen gerechnet werden können, und die Doloper nur zum Teil dem makedonischen König botmäßig waren. 35 Solche Gründe überzeugen nicht restlos, da diese Gebiete bei der Neuordnung Griechenlands, die sofort nach der Proklamation eingeleitet wird, genannt werden, außerdem bleibt das Fehlen der Akarnanen ungeklärt. Zeigt sich hier ein erster Widerspruch zwischen Freiheitserklärung und Neuordnung der griechischen Verhältnisse durch Flaminin und die Senatskommission,36 so läßt sich bei näherem Zusehen ein Katalog grundsätzlicher Wider30 81 32
Liv. 32, 13, 4 ff. Liv. 32, IJ. Plut. Flam. 5. KROMEYER-VEITH, Schlachtenatlas, II. Abt., Karte 9, 1, N. G. L. HAMMOND, JRS
56 (1966) S. 39ff. 33 Es sei auf die unterschiedliche Formulierung des Polybios hingewiesen: Von den altfreien Städten heißt es im Vertrag ελευθέρους ύπάρχειν, dagegen von den Freigelassenen άφιασιν ελευθέρους (Liv.: libertatem haberent - liberos esse iubet). 34 Die Akarnanen verlieren 197 durch einen Angriff der römischen Flotte ihre Hauptstadt Leukas und dedieren sich nadi Bekanntwerden der Niederlage Philipps in der Entscheidungsschlacht dem Oberbefehlshaber der Flotte: Liv. 33, 17, 15; ST. I. OOST, Roman Policy on Epirus and Acarnania in the age of the Roman conquest of Greece, 1954, S. 51 f. Die Oresten hatten sich gleich zu Beginn des Krieges dem Konsul Sulpicius Galba ergeben (Liv. 31, 40", 3); dasselbe muß von den illyrischen Gebieten angenommen werden, da ein zweiter römischer Vorstoß in diese Gebiete nicht mehr erfolgt ist. 35 So B. NIESE, Geschichte II, S. 651 Anm. 5. Sicher ist, daß das Gebiet durch aitolische Verbände feindlich behandelt wurde: Liv. 32, 13, 10ff. 36 Über ihre Zusammensetzung vgl. T. R. S. BROUGHTON, The Magistrates of the Roman Republic I, 1951, S. 337 f.
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spräche zwischen beiden Akten systematisch gliedern, i. Die Zuordnung einiger freigelassener Staaten zu einem neu gegründeten κοινόν oder zu Verbündeten Roms steht im strikten Widerspruch zu einem völkerrechtlichen Status, der durch die Freilassung gerade herbeigeführt werden soll. 37 2. Die Neuordnung geht über den Kreis der im Freilassungsdekret genannten Völker hinaus, und zwar umfaßt sie die ebenfalls dem römischen Imperium unterstehenden Akarnanen, Oresten, Doloper und die genannten illyrischen Gebiete.38 3. Neugeordnet werden auch Territorien verbündeter Staaten, deren Besitz umstritten ist und die dem römischen Schiedsspruch anheimgestellt werden.39 4. Schließlich wird der Besitz von 37
a) Die phthiotischen Adiäer werden den Thessalern zugeteilt (Polyb. 18, 47, 7) und bilden zusammen mit diesen ein neues Gemeinwesen, das unter der Leitung der Senatskommission eingerichtet wird: Liv. 34, 51, 6. 35, 34, 3. Euseb. Chron. 1, 243; vgl. G. BUSOLT, Griechische Staatskunde II, HdAW IV 1, 1, 2, 19263, S. 491 ff., G. DE SANCTIS, Storia dei Romani IV 1, S. ioiff. (die Selbständigkeit des neuen Koinon bezeugt auch seine Münzprägung: P. R. FRANKE, Zur Chronologie der Strategen und der Münzprägung des Koinon der Thessaler. Ein Fund thessalischer Silbermünzen und republikanischer Denare aus Aidona, Gazette Num. Suisse 9 [1959] S. 61 ff.), b) Die Entscheidung über die phthiotischen Städte Theben und Pharsalos geht an den Senat zurück (Polyb. 18, 47, 7), der sie noch im selben Jahre dem neuen thessalischen Gemeinwesen zuspricht: Liv. 33, 49, 8. 34, 23, 7 f. 36, 10, 9. Für diese Tatsache spricht die größte Wahrscheinlichkeit, absolute Sicherheit läßt sich hier nicht gewinnen. HILLER VON GAERTRINGEN, RE 6 Α (1936) Sp. 130 f. s. v. Thessalia glaubt auf Grund von Polyb. 18, 47, 7, daß beide Städte an die Aitoler fielen. Liv. 36, 10, 9 zeigt jedoch, daß im Jahre 191 Pharsalos nicht den Aitolern gehörte, und gegen die Annahme, daß wenigstens Theben an Aitolien gefallen sein muß (so F. W. WALBANK, Philip V, S. 182 Anm. 1, G. KLAFFENBACH, IG IX i2,
1 XXXVI, 102 f., G. A. LEHMANN, Untersuchungen zur historischen Glaubwürdigkeit des Polybios, 1967, S. 82 f.), beweist Liv. 39, 25, 8 f., daß Theben unter den Städten ist, die Philipp zwischen 191-185 den Thessalern zurückgegeben hat, da er sie im Antiochoskrieg zu Unrecht in Besitz genommen hatte, d. h. die Stadt muß bereits vor 191 rechtmäßig thessalisch gewesen sein, c) Die Phoker und Lokrer werden dem Aitolischen Bund zugesprochen, dem sie schon bis 208 angehört hatten: Polyb. 18, 47, 9. d) Korinth wird den Achäern zuerkannt: Polyb. 18, 45, 12; 47, 10. Damit erhielten nur die Thessaler, Perrhäber, Euböer und Magneten die ihnen in Korinth versprochene Freiheit, allerdings mit der Einschränkung, daß ihnen ihre Verfassung von der Senatskommission gegeben wurde, was ebenfalls einem völkerrechtlichen Status widerspricht. 38 Die Akarnanen erhalten nach Rückgabe des von den Aitolern geforderten Leukas ihre Freiheit und eine neue Verfassung: Dion. Hai. 1, 51. Liv. 36, 12, 8 f. ST. I. OOST, a.a.O. S. 53ff. Die Doloper werden ebenso wie die Oresten freigelassen (Polyb. 18, 47» 6)> während die eroberten illyrischen Gebiete an Pleuratos fallen: Polyb. 18, 47, 12. 89 Hier sind vor allem die Forderungen von Elis auf Triphylien bei den Friedensverhandlungen in Rom im Herbst 197 zu nennen (Triphylien war im Winter 199/98 von Philipp den Achäern überlassen worden, um sie zum Kriegseintritt auf seiner Seite zu bewegen: Liv. 32, 5, 5). Die Entscheidung wird in Rom der Senatskommission anheimgestellt, die den elischen Anspruch schließlich 196 ablehnt: Polyb. 18, 47, 10. Liv. 33, 34,
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Gebieten, die im Lauf des Krieges durch Verbündete erobert und besetzt wurden, von der Kommission bestätigt oder verweigert.40 Aus diesem Katalog ist unschwer zu ersehen, daß die Freilassung auf den Isthmien nicht die rechtliche Voraussetzung für die folgende Neuordnung Griechenlands sein kann. Es bleibt also zu untersuchen, wie das Freilassungsdekret rechtlich einzuordnen ist und in welchem Verhältnis es zur Neuordnung steht. Einen ersten Hinweis zur Lösung der Frage bieten uns Polybios und Livius. Beide berichten übereinstimmend die Freilassung im Zusammenhang mit der Neuordnung noch einmal, d. h. sie sehen beide Akte durchaus in einem logischen Zusammenhang. Dieser Zusammenhang ergibt sich auch temporal, da die Neuordnung einmal unmittelbar auf die Freiheitsproklamation folgt, zum anderen die dabei angewandten Richtlinien schon vor dem offiziellen Freilassungsakt im Senat und zwischen Flaminin und der Zehnmännerkommission bis ins Detail ausgehandelt worden waren.41 Vergegenwärtigt man sich als erstes Ergebnis, daß die Proklamation auf den Isthmien und die darauffolgende Neuordnung, soweit sie Staaten betrifft, die durch die römischen Erfolge während des Krieges oder auf Grund des Friedensvertrages unter römischer Herrschaft stehen, rechtlich unvereinbar und als zwei getrennte Akte zu sehen sind, so ergibt sich: Die eigentliche Freilassung der besetzten griechischen Staaten fällt de facto mit der jeweiligen territorialen oder verfassungsrechtlichen Neuordnung zusammen.42 Der 9. Ebenso ablehnend lautet die Entscheidung der Kommission, als Messene Anspruch auf Pylos und Asine, die beide dem achäischen Bunde angehörten, erhob: Polyb. 18, 42, 7; B. V. HEAD, Hist. Num.2, 1911, S. 352. Schließlich sei noch Heräa erwähnt, das ebenfalls 198 von Philipp den Achäern überlassen worden war (Liv. 32, 5, 4) und dessen Besitz den Achäern trotz der aitolischen Ansprüche bestätigt wurde: Polyb. 18, 42, 7; 47, 10. 40 Amynander von Athamanien erreicht die Anerkennung seiner im Kriege gewonnenen Gebiete, also vor allem der thessalischen Städte Gomphoi und Trikka: Polyb. 18, 47, 13. Dagegen wird die Herausgabe der euböischen Städte Oreos und Eretria an Pergamon verweigert, obwohl beide mit Hilfe der pergamenischen Flotte erobert worden waren, und Oreos schon dem Eumenes übergeben worden war: urbs regi, captiva corpora Romanis cessere (Liv. 31, 46, 16). Vgl. auch Α. Η. Μ. JONES, Civitates liberae in the East, Anatol. Studies pres. to W. H. BUCKLER, 1939, S. ιοί f. 41 Liv. 33, 31, 7: ibi (Korinth) consilia de libertate Graeciae dies prope totos in concilio decem legatorum agitabantur. Polyb. 18, 45. Vgl. die Verhandlungen im Senat seit Beginn des Winters 197: Polyb. 18, 42. Liv. 33, 24 f. 42 Die verfassunggebende Tätigkeit der Senatskommission ist uns für die Thessaler überliefert. Syll.3 674,Z. 50 ff.: κατά νόμους τους Θεσσα[λώ]ν οίς [νό]μοις ϊως τα[ν]ΰν χρών[τ]αι, ους νόμους Τίτος Κοΐντιος ύπατος άπό της των δέκα πρεσβευτών γνώμης εδωκεν. Flaminin selbst überläßt brieflich der perrhäbischen Stadt Chyretiai das nach der Dedition von ihm beschlagnahmte Vermögen, soweit es noch nicht zugunsten des römischen Fiskus verkauft worden war: IG IX 2, 338. Syll.8 593. F. STÄHELIN, RE 12 (1924)
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temporale Zusammenhang ergibt sich dabei einmal zwanglos aus der Gleichzeitigkeit mit der Freilassung und den Entscheidungen von Korinth, zum anderen muß er, da sich die Neuordnungen bis in das Jahr 194 hinzogen, im jeweiligen Einzelfall ergänzt werden. Auf Grund unserer Quellenlage 43 ist es nicht möglich, die Geschichte einer Stadt in dieser Zeit vollständig zu skizzieren, so daß die definitive Reihenfolge der Ereignisse nur erschlossen werden kann. Zu dieser Ergänzung geben uns jedoch die Quellen, indem sie die Freiheitserklärung neben der Proklamation von Korinth für jedes neugeordnete Staatswesen noch einmal berichten, die grundsätzliche Handhabe. 44 De iure beruht demnach die Neuordnung wie die ihr kausal folgende Freilassung auf dem römischen imperium, und die Art und Weise ihrer Ausgestaltung im Einzelfall richtet sich allein nach den politischen Intentionen Roms.45 Die wirkungsmäßig großartig gelungene und daher vor allem in den Vordergrund gerückte Freiheitsproklamation kann deshalb nur als „programmatische Erklärung"4e der Richtlinien gelten, nach denen die Römer bei ihrem weiteren Vorgehen in Griechenland zu handeln gedachten, und nicht als Freilassungsdekret im rechtlichen Sinne.47 Bindend war sie nur aus Sp. 170 s. v. Chyretiai; Η. Ε. STIER, Zum römisdien Philhellenismus der Römerzeit, in: Studium Berolinense i960, S. 619 ff. vgl. H. VOLKMANN, Hermes 82 (1954) S. 474. Auch dieser Vorgang ist nur als vor der definitiven Freilassung liegend denkbar. 43 Das für diesen Zeitraum entscheidende neunzehnte Buch des Polybios ist uns nicht erhalten. Livius (Budi 34) berichtet uns nadi Polybios nur die allerwichtigsten Ereignisse: Kap. 22-41 den Verlauf des Krieges mit Nabis und Kap. 48-52 den Abzug der römischen Truppen aus Griechenland. Das Material der übrigen Autoren ist zu dürftig, um für die Klärung der hier vorliegenden Fragen auszureidien. Vgl. H. NISSEN, Kritisdie Untersuchungen, S. 154 ff. 44 Die Beispiele sind oben genannt: Polyb. 18, 47 = Liv. 33, 34. Der Vollständigkeit halber sei noch auf das Schicksal von Korinth hingewiesen, das vor den isthmischen Spielen seine Freiheit erhält, den Achäern versprochen wird (Polyb. 18, 45, 12), in Akrokorinth eine römische Besatzung bis 194 aufnehmen muß und trotzdem in der Freiheitsproklamation an erster Stelle genannt wird. Auch hier wird überdeutlich, daß die Freiheitsproklamation nicht den Rechtscharakter einer Freilassung aus der römischen Herrschaft haben kann. 45 Die Aufgabe, die sich Flaminin bei der Neuordnung gestellt hat, umschreibt Liv. 34, 51, 4: non liberandae modo civitates erant, sed ex omni collusione et confusione in aliquam tolerabilem formam redigendae. Vgl. A. PASSERINI, I moti politico-sociali della Grecia e i Romani, Athenaeum N. S. 11 (1933) S. 309ff. 48 Die Formulierung so bei H. E. STIER, Roms Aufstieg, S. 145. 47 Dem widerspricht nicht der emphatische Ausruf des Polybios, daß durch einen einzigen Heroldsruf die Hellenen in Europa und Asien frei wurden: 18, 46, 15 = Liv. 33, 33, 8. Denn daß es sich hier nicht um das Resümee eines Rechtsaktes handelt, beweist einmal die sachliche Ungenauigkeit der Angabe, da von allen griechischen Städten im Dekret keine Rede ist, zum anderen der Zusammenhang, in dem diese Stelle steht: Sie dient als krönender Abschluß des Begeisterungstaumels, der sich der Griechen nach Bekannt-
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Gründen der politischen Klugheit, denn wollten die Römer in Griechenland jemals wieder glaubwürdig erscheinen, so war die Einlösung des gegebenen Versprechens unabdingbar.48 Gerade T. Quinctius Flamininus, der seinen philhellenischen Neigungen während seiner zweijährigen Tätigkeit als Neuordner Griechenlands keinen Konflikt mit den harten Forderungen der Tagespolitik gestattete,49 schätzte den Wert der Freiheitsproklamation wie der tatsächlichen Freilassung als großen, reale Zinsen bringenden Erfolg seiner Diplomatie richtig ein. Den Verlust der strategischen Initiative in einem möglichen Konflikt mit Antiochos III. wog der Begeisterungstaumel Griechenlands für Rom vielfach auf. Die Treue der meisten Griechen beim tatsächlichen Ausbruch des Syrischen Krieges, verbunden allerdings mit einer kaum begreiflichen Naivität der seleukidischen Kriegführung, brachte den praktischen Erfolg einer Politik, die Großmut nicht mit Sentiment verwechselte, sondern mit nüchternem politischen Kalkül nicht die ideale, sondern die den Umständen entsprechend bestmögliche Lösung für beide Teile anstrebte. So ist die Freiheit der Griechen zwar der konsequente Schlußstein der Propaganda, mit der Rom sein Eingreifen in den Krieg der hellenistischen Mächte 200 v. Chr. motivierte (s. S. 248 ff.), ihre praktische, vor notwendigen Härten keinen Augenblick zurückscheuende Verwirklichung ist das Verdienst eines Mannes, der als persönlich empfindsamer und eitler Mensch seine
werden der Botschaft bemächtigt hatte (vgl. die Schilderung der Vorgänge bei Η. Ε. STIER, Roms Aufstieg, S. 143 ff.). Von hier aus ergibt sich der Grund, warum der Vor gang in unseren späteren Quellen zu einer Befreiung ganz Griechenlands umgefälscht wurde. 48 Im wesentlichen das Richtige bei F. KAUFMANN, Roms Ausgreifen nach dem Osten, maschinenschriftl. Diss. Innsbruck 1949, S. 97 f. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 432 ff. hat im Friedensvertrag mit Philipp und der Freiheitsproklamation sachlich eine Einheit gesehen, die zur Errichtung eines römischen Protektorates geführt hat (vgl. FR. DE MARTINO, a.a.O.). Gegen ihn hat A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 85 ff. mit Recht grundsätzliche Einwände, basierend auf dem Vertragstext, geltend gemacht. Allein die Tatsache jedoch, daß Rom eine beidseitige Verpflichtung, gegen die Freiheit der Griechen nichts zu unternehmen, vertraglich fixieren läßt, bedeutet trotz ihrer negativen Formulierung eine Warnung an jeden, diese Freiheit zu verletzen. Diese politische Konzeption reicht von den beiden Ultimaten zu Beginn des Krieges gegen Philipp über die Begründung des Krieges gegen Nabis (vor allem Liv. 34, 22, 11; 32) bis zum Ausbruch der Auseinandersetzung mit Antiochos III. J. A. O. LARSEN, ClPh 30 (1935) S. 201, E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 69 ff. 49 Die Fakten bei H. GUNDEL, RE 24 (1963) Sp. 1075ff.; io8if. s. ν. Τ. Quinctius Flamininus. Das Bild Flaminins als römischer Lord Byron (so ζ. Β. Τ. FRANK, Roman Imperialism, 1914, S. 155 ff.) darf heute als erledigt gelten, vgl. zuletzt E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 81 f. und vor ihm W. IHNE, Römische Geschichte III, 1872, S. 31, B. NIESE, Geschichte III, S. 619, Η. Η. SCULLARD, Roman Politics, 1951, S. 120.
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gefeierte Rolle als Retter Griechenlands sichtlich genoß und trotzdem keinen Augenblick den Boden praktikabler Politik verließ.50 194 v. Chr. zogen die letzten römischen Besatzungen aus den „Fußfesseln Griechenlands" ab. A. HEUSS sieht in Analogie seiner Teilung des Deditionsvorganges in formula deditionis und faktisch vollzogener Übergabe Freilassungsdekret und tatsächlichen Abzug der römischen Truppen als eine Einheit, wobei offensichtlich beide Teile ebenso als rechtserhebliche Bestandteile der Freilassung anzusehen sind wie Formular und Besetzung bei der Dedition. 51 Auf die griechischen Verhältnisse angewandt, bedeutet dies die Trennung des Freilassungsvorganges in Ankündigung und Ausführung, wobei letztere mit dem Abzug der letzten römischen Truppenkontingente beendet ist. Die zeitlich zwischen beiden liegende Neuordnung ist grundsätzlich von der Freilassung zu trennen, da nur die letztere auf dem römischen Imperium beruht, die Neuordnung jedoch allein auf der politischen Suprematie Roms, die den Beschlüssen der Senatskommission den nötigen Nachdruck verleiht. Die von A. HEUSS gebrauchte Analogie ist nach Ablehnung seiner Auffassung von der Dedition von vorneherein hinfällig. Darüber hinaus kann die Neuordnung außerhalb des Freilassungsvorganges nicht befriedigend erklärt werden, da der grundsätzliche Widerspruch zwischen beiden auch dann bleibt, wenn man die Freilassung in Ankündigung und Ausführung als rechtserhebliche Bestandteile zerlegt. Diesen Widerspruch zu lösen, verpflichtet uns aber die Aussage der Quellen, die Freilassung und Neuordnung im Zusammenhang sehen. Es ist A. HEUSS ohne weiteres zuzugeben, daß jede Freilassung ein realer Vorgang ist, der in dem Abzug römischer Besatzungen gipfelt. Es ist jedoch verfehlt, aus dieser Abfolge der Ereignisse einen rechtserheblichen Bestandteil zu machen, womit der eigentliche Kausalzusammenhang, Freilassung und aus ihr resultierender Abzug der Besatzungen, verlorengeht. So ist die Freilassung der griechischen Staaten, die ehemals unter makedoni50 Seine Weigerung, Makedonien und Sparta (195) den griechischen Wünschen entsprechend zu vernichten, verdeutlicht diesen Tatbestand hinreichend. Die Anordnungen, die die Mitglieder der senatorischen Zehnmännerkommission trafen, differierten in Einzelfällen mit der von Flaminin eingeschlagenen Politik, jedoch geht es zu weit, mit L. HOMO, Rev. hist. 72 (1916) S. 81, A. PASSERINI, Athenaeum N. S. 10 (1932) S. 105 ff., 22/23 (1944/45) S. 114ff. daraus auf eine den Intentionen des Flaminin entgegengesetzte Politik des Senates zu schließen. Gerade der Senat hat in allen ihm vorgelegten strittigen Fällen im Sinne des Flaminin entschieden oder ihm die volle Entscheidungsfreiheit ausdrücklich übertragen, vgl. A. AYMARD, Les premiers rapports, S. noff., 326ff., S. AcCAME, Roma alla conquista, S. 203 f. 61 Volk. Grdl. S. 89; 95 f.
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scher Herrschaft standen, rechtlich als eine Einheit von Neuordnung und Freiheitsdekret zu verstehen, die auf dem römischen imperium beruht, wobei die demonstrative Proklamation auf den Isthmien in jedem einzelnen Fall als rechtsverbindlicher und konstitutiver Akt nach Beendigung der Ordnung wiederholt wurde. Dagegen besagt die Tatsache nichts, daß die kleinasiatischen Städte faktisch ebenso behandelt wurden wie die europäischen. Ihre Stellung ist von der der von Rom restituierten und freigelassenen Staaten nur insofern verschieden, als sie von Philipp direkt auf Grund vertraglicher Verpflichtung geräumt und freigelassen werden müssen und nicht erst von römischen Truppen besetzt werden. Verschieden ist damit nur der Modus der Freilassung, die rechtliche Voraussetzung ist in beiden Fällen das römische Siegerrecht. Wenn nun im Jahre 196 Mitglieder der Senatskommission nach Kleinasien reisen, um die tatsächliche Freilassung dieser Städte zu überwachen, so ist darunter nichts anderes als eine Kontrolle des Abzuges makedonischer Truppen oder eine eventuelle Beratung bei der Ordnung innerstädtischer Angelegenheiten zu verstehen, was zwangsläufig auf Grund des römischen Siegerrechtes gerechtfertigt und in der politischen Situation motiviert ist: Der tatsächliche Rückzug der makedonischen Truppen und eine vernünftige Ordnung in den freigelassenen Städten, die innere Unruhen und Parteikämpfe von vorneherein ausschloß, war für Rom mehr als eine Prestigefrage, die sich aus der wiederholten Propagierung von deren Freiheit ergab.52 Entscheidend ist die Beobachtung, daß die Abgesandten der Senatskommission gerade die Städte bereisen, von denen die Römer annehmen mußten, daß sie der seit 197 begonnenen Expansion des Seleukidenreiches an die kleinasiatischen Küsten zum Opfer fallen würden.53 Wie recht Rom mit dieser Befürchtung hatte, zeigt das Schicksal von lasos, das kurz nach der Abreise der Gesandtschaft von Antiochos besetzt worden sein muß,54 und wenn wir Polybios wörtlich nehmen dürfen, so befin52
Vgl. die Verhandlungen von Nikaia und die Forderung der Senatskommission an Antiochos III. während der isthmischen Spiele: Polyb. 18, 47, 1 ff. Liv. 33, 34. 53 Polyb. 18, 48, 1 f. ( = Liv. 33, 35, 1 f.) Πόπλιος μέν Λέντλος είς Βαργύλια πλεύσας ήλευΦέρωσε τούτους, Λεύκιος δέ Στερτ'ινιος είς Ήφαιστίαν καΐ Θάσον άφικόμενος και τάς έπί Θράκης πόλεις έποίησε το παραπλήσιον. Wenn die römische Gesandtschaft hier Städte bereist, die Polybios im Senatsbeschluß über den Frieden mit Philipp nicht genannt hat, so ist die wahrsdieinlichste Erklärung die, daß diese Städte in der Endredaktion des Vertrages aufgeführt waren: M. HOLLEAUX, fitudes V, S. 366 Anm. 1, A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 90 Anm. 1, U. KAHRSTEDT, Beiträge zur Geschichte der thrakischen Chersones, Dt. Beitrag 2. Altertumswiss. 6, 1954, S. 45, E. BADIAN, Rom und Antiochos der Große, WaG 20 (i960) S. 209 f.; anders E. TÄUBLER, Imp. Rom S. 434 Anm. 3. 54 OGIS 237, Ζ. ι wird von dem τήν δημοκρατίαν και αύτονομίαν διαφυλάσσειν des Antiochos berichtet, womit sich dieser den Römern gegenüber seinerseits als Garant der
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det sich zum Zeitpunkt der Verhandlungen in Lysimacheia ein Teil der von Philipp freigegebenen Gebiete schon in seleukidischer Hand. 55 Zu diesen Verhandlungen kommt es nach dem Zusammentreffen der Gesandten mit L. Cornelius Lentulus, ebenfalls Mitglied der Senatskommission, dessen Aufgabe eine Vermittlung zwischen Antiochos und dem Ptolemaerreich sein sollte.56 Unter den römischen Forderungen befindet sich die eindringliche Mahnung, die von Philipp geräumten und freien Griechenstädte nicht anzugreifen.57 Aus dem Gesagten ergibt sich: Die Stabilisierung der Verhältnisse in den kleinasiatischen Städten war für Rom ein Politikum ersten Ranges, wollte es das gegebene und vertraglich gegenüber Philipp fixierte Versprechen der griechischen Freiheit nicht zur leeren Phrase werden lassen. Die Einlösung dieses Versprechens, verbunden mit einer möglichst starken Position der Befreiten, wurde in dem Augenblick um so dringlicher, in dem Rom diese Städte vor dem seleukidischen Zugriff nicht mehr sicher wissen konnte. So ist in der Mission der Gesandten nicht eigentlich eine Überwachung Philipps zu sehen, sondern ihr Erscheinen sollte Antiochos so klar wie möglich machen, wie weit die römische Interessensphäre reiche und wie ernst es Rom mit der Einlösung seines Versprechens war.
h) Die Neuordnung Kleinasiens im Jahre 188 v. Chr. Die Ordnung der kleinasiatischen Verhältnisse nach der Niederlage des Seleukidenreiches ist rechtlich nicht von der Griechenlands 196 verschieden.58 Voraussetzung der Ordnung ist der Friedensvertrag zwischen Rom und Antiochos, der den letzteren zwang, das Gebiet diesseits des Tauros zu räumen.59 Damit befangriechischen Freiheit aufspielte (vgl. Polyb. 20, 8, 1). Das hinderte ihn allerdings nidit, in die Stadt eine Besatzung zu legen: Liv. 37, 17, 3. 55 Der römische Verhandlungsführer besteht nachdrücklich auf der Räumung der früher von Philipp besessenen Städte, um dann fortzufahren: γελοΐον γαρ είναι τα 'Ρωμαίων δθλα του γεγονότος αύτοΐς πολέμου προς Φίλιππον Άντίοχον έπελθόντα παραλαμβάνειν (Polyb. 18, 50, 5 f.). 58 Polyb. 18, 50, ι. Liv. 33» 39> Τ· "Polyb. 18, 5 ο, 4 ff. 58 Α. HEUSS, Volk. Grdl. S. 90 ff. 59 Polyb. 21, 43. Liv. 38, 38. App. Syr. 39. Diod. 29, 10. Die genaue Grenzziehung ist strittig, da der entscheidende Satz bei Polybios verloren und bei Livius hoffnungslos verderbt ist. Vgl. TH. MOMMSEN, Der Friede mit Antiodios und die Kriegszüge des Gn. Manlius Vulso, Rom. Forsdi. II, 1879, S. 511 ff., ED. MEYER, Die Quellen unserer Überlieferung über Antiodios' des Großen Römerkrieges, Rh. Mus. 36 (1881) S. 120ff., E. TÄUBLER, Imp. Rom.
S. 75 ff., E. MEYER, Die Grenzen, S. 145 ff., G. CARDINALI, An-
cora per i confini nella pace di Antioco, Klio 10 (1910) S. 249 fr., M. HOLLEAUX, La
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den sich wie in Griechenland dedierte, eroberte und von Antiochos geräumte Gebiete auf Grund des Siegerrechtes in römischer Hand. Über ihr Schicksal entschied Gn. Manlius Vulso und die Senatskommission in Apameia, wobei Eumenes den Löwenanteil von der Beute erhielt, an den mit Ausnahme von Lykien,Karien und einiger Griechenstädte das gesamte ehemalige Gebiet des Antiochos diesseits des Tauros fiel.60 A. HEUSS hat auch hier zu Unrecht geglaubt, Rom habe in den neugeordneten bzw. aufgeteilten Gebieten keine Reichsgewalt besessen, „d. h. keine staatlichen Hoheitsrechte, die es befähigte, Städte und Länder zu verschenken oder anderen den Tribut nachzulassen".61 Auf Grund dieser Ansicht kommt er zu dem Schluß, daß die Neuordnung Kleinasiens ebenso wie die Griechenlands wenige Jahre vorher „unabhängig von dem rechtlichen Verhältnis Roms zu den asiatischen Gemeinden" erfolgt sei. Diesen Schluß erweist schon eine kurze Prüfung der bei Polybios genannten und für frei erklärten Städte und Gebiete im Ansatz als falsch, da es sich bei allen entweder um dedierte, eroberte oder von Antiochos geräumte Gebiete handelt, über die Rom auf Grund des Friedensvertrages die absolute Verfügungsgewalt gewonnen hatte.62 So beruht auch die Neuordnung Kleinasiens auf dem röclause territoriale du traiti d'Apam^e (188 av. J.-C), Etudes V, S. 208 ff., E. BIKERMAN, Notes sur Polybe I. Le Statut des villes d'Asie apres la paix d'Apam£e, REG 50 (1937) S. 217fr. 60 Die Einzelheiten bei Polyb. 21, 46, 1 ff. Liv. 37, 39, 7-10. D. MAGIE, Roman Rule in Asia Minor II, 1950, S. 757 ff. 81 Volk. Grdl. S. 93; A. HEUSS sdieint seine Ansicht in seiner Rom. Gesch.2, 1964, S. 110 allerdings geändert zu haben. 62 Kolophon dedierte sich nach der Seeschlacht bei Korykos 191 (Liv. 37, 26, 6 ff.), ebenso Kyme und die Nachbarorte (Liv. 37, 11, 14 f.), Milet (Liv. 37, 16, 2; 17, 3), Erythrä (Liv. 37, 8, 5) und Phokäa (Liv. 36, 43, 11. 37, 9, 1; 32, 1 ff.). Ebenso falsch ist die Annahme von A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 92, daß Kibyra, obwohl es 189 in die römische Freundschaft aufgenommen wurde (Polyb. 21, 34, 13), bei der Neuverteilung mit Karien an Rhodos fiel. Denn bei der Aufnahme in die römische amicitia erscheint die Stadt unter einem selbständigen Tyrannen Moagetes, so daß dieses Gebiet nicht zu dem ehemals seleukidischen Besitz gehört haben kann: Polyb. 21, 34. Liv. 38, 14; E. MEYER, Die Grenzen, S. 129, ebda. S. 146; zudem ist uns ein Bündnisvertrag der Stadt mit Rom erhalten, der kurz nach 188 geschlossen worden sein muß und die völkerrechtliche Souveränität der Stadt bezeugt: OGIS II 762. (Vgl. B. NIESE, Geschichte III, S. 61 Anm. 3, E. TAUBLER, Imp. Rom. S. 44 f.; 457 f. Das Ende des Vertrages fällt nadi Strab. 13, 4, 17 p. 631 in das Jahr 87 v. Chr.). Hinzukommt, daß dies nicht die einzige Enklave im rhodischen Gebiet war, die ihre Souveränität behielt, da Rhodos auch Lykien nur mit Ausnahme des kleinen Fürstentums von Telmessos erhielt, das unabhängig blieb: Polyb. 21, 46, 10; E. MEYER, a.a.O. S. 146, M. HOLLEAUX, Ptolem^e de Telmessos, £tudes III, S. 365 ff., Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 83. Das übrige Gebiet von Telmessos fiel an Eumenes: Polyb. 21, 46, 9. Vgl. D. MAGIE, Rome and the City-States of Western
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mischen Imperium, und sie geschieht innerhalb dieses Imperiums nach den Richtlinien der politischen Zweckmäßigkeit, die im Senat in langen Verhandlungen im Sommer 189 festgelegt worden waren. 63 Im Gegensatz zu der Ordnung Griechenlands nach 196 sieht der Senat diesmal sein Heil nicht in der unterschiedslosen Freiheit der griechischen Städte, sondern in der Treue seiner Bundesgenossen, denen die entsprechende Belohnung auf Kosten der griechischen Städte zuteil wird. Pergamon und Rhodos sind nach 188 beide stark genug, um als Speerspitzen Roms in Kleinasien ein Gleichgewicht der Kräfte zu garantieren, das die Sicherheit Roms ebenso wie die Kontrolle der besiegten hellenistischen Großmächte ermöglichte.64
c) Die Freiheitserklärungen völkerrechtlich autonomer Staaten auf Grund der faktischen römischen Suprematie Die Freiheitserlasse von Korinth und Apameia und ihre praktische Ausführung bewirken de facto und de iure den römischen Verzicht auf die Ausübung der auf Grund des Siegerrechtes rechtmäßig erworbenen Herrschaft. Die auf diese Weise freigelassenen Staaten werden amici Roms, sofern sie nach ihrer Restitution den wie auch immer gearteten diplomatischen Verkehr mit Rom aufrechterhalten; der Abschluß eines Bundesgenossenschaftsvertrages schließt die amicitia natürlich ein. Neben diese ihrer historischen und rechtlichen Voraussetzung nach berechtigten konstitutiven Freilassungsakte treten Freiheitserlasse für Gemeinden, die nie unter römischer Verfügungsgewalt standen, d. h. einem solchen Schritt fehlt die natürliche Voraussetzung ebenso wie die juristische Berechtigung. Erlassen auf Grund der tatsächlichen Macht Roms, seinen Willen in jedem Fall durchsetzen zu können, wurden sie im 2. Jhdt. v. Chr. ein bewährtes diplomatisches Mittel, Gegner wie Freunde in den gewünschten Grenzen zu halten. Ihre Anwendung konnte dementsprechend je nach Lage der Dinge verschieden motiviert sein: 1. Als Kampfmittel gegen einen Gegner, der den Besitz der für frei Erklärten anstrebte und dem man mit der Freiheitserklärung die römische Interessensphäre deutlich machte. In diesem Fall näherte sich die Freiheitserklärung der Garantie, ohne jedoch wie diese für Rom verbindlich zu sein, vielmehr entschied auch hier die politische Situation darüber, ob Rom in der Mißachtung seiner Proklamation den casus belli für gegeben sah oder nicht. 2. Als Bestrafung eines Freundes oder Asia Minor from 200 to 133 B. C , Anatol. Studies pres. to W. H. BUCKLER, 1939, S. 171 f. 63 Polyb. 21, 18. Liv. 37, 52 ff. Diod. 29, 11. 64
E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 80 ff. A. HEUSS, R. Ο.2, S. 110 f.
Chu. akter der römisdven Freiheitserklärung
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Bundesgenossen, dessen Expansionsmöglichkeiten durch Freiheitserklärungen für die Bedrohten eingeschränkt werden konnten. Betroffen waren in der Regel griechische Städte oder Staaten, deren völkerrechtliche Freiheit de iure zwar bestand, aber de facto durch eine Vielzahl juristisch exakt kaum zu definierender Abhängigkeitsverhältnisse zu den hellenistischen Monarchen eingeschränkt wurde.65 Durch das Eingreifen Roms in die hellenistische Staatenwelt vielfach zum Spielball der Politik der Großmächte geworden, hing ihre Freiheit von dem Engagement der Großen ab, das wiederum von politischen Zielsetzungen bestimmt war, denen gegenüber die propagierte Freiheit völlig in den Hintergrund trat. Die praktische Konsequenz dieser Politik konnte jedoch die Erhaltung oder Begründung der völkerrechtlichen Autonomie der von einer Freiheitserklärung umfaßten Staatenkategorie bedeuten, so daß in diesen Fällen auch diesen juristisch nicht zu rechtfertigenden Proklamationen konstitutiver Charakter zukam.66 So berichtet Polybios, daß Galatien von Rom unter der Bedingung für autonom erklärt wird, daß sich die Bewohner auf ihr Gebiet beschränken.67 Diese Autonomieerklärung ist rechtlich nicht zu begründen, wie A. HEUSS richtig gesehen hat, sie beruht vielmehr allein auf politischen Gründen: Der Vorstoß galatischer Raubscharen gegen Pergamon im Frühjahr 167 konnte im Lauf des Jah65
Der Friedensvertrag mit Antiochos III. verpflichtete diesen ebenso wie seine ύποταττόμενοι zu strenger Neutralität gegenüber Rom (Polyb. 21, 43, 2: μη διιέναι βασιλέα Άντίοχον και τους ύποταττομένους δια της αυτών χώρας έπί 'Ρωμαίους), er setzt also voraus, daß eine bestimmte Städtekategorie, die Antiochos „Untertan" ist, eigenes Staatsgebiet und völkerrechtliche Personalität besitzt (A. HEUSS, Stadt und Herrscher2, 1963, S. 288 f.). Damit ist eine politische Situation umschrieben, die für viele hellenistische Griechenstädte galt: De iure souveräne Städte, mußten sie sich der indirekten Herrschaft der hellenistischen Monarchen beugen und auf jedes eigene außenpolitische Profil verzichten. Dabei hing die individuelle Ausprägung ihrer Abhängigkeit von der militärischen Stärke und Präsenz des hellenistischen Herrschers in den betreffenden Gebieten ab. Schwächeperioden bedingten naturgemäß einen Ausbau regionaler Sondergewalten, wie umgekehrt starke Herrscherpersönlichkeiten dieser Tendenz entgegenwirkten. Vgl. A. HEUSS, Stadt und Herrscher, E. BIKERMAN, Institutions des Seleucides, 1938, S. 133 ff., Η. Η. SCHMITT, Untersuchungen zur Geschichte Antiochos* des Großen, 1964, S. 95 ff. ee Gegen A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 96 ff., jedoch aufbauend auf dem von ihm vorgelegten Material. Vgl. auch S. ACCAME, 11 dominio romano in Grecia della guerra acaica ad Augusto, 1946, S. 50 ff., Roma alla conquista del mediterraneo Orientale, 1966, S. 63 ff., der für das Folgende zu vergleichen ist. 67 Polyb. 30, 28 Γ "Οτι τοις παρά των έκ της Ασίας Γαλατών πρεσβευταΐς συνεχώρησαν τήν αύτονομίαν μένουσιν έν ταϊς Ιδίαις κατοικίαις καΐ μή στρατευομένοις έκτος των Ιδίων δρων. In denselben sachlichen Zusammenhang gehört auch die Notiz bei Justin. 36, 3, 9, wonach Rom den Juden in der Zeit des Antiochos VII. Sidetes die Freiheit gewährt: amicitia Romanorum petita primi omnium ex orientalibus überteuern aeeeperunt, facile tunc Romanis de alieno largientibus.
Die völkerrechtliche Autonomie
102
res \66 von Eumenes IL ohne römische Hilfe so wirkungsvoll zurückgeschlagen werden, daß Galatien nach Beendigung des Krieges in die pergamenische Botmäßigkeit zurückkehrte.68 Die Konsequenz, die Rom aus diesem unliebsamen Erfolg des Königs in Form der Autonomieerklärung für ein von einem Bundesgenossen unterworfenes Gebiet zieht, ist rechtlich gesehen ein willkürliches Diktat, faktisch konstituiert dieser Willkürakt einen Staat.69 Ein klares Bild über die politischen Möglichkeiten, die einer römischen Freiheitserklärung an unabhängige Staaten innewohnten, vermittelt uns die Anerkennung der Asylie von Teos 193. Teos muß in dieser Zeit in einem losen Abhängigkeitsverhältnis zu Antiochos gestanden haben, was aus der Tatsache hervorgeht, daß die Gesandten des Antiochos bei ihrem Aufenthalt in Rom die Sache der Stadt vertraten.70 Diese Abhängigkeit der Stadt wird das Ergebnis der seleukidischen Expansion an die kleinasiatischen Küsten gewesen sein, da die Asyliedekrete nach 205 von einer solchen Abhängigkeit nichts berichten. Der Zweck, den Teos mit seinem Antrag in Rom erreichen wollte, ging sicher über den konkreten Inhalt eines Asylievertrages hinaus, und er muß in das politische Bild des Senates gepaßt haben, da sonst die Annahme des Antrages in Rom keine Begründung 68
Polyb. 30, 3, 2. Diod. 31, 14. Dieser Sieg war nun gerade das, was der Senat mit allem diplomatischen Raffinement zu verhindern versucht hatte, indem er das Hilfegesuch des Eumenes abwies (Polyb. 30, 1 ff.), durch eine im Frühjahr 166 an den Kriegsschauplatz geschickte Gesandtschaft unter dem Vorwand, den Frieden vermitteln zu wollen, die Galater zum Krieg ermunterte (Liv. 45, 34, 10ff.) und schließlich den König selbst, als er in Brundisium als Bittflehender gelandet war, auf demütigende Weise zur Umkehr zwang (Polyb. 30, 19; als Vorwand diente ein eigens zu diesem Zweck beschlossenes SC, nach dem kein König mehr Rom betreten dürfe). Vgl. F. STÄHELIN, Geschichte der kleinasiatischen Galater2, 1907, S. 66ff., M. HOLLEAUX, fitudes II, 1938, S. 153 ff., C. B. WELLES, RC, S. 213 ff., E. V. HANSEN, The Attalids of Pergamon, 1947, S. 114 ff. 69
Dieselbe Politik des Mißtrauens veranlaßte Rom wenige Jahre später, Attalos II. Philadelphos zu verbieten, über den Priester Attis von Pessinus den pergamenischen Einfluß in Galatien aufrechterhalten zu wollen. Teile des Briefwechsels zwischen dem pergamenischen Königshof und Pessinus sind uns erhalten: C. B. WELLES, RC 55-61, S. 241 ff., MICHEL, 45, OGIS 315; F. STÄHELIN, a.a.O. S. 75ff.Vgl. auch die Anweisung des Senates an den zuständigen Magistrat, Attalos II. und Ariarathes von Kappadokien nach seinem Gutdünken über den Überfall auf Priene einen sachgemäßen Bescheid mitzuteilen: OGIS 351, Z. 16ff. (um 155. vgl. Polyb. 33, 6). 70 Syll.3 601, Z. 4ff.; Liv. 34, 57, 6. App. Syr. 6. Diod. 28, 15. Vgl. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 97, Stadt und Herrscher, S. 152 f., M. HOLLEAUX, Remarques sur les decrets des villes de Crhe relatifs a Γ ασυλία de Teos, Klio 13 (1913) S. 137ff.; S. 156ff.,W. RÜGE, RE 5 Α (1934) Sp. 547ff.s. v. Teos. E. MEYER, Die Grenzen, S. 142 f. nimmt mit Recht an, daß die Abhängigkeit der Stadt nicht auf Zwang, sondern auf beidseitigem Einverständnis beruhte, woraus sich allein die Tatsache erklärt, daß Gesandte des Antiochos die Sache der Stadt in Rom vertraten.
Charakter der römischen Freiheitserklärung
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finden würde. Das Vorhandensein weiterer Asylieverträge mit griechischen und kretischen Gemeinden macht die eigentliche Absicht des teischen Schrittes deutlich: Die Anerkennung der Asylie sollte gleichzeitig den freien Status der Stadt international zum Bewußtsein bringen, und gerade diese Intention entsprach genau der Maxime der römischen Politik in dieser Zeit, die Freiheit der kleinasiatischen Griechenstädte lauthals zu propagieren, um Antiochos in die Rolle eines Unterdrückers der griechischen Freiheit zu manövrieren. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Bereitwilligkeit Roms, Teos neben der Asylie auch die Freiheit von Tributleistungen zuzugestehen.71 Als ein Versprechen, das die römische Staatskasse keinen Pfennig kostete, war es ein Kabinettstück senatorischer Propaganda gegen den Seleukiden, der zwar seinerseits die Freiheit der griechischen Poleis ins Feld führte, aber keineswegs davor zurückscheute, von ihnen Tribute einzufordern. Die römische Großmut stach dagegen in willkommener Weise ab und wird ihren Eindruck auf die kleinasiatischen Städte nicht verfehlt haben.72 Es zeigt sich hier bereits als typisches Charakteristikum der diplomatischen Vorgeschichte des Syrischen Krieges das Ringen um Einflußsphären, die jeder der beiden Kontrahenten dort markierte, wo sie das Prestige des Gegners am empfindlichsten verletzen mußten. Die dabei von beiden Seiten proklamierte Freiheit der griechischen Poleis diente ausschließlich als Kampfmittel, in der Sache wäre eine Einigung über diesen Punkt jederzeit mög71 Syll.3601,2.20ff.: κρίνομεν τήν πόλιν και τήγ χώραν ίεράν καθώς και νυν εΌτιν και ασυλον και άφορολόγητον άπό του δήμου του 'Ρωμαίων. Daraus drängt sich allerdings keineswegs der von A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 97 hypothetisch gezogene Schluß auf, daß dieses Faktum nur auf eine unter römischer Herrschaft stehende Stadt zutreffen könne. Immunität ist kein entscheidendes Merkmal der Souveränität, das beweisen folgende Tatsachen: (a) in Friedensverträgen werden die dem unterlegenen Gegner auferlegten Kontributionen als φόροι bezeugt: Polyb. 2, 43, 6. 18, 44, 7. (b) Polybios gebraucht die Begriffe Tribut (φόρος) und freiwillige Abgabe (σύνταξις) synonym: 21, 46, 2. Der Ter minus αφορολόγητος selbst steht bei ihm mit einer Ausnahme (21,46,4) neben ελεύθερος und bezeichnet erst in dieser Verbindung die völkerrechtliche Souveränität: 4,25,7; 84, 5. 15, 24, 2. 18, 46, 5; 15. (c) Die Tributpflicht kann nicht als durchgehendes Herrschaftsmerkmal angesehen werden: Polyb. 21, 42, 2; A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 186f. (d) Endlich kann eine Stadt frei sein und doch Abgaben bezahlen: So waren die ehemaligen Städte des Attalidenreiches nach der Niederwerfung des Aristonikos 129 zwar frei, aber nicht abgabenfrei: M. ROSTOVTZEFF, The Social and Economic History of the Hellenistic World II, 1941, S. 812 ff. Anders D. MAGIE, Roman Rule in Asia Minor II, 1950, S. 966 Anm. 85, der immunitas und libertas als synonyme Begriffe sieht. Als Inbegriff der Souveränität steht in unseren Quellen nur das legislative Hoheitsrecht suo iure uti gleichbedeutend neben liberum esse oder in sua potestate esse. 72
H. H. SCHMITT, Antiochos, S. 9jy vgl. S. ACCAME, II dominio, S. 52.
73
Zur Vorgeschichte des Syrischen Krieges jetzt E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958,
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Die völkerrechtliche
Autonomie
lieh gewesen. Ein kurzes Resümee der Ereignisse v o n 197-192 mag diesen Tatbestand verdeutlichen. 7 3 A m Beginn steht die Gesandtschaft der Stadt Lampsakos nach R o m , 7 4 die sich den Forderungen des Seleukiden, in die frühere Abhängigkeit zurückzukehren, widersetzte und in R o m 197/96
um Unterstützung bat. 75 D i e Gesandtschaft
scheute dabei nicht den U m w e g über Massilia, u m mit Hilfe des römischen Bundesgenossen 7 6 ihre Bitte v o r dem Senat durchsetzen zu können, δπως συμπεριληφθώμεν [εν ταΐς συνθήκαις] ταΐς γενομέναις Τωμαίοις προς τόμ β[ασιλέα Φίλιππον 7 7 . D a ß dieser Bitte im Senat in dieser Form nicht entsprochen worden sein kann,
S. 76 ff., Rome and Antiochos the Great - Α Study in Cold War, ClPh. 54 (1959) S. 81 ff. = WaG 20 (i960) S. 203 ff. (Bibliographie bei M. HOLLEAUX, £tudes V, S. 156, besorgt von L. ROBERT). 74 Die Rechtsstellung der Stadt in dieser Zeit ist fraglich; sicher ist, daß sie bis zum Tode des Attalos pergamenisch war. Da unsere Überlieferung dem Antiochos keine Vergewaltigung des Eumenes vorwirft, muß ihre Abhängigkeit von Pergamon entweder sehr lose gewesen sein, oder sie war, was wahrscheinlich ist, nur an die Person des Attalos
geknüpft. B. NIESE, Geschichte II, S. 642 f., E. MEYER, Die Grenzen, S. 103 ff., A. HEUSS,
Stadt und Herrscher, S. 183 Anm. 2. 75 Über diese Gesandtschaft sind wir durch das Ehrendekret der Lampsakener für ihren Bürger Hegesias, der die Gesandtschaft führte, unterrichtet: Syll. 3 591. Vgl. App. Syr. 2. Polyb. 18, 52, 1 ff. 21, 13, 3. Inwieweit dabei die Bedrängnis durch die galatischen Tolistobogioi mitgespielt hat, ist hier nicht von Bedeutung: vgl. dazu M. HOLLEAUX, Lampsaque et les Galates, £tudes V, S. 141 ff., E. STÄHELIN, Geschichte der kleinasiatischen Galater2, 1907, S. 48, RE 6 Α (1937) Sp. 1674 f. s. v. Tolistobogioi. 76 Massilia erneuert bei dieser Gelegenheit sein Bündnis mit Rom: Z. 44 d. Inschr. 77 Z. 65 d. Inschr. Ergänzung nach M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 54 Anm. 1, fitudes V, S. 140 ff. (Zweifel an dieser Ergänzung hat G. DE SANCTIS, Storia IV 1, S. 122 Anm. 24). Diese Bitte der Lampsakener kann nicht so verstanden werden, als ob sie unter die im Vertrag mit Philipp für frei erklärten Städte aufgenommen werden wollten. Dagegen sprechen sachliche und terminologische Gründe: einmal handelt es sich bei den im Vertrag genannten Städten um von Philipp unterworfene, und das war Lampsakos nie, zum anderen hat der Terminus „συμπεριλαμβάνειν" nicht die Bedeutung von „im Vertrag als Objekt mitgenannt sein", sondern er drückt die Möglichkeit aus, dem Vertrag als Vertragssubjekt beizutreten: E.BICKERMANN, Rom und Lampsakos, Philologus 87 (1932) S. 277ff., Rev. de Phil. 61 (1935) S. 66, Institutions des S^leucides, 1938, S. 140 f. gegen B. NIESE, Geschichte II, S. 643, E. PAIS, Storia di Roma durante le grande conquiste mediterranee, 1931, S. 89, G. COLIN, Rome et la Grece, 1905, S. 160 Anm. 1. Die praktische Konsequenz eines solchen Schrittes war die allseitige Anerkennung der staatlichen Souveränität des in der Form der adscriptio dem Vertrag beigetretenen Gemeinwesens, involvierte jedoch nicht die Garantie dieser Unabhängigkeit durch die Signatarmächte (so E. BICKERMANN, a.a.O. und Η. Η. SCHMITT, Antiochos, S. 290), s. dazu S. 214 ff.
Ch.
zter der römischen Freiheitserklärung
JO;
hat E. BICKERMANN nachgewiesen. Die Gesandtschaft wird in dieser Frage vielmehr an Flaminin und die Senatskommission nach Korinth verwiesen, wo sie zur Zeit der Freiheitsproklamation eingetroffen sein dürfte.78 Das Ergebnis der dortigen Verhandlungen ist das Zugeständnis des Flaminin, für die Freiheit der Stadt das Mögliche zu tun, worunter konkret das diplomatische Eintreten Roms für die Belange der Stadt verstanden werden muß.79 So erscheint, sicher nicht zuletzt als Folge der Bemühungen von Lampsakos, als erste Forderung Roms an die Gesandtschaft des Antiochos auf den Isthmien von Korinth, die Freiheit der autonomen Griechenstädte Kleinasiens nicht anzutasten.80 Damit ergibt sich aus der Inschrift der Schluß, daß der Versuch von Lampsakos, seinen freien Status international anerkennen zu lassen, zwar zu keiner vertraglichen Bindung an Rom geführt hat, jedoch die Maxime bestimmt hat, nach der die römische Politik gegen die seleukidisdie Expansion vorging. Den wesentlichsten Zug dieses diplomatischen Zweikampfes, der sich in der Gesandtschaft der Lampsakener ankündigt, gilt es hier festzuhalten: Beide Parteien dachten kaum daran, einen konkreten Machtzuwachs durch den Übertritt der umstrittenen Griechenstädte zu gewinnen, und am wenigsten daran, die Freiheitserklärungen im juristisch strengen Sinne als bindend für die eigene und als Garantieerklärung gegenüber der anderen Seite auszusprechen, deren Mißachtung den Krieg ausgelöst hätte. Die tatsächliche Freiheit der kleinasiatischen Städte war eine sekundäre Begleiterscheinung, über die jederzeit eine Einigung möglich gewesen wäre, entscheidend war für Rom, hier eine politische Waffe gefunden zu haben, mit der der Gegner als Unterdrücker der griechischen Freiheit gebrandmarkt werden konnte und damit zwangsläufig in Griechenland jeden Kredit verlieren mußte.81 Das beweisen schlagend die Verhandlungen in Lysimacheia 196 und in Rom 194: Auf 78
Z. 68 ff. d. Inschr. Vgl. E. BADIAN, WaG 20 (i960) S. 208. Z. 73 ff.: δια]λέγεις αύτοΐς υπέρ του δήμου και πα[ρακαλέσας μετά πάσης] φιλοτιμίας ΐνα πρόνοιαν ποιώνται [υπέρ ημών και συμβάλλω] νται εις το διασώιζεσθαι τήμ πόλιν [ημών αύτονομουμένην] και δημοκρατουμένην. 80 Polyb. 18, 47» χ· Dieselbe Forderung wird bei den Verhandlungen von Lysimacheia wiederholt: παρήνει δέ και τών αυτονόμων άπέχεσϋαι πόλεων. (Polyb. 18, 50, 7)· Eben so podien die Römer in den Verhandlungen von Ephesos 192 noch einmal nachdrücklich auf die Freiheit von Lampsakos und Smyrna: Liv. 35, 16. App. Syr. 12. Die Bedeutung, die diese Frage im Verlauf der Verhandlungen gewonnen hatte, beweist das Angebot des Antiochos nach den ersten Niederlagen und nach dem Übergang der Römer nach Kleinasieh, die Städte Lampsakos, Smyrna und Alexandreia Troas zu räumen, εξ ών ό πόλε μος ε'λαβε τάς αρχάς: Polyb. 21, 13, 3· Diod. 29, 7· Vgl. E. BICKERMANN, Bellum Antiochicum, Hermes 6γ (1932) S. 47 ff. 81 A. HEUSS, Stadt und Herrsdier, S. 216ff.; S. 227. A. HEUSS hat mit Recht darauf hingewiesen, daß hier Wesen und Zweck des Freiheitsprogrammes nicht von dem der hellenistischen Herrscher verschieden sind. 79
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Die völkerrechtliche Autonomie
die römischen Forderungen in Lysimacheia antwortet Antiochos, daß er die Freiheit der autonomen Griechenstädte gar nicht beschneiden wolle, er verlange nur, daß sie diese aus seiner Hand entgegennehmen sollten.82 Der Streit hat sich also von der Sache ganz auf die Person, die die Freiheit gewährt, verlagert, womit die gefährdeten Städte zu politischen Schachfiguren werden, die es im günstigen Augenblick zu ziehen galt.83 Kein Jota anders verhält sich Rom: Zwei Jahre später wird in den Verhandlungen vor dem Senat das römische Eintreten für die Freiheit der kleinasiatischen Städte den seleukidischen Gesandten für den Fall angedroht, daß Antiochos sich nicht aus Europa zurückziehe.84 Antiochos sieht sich also vor die Wahl gestellt, entweder Thrakien zu räumen und dafür in Kleinasien nach Belieben verfahren zu können, oder bei Nichterfüllen der Forderung weiterhin mit der römischen Einflußnahme in Kleinasien rechnen zu müssen. Für die betroffenen griechischen Städte hing in diesem Moment ihre Freiheit von der von ganz anderen Komponenten bestimmten Entscheidung des Monarchen ab, da die Minderung des römischen Einflusses in Kleinasien das praktische Ende ihrer Selbständigkeit bedeutet hätte.85 Man sieht, formaljuristisch läßt sich hier kein 82
Polyb. 18, 51, 9: τάς δ'αύτονόμους των κατά την Άσίαν πόλεων ού διά της 'Ρωμαίων επιταγής δέον είναι τυγχάνειν της ελευθερίας, άλλα διά της αύτοΰ" χάριτος, vgl. App. Syr. 3· Polyb. 20, 8, ι. 83
Α. HEUSS, Stadt und Herrsdier, S. 227.
84
Liv. 34, 57ff. Diod. 28, 15. App. Syr. 6; als gemeinsame Vorlage ist Polybios an zusehen: H. NISSEN, Kritische Untersuchungen, S. 162 ff., vgl. aber zu Liv. 34, 59, 5 E. BADIAN, WaG 20 (i960) S. 217 Anm. 70. 85
Die hier skizzierte Situation sollte sich unter anderem historischen Vorzeichen in den folgenden Jahrzehnten römischer Ostpolitik öfters wiederholen: So wurden beispielsweise nach Beendigung des Dritten Makedonischen Krieges der pergamenischen Gesandtschaft unter Führung des Attalos in Rom die freien Städte Ainos und Maroneia versprodien, da der Senat die begründete Hoffnung hegte, daß Attalos sich gegen seinen Bruder Eumenes II. wenden würde. Als die Gesandtschaft jedoch ohne derartige bindende Zusagen abreiste, wurden beide Städte für frei erklärt: Polyb. 30, 3, 3ff.- Der rhodische Besitz in Lykien und Karien, nach dem Siege über Antiochos von den römischen Bevollmächtigten der Inselrepublik übergeben, wird nach dem Sieg über Perseus für frei erklärt (Polyb. 30, 5, 12. Liv. 45, 25, 6), ein Vorgehen, dessen fehlende Berechtigung A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 106 f. nachgewiesen hat (vgl. Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos,
S. 93ff.).Ebensowenig rechtlich zu begründen ist die Forderung an Rhodos, die alten rhodischen Besitzungen Kaunos und Stratonikeia zu räumen, nachdem sie im Frühjahr 167 von Rhodos abgefallen waren und von rhodischen Truppen wieder zur Raison gebracht worden waren: Polyb. 30,31,6521,3. Strab. 14,2, 3,p. 653. (H.H.SCHMITT,a.a.O. S. 156ff.)- Über die Neuordnung Kleinasiens durch Sulla nach dem mithradatischen Krieg berichtet App. Mithr. 61, 250: αυτήν δε την Άσίαν καθιστάμενος Ίλιέας μέν και Χίους και Λυκίους και 'Ροδίους και Μαγνησίαν καί τινας άλλους, rj συμμαχίας αμειβόμενος ή ών διά προθυμίαν έπεπόνθεσαν οί ϊνεκα, ελευθέρους ήφίει καί 'Ρωμαίων
Zusammenfassung
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Rechtssatz aufstellen, sondern diese Freiheitserklärungen sind einzig und allein Mittel der praktischen Politik und haben als solche Konsequenzen, die man zunächst nur bei den tatsächlichen Freilassungen aus der römischen Verfügungsgewalt erwartete.
3. Zusammenfassung Die Rechtswirkung der deditio überträgt wie die Eroberung die absolute Verfügungsgewalt über den Besiegten auf den Sieger. Dieser RechtsefTekt ist insofern negativ, als er keinen positiven Zustand begründet, sondern dem Sieger nur die Möglichkeit öffnet, nach Belieben mit dem dedierten oder eroberten Gemeinwesen zu verfahren. Das Siegerrecht ist also ausschließlich Voraussetzung der folgenden neuen Rechtsordnung, zu der sich der Sieger entschließen muß, wenn er auf die schonungslose Zerstörung oder auf die Inkorporation des Gegners in das eigene Gemeinwesen verzichten will. Als in der Antike allein denkbare Alternative bleibt die Restitution des de iure vernichteten staatlichen Gebildes, wobei Rom allerdings in das Freilassungsdekret der jeweiligen Situation angepaßte Auflagen aufnehmen kann, die eine zukünftige Rom feindliche Politik des aus dem römischen Spruchrecht Entlassenen unmöglich machen (vgl. Syll.3 646). Der Wiederherstellungsvorgang selbst ist als konstitutiver Akt der dazu kompetenten römischen Staatsorgane zu verstehen, der in der Regel endgültigen Charakter trägt, d. h. die gewährte Rechtsstellung ist völkerrechtlicher Art und die ehemals dedierten oder eroberten Staaten werden wiederum als ausländische Staaten anerkannt, mit denen Verträge abgeschlossen werden oder formlos das Verhältnis der amicitia hergestellt wird. Der sich damit ergebende formaljuristische Widerspruch zwischen völkerrechtlichem Status und einseitigem römischen Wiederherstellungsakt bleibt bestehen und erweist sich als moderne Konstruktion, die weder auf die römische Rechtsvorstellung übertragen werden kann noch dazu führen darf, die Institutionen des römischen Rechtes nach dieser modernen Vorstellung auszurichten. Dieses Bemühen hat in der Forschung über den hier behandelten Fragenkomplex zumeist zu dem methodischen Fehler geführt, den festgestellten Widerspruch zum Ausgangspunkt der Quellenanalyse zu machen, anstatt ihn aus den Quellen herauszuarbeiten und auf Grund des Ergebnisses die Vorstellung über die rechtlichen Institutionen Roms zu revidieren. ανέγραφε φίλους. Neben dem Wortlaut mag ein Hinweis auf die Freiheitserklärung für Rhodos, das ja Bündner Roms war (H. H. SCHMITT, a. a. O. S. 181 ff.), genügen, um den rein politisdien Charakter dieser Erklärung zu kennzeidinen.
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Sehr oft ging dem Restitutionsakt der erklärte Zustand de facto durch den Abzug der römischen Truppen schon voraus, da Rom eine zivile Verwaltung der unterworfenen Landstriche kurz nach der Eroberung gar nicht einrichten konnte. Auch in diesen Fällen hat die Freiheitserklärung keinen rein deklaratorischen Charakter, da die faktische Freilassung noch nichts darüber aussagt, wieweit und wie lange sich Rom an diesen Zustand zu halten gedachte. Erst die offizielle Freiheitsproklamation Roms macht den de facto schon eingetretenen Zustand auch zu einem juristisch verbindlichen, wodurch die Rechtswirkung der Dedition oder Eroberung endgültig aufgehoben wird. 1 Historisch ergeben sich für die Behandlung der Unterworfenen durch Rom zwei relative Zeitstufen. Ihre Zerstörung oder Einverleibung in den römischen ager publicus war als konsequenteste Folge des erkämpften Siegerrechtes nur solange praktikabel, solange der administrative Aufbau Roms die damit gestellten Aufgaben bewältigen konnte oder den neuen territorialen Verhältnissen entsprechend neu formiert wurde. Fehlte diese Voraussetzung, so war die Wiederherstellung der politischen Existenz des als Rechtssubjekt vernichteten Gegners die einzig sinnvolle Konsequenz der Unterwerfung, da sie einerseits Rom von den einer Eroberung nun einmal inhärierenden Herrscherpflichten entband, zum anderen aber im Freilassungsdekret die Möglichkeit bot, jede vorstellbare Auflage zu formulieren, die den freigelassenen Staat an Rom band. Denselben Effekt hatte natürlich der Abschluß eines Bundesgenossenschaftsvertrages. Aus hier nicht zu erörternden Gründen fällt diese Zeitstufe mit der Ausdehnung der römischen Macht über den engeren italischen Bereich hinaus zusammen. Diese historische Einordnung gibt auch die Erklärung dafür, warum Rom die Früchte seiner militärischen Erfolge so leicht wieder verschenken konnte: 2 Die wachsende politische Ü^kgejnlidt^ Roms nahm den freigelassenen Staaten sowieso die Möglichkeit, eineuandere als eine Rom freundliche Außenpolitik zu betreiben. Das war auch dann der Fall, wenn sich die Beziehungen zu Rom auf das lose Verhältnis der amicitia beschränkten. Uberdeutlich wird dieser Tatbestand nach der Niederwerfung des Seleukidenreiches, und bezeichnenderweise erhalten die Freiheitserklärungen seit dieser Zeit einen vorwiegend politischen Charakter. Ausgesprochen auf Grund der faktischen Machtverhältnisse, werden sie ohne Berücksichtigung der rechtlichen Voraussetzungen unterschiedslos auf besiegte ebenso wie auf autonome Staaten angewandt. Für die Beurteilung des Einzelfalles ergibt sich daraus die methodische Verpflichtung, die Freilassung entweder als solche aus der römischen Herrschaft oder als Mittel der praktischen Politik einzuordnen, um 1
FR. DE MARTINO, a.a.O. S. 314.
2
Die Frage wirft A. PASSERINI, Athenaeum N. S. 11 (1933) S. 400 auf.
Zusammenfassung
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ihre rechtliche Dignität wie ihre Zielsetzung zu erklären. Ausschlaggebend ist in jedem Fall die römische Macht, jede nur denkbare Lösung finden zu können. Dementsprechend kann auch der Freiheitserklärung für eine bereits souveräne Stadt nicht allein deklaratorischer, sondern auch konstitutiver Charakter zukommen, da im Moment der Erklärung der Wille Roms allein den Status quo aufrecht erhält. Im übrigen bestimmt seit 189 v. Chr. das immer stärker werdende Engagement der Römer in die politischen Verwicklungen der hellenistischen Welt den Effekt der Freiheitserklärungen: mehr und mehr zu der Erkenntnis gedrängt, daß es auch im griechischen Osten nicht genügt, als Sieger ein politisches Vakuum zu schaffen, entschließt sich der Senat zu immer tiefer einschneidenden Sicherungen und Kontrollen den Besiegten gegenüber, die zwar noch freigelassen werden, in diesem Vorgang aber mit Recht nur eine verschleierte Konstitution der römischen Vorherrschaft sehen.3 Die direkte Übernahme der Herrschaft in der Form j der Provinzialisierung, d. h. die dauernde Unterwerfung der besiegten Gemein- I wesen unter das römische Siegerrecht, bedeutete naturgemäß das Ende der nur I im völkerrechtlichen Bereich möglichen Freiheitserklärungen. / 3 Das berühmteste Beispiel ist die „Freilassung" Makedoniens aus der römischen Herrschaft 167 (H. E. STIER, Roms Aufstieg, S. 188 ff.). Auch die letzte Neuordnung Griechenlands im Jahre 146 (B. NIESE, Geschichte III, S. 351 ff.) entbehrte nicht einer Freiheitserklärung, wie uns Zonar. 9, 31, 6 und ein ungefähr um diese Zeit abgefaßter Brief eines Q. Fabius Maximus an die Dymäer, in dem von einer [τ]ης άποδεδομένης κατά [κ]οινόν τοις *Έλλ[ησιν έ]λευθερίας gesprochen wird (Syll.8 684, Ζ. 15), bestätigt. Tatsächlich ist von dieser Freiheit nichts mehr zu spüren: Pausan. 8, 16, 6. 10, 34, 2. Cic. de nat. deor. 3, 49. Syll.8 747. IGR I, 118. Α. Η. Μ. JONES, Civitates liberae et immunes in the East, Anatol. Studies pres. to W. H. BUCKLER, 1939, S. 108 f.
III AMICITIA U N D SOCIETAS: D I E G R U N D L A G E N DER R Ö M I S C H E N A U S S E N P O L I T I K BIS ZU IHREM A U S G R E I F E N I N DAS ÖSTLICHE MITTELMEERBECKEN
i. Die Organisation Italiens
a) Cives Romani Es bedarf in diesem Rahmen keiner eingehenden historischen Untersuchung über die Ausbreitung der römischen Wehrgemeinschaft über ganz Italien in der Zeit zwischen der Auflösung des latinischen Bundes und dem Beginn des ersten Krieges mit Karthago. Diese Aufgabe ist seit langem gelöst, und die Ergebnisse sind in einer großen Reihe von namhaften Werken zugängig.1 Zudem kann eine solche Aufgabe nur dann im Rahmen einer Untersuchung über Staats- und völkerrechtliche Fragen gestellt werden, wenn die historische Abfolge der Ereignisse staatsrechtliche Formen neu begründet oder schon vorhandene modifiziert. Hier bedarf es einer Begrenzung der Mitglieder der italischen Wehrgemeinschaft und einer Abgrenzung ihrer Stellung gegenüber den außeritalischen socii und amici. Vor Beginn des Ersten Punischen Krieges hat sich - um mit TH. MOMMSEN ZU sprechen - die italische Wehrgenossenschaft konsolidiert.2 Die endlosen Kriege, denen ihr Zustandekommen zu verdanken war, waren nicht als Eroberungskriege geplant und geführt. Dementsprechend bestand ein Teil der unter der rö1
Grundlegend K. J. BELOCH, Der italische Bund unter Roms Hegemonie, 1880, Römische Geschichte, 1926, S. 392 ff., J. GÖHLER, Rom und Italien. Die römische Bundesgenossenpolitik von den Anfängen bis zum Bundesgenossenkrieg, 1939, A. AFZELIUS, Die römische Eroberung Italiens (340-264 v. Chr.), Acta Jutlandica 14, 3, 1942, A. PIGANIOL, La conquete romaine2, 1930, S. 127 ff., G. DE SANCTIS, Storia dei Romani II2, i960, S. 327fr., CAH VII, 1928, S. 581 ff. (Lit. S. 921fr.), V. PÖSCHL, Die Einigung Italiens durch Rom, Historia Mundi III, 1954, S. 459fr., A. HEUSS, Römische Geschichte2, 1964, S. 42 ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy I, 1965, S. 84 fr. Zur Besitzergreifung Großgriedienlands vgl. W. HOFFMANN, Rom und die griechisdie Welt im vierten Jahrhundert v. Chr., Philologus Suppl. 27, 1, 1934. 2 TH. MOMMSEN, Römisdie Geschidite I11, 1912, S. 418 ff.
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mischen Hegemonie vereinigten italischen Stadt- und Stammesstaaten aus Bürgergemeinden, die nie oder nur vorübergehend mit Rom Krieg geführt hatten, sondern sich auf Grund der wachsenden Überlegenheit Roms mehr oder minder freiwillig der Wehrgenossenschaft angeschlossen haben.3 Dem Charakter der im Grunde zur Behauptung des eigenen Gemeinwesens geführten siegreichen Feldzüge und der Tatsache des vielfachen freiwilligen Anschlusses entspricht der Aufbau der Wehrgemeinschaft: Sie bedeutet keineswegs die Herrschaft Roms über untertänige Gemeinden, sondern war vielmehr ein kompliziertes Gebilde aus Staats- und völkerrechtlichen Bestandteilen, das zwei allen Beteiligten gemeinsame Klammern zusammengehalten haben: Einmal der Charakter der Vereinigung als Wehrgemeinschaft, zum anderen die, was die außenpolitische Führung anbelangt, uneingeschränkte Hegemonie Roms.4 Wenden wir uns dem Aufbau der italischen Wehrgemeinschaft im einzelnen zu.5 Der eigentliche ager Romanus war durch die gewaltsame Konfiszierung eines großen Teiles des italischen Bodens um die Mitte des dritten Jahrhunderts zu einem im wesentlichen geschlossenen Block zusammengewachsen, der das Gebiet von Kampanien bis nach Südetrurien und nordwärts quer durch Mittelitalien bis an die Adria umfaßte.6 Verwaltungsrechtlich war dieses Gebiet ein durchaus heterogenes Gebilde, dessen Gesicht durch die einzelnen Phasen der römischen Expansion geprägt war. Wurde bis 340 v. Chrjedes eroberte Gebiet dem römischen Staat inkorporiert oder zum latinischen Bund geschlagen und den Bürgern der besiegten Gemeinden das römische Bürgerrecht verliehen, so erkannte man bald, daß dieses Vorgehen gegenüber einem größeren Kreis fremdsprachiger und von Rom weit entfernter Gemeinden unmöglich war. Die eroberte Gemeinde verlor zwar auch jetzt den Charakter eines souveränen Staates, blieb jedoch als Siedlungsverband mit einer gewissen kommunalen Selbständigkeit, d. h. mit eigenen Beamten und eigener Verwaltung, bestehen. Der römische Verzicht auf die Ein3
Vgl. A. AFZELIUS, a. a. O. S. 192 ff.
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U. VON LÜBTOW, Das römische Volk, 1955, S. 635 f. Zuletzt behandelt von E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, S. 15ff., A. HEUSS,
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RG2, 1964, S. 61 ff., A. J. TOYNBEE I, S. 178 ff. 6 Vgl. die Karten zur Ausdehnung des römischen Bundes bei A. AFZELIUS, K. J. BELOCH und A. J. TOYNBEE; S. im übrigen die zusammenfassenden Darstellungen von W. KUNKEL, Römische Rechtsgeschichte4, 1964, S. 40 ff. und J. GAUDEMET, Institutions de l'Antiquitl, 1967, S. 370 ff. Zu den genannten Landstrichen kamen nach Beendigung des Zweiten Punischen Krieges große Gebiete ehemaliger Bünder in Süditalien hinzu, deren verräterische Haltung während des Krieges diese Maßnahme zur Sicherung der römischen Herrschaft anempfahl. Zu Beginn des zweiten Jahrhunderts wurde noch ein Teil der südlichen Poebene, das Gebiet zwischen den Appenninen und dem Po (Gallia cispadana), dem ager Romanus zugeschlagen: K. J. BELOCH, Der it. Bd. S. 65 ff.
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gliederung der besiegten Gemeinden in die Tribusorganisation und damit der Wille Roms, sich mit einer weniger drückenden Abhängigkeit, als sie die völlige Auflösung der Gemeinde bedeutete, zu bescheiden, erleichterte natürlich den bedrängten Gegnern den Entschluß zum freiwilligen Anschluß oder zur Dedition, womit den römischen Heeren sehr oft der Kampf bis zum Äußersten erspart blieb. Wurde so die innere Ordnung dieser Gemeinden nicht oder nur soweit, wie es der Zwang der politischen Lage erforderte, angetastet, so konnte diesen Bürgern jedoch jede Last aufgebürdet werden, die Rom für notwendig erachtete. Die gebräuchlichste Bezeichnung der Gemeinden, die innerhalb des ager Romanus ihre lokale Autonomie bewahren durften, war municipium. Diese Benennung erfolgte vom römischen Standpunkt aus und ist daher in früherer Zeit von den Gemeinden selbst nicht titular geführt worden. Der konstituierende Akt für eine solche Gemeinde war in der Regel eine römische lex.1 7
Im Anschluß an K. J. BELOCH, Rom. Gesch. S. 376ff.(vgl. schon It. Bd. S. 117 ff.) vertritt der überwiegende Teil der neueren Forschung gegen TH. MOMMSEN, RStR III, S. 576 die Ansicht, daß ein römisches Munizipium auch durch ein foedus geschaffen werden konnte (so E. KORNEMANN, RE 16 [1933] Sp. 576, Α. Ν. SHERWIN-WHITE, The
Roman Citizenship, 1939, S. 57f., U. VON LÜBTOV, a.a.O. S. 641, FR. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, i960, S. 79^. Anders A. BERNARDI, Athenaeum N. S. 20 [Γ942] S. 92ff.).Für den Beginn des römischen Munizipalwesens ist diese Möglichkeit nicht belegt, aber historisch durchaus denkbar, wenn man mit BELOCH, R. G. 379 unter foedus hier nicht ein Bündnis, sondern allgemeiner einen Vertrag versteht (es sei auf das foedus Gabinum hingewiesen, das eine Form der Bürgerschaft zwischen Rom und Gabii hergestellt hat, „die zwar nicht in ihren rechtlichen, wohl aber in ihren äußerlichen Merkmalen ungefähr dem Doppelbürgerrecht entsprach": R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 430 f. Anm. 2 mit Beleg). Die im allgemeinen als Beweis für die Tatsache von municipia foederata herangezogenen Belegstellen reichen jedoch keineswegs aus, um ihr Vorhandensein auch nur wahrscheinlich zu machen. Nach Cic. Phil. 3, 6, 15 war Aricia municipium vetustate antiquissimum, iure foederatum. Daß hier der erste Teil des Satzes (vetustate antiquissimum) nicht wörtlich zu nehmen ist (und im übrigen falsch ist), folgt aus Cic. pro Plane. 8, 19, wo Tusculum municipium antiquissimum genannt wird. TH. MOMMSEN, RStR III, S. 567 Anm. 1 war daher m. E. trotz des bissigen Einspruches von BELOCH, R. G. S. 378 auf der richtigen Spur, wenn er der Bezeichnung municipium foederatum nur „laudatorischen" Charakter zubilligen wollte. Ebensowenig besagen die ausnahmslos aus der Kaiserzeit stammenden inschriftlichen Zeugnisse für das südetrurische Capena, in denen die Stadt als municipium foederatum und ihre Bürger als foederati bezeichnet werden (CIL XI 3873. 3876. 3932. 3936. W. V. HARRIS, Historia 14 [1965] S. 282ff.).Nach Cic. ad fam. 9, 17, 2 fiel der ager Capenas unter die zur Verteilung an Caesars Veteranen bestimmten Gebiete, so daß der Stadt in der ausgehenden Republik der Status einer Veteranenkolonie eignete. Nach Aussage der vorliegenden Inschriften muß Capena später Munizipalrecht besessen haben, was in der Kaiserzeit gegenüber den Kolonien eine Schlechterstellung bedeutete (F. VITTINGHOFF, Römische Kolonisation und Bürgerrechtspolitik, 1952, S. 41ff.).Bedenkt man,
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"^Itechtlich sind zwei Kategorien von Munizipien zu unterscheiden: a) die civitates cum suffragio, römische Vollbürger also, b) die civitates sine suffragio, nach dem Sprachgebrauch TH. MOMMSENS die sogenannten „Halbbürger ". Die civitas sine suffragio bedeutet zur Zeit der klassischen Republik ein zurückgesetztes Bürgerrecht, das das aktive und passive Wahlrecht ausschloß und damit den Bürgern dieser Kategorie jeden Einfluß auf den Verlauf der römischen Politik nahm. Es spricht immer noch die größte Wahrscheinlichkeit dafür, daß dies auch der Charakter des Institutes seit seinem Beginn war, wenn wir auch über diese Anfänge so gut wie nichts wissen.8 Als erste Gemeinde erhielt das daß die in dieser Zeit abgeschlossenen und weiterbestehenden foedera reine Scheinfoedera waren (vgl. z. B. den Vertrag mit Lavinium CIL X J$J. Liv. 8, n , 15), deren Zweck die Verleihung einer gewissen Ehrenstellung war, so hat es jede Wahrscheinlichkeit für sich, daß Capena als Veteranensiedlung unter den umliegenden Munizipien durch das gewährte foedus herausgehoben werden sollte. Für ein durch ein foedus gegründetes Munizipium in republikanischer Zeit sagt das jedenfalls nichts aus. - Eine nähere Erörterung der einzelnen Munizipalverfassungen erübrigt sich, s. dazu neben den zitierten Werken weitere Lit. bei E. MEYER, Römischer Staat und Staatsgedanke3, 1964, S. 518 Anm. 87. 8 Der Versuch von M. SORDI, I rapporti romano-ceriti e Porigine della civitas sine suffragio, i960, gerade diese Anfänge historisch aufzuhellen, vermag nicht zu befriedigen ^M. SORDI angeschlossen hat sich E. MEYER, a. a. O. S. 222). M. SORDI geht von der richtig
bewiesenen historischen Voraussetzung aus, daß Rom nach der Gallierkatastrophe und dem dadurch heraufbeschworenen Abfall der Latiner gezwungen war, in Etrurien Anlehnung zu suchen. Dabei soll es mit dem etruskischen Caere einen Vertrag geschlossen haben, der seinem Inhalt nach militärische und politische Zusammenarbeit begründete, seinem Wesen nach zweiseitig war und damit die völkerrechtliche Souveränität beider Partner anerkannte und durch eine Zusatzklausel ein latentes Bürgerrecht beider Städte in dem Sinne begründete, daß die Bürger beider Städte bei einem Aufenthalt in der verbündeten Stadt jeweils auch das Bürgerrecht der anderen Stadt besaßen (Vgl. vor allem S. 107 fr.). Abgesehen davon, daß eine solche Isopolitie durch das römische Staatsrecht ausgesdilossen war und Abschluß und Inhalt des Vertrages auf bloßen Vermutungen beruhen, fehlt jeder Beweis dafür, daß man dieses völkerrechtliche Verhältnis mit dem überlieferten Status von Caere als civitas sine suffragio identifizieren kann oder gar muß. Überliefert ist uns nur die ebenso zweifelhafte wie von den antiken Autoren gern berichtete Fabel, daß ein Plebejer Lucius Albinius während der gallischen Katastrophe auf einem Karren die Vestalinnen und die sacra von Rom nach Caere gebracht hat, wo sie freundliche Aufnahme und Schutz fanden (Liv. 5, 40, 9; 50, 3. 7, 20, 3ff. Plut. Camill. 21. Strab. 5, 2, 3. Val. Max. 1, 1, 10. Gell. noct. Att. 16, 13, 7. CIL I2, p. 191, Nr. 6). Als Dank für dieses beneficium sollen die Caeriten nach Strab. 5, 2, 3. Gell. noct. Att. 16, 13, 7 und den Scholien zu Horaz (Pseudoacronis Schol. in Hör. Ep. 1, 6, 62, ed. Keller, II p. 235) den Status einer civitas sine suffragio erhalten haben. Die Darstellung in den Scholien des Horaz legt zwischen beide Ereignisse einen Abfall von Rom ein, die Motivierung des Gellius ist von TH. MOMMSEN, RStR III, S. 572 Anm. 3 als „albern" abgetan und richtig als sekundärer Zusatz zu der Tatsache der caeritischen Stellung als Halbbür-
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etruskische Caere diesen JStatus zwischen 353 und 340 v. Chr., es folgten 338 v. Chr. die kampanischen Städte Fundi, Formiae, Cumae, Suessula und Capua, sowie später auch Städte zentralitalischer Stämme.9 Die wachsende Überlegenheit Roms führte auch hier zu einer fühlbaren Einschränkung der verwaltungsrechtlichen Autonomie dieser civitates wie das Schicksal des 306 v. Chr. besiegten Anagnia zeigt: Änagninis quique arma Romanis intulerant civitas sine suffragii latione data, concilia conubiaque adempta et magistratibus praeterquam sacrorum curatione interdictum (Liv. 9, 43, 24). Die Lebensdauer dieses Institutes in den einzelnen civitates blieb allerdings beschränkt, da diese Munizipien, wenn sie genügend latinisiert waren, durchgängig das römische Vollbürgerrecht erhielten. Neben diese municipia treten als zweite Klasse von Bürgergemeinden die coloniae civium Romanorum.10 Der Unterschied zwischen beiden ist rein histogergemeinde selbst erkannt worden - ein Urteil, das von der Verfasserin hätte revidiert werden müssen -, und die übrigen angeführten Zeugnisse (Festus s. v. municeps, p. 126 L. Gell. noct. Att. 16, 13, 6) definieren zwar den Status eines Munizipiums, verbinden diesen jedoch nidit mit einer vertraglich festgesetzten Unabhängigkeit Caeres nach dem Galliereinfall. Vgl. die Rezensionen von J. BLEICKEN, Z. Sav. Stift. R. A. 78 (1961) S. 449 ff. und D. KIENAST, HZ (1961) S. 398 ff. Einen Überblick über die wichtigste Literatur gibt M. SORDI, a.a.O. S. 107 Anm. 1, ebenso E. MEYER, a.a.O. S. 518 Anm. 86, A. J. TOYNBEE I, S. 403 ff. 9 TH. MOMMSEN, RStR III, S. 572 ff. Die in der Forschung zumeist vertretenen Datierungen schwanken zwischen 353 (Liv. 5, 50, 3) und 338 v. Chr. (vgl. den Forschungsüberblick bei M. SORDI, a.a.O. S. 38 Anm. 3). K. J. BELOCH, Rom. Gesch. S. 363 und E. PAIS, Storia di Roma IV, 1923, S. 212 u. 434 f. haben sich auf Grund von Dio Cass. frg. 33 (Boiss.) für das Jahr 273 entschieden. Diese Stelle ist jedoch chronologisch nicht genau fixierbar, außerdem kann an der communis opinio unserer Quellen, daß Caere als erste Stadt die civitas sine suffragio erhielt, nicht gezweifelt werden, zumal die Listen der Bürger ohne Stimmrecht in Rom als tabulae Caeritum bezeichnet wurden (dazu TH. MOMMSEN, RStR II, S. 394 Anm. 2; III, S. 572 Anm. 3). Die civitas sine suffragio muß nun in ihrer klassischen Bedeutung spätestens seit 338 v. Chr. bestanden haben, da ihre Verleihung an die oben genannten besiegten kampanischen Städte anders nicht verstanden werden kann. Daran scheitert auch die Datierung der Inkorporation Caeres in die Zeit nach 293 v. Chr. ebenso wie die Annahme, daß erst seit 306 v. Chr. dieses Institut seine spätere Bedeutung erlangt hätte (so M. SORDI, a.a.O. S. 133). Vgl. R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, S. 359 Anm. 1. Damit kann, stellt man in Rechnung, daß während des Latinerkrieges 340-338 eine solche folgenschwere Entscheidung kaum* getroffen wurde, das Jahr 340 als Terminus ante quem für die Verleihung der civitas sine suffragio an Caere gelten, das nach seiner Niederlage gegen Rom 353 (Liv. 7, 20) zwar einen auf hundert Jahre befristeten Waffenstillstand (Liv. 7, 20, 8) erhalten hatte, jedoch in die römische Abhängigkeit geraten sein muß, die die Voraussetzung für die Verleihung des Munizipalrechtes bildete. 10 Lex agraria vom Jahre 111 v. Chr.: CIL I2, 585, Z. 31.
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risch nach der verschiedenen Form ihrer Entstehung begründet, die verwaltungsrechtlichen Unterschiede dagegen sind nur graduell. Traten die Munizipien als ursprünglich souveräne Gemeinwesen in die römische Bürgergemeinde durch Verleihung des Bürgerrechtes ein, so wuchsen die Kolonien aus dieser Bürgergemeinde heraus und bildeten von Anfang an als Bestandteil einer römischen Tribus eine planmäßig angelegte Gemeinde von römischen Bürgern auf römischem ager publicus.11 Nach der Zerschlagung des Latinerbundes 338 v. Chr.12 bis 184 ausschließlich an den italischen Küsten gegründet, waren sie ein Teil der römischen Okkupationspolitik: Als detachierte Teile des römischen Heeres bebauten 11
Gell. noct. Att. 16, 13, 8: Sed coloniarum alia necessitudo est; non enim veniunt extrinsecus in civitatem nee suis radieibus nituntur, sed ex civitate quasi propagatae sunt et iura institutaque omnia populi Romani, non sui arbitrii, habent. Serv. ad Verg. Aen. 1, 12. Varro, de L. L. 5, 143. Vgl. E. KORNEMANN, RE 4 (1900) Sp. 511 ff. s. v. Coloniae, K. J. BELOCH, Der it. Bd. S. i n ff., H. RUDOLPH, a.a.O. S. 129ff., U. VON LÜBTOW,
a.a.O. S. 639. In der Regel blieben die Kolonisten in der Tribus eingeschrieben, zu der sie ursprünglich gehörten: L. Ross TAYLOR, The Voting Districts of the Roman Republic, i960, S. 91 f.; 305 f. 12 Es ist das Verdienst von E. T. SALMON, Rome and the Latins, Phoenix 7 (1953) S. 93 ff.; 123 ff., Roman Expansion and Roman Colonisation in Italy, Phoenix 9 (1955) S. 63 ff., überzeugend nachgewiesen zu haben, daß die von Livius in Buch 1-4 aufgeführten römischen Koloniegründungen (genaue Aufstellung bei A. J. TOYNBEE I, S.391 f.) in Wirklichkeit als Deduktionen des Latinerbundes mit römischer Beteiligung gesehen werden müssen (zustimmend A. ALFÖLDI, Early Rome and the Latins, 1965, S. 392ff., A. J. TOYNBEE I, S. 181 ff.; 391 ff.). Die selbständige römische Kolonisationspolitik blieb bis 338 v. Chr. allein bei der Viritanassignation. Mit dieser Lösung SALMONS erklären sich auch die beiden grundsätzlichen Unterschiede der Koloniegründungen vor und nadi dem Untergang des Latinerbundes: Während die Kolonien vor 338 im Landesinneren mit einer Beteiligung von durchschnittlich 1000-2000 Kolonisten gegründet wurden, entsandte Rom nach 338 jeweils nicht mehr als 300 Familien ausschließlich zur Anlage von Küstenplätzen am tyrrhenischen und adriatischen Meer. So bis zum Ende des Zweiten Punischen Krieges: Antium 338 v. Chr. (Liv. 7, 14, 8. Plin. n. h. 3, 57), Tarracina 329 oder 327 (Liv. 8, 21, 11. 27, 38, 4. Vell. 1, 14), Minturnae und Sinuessa 299 (Liv. 10, 21, 8. 27, 38, 4. Vell. 1, 14), Sena Gallica 283 (Ε. Τ. SALMON, ClPh. 30 [1935] S. 23; 29; 31. Polyb. 2, 19, 12. Liv. epit. n ) , Alsium 247 (Vell. 1, 14. Liv. 27, 38, 4), Castrum Novum 264 (Vell. 1, 14; vgl. Liv. epit. 11), Acsium 247 (Vell. 1, 14. CIL IX 5831. 5832), Fregenae 245 (Vell. 1, 14. Liv. epit. 19). Vgl. J. MARQUARDT, RStV I2, S. 49ff., E. KORNEMANN, a.a.O. Sp. 520ff., E. T. SALMON, The Coloniae Maritimae, Athenaeum N. S. 41 (1963) S. 3 ff.; i6ff., A. J. TOYNBEE I, S. 183 f. Cicero (de leg. agr. 2, 27, 73) nannte diese Kolonien mit Recht die propugnacula imperii, da sie den Schutz der beiden Seeküsten Italiens bis zum Ende des hannibalischen Krieges übernahmen. Gleichzeitig zeigt die Anlage cjer Bürgerkolonien an den Küsten, mit welch wohlüberlegter Vorsicht Rom die Kolonisierung nach latinischem Recht handhabte, da sich diese Kolonien alle im Binnenland befanden und ihre Bewegungsfreiheit mitten unter fremden und unterworfenen Völkern völlig von Rom abhing.
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sie den Acker des neu okkupierten Gebietes und übernahmen zugleich seinen Schutz, wofür die Kolonisten von dem eigentlichen Heeresdienst in den Legionen befreit waren (vacatio militiae: Liv. 27, 38; 36, 3). Die Anlage von Kolonien diente also vor allem einem politisch-militärischen Zweck, der als räumliche Voraussetzung die direkte Verbindung der Kolonien mit dem römischen Territorium hatte und verwaltungstechnisch eine straffe Führung und Oberaufsicht der römischen Magistrate erforderte. Dementsprechend besaßen die Kolonien ursprünplich keine eigene Verfassung, sondern^wurden von Rom aus verwaltet.13 Diese fehlende Selbstverwaltung ließ die Bürgerkolonien zur Zeit der späten Republik durchaus als etwas Geringwertigeres als die Munizipien erscheinen, denen im Lauf der Entwicklung zum größten Teil die kommunale Selbstverwaltung zugestanden worden war. 14
b) Socii nominis Latini Neben diese Munizipien und Bürgerkolonien treten die civitates foederatae beziehungsweise die socii, deren Stellung zu Rom völkerrechtlicher und nicht .staatsrechtlicher Natur ist. Die erste Stellung unter diesen Gemeinden nahmen die latinischen Städte ein. Nachdem 338 v. Chr. der latinische Stammbund aufgelöst worden war und die meisten seiner Mitglieder Rom einverleibt worden waren,15 lassen sich drei Kategorien latinischer Städte nach dem Zustandekommen ihrer föderativen Rechtsstellung aufführen: 1. Die nach der Zerschlagung des Latinerbundes selbständig gebliebenen ehemaligen Bundesstädte y^vjniöia, Cora, Tibjur. und Praeneste. 2. Die Kolonien latinischen Rechtes, die als ehemalige latinische Bundesstädte nach dem römischen Gegenstoß (Ende des 5. Jahrhunderts) gegen 18 E. T. SALMON, Roman Colonisation from the Second Punic War to the Gracdii, JRS 16 (1936) S. 61 ff. Die Wandlungen des Institutes seit 183 v. Chr. (Gründung von Mutina und Parma, Liv. 39, 55, 7 ff.) zu Ackerbau- und Versorgungskolonien zunächst des bürgerlichen Proletariats, dann der Veteranenheere der späten Republik und des Prinzipates, betreffen nur den Modus der Gründung und berühren nicht ihre Rechtsstellung als soldie, so daß sie hier außer acht gelassen werden können. Vgl. dazu H. RUDOLPH, a.a.O. S. 130 ff., F. VITTINGHOFF, Römische Kolonisation und Bürgerrechtspolitik unter Caesar und Augustus, 1952, C. A. YEO, The Foundry and Function of Roman Colonies, Classical World 52 (1959) S. 104 ff.; 129 f. 14 J. MARQUARDTF, RStV I, S. 26 ff. In unseren Quellen werden an erster Stelle immer die Munizipien genannt: Quae municipia colonia(ey praefectura(ey fora conciliabula c(ivium) R(omanorum) sunt (Lex Iulia municipalis aus dem Jahre 45 v. Chr., CIL I2, 593, Z. 108). Vgl. Cic. Phil. 4, 7. 15 Liv. 8, 11, 13-16. 14, 2-12. Belege und Lit. bei H. BENGTSON-R. WERNER, Staatsverträge II, Nr. 347, S. 335 ff., M. GELZER, RE 12 (1924) Sp. 963 s. v. Latium.
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die Eroberungen der Aequer und Volsker in Latium nicht mehr als Bundesstädte restituiert, sondern als Kolonien konstituiert wurden:18 Ardea, Circeii, Norba, Setia, JSignja in Latium, Sutriumjund_Nepet in Etrurien. 3. Die latinischen Kolonien römischer Deduktion, die nach 338 auf von Rom okkupierten Gebieten angelegt und auf Grund eines römischen Komitialgesetzes als souveräne Gemeinwesen eingerichtet wurden.17 Im Gegensatz zu den römischen Bürgerkolonien traten diese als eigene Staaten 55iL3[2lliß!^A¥P.i\9^^i m I n n e r n neben den römischen Staat. Sie besaßen alle für^die Souveränität, charakteristisdiein Recjite; eigene Münzhoheit, autonome Jurisdiktion, Militär- und Finanzverwaltung und eine eigene Censur, die durch (Liv. 26, 15, 9 ff.). ej&eiiejyUgisirj^^ Ihre Bürger waren keine römisAen_Bürger? sondern Bürger peregrinorum numeroy und die Assignation des Bodens schuf einJPrivatejgentumder coloni, aber nicht ex iure^^Quiritium, sondern ex iure Latinorum. Dementsprechend galt ihr Gebiet als ager peregrinus.18 Es ist daher evident, daß ihr Verhältnis zu Rom ungeachtet des staatsrechtlichen Gründungsaktes völkerrechtlicher Natur war.19 16 Die seit E. KORNEMANN, a.a.O. Sp. 514 eingebürgerte Annahme, daß im 5. Jhdt. Kolonien des Dreivölkerbundes (bestehend aus Rom, Latium und den Hernikern) gegründet wurden, ist von R. WERNER, Der Beginn, S. 468 ff., der die historische Unmöglichkeit eines foedus mit den Hernikern nachwies, widerlegt worden. Ihm ist weiter audi darin zu folgen, daß die römisdie Offensive gegen das zum größten Teil in volskisdien und aequisdien Besitz übergegangene Latium am Ende des 5. Jhdts. die Voraussetzung des als foedus aequum stilisierten Bündnisses mit dem Latinerbund zerstörte und Rom zwangsläufig die Rolle einer Schutzmacht über Latium übertrug. 17 Die Teilnehmer einer soldien Kolonisation konnten sidi aus römisdien Bürgern, Angehörigen latinischer Städte und Kolonien rekrutieren: E. KORNEMANN, a.a.O. Sp. 568 ff. 18 TH. MOMMSEN, Gesdiidite des römisdien Münzwesens, 1860, S. 310: „Die latinischen Colonien waren also dem Redit nadi völlig autonome Staaten, und die Bezeidinung derselben als Colonien drückt mehr das Faktum der von Rom aus gesdiehenen Gründung,
als ein besonderes Rechtsverhältnis aus". Vgl. K. J. BELOCH, Der it. Bd. S. 153 f., E. KORNEMANN, a. a. O. Sp. 583 und U. v. LÜBTOW, a. a. O. S. 645 f. 19 Zu dieser Praxis des römisdien Rechtes vgl. die Ausführungen über die Rechtswirkung der Dedition. Demgegenüber ist es eine Frage von sekundärer Bedeutung, ob die Beziehungen zwischen der Kolonie und Rom durch ein foedus geregelt wurden (so H. SIBER, Römisches Verfassungsrecht, 1952, S. 50), oder ob sie schon im Gründungsstatus festgelegt waren (K. J. BELOCH, Rom. Gesch. S. 195: „eine colonia foederata wäre eine staatsrechtliche Ungeheuerlichkeit". Ebenso U. VON LÜBTOW, a.a.O. S. 646, Α. Ν.
SHERWIN-WHITE, a.a.O. S. 52, FR. DE MARTINO, a.a.O. S. 85, W. KUNKEL, a.a.O. S.43).
Für den Abschluß eines foedus spricht die Tatsache, daß die Kolonien wie die italischen socii zur Militärhilfe verpflichtet waren, die den letzteren auf Grund eines foedus auferlegt worden war. Dieser Gleichsetzung entspricht die Terminologie des Livius, der den Begriff socii nominis Latini auch auf die Latiner allein anwendet (TH. MOMMSEN,
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Italiker,
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der
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Wehrgenossenschaft Mehrheit
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nach 338.20 Ihr Verhältniss zu Rom war völkerrechtlich und durch einen ewigen Bundesgenossenschaftsvertrag geregelt, der als foedus aequum oder iniquum stilisirt
sein könnte. 2 1 Beherrscht w a r dieses Verhältnis durch den Gedanken der
RStR. III, S. 636 ff.), ohne daß eine Untersdieidung zwischen föderierten Latinern und latinischen Kolonien, die ja den weitaus größten Teil der Latinerstädte ausmachen, kenntlich gemacht wird. Ebenso wird in der Lex Acilia repetund. (CIL I 2 , 583, Z. 1) der Terminus socius für alle italischen Bundesgenossen gebraucht. Schließlich antwortet Cicero (pro. Balb. 21, 48) auf die von ihm selbst gestellte Frage, numquis eorum qui de foederatis civitatihus esset civitate donatus, in iudicium est vocatus?, mit der Darlegung eines Prozesses gegen einen Bürger aus der 241 v. Chr. gegründeten latinischen Kolonie Spoletium (Liv. per. 20), d. h. er sieht den Rechtsstatus dieser Kolonie durch ein foedus gegründet. Wenig später stellt er in derselben Rede die Latiner als exemplarische socii vor: LatiniSy id est foederatis (24, 54). 20 Eine Zusammenstellung gibt K. J. BELOCH, Der it. Bd. S. 38 ff., Rom. Gesch. S. 618 ff. Vgl. zum Folgenden J. MARQUARDT, RStV I 2 , S. 389 ff., T H . MOMMSEN, RStR. III, S. 607 ff., H. HÖRN, Foederati, S. 82 ff., P. FRACCARO, L'organizzazione politica dell* Italia romana, Atti del Congresso internazionale di diritto romano, Pavia-Roma 1934, 1, S. 195 ff., Α. Ν . SHERWIN-WHITE, a.a.O. S. 112ff., J. GÖHLER, Rom und Italien, S. 31 ff., U. VON LÜBTOV, a.a.O. S. 641 ff. (mit weit. Lit. Anm. 29), E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 25ff., H. TRIEPEL, Die Hegemonie, 1938, S. 455ff., FR. DE MARTINO, a. a. O. S. 93 ff., A. J. TOYNBEE I, S. 258 ff. 21
Der Regelfall scheint der Abschluß eines foedus aequum gewesen zu sein, das vor allem den Stämmen und Städten gewährt wurde, die sich mehr oder minder freiwillig oder auf Grund der deditio Rom angeschlossen haben. So berichtet Liv. 28, 45, 20 (vgl. 9, 36, 8), daß die umbrischen Camertes cum aequo foedere cum Romanis essent. Cic. pro Balb. 46: cum Camertinum foedus omnium foederum sanctissimum atque aequisissimum sciret esse. Von Neapel sagt Cicero (pro Balb. 21), daß es bei der Verleihung des römischen Bürgerrechtes an die italischen Bundesgenossen (ähnlich wie Herakleia, das aequisissimo iure ac foedere gewesen sein soll: Cic. pro Archia 6) nur widerstrebend auf die ihm bisher zugestandenen Rechte verzichtet habe - ein Beweis, wie günstig die Bedingungen des foedus gewesen sein müssen (gegen die Ansicht K. J. BELOCHS, Der it. Bd., S. 198, Neapel habe ein foedus iniquum besessen, vgl. H. HÖRN, Foederati, S. 84). Der Abschluß eines foedus iniquum ist uns zweifelsfrei nur für die apulischen Teaten 317 v. Chr. berichtet (Liv. 9, 20, 8: neque ut aequo tarnen foederey sed ut in dicione populi Romani essent), er muß aber auch für den römisch-latinischen Bündnisvertrag vom Jahre 358 V. Chr. postuliert werden: F. ALTHEIM, Rom. Gesch. II, 1953, S. 380, J. VOGT, Rom. Gesch. I4, 1959, S. 59 f., R. PARIBENI, Storia di Roma, 1954, S. 195, H. BENGTSONR. WERNER, Staatsverträge II, Nr. 302, S. 270 f., R. WERNER, Der Beginn d. röm. Rep.,
S. 357 f.; 456 Anm. 1. Die von der annalistischen Tradition aus der Königszeit seit Tullus Hostilius berichteten foedera iniqua Roms mit den Latinern erweisen sich zwar alle als Doubletten des Vertrages von 358 (R. WERNER, a.a.O. S. 372f.), setzen jedoch voraus, daß den Römern zur Zeit der italischen Expansion dieses Vertragsinstrument durchaus geläufig war. Die Zweifel E. BADIANS (a. a. O. S. 26 ff.) an dem Gebrauch auch des foedus
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen u
jienpolitik
Wehrgemeinschaft: N e b e n den römischen Bürgerheeren bildeten die Kontingente dieser socii das militärische Kräftereservoir, das R o m seine auswärtigen Kriege ermöglichen sollte und auch tatsächlich ermöglicht hat. 22 So bestand der entscheidende Inhalt des foedus
in der Festsetzung der zu leistenden Militärhilfe, die
stets eine unbedingte war und bei einem Defensivkrieg nach Anforderung geleistet werden mußte. 2 3 D i e H ö h e der zu leistenden Hilfe war vertragsmäßig ver-
iniquum in dieser Zeit sind daher vor diesem Quellenhintergrund nicht recht verständlich. Der Gebrauch des Begriffes foedus iniquum ist uns zwar nur einmal belegt (Liv. 35, 46, 10) und dort nicht unbedingt als Terminus technicus. Das erklärt sich jedoch unschwer aus dem unangenehmen Beigeschmack, den dieser Begriff im diplomatischen Gebrauch haben mußte und daher seine Verwendung in der offiziellen römischen Amtssprache, wie erst recht in der römischen Geschichtsschreibung, die die Größe Roms mit seinem Großmut identifizierte (vgl. dazu S. 168 f.), tunlichst auf ein Minimum beschränkte. Gegen die Tatsache von abgeschlossenen Bündnissen zu ungleichem Recht sagt das nichts. Schon die häufige Betonung eines foedus aequum in dieser Zeit der römischen Expansion fordert ein weniger günstiges Vertragsverhältnis, da sonst die besondere Betonung des aequum vor dem fehlenden Hintergrund des iniquum ihren Sinn verlöre. Eine genaue Betrachtung der römischen Expansion in Italien rechtfertigt m. E. folgenden Schluß: Auf den Abschluß eines foedus iniquum mit wesentlich eingeschränkten Hoheitsrechten des Vertragspartners wurde in dem Fall bestanden, in dem die politische Situation, die militärgeographisch exponierte Stellung des Bündners oder seine unzuverlässige Haltung eine strengere Betonung der römischen Herrschaft als einen Akt vernünftiger Fürsorge erscheinen lassen mußten. In jedem anderen Fall war die Gewährung eines foedus aequum ein Akt politischer Klugheit, da die drückende Überlegenheit Roms dem einzelnen Bündner sowieso nur eine außenpolitische Spielart übrig ließ, nämlich die römische. 22
So setzten sich die römischen Heere meist zur Hälfte aus Römern, zur anderen Hälfte aus bundesgenössisdien Italikern zusammen: των δέ συμμάχων τό μέν των πεζών πλήθος πάρισον ποιοΰσι τοις 'Ρωμαικοΐς στρατοπέδοις, τό δέ των ιππέων ώς έπ'ιπαν τριπλάσιον. (Polyb. 3» i Ι 2 )· Fine Aufstellung der militärischen Stärke der Wehrgemeinschaft gibt Polybios (2, 24, 3-16, aus Fabius Pictor: M. GELZER, Hermes 70 [1935] S. 273 f., F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. I, 1957, S. 196fr.) zum Keltenkrieg von 225/22. Vgl. dazu K. J. BELOCH, Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt, 1886, S. 364 ff., J. MARQUARDT, RStV II 2 , S. 393 ff., T H . MOMMSEN, RF II, S. 382 ff., A. AFZE-
LIUS, Die römische Eroberung Italiens, S. 98 ff., A. J. TOYNBEE I, S. 479 ff. Daß dieses Kräfteverhältnis zwischen Römern und socii auch in der Zeit der Welteroberung so geblieben ist und sich nicht zuungunsten der socii verschlechtert hat, beweist A. AFZELIUS, Die römische Kriegsmacht während der Auseinandersetzung mit den hellenistischen Großmächten, Acta Jutlandica 16, 2, 1944. 23 Ich gehe von dem Charakter der Bundesgenossenverträge aus, wie sie uns inschriftlich aus dem zweiten Jahrhundert mit nichtitalischen Staaten erhalten sind. Vorbild war sicher das foedus Cassianum, das in seinen wesentlichen Teilen diesen inschriftlich erhaltenen Verträgen entspricht (K. J. BELOCH, Der it. Bd., S. 194 ff., E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 24 und Anm. D, S. 291 f.). Die Klausel der Allianzbestimmung, nach der ein Bündner zu gleichem Recht nur in einem Verteidigungskrieg Roms Partei zu ergreifen
Die Organisation Italiens
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einbart und konnte aus der formula togatorum, einem militärischen Bundesmatrikel, abgelesen werden.24 Ausrüstung, Aushebung und Besoldung der Kontingente blieb den Bündnern selbst überlassen, wie es mit dem Wesen völkerrechtlicher Souveränität grundsätzlich nicht anders zu vereinbaren war. Rom JiaLdiese^Auionpmie^y Zeit, jederzeit respektiert und auch dbim^^ls seine Überle erlaubt hätte, eine bemerkenswerte Zurückhaltung bewahrt. Senatsbeschlüsse und magistratische Erlasse, die sich auch auf die socii bezogen, wurden diesen in der äußeren Form der Bitte ujn D u n M ü ^ Beispiele einer offensichtlichen Autonomieverletzung und unrechtmäßiger_,Übergriffe römischer Beamter bestätigen recht eigentlich diese Regel.25 Die, widerstrebende Haltung Neapels, und Herakleias bei der; J ^ e r i d l u i ^ 53?r.y ? ^ ihre Rechte als foederierte Gemeinden zu verzichten^ _ mag als.BeispjeLiür die im Grunde immer unangetastet gebliebene innere AutonomieAer..&ncii gpniigen.2« sie der Was nun die Souveränität der .Bündner jn^ Status^^ ein^|^p^|/^tf£gwmivoraussetzt, betrifft, so wurde sie durch die Entstehung d P.S. Verbal tnjsses, durch die his tonsche Entwicklung und durch das Eingebettetsein des einzelnen Föderierten in die römische W^hrgemeinschaft so weitgehend eingeschränkt, daß jede politische Entscheidung von Rom allein ohne vor-
brauchte, ist praktisch von keiner Bedeutung, da das Fetialrecht Rom nur das Führen von Defensivkriegen gestattete. 24 Liv. 22, 57, io. 27, 9, 3. Lex agraria, CIL I2, 585, Z. 21. Vgl. J. MARQUARDT, RStV 2 II , S. 389ff. (in extenso), H. TRIEPEL, a.a.O., S. 461 f., J. GÖHLER, Rom und Italien, S. 31 f.; 44ff., A. J. TOYNBEE I, S. 424ff. Die Theorie TH. MOMMSENS, daß die unteritalischen Griechenstädte als socii navales einen Spezialstatus erhalten hätten, der minderwertiger als der der italischen socii gewesen wäre, hat H. HÖRN, Foederati, S. 83 ff. mit Recht zurückgewiesen. Ihre Rechtsstellung beruhte ebenso wie die der anderen togati auf dem foedus (Cic. pro Balb. 55), und ihr besonderer Aufgabenbereich innerhalb der Wehrgemeinschaft blieb ohne Einfluß auf ihre Rechtsstellung. Vgl. auch E. BADIAN, a.a.O. 25 Eingriffe der römischen Gesetzgebung in die Autonomie der bundesgenössischen Städte sind nur seit dem Beginn des zweiten Jhdts. bekannt, und auch hier handelt es sich nur um drei Fälle, die zudem für die Bundesgenossen weitgehend von Vorteil waren: J. GÖHLER, a.a.O. S. 53ff. Wesentlich schwerer wogen dagegen Übergriffe römischer Beamter (vgl. z. B. C. Gracchus, frg. 48, MALCOVATI ORF2, S. 191 f. und im übrigen J. GÖHLER, a.a.O. S. 59ff., G. DE SANCTIS, Storia dei Romani IV 1, S. 564ff.), und vor allem sie haben wesentlich zur wachsenden Verbitterung der italischen socii beigetragen; E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 148 f. 26
Cic. pro Balb. 21. TH. MOMMSEN, RStR III, S. 686 ff., W. HOFFMANN, Rom und die
griechische Welt, S. 36ff. Vgl. Liv. 9, 43, 23; 45, 7. 23, 20, 2. 26, 24, 3: ... ut socii esse quam cives mallent.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
herjgej^nsultatipn der Vertragspartner gefällt wurde^J J)er Begründung des Sß^ej;ä^Yerhältnisses ging in den meistenFälleneinWaffengang voraus, der mit der pedition oder mit der Eroberung des Gegners endete. Wurde das ausgelöschte Gemeinwesen zwar als solches wiederhergestellt und zum Vertrag zugelassen, so mußte es sich jedoch bedeutende Gebietsverluste gefallen lassen, die nicht nur die soziale Existenz der Betroffenen minderten, sondern auch die früher bestehende politische Organisation - das trifft vor allem für Stammesverbände zu - sinnlos werden ließ.28 Die so dezimierte Gemeinde sah sich auf Grund des ewigen Bundesgenossenschaftsvertrages eingespannt in die oft Jahr für Jahr geführten Kriege Roms, die die römische Überlegenheit immer selbstverständlicher machten und die Foederierten mit einem lückenlosen Kranz von ebenso foederierten Gemeinden mit denselben Aufgaben und Pflichten umgaben. Hinzu kam, daß die Stellung der Foederierten nach der Art des abgeschlossenen Vertrages durchaus nicht gleich war und zudem auf grundverschiedenen rechtlichen und historischen Voraussetzungen beruhen konnte: So waren die Kolonien latinischen Rechtes nur nach ihrem völkerrechtlichen Status socii, politisch bildeten sie eine Kategorie für sich, da sie auf dem konfiszierten Boden der Bündner angesiedelt waren und wie alle Latiner, die seit der Auflösung des latinischen Bundes noch im Bundesverhältnis zu Rom standen,20 von Rom bestimmte Sonderrechte zugebilligt bekamen. Diese Sonderrechte waren nicht Inhalt des abgeschlossenen foedus, sondern bestanden entweder gewohnheitsrechtlich oder gründeten sich - das ist uns im Falle des commercium ausdrücklich bezeugt (R. WERNER, a.a.O. S. 451 ff.) auf das sog. foedus Cassianum als den ältesten Vertrag zwischen Rom und Latium.30 Es leuchtet ein, daß unter diesen Voraussetzungen eine einheitliche Front27
Ein kurzer Blick auf die erhaltenen Verträge bietet dafür das beste Anschauungsmaterial: Die beiden ersten Karthagerverträge (Polyb. 3, 22, 4; 24, 3) sowie der römisch-aitolische Vertrag von 212 v. Chr. (Liv. 26, 24, 12) sind die einzigen von Rom gesdilossenen Verträge, die neben Rom die italischen Bundesgenossen als Vertragspartner aufführen. Beide Verträge sind nach punischem bzw. griechischem Vertragsformular geschlossen, so daß die Bündner in den Einleitungsformalien auf römischer Seite wohl deshalb erwähnt werden, weil sie auf karthagischer wie aitolischer Seite aufgeführt werden mußten. In der Sache dokumentiert sich damit also keine weitgehende Selbständigkeit der italischen socii. In den von Rom diktierten Verträgen sind diese socii entsprechend ihrer Bedeutungslosigkeit für den Ablauf der römischen Außenpolitik in keinem Fall zu finden. 28 Vgl. A. HEUSS, Römische Geschichte2, 1964, S. 62. 29
30
K. J. BELOCH, Der it. Bd. S. 170 ff.
Worin diese-Sonderrechte bestanden haben, läßt sich mit letzter Sicherheit nicht mehr feststellen. Es ist dies die logische Konsequenz aus der Tatsache, daß auch die Latiner als socii und wie diese außerhalb des Geltungsbereiches römischer Gesetze stehende Peregrine sind. Folgendes läßt sich jedoch sagen: Jeder Latiner hatte bei seinem Aufent-
Die Organisation Italiens
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Stellung der socii gegen die Vormacht Rom oder überhaupt ein bundesstaatliches Bewußtsein gar nicht erst aufkommen konnte: Das einzige Element, das allen socii gemeinsam war, bestand in der Bundespflicht gegen Rom. Trotzdem liegt es auf der Hand, daß sich aus den endlosen gemeinsam geführten Kriegen der Wehrgemeinschaft so etwas wie ein Gemeinbewußtsein heraushalt in Rom das Recht, in den Komitien mit abzustimmen. Zu diesem Zweck mußte vor jeder Abstimmung in Rom eine Tribus ausgelost werden, in der die Latiner stimmen durften: Liv. 25, 3, 16. App. b. c. 1, 23 (dieses Recht blieb den latinischen Kolonien auch in der Kaiserzeit: lex municipii Flavii Malacitani 53, CIL II, 1964). Ferner waren die Bürger der latinischen Städte privatrechtlich dem römischen Bürger gleichgestellt (W. KUNKEL, a.a.O. S. 43, M. KÄSER, Das römische Privatrecht I, HdAW III 3, 1, 1955, S. 26 ff.). Schließlich war es alleiniges Vorrecht der Latiner, durch die Übersiedlung nach Rom das römische Bürgerrecht zu erwerben, wobei^ sie ihr ursprüngliches Bürgerrecht ve^o^ejni;jCic. j^roJBalbL \\xi%yduarum noster esse iure civili nemo potest 3» 4 ff. (dazu H. D. MEYER, Cicero wod i}aj^£ich^_^ 42, ίο, λ. ΤΗ. MQMMSEN. RStR IIL S. 6viff._(hiex zweigt ..sich der grundlegende Unter-· schied zur Ισοπολιτεία im griechischen Staatsrecht, Cic. pro Balb. 12,3o). Begreiflicherweise machten die Latiner von diesem Recht ausgiebig Gebrauch, so daß ein vor 176 v. Chr. gefaßter Volksbeschluß den Übertritt nur unter der Voraussetzung gewährte, daß sie s.lirJ>em ex sese domi relinquerent (Liv. 41, 8, 9). Das Gesetz betraf vor allem die latinischenKolonien und scheint den Zweck gehabt zu haben, die Kolonialbevölkerung zu erhalten. Als auch dies nffi*? fruchtete, wurde jede Übersiedlung durch die Lex Licinia Mjtcia de civibus redigundis überhaupt verboten (95 v. Chr.: Cic. pro Balb. 24. pro Sest. 13. Brut. 63. TH. MoMMSEN, RStR III, S. 639, E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 214; 297). Ersetzt wurde die Einschränkung bzw. der Wegfall dieses Ubersiedlungsremtes durch die Bestimmung, daß gewesene Magistrate latinischer Gemeinden automatisch römische Bürger wurden, ohne ihre Heimat verlassen zu müssen (spätestens seit 123 v. Chr., da in der in diesem Jahr erlassenen lex Acilia der erste Beleg dafür zu finden ist: CIL I2, 583, Z. 78. L. Ross TAYLOR, The Voting Districts of theRomanRepublic, i960, S. 108 f.). Alle anderen Rechte scheinen auch den italischen socii zugängig gewesen zu sein, der Unterschied besteht hier nur in der Häufigkeit der Anwendung, so daß sich hier zwar kein grundsätzlicher Rechtsunterschied ergibt, wohl aber ein Unterschied in der Behandlungsweise: conubium und commercium war Italikern wie Latinern je nach der römischen Entscheidung zugängig: conubium habent cives Romani cum civibus Romanis, cum Latinis autem et peregrinis ita, si concessum sit (Ulpian 5, 4). Vgl. J. GÖHLER, a.a.O. S. 11 ff., K. J. BELOCH, Der it. Bd. S. 153. Wir dürfen jedoch annehmen, daß beides keiner latinischen Stadt mit Ausnahme der zwischen 268-171 v. Chr. gegründeten XII coloniae verweigert wurde. Ebenso konnten Latiner wie Italiker neben römischen Bürgern zu coloniae civium Romanorum und coloniae Latinorum zugelassen werden (Liv. 42, 4, 4. Serv/ad Verg. Aen. 1, 12. E. KORNEMANN, RE 4 [1900] Sp. 572 s. v. Coloniae), doch liegt es in der Natur der Sache, daß auch hierbei die Latiner bevorzugt behandelt wurden. Vgl. STEINWENTER, RE 10 (1917) Sp. 1260 ff. s. v. Ins Latii, TH. MOMMSEN, RStR III, S. 627ff., Α. Ν. SHERWIN-WHITE, a.a.O. S. 91 ff.; 103fr., FR. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 64 ff., R. WERNER, Der Beginn der röm. Rep. S. 451 ff.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
bildete, obwohl die rechtliche Struktur der Wehrgemeinschaft Rom allein als den Mittelpunkt der gemeinsamen Sache zuließ. Zum äußeren Zeichen dieser Gemeinsamkeit wurde einmal die Toga, so daß die Italiker oft auch als togati bezeichnet wurden, zum anderen der Name Italia, der zunächst nur das oskisch-griechische Gebiet im Süden der Halbinsel bezeichnete und nach ihrer Konsolidierung auf die ganze italische Wehrgemeinschaft übertragen wurde.31 Vor allem dem Ausland mußte sich eine allen Italikern gemeinsame Bezeichnung aufdrängen, waren sie es doch, die nicht nur jede Mühe und Gefahr mit Rom ertrugen, sondern im Verein mit diesem auch die^ eroberten Gebiete ausbeuteten. Zudem hatte jedes italische Gemeinwesen als socius Roms sein eigenstaatliches Profil verloren. Terminologisch wird diese Addition von verschiedenen Gliedern zu einer Wehrgemeinschaft offiziell ausgedrückt, indem zu den cives Romani die socii treten. Dabei werden die latinischen Bundesgenossen und die später als socii latinischen Rechtes anerkannten italischen Städte unter dem Sammelnamen nomen Latinum zusammengefaßt: socii nominisve Latini, quibus ex formula togatorum milites in terra Italia imperare solent.*2 81
F. Klingner, Italien. Name, Begriff und Idee im Altertum, in: Römisdie Geisteswelt4, 1961, S. 11 ff. Dieser Begriff Italien, der in der offiziellen Terminologie nie vorkommt, da die Sache de iure nicht bestand, umfaßte bis Caesar das Gebiet der Halbinsel von ihrer Südspitze bis Pisa und Ancona. Als in unserem Zusammenhang bedeutsam gilt es festzuhalten, daß es während der Zeit zwischen 264 und 89 v. Chr. keine entscheidende Änderung der rechtlidien Struktur der italischen Wehrgenossenschaft gegeben hat, sidi aber trotzdem auf Grund des gemeinsamen Handelns ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt hat, das Italien als festgefügte Interessengemeinschaft dem außeritalischen Ausland gegenüber stellte. - Neben diesen Begriff Italien, der aus dem gemeinsamen Handeln entwickelt worden war, wurde der Name Italia spätestens seit Ende des Zweiten Punischen Krieges auch als geographischer Terminus gebraucht, der das Land bis zu den Alpen umfaßte: Polyb. 1, 6; 13; 2, 14. F. KLINGNER, a.a.O. S. 17f. 32 Lex agraria, CIL I2, 585, Z. 21 und jo. SC de Baccbanalibus: nequis ceivis Romanus neve nominus Latini neve socium quisquam (CIL I2, 581, Z. 7f.). Ebenso deutlich wird die Tatsache, daß das Sozietätsverhältnis durch ein foedus begründet wird: Im SC de Bacchan., Z. 2 werden die socii als foederati bezeichnet. Die völkerrechtliche Stellung beweist die Lex agraria, Z. 29f.: Quod... (ceivi) Romano facere licebit, item Latino peregrinoque. Schließlich ist man sich der grundsätzlichen rechtlichen Gleichheit zwischen italischen socii und Latini durchaus bewußt: In der Lex Acilia repetundarum (CIL I2, 583, Z. 1) wird der Terminus socius als offizieller Ausdruck für alle italischen Bundesgenossen im Gegensatz zu den exterae nationes gebraucht, ebenso werden bei Liv. 22, 52, 3 und 58, 2 nur cives Romani und socii gegenübergestellt. Cicero (pro Balb. 24, 54) nimmt in seiner Auseinandersetzung über das Recht der föderierten Gemeinden die Latiner als Beispiel: Latinis, id est foederatis. Livius gebraucht den Terminus socii Latini nominis auch für die Latiner allein: legatis deinde sociorum Latini nominis, qui toto undique ex Latio frequentes convenerant (39, 3, 4. Vgl. TH. MOMMSEN, RStR III, S. 636 ff.). Der sachlich wohl treffendste Ausdruck, homines nominis Latini ac socii
Umfang un^. Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
ϊ2$
Zusammengefaßt ergibt sich damit folgendes Bild der römischen Wehrgemeinschaft, wie sie sich zu Beginn des Ersten Punischen Krieges konsolidiert hatte: Der beherrschende Gedanke der Wehrgenossenschaft prägte jeden Stein des staatsrechtlichen Aufbaus. Neben den römischen Bürgergebieten, deren heterogener Aufbau den Dienst in den römischen Legionen als eine allen Gemeinden gemeinsame Pflicht nicht berührte,83 standen die föderierten Gemeinden, die, gleichgültig ob Latiner oder Italiker, auf Grund der formula tpgatprwn jährlich ihre Truppen zu stellen hatten. Die begünstigte Stellung der Latiner, so wesentliche YjSiMJgl|g^P^barg v hörte in diesem Fall auf. Staatsrechtlich war dieses Gebilde also kein Bund mit einer fest umrissenen. Aufgabenteilung unter den einzelnen Mitgliedern. spjidejrn eine Addition von rechtlich untereinander unabhängigen Gliedern der Wehrgemeinschaft, deren, einzigeJSemeinsamkeitin der unbedingten militärischen Verpflichtung gegenüber Rom^bestand. Gerade dieses Eingespanntsein in die Kriege Roms auf Grund eines ewigen Bundesgenossenschaftsvertrages, eine Stellung, die sich nicht zufällig ergab, sondern Sinn und Zweck ihrer Einrichtung wak-hföchmttjdie Autonomie der sociim so entscheidender Weise, daß die^FührungderAußenpolitik allein auf die Vormacht Rom überging. TH. MOMMSEN hatte im juristisch-technischen Sinne unrecht, als er in seinem Staatsrecht die italischen socii zu den „autonomen Untertanen" zählte, in der historischen Realität lief es genau auf diese Stellung hinaus.
2. Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen der römischen Republik zu außeritalischen Staaten von den Anfängen bis zum Ersten Makedonischen Krieg
a) Bundesgenössische Beziehungen i. Der Vertrag mit Alexander von Epirus 333/32 v. Chr. Den ersten Bundesgenossenschaftsvertrag schloß Rom mit einer griechischen Macht, und zwar mit Italici (Sali. Jug. 40) ist dem offiziellen Sprachgebraudi fremd, da es im Rechtssinn kein Italien gab. Eine terminologische Zusammenstellung gibt TH.MOMMSEN, RStRII, S.661 f. und WEISSENBORN ZU Liv. 22, 50, 6. Vgl. auch P. CATALANO, Linee del sistema sovrannazionale romano I, 1965, S. 283 ff. 83 Das gilt natürlich audi für die civitates sine suftragio: TH. MOMMSEN, RStR III, S. 586 f. Festus s. v. municipes p. 131: in legione merehant. Polyb. 2, 24, 14 faßt in seiner Übersidit über die militärische Stärke der Wehrgemeinschaft die Kampaner und Römer zusammen, während er die Latiner richtig zu den socii zählt.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen u. ^enpolitik
Alexander von Epirus, dem Sohn des Molosserkönigs Neoptolemos. Jener war im Jahr 334 v. Chr. nach Unteritalien mit einer ansehnlichen Streitmacht gekommen, als ihn die von den Lukanern, Bruttiern und Messapiern hart bedrängten Tarentiner zu Hilfe gerufen hatten. Anstatt sich jedoch mit der ihm gestellten Aufgabe zufrieden zu geben, versuchte er in Unteritalien ein eigenes Reich aufzurichten, wobei ihm die Taten seines großen Schwagers Alexander des Großen zum Vorbild gedient haben werden. Sein Versuch scheiterte, als die Tarentiner seine wahren Ziele durchschauten und sich gegen ihn stellten. Als er in dem darauf ausgebrochenen Zweifrontenkrieg gegen die italischen Völker zog, fiel er in der Schlacht bei Pandosia durch Mörderhand (Winter 33i/o). 1 Der Inhalt des Vertrages, den er mit Rom schloß, ist uns nicht überliefert, und die von Livius und lustinus verwandten Termini pax und foedus amicitiaque verraten uns nur die Tatsache eines Vertrages, nicht die Form, in der er abgeschlossen wurde. Die historische Situation vermag nun wenigstens in Umrissen deutlich zu machen, wie der Vertrag stilisiert gewesen sein muß. Ausgangspunkt der militärischen Operationen des epirotischen Königs war die Frontstellung gegen die Lukaner, deren Heere trotz samnitischer Unterstützung geschlagen wurden und dem König den Weg bis Paestum freigeben mußten. Hier stieß Alexander mit den Römern zusammen, deren Interessen nach der Besitzergreifung Capuas und Kymes 338 v. Chr. zum ersten Mal auch einen Teil Unteritaliens umfaßten und die dadurch gleichzeitig in Gegensatz zu den Samniten geraten waren, die ihrerseits ebenfalls Kampanien zum Ziel ihrer Politik gemacht hatten.2 Aus diesem Ge^ensatzzu den Samniten, der Alexander wie Rom aus verschiedenen Gründen gemeinsam war, resultiert die Basis des Vertragsabschlusses, die wiederum den Inhalt des Vertrages bestimmt haben muß. Demnach kann es sich nur um einen Bundesgenossenvertrag gehandelt haben, dessen vornehmlicher Inhalt die zweiseitige Allianzbestimmung gegen die Samniten gewesen sein muß, da es andere politische Berührungsflächen zwischen beiden Kontrahenten nicht gab. Das beweist die Tatsache, daß nach dem frühen Tod des Königs dieser erste Kontakt auch nicht zu dem leisesten Ansatz einer politischen Verknüpfung mittel- und unteritalischer Interessen geführt hat. Dieser Schluß legt einen weiteren nahe: Höchstwahrscheinlich war die geschlossene Symmachie von vornherein als eine 1
Unsere Quellen sind Liv. 8, 3, 6; 17, 9; 24, 1 ff. Justin. 12, 2, 1-15. Gell. noct.Att. 17,
21. Vgl. KAERST, RE 1 (1893) Sp. 1409 ff. s. v. Alexander Nr. 6, G. DE SANCTIS,
Storia dei Romani II2, S. 278 ff., K. J. BELOCH, Gr. Gesch. III2 1, S. 596 ff., H. BERVE, Das Alexanderreidi auf prosopographischer Grundlage II, 1926, S. 19 ff. und vor allem W. HOFFMANN, .Rom und die griechische "Welt im vierten Jahrhundert, Philologus Suppl. 27, H. 1, 1934, S. 17 ff., dessen Beurteilung der historischen Ereignisse im folgenden zugrunde gelegt wird. 2 So schon W. IHNE, Römische Geschichte I2, 1893, S. 359.
Umfang .
Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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zeitlich befristete gedacht, die mit der Erfüllung des formulierten Kriegszieles ihr Ende gefunden hätte. Darauf weist auch die Tatsache hin, daß die Initiative des Zusammenschlusses von Alexander ausging, dem gewiß an einer ewigen Bundesgenossenschaft mit Rom nichts gelegen haben dürfte. Der ruhmlose Tod des Königs verwehrt uns freilich jeden sicheren Schluß auf seine politischen Pläne und damit auf den genauen Inhalt des mit Rom abgeschlossenen Vertrages. 2. Der Vertrag mit Hieron IL von Syrakus 263 und 248 v. Chr. Im Winter des Jahres 263/2 schloß Hieron II. einen Friedens- und Bundesgenossenschaftsvertrag mit Rom. Die Vorgeschichte des Vertragsabschlusses wie der erhaltene Inhalt des Vertrages zeigen, daß das politische Übergewicht hier auf römischer Seite lag. - Nach der Landung der römischen Konsuln M\ Valerius Maximus, der den Siegerbeinamen Messalla erhielt, und M\ Otacilius Crassus in Messana im Frühsommer 263 3 konzentrierten sich die römischen Operationen auf die Unterwerfung Hierons, da kein karthagisches Heer in Sizilien erschien. Dem Vormarsch beider konsularischer Heere auf Syrakus stellte sich kein ernster Widerstand entgegen, Hadranon, Alaisa, Kentoripa, Katane, Kamarina und Enna wurden erobert oder dedierten sich, so daß der Einschluß von Syrakus selbst noch im Frühherbst erfolgt sein muß. In diesem Moment sah Hieron den geeigneten Zeitpunkt gekommen, um das wenig populäre Bündnis mit den Karthagern (Diod. 23, 1, 2) zu brechen und seinen Frieden mit Rom zu machen, dessen gesteigerte Aktivität im zweiten Kriegsjahr ebenso wie die Passivität seines karthagischen Bundesgenossen ihn endgültig davon überzeugt haben müssen, daß eine Weiterführung des Krieges um Messana - denn um das allein ging es Hieron - sinnlos geworden war. 4 Der von Hieron gemachte Friedensvorschlag mußte bei der gegebenen militärischen Konstellation von vornherein auf fruchtbaren Boden fallen. Wie Polybios (1, 16, 6 ff.) berichtet, waren es vor allem Nachschubschwierigkeiten, die Rom auf Grund der unangetasteten Seeherrschaft Karthagos aus eigener Kraft nicht beheben konnte und die eine Anlehnung an Syrakus erstrebenswert machten. Hinzu kam die allgemeine Erwägung, daß man es lieber mit einem Feind als mit 8
Zur Chronologie des Krieges jetzt eingehend R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 62 ff., wo auch die Ansicht K. J. BELOCHS, Griech. Gesch. IV2 2, S. 256ff., daß der römische Kalender in dieser Zeit um ein bis zwei Monate hinter dem julianischen zurückblieb, widerlegt ist (gegen K. J. BELOCH vgl. schon G. DE SANCTIS, Storia dei Romani III 1, S. 254, F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. I, S. 70). 4 Eine eingehende quellenkritische Schilderung der Ereignisse jetzt bei H. BERVE, König Hieron IL, SB Bayr. Ak. Wiss., philos.-hist. K1.,N.F. Heft 47, München 1959, S. 33 ff., V. LA BUA, Filino-Polibio, Sileno-Diodoro, il problema delle fonti dalla morte di Agatocle alla guerra mercenaria in Africa, 1966, S. 39 ff.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen A>.t ^npolitik
zwei auf Sizilien zu tun haben'wollte. 5 Beide Gründe bestimmten den endgültigen Inhalt des Friedensvertrages ebenso wie den mit dem Friedensschluß gekoppelten Bundesgenossenvertrag.6 Die Bedingungen, unter denen der Friede zustande kam, basierten auf dem durch den bisherigen Kriegsverlauf hergestellten Status quo und bedeuteten weitgehende Zugeständnisse des Hieron. Polybios (aus Fabius Pictor 7 ), der die mit beiden Konsuln abgeschlossenen Präliminarien und ihre Annahme ohne durchaus mögliche Zusätze oder Modifikationen durch die Komitien in Rom tradiert, sowie Diodor, dessen Bericht über die vorliegende Stufe der Vertragsbildung keinen Schluß zuläßt, überliefern die beiden entscheidenden Vertragsartikel:8 I. Festsetzung der Landesgrenzen des hieronischen Reiches: Hieron verzichtet auf alle von den Römern eroberten oder durch Dedition gewonnenen Gebiete. Sein Reich beschränkte sich damit auf die Südostecke Siziliens von der Symaithosmündung bis zum Kap Pachynon mit den Städten Akrai, Leontinoi, Megara, Heloros, Neaiton: . . . κυριεύειν Συρακοσίων και των ύπ'αύτόν πόλεων, 'Ακρών, Λεοντίνων, Μεγαρέων, Αιλώρων, Νεαιτίνων, Ταυρομενίων.0 II. Bestimmung zur Liquidation des Krieges: a) Herausgabe der Kriegsgefan genen ohne Lösegeld, b) Festsetzung der zu leistenden Kriegsentschädigung: ποιησάμενοι δε συνθήκας έφ'φ τα μεν αιχμάλωτα χωρίς λύτρων άποδοΰναι τον βασιλέα Τωμαιοις, αργυρίου δε προσθεΐναι τάλαντα τούτοις εκατόν.10 5
Diod. 23, 4> ι· Unsere Quellen sind Polyb. 1, ι6, 9; 17, 1. Diod. 23, 4, 1. Liv. per. 16. Oros. 4, 7, 3. Eutrop. 2, 19. Zonar. 8, 9, 11. Pausan. 6, 12, 3. Cass. Dio. frg. 43, 1 (Boiss.). App. Sic. 2, 2. Ined. Vatic. 4 (FGrHist 839). Vgl. audi Polyb. 1, 17, 6. 1, 83, 3. 7, 3, 1; 5, 1. Plut. Marceil. 8, 11. Liv. 22, 37, 4. 24, 4, 5; 28, 6; 6, 4. V. FERRENBACH, Die amici populi Romani republikanischer Zeit, Diss. Straßburg 1885, S. 19 f., E. TÄUBLER, Imp. e
Rom. S. 91 f., A. SCHENK GRAF VON STAUFFENBERG, König Hieron IL von Syrakus, 1933, S. 37 ff., B. NIESE, Gesdiidite II, S. 192 ff., T H . LENSCHAU, RE 8 (1913) Sp. 1503 ff. s. v. Hieron, H. BERVE, a. a. O. S. 3 5 ff. 7
P. BUNG, Q. Fabius Pictor, der erste römische Annalist, Diss. Köln 1950, S. 80ff., V. L A BUA, a. a. O. S. 41. 8 Die nicht rekonstruierbare endgültige Vertragsausfertigung muß von römischer Seite entweder auf sizilischem Boden von einem der beiden Konsuln, oder, was in dieser Zeit noch wahrscheinlicher ist, in Rom von den Fetialen beschworen worden sein, um völkerrechtliche Gültigkeit zu erlangen; vgl. Zonar. 8, 9, 11. 9 Diod. 23, 4, 1. H. BERVE, a.a.O. S. 36f. hat den Nachweis erbracht, daß Tauromenion nicht im Vertrag genannt worden sein kann. 10 Polyb. 1,16,9. Diod.23,4, ι: λαβόντες δραχμών ιέ μυριάδας,καΐ τους αιχμαλώτους άποδόντι... Demnach hätte Hieron also nur 25 Talente ( = 150.000 Drachmen) zu zah-
Umfang u,. Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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Mit dem Friedensvertrag gekoppelt war ein Bundesgenossenvertrag, dessen Bestimmungen uns nicht überliefert sind, ja die Tatsache seines Abschlusses überhaupt bedarf des Beweises, da die Terminologie unserer Quellen auch hier nicht einheitlich ist. So sprechen Livius und seine Ausschreiber von pax, Polybios sowie Diodor abwechselnd von φιλία, συμμαχία oder φιλία και συμμαχία, so daß sich die methodische Verpflichtung ergibt, aus dem Verlauf der Ereignisse die unterschiedliche Terminologie mit einem präzisen Inhalt zu füllen. Nach Polybios schickt Hieron Gesandte υπέρ ειρήνης και φιλίας zu den römischen Konsuln, was nicht notwendigerweise den Abschluß eines Bundesgenossenvertrages ausdrückt, sondern weit eher den Wunsch des Königs, nach dem Friedensvertrag freundschaftliche Beziehungen ohne weitere konkrete Verpflichtungen mit Rom aufrechtzuerhalten. Das allein kann auch nur den politischen Vorstellungen Hierons entsprochen haben, dem nichts daran gelegen gewesen sein kann, Rom bei der Gewinnung ganz Siziliens zu unterstützen.11 Dagegen sah die Vorstellung der römischen Seite ganz anders aus. Das Friedensangebot wurde vor allem akzeptiert, um dem chronischen Verpflegungsmangel der römischen Truppen abzuhelfen, was bei der Blockierung der römischen Nachschubverbindungen durch karthagische Flotten nur durch weitgehende Ernährung aus dem Lande, in dem man operierte, erfolgen konnte. Die Verpflichtung Hierons zur nachhaltigen Entlastung des römischen Nachschubes und damit der gesamten römischen Kriegführung12 war jedoch nur durch eine festere len gehabt, was sicher zu gering veranschlagt ist (nach Liv. per. 16 und ihm folgend Eutrop. 2, 19. Oros. 5, 7, 3 waren es sogar 200 Talente). Die Lösung des Widerspruchs zeigt ein Blick auf den Modus, nach dem die Kriegsentschädigung gewöhnlich zu zahlen war: Da die Höhe der festgesetzten Summen meist zu hoch war, um mit einem Mal bezahlt werden zu können, wurde bei Abschluß der Praeliminarien jeweils nur ein Teil der Summe bezahlt, während der Rest in Jahresraten abzuleisten war (Belege bei E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 35 u. 39, A. GRAF SCHENK VON STAUFFENBERG, Hieron S. 37
Anm.
32). Diodor muß also die nach Abschluß des Vertrages zu zahlende Summe mit der Gesamtsumme verwechselt haben. 11 So berichtet Polybios anläßlich der syrakusanischen Hilfe für das von seinen meuternden Söldnern umklammerte Karthago über das Motiv, das Hieron zum Einschreiten bewog: Ίέρων ... πεπεισμένος συμφέρειν έαυτφ και προς τήν έν Σικελία δυναστείαν και προς τήν 'Ρωμαίων φιλίαν τό σψζεσθαι Καρχηδονίους, ίνα μή παντάπασιν έξη τό προτεθέν άκονιτί συντελεΐσθαι τοΐς Ισχύουσι. (ι, 83, 3)· Polybios fügt mit bemerkenswerter Objektivität hinzu, daß dies vom Standpunkt des Königs aus eine sehr vernünftige Überlegung war. Dieses Urteil des Polybios hat seine Gültigkeit ebenso beim Abschluß des Friedensvertrages. 12 Diese spürbare Entlastung für Rom ist sofort nach der Ratifizierung des Vertrages eingetreten. Der Senat entschloß sich, in Zukunft nur noch zwei Legionen auf den sizilischen Kriegsschauplatz zu senden, wobei neben dem Wegfall des syrakusanischen Geg-
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Bindung zu erreichen als durch das konkret zu nichts verpflichtende Verhältnis der amicitia, zumal man in Rom keine Veranlassung haben konnte, etwaige diesbezügliche Versprechungen des Königs für bare Münze zu nehmen. Die Durchsetzung der römischen Konzeption kann bei der Verteilung der Machtverhältnisse keine Frage sein, so daß von dieser Seite der Abschluß eines Bundesgenossenvertrages die nächstliegende Lösung ist. Für diese Lösung sprechen nun aber auch weitere gewichtige Gründe: i. Polybios fährt nach der Festsetzung der Friedensbedingungen fort (i, 16, 9): λοιπόν ήδη'Ρωμαίοι μεν ως φίλοις και συμμάχοις έχρώντο τοις Συρακοσίοις. Die Formulierung φιλία και συμμαχία = amicitia et societas dient in den inschriftlich und literarisch überlieferten Bundesgenossenverträgen zur Bezeichnung des hergestellten bundesgenössischen Verhältnisses.13 2. Ein Vergleich mit den entsprechenden Berichten bei Diodor und Zonaras zeigt, daß Fabius Pictor nur die wichtigsten Punkte des Vertrages bringt und vielmehr Wert auf die χορηγίαι Hierons legt (Polyb. 1, 16, 6-8), worunter nur die Aufnahme in das Bundesgenossenverhältnis gemeint sein kann.14 3. Die für die römische Kriegführung eminent wichtige Hilfe Hierons wird im Verlauf des ganzen Krieges nachhaltig durch die Versorgung der römischen Truppen geleistet, ja man darf in Einzelfällen behaupten, daß ohne Hierons Getreidesendungen die römischen Legionen von vorneherein auf verlorenem Posten gestanden hätten.15 4. In den Augen der Karthager war Hieron zum Feind geworden, was er auf ners wiederum die Überlegung eine gewichtige Rolle spielte, daß die Verpflegung der römisdien Truppen durch Hieron gesichert sei: Polyb. 1, 17, 1 f. 13 Vgl. die Zusammenstellung bei E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 48 ff. und hier die Seiten 163 ff. 14
15
Vgl. P. BUNG, a.a.O. S. 81.
Der klarste Beweis dafür ist die Belagerung von Akragas 262 v. Chr. Ein aus Karthago gelandetes zweites Heer schnitt durch die Wegnahme von Herbessos die römischen Versorgungslinien ab und belagerte nun seinerseits die römischen Belagerungstruppen, so daß der fehlende Nachschub die Römer an eine Aufhebung der Belagerung denken ließ, die, wie man sich bei der beidseitigen Bedrohung durch die karthagische Besatzung in der Stadt und durch das Entlastungsheer vor dem römischen Belagerungsring unschwer vorstellen kann, einer Katastrophe gleich gekommen wäre. In dieser Situation war es allein den Anstrengungen Hierons zu danken, daß die Belagerung über weitere zwei Monate aufrechterhalten werden konnte und nach dem Abzug der Karthager zur Besetzung der Stadt führte (Polyb. 1, 18, 10-19. Zonar. 8, 10, 3. K. J. BELOCH, Griech. Geschichte IV2, 1 S. 652 f.). Jedoch erschöpfte sich die Hilfe des Königs nicht in Getreidesendungen. 258 V. Chr. sandte er zur Belagerung Kamarinas Belagerungsgeschütze (Diod. 2 3> 9> 5)> 2 5 2 v · Chr. griffen seine Schiffe in die Kämpfe um die liparischen Inseln ein (Zonar. 8, 14, γ)} 250 v. Chr. konnte die Belagerung Lilybaeums abermals nur durch großzügige Getreidesendungen aufrechterhalten werden (Diod. 24, 2, 4), und 249/8 flüchteten die Überreste der bei Phintias geschlagenen römischen Flotte nach Syrakus (Diod. 24, 1, 7 ff.), das während des ganzen Krieges der römischen Flotte als Stützpunkt
Umfang *..£ Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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Grund des separaten Friedensvertrages mit Rom nicht unbedingt geworden sein muß (Polyb. i, 17, 3). 5. Im Präliminarfrieden von 241 v. Chr. zwischen Rom und Karthago muß sich Karthago verpflichten, Hieron und seine Bundesgenossen nicht anzugreifen (Polyb. 1, 62, 8). In der Endredaktion des Friedensvertrages lautet diese Bestimmung, durch die Aufhebung der einseitigen karthagischen Verpflichtung verallgemeinert, την άσφάλειαν ύπάρχειν παρ'έκατέρων τοίς έκατέρων συμμάχοις (Polyb. 3, 27, 3)· Es ist absolut sicher, daß der Präliminarvertrag hier erweitert und Hieron unter die σύμμαχοι zu zählen ist.16 Auf Grund dieser Darlegungen kann der Abschluß eines Bundesgenossenvertrages als bewiesen gelten. Formell war er als foedus aequum mit zweiseitigen Verpflichtungen stilisiert. Daß unsere Quellen nur von einer wiederholten Bundeshilfe Hierons berichten, liegt in der Natur der Sache: Der einzig mögliche Gegner war Karthago, und dieser führte Krieg mit Rom. 17 Die Verbindung mit dem Friedensvertrag ist in der Weise zu denken, daß die Hieron einseitig belastenden Friedensbestimmungen als Spezialbestimmungen dem Bundesgenossenvertrag beigefügt wurden, die nach ihrer Erfüllung von selbst in Wegfall kamen.18 Eine zweite Schwierigkeit bietet der Bericht des Diodor (23, 4, 1). Nach ihm wurde der Vertrag als transitorischer auf 15 Jahre abgeschlossen: συνέΦεντο είρήνην ετη πεντεκαίδεκα, was durch Zonaras (8, 16, 2) bestätigt zu werden scheint, der zum Jahr 248 bemerkt: ot 'Ρωμαίοι φιλίαν άίδιον προς Ιέρωνα διεπράξαντο και προσαφήκαν δσα παρ'αύτού έπετείως έλάμβανον. Hiergegen hat sich E. TÄUBLER mit der Begründung gewandt, daß dem römischen Völkerrecht ein befristeter Bundesgenossenschaftsvertrag unbekannt gewesen sei, und er daher auch nicht mit Hieron abgeschlossen worden sein könne.19 diente (Diod. 24, 1, 7. Polyb. 1, 52, 6). Vgl. Zonar. 8, .9, 12. A. Graf SCHENK VON STAUFFENBERG, Hieron, S. 40 ff., H. BERVE, a. a. O. S. 37. 18
Ebenso App. Sic. 2, 2 (der allerdings Vorvertrag und Hauptfrieden zusammenwirft) und Zonar. 8, 17, 4. Vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 188ff.,Die Vorgeschichte des Zweiten Punischen Krieges, 1921, S. 108 ff. 17
A. GRAF SCHENK VON STAUFFENBERG, Hieron, S. 40, E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 91.
Die weiterhin selbständige Politik Hierons, die das Fehlen der Maiestasklausel beweist, zeigt sich vor allem in seinen Beziehungen zu Karthago, die in der Zeit des Söldneraufstandes bis zur aktiven Hilfe für die bedrängte Stadt gingen: Polyb. 1, 83, 1. s. o. 18 E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 91, dessen grundsätzliche Teilung des Vertragsaufbaus in Grundvertrag und Spezialbestimmungen hier jedoch nidit angenommen wird (vgl. S. 136f.). Für die hier verfochtene Vertragsökonomie spridit Polybios, der bei der Ratifizierung des Vertrages von συνϋήκαι berichtet: 1, 17, 1; ebenso 17, 6. 19 Imp. Rom. S. 91 f. Seiner Begründung ist man bisher widerspruchslos gefolgt, vgl. F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. I, S. 69, H. BERVE, a.a.O. S. 36. Für den Bericht des Diodor, allerdings ohne ihre Ansicht zu begründen, haben sich entschieden: O. MELT-
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
Der Beweisgang E. TÄUBLERS beruht ganz auf den uns erhaltenen Bundesgenossenverträgen, die alle einer Zeit angehören, in der sich die römische Weltherrschaft längst manifestiert hat. Politische Bedeutung kam ihnen für Rom nicht zu, da es sich um völlig unbedeutende Staaten handelte, die zudem noch größtenteils von römischem Territorium umschlossen waren. De iure handelte es sich um Bündner gleichen Rechtes, de facto ergab sich ihre Untertänigkeit aus der politischen Allmacht Roms, die vertraglich zu fixieren für Rom gänzlich überflüssig war. Daraus folgt gan2_ sgiksiyje^Mgdjicjitj^ajder^ Vertrag auf ewig abgeschlossen^wu^c^ji^ Sinn, wenn die Befristung mit der Erreichung eines bestimmten.Zieles gekoppelt und dadurch durch dieses begründet wird. Und gerade die Erreichung eines bestimmten politischen Zieles oder der Schutz des Erreichten vor einer drohenden Gefahr war ja nicht mehr die Funktion der uns erhaltenen foedera, sondern ihr Zweck lag gänzlich außerhalb der eigentlichen und ursprünglichen Aufgabe eines Bundesgenossenvertrages: Sie dienten allein noch als Garantie der von Rom zugestandenen Souveränität, die sich nach Lage der Dinge nur auf die Wahrung der lokalen Autonomie beschränkte. Rom hat diesen Verträgen des ausgehenden 2. Jhdts., soviel darf als sicher selten^dLas normaljrebra.uchte Vertragsformular zugrunde gelegt. Das schließt jedoch keineswegs die Möglichkeit aus, daß die darin formulierte Symmachie nicht zeitlich in einem historisch ganz anders gelagerten Fall beschränkt werden ZER, Geschichte der Karthager II, 1896, S. 268 f., B. NIESE, Geschichte II, 184, TH. LENSCHAU, RE 8 (1913) Sp. 1507 s. v. Hieron Nr. 13, V. FERRENBACH, a.a.O., S. 20, K. J. BELOCH, Griechische Gesch. IV2 1, S. 650 Anm. 1, B. NIESE, Grundriß der römischen Geschichte, HdAW III 5, 5, 1923, S. 103, A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 49, HZ 169 (1949) S. 486. - Die Entscheidung in dieser Frage kann nicht auf Grund der Quellenkritik erfolgen, da zwar Philinos, ein römisdier Annalist und vielleicht Polybios als die Vorlagen Diodors in Buch 23 und 24 erkannt werden können, wobei es fraglich ist, ob Diodor diese Quellen direkt benutzt hat, eine klare Unterscheidung der Überlieferungszweige jedoch unmöglich ist, da weder der Autor genannt werden kann, den Diodor als Quelle zugrunde gelegt haben muß, noch die Arbeitsweise ersichtlich ist, in der der Bericht des Philinos mit dem Annalisten zusammengearbeitet wurde. Vgl. K. J. BELOCH, Griedi. Gesch. IV2 2, S. 12 und die Zusammenstellung der Quellen Diodors sowie der einschlägigen Lit. bei G. PERL, Kritische Untersuchungen zu Diodors römischer Jahrzählung, 1957, S. 162 ff. Polybios, dem hier vor der annalistischen Überlieferung der Vorzug zu geben ist, weiß von einem befristeten Bundesvertrag nichts. Dieses Schweigen erhält durch die Überlegung einiges Gewicht, daß Fabius nichts an der Unterschlagung der Befristungsklausel gelegen haben kann, da durch ihr Vorhandensein das römische Ansehen in keiner Weise geschädigt worden wäre. Da jedoch sicher ist, daß Fabius nur die wichtigsten Bestimmungen wiedergegeben hat (P. BUNG, a. a. O. S. 80), ist zuallererst an eine Auslassung zu denken.
Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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konnte, in dem weder das römische noch das Interesse des Vertragspartners auf eine ewige Bindung hinzielte und der abgeschlossene Vertrag seiner politischen Voraussetzung nach eine ad hoc geschlossene Allianz war. Diese Möglichkeit ergibt sich bei der Bildung der italischen Wehrgenossenschaft, und sie verdichtet sich zur Gewißheit in dem Augenblick, in dem Rom mit politisch gleichwertigen griechischen Staaten in Berührung kam, denen befristete Allianzen durchaus geläufig waren. Der Beweis E. TÄUBLERS ist damit im Grunde nur ein Beweis e silentio, der gerade bei unserer lückenhaften Überlieferung für die Zeit der föderativen Einigung Italiens unter die römische Hegemonie methodisch nicht zulässig sein kann. Dieses aus der Widerlegung der Argumentation E. TÄUBLERS erzielte Ergebnis eröffnet allein den Weg, um den Abschluß eines befristeten Bundesvertrages mit Hieron (und damit den Quellenwert Diodors) grundsätzlich zu akzeptieren. Dafür spricht die politische Voraussetzung, unter der beide Partner den Vertrag schlössen. Rom lag nur daran, seine Kriegführung auf sizilischem Boden durch die Sicherung des Nachschubes möglichst zu erleichtern. Die Garantie für diesen Nachschub sollte Hieron übernehmen, der vertraglich zu materiellen Hilfeleistungen verpflichtet wurde. Die verbleibende Aufgabe der römischen Politik beschränkte sich im übrigen darauf, abzuwarten, ob Karthago den de facto vollzogenen Anschluß Messanas an Rom hinzunehmen bereit war oder nicht, was aus römischer Sicht auf Grund der kraftlosen und unschlüssigen Kriegführung Karthagos eigentlich keiner Frage mehr bedurfte. Dementsprechend enthielt sich der Senat jeder Verschärfung des Konfliktes, verringerte die Zahl der Legionen um die Hälfte (Polyb. i, 17, 1) und überließ die militärische Initiative Karthago.20 Wir kennen die Gründe nicht, die Karthago bewogen, ein neu aufgestelltes Heer in das verbündete Akragas zu werfen und somit den Entscheidungskampf um Sizilien unvermeidlich zu machen. Sicher hat man in der alten Handelsmetropole jedoch erkannt, daß Rom nach seiner Festsetzung in Messana und nach dem Anschluß Hierons zu einem politischen Machtfaktor auf der Insel geworden war, der nicht mehr neutralisiert werden konnte, sondern — willentlich oder nicht - in die sizilischen Verhältnisse und damit in die Auseinandersetzung mit Karthago hineingeraten mußte.21 Das Ergebnis des Kampfes um das nach langer Belagerung eingenommene Akragas faßt Polybios (1, 20, 1) zusammen: Hocherfreut über die ^Nachricht von der Eroberung der Stadt, blieb der Senat nicht bei seinen ursprünglichen Absichten stehen, und er begnügte sich auch nicht mit 20
K. J. BELOCH, Griech. Gesch. IV2 2, S. 287. Polyb. 1, 17, 3. A. HEUSS, Der erste Punische Krieg und das Problem des römisdien Imperialismus, HZ 169 (1949) S. 486 f., auf den auch für das Folgende zu verweisen ist. 21
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
der Rettung der Mamertiner und dem bisherigen Kriegsgewinn, sondern er hoffte jetzt, die Karthager ganz von Sizilien vertreiben zu können. Für die Beziehungen zu Hieron ergibt sich daraus, daß von römischer Seite kein Interesse zur Zeit des Vertragsabschlusses bestanden haben kann, mit dem König eine engere Bindung einzugehen, als sie die Bedürfnisse des Augenblicks erforderten. Den römischen Vorstellungen muß daher der Abschluß eines ^_e/n" ^^i?.JB.TOde.§genossenvertrages weit eher entsprochen haben als eine Bindung ?,uf ewig» die das Bewußtsein und den .Willen voraussetzt, auch in Zukunft über den begrenzten Rahmen dieses Krieges hinaus in sizilische Verhältnisse einzugreifen. Und man darf gewiß sein, daß Hieron von sich aus ebenfalls nur ein befristetes Bündnis mit einem Staat angestrebt haben wird, gegen den man vergeblich Krieg geführt hatte und dessen Eingreifen zugunsten der verhaßten mamertinischen Raubgesellen (Diod. 23, 1, 3) es überhaupt zu danken war, daß das schon greifbar nahe Kriegsziel Messana für immer verloren ging.22 Der somit als glaubwürdig erkannte Bericht Diodors wird in willkommener Weise durch Zonaras (8, 16, 2) ergänzt, der zum Jahr 248, nach Ablauf des befristeten Vertrages also, den Abschluß eines ewigen Vertrages berichtet.23 Ebenso Appian,24 der dasselbe Ereignis jedoch zum Jahr 241 im Anschluß an den römisch-karthagischen Friedensvertrag erzählt, was bei seiner komprimierenden Arbeitsweise, die sich am deutlichsten aus der Kontraktion des Präliminarvertrages mit dem Endvertrag des Friedensschlusses beweist, nichts besagen will. Beide Berichte werden indirekt durch den Friedensvertrag mit Karthago 241 bestätigt, in dem Hieron als römischer socius bezeichnet wird.25 Diese sicher bezeugte und aus dem Verlauf des Zweiten Punischen Krieges er22 Von einem gewissen Einfluß wird hier die zwischen 280-278 mit Karthago abgeschlossene Additionalklausel zum zweiten römisch-punischen Vertrag gewesen sein, die ausschließlich auf den speziellen Fall des Pyrrhoskrieges zugesdinitten und somit zwangsläufig zeitlich determiniert war. Ein direkter, im vertragstechnischen Sinne exakter Vergleich mit den übrigen Bundesgenossenschaftsverträgen und dem vorliegenden Fall ist daher zwar nicht möglich, jedoch vermag unter dem Gesichtspunkt des historischen Ablaufes eine wie auch immer stilisierte zeitlich befristete Übereinkunft methodisch durchaus als Vorbild gelten. Wesentlich ist, daß den römischen Diplomaten die Möglichkeit zeitlich befristeter Abkommen nicht gänzlich unbekannt war. 23 Auf diesen Vertrag hat C. CICHORIUS, Römische Studien, 1922, S. 49 f. mit Recht auch Frg. 47 des naevianischen Bellum Poenicum bezogen: convenit regnum simul atque locos ut haberet (ebenso E. TÄUBLER, Naeviana, Hermes 57 [1922] S. 156 fr., der natürlich in dem 248 abgeschlossenen Abkommen entsprechend seiner oben kritisierten Auffassung nur die Erneuerung des 263 geschlossenen Vertrages sieht). 24 Sic. 2, 6: 'Ιέρωνα δε, τον Συρακούσιων τύραννον, άνθ'ών αύτοΐς ες τόνδε τον πόλεμον συνεπεπράχει, φίλον και σύμμαχον εθεντο. 25 Polyb. ι, 62, 8 und 3, *7> 3·
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weisbare Erweiterung des befristeten Bundesgenossenvertrages zu einem ewigen im Jahre 248 v. Chr. steht völlig im Einklang mit der politischen Konstellation, die sich im Verlauf des Krieges auf Sizilien herausgebildet hatte. Der Krieg hatte eine selbständige Dynamik entwickelt, die eine mit vergleichsweise mäßigem Aufwand geführte Auseinandersetzung um Messana in einen unerbittlichen Krieg um den Besitz Siziliens verwandelt hatte, der bis zur völligen Erschöpfung eines der beiden Kontrahenten geführt wurde.26 Das veränderte Kriegsziel änderte njLtujrjg«näß^^diej^mis^ejni B e z k l ^ ^ e n zu Hieron, der für Rom zu einem wichtigen Machtfaktor in einem Gebiet geworden war, d_as_ Rom in Besitz zu nehmen gedachte. Die Umwandlung ji^J^ir'ist^terx in ein. ewiges Bund «genossen verhältnis versteht sich daher von selbst, in dem Moment, in dem die Befristung abgelaufen war und derKriegjsemeentscheidende Phase^οφ nichjjerreicht hatte. Die Form des Vertrages war wiederum ein foedus aequum, dessen ursprüngliche Bejtnnmung über die Grenzregulierung auf Grund der erprobten Treue des Königs .in der Weise modifiziert worden zu sein scheint, daß ihm ein Teil seines Hexrschaftsgebietes im Norden, das Land um die Linie Agyrion-Kentoripa, zurückgegeben wurde.27 An diesem Bündnis, das weder die innere Autonomie seines Herrschaftsbereiches noch seinen außenpolitischen Aktionsradius beschnitten hat, hat Hieron bis zu seinem Tod im Frühjahr 215 unverbrüchlich festgehalten.28 Terminologisch 28
Polyb. (Fabius Pictor) i, 58, 7 ff.
27
A. GRAF SCHENK VON STAUFFENBERG, Hieron, S. 45 f., E. PAIS, Ricerdie sulla storia
e sul diritto publice» di Roma IV, 1921, S. 393 ff. 28 So sandte er während der Kelten- und Illyrerkriege Roms Getreide (Diod. 25, 14), wofür ihn die Römer nach Beendigung des Krieges mit Beutestücken beschenkten (Diod. a.a.O. Liv. 24, 21, 9. Plut. Marcell. 8, 11. H. BERVE, a.a.O. S. 70 wertet dieses Geschenk, der Notiz Diodors folgend, als Bezahlung für die geleistete Hilfe, und dementsprechend glaubt er auch, daß dem König für seine im Zweiten Punischen Krieg mehrfach geleistete Hilfe eine Bezahlung zugestanden hätte. Demgegenüber gilt es zu betonen, daß Hieron vertraglicher Bundesgenosse Roms war und als solcher auf Anforderung zur Hilfe verpflichtet war. Von einer römischen Bezahlung kann daher nicht die Rede sein, vielmehr war die Überreichung von Beutestücken ein Zeichen der freundschaftlichen Beziehungen beider Staaten, wie sie ζ. Β. anläßlich einer Gesandtschaft eines befreundeten Staates in Rom gang und gäbe waren: Belege dazu bei A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 27 f.). Das Bündnis vermochten auch nicht die schweren Niederlagen Roms in den ersten Jahren des Zweiten Punischen Krieges zu erschüttern. Gleich zu Beginn des Krieges gelang es Hieron, einige karthagische Schiffe aufzubringen und die Römer in Lilybaion reditzeitig vor einem karthagischen Überfall zu warnen (Liv. 21, 49, 1 ff.). Seine Jahr für Jahr wiederholten Getreidesendungen zur Entlastung des römischen Nachschubs sind hier nicht im einzelnen aufzuführen (vgl. dazu TH. LENSCHAU, a.a.O. Sp. 1510f.), bedeutsam ist jedoch, daß diesmal auch syrakusanische Truppen in den Krieg auf römischer Seite eingriffen: So fochten 1500 von Hieron bezahlte Söldner in der Schlacht am Trasi-
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen ^tßenpolitik
wird das hergestellte bundesgenössische Verhältnis in unseren Quellen als societas29 oder φιλία και συμμαχία,30 vereinzelt auch als amicitia21 bezeichnet, Polybios spricht öfters auf Grund des vertraglichen Herstellungsaktes von συνθήκαι.32
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Amicitiaverhältnisse
Neben den bundesgenössischen Verträgen ist es die amicitia, durch die ein dauerndes völkerrechtliches V e ^ und einem außeritalischen Staat hergestellt werden konnte. Es ist das Verdienst von A. HEUSS (Volk. Grdl. S. i6ff.), die These von der natürlichen Feindschaft als Grundlage der internationalen Beziehungen und damit den aus dieser Annahme resultierenden Freundschaftsvertrag als Grundvertrag, der diese Hostilität beendet, in überzeugender Weise widerlegt zu haben.33 Einen solchen Vertragstypus hat es in Rom nie gegemener See (Polyb. 3, 75, 7), und nach ihrer Gefangennahme sandte Hieron weitere 1000 Mann, die im Frühjahr 216 v. Chr. mit Geld und Getreide in Rom anlangten (Liv. 22, 37, 1 ff.). Auch zu diesen weitgehenden Leistungen war Hieron auf Grund des Vertrages verpflichtet, denn Polybios (3, 75, 7) bezeugt ausdrüddich, daß die genannten Truppen auf römische Anforderung hin abgesandt wurden. Umgekehrt versuchte auch Rom, seinen Bundesgenossen zu schützen, soweit es in seiner Macht stand: Als im Herbst 216 eine punische Flotte die Südostecke Siziliens verwüstete, bemühte sich der Propraetor T. Otacilius selbst mit seiner bescheidenen Flotte einzugreifen, und als er dies mit Aussicht auf Erfolg nicht vermochte, wurde er beim Senat um Verstärkungen vorstellig (Liv. 22, 56, 6ff.). 29 Liv. 22, 37, 4; 10; $6, 8. 24, 6, 1 ff. 30 App. Sic. 32, 6. Plut. Marceil. 8, 11. 31 Polyb. 1, 83, 3. Liv. 24, 28, 6. 32 Polyb. 7, 3, 1; 4; 5, 1; 3; 7. Der Gebrauch dieses Wortes ist mit der Verwendung des Terminus socius gleichzusetzen. Das zeigt ein Vergleich von Polyb. 7, 3, 1 mit Liv. 24, 6, 4: Livius, der hier Polybios fast wörtlich übernimmt, gebraucht statt des allgemeineren Begriffes foedus den wesentlich präziseren socius. 33 Grundlegend für diese Auffassung war die im Grunde recht vorsichtig formulierte Ansicht TH. MOMMSENS, RStR III, S. 590 ff., daß nach römischer Anschauung dem Ausländer gegenüber die gegenseitige Rechtlosigkeit die Regel sei, „welches Verhältnis auch wohl minder genau als dauernder Kriegszustand gefaßt wird". Anders formuliert: „es genügt, daran zu erinnern, daß nach römischer Anschauung ein internationales Rechtsverhältnis nur entstehen kann durch internationalen Vertrag und nur so weit reicht als dieser." (RStR III, S. 340, ebenso S. 1072. Für die Unsicherheit, die MOMMSEN bei der Behandlung dieser Frage nicht überwinden konnte, spricht seine Arbeit über das römische Gastrecht, RF I, S. 326 fr., wo diese Sache völlig im dunkeln bleibt). E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 2-f.; 424 und passim formulierte erst die Theorie von der natürlichen Hostilität und des diese überwindenden Grundvertrages in unmißverständlicher Schärfe, und seine These ist von E. BRASLOFF, Der römische Staat in seinen internationalen Beziehungen, 1928, im wesentlichen übernommen worden. Ebenso H. HÖRN, Foederati,
Umfang * u Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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ben, und der von E. TÄUBLER als einziger Beleg herangezogene Friedensvertrag mit Antiochos III. zeigt wie die beiden ersten Karthagerverträge und der Präliminarfrieden des Jahres 241, daß die einzelnen Vertragsartikel nicht zu einem als Grundvertrag festgelegten Freundschaftsvertrag hinzugezählt werden, sondern die amicitia erst durch diese Bestimmungen hergestellt wird. T^zjtmicitiajst also nicht Voraussetzung, sondern Resultat ^es yertragsabschlusses, „Die Betrachtung lehrt also, daß am Anfang eines Freundschaftsverhältnisses keineswegs der Freundschaftsvertrag zu stehen braucht. Vielmehr ist die Tatsache der völkerrechtlichen amicitia durch jede Art friedlichen zwischenstaatlichen Verkehrs gegeben, und völlig unabhängig von dem Akt einer formellen Begründung. Der Anstoß zu diesem dauernden Verhältnis kann in den mannigfachen Möglichkeiten liegen, die der außenpolitische Verkehr der Völker mit sich bringt, und es kann die amicitia ebenso an den einfachen Vorgang der Absendung einer Gesandtschaft, ganz gleich was mit ihr für Zwecke und Ziele verfolgt werden, anknüpfen ... wie an eine momentane formlose Vereinbarung oder an eine wirkliche vertragliche Abmachung, ohne daß dieser jedoch die Dignität des 'ewigen Freundschaftsvertrages* zukommen muß. Der Vertrag selbst braucht sich nur auf eine bestimmte, zeitlich beschränkte Aktion zu erstrecken, ohne daß das Amicitiaverhältnis berührt würde" (A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 46.). „Die wenigen inhaltlichen Momente, die mit ihm gegeben sind, beschränken sich einerseits auf den Ausschluß des Krieges, andererseits auf das Vorhandensein eines gewissen, wenn auch noch so spärlichen diplomatischen Verkehrs zwischen den Staaten, cT. h. sie stellen sich als Symptome der sich im bloßen Friedenszustande ausdrükkenden wie formellen guten Beziehungen dar" (A. HEUSS, a. a. O. S. 54).34 S. 6 f., E. BICKERMANN, Philologus 87 (1932) S. 277 ff. und LEVY-BRUHL, La condition du Romain a P^tranger, Atti del Congresso internaz. di diritto rom., Roma II, 1935, S. 476 ff. Dagegen opponierte schon E. SECKEL, Über Krieg und Recht in Rom. Kaisergeburtstagsrede 1915, S. 15 ff., jedoch gelang es erst A. HEUSS, den gegenteiligen Beweis zu erbringen. Seine Ansicht darf jetzt als communis opinio der Forschung gelten, vgl. FR. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, i960, S. 11 ff., R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, S. 346 f. Für die alte Anschauung hat sich dagegen zuletzt noch P. FREZZA, Le forme federative e la struttura dei rapporti internazionali nell'antico diritto romano, SDHI 4 (1938) S. 376 Anm. 30 ausgesprochen. - Die ebenfalls von A. HEUSS_begründete Ablehnung eines eigenen Freundschaftsvertrages, dessen konkreter Inhalt sich auf den Ausschluß des Krieges beschränkte, ist dagegen nicht restlos anerkannt. Vgl: die Literaturübersicht bei U. v. LUBTOW, Das römische Volk, 1955, S. 642, der selbst keine Entscheidung fällt, und FR. DE MARTINO, a.a.O. S. 24ff., der gegen HEUSS neben der formlos hergestellten amicitia auch einen regelrechten Freundschaftsvertrag zu halten versucht (ähnlich E. MEYER, Römischer Staat und Staatsgedanke3, 1964, S. 235). 34 Bemerkenswerte Ansätze für diese Auffassung der amicitia finden sich schon bei
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen /. ^enpolitik
Diese Form des völkerrechtlichen Verhältnisses ist auf italischem Boden nicht nachweisbar und auf Grund der besonderen Aufgabe der italischen socii auch nicht möglich. Diese Beschränkung des Anwendungsbereiches resultiert aus der unterschiedlichen Bedeutung, die diesen Staaten im Gegensatz zu den italischen Gemeinden für Rom zukam. Hier sind die rechtlichen Beziehungen untereinander von dem Gedanken der Wehrgenossenschaft beherrscht, die bei der weiterbestehenden Autonomie einer italischen Gemeinde als populus sui generis nur durch den Abschluß eines ewigen Bundesgenossenvertrages zu erreichen war. Dagegen war die militärische Zusammenarbeit mit einem außeritalischen Staat keineswegs lebenswichtig, da dieser das Fundament der römischen Macht wohl erweitern konnte, niemals aber zu diesem selbst wurde. Die Aufnahme formloser Beziehungen _ergab sich unter dieser Voraussetzung ganz zwanglos, zumal bis zur Manifestierung _der. römischen Herrschaft im westlichen Mittelmeerbecken die außeritalischen Staaten Rom durchaus gleichwertig gegenübertraten oder allein auf Grund ihrer geographischen Entfernung einem Zugriff Roms noch entzogen waren und aus beiden Gründen daher keine Neigung zeigenJkonntenj mit Rom ein Militärbündnis auf ewige Zeiten abzuschließen. i. Massilia. Als erste außeritalische Stadt gelangte Massilia in der oben definierten Weise in die römische amicitia?* Der Zeitpunkt der ersten diplomatischen Berührung beider Staaten läßt sich nicht mehr feststellen, da unsere Hauptquelle Justinus sowohl was den Zeitpunkt als auch was die Form der eingegangenen L. E. MATTHAEI, On the Classification of Roman Allies, ClQuart. ι (1907) S. 182 ff., und bei J. A. O. LARSEN, ClPh. 30 (1935) S. 195 („amicitia is the product of any nonhostile intercourse between Rome and a foreign State"). Es genügte für die Herstellung der amicitia mit Rom freilich nicht, bestehende Feindseligkeiten zu beenden, sondern das gute Einvernehmen beider Staaten mußte in irgendeiner Form, zumeist durdi eine Gesandtschaft, demonstriert werden; vgl. Κ. Ε. PETZOLD, Gnomon 30 (1958) S. 211 gegen St. I. OOST, Roman Policy in Epirus and Acarnania, 1954, S. 37 f., der Epirus und Akarnanien, beide im Ersten Makedonischen Krieg formell Feinde Roms, allein durch ihre Adskribierung zum Vertrag von Phoinike auf sehen Philipps V. zu amici der Römer werden läßt. - Hinzuweisen wäre noch auf B. PARADISI, L'amicizia internazionale neH'alto medio evo, Scritti in onore di C. FERRINI II, 1947, S. 178 fr., dessen Untersudiung Herkunft und privatrechtliche Folgen des Amicitiaverhältnisses aufzuhellen versucht. Ähnlich hat sich schon L. GALLET, Essai sur le senatus - consulte „de Asclepiade sociisque", RHDFE 16 (1937) S. 242ff.; 3876°. mit der privatrechtlichen Stellung der amici seit dem Ausgang des 2. Jhdts. beschäftigt. In unserem Zusammenhang kann diese Thematik als wenig förderlich außer Betracht bleiben. 35 Unsere Quellen für diese amicitia und das später eingegangene foedus societatis mit Rom sind Justin. 43, 3, 4; 5, 3 ff. Polyb. 3, 95, 7. Liv. 34, 9, 11. Flor. 1, 37, 3. Oros. 5, 15, 25. Cic. pro Font. 13. pro Balb. 23. Cass. Dio 41, 192. Cic. Phil. 13, 32. Strab. 4, 1, 5. Syll. 3 591, Z. 25 u. 54.
Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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Beziehungen betrifft, völlig unbrauchbar ist. 38 D i e erste, einigermaßen glaubwürdig bezeugte Nachricht freundschaftlicher Beziehungen zwischen beiden Staaten liegt bei Diodor (14, 93, 4) und bei A p p i a n (Ital. 8, 1) vor. Danach stellten die Römer den goldenen Mischkrug, den sie nach der Eroberung von Veii 396 v. Chr. nach Delphi weihten, im Schatzhaus der Massalioten auf. 37 Das bedeutet also, daß mit dem Bestehen des Amicitiaverhältnisses seit Beginn des vierten Jahrhunderts zu rechnen ist. 38
So berichtet er von einem uralten Vertragsverhältnis prope ab initio conditae urbis und von einem foedus aequum nach der Eroberung Roms durch die Kelten (43, 5, 3, 8-10). Für die Glaubwürdigkeit wenigstens des zweiten Vertragsabschlusses treten folgende Forscher ein: M. CLERC, Histoire de Marseilles I, 1927, S. 178 ff., N . J. DE WITT, Massilia and Rome, TAPhA 71 (1940) S. 609 ff., M. SORDI, I rapporti romano - ceriti e l'origine della civitas sine suffragio, i960, S. 98 f. im Anschluß an A. MOMIGUANO, Due punti di storia romana arcaica, SDHI 5 (1939) S. 389ff.; S. 394fr. und G. NENCI, Le relazioni con Massiglia nella politica estera romana, dalla origini alla prima guerra punica, Riv. di Studi Liguri 24 (1958) S. 24ff., der das Quellenmaterial über die frühen massaliotisch-römischen Beziehungen zwar in dankenswerter Breite unter besonderer Berücksichtigung des archäologischen Materials vorlegt, dem jedoch wie seinen Vorgängern weder der Nachweis gelungen ist, welche gemeinsame politische Basis beide Kontrahenten zum Abschluß eines Bundesgenossenvertrages in dieser Zeit bewogen haben könnte, noch genügende Klarheit in der Quellenfrage bescheinigt werden kann. (Auf die Rolle Massilias im diplomatischen Dialog mit Karthago braucht hier nicht eingegangen zu werden, da eine erschöpfende Behandlung der beiden ersten römisch-punischen Verträge durch R. WERNER, Der Beginn der röm. Rep., S. 299 ff. vorliegt.) G. NENCI hat den Personenkreis der mit Rom den Vertrag abschließenden σύμμαχοι, unter denen die populi Latini verstanden werden müssen, die im ersten Vertrag mit den υπήκοοι der Ver tragsbestimmungen identisch sind (R. WERNER, a.a.O. S. 355ff.), jedenfalls ebenso ver kannt, wie er die politische Bedeutung Massilias für Rom in dieser Zeit weit überschätzt hat. Die Quelle Justins kann in diesem Fall nicht annalistisch sein, da die Annalistik von einem so frühen foedus nichts zu berichten weiß. Nimmt man die Tendenz des justinischen Berichtes hinzu, der die unermüdliche Hilfsbereitschaft des massaliotischen Verbündeten (auxiliis in omnibus bellis Industrie socios iuverunt) preist, so bietet sich als primäre Quelle über Pompeius Trogus massäliotische Lokaltradition an, der in den schweren Auseinandersetzungen mit den Galliern seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts daran gelegen war, den mächtigen römischen Verbündeten auch moralisch zur Hilfe zu verpflichten. Die beiden foedera von um 600 und 386 v. Chr. sind daher Doubletten des foedus, das kurz vor dem Ausbruch des Hannibalkrieges zwischen beiden Staaten geschlossen wurde: R. WERNER, a. a. O. S. 363 Anm. 3. 37 J. H. THIEL, Α History of the Roman Sea-Power before the Second Punic War, 1954, S. 343 Anm. 9Γ Ebenso wie H. BENGTSON, Griech. Gesch.8, 1965. S. 211 weist er in diesem Zusammenhang zu Recht auf den beiden Staaten gemeinsamen Gegensatz zu den Etruskern hin, der als die Ursache der römisch-massaliotischen Beziehungen angesehen werden darf (vgl. zur Gesandtschaft nach Delphi W. HOFFMANN, Rom und die griechische Welt, S. 129 fr.). Wieweit handelspolitische Gesichtspunkte eine Rolle igespielt haben (vor allem für Massilia), läßt sich nicht sagen, auszuschließen sind sie jedenfalls nicht.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
Erst die Veränderung der politischen Konstellation im südlichen und mittleren Spanien durch die Erfolge der Barkiden, die den alten, fast schon verjährten karthagisch-massaliotischen Gegensatz wieder aufleben ließen, und das gleichzeitig erwachende römische Interesse an den Vorgängen in Spanien seit dem Beginn der 20er Jahre des dritten Jahrhunderts führten zum relativ späten engeren Anschluß Massilias an Rom, der angesichts der für beide Städte in Oberitalien und im südlichen Gallien drohenden Keltengefahr besonders dringlich erscheinen mußte.38 Der Abschluß eines Bundesgenossenschaftsvertrages aequo iure ist daher in die Jahre zwischen 227-225 v. Chr. zu datieren.30 Die Bedeutung dieses foedus für Rom in der ausbrechenden Auseinandersetzung mit Hannibal zeigt ein kurzer Blick auf die ersten Kriegsjahre, in denen die massaliotische Flotte die römische Kriegführung in Spanien entscheidend unterstützen konnte.40 Die römische Bundeshilfe wiederum rettete Massilia, das sein Heerwesen im Vertrauen auf den starken Arm des römischen Bundesgenossen vernachlässigt hatte, in den Kriegen gegen die Gallier, die seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts bis an die Rhonemündung vorstießen.41 Es bedarf keiner Frage, daß durch 38
Eine gute Übersicht über die politischen Machtverhältnisse gibt W. HOFFMANN, Hannibal, 1962, S. 30 ff. Vgl. auch W. KOLBE, Die Kriegsschuldige von 218 v. Chr. Geb., SB Heidelb. Ak. d. Wiss., philosophisch-hist. Kl., 1933/34, Heft 4, S. 24^ Die Bedeutung Massilias entschieden überschätzt hat F. R. KRAMER, MassilianDiplomacy before the Second Punic War, Am. Journ. of Phil. 69 (1948) S. 1 ff. 39 H. G. WACKERNAGEL, RE 14 (1930) Sp. 213 ff. s. v. Massilia, H. HÖRN, Foederati, S. 19ff., J. M. NAP, Die römische Republik um das Jahr 225 v. Chr., 1935, S. 338 ff., J. H. THIEL, a.a.O. S. 343 f., F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. I, S. 169, E. BADIAN,
Foreign Clientelae (264-70 B. C), 1958, S. 47f., R. WERNER, a.a.O. S. 363 Anm. 3. Für diesen zeitlichen Ansatz spricht die Nichtbeteiligung der Massalioten am Ersten Punischen Krieg, der auf See entschieden wurde und in dem die massaliotische Flotte eine unschätzbare Hilfe gewesen wäre (H. G. WACKERNAGEL, a.a.O. Sp. 2132). Von einer solchen Hilfe erfahren wir jedoch erst im Zweiten Punisdien Krieg, was mit Livius (21, 20, 7-8) im Einklang steht, der zu Beginn des Krieges die Massalioten als socii bezeichnet: eadem ferme in ceteris Galliae consiliis dicta auditaque, nee hospitale quiequam pactumve satis prius auditum quam Massiliam venere. ibi omnia ab soeiis inquisita cum cura ac fide cognita. Den Abschluß eines förmlichen Bündnisses beweist Syll.3 591, Z. 25 u. 54, wonach die Massalioten nach 196 v. Chr. ihr Bündnis erneuerten: άνανεωσαμένων την ύπαρχο [υσαν συμμαχίαν προς] αυτούς. 40 Vgl. dazu vor allem ein Sosylos-Fragment über die Seeschlacht in der Ebromündung: U. WILCKEN, Ein Sosylos-Fragment in der Würzburger Papyrussammlung, Hermes 41 (1906) S. 103 ff., F. JACOBY, FGrHist 176 F 1, Komm. II d, S. 603 ff.). Derselbe Schluß ergibt sich aus Polybios 3, 95, 5-7. (Einen eingehenden überblick über die weitere Bundeshilfe Massilias geben H. G. WACKERNAGEL, a.a.O. Sp. 2132^ und S. MAZZARINO, Introduzione alle guerre puniche, 1947, S. 133 ff.). 41 181 v. Chr. besiegte L. Aemilius Paullus die Ligurer (Liv. 40, 18; 25-28. Plut. Aem. 6). 154 kamen römische Truppen den von den Oxybiern und Deciaten bedrängten
Umfang un*. Jharakter der völkerreditlichen Beziehungen
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dieses wiederholte Eingreifen Roms die Stadt de facto ihre außenpolitische Souveränität verlor, de iure blieb sie jedoch autonom und außerhalb der römischen Reichsgrenzen.42 2. Rhodos. In der chronologischen Reihenfolge folgt die amicitia mit Rhodos, deren Bestehen seit 306/5 v. Chr. Η. Η. SCHMITT 43 sehr wahrscheinlich gemacht hat. Charakter und Bedeutung dieser Beziehungen sind durch die monographi sche Behandlung Η. Η. SCHMITTS eingehend gewürdigt, so daß sich eine neue Diskussion hier erübrigt. Die Initiative zur Aufnahme der diplomatischen Kontakte, an deren Anfang eine Gesandtschaft zu denken ist, ging von Rhodos aus, das aus handelspolitischen Rücksichten die aufstrebende Macht am Unterlauf des Tiber in seinen Gesichtskreis einbezogen haben wird. 1. Ägypten, Nicht ganz so einfach sind die Gründe zu klären, die das Ptolemaierreich rund 30 Jahre später ebenfalls veranlaßten, mit Rom in Kontakt zu kommen. Im Jahre 273 v. Chr. sandte Ptolemaios IL Philadelphos eine Gesandtschaft nach Rom, die durch eine senatorische Gesandtschaft unter Führung des Q. Fabius Maximus Gurges erwidert wurde.44 An der Tatsache beider Gesandtschaften ist nicht zu zweifeln, ebensowenig wie an der Aufnahme diplomamassaliotischen Pflanzstädten Antipolis und Nikaia zu Hilfe (Polyb. 33, 4; 7; 8. Zum Verhältnis der Mutterstadt zu diesen Kolonien vgl. J. SEIBERT, Metropolis und Apoikie, Diss. Würzburg 1963, S. 143 ff.), und 125 wie 123/2 wehrte Rom die keltisdien Salluvier ab (Fast. Triumph. 631, CIL I2, p. 49. Liv. epit. 60. Flor. 3, 2, 3). Vgl. N. J. DE WITT, a.a.O., S. 605ff. 42
H. HÖRN, Foederati, S. 19 fr.
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Rom und Rhodos. Geschichte ihrer politischen Beziehungen seit der ersten Berührung bis zum Aufgehen des Inselstaates im römischen Weltreich, Münchner Beitr. z. Papyrusforschung u. antik. Rechtsgesch. 40, 1957 gegen M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 30 ff. Die Ergebnisse von Η« Η. SCHMITT blieben nicht unwidersprochen, vgl. J. BLEICHEN, Gnomon 31 (1959) S. 440 f., A. LIPPOLD, Consules, Untersuchungen zur Geschichte des römischen Konsulates, 1963, S. 226 ff. Zuletzt im Sinne SCHMITTS F. CASSOLA, I gruppi politici romani nel III secolo a. C., 1962, S. 41 ff. (mit weit. Lit.). 44 Die Datierung ergibt sich aus Eutrop. 2, 15, der die Gesandtschaft unter dem Konsulat des C. Fabius Licinus und des C. Claudius Canina berichtet (T. R. S. BROUGHTON, The Magistrates of the Roman Rep. I, 1951, S. 196 f.). Vgl. Liv. per. 14. Dion. Hai, 20, 14, 1 f. Val. Max. 4, 3, 9. Justin. 18, 2, 9. Cass. Dio. frg. 41 (Boiss.). Zonar. 8, 6, 11. A. BOUCHE-LECLERCQ, Histoire des Lagides I, 1903, S. 174 f. (mit d. alt. Lit. S. 175 Anm. 1), M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 60 ff., E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 202 ff., H. VOLK-
MANN, RE 23 (1959) Sp. 1651 s. v. Ptolemaios II. Philadelphos, E. MANNI, L'Egitto tolemaico nei suoi rapporti politici con Roma I: L'amicitia, Riv. di Fil. 27 (1949) S. 79 ff., A. PASSERINI, Roma e PEgitto durante la terza guerra macedonica, Athenaeum N. S. 13 (1935) S. 317 ff., E. BADIAN, Foreign Clientelae, S. 33.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
tischer Beziehungen zwischen beiden Staaten. Über den Inhalt eventuell getroffener Vereinbarungen wissen wir jedoch nichts, und die von unserer Überlieferung zur Bezeichnung des eingegangenen Rechtsverhältnisses gebrauchten Termini tragen mehr zur Verwirrung als zur Klärung der Lage bei: So spricht Livius von einer societas, Cassius Dio von einer ομολογία, Eutrop von amicitia und Appian (Sic. 1) von φιλία.45 Man ist in der Forschung heute allgemein der Ansicht, daß vor allem handelspolitische Gesichtspunkte die Beziehungen beider Völker eingeleitet und bestimmt haben.46 Dagegen erheben sich jedoch gewichtigte Bedenken, wenn die politische Situation, in der die Gesandtschaft des Ptolemaiers nach Rom erfolgte, in die Frage nach den Ursachen mit einbezogen wird. Diese war nun für beide Teile 45 Da mit größter Wahrscheinlichkeit allen späteren Zeugnissen Livius zu Grunde lag (E. MANNI, a.a.O. S. 81), muß die terminologische Verwirrung schon bei ihm vorgelegen haben. Das läßt darauf schließen, daß Livius die Begriffe amicitia und societas hier wie so oft promiscue gebraucht hat und seinen Abschreibern diese nicht mehr verständlich waren. 46 So schon A. BOUCHE-LECLERCQ, a.a.O. S. 174ff. und TH. WALEK, La politique romaine en Grece et dans POrient r^ll^nistique au Hie siecle, Rev. de Phil. 49 (1925) S. 118 ff., dem E. MANNI, a. a. O. S. 79 ff. folgt. Ihnen zufolge ist in der ptolemäischen Gesandtschaft das Bemühen erkennbar, dem ägyptischen Kornhandel auch den westlichen Absatzmarkt zu sichern. Eine sichere Grundlage für die Annahme handelspolitischer Gründe bieten jedoch nur zwei Beobachtungen: (1) Das Auftauchen der Gnathiaware in Alexandria und Funde alexandrinischer Ware in Apulien (M. ROSTOVTZEFF, Gesellschaftsund Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt I, 1955, S. 307 ff. mit Anm. 198). (2) Die übereinstimmende Bezifferung der Dekadrachmen der Arsinoe IL und der römischen Didrachmen einer Münzserie mit den Jahrziffern 1-49 bzw. 1-50. Da die Emission der römischen Silbermünzen nicht vor 269 v. Chr. datiert werden kann (H. MATTINGLY, The Diana-Victory Didrachms and the Decadrachms of Arsinoe, NumChron. 6 (1946) S. 63 ff.) und somit unter dem Konsulat des C. Fabius und des Q. Ogulnius, zwei Teilnehmern der Gesandtschaft an den ptolemäischen Hof, begann, scheinen konkrete kommerzielle Abmachungen im Jahre 273 nicht ausgeschlossen (H. MATTINGLY, Zephyritis, AJA 54 (1950) S. 89ff., H. H. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 40ff., H. VOLKMANN, a.a.O. Sp. 1651, E. G. HUZAR, Classical Journal 61 (1966) S. 337ff. Mit J. BLEICHEN, Gnomon 31 (1959) S. 440 muß allerdings die Möglichkeit eingeräumt werden, daß der Einfluß der ptolemäischen Münzstätten den Weg über die unteritalischen Griechenstädte genommen hat.). Die Beweisführung auf Grund der beiden angeführten Indizien läßt jedoch die entscheidende Frage offen, ob diese offensichtlich vorhandenen handelspolitischen Spuren Ursache oder Ergebnis der 273 hergestellten Beziehungen sind. Des weiteren setzen vertragliche Handelsabkommen einen systematischen Warenfluß voraus, und dafür fehlt uns jede Spur (vgl. die Beobachtung von J. G. MILNE, The Problem of the Early Roman Coinage, JRS 36 (1946) S. 98 Anm. 14, daß weder römische Münzen in Ägypten, noch ägyptische in Italien nachweisbar sind). Es bleibt daher zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen beide Staaten ihren ersten diplomatischen Kontakt aufnahmen.
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derart angespannt, daß rein wirtschaftliche Gesichtspunkte völlig in den Hintergrund getreten sein mußten, wenn sie nicht den Lebensnerv beider Staaten betrafen, und davon kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Rom hatte sich zwar 275 y, Chr. j n der Schlacht bei Malventum (Benevent) gegen Pyrrhos behaupten können, und seine Kriegführung war nach der Abreise des epirotischen Königs im Herbst desselben Jahres fühlbar entlastet worden, trotzdem war die Gefahr noch nicht gebannt, da über die Hälfte des epirotischen Heeres noch in Tarent lag und eine Rückkehr des Pyrrhos immer noch befürchtet werden mußte.47 Nicht besser standen die Dinge für Ptolemaios Philadelphos: Der erste Krieg um Koilesyrien mit Antiochos I. war in vollem Gange, und die Ausgangsstellung des Lagiden durch den Abfall des Vizekönigs der Cyrenaika, Magas, sehr geschwächt.48 Vor diesem Hintergrund erscheint es einleuchtend, daß dem Zweck der Gesandtschaft des Ptolemaiers in Rom politische Erwägungen zu Grunde gelegen haben müssen. Trotzdem lassen sich keine Berührungsflächen zwischen Rom und dem Ptolemaierreich feststellen.49 Der Krieg gegen Pyrrhos war von Rom weder gewollt noch vorausgesehen, er ergab sich nebenher aus der Auseinandersetzung mit Tarent, in die wiederum die Politik aus rein auf Mittel- und Unteritalien beschränkten Gesichtspunkten geführt hatte. Während der sechs Jahre, die dieses Ringen andauerte, konnte der Senat kein Anzeichen dafür gefunden haben, daß die griechische Welt sich in dieser Auseinandersetzung gegen Rom entschieden hatte oder es überhaupt als politischen Faktor in seine eigenen politischen Überlegungen einzubauen begann. Ptolemaios seinerseits war vielzusehr in den tief47
Pyrrhos hat offensichtlich nie daran gedacht, seine italischen Positionen aufzugeben, und sein Aufbruch nach Epirus wie sein Feldzug gegen Antigonos im Frühjahr 274 dienten vor allem der Beschaffung neuer Truppen und Geldmittel, ohne die nach Benevent der Krieg gegen Rom nicht erfolgversprechend geführt werden konnte. Vgl. Plut. Pyrrh. 26, 1-3. Zonar. 8, 6, 7. Justin. 25, 3, 3. Oros. 4, 2, 7. D. KIENAST, RE 24 (1963) Sp. 156f. s. v. Pyrrhos Nr. 13. 48 Die Einzelheiten bei H. VOLKMANN, a.a.O. S. 1650ff. vgl. H. BENGTSON, Griech. Gesdi.3, S. 394 ff. 49 M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 60ff.; S. 80ff., P. LEVEQUE, Pyrrhos, 1957, S. 559 f.; S. 581 ff. Von beiden ist der Versuch C. F. LEHMANNS, Der erste syrische Krieg und die Weltlage um 275-272 v. Chr., Klio 3 (1903) S. 496ff., vor allem S. 537 ff., zwei große rivalisierende Interessengruppen im Mittelmeerraum nachzuweisen, die auf der einen Seite Ptolemaios, Antigonos, Areus von Sparta und Rom, auf der anderen Seite Antiochos I., Magas, Pyrrhos, Tarent und Karthago umfaßt haben soll, noch einmal zurückgewiesen worden, nachdem schon W. W. TARN, Antigonos Gonotas, 1913, S. 442 ff. eine eingehende Wiederlegung Punkt für Punkt besorgt hatte (vgl. H. BENGTSON, a. a. O. S. 395 Anm. 3). Ebenso unbeweisbar bleibt der von G. NENCI, Pirro, 1953, S. 182 ff. angenommene Gegensatz beider Staaten zu Karthago.
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greifenden Gegensatz mit dem Seleukidenreich verwickelt, der als Erbschaft der Diadochenkämpfe in der „syrischen Frage" bestand, um auch das westliche Mittelmeerbecken in seine Politik einbeziehen zu können. So läßt sich auch kein Gegensatz zu Pyrrhos aufzeigen, der den Ptolemaier veranlaßt haben könnte, eine societas mit Rom abzuschließen, um den Krieg in Italien nicht ausgehen zu lassen. Damit entfällt das letzte Bindeglied, das möglicherweise ein Einbeziehen Roms in den Gesichtskreis hellenistischer Politik bedingt hätte. Auf Grund dieser Voraussetzung ergibt sich einmal die Intention, die den Ptolemaier zu seiner Gesandtschaft nach Rom bewogen haben muß - denn hier muß eingesetzt werden, da die Initiative eindeutig von ihm ausging - , und zum anderen der formelle Charakter der hergestellten völkerrechtlichen Beziehungen. M. HOLLEAUX (Rome, la Grece, S. 81) hat die fehlenden politischen Berührungsflächen beider Staaten gründlich ausgeleuchtet und abschließend formuliert: ,,qu' une intelligente curiosite le poussait a se mettre en rapports avec les grandes nations barbares dont le renom arrivait jusqu'ä lui, s'il expedia une ambassade au Senat, le motif en put etre le meme qui lui en fit envoyer une aussi a la cour des souverains hindous (Plin. n. h. 6, 58)". Man muß hinzufügen, daß es dem politischen Scharfblick des Ptolemaiers und seiner einflußreichen Schwester und Gattin Arsinoe II. 50 gewiß nicht entgangen ist, daß sich in Mittelitalien eine Macht zu bilden begann, die zwar jenseits des eigenen politischen Interessengebietes lag, jedoch nach der Unterwerfung der Samniten 290 v. Chr. und auf Grund ihres Standhaltens gegen Pyrrhos respektabel genug war, um sie kennen zu lernen. Die Form der aufgenommenen Beziehungen kann daher nicht in dem Abschluß eines Bundesgenossenvertrages bestanden haben, wie uns Livius berichtet, noch ist ein Handelsvertrag anzunehmen, da die historischen Voraussetzungen des ersten diplomatischen Kontaktes die vorhandenen Spuren römisch-ägyptischen Handelsaustausches klar als spätere Wirkung des hergestellten Verhältnisses und nicht als dessen Ursache klassifizierten. Zudem dürften die wenigen spärlichen Zeugnisse kommerzieller Partnerschaft in keinem Fall dazu dienen, einen systematischen Warenaustausch anzunehmen, wie es überhaupt nicht opportun ist, Rom in dieser frühen Zeit handelspolitische Gesichtspunkte zu unterstellen. Wo diese zu finden sind, gehen sie ausnahmslos auf die Initiative des Partners zurück. _So kann auch hier nur das Verhältnis der amicitia angenommen werden, die ohne vertragliche Bindung, gleichgültig welchen Inhaltes, allein auf Grund diplornatischer Beziehungen formlos hergestellt wurde und politisch den gelegentlichen Austausch von Gesandtschaften bedingte, wirtschaftlich den igegenseitigeji Handel 50
Über ihre Bedeutung vgl. E. KORNEMANN, Große Frauen des Altertums, 1947, S. 110ff., H. MATTINGLY, AJA 54 (1950) S. 126ff., H. BENGTSON, a.a.O. S. 396.
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anregte und kulturell gegenseitig befruchtend wirken konnte, was in diesem konkretenJFall nur einseitig von ptolemäischer Seite angenommen werden darf.61 Dieses Ergebnis bestätigen die annalistischen Berichte über die Beziehungen beider Völker in der Folgezeit. Zu Beginn unserer Überlieferung stehen zwei Erzählungen des Appian 52 und des Eutrop, von denen die des Eutrop sicher,53 die des Appian möglicherweise unhistorisch sind, die jedoch trotz ihrer inhaltlichen Unglaubwürdigkeit keinen Zweifel daran lassen, daß unsere Überlieferung tatsächlich von früheren Beziehungen zwischen Rom und Ägypten gewußt haben muß.54 Fester Boden in unserer Überlieferung zeigt sich erst zu Beginn des Zweiten Punisdien Krieges, in dem Ptolemaios IV. Philopator wie sein Vorgänger im Ersten Punischen Krieg strikte Neutralität wahrte. Eine Gesandtschaft des Hieronymos von Syrakus nach dem Tode Hierons II. nach Alexandria unter Führung von Hieronymus* Schwager Zoippos, die eine gemeinsame Aktion mit Ägypten und Karthago gegen Rom erreichen sollte, blieb ergebnislos.55 Um die51
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das Vorkommen italischer Geschichten in den Aitia des Kallimachos, wie sie in dem Neufund der Διηγήσεις vorliegen: F. ALT HEIM, WaG 2 (1936) S. 75ff., M. ROSTOVTZEFF, a.a.O. S. 384 Anm. 198, R. PFEIFFER,
Callimachus I, 1949, S. 109 f. 52 App. Sic. 1 berichtet, daß sich Ptolemaios Philadelphos während des Ersten Punischen Krieges neutral verhalten habe, da er mit beiden Parteien befreundet gewesen sei: τφ δ'ήν ες τε 'Ρωμαίους και Καρχηδονίους φιλία. So habe er eine punische Bitte, 2000 Ta lente Karthago zur Verfügung zu stellen, mit dem Hinweis auf seine Freundschaft mit Rom abgelehnt: ου δυνηθείς δ'ίίφη χρήναι φίλοις κατ' έχθρων συμμαχεϊν, ου κατά φίλων. Die Historizität des Berichtes hängt von den von Appian benutzten Quellen ab: Die optimistische Annahme G. DE SANCTIS', Storia dei Romani III 1, S. 241, daß Appian hier der Bericht eines vertrauenswürdigen griechischen Historikers zu Grunde gelegen hat, hat nur hypothetischen Wert (vgl. M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 64, E. MANNI, a.a.O. S. 82 f.). Richtig ist jedenfalls die politische Voraussetzung Appians, denn die strikte Neutralität des Lagidenreidies in der römisch-punischen Auseinandersetzung legen schon die kommerziellen Interessen Ägyptens nahe, die eine Störung durch Karthago nicht wünschen ließen. 53 Eutrop. 3,1 fabuliert, daß der Senat Ptolemaios III. Euergetesl. seine Hilfe im Krieg gegen Seleukos angeboten habe: finito igitur Punico hello, quod per XXIII annos tractum est, Romani iam clarissima gloria noti legatos ad Ptolemaeum Aegypti regem miserunt, auxilia prominentes, quia rex Syriae Antiochus ei bellum intulerat. ille gratias Romanis egit, auxilia non accepit, iam enim fuerat pugna transacta. Zu dieser „criante invraisemblance" (M. HOLLEAUX) vgl. B. NIESE, Geschichte II, S. 152 Anm. 4, K. J. BELOCH, Griech. Gesch.-IV2 2, S. 540, M. HOLLEAUX, Rome, la Gr£ce, S. 75 f., L. H. NEATBY,
a.a.O. S. 97. Für die Historizität entscheiden sich G. DE SANCTIS, a.a.O. S. 276f., TH. WALEK, Rev. de Phil. 49 (1925) S. 125 ff., F. CASSOLA, a. a. O. S. 46. 54 Vgl. F. HEICHELHEIM, Die auswärtige Bevölkerung im Ptolemäerreich, Klio Beih. 18 (1925) S. 80 ff., der auf die Beziehungen zwischen Süditalien und Ägypten eingeht. 55
Liv. 24, 26, 1. Polyb. 7, 2, 2.
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selbe Zeit (215 v. Chr.) sandte der Senat eine Gesandtschaft an den ägyptischen Hof, um infolge der in Rom eingetretenen Getreideknappheit um Zusendung von Getreide zu bitten.56 Livius berichtet bei dieser Gelegenheit eine Erneuerung des bestehenden Freundschaftsverhältnisses: et Alexandream ad Ptolemaeum et Cleopatram reges M. Atilius M. Acilius legati, ad commemorandam renovandamque amicitiam missi, dona tttlere, regi togam et tunicam purpuream cum sella eburnea, reginae pallam pictam cum amiculo purpureo.57 Schließlich sei noch die Gesandtschaft vermerkt, die nach dem Tode Ptolemaios' IV. Philopator (205 oder 204) der Vormund des jungen Königs Ptolemaios V. Epiphanes, Agathokles, nach Rom sandte.58 Polybios berichtet, daß die Gesandtschaft zu einem Umweg über Griechenland aufgefordert wurde, und er deutet gleichzeitig an, daß sie vor allem dazu diente, unbequeme Männer vom ägyptischen Hof zu entfernen.59 Ob daher diese Gesandtschaft jemals ihr Ziel erreicht hat und welcher Auftrag ihr mitgegeben wurde, bleibt zweifelhaft.60 Damit ist offensichtlich, daß die seit 273 v. Chr. zwischen beiden Staaten bestehende amicitia auch im Lauf der Entwicklung zu keiner festen Bindung geführt hat, sondern im Jahr 200 v. Chr. ebensowenig konkrete Verpflichtungen enthielt wie bei ihrem Zustandekommen. Inhaltlich beschränkte sich das Verhältnis auf den Ausschluß des Krieges, und die diplomatischen Formen, durch die es aufrechterhalten wurde, tragen unverbindlichen Charakter auch dann, als Rom in Alexandria wegen Getreidelieferungen vorstellig wurde. 56
Polyb. 9, na, 1. M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 66ff. ist der Beweis zu danken, daß diese Gesandtschaft mit der bei Liv. 27, 4, 10 zum Jahr 210 berichteten Gesandtschaft identisch ist. Vgl. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 28 Anm. 2. 57 Daß es sich hierbei nicht um die Erneuerung eines Vertrages handeln kann, hat M. HOLLEAUX aus vorwiegend politischen Gründen nachgewiesen (ebenso A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 28 f.). Für den Vertragscharakter der freundschaftlichen Beziehungen traten ein: A. BOUCHE-LECLERCQ, a.a.O. S. 318ff., E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 203, B. NIESE, Geschichte II, S. 871, E. OLSHAUSEN, Rom und Ägypten von 116 bis 51 v. Chr.,
Diss. Erlangen 1963, S. 4 im Anschluß an U. WILCKEN, SB Berlin, phil. hist. Kl. 1932, S. 3 2 1 . 68
Zur Chronologie und zu den blutigen Intrigen, die diese Vormundschaftsregierung begründeten vgl. H. VOLKMANN, a.a.O. Sp. 1686f. ebd. Sp. 1692^, Η. Η. SCHMITT, Untersuchungen zur Geschichte Antiochos' des Großen und seiner Zeit, 1964, S. 189 ff. 59 Polyb. 15, 25, 14-15: προεχειρίσατο δε και Πτολεμαίον τόν Άγησάρχου πρεσβευτήν προς 'Ρωμαίους, ούχ ώς έπισπεύσοντα τήν πρεσβείαν, αλλ' ώς, 6Vv δψηται της Ελλάδος και συμμίξη τοις έκεΐ φίλοις και συγγενέσιν, αύτοΰ καταμενοΰντα. προέκειτο γαρ αύτψ πάντας τους επιφανείς &νδρας εκποδών ποιήσαι. 60 Vgl. Μ. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 70 f., H. WINKLER, Rom und Ägypten im 2. Jahrhundert, Diss. Leipzig, 1933, S. 12f., E. MANNI, a.a.O. S. 96f., H. VOLKMANN, a.a.O. Sp. 1693.
Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen c) Amicitia als Ergebnis inhaltlich voneinander vers&hiedenerjV ertrage-
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Neben diesen Freundschaftsverhältnissen, die man als formlos zusammengefügte Interessengemeinschaften bezeichnet, konnten vertragliche Verpflichtungen das Rechtsverhältnis der amicitia herstellen. Ihr ZustandeJtpjmmerL ist also hier an bestimmte Bedingungen gebunden, oder anders ausgedrückt, das durch die vertragliche Niederlegung bestimmter Pflichten hergestellte gegenseitige Einverständnis bewirkt das Verhältnis der amicitia. Vertragstechnisch wird dieser durch die einzelnen Bedingungen hergestellte Zustand durch die Einleitungsformel έπι τοϊσδε φιλίαν είναι zum Ausdruck gebracht. So heißt es zu Beginn des Ersten Punischen Vertrages έπι τοϊσδε φιλίαν είναι Τωμαίοις, τοΐς Τωμαίων συμμάχοις και Καρχηδονίοις (Polyb. 3» 22, 4)» an derselben Stelle des zweiten Vertrages έπι τοϊσδε φιλίαν είναι Τωμαίοις, τοΐς Τωμαίων συμμάχοις και Καρχη δονίων και Τυρίων και Ίτυκαίων δήμω και τοΐς τούτων συμμάχοις (Polyb. 3, *4> 3), am Anfang des Präliminarfriedens mit Karthago 241 v. Chr. έπι τοϊσδε φιλίαν είναι Τωμαίοις και Καρχηδονίοις (Polyb. ι, 6ζ, 8), und schließlich zu Beginn des Antiochosvertrages φιλίαν ύπάρχειν Άντιόχω και Τωμαίοις εις άπαντα τον χρόνον ποιοΰντι τα κατά τάς συνθήκας (Polyb. 21, 43» *)> w o die Abhängigkeit der amicitia von der Erfüllung der einzelnen Vertragsbestimmungen am deutlichsten formuliert ist.61 81
E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 254 ff. und ihm folgend F. W. WALBANK, Comm. on
Polyb. I, S. 341 haben geglaubt, daß diese Einleitungsformel in den beiden ersten römisch-punischen Verträgen „zu den Wendungen gehört, mit welchen Polybios den Wegfall des feststehenden Vertragsrahmens andeutet" (E. TÄUBLER, S. 263. Voraussetzung dieser Argumentation TÄUBLERS ist natürlidi seine Annahme eines Grundvertrages, der die amicitia oder societas herstellt und zu dem die einzelnen Stipulationen als Spezialbestimmungen hinzutreten.). Dagegen hat sich schon F. SCHACHERMEYR, Rh. Mus. 79 (1930) S. 375 gewandt, vor allem aber A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 16 f. sowie R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 346 f. Nach ihnen ist es 1. methodisch falsch, „den einen Teil eines bei einem Schriftsteller überlieferten Vertragsstückes bis in alle Einzelheiten als authentisch nachzuweisen, den anderen aber schlechthin zu athetieren" (A. HEUSS, S. 16), und 2. sachlich unmöglich, Einleitungsformel und Einleitungsbestimmung zu trennen, da die amicitia erst auf Grund der einzelnen Vertragsstipulationen existiert und an einen Grundvertrag ohne konkrete Festsetzungen nicht gedacht werden kann. Ebenso bedarf die Ansicht E. TÄUBLERS, daß die beiden römisch-punischen Verträge aus der Entwicklungsgeschichte des römischen Vertragswesens auszuschalten seien, einer Korrektur. E. TÄUBLER hat zwar zu Recht die Ansicht vertreten, daß beide Vertragsformulare karthagischem und nicht römischem Vertragsbrauch entsprechen (vgl. dazu R. WERNER, a.a.O. S. 347f.), jedoch ist demgegenüber darauf hinzuweisen, „daß die Verschiedenheit irgendwelcher positiver Einzelfestsetzungen von der jeweiligen Einzelsituation abhängt, d. h. in anderen Faktoren als einem immanenten Vertragsbrauch begründet ist" (A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 16). In unserem Zusammenhang ist es von
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der romisdhen Außenpolitik
Alle vier genannten Verträge haben nur das Zustandekommen der amicitia unter bestimmten Bedingungen gemeinsam, formal und inhaltlich sind sie, wie leicht ersichtlich, grundsätzlich voneinander zu trennen. Die amicitia wird also durch jeden Vertrag, gleichgültig welchen Inhalts, welcher Form, ob zeitlich befristet oder nicht, hergestellt. Das gilt natürlich auch für den Bundesgenossenschaftsvertrag, in dem in der allgemeinen Vertragsbestimmung die συμμαχία mit der φιλία zusammen genannt wird. 62 /. Friedensverträge. Die beiden Verträge mit Karthago vom Jahre 241 v. Chr. und mit Antiochos III. vom Jahre 188 v. Chr. sind Friedensverträge. Die besondere Betonung der durch sie hergestellten amicitia wie der allgemeine Charakter des Friedensvertrages, der den Besiegten je nach der Art der auferlegten Bedingungen für die Laufzeit der Erfüllungsfristen mehr oder minder von Rom abhängig machte, zeigen die Absicht der römischen Politik, die besiegten Staaten in ein dauerndes Verhältnis zu Rom zu bringen, das über die Zeitdauer der Erfüllung der Friedensbedingungen hinaus Bestand hat. In Verbindung mit dem, was über die Sozietätsverhältnisse gesagt werden konnte, kann daher als Grundsatz der römischen Politik in den außeritalischen Gebieten das formuliert werden, was sich schon aus einem konsequenten Durchdenken der auf Italien angewandten Prinzipien unter Berücksichtigung des dort herrschenden Gedankens der Wehrgenossenschaft ergeben mußte: Rom beabsichtigte nicht, ebensowenig wie in Italien, besiegte außeritalische Gemeinden als völkerrechtlich souveräne Gemeinwesen zu vernichten. Ihm war vielmehr an einer losen - das in entschiedenem Gegensatz zu den italischen Gemeinden - aber dauernden Interessengemeinschaft Wichtigkeit, daß die Römer auch auf ein fremdes Vertragsschema einzugehen bereit waren, wenn sie es für vorteilhaft erachteten, und damit natürlich auch mit dem einmaligen Gebrauch eines solchen Vertragsschemas die diesen inhärierenden formalen und inhaltlichen Momente kennen lernten. Es genügt also nicht, die Verträge nach ihrer Herkunft und ihrer urkundlichen Ökonomie zu richten, sondern historisch bedeutsam und im Grunde allein entscheidend ist, was die Römer mit dem ihnen angetragenen internationalen Vertragsrecht anzufangen wußten. - Zu den römisch-punischen Verträgen im einzelnen sei auf die Behandlung von R. WERNER, a.a.O. S. 298ff. verwiesen, die auch die umfängliche Lit. vollständig berücksichtigt (vgl. auch H. BENGTSON - R. WERNER, Staatsverträge II, Nr. 121, S. 16 ff. und Nr. 326, S. 306 ff.). 62 Vgl. den Friedensvertrag mit Karthago 201 v. Chr. (App. Lib. 54), den Vertrag mit Herakleia Pontica von um 188 v. Chr. (Memn. in Phot. Bibl. p. 222 Bekk. = FGrHist 434 F 1, 18, 10), den Vertrag mit den Aitolern von 212 v. Chr. (Liv. 26, 24, 8), den Vertrag mit Astypalaia von 105 v.Chr. (IG XII 3, 173 = R. CAGNAT, IGR IV, 1028), den Vertrag mit Knidos (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 450). Im Vertrag mit den Juden 161 v. Chr. (I. Makk. 8, 17. 23) darf dieselbe Formulierung angenommen werden: R. WERNER, a.a.O. S. 447 Anm. 1.
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über die zwangsläufige Dauer der ihrem Wesen nach befristeten Friedensbedingungen hinaus gelegen. Der Charakter des eingegangenen völkerrechtlichen Verhältnisses, Sozietät oder amicitia, richtet sich nach der jeweiligen Einzelsituation: Nur die politisch-militärische Zwangslage e3 oder der Verlust jedes eigenen politischen Profils des Besiegten auf Grund der endgültigen Niederlage,64 die die 63 Vgl. den Friedensvertrag mit Hieron II. von Syrakus (s. o.), die Bemühungen der römischen Diplomatie, Philipp V. zum Abschluß eines Bundesgenossenvertrages zu veranlassen, als die drohende Auseinandersetzung mit Antiochos III. unvermeidlich schien (Polyb. 18, 48, 3 ff. = Liv. 33, 35, 3 ff. vgl. Liv. [P] 34, 25, 1-26, 10, wonach makedonische Truppen in den Krieg gegen Nabis eingriffen, und Diod. 28, 15, 1. Liv. [P] 35, 31, 5, nach dem eine makedonische Gesandtschaft 194 v. Chr. in Rom territoriale und personelle Zusicherungen erhielt), und den Abschluß eines Bundesgenossenschaftsvertrages mit dem achäischen Bund 192/1, dazu S. 261 f. 64 So enthält der Friedens Vorschlag des M. Atilius Regulus 256/5 v. Chr. neben den üblichen Bedingungen über territoriale Abtretungen (hier Sizilien und Sardinien), Auslieferung der römischen Kriegsgefangenen und Übernahme der Kriegskosten, teils sofort, teils in Jahresraten, den Abschluß eines foedus iniquum: Cass. Dio frg. 43, 22-23 (Boiss.). Polyb. 1, 31, 4 ff. Diod. 23, 12, 1. Vgl. O. MELTZER, Geschichte der Karthager II, 1896, S. 299 f.; S. 570 f., der Philinos als Vorlage für alle drei Quellen erkannt hat, u. C. NEUMANN, Das Zeitalter der punischen Kriege, 1883, S. 120 f., K. J. BELOCH, Griech. Gesch. IV2 1, S. 656. Für den Verlauf der afrikanischen Expedition siehe J. H. THIEL, Α History of Roman Sea-Power before the Second Punic War, 1954, S. 206 ff. Bekanntlich beruhten diese unerbittlichen Forderungen auf einer völligen Verkennung der tatsächlichen Machtverteilung durch den römischen Konsul, die nach einer durchgreifenden Heeresreform in Karthago durch den spartanischen Condottiere Xanthippos letztlich die Katastrophe des römischen Heeres 255 bei Tunes und Clupea (Polyb. 1, 31-36, 4) bedingte. - Zum Abschluß eines foedus aequo iure mit Karthago kam es dann in Verbindung mit dem Friedensvertrag von 201 v. Chr., eine Tatsache, die nur bei App. Lib. 54 überliefert ist, von Polyb. 15, 18 und Liv. 30, 37, der Polybios und eine annalistische Quelle wie in seiner Wiedergabe des Friedensvertrages mit Philipp V. verbindet, dagegen verschwiegen wird. App. Lib. 54: 'Ρωμαίων τε εΐναι φίλους και συμμάχους κατά γήν και κατά θάλασσαν, ήν άρέσκη ταΰτα τη βουλή. Der Zusatz des zweiten Satzgliedes zeigt ebenso wie die einseitige Stilisierung der formal an den Anfang des Vertrages zu stellenden Einleitungsformel nur für die Karthager, daß Appian hier den Vertragsvorschlag und nicht die Endredaktion des Vertrages wiedergibt. An der Glaubwürdigkeit dieses Bundesgenossenverhältnisses kann nicht gezweifelt werden: E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 190ff. (gegen H. NISSEN, Commentatio de pace anno 201 a. Chr. Carthaginiensibus data, Marburger Programmbeilage 1870), G. DE SANCTIS, Storia dei Romani III 2, S. 616ff.; S. 619 (der im übrigen gegen den Beweis E. TÄUBLERS, daß Polybios und Livius den Präliminarvertrag,-Appian eine Kombination zwischen Präliminar- und Endvertrag wiedergeben, wahrscheinlich machen will, daß bei allen drei das endgültige Vertragsformular vorliegt. Siehe dagegen jedoch die eingehende Quellenanalyse im TÄUBLER'schen Sinne bei A. KLOTZ, Appians Darstellung des Zweiten Punischen Krieges, 1936, S. 105 ff.), ST. GSELL, Histoire ancienne de l'Afrique du Nord III, 1918, S. 286 ff., Η. Η. SCULLARD, Scipio Africanus in the Second Punic War, 1930, S. 252ff., L. ZANCAN, Le cause della
ißo
Amicitia und societas: Die Grundlagen der römisdien Außenpolitik
Gewährung eines foedus als Gnadenakt erscheinen lassen muß, 66 konnten Rom veranlassen, einem zum Abschluß eines Friedensvertrages gezwungenen Gegner ein enges Bundesgenossenverhältnis aufzunötigen. Formal entsprach der römischen Absicht, dauernde Beziehungen in jedem Fall herzustellen, im jeweiligen Vertragsinstrument entweder die Koppelung der Friedensstipulationen mit einem Bundesgenossenvertrag oder die Einfügung einer Einleitungsformel, die das hergestellte Amicitiaverhältnis ausdrücklich formulierte. 2. Der Friedensvorschlag des Königs Pyrrhos 279 v. Chr. Das Verhältnis der amicitia konnte theoretisch aber auch dann durch einen Friedensvertrag hergestellt werden, wenn Rom nicht als Sieger die Friedensbedingungen diktierte, sondern als Unterlegener seinerseits einem gegnerischen Diktat unterworfen war. Diese rechtliche Möglichkeit trat historisch nie ein, sie zeichnete sich zu Beginn des Pyrrhoskrieges jedoch am Horizont ab. Nach den Siegen des von Tarent zu Hilfe gerufenen Königs der Molosser, Pyrrhos, über die römischen Heere bei Herakleia 280 und Ausculum im Spätsommer 279 v. Chr. leitete dieser Friedensverhandlungen mit dem Verhandlungsführer des Senates C. Fabricius Luscinus (cos. terza guerra punica, Atti del R. Istit. Veneto 95 (1935/36) S. 553ff. In der Konsequenz eines Bundesgenossenschaftsverhältnisses liegt die tatsächlich gej^stet£.l^litärHlfej>iun^ von ihr weiß Appian (Lib. 83) für die Kriege Roms gegen Philipp, Antiochos III. und Persers. Ebenso berichtet Livius von einem karthagischen Angebot 191 v. Chr., Schiffe zu stellen (Liv. [A] 36, 4, 5; 9: de classe Carthaginiensibus remissum praeterquam si quid navium ex foedere deberent), und im Verlauf des Antiochoskrieges spricht er von tatsächlich geleisteter karthagischer Flottenhilfe (36, 42, 2; 44, 5). De iure war damit die Entscheidungsfreiheit Karthagos als gleichgestellter Bündner garantiert, tatsächlich wurde es durch die auferlegten Friedensbedingungen zum Klientelstaat Roms^ für^den die Maiestasklausel zwju^^kigrmuliert war auf den sie aber vollinhaltlich zutraf. - Der Friedensvertrag mit NABIS 195 v. ChrT (nur als Präliminarvertrag erhalten, Liv. [P] 34» 35> 3—11; 4°> 4) lief in seinen Bestimmungen ebenfalls auf eine Preisgabe der politischen Souveränität hinaus. Da es die Römer in diesem Jahrzehnt jedoch peinlich vermieden, eine dauernde Verbindung in Griechenland einzugehen, wenn sie nicht im Interesse der eigenen Sicherheit stand, begründete der Friedensschluß nur die amicitia Spartas mit Rom. Erst die siegreiche Beendigung des Antiochoskrieges schuf auf griechischem Boden die Voraussetzung, das schon mit Karthago geübte Prinzip auch hier anzuwenden. So wurde der Friedensschluß mit den AITOLERN mit dem Abschluß eines foedus iniquum in der Form gekoppelt, daß zu dem Klientelvertrag die Friedensbestimmungen als Spezialbestimmungen hinzutraten: Polyb. 21, 32 = Liv. 38, 11. 65 Als solchen müssen es schon die antiken Autoren empfunden haben, da sie das Selbstbestimmungsrecht des Vertragskontrahenten, das Voraussetzung jedes Vertragsabschlusses ist, als Vertragsbestimmung in den Friedensvertrag mit Karthago 201 v. Chr. hineingebracht haben: Polyb. 15, 18, 2 = Liv. 30, 37, 2. Für die Historizität dieser Bestimmung und gegen den Quellenwert Appians jetzt F. GSCHNITZER, Die Stellung Karthagos nach dem Frieden von 201 v. Chr., Wiener Studien γ$ (1966) S. 276 ff.
Umfang un^ Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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282 und 278) ein. D i e Verhandlungen führten z u m Abschluß eines Präliminarfriedens, dessen Ratifizierung in Rom der Kanzler des Königs, Kineas, vergeblich durchzusetzen versuchte. 66 Der Inhalt des in R o m vorgelegten Vertragsvorschlages ist ebenso wie die wesentlichen Züge der Ereignisse in unserer Überlieferung durch Anekdoten und Legenden fast verhüllt. 6 7 Wir besitzen vier Inhaltsanga68 Daß es tatsächlich schon zum Abschluß eines Praeliminarfriedens gekommen war, geht aus der Darstellung des Justin. 18, 1, 7-2, 8 hervor. Da C. Fabricius als senatorischer Legat mit Pyrrhos verhandelte und der Konsul P. Sulpicius Saverrio offensichtlich nicht hinzugezogen wurde, entbehren die getroffenen Vereinbarungen natürlich jedes rechtsverbindlichen Charakters. 07 Die Frage, ob man mit zweimaligen Friedensverhandlungen, einmal im Jahr 280 (nach der römischen Niederlage von Herakleia) und zum anderen im Jahr 279 (nach der Schlacht von Ausculum), zu rechnen hat, ist in unserem Zusammenhang ohne Bedeutung und daher auch nicht zu untersuchen. Trotzdem sei wenigstens auf das Problem hingewiesen, da es ein helles Licht auf die Schwierigkeiten wirft, vor die sich eine Quellenkritik hier gestellt sieht. Nach dem Bericht unserer Quellen soll Kineas, Minister des Pyrrhos, nach der Schlacht von Herakleia mit Erfolg die Anknüpfung von Verhandlungen vorgeschlagen haben. Zeitpunkt und Verlauf dieser Verhandlungen berichtet unsere Überlieferung gespickt mit Widersprüchen und annalistischen Topoi: Plut. Pyrrh. 17, 9 - 25, 15. App. Samn. 10-11. Justin. 18, 1, 7 - 2, 12 und die livianische Tradition, bestehend aus Liv. Per. 13. Eutrop. 2, 12-14. Zonar. 8, 4, 1 - 5, 10. Vgl. D. KIENAST, RE 24 (1963) Sp. 139 ff. s. v. Pyrrhos Nr. 13. Eine schematische Aufstellung der Ereignisse und Verhandlungen, wie sie sich auf Grund dieses Quellenmaterials ergibt, bringt P. LEV£QUE, Pyrrhos, Bibl. des £c. franc. d'Athenes et de Rome 185, Paris 1957, S. 364. B. NIESE, Zur Geschichte des pyrrhischen Krieges, Hermes 31 (1896) S. 481 ff. hat nun auf Grund der älteren Quellen (Justin. 18, 2, 6. Diod. 22, 6, 3. Cic. Cato 16) den Nachweis zu bringen versucht, daß nur die angeblich zweite Gesandtschaft nach Rom historisch sein kann und die annalistische Verdoppelung der Gesandtschaft nebst der Verschiebung des wahren Sachverhaltes auf dem annalistischen Bestreben beruht, die Überlegenheit Roms auch in dieser mißlichen Lage herauszustreichen. Nach B. NIESE wäre der Hergang also so zu denken, daß nach der Schlacht von Ausculum der Konsul des folgenden Jahres C. Fabricius mit Pyrrhos Unterhandlungen anknüpfte, die zum Abschluß des Präliminarfriedens führten, zu dessen Ratifizierung Kineas nach Rom ging. Der Friede wurde jedoch in Rom dank dem entschiedenen Einspruch des greisen Appius Claudius Caecus, mehr noch auf Grund des Einlaufens einer karthagischen Flotte in den Hafen von Ostia und der Bündnisanträge des karthagischen Admirals verworfen (Justin. 18, 2. Vertragstext: Polyb. 3, 25, 3-4). Es scheint mir sicher, daß der Abschluß dieses Additionalvertrages den Ausschlag für die Weiterführung des Krieges gegeben hat (ebenso A. HEUSS, Rom. Gesch.2, 1964. S. 55), denn der in der Annalistik mit allen heldenhaften Attributen verzierte Widerstand des Appius Claudius kann trotz dessen unbestreitbarer auctoritas zwei schwere Niederlagen nicht aufgewogen haben. Eine genaue Datierung des Vertragsabschlusses ist jedoch nicht mehr möglich, da Polybios einen Spielraum von ca. zwei Jahren zwischen der Landung des Pyrrhos in Italien im Mai 280 und dem Beginn des Krieges auf sizilischem Boden im Sommer 278 offen läßt: 3, 25, 1. Vgl. G. F. UNGER, Rh. Mus. 37 (1882) S. 160ff. In der Forschung findet sich daher innerhalb dieses Zeit-
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen
Außenpolitik
ben des Vertragstextes und ebensoviele Stipulationen. Nach Plut. Pyrrh. 18, 6 fordert Pyrrhos Straflosigkeit für Tarent, nach der livianischen Tradition die Autonomie seiner Alliierten, 6 8 n a c h ^ g r x Samn. 10, 1-3 Aufnahme Tarents in die römische Freundschaft, Freiheit und Autonomie der Griechen Italiens und Rückgabe der auf Kosten der Lukaner, Samniten, Daunier und Bruttier gemachten römischen Eroberungen, eine Bestimmung, die durch den anonymen Autor des Ineditum Vaticanum I I 6 9 auf den Kreis der mit Pyrrhos alliierten Samniten, raumes jede nur mögliche Datierung mit wechselnder Begründung vertreten. Vgl. den Forschungsüberblick zu dieser Frage bei R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 306 mit Anm. 5. Mit D. KIENAST, a.a.O. Sp. 146f. ist nun unbedingt anzunehmen, daß die im Vertragstext genannte συμμαχία προς Πύρρον aus historischen Gründen und wegen des Kontextes als "Bündnis gegen Pyrrhos" gelesen werden muß (Von einem Bündnis mit Pyrrhos sprechen vor allem E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 264 ff., K. J. BELOCH, Griech. Gesch. IV 2 2, S. 476 ff., F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. I, 1957) S. 350f. Weit. Lit. bei D. KIENAST, a.a.O. Sp. 147f.)· Bedenkt man von hier aus, daß das syrakusanische Hilfegesuch an Pyrrhos nach der Schlacht von Ausculum erfolgte (Plut. Pyrrh. 22, 2. Diod. 22, 7, 3. App. Samn. 11, 1) und Karthago, das davon bald Kunde erhalten haben wird, damit alles daran gelegen sein mußte, den Krieg in Italien zu diesem Zeitpunkt nicht ausgehen zu lassen, so erscheint die Datierung des Vertrages in den Herbst 279 als die einzig mögliche. - B. NIESES oben angeführter These zugestimmthaben K. J. BELOCH, Griech. Gesch. IV 2 1, S. 5 51 f., G. DE SANCTIS, Storia... II, S. 403 ff., F. STÄHELIN, RE 11 (1921) Sp. 472 ff. s. v. Kineas, A. PASSERINI, Sulla trattative di Roma con Pirro, Athenaeum 21 (1943) S. 92 ff. Gegen diese Auffassung hat sich zuerst W. JUDEICH, König Pyrrhos' römische Politik, Klio 20 (1926) S. 1 ff. gewandt, der die zweimaligen Friedensverhandlungen, wie sie unsere Quellen berichten, zu halten versuchte, allerdings mit ebensowenig glücklichen wie erfolgreichen Gründen, so daß K. J. BELOCH, Griech. Gesch. IV 2 2, S. 476 von einem „Köhlerglauben an die annalistische Tradition" sprechen konnte. Trotzdem entschied sich die damit einmal angefachte Diskussion, wenn auch mit mannigfaltigen Variationen, im Sinne JUDEICHS und damit im Sinne der antiken Überlieferung für zweimalige Verhandlungen: So O. HAMBURGER, Untersuchungen über den pyrrhischen Krieg, Diss. Würzburg 1927, S. 45 ff., P. WUILLEUMIER, Tarente, des origines a la conquete romaine, 1939, S. 125ff., P. LEV£QUE, a.a.O. S. 341 ff., auf dessen Zusammenstellung der vertretenen Meinungen verwiesen sei (vgl. auch H. BENGTSON, Griech. Gesch.8, S. 385 Anm. 6). Eine endgültige Klärung des ungemein schwierigen Problems ist jedoch auch diesen modernen Versuchen nicht gelungen (vgl. P. LEVEQUE, a.a.O. S. 370), so daß die gründliche und m. E. auf den richtigen quellenkritisdien Voraussetzungen beruhende Lösung B. NIESES immer noch am ansprechendsten erscheint. Ebenfalls für einmalige Verhandlungen hat sich neuerdings wieder D. KIENAST, a.a.O. Sp. 142 f. entschieden, jedoch datiert er sie entgegen der hier vertretenen Ansicht sdion in den Herbst 280, also nach der römischen Niederlage von Herakleia. - Zur Quellenlage vgl. noch W. HOFFMANN, Der Kampf zwischen Rom und Tarent im Urteil der antiken Überlieferung, Hermes 71 (1936) S. 11 ff. 88
Die livianische Tradition besteht hier aus Liv. Per. 13. Eutrop. 2, 12, 4. Cass. Dio frg. 40, 29-41 und 44 sowie aus dessen Exzerptor Zonar. 8, 4, 4-12, 5, 8 f. 69 Hrsg. von H. VON ARNIM, Hermes 27 (1892) S. 120 f., FGrHist 839 F 1.
Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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Lukaner und Bruttier eingeschränkt wird. 70 Allen Berichten gemeinsam ist das Angebot des Königs, im Falle eines Vertragsabschlusses die römischen Gefangenen ohne Lösegeld sofort freizugeben, wobei der Zusatz Plutarchs, Pyrrhos wolle sich auch zu Hilfeleistungen bei der Eroberung Italiens verstehen, unbesehen in das Reich der Fabel verwiesen werden kann. Pyrrhos war, in Wiederaufnahme der Welteroberungspläne Alexanders, nach Italien gegangen, um dieses Land zu unterwerfen.71 Man hat nun in der Forschung längst erkannt, daß die Wiedergabe des Vertrages, wie sie bei Appian vorliegt, mit der Einschränkung des Ined. Vatic. als glaubwürdig angesehen werden darf: App. Samn. 10, 3: έδίδου δ'αύτοΐς ειρήνην και φιλίαν και συμμαχίαν προς Πύρρον, ει Ταραντίνους μέν ες ταΰτα συμπεριλάβοιεν, τους δ'αλλους "Έλληνας τους εν Ιταλία κατοικοΰντας ελευθέρους και αυτό νομους έφεν, Λευκανοΐς δε και Σαυνίταις και Δαυνίοις και Βρεττίοις άποδοΐεν, δσα αυτών εχουσι πολέμω λαβόντες. και γιγνομενωνεφη τούτων Πυρροναποδωσειν αύτοϊς τους αιχμαλώτους άνευ λύτρων.72 Politisch ergibt sich damit der Versuch des Pyrrhos, Italien in zwei Einflußzonen aufzuteilen, ein Vorschlag, der in Rom willkommen gewesen sein muß, da die Mehrheit des Senates zur Ratifizierung der Präliminarien neigte.73 Rechtlich weist der Inhalt der einzelnen Vertragsbestimmungen eindeutig auf einen 70
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Vgl. P. UVSQUE, a. a. O. S. 348 ff.
Plut. Pyrrh. 14, 10 f. lustin. 18, 1, 1. Diod. 18, 4, 4. Dazu U. WILCKEN, Die letzten Plane Alexanders des Großen, SB Preuß. Ak. Wiss., Phil.-hist. Kl. 1937, S. 192 ff. 72 Literatur s. o. S. 151 Anm. 67. Der Versuch A. PASSERINIS, a.a.O. S. 108, die Forderung auf Rückgabe der römischen Eroberungen in Samnium, Bruttium und Lucanien als annalistische Erfindung auszuschalten, ist nicht überzeugend. 73 App. Samn. 10, 4. Damit war nun allerdings ein deutliches Abrücken von den politischen Zielen verbunden, die man zu Beginn des Krieges durchzusetzen versudit hatte. Denn der Anstoß des Krieges, die Annahme des Hilfegesuches der Stadt Thurioi (App. Samn. 7, 1-4. Liv. Per. 11. Plin. n. h. 34, 32. Dion. Hai. 19, 13, 1. 20, 4, 2. Strab. 6, 263) verbunden mit dem sofortigen Übertritt Krotons, Lokrois und Rhegions (vgl. die Einzelheiten bei B. NIESE, Geschichte II, S. 32 ff. Zur Form des Anschlusses s. o. S. 63 Anm. 39) und ihre Besetzung mit römischen Truppen, zeigt unmißverständlich, daß Rom diesmal gewillt war, auch Unteritalien in seinen Machtbereich einzubeziehen und die betroffenen griechischen Städte in die italische Wehrgemeinschaft einzugliedern (vgl. W. HOFFMANN, Rom und die griechische Welt im vierten Jahrhundert, Philologus Suppl. 27, H. 1, 1934, S. 60 ff., dagegen L. DE REGIBUS, La reppublica romana e gli ultimi re di Macedonia, 1951, S.* 14 f.)· Erst vor diesem Hintergrund wird die Hartnäckigkeit, mit der Appius Claudius für die Fortführung des Krieges eintrat, erklärlich, und das sofortige Umschwenken der Friedenspartei, als sich mit den karthagischen Bündnisanträgen eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Fortsetzung des Krieges zeigte, beweist eindringlich, daß nur die Furcht vor der militärischen Überlegenheit des Pyrrhos, der man sich zweimal hatte beugen müssen, in Rom hatte Friedensgedanken aufkommen lassen.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römiscljen Außenpolitik
Friedensvertrag hin, der dem Besiegten, hier also Rom, schwere Bedingungen auferlegte und als Diktatfrieden des Pyrrhos sicher griechischen Ursprungs war, wenn man überhaupt ein feststehendes Vertragsformular annehmen will. Der auf Grund des Vertragsabschlusses hergestellte Zustand sollte die amicitia sein, was unsere Quellen mit amicitia et societas bzw. φιλία και συμμαχία bezeichnen. 3. Der Wertrag mit Tarent 303/2 v. Chr. und der Ebrovertrag. Abschließend sei kurz auf zwei Vertrage eingegangen, von denen uns nur die Festlegung einer Verkehrsgrenze überliefert ist. So erwähnt Appian zu Beginn des römisch-tarentinischen Krieges 282 v. Chr. das Bestehen eines alten Vertrages, nach dem es den Römern verboten war, über die Lakinische Landspitze hinauszufahren.74 Der weitaus größte Teil der Forschung hat diese Bestimmung im Anschluß an B. G. NIEBUHR (Römische Geschichte III, S. 318) auf den Friedensvertrag zwischen Tarent und Rom 303/2 v. Chr. bezogen, der den Krieg zwischen Tarent, das den spartanischen Condottiere Kleonymos zu Hilfe gerufen, und Rom, das sich mit den Lukanern verbündet hatte (Diod. 20,104), beendete.75 Der konsequente Schluß daraus ist, daß diese Klausel nicht den ganzen Vertrag ausgemacht haben kann, sondern nur einen Teil der Verkehrsgrenzen angibt, die höchstwahrscheinlich auch im Landesinnern festgesetzt waren 76 und die innerhalb des Vertrages wiederum nur eine der nicht mehr rekonstruierbaren Stipulationen darstellen. In einem ganz anderen vertragstechnischen Zusammenhang steht der Ebrovertrag, der zwischen Herbst 226 und Frühjahr 225 v. Chr. mit Hasdrubal abgeschlossen wurde. Auch hier ist als einzige Bestimmung eine Verkehrsgrenze überliefert, und zwar das Verbot für die Karthager, den Ebro mit Waffen in nördlicher Richtung zu überschreiten,77 jedoch kann in diesem Fall diese Stipula74
App. Samn. 7: παλαιαί συνθήκαι, μή πλεΐν 'Ρωμαίους πρόσω Λακίνιας ακρας. Κ. J. BELOCH, Rom. Gesch., S. 434 f., Griech. Gesch. IV2 1, S. 202, Ε. Α. FREEMAN, Geschichte Siziliens IV, S. 526ff., G. DE SANCTIS, Storia dei Romani II, S. 347, W. HOFF MANN, Rom und die griechische Welt, S. 54 ff. (wo im Anschluß an A. KLOTZ, PhW. 1922, S. 613 die Datierung von M. CARY, The Early Roman Treaties with Tarentum and Rhodos, Journ. of Phil. 33 [1920] S. 165 ff. in die Jahre 332-330 widerlegt wird),P. WUILLEUMIER, Tarente, 1939, S. 94 f., J. H. THIEL, Α History of Roman Sea-Power before the Second Punic War, 1954, S. 21 ff. Ältere Datierungsversuche bei J. W. SPAETH, Α Study of the Causes of Rome's Wars from 343 to 265 B. C, Diss. Princeton 1926, S. 61 Anm. 41. 76 Darauf weist das Verhalten der Tarentiner beim Ausbruch des Krieges 282 hin, da sie nicht nur das Einfahren der römischen Flotte in den tarentinischen Hafen, sondern auch das römische Eingreifen in Thurioi als feindlichen Akt auffaßten: App. Samn. 7. 77 Polyb. 2, 13, 7: τόν δέ καλούμενον "Ιβηρα ποταμόν ουκ έδει Καρχηδονίους έπί πολεμώ διαβαίνειν (vgl. 2, 22, 11. 3» *5> 5ί 2Ι> 7>' 27> 9'> 29> 2^·ί 3°> 3· Lrv· 21, 2, 7; 18, 9· 34» *7> 7· App. Iber. 7)· Die Formulierung des Vertrages durch die jüngere Anna75
Umfang un*.-. Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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tion nicht als Teil eines Vertrages angesehen werden, dessen restliche Bestimmungen nicht überliefert sind. Polybios (2, 22, 11) berichtet, daß die bevorstehenden Kämpfe mit den Boiern, Insubrern und Tauriskern Rom zum Abschluß eines Vertrages mit dem karthagischen Feldherrn in Spanien bewogen hätten.78 Das Ziel des diplomatischen Kontaktes, eine Verbindung zwischen Kelten und Karthagern unmöglich zu machen, ist durch die Festlegung der Ebrogrenze voll und ganz erreicht, so daß weitere Bestimmungen nicht anzunehmen sind. Diesen Schluß bestätigen die Verhandlungen vor dem Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges, in denen der Inhalt des Vertrages von beiden Seiten in der uns vorliegenden Form anerkannt wird und der Streit beider Parteien sich auf die Rechtsverbindlichkeit beschränkt.79 Fraglich kann daher nur die Form des Vertragsabschlusses sein, da Polybios von einem selbständigen Vertrag, Livius dagegen von einer Erneuerung des Friedensvertrages von 241 v.Chr. mit der entsprechenden Zusatzklausel spricht.80 Derartige Additionalklauseln sind der römischen Diplomatie in dieser Zeit nicht listik (Liv. 21, 2, 7. App. Ib. 7) erweckt den Ansdiein, als ob Rom seinerseits den karthagisdien Besitzstand südlich des Ebro garantiert hätte. Für die urkundliche Ökonomie des Vertrages ergäbe sich damit die zweiseitige Formulierung: so F. M. HEICHELHEIM, New Evidenceof the Ebro Treaty, Historia 3 (1954/55) S. 211 ff., F. CASSOLA, I gruppi politici romani nel III secolo a. C, 1962, S. 247 (Forschungsstand S. 246 ff.). Dagegen spricht die unmißverständliche Aussage des Polybios wie die Inkonsequenz, die diese zweiseitige Stilisierung bedeuten würde, denn Rom dachte gar nicht daran, den Ebro in südlicher Richtung zu überschreiten, was jedoch als Voraussetzung postuliert werden müßte, wenn man eine parallele Gliederung der Bestimmung nach den beiden Kontrahenten vertreten wollte, da eine derartige Aktion von karthagischer Seite durch die erhaltene Bestimmung gerade unterbunden wird. Diese Version der Annalistik ist daher ebenso zu verwerfen wie ihr plumper Versuch, aus dem Abkommen eine Garantie für die „freien Griechenstädte" zu machen. Vgl. E. BICKERMAN, Am. Journ. of Phil. 73 (1952) S. 18 f., W. HOFFMANN, Antike und Abendland 6 (1957) S. 12 Anm. 12. 78 Die einseitige Bindung Hasdrubals durch diese Bestimmung weist eindeutig auf die diplomatische Initiative Roms hin. 79 Vgl. ED. MEYER, Untersuchungen zur Geschichte des zweiten punischen Krieges I, der Ursprung des Krieges und die Händel mit Sagunt, Kl. Schrift. II, 1924, S. 341 f., E. TÄUBLER, Die Vorgeschichte des 2. Punischen Krieges, 1921, S. 48 ff., W. OTTO, Eine antike Kriegsschuldfrage, die Vorgeschichte des 2. punischen Krieges, HZ 145 (1931) S. 489ff., M. GELZER, Hermes 68 (1933) S. 158ff., F. OERTEL, Der Ebrovertrag und der Ausbruch des zweiten punischen Krieges, Rh. Mus. 81 (1932) S. 225 u. 228, W. KOLBE, Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb., SB Heidelberg. Ak. Wiss., Phil.-hist. Kl., 1933/34, H. 4, S. 11 ff., W. HOFFMANN, Die römische Kriegserklärung an Karthago im Jahre 218, Rh. Mus. 94 (1951) S. 85 f. 80 Liv. 21, 2, 7: cum hoc Hasdruhale... foedus renovaverat populus Romanus, ut finis utriusque imperii esset amnis Hiherus. 34, 13, 7: patres nostri... tarnen addi hoc in foedus voluerunty ut imperii sui Hiherusfluviusesset finis.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
unbekannt, denn schon der dritte römisch-punische Vertrag weist sich als zusätzliche Allianzbestimmung zum Vertrag von 348 v. Chr. aus,81 und der von Rom erzwungene Verzicht Karthagos auf Sardinien 237 v. Chr. wird nebst einer Erhöhung der zu leistenden Reparationen als Zusatzakte dem Friedensvertrag von 241 beigeschrieben.82 Da jedoch eine Erneuerung und Ergänzung des Friedensvertrages in die Kompetenz des karthagischen Rates fiel und dieser konsequent in den Verhandlungen vor Ausbruch des Krieges die Rechtsverbindlichkeit der mit Hasdrubal getroffenen Vereinbarung bestritt (Polyb. 3, 21, 1), und außerdem Hasdrubal in Spanien höchstwahrscheinlich als uneingeschränkter Souverän herrschte,83 was Rom zu respektieren schien, weil die Senatskommission zum Abschluß des Vertrages an ihn, und nicht an den Rat in Karthago ging,84 so muß hier an ein selbständiges Vertragswerk gedacht werden, das urkundlich nicht als Zusatzakte zum Friedensvertrag von 241 betrachtet werden kann.85 In der Sache ist der Ebrovertrag den Verkehrsbestimmungen wesensgleich, wie sie uns außer im Vertrag mit Tarent auch in den Friedensverträgen mit Teuta von Illyrien (228 v. Chr.) 86 und Antiochos III. (188 v. Chr.) bekannt sind.87 81 Bei dieser Gelegenheit fand eine Erneuerung des alten Vertrages statt: τελευταίας συνθήκας ποιούνται ... έν αίς τα μέν αλλά τηροΰσι πάντα κατά τάς υπάρχουσας ομο λογίας, πρόσκειται δε τούτοις τα υπογεγραμμένα (Polyb. 3» 25» 2)· Ε· TÄUBLER, Imp. Rom. S. 94. 82 Polyb. 3, 27, 7: Εως δόγματος έπισυνθήκας έποιήσαντο τοιαύτας* „έκχωρεΐν Καρχηδονίους Σαρδόνος και προσεξενεγκεΐν #λλα χίλια και διακόσια τάλαντα" (Vgl. ι, 88, ίο). Noch deutlicher App. Lib. 5: και τόδε ταΐς προτέραις συνθήκαις ενεγράφη.
Ε. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 95. 83
Hierfür sprechen vor allem barkidische Münzen aus dieser Zeit, auf denen ein Kopf (höchstwahrscheinlich Hasdrubal) mit dem Diadem erscheint: E. S. G. ROBINSON, Punic Coins of Spain and their Bearing on the Roman Republican Series, in: Essays in Roman Coinage, pres. to H. MATTINGLY, 1956, S. 34 ff. In dieselbe Richtung weist die programmatisdie Gründung von Carthago nova: Polyb. 2, 13, 2. 10, 10, 9. Diod. 25, 12. Vgl. TH. LENSCHAU, RE 7 (1912) Sp. 2469 f. s. v. Hasdrubal Nr. 5, W. HOFFMANN, Hannibal, 1962, S. 30 ff., O. MELTZER, Geschichte der Karthager II, 1896, S. 404 ff., Η. Ε. STIER,
Roms Aufstieg, S. 46. 84 Die genauen Informationen über die Organisation und die Ausdehnung des Barkidenreidies muß Rom aus Massilia erhalten haben, mit dem man kurz vorher ein foedus societatis abgeschlossen hatte: s. o. S. 138 ff. 85 Vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 94 ff., der in dem Vertrag eine Ergänzung des Friedensvertrages sah. E. TÄUBLER hat seine Ansicht später allerdings geändert, vgl. seine Vorgeschichte des Zweiten Punischen Krieges, S. jo Anm. 93. 88
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Polyb. 2, 12, 3.
Polyb. 21, 43, 14. Vgl. dazu vor allem E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 77 ff., Die Vorgeschichte des Zweiten Punischen Krieges, S. 60 ff., E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, S. 82 f. Es ist hier nicht der Ort, die Bedeutung des Ebrovertrages für den Beginn des Zweiten Punischen Krieges zu behandeln. Vgl. dazu W. HOFFMANN, Rh. Mus. 94 (1951)
Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen
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Alle diese kriegerischen Verkehrsbegrenzungen laufen auf eine Abgrenzung der beiderseitigen Machtsphären hinaus, so daß sie Ausfluß der gleichen Überlegung sein müssen, die zu den Verkehrsbestimmungen der beiden ersten römisch-punischen Verträge geführt haben, wenn diesen auch die direkte militärische Drohung im Falle eines Vertragsbruches fehlt, da die politischen Interessen beider Partner in der Zeit der Vertragsschlüsse in keiner Weise miteinander verquickt waren oder in Konkurrenz treten konnten, sondern der gemeinsame Vorteil die Bindung an die Verträge bewirkte. Die römische Diplomatie hat damit den Vertragsbrauch, wie er sich aus den Karthagerverträgen, oder genauer gesagt aus den Verträgen Karthagos mit Massilia und vielleicht auch mit den Etruskern herausentwickelte,88 übernommen. Der durch die Karthagerverträge hergestellte Zustand hatte sich als der der amicitia erwiesen. Er muß auch hier angenommen werden, da die grundsätzliche Voraussetzung der amicitia, gegenseitiges Einverständnis, wie ihre einzige Bedingung, unbedingte Neutralität, erfüllt sind. Die hier behandelten Zeugnisse römischer Beziehungen zu außeritalischen Staaten sind sicher bezeugt, und sie vermögen einigen Aufschluß über die rechtliche Form zu geben, in der diese Beziehungen aufgenommen wurden. Bei den weiteren Belegen diplomatischen Verkehrs zwischen Rom und dem Osten kommt man über Vermutungen nicht hinaus, da ihre Historizität umstritten ist und bei der Dürftigkeit des Quellenmaterials auch immer umstritten bleiben wird. Hierunter fallen der Gesandtschaftsverkehr zwischen Alexander dem Großen und der Tiberstadt, die römische Gesandtschaft nach Babylon, die Gesandtschaft des S. 68 ff., dem der Nachweis zu danken ist, daß der Bruch des Ebrovertrages durch Hannibal und nicht die Eroberung Sagunts den Zweiten Punischen Krieg auslöste (ebenso: Hannibal und Rom, Antike und Abendland 6 (1957) S. 14 ff. Zustimmend, allerdings nur in diesem Punkt, Η. Η. SCULLARD, Rome's Declaration of the War on Carthage in 218 B. C, Rh. Mus. 95 (1952) S. 209fr., F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. I, 1957, S. 333 ff., R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 54ff.)· D e r v o n W. HOFFMANN aus chronologisdien Gründen gezogene Schluß, daß der Senat dem Untergang Sagunts im Jahre 219 tatenlos zusah und erst auf den Vormarsdi Hannibals über den Ebro 218 reagierte, zwingt zu einem zweiten: Sagunt kann nidit, wie man seit E. TÄUBLER, Vorgeschichte, S. 42 ff. anzunehmen gewohnt ist, mit Rom einen Bundesgenossenschaftsvertrag in den Jahren vor 220 abgeschlossen haben (so zuletzt G. CH. PICARD, in: Melanges off. a J. CARCOPINO, 1966, S. 7591!.), da dieser eine römische Intervention bereits im Frühjahr 219 gefordert hätte (Forschungsstand bei F. M. HEICHELHEIM, a.a.O. S. 21*1 Anm. 2, F. CASSOLA, a.a.O. S. 245fr.; 251 f.); dagegen bereits J. S. REID, JRS 3 (1913) S. 175ff. und jetzt E. BADIAN, a.a.O. S. 48ff., 292f., Τ. Α. DOREY, Humanitas 11 (1959/60) S. 1 ff. Das von Polybios mehrfach als συμμαχία apostrophierte Rechtsverhältnis ist daher auch hier wie in vielen anderen Fällen (s. S. 161 ff.) mit einer formlos hergestellten amicitia identisch. 88 R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, S. 348.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
Demetrios Poliorketes nach Rom, die amicitia mit Apollonia von um 270 v. Chr., die amicitia mit Seleukos IL Kallinikos aus der Zeit nach 246 v. Chr., eine vor 230 v. Chr. zu datierende Intervention Roms zugunsten der Akarnanen beim Aitolischen Bund und die von Sentiments bestimmten Beziehungen der Nachfahren des Aeneas zu Ilion.89 Selbst angenommen, die historische Wahrscheinlichkeit spräche für diesen Gesandtenverkehr, so wäre sicher, daß durch ihn kein dauerndes Verhältnis zwischen Rom und den betreffenden Staaten begründet wurde, sondern diese Beziehungen Episode blieben.
3. Zusammenfassung: Die römische Wehrgemeinschaft und die außeritalischen amici und socii Es gilt abschließend die angestellten Untersuchungen zu einem klaren Bild zu vereinen, um eine Vorstellung von den internationalen Rechtsformen zu gewinnen, die den Römern zu Beginn ihres Ausgreifens auch auf das östliche Mittelmeerbecken bekannt gewesen sein müssen, da allein auf dieser Grundlage die rechtliche Begründung ihrer Weltherrschaft verstanden werden kann. Im Lauf der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts zeigt sich immer klarer ein grundlegender Unterschied zwischen Italien und den außeritalischen Staaten, mit denen Rom völkerrechtliche Beziehungen aufnahm. Der Unterschied manifestierte sich in verschieden angewandten Rechtsformen, wird jedoch nicht durch diese begründet^ da ihr Kreis für die außeritalischen Staaten nur erweitert, nicht verändert wurde^Grundsätzlich blieb das auf italische wie nichtitalische Staaten angewandte bundesgenössische Vertragsformular in seinen wesentlichen Bestimmungen unverändert: So sind die allgemeine Vertragsbestimmun^ wie die Neutralitäts- und Allianzbestimmung des foedus Cassianum mit den Parallelbestimmungen des im Jahre 105 v. Chr. abgeschlossenen Bundesgenossen Vertrages mit Astypalaia im wesentlichen identisch.1 Nach Form und Inhalt blieb das herge89
Eine Zusammenstellung gibt Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 39 f. Trotz mehrfacher Versuche, die historische Glaubwürdigkeit dieser Berichte zu retten (s. F. CASSOLA, a.a.O. S. 38 ff., vorsichtiger E. MANNI, Sülle piu antiche relazioni fra Roma e il mondo ellenistico, PP 11 [1956] S. 179 ff .)> halte ich die detaillierte Ablehnung von M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 1 ff., Rev. de Phil. 50 (1926) S. 46ff.; 149ff. nach wie vor für gültig; so ebenfalls ST. I. OOST, Roman Policy in Epirus and Acarnania in the Age of the Roman Conquest of Greece, 1954, S. 92 ff., A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 254. Zu den gesicherten Spuren römisch-griechischer Kontakte im 3. Jhdt. s. F. W. WALBANK, JRS 53 (1963) S. 2 f., A. DONATI, Epigraphica 27 (1965) S. 2ff. 1 Dion. Hai. 6, 95. IG XII 3, 173. Vgl. K. J. BELOCH, Der italische Bund unter Roms
Die römische ^-Urgemeinschaft und die außeritalischen amici und socii
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stellte defensive Bundesgenossenverhältnis „international", d. h. es respektierte die innere und äußere Autonomie des Vertragspartners im vollen Umfang. Die historische Entwicklung Roms zum „Lebenskern (Italiens), um den sich die anderen Völker ordneten, so wie die Planeten um die Sonne kreisen" (U. VON LÜBTOW, Das römische Volk, 1955, S. 636), ließ den italischen socii von der mit Abschluß des Vertrages für ewig stipulierten Souveränität nur die formale Hülle, sie genügte jedoch, um die innere Autonomie dieser socii bis zum Bundesgenossenkrieg zu wahren.2 Die Begründung der unterschiedlichen Stellung^Romsjzu den^ außeritalischen Staaten ist daher außerhalb der von Rom geübten Rechtsformen zu suchen.8 Entstehung und Charakter der römisch-italischen Beziehungen sind von dem Gedanken der Wehrgenossenschaft geprägt. Mit dieser Tatsache zeigt sich der Weg der italischen socii und zugleich der grundlegende Unterschied zu den nichtitaliHegemonie, 1888, S. 196, H. BENGTSON - R. WERNER, Staatsverträge II, Nr. 126, S. 22 ff., R. WERNER, Der Beginn der röm. Rep., 1963, S. 446 ff. 2
So sind staatsrechtlich diese socii nicht als Untertanen zu bezeichnen. Der Begriff der Untertänigkeit hat sich daher konsequenterweise erst auf überseeischem Boden im Rahmen des provinzialen Herrschaftssystems herausgebildet: „sie ruht hier im Unterschied zu der Immunität der italischen Gemeinden auf der Steuerpflichtigkeit der Untertanengemeinden (civitates stipendiariae), aus denen sich die Provinz zusammensetzt und deren Autonomie auch im Rechtssinne nur mehr eine kommunale ist. Eben im provinzialen Bodenrecht kommt dieses Doppelgesicht der Untertanengemeinde am stärksten zum Ausdruck, ihre kommunale Autonomie insofern, als das Bodenrecht durch den neuen staatsrechtlichen Zustand keine Änderung erfährt: Das Territorium (von den wenigen als Staatsdomäne eingezogenen Gebieten abgesehen) bleibt ager peregrinus und behält damit seine bisherigen privatrechtlichen Qualitäten, bleibt also ein Privateigentum der betreffenden Gemeinde oder ihrer Bürger, ihre Untertänigkeit zeigt das Bodenrecht insofern, als die Steuerpflicht gerade auf dem Boden ruht. Die Untertänigkeit wurde also auf provinzialem Herrschaftsgebiet begrifflich anders gefaßt als auf italischem Boden, wo man die Besteuerung nicht kannte, da es sich um Bundesstädte handelte: hier war die Untertänigkeit strengsten Rechtes entweder ein provisorischer Zustand bis zur Endregelung, durch die die Gemeinde ihr Territorium zum fremden Eigentum zurückerhielt, oder aber das Untertanenland fiel sinngemäß dem römischen Staat anheim und wurde ager publicus. Nur die Umwandlung eroberten Gebietes in römisches Staatsland veränderte die bodenrechtliche Qualität. Und hier und nur hier wurde die Steuer zur Bodenpacht und trug daher einen ganz anderen Charakter als die auf dem provinzialen Untertanenlande lastende": A. GRAF SCHENK VON STAUFFENBERG, Foederati, S. 123. 3
Die Theorie von TH. MOMMSEN, RStR III, S. 650, nadi der in den außeritalischen Bundesgenossen eine minder konsolidierte Erweiterung der italischen Wehrgenossenschaft zu sehen ist, darf nach den Arbeiten von E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 6 ff. u. passim, H. HÖRN, Foederati und A. GRAF SCHENK VON STAUFFENBERG, Foederati, S. 119 ff. als
erledigt gelten, so daß hier vor allem nur Gesichtspunkte zur Sprache kommen sollen, die über die dort erzielten Ergebnisse hinausführen.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen
lenpolitik
sehen Staaten. Italien wurde für Rom zum militärischen Kräftereservoir und damit zum Fundament der römischen Macht. Neben diese italische Wehrgemeinschaft, deren Gründungsakt ihrer Aufgabe nach nur auf einem auf ewige Zeiten abgeschlossenen foedus societatis beruhen konnte, treten außeritalische Staaten in den Gesichtskreis der römischen Diplomatie, deren Bedeutung für Rom auf lange Zeit gesehen sekundär war, da sie weder das Fundament der römischen Herrschaft erschüttern noch durch ihren Beitritt ausmachen konnten. Somit verbanden sich die militärischen Interessen Roms mit einer außeritalischen Stadt nur zeitweise und rein zufällig, und in einigen Fällen lagen die Beweggründe, die einen Staat zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen veranlaßten, überhaupt außerhalb der Absicht, militärische Hilfe oder Schutz zu erlangen. Auf Grund dieser politischen Voraussetzungen sind die Rechtsformen, die sich in Rom im Umgang mit den latinischen und italischen Städten und Stammesverbänden herausgebildet hatten, erweitert worden. Neben den auf ewige Zeiten abgeschlossenen Bundesgenossenvertrag tritt das befristete Sozietätsverhältnis in dem Fall, in dem beiden Kontrahenten nur an der Erreichung eines bestimmten politischen Zieles gelegen war und eine weitere Bindung nach der Erfüllung der gesteckten Aufgabe nicht wünschenswert erschien, da sich ihre sonstigen politischen Interessen nicht berührten. Diese befristete Zusammenarbeit basiert auf der Möglichkeit beider Kontrahenten, jeden Versuch des Partners, nach Erfüllung der gemeinsamen Aufgabe den Bundesgenossen politisch ins Schlepptau zu nehmen, auf Grund der geographischen Entfernung oder der politischen Macht zurückweisen zu können. Kam ein unbefristeter Bundesgenossenvertrag aus den im obigen Fall ausgeschlossenen Gründen zustande, so trat der Bündner zwar formalrechtlich in dieselbe Stellung zu Rom, wie sie jeder italische socius besaß, de facto bedeutete diese societas jedoch etwas ganz anderes, da der außeritalische socius außerhalb der Gestellungsformel (formula togatorum) blieb, die die italischen Bundesgenossen in die jährlich ausgehobenen römischen Heere eingliederte. Weiter waren die Leistungen dieser außeritalischen socii im Kriegsfall vertraglich entweder auf die Lieferung von Getreide und Kriegsmaterial beschränkt oder sie wurden von Fall zu Fall bei Bedarf angefordert,4 wobei ihr Umfang der Situation entspre4 Die inschriftlich erhaltenen Bundesgenossenschaftsverträge bezeugen, daß ein solcher socius nicht automatisch im casus foederis zu Hilfe eilen mußte, sondern die Aufforderung von Rom abwarten konnte. Die stereotype Vertragsformel dafür lautet κατά τό εΰκαιρον (bezeugt im Vertrag mit Kibyra, Methymna, und in der Form ώς αν ό καιρός υπογραφή αύτοις καρδία πλήρει in dem Vertrag mit den Juden. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 55· 57 u. 244). Diese bedeutende Einschränkung fehlt bezeichnenderweise im foedus Cassianum (Dion. Hai. 6, 95, 2), in dem die Allianzverpflichtung allumfassend stilisiert ist: βοηθείτωσάν τε τοις πολεμουμένοις άπάση δυνάμει.
Die römische > ,rgemeinscbafl und die au β er italischen amici und socii
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chend festgelegt wurde. Im Krieg selbst operierten diese Kontingente im Gegen satz zu den italischen weitgehend selbständig, in Einzelfällen konnten sie sogar eine eigene taktische Initiative entwickeln. Dementsprechend wurden diese Verbände nie dem römischen Heere eingegliedert, sondern sie kämpften unter eigener Führung und in ihrer gebräuchlichen Kampfesweise. Es ist selbstverständlich, daß unter diesen Voraussetzungen für die außeritalischen socii die faktisch eingeräumten Freiheiten mit dem internationalen Charakter des Bundesgenossenvertrages noch ziemlich genau übereinstimmten und ihnen vor allem die Kriegsund Vertragshoheit als die entscheidenden Merkmale der außenpolitischen Souveränität blieben.5 Die .Ursache .dieser vertraglich hergestellten ewigen oder befristeten Bundesgenossenverhältnisse war die Gemeinsamkeit eines politischen Zieles, das es mit kombinierten militärischen Anstrengungen zu erreichen galt. Fehlte dieses gemeinsame Ziel, so konnte entweder formlos ohne feste inhaltliche Regelung oder als Ergebnis vertraglicher Abmachungen, die die gegenseitigen Interessensphären oder Handelszonen abgrenzten, das Verhältnis der amicitia hergestellt werden, dessen konkreter Inhalt sich in der wohlwollenden Neutralität erschöpfte. E>ieses zu nichts verpflichtende Verhältnis konnte in Italien keine Anwendung finden, da die Begründung eines rechtlichen Naheverhältnisses hier erstens immer mit dem bestimmten Zweck der Wehrgenossenschaft verbunden und zweitens sein Zustandekommen nicht wie das bei den außeritalischen Staaten mehr oder minder zufällig, sondern für die Entstehung der römischen Machtbasis eine unerläßliche Notwendigkeit war. Endlich wurden societas und amicitia mit einem Friedensvertrag in der Form 5 Der Unterschied zwischen Italien und Übersee hat sich verhältnismäßig früh auch in der staatsrechtlichen Praxis Roms niedergeschlagen. So gilt seit 210 v. Chr. unbestritten der Satz, daß ein Diktator nur in agro Romano, der auf italischen Boden begrenzt wurde, ernannt werden könne, I.iv. 27, 5,15 (z. J. 210): consul in Sicilia se M. Valerium Messallam dictatorem dicturum esse aiehat; patres extra agrum Romanorum - eum autem in Italiam terminari - negabant dictatorem dici posse (vgl. Liv. 27, 29, 5 z. J. 208). Dasselbe Ergebnis zeigt die spätere Unterscheidung zwischen dem italischen ager oecupatorius und dem überseeischen Provinzialboden, obwohl beide als nach Kriegsrecht erobertes Land nach der rechtlichen Voraussetzung ihres Zustandekommens grundsätzlich gleich behandelt werden konnten. Trotzdem galt seit dem Ende der Republik der Provinzialboden als des quiritischen Privateigentums unfähig, er blieb ager peregrinus mit seinen bisherigen privatrechtlichen Qualitäten: in provinciali solo dominium populi Romani est vel Caesaris, nos autem possessionem et usum fruetum habere videmur (Gai. 2, 7). Vgl.
TH. MOMMSEN, RStR III, S. 732 ff., KUBITSCHEK, RE Ι (1893) Sp. 780ff., F. KLINGMÜL-
LER, Philologus 69 (1910) S. 71 ff., A. GRAF VON STAUFFENBERG, Foederati, S. 124 ff., U. VON LÜBTOW, Das römische Volk, 1955, S. 610ff., J. VOGT, Römische Geschichte4, 1959, S. 162 f.
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Amicitia und societas: Die Grundlagen der römischen Außenpolitik
gekoppelt, daß die Bedingungen des Friedensschlusses als Spezialbestimmungen des Bundesgenossenvertrages aufgeführt wurden (die nach ihrer Erfüllung wegfielen) oder als eigenes Friedensinstrument das Amicitiaverhältnis formlos herstellten. Die Verbindung zwischen Sozietätsvertrag und Friedensbedingungen wurde zuerst und vor allem auf italischem Boden geübt, da der Großteil der italischen Städte und Stammesverbände erst nach schweren Kämpfen bereit war, sich dem Primat der römischen Außenpolitik zu beugen. Grundsätzlich konnte durch diese Koppelung mit einem Friedensvertrag eine weitgehende Abhängigkeit des Vertragspartners erreicht werden, wenn das Ausmaß seiner militärischen Niederlage es den Römern erlaubte, Bestimmungen zu diktieren, die den Unterlegenen auf Jahre hinaus schwere Verpflichtungen auferlegten. Ganz abgesehen von den jeweiligen Kriegskontributionen, die an Rom zu entrichten waren und den Kontrahenten wirtschaftlich schwächten, waren es die zumeist verfügte Abrüstung und der Gebietsentzug, die dem betroffenen Staat die Lebensfähigkeit nahmen und ihn in die völlige Abhängigkeit von Rom brachten. So hat sich auf Grund der verschiedenen Bedeutung, die den italischen und außeritalischen Staaten für Rom zukam, ein bedeutsamer Unterschied zwischen beiden entwickelt. Die von Rom in der Auseinandersetzung mit den Latinern und übrigen Italikern entwickelten Formen des internationalen Rechtsverkehrs wurden entsprechend den neuen Erfordernissen erweitert und modifiziert. Es zeigt sich also hier, was der Fortgang der Arbeit noch klarer machen wird, eine weitgehend flexible Haltung der römischen Diplomatie, die keinesfalls gewillt war, die Erfordernisse des Augenblicks überkommenen Formen des Rechtsverkehrs unterzuordnen, wenn sich diese als unzweckmäßig erwiesen.
IV AMICITIA ET S O C I E T A S : DAS A U S G R E I F E N ROMS I N D E N G R I E C H I S C H E N U N D H E L L E N I S T I S C H E N OSTEN
ι. Die Quellen
a) Das Problem: Der Aussagewert des Begriffes amicitia et societas. Die Schwierigkeit, die im Osten angewandten römischen Rechtskategorien sichtbar zu machen, liegt in der Frage nach dem in unseren literarischen wie inschriftlichen Quellen gebrauchten Begriff der amicitia et societas. Damit ist zunächst ein terminologisches Problem aufgeworfen, denn die Anwendung des Begriffes erfordert eine klare Vorstellung von seinem Inhalt. Nun ist in der Forschung längst zweifelsfrei erkannt worden, daß die literarischen Quellen die Ausdrücke amicus, amicus et socius und socius formal gleich behandeln und synonym gebrauchen.1 1
E. KUHN, Die städtische und bürgerliche Verfassung des römischen Reiches bis auf die Zeiten Justinians II, 1865, S. 21 f., TH. MOMMSEN, RStR III, S. 593 Anm. 3, L. E. MATTHAEI, ClQuart. 1 (1907) S. 192 ff., P. C. SANDS, The Client Princes of the Roman Empire under the Republic, 1908, S. 10 ff., F. FÜGNER, Lexicon Livianum I, 1897, Sp. 1001 ff. s. v. amicitia und amicus, M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 50 Anm. 1; 65 f., E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 408, A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 16 Anm. 1, D. MAGIE, Roman
Rule in Asia Minor II, 1950, S. 960f., ST. I. OOST, a.a.O. S. 55 f., A. DONATI, I Romani nell' Egeo, Epigraphica 27 (1965) S. 12, S. ACCAME, Roma alla conquista del mediterraneo Orientale, 1966, S. 67 f. Einen Lösungsversudi hat allein H. HÖRN, Foederati, S. 9 ff. (ihm zustimmend E. BICKERMANN, Griomon 7 [1931] S. 54 f., Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 68 Anm. 2) auf etymologisdier Basis versucht. Nach ihm ist „socius alles, was nidit civis und nicht hostis ist, d. h. was der großen Interessengemeinschaft des römischen Reiches angehört" (S. 11), und bei dem Terminus amicus et socius „handelt es sich wohl weniger um eine Klassenbezeichnung als vielmehr um einen Ehrentitel, der an alle möglichen Arten von Gemeinden verliehen wird" (S. 12). Quellenmäßig stützt HÖRN seine Ansicht allein durch eine Reihe von Stellen Ciceros, dessenterminologische Unzuverlässigkeit gerade in den Rechtsfragen schon TH. MOMMSEN (S. S. 169 Anm. 14) getadelt hat. Nun mag das Ergebnis HORNS für die Zeit der vollendeten Reichsbildung nicht ganz falsch sein, da völkerrechtliche Beziehungen für Rom damals längst ihre Bedeutung verloren hatten. Trotzdem kann dieses Ergebnis einer langen Entwicklung keineswegs an ihren Anfang übertragen werden. Denn hier zeigt sich, daß socius der offizielle Ter-
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den \-~cen
Es genügen zwei Beispiele, um diesen Tatbestand hinreichend zu verdeutlichen. Nach Liv. (A) 42, 6, 6-12 bittet 173 v. Chr. eine Gesandtschaft Antiochos' IV. den Senat um die Erneuerung der bestehenden amicitia et societas und erklärt, der König warte als treuer socius des römischen Volkes auf dessen Befehle (§8). Der Senat erneuert daraufhin die societas (§ 10). 170 v. Chr. überbringen Gesandte aus Lampsakos einen goldenen Kranz, ut in amicitiam populi Romani reciperentur, worauf der Senat den Prätor Q. Maenius anweist, Lampsacenos in sociorum formulam referre (Liv. [A] 42, 6, 7-10). Sicher ist nach der Definition einiger weniger und dafür um so wertvollerer Textstellen allein, daß societas im eigentlichen Sinne im Gegensatz zur formlos hergestellten amicitia einen vertraglichen Bündner auszeichnen kann aber nicht muß: nullasdum in Asia socias civitates habebat populus Romanus, tarnen memores Aesculapium quoque ex Graecia quondam hauddum ullo foedere sociata, valetudinis populi causa, arcessitum, tunc iam cum Attalo rege propter commune adversus Philippum bellum coeptam amicitiam esse.2 Zur praktischen Textbehandlung ist diese Erkenntnis allerdings weitgehend wertlos, da nach diesem Sprachgebrauch zwar jeder foederatus als socius, nicht aber jeder socius als foeminus für die italischen foederati war (s. S. 119 ff.), begrifflich also das hergestellte Verhältnis einmal seiner Form nach als ein vertraglidies identifiziert und es seinem Inhalt nach als militärische Waffengemeinschaft ausgibt. Diese inhaltliche Feststellung hat zunächst auch jede logische Wahrscheinlichkeit für sich, da das Hineinwachsen Roms in die Rolle des Weltherrschers natürlich auf kriegerischem Wege erfolgte und Rom auf militärische Allianzen keineswegs verzichtete. Der Terminus socius muß also für sich allein wie in der Verbindung mit amicus solange die Tatsache irgendwie vereinbarter militärischer Kooperation ausdrücken, solange Rom auf dem Weg der Eroberung auf Bundesgenossen nicht verzichten konnte oder wollte. 2 Liv. 29, 11, 2. 45, 25, 9: nam ita per tot annos in amicitia fueranty ut sociali foedere se cum Romanis non illigarent, ... tunc utique petenda societas videbantur. Der Bericht bezieht sich auf die Bündnisverhandlungen der Rhodier 167 v. Chr. (direkte Vorlage Polyb. 30, 5, 6-8) und knüpft terminologisch an Polyb. 30, 23, 4 an, wo auf denselben Fall bezogen dieselbe Unterscheidung zwischen amicitia und societas gemacht wird: ή δέ σύγκλητος εδωκεν άπόκρισι,ν, έν η την μέν φιλιαν παρεσιώπησε, περί δέ της συμμαχίας ούκ ε'φη καϋήκειν αύτη τοΰτο συνχωρεϊν Τοδίοις κατά το παρόν. Liv. 5, 27» ^ : nobis cum Faliscis, quae pacto fit humano, societas non est. 10, 12, 1-2 (z. J. 298): brcvis consultatio senatus fuit: ad unum omnes iugendum foedus cum Lucanis resque repetendas ab Samnitibus censent. benigne responsum Lucanis ictumque foedus; fetiales missi, qui Samnitem decedere agro sociorum ac deducere exercitum finibus Lucanis iuberent. 34, 32, 16: nam et Messenem, uno atque eodem iure foederis quo et Lacedaemonem in amicitiam nostram acceptam, socius ipse sociam nobis urbem vi atque armis cepisti. 44, 23, 8: ibi ea, quae convenerant, circumfuso agmine equitum facta, quos adesse foederi sancitae cum Gentio societatis volebat rex. Die allgemeine Vertragsbestimmung des Bundesgenossenschaftsvertrages mit Herakleia setzt fest: συνθήκαι παρήλθον Τωμαίοις
Die Quellen
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deratus zu gelten hat.3 Methodisch zwingt diese terminologische Freizügigkeit dazufcRe^Verbindung von amicitia und societas weder auf eine Veränderung des Rechtsverhältnisses der amicitia durch ein foedus sociale zurückzuführen noch ohne weiteres eine dritte Rechtskategorie der amicitia et societas neben den beiden vorhandenen der amicitia und der vertraglich begründeten societas einzuführen. Ebenfalls im wesentlichen negativ lautet das Ergebnis nach einer eingehenden Prüfung der Terminologie der erhaltenen Inschriften. Demnach ergibt sich: i. Der Titel φίλος και σύμμαχος (amicus et socius) kann auf einen vertraglichen Bündner angewandt werden.4 Dementsprechend bezeichnet amicitia et societas in den Bundesgenossenverträgen den auf Grund des Vertrages herbeigeführten Zustand.5 2. Der Begriff der συμμαχία (societas) wird dann gebraucht, wenn die vertragliche Form der hergestellten völkerrechtlichen Beziehung aus einem technischen Grund unmißverständlich ausgedrückt werden muß, ζ. Β. bei dem Bericht über die Aufstellung der Vertragsurkunden in Rom und im Land des Vertragspartners.6 3. Im übrigen wird der Terminus amicitia et societas synonym mit τε καΐ Ήρακλεώταις μή φίλους είναι μόνον άλλα καΐ συμμάχους άλλήλοις (Memnon, FGrHist 434 F 1; ι8, ίο). Vgl. weiter Liv. 34» 57» 9-11 · Justin. 43, 3, 4. L. Ε. ΜΑΤTHAEI, a.a.O. S. 187f., ST. I. OOST, ClPh. 61 (1967) S. 150. 8 Nicht anders liegen die Dinge in der Kaiserzeit: D. NÖRR, Imperium und Polis in der .hoJiejnLPrinzipatszeit, 1966, S. 60 f. 4 Die hier getroffenen Feststellungen sind den Ergebnissen von L. E. MATTHAEI, S. 185, an denen schon A. PASSERINI, Athenaeum N. S. 13 (1935) S. 320f. berechtigte Kritik geübt hat, entgegengesetzt. Syll.8 591, Z. 27 wird das verbündete Massilia (Z. 54, s. o. S. 140) φίλος και σύμμαχος genannt. Nach Syll.8 694, Z. 21 f. wird Elaia oder Pergamon auf Grund seiner Verdienste im Krieg gegen Aristonikos in die römisdie φιλία και συμμαχία aufgenommen. Der begründende Rechtsakt war ein foedus, da in Rom im Tempel des kapitolinischen Zeus eine Erztafel über das SC περί της συμμαχίας, ομοίως δέ και της συνθήκης aufgestellt wurde. Ebenso stellte die verbündete Gemeinde im Heiligtum der Demeter und im Versammlungsort des Rates den Vertrag auf zwei Erztafeln auf (Z. 29 ff.). 6 Die erhaltenen allgemeinen Vertragsbestimmungen charakterisieren den hergestellten Zustand als ειρήνη και φιλία και συμμαχία, so ζ. Β. im Friedensvertrag mit Karthago 201 (App. Lib. 54), im Vertrag mit Astypalaia (IG XII 3, 173. IGR IV 1028) und im Vertrag mit Knidos (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 450). Da die Verträge mit Thyrrheion (Syll.8 732. IG IX2 1, 2, Nr. 242), Methymna (Syll.3 693) und Epidauros (Arch. Eph. 1918, S. 117) im wesentlichen gleichlautend wie das Astypalaia gewährte (oedus stilisiert sind, so ist dieselbe allgemeine Vertragsbestimmung auch hier anzusetzen. Aus der literarischen Überlieferung kommt noch der Vertrag mit den Aitolern von 212 v. Chr. hinzu (Liv. 26, 24, 8). β Syll.8 591, Z. 27; 54 (Massilia). Syll.3 694, Z. 25 ff. (Elaia oder Pergamon). IG XII 3, 173, Z. 2; 5 f. (vgl. Polyb. 3, 26, 1); 20ff. (Astypalaia). Syll.3 732, Z. 6 (Thyrrheion).
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den ^ *en
amicitia gebraucht.7 Die damit erzielte Auskunft läßt die beiden zur Definition einer internationalen Rechtskategorie entscheidenden Fragen offen: i. Verbirgt sich hinter dem Terminus amicitia et societas eine dritte Rechtsform, die neben die bekannten der amicitia und der societas zu stellen wäre? 2. Welche formalen und inhaltlichen Momente zeichnen das Verhältnis der amicitia et societas aus? Der Lösungsweg, der somit allein Aussicht auf Erfolg verspricht, ist die Suche nach den den politischen Ereignissen vor dem Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges zugrunde liegenden Rechtsprinzipien, denn der Beginn der diplomatischen Verwicklung Roms mit den hellenistischen Staaten des östlichen Mittelmeeres muß mit der Ausbildung einer neuen völkerrechtlichen Form oder der veränderten Interpretation einer schon vorhandenen zeitlich zusammenfallen, da die Entwicklung davor, wie gezeigt werden konnte, für den Begriff der amicitia et societas keinen Platz bietet. !
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b) Die Überlieferung: Die Gründe der begrifflichen Unklarheit in der römischen Annalis tik. Neben Polybios, dessen hoher Quellenwert unbestritten ist,8 tritt Livius als Hauptquelle der Ereignisse, die Rom zur Weltherrschaft führen sollten. Der hier in Frage kommenden 4. und 5.Dekade der libri ab urbe condita liegen ausschließlich die Spätannalisten Claudius Quadrigarius und Valerius Antias sowie Polybios zugrunde.9 Dieser von H. NISSEN geführte Nachweis konnte von A. KLOTZ, was die livianische Arbeitsweise betrifft, präzisiert werden.-Danach hat Livius die Ereignisse in Rom und im Westen in den Büchern 31-38 nach Valerius Antias dargestellt und daneben das Werk des Claudius Quadrigarius lediglich zur Über7
Syll.» 674; 679; 688. Vgl. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 110 f. Vgl. dazu die grundlegenden Erörterungen von M. GELZER, Kl. Sdirift. III, 1964, pass., H. NISSEN, Kritische Untersuchungen, pass., F. W. WALBANK, Α Historical Commentary on Polybius I, 1957, JRS 53 (1963) S. 1 ff., P. PiDECH, La m^thode historique de Polybe, 1964, G. A. LEHMANN, Untersuchungen zur historischen Glaubwürdigkeit des Polybios, 1967, S. 331 ff. (gegen M. FEYEL, Polybe et l'histoire de Βέοΐίε au Hie siecle av. notre £re, 1942). Zusammenfassend K. ZIEGLER, RE 21 (1951) Sp. 1476 f. s. v. Polybios Nr. 1. Forschungsstand: D. MUSTI, Problemi polibiani (Rassegna di studi 1950-64), PP 20 (1965) S. 380ff. bes. S. 408 ff., B. FERRO, Le origini della seconda guerra macedonica, Atti Acc. di Scienze, Lett. e Arti di Palermo IV 19, 2, i960, S. 126 ff. 9 H. NISSEN, Kritische Untersuchungen, S. 43 ff., A. KLOTZ, Zu den Quellen der vier ten und fünften D.ekade des Livius, Hermes 50 (1915) S. 481 ff., RE 13 (1926) Sp. 810 ff. s. v. Livius. Im übrigen sind auch hier die quellenkritischen Untersuchungen M. GELZERS, Kl. Schrift. III, pass. grundlegend. Zusammenfassend: P. G. WALSH, Livv. His Historical Aims and Methods, 1961, S. 11 ο ff. 8
Die Quellen
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prüfung benutzt. In den Büchern 39-45 ist das Verhältnis genau umgekehrt: Die Darstellung beruht auf Claudius, wahrend Valerius zur Überprüfung dient. Die Beziehungen Roms zum griechischen und hellenistischen Osten werden vorwiegend nach Polybios geschildert,10 und zwar in der Weise, daß er in die schon vorhandenen annalistischen Vorlagen eingearbeitet wurde. Es wäre müßig, die Frage nach dem Quellenwert der bei Livius vorliegenden Annalistenschicht neu zu behandeln. Hier haben vor allem die Arbeiten von H. NISSEN, M. GELZER, A. KLOTZ und Κ. Ε. PETZOLD die Grenzen des Mögli-
chen erreicht und gezogen, so daß die dort vorliegenden Einzelergebnisse wie die herausgearbeitete Topik der Spätannalisten im Lauf der Darstellung übernommen und die Quellenkritik auf die einzelnen Sachfragen beschränkt werden kann. Trotz des Einspruches von A. KLOTZ gilt als Charakteristikum der annalistischen Arbeitsweise, daß die hier vorliegende immense Ausweitung des Stoffes nicht auf dem Zusatz echten Quellenmaterials, sondern auf den hemmungslosen Fabulierkünsten eines Cn. Gellius, Valerius Antias, Claudius Quadrigarius und Licinius Macer beruht, und die protokollartige Wiedergabe von vermeintlich echten Staatsakten „nur schriftstellerische Manier der Spätannalisten ist, um ihren stark ausgeschmückten Erzählungen Glaubhaftigkeit zu geben".11 10 Von der jüngeren Annalistik besitzen wir nidit so viele Fragmente, daß Polybios in ihr mit Sicherheit nachgewiesen oder nidit nadigewiesen werden könnte. Nach einer anspredienden Vermutung M. GELZERS, Kl. Schrift. III, S. 275 ff. (ebenso Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 105) hat nun nidit erst Livius, sondern sdion die Spätannalistik Polybios in der bei Livius vorliegenden Form eingearbeitet. Dagegen vertritt A. KLOTZ, Die Benutzung des Polybios bei römisdien Schriftstellern, SIFC 25 (1951) S. 243 fr. die Ansicht, daß Polybios unmittelbar von Livius benutzt wurde (zustimmend J. P. V. D. BALSDON, JRS 44 [1954] S. 30). KLOTZ argumentiert, daß 1. Polybios nur bei Nepos, Cicero und Varro, also keinen Annalisten, direkt verarbeitet worden ist (S. 252 ff.), eine Beobaditung, der angesichts der Tatsache, daß auch Livius Annalist war, kein großes Gewicht beizumessen ist, und 2. Polybios den Stoff in einer anderen Form als die Annalistik darstellte und die Umsetzung des Stoffes nur der livianischen Gestaltungskraft zugesprochen werden kann. Warum jedoch den Spätannalisten diese stilistische Beweglichkeit abzusprechen ist, vermag A. KLOTZ nicht zu beweisen. Schließlich zeigen die in der folgenden Anm. darzulegenden Quellenverhältnisse bei Appian, der im Gegensatz zu Livius eine ältere mit Polybios nur lose verknüpfte Annalistenschicht benutzte, daß zumindest die älteren Annalisten Polybios verarbeitet haben. 11 M. GELZER, Kl. Schrift. III, S. 271. Der Rest der Überlieferung ist durdigängig von Polybios oder von -der bei Livius vorliegenden Annalistenschicht abhängig. Vgl. dazu H. NISSEN, Kritische Untersuchungen, S. noff., F. W. WALBANK, Philip V, S. 284 ff., B. FERRO, Le origini, S. 137ff. Der Versuch P. MELONIS, II valore storico e le fonti del libro macedonico di Appiano, 1955, bei Appian neben Polybios eine von diesem unabhängige römerfeindliche Quelle, vielleicht Straton (FGrHist 168) oder Poseidonios (FGrHist 169), nachzuweisen, ist von M. GELZER, Bibliotheca Orientalis 14 (1957)
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den Kosten
Die hier vorliegende Thematik bedarf nun einer Nuancierung des Verdiktes über die Annalistik und einer präzisen Formulierung der anzuwendenden Quellenbehandlung. Man hat oft angenommen, daß den römischen Historikern ein feineres Verständnis für die Unterschiede des römischen Staatsrechtes gefehlt habe und daraus die Ungenauigkeiten sowohl terminologischer wie sachlicher Art resultierten. Dieser methodische Ansatz ist von vorneherein suspekt, da alle römischen Historiker keine Gelehrten im heutigen Sinne waren, sondern Senatoren, die zwar die historischen Tatsachen auf die haarsträubendste Art verdrehten - zunächst, um den römischen Standpunkt der griechischen Welt klar zu machen, dann, um den regierenden Politikern exempla des richtigen Handelns an die Hand zu geben - , die jedoch genau gewußt haben müssen, in welchen rechtlichen Formen zwischenstaatliche Beziehungen aufgenommen wurden. War doch gerade im 2. und i. Jahrhundert die Außenpolitik die wichtigste und exklusivste Domäne des Senats. Man darf daher aus den Fabulierkünsten der römischen Annalistik keineswegs den Schluß ziehen, daß mit den erfundenen historischen Details auch die rechtliche Form, in der diese erscheinen, ebenfalls zu verwerfen sei. Denn so klar das Motiv auf der Hand liegt, das die römische Geschichtsschreibung veranlaßte, mit historischen Fakten ganz nach Belieben zu verfahren, so sicher würde der Versuch scheitern, einem römischen Senator Unkenntnis des römischen Staatsrechtes und der völkerrechtlichen Gepflogenheiten zuschreiben zu wollen. 12 Trotz dieser zunächst positiven Wertung darf das Ergebnis aus mehreren Gründen nicht überschätzt werden. Die terminologische Ungenauigkeit der S. 5 5 ff. mit guten Gründen zurückgewiesen worden. Sicher ist jedoch, daß Appian eine ältere Annalistenschicht repräsentiert, da das vorhandene polybianische Material noch nicht überwuchert, sondern lose mit der Annalistik verknüpft ist (Κ. Ε. PETZOLD, Die Er öffnung, S. 73 f., zustimmend M. GELZER, a. a. O.). 12 Diese allgemeine Überlegung kann aus der annalistischen Arbeitsweise belegt werden: In der Form der Ausarbeitung gerade der Spätannalistik steckt sehr viel antiquarisches Wissen (M. GELZER, Hermes γι [1936] S. 277), was dem Bedürfnis der amtierenden Magistrate und Senatoren nach exempla für die Geschäftsführung genau entsprach. Weiter bewirkt der Ehrgeiz dieser Historiker, möglichst „urkundlich" zu schreiben, daß sie dort, wo sie, wohl auf dem Umweg über die Publikationen der Antiquare, Zugang zu solchen Urkunden hatten, diese auch benutzten und bei ihren Fälschungen wenigstens den dort vorgefundenen formalen Aufbau übernahmen (vgl. R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 454 f. über die Überlieferung des foedus Cassianum). Schließlich zeigt der livianische Bericht über die Unterdrückung der Bacchanalien (Liv. 33, 9-19. Lit. bei S. RICCOBONO, FIRA I, Nr. 30) und seine Nachprüfung durch die ayf der Bronzetafel von Tirioli erhaltenen Inschrift (ILS 18 = CIL I2, 581), daß man sich tatsächlich um die Beschaffung urkundlicher Akten bemühte, um sie dann allerdings in einen Wust von Fälschungen einzuwickeln, den nur die unerbittlichste Kritik noch zu durchdringen vermag.
Die Quellen
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Annalistik gerade bei der Verwendung der Begriffe societas und amicitia ist, wie oben festgestellt wurde, eine unbestreitbare Tatsache, und sie bedarf einer Erklärung, bei der es freilich nicht genügt, der Annalistik mangelndes Verständnis oder Sorglosigkeit vorzuwerfen. Neben der gründlichen Mißachtung der historischen Wahrheit fehlt der Annalistik gänzlich die Vorstellung, daß die römische Außenpolitik von den maiores bis auf die eigene Zeit der historischen Entwicklung unterworfen gewesen wäre. Der bei Livius vorliegenden Annalistenschicht, die der sullanischen Zeit angehört, galt daher der in dieser Zeit eingetretene Zustand auch für die früheren Zeiten als existent. Angesichts der politischen Allmacht Roms in dieser Zeit bedeuteten völkerrechtliche Beziehungen für Rom keinen Vorteil und für den Partner höchstens die Garantie lokaler Autonomie, so daß der eingetretene Zustand die vom rechtlichen Gesichtspunkt aus schlecht definierte Bezeichnung der allgemeinen Untertänigkeit verdient. Um in dieser Zeit die verschiedenen Klassen von socii, amici und Untertanen scharf zu trennen, hätte es der Überprüfung der Entwicklung bedurft, die zu dieser Gleichstellung von Bundesgenossen und Untertanen geführt hat. Daß dies unterblieb, resultiert aus der dogmatischen Überzeugung (die schon Rom in der Frühzeit von vorneherein die führende Rolle in Latium zuschrieb13), daß die Überlegenheit Roms in keiner Phase seiner Geschichte ernstlich bedroht war, wozu der Abschluß von Bündnissen schlecht passen wollte, solange ihre zweiseitige Stilisierung auch der tatsächlichen Machtverteilung entsprach.14 Ergibt sich so aus der Darstellungsweise der Annalistik selbst der Grund für die aufgezeigte Vernachlässigung der römischen Außenpolitik, so wird dieses Ergebnis durch die Art der Behandlung, mit der die römische Rechtswissenschaft grundsätzlich Fragen des Staatsrechtes zu behandeln pflegte, ergänzt. „Die führenden Geister der römischen Jurisprudenz vom letzten Jahrhundert der Republik bis zum Ausgang des zweiten Jahrhunderts des Prinzipates haben sich vom
13
A. SCHWEGLER, Römisdie Geschichte II, 1856, S. 309 f., R. WERNER, a. a. O. S. 454.
14
Vgl. L. E. MATTHAEI, ClQuart. 1 (1907) S. 187 f. Dieser Blickwinkel ist nicht auf die Geschichtsschreibung beschränkt, er findet sich ebenso bei Cicero. Da ihm als Praktiker von vornherein nichts an der Erörterung rechtlicher Grundfragen lag, unterscheidet er auch nicht zwischen Provinzialen und Föderierten (Belege bei TH. MOMMSEN, RStR III, S. 725 Anm. 2'und 3), vielmehr sind ihm diese Unterschiede angesichts der sie übergreifenden Befehlsgewalt des römischen Volkes bedeutungslos. Was in der politischen Praxis allein zählt, ist eben diese Befehlsgewalt, womit zwar nichts über die rechtliche Struktur des römischen Reiches ausgesagt, der de facto hergestellte Zustand jedoch richtig bezeichnet ist (vgl. H. D. MEYER, Cicero und das Reich, Diss. Köln 1957, S. 73 ff., H. HÖRN, Foederati, S. 46).
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den Osten
Staats- und Verwaltungsrecht beinahe ängstlich ferngehalten",15 und auch im Privatrecht wahrte der Römer „eine ungemeine Zurückhaltung in der Abstraktion" (F. SCHULZ, a.a.O. S. 27), die nicht auf primitiver Unfähigkeit beruhte, sondern in der klaren Erkenntnis wurzelte, daß die Verwicklung des Einzelfalles die Einsicht bei der Aufstellung der Rechtsregel immer überfordern wird. Diese Scheu vor allzu festen Rechtsnormen muß konsequenterweise das Aufkommen einer juristisch exakten Terminologie ebenso wie eine staatsrechtliche Systematik verhindert haben, an der sich die Annalistik ohne Schwierigkeit hätte orientieren können. Ebenso unsystematisch pflegte der Senat in der politischen Praxis die ihm vorgelegten Einzelfälle nach der ihnen zukommenden Bedeutung zu behandeln, und wie flexibel man in der völkerrechtlichen Praxis mit den überkommenen Rechtsnormen verfuhr, hat die Entwicklung der völkerrechtlichen Verhältnisse bis zum Beginn des Ersten Makedonischen Krieges gezeigt: Aus der längeren Übung eigener und von anderen außeritalischen Staaten herangetragener Formen des internationalen Rechtsverkehrs, die man je nach dem praktischen Bedürfnis anwandte, entwickelte sich eine außenpolitische Praxis, die sich an einer großen Zahl von exempla orientieren konnte. So ergibt sich abschließend, daß die bei der jüngeren Annalistik vorliegende ungenaue Terminologie völkerrechtlicher Begriffe nicht beseitigt werden kann. Methodisch wird damit die Quellenfrage zu einer Frage nach der größten historischen Wahrscheinlichkeit. Der Verlauf der politischen Ereignisse, verbunden mit den rechtlichen Normen, die sich aus den erhaltenen Staatsverträgen wie aus der Entwicklung der italischen und außeritalischen Beziehungen Roms bis zum Ausgreifen nach dem Osten rekonstruieren lassen, vermag allein Aufschluß über Zweck und Inhalt der völkerrechtlichen Verhältnisse zu geben, von denen nur die Tatsache und eine verwirrte Terminologie berichtet ist. Es mag hoffnungslos scheinen, Rechtsnormen, die von dem historischen Einzelfall im Grunde unabhängig sind, aus diesen herauszulösen, jedoch kann die Entwicklung Roms zur Herrin des Mittelmeerbeckens ohne diese rechtliche Begründung nicht verstanden werden. 15
F. SCHULZ, Prinzipien des römischen Rechtes2, 1954, S. 20. Vgl. ΤΗ. MOMMSEN, RStR I, S. 3 ff. Charakteristisch für diese Haltung ist, daß die römischen Juristen das Verhältnis zu auswärtigen Staaten nur beim ins postliminii behandeln. So ζ. Β. Pomponius Dig. 49, IJ, 5 in seinem Kommentar zum ins civile des Q. Mucius Scaevola (cos. 95 v. Chr.). M. GELZER, Gnomon 21 (1949) S. 22, H. KRELLER, RE 22 (1953) Sp. 863fr. s. v. Postliminium.
Inhalt, Bedeutung und Wandlung des Fetialrechts in der römischen Außenpolitik
2. Inhalt, Bedeutung und Wandlung des Fetialrechts in der römischen Außenpolitik Nach römischer Auffassung waren für Beginn und Ende eines Krieges bestimmte Rechtsnormen unerläßlich, d. h. die Führung eines Krieges mußte nicht nur materiell (ausreichender Grund), sondern auch formell korrekt begründet werden können. Die Wahrung der anzuwendenden Rechtsformen oblag dem Priesterkollegium der Fetialen, die in Person Genugtuung für das erlittene Unrecht forderten oder gaben, den Krieg ankündigten und nach Kriegsende das foedus abschlössen. Das Kollegium konnte im Bedarfsfall nicht aus eigener Initiative, sondern nur auf Veranlassung des Imperiumträgers in Aktion treten, wobei es aus sich heraus vier Vollzugspriester wählte.1 Der ursprüngliche Vorgang der Kriegserklärung, nach den Quellen schon aus der frühen Königszeit stammend,2 enthielt vier Stadien: Zunächst stellte der abgesandte pater patratus vor den Göttern das Unrecht des anderen Volkes fest und forderte Wiedergutmachung: res repetere* Wurden die Bedingungen binnen 33 Tagen nicht erfüllt, so überreichte der Gesandte die testatio oder denuntiatio, d. h. er schwor bei den Göttern, daß seine Sache gerecht sei, und er kündigte an, de istis rebus in patria maiores natu consulemus, quo facto ius nostrum adipiscamur. Nach der Rückkehr de5 pater patratus nach Rom trat der Senat zusammen und beschloß den Krieg, worauf dieser Beschluß durch das Volk autorisiert wurde. Der Krieg wurde daraufhin 1
Dion. Hai. 8, 64; 91. 9, 60. 15, 5. Liv. 3, 25, 6. 4, 30, 13. 6, 10, 6. 7, 6, 7; 32, 1. 8, 19, 3; 22, 8. 10, 12, 1; 45, 7. 30, 26, 2. 42, 25, 1. Val. Max. 2, 2, 5. 2 Die Einführung des Fetialrechtes soll auf Numa (Dion. Hai. 2, 72. Plut. Num. 12), Tullus Hostilius (Cic. rep. 3, 31) oder Ancus Marcius (Serv. ad Verg. Aen. 10, 14. Liv. 1, 32, j) zurückgehen. s Der tedinische Ausdruck dafür heißt clarigatio: Plin. n. h. 22, 5. Arnob. 2, 67 (bei Livius findet sich die Bezeichnung nicht in dieser Bedeutung). Eine genaue Schilderung des Vorganges gibt Liv. 1, 32, 4 ff. (dazu im einzelnen R. M. OGILVIE, Α Commentary on Livy, 1965, S. 129 ff.). Seine Vorlage ist hier sicher antiquarische Tradition, auf die auch das Formular, das Octavian bei der Kriegserklärung gegen Kleopatra 32 v. Chr. nach Cass. Dio 50, 4, 4-5 benutzt hat, zurückgeht (K. LATTE, Römische Religionsgeschichte, i960, S. 122 Anm. 2, R. M. OGILVIE, a.a.O. S. 129). Die Formel selbst ist wesentlich älter, was sich allgemein aus dem Charakter der religiösen Restauration des Augustus ergibt, im besondern aber aus dem Inhalt selbst: Der geschilderte Gesandtenverkehr war nur in einer Zeit möglich, in der der außenpolitische Aktionsradius Roms auf das latinische Gebiet beschränkt war. Die formellen Änderungen, die das Fetialwesen durch die Ausweitung des römischen Herrschaftsgebietes erfuhr, sind zudem überliefert, wobei sich aus der inneren Konsequenz der Änderungen die Richtigkeit des frühen Ansatzes des Formulars ergibt.
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durch den pater patratus in der Weise erklärt und begonnen, daß er unter Berufung auf das Unrecht des Gegners und auf den Beschluß von Senat und Volk eine in Blut getauchte Lanze über die Grenze des feindlichen Landes warf.4 Zusammengefaßt lautet demnach die ursprüngliche Form des ins festiale: res repetuntur, senatus censet, populus iubet, bellum indicitur.5 Der Kriegsgrund wird damit juristisch als Rechtsverletzung in einem festen Ritual statuiert. Nur ein in dieser Form erklärter Krieg galt als gerecht und konnte unter dem Schutz der Götter geführt werden.0 Diese enge Verbindung zwischen Recht und Religion wird paradigmatisch beim Abschluß eines Vertrages deutlich: Der Abschluß des eigentlichen foedus, das rechtsgültig erst in der mündlichen Schwurhandlung vollzogen wurde, geschah durch einen Fetialen, der durch die göttliche Weihe der zu diesem Zweck eigens gepflückten sagmina für seine Aufgabe legitimiert werden mußte, so daß hier zu der Aufforderung des Magistrates die göttliche Ernennung hinzutrat.7 Es wäre nun falsch, auf Grund dieses strengen juristischen Rituals den Römern die ethische Überzeugung zusprechen zu wollen, daß die Gerechtigkeit die 4 Liv. i, 32, 13. Gell. noct. Att. 16, 4, 1. Dion. Hai. 2, 72. Aus der unübersehbaren Fülle der Literatur sei auf folgende Werke verwiesen: TH. MOMMSEN, RStR I, S. 246fr., J. MARQUARDT, RStV III, S. 402 ff., G. FUSINATO, Dei feziali e del diritto publico esterno di Roma, 1884 (dazu A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 2 Anm. 1), O. KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte I, 1885,S. 280ff.,SAMTER, RE 6 (1909) Sp. 2259ff. s. v. Fetiales,C.PHILLIPSON, The International Law and Custom of Ancient Greece and Rome II, 1911, S. 329 fr.,
T. FRANK, Roman Imperialism2, 1925, S. iff., E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 128ff.; 351 ff., G. WISSOWA, Religion und Kultus der Römer2, 1912, S. 5 50 ff., F. W. WALBANK - Α. Η.
Mc DONALD, JRS 27 (1937) S. 192 ff., FR. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 43 ff., P. CATALANO, Linee del sistema sovrannazionale romano I, 1965, S. 8 ff. Weitere Angaben bei R. M. OGILVIE, a.a.O. S. 129. Zu möglichen indogermanischen Parallelen s. G. DUMEZIL, REL 34 (1956) S. 93 ff., P. CATALANO, a. a. O. pass. 5
F. W. WALBANK - A. H. Mc DONALD, a. a. O. S. 192.
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Cic. rep. 2, 31: sanxit (— Tullus Hostilius) fetiali religioney ut omne bellum quod denuntiatum indictumque non esset, id iniustum esse atque inpium iudicaretur. Ebenso prov. cons. 4. Deiot. 13. Phil. 13, 35. de off. 1, 11, 36. Vgl. auch Liv. 3, 25, 3. 5, 27, 6. 9, Hy 6. 30, 16, 9. Dementsprechend bestrafen die Götter die Führung eines ungerechten Krieges mit der Niederlage und belohnen den gerechten Krieg als Beweis der geübten pietas mit dem Sieg: Liv. 21, 10, 5. 30, 42, 21; 31, 5. 39, 36, 12. 44, 1, 10. 45, 22, 5. Isid. de or. 18, 1,2., kurz, die Nichtbeachtung der fetialia iura galt als iactura religionis und als oblivio deorum: Liv. 38, 46, 12. Diese enge Verbindung zwischen Politik und Religion, die hier die Einhaltung der formellen Kriegserklärung zu einem sakralen Gebot machte, war den Römern grundsätzlich geläufig: So konnte ζ. Β. jeder zu er nennende oder zu wählende Beamte nur dann gültig bestellt werden, wenn zuvor die Götter befragt worden waren (Liv. 6, 41, 6), und das Imperium der römischen Magistrate war grundsätzlich mit dem auspicium verbunden. 7
Liv. 1, 24, 4ff. Vgl. dazu E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 130ff.; S. 351 ff.
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höchste Norm des Völkerrechtes sei. Eine so weitgehende moralische Konzeption ist in den rudimentären Anfängen Roms, in die das Fetialrecht zurückführt, gar nicht denkbar. Richtig ist, daß der Krieg in Rom zu einer „Rechtsexekution" (J. VOGT, Römische Geschichte, S. 99) wurde, jedoch verbürgt der hier ausgesprochene Begriff „Recht" keine objektive Rechtmäßigkeit im moralischen Sinne, die Bindung an das ins fetiale ist vielmehr eine superstitiöse und juristische, die jedes moralische Moment unbeachtet läßt. 8 Gerade in dieser frühen Zeit beruht das Recht jedoch vor allem auf seiner Form (A. HEUSS, Römische Geschichte2, 1964, S. 552), so daß die Überzeugung des Römers von der Gerechtigkeit seiner Sache anfangs aus der Einhaltung der formellen Vorschrift resultierte. Diese Grundhaltung änderte sich auch in den Zeiten höchster politischer Machtentfaltung nicht entscheidend, da die Römer nicht gewohnt waren, Form und Inhalt des Rechtes in ihrem Bewußtsein zu trennen.9 Trotzdem schob sich die materielle Begründung eines Krieges mehr und mehr in den Vordergrund, und es haben sich drei Gründe herauskristallisiert, die allein die Führung eines Krieges durch Rom rechtfertigen konnten: 1. Die Selbstverteidigung im Falle eines feindlichen Angriffes, 2. Die Verteidigung der Bundesgenossen, 3. Die Sühnung einer Verletzung des Gesandtenrechtes.10 Die Entscheidung darüber, ob und wann einer dieser drei Kriegsgründe gegeben war, stand den Fetialen ebensowenig wie die 8
Der beste Beweis dafür sind die Täusdiungsmanöver (cavillationes), die mit dem ius fetiale inszeniert wurden: Liv. 1, 22, 3. 7, 30-31. 9, 8-12. 21, 18, 9ff. Polyb. 1, 10, 3 ff. Liv. 28, 28, 2. 31, 31, 6 f. H. DREXLER, Iustum bellum, Rh. Mus. 102 (1959) S. 97 ff. Nach Zonar. 7, 26, 12 begründete der Konsul Postumius die Verwerfung des caudinischen Vertrages damit, daß der Abschluß nur unter einer Täuschung zustande gekommen sei. Der Senat bleibt trotz dieser Erklärung nach wie vor ratlos, da die eidliche Verpflichtung gegenüber den Göttern auch durch diese Sachlage nicht verändert wird. 9 H. SIBER, Festschrift P. Koschaker I, 1939, S. 216 f. 10 Cic. de off. 2, 26: Verum tarnen quamdiu Imperium populi Romani heneficiis tenebatur, non iniuriist hella aut pro sociis aut de imperio gerebantur. Diese Auffassung hat Cicero zu dem berühmten Satz geführt, noster autem populus sociis defendendis terrarum iam omnium potitus est (rep. 3, 35). Vgl. Imp. Cn. Pomp. 14. Sali. Jug. 14, 7; 16. Cat. 6, 5. Liv. 26, 24, 3. 30, z6, 3; 42, 5. 31, 2, 4; 3, 1; 6, 1; 9, 3; 31, 2. 32, 34, 5. 42, 25, 4; 30, 10. Liv. per. 49. Serv. ad Verg. Aen. 9, 51. - Die Verletzung des ius legatorum löste neben anderen Gründen den Krieg gegen Tarent 282 v. Chr. (P. LtvßQUE, Pyrrhos, 1957, S. 247 f.), gegen Teuta 230 v. Chr. (App. 111. 9), gegen Dalmatien 157/56 v. Chr. (Polyb. 32, 9, 1-5; ^3, 4-8), sowie gegen die ligurischen Oxybier und Dekieten aus, die die Massilia untertänigen Städte Antipolis und Nikaia belagerten (Polyb. 33, 10); ebenso wurden die Friedensverhandlungen zwischen Karthago und Rom 203 v. Chr. durch einen Überfall der karthagischen Flotte auf die römischen Gesandten beendet: Polyb. 15,2-3,1; 4, 7. Es war dies auch das einzige Vergehen, das die Römer anderen Staaten gegenüber sühnten: Liv. 38, 42, 7.
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Fixierung des Inhaltes der Abmachungen eines foedus zu, ihre Aufgabe war nur auf die Beobachtungen der vorgeschriebenen Formen beschränkt, die anzuwenden waren, falls der casus belli als solcher vom Imperiumträger oder später vom Senat erkannt worden war.11 Diese Beschränkung des Kollegiums steht im Einklang mit dem Fehlen jeglicher Initiative, die allein wiederum nur beim Magistrat lag. Aus beiden ergibt sich der im ins fetiale selbst liegende Grund, der es den römischen Politikern nach der Ausweitung der römischen Politik auf außeritalische Gemeinden ermöglichte, die Anwendung des Fetialrechtes in entscheidenden Punkten zu modifizieren. Diese Modifikationen des ins fetiale^ die es schließlich zur völligen Bedeutungslosigkeit verurteilen sollten, resultieren aus vier rechtlichen und historischen Gründen: i. Entstanden aus rein latinischen Verhältnissen, setzte das Funktionieren des Fetialritus ein gleiches Institut bei dem Partner voraus, auf den es angewendet werden sollte.12 Das kann jedoch höchstens für die italischen Stadtund Stammesstaaten angenommen werden. 2. Livius berichtet zum Jahr 201 v. Chr., daß die Absendung der Fetialen zum Abschluß des Friedensvertrages mit Karthago eines SC bedurfte, das ihnen ausdrücklich die Mitnahme der zur Schwurhandlung unerläßlichen heiligen Geräte erlaubte.13 Das läßt den Schluß zu, daß dem Kollegium grundsätzlich das Verlassen des italischen Bodens verboten war.14 3. Das Übergreifen der römischen Politik auf außeritalische Gebiete machte die Anwendung des schwerfälligen Ritus unmöglich, so daß eine Verein11 Nach Liv. 1, 32, 5 werden Kriege aliquo ritu indicerentur. Die Beschränkung der Fetialen auf die Überwachung der vorgeschriebenen Formen kommt somit schon in unserem ersten Bericht über dieses Institut zum Ausdruck (vgl. WEISSENBORN 2. St.). Ebenso Varro, de L. L. 5, 86: ut iustum conciperetur bellum. Liv. 31, 32, 10. Cic. de off. 1, 36. de leg. 2, 21. Dasselbe gilt für den Vertragsabschluß: negarunt iniussu populi foedus fieri posse nee sine fetialibus caeremoniaque alia sollemni (Liv. 9, 5, 1. vgl. G. WISSOWA, Rel. und Kult. S. 5 50 f.). Die Zuständigkeit des Senates, über Krieg und Frieden zu entscheiden und den Beschluß von den Centuriatskomitien sanktionieren zu lassen, gilt im 2. Jhdt. unbestritten: Liv. 38, 45, 5. 41, 7, 8. 43, 1, 11 (Aufforderung an den Konsul, ne bellum cum ulla gente moveat, nisi cum qua senatus gerendum censuerit). 12 Dagegen besagt die Kriegserklärung des Octavian an Kleopatra 32 v. Chr. nichts, da es sich hierbei nur um eine propagandistische Posse handelte, die in der besonderen Situation des von neuem beginnenden Bürgerkrieges begründet lag. 13 Liv. 30, 43, 9 (aus Valerius Antias, der seinerseits die Annales maximi benutzt haben dürfte): Fetiales cum in Africam ad foedus feriendum ire iuberentur, ipsis postulantibus SC factum est in haec verba, ut privos lapides silices privasque verbenas secum ferrent: ut, ubi praetor Romanus iis imperaret} ut foedus ferirenty Uli praetorem sagmina poscerent. 14 A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 22. Eine dem Wesen nach ähnliche Beschränkung darf in dem Grundsatz gesehen werden, daß ein Diktator nur in agro Romano ernannt werden kann: Liv. 27, 5, 15; 29, 5. Dio Cass. 42, 21, 1.
Inhalt, Bedeutung und Wandlung des Fetialrechts in der römischen Außenpolitik fachung zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Beweglichkeit Roms unerläßlich war. 4. Diese in der historischen Entwicklung begründete notwendige Modifizierung entsprach genau den Intentionen der senatorischen Nobilität, die seit der Ausdehnung des römischen Herrschaftsbereiches über die latinischen Stammesgrenzen hinaus die Führung der Außenpolitik übernommen hatte. Aus diesem letzten Punkt ergibt sich die erste einschneidende Änderung: Die Sühneverhandlungen (clarigatio oder rerum repetitio) vor dem Krieg gingen auf sen^ivSns^^legati über, während die eigentliche indictio belli weiter den Fetialen oblag.15 Ebenso wird die magische Eröffnung des Krieges nach der ergangenen Kriegserklärung durch den pater patratus dahingehend abgeändert, daß die Lanze nicht mehr in Feindesland, sondern über die columna bellica am Circus Flaminius geworfen wird. Wann dieser Vorgang eingeführt wurde, ist fraglich, da „die nur bei Serv. auct. Aen. 9, 52 berichtete Geschichte, daß man einen Gefangenen des Pyrrhoskrieges genötigt hätte, ein Stück Land zu kaufen, um eine terra hostilis in Rom bei der Hand zu haben, die Legalfiktion historisiert und sich durch den Mangel an juristischer Logik als spätere Erfindung erweist".1β Die einschneidendste Änderung des Verfahrens erfolgte schließlich nach dem Ende des Ersten Punischen Krieges und fand ihre erste Anwendung in dem diplomatischen Tauziehen zwischen Rom und Karthago 238/7 v. Chr., in dem Rom die Karthager zwang, in einer Zusatzklausel zum Friedensvertrag von 241 auf Sardinien zu verzichten.17 Aus dem komprimierten Bericht des Polybios (1, 88, 8 f.) über die einzelnen Phasen der Verhandlungen hat E. TÄUBLER mit Recht geschlossen, daß auf den in Rom ergangenen Kriegsbeschluß den Karthagern eine bedingte Kriegserklärung, möglicherweise durch eine Gesandtschaft nach Karthago, überreicht wurde, die a j s ^ t ^ n a t i v e den.V die Zahlung von 1200 Talenten .oder den I£rieg anbot, Derselbe Vorgang wiederholt sich zu Beginn des Zweiten Punischen Krieges: Die römische Gesandtschaft von 5 senatorischen legati, die Anfang oder Mitte Juni 218 v. Chr. wegen der Überschreitung des Ebro durch Hannibal in Karthago vorstellig wird und Genugtuung fordert, erklärt nach Ablehnung der gestellten Bedingungen den Krieg. Der Vorgang ist in der annalistischen Überlieferung in einem berühmten und 15
Varro, de L. L. 5, 86. Damit übereinstimmend schreiben die Annalisten das res repetere den Fetialen vorwiegend in der älteren Zeit zu (Liv. 4, 30, 13. 7, 6, 7. 8, 22, 8. 10, 12, 2; 45, 7), in historischer Zeit dagegen den legati (Liv. 3, 25, 6. 4, 58, 7. 30, 26, 2. 36, 3, 10. 42, 25, i.-Val. Max. 2, 2, 5. Dion. Hai. 9, 60. 10, 23. vgl. TH. MOMMSEN, RStR II, S. 689). 19 K. LATTE, Römische Religionsgeschichte, S. 122 Anm. 3. 17 Polyb. 3, 27, 7. App. Lib. j . Eine erschöpfende Abhandlung hat E. TÄUBLER, Die Vorgeschichte des Zweiten Punischen Krieges, 1921, S. 20 ff. (vgl. Imp. Rom. S. 94 f.) diesen Vorgängen gewidmet.
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hochdramatischen Bild festgehalten worden: Der Führer der römischen Gesandtschaft faltete nach fruchtloser Debatte vor dem karthagischen Rat seine Toga zu einem Bausch und rief: hie vobis bellum et pacem portamus, utrum placet, sumite.19 Die Bedeutung dieser beiden parallelen Vorgänge für die Entwicklung des Fetialrechtes ist zuerst von F. W. WALBANK klar erkannt und richtig gedeutet worden.19 Demnach ist die Entwicklung so zu denken, daß die senatorischen legati neben den Sühneverhandlungen jetzt auch die indictio belli übernehmen, wobei diese ihre absolute Unwiderruflichkeit verliert und als Alternative, Annahme der römischen Wiedergutmachungsforderungen oder Krieg, gestellt wird. Die Reihenfolge, in der von römischer Seite aus ein Krieg erklärt wurde, lautet demnach: senatuscenset^populus iubet, res regetuntur, bellum {ndkitur.20 Diese Änderung war kaum vermeidbar, als Gesandte nach Karthago, Spanien, Massilia und Griechenland geschickt werden mußten und es praktisch für sie nicht mehr durchführbar war, ihre Botschaft abzugeben, die Ablehnung nach Rom zurückzubringen, dort zu warten, bis die Entscheidung von Senat und Volk gefallen war, um dann endlich die formale indictio belli zu überbringen. Die nach dem neuen Verfahren ausgesandten Legaten waren bevollmächtigt, die grundsätzliche Entscheidung der römischen Centuriatkomitien für den Krieg nach eigenem Ermessen an Ort und Stelle gültig werden zu lassen oder nicht, eine Machtvollkommenheit, die der Bedeutung der senatorischen Nobilität, denn nur aus ihr rekrutierten sich solche Gesandtschaften, in jeder Hinsicht gerecht wurde. Mit dieser letzten Änderung der Verfahrensweise bei Kriegserklärungen wurde gleichzeitig die Teilnahme der Fetialen endgültig beseitigt. Dasselbe Ergebnis ergibt sich aus denselben historischen Gründen für die Teilnahme am Abschluß 18
Liv. 21, 18, 13. Polyb. 3, 33, 2 (annalistisch, vermutlich wieLivius aus Fabius Pictor). Zur Datierung der Gesandtschaft s. W. HOFFMANN, Die römisdie Kriegserklärung an Karthago im Jahre 218, Rh. Mus. 94 (1951) S. 69 fr. 19 F. W. WALBANK - A. H. Mc DONALD, The Origins of the Second Macedonian War, JRS 27 (1937) S. 192 ff., F. W. WALBANK, Roman Declaration of War in the Third and Second Centuries, ClPh. 44 (1949) S. 15 fr., Α Historical Commentary on Polybius I, 1957, S. 680f. (zu Polyb. 6, 13, 6), R. M. OGILVIE, a.a.O. S. 127fr., B. FERRO, le origini della II guerra macedonica, i960, S. 113. Ablehnend E. BICKERMAN, Bellum Philippicum, ClPh. 40 (1945) S. 137 fr. 20 Liv. 38, 45, 6: Antiochiy Philippi, Hannibalis et Poenorum recentissima bella esse, de omnibus bis consultum senatum, populum iussisse, per legatos ante res repetitas, postremo, qui bellum indicerent, missos. Polyb. 6, 13, 6. Diese modifizierte Form der Kriegserklärung läßt sich sicher beim Ausbruch des Zweiten (s. S. 247 f.) und des Dritten Makedonischen Krieges 172/71 v. Chr. (F. W. WALBANK, JRS 31 [1941] S. 86 ff.) sowie zu Beginn des Jugurthinischen Krieges 112 v. Chr. nachweisen (ST. I. OOST, The Fetial Law and the Outbreak of the Jugurthine War, Am. Journ. of Philol. 75 [1954] S. 147 fr.).
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eines foedus. Nach Livius wird der Eid mit der Exsekration des Vertragsbrüchigen ursprünglich von einem Fetialen im Beisein des Imperiumträgers nach der Weihe mit den sagmina und nach der Autorisierung durch den Imperiumträger vollzogen. 21 Daneben konnte der Magistrat aus eigener Machtvollkommenheit selbst den Eid sprechen, was seiner rechtlich dominierenden Stellung auch gegenüber den Fetialen entspricht.22 Da die Annalistik glaubwürdig überliefert, daß die Absendung der Fetialen nach Afrika zum Abschluß des Friedens mit Karthago 201 v. Chr. eines speziellen SC bedurfte,23 kann der Abschluß eines Vertrages außerhalb Roms und Italiens normalerweise nicht in der Kompetenz des Fetialkollegiums gelegen haben.24 Diese Aufgabe muß vielmehr der Feldherr übernommen haben, dessen Kompetenzen beim Vertragsabschluß durch die Festlegung der Präliminarien sowie der endgültigen Vertragsausfertigung im einzelnen mit dem Senat sowieso sehr umfassend waren. Diesen Schluß bestätigt die Überlieferung, da weder Polybios noch die Annalistik nach 201 etwas über die Tätigkeit der Fetialen berichten, so daß trotz Varros gegenteiliger Behauptung der Feldherrneid den Fetialeid vollständig verdrängt haben muß.25 21 Liv. 1, 24, 4-9; dazu R. M. OGILVIE, a.a.O. S. noff. Livius spricht noch vom König als Vertreter des römisdien Volkes, für den in republikanischer Zeit natürlich ein mit dem Imperium ausgezeichneter Magistrat zu denken ist. 22 Polyb. 3, 25, 6. Vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 351 ff., vor allem S. 137ff., der den Magistratseid jedoch nur für die Amtsdauer des abschließenden Magistrates als für das Volk verbindlich erachtet wissen will. Diese Überlegung ist juristisch zwar konsequent, historisch aber kaum haltbar, da nach ihr folgerichtig ein großer Teil der römischen Verträge auf höchstens ein Jahr Gültigkeit gehabt hätte, was weder im Sinne Roms noch im Sinne des Vertragskontrahenten gelegen haben kann. Die persönliche Exsekration des Magistrates muß hier vielmehr nicht individuell, sondern stellvertretend für die Gesamtheit des vertragsschließenden Staates gedacht werden, wie im archaischen Rechtsdenken die Verpflichtung einer Gemeinde immer nur durch die eines einzelnen sichtbar gemacht werden konnte (K. LATTE, Nachr. Gott. Ak., Phil.-hist. KL, 1946/47, S. 74 f., Rom. Religionsgeschichte, S. 122 Anm. 4). Die rechtlich-religiöse Bindung des Volkes an den Vertrag ist also beim Fetialen- wie beim Feldherrneid die gleiche. Vgl. A. HEUSS, Abschluß und Beurkundung antiker Staatsverträge, Klio 27 (1934) S. 23 f. mit Anm. 4. 23 Liv. 30, 43, 9; Text s. o. S. 174 Anm. 13. 24
E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 110; 137 Anm. 2 gegen TH. MOMMSEN, RStR I, S. 250,
der in diesem Spezialmandat den Regelfall erkannte. 25 Varro, de 1. L. 5, 86. vgl. Polyb. 13, 3, 7. Eine Wiederbelebung des alten Fetialritus führte erst Octavian durch, der den Krieg gegen Kleopatra nach dem alten Formular erklärte: Dio Gass. 50, 4, 5. Neben dem allgemeinen Bemühen des Octavian, die sakralen Institutionen der Vorfahren Wiederaufleben zu lassen, hat in diesem konkreten Fall die besonders gelagerte Situation die Anwendung des alten Ritus bestimmt. Der eigentliche Krieg wurde gegen Antonius geführt, war also ein Bürgerkrieg, für den es keinen Rechtsgrund gab, sondern der, rein rechtlich gesprochen, eine Privatfehde zweier Römer war, in der niemand zur Parteinahme verpflichtet werden konnte. Die Fiktion,
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Amkitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den ^ *en
Am Ende der Entwicklung steht somit als Ergebnis die völlige Ausschaltung des Fetialenkollegiums aus der völkerrechtlichen Praxis,28 die im Interesse der notwendigen zentralisierten Kontrolle über die römische Diplomatie ganz in die Hände des Senates überging. Die Aufgabe der Fetialen beschränkte sich seit dem Ende des hannibalischen Krieges auf die Erteilung von sachkundigen Gutachten überd^nötigen^ Formalitäten bei BeginiTun3 Ende eines Krieges27 sowie auf die aktive Teilnahme an der Auslieferung römischer Beamter, die das Gesandtenrecht verletzt oder einen Vertrag iniussu populi abgeschlossen hatten.28 Diese Beseitigung der alten Form bewirkt fernerhin eine Säkularisierung der römischen Außenpolitik, da der rechtliche Gehalt der Kriegserklärungen nicht mehr mit einer sakralen Weihe verbunden war. Historisch wurde die ganze Entwicklung durch die Ausweitung der römischen Macht unumgänglich und rechtlich auf Grund der Struktur des Fetialrechtes ermöglicht, da jede Änderung den Modus der Verfahrensweise betraf, jedoch den Inhalt der zu stellenden Forderungen und damit die Möglichkeit ihrer gewaltsamen Durchsetzung im Verweigerungsfall nicht berührte. Die praktische römische Diplomatie gewann durch diese schrittweise Befreiung von einer antiquierten Form ebenso wie durch die Auflösung der sakralen Verflochtenheit einen weit größeren Spielraum, wie das bei der engen Verbindung von Form und Inhalt des Rechtes in Rom nicht anders den Krieg gegen einen auswärtigen Gegner, Kleopatra, führen zu müssen, erfuhr durch die Weihe des alten ehrwürdigen Institutes sicher ein weit stärkeres Gewicht. - Seit Augustus jedenfalls wurde der alte Ritus wieder häufig angewandt (Augustus selbst war Fetiale: Mon. Ancyr. 7). So schloß Kaiser Claudius als pater patratus Bündnisse mit auswärtigen Königen auf dem Forum (Suet. Claud. 25, 5), und unter ihm gibt es einen pater patratus populi Laurentis foederis ex libris Sibullinis percutiendi cum p. R. (CIL X 1, 79j. K. LATTE, Rom. Religionsgesch., S. 123). Eine Liste der in der Kaiserzeit inschriftlich bezeugten Fetialen gibt RUGGIERO, Diz. epigr. s. v. Fetiales. -?? So schon formuliert von L. E. MATTHAEI, ClQuart. 1 (1907) S. 182 ff. 27 Liv. (A) 31, 8, 3 zur Kriegserklärung an Philipp V.: consultique fetiales ab consule Sülpicio, bellum, quod indiceretur regi Philippo, utrum ipsi utique nuntiari iuberent, an satis esset in finibus regi, quod proximum praesidium esset, eo nuntiarif Fetiales decreverunt, utrum eorum fecisset, recte futurum. Der analoge Vorgang wiederholt sich zu Beginn des Antiochoskrieges (Liv. 36, 3, 7), wobei auf die zu Beginn des Krieges mit Philipp getroffene Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen wird. Der Quellenwert beider annalistischen Berichte ist gering (Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 83 f.), und die mitgeteilten Einzelheiten sind kaum akzeptabel, jedenfalls geht aus beiden Berichten klar hervor, daß die Anfrage der Konsuln nur als Formsache zu werten ist und eine definitive Entscheidung von den Fetialen gar nicht getroffen werden konnte. Vgl. Cic. de leg. 2, 9 21
' ' 28 187 v. Chr. werden L. Minucius Myrtilus und L. Manlius an Karthago (Liv. 38, 42, 7) und 137 v. Chr. C. Hostilius Mancinus an Numantia ausgeliefert (Cic. de orat. 1, 181. 2, 137. Vell. Pat. 2, 1.). Vgl. K. LATTE, Rom. Religionsgeschichte, S. 123.
Inhalt, Bedeutung und Wandlung des Fetialrechts in der römischen Außenpolitik
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denkbar ist. Trotzdem blieb es das erste Gebot der senatorischen Diplomatie, die iustae causae belli zu beachten, die als materieller Inhalt des ins fetiale uneingeschränkt weiterbestanden und deren Einhaltung ein Gebot der Gottesfurcht war.29 Gerechtfertigt war nach wie vor nur ein Krieg aut quia socios lacesserant, aut quia nee abrepta animalia nee obnoxios reddiderant (Serv. ad Verg. Aen. 9, 51), und da der ausreichende Grund in Rom die formelle Legitimierung nicht entbehren konnte, war die offizielle Forderung nach Genugtuung des erlittenen Unrechtes wie die formelle Kriegserklärung unerläßlich: potest nullum bellum esse iustum, nisi quod aut rebus repetitis geratur aut denuntiatum ante sit et indictum.™ " An diesen Vorstellungen orientierte sich noch die Rechtfertigung, die Caesar den ersten Phasen seines Gallischen Krieges gab. Der Einfall der Helvetier als Bedrohung römischen Provinzialterritoriums und der ¥undesgenössischen Haeduer, Ambarrer und Allobroger erinnern ebenso wie der Hilferuf der Haeduer gegen Ariovist oder wie die coniuratio der belgischen Völker gegen das römische Volk an den alten materiellen Inhalt des in der Praxis verschwundenen Fetialrechtes.31 Nach denselben Motiven fälschte die Annalistik Ursachen und Anlässe der Kriege in der römischen Frühzeit um, von deren historischer Relevanz sie allenfalls eine dunkle Ahnung hatte. Es ist bezeichnend, daß sämtliche annalistischen Berichte über die Gallierkatastrophe 387/6 seit Fabius Pictor das völkerrechtswidrige Verhalten der römischen Gesandten vor Clusium als Ursache des römischen Unterganges anführen,32 die größte Niederlage Roms in seiner Geschichte also fiktiv nur aus einem Bruch der Formen des internationalen Rechtsverkehrs herleiten können. Der Begriff des bellum iustum ac pium, der als Inbegriff für die zur Führung eines gerechten Krieges zu erfüllenden Voraussetzungen von Cicero zuerst formuliert wurde,33 ist als Terminus den römischen Politikern vorher unbekannt 29
Diese wird in der römischen Politik zu Beginn des zweiten Jahrhunderts besonders betont: Syll.3 601, Z. 13 ff. 611, Z. 23. 643, Z. 31. Vgl. dazu Polyb. 6, 56, 6ff. 30 Cic. de off. 1, 11, 36. Ebenso Polyb. 13, 3, 7. 36, 2, 2 (bei Liv. 31, 29, 5 wird dieser Grundzug der römischen Politik von einem makedonisdien Gesandten verhöhnt). Ohne offizielle Kriegserklärung wird der Krieg zu einem Raubzug: hostes sunt quihus bellum publice populus Romanus decreverit vel ipsi populo Romano, ceteri latruneuli vel praedones appellantur (Ulpian, frg. 24, 49, 15), ebenso Polyb. 4, 27, 2. Liv. 38, 45, 4. A. HEUSS, Volk. Gfdl. S. 19 Anm. 2. 31 D. TIMPE, Caesars gallischer Krieg und das Problem des römischen Imperialismus, Historia 14 (1965) S. 203 f., M. RAMBAUD, L'art de la d^formation historique dans les commentaires de Casar2, 1966, S. i n ff. 82
F. SCHACHERMEYR, KllO 23 (1930) S. 296.
33
Thes. 1. L. II, Sp. 1847.
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den Osten
gewesen und in R o m erst auf Grund des großen stoisch-ethischen Einflusses der griechischen Philosophie definiert worden. D i e Sache aber war in R o m längst erkannt und geübt worden. 3 4 D e r erste römische Geschichtsschreiber schrieb, um diesen Standpunkt der griechischen Welt näherzubringen, 3 5 und derselbe Gedanke hat auch Naevius in seinem bellum Poenkum
die Feder geführt. 36 Wieweit
diese Absicht und die später hinzutretende Propaganda das tatsächliche Gesicht der Ereignisse verfälscht haben, ist nur v o n Fall zu Fall zu entscheiden; ihr Bemühen, den Krieg als einen begründeten darzustellen, erklärt sich jedenfalls nur aus dem Bewußtsein, einen Krieg nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen erklären zu können. 34 Dagegen hat sich W. OTTO, Zur Geschichte der Zeit des 6. Ptolemäers, Abh. Bayr. Ak. Wiss., philos.-hist. Abt. N . F. Heft n , 1934, S. 39 u. Anm. 3 ausgesprochen. W. OTTO hat mit Recht betont, daß die Ausführungen Ciceros über den Begriff des bellum iustum in de off. 1, 33ff. aus Panaitios, περί του καθήκοντος stammen (vgl. RE 7 Α [1939] Sp. H 7 i f . ) und mit den Vorschriften des Fetialrechtes verknüpft worden sind. Seine Schlußfolgerung daraus, daß der Begriff des bellum iustum daher den älteren römischen Vorstellungen über die Verpflichtungen bei der Erklärung eines Krieges nicht unterstellt werden darf, ist durch die quellenkritischen Untersuchungen Κ. Ε. PETZOLDS (Die Eröffnung, S. 9 Anm. 6 und S. 86 ff.) widerlegt worden, der das Vorhandensein dieses Gedankengutes für die Spätannalistik sullanischer Zeit und damit auch für die ältere Zeit nachweisen konnte, was durch Polybios bestätigt wird: 13, 3, 7. 36, 2, 1-4. Liv. (P) 33, 29, 8· 35» 33> 3· Vgl. F. HAMPL, Stoische Staatsethik und frühes Rom, HZ 184 (1957) S. 249 ff. und die hier folgende Anm. Überhaupt war die Frage nach der Berechtigung eines Krieges keineswegs eine römische Erfindung, sondern schon weit früher im ganzen östlichen Mittelmeerraum diskutiert worden. S. Hdt. 1, 1 ff. F. BENDER, Antikes Völkerrecht, Bonn 1901, S. 1 ff. 35 So schon B. G. NIEBUHR, Römische Geschichte II 2 , S. 9: „In diesem Geschlecht (gemeint sind die Fabier) entstand der Geschichtsschreiber, dessen gerügte Partheylichkeit für sein Volk durch die feindselige Gesinnung der Griechen veranlaßt war, für die er, Cincius und Acilius in griechischer Sprache schrieben, damit sie würdiger von der römischen Geschichte dächten." Vgl. auch F. KLINGNER, Römische Geschichtsschreibung, in: Römische Geisteswelt4, 1961, S. 70 ff., M. GELZER, Kl. Schrift. III, S. 51 ff. 36 Vgl. Naevius frg. 19 (Diehl, Poet. Rom. Vet. Frg.), wo offensichtlich mit großem Nachdruck auf den Vollzug des Fetialritus bei der Erklärung des Ersten Punischen Krieges hingewiesen wurde. In der Tat bedurfte es hier einer Rechtfertigung des römischen Verhaltens, da der Konsul Appius Claudius den Krieg ohne ergangenen Volksbeschluß und ohne Hinzuziehung der Fetialen erklärt hatte (A. HEUSS, HZ 169 [1949] S. 481 f.) und Philinos von Akragas diese formale Unkorrektheit als karthagischer Parteigänger klar herausgestellt haben wird. Vgl. C. CICHORIUS, Die Fragmente historischen Inhalts aus Naevius* bellum Punicum, in: Römische Studien, 1922, S. 26 f., E. FRÄNKEL, Hermes 70 (1935) S. 59ff. >
Die Rechtsstellung der
Verbündeten
181
3. Die Rechtsstellung der Verbündeten vor dem Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges a) Der Aitolervertrag von 212 v. Chr. Im Frühsommer 212 v. Chr. gelang es der diplomatischen Initiative des in IIlyrien mit wenig Erfolg operierenden Propraetors M. Valerius Laevinus, die Aitoler zum gemeinsamen Kampf gegen Philipp aufzurufen, womit der seit 215 v. Chr. in Illyrien geführte Krieg gegen Makedonien auf Griechenland ausgedehnt werden konnte. Die Bedingungen, unter denen der Krieg gemeinsam geführt werden sollte, wurden im Spätherbst desselben Jahres auf einer eigens zu diesem Zweck angesetzten Versammlung des Aitolischen Bundes vertraglich fixiert.1 Die Ratifikation des Vertrages verzögerte sich in Rom um 1V2-2 Jahre,2 was jedoch auf den sofortigen Beginn der militärischen Operationen keinen Einfluß hatte. Die ersten römischen Verhandlungen mit dem Aitolischen Bund führen 1 Livius berichtet den Abschluß des Vertrages zum Jahr 211. Gegen diese Datierung hat sich schon B. NIESE, Geschichte II, S. 476 Anm. 4 gewandt, dessen Argumente in der Folgezeit ausgebaut oder verworfen wurden, ohne daß sich bis heute eine eindeutige Entscheidung in der Chronologie treffen läßt. Da der Vertrag gerade in letzter Zeit mehrerer eingehender Untersuchungen gewürdigt wurde, halte ich mich von der Pflicht entbunden, die Literatur zu jeder Streitfrage in extenso aufzuführen; vgl. die Literaturüberblicke von J. u. L. ROBERT, Bulletin epigraphique, REG 68 (1955) S. 231 f., REG 71 (1958) S. 257f., D. MUSTI, PP 20 (1965) S. 420f. und im übrigen R. G. HOPITAL, Le traiti romano-aetolien de 212 av.J.-C.,RHDFE42 (1964) S. 18 ff.; 204ff.,S. CALDERONE Πίστις - fides, 1964, S. 11 ff., G. A. LEHMANN, Untersuchungen zur historischen Glaub würdigkeit des Polybios, 1967, S. 10-134. Eine erneute Behandlung rechtfertigt einmal die noch bestehende Unklarheit über den formalen Aufbau des Vertragstextes, zum anderen die Bedeutung der Zusatzklausel, die jedem Gegner Philipps den Beitritt zu dem Vertrag in der Form der adscriptio anbot und die letztlich die formalen und inhaltlichen Kriterien liefern sollte, nach denen die Römer im Verlauf der Auseinandersetzungen mit der griechischen Welt ihre bis dahin klar zu definierenden Rechtsgrundlagen des zwischenstaatlichen Verkehrs modifizierten. 2 Liv. 26, 24, 14, der als Grund der Verzögerung angibt, morae causa fuerant retenti Romae diutius legati Aetolorum. Eine ebenso originelle wie ansprechende Erklärung dafür hat J. P. V. D. BALSDON, Rome and Macedon, 205-200 B. C., JRS 44 (1954) S. 31 versucht. Er glaubt, daß die zum Vertragsabschluß nach Rom gesandten Aitoler für den Senat solange ausgezeichnete Geiseln gewesen sein müssen, bis sichere Nachrichten aus Griechenland bestätigten, daß es die Aitoler auch wirklich ernst mit dem Geschäft meinten. Vgl. aber auch M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 211 f., CAH VIII, S. 125 („apparently Roman Intervention in Greece was opposed by many Senators who disliked the idea of committing Rome to an Eastern policy"), E. BADIAN, Aetolica, Latomus 17 (1958)
S. 205 ff., G. A. LEHMANN, a. a. O. S. 44 f.
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den ^sten
in eine Zeit, in der die militärischen Anstrengungen der Gegner Roms auf dem italischen wie illyrischen Kriegsschauplatz noch einmal die Möglichkeit einer Niederlage Roms heraufbeschworen. Die Feldzüge Philipps V. gegen die unter römischem Protektorat stehenden illyrischen Gebiete 213/12 brachten fast ganz Illyrien in seine Hand, darunter die strategisch wichtigen Städte Lissos und Dimallos,3 so daß die Besetzung der restlichen römischen Bollwerke nur noch eine Frage der Zeit schien und der ungehinderte Zugang zur Adria jetzt die Verwirklichung des mit Hannibal 215 abgeschlossenen Bündnisses befürchten ließ. In Italien war die Lage nicht weniger gespannt, da Hannibal 213/12 Tarent im Handstreich nehmen konnte, wenig später auch die übrigen Griechenstädte Metapont, Herakleia und Thurioi auf seine Seite traten, die Heere des Sempronius Gracchus und des Cn. Fulvius schwer geschlagen wurden und die römische Belagerung von Syrakus durch die karthagischen Anstrengungen zur See keine Fortschritte machte.4 Hannibal, diesen Schluß mußte der Senat aus den militärischen Niederlagen ziehen, schien also auch seinerseits als Herr der italischen Küste von Lokroi bis zur Südspitze Apuliens dem Ziel greifbar nahe, makedonischen Truppen in beliebiger Zahl die Überquerung der Adria zu ermöglichen. Angesichts dieser Situation war es für Rom das Gebot der Stunde, Philipp V. in Griechenland zu binden, wobei den Preis für den dazu nötigen griechischen Festlanddegen die prekäre Lage festsetzte, die dem Aitolischen Bund natürlich kein Geheimnis war. Die einzelnen Bestimmungen .des Vertrages berichtet Livius,5 und zwar in einer ganz summarischen Weise, wie schon B. NIESE erkannt hat.0 Auf Grund eines glücklichen Fundes an der Stelle des antiken Thyrrheion, der wenigstens ein Bruchstück des inschriftlich von aitolischer Seite aufgezeichneten Vertrages zutage brachte, läßt sich dieser Bericht weitgehend präzisieren.7 Es soll im folgenden der Versuch gemacht werden, nach dem vorliegenden Quellenmaterial den formalen Aufbau des Vertrages neu zu rekonstruieren. Grundlage kann dabei nur die Inschrift und der sich aus ihr ergebende Vertragsaufbau sein, so daß die Anordnung der einzelnen Vertragsbestimmungen, wie sie Livius bietet, umgestoßen 8
Polyb. 8, 13-14. J. M. F. MAY, JRS 36 (1946) S. 49 ff., F. W. WALBANK, Philip V, S. 80ff.,E. BADIAN, Aetolica, S. 200 (mit gegenteiliger Deutung), G. A. LEHMANN, a. a. O. S.46ff. 4 Polyb. 8, 24, 4#. Liv. (P) 25, 7, 11 ff. W. HOFFMANN, Hannibal, 1962, S. 85 f., G. A. LEHMANN, a. a. O. S. 49 f. 5 Liv. 26, 24, 8-13. Zu vergleichen ist Polyb. 9, 39, 3. 11, 5, 4L Liv. 26, 26, 3. Polyb. 18, 38, 7. Liv. 33, 13, 9. lustin. 29, 4, 5. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 2ioff. 6 Geschichte IIX S. 477. 7 Ediert wurde der Vertrag zuerst von G. KLAFFENBACH, Der römisch-ätolische Bündnisvertrag, SB Deutsch. Ak. Wiss., Berlin 1954, 1 = IG IX2 1, 2, 241. Vgl. SEG XIII 382. XVI 370. XVII 280.
Uie Rechtsstellung der Verbündeten
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werden kann. Der Beweis für die auf diese Weise gefundene neue Anordnung wird der Ubersidit halber im Anschluß an das Vertragsschema erbracht. Gliederung des Vertrages: I. Einleitungsformalien: φιλιαν και συμμαχίαν είναι. II. Zweiseitige Neutralitätsbestimmung.8 III. Allianzbestimmung: 1. Festsetzung des Kriegszieles und der römischen Verpflichtung zur Erreichung desselben: 24, 11: darent operam Romani, ut Acarnaniam Aetoli hoherent. 24, 10: navibus ne minus viginti quinque quinqueremibus adiuvaret Romanus. 2. Abgrenzung des Kriegsbereiches und Festlegung der aitolischen Verpflichtung: 24.11: Corcyra tenus ab Aetolia fehlt: direkten Bezug nimmt incipienti Z. 2: τούτους πάντας 24. 10: bellum ut extemplo Ζ. 1-4: πο]τί τούτους πάντας Aetoli cum Philip ρ ο terra [ευθύς τον πόλεμον (?) 9 οι α]ρχοντες gererent. των Αίτωλ[ών πρ]ασ[σόντω]σαν, ώς κα θέλη πεπράχθαι. IV. Spezialbestimmung: Festlegung der walt der Vertragspartner gelangten zeichnet worden waren. 1. Die eroberten Gebiete a) von römischen Truppen: 24. 11: Urbium solum tectaque et muri cum agris Aetolorum, alia omnia praeda populi Romani esset (ebenso 26, 26, 3 = Polyb. 9, 39, 3. 11, 5, 4 f. 18, 38, 7 = Liv. 33, 13, 9).
8
Behandlung der in die VerfügungsgeGebiete, die in Artikel III 2 näher be-
Z. 4-10: ει δε τινές κα τούτων των εθνών οι Τωμαΐοι πόλεις κατά κρά[τ]ος λάβωντι, ταύτας τάς πόλεις και τάς [χ]ώρας ένεκεν του δάμου των 'Ρωμαίων τώι δάμωι τώι τών Αιτωλών εχειν έξέστω * [ο] δε κα παρέξ τάς πόλιος και τας χώρας Τωμα[ΐ]οι λάβωντι, 'Ρωμαίοι έχόντωσαν.
Die nidit erhaltenen Einleitungsformalien sind selbstverständlicher Vertragsbrauch und legten fest, was für ein Vertrag zwischen welchen Kontrahenten für welchen territorialen und temporalen Geltungsbereich abgeschlossen wurde; vgl. E. TXUBLER, Imp. Rom. S. 48 f. Da im vorliegenden Fall der Geltungsbereich in der Allianzbestimmung
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den Osten b) von römischen und aitolischen Truppen gemeinsam: fehlt, s. o. 10< "
| Z. 10-15: ει δε τινάς κα ταυτάν ταμ πολιών Τωμαΐοι και Αιτωλοί κοιναι ελωντι, ταύτας τάς πόλεις και τάς χώ[ρα]ς ένεκεν του δάμου ^7> I2)> worauf sich Antiochos empört die Zumutung, über Rebellen (τους άποστάτας) überhaupt zu verhandeln, verbat (E. BICKERMANN, Rom und Lampsakos, S. 284, H. VOLKMANN, RE 23 [1959] Sp. 1681 f. s. v. Ptolemaios IV. Philopator; vgl. B. NIESE, Geschichte II, S. 376 f.). Um das Jahr 200 heißt es im Friedensvertrag zwischen Milet und Magnesia, είναι δέ τήν αυτήν είρήνην και Πριηνεΰσι τοις συμμαχήσασι Μαγνήσισιν και Ήρακλεώταις τοις συμμαχήσασι Μιλησίοις (Syll.3 588, Ζ. 58, Ε. BICKERMANN, La paix de Phoinike, S. 67). Schließlich folgt den Friedensbestimmungen des Vertrages vom Jahre 179 v. Chr. zwischen Eumenes IL, Prusias II. und Ariarathes IV. von Kappadokien einer-, Pharnakes und Mithradates andererseits als Zusatzbestimmung: περιελήφθησαν δέ ταΐς συνθήκαις των μεν κατά τήν Άσίαν δυναστών Άρταξίας ό της πλείστης 'Αρμενίας αρχών και Άκουσίλοχος, των δέ κατά τήν Εύρώπην Γάταλος ό Σαρμάτης, των δ'αύτονομουμένων Ήρακλεώται, Μεσημβριανοί, Χερρονησΐται, συν δέ τούτοις Κυζικηνοί (Polyb. 25, 2, 12-13). Eine Sonderstellung nimmt die ebenfalls von E. BICKERMANN, Rom und Lampsakos, S. 284 herangezogene Freiheits erklärung für Seleukeia Pieria durch Antiochos VIII. ein (C. B. WELLES, RC, S. 288 ff.). Nach Aussage dieser Inschrift wird der Stadt für ihre auch in Zeiten der Not bewiesene Treue die Freiheit vei liehen. Antiochos teilt dies Ptolemaios XI. gleichzeitig mit der Absicht mit, die Stadt in die mit ihm abgeschlossenen Verträge aufzunehmen: [περιελάβομεν αυτού] ς αίς έποιησάμεθα προς άλλή[λους συνθήκαις (Ζ. 14 f.). Der Abschluß 84
xw£ Rechtsstellung der Verbündeten
21)
λαμβάνειν ταΐς συνθήκαις (Syll. 3 591, 2 . 65). D i e historische Grundlage dieser Zusatzklausel w a r entgegen der Meinung BICKERMANNS nicht der Friedenszu stand zwischen den adscripti
und den eigentlichen Vertragsgegnern, sondern der
Kriegseintritt jener völkerrechtlich souveränen Staaten im Verlauf der Auseinandersetzung auf der Seite eines der beiden Hauptkombattanten aus verschiedenen Gründen. 8 5 Primärer Zweck der adscriptio
war demnach die Herstellung
des
eines Vertrages oder die Aufnahme in einen solchen als Vertragssubjekt gilt als internationaler Rechtsakt, der zur Voraussetzung die völkerrechtliche Souveränität der Kontrahenten und zur selbstverständlichen Folge die Anerkennung eben dieser Souveränität hat. Die Absicht des Antiochos lag also darin, die von ihm ausgesprochene Freilassung international anerkennen zu lassen, womit wir als Vorbild auf die gerade zu Beginn des zweiten Jahrhunderts öfters belegten Versuche gefährdeter Griechenstädte stoßen, ihre Souveränität durch einen internationalen Rechtsakt bekräftigen zu lassen (s. dazu S. 102 ff.). Vgl. Polyb. 4, 55, 2. 85 Achaios hatte durch seinen Abfall wie durch die Ursurpation der Herrschaft in Kleinasien automatisch den Krieg ausgelöst, so daß er von Antiochos in den Verhandlungen mit dem ägyptischen Hof mit Fug und Recht als Empörer bezeichnet werden konnte Die entscheidende Niederlage des Seleukiden bei Raphia (217 v. Chr.) hatte dann auch sofort den Entscheidungskampf mit Achaios zur Folge (vgl. M. HOLLEAUX, £tudes III, 1942, S. 125 fr., H. BENGTSON, Die Strategie in der hellenistischen Zeit II, Münchner Beitr. z. Papyrusforsch, u. antik. Rechtsgesch. 32 [1944] S. 106ff.). - Der Friedensvertrag zwischen Milet und Magnesia bedarf keiner Erörterung, da der Wortlaut des Vertrages die beigeschriebenen Städte Priene und Herakleia als Mitkämpfer bezeichnet. - Der Friede von 179 endlich beendet einen Krieg, dessen Ausweitung auf Grund unserer trümmerhaften Überlieferung (Polyb. Buch 24 u. 25) nicht mehr in allen Einzelheiten rekonstruierbar ist (vgl. E D . MEYER, Geschichte des Königsreiches Pontos, 1879, S. 70 ff., B. NIESE, Geschichte III, S. 74 ff., F. STÄHELIN, Geschichte der kleinasiatischen Galater2, 1907, S. 63 ff., G. DE SANCTIS, Storia dei Romani IV, 1, S. 262 ff., E. V. HANSEN, The
Attalids of Pergamon, 1947, S. 96ff., C H . HABICHT, RE 23 [1957] Sp. u o 9 f . s. v. Prusias IL). Der Kreis der Vertragskontrahenten, die unbestritten weitgespannten Pläne des Pharnakes zu Beginn des Krieges wie die zentrale Bedeutung, die den adskribierten freien Griechenstädten in derartigen Auseinandersetzungen schon seit der Mitte des 3. Jhdts. zukam, nötigen auch hier gegen E. BICKERMANN (ihm neuerdings zustimmend J. SEIBERT, Metropolis und Apoikie, Diss. Würzburg, 1963, S. 162 f.) zu dem Schluß, daß alle dem Vertrag beigeschriebenen Staaten am Krieg teilgenommen haben. (A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 138 Anm. 1 stimmt ebenfalls E. BICKERMANN ZU, wobei er annimmt, daß diese griechischen Städte ebenso wie Artaxias und Gatalos dem Vertrag beitraten, um sich vor Pharnakes, der schon im Krieg gegen Eumenes eindeutig der Angreifer war, zu schützen. Unter der sicher richtigen Annahme einer Bedrohung dieser Staaten durch Pharnakes erscheint es jedoch wesentlich plausibler, wenn der politische König diese Städte schon zu Beginn des Krieges angegriffen hat, zumal er in diesem Moment unleugbar im Vorteil war. - Ein Mißgriff bedeutet auch die Aufführung der zwischen Nikomedes I. von Bithynien und einem Galaterhaufen 279 v. Chr. getroffenen Vereinbarung, nach der diese sich verpflichteten, Nikomedes wie den mit ihm verbündeten
2i6
Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den usten
Friedens auch mit und zwischen den Staaten, die den Krieg nicht als Hauptakteure geführt hatten, die in der Sache einer vertraglichen Regelung territorialen oder personellen Inhaltes nicht bedurften und deren völkerrechtliche Unabhängigkeit und Willensfreiheit ihre vertragstechnische Aufführung als Bundesgenossen der beiden Vertragskontrahenten unmöglich machte. So heißt es im Vertrag zwischen Milet und Magnesia, είναι δε την αυτήν ειρήνην και Πριηνεΰσι... 86 Der römischen Diplomatie war diese vertragstechnische Möglichkeit nicht unbekannt, denn schon der Aitolervertrag gestattete beiden Vertragspartnern den Abschluß eines Sonderfriedens mit Philipp nur dann, wenn der Frieden auch für den Vertragspartner in der Form der adscriptio hergestellt wurde.87 Ebenso sahen die von Pyrrhos 279 v. Chr. vorgeschlagenen Friedensbedingungen eine Aufnahme Tarents in dieser Form in den Vertrag vor: έδίδου δ'αύτοΐς ειρήνην και συμμαχίαν και φιλίαν προς Πύρρον, ει Ταραντίνους μεν ες ταΰτα συμπερι-
Städten Byzanz, Tianos, Herakleia und Kaldiedon im Bedarfsfall Waffenhilfe zu leisten: Memn. 19, 2, FGrHist 434. Vgl. F. STÄHELIN, a.a.O. S. 6ff. Der Wortlaut des Memnon weist diese Bestimmung eindeutig als Verpflichtung der Galater aus, in der den autonomen Griechenstädten als Vertragsobjekte die galatische Militärhilfe zugesprochen wird.). Der offensichtlich wenig später abgeschlossene Epimachievertrag zwischen Pharnakes und Chersonesos macht zudem wahrscheinlich, daß sarmatische Scharen unter Gatalos die Stadt im Verlauf des Krieges angegriffen haben, denn der pontische König muß sich - ohne Zweifel auf römisches Drängen hin - ausdrücklich zur Hilfe verpflichten, öv οί παρακείμενοι βάρβαροι στρατεύωσιν έπί Χερσόνησον ή τήν κρατουμένην υπό Χερσονησιτών χώραν ή άδικώσιν Χερσονησίτας (ΙΡΕ Ι 401 = Ε· FL MINNS, Scythians and Greeks, 1913, S. 646, Nr. 17a. Vgl. E. DIEHL, RE 19 [1938] Sp. 1850 s. v. Pharnakes Nr. 1). 88 E. BICKERMANN übersetzt συμπεριλαμβάνειν ταΐς συνθήκαις mit „den Vertrag als Signatarmacht vollziehen" (Rom und Lampsakos, S. 280), was konkret das Recht und die Pflicht zur Intervention für die Vertragskontrahenten in dem Fall involviert, in dem die adscripti von dritter Seite angegriffen werden (a.a.O. S. 283). Für diese weitgehende Interpretation spricht weder der Text der umstrittenen Zusatzklauseln noch die logische Überlegung. Derartige Verpflichtungen waren Inhalt eines Bundesgenossenvertrages und wurden dementsprechend klar formuliert, während diese Zusatzklauseln allein die Aufnahme in ein bestehendes Vertragsverhältnis als Subjekt bewirken, worunter auf Grund der voraufgegangenen Beteiligung am Krieg und der fehlenden Beziehungen zu den im einzelnen getroffenen Vereinbarungen konkret nur die Teilnahme an der Rechtsfolge des Vertrages, hier also am Frieden, verstanden werden kann. Für BICKERMANN konnte diese Lösung allerdings nicht befriedigend sein, solange er mit E. TÄUBLER den Kriegszustand al$ den Normalfall völkerrechtlicher Beziehungen ansah und folgerichtig die Herstellung des Friedens nur vertraglich in Verbindung mit einem Freundschaftsoder Bundesgenossenschaftsvertrag folgen ließ (vgl. dazu S. 136 f.). 87
Liv. 26, 24, 12-13.
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λάβοιεν, τους δε άλλους "Ελληνας εν Ιταλία κατοικοΰντας ελευθέρους... 88 Im Gegensatz zu den italischen Griechenstädten, über die als Vertragsobjekte verfügt wird, soll Tarent als Vertragssubjekt in den Frieden und die amicitia, die zwischen Rom und Pyrrhos auf Grund der getroffenen Vereinbarung hergestellt wird, aufgenommen werden. Mit anderen Worten: Die Rechtsfolge des Vertrages wird durch seinen Beitritt auch auf Tarent ausgedehnt, mit dem Rom im Krieg lag. Nichts anderes kann die Zusatzklausel des Vertrages von Phoinike aussagen. Der Friede, der zwischen Rom und Philipp V. auf Grund der getroffenen Vereinbarungen hergestellt wurde, wird durch die adscriptio auch auf die Staaten ausgedehnt, die am Krieg teilgenommen haben und wegen ihrer sekundären Bedeutung keiner besonderen Regelung bedurften. Weder Rom noch Makedonien wurden dadurch zur Garantie des eingetretenen Zustandes verpflichtet.89 So werden auf makedonischer Seite neben Prusias von Bithynien, dessen Kämpfe gegen Attalos als ein Teil des römisch-makedonischen Krieges gewertet werden müssen, die Mitgliedstaaten der Symmachie aufgeführt, die 224 v. Chr. der von Antigonos Doson gegründeten κοινή συμμαχία90 beigetreten waren 91 und von denen der makedonische König zum ήγεμών απάντων των συμμάχων92 gewählt worden war, die jedoch das Recht zum selbständigen Vertragsabschluß behalten hatten,93 88
App. Samn. 10, 3. E. BICKERMANN, Rom und Lampsakos, S. 278 f. Zu den Friedensverhandlungen im einzelnen vgl. S. 150 ff. 89 Es ist selbstverständlich, daß das Verfahren der adscriptio die Anerkennung der Autonomie der Adskribierten umfaßt. Zu einer Garantie dieser Anerkennung konnte sidi Rom jedoch selbst dann nicht entschließen, als es im Friedensvertrag von 196 die Freiheit der griechischen Städte gegen makedonische Übergriffe als zweiseitig stilisierte Bindung der Vertragspartner, nichts gegen die Autonomie der Griechen zu unternehmen, fixierte. Von einer grundsätzlichen Verpflichtung, diesen Zustand gegen jeden zu erhalten, ist keine Rede (A. HEUSS, Volk. Grdl., S. 85 ff.; s. o. S. 87ff.). 00 Polyb.4, 25, 5; 55,2. 91 Polyb. 4, 9, 4, z. J. 221/0. 92 Polyb. 2, 54, 4. 93 E. BICKERMANN, La paix de Phoinike, S. 65. Zur Symmachie des Doson vgl. B. NIESE, Geschichte II, S. 335 ff., H. BENGTSON, Die Strategie II, S. 356 f. Von den Mitgliedern dieser Symmachie, den Achaiern, Thessalern, Epiroten, Akarnanen, Böotern, Phokern, Lokrern und der Insel Euböa fehlen die drei zuletzt genannten Staaten im Vertrag des Jahres 205, obwohl sie nach Polyb. 11, 5, 4 alle am Krieg aktiv beteiligt waren. Ihre Auslassung muß daher auf das Schuldkonto des Livius gesetzt werden, wofür der Grund freilich nicht recht einzusehen ist. Vgl. M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 259 Anm. 2, F. W. WALBANK, Philip V, S. 103. Eine Aufzählung der Doloper, Perrhäber, Korinther und Magneten erübrigte sich, da sie als makedonische Untertanen sowieso in dem Frieden eingeschlossen waren. Eine dieser äquivalente Staatengruppe besaßen die Römer nur in
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so daß sich ihre besondere Aufführung als Vertragssubjekte rechtfertigt.94 Für die römische Seite schließt der Friedensvertrag historisch wie formell an die Zusatzklausel des Bündnisvertrages mit den Aitolern an, nach der den mit dem Aitolischen Bund verbündeten Eleern, Messeniern, Spartanern, Attalos und dem römischen amicus Pleuratos der Beitritt zu der durch den Vertrag zwischen Römern und Aitolern begründeten amicitia et societas offengehalten wurde.95 Mit der Erfüllung dieser Klausel, d. h. mit ihrem Kriegseintritt, der wie die Beendigung des Krieges ganz im Belieben der Beitrittsstaaten lag, wurden diese formell zu amici populi Romani (s. o. S. 203 ff.), denen gegenüber Rom rechtlich ebenso wenig zu konkreten Leistungen verpflichtet war wie umgekehrt diese an Rom keine Verpflichtungen banden, so daß ihr Ausscheiden aus dem Krieg das einmal begründete Verhältnis der amicitia nicht berührte, während der Bruch des Vertrages durch die Aitoler natürlich auch die eben durch den Vertrag hergestellte amicitia zwischen Rom und Aitolien zerstören mußte. Die Aufnahme der Beitrittsstaaten in den Vertrag von Phoinike resultiert daher aus keiner rechtlichen Verpflichtung Roms, sondern aus einer freiwillig übernommenen Fürsorge für die römischen amici, die auf Veranlassung Roms den Krieg auf griechischem Boden mit ihm geführt hatten.96 den im Jahre 229 und 219 erworbenen illyrisdien Gebieten, und die waren Gegenstand der getroffenen Abmadiungen. 94 Der naheliegende Gedanke, daß wenigstens Philipp auf Grund seines seit langem bestehenden Ubergewidites gegenüber den Mitgliedern der Symmachie die Zusatzklausel als Sdiutzverpflichtung auch für die Zukunft ansah, wird einmal durdi die Aufnahme des Prusias, der einer soldien Garantie Rom gegenüber in gar keinem Fall bedurfte, ausgeschlossen. Zum anderen formulierte Philipp selbst in den Verhandlungen vor Abydos den Ausschluß des Krieges zwischen beiden Vertragskontrahenten als alleinige Rechtsfolge des Vertrages (Polyb. 16, 34, 7). Ebenso beruft sich die römische Seite in dem diplomatischen Ringen vor dem Ausbruch des Krieges mit keinem Satz auf den Frieden von Phoinike (S. 248 ff.), was anstelle der tatsächlich vorgebrachten Begründung, die den mit den Maximen der römischen Politik nicht Vertrauten als Eiertanz erscheinen mußte, das Selbstverständlichste von der Welt gewesen wäre, wenn beide Vertragspartner 205 v. Chr. den geschaffenen Zustand garantiert hätten. 95 Vgl. S. 203 f. Die enge Verbindung zwischen beiden Verträgen hat zuerst Κ. Ε. PETZOLD im Anschluß an A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 32 klar erkannt (Die Eröffnung, S. 13 ff., Gnomon 25 [1953] S. 403 f.). 98 Alle diese von Rom dem Frieden von Phoinike beigeschriebenen Staaten waren mit Ausnahme des Illyriers Pleuratos aitolische Verbündete. Es spricht jedoch alles dagegen, daß sie, wie M. HOLLEAUX annahm, in den Sonderfrieden des Jahres 206 eingeschlossen worden waren (M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 261 ff., vgl. schon E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 214ff.): 1. zeigt die Zusatzklausel des Aitolervertrages selbst wie die Verhandlungen mit dem durch sie umfaßten Staatenkreis nach Vertragsabschluß, daß diese aitolischen Verbündeten nicht zur unbedingten Symmachie verpflichtet waren und ihnen das
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Der Friede von Phoinike stellt damit zunächst auf Grund gegenseitiger Verpflichtungen den Frieden zwischen Rom und Makedonien her. Die Aufnahme aller kriegführenden Staaten in den Vertrag in der Form der adscriptio dehnt diesen Friedenszustand auf ganz Griechenland aus, so daß der Friede zwar nicht im Sinne E. BICKERMANNS eine κοινή ειρήνη war, jedoch im Sinne des Livius eine pax communis, d. h. ein Friede, der allgemein alle kriegführenden Mächte umfaßte.97 Der Kreis der in der Zusatzklausel umfaßten Staaten beschränkte sich auf der Seite Philipps auf die Mitglieder der makedonischen Symmachie und auf der Seite Roms auf die römischen amici, die die Lasten eines socius getragen hatten. Ihre Aufnahme in den Vertrag resultierte aus einer freiwillig übernommenen Verpflichtung Roms, die nur in den - ebenfalls freiwillig übernommenen - Leistungen dieser amici begründet liegen kann. Die von Livius zu diesen Staaten gerechneten Städte Ilion und Athen können daher nicht im Vertrag gestanden haben, sondern sie sind als annalistische Erfindung, die in die polybianische Vorlage eingearbeitet wurde, zu verwerfen, da sie am Krieg nicht teilgenommen haben und keine Beziehungen zu Rom aufrechterhielten.98 Der Friede begründete also weder ein römisches Protektorat über Griechenland noch eine rechtliche Verpflichtung Roms, im Falle eines Angriffes auf seine adscripti einzugreifen.99 selbständige Vertragsredit zustand. Ein kurzer Blick auf die Bedeutung der genannten Staaten würde jeden anderen Schluß auch dann als unwahrscheinlich erweisen, wenn uns diese Zeugnisse fehlten. 2. Die trümmerhafte Überlieferung über den Verlauf des Krieges läßt doch klar erkennen, daß Attalos (wenigstens auf dem griechisdien Kriegsschauplatz) und die peloponnesischen Staaten nach den ersten militärischen Rückschlägen 208/7 von sich aus aus dem Krieg ausschieden und den bedrängten Aitolern keine Hilfe mehr leisteten. Sie taten damit genau das, was auch die Römer seit 207 taten, deren ausbleibende Unterstützung die Aitoler zum Abschluß des für sie wenig schmeichelhaften Sonderfriedens zwang. Daraus ergibt sich 3., daß die verärgerten Aitoler, die mit den größten Hoffnungen in den Krieg eingetreten waren, sich kaum um ihre wenig aktiven Verbündeten gekümmert haben werden, zumal diesen rechtlich das uneingeschränkte Vertragsrecht zustand und faktisch für sie der Krieg seit 207 schon beendet war. 97 Die Annahme Κ. Ε. PETZOLDS, Die Eröffnung, S. 18, daß der Vertragstext noch eine Klausel enthalten haben mußte, „worin sich sämtliche Partner untereinander den Frieden zusidierten", ist unhaltbar, da der Beitritt zum Frieden den geforderten Tatbestand bereits herstellt und im übrigen keiner der aufgewiesenen hellenistischen Parallelfälle eine derartige Klausel enthält. 98 Anläßlich der Beendigung des illyrischen Krieges 228 v. Chr. waren zwar römische Gesandte in Korintlrund Athen freundlich aufgenommen worden (Polyb. 2, 12, 8), jedoch resultierte daraus keine dauerhafte Beziehung zwischen beiden Staaten: M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 114 ff., A. HEUSS, NJbb 1 (1938) S. 340, Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 16 f. Zu Ilion s. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 41 Anm. 2. 99 So zuletzt im Anschluß an L. DE REGIBUS, La repubblica romana e gli ultimi re di Macedonia, 1951, S. 77ff. (dagegen mit Recht Κ. Ε. PETZOLD, Gnomon 25 [1953]
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S. 402 ff.) ohne eigene Begründung B. FERRO, Le origini della II guerra macedonica, i960, S. 118. Die quellenmäßige Grundlage dieser Interpretationen ist die von der Spätannalistik vertretene Auffassung, daß in der dem Vertrag in der Form der adscriptio beigefügten Staatenliste eine Aufzählung römischer socii zu sehen ist, die anzugreifen den Krieg mit Rom bedeutet (vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen von Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 26 ff.). So begründet zunächst die annalistische Beifügung der am Krieg nicht beteiligten Städte Ilion und Athen gleichzeitig eine veränderte rechtliche Stellung der übrigen adscripti, da eine Beifügung neutraler Staaten an die Rechtsfolge des Vertrages sinnlos ist. Der Zweck der adscriptio kann daher in der annalistischen Darstellung nur in der Übernahme einer Schutzverpflichtung auch für die Zukunft bestanden haben. Klar formuliert findet sich diese verfälschte Deutung bei App. Mak. 3, 4, wenn er den Inhalt des Vertrages in die Feststellung μηδετέρους άδικεΐν τους εκατέρωθεν φίλους preßt. Die Formulierung enthält einmal eine Gleichschaltung der von beiden Vertragsgegnern aufgeführten Staaten, womit Rom analog zu Philipp zum ήγεμών über die auf seiner Seite genannten griechischen Staaten wird, zum anderen impliziert sie die Verpflichtung, im Falle eines Übergriffes des Vertragspartners dem Bedrängten militärische Hilfe zu leisten. - Appian vermag nun den annalistischen Verfälschungsprozeß noch genauer zu erhellen: Die Erwähnung Athens bei der Aufzählung der Raubzüge Philipps im Jahre 201, die durchgeführt werden ώς ουδέν τώνδε Τωμαίοις προσηκόντων (Mak. 4, ι), wie seine Aufführung im römischen Ultimatum an Philipp (Mak. 4, 2. s. S. 248 ff.) setzen seine Adskribierung im Vertrag von Phoinike voraus (vgl. P. MELONI, II valore storico e le fonti del libro macedonico di Appiano, 1955, S. 36, A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 32 f.). Sachlich ist damit dieselbe Begründung des römischen Kriegseintrittes im Jahre 200 wie bei Liv. (A) 30, 26, 2-4 gegeben, der die angeblich im Jahre 203 erfolgten Angriffe Philipps gegen nicht näher bestimmte römische socii als adversns foedus facta bezeichnet. Wir greifen hier den zweiten Grundzug der annalistischen Fälschung, die den Kriegseintritt Roms im Sinne der nach dem Fetialrecht ausgerichteten Vorstellung des bellum iustum ac pium zu motivieren suchte: So sind in der livianischen Version die Jahre 203 bis 200 angefüllt mit Übergriffen Philipps gegen römische sociiy mit militärischen Hilfeleistungen Makedoniens an Karthago, mit Bittgesandtschaften griechischer Städte an den Senat und mit römischen Beschwerdegesandtschaften, so daß Liv. (A) 30, 42, 8 schließlich als Kriegsgrund formulieren kann: dupliciter ab eo (sc. Philippo) foedus violatum, et quod sociis populi Romani iniurias fecerit ...et quod hostes ... iuverit. Auch hier kann in den Einzelheiten auf die gründliche Untersuchung Κ. Ε. PETZOLDS, die Eröffnung, S. 44 ff. verwiesen werden (vgl. auch F. Μ. WOOD, Am. Journ. of Phil. 68 [1943] S. 466 f.). J.P.V.D.BALSDON,SomeQuestions aboutHistoricalWriting in theSecond Century B.C., ClQuart. 47 (1953) S. 162f. ebenso JRS 44 (1954) S. 34f. sucht vor allem die römische Gesandtschaft nach Makedonien im Jahre 203 (Liv. 30, 26, 4; vgl. 38, 45, 5. Ebenso T. R. S. BROUGHTON, The Magistrates of the Roman Republic I, 1951, S. 313 u. Anm. 7, B. FERRO, a. a. O. S. 42 f.) und die makedonischen Truppen unter Hannibals Kommando (PETZOLD, S. 51 ff.) als historisch zu halten. Hier, wie überhaupt in seiner zuletzt genannten Arbeit, beschränkt sich seine Polemik auf die Argumentation von M. HOLLEAUX, während die in diesem Zusammenhang weit wichtigeren Ergebnisse Κ. Ε. PETZOLDS über die spätannalistische Topik, in denen man den von M. HOLLEAUX, REA 22 (1920) S. 82 Anm. 1 versprochenen, aber schuldig gebliebenen quellenkritischen Nachweis seiner Verwerfung der Annalistik sehen darf, unwiderlegt bleiben. Hier hätte der Verf. jedoch zunächst einsetzen müssen, wenn man seine Argumente überzeugend finden soll (gegen
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c) Umfang und Charakter der völkerrechtlichen Beziehungen Roms im hellenistischen Osten am Vorabend des Zweiten Makedonischen Krieges. Gegen das soeben festgestellte Ergebnis scheint zunächst der livianische Bericht über die Verhandlungen zwischen Nabis und Flaminin im Verlauf des Krieges gegen den spartanischen Tyrannen (195 v. Chr.) zu sprechen.100 Nabis beruft sich hierbei auf ein vetustissimum foedus, das ihn mit Rom verbinde, und Flaminin gesteht in seiner Antwort Messene dieselbe Rechtsstellung zu. 101 Die Formulierung ist klar, und sie wird durch die wiederholte Anwendung der Bezeichnung socius für Nabis wie durch das Verhalten des Flaminin, der seinem Gegenspieler das Vorhandensein eines solchen foedus nicht bestreitet,102 noch gestützt, so daß Sparta und Messene foederierte socii nach der Aussage des Livius gewesen sein müssen. Da zudem das dieses Verhältnis begründende foedus noch vetustissimum gewesen sein soll, kann es sich nicht um die 197 v. Chr. mit Rom zustandegekommene Waffengemeinschaft,103 sondern nur um den Laevinusvertrag des Jahres 212 oder um den Abschluß eines Separatvertrages auf Grund der im Aitolervertrag ergangenen Aufforderung zum Beitritt handeln, wobei natürlich auch dann das Attribut vetustissimum stark übertrieben, wenn nicht irreführend formuliert ist.104
die Glaubwürdigkeit der makedonischen Militärhilfe für Karthago hat inzwischen wieder Τ. Α. DOREY, Macedonian Troops at the Battle of Zama, Am. Journ. of Phil. 78 [1957] S. 185 ff. Einspruch erhoben). - Im übrigen ist diese Methode der Verfälschung der Ursachen eines von Rom geführten Krieges nicht neu. Schon Fabius Pictor empfand das Eintreten Roms für seine socii als probates Mittel, die Kriege Roms im dritten Jahrhundert zu begründen und zu rechtfertigen. Nach ihm schützte Rom die Mamertiner 264 v. Chr. wegen ihrer italischen Zugehörigkeit (Polyb. 1, 10, 2), annektierte Sardinien, um die Belästigungen italischer Schiffe zu beenden (Polyb. 1, 83, 7), intervenierte aus demselben Grund 229 v. Chr. in Illyrien (Polyb. 2, 8, 2) und sah schließlich im Keltenkrieg 225 v. Chr. ganz Italien bedroht (Polyb. 2, 31, 7; vgl. 23, 13. M. GELZER, Hermes 68 [1933] S. 151, H. VOLKMANN, Hermes 82 [1954] S. 474). Dazu paßt das seit 229 v. Chr. von der senatorischen Politik verfolgte Ziel, die römische Politik als uneigennützig zu deklarieren (M. GELZER, a. a. O. S. 129 ff.). 100 Liv. 34, 31, 1-32,20. 101 Liv. 34, 42, 16: Messenem, uno atque eodem iure foederis quo et Lacedaemonem in amicitiam nostram aeeeptam. 102 Anders K. E. "PETZOLD, Die Eröffnung, S. 20, der fälschlicherweise S. 21 Anm. 42 als Beleg anführt, daß Flaminin nur von amicitia spräche; s. dagegen aber Liv. 34, 32, 16. Richtig A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 44, E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, S. 58 Anm. 3. 103 Liv. 32, 39 f. 104 Für die Historizität eines solchen foedus haben sich J. A. O. LARSEN, ClPh. 30 (1935) S. 210 ff., E. BADIAN, a. a. O. S. 57 f. und G. A. LEHMANN, Untersuchungen zur historischen
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In ihrem sachlichen Inhalt beruht die Auseinandersetzung zwischen Flaminin und Nabis auf einer bewußten Negierung der gegenseitig vorgebrachten Argumente: Während Nabis die ihm zu Last gelegten Vorwürfe, die widerrechtliche Besetzung und Knechtung von Argos und seine Tyrannis in Sparta, mit dem Hinweis widerlegt, daß beides zu dem Zeitpunkt des Abschlusses der „societas" 197 schon existent und damit anerkannt war, beeilt sich Flaminin, die Rechtsfrage zunächst beiseite zu schieben, um desto nachdrücklicher als Verfechter der griechischen Freiheit auch die Freiheit der spartanischen Bürger zu vertreten (Liv. 32, 3-14). Erst nach diesem sachlich überflüssigen Exkurs folgen als Grund für den vorgeworfenen Bruch der „amicitia" (32, 15) 1. die versuchte Eroberung des mit Rom verbündeten Messene (sociam nobis urbem) im Jahre 201 v. Chr. und 2. die Zusammenarbeit (societas) mit Philipp V., Ereignisse also, die vor der Einigung zwischen Sparta und Rom im Frühjahr 197 zu datieren sind, mit der wiederum Nabis allein argumentiert. Der römische Prokonsul ignoriert damit die eigentliche Rechtsgrundlage, auf die sich sein Gegner gestellt hat und gegen die sachlich auch schwerlich etwas einzuwenden gewesen wäre, weil die in der Endphase des Makedonischen Krieges vereinbarte Waffengemeinschaft natürlich die stillschweigende Anerkennung des territorialen und verfassungsrechtlichen Status quo einschloß.105 Es ergeben sich nun schon innerhalb dieser an sich wenig sinnvollen Erörterung gewichtige Gründe, die gegen das von Livius formulierte vetustissimum foedus sprechen. Nabis erwähnt zwar dieses foedus, argumentiert jedoch mit der zwischen ihm und Rom bestehenden amicitia et societas, die er im Krieg gegen Philipp erneuert habe und die er ausdrücklich von dem foedus abhebt (31, 5), d. h. er schreibt ihm offensichtlich nicht die Bedeutung zu, die man normalerweise erwarten würde, da sich ein besserer Rechtstitel als ein Bundesgenossenvertrag nicht finden läßt. Ebenso gipfelt die Antwort des Flaminin in ihrem entscheidenden Punkt in der Frage nach den Verletzungen der amicitia, und nicht der societas, wie man an dieser Stelle unbedingt erwarten würde. Vermag damit die livianische Version der Unterhandlungen das angenommene foedus nicht recht
Glaubwürdigkeit des Polybios, 1967, S. 366 ff. entschieden. - Einen allgemeinen Überblick über den Verlauf des Krieges gegen Nabis geben B. NIESE, Geschichte II, S. 65 5 ff., F. W. WALBANK, Philip V, S. 187 ff., A. AYMARD, Les premiers rapports de Rome et de la confedeVation achaienne, 1938, S. 212 ff., H. G. GUNDEL, RE 24 (1963) Sp. 1077 ff. s. ν. Τ. Quinctius Flamininus Nr. 45. 105 Vgl. A. PASSERINI, LO scoppio della guerra siriaca, Athenaeum 10 (1932) S. 327^, A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 44 f., A. AYMARD, Les premiers rapports, S. 222 ff., V. EHREN
BERG, RE 16 (1935) Sp. 1471 ff. s. v. Nabis. Die moralische Berechtigung des Flaminin zu seinen Forderungen betont H. E. STIER, Roms Aufstieg, S. 23 f.
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der Verbündeten
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wahrscheinlich zu machen, so zeigt der historische Zusammenhang wie die Quellenkritik am Text des Livius, daß es ein solches formelles Bündnis zwischen Rom und Sparta niemals gegeben haben kann. Der Inhalt der Zusatzklausel des römisch-aitolischen Bündnisvertrages, auf den das den Zeitpunkt des foedus erläuternde vetustissimum deutlich hinweist, beschränkte sich, wie oben dargelegt, auf eine Aufforderung zur Teilnahme am Krieg gegen Philipp, deren Erfüllung den der Allianz beitretenden Staat in das Rechtsverhältnis der amicitia zu Rom brachte. Der Abschluß eines eigenen Vertrages zwischen Rom und diesen Staaten war von vorneherein nicht vorgesehen und, soweit das Verhalten der am Krieg beteiligten Staaten rekonstruierbar ist, ausgeschlossen. Aber selbst angenommen, Rom habe sich tatsächlich aus irgendwelchen Gründen zum Abschluß weiterer Verträge mit den aitolischen Verbündeten entschlossen, so können diese ebenso wie der Aitolervertrag nur als zeitlich befristete Allianzen stilisiert gewesen sein, so daß sie also spätestens mit dem Abschluß des Friedensvertrages von Phoinike außer Kraft waren. Diese Überlegung wird durch die Ereignisse der Jahre 204-197 v. Chr. bestätigt. Der schon im Jahr 204 wieder ausbrechende Krieg zwischen dem Achäischen Bund und Sparta106 und sein wichtigstes Ereignis, der Versuch des spartanischen Tyrannen, Messene zu nehmen,107 sah die Römer völlig desinteressiert. Diese römische Haltung änderte sich erst, als der Anschluß des Achäischen Bundes an Rom im Oktober 198 v. Chr.108 eine Einigung mit Nabis erzwingen mußte, dessen Kriegführung nach dem Weggang Philopoimens nach Kreta den Achäern schweren Schaden zugefügt hatte,109 die ihrerseits daher die Zusicherung wirksamen Schutzes gegen Nabis zur Bedingung ihrer Hilfe für Rom gemacht haben werden. So kam es im Frühjahr 197 auf die Initiative des Nabis hin, der natürlich ebenso wie die Achäer die Zeichen der Zeit richtig zu deuten wußte, zu einer Zusammenkunft zwischen ihm, Attalos und Flaminin in Mykene, auf der die Grundlagen des zukünftigen Verhaltens festgelegt wurden.110 Als condiciones amicitiae (32, 39, 10) wurden vereinbart, daß Nabis 600 kretische Söldner den Römern für die Dauer des Krieges zur Verfügung stellt und mit dem Achäischen Bund einen viermonatigen Waffenstillstand schließt.111 Völkerrechtlich trat Nabis damit in die römische amicitia 10e
Polyb. 13, 8, 3 ff.
107 p o l y b . 16, 13, 3. Plut. Philop. 12. Paus. 4, 29, 10 f. B. N I E S E , Gesdiidite II, S. 565 f., V. EHRENBERG, a. a. O. Sp. 1474 f., W . H O F F M A N N , R E 20 (1941) Sp. 83 s. v. Philopoimen. 108 109 110
111
A . AYMARD, Premiers rapports, S. 83 ff. Liv. 32, 19, 6; 2 i , 9ff· Liv. (P) 32, 39, 1 - 4 0 , 4 . A . A Y M A R D , a. a. O. S. 141 ff.
Liv. 32, 40, 4 : de colloquio discessum sescentis Cretensibus ab tyranno datis Romano indutiisque inter Nicostratum, praetorem Acbaeorum, et Lacedaemoniorum tyrannum in quattuor menses factis.
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den Osten
ein, deren Zustandekommen hier an bestimmte, zeitlich auf wenige Monate begrenzte Verpflichtungen gebunden war, die jedoch selbst mit dem Ablauf der eingegangenen Verpflichtungen nicht erlosch, wie Flaminin in seiner Anklage gegen Nabis selbst zugibt, wenn er diesem eine Verletzung der amicitia vorwirft.112 Von dem Bestehen eines foedus societatis jedenfalls ist in den Verhandlungen nicht die Rede, ja diese wären überhaupt sinnlos und überflüssig gewesen, wenn ein Bundesverhältnis bestanden hätte, das Nabis sowieso zur militärischen Hilfe verpflichtete. Zwischen Rom und Sparta kann daher nur das Verhältnis der amicitia seit seinem Beitritt zu dem römisch-aitolischen Vertrag angenommen werden, das Nabis wie Flaminin mit amicitia et societas bezeichnen. Das von Livius postulierte foedus ist somit falsch und bedarf einer Erklärung. Als Vorlage des Livius hat hier ausschließlich Polybios gedient,113 der seine Informationen aus dem Archiv des Achäischen Bundes oder aus mündlichen Berichten achäischer Staatsmänner bezogen haben muß, da der Krieg erst auf achäisches Betreiben ausbrach und mit dementsprechend reger Beteiligung des Bundes geführt wurde. Die griechischen Begriffe συνθήκαι, φιλία, συμμαχία und φιλία και συμμαχία müssen also von Livius ins Lateinische übertragen worden sein, ohne daß dem Übersetzer Bedenken über die Aussage der im Lateinischen juristisch wesentlich enger zu fassenden Termini gekommen sind. Diese Arbeitsweise stellt nicht die Regel dar und muß daher einen besonderen Grund haben. Für Livius war die annalistische Auffassung des Vertrages von Phoinike, nach der die in der Form der adscriptio beigefügten Staaten als socii Roms gelten, durchaus bindend. Die Interpretation des polybianischen Begriffes σύμμαχος als föderierter socius bot sich somit im Falle Spartas wie Messenes als die einzig mögliche an. Es bleibt die Frage zu stellen, wie Polybios zu seiner Terminologie σύμμαχος bzw. φίλος και σύμμαχος kommt. Methodisch muß auch hier das historische Faktum die von der Terminologie offen gelassene Frage beantworten. Da Sparta und Messene wie Attalos nachgewiesenermaßen zu den adscripti des Friedens von 112
Liv. 34, 32,5. So ist beispielsweise die livianische Übersetzung eodem iure foederis quo et Lacedaemonem eine im Lateinischen ungewöhnliche dem griechischen τφ αύτφ, φ καί nachge bildete Attraktion (WEISSENBORN-MÜLLER Ζ. Liv. 34, 32, 16). Diese bis in die Details wörtliche Übersetzung des Polybios betont schon H. NISSEN, Kritische Untersuchungen, S. 157ff.: »Die ganze Erzählung c. 22-41 vom Krieg gegen Nabis trägt aufs deutlichste den polybianischen Charakter zur Schau: dieselbe einfache klare zum Teil meisterhafte Schilderung, genaue Detail- und Ortsangaben, militärisches Verständnis, endlich eine Reihe historischer Bezüge, die nur aus dem Werk des Polybios ihre Erklärung finden." 113
(S. 159. Vgl. A. KLOTZ, Livius I, S. 10 f.).
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Phoinike zu rechnen sind, vermag eine Klärung der römisch-pergamenischen Beziehungen gleichzeitig eine Bestätigung des für die peloponnesischen Staaten erzielten Ergebnisses und in Analogie eine Antwort auf die noch zu beseitigende Schwierigkeit zu geben. Nach der Aussage des Livius, der in diesem Fall erhöhte Bedeutung zukommt, da ihr eine klare Unterscheidung zwischen socius und amicus zu Grunde liegt (vgl. S. 164 f.), war Attalos auf Grund des mit Rom gemeinsam geführten Krieges gegen Philipp amicus populi Romani: cum Attalo rege propter commune adversus Philippum bellum coeptam amicitiam esse.11* Nicht anders deutet Polybios das gegenseitige Verhältnis zu Beginn des Zweiten Makedonischen Krieges: "Ατταλος . . . θεωρών δ'αύτούς ( = 'Ρωμαίους) και της προγεγενημένης κοινοπραγίας μνημονεύοντας και προς τον κατά του Φιλίππου πόλεμον έτοίμους δντας περιχαρής ην, 115 d. h. allein die militärische Zusammenarbeit und nicht eine vertragliche Bindung begründete das gegenseitige Einverständnis und bildete die Basis des gemeinsamen Handelns in der Zukunft.116 114
Liv. (A) 29, 11, 2 (die Stelle ist dem Bericht über die römische Gesandtschaft nach Pessinus im Jahre 205 zur Einholung der Magna Mater entnommen, dazu T. R. S. BROUGHTON, Magistrates I, S. 304. Zusammensetzung und Erfolg der Gesandtschaft zeigen die große politische Bedeutung, die Rom den guten Beziehungen mit Pergamon auch nach Beendigung des Makedonischen Krieges beimaß, vgl. E. V. HANSEN, The Attalids of Pergamon, 1947, S. 491"., R. B. MCSHANE, The Foreign Policy of the Attalids of Pergamum, 1964, S. 113 f.)· - Die Begründung der makedonisdi-pergamenisdien Feindschaft geht ganz auf Kosten des Attalos. Das Motiv, das ihn schon 219 v. Chr. veranlaßte, zugunsten der Aitoler in den Bundesgenossenkrieg einzugreifen, ist schwer ersichtlich, jedoch scheint sich hier der im Ersten Makedonischen Krieg klar zutage tretende Versuch, in der Ägäis Fuß zu fassen, anzukündigen (so M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 204 fr., F. W. WALBANK, Philip V, S. 82 f. gegen U. WILCKEN, RE 2 [1896] Sp. 2163 ff. s. v. Attalos Nr. 9, der an einen aus Furcht vor Philipp geführten Präventivkrieg denkt, und gegen G. DE SANCTIS, Storia dei Romani III 2, S. 415 f., der Attalos die selbstverständliche Rolle eines Antigonidengegners zuschreiben will; vgl. E. V. HANSEN, a.a. O. S. 46 ff., D. MAGIE, Roman Rule in Asia Minor I, 1950, S. 12 f.). Der Konflikt mit Prusias I. von Bithynien begann mit dessen mißglücktem Versuch, Byzanz im Bündnis mit Rhodos seiner Botmäßigkeit zu unterwerfen (220/19 v · Chr. Polyb. 4, 50, 1-52, 10), und er verschärfte sich, als Prusias auf der Seite Philipps in den Ersten Makedonischen Krieg eingriff (Spätsommer 208, Liv. [P] 28, 7, 10). Vgl. CH. HABICHT, RE 23 (1957) Sp. 1088 ff. s. v. Prusias I. 115 p0lyb. 16, 25, 4 zum Zusammentreffen der römischen Gesandtschaft mit Attalos in Athen im Frühjahr 200. 116 Im polybianis*chen Sprachgebrauch umfaßt die κοινοπραγία allein die militärische Zusammenarbeit im Kriege, ohne daß ein diese Gemeinschaft begründender Vertrag angenommen werden muß: 5, 95, 2 (Beziehungen zwischen Skerdilaidas und Philipp V. im Bundesgenossenkrieg), 5, 107, 4 (Einigung zwischen Attalos und Antiochos III. über den gemeinsamen Krieg gegen Achaios), 7, 2, 2 (Verhandlungen zwischen Hieronymos von Syrakus und Hannibal υπέρ κοινοπραγίας τοις Καρχηδονίοις), 9» 37» 4 (Verhandlungen
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Amicitia et societas: Das Ausgreifert Roms in den Osten
Diese Beziehungen schlössen konkrete Vereinbarungen von Fall zu Fall nicht aus, wie die Teilung der Beute nach der gemeinsamen Eroberung von Oreos 199 v. Chr. zeigt (Liv. 31, 46, 16: urbs regi, captiva corpora Romanis cessere), ihre Formlosigkeit wurde dem schwächeren Partner jedoch dann zum Verhängnis, wenn seine Interessen mit den politischen Absichten des Stärkeren kollidierten. So konnte Flamininus Oreos, das 198 wieder in makedonische Hände gefallen war, nach Kriegsende trotz der Ansprüche des Eumenes IL für frei erklären, ein Vorgehen, das bei einer vertraglichen Fixierung der pergamenischen Ansprüche unmöglich gewesen wäre.117 Für Polybios muß jedenfalls die Bezeichnung Symmachos für Attalos wie für Sparta auf Grund der tatsächlichen Leistungen, die eben die eines socius waren, ganz natürlich gewesen sein, da im griechischen Sprachgebrauch diesem Begriff nicht die juristisch enge Bedeutung eines vertraglich gebundenen Bündners wie im römischen Völkerrecht zukam, sondern, was in der Sache auch schwerlich bezweifelt werden darf, jede κοινοπραγία eine συμμαχία im weiteren Sinne des Wortes war.118 Die angestellte Untersuchung erlaubt nun, die rechtlichen Grundzüge der römischen Politik am Vorabend des Zweiten Makedonischen Krieges, der über die römische Weltherrschaft entscheiden sollte, zu präzisieren. Historische Voraussetzung und bisher angewandte internationale Rechtsnormen ergänzen sich wiederum gegenseitig, um ein erweitertes und modifiziertes, der veränderten historischen Situation angepaßtes und auf sie übertragbares Völkerrecht auszubilden, das die weitere Entwicklung Roms zur dominierenden Macht auch des östlichen Mittelmeerbeckens entscheidend fördern sollte. Es liegt, wie schon bei der Entwicklung im Westen verfolgt werden und TH. MOMMSEN überhaupt erst zu einer Systematik auch des römischen Völkerrechtes veranlassen konnte, im Wesen der in Sparta über den Kriegseintritt im Ersten Makedonischen Krieg: τίνας έχοντες συμμά χους τότε παρεκαλείτε τούτους εις την κοινοπραγίαν), 29, 3» 3ί 4> 5 (Bündnis zwisdien Perseus und Genthios), 30, 7, 9 (Konspiration rhodischer Bürger mit Perseus). Vgl. J. SCHWEIGHÄUSER, Lexicon Polybianum s. v., A. MAUERSBERGER, Polybios-Lexikon I, s. ν., Ε. LEUZE, Hermes 58 (1923) S. 190L, Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 18 f. Dieselbe Bedeutung kommt dem Ausdruck κοινωνεΐν τίνι ερνου in den meisten Fällen zu, vereinzelt kann er jedoch auch allgemeiner als politische Zusammenarbeit gefaßt werden: J. SCHWEIGHÄUSER, a.a.O., M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 42 Anm. 2 u. 3, H. H. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 6 f., A. MAUERSBERGER bei Η. Η. SCHMITT, S. 218,
Nachtr. zu Anm. 2 und Polybios-Lexikon I, s. v. 117 Polyb. 18, 47, 10-11. G. A. LEHMANN, a.a.O. S. 369. 118 E. BIKERMAN, Rev. de Phil. 65 (1939) S. 346 f.: „Symmadios est simplement compagnon d'armes." Vgl. H. HÖRN, Foederati, S. 11 f., J. A. O. LARSEN, ClPh. 30 (1935) S. 202 A n m . 4 7 ; 2 1 1 .
uie Rechtsstellung der Verbündeten
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römischen Politik, überkommene Formen nicht rundweg zu verwerfen, wenn sie den veränderten historischen Anforderungen nicht mehr entsprachen. Der Vorgang der Weiterentwicklung gleicht vielmehr einer behutsamen stufenweisen Verwandlung, deren Möglichkeiten von der Modifizierung einzelner Elemente bis zur ganz neuen Sinngebung der alten Rechtsformen reichen konnte. Das erste Auftreten Roms in der griechischen Politik 212 v. Chr. entsprang einer reinen militärischen Präventivmaßnahme und war durch den Bündnisvertrag Philipps mit Hannibal geradezu herausgefordert worden. Die Bedingungen, unter denen nach langen Verhandlungen ein auf die Dauer des Krieges befristetes Bündnis mit dem Aitolischen Bund abgeschlossen wurde, waren, sowohl was das fixierte Kriegsziel als auch was die Kriegführung im einzelnen betrifft, für Rom denkbar schlecht und konnten daher im weiteren Verlauf der Entwicklung nur Episode bleiben. Von einschneidender und bleibender Bedeutung an diesem Bündnis war jedoch die im römischen Vertragsbrauch bis dahin noch nicht geübte Zusatzklausel, die die Aufnahme weiterer Staaten in die eben durch den Vertrag hergestellte Sozietät propagierte und die ihrer Rechtswirkung nach bei Kriegseintritt der dazu aufgeforderten Staaten das Verhältnis der amicitia zwischen ihnen und Rom herstellte. Nun waren, wie gezeigt werden konnte, freundschaftliche Beziehungen zwischen Rom und einem außeritalischen Staat im westlichen Mittelmeer durchaus nichts Neues. Derartige amicitiae konnten auf die verschiedenste Art und Weise begründet werden, so daß das Zustandekommen der amicitia zwischen Rom und den aitolischen Verbündeten durch die Zusatzklausel unter formalen Gesichtspunkten nicht als Umwälzung der üblichen und seit langem bekannten Vorstellung von dieser Möglichkeit einer völkerrechtlichen Verbindung zwischen Rom und einem ausländischen Staat gewertet werden kann. Trotzdem liegt hier, geht man von dem Charakter des durch die Zusatzklausel hergestellten Amicitiaverhältnisses wie von der Intention seiner Begründer aus, ein ganz entscheidender Einschnitt vor. Entstände^ durch_ Ereignisse oder Übereinkommen, die keine dauernden für beide Partner wichtigen politischen Berührungsflächen schufen, blieben die Amicitiaverhältnisse im dritten Jahrhundert ohne inhaltliche Verpflichtung, da sie sich allein im freundschaftlichen Gesandtenaustausch oder in gemeinsamen handeis- und kulturpolitischen Interessen, manifestierten. Dagegen war die Voraussetzung des Eingreifens der römischen Diplomatie in Griechenland eine hochpolitische, galt es doch allein, Bundesgenossen im Krieg gegen Philipp auf griechischem Boden zu gewinnen. Die Stellung der römischen amici in Griechenland konnte sich also von vorneherein gar nicht auf die Einhaltung wohlwollender Neutralität beschränken, sondern die Möglichkeit, amicus populi Romani zu werden, war in dieser konkreten Situation mit der Einwilligung,
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den Osten
militärische Waffenhilfe zu leisten, unlösbar verknüpft. Mit anderen Worten: Die Stellung eines amicus forderte in diesem konkreten historischen Fall die Leistungen eines socius,119 ohne daß terminologisch in diesem Fall die Bezeichnung socius angewandt werden konnte, da dieser Begriff durch die italischen Verhältnisse im völkerrechtlichen System der Römer präzisiert war. Diese faktische Verknüpfung der formlos zustandegekommenen amicitia mit dem Inhalt des Sozietätsvertrages erlaubt jedoch auch die logische Umkehrung des eben formulierten Satzes: Die Begründung eines Sozietätsverhältnisses war nicht mehr an den Abschluß eines Vertrages geknüpft, sondern stellte sich auf Grund der tatsächlich geleisteten militärischen Hilfe von selbst her. Oder schließlich in der Terminologie unserer Quellen ausgedrückt: Die amicitia bleibt ihrem formalen Rechtscharakter nach ein zu nichts verpflichtendes völkerrechtliches Verhältnis, ihrem Zustandekommen nach wie in ihrer Aktualisierung wird sie zur amicitia et societas umgeformt. Es liegt im Wesen einer vertraglich nicht fixierten zwischenstaatlichen Beziehung, daß sie mit der Beendigung der Aufgabe, zu deren Erfüllung sie ins Leben gerufen wurde, erlischt. Im Gang der historischen Entwicklung wird also jede amicitia et societas einmal in den Zustand der reinen amicitia zurückfallen. Trotzdem bleibt dieser amicitia auf Grund des einmal geschaffenen Präzedenzfalles die potentielle Möglichkeit bewahrt, im geeigneten historischen Augenblick wieder die Funktion einer amicitia et societas zu erfüllen. Es wäre also rechtsgeschichtlich falsch, neben der amicitia und societas alten Musters die Einführung einer dritten zusätzlichen Rechtskategorie der amicitia et societas anzunehmen, da unter dem Gesichtspunkt einer völkerrechtlichen Norm in dieser Verbindung im Vergleich zu der für ewig begründeten amicitia die societas zeitlich befristet und vom historischen Zufall abhängig ist. Der Terminus amicus et socius benennt vielmehr nur zwei von der historischen Realisierung abhängige Seiten ein- und desselben Rechtsverhältnisses, nämlich der amicitia.120 Als Bindeglied in der 119 Ein erstes Anzeichen für eine gewandelte Interpretation des Amicitiaverhältnisses zeigt sdion die römische Gesandtsdiaft an den ägyptischen Hof 215 v. Chr., die um die Zusendung von Getreide bat, da der Krieg gegen Hannibal die ganze Ernte vernichtet hatte: Polyb. 9, na (s. S. 145 f.). Auch zwang Rom die politische Not, die freundschaftlichen Bindungen mit dem Ptolemaierreich wesentlich enger zu fassen, als es überhaupt im Wesen des bestehenden völkerrechtlichen Verhältnisses lag. 120 Diesen Schluß bestätigen unsere Quellen an den wenigen Stellen, in denen eine klare Unterscheidung der bestehenden internationalen Rechtsnormen zum Verständnis des Gesagten unerläßlich war. In allen diesen Zeugnissen ist allein die Gegenüberstellung zwischen socius (im Sinne von joederatus) und amicus zum Ferment der Einteilung gemacht, und zwar auch dann, wenn der aufgeführte amicus de facto die Stellung eines socius ausfüllte. Liv. 29, n , 1-2: Nullasdum in Asia socias civitates habebat populus Romanus;
jJie Rechtsstellung der Verbündeten
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rechtsgeschichtlichen Entwicklung von dem auf ewig abgeschlossenen Bundesgenossenvertrag originärer römischer Prägung bis zur formlos hergestellten amicitia et societas war der zeitlich befristete Sozietätsvertrag unerläßlich, da er - formal zwar noch Vertrag - die Bundesgenossenschaft an die Erreichung eines zeitlich wie umfangmäßig befristeten Zieles band und damit die wichtigste Eigenschaft der amicitia et societas vorwegnahm. Es ist natürlich, daß die militärischen Leistungen seiner amici Rom zwar nicht rechtlich, aber faktisch zwingen mußten, in einem ganz anderen Maß als bisher an dem Schicksal seiner amici Anteil zu nehmen. Allein aus dieser Überlegung ist es zu verstehen, daß die Beendigung des Ersten Makedonischen Krieges die römischen amici als adscripti des Friedens von Phoinike sieht. Ihre Aufnahme in das Friedensinstrument dokumentiert für beide Seiten ein gegenseitiges Einverständnis in der politischen Zielsetzung, wie sie die frühere Form der amicitia vor dem römischen Eingreifen in Griechenland nicht gekannt hat. Damit erweist sich die amicitia et societas als durchaus zweiseitige Bindung, in der Rom bereit ist, auch seinerseits die Belange seiner amici zu seinen eigenen zu machen.
d) Die analoge Entwicklung im Westen: Die römischen Beziehungen zu Syphax und Massinissa Die aufgezeigte Entwicklung zu einer gewandelten Auffassung des Amicitiaverhältnisses im Osten mußte auch im Westen die römische Politik beeinflussen, zumal gerade hier die Bedrohung durch den äußeren Feind einen Grad erreichte, der eine auf strikte Neutralität beschränkte amicitia als absurd erscheinen ließ. So stellten die beiden Scipionen schon 213 v. Chr. mit dem numidischen König Syphax eine amicitia her, die ganz auf eine offensive Kriegführung auf afrikanischem Boden abgestellt war 121 und die nach einer zwangsweisen Unterbrechung durch die Niederlage der Scipionen im südlichen Spanien 211 v. Chr. um 206 tarnen memores Aesculapium quoque ex Graecia quondam hauddum ullo foedere sociata valetudinis populi causa arcessitum, tunc iam cum Attalo rege propter commune adversus Philippum bellum coeptam amicitiam esse, facturum cum rati, quae posset, populi Romani causa, legatos ad eum decernunt. 45, 25, 9: nam ita per tot annos in amicitia fuerant, ut sociali foedere se cum Romanis non inligarent. Polyb. 30, 23, 3: auf die rhodische Bitte nach einer συμμαχία, unter der das von Rhodos angestrebte foedus societatis verstanden werden muß, heißt es weiter: ή δέ σύγκλητος εδωκεν άπόκρισιν, έν η την μεν φιλίαν παρεσι,ώπησε, περί δέ της συμμαχίας ουκ 'ε'φη καϋήκειν αύτη τοΰτο συγχωρείν Τοδίοις κατά το παρόν. 121 Liv. 24, 48, 13: lta cum Syphace coepta amicitia est; 27, 4, 6. Val Max. 6, 9, 7. Vgl. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 29 f.
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den ^sten
v. Chr. erneuert wurde, wobei möglicherweise ein offizielles Bündnis zwischen beiden Staaten zustandekam.122 Bekanntlich war diese Verbindung nur von kurzer Dauer, da es Karthago noch im selben Jahre gelang, Syphax wieder auf seine Seite zu bringen, und zwar diesmal endgültig. Um so wichtiger wurden für Rom die Kontakte mit Massinissa, der ebenfalls im Jahr 206 nach dem karthagischen Verlust Spaniens seinen Übertritt auf die Seite des Siegers vorbereitete. Scipio hat dessen Angebot, ihm auf afrikanischem Boden Waffenhilfe zu leisten (App. Iber. 37), mit Freuden angenommen, da er den Wert der numidischen Reiterei in den spanischen Feldzügen selbst oft genug zu spüren bekommen hatte. Praktische Bedeutung erhielt diese zugesagte Waffenhilfe erst bei der Landung des römischen Heeres auf Kap Farina nahe bei Utica im Frühsommer 204 v. Chr. Massinissa war inzwischen aus seinem Reich verjagt und als landloser Flüchtling zu einem abenteuerlichen Freibeuterdasein verurteilt worden. Seine letzte Hoffnung bestand daher in der Anlehnung an die römischen Landungstruppen, zu denen er mit den ihm treu gebliebenen Reiterabteilungen stieß. 123 Nach der Vernichtung des letzten karthagischen Heeres am mittleren Lauf des Medjerda auf den „Großen Feldern" im Sommer 203 verdankte er es dann auch einem römischen Truppendetachement und der Entscheidung des römischen Feldherrn, daß er als König über die schon unter Syphax vereinigten Reiche von Cirta und Siga begrüßt und vom Senat in dieser Stellung bestätigt wurde. 124 Bei der endgültigen Regelung der afrikanischen Verhältnisse 201 v. Chr. erfolgte die rechtswirksame Schenkung aller der Gebiete, quae ex regno Syphacis in populi Romani potestatem venissent.125 Der 122 Wenigstens spricht Livius öfters von foedus (28, 18, 12. 30, 13, 8; 13, 11) und societas (29, 24, 3; 23, 6. 30, 14, 10. Vgl. 31, 11, 15), jedoch wird dies durch Appian nicht bestätigt, der lediglich von einem Beschluß des Syphax, Rom zu helfen, berichtet (Lib. 10) und im übrigen nur von φιλία spricht (Iber. 29. 30. Lib. 17. 28. ebenso Cass. Dio frg. 57, 67 und Zonar. 9, 12, 5). Gegen die livianische Annahme eines Bundesgenossenvertrages hat sich P. HABEL, RE 4 Α (1932) Sp. 1474 s. v. Syphax ausgesprochen, und in der Tat klingt der Bericht über das entscheidende Zusammentreffen zwischen Syphax und Scipio (Liv. 28, 17, 4 - 1 8 , 12) wenig vertrauenerweckend. Solange jedoch die Quellenkritik für Fabius Pictor (vermittelt über Coelius) als Vorlage der von Livius übernommenen Annalistik spricht (A. KLOTZ, Livius II, S. 186 ff.), scheint mir eine endgültige Entscheidung zuungunsten des Livius nicht möglich. 123 Zu den Einzelheiten der innernumidischen Machtkämpfe sei verwiesen auf Liv. 29,
29-33. U. KAHRSTEDT (O. MELTZER), Geschichte der Karthager III, 1913 und H.H.SCUL-
LARD, Scipio Africanus in the Second Punic War, 1930, S. 181 ff. 124 Liv. 30, 15, 11-12; 17, 7-14. P. G. WALSH, Massinissa, JRS 55 (1965) S. 150 f. 125 Liv. 30, 44, 12. Das römische Spruchrecht über Numidien gilt also uneingeschränkt. Ebenso Liv. 30, 14, 9: Syphax populi Romani auspieiis (ein deutlicher Hinweis auf die untergeordnete Stellung des Massinissa bei der Eroberung, dem jede Eigenständigkeit oder
• Rechtsstellung der Verbündeten
23^
Rechtscharakter dieser Vorgänge ist eindeutig: Rom konstituiert kraft seines Siegerrechtes über das ehemalige numidische Königreich einen neuen souveränen Staat, den es ohne Einschränkung Massinissa überträgt.126 Diese kurze Skizzierung der römisch-numidischen Beziehungen bestätigt den von der Terminologie der Quellen her nahegelegten Schluß auf eine zwischen beiden Staaten bestehende amicitia.127 Nun ist es bei der notorischen terminologischen Ungenauigkeit unserer Autoren nicht möglich, von Anfang an den Abschluß auch eines formellen Bundesgenossenvertrages auszuschließen, es sei denn, die bekannten Ereignisse sprächen gegen ein solches foedus. Die Tatsache nun, daß Massinissa die auf seine Initiative mit Scipio hergestellten diplomatischen Kontakte erst im Frühsommer 204 wieder aufnehmen kann, schließen den Abschluß eines offiziellen Bündnisses von vornherein aus, da ein völkerrechtlicher Akt zwei populi sui generis voraussetzt. De iure bestand also erst nach der Inthronisation des Massinissa die Möglichkeit eines Bündnisabschlusses. Die trotz der römischen Entscheidung zugunsten des Massinissa weiterbestehende Rechtsunsicherheit in der numidischen Thronfolge, die völlige Abhängigkeit des Königs von Rom, solange Karthago noch nicht besiegt war, wie der barbarische Charakter Numidiens machen die Realisierung dieser Möglichkeit unwahrscheinlich. Wie wenig numidische Eide galten, gar Parität mit Rom abgesprochen wird) victus captusque est. itaque ipse, coniunx, regnum, ager, oppida, homines qui incolunt, quidquid denique Syphacis fuit, praeda poptili Romani est. Die sachliche und terminologische Identität mit dem Deditionsformular ist offensichtlich und spricht für sich. Vgl. Sali. Jug. 5, 4. 14, 8, dazu D. TIMPE, Hermes 90 (1962) S. 336 f. Mit Recht hat TIMPE (S. 342 f.) die Ansicht E. BADIANS, Foreign Clientelae, S. 129 zurückgewiesen, wonach der livianische Bericht (45, 13) über die Gratulationsgesandtschaft des Massinissa-Sohnes Masgaba zum Sieg von Pydna die Auffassung Massinissas über sein Verhältnis zu Rom dahingehend präzisieren ließe, daß er sich selbst nur die Nutznießung (usus), Rom aber die Hoheit (dominium et ins) über sein Land zuschreibe. Die Inthronisierung Massinissas 203 und die Restitution eines numidischen Königreiches 201 waren von seinen Urhebern nicht als prekär, sondern als endgültig gedacht, und dementsprechend verfuhren beide Seiten. 128 Val. Max. 7, 2, 6: Quam deinde se (der Senat) prudenter in rege Massinissa gessit! nam cum promptissima etfidelissimaeius opera adversus Karthaginienses usus esset eumque in dilatando regno avidiorem cerneret, legem ferre iussit, qua Massinissae ab imperio p. R. solutam libertatem tribueret. 127 Livius (28, 35, 12. 30, 14, 4. 31, 11, 14), Appian (Iber. 37. Lib. 10; 61. Mak. 11, 4), Diodor (27, 8. 32, 16), Sallust (Jug. 5, 4; 5. 14, 5), Val. Max. (2, 10, 4. 5, 1, 7. 9, 13, 2) und Plutarch (Catojn. 26, 2) sprechen nur von amicitia bzw. φιλία, während allein Sil. Ital. 16, 168 von einem foedus sociale berichtet. Seinem Zeugnis haben sich H. H. ScuxLARD, a. a. O. S. 256, A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 9jy W. HOFFMANN, Historia 9 (i960) S. 314
und W. SCHUR, RE 14 (1930) Sp. 2159 s. v. Massinissa angeschlossen. - Eine vollständige Quellenübersicht s. bei P. C. SANDS, The Client Princes of the Roman Empire under the Republic, 1908, S. 174 ff.
2J-2
Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in de,. Osten
war Scipio durch Syphax deutlich demonstriert worden (Polyb. 14, 1), so daß die tatsächlich bestehende Waffengemeinschaft gegen Karthago dem Römer als ausreichend festes Band durchaus genügen mußte. Die von den Quellen berichtete amicitia darf daher bis zum Ende des Krieges als gesichert angesehen werden. Ob im Verlauf der nächsten Jahrzehnte schließlich doch ein Bündnis abgeschlossen wurde, ist auf Grund der spärlich fließenden Nachrichten mit letzter Sicherheit nicht zu entscheiden. Der annalistische Bericht über die gleichzeitigen Hilfsangebote Karthagos und Massinissas im Krieg gegen Antiochos III. 128 schließt jedenfalls ein Bündnis noch im Jahre 191 aus: Die Antwort des Senates auf die überschwenglichen Versprechungen beider Gesandtschaften (de frumento utrisque responsum, ita usurum eo populum Romanum, si pretium acciperent) erweist die Angebote zunächst als solche von amici, da socii keine Bezahlung erwarten können. Der Senat fügt jedoch im Falle Karthagos einen bedeutsamen Zusatz hinzu, der gleichzeitig den rechtlichen Unterschied zwischen dem föderierten Karthago und dem nur befreundeten Numiderkönig aufzeigt: de classe Carthaginiensibus remissum> praeterquam si quid navium ex foedere deberent (womit das oben zitierte Getreideangebot als über die Bündnisbestimmungen hinausgehend klassifiziert wird). Für Massinissa fehlt diese Einschränkung, d. h. er ist amicus. Auch unter der Herrschaft Micipsas scheint sich dieses Verhältnis nicht geändert zu haben. Die auf Wunsch des sterbenden Massinissa von Scipio Aemilianus getroffene Erbfolgeregelung sowie der Untergang Karthagos, der Numidiens Funktion als Garant des 201 abgeschlossenen Friedens und damit die Möglichkeit einer bis zu einem gewissen Grade flexiblen und unabhängigen Außenpolitik beendete, haben die Nachfolger des großen Königs gewiß zu römischen Klientelfürsten degradiert. Formal blieb die von Massinissa begründete amicitia von diesen einschneidenden Änderungen der Machtverhältnisse unberührt, da ihre fehlende vertragliche Fixierung, d. h. das Fehlen von beide Seiten bindenden Verpflichtungen und Rechten, den römischen Intentionen jeden nur denkbaren Spielraum beließ. 129 Es ergibt sich zusammenfassend: Seinem Rechtscharakter nach war die zwischen Rom und den numidischen Königen eingegangene Beziehung eine amicitia, die allein auf Grund der von Massinissa gemachten Zusagen militärischer Waffenhilfe 128
129
Liv. 36, 4, 5-9; A. KLOTZ, Livius I, S. 13.
K. VON FRITZ, TAPhA 74 (1943) S. 144 mit Anm. 24. Vgl. im übrigen zu den römisch-numidisdien Beziehungen U. KAHRSTEDT (O. MELTZER) a.a.O. III, S. 578ff., ST. GSELL, Histoire ancienne de PAfrique du Nord III, 1918, S. 301 ff., E.BADIAN, Foreign Clientelae, S. 125ff., W. HOFFMANN, a.a.O. S. 324ff., D. TIMPE, a.a.O. S. 336ff., P.G.WALSH,a.a.O.S. 156 fr.
Die Rechtsstellung der Verbündeten
233
zustande kam,130 oder, dreht man den Satz um, eine societas, die ohne Vertrag nur für den zu führenden Krieg mit Karthago begründet wurde und nach Beendigung des Krieges natürlich als formlose amicitia weiterbestand. Ihr Zustandekommen wie ihre Aktualisierung war also an konkrete Leistungen gebunden. Das zeigt ebenso deutlich wie der vorliegende Fall der Versuch des Vermina, des ältesten Sohnes des Syphax, Reste des väterlichen Reiches zu behaupten. Nach der Niederlage Hannibals ohne Aussicht, seine Stellung auf die Dauer halten zu können, baten seine Gesandten in Rom 200 v. Chr., ut rex sociusque et amicus ab senatu appellaretur, wofür der König als Gegenleistung versprach, ne officiis in populum Romanum aut α Massinissa aut ab ullo alio vincatur. Der Senat erteilte den Gesandten eine barsche Abfuhr und forderte den Vermina auf, erst einmal um Frieden zu bitten, ehe er sich erdreiste, von Rom die Anerkennung als amicus et socius zu verlangen, zumal dieser Titel nur für große Verdienste vom römischen Volk vergeben werden könne: itaque pacem Uli prius petendam ab p. R. esse, quam ut rex sociusque et amicus apelletur; nominis eius honorem pro magnis erga se regum meritis dare populum Romanum consuesse.121 Beide Seiten verbinden wieder mit der amicitia die Vorstellung von merita, ohne die ein freundschaftliches Einvernehmen gar nicht möglich sei. Rom schließt sich dabei keineswegs aus. Bedeutsam ist, daß es sich seinem Kampfgenossen Massinissa und seinen amici soweit verpflichtet fühlte, daß es in den Vertrag mit Karthago ausdrücklich eine Schutzklausel für sie aufnehmen ließ: μήτε Μασσανάσση μηδέ αλλφ Τωμαίων φίλφ πολεμεΐν μηδέ στρατεύειν τινά Καρχηδονίων έπ' εκείνους από γε τοΰ κοινού.132 130
App. Iber. }γ: Μασανάσσης ... φιλίαν τφ Σκιπίωνι συνθεμένος ώμοσε συμμαχήσειν, fiv ές Λιβύην στρατεύη. 131
132
Liv. 3 1 , 1 1 , 13—18; 19, 5·
App. Lib. 54· Dieselbe Klausel des Präliminarvertrages formulierte nach Polyb. 15, 18, 4-5 neben der Rückgabe aller numidischen Besitzungen an Massinissa das Verbot, außerhalb Libyens überhaupt, und innerhalb Libyens ohne römische Genehmigung Krieg zu führen. Nach Liv. 30, 37, 4, der von Polybios abhängt, wird den Karthagern die Kriegführung innerhalb wie außerhalb Afrikas ohne römische Erlaubnis verboten und außerdem die Verpflichtung auferlegt, mit Massinissa ein foedus abzuschließen. Da die letzte Bestimmung durch Polybios nicht gedeckt ist, handelt es sich sehr wahrscheinlich um den Zusatz eines späteren Annalisten, dem auch die Verfälschung des polybianischen Textes zugeschrieben werden muß (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 194, A. KLOTZ, Appians Darstellung des Zweiten Punischen Krieges, 1936, S. 106). Livius kombiniert nun an zwei weiteren Stellen die polybianische Version des Vorvertrages mit der endgültigen Fassung der Bestimmung bei Appian: Als am Vorabend des Dritten Makedonischen Krieges 172 eine karthagische Gesandtschaft vor dem Senat die ständigen Übergriffe Massinissas anklagt, interpretiert sie auch den einschlägigen Vertragspassus: Carthaginienses foedere illigatos silere: prohiberi enim extra fines effere arma. quamquam sciant in suis finibus,
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den Osten
Die aus dem Zwang der politischen Lage entstandene veränderte Interpretation der Aufgaben eines amicus und der Begründung einer neuen amicitia bewirkte also auch hier eine weit engere Bindung an Rom, die sich, wie im Osten im Vertrag von Phoinike, so im Westen im Friedensvertrag mit Karthago, in einer Fürsorge Roms für diese amici manifestierte, wie sie früher nur den vertraglichen socii zukam.
4. Der Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges
a) Die historischen Ursachen Der Friede von Phoinike, obwohl ein unbestreitbarer Erfolg Philipps V., steht am Beginn einer völligen Neuorientierung der makedonischen Politik weg vom griechischen Festland in die Ägäis.1 Im Herbst des Jahres 204 kämpfte der König si inde Numidas pellerent, se gesturos bellum, illo haud ambiguo capite foederis deterri, quo diserte vetuntur cum sociis p.R. bellum gerere (Liv. [A] 42, 23, 4). Das letzte Vertragsglied deckt sich mit Appian (μηδέ &λλω 'Ρωμαίων φίλω πολεμεΐν), während das prohiberi enim extra fines effere arma der polybianisch-livianischen Vertragsversion entspricht, die jedoch in dieser Form niemals geltender Vertrag wurde (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 196 ff. Die im übrigen in diesen Verhandlungen von dem numidischen Gesandten Gulussa vorgebrachten Anschuldigungen, Karthago konspiriere mit Perseus, beruhen auf numidischer Propaganda: K. E. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 90 Anm. 23, P. MELONI, Perseo e la fme della monarchia Macedone, 1953, S. 127fr., W. HOFFMANN, a.a.O. S. 326 Anm. 45). - Die zweite livianische Kontamination beider Quellen zeigt zugleich, wie wenig Gewicht dem Terminus socius in 42, 23, 4 beizumessen ist. Zu Beginn des Dritten Punischen Krieges wird als Kriegsgrund genannt: quod (sc. Carthaginienses) exercitus extra fines deduxissent, quod socio populi Romani et amico Massinissae arma intulissent (Liv. epit. 49). - Die Formulierung des Vertragspunktes bei Appian darf somit inhaltlich wie terminologisch Glaubwürdigkeit beanspruchen. In der Sache bedeutet dieser Passus für Karthago gegenüber dem Vertragsvorschlag eine Milderung, für Massinissa umfaßt er die offizielle Anerkennung als amicus p. R.} dem zum Lohn für seine erwiesene Treue der römische Schutz vertraglich garantiert wird. 1 Es erübrigt sich, die einzelnen Phasen der politischen Entwicklung bis zum Ausbruch des Krieges in extenso zu verfolgen, da auf gerade in der letzten Zeit erschienene detaillierte Abhandlungen verwiesen werden kann. Ich beschränke mich daher auf die Schwerpunkte und verweise im übrigen auf B. NIESE, Geschichte II, S. 568 ff., T. FRANK, Roman Imperialism2, 1925, S. 138fr., M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 304 fr., CAH VIII, 1954, S. 143 fr. = £tudes V, S. 325 fr., A. H. MCDONALD - F. W. WALBANK, The Origins of
the Second Macedonian War, JRS 27 (1937) S. 180 ff., Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung,
Der Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges
*35
selbst gegen die illyrischen Dardaner und in Thrakien, wo er mit den Odrysen Freundschaft schloß 2 - eine unverkennbare strategische Rückendeckung im Stil Philipps IL und Alexanders d. Großen für den Fall eines größeren Unternehmens in Kleinasien - , während der Aitoler Dikaiarchos in seinem Auftrag die Küsten der Kykladen und des Hellesponts im Verein mit kretischen Piraten plünderte3 und sein Vertrauter Herakleides in einem abenteuerlichen Bubenstück die rhodische Flotte in ihren Schiff shäusern zu verbrennen suchte.4 Ihre endgültige Gestalt gewannen diese Pläne Philipps jedoch erst nach dem Tode des ägyptischen Königs Ptolemaios IV. Philopator höchstwahrscheinlich im August/September 204, 5 ein Ereignis, das bei der Unmündigkeit des Nachfolgers vor allem den im Jahr 205 triumphal von seinem Asienfeldzug heimgekehrten Antiochos III. zur Intervention reizen mußte, zumal die Wunde von Raphia noch nicht vernarbt war. Beide Monarchen schlössen daher im Winter 203/2 ein Geheimabkommen, das die Teilung der ägyptischen Außenbesitzungen vorsah, wobei Philipp den ägäischen Besitz, Karien und Samos, Antiochos Koilesyrien und die phoinikischen Besitzungen erhalten sollte.6 Nach den Gepflogenheiten S. 31 ff., F. W. WALBANK, Philip V, S. 108 ff., T. WALEK - CZERNECKI, Les origines de la
seconde guerre de Mac£doine, Eos 31 (1928) S. 369 fr., E. BICKERMANN, Les preliminaires de la seconde guerre de Mac£doine II, Rev. de Phil. 61 (1935) S. 161 ff., Η. Ε. STIER, Roms Aufstieg, S. 87ff., B. FERRO, Le origini della seconda guerra macedonica, i960, S. ACCAME, Roma alla conquista del mediterraneo Orientale, 1966, S. 94 η0. (in weiten Partien ausdrücklidi gegen Κ. Ε. PETZOLD). 2 Polyb. 13, 10, 7-10. Diod. 28, 2. 3 Diod. 28, 1; 4. M. HOLLEAUX, L^xp£dition de Dikaiarchos dans les Cyclades et sur l'Hellespont, ßtudes IV, S. 124 ff., W. L. WESTERMANN, Upon Slavery in Ptolemaiq Egypt, 1929, S. 2 Anm. 4; 22 ff. Der kretische Freibeuterkrieg zielte natürlich gegen Rhodos: Polyb. 13, 4, 2. R. HERZOG, Κρητικός πόλεμος, Klio 2 (1902) S. 316ff., M. HOLLEAUX, Sur la „guerre cre'toise", £tudes IV, S. 163 ff., Η. Η. SCHMITT, Rom u. Rhodos* S. 58, H. BENGTSON, Griech. Gesch.3, 1965, S. 414 (mit weit. Lit.). 4 Polyb. 13, 4-5. Polyaen. 5, 17, 2. Der mit diesen Aktionen einmal vorgezeichnete Weg maritimer Eroberungspolitik fand seine unerläßliche Ergänzung in dem intensiv betriebenen Bau einer Flotte seit dem Frühjahr 203 v. Chr.: F. W. WALBANK, Philip V, S. 111 f., dessen unhaltbare Annahme, daß alle diese Ereignisse kein Interesse des makedonischen Königs an der Ägäis verraten, H. E. STIER, S. 90 f. schlagend widerlegt hat. 5 Dazu mit ausführlicher Bibliographie Η. Η. SCHMITT, Untersuchungen zur Ge-, schichte Antiochos' des Großen und seiner Zeit, Historia Einzelschr. 7, 1964, S. 189 ff. und H. VOLKMANN, RE 23 (1959) Sp. 1687 f. s. v. Ptolemaios IV. Da die in Alexandrien amtierende Hofkamarilla unter Führung des Sosibios und Agathokles den Tod des Königs zunächst geheim hielt, um ihre eigene Stellung unter oder besser über dem Nachfolger zu sichern, kann die Todesnachricht erst im Spätherbst 203 Antiochos und Philipp erreicht haben. β Polyb. 3, 2, 8; 15, 20. 16, 1, 8 f. Liv. 31, 14, 5. App. Mak. 4, 1. Justin. 30, 2, 8. Hieronym. in Daniel. 11, 13-14 = Porphyrios FGrHist 260 F 45. Die Existenz dieses
2j6
Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den
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Abkommens, das zumeist in der Forschung als Vertrag gelesen wird (M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 290; 3201!., H. E. STIER, Roms Aufstieg, S. 89, H. BENGTSON, Griech. Gesch.3, S. 415, vorsichtiger B. NIESE, Geschichte II, S. 578), hat D. MAGIE, The „Agreement" between Philip V and Antiochos III for the Partition of the Egyptian Kingdom, JRS 29 (1939) S. 32 fr. (bekräftigend Roman Rule II, S. 750 Anm. 42) mit der Begründung bezweifelt, daß (1) Philipp in den Jahren 202-201 keine ägyptischen Besitzungen außer Samos angegriffen habe, und (2) App. Mak. 4, 1 seinen Bericht über die Vereinbarung mit λόγος ήν . . . δόξα eingeleitet und damit klar ausgedrückt habe, daß der ganze Vertrag ein von den Rhodiern und Attalos aufgelegter Schwindel sei, um Rom durch die Vorstellung, es sei von dieser Mächtekonstellation selbst bedroht, zum Kriegseintritt zu bewegen. Polybios muß daher, so die logische quellenkritische Konsequenz, seinen Bericht hier einem rhodischen Gewährsmann verdanken (D. MAGIE im wesentlichen zugestimmt haben L. DE REGIBUS, La repubblica romana e gli ultimi re di Macedonia, 1951, S. 99^.i Aegyptus 32 [1952] S. 97ff., E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, S. 64 Anm. 3, A. BELLEZZA, L'ombra di un* antica alleanza, Istituto di storia antica dell" Univ. di Genova 3, 1962). - Der Inhalt des Abkommens ist mit einander widersprechenden Angaben überliefert: Nach Appian handelte es sich um eine zweiseitige Hilfeverpflichtung, nach der Antiochos dem Philipp gegen Kyrene, Ionien und die Kykladen, Philipp dem Antiochos gegen Ägypten selbst und Kypros Hilfe zu leisten hatte (dieser Version stimmt Ε. ΒικKERMANN, a.a.O. S. 163 zu). Polybios (3, 2, 8) dagegen spricht von einer regelrechten Reichsteilung, zählt jedoch als Reichsteile, die an beide Könige fallen sollten, nur die Außenbesitzungen Ägyptens auf. Es scheint daher höchst wahrscheinlich, daß das ägyptische Kernland unangetastet bleiben sollte (so auch Α. Η. MCDONALD - F. W. WALBANK, a. a.O. S. 183, H. BRAUNERT, Hegemoniale Bestrebungen der hellenistischen Großmächte, Historia 13 [1964] S. 94 f. gegen H. WINKLER, Rom und Aegypten im zweiten Jahrhundert, Diss. Leipzig 1933, S. 11) und Philipp und Antiochos eine formlose Vereinbarung, der mehr der Charakter eines Stillhalteabkommens als eines offensiven Raubvertrages zukommt, zur eventuellen Hilfeleistung bei der Einverleibung der ptolemäischen Außenbesitzungen trafen (Porphyr. a.a.O.: ut proximas civitates regno suo singuli de regno Ptolemaei iungeret). Als politisches Ziel der Übereinkunft ist daher mit H. BRAUNERT im Anschluß an M. ROSTOVTZEFF, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt II, 1955, S. 477 die Beseitigung der ptolemäischen Hegemonie im östlichen Mittelmeerbecken, deren Basis die Außenbesitzungen bildeten, anzunehmen. Die Existenz eines solchen Abkommens selbst kann schwerlich mit durchschlagenden Gründen widerlegt werden, die methodisch unerläßlich sind, wenn man eine Quelle wie Polybios eines so klaren Versehens zeihen will. Vgl. gegen D . MAGIE Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 32 fr., Gnomen 25 (1953) S. 405, F. W. WALBANK, Philip V, S. 113 Anm. 4, S. ACCAME, Riv. di Fil. 19 (1941) S. 187, J. P. V. D. BALSDON, JRS 44 (1954) S. 37, Η. Ε. STIER, Roms Auf stieg, S. 92 Anm. 202, H. H. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 61 Anm. 1, H. VOLKMANN,
a.a.O. Sp. 1693 f., B. FERRO, a.a.O. S. 39ff., wo als stärkstes Argument für die Historizität mit Recht auf die tatsächlich erfolgte Hilfe von Antiochos* Statthalter Zeuxis im Jahre 201 verwiesen wird. Η. Η. SCHMITT, Antiochos, S. 237 ff., dem der letzte umfas sende Nachweis der Echtheit des Abkommens zu danken ist, hat darüber hinaus beweisen können, daß die-Interessen Philipps in Karien dem seit 204 deutlich werdendem Bemühen des Antiochos zuwiderliefen, der nur noch de iure bestehenden seleukidischen Oberhoheit in diesem Gebiet wieder praktische Geltung zu verschaffen. Die stillschweigende Duldung der seit 201 anlaufenden karischen Operationen Philipps durch Antiochos for-
Der Anbruch des Zweiten Makedonischen Krieges
237
hellenistischer Politik bedeutete diese Vereinbarung mehr ein diplomatisches Manöver als eine ernst gemeinte Symmachie, hinter dem sich die gegenseitige Rivalität und ein unausrottbares Mißtrauen für eine kurze Zeit verbarg.7 Jedenfalls genügte sie beiden Partnern, um ihre gesteckten Ziele zu Beginn des Jahres 202 mit planvoller Energie in die Tat umzusetzen. Antiochos, der mit der Besetzung der ptolemäischen Stadt Amyzon in Karien etwa im Mai 203 8 den Fünften Syrischen Krieg vom Zaun gebrochen hatte, fiel nach Syrien ein, während Philipp daran ging, den Übergang nach Asien endgültig zu sichern. Zu Beginn des Frühjahrs 202 segelte er mit seiner neuen Flotte auf die Meerengen zu, wo er Lysimadieia am Hellespont, Chalkedon am Bosporus und Kios am Südufer der Propontis, die mit den Aitolern durch Freundschaft, Symmachie und Isopolitie verbunden waren,9 belagerte und eroberte.10 Auf der Rückkehr nach Makedonien erschien er vor der Inselstadt Thasos, der er die Freiheit und Autonomie garantierte, um bei seinem Einzug die Bürger der Stadt in die Sklaverei zu verkaufen und die wegen ihrer Lage so wichtige Insel in Besitz zu nehmen.11 dert demgemäß geradezu eine Vereinbarung beider Monarchen über ihre politischen Ziele. 7 Für diese Einschätzung des Abkommens sprechen die zunächst weiterbestehenden Verbindungen Philipps mit Ägypten (Polyb. 15, 23, 13. Vgl. 16, 22, 3 ff. Die Annahme E. BICKERMANNS, a.a.O. S. 162, es habe ein förmlicher Vertrag zwischen beiden Mächten bestanden, geht jedoch wohl zu weit), seine offensichtliche Schonung lagidischer Städte im Feldzug des Jahres 202, wie die widerstrebende und nachlässige Art, mit der Zeuxis dem Hilfeversprechen seines Königs nachkam, eine deutliche Sprache. Vgl. A. RANOWITSCH, Der Hellenismus und seine geschichtliche Rolle, 1958, S. 109, H. WINKLER, a. a.O.
S. 11. Die Passivität des Seleukiden im Zweiten Makedonischen Krieg macht vollends klar, daß die innere Brüchigkeit dieser Koalition diese bei der ersten stärkeren Belastung auseinanderfallen ließ. 8
C. B. WELLES, RC, 38, S. 165 ff.
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Polyb. 15, 21, 1 ff.; 23, 9. 18, 3, 11; 4, 5ff.Liv. 31, 31, 4. Strab. 12, 4, 3. Wann diese Städte ein Bundesverhältnis mit dem Aitolischen Bund eingingen, ist nicht sicher zu datieren. M. HOLLEAUX, CAH VIII, S. 143 sieht diesen Schritt als Folge der ägyptischen Unruhen 207 v. Chr., und diesem Ansatz vor 206, dem Jahr des Sonderfriedens zwischen Aitolien und Philipp also, haben R. FLACELIERE, Les Aitoliens a Delphes, 1938, S. 312 und U. KAHRSTEDT, Beiträge zur Geschichte der thrakischen Chersones, Dt. Beitr. z. Altertumswiss., H. 6, 1954, S. 44 f., wie mir scheint mit Recht, beigestimmt (weit. Lit. zu dieser Frage bei Ch. HABICHT, RE 23 [1957] Sp. 1093 f. s. v. Prusias I.). 10 Polyb. 15, 21, 7; 23, 9. 18, 4, 5-6 (Lysimadieia und Chalkedon); 15, 21; 22, 1; 23, 9 (Kios), 18, 4, 4 (möglicherweise auch Perinth: M. HOLLEAUX, Rome, S. 316). Mit Lysimadieia kam noch im selben Jahr ein Vertrag zustande (Polyb. 15, 23, 9), der inschriftlich erhalten und zuletzt durch E. BIKERMAN, Rev. de Phil. 65 (1939) S. 348 f. veröffentlicht wurde. Kios, das im Verein mit Prusias belagert worden war, fiel an diesen (Polyb. 15,23, 10. 18,4,7). 11 Polyb. 15, 24. 18, 44, 4.
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Amicitia et societas: Das Ausgreifen Roms in den Osten
Die Folge dieses ebenso brutalen wie widerrechtlichen Vorgehens gegen freie Griechenstädte leitete eine Entwicklung ein, die seinen Urheber in den Abgrund reißen sollte. Die beiden folgenden Kriegsjahre brachten auf dem ägäischen Kriegsschauplatz den Eintritt weiterer hellenistischer Mächte in den Krieg, der jetzt Philipp eine Erhöhung seines kriegerischen Potentials wie eine zeitweilige Abänderung seiner strategischen Konzeption abverlangte.12 Der Versuch der Aitoler im Herbst 202, die gebrochene Waffengemeinschaft mit Rom Wiederaufleben zu lassen, scheiterte zwar an der brüsken Ablehnung des Senates,13 dafür traten jedoch die Rhodier, durch den üblen Anschlag auf ihre Flotte hellhörig geworden, offen in den Krieg gegen Philipp ein, nachdem sie schon gegen die Eroberung von Kios diplomatische Schritte unternommen14 und damit dem Makedonen deutlich zu verstehen gegeben hatten, daß sie der bedrohlichen Entwicklung an einer der wichtigsten Seehandelsstraßen der Ägäis nicht untätig zuzuschauen gedachten. Dieselben Gesichtspunkte veranlaßten Attalos I., dem Drängen der Rhodier nach einer Symmachie nachzugeben und ebenfalls in den Krieg einzutreten, zumal ihn das Zusammengehen des Prusias mit Philipp an der Nordwestgrenze des pergamenischen Reiches an dieselbe Koalition gegen ihn im Ersten Makedonischen Krieg mahnen mußte.15 Philipp, der auf Grund dieser Entwicklung in Abänderung seines ursprünglichen Planes zunächst den ihm im Raubabkommen überlassenen Teil des ägyptischen Kuchens zu annektieren begann, sah sich daher nach der Eroberung des größten Teils der Kykladen und des ägyptischen Flottenstützpunktes Samos 16 12
Die Entwidmung der Kämpfe im Syrisdien Krieg kumulierte in der Sdiladit von Paneion, in der der in lagidisdien Diensten stehende aitolische Söldnerführer Skopas 200 v. Chr. geschlagen wurde und Koilesyrien räumen mußte: Polyb. 16, 18 f. Joseph, ant. 12, 132. M. HOLLEAUX, CAH VIII S. 270 fr. 13
App. Mak. 4, 2. Liv. (P) 31, 29, 4. In der italienischen Forschung ist im Anschluß an E. BICKERMANN, Rev. de Phil. 61 (1935) S. 162 Anm. 4 der Versuch gemacht worden, die Gesandtschaft an das Ende des Jahres 201 herabzudatieren. So L. DE REGIBUS, a.a.O. S. 101 f., P. MELONI, II valore storico e le fonti del libro macedonico di Appiano, 1955, S. 45 ff. Trotzdem sdieint mir die eingehende Argumentation für 202 durch M. HOLLEAUX, Rome, la Grece, S. 293 f. Anm. 1 nicht widerlegt; vgl. auch Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung S. 60, B. FERRO, a. a. O. S. 46 f.; 70, E. BADIAN, Latomus 17 (1958) S. 208 ff. 14
Polyb. 15, 22, 4. Zu den Motiven beider Staaten, die in den Jahren vor 201 durchaus entgegengesetzte Ziele verfolgen konnten (CHESTER G. STARR, Rhodes and Pergamun, 201-200 B. C, ClPh. 33 [1938] S. 63 ff.), s. im einzelnen P. PEDECH, La m^thode historique de Polybe, 1964, S. 107 ff.; 113 ff. Zum Kriegsverlauf vgl. M. HOLLEAUX, L/exp£dition de Philippe V en Asie (201 av. J.-C), ßtudes IV, S. 211 ff., F. W. WALBANK, Philip V, S. ii7ff., D. 15
MAGIE, Roman Rule II, S. 747 ff., E. V. HANSEN, a. a. O. S. 51 ff. 16
Polyb. 16, 2, 9. App. Mak. 4, 1. CH. HABICHT, Ath. Mitt. 72 (1957) S. 152 ff.
Der Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges
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einer Koalition gegenüber, die ihn mit einer kampfstarken Flotte zwar in zwei Treffen nicht schlagen, sich jedoch als ernsthafter Gegner im Felde behaupten konnte.17 Trotzdem war es vor allem Attalos und wohl auf dessen Vorstellungen hin auch den rhodischen Politikern, die durch den Tod ihres Flottenadmirals Theophiliskos in der Seeschlacht bei Chios ihren fähigsten Kopf verloren hatten, klar, daß die Offensive des Makedonen ohne weitere Hilfe wohl empfindlich gestört, jedoch nicht gebremst werden konnte. Den düsteren Hintergrund dieser Einsicht bildete der siegreiche Vormarsch des makedonischen Heeres nach Pergamon, Karien und der rhodischen Peraia 18 wie die gleichzeitig entfaltete Energie des Antiochos in Koilesyrien, womit auch der größte Skeptiker die zunächst als isolierte Einzeloperationen erscheinenden Vorgänge als systematische Stufen eines Eroberungsplanes sehen mußte, dessen Existenz möglicherweise in Rhodos und Pergamon schon vorher durchgesickert war. Beide Mächte wandten sich daher im Herbst 201 um Hilfe an Rom.19 Wir wissen nicht genau, was die rhodischen und pergamenischen Gesandten vor dem Senat vorgebracht haben, da Appian (Mak. 4,2) nur die Meldung des Raubabkommens berichtet, Justin (30, 3, 5) allgemein von einer Beschwerde über das Vorgehen Philipps in der Ägäis weiß und Livius (31, 2, 1) als annalistische Reminiszenz unbrauchbar ist. Es dürfte jedoch sicher sein, daß beide Gesandtschaften die Gefahr einer syrisch-makedonischen Allianz für das auf Grund der tatsächlichen Kräfteverteilung im hellenistischen Osten hergestellte Gleichgewicht in den sattesten Farben gemalt haben und damit natürlich auch das Mißtrauen des Senates wachriefen, da Rom schon einmal mit Philipp ohne Glück die Waffen gekreuzt hatte.20 17 Über die strittige Chronologie der Seesdiladiten von Lade und Chios vgl. Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 60f. und m. E. mit Recht gegen ihn B. FERRO, a.a.O. S-49ff. 18 Auf diese Erfolge Philipps bezieht sidi offensichtlidi das als Spottvers aufzufassende Gedidit Anth. Pal. 9, 518 (J. GEFFCKEN, Griech. Epigramme, 1916, S. 128) des Alkaios von Messene: F. W. WALBANK, Alcaeus of Messene, Philip V and Rome, ClQuart. 36 (1942) S. 134ff., P. SATTLER, Die Römer und die Himmelsstürmer, in: Stud. aus dem Gebiet der Alt. Gesch., 1962, S. JI ff. (mit eingehender Literaturübersicht), Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 61 Anm. 2. 19 Nach Liv. (A) 31, 1, 10 ff. traf zur selben Zeit auch eine athenische Gesandtschaft in Rom ein, die natürlich in der annalistischen Fälschung nicht fehlte, da nach ihr der Krieg pro sociisy unter denen sich Athen als adscriptus des Friedens von Phoinike befand, geführt wurde: M. HOLLEAUX, Le pr£tendu recours des Atr^niens aux Romains (en 201/ 200), £tudes V, S. 9 ff., Κ. Ε. PETZOLD, Die Eröffnung, S. 66 ff. Für die Historizität der Gesandtschaft haben sich E. BICKERMAN, ClPh. 40 (1945) S. 237 ff. und J. P. V. D. BALSDON, JRS 44 (1954) S. 37 entschieden. 20 In der Nachfolge von TH. MOMMSEN, der in der römischen Weltherrschaft das Er-
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248 (im 2. Makedon. Krieg); 38 A. 32, 221 ff., 267f. (im Krieg gegen Sparta); 65, 263 (im Krieg gegen die Aitoler); 95 f. (Charakteristik) „Raubvertrag" 235 f. mit A. 6 (Abschluß); 239 f. (Auswirkung in Rom) Recht und Form 172 f. Rechtswissenschaft, Behandlung der Außenpolitik 169 f. res privatae 6 res sacrae 6 Restitutionsakt, s. Freilassung Rhegion (282-270 v. Chr.) 51 A. 59, 57 A. 14,63 A. 39,153 A. 73 Rhodos 141, 254ff. (Verhältnis zu Rom); 190mit A. 28,251 A. 56 und 57,255 A.64 (im 1. Makedon. Krieg); 238 ff., 245 ff., 25of., 254f. (205-200 v. Chr.); 185 A. 14 (im 2. Makedon. Krieg); 74 A. 26, 99 f. (nach Apameia); 106 A. 85, 164 A. 2, 263 f., 269, 273 (nach Pydna) Römerfreunde 80 ff. Rüstungsbeschränkungen 86 mit Α. 11
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sacra 75 f., 114 A. 8 Sagunt (Verhältnis zu Rom) 157 A. 87 Same, auf Kephallenia (Eroberung 189 v. Chr.) 16 A. 22, 17 A. 27 Samniten, Samnitischer Bund 126 (334 bis 330 v. Chr.); 14 A. 15, 63 f. (im 2. Samnitischen Krieg); 152f., 153 A. 72 (im Tarentinischen Krieg) Samos (Grenzstreit mit Priene) 72 A. 18 Sanktionsbestimmung 213 Satricum (Eroberung 348 v. Chr.) 9 A. 15, 50 A. 59 Scheinfoedera 11 A. 7 Schutzklausel 254, 257, 266 ff. Schwurhandlung 22, 6^t 83, 128 A. 8, 174, 176 f. Scribonius Libo, L. (trib. pleb. 149 v. Chr.) Seeräuber, kilikische 8 A. 11 Seeräubergesetz 100 v. Chr. 272 Seleukeia Pieria 214 A. 84, 271 A. 32 Sempronius Gracchus, Tib. (cos. 177 v. Chr.) 15 f. Sempronius Tuditanus, P. (cos. 204 v. Chr.) 208 mit A. 71, 209 Sena Gallica 50 A. $9 Senat (bei Deditionsverhandlungen) 40 f. Senonen (Vernichtung 283 v. Chr.) 50 A. 59 Selbstbindung 87 Siegerrecht 13 A. 7, 15 mit A. 18, 70 mit A. 2, 88, 97, 99, 107 f. Skerdilaidas, Kg. der Illyrer 204 A. 60 Smyrna (192 v. Chr.) 105 A. 80 societas, socius 43, 142 A. 45,158 ff., 218 f., 226fr., 232f., 252fr., 256fr., 264f. (Definition); 163 fr., 169 f., 221 ff., 228 A. 120, 234 A. 132 (Sprachgebrauch) societas belli 194 ff., 199 f. socii (außeritalische) 1, 158fr. socii (italische) 117 ff., 15 8 ff., 272 f. socii navales 121 A. 24 socii nominis Latini 117 ff. solutio 20 Souveränität 5 f., 7, 17 A. 27, 22, 38, 49 A. 58, 6% 70, 73 f., 81 A. 50, 103 A. 71, 104 A . yyy
118, 121, i 4 o f . , 161, 200
A. 54, 214 f. A. 84, 273, 274 A. 39 Sparta 207, 2iof., 218, 221 ff. (Verhältnis zu Rom 212-195 v. Chr.); 203 A. 58, 205 A. 62 und 63, 207, 218 mit A. 96 (im 1. Makedon. Krieg); 210f. A. 75 (im
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Namen- und Sachregister
Frieden von Phoinike); 221 (im 2. Ma kedon. Krieg); 38 A. 32, 221 ff. (195 v. Chr.); 65 A. 52 (deditio 189 v. Chr.) Spoletium 119 A. 19 sponsio 20 f. Statellaten, Ligurer (deditio 173 v. Chr.) 40 f. Stertinius, L. 86 A. 9 Steuerpflicht 159 A. 2 stipulatio 20 Stratonikeia 106 A. 85 Sulpicius Galba, P. (cos. 211 v. Chr.) 200 A. J4, 207 (im 1. Makedon. Krieg); 41, 46, 48 A. 57, 91 A. 34, 242, 247, 256 A. 66 (im 2. Makedon. Krieg) Sulpicius Galba, Ser. (cos. 144 v. Chr.) 41 Sutrium (Eroberung 389 v. Chr.) 9 A. 14 συμμαχία 226 συμπεριλαμβάνειν 104 Α. γγ, 214 f. mit Α . 8 4 , 2 i 6 Α . 86 Sympolitievertrag zwischen Herakleia am Latmos und Milet 73 mit A. 25 Syphax, Kg. der Numider 229 f. Syrakus 127ff. (im 1. Pun. Krieg); 12 A. 2 (Eroberung 212 v. Chr.)
Thyrrheion (im bellum Antiochicum) 263 A.13 Tibur 117 togati 124 Tribusorganisation 113, 116, 122 A. 30 Tributpflicht 103 A. 71 Triphylien (197-194 v. Chr.) 92 A. 39 Triumph 12 Teuta, Kgin. der Illyrer 53 A. 6, 55 Thessalien (im 2. Makedon. Krieg) 65, 66 A. 54, 90 f. Thurioi (deditio 282 v. Chr.) 63 A. 39, 153
tabulae Caeritum 115 A. 9 Tarent 126 (334 v. Chr.); 143, 150ff., 173 A. 10, 216 f. (Tarentinischer Krieg); 76 A. 38 (deditio 209 v. Chr.) Tauromenion (im Vertrag mit Hieron II.) 128 A. 9 Teanen, apulisch (deditio 318 v. Chr.) 66 A. 54 Teaten, apulisch 119 A. 21 Telmessos 99 A. 61 Teos (193 v. Chr.) 102 ff. termini 75 A. 28 Terminologie völkerrechtlicher Begriffe 3 ff., 13 f., 25 fr., 161 ff., 168 ff. Tessera hospitalis aus Fundi 42 A. 46 Thasos (202 v. Chr.) 237 Theangela (Kapitulation) 22 A. 11 Theben, phthiotisch (197 v. Chr.) 66, 90 mit A. 29, 92 A. 37, 193 ff. Thessalien (197-194 v. Chr.) 92 A. 37, 93 A. 40 und 42 Thisbe, böotisch (Freilassung 170 v. Chr.) 80 ff. Thrakien (197-192 v. Chr.) 106 Thrasykrates, Rhodier 190, 191 f.
vacatio militiae 117 Valerier (patroni der Aitoler) 42 A. 46 Valerius Antias 166 f. Valerius Corvus, M. (cos. 348 v. Chr.) 50 A. 59 Valerius Flaccus, L. (cos. 195 v. Chr.) 33 mit A. 23, 37 mit A. 27 Valerius Laevinus, M. (cos. 210 v. Chr.) 33 A. 23, 181 f., 187, 189, 243 f. A. 23 Valerius Maximus, M \ (cos. 263 v. Chr.)
A
·.7* .
Tullius Cicero, M. (Verhältnis zur Außenpolitik) 45 A. 50, 161 A. 1, 169 A. 14, 180A. 34 Übersiedlungsrecht 123 A. 30 Ultimatum von Abydos 218 A. 94, 246 A. 32, 247 f., 249 ff., 254 mit A. 63, 257 Ultimatum von Athen 244, 245 f., 246 A. 32, 248 ff. Uspe, Kaukasus (Eroberung 49 n. Chr.) 11 Α. ι Utica 56 A. 11 (Deditionsangebot 241/0 v. Chr.); 66 A. 54 (deditio 149 v. Chr.)
Veneter (deditio 56 V. Chr.) 17 Verfügungsgewalt 19, 23, 24, 70, 201 f. Verkehrsgrenze 154 ff. Vermina, S. des Syphax 233 Vertrag, s. foedus Vertrag mit dem Achäischen Bund 192/91 v. Chr. 149 A. 63, 261 f. mit A. 8 Vertrag mit dem Aitolischen Bund 212 v. Chr. 19 A. 36, 148 A. 62, 165 A. 5, 181 bis 207, 216, 218, 221, 223, 227 Vertrag mit dem Aitolischen Bund 189 v. Chr. 150 A. 64, 201 f., 214 A. 81, 268 Vertrag mit Alexander von Epirus 115 ff. Vertrag mit Antiochos III. 188 v. Chr. 49
Namen- und Sachregister A. 58, 84 A.4, 86 A. 11, 98 ff., ιοί Α.65, 137, 147, 148, 156 f., 214 A. 81, 265 ff., 269 Vertrag mit Astypalaia 105 v. Chr. 148 A. 62,158 f., 165 A. 5 und 6 Vertrag mit Elaia 165 A. 4 und 6 Vertrag mit Epidauros 165 A. 5 Vertrag mit Gades 58 A. 25 Vertrag mit Hasdrubal (Ebrovertrag) 154fr., 250 A. 55 Vertrag mit Herakleia Pontica 188 v. Chr. 119 A. 21,121, 148 A. 62,164 A. 2 Vertrag mit Hieron II. 263 und 248 v.Chr. 127-136 Vertrag mit den Juden 161 v. Chr. 148 A. 62,160 A. 4 Vertrag mit Karthago 507 und 348 v. Chr. 50 A. 59, 137, 139 A. 36, 147 mit A. 61, 157,191 mit A. 32, 214 A. 81 Vertrag mit Karthago 279 v. Chr. 134 A. 22, 151 f. A. 6j, 156, 185 A. 14, 206 A. 66t 207 A. 68 Vertrag mit Karthago 241 v. Chr. 84 A. 4, 85 A. 5,131, 134, 137, 147, 148, 156, 214 A. 81,268 f. Vertrag mit Karthago 238/7 v. Chr. 156, 175 Vertrag mit Karthago 201 v. Chr. 18, 84 A. 3 und 4, 148 A. 62, 149 A. 64, 150 A. 65, 165 A. 5, 174, 232, 233 mit A. 132, Vertrag mit Kibyra 99 A. 6iy 160 A. 4 Vertrag mit Knidos 148 A. 62 Vertrag mit den Latinern 358 v. Chr. 119 A. 21 Vertrag mit Massilia 139 A. 36, 140 f., 165 A.6 Vertrag mit Messana 263 v. Chr. 70 mit A.7 Vertrag mit Methymna 160 A. 4, 165 A. 5 Vertrag mit Nabis 195 v. Chr. 85 A. 6 und 7, 86 A. 11, 90 A. 25, 150 A. 64, 267f. mit A. 21 und 22 Vertrag mit Neapel 64 mit A. 46, 70 mit A. 3,119 A. 21, 121 Vertrag mit Neton 70 A. 7, 273 A. 38 Vertrag mit Philipp V. 205 v. Chr. 85 mit A. 8, 138 A. 34, 193 A. 37, 204 A. 60, 207-220, 229, 254 A. 63, 267 Vertrag mit Philipp V. 197/6 v. Chr. 83 bis 89, 91, 93, 95 A. 48, 97 A. 53, 217 A. 89, 249, 267 f.
289
Vertrag mit den Samniten 59 mit A. 26, 61 f. (354 v. Chr.); 14 A. 15, 173 A. 8 (caudinischer Vertrag) Vertrag mit Tarent 303/2 v. Chr. 154, 156 Vertrag mit Tauromenion 70 A. 7, 273 A. 38 Vertrag mit Teuta 228 v. Chr. 156 f. Vertrag mit Thyrrheion 165 A. 5 und 6 Vertrag mit Utica 71 mit A. 12 Vertrag zwischen Eumenes II. (u. a.) und Pharnakes 214 A. 84, 215 A. 85 Vertrag zwischen Hannibal und Philipp V. 55 A. 9, 182, 185 A. 14, 188, 206 A. 66 Vertrag zwischen Hippokrates und den Samiern 493 v. Chr. 191 A. 32 Vertrag zwischen Milet und Magnesia (um 200 v. Chr.) 214 A. 84, 215 A. 85, 216 Vertrag zwischen Nikomedes I. und den Galatern 215 f. A. 85 Vertrag zwischen Pharnakes und Chersonesos 216 A. 85, 265 A. 17 Vertrag zwischen Philipp V. und dem Aitolischen Bund 206 v. Chr. 199 A. 43, 195 f., 197 A. 48, 204 mit A. 59, 207 f., 218A.96 Vertrag zwischen Philipp V. und Lysimacheia 202 v. Chr. 237 A. 10 Vertrag zwischen Rhodos und Hierapytna 191A. 32 Vertrag zwischen Skerdilaidas und dem Aitolischen Bund 191 A. 34 Vertrag zwischen Syrakus und Karthago 57 A. 18, 127 Vertragsabschluß 22, 172, 83 A. 2, 174 mit A. 11,176 f., 181 mit A. 2, 231 Vertragsobjekt 104 A.77 Vertragssubjekt 104 Α. γγ Vertragsurkunde 21 A.6 Vertragsverbot 266 mit A. 20, 268 Veturius Calvinus T. (cos. 321 v. Chr.) 14A.15 Villius Tappulus, P. (cos. 199 v. Chr.) 242 A.21 Viriathus 41 A.42 Vorbedingungen (der deditio) 49 A. 5 8 Waffenabgabe 8 f., 49 A. 58 Wehrgemeinschaft, römisch-italische 1, infT., 133, 138, 153 A.73, 158fr. (vgl. Latiner, socii, Kolonien, Italiker) Wiedergutmachungsforderung (res repetere) iyi{.t 175 ff., 247 f., 250
Namen- und Sachregister
2$0
Zehnmännerkommission, senatorisdie (197 bis 194 v. Chr.) 83 mit A . 2 , 84 A.4, 88, 91 f., 92 A.39, 93, 96 A.50, 97f., 105, 242 A . 21
Zoippos 145 Zusatzklausel 185 f., 203fr., 209, 2196*., 223,227
QUELLENREGISTER
AUTOREN
Appian (Mendelssohn-Viereck-Roos) bell. civ. 1,475: 21 A.7 Iber. 37: 232 f. 9 5 : 3 9 A . 34 Illyr. 8:54 Lib. 5: 156 A. 82 54: 149 A.64, 233 mit A. 132 64:21A.7 Mak. 3,1-3: 208 A. 70 3,4: 209 A. 73 4,1:220,236 4,2: 196 A.45, 252 A.60, 258 ..72 Mithr. 61:106 A. 85 96:8A.11 Samn. 7:154 mit A. 74 10,1-3: 152 f., 2i6f. Sic. 1:145 mit A. 52 2,6: 134 Caesar b.G. 1,43,8: 254 A.62 2,3,2 : 3 o A . i 4 2,13,2: 30 A. 14 2,32,1: 8 A. 11,9 mit A. 15 b. Hisp. 19,5 f.: 6 Cicero de imp. Cn. Pomp. 60: 45 A. 50 de off. 1,11,35: 9 A. 15,42 1,11,36:179 2,7,26 : 173 A. 10 Phil. 3,6,15: 113 A.7 proBalb. 11,28:123 A.30 21,48: 119 A. 19 20,46: 119 A. 21 20,54: 124 A. 32 rep. 2,31: 172 A.-6 3,35:173 A. 10 Diodor 2 3 , 4 , 1 : 1 2 8 mit A . 1 0 , 1 3 1 , 1 3 4
Eutropius 2,15:141 A.44 3,1 : 145 mit A. 53
Flavius Josephus Μ - 5>373·4* Ineditum Vaticanum (FGrHist 839 1,2 f. Justinus 36,3,9: ιοί Α.67 Livius (Weißenborn-Müller) 1,21,4:27 1,32ff.: 171 mit A. 3,174 A. 11 1,38,1-3:5 4,30,1:21 A . 7 5,27,6:164 A. 2 6,2,3:16 A. 20 6,3,3:9 A. 14 7,16,6: 9 A. 15 7,30f.: 31 A. 15, 59£F. 8,2,11 ff.: 21 A. 7, 30 A. 14,60 A. 8,9,6: 75 A. 33 8,12,6:10 A. 17 8,14,2: 76 A. 35 8,20,6:42 A.44 8,25,3 f.: 31 A. 15 8,25,10: 64 A.46 9,5,1:174 A. 11 9,43,24:115 10,12,1-2:164 A. 2 2 1 , 2 , 7 : 1 5 5 mit A . 80 21,18,13: 176 m i t A . 18 2 1 , 2 0 , 7 - 8 : 1 4 0 A . 39 23,5,9: 72 A . 14 24,48,13: 229 mit A . 121 25,29,4: 7 A . 9 26,16,8 f.: 13 2 6 , 2 4 , 1 - 2 6 , 4 : 186 f. 2 6 , 2 4 , 8 - 1 3 : 182 ff. 26,24,14: 181 A . 2 26,26,3:198 26,33,12: 16 A . 2 2 27,4,10: 146 mit A . $6 27,5,15:161 A. 5 Z7,2i,8: 7 7 A . 38
Quellenregister 28,34,7: 5 28,45,20: ι ΐ 9 Α. 2ΐ 29,3,2 f.: 8 Α. ι ι 2 9 , 3 , 1 0 : 6 5 Α . 53 29,11,2: 164, 204 Α . 59» 29,12,1: 208 mit Α . 6$ 2 9 , 1 2 , 1 3 - 1 4 : 209ff. 30,7,2: 11 Α . ι
22
5
30,14,9: 230 Α . 125 3 0 , 2 6 , 2 - 4 : 220 30,42,8: 22θ 30,43,9: 174 mit Α . 13, 177 30,44,12: 230 31,2,1-4:239, 241,24 Α. 2 31,8,3: 178 A . 2 7 31,11,13-18:233 31,18,9: 247 m i t Α . 41 31,22,4: 247 mit Α . 4ΐ 31,30,2 f.: 15 Α . ι8 31,31,20: 2 ΐ 6 31,40,4 f.: 48 Α. 57 31,46,10: ΐ9ΐ Α. 34 31,46,16: 93 Α . 4 0 , 226 32,2,5: 58 mit Α . 25 32,5,6: 26ι 3 2 , 8 , 9 - 1 6 : 262 Α . ί ο 32,10,3:248 32,17,2: 8 Α . ί ο 3 2 , 2 3 , 1 - 3 : 261 32,40,2: 2 2 3 f . mit Α . i n 33,24,7:83 Α . 2 3 3 , 3 ο , 1 " 1 1 : 83 Α. ι und 3 33,32,6:90 33>33>5-7:243 34,13,7: 155 mit Α . 8ο 3 4 , 3 Ι » Ι - 3 2 , 2 ο : 164 Α . 2, 22ΐ ίί. 3 4 , 3 5 , 9 - Ϊ Ο : 3° Α . Η ,
85 Α . 6
34,51,4:94 A.45 3 5 , 4 6 , 5 : 2 6 3 Α . 13 35,48,8:263 35,49,13:263 35,50,2: 263 36,3,7: 178 Α . 2 7 3 6 , 4 , 5 - 9 : 2 3 2 , 1 5 0 Α. 64 36,12,8: 263 Α. 13 36,27 f.: 34 ^ · , 44 Α . 4 8 3 7 , 3 2 , 1 - 1 3 : 7 * · , ι ι Α. ι 37,35.9:268 37,45.3: 4ΐ *· 38,31,6: 30 Α. 14 38,45,6: I76 Α . 20 39,3.4'· 124 Α . 32
mit
Α. 114
3 9 , 5 4 . 6 - n : n Α . ι, 31 f. 4 0 , 4 9 , 1 - 5 : 15 Α . 19 41,8,9: 123 Α . 30 4 2 , 6 , 6 - 1 2 : 164 42,8,5 f.: 40 Α . 38 42,19,8: 264 Α . ι 6 42,23,4: 233 f· Α . 132 42,46,12: 8ο Α . 4 6 4 3 , ι , ι ~ 3 : ι6 43,4»ιι * · : 82 Α . 4 ΐ 44,7,5: 47 Α . 55 4 4 , 9 , ι : υ Α . ι, 44 Α . 4 8 44,23,8: 164 Α . 2
45,4,7M4 45,25,9: 164 m i t Α . 2, 270 Α . 28 epit. 4 9 : 234 Α . 132 Naevius bell. Poen. frg. 4 7 : 134 Α . 23 Orosius hist. adv. pag. 4,18,7: 14 Plautus Cist. 1 9 8 - 2 0 2 : 253 A . 6 1 Plutarchos Flam. 5,4: 64 Luc. 14,2: 11 Α . ι Marc. 2 0 , 1 : 4 8 A . 58 Polybios (Büttner-Wobst) 1,10,2: 56 1,11,4: 57f. 1,16,9: 128, 130 1,20,1: 133 f. 1,62,8: 147 1,83,3: 1 2 9 A . 1 1 1,83,11: 56 A. 11 1,88,8 f.: 175 2 , 1 1 , 5 - 1 2 , 3 : 53 f. 2,13,7: 154 mit A . 7 7 3,16,3:55 A . 9 3,19,12:55 A . 9 3 , 2 2 , 3 - 4 : 147 3,24,5: 5 0 A . 5 9 3 , 2 5 , 2 - 3 : 156 m i t A . 8 1 , 1 8 5 A . 14 3,27,3: 1 3 1 , 2 6 9 3,27,7: 156 mit A . 82 3,107,12: 120 A . 22 5,67,12: 214 A. 84 7,9,13: 55 A . 9 9,42,5 ff.: 200 A . 54 11,5,4: 190 15,4,1:11 Α . ι 1 5 , 2 5 , 1 4 - 1 5 : 146 m i t A . 59 1 6 , 2 5 , 2 - 4 : 251 m i t A . 58, 225
Quellenregister
*93
36,4,4: 24 mit A. 16 36,4,6: 24 A. 17 36,5,1 ff.: 24 mit A. 15 36,9,10-12: 18 A. 35, 30 Sallustius Jug.33»4:44A.48 40 : 125 A. 32 91,6 f.: 15 A. 17 Servius ad Verg. Aen. 9,52:175
16,27,2-4:244,248 16,34,3-4: 247 f., 257 16,35,2: 185 A. 14 18,38,6-7: 195 mit A.44,196f. 18,44,2-7: 83 ff. 18,45,3 ff.: 89 A. 21 18,46,5:90 18,48,1 f.: 97 A. 53 frg. 18,49,1: 56 A. 10 18,50,5 f.: 98 A. 55 18,51,9:106 A. 82 20,9f.: 34ff. 20,10,4: 24 f. 21,2,1 ff.: 38 A. 31 21,5,4: 39 A. 34 21,29,14 f.: 7 A . 9 21,32,13: 201 mit A. 55 21,43,1-2: 101 A. 65, 147, 265 21,43,15: 266 A. 19 24,10,6: 272 25,2,12-13: 214 A. 84 30,5,6: 270 A.28 30,23,4:164 A. 2 30,28:101 A. 67 33,16,7: 272 A. 36
Tacitus ann. 12,17: 11 Α. ι hist. 3,19: 11 Α. ι Thukydides 3,58,3: 44 A. 49 Ulpianus frg. 24,19,15: 179 A. 30 Valerius Maximus 6,5,1: 21 A.6, 32L 7,2,6: 231 mit A. 126 Xenophon K y r u p . 7 , 7 2 : i 3 A.7 Zonaras 8,16,2: 131, 134 9,15,2: 244 A.23
INSCHRIFTEN
BCH 10 (1886) S. 299 f. Nr. 1 (Ehrendekret von Alabanda) 73 f. A. 26 CIL I2 581 (SC de Bacchan.): 124 A. 32 583 (Lex Acilia repetund.): 14 A. 10, 55 A. 9, 118 A. 19, 123 A. 30, 124 A. 32 585 (Lex agraria): 124 A. 32 588 (SCdeAsclep.):73 593 (Lex Julia municipalis): 117 A. 14 XI 1421 (Decret. Pis. de C. Caesare): 30 A. 13 IG IX 2 1,2,241 (Aitolervertrag 212 v. Chr.): 183 fr. . I P E I 2 4 0 2 : 2 i 6 A . 85
OGIS 237: 97f. A. 54 SEG III (1929) Nr. 378 (Seeräubergesetz): *7* Syll. 3 588, Z.58: 214 A. 84, 217 591: 104ff., 165 A.4 (Z. 27); 214f. (z.65) 601:103 A.71 618:65,79L 646: 80 ff. 674: 93 A. 42 679: 72 A. 17 684, Z. 15:109 A.3 688:72A.18 694, Z. 21 f.: 165 A.4