Ren Dhark
Straße zu den Sternen
Die große SF-Saga
von Kurt Brand
Band 16 Ein Verzeichnis sämtlicher bisher erschie...
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Ren Dhark
Straße zu den Sternen
Die große SF-Saga
von Kurt Brand
Band 16 Ein Verzeichnis sämtlicher bisher erschienenen und lieferbaren REN DHARK-Titel und -Produkte finden Sie auf den Seiten 349 und 350. Vorwort l. Auflage HJB Verlag & Shop e.K.
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© REN DHARK: Brand Erhell Herausgeber: Hajo F. Breucr Titelbild und Illustrationen: Swen Papenbrock Druck und Bindung: Westennann Druck Zwickau GmbH © 2000 HJB Verlag Alle Rechte vorbehalten ISBN 3-930515-26-1 Es ist vollbracht! Mit diesem Band liegt die Buchausgabe der ursprünglichen Hellserie REN DHARK komplett vor. Auf mehr als fünfeinhalbtausend Seiten präsentiert sich dem Freund gepfleg- ter Science Fiction ein Epos, das keinen Vergleich zu scheuen braucht. Der Zeitpunkt könnte nicht passender sein: Das Millen-nium neigt sich seinem Ende entgegen, und wir haben die Neuaus- gabe der längst schon klassischen REN DHARK-Hefte erfolgreich zu Ende gebracht. Und so, wie in wenigen Tagen das neue, das dritte Jahrtausend beginnt - wenn Sie dieses Buch in Händen hallen, ist es natürlich längst angebrochen - so beginnt nun auch für REN DHARK eine neue Epoche. Ich darf aus dem Vorwort zum ersten REN DHARK-Buch zitieren, das im Frühjahr 1994 erschien: »Im übri-gen ist es feste Absicht, die (...) REN DHARK-Saga bei einem Er-folg der Buch-Edition nahtlos und stimmig fortzuschreiben. « Diese Absicht wird just in diesem Moment schon kräftig in die Tat umgesetzt. Für den Erfolg unserer REN DHARK-Ausgabe müssen wir uns nicht zuletzt bei Ihnen, unseren Lesern, bedanken. Nur Ihr Inter- esse an den Abenteuern der von Kurt Brand erdachten Figur macht es uns möglich, die Serie im Sinne ihres Schöpfers fortzuführen. Wie ich schon im Vorwort zum letzten Band kurz darlegte, sind wir auf eine Mappe gestoßen, in der Kurt Brand den Fortgang der Serie REN DHARK bis weit über das Heft 200 hinaus relativ de-tailliert dargelegt hatte. Den Autor muß das vorzeitige Ende der Serie, das vom Verlag unwiderruflich auf Heft 98 festgelegt wurde, nicht nur überrascht, sondern auch schwer getroffen haben. Denn die Kernfrage der Serie, die alle Abenteuer wie ein roter Fa- den durchzog - die Frage nach der wahren Natur und nach den
Motiven der Mysterious - wurde ganz plötzlich und dazu auf recht konventionelle Weise gelöst. Kurt Brand wollte seine treuen Leser nicht enttäuschen, sie nicht im Unklaren lassen über die Lösung des Rätsels. der REN DHARK 98 Hefte lang hinterhergejagt war. Das wahre Geheimnis der Mysterious ließ sich in den wenigen Zeilen, die Kurt Brand noch schreiben konnte, als er von der Einstellung der Serie erfuhr, nicht sinnvoll darstellen. Also erfand er die »Notlösung«, die am Ende dieses Buches natürlich nicht fehlen darf. Schließlich hat sie - und auch das ist typisch für Kurt Brand - ihren ganz eigenen Charme. Aber er hegte wohl noch lange die Hoffnung, REN DHARK ei-nes Tages selbst fortsetzen zu können. Und zu diesem Zweck schrieb er auf, wie es tatsächlich um die Mysterious stand. Später hat Kurt Brand wohl nicht mehr daran geglaubt, daß seine Ideen erst nach seinem Tod verwirklicht werden sollten - im dritten Jahrtausend! Doch ich bin sicher, der Termin hätte ihm gefallen. Denn er ist passend. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit auch noch auf den neuen REN DHARK-Sonderband Countdown zur Apokalypse richten, der zu-sammen mit diesem Buch erscheint. Darin beleuchtet Ewald Fehlau die dramatische innenpolitische Entwicklung auf der Erde, die für den Commander der Planeten noch gravierende Folgen ha-ben soll... Für den interessierten Leser hier noch die Titel der Originalro-mane, die die Grundlage für dieses Buch bildeten: Kosmischer Abgrund von Staff Caine (alias Hermann Werner Peters) sowie Die Schranke hinter Soradan, Der Signalslern und Die Straße w den Sternen, alle von Kurt Brand. Giesenkirchen, in den letzten Tagen des zweiten Jahrtausends Hajo F. Breuer
Prolog Im Herbst des Jahres 2057 ist die Lage auf der Erde so gespannt wie lange nicht mehr. Die Schatten, unheimliche Intelligenzen, über die man so gut wie nichts weiß. greifen überall in der Galaxis scheinbar völlig grundlos andere Völker an. Auch die Erde hatte einen Überfall der Schalten nur unter größte Muhe abweisen kön-nen. Ein wenig Entlastung, bringt die Entspannung des Verhältnisses mit den Tel, den sogenannten Schwanen Weißen. Dem Vankko Sagia ist es gelungen, den Kluis in
weilen Teilen abzuschalten. Der Kluis, das riesige Rechengehirn, das der wahre Herrscher über das Telin-lmperium war, hatte für eine bedrohliche Zuspit- zung der Lage gesorgt und einen Angriffskrieg auf Terra vorberei-tet. Noch allerdings herrscht weitverbreitetes Mißtrauen auf beiden Seiten. Die brüchige politische Beziehung zwischen Terra und Cromur, der Zentralwelt der Tel. basiert vor allem auf der per-sönlichen Freundschaft zwischen Ren Dhark und Dro Cimc, einem der fähigsten Militärbefehlshaber der Tel und Sohn des Vankko Sagia. Die innenpolitische Lage auf der Erde ist gekennzeichnet von enormen Finanzproblemen und einem hohen Bevölkerungsdruck. Auswanderung auf andere Planeten wäre das probate Mittel zur Beendigung der Krise. Doch dafür fehlt das Geld, denn die Ver-teidigungsanstrengungen Terras verschlingen ungeheure Summen -die Regierung ist so gut wie pleite! Ren Dhark aber kann es sich nicht erlauben, in seinen Be-mühungen auch nur für einen Augenblick nachzulassen. Denn neben den Schalten bedrohen nach wie vor die Schwankungen des galaktischen Magnetfeldes das Leben nicht mir der Terraner. Zwar ist es gelungen, die Erde mit einem von den Nogk gelieferten planetenweiten Schutzschirm umgeben, der die Strahlenstürrme zuverlässig abschirmt. Doch auch dieses Projekt verschlingt Un-summen allein für die Versorgung mit Energie. Den Nogk selbst, jenem faszinierenden Volk strahlungsabhän- giger Mutanten, hilft kein Schutzschirm mehr gegen die kosmische Katastrophe. Ihnen blieb nur die Flucht in die Tiefen des Welt-raums, in den Abgrund wischen der Milchstraße und Andro-meda... Seit die Nogk den Planeten verlassen hatten, war Nogk II eine Welt des Schweigens. Tag für Tag wanderte die blaugriine Feuer-kugel der Sonne Tantal über die hitzeflimmernden Wüsten. Un-barmherzig brannten ihre heißen Strahlen auf die Ruinen der Nogkstädte herab. Ihre wie grünliches Glas wirkenden, viele hun- dert Meter hohen Mauern funkelten. Und wenn sich nach einem langen Tag endlich die gewaltigen, tiefschwarzen Schatten der Ringmauern in der hereinbrechenden Dunkelheit verloren, wenn die Nacht über den hitzeflimmernden Planeten kroch, dann glühten die Ringstädte immer noch. Wie phosphoreszierende Mammutkra ter standen sie in der Dunkelheit unter den funkelnden Sternen. Erst mit der Kühle der letzten Stunden vor Sonnenaufgang, wenn sich das Schwarz des Himmels wieder in ein blasses Grün ver-
wandelte, erlosch dieses Leuchten. Zwischen den Ringstädten, halb verdeckt und zugeweht von rot braunem Flugsand, lagen die stummen Zeugen eines unbarmherzigen Kampfes gegen jene schattenhaften Invasoren, denen die Nogk schließlich weichen mußten: die Wracks völlig zerstörter und deformierter eiförmiger Raumer. Manche der Schiffe waren über sechshundert Meter lang und an der mächtigsten Stelle ihres Druckkörpers fast vierhundert Meter stark. Nogk II war eine Welt des Schweigens geworden, eine Welt des Todes. Jedenfalls schien es so, denn nichts regte sich auf seiner Oberfläche in den langen Stunden des Tages und in den von den Torsos der Ringstädte gespenstisch durchglühten Nächten. Als die blaugrüne Sonne ihre funkelnde, gleißende Scheibe über den Horizont des neuen Tages schob, durchlief die braungelb ge punktete Puppe das erste heftige Zucken. Ihr lederartiger, gut zwei Meter langer Körper stemmte sich gegen die Wände ihrer gläser- nen Zelle. Die zwei kurzen Stummelfühler begannen sekunden-lang zu zittern. Dann krümmte sich die Puppe erneut zusammen. Mit aller Gewalt stemmte sich ihr Körper gegen die beiden kreis-runden, deckelartigen Verschlüsse ihres Gefängnisses, während es unter den Ringgliedern der Haut zu arbeiten begann. Mit hellem, berstendem Geräusch sprang der Deckel ab und flog gut zwanzig Meter durch die Luft. Genau der Sonne entgegen, die jetzt ihre ersten Strahlen auf die gewaltigen Ringmauern der ein- stigen Hauptstadt der Nogk warf, vor der die Puppe in ihrer Zelle Monat um Monat gelegen hatte. Vergessen von den Nogk, überse- hen von den Meegs, den Bewahrern des Lebens dieser Rasse. Die Puppe streckte sich. Dann, nachdem ein Teil ihres Körpers sich aus der Zelle hervorgeschoben hatte, lag sie still. Es war, als müsse sie sich von der gewaltigen Kraftanstrengung erholen, die sie eben vollbracht halte. Nach einer Weile, als die blaugrüne Sonne Tantal schon hoch über dem Horizont der rotbraunen Wüste stand, begann es erneut in ihr zu arbeiten. Wieder krümmte sich ihr Raupenkörper zusammen. Mit kräftigen, schiebenden und stoßenden Bewegungen glitt sie endgültig aus ihrer Zelle und kroch einige Meter in die Wüste hinaus. Abermals blieb sie scheinbar erschöpft liegen, während es unter den Ringgliedern ihres Körpers zu pulsieren begann. Nach einer knappen Viertelstunde bildete sich dicht hinter ihren Stummelfühlern eine wulstartige Verdickung. Und dann, von einer
Sekunde zur anderen, platzte die Puppenhülle auf. Ein metallisch glänzender, Kobaltblau leuchtender Kopf schob sich aus der Hülle hervor. Wo sie nicht nachgab, halfen seine scharfen Beißzangen nach. Der Kopf besaß Ähnlichkeit mit dem einer überdimensiona- len Libelle, erinnerte aber auch an ein schönes, bunt glitzerndes Reptil. Eine halbe Stunde später lag die leere und jetzt völlig leblose Hülle neben dem Kobaltblau, schillernden Wesen, das eine selt- same Mischung aus Insekt, Reptil und Humanoiden war, etwas über zwei Meter groß, langbeinig, schlank, mit kräftigen Armen, an deren Enden sich vierfingrige Hände in den langsam heißer werdenden Sand krallten. Seine äußere Form wies das Wesen ohne jeden Zweifel als einen Nachkommen der Nogk aus. Nur daß es nicht wie seine Erzeuger eine lederartige, braune Haut mit gelben Punkten besaß, sondern einen geschmeidigen, Kobaltblau Körper, der im gleißenden Licht der Sonne Tantal metallisch schimmerte. Abermals einige Minuten später entrollten sich auf dem Kopf des eben geschlüpften Nogk zwei Paar langer Fühler, die sich so- fort aufrichteten und unruhig zu pendeln begannen. Dann, über- gangslos, erhob sich der Nogk. Seine schwarzen Facetlenaugen starrten in die grünblaue Sonne, erfaßten die in ihrem Licht leuchtenden Ringmauern der zerstörten Stadt, glitten über die Raumerwracks, die die ganze Wüste übersä- ten, und starrten schließlich in den grünlichen Himmel. So erfaßte der Nogk schon in der Stunde seiner Geburt, daß er sich allein auf diesem Planeten befand. Mit den raschen, eigentüm- lich gleitenden Bewegungen seiner Rasse ging er ein paar Schritte in die Wüste hinein. Im Gegensatz zu einem neugeborenen Men- schen war sein Gehirn nach der Verpuppungszeit sofort voll aus-gebildet. Außerdem verfügte es über etliche Informationen, die jetzt nach und nach in sein Bewußtsein drangen und sich zu scharfen, unmißverständlichen Anweisungen formten. Die beiden Fühlerpaare des Nogk begannen unruhig zu spielen. Noch war er zu kurze Zeit auf dieser Welt, um alle Informationen in seinem Gehirn auszuwerten, aber es formte sich ein Bild darin, das mit den Realitäten im Widerspruch stand. Der Nogk begriff, daß er sich auf einer Welt befand, für die das über Hypnodetekto- ren eingespeicherte Wissen nur sehr bedingt galt. Er gab sich in diesem Augenblick den Namen jener Sonne, de- ren lebenspendende Strahlen seine lange Entwicklung vom Ei über die Larve bis zum erwachsenen Nogk ermöglicht hatten. Tantal lauschte mit seinen scharfen Sinnen in die Stille des hit-
zeflimmernden Planeten hinein. Anfangs verworrene Bilder form- ten sich rasch zu einem Mosaik, das ihm sehr schnell die Vergan- genheit seiner Rasse enthüllte. Tantal wußte, daß er unter einer fremden, von seinem Volk Charr genannten Sonne von einem Nogk gezeugt worden war, den die übrigen Charaua nannten und der eine wichtige Rolle im nogkschen Imperium spielte. Aber Tantal wußte auch, daß er unter den Strahlen der vielen Sonnen, unter deren Licht er während der Flucht seiner Rasse die verschie- denen Entwicklungsstadien durchlaufen hatte, abermals mutiert war. Zu etwas anderem. Zu etwas, das vom bisherigen Bild seiner Rasse abwich, nicht nur in der äußeren Erscheinungsform. Tantal wußte noch nicht, welche Fähigkeiten seine Mutation ihm tatsächlich verlieh. Er verlor keine Zeit. Mit der seiner Rasse eigenen Schnelligkeit und Energie begann er, sich auf die funkelnden Ringmauern der vor ihm liegenden Stadt zuzubewegen. Irgendwie spürte er, daß sie trotz aller Zerstörungen in ihren Tiefen noch Dinge verborgen hielt, die für ihn von äußerster Wichtigkeit sein würden, wenn er überleben wollte. Und dazu war Tantal fest entschlossen. Noch während er sich schneller und schneller fortbewegte, ergriff ein unbezähmbarer Lebenswille von ihm Besitz, der sich mit etwas anderem. Dunklem vermischte - etwas, das Tantal trotz aller Be- mühungen nicht zu erkennen oder zu deuten vermochte. Er verschwand im tiefschwarzen Schlagschatten der Ringmau- ern. Nur die leblose Hülle seiner Puppe blieb unter den sengenden Strahlen der Sonne Tantal zurück... Marschall Bulton, Colonel Huxley und Colonel Clark starrten dem Pyramidenraumer nach, der von der Piste Cent Fields, des größten Raumhafen Terras, abhob und dann unter starker Be schleunigung der dünnen Wolkendecke entgegenjagte. »Gehen wir!« sagte Marschall Bulton schließlich und zog unbe- haglich die Schultern hoch. Von Norden her pfiff ein eiskalter Wind über den Raumhafen, zu kalt selbst für diese fortgeschrittene Jahreszeit. Normalerweise schien auch Ende Oktober noch eine warme, helle Sonne über Cent Field und der ganz in der Nähe des Raumhafens gelegenen Stadt Alamo Gordo. Bulton stapfte los, ohne auf die Colonels zu warten. Huxley warf einen Blick auf die Silhouette der Stadt. Ein Loch in der Wolkendecke enthüllte eine der vielen riesigen Wohnku- geln, die auf ihren schlanken Stielen weit über tausend Meter hoch in den Himmel
gebaut worden waren. Seinem Kameraden, einem untersetzten, bulligen Mann, entging der Blick nicht. Colonel Clark kannte die Schwäche Huxleys für jene komfortablen Wohn- kugeln in luftiger Höhe, die langsam auf ihren achtzig Meter dik- ken Türmen rotierten und durch die Panoramafenster der hübschen und außerordentlich behaglich eingerichteten Wohnungen einen herrlichen Ausblick über die umliegende Landschaft ermöglichten. Clark wußte, daß der sonst so eisenharte Huxley eine romantische Ader besaß. Vielleicht war das ein Grund dafür, warum er ein so ausdauernder, begeisterter Raumfahrer war, der ohne das große Abenteuer zwischen den Sternen nicht mehr zu leben vermochte, ganz gleich, welche Gefahren und Strapazen es ihm abverlangte. Huxley besaß ein Apartment in einer jener Wohnkugeln. Dort wohnte er, wenn er sich auf der Erde aufhielt und nicht mit seinen Männern irgendwo in den Tiefen des Alls herumflog. »Nehmen wir heute Abend einen Schluck da drüben, Huxley?« fragte er lächelnd, »Wenn Sie Lust haben, herzlich gern, Clark! Ich lade Sie ein!« nickte Huxley. »Aber es wird spät werden heute. Ich habe noch ei- nige Dinge mit dem Marschall zu besprechen und muß anschlie- ßend noch an Bord meines Schiffes. Hoffe ich jedenfalls. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich jetzt begleiten würden, Clark!« Der bullige Colonel stutzte. Es kam nur äußerst selten vor, daß Huxley jemanden um Schützenhilfe bat. Wenn es aber geschah, dann hatte er auch einen gewichtigen Grund dafür. »Wegen der Weisheit der Utaren?« fragte er daher und legte unwillkürlich den Kopf in den Nacken, um dem Pyramidenraumer noch einen Blick nachzuwerfen. Huxley schüttelte den Kopf. »Nein, Clark!« erwiderte er. »Daß bei dieser Beratung trotz des guten Willens der Utaren nicht viel herauskommen konnte, lag auf der Hand. Man kann keinen Schlachtplan zur Vernichtung eines Gegners schmieden, von dem man nichts weiter weiß, als daß er unsichtbare Kugelstationen besitzt, die sich jeder Ortung zu entziehen vermögen, den man ein- fach >die Schauern nennt, weil man nicht einmal die Besatzungen genau zu erkennen vermag, und von deren Herkunft und Absichten man absolut keine Ahnung hat!« Huxley sah seinen Begleiter an. »Natürlich werden uns die Uta- ren unter Umständen eine große Hilfe sein, aber eben nur unter Umständen. Und darauf, ob es sich nun so ergibt oder nicht, kön- nen wir nicht warten. Ich habe etwas anderes vor! Und genau das will ich jetzt gleich dem Marschall plausibel machen. Das ganze Gerede am grünen Tisch, die ganzen Debatten ins Leere haben keinen Sinn!«
Clark, seit einigen Wochen wieder im Dienst, sah den graue- Riegen Kampfgefährten der letzten Schlachten gegen die Schatten an. Seine Augen zogen sich unwillkürlich zusammen. »Wenn ich Sie richtig verstehe, Huxley, dann wollen Sie zu den Nogk! In jenes System in der Grauen Zone zwischen unserer Milchstraße und der Andromeda-Galaxis!« Huxley nickte. »Genau das habe ich vor. Reet, der neue Wohn-planet der Nogk, hat gemeldet, daß drei der hochmodernen und durch ihre ultimativen Waffen selbst für die Schatten nahezu un- angreifbaren Ellipsenraumer vom Typ meiner CHARR spurlos ver-schwunden sind. Mir schwant Böses, Clark! Ich will und muß wis- sen, was bei den Nogk los ist!« Während ihres Gespräches hatten die beiden Männer den Mar schall eingeholt. Zusammen mit Bulton fuhren sie im Lift zu sei- nem Arbeitszimmer hinauf. Marschall Bulton ließ sich in den bequemen Sessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Seine Brauen zogen sich nachdenklich und gereizt zusammen. »Und jetzt?« fragte er schließlich. »Ich gebe zu, meine Herren, daß ich mit meinem Latein ziemlich am Ende bin!« Huxley erhob sich und trat an den schweren Schreibtisch heran. »Sie haben Recht. Marschall, so kommen wir nicht weiter. Die Utaren sind guten Willens, aber sie können uns nicht helfen. Wir sollten zu ihrem Schutz eine Ringraumergruppe in Marsch setzen, aber das ist auch schon alles. Ich hingegen«, er sah den Marschall, der sich unwillkürlich aus seinem Sessel aufgerichtet hatte, aus seinen grauen, scharfen Augen an, »ich hingegen möchte mit Clark zu den Nogk starten. Sie haben drei ihrer besten Schiffe ver- loren. Drei Ellipsenraumer, größer noch als meine CHARR, sind spurlos verschwunden. Ich muß wissen, was mit ihnen geschehen ist, wo sie geblieben sind.« Marschall Bulton fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Er war sich von vornherein klar darüber, daß er Huxley den Flug nicht verbieten durfte. Denn Huxley zählte zu den Mitgliedern des Rates des nogkschen Imperiums. Er nahm in dieser seltsamen Freund- schaft zwischen jenen Libellenwesen - wie sie von den Terranem oft völlig zu unrecht genannt wurden, weil ihre Köpfe eine ge- wisse Ähnlichkeit mit denen riesiger Libellen aufwiesen - und der Erde eine unschätzbar wichtige Schlüsselposition ein. Huxley be- saß sogar ein eigenes Schiff, die CHARR. Ein Geschenk der Nogk an ihn und seine Besatzung. Ein Raumer, der von den Nogk völlig unentgeltlich für Huxley unterhalten und gewartet wurde. Ein Schiff, dessen technische Einrichtungen dem
allerletzten Stand nogkscher Technik entsprachen und es zu einem gefährlichen Gegner für jeden Angreifer machten. »Mit Ihrer CHARR, vermutlich. Und der FO 1, oder?« Huxley sah den Marschall abermals an. »Das ist der wunde Punkt bei der Geschichte, Marschall!« erwi- derte er schließlich. »Sie wissen, die FO 1 ist sozusagen ein Bei-Boot meiner CHARR, sie liegt während des Fluges ständig einsatz- bereit in ihrem Hangar unter dem Druckkörper der CHARR. Die FO 1 hat uns auf Grund ihrer ultimativen Ausrüstung, die sie von den Nogk erhielt, und auf Grund ihrer außerordentlichen Stabilität schon viele gute Dienste geleistet. Es wäre wichtig, dieses Schiff ständig wirklich einsatzbereit zu haben. Dazu aber benötige ich eine Ersatzmannschaft für den Ellipsenraumer, Marschall. Und zwar eine vollständige Mannschaft, eine hundertprozentig aufein- ander eingespielte Crew, die den Leistungsquotienten eins be- sitzt!« Marschall Bulton fuhr aus seinem Sessel hoch. Seine Brauen zogen sich noch mehr zusammen, »Leistungsquotient eins! Wie denken Sie sich das, Huxley? Was glauben Sie wohl, wie viele Mannschaften es in der TF gibt, die diese Forderung erfüllen?« Bulton fuchtelte erregt mit den Armen herum. Dann stutzte er und sah Colonel Clark an. Gleich darauf wieder Huxley. »Clark können Sie nicht haben. Er muß auf der EUROPA blei-ben. Keiner außer ihm und seiner Mannschaft kann dieses neue To-Schiff so handhaben, wie es erforderlich ist!« Der Marschall kam um seinen Schreibtisch herum. Er fixierte Huxley argwöhnisch, als die erwartete Reaktion ausblieb. »Wenn nicht Clark und seine Männer, dann haben Sie doch eine ganz be- stimmte Mannschaft und auch einen ganz bestimmten Komman- danten im Auge, Huxley! Raus mit der Sprache, wer ist es?« »Major Crook, Sir! Und ein Teil seiner JAPETUS-Crew!« ant-wortete der grauhaarige Colonel, ohne mit der Wimper zu zucken. Er ließ dem Marschall auch gar keine Zeit für weitere Entgegnungen. »Crook ist neben Szardak der einzige, den ich von der KallistoAkademie her genau kenne. Er hat mein vollstes Vertrauen, er versteht sein Handwerk! Und deshalb brauche ich ihn und keinen anderen. Clark und seine EUROPA müssen mich ohnehin zu den Nogk begleiten. Sie wissen, daß die Ellipsenraumer neben ihren Stärken leider auch einige Schwächen haben. Besonders ihre au- ßerordentliche Anfälligkeit gegen Deformationen ihres Druckkör- pers! Die EUROPA
wäre da der ideale Partner, denn etwas Stabi- leres,
Widerstandsfähigeres als unsere neuen To-Raumer gibt es
wahrscheinlich im ganzen Universum nicht!«
Marschall Bulton starrte den grauhaarigen Colonel an.
»Ausgeschlossen, Huxley!« murmelte er dann. »So gerne ich Ihnen
sonst jeden Wunsch erfülle, aber ausgerechnet Crook! Und obendrein
noch die EUROPA mit Mann und Maus. Für eine Aktion unbestimmter
Dauer und unbestimmten Risikos. Sie kennen die Lage in der TF
mindestens so gut wie ich. Uns fehlen ausgebildete Mannschaften und
Spezialisten an allen Ecken und Kanten. Crook mit seiner JAPETUS ist
unser bester und erfahrenster Bergungs-spezialist. Nein, ausgeschlossen!
«
Der Marschall begann in seinem Arbeitszimmer auf und ab zu
marschieren. Clark und Huxley sahen sich an.
»Marschall!« schaltete Clark sich in die Diskussion ein. »Huxley hat
Recht. Er braucht für sein Schiff eine zweite Besatzung. Die CHARR ist
mit der FO 1-Crew, so erstklassig auch jeder einzelne der Männer sein
mag, ohnehin zu schwach bemannt. Immerhin hat die CHARR eine
Länge von 500 Metern und ein entsprechendes Volumen. Ich kenne die
Bewaffnung und die Möglichkeiten dieses Schiffes. Der Einsatz der FO
1 im Kampf würde die CHARR ge- fährden, anstatt ihr zu helfen. Crook
ist genau der richtige Mann. Ich kenne ihn. Die JAPETUS kann
vorübergehend von seinem 1.0. übernommen werden. Er ist ein
ungewöhnlich fähiger und um- sichtiger Offizier. Die Crew füllen Sie
aus der Besatzung der zur Überholung in die Werft gebrachten TITAN
auf.« Er trat dicht an den Marschall heran. »Wir müssen etwas gegen die
>Schatten< unternehmen. Marschall! Massierte Aktionen haben
vorläufig noch keinen Sinn. Die lassen sich nicht noch einmal stellen
oder überrumpeln wie damals im Raum Tantal. Aber Aktionen kleine-
rer Verbände, möglicherweise durch Einheiten der Nogk unter
15 stützt, das wäre unter Umständen erfolgversprechend. Zudem scheinen
die Nogk unsere Hilfe zu brauchen. Sie können gar nicht anders, als
Huxleys Plan zuzustimmen. Marschall!«
Clark, der für gewöhnlich keine langen Reden hielt, verstummte Marschall Bulton sah verblüfft von einem der Colonels zum ande ren. »Das ist hier ja das reinste Komplott!« knurrte er schließlich und starrte Huxley und Clark aus schmalen Augen an. »Also gut!« entschied er dann. »Aber nur, wenn Crook auch Ih-rer Meinung ist! Ich überlasse die endgültige Entscheidung ihm selbst. Denn er muß mir dafür geradestehen, daß seine JAPETUS voll einsatzfähig zur Verfügung bleibt! Wir haben sie in letzter Zeit ziemlich oft benötigt!« Der Marschall ließ über Vipho eine Verbindung zur JAPETUS
herstellen. Crook erschien Sekunden später auf dem Bildschirm. In seinen hageren, asketischen Zügen zuckte kein Muskel. Er hörte sich ohne jede Zwischenfrage an, was Marschall Bulton ihm zu sagen hatte. »Selbstverständlich, Sir!« erwiderte er anschließend. »Das läßt sich machen, ohne weiteres sogar. Ich werde sogleich die benötig- ten Männer meiner Besatzung abstellen und die Ersatzleute von der TITAN anfordern. Ich wollte die Nogk schon lange einmal kennenlernen, Sir. Diese Rasse interessiert mich brennend. Huxley hat mir schon so viel über sie erzählt, daß ich einfach viel zu neu- gierig bin, um eine solche Gelegenheit auszulassen.« Der Marschall winkte ab. »Dachte ich mir doch gleich. Huxley, Crook, Szardak, Clark keiner besser als der andere.« Er schaltete ab und wandte sich abermals den beiden Colonels zu, die ihn jetzt unverhohlen angrinsten. Sie gehörten zu den we-nigen, die sich das gegenüber dem Marschall erlauben konnten. Und der Marschall grinste zurück. Doch dann wurde er unvermittelt wieder ernst.
»Wenn Sie schon zu den Nogk fliegen, dann habe ich noch
16 einen Auftrag für Sie!« fuhr er fort. »Die Nogk haben uns das System Tantal mit seinen Werften und den dort konservierten Schif- fen und sämtlichen technischen Einrichtungen zur Verfügung ge- stellt. Wir haben es noch nicht übernehmen können, weil wir keine Leute dafür haben. Ehe Sie also mit Ihren Schiffen zur Sonne Corr transitieren, sehen Sie dort bitte nach dem Rechten. Sofort Bericht an mich, ich will wissen, ob dort alles in Ordnung ist. Wenn auch die Eiraumer der Nogk inzwischen veraltet erscheinen, so stellen sie doch zusammen mit den Werften und Hangars eine Kampfkraft und ein Potential dar, das wir nicht unterschätzen sollten!« Huxley nickte. »Ich bin ganz Ihrer Meinung, Marschall. Als Mitglied des Rates des nogkschen Imperiums hätte ich die Gelegenheit ohnehin zu ei- ner Kontrolle von Nogk I und Nogk II genutzt! Dieser Stützpunkt könnte tatsächlich eines Tages für uns von größter Wichtigkeit sein!« Der Marschall nickte nachdrücklich.
»Wann starten Sie?«
»Morgen früh, bei Sonnenaufgang!«
»Viel Glück, und halten Sie Verbindung! Ich werde dafür sor- gen,
daß die FO 1-Frequenz ständig frei bleibt!« Er drückte Huxley und Clark die Hand. Gleich darauf verließen die
beiden Männer das Arbeitszimmer des Marschalls. Mitten in der Nacht wachte Huxley auf, nachdem er sich schon eine ganze Weile unruhig in seinem Bett hin- und hergeworfen hatte. Mit einem Ruck setzte er sich auf und - erstarrte mitten in der Bewegung. Auf seiner Brust erschien ein helleuchtendes Emblem. Eine scharf umrissene Ellipse, in deren Brennpunkten zwei win-zige, schillernde Kugeln rotierten. Seinen übrigen, völlig unbe- kleideten Körper umfloß eine langsam pulsierende, rötliche Hel ligkeit, die gut mit dem harten Violett des Emblems über seinein Herzen harmonierte. Huxley erinnerte sich schlagartig. Als er von den Nogk in den Rat ihres Imperiums aufgenommen worden war, hatten die Meegs ihn mit diesem Kontaktfeld versehen. Sie hatten es in seinen Körper eingepflanzt. Eine Art Ausweis, dessen Fehlen es jedem Frem den unmöglich machte, sich in den Rat einzuschleichen. Zugleich war dieses Emblem aber auch eine Art Sender und Empfänger. Ganz plötzlich entstand in seinem Bewußtsein das Bild von sechs gläsernen Kegeln. Sie leuchteten ebenfalls in hartem Violett. In ihnen, eingeschlossen und konserviert von jener eigentümlichen Substanz, die selbst dem Intervallum der Mysterious trotzte, stan-den sechs Nogk. Sie bewegten sich. Sie schienen ihre Totenkegel verlassen zu wollen. Irgendetwas hinderte sie jedoch daran. Was es war, vermochte Huxley trotz aller Anstrengung nicht zu erkennen. Blitzartig erinnerte sich der Colonel an die seltsamen Worte sei-nes Freundes Charaua, der nach dem tragischen Tode des Herr- schers der Nogk auf dem Flug zur Sonne Corr selbst zum Ober- haupt seiner Rasse gewählt worden war: Wenn es euch recht ist, dann möchte ich die Toten an dieser Stelle lassen, Huxley. Es ist ein schöner Ort. Eure Sonne wird sie jeden Teig grüßen, bis sich ihre Kegel einesfernen Tages auflösen und sie wieder freigeben... Die Toten? Er hatte Charaua damals nicht verstanden, und der Nogk hatte keine weiteren Erklärungen gegeben. Sollte am Ende etwa jetzt...? Huxley verlor keine Zeit mit überflüssigen Überlegungen. Er sprang aus dem Bett. Innerhalb weniger Sekunden war er in seine Uniform geschlüpft. Dann griff er zum Vipho. Über die Zentrale der Wohnkugel ließ er sich mit Cent Field und von dort mit dem Leitstand der CHARR verbinden.
Sein Zweiter Offizier, der einstige Sergeant Maxwell, erschien auf dem Bildschirm. Erstaunt und fragend zugleich richtete er sei nen Blick auf Huxley, dessen Körper immer noch von jenem rötli- chen, langsam pulsierenden Licht umflossen wurde. »Keine Fragen jetzt, Maxwell! Machen Sie die CHARR sofort startklar. Schicken Sie mir eines der Beiboote. Am besten eins von der FO 1, es kann mich hier am leichtesten aufnehmen, die Boote der CHARR sind zu groß. Dann rufen Sie Colonel Clark in der EUROPA an. Teilen Sie ihm mit, daß wir in die Kordilleren zum Illampu-Massiv fliegen. Er soll in Cent Field auf unsere Rückkehr warten. Ist Prewitt bereits an Bord?« »Nein, Sir, er kommt morgen früh, eine Stunde vor Sonnenaufgang.« »Hinterlassen Sie auch für ihn eine Botschaft. Was ist mit der übrigen Mannschaft?« »Etwa die Hälfte befindet sich schon an Bord, Sir!« »Gut, das reicht! Beeilen Sie sich, Maxwell, es geht möglicherweise um Minuten!« »Aye, aye, Sir! Ihr Beiboot ist in fünf Minuten zur Stelle. Ich starte bereits und komme Ihnen mit der CHARR entgegen.« Huxley nickte. Er sah noch, wie der 11.0. Alarm gab, dann er- losch der Schirm. Huxley verließ sein Apartment. Der Antigravschacht brachte ihn in den Jett-Hangar der Wohnkugel. Als er ihn betrat, sah er bereits, wie die bisher geschlossene Außenhaut dieses obersten Stock- werks der Wohnkugel langsam zurückglitt und eine Öffnung frei- gab, die groß genug war, auch einen schweren Transport-Jett durchzulassen. Wenige Sekunden später erblickte er den gleißen- den Strahl des Scheinwerfers, der sich durch die Nacht fraß und gleich darauf auch das Innere des Hangars in seine blendende Helligkeit tauchte. Sofort schaltete der Pilot des tropfenförmigen Beibootes den Diffusor vor. Huxley pfiff nach einem raschen Blick auf sein Chrono aner-kennend durch die Zähne. Knapp vier Minuten waren vergangen, seitdem er sein Apartment verlassen hatte. Das ständige Training, dem er jeden einzelnen seiner Crew ohne Rücksicht auf Rang, Stellung oder Alter unterwarf - Wissenschaftler und Techniker eingeschlossen - hatte sich wieder einmal bewährt. Huxley brauchte knapp zehn Sekunden, um das Beiboot zu er- reichen. Er verschwand blitzartig im bereits offenen Schott. Als er wenig später in der Kanzel des Bootes neben dem Sergeanten auf- tauchte, lag der
Hangar der Wohnkugel bereits lief unter ihnen. Über ihnen jedoch, selbst im Dunkel der Nacht noch weithin leuchtend, stand der riesige goldfarbene Druckkörper der CHARR. Ein Druckkörper, der von oben und von unten eine mathematisch genaue Ellipse war, deren Achse eine Länge von 500 Metern be-saß. Das Beiboot beschleunigte und jagte der bewegungslos in etwa drei Kilometer Höhe wartenden CHARR entgegen. Noch ehe es heran war, erkannte Huxley, daß die riesige, über zweihundert Meter lange Schleuse des Hangars, in dem seine FO 1 auf ihren Bettungen lag, offenstand. Auch eine der Schleusen zum Boots- deck der FO 1 war geöffnet. Der Sergeant bremste hart ab. Dann slipte er seitwärts in den Großhangar der CHARR hinein und war gleich darauf im Boots- deck der FO 1. Huxley spürte nur noch den leichten Stoß, mit dem das Beiboot in seine Bettungen sank. »Alle Achtung, Masterson!« sagte er, während er bereits zur Schleuse eilte. Huxley wußte, wie schwierig das mit so spieleri- scher Leichtigkeit und Eleganz durchgeführte Manöver in Wirk- lichkeit war. Er mußte sich sogar innerlich eingestehen, daß er wahrscheinlich trotz seines eminenten Könnens nicht in der Lage sein würde, dem Sergeanten das Bravourstück nachzumachen. Denn so geräumig der Großhangar der CHARR auch war, der Platz, der neben der FO 1 blieb, war doch sehr begrenzt. Das spin- delförmige, 200 Meter lange Schiff füllte den Hangar nahezu vollständig aus. Gleich darauf schloß sich über den beiden Männern der Druck- körper der CHARR, und das riesige Schiff begann zu beschleuni- gen. Als Huxley von den grünlich leuchtenden Gleitfeldern durch die Transportschächte zur Zentrale im Bug des Ellipsenraumers getra-gen wurde, überflog die CHARR bereits den Golf von Mexiko. Die beiden Männer im Leitstand der CHARR brauchten nicht lange zu suchen. Als sie sich in knapp 7.000 Metern Höhe den Kordilleren näherten, schlugen die Anzeigen der Detektoren aus. Mit wenigen Griffen schaltete Huxley die Steuerung des Raum- ers auf die nogksche Tasterautomatik um. Die CHARR glitt dem über 6.000 Meter hohen lllampu-Massiv entgegen, dessen Gipfel vom ewigen Schnee bedeckt waren. Maxwell und Huxley konnten sich auf die Ortungen des Schiffes konzentrieren. Zusätzlich schaltete Maxwell nach einem kurzen Blick auf den Colonel den Allsichtschirm des Leitstandes ein.
Das Schiff hielt jetzt in direktem Kurs auf den Gipfel des II- lampuMassivs zu, auf dem Huxley die sechs Totenkegel wußte. »Scheinwerfer, Maxwell, rasch!« Der Colonel hockte mit zusammengekniffenen Augen in seinem Sitz. Den Oberkörper hatte er weit vornübergebeugt, als könne er so die Entfernung zu jenem Gipfel verkürzen. Die gewaltigen Scheinwerfer der CHARR flammten auf. Und dann sahen es die beiden Männer. Die Totenkegel waren bis auf einen verschwunden. Wo sie gestanden hatten, befanden sich im Felsen des Berges kreisrunde, kraterähnliche Löcher. Huxley starrte auf das Feld zwischen den Koordinaten der Allsichtsphäre. »Stärkere Vergrößerung, Maxwell!« stieß er gepreßt zwischen den Zähnen hervor. Maxwell regulierte die Kontrollen ein. Der Gipfel schien förm- lich auf sie zuzurasen. Aber es blieb dabei: Die Kegel waren ver- schwunden und mit ihnen jede Spur von den Nogk, deren sterbli-che Hüllen sich in ihnen befunden hatten. Eingegossen in jene 21 Masse, deren Prallfeld bisher mit keinem Mittel zu durchbrechen gewesen war. »Beiboot aussetzen, Maxwell! Sergeant Masterson und ich wer- den uns die Sache aus der Nähe ansehen. Behalten Sie uns und un- sere Umgebung im Auge!« Der Colonel sprang aus seinem Konturensitz, während sein 11.0. bereits die notwendigen Befehle an den Sergeanten durchgab. Minuten später verließ eines der ellipsenförmigen Beiboote die CHARR. Sergeant Masterson steuerte das Boot zum Gipfelplateau hinüber, das sich im Lieht der starken Scheinwerfer des Raumers geisterhaft grell und weiß aus der Nacht schälte. Huxley starrte mit zusammengekniffenen Augen auf die Krater. Er erkannte ohne viel Mühe, daß dort einfach nichts mehr zu fin- den war. Jedenfalls nicht ohne die erforderlichen Instrumente. Aber auch die Taster der CHARR hatten keinerlei energetische Emissionen angezeigt. »Zum Kegel an Backbord, Masterson!« befahl er schließlich und schlüpfte gleich darauf in einen der leichten Raumanzüge, die in jedem der Beiboote bereitlagen. Die Höhe von 6.550 Metern und der damit verbundene Sauerstoffmangel machten das erforderlich. Ebenfalls die Jahreszeit, denn auf dem lllampu-Massiv herrschten Temperaturen von rund vierzig Grad unter Null. Das Beiboot setzte mit leichtem Knirschen im liefen Schnee auf, der sich im Windschatten hinter den Felsen angesammelt halte.
»Richten Sie die Scheinwerfer des Bootes ebenfalls auf den Totenkegel, Sergeant!« knurrte Huxley, ehe er seinen schweren Bla-ster umschnallte und sich auf den Weg zur Schleuse machte. Er spürte den eisigen Wind, der über das Gipfelplateau fegte, so- fort, als er den Schutz der Felsen verließ und die wenigen Meter bis zum Kegel emporzusteigen begann. Schleunigst schaltete er die Heizung seines Raumanzugs ein. Dann zog er sich an den ver- eisten Felsen empor. Er brauchte etwa fünf Minuten, bis er schließlich vor dem letzten der ehemals sechs Totenkegel stand. 22 Vorsichtig ging er Schritt für Schritt auf die funkelnde, gläserne Masse zu, die den Körper des toten Nogk umschloß. Bis auf knapp fünf Meter kam er heran, dann warf ihn die energetische Sperre zurück. Huxley taumelte unter dem plötzlichen Stoß, den er von jenem unbekannten, mit keinem Mittel zu durchbrechenden Prall- feld erhielt. Gleichzeitig bemerkte er, wie das Feld violett auf- leuchtete und sich ein farbiger, nach und nach in allen Farben des Spektrums erglühender Vorhang vor den Totenkegel legte. Huxley wartete und überlegte. »By gosh!« murmelte er. »Ich möchte doch zu gerne wissen, wohin die anderen Kegel verschwunden sind und warum nur der Kommandant jenes Nogkraumers in dieser gottverlassenen Einöde zurückbleiben mußte. Ich...« Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick geschah etwas völlig Unerwartetes und völlig Unbegreifliches. Ein dunkler Schatten erschien über dem Massiv. Lautlos, ge-spenstisch und riesenhaft. Eine silberne, rasend schnell um sich selbst rotierende Kugel stand plötzlich über dem Plateau. Huxley wußte nicht, um was es sich bei dieser seltsamen Erscheinung handelte, aber er war nicht so dumm, kostbare Sekunden mit um- ständlichen Überlegungen zu vergeuden. Mit einem Salz hechtete er in den tiefen Schnee. Mit einer gekonnten Rolle, zu der ihm der leichte Raumanzug genügend Be- wegungsfreiheit ließ, fing er seinen Körper ab und kam blitzartig wieder auf die Füße. Einige weitere Sprünge brachten ihn etliche Meter über dem Beiboot der CHARR hinter einer dicken Felsnase in Deckung. Gerade noch rechtzeitig, denn in diesem Augenblick geschah etwas Entsetzliches. Huxley glaubte zu sehen, wie der Nogk sich in seinem Totenke- gel bewegte. Gleich darauf griffen ein paar grelle, unerträglich helle Energiebahnen aus dem Dunkel nach dem Kegel. Huxley hörte über die hochempfindlichen Außenmikrophone seines Raumhelmes, wie sich die
Silberstrahlen zischend durch den Fel- sen fraßen. In Sekundenschnelle hatten sie den Totenkegel aus seinem Fundament herausgeschnitten und rissen ihn mit einem gewaltigen Ruck empor. Es sah aus, als zögen sich stark gedehnte Gummibänder blitzartig zusammen. Der Kegel verschwand mit einem, hohlen, pfeifenden Geräusch, dem kurz danach ein eigen- tümliches Singen folgte. Huxley hatte plötzlich das Gefühl, als begänne der Fels unter ihm zu vibrieren. Seine Hände verkrampften sich, in seinem Schä- del hämmerte das Blut, das gesamte Illampu-Massiv begann sich vor seinen Augen zu drehen. Mit letzter Kraft, in einem Anflug von Panik, sprang er auf. Er sah noch, wie die CHARR auf einen unsichtbaren Gegner zustieß, dann spürte er die harten Fäuste des Sergeanten, die ihn packten und die wenigen Meter bis zur Schleuse des Beibootes hinabzen-ten. Es dauerte einige Momente, bis Huxley wieder halbwegs klar denken konnte. »Heavens, Masterson, was zum Teufel war das?« fragte er, noch immer etwas benommen. Der Sergeant antwortete nicht gleich, sondern manövrierte das Beiboot über die Stelle, an der sich eben noch der letzte der Totenkegel befunden hatte. Er wies mit der Linken in die Tiefe. »Ein Krater, Sir, nichts als ein Krater, wenn auch wesentlich größer als die der anderen Kegel! Es muß ein unbekannter Raumer ganz in der Nähe von uns gestanden haben. Er hat wahrscheinlich auch die anderen Kegel an Bord genommen. Aber unsere Ortun- gen sprachen nicht an und...« Der Sergeant unterbrach sich und starrte Huxley aus weit geöff- neten Augen an. Erst jetzt bemerkte der grauhaarige Colonel, daß Masterson der Schweiß in Strömen über das Gesicht lief. »Und, Sergeant? Und was?« fragte er schließlich, als Masterson ihn immer noch anstarrte, aber kein Wort herausbrachte. »Eine Nachricht von Maxwell, Sir. Sie kam, als Sie gerade vor dem Totenkegel standen. Er hatte für einen winzigen Moment den fremden Raumer ausgemacht und gab sofort Befehl, die WaffenSteuerung zu aktivieren. Aber die...« Wieder unterbrach sich der Sergeant. Doch dann gab er sich einen Ruck. »Es war einfach unmöglich, auch nur eine der Waffen auszulösen. Sofort nach dem Aktivieren der Ultimativ-Felder sprangen die Kontrollen in die
Rote Zone. Auslösen hätte sofortige Feldsperre, wenn nicht Schlimmeres bedeutet. Der fremde Raumer hat diese Panne genutzt und ist mit seiner Beute verschwunden...« Huxley fuhr aus seinem Sitz empor. »Warum haben Sie mich nicht sofort verständigt, Masterson? Ich war die ganze Zeit auf Empfang!« Der Sergeant zuckte die Achseln. »War einfach nicht möglich, Sir. Nur Rauschen und Knattern, so, als ob Störentladungen erfolgten.« Huxley starrte durch die Direktsichtscheiben der Kanzel. »Zur CHARR, Masterson, sofort!« Er sah den Sergeanten an, der schon auf der FO 1 vor der Invasion Dienst getan hatte und zu sei-nen alten Weggefährten gehörte. »Sie sprachen im Zusammenhang mit dem Versagen der Ulti-mativFelder unserer Schiffes von einer Panne, Masterson. Ich hoffe, daß Sie selbst nicht daran glauben. Das war keine Panne, der fremde Raumer hat uns blockiert!« »Sie meinen wirklich...« Der Sergeant erblaßte. Huxley nickte. »Ja, genau das meine ich, Masterson. Und wenn Sie noch etwas weiterdenken, dann müssen Sie sich zwangsläufig auch die Frage stellen, wie es möglich ist, daß dieser fremde Raumer den globalen Schutzschirm Terras, den die Nogk zusammen mit uns installiert haben, einfach durchdringen konnte, ohne die Abwehrautomatik auszulösen! Sie müssen sich fragen, wie es denn möglich sein kann, daß jener Fremdraumer mit einer uns unbekannten Energie die bis dahin sogar für das Intervallum der Flash undurchdringli- chen Schutzfelder der Totenkegel neutralisieren oder auf sonst ir- gendeine Weise ausschalten konnte.« Huxley beugte sich plötzlich vor und starrte den Sergeanten aus seinen grauen Augen an. »Hören Sie mir jetzt gut zu, Masterson: Ich fürchte, dieser fremde Raumer war ein Schiff der Nogk! Eine andere Erklärung gibt es einfach nicht! Wir müssen sofort zu- rück nach Cent Field und dann auf dem schnellsten Wege zu Charaua...« Der Colonel unterbrach sich und überlegte angestrengt. »Nein, erst noch ins System der Sonne Tantal. Mir schwant Bö- ses, Masterson, außerordentlich Böses!« Der gewaltige Rumpf der CHARR erschien über ihnen. Noch während das Beiboot im Bootsdeck auf seine Bettungen sank, nahm Huxley über Vipho Maxwells Bericht entgegen. Es war auch seinem 11.0. nicht gelungen, den fremden Raumer ein zweites Mal zu orten. Alle anderen Einzelheiten des Berichtes deckten sich haargenau mit dem, was Sergeant Masterson Huxley bereits gesagt hatte.
Der Colonel sprang aus der Schleuse des Beibootes. »Masterson, kümmern Sie sich sofort darum, daß die FO 1 stän- dig einsatzbereit ist. Sie muß zu jeder Sekunde in der Lage sein, ihren Hangar im Blitzstart zu verlassen. Sprechen Sie sofort mit Chief Erkinsson.« »Aye, Sir.« Der Sergeant verschwand in die entgegengesetzte Richtung wie Huxley, während die CHARR bereits mit Kurs Nordnordost nach Cent Field davonraste. Ihre Speicher hatten über die Aufnahmetaster vollautomatisch das Geschehen auf dem Il- lampu-Massiv festgehalten... Knapp zwei Stunden später rief Colonel Huxley die unheimli- chen Geschehnisse aus den Speichern der CHARR ab. Marschall Bulton, Colonel Clark und der inzwischen ebenfalls eingetroffene Major Crook saßen stocksteif in ihren Konlurensit-zen. Keiner von ihnen sagte auch nur ein einziges Wort. Sie starr ten wie gebannt auf das Geschehen, das vor ihren Augen zwischen den grünlich schimmernden Koordinaten der Allsichtsphäre der CHARR ablief. Als der für die Projektion benutzte Sektor endlich erlosch, herrschte noch eine ganze Weile Schweigen im Leitstand des El-lipsenraumers. Denn auch Huxley hatte noch einige Dinge ent- deckt, die ihm bisher nicht aufgefallen waren. Marschall Bulton unterbrach als erster das Schweigen. »Sie sind also der Meinung, Huxley, daß es sich bei diesem nur schemenhaft zu erkennenden Schiff um einen Raumer der Nogk handelt?« Huxley zögerte mit der Antwort, während ihn die anderen Männer wie gebannt ansahen. »Ich habe jedenfalls im Moment keine andere Erklärung, Sir« sagte er förmlicher, als es sonst seine Art war. Colonel Clark schaltete sich ein. » Halten Sie es für gänzlich ausgeschlossen, daß es sich um einen Raumer der Schatten gehandelt haben könnte?« Huxley wechselte einen raschen Blick mit seinem Ersten und Zweiten Offizier, die sich ebenfalls beide im Leitstand der CHARR befanden. Doch sowohl Prewitt als auch Maxwell schüttelten den Kopf. Huxley nickte. »Nein«, erwiderte er schließlich, »ich glaube nicht, daß es sich bei dem fraglichen Raumer um ein Schiff der Schatten gehandelt haben kann. Es gibt einen Grund dafür.« Einem plötzlichen Entschluß folgend öffnete er seine schmuck-
lose, hellgraue Bordkombination über der Brust und trat auf Bul- ton und die beiden anderen Männer zu. Er deutete auf die haar- feine, metallisch schimmernde Linie einer Ellipse, deren Brenn- punkte durch zwei nadelfeine Punkte markiert waren. »Ich habe darüber nie gesprochen. Marschall«, sagte er langsam. Als ich von den Nogk in den Rat ihres Imperiums aufgenommen wurde, operierten mir die Meegs dieses Kontaktfeld ein. Es stellt eine Art Ausweis dar. Jedesmal, wenn eine Sitzung des Rates 27 stattfindet, wird anhand dieses Kontaktfeldes vom Überwachungszentrum meine Identität überprüft. Es ist für einen Fremden oder sonst irgendwie ungebetenen Gast völlig unmöglich, sich gegen den Willen der Nogk in eine dieser Ratssitzungen einzuschleichen. Eine verständliche Vorsichtsmaßnahme...« Huxley unterbrach sich für einen Moment, wahrend Bulton und die anderen interessiert das wie eine Intarsie in die Haut eingelas-sene Emblem betrachteten. »Wenn aber außerordentliche Dinge geschehen, wenn die Nogk mich aus einem dringenden Anlaß rufen oder mich vor einer dro- henden Gefahr warnen wollen, dann leuchtet dieses Kontaktfeld auf, und eine langsam pulsierende, rötliche Energie umfließt mei- nen Körper. Genau das ist letzte Nacht geschehen. Außerdem ent- stand in meinem Bewußtsein das Bild der sechs Totenkegel. Nur deshalb wußte ich auch sofort, daß dort etwas...« Marschall Bulton war aufgesprungen. Er packte Huxley an den Schultern. »Wollen Sie sagen, Huxley, daß möglicherweise die Toten in den Kegeln Sie gerufen hätten?« Huxley nickte. »So verrückt es auch klingen mag —ja! Und darüber hinaus bin ich auch der Ansicht, daß es lediglich dieser Kontaktaufnahme mit mir zu verdanken ist, daß der fremde Raumer sich darauf be- schränkt hat, meine CHARR nur zu blockieren, anstatt sie anzugreifen und möglicherweise sogar zu vernichten!« Der Marschall war ein paar Schritte zurückgetreten und starrte Huxley nun an, als sei er ein Gespenst. »Aber das... das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Überlegen Sie doch mal: Das würde doch schließlich bedeuten, daß jener Raumer Ihrer CHARR, die eines der modernsten Schiffe der Nogk ist, haus- hoch überlegen wäre. Daß er völlig unbemerkt in unsere Sicher- heitssphäre eindringen könnte.« Der Marschall fuhr sich mit heftigen Bewegungen über seine schwcißnasse Stirn. Dabei fixierte er den grauhaarigen Colonel
mit 28 unverhohlener Sorge im Blick. »Das würde bedeuten, Huxley, daß schon seit einiger Zeit meh- rere dieser Schiffe irgendwo auf Terra versteckt liegen könnten.« Huxley schüttelte den Kopf. »Charaua hat mir einmal eine Andeutung gemacht. Marschall. Es gibt da in der Vergangenheit seiner Rasse ein Geheimnis, das irgendwie mit den Totenkegeln zusammenhängt. Es gibt bei den Nogk überhaupt einige Dinge, die ich nicht kenne, die vielleicht nicht einmal Charaua kennt. Die Nogk sind strahlungsabhängige Mutanten, Marschall. Sie haben aber in letzter Zeit möglicher- weise zu oft ihre Heimatsonnen gewechselt. Als wir ihnen zum er- sten Mal begegneten, lebten sie auf den Planeten der roten Riesen- sonne Charr. Dann kam die Katastrophe, Charr wurde zu einer gefährlichen, unberechenbaren Variablen, und die Nogk mußten aus ihrem System fliehen. Sie machten für eine Weile Zwischen- station auf Ginok, einem für ihre Verhältnisse lebensfeindlichen Planeten. Erst unter der blaugrünen Sonne Tantal fanden sie eine neue Heimat. Unter einer Sonne, deren Spektrum völlig anders war als das ihrer alten Sonne. Dessen Zusammensetzung auch für unsere Wissenschaftler noch immer ein Rätsel ist, weil es sich bei Tantal um einen Sonnentyp handelt, den es sonst in dem uns be- kannten Universum einfach nicht gibt. Dann der Kampf der Nogk gegen die Schatten, ihre Übersiedlung nach Nogk I, der die Sonne Tantal in so geringem Abstand umläuft, daß jeder Aufenthalt auf seiner Oberfläche so gut wie unmöglich ist. Und schließlich ihre abermalige Flucht vor den ständigen Magnetstürmen und vor den Schatten zur Sonne Corr, die außerhalb des Halos unserer Galaxis liegt!« Huxley schwieg für einige Sekunden. Aus seinen grauen Augen sah er die fünf Männer im Leitstand der CHARR an. Dann, jedes einzelne Wort betonend, fuhr er fort: »Und während dieser ganzen Zeit hatten die Nogk ihre Brut, ihre langsam heranreifende Nachkommenschaft bei sich. Eine Nachkommenschaft, die auf die verschiedenartigen Strahlungen der einzelnen Sonnen wahrscheinlich wesentlich empfindlicher reagiert hat als die Nogk selbst!« Huxley sah Marschall Bulton aus schmalen Augen an. »Meine Meinung ist, daß wir so wenig Zeit wie irgend möglich verlieren sollten. Marschall!« Er wandle sich an seinen inzwischen an Bord zurückgekehrten Ersten
Offizier Lee Prewitt. »Ist unsere Mannschaft vollständig?« »Bis auf drei Mann. Die treffen wie befohlen morgen früh eine Stunde vor Sonnenaufgang ein!« Huxley wandte sich an Major Crook. Die hagere, sehnige Ge-stalt dieses nicht mehr jungen Offiziers, der schon lange vor der Invasion der Giants Dienst in der solaren Flotte getan hatte, straffte sich. Über seine strengen, fast asketisch zu nennenden Züge flog ein Lächeln, als er antwortete, noch bevor Huxley ihm seine Frage stellte. »Meine Leute sind in einer halben Stunde hier. Außerdem habe ich angeordnet, einige der Beiboote der JAPETUS mit allem erforderlichen Zubehör herüberzufliegen. Ich hoffe, an Bord der CHARR oder der EUROPA ist noch Platz für sie. Eine Maßnahme für alle Fälle! « Huxley pfiff leise durch die Zähne. Die Idee Major Crooks, ei-nige seiner hochspezialisierten Beiboote mitzunehmen, war ein- fach famos und typisch für diesen erfahrenen, grundsätzlich mit allen Möglichkeiten rechnenden Mann. Denn jedes der verhält- nismäßig großen Beiboote der JAPETUS war eine Miniaturausgabe des Mutterschiffes und somit eine komplette Bergungseinheit für sich. »Wie viele, Crook?« »Sechs!« Zu Clark gewendet fuhr der Major fort: »Ich schlage vor, daß wir drei der Beiboote auf die EUROPA und drei auf die CHARR oder an Bord der FO l bringen! Ist das zu ma-chen?« Clark schüttelte den Kopf. »Geht nicht, Crook, meine Schleusen sind für die Kugelboote Ihrer JAPETUS zu klein. Ich schlage vor. Sie verteilen drei Boote samt Besatzungen auf die FO 1 und drei auf die CHARR. Ich denke, das wird gehen, oder?« Huxley nickte. »Also dann, Sir«, wandte er sich an den Marschall, »starten wir morgen bei Sonnenaufgang, wenn Sie keine weiteren Einwände haben!« Der Marschall räusperte sich. »Keine weiteren Einwände?« knurrte er aufgebracht. »Haben Sie sich eigentlich mal überlegt, wie ich das alles Trawisheim beibrin-gen soll? Und damit hier keinerlei Unklarheiten entstehen: Ich werde Trawisheim erst nach Ihrem Start unterrichten, denn ich fürchte, er hätte allerhand Einwände gegen dieses Unternehmen. Vergessen Sie nicht, daß
Trawisheim in seiner Eigenschaft als Stellvertreter Ren Dharks die Dinge aus einer etwas anderen Perspektive sehen dürfte als wir!« Der Marschall machte ein unbehagliches, verkniffenes Gesicht. »Ich kann diese Sache auch nur deshalb auf meine Kappe neh- men, Huxley, weil Sie nun einmal Terra und damit auch Trawis- heim sozusagen nur noch halb unterstellt sind. Denn als Ratsmit- glied der Nogk befinden Sie sich in einer Position, die meine ei- gene bei weitem übersteigt. Eine verdammt komische Sache, Hux- ley, mit der man sich erst langsam vertraut machen muß!« Huxley trat auf den Marschall zu. Seine grauen Augen richteten sich fest auf Bulton. »Nicht nur für Sie ist diese Zwitterrolle eine merkwürdige Sa- che, Marschall! Für mich in mindestens dem gleichen Maße, auch Ren Dhark gegenüber, denn ich vertrete immer zwei Interessen. Auf Terra die der Nogk, im Rat der Nogk und auch sonst hingegen die der Terraner. Und zwar auf völlig undiplomatische Weise, denn die Nogk halten absolut nichts von irgendwelchen diplomati-schen Winkelzügen. Ich habe lernen müssen, völlig umzudenken. Und manchmal weiß ich kaum noch, ob ich geistig nun mehr Nogk oder Terraner bin!« Bis zum Sonnenautgang herrschte an Bord der EUROPA, der CHARR und der in ihrem Hangar liegenden FO l lieberhatte Tä- tigkeit. Für die sechs Beiboote der JAPETUS wurden Bettungen eingerichtet. Dabei fiel es Major Crook auf, daß die Männer Hux-leys mit der nogkschen Technik auch einen Teil jener atemberau- benden Schnelligkeit übernommen hatten, mit der die Nogk ihre Vorhaben zu verwirklichen pflegten. Als die Sonne aufging, hoben die beiden so verschiedenen Schiffe von der Piste Cent Fields ab. Die EUROPA bot einen im- posanten Anblick. Ihr gewaltiger Ringkörper von 450 Metern Durchmesser und einer Ringstärke von 90 Metern funkelte glutrot in den Strahlen der eben über den Horizont emporsteigenden Sonne. Die EUROPA sah in diesem ersten Tageslicht aus wie ein gewaltiger Ring aus loderndem Feuer. Die CHARR hingegen wirkte wie ein goldglänzendes Phantom, das erst langsam, dann jedoch schneller und schneller werdend in den kühlen Oktober- himmel über Cent Field emporstieg. Marschall Bulton sah den beiden Schiffen nach, bis sie zu nicht mehr wahrnehmbaren Punkten zusammengeschmolzen waren.
Anschließend drehte er sich seufzend um und wandte sich seiner Arbeit zu. Möglicherweise hatte Huxley mit seinen Vermutungen über den fremden Raumer recht. Sicher war das jedoch nicht, und der Marschall mußte infolgedessen alle nur denkbaren Sicher- heitsvorkehrungen treffen. Dazu gehörte, daß er die einzelnen Sta- tionen des globalen terranischen Schutzschirms anrufen und in- formieren ließ. Des weiteren mußten ab sofort die im Raum Terra stehenden Patrouilleneinheiten verständigt werden. Und dann, ja dann mußte er auch noch Henner Trawisheim einen Besuch abstat-ten. Und das war genau das, was Marschall Bullen am wenigsten gern tat. Denn Trawisheim war ein geistiger Cyborg, und Bulton hatte etwas gegen Cyborgs. Sie waren ihm noch immer so un- heimlich wie am ersten Tage. Der Marschall seufzte abermals. Dann ging er an seinen Schreibtisch und angelte nach einer Dose Energietabletten. Die wievielte Nacht ohne Schlaf das nun eigentlich war, seit er in Ab- wesenheit Dan Rikers die terranische Raumflotte befehligte, wußte er schon lange nicht mehr. Er hatte an diesem Morgen auch nicht die geringste Lust, darüber nachzudenken. Während die beiden ungleichen Raumer das Sonnensystem hin- ter sich ließen, wies Huxley Major Crook und dessen Männer in den Aufbau seines Ellipsenraumers ein. Die CHARR unterschied sich beträchtlich von den terranischen Schiffen. Ihr Druckkörper barg genau in seiner Mitte einen Hohlraum, der eine mathematisch genaue Ellipse darstellte, in deren beiden Brennpunkten sich das Wunderwerk der nogkschen Technik befand: zwei künstliche, sowohl in Bezug auf ihr Spektrum als auch auf die Zusammenset- zung ihrer Strahlung voneinander getrennt regelbare Sonnen. Die Regelung erfolgte von einer eigens dafür geschaffenen Zentrale aus. Auf der CHARR war der Regelbereich durch eine jederzeit ab- schaltbare Automatik genau auf die Bedürfnisse der Terraner eingestellt. Der »Sonnenhangar«, wie die Terraner dieses hundert Meter lange, ellipsoide Gewölbe im Innern des Raumers genannt hatten, konnte durch eine energetische Barriere, die absolut strah- lungsundurchlässig war, in zwei Halbgewölbe unterteilt werden, in denen die beiden Sonnen dann völlig unabhängig voneinander ver- schiedene Aufgaben zu erfüllen vermochten. Für die Nogk wegen der unerläßlichen Schlafperiode auf langen Reisen eine geradezu lebenswichtige Forderung, für Huxley und seine Männer eine äu- ßerst nützliche Einrichtung. Denn es hatte sich
längst gezeigt, daß auch die Terraner bei einem bestimmten Spektrum und einer be stimmten Zusammensetzung der von den Sonnen ausgehenden Strahlung in eine Art Tiefschlaf verfielen, der ungleich erholsamer und kräftigender war als der normale. Innerhalb einer einzigen Stunde vermochten die Männer Huxleys den normalen Schlafhe-darf eines ganzen Bordtages nachzuholen, wenn es sein mußte. An den kurzen Bögen der Ellipse befanden sich die Behend-lungsräume für erkrankte Nogk. Auch sie waren wie alle anderen Räume des Schiffes auf terranische Bedürfnisse umgewandeltworden. Über ein System von Filtern und Konvertern konnte in jede einzelne Kabine jede nur gewünschte und erforderliche Strah- lung einer der beiden Sonnen abgegeben werden. Ein weiteres Meisterwerk stellten jedoch kreisförmig angeordnete Detektor- gruppen dar, die nach der Einspeicherung der Mentalmuster jedes einzelnen Besatzungsmitgliedes den Gesundheitszustand der Män-ner automatisch überwachten und jede irgendwie krankhafte Ver-änderung sofort an die Rechner der CHARR weitergaben, die ih-rerseits dann unverzüglich die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen einleiteten. Außerdem waren diese Detektorgruppen in der Lage, mittels Sonderschaltung jede nur gewünschte Hypnoschulung vorzunehmen. Colonel Huxley blieb mit Major Crook vor einem dieser Räume steheil. »Verteilen Sie Ihre Männer jetzt auf die vorhandenen Kabinen, Crook. Dort werden sie von den Detektoren analysiert und ihre Mentalmuster eingespeichert. Anschließend beginnt dann sofort die notwendige Hypnoschulung. Wenn wir im System der blaugrünen Sonne Tantal aus der Transition in den Normalraum zurückkehren, wird Ihnen und Ihren Männern jedes Detail dieses Schiffes so vertraut sein wie mir einschließlich aller zur Verfü- gung stehenden Waffensysteme. Darüber hinaus werden Sie in der Lage sein, die nogkschen Symbole zu lesen und der Schnelligkeit ihrer Gedankenbilder zu folgen. Chief Erkinsson wird sich um die notwendigen technischen Dinge kümmern. Kommen Sie, Crook, Sie bleiben gleich in dieser Kabine hier!« Major Crook hatte auf dem Rundgang durch den Ellipsenraumer genau wie seine Männer den Erklärungen Huxleys zugehört, ohne den Colonel auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen. Jetzt musterten seine eigentümlich durchdringenden Augen den Sonnenhangar. »Ausgezeichnete Arbeit, dieses Schiff!« sagte er. »Und wie ich weiß, hat sich
dieser Typ inzwischen auch bewährt, sogar im Kampf gegen die Schatten!« Crooks Züge wirkten in diesem Moment noch starrer, noch strenger als sonst. Trotzdem erkannte Huxley, daß seine Ausfüh- rungen in diesem kompromißlosen, wenn auch in dienstlichen Obliegenheiten zur Pedanterie neigenden Mann einen tiefen Eindruck hinterlassen haben mußten, denn genau wie er war Major Crook eine jener Naturen, für die ein Leben ohne Raumfahrt, ohne dieses durch nichts zu ersetzende Abenteuer zwischen den Sternen ein-fach nicht denkbar war. Huxley schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Mir ist es nicht besser ergangen als Ihnen, Crook, als ich dieses Schiff zum ersten Mal sah. Aber eines will ich Ihnen jetzt schon prophezeien: Lassen Sie uns nur erst nach Reet zu den Nogk kom- men, dann werden Sie und Ihre Männer noch ganz andere Dinge sehen! Sogar der alte Janos Szardak war vor einiger Zeit fassungs-los, und das will bei diesem Haudegen wirklich etwas heißen!« Huxley drehte sich um. Er gab Chief Erkinsson noch einige letzte Anweisungen. »Ich schicke Ihnen den Doc, Erkinsson! Bereiten Sie inzwischen hier alles vor. Die Detektorschulung muß beendet sein, bevor wir das System Tantal erreichen!« Erkinsson nickte. Dann winkte er einigen seiner Techniker und machte sich mit ihnen an die Arbeit, Crook und seine Männer auf die einzelnen Kabinen zu verteilen und die notwendigen Schaltun- gen für die Detektorgruppen in der eigens dafür vorgesehenen Zentrale vorzunehmen. Huxley verließ das Ellipsengewölbe erst, als die beiden künstli-chen Sonnen sich verdunkelten, ihr eben noch goldgelbes, weiches 34 35 Licht verdunkelte sich in ein düsteres Violett, das sofort eine wohltuende, entspannende Wirkung auf Crooks Männer hatte. Sie spürten nur noch, wie ihre Glieder bleischwer wurden und sie in irgendeine unbekannte Tiefe zogen. Gleichzeitig drangen die er-sten Bilder
nogkscher Symbole und Zeichen in ihre Gehirne. Huxley kannte diesen Vorgang nur zu gut. Er wußte, daß er sich auf Reet wahrscheinlich einer neuen Schulung unterziehen mußte, um sein Wissen auf dem neuesten Stand zu hallen. Aber er hatte jetzt keine Zeit, daran zu denken. Die grünlichen, langsam pulsierenden Energielelder trugen ihn durch einen der Transportschächte zum Leitstand des Ellipsen- raumers ganz vorn im Bug. Dort warteten bereits Prewitt und Maxwell auf ihn »Alles klar?« fragte Huxley und ließ sich in seinen Konturensitz zwischen den beiden Offizieren gleiten, nachdem er mit einem ra- schen Blick die Instrumente und Skalen überflogen hatte, die vor den drei Sitzen der Männer gut überschaubar in Bogenform ange-ordnet waren. Darin wich die CHARR ebenfalls von ihren nogk-schen Schwesterschiffen ab. Bedienungselemente und Instrumente waren wie alles andere auf terranische Bedürfnisse ausgerichtet, wenn sie auch nach wie vor die nogkschen Symbole und Zeichen trugen. »Hat Clark die Kopplungsdaten für die Transition zur nochmali- gen Überprüfung bereits an unsere Speicher überstellt?« Maxwell, der 11.0., nickte. Zusammen mit Prewitt, dem 1.O. der CHARR, halte er die Einspeicherung überwacht. Die beiden Män-ner wußten, daß von der Richtigkeit dieser Daten alles anhing. Denn eine Schwierigkeit - bedingt durch die völlig verschieden gearteten Antriebe der beiden Schiffe - behinderte gemeinsame Aktionen wie diese: Die EUROPA mußte erst knapp auf Lichtge- schwindigkeit beschleunigen, ehe sie ohne allzu große Energiever- luste das Normalkontinuum verlassen und in Transition gehen konnte. Bei der CHARR hingegen wurde der Sprung durch den Pa- raraum oder die sogenannte graue Zone zwischen den Sternen durch gewaltige, von den Rechenzentren des Schiffes gesteuerte Konverterbänke eingeleitet, die das Schiff mit einer Antisphäre umgaben. Diese wurde sofort als Fremdkörper aus dem Normal- kontinuum ausgestoßen - mit allem, was sie enthielt. Erst durch abermaligen Wechsel der Polarität dieses Transitionsfeldes konnte die CHARR in das Einstein- oder Normalkontinuum zurückkehren. Beide Systeme hatten Vor- und Nachteile. Fest stand jedoch, daß die CHARR und die EUROPA zur gleichen Zeit in Transition ge- hen mußten, wollten sie gleichzeitig und auch im ursprünglichen Abstand voneinander wieder in den Normalraum zurückkehren. Das Problem war nicht leicht zu lösen gewesen. Erst bei der
Auswanderung der Nogk in das zwischen der Milchstraße und der Andromeda-Galaxis gelegene System der Riesensonne Corr hatten die Wissenschaftler beider Rassen ein Verfahren entwickelt, nach dem zwischen Ring- und Ellipsenraumem sogenannte Kopplungs-koordinaten ermittelt werden konnten. Schon die ersten Versuche hatten einwandfreie Ergebnisse erzielt. Die Rechner der CHARR hatten ihre abermalige Überprüfung der Kopplungskoordinaten beendet. Die Kontrollen leuchteten auf. Colonel Huxley wartete, bis das letzte der nogkschen Zeichen erlosch. Dann stellte er die Verbindung zu Clarks EUROPA her. Sekunden später erschien das breite, kräftige Gesicht des Colo nels auf dem Schirm. »Die Daten sind okay, Clark«, sagte Huxley. »Zeitvergleich: 00:2. In genau drei Minuten beschleunigen Sie. Bei Erreichung von Sprunggeschwindigkeit Kontrollfrequenz über To-Funk an mich. Hallen Sie den Tasterkanal frei, ich lasse die Transition Ihrer EUROPA über die Rechner meines Schiffes ansteuern, das ist exakter. Und noch etwas, Clark: Sollte dennoch irgend etwas schiefgehen, dann landen Sie zunächst auf dem dritten Planeten von Tantal. Er ist eine Wasserwelt, für menschliches Leben be- dingt geeignet. Ist der ehemalige Versorgungsplanet der Nogk, Al- genkulturen und Ähnliches. Im Norden finden Sie eine Insel, etwa auf 56 Grad nördlicher Breite. Vermeiden Sie auf alle Fälle, mit Ihrem Schiff tiefer ins System Tantal einzufliegen als bis zum drit-ten Planeten!« Clark sah Huxley einen Augenblick lang fragend an. Seine Stirn legte sich in Falten. »Haben Sie einen besonderen Grund für diese Instruktionen, Huxley?« fragte er dann zögernd. Huxley schwieg einen Augenblick. Doch dann gab er sich einen Ruck. »Unsere Berechnungen in puncto Kopplungskoordinaten galten für die normalen Ringraumer, Clark!« erwiderte er dann. »Ihr Schiff verfügt über drei Mysterioustriebwerke. Das kann unsere Werte verändern, kann eine Fehlerquelle sein. Da ich mich mit dem Beginn meiner Transition nach Ihrem Schiff richte, mich also praktisch an die EUROPA ankopple, könnte es sein, daß ich woan- ders in das Normalkontinuum zurückkehre als Sie. Für diesen Fall empfehle ich Ihnen, auf mich zu warten. Ich habe kein gutes Ge- fühl bei dieser ganzen Sache. Denn wenn ein Nogkraumer Terra besucht und die Totenkegcl vom Illampu-Massiv verschleppt, dann war es bestimmt kein Schiff aus Charauas Flotte, kein Rau-mer aus dem
System Corr!«
Clark überlegte. Schließlich nickte er.
»Okay, Huxley, akzeptiert. Nur noch eine Frage: Wieso sollte es denn
ein Schilf aus dem System Tantal sein? Ich denke, dort hal-ten sich gar
keine Nogk mehr auf? Sie haben doch ihre gesamte alte Kampfflotte in
Hangars unter der Planetenoherfläche von Nogk l und Nogk 11
eingemottet?«
Huxley zuckte die Achseln.
»Jedenfalls dachte ich das bisher. Und ich hin ganz sicher, daß auch
Charaua und das gesamte Nogk-Imperium zur Zeit ebenfalls dieser
Überzeugung sind. Deshalb, Clark, nur deshalb mache ich den Umweg
über Tantal!«
»Habe verstanden, Huxley. Ich warte genau achtundvierzig Stunden
auf Sie, falls überhaupt etwas dazwischenkommt. Sind Sie dann immer
noch nicht aufgetaucht, handle ich nach eigenem Ermessen!«
Huxley nickte bestätigend und schaltete ab. Gleich darauf be-
schleunigte die EUROPA. Dabei erreichte sie mit ihren drei My
sterioustriebwerken Werte, die der CHARR niemals möglich wa- ren.
Innerhalb kürzester Frist schon befand sie sich außerhalb des Bereiches
der hochempfindlichen Taster des Ellipsenraumers. Eine halbe Stunde
später kam das Kontrollsignal von der EUROPA. Se- kunden darauf
verloschen die Sonnen auf den Sektoren des All- sichtschirms. Der eben
noch im Licht der unzähligen Sterne schimmernde goldene Druckkörper
der CHARR verwischte zu ei- nem weißlichen Fleck, stand für einen
winzigen Moment wie ein femer Nebel in der samtschwarzen
Unendlichkeit des Universums und war dann ebenfalls verschwunden.
Huxleys geheime Befürchtungen bestanden leider nicht zu Unrecht.
Aber die Wirklichkeit übertraf dennoch alles, was selbst der erfahrene
Colonel sich jemals hätte vorstellen können.
Während die EUROPA einige Lichtminuten vor dem System der Sonne
Tantal ins Normalkontinuum zurückkehrte und dann wie besprochen
sofort Kurs auf den dritten Planeten des Systems nahm, rematerialisiete
die CHARR weit draußen im Raum.
Huxley starrte ungläubig auf die Bugfelder der Allsichtsphäre. Genau
in Zielrichtung vor seinem Schiff tobte mitten in der Un- endlichkeit
ein erbarmungsloser Kampf.
Huxley, Prewitt und Maxwell fuhren zugleich aus ihren Sitzen.
»Verdammt, eine Station der Schatten! Und Nogkraumer! Was zum Teufel...« Weiter kam Huxley nicht. Denn in diesem Augenblick erschien in der
Szenerie ein gespenstisches, eiförmiges Schiff, das in einem pulsierenden Silberfeld zwischen den Sternen dahinschoß. Es war umgeben von einer Gruppe gleich großer, ebenfalls eiförmiger Raumer, die ihre Geschwindigkeit jedoch noch steigerlen. Sie lö38 39 sten sich von dem silbernen, nur undeutlich zu erkennenden Rau- mer und rasten wie riesige, zwischen 600 und 700 Meter lange Geschosse auf die kugelförmige Station der Schallen zu. Huxley und seine beiden Offiziere saßen wie erstarrt in ihren Sitzen, während in der CHARR die Alarmsignale schrillten. Major Crook stürzte in den Leitstand, einige seiner Männer folg-ten ihm. »Was...« Aber dem Major blieben seine Worte genau wie den anderen förmlich im Hals stecken. Die Raumstation der Schatten versuchte krampfhaft, eine Art Unsichtbarkeitsschirm um sich herum aufzubauen. Gleichzeitig stieß die Station nach allen Seiten seltsam bizarr geformte Schiffe aus. Verschwommene, pechschwarze Gitterkonstruktionen, so ab-stoßend häßlich, so drohend, wie weder Crook noch seine Männer etwas Vergleichbares kannten. Huxley drehte sich /u Crook um: »Die Schalten! Sie sind wieder da! Also muß im System Tantal et-was geschehen sein! Das Schwarz, das Sie da sehen, Crook, ist reine Energie. Das eigentliche Schiff sehen wir wahrscheinlich gar nicht. So verrückt das auch klingt - das ist schwarz leuchtende Energie!« Huxley traf seine Entscheidung blitzschnell. »Crook, Sie übernehmen die CHARR. Durch die Detektorschu-lung wissen Sie Bescheid. Meine Männer und ich gehen an Bord der FO 1. Warten Sie aber auf meine Anweisungen, ehe Sie die ul- timativen Waffen dieses Schiffes einsetzen. Und setzen Sie einen Spruch an die EUROPA ab. Clark soll sofort herkommen. Senden Sie über To-Funk Peilfrequenzen aus, falls seine Masse- oder Di-stanzortung nicht ansprechen sollte!« Crook nickte, und Huxley gab Maxwell ein Zeichen. Zu Prewitt gewandt blieb er, einem plötzlichen Impuls folgend, noch einmal stehen. »Prewitt, Sie bleiben für alle Fälle an Bord der CHARR. Sie halten ständige Verbindung zur FO l, und zwar mit Chief Erkins 40 son. Klar, Prewitt?« Der 1.0. nickte. Er erkannte Huxleys Intention und bewunderte im Stillen seine Umsicht.
»Aye, Sir!« erwiderte er daher nur kurz. Huxley sah Crook an. »Viel Glück, Crook!« Dann verließ er mit Maxwell den Leitstand. Als die beiden kurz darauf durch den Hangar der CHARR stürmten, in dem der spin- delförmige, gut 200 Meter lange Druckkörper der FO 1 auf seinen Bettungen ruhte, kamen seine Männer ebenfalls einer nach dem anderen aus den übrigen Schächten. Im Laufschritt verschwanden sie in der Schleuse des Spindel- raumers, der von den Nogk seit Beginn ihrer Freundschaft mit Huxley immer wieder auf den neusten Stand der Technik gebracht worden war und allein schon aus diesem Grund ein Schiff von un- geheurer Kampfkraft und technischer Perfektion darstellte. Aul einen von Huxley abgegebenen Impuls hin öffnete sich der Druckkörper der CHARR über der FO 1. Die nadelfeinen, grel leuchtenden Punkte der fernen Sonnen der Milchstraße standen vor dem samtschwarzen Hintergrund des Universums. Unterdes- sen raste die CHARR auf den Stützpunkt der Schatten zu. Minuten später, als der Hangar sich vollends geöffnet hatte, hob die FO 1 von ihren Bettungen ab. Einige Sekunden stand sie noch unbeweglich im Hangar, dann, den spitzen Bug langsam gegen die Sterne richtend, glitt sie hinaus. Gleichzeitig schaltete der Chief die Triebwerke auf volle Leistung und baute den Unsichlbarkeits-schirm auf, der die CHARR ebenfalls umgab. Huxley erfaßte mit einem Blick, was da vor seinen Augen ge- schah. Das Silberschiff war hinter den anderen Eiraumern, die sich von ihm gelöst hatten und mit ständig steigender Geschwindigkeit auf die Schatten zurasten, weit zurückgeblieben. Huxley erkannte das Schiff auf den Schirmen seines Spindelraumers deutlich. Es ge-hörte ebenfalls zu jenem Typ, wie er von den Nogk benutzt wor den war, ehe sie für ihre Auswanderung die Ellipsenraumer ent wickellen. Die nogkschen Bildschirme zeigten die eigenen Schiffe auch dann, wenn um sie herum der Unsichtbarkeitsschirm aufge-haut war. Und daran erkannte Huxley in diesem Moment mit aller Deutlichkeit, daß es sich um Nogkraumer handeln mußte. Zu weiteren Überlegungen kam er jedoch nicht mehr. Denn im gleichen Augenblick durchdrang seine Zentrale der unmißverständliche, wenn auch fremdartige Impuls, sofort abzudrehen. Blitzartig huschte das Bild eines kobaltblauen Wesens durch sein
Bewußtsein, das zwar wie ein Nogk aussah, aber dennoch keiner sein konnte. Huxley zögerte keine Sekunde. Mit einem Griff stellte er eine Konferenzschaltung zwischen der FO l und der CHARR her. Denn jener Vision eines kobaltblauen Wesens war noch eine andere ge- folgt. Eine Warnung, deren Inhalt Huxley zwar verständlich war, die er aber trotzdem nicht zu übersetzen wußte. »Crook, sofort um ISO Grad abdrehen, mit allem, was drin ist!« schrie er. Gleichzeitig riß er die FO 1 herum und - starrte entgei-stert auf die Koordinaten seiner Allsichtsphäre. Der Pulk der grauen Eiraumer hatte die Schattenstation erreicht. Schwarze, trotz ihrer Dunkelheit irgendwie auf entsetzliche Weise leuchtende Strahlen griffen aus dem immer wieder zusammenbraueZehnten Unsichtbarkeitsschirm nach ihnen. Ganze Teile ihrer Druckkörper wurden erfaßt und herausgerissen. Aber die Eiraumer hielten ihren Kurs unbeirrbar bei. Wie Geschosse, die der Gegner zwar treffen, aber nicht mehr aufhalten konnte. Huxley spürte, wie sich ihm die Haare sträubten. »Verdammt, Maxwell!« fluchte er. »Solange dieser Pulk von Wahnwitzigen die Station angreift, kann ich den Nogk oder wer immer sie sein mögen, nicht helfen. Ich kann unsere Antisphäre nicht einsetzen, ohne zugleich auch die Eiraumer zu vernichten!« Maxwell nickte verbissen, sah Huxley an und wollte etwas sa- gen, fuhr jedoch im gleichen Augenblick abermals herum und starrte entgeistert auf den 180-Grad-Sektor ihrer Allsichtsphäre. Von dem silbernen Raumer schössen haarfeine Strahlen auf den Pulk der angreifenden Eiraumer zu. Jedes der Schiffe, die trotz des immer stärker werdenden Abwehrfeuers der Schallen die Raum- station fast erreicht hatten, auch wenn ihre Druckkörper mit jeder Sekunde mehr und mehr zerfielen, wurde von einem solchen Strahl getroffen. Und dann schlössen Huxley und Maxwell geblendet die Augen. In einem einzigen Zucken, so schnell, so unfaßbar schlagartig, zer- riß eine gewaltige Explosion den Pulk von Eiraumern. Eine flam- mende, unbeschreibliche Helligkeit griff nach der Station der Schatten, sprang an ihr hoch, umfloß sie in einem einzigen, ent- setzlichen Schlag, dessen Ungeheuerlichkeit Huxley auf der FO 1 und Crook im Leitstand der CHARR nur an der Reaktion ihrer In-strumente ablesen konnten. Huxley schrie seinen Männern über die Bordsprechanlage etwas zu, dann warf er seinen Kopf nach vorn und barg ihn in den Ar-men. Ohne zu fragen folgte Maxwell seinem Beispiel. Was da draußen im All um sie herum geschah, das würden sie sich später von den Speichern ihrer Schiffe abrufen, denn alles, auch die
geringste Kleinigkeit wurde von den Tastern registriert, gefiltert und eingespeichert. Selbsttätig würden die Speicherbänke die Vorgänge auswerten, kommentieren und schließlich projekti- onsfertig bis zum Abruf konservieren. Huxley und seine Männer sahen nicht den Blitz, die gewaltige Entladung, die viele Lichtminuten von ihnen entfernt das Univer- sum aufriß, die Station der Schatten und ihre Schiffe verschlang und anschließend silbrig schimmernde Partikelwolken durch das All jagte. Feine Gespinste, die sich innerhalb weniger Minuten in den unermeßlichen Tiefen des Raumes verloren. Colonel Clark hatte den Spruch der CHARR empfangen, noch ehe er zur Landung auf dem drillen Planeten der blaugrünen Sonne 42 43 Tantal ansetzte. Er wirbele herum. »Neuer Kurs, Koordinate: Grün 18:02,66«, brüllte er. »Huxley muß in Gefahr sein, Standort seines Schiffes bestimmen, schnell!« Dann kamen die ersten Peilzeichen des hyperstarken To-Funk- senders. Sofort schwenkte die KUROPA auf den ihr angewiesenen Kurs ein. Und jetzt zeigte sich, wie stark die drei Triebwerke die-ses einzigartigen Schiffes waren. Der rote, im Licht der Sonne Tantal violett aufleuchtende Ringkörper schoß davon. Er erreichte Beschleunigungswerte, die selbst Clark nicht für möglich gehalten hätte. Doch so schnell die EUROPA auch war, sie schallte es nur noch, Zeuge einer weithin sichtbaren, große Teile des vor ihr liegenden Universums überdeckenden Explosion zu werden. Clark erstarrte mitten in seiner Bewegung, mit der er eben eine weitere Kurskorrektur seines Ringraumers vornehmen wollte. Ein Blick auf die Instrumente genügte ihm. Die Masse-Ortung gab ihm überdeullich Auskunft darüber, welche Energien in dem vor ihm liegenden Raumsektor freigeworden sein mußten. Plötzlich stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Mit einer fahrigen Bewegung fuhr er sich mit der Hand über den Nacken. Auch der war plötzlich schweißnaß. »Aus!« sagte er nur und warf seinem 1.0., einem noch jungen Offizier, der unter Clark seinen ersten großen Einsatz in dieser Funktion flog, einen unmißverständlichen Blick zu. Daß der junge Mann bereits die Position eines 1.0. an Bord der HUROPA inne- hatte, verdankte er seinen ausgezeichneten Beurteilungen und der Tatsache, daß Clark genau wie seine Kollegen Szardak und Larsen die Ansicht vertrat, daß Nachwuchs
sich nur an Bord von Schiffen im scharten Einsatz so heranbilden ließ, wie es nötig war, um fä- hige Kommandanten für die sich ständig vergrößernde terranische Raumflotte hervorzubringen. »Los, Kenny!« krächzte Clark mit vor Erregung heiserer Stimme, » versuchen Sie, Verbindung zu Huxley bekommen!« Erst versuchte es der 1.0. Dann schaltete sich Clark in die Bemühungen ein. Sie versuchten es über eine halbe Stunde, ohne Er-gebnis, Nur der To-Funksender der CHARR arbeitete noch. Auf seinen Frequenzen jagte die EUROPA dem Ort der Katastrophe entgegen, bis die Schirme endlich etwas erfaßten, was Clark jäh aus seinem Sitz fahren ließ. Schon während der letzten Minuten hatte er bemerkt, wie seine EUROPA in einer langen Schieile, im- mer den Signalen des Peilsenders folgend, fast an ihren Ausgangs- punkt zurückgekehrt war, an dem sie der erste Ruf der CHARR er- reicht hatte. Als Huxley seine FO 1 herumriß und Crook seinem Manöver so- fort folgte, ahnten die beiden Männer nicht, daß ihnen und ihren Besatzungen dadurch das Leben gerettet wurde. Die Schiffe liefen beide unter höchster Beschleunigung von der Stelle weg, an der die silberne Energie die Raumstation der Schatten vernichtete. Die Energie holte die CHARR und die FO 1 mit ihren Ausläufern und Partikelwolken ein, aber die gleichzeitige Fluchtbewegung der beiden Raumer veränderte durch den Dopplereffekt ihre Frequenz. Nicht viel, dazu bewegten sich die schimmernden Wolken und Schleier viel zu schnell, während sie ständig an Intensität und Dichte verloren, aber eben doch gerade noch genug. Huxley schreckte im Leitstand seiner FO 1 hoch, als die silbrige Helligkeit in das Schiff eindrang. Mühelos überwand sie alle Schutzschirme, durchfloß alle Wände und Schotts. Gleichzeitig bemerkte er, wie eine rötliche, langsam pulsierende Energie seinen Körper zu umfließen begann. Auf seiner Brust, scheinbar in seiner Uniform, brannte in hartem Violett das Emblem der Nogk. Die El- lipse mit den beiden in ihren Brennpunkten rotierenden Sphären. Sein Zweiter Offizier starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an. Huxley sah, wie er den Mund aufriß, um etwas zu sagen. Aber Maxwell brachte kein Wort heraus, ein gurgelnder Laut brach aus seiner Kehle hervor. Maxwell taumelte aus seinem Sitz. Er tat ein paar Schritte auf Huxley zu. Um seinen Körper flimmerte die silb-rige Helligkeit jener unheimlichen Energie.
Dann warf Maxwell plötzlich, noch ehe Huxley ihn zu packen vermochte, die Arme hoch und stürzte zu Boden. Aus der Zentrale meldete sich Chief Erkinsson. Sein Gesicht wirkte unsagbar verzerrt. »Sir, wir, meine Männer und ich...« würgte der Chief hervor, dann fiel er in sich zusammen. Von einer Sekunde zur anderen. Huxley wollte an die Bordsprechanlage springen, aber auch er kam nicht mehr dazu. Eine plötzliche Übelkeit, der auf der Stelle ein stechender, selbst für diesen harten Mann unerträglicher Kopf- schmerz folgte, der sich blitzartig auf den ganzen Körper aus- dehnte, ließ ihn aufstöhnen. Seine zuckenden Hände erwischten die Lehne seines Konturensitzes. Aus den vor Schmerz halbblin-den Augen starrte Huxley um sich, unfähig, sich zu rühren. Wie eine Vision erschien in seinem Bewußtsein abermals jenes ko-baltblaue Wesen, das aussah wie ein Nogk und doch keiner sein konnte. Huxleys Beine knickten ein, die verkrampften Hände lö-sten sich von der Lehne des Konturensitzes. Er glitt mit einem ent- setzlichen Schrei zu Boden. Aber er seihst hörte den Schrei bereits nicht mehr. Im Druckkörper der FO l herrschte die Stille des Todes. Nur das Singen der schweren Konverter und Aggregate, die unverändert weiterliefen, verhinderte die völlige Lautlosigkeit. Auf der CHARR, die dicht neben der FO 1 mit gleicher Geschwindigkeit durch den Raum jagte, sah es nicht besser aus. Ma-jor Crook lag verkrümmt vor einem der Steuerpulte. Sein Körper schien irgendwo zwischen den Koordinaten der Allsichtsphäre des Ellipsenraumers zu schweben. Unweit von ihm hing der Erste Of- fizier, Lee Prewitt, in seinem Sitz. Und genauso sah es auch in al- len anderen Abteilungen des Schiffes aus. Überall lagen die Män- ner auf ihren Stationen, bleich, ohne die geringsten Anzeichen von irgendwelchem Leben in ihren Körpern. Tantal, der kobaltblaue Nogk, saß regungslos unter den glühen-den Koordinaten des Allsichlschirms seines Schilfes. Zu seiner Rechten und zu seiner Linken saßen andere Nogk. Ihre Haut war jedoch lederartig, braun und mit gelben Punkten versehen. Wäh- rend Tantals kobaltblauer, im spärlichen Licht glänzender Körper von einer schimmernden, silbernen Montur umschlossen wurde, trugen sie die gelben Uniformen der Meegs. Gemeinsam starrten sie auf das violett strahlende Emblem, das zwischen den Koordinaten der Allsichtsphäre stand und langsam mit den dahinziehenden Schiffen weiterwanderte. »Es war die CHARR! Deine Waffe hat Huxley vielleicht
tödlich getroffen, Tantal! Wir müssen etwas unternehmen.
Huxley ist zwar Terraner, aber er gehört dem Rat unseres
Imperiums an, Tantal. Er ist unser Freund, wie die Terraner
unsere Freunde sind!«
Tantals Fühler spielten unruhig hin und her.
»Warum kannte ich die CHARR nicht? Warum kenne ich
Huxley nicht? Warum weiß ich vieles, was selbst euch, den
Meegs unserer Rasse, unbekannt ist, aber warum weiß ich nur
so wenig von dem, was unsere jüngste Vergangenheit
betrifft?« wandte er sich fra- gend an die Meegs.
Deren Fühler begannen ebenfalls zu pendeln.
»Wir wissen es nicht, Tantal. Wir wissen auch nicht,
warum du anders bist als wir. Wir können es nur vermuten.
Wenn aber un- sere Vermutungen stimmen, dann droht
unserem Imperium eine neue Gefahr, schlimmer, als alle
anderen vorher, schlimmer auch als jene Feinde, die du mit
der Waffe aus unserer Vergangenheit vernichtet hast!«
Der Meeg, der Tantal am nächsten saß, richtete sich ruckartig auf. »Wir müssen versuchen, Huxley zu retten! Wir werden ihn brauchen. Er hat unsere Rasse schon einmal vor dem Untergang 46 47 bewahrt. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir müssen uns beeilen!« Tantal zuckte bei den letzten Impulsen des Meegs zusammen. »Was willst du damit sagen, wir haben keine Zeit. Warum...«Der Meeg machte eine abwehrende Bewegung, die Tantal zum Schweigen brachte. »Keine Fragen, Tantal, nicht jetzt. Wir Meegs werden versu-chen, den Antrieb der beiden Schiffe auszuschalten. Von hier aus. Wenn das geglückt ist, dann kümmern wir uns um Huxley und seine Terraner!«
Der eiförmige Druckkörper des Nogk-Kampfschiffes schob sich über die beiden dicht nebeneinander dahinjagenden Raumer. Aus seinem Rumpf wuchsen zwei grünliche, leicht pulsierende Kegel, die ihre Spitzen behutsam weiter und weiter gegen die CHARR und die FO 1 vorschoben. In der Zentrale des Nogk-Kampfschiffes saßen die Meegs. Ihre Fühler vibrierten vor Konzentration. Jeder der Meegs wußte, wie gefährlich ihr Unternehmen war. Wenn sie auch nur ein einziges Mal die Energie der beiden Kegel, in deren Zentrum der Impulsstrahl die Speicherbänke der CHARR und des Spindelraumers abzutasten und zu analysieren begann, falsch do- sierten, würden sich die beiden Raumer in
glühende Sonnen ver-wandeln. In unkontrollierbare Energie, die zwischen den Sternen verpuffte. Den Meegs war dieses Verfahren aus der Zeit ihrer großen Kriege bekannt. Schon oft hatten sie derartige Rettungsaktionen durchführen müssen, aber an Eiraumern, an Schilfen, die dem ih-ren in allen Teilen völlig glichen, deren Daten, Aufhau und Steuerungen sie genauer kannten als die der CHARR oder der FO1. Als die Spitzen der Kegel schließlich zur gleichen Zeit die Druckkörper der beiden Schiffe berührten, als der Impulsstrahl geIn den grünlichen Kegeln glitten sie auf die Druckkörper der beiden Schiffe hinab. Tantal und jener Meeg, der sich um den noch unerfahrenen, jungen Nogk kümmerte, bewegten sich über die Hülle der FO 1. Der Meeg, der von Huxleys verschiedenen Be-suchen her den Spindelraumer kannte, fand die Backbordschleuse ziemlich rasch. Vorsichtig probierte er mit dem Aktivator, ob der Mechanismus auf die abgestrahlten Impulse ansprach. Er hatte Glück, Huxley hatte das Schiff nicht über den Sperrcode verrie- gelt. Ungeduldig wartete er mit Tantal, bis sich auch das Innenschott öffnete. Dann lief der Meeg über das stillstehende Transportband des Zentralschachtes, der eine Art röhrenförmige Mittelachse des Raumers bildete und von dem aus die Besatzung jede andere Ab- teilung, jedes andere Deck erreichen konnte. Tantals dunkle Facettenaugen musterten das fremde Schiff. Seine Fühler begannen voller Erregung zu pendeln. »Solche Schiffe gab es schon einmal in der Vergangenheit unse- rer Rasse!« teilte er sich dann dem vorauseilenden Meeg in der lautlosen, bildhaften Art der Nogk mit. Vor dem geistigen Auge des Meeg entstand eine junge, fast noch weißglühende Sonne. Ein Planet, dessen Meere und Gebirgszüge unter einem beinahe wol-kenlosen Himmel lagen. Schlanke Pyramiden erhoben sich in die klare Luft. Große, bronzehäutige Wesen eilten über breite, auf schimmernde Pfeiler gebaute Straßen, die im Bogen zwischen den Pyramiden hindurchführten und sie als hohe Rampen umliefen. Der Meeg blieb unwillkürlich unter der Wucht dieser Bilder ste-hen. »Was weißt du über jene Welt, Tantal?« richtete er seine fragen- den Impulse an seinen Gefährten. Tantals Fühler zuckten. »Ich weiß es nicht. Aber in der Vergangenheit unserer Rasse gibt es
dieses Bild, gibt es jene Wesen, sonst würde ich sie nicht sehen! Und sie sehen jenen ähnlich, die ihr unsere lerranischen Freunde nennt!« Der Meeg setzte seinen Weg fort. Nach einigen weiteren Minu-ten erreichten sie den Leitstand der FO 1. Als sie ihn betraten, starrte ihnen Huxley aus zusammengeknif-fenen Augen entgegen. Mit beiden Händen umklammerte er die Lehne seines Konturensitzes. Seine Züge waren noch immer von dem ungeheuren Schmerz gezeichnet, der ihn überfallen halte, kurz bevor er das Bewußtsein verloren hatte. Der Meeg blieb wie gebannt unter dem Schott zum Leitstand sieben. »Huxley!« teilte er sich mit. »Du lebst! Ich dachte schon, wir würden zu spät kommen. Unsere Watte ist tödlich für alle denken- den Wesen, die von ihr durchdrungen werden!« Huxley nickte müde, noch immer nicht fähig, seine Gedanken zu konzentrieren. Doch dann, als er den kobaltblauen Nogk in der sil- bernen Uniform erblickte, zuckte er zusammen. Und mit diesem Zusammenzucken überwand er auch zugleich seine Schwäche. Jedenfalls dachte er das. Er wußte nicht, daß der Meeg ihm in die- sem Augenblick etwas gab, das er selbst niemals mehr zurücker halten konnte. »Wer ist das?«
Durch einige Impulse klärte ihn der Meeg auf.
Huxley raffle sich auf. »Das hat alles Zeit. Ich muß mich erst
einmal um meine Männer kümmern; helft mir!« Er bückte sich zunächst zu Maxwell, und auch der Meeg folgte ihm, wenn auch mit langsamen, beinahe etwas schwerfälligen Be-wegungen. Aber darauf achtete Huxley in diesem Moment nicht. Gemeinsam untersuchten sie Maxwell. Schließlich richtete sich der Meeg auf. »Ihr hattet großes Glück, Terraner. Wahrscheinlich, weil ihr Tantals Anweisung sofort befolgtet und eure Schiffe in Fluchtrichtung gedreht habt. Unsere Todeswolken brauchten einige Zeit, ehe sie eure Schiffe erreichten. Und die Geschwindigkeit, mit der ihr euch durch den Raum vor ihnen herbewegt habt, verminderte die Impulse pro Zeiteinheit, die eure Körper trafen. Eure Wissenschaftler bezeichnen diese Erscheinung als Dopplereffekt.« Huxley begriff schlagartig. Wenn man einen Stein ins Wasser warf, so bildeten sich kreisförmige Wellen, die sich vom Zentrum mit gleichbleibender Geschwindigkeit ausbreiteten. Bewegte sich ein Schwimmer nun auf den Ausgangspunkt jener kreisförmigen Wellen zu, so schnitt er innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit wesentlich mehr der
ihm entgegenlaufenden Wellen, als wenn er sich vom Einschlagpunkt des Steines aus gemeinsam mit ihnen nach außen bewegt hätte. Denn die Relativgeschwindigkeit der Wellen in bezug auf seinen Körper war dann wesentlich geringer... Huxley sah zu dem immer noch bewußtlosen Maxwell hinüber. »Haben alle meine Männer es so überstanden wie er?« wandte er sich an den Meeg. Der bejahte. »Auf der CHARR sehen die Meegs in diesem Mo ment schon nach und kümmern sich um deine Gefährten, Huxley. Dich hat das Kontaktfeld geschützt. Die Männer dieses Schiffes müssen jedoch sofort in den Sonnenhangar deiner CHARR gebracht werden. Nur dort können wir ihnen helfen. Huxley warf rein zufällig einen Blick auf den Schirm der Allsichtsphäre. Dann sprang er mit einem einzigen gewaltigen Satz 50 51 ans Vipho. Denn zwischen den Koordinaten stand weithin sichtbar und durch das grünliche Licht der Sonne Tantal nicht glutrot, son-dern violett leuchtend der Tofirit-Druckkörpcr der EUROPA. »Huxley an EUROPA!« brüllte der grauhaarige Colonel. »Clark, melden Sie sich!« Sekunden später flammte der Viphoschirm auf. Noch immer starrte Huxley wie gebannt auf den riesigen Ringkörper der EUROPA. Sie bot einen geradezu furchterregenden Anblick. Clarks kantiges Gesicht erschien auf dem Schirm. »Was zum Teufel ist bei Ihnen los, Huxley?« meldete er sich und stutzte im gleichen Moment, als er den Meeg und Tantal erblickte. »Warum haben Sie sich nicht gemeldet, Huxley? Wir sahen die Explosion dieser Silberwolke, dann kamen nur noch die Frequen- zen Ihres Peilsenders. Was war los?« Huxley klärte ihn in aller Kürze auf. »Schicken Sie Boote mit Leuten, Clark! Rasch! Ich fliege die FO 1 jetzt zur CHARR hinüber. Ich weiß aber nicht, oh ich auch in den Hangar hineinkomme. Jedenfalls müssen meine Männer sofort zur Behandlung in den Sonnenhangar des Schiffes!« Clark nickte und gab sofort die notwendigen Anweisungen. »Und was sind das für grüne Kegel, die den Eiraumer und ihre beiden Schiffe miteinander verbinden?« Huxley zuckte zusammen. »Grüne Kegel?« Er fuhr herum und starrte die beiden Nogk As sungslos an. »Ihr habt unsere Antriebe von eurem Schiff aus...?« Der Nogk nickte Huxley zu. Eine Geste, die er im Laufe der Zeit von den Terranern übernommen hatte.
Huxley wurde noch nachträglich kreidebleich. Er spürte, wie sein Herz plötzlich unter seinen Rippen zu hämmern begann. »Wir hatten keine andere Möglichkeit, Huxley. Dein Schiff be schleunigte voll. Es hätte sich von der CHARR getrennt, dann wäre jede Hilfe für uns unmöglich geworden. Von dem anderen Schiff deiner Gefährten wußten wir nichts.« Der Nogk unterbrach sich. Dann sahen seine dunklen Facetten- augen Huxley direkt an. »Wir müssen uns beeilen! Ich habe dir noch einiges mitzuteilen, bevor ich...« Huxley horchte auf. »Bevor du was?« hakte er nach. Aber der Meeg winkte ab. »Später, Huxley! Erst deine Männer, dann teile ich dir alles mit, was du wissen mußt. Anschließend mußt du sofort in unser Impe- rium aufbrechen. Ich fürchte, Charaua wird deine Hilfe dort drin- gend benötigen! Und Tantal wird dich begleiten!« »Und du? Was wird mit dir?« Huxleys Stirn furchte sich. Der Meeg winkte jedoch abermals ab. »Später!« erwiderte er nur. Dann verließ er den Leitstand der FO 1. Unter dem Schott blieb er jedoch noch einmal stehen. »Ich löse jetzt die Kegel von deinem Schiff. Meine Meegs wer-den den Hangar der CHARR öffnen. Fliege die FO 1 sofort ein, wir treffen uns dann im Sonnenhangar wieder!« Huxley hob Maxwell empor und legte ihn in seinen Konturen-sitz. Behutsam prüfte er den Puls seines 11.0. Dann wartete er darauf, daß der Meeg ihm ein Zeichen gehen würde. Gleichzeitig musterte er Tantal. »Du wurdest in diesem System, unter dieser Sonne geboren?« fragte er schließlich. »Ich allein, Terraner. Ich wurde aus Versehen von meiner Rasse vergessen, als sie dieses System mit euch verließ!« »Und was meinte der Meeg damit, daß Charaua unsere Hilfe benötigen würde?« Tantal schwieg eine Weile. »Ich weiß es nicht, obwohl Charaua mein Erzeuger ist. Ich...« Huxley war aufgesprungen. »Charaua ist dein Erzeuger? Du bist also...« »Vergiß nicht, Terraner, daß diese Dinge bei uns Nogk anders sind als bei euch! Trotzdem, ich werde dich nach Reet begleiten!«
Der Meeg meldete sich. Huxley schaltete den Antrieb seiner FO 1 wieder ein. Es war besser, wenn er sich jetzt zunächst so rasch wie möglich darum kümmerte, daß seine Besatzungen ver-sorgt wurden. Alles andere hatte Zeit. Flüchtig schoß ihm in die-sem Augenblick auch wieder jene unheimliche Szene auf dem II-lampuMassiv durch den Kopf. Aber noch unterdrückte er sein Verlangen, Tantal danach zu fragen. Minuten später sank die FO 1 auf ihre Bettungen im Innern der CHARR. Lautlos schloß sich das große Schott über dem Spindelraumer, nachdem auch die Beiboote der EUROPA in den Hangar eingeflogen waren. Als die Kontrollen normalen Atmosphärendruck innerhalb des Hangars anzeigten, öffnete Huxley die Schleusen der FO 1, und Clarks Männer verließen ihre Boote. Der Colonel gab Tantal einen Wink. Zusammen packten sie den immer noch bewußtlosen Maxwell und trugen ihn bis zum Trans- portband des Zentralschachtes. Wenig später holten Clarks Man-; ner auch die anderen Mitglieder der FO 1-Besal/ung aus ihren Stationen. Alles weitere war dann eine Sache von einer halben Stunde. Und während die Meegs des Nogkraumers, der inzwi-schen von Tantal zum zweiten Planeten der blaugrünen Sonne zurückgeflogen wurde, sich um seine Gefährten kümmerten, folg-ten Huxley und Clark mit ihren beiden Schiffen dem allen Nogk-Kampfraumer. Innerhalb der Mauern jener Ringstadt, vor deren Fragmenten Tantal zum ersten Mal das Licht jener blaugrünen Sonne durch seine dunklen Facettenaugen erblickt halte, gingen die drei Schiffe nieder. Der rotbraune Sand, der die ehemals so sauberen Quadern der gewaltigen Stadt längst bedeckt hatte, knirschte unter ihren Landestützen... Die blaugrüne Sonne stieg höher und höher am Himmel des Wüstenplaneten empor. Ihre heißen Strahlen ließen die Luft nim mern, und selbst die riesigen Ringmauern verschwammen zu un- ruhig hin- und herfließenden Gebilden. Huxley, Clark, die Meegs und Tantal saßen im Sonnenhangar der CHARR. Nach und nach begannen auch die Bewußtlosen, sich wieder zu regen. Einer der Meegs stand auf und kontrollierte nacheinander die Kabinen an den kurzen Bögen des ellipsenförmi- gen Gewölbes. Als er zurückkam, spürte Huxley schon von weitem seine beruhigenden
Impulse. »Wir haben Glück gehabt, Huxley!« teilte er sich mit. »Deine Gefährten werden bis Sonnenuntergang alle wieder wach und ge- sund sein. Aber bis dahin müssen sie liegenbleiben. Ich habe die beiden Sonnen entsprechend einreguliert. Wir sollten jetzt begin- nen, alles Notwendige miteinander zu besprechen!« Huxley und Clark nickten. Der grauhaarige Colonel straffte sich. Auch ihm hatten die Stunden unter den Strahlen der beiden künst- lichen Sonnen gutgetan. »Warum habt Ihr von Terra die sechs Totenkegel geholt, ohne uns davon zu verständigen? Ihr müßt doch schwerwiegende Gründe dafür gehabt haben?« Die Meegs zögerten. Huxley spürte es ganz deutlich an den unruhigen Impulsen, die ihre Fühlerpaare verließen. Tantal wandte sich schließlich an Huxley und Clark. Seine dun- klen Augen, die einen geradezu unheimlichen Kontrast zu seinem kobaltblauen Kopf und der helleuchtenden, silbernen Uniform bil- deten, sahen die beiden Terraner an. »Ich habe von den Strahlen jener Sonne die Gabe mitbekommen, in die Vergangenheit unserer Rasse zu blicken, Huxley!« Er erhob sich und stand nun vor den beiden Männern. Erst jetzt fiel es Huxley auf, daß er nicht nur farblich anders als die anderen Nogk aussah, sondern auch kleiner, zierlicher war. Er mochte gut zwei Meter groß sein, aber sein Körper war gertenschlank und besaß jene Biegsamkeit, wie sie sonst nur erstklassige Stahlfedern auf-wiesen. »Jenes Schilf, das damals auf Terra notlandete, hatte einen 54 55 Kommandanten, der noch aus einem der alten Reiche stammte. Er \ lebte bereits, als das Imperium noch in schwere Kriege gegen an- ! dere Rassen verwickelt war und dadurch darauf Bedacht sein \ mußte, immer neue und immer furchtbarere Waffen /u entwickeln. Eine von diesen Waffen habt ihr kennengelernt. Charaua und die anderen Nogk kannten sie nicht mehr, weil sie nach Beendigung der Kriege vom Rat des Imperiums verboten und in der Erinne- rung fast aller Nogk und den Überlieferungen unserer Rasse ge- löscht worden war. Ich hingegen wußte um diese Waffe - warum, das vermag ich nicht zu sagen. Ich wußte auch, daß sich auf eurem Planeten, in einem der Totenkegel, jener Kommandant befand, der den Raumer geflogen und befehligt hatte, der auf seinem Flug zu euch von den Schatten überfallen und dessen Besatzung so schwer angeschlagen wurde, daß das Schiff schließlich auf Terra notlan-den mußte. Die Besatzung brauchte eine sofortige
Tiefschlafphase, wollte sie überhaupt noch eine Überlebenschance haben. Ihr Kommandant aber wurde, damit er nicht sofort zerfiel, zusammen mit anderen gleich schwer Verletzten in jenen Gebilden konser-viert, die ihr irrtümlich als >Totenkegel< bezeichnet. Nogk, die sich in solchen Kegeln befinden, sind nicht tot, sondern bedürfen der Regenerierung, die allerdings nach euren Zeitbegriffen viele Jahr- hunderte dauern kann.« Tantal unterbrach sich für einen Moment und wechselte mit den Meegs einige Impulse, die Huxley nicht verstand. Dann richteten sich seine Facettenaugen erneut auf die beiden Terraner. »Das, was ihr Tod nennt, gibt es auch bei uns. Aber er sieht an- ders aus. Ihr werdet ihn kennenlernen, bald...« Huxley richtete sich auf, aber Tantal wies ihn durch eine Handbewegung an, ihn nicht zu unterbrechen. Mit gefurchter Stirn kam der grauhaarige Colonel der Weisung des kobaltblauen Nogk nach. Tantal halte seine Reaktion jedoch bemerkt. »Sieh es nicht als Unhöflichkeit, Huxley. Aber es gibt noch wichtige Dinge zu besprechen, und uns bleibt nicht mehr viel Zeit! Höre mir also zu! In der ersten Nacht, die ich auf diesem Planeten verbrachte, sah ich viele Dinge. Manche werde ich für mich behal- ten, einige werde ich euch und meiner Rasse mitteilen. So wußte ich, daß sich in den Hangars unter dieser Stadt eines der alten Schiffe befand, einer jener Kampfraumer, der noch über die alte Waffe verfügte. Lediglich ihre Kontrollen waren blockiert. Ich be- gann mich zu konzentrieren. Ich spürte, daß jene Feinde, jene Schatten kommen würden, und zwar sehr bald. Sie überwachen diese Welten, dieses System, weil sie hier einmal eine entschei- dende, ihre erste wirkliche Niederlage erlitten haben. Durch dich, Huxley, durch den Mann, den ihr Janos Szardak nennt, und durch meine Rasse. Die Waffe jedoch, der ihr den Namen Antisphäre gabt, vermag nur ein geringes von dem zu leisten, was die alte Waffe vermochte. Ich wußte, daß der Gebrauch der alten Waffen den Schatten einen Schock versetzen würde. Einen Schock, der sie endgültig aus diesem System vertreiben würde. Das war für mich zu jenem Zeitpunkt lebenswichtig, denn ich wußte nicht, daß du mit deiner CHARR hierherkommen würdest. Denn nur mit diesem Schiff oder mit dem deines Gefährten vermag ich je zu meiner Rasse und nach Reet zu gelangen. Unsere allen Schiffe versagen in jenen Räumen!« Huxley nickte. Er hatte die vergeblichen Versuche der Nogk, mit ihren Eiraumern den Halo der Galaxis zu verlassen, miterlebt. Ihre Antriebe und ihre Einrichtungen waren dafür einfach nicht ge- schaffen. »Ich machte mich also auf die Suche nach dem Schiff, das mir meine
Erinnerung an vergangene Zeiten gezeigt hatte. Ich fand es schon bald. Über die Detektoren in seinem Innern erfuhr ich alles, was ich wissen mußte, um das Schiff allein fliegen und bedienen zu können. Aber das Geheimnis der alten Waffe gaben auch die Detektoren nicht preis. Ich mußte also zu den sechs Totenkegeln auf eurem Planeten fliegen und jenen Kommandanten holen. Das tat ich, wurde dabei aber beinahe von euch überrascht. Ihr hattet Glück. An dem zwischen den Koordinaten aufblinkenden Emblem meiner Rasse erkannte ich, daß ihr zumindest keine Feinde wart. Ich blockierte also die Waffen deiner CHARR mit einer Einrich- tung, über die alle jene alten Kampfraumer verfügen. Du mußt wissen, daß es früher oft geschah, daß Feinde unsere Schiffe ka- perten. Unsere Feinde waren zum Teil noch viel kriegerischer, viel schneller in ihren Reaktionen als wir. Aber sie konnten unsere ei-genen Schilfe nicht gegen uns verwenden, denn jene Sperre be-wirkte, daß niemals ein Nogkraumer den anderen zu bekämpfen vermochte, weder versehentlich noch sonst irgendwie. Auch das war für die Raumschlachten in jener Zeit, als ihr die Raumfahrt noch nicht entdeckt hattet, äußerst wichtig...« »Und warum hast du dann auch die anderen fünf Kegel aus un- seren Bergen fortgenommen?« Huxley konnte sich nun doch nicht mehr zurückhalten. Die ganze Erzählung Tantals kam ihm derartig unwirklich vor, daß er einfach Zeit brauchte, um das Gehörte zu verkraften. »Ich hatte keine Zeit für eine lange Suche. Bevor ich nicht so- weit war, die alte Waffe wieder einsetzen zu können, hätten eure Schiffe mich vernichten können. Vergiß nicht, Huxley, ich ver- fügte nur über sehr spärliche Informationen über die Freundschaft deiner Rasse zu den Nogk! Als sich alle Kegel an Bord meines Schiffes befanden, erkannte ich den Kommandanten schnell. Aber ich wußte nicht, wie ich ihm sein Geheimnis entreißen konnte, denn er befand sich in jenem Zustand der Regenerierung, in den ich nicht einzugreifen wagte. Deshalb flog ich zum innersten Planeten dieser Sonne. Dort fand ich die Meegs, und sie halten mir. Wir erfuhren das Geheimnis. Der Kommandant, den wir dazu gewaltsam wecken mußten, starb. Diesmal endgültig. Mit ihm auch die anderen. Den Grund dafür wissen wir nicht. Ihr Tod war der Preis, den wir entrichten muß- ten.« Huxley tauschte einen gedankenschnellen Blick mit Colonel Clark. Dann sah er die Meegs fragend an. »Wieso wart ihr überhaupt noch im System Tantal? Ich dachte, die
Schiffe Charauas hätten damals alle noch hier verbliebenen Nogk abgeholt und nach Reet gebracht?« Derjenige der Meegs, der auch vorher schon die Fragen Huxleys beantwortet hatte, schüttelte seinen Kopf. Ebenfalls eine Geste, die er von den Terranem angenommen hatte. »So war es geplant. Aber die Anlagen auf Nogk l erforderten doch mehr Arbeit und Zeit, bis sie endgültig in allen Einzelheiten konserviert und versorgt waren für die kommenden Jahrtausende. Deshalb blieb eine Gruppe von Meegs hier. Wir hatten unsere Ar- beit fast vollendet, als etwas dazwischenkam.« Er begann sekundenlang mit den Fühlern zu pendeln. Huxley spürte die Unruhe in seinen Impulsen, während seine dunklen Fa- cettenaugen zu jener blaugrünen Sonnenscheibe emporstarrten, die gleißend zwischen den Koordinaten der Bildschirme des Ellipsen- gewölbes stand. »Was sollen nur diese ständigen Andeutungen...?« Aber der Nogk schüttelte abermals den Kopf. »Warte bis zum Sonnenuntergang, dann wirst du sehen!« Sein großer Körper straffte sich. »Wir schafften es gerade noch, unsere Arbeiten abzuschließen, dann passierte die Sache mit Tantal. Und jetzt fürchten wir um die Zukunft des Imperiums. Du mußt dieses System nach Sonnenun- tergang verlassen, Huxley. Fliege nach Reet und berichte dem Herrscher, deinem Freund Charaua, was du hier erlebt hast. Über die alte Waffe und darüber, ob sie wieder verwendet werden soll oder nicht, mag der Rat des Imperiums entscheiden. Solange wer-den wir dieses Schiff in eines der Depots von Nogk I bringen. Dort ist es sicher, auch vor dem Zugriff der Schatten!« Er gab den übrigen Meegs ein Zeichen. Sie erhoben sich sofort. »Was hier noch zu tun bleibt, erledigen Tantal und ich allein. Bringt jetzt das Schiff in eines der freien Depots und versorgt es. Ihr habt noch Zeit bis Sonnenuntergang. Wenn ihr euch beeilt, dann könnt ihr es schaffen! Und vergeßt nicht, die alte Waffe ge-gen jeden Zugriff zu blockieren. Nur Tantal wird die Sperre zu lö58 59 sen vermögen, wenn der Rat des Imperiums es wünscht!« Gleich darauf wandte er sich an Huxley. »Du bist ein Mitglied des Rates, Huxley. Ich hätte also eigent- lich gar nicht das Recht, in deiner Gegenwart derartige Entschei- dungen ohne deine Zustimmung zu treffen. Aber jenes Schilf läßt sich nicht nach Reet transponieren, wir müssen also so handeln. Berichte Charaua und warte dann seine Entscheidung ab!« Huxley erhob sich zusammen mit Clark. »Gut, aber ich möchte genau wissen, wo dieses Schiff zu finden ist,
falls wir es brauchen. Sage deinen Meegs, daß sie von Nogk I eine diesbezügliche Nachricht in die Speicher meiner CHARR ab-setzen sollen!« Der Meeg nickte und gab die verlangten Anweisungen sofort weiter. Gleich darauf verließen alle Meegs bis auf ihn die CHARR. Huxley sah ihnen nach. »Neun Meegs!« murmelte er. »Mit jenem, der an Bord der CHARR verbleibt, zehn!« Er schüttelte den Kopf. Irgend etwas an der Sache stimmte einfach nicht. »Wie viele Meegs wart ihr, als ihr mit euren Arbeiten auf Nogk I begonnen habt, nachdem die Schiffe Reets die anderen abgeholt hatten? « fragte er, einer plötzlichen Eingebung folgend. Der Meeg zögerte abermals mit der Antwort. »Nach euren Begriffen zweihundert!« teilte er schließlich mit. Huxley fuhr herum. »Zweihundert? Und jetzt seid ihr nur noch zehn?« Der Meeg nickte. »Die anderen sind tot, Huxley. Heute mit Sonnenuntergang läuft auch unsere Zeit endgültig ab. Wir gehören einer Generation an, die jetzt weichen muß! Nur wußten wir es nicht mehr genau, wir konnten durch die verschiedenen Sonnen, unter denen wir in der letzten Zeit gelebt hatten, nicht mehr genau voraussagen, wann je- ner Zeitpunkt gekommen sein würde. Warte bis heule abend, dann werden wir wissen, ob ich mich getäuscht habe oder nicht!« Huxleys Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Deine Generation? Wie viele Nogk auf Reet gehören ihr an? Glaubst du, daß dort inzwischen etwas Ähnliches passiert sein könnte?« Der Meeg nickte abermals. »Ja, Huxley, das fürchte ich. Nicht Charaua, und viele andere auch nicht, aber eine sehr große Zahl sind entweder schon tot oder sterben in den nächsten Wochen. Hoffentlich nicht eher, als bis die Jungen geschlüpft sind. Und hoffentlich sind die Jungen der neuen Generation nicht ebenfalls alle so anders wie Tantal. Das könnte unser Imperium gefährden. Wobei du bedenken solltest, daß Tan- tal noch als durchaus positiv zu bewerten ist. Wenn aber unsere Brut auf der Reise nach Reet nicht zu korrigierende Schäden erlitten hat, wenn sie negativ geworden sein sollte, was dann, Hux- ley? Deshalb mußt du so schnell wie möglich nach Reet. Vielleicht brauchen Charaua und die anderen eure Hilfe!« Huxley stand stocksteif da. Die ganze, nicht auszudenkende Ge- fahr
wurde ihm und Colonel Clark, der die Impulse des Meegs ge- nauso verstanden hatte, schlagartig klar. »Und wie ist... euer Sterben?« fragte er den Meeg nach einer Weile. »Warte den Sonnenuntergang ab, Huxley, dann wirst du es se-hen! Denn ich werde dich bitten, mich auf meinem letzten Weg zu begleiten! « Als die Sonne Tantal hinter den Ringmauern der ehemaligen Stadt verschwand und lange, dunkle Schatten über den rotgelben Sand des Bodens zu kriechen begannen, lagen nur noch die CHARR und die EUROPA dort. Der Eiraumer hatte Nogk II schon vor Stunden verlassen und war in Richtung des Nachbarplaneten davongeflogen. Huxley, der wegen der vorangegangenen Strapazen in einen unruhigen Halbschlaf in seiner Kabine gefallen war, schreckte durch eine Berührung an seiner Schulter hoch. Als er sich aufrichtete, stand der Meeg vor ihm. »Es ist Zeit, Huxley«, teilte er sich in seiner lautlosen Art mit. »In einer Stunde beginnt die Nacht auf diesem Planeten.« Huxley fuhr sich mit beiden Händen durch sein seit vielen Jah- ren ergrautes Haar. Dann warf er einen Blick durch die Direkt- sichtscheiben, wie sie in alle Kabinen an Bord der CHARR auf sei- nen ganz speziellen Wunsch hin von den Nogk eingebaut worden waren. Er sah die langen Schatten, die die Ringmauern bereits warfen. Er sah den in den letzten Strahlen Tantals glutrot zu ihm herüberfunkelnden Ringkörper der EUROPA. Mit einem Ruck kam er von seinem Lager hoch und stand gleich darauf vor dem Meeg. »Ist es unabänderlich?« fragte er. »Können dir weder die künstlichen Sonnen noch sonst irgend etwas mehr helfen'?« Der Meeg schüttelte den Kopf. »So wenig, wie dir eines Tages noch irgend etwas wird helfen können. Auch deine Zeit wird einmal abgelaufen sein, Huxley. Das geht allem Leben so, und das wird sogar für euren Herrscher Ren Dhark so sein. So wenig Furcht du vor diesem Augenblick empfindest, so wenig Furcht habe ich seihst. Zumal wir Nogk den Tod, so wie er in eurer Vorstellung lebt, nicht kennen. Der Tod ist Verwandlung in etwas anderes, Terraner. Auch wir wissen nicht sicher, in was - aber er ist eine Verwandlung.« Die Fühler des Meegs pendelten langsam hin und her. Auch er sah jetzt aus seinen dunklen Facettenaugen zu der Silhouette des
Ringraumers hinüber. »Laß uns eines deiner Beiboote nehmen, Huxley. Ich möchte ganz nach oben auf die höchste Terrasse unserer Stadt.« Huxley nickte. Dann gab er über die Bordsprechanlage die not wendigen Anweisungen. Anschließend machten der Meeg und Huxley sich auf den Weg zum Bootsdeck. Huxley selbst übernahm die Steuerung des Beibootes. Er schickte den wartenden Sergeanten zurück, denn er spürte, daß der Meeg mit ihm allein sein wollte. Schweigend wartete Huxley, bis sich die Schleuse im Ellip-senrumpf der CHARR geöffnet hatte. Dann hob er das Boot aus seinen leitungen und ließ es langsam nach draußen gleiten. Mit minimalem Schuh stieg es im Rund der Ringmauer empor, bis es nur wenige Meter über der höchsten, kreisförmig angelegten Ter- rasse stand. Der Meeg deutete auf eine ganz bestimmte Stelle. Huxley sah genauer hin. Es handelte sich um einen jener großen Quader, wie die Nogk sie benutzt hatten, um in ihren Städten besondere Punkte zu markieren. Schon im System der Sonne Charr waren Huxley diese Quader aufgefallen. Und immer lagen sie an Stellen, wo auch die letzten Strahlen der untergehenden Sonne sie noch er- reichten. Huxley manövrierte das Boot, das in seinen äußeren Formen ei- ner Miniaturausgabe des Ellipsenraumers entsprach, auf jenen Quader zu. Ungefähr zwanzig Meter von ihm entfernt landete er es auf der sonnenbeschienenen Terrasse. Der Meeg nickte Huxley dankbar zu. Dann erhob er sich langsam und ging zum Ausstieg. Der Colonel folgte ihm. Als er die Terrasse betrat, wartete der Meeg bereits auf ihn. »Wir haben noch etwas Zeit, Huxley«, teilte er dem Colonel mit. »Ich habe dich gebeten, mich zu begleiten, um mit dir noch etwas zu besprechen. Wir wollen uns setzen!« Huxley warf einen Blick auf die eigentümlich gefärbte Sonnen- scheibe, die jetzt deutlich sichtbar dem Horizont entgegensank. Über rotgelbe, von Horizont zu Horizont reichende Wüstenforma- tionen, aus denen hier und da die Fragmente ehemaliger Ringstädte emporragten, spannte sich ein mit jeder Sekunde dunk- ler werdender, grünlicher Himmel. »Du wirst nach Reet kommen, Huxley. Charaua wird deinen Bericht erhalten. Aber dann wird er dir von Ellipsenraumern er-zählen, die vor kurzer Zeit mit ihren Besatzungen zwischen den Sternen verschollen sind. Die Schiffe sollten jene rätselhaften Er62 63 scheinungen des galaktischen Spannungsfeldes, des Exspects, un
tersuchen. Außerdem sollten sie in den Raum jenseits des Halos der Milchstraße vorstoßen und erkunden, ob es für unsere Rasse nicht doch einen Weg nach Andromeda gibt. Charaua denkt weit, aber er und der Rat unseres Imperiums denken auch falsch. Die Nogk werden die Andromeda-Galaxis nie erreichen. Nicht lebend. Sie vermögen dank ihrer Technik vielleicht Schiffe zu bauen, die diese Entfernungen zu überwinden imstande sind, aber sie selbst werden jene Zusammenballung von Sonnen, Planeten und fremden Rassen nie erreichen. Das bleibt euch vorbehalten. Eurer Rasse gehört die Zukunft. Ihr seid von allen mir bekannten Rassen die einzige, die im Laufe der kommenden Jahrmillionen ihre Spur durch das Universum ziehen wird. Wenn — wenn ihr keine tödlichen Fehler begeht!« Der Meeg schwieg eine Weile. Dann sah er Huxley plötzlich di-rekt an. »Meine Bitte an dich, Terraner: Schütze den Herrscher unseres Imperiums, bewahre deinen Freund Charaua vor dem drohenden Tod in jenen Räumen. Erlaube nicht, daß er an einer jener Expedi- tionen teilnimmt, die meine Rasse schon sehr bald nach deiner Ankunft ausrüsten wird! Und wenn du Charaua gewaltsam daran hindern müßtest! « Der Meeg wart einen Blick auf die Sonne Tantal, deren Scheibe eben den Horizont berührte, »Denke an meine Worte, Huxley, nur so kannst du dem Impe- rium und seinem Herrscher einen wirklichen Dienst erweisen! Und nun leb wohl, mein Freund. Entbiete Charaua und dem Imperium meinen Gruß!« Der Meeg streckte Huxley seine braune, von gelben Punkten übersäte Hand hin. Huxley ergriff sie und drückte sie heftig. »Ich werde Charaua beschützen, das verspreche ich!« sagte er schließlich. »Das ist gut, Huxley!« Der Meeg drehte sich um und ging aul jenen Quader zu, der in 64 einer Entfernung von ungefähr zwanzig Schritten in den Umgang auf der Terrasse eingelassen war. Er drehte seinen Körper der nun immer schneller sinkenden Sonne entgegen. In seinen dunklen Facetten brach sich ihr letztes Licht, seine gelbe Uniform leuchtete. Tantal verschwand unter dem Horizont. Ein paar Strahlenbündel Schossen noch in den Himmel empor. Es wurde rasch dunkel. Noch immer stand der Meeg bewegungslos wie eine Statue in der hereinbrechenden Dämmerung. Doch dann, von einer Sekunde zur anderen, ging eine Veränderung mit ihm vor. Sein großer, schlanker Körper schien plötzlich zusammenzu-
schrumpfen. Aber Huxley erkannte sofort, daß das eine Sinnestäuschung war. Die Uniform des Nogk fiel in sich zusammen, weil es plötzlich nichts mehr gab, was sie ausfüllte. Alles ging so unfaßbar schnell, daß selbst Huxley nicht dazu kam, genaue, detaillierte Beobachtungen anzustellen. Er registrierte lediglich, wie die gelbe Uniform zu Boden sank. Der Meeg war verschwunden. Huxleys Herz begann heftig zu schlagen. Er wartete mehrere Minuten, ehe er langsam, Schritt für Schritt, auf den Quader zugingDer grauhaarige Colonel fand nur noch eine kleine, kegelför-mige Anhäufung von bräunlichem Staub, der neben der zu Boden gesunkenen Uniform genau in der Mitte des Quaders lag. Die ersten Sterne flammten am Himmel des Planeten auf, als Huxley endlich zu seinem Beiboot zurückkehrte. Das Boot hob Minuten später von der Terrasse ab, blieb noch- mals einen Moment lang über jenem Quader stehen, auf dem Hux- ley aber nur noch schemenhaft die Uniform des Meegs erkannte. Gleich darauf tauchte es nach unten weg. Eine halbe Stunde später verließen die CHARR und die EUROPA mit ihren Besatzungen das System der Sonne Tantal. 65 2. Die Transition der beiden Schiffe verlief ohne Zwischenfälle. Sie legten die gigantische Entfernung von 300.000 Lichtjahren zu- rück, als hätte es sich darum gehandelt, in eines der der Sonne be- nachbarten Sternensysteme zu fliegen. Seit dem Zug der Nogk kannten Huxley und etliche andere Terraner die Gefahren dieser Grenzräume am Rande des Halos der Milchstraße nur zu genau. Sie wußten, daß bei falsch gewählten Sprungdistanzen die An- triebsenergien der Schiffe im Moment des Wiedereintauchens in das Normalkontinuum nahezu vollständig absorbiert, aufgesaugt wurden. Das konnte bei der geringsten Unachtsamkeit sehr schnell zum vollständigen Zusammenbruch der Energieversorgung eines Raumers führen. Bei dem Zug der Nogk waren sie dieser entsetzli- chen Gefahr nur mit knapper Not entgangen. Aber alle Kenntnisse, die Nogk wie Terraner nun über diese vor-her
völlig unbekannten Phänomene in jener Grenzzone besaßen, beschränkten sich auf die Route, die von Terra nach Reel führte. Mittlerweile waren für diese Strecke exakte Sprungpläne für die verschiedenen Raumertypen ausgearbeitet worden, auch wenn man eine solche Reise zur Zeit nur mit den stärksten und modern- sten Schiffen überhaupt riskierte. Colonel Clark und Major Crook, die noch nie ins System der Nogk geflogen waren, starrten fasziniert auf die völlig fremdarti- gen Bilder, die sich ihren Blicken darboten. Hinter ihnen, auf den Hecksektoren der Sichtschirme ihrer Schiffe, schimmerte das Band der Milchstraße. Eine gigantische Zusammenhallung von Sternen, die aus dieser Entfernung bereits ihre Linsenform verriet. Weniger deutlich, wenn auch durchaus erkennbar, ließen sich einzelne Spiralarme der Milchstraße unterscheiden. Das lag daran, daß sich das System der Riesensonne Corr am Rande des Halos der Milchstraße und in ihrer Rotationsebene bewegte. Sie sahen die Heimalgalaxis nicht von »oben« oder »unten« - falls solche Begriffe hier draußen im freien Raum überhaupt noch eine Bedeu- tung besaßen - sondern von der Seite. In Flugrichtung der Raumer stand eine wahrhaft gigantische Sonne. Corr, ein roter Riese, genau wie Beteigeuze im Orion mit dem nahezu unfaßbaren Durchmesser von 400 Millionen Kilome- tern. Daß sie trotz dieser kolossalen Größe dennoch nur die 8.000- bis 9.000fache Leuchtkraft der irdischen Sonne besaß, die gegen diesen Koloß zu einem völlig bedeutungslosen, winzigen Stern zu- sammenschrumpfte, lag an ihrer wesentlich geringeren Dichte. Corr war eine noch sehr junge Sonne. Einer jener Überriesen der Spektralklasse M, die sich im Laufe von Milliarden von Jahren weiter und weiter unter steigender Oberflächentemperatur verdich- teten, bis sie sich zu einem hellstrahlenden, blauweißen Stern ent- wickelt hatten und dann über Gelb und Orange abermals zum roten Riesen wurden. Ihr Ende fanden sie dann entweder als wei- ßer Zwerg oder durch plötzlich auftretende Instabilität, die sie zur Nova oder sogar zur Supernova werden lassen konnte. Der Zeit- punkt jedoch, zu dem das dereinst geschehen würde, lag noch in so weiter Ferne, daß keiner der Männer an Bord der beiden Raumer an diese Möglichkeil dachte. Mehr noch: Es würde auch nie ein menschliches Auge geben, das dieses Schauspiel miterleben könnte, denn zu diesem Zeitpunkt würden die Sonne und mit ihr viele andere Sterne der Milchstraße längst erloschen, längst ausgebrannt sein. Huxley warf einen Blick auf die Koordinaten, ehe er seine Er-
klärungen fortsetzte. Corr besaß fünfzehn Planeten. Möglichkeiten für organisches Leben boten nur die Planeten fünf bis zehn. Intelligentes Leben außer dem der Nogk trug jedoch noch keine jener Welten. Die Pla- neten Corrs hatten zusammen mit ihrer Sonne noch einen langen 66 67 Weg vor sich. Während dieser Zeit konnte sich noch vieles auf ih-nen entwickeln. Die Nogk, die den sechsten Planeten des Systems zum neuen Zentrum ihres Imperiums erwählt hatten, wachten peinlich genau darüber, daß in keine von all jenen Entwicklungen störend eingegriffen wurde. So blieben diese Welten, mit Aus- nahme ihres eigenen Wohnplaneten und des siebten, des achten und des neunten, unberührte, jungfräuliche Trabanten ihrer Sonne. Auch der siebte Planet, der wegen seiner äußerst günstigen klima- tischen Bedingungen speziell für ihre Freunde, die Terraner, zum Gastplaneten ausgebaut werden sollte, der achte und neunte, die als Wasserwelten die Versorgung mit Nahrung aus riesigen, künst- lich angelegten Algenplantagen sicherstellten, wurden nur so weit verändert, wie es unbedingt erforderlich war. Der neue Wohnpla- net der Nogk, eine heiße, von Wüstengürteln überzogene Welt, wies lediglich an den Polen überraschend tiefe Meere auf und Ge- birge, die von dichten Dschungeln überwuchert wurden. Dort al- lerdings, in den Polregionen, ! tobten manchmal Gewitter von einer Heftigkeit, wie sie auf der Erde höchstens zur Zeit des Archaikums stattgefunden hatten, als die heiße Erde von sintflutartigen, nie-mals endenden Regengüssen abgekühlt wurde. Diese Regionen wurden von den Nogk gemieden und höchstens durch Patrouillen- einheiten kontrolliert. Ungeschützt konnten sie sich in diese Ge- biete nicht hineinwagen, denn die Verhältnisse an den Polen ihrer Welt waren für die Nogk tödlich. Die einzige wirkliche Geißel auf Corr waren die durch gelegent-liche Temperaturstürze ausgelösten Staubstürme, die wie die Ge- witter an den Polen ihres Planeten an Heftigkeit alles überboten, was die Nogk bis dahin in dieser Beziehung kennengelernt hatten. Jene Staubstürme hatten die Nogk schon sehr bald gezwungen, von der bisherigen Bauweise ihrer Städte abzurücken. Statt der konzentrisch angeordneten Ringe hatten sie sich zu riesigen Py-ramidenbauten entschließen müssen, die ebenfalls tausend und mehr Meter hoch in den meist violetten Himmel Reets emporrag- ten. Sie boten weitaus besseren Schutz gegen die entsetzlichen Staubstürme, die einige der ersten Ringstädte regelrecht zuge- schüttet hatten, weil der Flugsand sich zwischen den Wohnringen verfing und sie
unter seinen Massen begrub. Jede der Pyramiden, die mit mathematischer Genauigkeit zu je sechs Stück auf ein von gigantischen Quadern gebildetes Areal verteilt waren, war durch gewaltige Tunnel mit den benachbarten verbunden. Auch die ein- zelnen Areale verfügten über derartige Verbindungstunnel unter- einander. Außerdem rührten je nach Lage der Städte Schnelltrans- portschächte hinab zu den unter der Planetenoberfläche gelegenen Raumhäfen. Reet wurde wie Terra von einem globalen Schutz- schirm umspannt, der auf Angriffe fremder Rassen mit Antisphä- ren reagieren konnte, die sich von den einzelnen Abwehrzentren so exakt dosieren ließen, daß sie niemals zur Gefahr für die eige- nen Welten, für das eigene System zu werden vermochten. Starke Verbände von Patrouillenschiffen waren ständig über das gesamte System der Riesensonne Corr verteilt - das Imperium der Nogk existierte wieder. Stärker als je zuvor. Colonel Huxley unterbrach seine Erklärungen, die auch von den Besatzungen der CHARR und der EUROPA über Konferenzschal-tung mitgehört worden waren. »Wir bekommen Besuch!« sagte er zu Major Crook und Tantal und wies auf die Bugsektoren der Allsichtsphäre. »Ein Patrouil lengeschwader der Nogk!« Huxley irrte sich nicht. Die Ellipsenraumer, deren Druckkörper in den roten Strahlen der Riesensonne wie Rotgold funkelten, nä- herten sich rasch den einfliegenden Schiffen. In einem gekonnten, eleganten Manöver nahmen sie die CHARR und die EUROPA in die Mitte ihrer Formation. »Willkommen, Terraner!« Ein Nogk in silberner Uniform sah, ins Riesenhafte vergrößert, aus der Allsichtsphäre auf sie herab. Doch dann stutzte er. Seine Facettenaugen musterten überrascht den kobaltblauen Nogk-Mutanten neben Huxley. »Wer ist das?« drangen Augenblicke später seine fragenden Im- pulse durch den Leitstand der CHARR. Huxley erklärte es dem Kommandanten des Patrouillengeschwaders in aller Kürze. Der Nogk benötigte trotzdem noch eine Weile, um seiner Überraschung Herr zu werden. Erst als auch Tantal sich ihm mitteilte und die Angaben Huxleys bestätigte, kamen seine Fühler zur Ruhe. Huxley schaltete sich ein: »Melde uns Charaua, dem Herrscher des nogkschen Imperiums, und entbiete ihm unsere und die Grüße Terras. Sage ihm aber auch, daß ich ihn sprechen muß, wenn möglich sofort!« In die starren Züge des Nogk schien sich ein Lächeln zu stehlen.
»Unser Herrscher erwartet dich, Huxley. Dich und alle jene Ter- raner, die dich auf deinem Flug in unser System begleiten. Es hat sich viel verändert auf Reet, seit du zuletzt unser Gast gewesen bist!« Huxley entging der Blick nicht, den er nun auf die EUROPA warf. »Was ist das für ein Schiff, Huxley? Unsere Taster haben es analysiert und sprechen von Triebwerken, wie sie keines der uns bisher bekannten Schiffe an Leistung je aufzuweisen hatte!« Huxley nickte. Er kannte das Interesse der Nogk an allem, was auch nur irgendwie mit der Raumfahrt zu tun hatte. »Es ist eine Weiterentwicklung jener Ringraumer, die wir von jenen Wesen übernommen haben, deren Rasse wir den Namen Mysterious gaben. Dieses Schiff stammt nicht von ihnen, sondern wurde von unseren Technikern auf unseren Werften gebaut. Sein Druckkörper besteht aus Tofirit, einem Metall, das noch härter, noch widerstandsfähiger ist als jenes, aus dem die anderen Ring- raumer bestehen. Außerdem hat dieses Schiff statt eines Triebwer- kes derer drei, die je nach Bedarf zusammengeschaltet werden können!« Der Nogk hatte während der Erklärungen kein Auge von der EUROPA gewandt. »Ich würde es mir gerne ansehen, Huxley, nachdem wir gelandet sind. Vielleicht bergen diese Schiffe die Lösung unserer Probleme in sich! Aber darüber wird Charaua dir berichten. Ich will unserem Herrscher nicht vorgreifen. Nochmals: Sei willkommen auf Reet!« Der Nogk verschwand von den Steuerbordsektoren der Allsichtsphäre. Major Crook hatte sowohl die Unterhaltung als auch die Manö-ver der zehn Ellipsenraumer mitverfolgt. Jeder von ihnen war gut neunhundert Meter lang und damit erheblich größer als die CHARR. Seinen geschulten Augen entging nicht, mit welcher ge- radezu unglaublichen Genauigkeit die Nogk den mit solchen Schiffsriesen sehr schwierigen Verbandsflug beherrschten. Er hatte zwar schon sehr viel von der Disziplin dieser seltsamen Rasse gehört. Aber der hier wie selbstverständlich dargebotene Formationsflug hatte Crook ungeheuer beeindruckt. »Tolle Kerle, Ihre Nogk!« wandte er sich an Huxley, aber der grinste ihn nur an. »Warten Sie ab, Crook, bis wir nach Reet kommen! Dort werden Sie und Clark noch ganz andere Dinge sehen. Vermutlich werden wir alle miteinander darüber staunen, was die Nogk in der verhält- nismäßig kurzen Zeit aus ihrer Welt gemacht haben. Ihre Arbeits- einteilung, ihre Schnelligkeit sind mir selbst heute noch manchmal geradezu unheimlich! «
Er warf einen kurzen Blick zu Tantal hinüber, der ihrem Ge- spräch gefolgt war. Er sah, daß ihm seine letzten Worte zu schaf- fen machten, denn seine Fühler spielten unruhig hin und her. Deshalb glitt Huxley aus seinem Konturensitz und legte dem jungen Nogk die Rechte auf seine Schulter. »Auch für dich wird hier auf Reet eine harte Zeit der Ausbildung und des Lernens folgen, Tantal! Dein Volk wird nicht eher ruhen, bis du nicht in allen Aspekten vollständig einer der ihren gewor- den bist.« Tantal richtete sich hoch auf und sah den grauhaarigen Colonel an. »Ich habe bereits in den vergangenen Tagen viel gelernt, Hux70 71 ley! Ich bin ein Nogk und stolz darauf, einer zu sein. Gleich wie meine Hautfarbe ist — und aus welchen Gründen sie sich von der meiner Gefährten unterscheidet. Vielleicht hat mich meine Geburt, hat mich die Strahlung jener blaugrünen Sonne, unter der ich her-anwuchs, zu etwas Besonderem bestimmt. Aber ich werde nicht ruhen, bis in meinem Wissen um die Gegenwart meiner Rasse auch nicht die kleinste Lücke mehr klafft! Ich werde nicht ruhen, bis ich nicht alles mindestens so gut und so schnell zu tun vermag wie alle anderen, und ich werde ein Freund der Terraner sein, wie Charaua, mein Erzeuger, es ist!« Huxley bedachte den jungen Nogk mit einem langen Blick. Dann streckte er ihm impulsiv seine schlanken, sehnigen Hände entgegen. »Du kannst auf mich zählen, Tantal! Wann immer ich dir in ir gendeiner Beziehung zu helfen vermag, werde ich es tun! Dieses i Versprechen gebe ich dir im Namen Terras und aller Terraner!« ! Major Crook hatte sich ebenfalls erhoben und streckte Tantal [ seine Rechte entgegen. Der Nogk ergriff auch sie. Huxley konnte [ sich des Gefühls nicht erwehren, daß er soeben einen bedeutsamen ! Pakt geschlossen hatte, von dem Terra noch stark profitieren würde... Als Huxley die erste der neuen Pyramidenstädte erblickte, die er bisher nur vom Hörensagen kannte, hielt er unwillkürlich den Atem an. Er war von den Nogk so mancherlei an Schnelligkeit ge- wohnt, aber dies hier grenzte an Hexerei. Die Stadt setzte sich aus hundert Arealen zu je sechs Pyramiden zusammen. Sie gruppierten sich um eine kreisrunde Fläche, auf der ein Bauwerk stand, das auf den ersten Blick wie eine der Ringstädte der Nogk aussah. Huxley kniff die Augen zusammen, während seine CHARR
langsam tiefer sank. 72 Der kreisförmige Bau war keine Ringstadt, sondern, wie er erst jetzt zu erkennen vermochte, der Zugang zu einem der Raumhäfen unter der Planetenoberfläche. Die Ringmauer, die die freie Fläche umschloß, war außen zylindrisch, nach innen hin jedoch trichterförmig gestaltet. Die Landefläche vermochte nach Huxleys Schät-zung etwa zehn der großen Ellipsenraumer zur gleichen Zeit auf-zunehmen. Die Höhe der Mauer schätzte Huxley im Gegensatz zu den gut tausend Meter hohen Pyramiden auf etwa fünfhundert Meter. Die Patrouillenschiffe der Nogk blieben zurück. Dafür meldete sieh jedoch der Nogk, der vorher schon mit Huxley Verbindung aufgenommen hatte, abermals. »Landet eure Schiffe dort auf jener Kreisfläche. Sie wird sich mit Ihnen bis zum Raumhafen unter der Oberfläche Reets hinab-senken. Überlaßt die Schiffe dann unseren Technikern. Sie werden sich um alles kümmern und sie an ihre Liegeplätze bringen. Deine FO 1 wird zusammen mit der CHARR von unseren Meegs wie bei jedem deiner Besuche einer gründlichen Überholung unterzogen werden. Um die Mannschaften der Schiffe kümmern wir uns eben- falls. Charaua erwartet dich, Tantal und deine Gefährten im Raumhafen!« Huxley nickte dem Nogk zu, dann klopfte er dem sprachlosen Crook auf die Schulter. Gleichzeitig zuckte er jedoch die Achseln, als er die steilen Falten auf Major Crooks Stirn bemerkte. »Ich kann Ihnen die Frage, die Ihnen vermutlich auf der Zunge brennt, nicht beantworten, Crook. Ich hatte mir zwar einiges vor- gestellt, weil ich die unglaubliche Schnelligkeit kenne, mit der die Nogk von ihnen in Angriff genommene Projekte vorantreiben und vollenden. Wie sie dies hier jedoch geschafft haben, ist mir ebenso schleierhaft wie Ihnen, Crook! Nun, wir werden sehen. Zeitdilata- tion fällt jedenfalls als Erklärung aus! « Die CHARR und die EUROPA senkten sich der kreisförmigen Piste entgegen. Dann setzten die beiden Schiffe auf. Die CHARR zuerst, dann die EUROPA mit ihren mächtigen hydraulischen Stützbeinen, die sich kurz vor der Landung aus ihrem TofiritDruckkörper schoben. Huxley schaltete zur Zentrale durch. Sofort erschien das kantige Gesicht Chief Erkinssons. »Chief, setzen Sie alle Triebwerke still, nur die Bordversorgung läuft
vorerst weiter. Sorgen Sie außerdem dafür, daß die Nogk un- gehinderten Zugang zu allen Abteilungen sowohl der FO 1 als auch der CHARR bekommen. Beide Schiffe werden wie üblich überholt. Besondere Mängel über Detektorenspeicher direkt an die Meegs. Ansonsten spannen Sie ein wenig aus. Ich habe das Ge- fühl, daß ich Sie und die Männer erst kurz vor unserem Start zu- rück nach Terra wiedersehe!« Huxley schaltete ab. Dann wandte er sich an Prewitt und Maxwell, die sich außer ihm, Crook und Tantal ebenfalls noch im Leitstand des Ellipsenraumers befanden. »Prewitt, Sie kümmern sich hier auf Reet um Major Crooks Männer, und Sie, Maxwell, um unsere alte Crew. Zeigen Sie beide den Jungs alles, was hier sehenswert ist. Das dürfte eine ganze Menge sein. Urlaub bis auf Widerruf. Sorgen Sie aber dafür, daß beide Besatzungen über die Zentrale des Raumhafens oder sonstwie immer zu erreichen sind. Und spannen Sie aus, beide. Sie ha ben es sich redlich verdient!« »Aye, Sir!« Die Offiziere salutierten und blickten Huxley nach, bis er zu- sammen mit Tantal und dem hageren Major in einem der Trans- portschächte des Raumers verschwunden war. »Ich nehme an, ich habe in Ihrem Sinne gehandelt, Crook? Ihre Leute kennen sich hier noch weniger aus als meine Crew!« Crook nickte nur flüchtig, während sie bereits die Steuerbord-schleuse der CHARR verließen und auf die gleichmäßig und voll-kommen schattenlos ausgeleuchtete Landepiste hinaustraten. Erst jetzt bemerkten sie, daß sich die Raumer inzwischen mitsamt der Piste in das Innere des Planeten hinabgesenkt hatten. Sie blickten in ein wahrhaft gigantisches Gewölbe, in dem nach einem ganz bestimmten Prinzip geordnet Ellipsenraumer lagen, soweit ihr Blick reichte. Charaua, der Herrscher der Nogk, kam ihnen entgegen. Seine Facettenaugen sahen die Terraner und den kobaltblauen Nogk an, der sich mit vor der Brust gekreuzten Armen tief verneigte. Charaua trat auf ihn zu und richtete ihn wieder auf. »Willkommen auf Reet, Tantal! Das Imperium der Nogk ent- schuldigt sich bei dir dafür, daß du im System jener Sonne, deren Namen du trägst, vergessen wurdest. Aber vielleicht war es auch gut so. Du wirst verstehen, daß ich dich jetzt zuerst unseren Meegs überantworten muß. Sie werden dich untersuchen, deine Mental- muster einspeichern und dich in die Archive unseres Imperiums aufnehmen. Wenn das geschehen ist, werde ich dich rufen lassen. Dann wissen wir mehr, Tantal!« Charaua winkte einer Gruppe von Meegs, die im Hintergrund
wartete. Sie verneigten sich und nahmen Tantal in ihre Mitte. Charaua sah Crook an, der das alles mit zusammengezogenen Brauen verfolgt hatte. »Keine Sorge, Terraner, es geschieht ihm nichts. Aber je eher wir das Geheimnis seiner Veränderung ergründen, desto besser.« Dann erst wandte er sich Huxley und dem neben ihm stehenden Colonel Clark zu. Er nahm Huxleys Hände und hielt sie eine Weile in den seinen. Dann reichte er, terranischer Sitte folgend, auch Crook und Clark die Hand. »Du hast ein Schiff, das unter meinen Kriegern nicht unbeträcht- liches Aufsehen erregt. Es interessiert mich ebenfalls. Es scheint, als hätten unsere terranischen Freunde uns im Raumschiffsbau überflügelt!« Colonel Clark stellte verdutzt fest, in welch schneller Reihen- folge ihm gleichzeitig mit den Impulsen Charauas eine Menge ge-stochen scharfer und erstaunlich informativer Bilder durch das Bewußtsein schössen. Er sah die Werften der Nogk, auf denen sie 74 75 weitere Ellipsenraumer herstellten, die sich jedoch von der CHARR unterschieden. Sie waren flacher und gedrungener als Huxleys Schiff. »Auch wir ruhen nicht, Terraner!« vernahm er erneut Charauas Impulse. »Es mag jedoch sein, daß der von uns eingeschlagene Weg ein falscher ist!« Er trat neben Huxley. »Komm jetzt. Wir müssen viele Dinge miteinander besprechen. Reet hat Fortschritte gemacht, unser Imperium hat sich schneller von seinen Verlusten erholt, als ich zunächst gedacht hatte, denn ein Teil unserer Brut ist inzwischen geschlüpft und hat die Lücken aufgefüllt, die durch den Kampf gegen die Schatten entstanden waren« Er unterbrach sich und blieb unvermittelt stehen. Seine dunklen Facettenaugen richteten sich prüfend auf Huxley. »Du bist unruhig! Ich spüre die Anzeichen der Sorge, der Furcht in dir. Was bedrückt dich? Sprich!«
Huxley schilderte Charaua, was sich auf Nogk II und in der Nahe des Systems der Sonne Tantal ereignet halte. Er schilderte auch den Tod des Meegs. Nur dessen letzte Bitte, seinen Auftrag an den Terraner, verschwieg er Charaua vorläufig noch. Huxley benutzte keine Worte. Für seine Schilderungen benötigte er nur Sekunden, denn er teilte Charaua alles in blitzartig vor sei-ner Erinnerung ablaufenden Gedankenbildern mit. Charaua selbst hatte ihn diese Möglichkeit einer raschen Verständigung gelehrt, hatte Huxley darin geschult. Als Mitglied des Rates des Imperiums mußte er diese Kunst beherrschen. Charaua schwieg. Er erkannte augenblicklich die Gefahr. Aber dann kamen seine für einen Augenblick hin und her zuckenden Fühler wieder zur Ruhe. »Jener Meeg war einer der Ältesten von uns. Ich kannte ihn sehr genau, Huxley. Wenn er mit seinen Befürchtungen recht haben sollte, so wird das Imperium der Nogk dennoch nicht in Gefahr geraten. Unsere gesamte Brut ist gerettet worden. Unsere Meegs 76 haben jede einzelne Puppe untersucht. Die kommenden Genera- tionen haben keinen Schaden erlitten. Täglich schlüpfen Hunderte, und noch immer ist kein Ende abzusehen. Unsere Rasse wird sich nach einer Frist, die ihr auf Terra ein Vierteljahr nennt, um viele zigtausend Nogk vermehrt haben. In einer gesonderten Stadt aber reifen jene heran, die ihr Frauen oder Mädchen nennt, auch wenn sie mit jenen Wesen eurer Rasse nicht zu vergleichen sind, weil sie bei uns nur für eine Weile diese Rolle spielen und sich danach abermals verpuppen. Nach weiteren Monaten der Reifung schlüp- fen sie nochmals und gehören dann zu jener Gruppe von Nogk, die von uns zwar auch zu den Meegs gezählt, jedoch die Bewahrer des Lebens genannt werden! Der Fortbestand unserer Rasse ist gesi chert, auch wenn viele von uns schon in allernächster Zeit sterben sollten!« Huxley war unwillkürlich stehengeblieben. Es war das erste
Mal, daß er erfuhr, auf welche Weise sich die Nogk vermehrten. Doch Charaua zog ihn mit sich fort. »Mich bedrücken andere Sorgen, Huxley. Ich will mich mit dir und deinen beiden Gelehrten darüber unterhalten. Drei unserer Schilfe sind verschwunden. Mit ihren Besatzungen. Und auch das vierte, das wir als Suchschiff aussandten, kehrte nicht zurück.« Charaua hatte einen jener Schächte erreicht, wie es sie auch an Bord der Ellipsenraumer gab. Hier allerdings waren sie viel grö- ßer, viel geräumiger. Außerdem überließ Charaua nicht einfach seinen Körper den grünlichen, langsam pulsierenden Gleitfeldern, sondern bedeutete Huxley und seinen Gefährten, zu warten. Sekunden später stoppte eine golden schimmernde Metallkugel vor der Schachtmündung. Ihre Charaua zugewandte Seite öffnete sich wie die Lamellen einer Blende und gab einen Einstieg in eine Halbsphäre frei, die mit ihren bequemen Konturensitzen reichlich Platz für den Herrscher der Nogk und die drei Terraner bot. Bereits Minuten später stoppte sie abermals und entließ ihre Fahrgäste in die angenehme Helligkeit eines Raumes, von dem Huxley sofort wußte, daß er sich in einer der Pyramiden befand 77 und wahrscheinlich Charauas Wohnung darstellte. Der Nogk bot seinen terranischen Freunden Platz in den sich automatisch auf ihre Körpermaße einstellenden Sitz.schalen an. Anschließend ließ er über eine Servierautomatik einige Erfri schungsgetränke kommen, die Huxley schon kannte und deren Geschmack der grauhaarige Colonel ebenso schätzte wie ihre Wir-kung. Huxley wußte, daß auch dies eine ganz spezielle Aufmerksam- keit der Nogk für ihre terranischen Freunde war, denn für die Nogk selbst waren Getränke dieser Art nicht nur ungenießbar, son- dern sogar gefährlich. Huxley hob sein Trinkgefäß, das aus demselben Material be- stand wie die lichtdurchlässigen Wände der Pyramide. »Trinkt, Kameraden!« sagte er nur. »Ich bin sicher, daß euch das Zeug schmecken wird. Die Nogk haben sich auf diesem Gebiet zu wahren Künstlern entwickelt. Manchmal vermisse ich solche Ge- tränke sogar auf Terra.« Er trank in langen Zügen und spürte, wie jede Müdigkeit fast schlagartig von ihm abfiel. Dann, nach einem abermaligen Blick auf Crook und Clark, wandte er sich an Charaua. »Nun, Charaua, was ist mit euren Schiffen passiert? Wohin und warum habt ihr sie auf die Reise geschickt?«
Charaua begann seinen Bericht ohne alle Umschweife. Je länger er seine äußerst präzisen, wie ein plastischer Film in den Gehirnen der drei Männer ablaufenden Gedankenbilder in schneller Folge aneinanderreihte, desto ernster wurden die Terra- ner. Als Charaua endlich schwieg, herrschte minutenlang Stille. Kei- ner der Männer sagte auch nur ein einziges Wort. Huxley durchbrach schließlich das Schweigen. Er beugte sich vor und legte Charaua seine Rechte auf den Unterarm. Dann sah er den Herrscher der Nogk fest an. »Ich habe dir bisher nichts vorgemacht, Charaua, dich und deine Rasse niemals belogen. Ich werde es auch jetzt nicht tun. Eure Schiffe sind verloren, mitsamt ihren Besatzungen. Vielleicht ver- mögen wir die Raumer zu finden, aber in ihnen werden wir auf Tote stoßen. Falls wir überhaupt noch mehr finden als nur ein paar Häufchen Staub...« Charaua hatte Huxley bis zum letzten Wort zugehört. Seine vier Fühler standen starr und steif empor, was bei ihm stets ein Zeichen höchster Erregung war. Jetzt sprang er auf. Seine dunklen Facet- tenaugen sahen Huxley lange an. »Du hast mir einmal von deinem Zweiten Gesicht erzählt. Da- mals glaubte ich dir nicht, aber du hattest recht, denn wir fanden jene Sonne, jenes System, das du mir prophezeit hattest. Ist es auch jetzt dieses Zweite Gesicht, das dich zu mir sprechen läßt, Huxley?« Der grauhaarige Colonel schüttelte nach einem Moment des Nachdenkens den Kopf. Er spürte, daß er Charauas Frage nur zu bejahen brauchic, um den Nogk dazu zu bewegen, seinen Ratschlägen Folge zu leisten. Aber Huxley wollte es nicht. Nicht diesem Freund gegenüber, für den Lüge, Hinterhältigkeit und Verrat Vokabeln waren, die es weder in seinem Handeln noch in seinem Bewußtsein gab. »Nein, Charaua!« sagte er daher und sah den Nogk aus seinen grauen Augen fest an. »Nein, das ist es nicht, aber meine Vernunft, meine Überlegung sagt mir, daß es sich so und nicht anders verhält!« »Woher willst du wissen, was wir vergeblich zu ergründen versuchten, Huxley?« Huxley erhob sich ebenfalls. Mit langsamen Schritten begann er, in dem riesigen, quadratischen Raum hin und her zu wandern. Ab und zu blieb er an einem der in die Außenwände der Pyramide eingelassenen Fenster stehen, deren leichte Neigung und Trapezform sie für ihn besonders anziehend machten. Die Nogk hatten von jeher beträchtlichen Sinn für architektonische Feinheiten, für
Ästhetik bewiesen. Endlich drehte er sich entschlossen um. 78 79 jede Kontur ihrer Körper sofort annahmen. Und mit einem Mal spürten sie, wie hundemüde und erschöpft sie im Grunde genommen waren... Als Huxley und seine beiden Gefährten wieder erwachten, fühl- ten sie sich wie neugeboren. Die künstliche Sonne im Scheitel- punkt des Gewölbes verstrahlte ein weiches, gleichmäßiges Licht. Charaua stand vor ihnen und sah sie aus seinen dunklen Augen an. »Es ist Zeit, Terraner. Euer Schiff ist mit allem versehen, was ihr braucht. Sechs Meegs werden euch begleiten. Sie wissen, was sie erwartet.« Huxley, Crook und Clark richteten sich ruckartig auf. Keiner von ihnen konnte sich erinnern, sich jemals so ausgeruht und so frisch gefühlt zu haben. Huxley dehnte seinen geschmeidigen Körper, der nach wie vor einem harten Konditionstraining unterworfen wurde, so oft das möglich war. Er ging zu Clark hinüber, während er seine Uniform in Ordnung brachte. »Da wäre noch ein Punkt, Clark« sagte er. Der Colonel blickte auf. »Ja?« »Haben Sie schon darüber nachgedacht, wieviel Mann Besat- zung wir für die EUROPA benötigen? Ich wäre dafür, auf keinen Fall mehr Leute mitzunehmen, als wir unbedingt brauchen!« Clark nickte. »Entspricht genau meiner Vorstellung, Huxley. Es genügt, wenn wir die beiden Waffensteuerungen, die Funk-Z, die Ortungen und die Antriebsaggregate besetzen. Außerdem brauchen wir die ver- fügbaren Wissenschaftler und M-Antriebs-Spezialisten. Im übri- gen läßt sich die EUROPA über Automatik auch von einem einzi gen Mann fliegen. Den Leitstand übernehmen wir drei - Sie, Crook und ich. Das dürfte genügen und sogar eine ideale Beset- zung sein, wie man sie längst nicht immer zur Verfügung hat!« Clark grinste und schloß seine Bordkombination. Dann wandte er sich an Charaua, der ihre Unterhaltung schweigend verfolgt hatte. »Ich nehme an, daß meine Leute inzwischen informiert sind?« Der Nogk nickte. »Deine Männer warten bereits im Raumhafen. Du hast eine aus-
gezeichnete Besatzung, Terraner. Dein Erster Offizier hat bereits eine Auswahl unter deinen Gefährten getroffen, wie du sie eben vorgeschlagen hast!« Clark fuhr überrascht herum. »Kenny!« Er pfiff durch die Zähne. »So viel Umsicht hätte ich diesem jungen Burschen noch gar nicht zugetraut!« Er wandte sich Huxley zu und grinste. »Noch etwas: Es könnte vielleicht nicht schaden, wenn wir Ihre Crew und die des Majors in Bereitschaft legen. Sollte etwas schiefgehen, könnten uns die CHARR und die FO 1 immer noch wesentlich eher zu Hilfe kommen als ein Schiff unserer Freunde! Wir haben das vorhin ja gründlich genug erörtert!« »Geht in Ordnung, Clark. Charaua wird alles Nötige veranlas- sen. Im übrigen werden wir von Ihrem Schiff aus ständig Verbin- dung mit den Tasterstationen Reets halten!« Als die EUROPA von der Piste des Raumhafens abhob und in den nachtschwarzen, nur von wenigen Sternen erhellten Himmel emporstieg, erwartete die Männer an Bord des Ringraumers noch eine Überraschung. Unter ihnen lag die Pyramidenstadt der Nogk in weichem, rötlichem Licht. Die transparenten, durchschnittlich gut tausend Meter hohen Pyramiden schienen zu glühen. Durch ihre Wandungen drang das Licht der künstlichen Sonnen, wie sie die Nogk auch an Bord ihrer ellipsenförmigen Raumer verwende-ten. Die ganze Stadt war in eine milde, angenehme Helligkeit getaucht. Es gab keine Schallen, keine dunklen Winkel. Major Crook starrte mit zusammengezogenen Brauen auf das immer kleiner und kleiner werdende Bild der Stadt. »Sie hatten recht, Huxley!« bemerkte er dann in seiner wortkar- gen, kurzen Art. »Diese Nogk verfügen über technische Fähigkei- ten, wie wir sie uns auf Terra noch nicht einmal träumen lassen können. Sie hatten keineswegs zuviel versprochen!« Er schüttelte den Kopf. Durch die Detektorschulung an Bord der CHARR war er inzwischen über die Lebensgewohnheiten der Nogk informiert. Er wußte, daß diese eigentümlichen Wesen au- ßerhalb ihrer Schlafperioden keinerlei Ruhe benötigen. Ging hinter dem Horizont ihres Wohnplaneten die rote Riesensonne Corr un-ter, erstrahlten die künstlichen Sonnen innerhalb der Pyramiden. »Das Prinzip dieser künstlichen Sonnen sollten wir überneh-men!« brummte Colonel Clark, während er den Kurs seines Schilfes
kontrollierte. »Sie sind stufenlos regelbar, haben eine na-hezu unbegrenzte Brenndauer bei nur sehr geringem Energiebedarf und vermögen Licht in jeder nur denkbaren spektralen Zusammen-setzung zu liefern. Ich schlage vor, Huxley, Sie kümmern sich nach unserer Rückkehr mal um dieses Problem. Ich glaube kaum, daß Charaua Ihnen eine diesbezügliche Bitte abschlagen wird!« Huxley nickte, während seine grauen Augen zwischendurch immer wieder die Ortungen kontrollierten. »Ich werde dran denken, Clark!« erwiderte er. »Jene Sonnen müssen von den Nogk erst in allerletzter Zeit so weit entwickelt worden sein, daß sie sich auch innerhalb der Wohnpyramiden in- stallieren ließen. Im System Tantal waren sie noch an die mathe- matisch exakt berechneten Gewölbe im Inneren der Ellipsenrau-mer gebunden!« Danach verstummte die Unierhaltung bis auf die Anweisungen, die Clark den Männern seiner Besatzung hin und wieder gab. Die EUROPA beschleunigte. Innerhalb weniger Minuten schrumpfte Reet, dann das ganze, fünfzehn Planeten umfassende System der Sonne Corr unter ihren Blicken zusammen. Clark schaltete die Bordsprechanlage ein. »Zentrale an Funk-Z, Verbindung miteinander hergestellt, die Leitzentrale soll uns über Leitimpulse genau in den Kurs einweisen, den die verschollenen Raumer der Nogk geflogen sind! Abweichungen müssen augenblicklich korrigiert werden!« »Aye, Sir, ich verständige Reet!« Der Funkoffizier verschwand vom Bildschirm. Doch Clark sprach schon weiter. »Zentrale an C-Deck! Alle Antriebsaggregate genau überwachen, geringste Veränderung sofort überprüfen, Ergebnis an Zen- trale!« Der Chief, ein etwa vierzigjähriger Spezialist der M-Technik, der vom ersten bis zum letzten Tag den Bau des Ringraumers be- aufsichtigt und maßgeblich an der späteren Installation und den Probeläufen der drei Mysterious-Triehwerke mitgewirkt hatte, nickte. Trotzdem schaltete sich Huxley nach einem fragenden Blick zu Clark ebenfalls in das Gespräch ein. »Denken Sie daran, Chief«, sagte er, »wir sind bereits über 300.000 Lichtjahre von unserer Milchstraße entfernt. Mit jeder
Sekunde entfernen wir uns gegenwärtig um weitere 100.000 Ki
lometer. Wir müssen jeden Augenblick damit rechnen, daß wir den
Einflußbereich des Halos endgültig verlassen und in das Exspect
geraten. Sie erkennen das am sprunghaft ansteigenden Energiever-
brauch. Achten Sie bitte sorgfältig auf Ihre Instrumente, Chief. Denn mit dem Eintritt ins Exspect wird die Sache gefährlich!« Huxley warf einen Blick zu den sechs Meegs hinüber, die hinter ihren Instrumenten auf der die Zentrale ringförmig umlaufenden Galerie saßen. Aber noch schienen sie unverändert, noch vermochten auch Huxleys scharfe Augen keine bedrohlichen Anzeichen bei ihnen zu entdecken. Er nahm sich jedoch vor, höllisch aufzupassen, denn er vergaß 86 87 keine Sekunde, daß er der einzige Mann an Bord dieses Schiffes war, der bereits Erfahrungen mit den Tücken und Gefahren des Exspects gesammelt hatte. Aber es geschah nichts. Die EUROPA beschleunigte weiter und erreichte kurz darauf Lichtgeschwindigkeit. Der Zeitpunkt der er- sten Transition in den Leerraum zwischen zwei Galaxien war ge-kommen. Er verglich noch einmal die letzten Informationen der Tastersta- tion auf Reet mit ihrer eigenen Position. »Ohne jeden Zweifel sind die drei verschollenen Nogkraumer zumindest bis hierher gekommen!« knurrte er dann. Abermals warf er einen Blick auf eine Folie, die in diesem Moment vom Suprasensor ausgestoßen wurde. »Auch das vierte Schiff hat sich aus diesem Raum noch einmal gemeldet! Kurz danach muß es dann in Transition gegangen sein, und zwar mit genau den gleichen Daten wie die drei anderen vor ihm!« Er schwang plötzlich in seinem Sitz herum. »Warten Sie noch mit der Transition, Clark! Ich werde auf Reet rückfragen, ob die Nogk uns genaue Angaben über die Geschwin- digkeit des Suchschiffes kurz vor seinem Sprung ins Exspect ma-chen können. Danach könnte unser Suprasensor wenigstens die Koordinaten bestimmen!« Clark nickte und machte sich zusammen mit Crook daran, die EUROPA etwas abzubremsen. Die Antwort von Reet kam mit einer Verzögerung von nur we- nigen Minuten. Anschließend übernahm Huxley die Arbeit, den Suprasensor mit den Angaben zu füttern. Huxley reichte das Resultat dem neben ihm sitzenden Clark. »Versuchen wir es, Clark!« brummte er, und der Kommandant der EUROPA nickte. Der Ringraumer beschleunigte abermals. Und dann, von einer Sekunde zur anderen, war es soweit. Schon daran merkten die Männer
im Innern des Raumers, daß etwas nicht stimmte. Das erste, was Clark nach der Transition in die Augen sprang, war die Warnlampe am Instrumentenpult. Der Colonel wirbelte herum. Dann sah er nach den anderen Instrumenten. »Verdammt! Huxley, Crook, unsere Sprungdistanz hat nicht gestimmt! Wir befinden uns tief im Exspect! Viel tiefer, als wir sein dürften.« Huxley glitt aus seinem Sessel und lief zu Clark hinüber. »Welche Distanz hatten Sie in den Suprasensor gegeben, Clark? « »5.000 Lichtjahre, genau wie besprochen.« Der grauhaarige Colonel nickte. Etwas Ähnliches war ihm schon einmal passiert, damals auf dem Zug der Nogk. Sie konnten die Sprünge bemessen wie sie wollten, immer fielen die Distanzen an-ders aus. Huxley überlegte fieberhaft. Damals hatte sich die Sprungdi- stanz von Mal zu Mal verringert, gleichzeitig war der Energiever- brauch sprunghaft angestiegen. In diesem Moment meldete sich der Chief aus dem C-Deck. »Unsere Aggregate arbeiten mit höchster Last, obwohl ich an den Einstellungen gar nichts verändert habe. Es ist, als ob jemand die Energie förmlich aus ihnen heraussaugt.« Huxley nickte abermals. »Schalten Sie vorübergehend ab, Chief. Setzen Sie einfach alles still. Lassen Sie vorläufig nur die Aggregate für die Bordversor- gung laufen. Wir müssen erst einmal herausbekommen, wo wir uns befinden und wie weit wir ins Exspect vorgestoßen sind. Denn daß wir drin sind, das ist uns ja wohl allen klar, oder?« Der Chief nickte. Dann verschwand sein schmales Intellektuellengesicht vom Schirm. Gleich darauf verstummte das dumpfe Summen, das bisher den Leitstand der EUROPA erfüllt hatte. Huxley ging zu Crook hinüber. »Was machen die Ortungen, Crook? Irgendwelche Kontakte?«
Er wollte sich schon abwenden, als der hagere Major ihn zurückhielt. »Warten Sie, Huxley! Die Materieortung hat angesprochen.«
Colonel Clark war mit einem Satz bei den beiden. Crook ver-suchte, den Oszillo genauer einzuregulieren. Er brauchte unver-hältnismäßig lange, aber das laß nicht etwa daran, daß er sich un-geschickt anstellte. Irgend etwas stimmte nicht, die Blips kamen verzerrt, undeutlich. Eine Erscheinung, die Clark an den Ortungs- systemen seines Schiffes noch nie beobachtet hatte. Doch dann, plötzlich, wurden sie klar. »Einer der verschollenen Nogkraumer!« Crook starrte ungläubig auf den Schirm und wandte sich dann Huxley und Clark zu, die unmittelbar hinter ihm standen und ihm über die Schulter blickten. Unwillkürlich sah Huxley zur Galerie empor, wo die sechs Nogk eben noch vor ihren Instrumenten gesessen hatten. Und dann blieb er stocksteif stehen, unfähig, auch nur eine einzige Bewegung, einen einzigen Schritt zu tun. Die Plätze der Meegs waren leer. Clark sah, wie der grauhaarige Colonel plötzlich seine gesunde braune Gesichtsfarbe verlor. Er wurde kreidebleich, während ihn eine entsetzliche Ahnung beschlich. Er riß sich aus seiner Erstarrung, während sein geschulter Ver-stand bereits begriff, was dort oben auf der Galerie geschehen war. Unwillkürlich schössen ihm bruchstückhaft die letzten Impulse des Meeg durch den Kopf, der auf der obersten Terrasse jener alten Ringstadt vor seinen Augen zerfallen war. Seine Mahnung, Cha-raua notfalls sogar mit Gewalt daran zu hindern, an einer Expedi- tion zur Erforschung des Exspects teilzunehmen. »Die Meegs!« stieß er hervor, noch immer einen winzigen Hoff- nungsschimmer in sich, daß er sich vielleicht doch irrte, daß sie vielleicht nur bewußtlos vor ihren Instrumenten lagen. »Was...?« Clark unterbrach sich und warf nun ebenfalls einen Blick zur Galerie hinauf. Huxley jedoch hatte inzwischen seinen Schock endgültig übcr wunden. Mit einigen Sätzen durchmaß er die Strecke bis zu jener metallenen Treppe, die auf die Galerie führte. Dann flog er die Stufen förmlich hinauf. Bevor er noch oben war, erkannte er schon, daß hier jede Eile vergebens sein würde. Den sechs Meegs vermochte niemand mehr zu hellen. Ihre Uniformen lagen zusammengesunken in den Kon- turensitzen. Neben den Sitzen aber, wie herabgerieselt, sechs fast gleichgroße, kegelförmige Anhäufungen des bräunlichen Staubes. Colonel Huxley, der Mann, den so leicht nichts umzuwerfen vermochte, drehte sich langsam zu seinen beiden Gefährten herum. »Sie sind tot!« sagte er. »Zerfallen zu Staub, genau wie jener Meeg auf Nogk II, von dem ich euch erzählt habe.«
Ohne ein weiteres Wort setzte er sich auf die oberste Treppen- stufe und starrte vor sich hin, während Clark und Crook langsam zu ihm heraufkamen. Huxley dachte voller Entsetzen daran, daß direkt neben seinem eigenen Sitz Charaua den gleichen Tod gefunden hätte, wäre er von jenem Meeg nicht so eindringlich gewarnt worden. Denn nie wäre es Huxley von selbst in den Sinn gekommen, Charaua prak- tisch zu zwingen, auf Reet zu bleiben, indem er ihn mit seinen ei- genen Waffen schlug, ihn an seine Pflichten dem Imperium ge- genüber erinnerte. Ausgerechnet Charaua, in dessen Leben es au- ßer seiner Freundschaft zu ihm nie etwas Wichtigeres gegeben hatte als Pflichterfüllung. Und dann, als Huxley schon dachte, er wäre über das Schlimm- ste hinweg, fuhr er plötzlich so heftig in sich zusammen, daß sogar Major Crook ruckartig herumzuckte und Huxley aus seinen selt- sam durchdringenden Augen fragend anstarrte. Der Colonel stand auf. Er trat auf die beiden Gefährten zu. In dieser Sekunde erst war ihm klargeworden, wie nahe die ganze Rasse der Nogk damals ihrem Untergang gewesen war, als sie vom System Tantal mit ihren Schiffen zur Andromeda aufgehro-chen war. Ein einziger falscher Sprung, eine falsche Kopplungs 92 koordinate, die die Ellipsenraumer weit genug ins Exspect hinein geschleudert hätte, und von einer Sekunde zur anderen hätte es im Innern der Schiffe nur noch jene kegelförmigen Anhäufungen bräunlichen Staubes gegeben. Im Universum hingegen eine Gei- sterflotte von vielen Tausenden von Schiffen. Leer, mit zucken- den, flackernden Kontrollen, mit Aggregaten, die in jeder weiteren Sekunde ihre Energie ins Vakuum abgaben. Bis auch damit Schluß gewesen wäre. In den Schiffen jener Geisterflotte wären die Lich-ter ausgegangen, nach und nach wären sogar die beiden künstli- chen Sonnen in den Räumern erloschen und die eisige Kälte des Weltraums in jeden Winkel der Ellipsenraumer gekrochen. Und dann, dann wäre jene Flotte von Totenschiffen Äonen hindurch durch das Exspect getrieben. Vielleicht hätte sie die Gravitation im Laufe der Zeit zu einem golden schimmernden Klumpen vereint, bis eines fernen Tages eine andere Rasse sie gefunden und das ganze Ausmaß jener Tragödie erfaßt hätte, die sich irgendwann einmal im Raum zwischen zwei benachbarten Galaxien abgespielt haben mußte. Zwischen zwei Galaxien, die den Begriffen jener Rasse nach vielleicht nur einen Raumsprung voneinander entfernt waren, gemessen an jenen anderen Entfernungen, die das Univer- sum in seiner Unendlichkeit noch bereithielt. Huxley starrte seine beiden Gefährten an. Dann aber ging ein Ruck durch seinen hageren Körper. Er erhob sich.
»Clark«, krächzte er mit kaum verständlicher Stimme, »lassen Sie einen Doc kommen. Er soll die Überreste jener Unglücklichen in Gefäße füllen und diese dann fest verschließen. Wir werden sie mit nach Reet nehmen. Und jetzt will ich versuchen, ob ich mit Reet von hier aus Verbindung bekomme. Ich will Charaua berich- ten, was geschehen ist, ich will ihn und seine Nogk noch einmal warnen.« Huxley ging mit steifen, hölzernen Bewegungen die Treppe hinab. Gleich darauf versuchte er über den hyperstarken To-Funk- sender der EUROPA Verbindung mit Reet zu bekommen. Zu sei- ner Überraschung kam sie auf Anhieb zustande. Klar und deutlich 93 erklang die Stimme Maxwells, seines Zweiten Offiziers, der sich offenbar im Wechsel mit den anderen Männer seiner Crew die Wache an der Tasterstation teilte, deren Frequenzen für die Dauer der Expedition einzig und allein dem Ringraumer vorbehalten waren. Über die Tasterstation war es der EUROPA sogar möglich, Bildfunk von Reet zu empfangen und auch dorthin abzustrahlen. »Geben Sie mir Charaua, Maxwell, aber rasch.« Huxleys Stimme klang immer noch heiser. Es dauerte einige Sekunden, bis Charaua auf dem Schirm des Ringraumers sichtbar wurde. »Der Meeg hatte recht mit seiner Warnung, Charaua!« begann Huxley ohne alle Umschweife seinen Bericht. »Wir befinden uns im Exspect, wenn wir auch noch nicht ermitteln konnten, wo. Die sechs Meegs sind tot. Zu Staub zerfallen.« Huxley sah das Erschrecken nicht nur, das durch den Körper Charauas ging, er spürte auch den Impuls, der wie ein Schrei schmerzlich durch sein Bewußtsein brach. Doch gleich darauf hatte sich der Herrscher der Nogk wieder fest in der Gewalt. »Das war es also! Deshalb kehrte keines unserer Schiffe wieder zurück! Huxley, weißt du, was das für meine Rasse bedeutet?« Huxley nickte langsam. »Ich weiß es, Charaua. Ihr könnt unsere Galaxis nicht verlassen. Es gibt für euch und eure Raumer eine Zone, hinter der der Tod beginnt. Der vollständige und unabänderliche Tod.« Huxley spürte, wie es in Charaua arbeitete. Er würde viel Zeit brauchen, um diesen neuen Schlag wirklich zu überwinden. Diese Entscheidung war für seine Rasse endgültig. Doch Huxley ließ Charaua keine Zeit zu weiteren Überlegungen. Er warf einen Blick auf den Schirm der Materieortung. »Eines eurer Expeditionsschiffe haben wir gefunden. Es treibt im Exspect. Ich nehme an, daß es sich um das vierte handelt, das ihr als Suchschiff den drei anderen vorher verschollenen hinterher- schicktet.
Wir werden versuchen, es zu erreichen und festzustellen, was dort geschehen ist.« Charaua nickte Huxley zu. Doch der Colonel war noch nicht fertig. »Schicke uns einen Verband Ellipsenraumer entgegen, aber nur so weil, wie der Halo reicht. Geht kein Risiko ein. Meine CHARR soll mit meinen Männern und der Besatzung Major Crooks unver-züglich starten. Wir werden versuchen, euren treibenden Raumer mittels Intervallschlepp dem Exspect zu entreißen. Wahrscheinlich ist die Energieversorgung unseres Ringraumers hinterher derartig erschöpft, daß auch wir Hilfe brauchen. Richte meinem Ersten und meinem Zweiten Offizier aus, daß die Männer Crooks die in der CHARR und der FO 1 deponierten Beiboote der JAPETUS sofort einsatzbereit machen sollen. Wir werden sie brauchen, sobald wir dem Exspect entronnen sind. Wir melden uns wieder, wenn wir Näheres über euer Suchschiff in Erfahrung gebracht haben. Versucht bitte, unsere Position von Reet aus zu bestimmen. Ich be-zweifle, ob es uns von hier aus exakt möglich sein wird.« »Du kannst dich auf mich verlassen, Huxley. Du und deine Ge- fährten! Ich werde selbst an Bord der CHARR sein, Freund.« »Aber vergiß unsere Abmachung nicht, Charaua.« Der Nogk schüttelte den Kopf. So etwas wie Trauer lag sekun- denlang in seinen großen, dunklen Facettenaugen. »Wenn alles vorbei ist, Huxley, wird der Rat des Imperiums zusammentreten. Er wird ein Verbot für unsere Raumer erlassen, je- mals wieder in das Exspect einzudringen. Auch auf Reet hat es in- zwischen Überraschungen gegeben. Es sind bisher fünfzig kobalt-blaue Nogk geschlüpft. Sie haben Tantal zu ihrem Führer erwählt. Die Untersuchungen unserer Meegs sind noch nicht abgeschlos- sen. Tote haben wir bisher noch nicht zu beklagen. In diesem Punkt hat sich jener Meeg auf Nogk II hoffentlich geirrt. Aber über all diese Dinge werden wir später noch miteinander beraten, Huxley. Nach der Rückkehr eures Ringraumers wirst du nicht sofort nach Terra zurückkehren können, richte dich schon jetzt darauf ein. Denn der Rat unseres Imperiums wird viele wich- tige Entscheidungen für die Zukunft treffen werden müssen. Wir 94 95 wollen dich dazu hören, Huxley.« Charaua nickte seinem terranischen Freund abermals zu, dann verblaßte sein Bild. Der Arzt kam und erfüllte seine traurige Pflicht. Auch er wurde kreidebleich im Gesicht, als er den wahren Sachverhalt erfuhr. Un-ruhig fuhr er sich über sein dichtes, blondes Haar. Er sah die drei Offiziere an. »Vielleicht hat hier die Natur in ihrer Weisheit eine unüber-windliche
Barriere errichtet!« sagte er leise. »Haben Sie einmal darüber nachgedacht, daß wir, würden wir je in unsere Nachbarga- laxis gelangen, möglicherweise für die dortigen Rassen absolut tödliche Mikroben einschleppen könnten? Oder auch umgekehrt? Wir müssen doch zugeben, wenn wir ehrlich bleiben, daß wir alle miteinander über die AndromedaGalaxis nicht viel wissen! Aus dieser Entfernung läßt sich ja nicht einmal mit Sicherheit bestim- men, welcher Sternentyp das Gros ihrer Sonnen ausmacht! Nein, vielleicht später einmal, aber im Moment gebärden wir alle uns wirklich noch wie die Kinder, die, kaum daß sie eine Sache in ihren Händen halten, von der sie noch gar nicht wissen, was sie alles damit anfangen können, bereits nach der nächsten greifen!« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, verließ der Doc die Zentrale. Major Crook starrte ihm mit gefurchter Stirn hinterher. Das Ver-halten des Arztes fand keinesfalls seine Billigung, auch wenn er ihm im Stillen sogar recht geben mußte. Doch davon merkten Clark und Huxley nichts. Sie waren bereits damit beschäftigt, die ungefähre Entfernung des treibenden Nogk-raumers zu bestimmen. Bei dem Schiff handelte es sich, wie sie nach und nach herausfanden, um einen Ellipsenraumer der 900-Meter-Klasse. Clark rutschte in seinen Konturensitz. Dann stellte er die Verbindung zum Deck her, in dem die drei Antriebsaggregate der EUROPA untergebracht waren. Der Chief meldete sich sofort. »Wie steht es, Chief, ist bei Ihnen alles in Ordnung?« Der Chefingenieur der EUROPA nickte. »Gut, dann geben Sie Energie auf die Antriebe. Aber seien Sie vorsichtig, wir müssen uns an einen treibenden Nogkraumer heranmanövrieren. Unsere Distanzortungen versagen leider aus einem mir noch nicht bekann- ten Grund. Aber wir haben einen ungefähren Wert über die Mate- rieortung bekommen. Wenn wir das Schiff untersucht haben, dann versuchen wir, es im Intervallschlepp aus dem Exspect in den Halo zurückzubringen. Treffen Sie bitte sofort alle Vorbereitungen. Sollten unsere Energiereserven dabei zum Teufel gehen, dann ist es auch nicht weiter schlimm, denn im Halo erwartet uns ein Ver- band von Ellipsenraumem und Huxleys FO 1. Ende. « Der Chief nickte nur kurz. Gleich darauf erfüllte das leise Brummen der Antriebe wieder die Zentrale. Langsam beschleu- nigte der Ringraumer, aber er tat sich sehr schwer dabei. Das be- merkten die drei Männer in der Zentrale ganz deutlich. Clark fragte nach.
»Der Energieverbrauch ist gewaltig, Sir!« bekam er vom Chief zu hören. »Er steht in überhaupt keinem Verhältnis mehr zur Lei- stung. Hoffentlich schaffen wir noch die Bergung des Nogkschif-fes.« Sie erreichten den Nogkraumer in einer knappen Stunde Bord- zeit. Huxley erhob sich aus seinem Konturensitz, nachdem er das Schiff kritisch gemustert hatte. Es wies keinerlei äußerlich erkenn-bare Schäden auf. »Kommen Sie, Crook! Wir beide gehen hinüber.« Er wandte sich an Clark. »Gehen Sie mit der EUROPA so dicht wie möglich heran. Ich möchte mich in diesem teuflischen Exspect nicht gern auf einen Beibootantrieb verlassen müssen. Crook und ich leinen uns an der EUROPA an, fast wie in den Anfängen der Raumfahrt. Dann ver- suchen wir unser Glück mit einem kräftigen Schwung. Wenn es nicht klappen sollte, versuchen wir es eben nochmals. Aber auf diese Weise kann wenigstens absolut nichts passieren! Nichts ge gen die Technik, doch oft sind die primitiven Methoden die besse- ren.« Zusammen mit Crook verließ er die Zentrale und machte sich auf den Weg zur Hauptschleuse. Dort legten sie beide die Raum- anzüge an, hakten die Sicherheitsleinen an ihren Gürteln und in den für sie vorgesehenen Ösen im Innern der Schleusenkammern fest und warteten, bis Clark die Kammer über Pumpen entleerte und dann das Außenschott öffnete. Huxley und Crook erkannten auf den ersten Blick, daß Clark in zwischen ein geradezu meisterhaftes Manöver mit seinem Ring-raumer durchgeführt hatte. Vor sich erblickten sie den gewaltigen, goldschimmernden Rumpf des Ellipsenraumers. Zum Greifen nahe trieb er neben der EUROPA durch die Unendlichkeit. Weit hinten, fast vom Druckkörper des Ellipsenraumers ver- deckt, erblickten die beiden Männer den hellen Fleck ihrer Beimatgalaxis, der Milchstraße. Auf ein Zeichen Huxleys sprangen sie beide zugleich. Ihre Kör-per trieben durch die Dunkelheit des Raumes, den keine Sonne mehr erhellte. Erst als die starken Scheinwerfer der EUROPA plötzlich aufflammten und ihr Ziel hell beleuchteten, wich der Druck, die Be klommenheit, die diese gähnende, schwarze Leere rings um sie herum in ihnen hatte aufkommen lassen. Huxley atmete auf. Er neigte zwar nicht dazu, jenen gefürchteten
Raumkoller zu bekommen, aber ihm war angesichts des Riesen- raumers, in dem es sicherlich keinerlei Leben mehr gab, gar nicht wohl in seiner Haut. Und Crook, diesem unerschrockenen Mann, der schon so manches Schiff samt Besatzung mit seiner JAPETUS in todesmutigem Einsatz gerettet hatte, erging es nicht um einen Deut besser. Als sie endlich gegen den Druckkörper des Ellipsenraumers trieben und Huxley die Sicherheitsleine von seinem Gürtel los-hakte und sie mittels eines Magnetankers an dem Nogkraumer befestigte, schüttelte er sich instinktiv. Crook sah es und wunderte sich keineswegs. »Wenn ich hier heil heraus bin, Crook«, sagte Huxley über die Sprechanlage seines Raumhelmes, »dann werde ich endlich einmal Urlaub machen. Ganz gleich, was passiert. Im Moment habe ich die Nase gestrichen voll, das können Sie mir ruhig glauben.« Er fing den dankbaren Blick auf, den der Major ihm zuwarf. Wenig später erreichten sie eines der Schotts an der Unterseite des Raumers. Huxley brauchte keine zwei Minuten, um den Öff- nungscode aus seinem Aktivator abzustrahlen. Dann wartete er ge- spannt, ob überhaupt noch so viel Energie in den Speichern des Raumers vorhanden war, wie benötigt wurde, um das Lamellen- schott zu öffnen. Er hatte Glück. Die Detektoren sprachen an, und gleich darauf war Huxley auch schon in der Schleusenkammer des Nogkraumers verschwunden. Er wartete, bis Crook heran war, dann schloß er das Außenschott, um nun die innere Lamelle öffnen zu können. Ihre schlimmsten Erwartungen wurden noch übertroffen. Sie durchsuchten den Ellipsenraumer gründlichst, und Huxley kannte sich in Schiffen dieser Bauart aus. Wenn er bisher noch gehofft hatte, daß vielleicht die künstlichen Sonnen wenigstens einige Nogk gerettet hätten, so sah er sich getäuscht. Von der Besatzung lebte niemand mehr. Die Uniformen lagen immer noch dort, wo ihre Träger sich im Moment des Todes befunden hatten. Schon daran erkannte Huxley, daß die Nogk vom Tod überrascht worden waren, genau wie die Meegs an Bord der EUROPA. Nur jene klei-nen Anhäufungen von bräunlichem Staub verrieten noch den Her- gang der Katastrophe. Die Untersuchung der Speicherbänke ergab, daß sie so gut wie leer waren. Die Versorgung der Antriebe war schon lange zusam mengebrochen. Die beiden künstlichen Sonnen glommen nur noch schwach. Die Energieversorgung des Raumers stand kurz vor dem Zusammenhruch. »Gehen wir, Crook!« sagte Huxley nach über drei Stunden
98 99 gründlicher Untersuchung. »Hier können wir nichts mehr tun. Bemühen wir uns, den Raumer in genau dem Zustand zu belassen, wie wir ihn vorgefunden haben. Vielleicht vermögen die Meegs noch etwas herauszufinden.« Auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen waren, verließen sie den Ellipsenraumer wieder. An Bord der EUROPA erwartete sie bereits Colonel Clark. Seine gefurchte Stirn verhieß nichts Gutes. Er streckte Huxley und Crook eine Folie hin. Es war die vor ei-nigen Minuten eingetroffene Positionsbestimmung der Tastersta- tion auf Reet. Huxley und Crook warfen einen Blick darauf und starrten dann Clark wie auf Verabredung völlig entgeistert an. »Das ist nicht möglich, Clark!« ächzte Crook. Der Colonel nickte. »Das habe ich auch gesagt, aber Reet behauptet, daß die Anga-ben mehrfach überprüft seien und einfach stimmen müßten! Und demnach befinden wir uns von unserer Milchstraße fast eine Mil- lion Lichtjahre entfernt. Kein Wunder, daß die Meegs sofort ge- storben sind, kein Wunder, daß der Ellipsenraumer nur noch da-hintreibt und daß sich auch dort kein lebendes Wesen mehr an Bord befindet!« Der Colonel nagte verbissen auf seiner Oberlippe. »Wir sollten schleunigst sehen, daß wir zurückkommen. Versu- chen wir, ob wir den Ellipsenraumer mitnehmen können!« Huxley hatte den letzten Worten Clarks schon kaum mehr zuge-hört. Er hatte eine Idee, ihn beschäftigte in diesem Augenblick ein ganz besonderes Problem. »Clark«, begann er schließlich, »wir haben doch Sonden an Bord, die mit von den Nogk entwickelten Meßgeräten für das Ex-spect ausgerüstet sind, oder?« »Ja, aber warum?« »Eine Million Lichtjahre!« murmelte Huxley statt einer Ant- wort. » Schicken Sie eine solche Sonde los, Clark. Ich möchte se hen, was passiert! Jagen Sie sie noch tiefer in das Exspect hinein. Ich habe eine ganz bestimmte Vermutung. Das Ergebnis wird, wenn ich recht habe, von größter Wichtigkeit für uns sein.« Clark sah den grauhaarigen Colonel an. Doch dann zuckte er mit den Achseln. »Gut, wird gemacht, Huxley, aber dann nichts wie weg. Ist mir ein
unerhört ungemütlicher Gedanke, so tief in diesem verdammten Exspect zu stecken! Ich möchte bloß wissen, wie das gesche- hen konnte! Der Suprasensor...« »Ist noch nicht den drei Triebwerken angepaßt, Clark! Wir wer- den das auf Reet untersuchen. Entweder war das Schlamperei der Techniker, oder aber sogar wieder einer jener Sabotageakte, wie sie in der letzten Zeit so oft vorgekommen sind. Zu oft für meinen Geschmack. Ich denke da nur an Caruso, der mit seinen Männern im vorigen Jahr beinahe das Opfer eines solchen Anschlags auf die GINOK geworden wäre. Crook hat sie dem Tod im wahrsten Sinn des Wortes gerade noch von der Schippe geholt.« Colonel Clarks Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen ver-engt. »Verdammt, Huxley, Sie könnten recht haben! Kleinere Unregelmäßigkeiten und Unstimmigkeiten sind mir schon des öfteren aufgefallen. Und hier draußen, an der Schwelle zum Nichts, addie- ren sich derartige Fehler wahrscheinlich ins Riesenhafte.« Abermals nagte er an seiner Oberlippe herum. Doch dann gab er sich einen Ruck. »Also die Sonde.« Er gab die nötigen Anweisungen. Kurz darauf löste sich ein länglicher Körper von der EUROPA, und jagte unter ungeheurer Beschleunigung davon. Er kam jedoch nicht weit. Bereits nach fünf Minuten gab es auf den Skalen der Kontrollschirme einen heftigen Ausschlag. Sekunden später, nachdem über die Schirme der Suprasensoren in blitzschneller Folge steile, tief ins Negativpotential ausschla- gende Amplituden zuckten, stand plötzlich eine gleißende, winzige Sonne in der Schwärze des Exspects. Geblendet schlössen die Männer ihre Augen, und als sie sie wieder aufmachten, war alles vorbei. »Genau das hatte ich erwartet!« ließ Huxley sich gleich darauf vernehmen. »Und was der Sonde passiert ist, das passiert wahr scheinlich auch jedem Schiff, das sich zu weit ins Exspect vor- wagt. Ich glaube, es gibt im Exspect eine kritische Schwelle, an der die Energie von diesem energetischen Vakuum weit schneller aufgesaugt wird, als die Aggregate sie liefern können. Die Folge ist dann eine Fehlsteuerung der Speicher, die blitzschnell zur Ket- tenreaktion führt und in einer Explosion, in einer plötzlichen Frei-setzung aller vorhandenen Energien, endet. Der Zeitpunkt, oder besser gesagt, die Entfernung, der Ort im Exspect, an dem sich jene Initialschwelle befindet, ist wahrscheinlich für die einzelnen Schiffe verschieden. Masse, die zur Verfügung stehenden Ener- giemengen und die Schnelligkeit, mit der sie von den Aggregaten
abgegeben werden können, spielen vermutlich in diesem Teufels-kreis eine entscheidende Rolle.« Der grauhaarige Colonel sah seine beiden Gefährten an. »Ich glaube, wir haben ganz unverschämtes Glück gehabt, daß unser Suprasensor die EUROPA nicht noch tiefer in das Exspect hinausgeschleudert hat!« Die Transition ins Halo zurück verlief weit besser, als die Män-ner im Innern des Ringraumers angenommen hatten. Im Gegenteil: Der Nogkraumer, den sie im Intervallschlepp mit sich führten, wirkte offenbar als ausgleichender Faktor. Zwar kam die EUROPA an einer ganz anderen Stelle, als es den Berechnungen nach hätte sein müssen, ins Normalkontinuum zurück, zwar halten die Ener- giereserven nach dem Sprung aus dem Exspect einen bedenklichen Tiefstand erreicht, aber der Ringraumer hatte es geschafft. Der Verband der Nogkraumer spürte das Schiff bald auf. Und dann klappte alles wie am Schnürchen. Die großen Beiboote der JAPETUS schwärmten aus. Ihre Kugelkörper kamen aus den Bootsdecks der CHARR und der FO 1 her vorgeschossen. Die Männer Crooks zeigten, was sie konnten. In Rekordzeit hatten sie den bewegungsunfähigen Ellipsenraumer an zwei Bergungseinheiten der Nogk gekoppelt, die sofort damit be- ganzen, das Schiff abzuschleppen. Noch bevor die Riesensonne Corr an diesem Tag hinter der Py ramidenstadt versank, setzte die EUROPA ihre Teleskopstützen auf die Landepiste des Raumhafens. Huxley, Clark und Crook verlie-ßen das Schiff und standen wenige Augenblicke später einer Ab- ordnung von Meegs gegenüber, die sie sofort in ihre Behandlungs- räume brachten, um sie einer vorsorglichen, aber sehr genauen Un- tersuchung zu unterziehen. Dasselbe geschah mit den Männern der EUROPA. Erst später, als das rotgelbe, warme Licht der Sonne Corr durch die trapezförmigen Fenster seines Wohnraumes fiel, erfuhr Hux- ley, daß ihn die Meegs» in einen vierzehntägigen Tiefschlaf versetzt hatten. Charaua, der vor ihm stand, schien zu lächeln, als Huxley bei dieser Nachricht erschrocken von seinem Konturenlager empor- fuhr. »Es war notwendig für dich und deine Gefährten, Huxley! Das Exspect hatte seine Klauen auch schon nach euch ausgestreckt. Du wirst dich jetzt eine ganze Weile bei uns erholen, alles andere habe ich für dich bereits erledigt. Eine Gruppe von Kurierraumern ist unterwegs nach Terra, Sie haben jenen Ringraumer mitgenommen, ohne den ihr das Exspect niemals wieder hättet verlassen können. In seinen Speichern und in denen unserer Schiffe befinden sich alle Informationen, die deine
Brüder auf Terra brauchen. Du hast also gar keinen Grund zur Unruhe.
Ich bitte dich, Huxley, für eine Weile hierzubleiben und mein Gast zu
sein!
Später wird eine Delegation von Terranem hier eintreffen, dann wird
der Rat des Imperiums zusammentreten, und wir wollen ge
102 103 meinsam beraten, was weiter geschehen soll. Für uns Nogk steht nun
endgültig fest, daß wir hier in diesem System bleiben werden. Jedenfalls
alle, die sind wie ich...«
Huxley sah Charaua aufmerksam an.
»Was heißt das, Charaua? Was willst du damit sagen: alle, die sind
wie ich ?«
Der Nogk zögerte eine Weile. Doch dann richteten sich seine Augen
abermals auf Huxley und ließen ihn nicht mehr los.
»Deswegen bitte ich dich, für eine Weile hierzubleiben. In den Tagen,
an denen du im Tiefschlaf gelegen hast, wurden abermals hundert blaue
Nogk geboren. Mit Tantal gibt es jetzt 150 ihrer Art. Und sie sind anders
als wir. Genau wissen wir es noch nicht, Hux-ley, aber es scheint, als
wüchse mit ihnen eine Generation heran, die nicht mehr aus
strahlungsabhängigen Mutanten besteht. Damit schließt sich ein großer,
über Jahrmillionen währender Kreis in der Geschichte unserer Rasse:
Nicht länger mehr werden Unschuldige für die Taten ihrer Erzeuger zu
büßen haben. Aber darüber will ich später noch mit dir reden, Huxley.«
Charaua wandte sich nach den letzten Impulsen um und glitt mit der
seiner Rasse eigenen Schnelligkeit dem Ausgang zu. Dort blieb er noch
einmal stehen und sah seinen terranischen Freund an.
»Es ist schade um jeden Tag, Huxley, an dem denkende Wesen
einander bekämpfen. Wir, Terraner und Nogk, sind zusammen stark
genug, um wenigstens einem Teil unserer Galaxis den Frie- den zu
garantieren. Es muß uns nur ernst damit sein!«
Noch lange, nachdem Charaua gegangen war, stand Huxley an einem
der trapezförmigen Fenster und blickte auf die Pyramiden- stadt und
den Raumhafen hinunter.
»Es muß uns nur ernst damit sein!« hallten die Impulse Charauas in
seinem Inneren nach. Der Nogk hatte recht. Vielleicht mußte eine Rasse
erst durchmachen, was die Nogk im Laufe ihrer langen Geschichte
durchgemacht hatten, um trotz äußerer Macht und Stärke zu solcher
Denkungsart zu gelangen!
Huxley trat langsam vom Fenster zurück. Er wußte plötzlich,
104 daß er diesmal noch lange bei den Nogk und seinem Freund Cha-
raua zu Gast sein würde.
3. Dr. Marcuse in der 68 Kilometer durchmessenden Mysterious-Station Erron-1 übersah eine Kleinigkeit. Der Suprasensor übersah sie nicht. Er warf » Rot« aus und streikte. Dr. Alpho Marcuse, einunddreißig Jahre alt und Frauenfeind, schaltete den Suprasensor aus und verließ seinen Arbeitsraum. Es war Zeit, das Mittagessen einzunehmen. Die Arbeit lief ihm nicht davon. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde er sie nie beenden können. Ron wedde di terra! Er war der zwanzigste Sprachforscher, der auf diesen Satz in unbekannter Sprache angesetzt worden war, und er hatte in einem Anfall von krankhaftem Leichtsinn behauptet, die Bedeutung die- ses Satzes herausfinden zu können. Wie leichtsinnig das seinerzeit gewesen war, hatte Dr. Marcuse längst erkannt. Die Messe war ziemlich leer, als er an seinem Schwebetisch Platz nahm und bei der Automatik seine Mahlzeit bestellte. Un- merklich stutzte er. Die Arbeit, die er gerade verlassen halle, fiel ihm wieder ein. Wie konnte ich nur diesen simplen Fehler machen'! fragte er sich in Gedanken, und als ihm klar wurde, was er tat, befand er sich schon wieder auf dem Deck, unterwegs zu seinem Arbeitszimmer. Vergessen war sein Mittagessen, und von Appetit konnte er nichts mehr feststellen. Er schaltete das Leuchtschild Nicht stören! ein, als er sich wie-der an seine Arbeit machte. Das leichte Summen des Suprasensors war nach wenigen Augenblicken nicht mehr zu hören. Hin und wieder knisterte eine Folie. Ab und zu tat Dr. Alpho Marcuse 106 einen Zug aus seiner dicken Zigarre. Er sah kein einziges Mal zum Chrono hin und hatte jedes Gefühl dafür verloren. Stunden über Stunden an dem einen, so schweren Problem zu sitzen und mit ihm zu ringen. Ron wedde di terra! Ein paar weitere Sätze in dieser unbekannten Sprache waren ab- gehört worden, ebenso geheimnisvoll und ebenso unentzifferbar, doch hätte es sie nicht gegeben, dann wäre es sinnlos gewesen, auch nur einen Versuch zu machen, um herauszufinden, was Ron wedde di terra ins Terranische übersetzt hieß. Marcuse vertiefte sich wieder in die Unterlagen, die der Commander erarbeitet und zur Verfügung gestellt hatte. Nach wie vor war Ren Dhark der einzige Mensch, der die Sprache der Myste-rious beherrschte, aber
auch er glaubte nicht mehr daran, daß die Rätselsprüche, die von der Station Erron-1 mit größter Sendelei- stung abgestrahlt worden waren, jemals übersetzt werden konnten. Trotz dieser pessimistischen Ansicht hatte Dhark eine kleine Grammatik der Mysterious-Sprache zusammengestellt, damit die Sprachforscher nicht völlig hilflos waren. Marcuse griff zum Stift und begann zu schreiben. Nach einem bestimmten Schema veränderte er den Rätselsatz. Ein Mathemati-ker hätte schnell entdeckt, daß hier der Vorkra-Satz angewandt wurde, der in der Theorie über den Hyperfunk eine maßgebende Rolle spielte. Dreimal überprüfte Marcuse seine Aufstellung, dann erst gab er sie an den Suprasensor ab. Viel versprach er sich von diesem Ex- periment nicht, aber er wollte auch diesen Weg gehen, um sich später nicht sagen zu müssen: Das hättest du auch probieren sol-len. Der Suprasensor, mit dem kärglichen Wissen aus Ren Dharks Unterlagen über die Sprache der Mysterious programmiert, zeigte ununterbrochen grün, so daß Marcuse ständig aufmerksamer wurde und schließlich an Hand des Chronos kontrollierte, wie lange sich das Rechengehirn schon mit der gestellten Aufgabe be faßte. Grün blieb auch, als das Aggregat die Aufgabe gelöst hatte. Aus dem Schlitz wurde die Folie gestoßen, die Dr. Alpho Marcuse vol-ler Spannung an sich nahm. GRÖSSTE GEFAHR ALLE SOFORT ZURÜCKKOMMEN Dem Mann mit dem graumelierten Haar schwindelte. Die Folie in seiner Hand zitterte. Unwillkürlich griff Marcuse nach seiner kalt gewordenen Zigarre und kaute darauf herum. GRÖSSTE GEFAHR ALLE SOFORT ZURÜCKKOMMEN Aber unter dem Satz stand noch ein Wort für sich allein: Code. »Ich verstehe immer weniger«, murmelte Marcuse und schüt- telte den Kopf. »Wenn Ron wedde di terra ein Code ist, den jeder Mysterious kannte, wieso hat man dann dieses Wissen nicht dem Checkmaster der POINT OF mitgegeben?« Immer stärker wurden Dr. Marcuses Zweifel an der Richtigkeit der Lösung, aber er hatte ja noch andere Rätselsatze wie: Terrun woger terra! und Terra wowire terra! Fünf Sätze insgesamt. Einen nach dem anderen veränderte er mit Hilfe des Vorkra-Satzes und gab dann die gesamte Aufstellung an den Suprasensor. Der mußte sich durch die Lösung der ersten Aufgabe eingespielt haben, denn er benötigte jetzt nur noch ein Drittel der Zeit. LEBENSGEFAHR FÜR ALLE ÜBERALL
RÜCKFLUG SOFORT ANTRETEN LEBENSGEFAHR ALLE UNTERNEHMEN ABBRECHEN RÜCKFLUG Und Terra lo! bedeutete: AUCH WIR SCHWEBEN IN LE BENSGEFAHR Dr. Alpho Marcuse war glücklich, allein zu sein. Er mußte mit diesem Schock erst einmal fertig werden. Da hatte er nun den Beweis in der Hand, daß die Mysterious nicht mehr existierten. Nun ahnte die Menschheit wenigstens, was die Geheimnisvollen vor rund lausend Jahren veranlaßt hatte, alles stehen und liegen zu lassen und zu verschwinden. »Lebensgefahr für alle überall?« murmelte der Wissenschaftler und mußte automatisch an die schweren Störungen des galakti sehen Magnetfeldes denken, das die Nogk aus der Milchstraße in den Leerraum vertrieben hatte. Waren die Mysterious auch so an- fällig gegenüber den elektromagnetischen Schwankungen? Und vor allem: Hatte es vor rund tausend Jahren schon einmal ähnliche Verhältnisse zwischen den Sternen gegeben? Plötzlich wurde sich Marcuse bewußt, daß er seine sensationelle Entdeckung sofort der Erde mitzuteilen hatte. »Die werden Augen machen«, murmelte er, als er über das Deck zur Funk-Z ging. Über vier Relaisstationen und drei Raumschiffe kam Dr. Alpho Marcuses Nachricht nach Cent Field. Ren Dhark, der sich schon drei Wochen lang auf Terra aufhielt und sich und seinen Männern Gelegenheit gab, sich von den Stra- pazen auf Cromar zu erholen, wurde die Nachricht über Vipho mitgeteilt. Aber in diesem Fall war der Commander nicht sofort erreichbar gewesen. Man hatte lange nach ihm suchen müssen, bis endlich jemand herausfand, daß er sich in einem Blockhaus in Maine aufhielt. Ren Dhark empfand den Anruf als Störung, denn er genoß die Tage unbeschwerten Urlaubs mit der Futurologin Joan Gipsy so sehr wie schon lange nichts mehr. In den letzten Tagen, in denen er und Joan nur wenig von der herrlichen Herbstlandschaft außer- halb ihrer hölzernen vier Wände mitbekommen hatten, war es ihm überdeutlich geworden, wie viel er sich und allen, die unter seinem Kommando dienten, abverlangt hatte. Abenteuer im Weltraum, die Suche nach den Mysterious, die Rettung der Erde - all das war wichtig, und nichts davon würde er je aus seinem Leben streichen wollen. Aber auch der Commander der Planeten war » nur« ein Mensch. Auch er mußte ab und zu seine Speicher aufladen.
Und das ging nun einmal nicht bei ge- fahrvollen Abenteuer tief draußen im All. Das gelang nur in der Gesellschaft lieber Menschen. Und momentan konnte er sich kei- nen Menschen vorstellen, dessen Gesellschaft er mehr genossen hätte als die von Joan Gipsy. »Ja«, sagte er, als er sich vor das Vipho stellte und nicht ahnen konnte, welche Nachricht auf ihn zukam. Der Offizier, der nach ihm verlangte, brauchte die schlanke, dunkelblonde Frau nicht zu sehen, die sich hinter dem Commander auf dem dicken Schafsfell räkelte, das vor dem gemauerten Kamin lag. Die hochhackigen Schuhe standen ihr außerordentlich gut und betonten noch ihre langen, schlanken Beine. Ansonsten trug sie nichts. Dann kam die Meldung durch. Ren Dhark wechselte die Farbe. Wieder glaubte er jenen Satz zu hören, mit dem ein nun gelöstes Rätsel begonnen hatte: Ron wedde di terra! »Commander, wir haben, als die Nachricht einlief, sofort das von Dr. Marcuse benutzte Verfahren angewandt und bekamen seine Resultate bestätigt.« Ron wedde di terra - Größte Gefahr für alle, sofort zurück kommen! Terra to — Auch wir schweben in Lebensgefahr! »Danke«, sagte Ren Dhark, und seine Stimme war nicht wieder zuerkennen. Mit seinen Gedanken befand er sich nicht mehr in dem Block- haus. Er glaubte wieder auf Erron-3 im Archiv zu sein, in dem er und Dan Riker Mentcaps zu sich genommen hatten — Mentcaps, die ihnen ungeheures Wissen der Mysterious vermittelt hatten. Aber offenbar doch nicht genug. Ron wedde di terra! Und sie Narren hatten geglaubt, ein unbe- kanntes Volk in den Tiefen der Galaxis hätte die Erde gerufen, nur weil das Codewort zufällig terra gewesen war. Alle Hypothesen über die Unitallsäule mit dem galaktischen Emblem in Erron-1 waren damit zusammengebrochen. In dieser Säule befand sich ein automatisch arbeitendes Gerät, das diesen alarmierenden Ruf mit maximaler Sendeleistung ausstrahlte, um sich dann nach einer gewissen Zeit wieder abzuschalten. Die Gi-ants in Erron-1, die inzwischen deaktiviert in großen Räumen ge- stapelt lagen, hatten nicht das geringste damit zu tun — bis auf den Zufall, daß offenbar sie es waren, die diesen Alarmruf zum ersten Mal nach tausend Jahren wieder ungewollt
ausgelöst hatten. Die Mysterious existierten nicht mehr! Sie mußten plötzlich ei-ner ungeheuren Gefahr gegenübergestanden haben, der sie selbst mit ihrer Supertechnik nicht mehr Herr werden konnten. Auch wir schweben in Lebensgefahr! -Das konnte doch nur be-deuten, daß auch auf der Heimatwelt die Gefahr genauso groß war wie zwischen den fernsten Sternen. Doch welche Gefahr hatte es gegeben, die doch den Menschen auf der Erde vor rund tausend Jahren nicht das geringste angetan hatte? Ein neues Rätsel, kaum daß ein altes gelöst worden war. Er unterbrach die Verbindung. Der Commander drehte sich um und sah tief in Joan Gipsys Au gen. Darin fand er Mitleid, das ihm galt. Ein Mensch bedauerte ihn. Ein Mensch erlebte seine Enttäuschung mit. Ein Mensch, der für ihn da war - das hatte er viel zu lange vermißt. Eigentlich seit dem Tod seines Vaters. Sicher - er konnte sich glücklich schätzen, in Dan Riker einen Freund zu haben, wie er nur wenigen Männern vergönnt war. Und die große Mehrzahl der Menschheit bewunderte ihn, die meisten Flottenangehörigen vergötterten ihn fast. Aber er hatte keinen Menschen gehabt, dem er sich mitteilen konnte. Das hatte sich erst geändert, als Joan in sein Leben getreten war. »Vorbei!« sagte er und schnippte mit Daumen und Ringfinger. »Den Mysterious werden wir nie begegnen. Entschuldige, Lie- bes... aber unser Urlaub ist leider vorbei.« Er drehte sich um und begann, die wenigen Dinge zusammenzupacken, die sein Gepäck ausgemacht hatten. Wenige Minuten später landete ein Flash vor dem Blockhaus, um den Commander zur POINT OF zu bringen. Auch Joan Gipsy packte ihren Koffer und bestieg den Gleiter, 110 mit dem sie und Ren Dhark hier hinaus in die Wildnis geflogen waren. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um diesen Mann, dem durch eine einzige Meldung eine große Hoffnung zerstört worden war. Zwei Stunden später landete auf Cent Field die GSAL, das Flaggschiff der Tel. Zehn To-Raumer hatten das Schiff der Schwarzen Weißen an der Plutobahn empfangen und dann mit ho- her Fahrt zur Erde begleitet. Die TF hatte einen großen Bahnhof veranstaltet. Ren Dhark und die Regierung begrüßten Wer Dro Cimc, der mit vier Vankko Terra offiziell besuchte. Bis auf Cimcs Vater waren alle neu in ihrem Amt. Die GSAL war ein Gigant von achthundert Metern Höhe, doch die Tel halten, als die
Begrüßung und die beiden kurzen Ansprachen zu Ende waren, nur noch Au- gen für die rotschimmernden Ringraumer, die das Licht der Sonne so herrlich widerspiegelten. »Die schönsten Schiffe zwischen den Sternen!« gab Vankko Sagia unumwunden zu. Er war stolz darauf, daß er die terranische Sprache fast akzentfrei beherrschte. Unter vier Augen mit Ren Dhark wurde Dro Cimc zum »Ver- räter«. »Der Spionageauftrag, mit dem wir nach Terra gekommen sind, ist ziemlich umfangreich«, eröffnete er Ren Dhark, der ihm lachend ins Wort fiel und trocken erklärte: »Noch umfangreicher als der Auftrag, den unsere Experten auf Cromar haben?« Der Schwarze Weiße stimmte in Dharks Lachen ein. Die Fron- ten waren nun klar abgesteckt. »Ein Geheimnis gebe ich freiwillig preis, Cimc, Die Mysterious existieren nicht mehr. Bitte, hier ist der Beweis«, und er legte ihmdie Folie mit den vier Rätselsätzen und der Übersetzung vor. »Wir haben also in Zukunft nicht damit zu rechnen, daß die Geheimnis 112 vollen eines Tages wieder auftauchen und uns von einem halben Hundert Planeten verjagen, die sie einst in Besitz hatten.« »Mit anderen Worten: Es gilt immer noch, die Heimatwelt der untergegangenen Mysterious zu finden?!« »Ja, falls die nicht auch vernichtet worden ist. Mit dieser Möglichkeit müssen wir rechnen.« Einer der neu entwickelten Roboter schwebte in den Raum und servierte duftenden Mokka, ein Getränk, das Dro Cimc mit Begei- sterung zu sich nahm. Die mächtige Maschine handhabte das Por- zellan so vorsichtig, als sei sie nur darauf programmiert worden, mit zerbrechlichen Gegenständen umzugehen. »Cimc, an Ihre Roboter, die Ihnen so ähnlich sind, habe ich mich sofort gewöhnt; bei unseren Maschinen fällt mir das etwas schwerer. Doch in diesem Zusammenhang fällt mir ein Erlebnis mit Ihren Robotern ein, das ich auf einem Planeten hatte, auf dem nicht umgeschaltete Robonen hausten.« Fragend blickte ihn der Tel an. »Roboter auf einer Welt, die von uns nicht besetzt war?« »Nicht einen Tel gab es darauf. Nur ein paar von Ihren Robo- tern... « »Crekker!« stieß Dro Cimc über seine Lippen. »Dann können sie nur von Crekkern zurückgelassen worden sein!« »Waren diese Paramonstren nicht auf jeden Roboter angewiesen, Cimc?
« Der Tel zuckte mit den Schultern. »Wir wissen es nicht. Wir alle wiegten uns in der Gewißheit, auch den Letzten vernichtet zu ha- ben, doch daß unsere Roboter die Terraner unterstützten und die nicht umgeschalteten Robonen bekämpften, muß an der Programmierung gelegen haben...« »Auch wenn diese Roboter den Auftrag hatten, eine uns unbe- kannte Technik, die wir immer noch studieren, zu bewachen?« Cimcs Gesicht war immer nachdenklicher geworden. Plötzlich lachte er wie erlöst auf. » Dhark, es hört sich unglaubwürdig an, aber dem Telin-Imperium sind einmal ein paar tausend Roboter mit drei kleinen Raumschiffen durchgegangen. Sie alle gehörten zu einer Serie, die wir die Verrückten genannt haben, weil man sie einfach nicht sauber programmieren konnte. Diesem Typ sind Sie begegnet. Selbst unsere Experten waren nicht in der Lage, roboti- sche Maßstäbe an ihr Verhalten anzulegen. Es gibt heute noch Ro-botiker, die bedauern, daß die Entwicklung der Verrückten auf Be-fehl des Vank abgebrochen werden mußte.« Der Schirm des Standviphos leuchtete auf, und Chris Shantons Gesicht war zu erkennen. Der Dicke war so rücksichtslos, zu ignorieren, daß der Commander Besuch hatte. »Dhark, ich stelle hiermit den Antrag, als technischer Chef der AstStationen abgesetzt zu werden. Es ist doch eine Farce, mir diesen Posten zu geben, obwohl ich die meiste Zeit auf der POINT OF und in deren Schwierigkeiten stecke. Es gibt ein paar tüchtige Männer, die ich gern auf meinem Posten sähe.« Das war der leidige Kleinkram, mit dem Ren Dhark sich nie gern abgegeben hatte. In diesem Fall konnte er dem Dicken nicht einmal unrecht geben, denn seine Behauptung stimmte doch; um es aber dem Zweizentnermann nicht zu leicht zu machen, sagte er mit gut gespieltem Ernst: »Reichen Sie Ihren Antrag auf Formblatt 34 b2 in sechsfacher Ausfertigung ein, Shanton.« Der Dicke, der andere so gern auf den Arm nahm, runzelte die Stirn und orgelte: »Auf Formblatt 34 b2? Dhark, was ist das schon wieder für ein neuer bürokratischer Blödsinn? Und warum bloß sechsfach? Warum nicht gleich ein Dutzend?« Ren Dhark ließ den Dicken zappeln. »Ich kann Ihnen nichts an- deres sagen, Shanton. Reichen Sie Ihr Gesuch heute noch bei der Zentral-Regis ein, und es wird auch heute noch bearbeitet. Machen wir Schluß, denn ich habe Besuch.« Er schaltete den Bildschirm aus und hatte den Vorfall kurz
darauf schon vergessen. Die 16-Uhr-Meldungen wurden ihm hereingegeben. Flüchtig überflog er die Nachrichten, doch dann stutzte er. »Cimc, man hat schon wieder auf einem Planeten einen Gol- denen Menschen entdeckt. Gibt es in der Geschichte Ihres Imperiums tatsächlich keinen Hinweis darauf?« »Nein, wir sind nie auf etwas Derartiges gestoßen.« Der Schirm des Standviphos flammte wieder auf. Chris Shan- tons schmunzelndes Gesicht lachte in den Raum hinein. »Dhark, Sie haben mich elegant auflaufen lassen. Ich habe das Gelächter aus der ZentralRegis noch in den Ohren, als ich nach Formblatt 34 b2 in sechsfacher Ausfertigung fragte. Bei passender Gelegen- heit tue ich Ihnen auch so einen Gefallen.« Immer wieder wunderte sich der Tel, wie herzlich der Kontakt zwischen dem Commander und seinen engsten Mitarbeitern war, doch er hatte bisher nicht ein einziges Mal erlebt, daß sie die Grenzen überschritten. Bei aller Formlosigkeit wurde Dhark auch von seinem besten Freund Riker als Commander respektiert. Ren Dhark stellte Dro Cimc eine wichtige Frage: »Ist dem Vank zu trauen?« Ausweichend erwiderte der Tel: »Wenn ich Terraner wäre, würde ich mißtrauisch bleiben. Der Vank könnte nämlich das Ab- kommen mit Terra dazu benutzen, um mit allen verfügbar gewor- denen Schilfen nach weiteren Welten der Mysterious zu suchen, um Terra technisch den Rang abzulaufen. Das könnte bedeuten, daß Telin bei erfolgreicher Suche sehr stark werden würde und dann mit einer anderen Rasse leicht fertig würde.« Von einem Planeten, den ein Forschungsraumer entdeckt hatte, war ein To-Funkspruch gekommen. Man hatte dort ebenfalls einen Goldenen Menschen entdeckt - und eine Reihe weiterer interes- santer Dinge, vor allem Schriftzeichen. Offenbar hatten die Myste- rious den Planeten Soradan getauft.. Dan Riker ließ die POINT OF sofort wieder startklar machen. Als er seinen Freund Ren Dhark aufsuchte und ihn mit knappen Worten informierte, war der Entschluß des Commanders rasch ge-faßt: » Die POINT OF startet um 22.34 Uhr Normzeit. Ziel: So 114 115 radan, dieser Goldene Mensch. Wenn er wirklich anders aussieht als
alle bisher entdeckten, dann möchte ich ihn mir unbedingt an- schauen.« Die FO VII unter Major Cass Lefter stand auf einer Piste, die drei Meter hoch zugeweht war, aber als der Forschungsraumer darauf landete und A-Grav abschaltete, hatten die im Laufe der Zeit angewehten Erdmassen dem Druck der Ausleger zu weichen. Die Landeteller sanken ein und kamen erst dann nicht weiter, als sie auf Metall trafen. In diesem Augenblick lief ein hellklingender Ton durch das gesamte Schiff, und Major Lefter horchte auf. »Was war das?« fragte er über die Verständigung. Die Antwort erhielt er von der Massenortung. Die FO VII hatte auf einer Me- tallfläche von dreiundzwanzig Quadratkilometern Ausdehnung aufgesetzt. »Einwandfrei Unitall, Major!« behauptete der Leutnant hinter den Ortungen. In diesem Augenblick hatte Major Cass Lefter gestutzt und sich Zeit gelassen, die ersten Expeditionen auszuschicken, denn die Abenteuer des Commanders Dhark auf einem Planeten, der den Namen Cut-out erhalten hatte, waren auch ihm bekannt. Und nun, drei Tage nach der Landung, warteten alle im Schiff auf die POINT OF, die vor drei Stunden ihre letzte Transition an- gekündigt hatte. Pünktlich auf die Minute tauchte sie als winziger Punkt am gelben Himmel auf, wurde schnell größer und landete wenig später dicht neben dem Forschungsschiff. Major Lefter begab sich mit sechs Experten an Bord des Ringraumers. Sie führten sämtliche Unterlagen über die bisher von ihnen durchgeführten Erkundungen mit, um dem Commander ein anschauliches Bild vermitteln zu können. Doch Dhark winkte ah. »Das möchte ich mir lieber an Ort und 116 Stelle ansehen. Geben Sie uns einen verantwortlichen Offizier mit. Meine Expedition stelle ich selbst zusammen. Sind besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, Lefter?« Der Major wiegte den Kopf. »Wir haben, als wir den Goldenen Menschen fanden, alles auf ihn angesetzt. Zu etwas anderem blieb uns keine Zeit. Die Luftaufklärung zeigte uns nur eine Welt, deren Flora und Fauna unberührt ist. Die wenigen Großtiere, auf die wir trafen, hatten keine Scheu vor uns, griffen aber auch nicht an. Bis auf die starke Abkühlung in den Nächten, deren Ursachen wir noch nicht klären konnten, scheint Soradan keine besonderen Merkmale zu besitzen.« Ren Dhark bedankte sich. Major Lefter befahl Leutnant Imre Erkel an Bord. Der junge Erkel war nicht nur Offizier der TF, son-dern auch noch Bioniker, aber dieses Können würde bei der Ex- pedition, die der
Commander mit seinen Flash durchführen wollte, kaum eine Rolle spielen. Die Wissenschaftler der POINT OF sollten auf Schwebeplatten nachkommen, wenn sie die Aufforderung dazu erhielten. Kein Mensch machte Dhark den Vorschlag, mit dem Ringraumer bis dicht an den Goldenen Menschen heranzufliegen. Den meisten steckten die Erlebnisse auf dem Planeten Cut-out noch in den Gliedern. Auf jener Sauerstoffwelt hatten sie diesen Fehler began- gen und fast nicht mehr die Möglichkeit gehabt, wieder zu starten. Da sie auch noch die FO VII im Rücken hatten, hielt Dhark es nicht für nötig, seinen Freund Riker aufzufordern, an Bord der POINT OF zu bleiben. Dro Cimc, der von Vankko Sagia die Er-laubnis bekommen hatte, den Expeditionsflug mitzumachen, hielt sich an Bord auf, wie ebenso nach langer Zeit wieder einmal Janos Szardak. Von den Cyborgs nahm Dhark nur Alsop und Carrell mit; die anderen blieben als Einsatzreserve zurück. »Du gehst heute aber vorsichtig zu Werke«, sagte ihm Dan Ri-ker, weil er sich über seinen Freund wunderte. Dhark, der gerade seine Ausrüstung noch einmal kontrollierte, sah kurz auf, schmunzelte und sagte etwas von einem gebrannten 117 Kind, das das Feuer scheut. Draußen war heller Tag. Soradan drehte sich in 20 Stunden und 45 Minuten Normzeit einmal um seine Achse. Da seine Schwer- kraft nur 0,79 Gravos betrug, belasteten körperliche Anstrengun-gen die Männer kaum. Er war der dritte von sieben Planeten des Systems und der einzige normale unter ihnen. Die anderen sechs hatten teilweise mehr als Jupitergröße und waren entweder glü- hende Kugeln, die von der Sonne aufgeheizt wurden, oder tiefge- frorene Eiswelten. Soradans Durchmesser war um l. 100 Kilometer geringer als der Terras, doch seine mittlere Temperatur glich bis auf ein Zehntel Grad derjenigen der Erde. Zwei gewaltige Ozeane trennten vier Kontinente, die paarweise durch schmale Landzun- gen mit hohen Gebirgen darauf verbunden waren. Auffallend groß waren die vereisten Polkappen, und dieses Kältereservoir mochte vielleicht die Ursache dafür sein, warum es nachts auf dieser Sauerstoffwelt so kalt wurde. Um 9.44 Uhr Normzeit, was 7.11 Uhr Ortszeit entsprach, flogen sechs Flash aus. Ihr Ziel war die Plastik des Goldenen Menschen, der auf der Landbrücke zum südlichen Kontinent stand. Die Ent- fernung betrug 334 Kilometer, für einen Blitz keine große Strecke. Das Wissen, daß sowohl die POINT OF als auch die FO VII start- bereit waren, beruhigte die Männer. Die Überprüfung hatte erge- ben, daß es auf Soradan kein
energetisches Feld gab, das die Schiffe am Start hindern konnte. Am Rand eines Mittelgebirges, das sich bis zur Landzunge hin- zog, flogen die Flash vorbei. Imre Erkel, der diese Strecke schon ein paarmal absolviert hatte, saß in Dharks Blitz und gab dem Commander den Kurs an. Als der breite, mäandernde Fluß auf-tauchte, der wie früher der Amazonas rechts und links von Urwald umschlossen war, ging die 002 auf scharfen Südkurs. Das Land unter ihnen war von fremdartiger, paradiesischer Schönheit. An der rechten Seite die kaum tausend Meter hohen Berge, teils kahl, teils von unbekannter Flora bewachsen. Sie lie- ßen weile Blicke in breite und liebliche Täler zu. Vor ihnen und auf der linken Seite dehnte sich hügeliges Land aus, das von vielen Flüssen durchzogen war. Plötzlich kniff Dhark die Augen zusammen und musterte eine grüne Wolkenbank auf seiner Bildprojek- tion, der sie sich schnell näherten und deren Ausdehnung ebenso schnell wuchs. »Erkel, was sind das für Wolken?« fragte er. Der wurde erst jetzt darauf aufmerksam, weil er dem Boden seine Aufmerksamkeit geschenkt hatte: »Oh!« stieß er aus. »Grün bedeutet Regen, aber Regen in Form von Wolkenbrüchen.« »Die bin ich von Hope her noch gewohnt, vom Kontinent De-luge«, erwiderte Dhark gelassen und schaltete dann wieder den Funk ein, der bisher nur auf Empfang gestanden hatte. Kurz fragte er zu den anderen fünf Flash durch, aber von denen gab es ebenso wenig etwas Neues zu melden wie von der POINT OF, in der als verantwortliche Offiziere Fallula und Bebir zurückgeblieben wa-ren. Erkels Prophezeiungen erfüllten sich schnell, kaum daß die Flash die grüne Wolkenwand erreicht halten. Es goß in Strömen; die Blitze schalteten auf Infrarot um, und die Bildprojektion war wieder einwandfrei. Ein wildes Gebirge tauchte auf, dessen Gipfel über fünftausend Meter reichten. »Commander, wir sind in rund fünf Minuten da. Bitte gehen Sie mit der Geschwindigkeit herunter.« Mach l wurde unterschritten; unmerklich bremste Dhark noch weiter ab. Die in Keilformation folgenden anderen Blitze richteten sich genau nach ihm, denn man hatte darauf verzichtet, die Ge- dankensteuerung zu benutzen. »Commander, bis auf hundert Meter heruntergehen!« Imre Erkel fühlte sich in seiner Rolle als Scout recht wohl. Seine Stimme hatte Befehlston, und Ren Dhark, der es mochte, wenn man vor ihm nicht in Ehrfurcht
erstarrte, schmunzelte. »Gleich kommt links ein auffallend breites Seitental. In das müssen wir hinein. Höhe nicht über dreihundert Meter!« Die Flash schwenkten ab. Ein Tal, das mehr als zehn Kilometer breit war, rechts und links jedoch von zwei Ketten Fünftausender umrahmt wurde, zeigte sich ihnen in seiner grandiosen Wildheit. Auffallend waren die gigantischen Felsbrocken, die überall herumlagen, als ob einmal hier Riesen die Steine aus den Wänden geris- sen hatten, um sie in die Tiefe zu schleudern. Die fremdartige Flora unter ihnen konnte dieses wilde Bild kaum mildern. »Noch etwa zehn bis elf Kilometer, Commander!« Dhark richtete sich genau nach Erkels Angaben. Dieser Leutnant gefiel ihm, und er spielte mit dem Gedanken, ihn zu sich auf die POINT OF zu holen. Da hatten sie die grünen Wolken mit ihren Wassermassen hinter sich gelassen. Vor ihnen lag alles im hellen Sonnenschein, und vor ihnen schimmerte eine riesige Plastik im Goldton. Automatisch schaltete nun die Bildprojektion von Infrarot auf normal. Doch Ren Dhark achtete nicht darauf. Er sah nur den Goldenen Menschen! Er sah den Goldenen Sklaven! Eine metallene Statue, mehr als zweihundert Meier hoch, auf nacktem Fels stehend, und abermals eine Statue, deren Gesicht nicht modelliert war. Daran hatte man sich schon gewöhnt, aber der Anblick dieser Figur war ungewöhnlich. Diese Plastik griff nicht mit ausgestreckten Armen nach den Sternen. Die Arme der Plastik lagen auf dem Rücken, und sie waren ge- fesselt. Auch die stolze Haltung der übrigen Goldenen Menschen war hier nicht zu finden. Vor ihnen stand die Wiedergabe eines humanoiden Wesens, das wie ein Sklave moralisch und seelisch gebrochen war. Aus den anderen Flash kamen die ersten Bemerkungen. »Nein«, sagte Riker leicht erregt, »nein, das ist kein schöner Anblick! Da sind mir die anderen Ausgaben des Goldenen Men- schen doch lieber!« Ren Dhark konnte nicht antworten. Bis auf tausend Meter waren sie heran, und er mußte einen Landeplatz für seine Flash suchen. Weich setzten sie auf ihren jeweils sechs spinnbeindünnen Aus- legern auf. Dann standen zwölf Menschen im Freien und legten den Kopf in den Nacken, um zu der Plastik hochzublicken, die mit ihren Füßen auf
blankem Fels stand.
»Scheußlich«, sagte Janos Szardak.
»Wer macht die C-14-Analyse?« fragte Ren Dhark. Schon beim ersten Anblick der Plastik hatte sich ein bestimmter Verdacht in ihm geregt, und nun wollte er wissen, ob dieser Verdacht begrün- det war oder nicht. Wortlos trat Arc Doorn dicht an die Figur heran und setzte den handlichen C-14-Analysator an, ein Gerät aus terranischer Pro-duktion, mit dem genaue Altersbestimmungen durchgeführt wer- den konnten. Im Laufe der letzten hundert Jahre war es so ver- feinert worden, daß man bis auf ein Jahr genau feststellen konnte, wie alt bestimmtes Material war, solange es die dreifache Halb- wertzeit des instabilen C-14-Kems nicht überschritten hatte. War das der Fall, dann mußte auf ein Gerät der Mysterious zurückge-griffen werden, dessen Handhabung aber sehr kompliziert war. Ren Dhark legte die Hand gegen das Material, aus dem der Gol- dene Mensch hergestellt war. Die Oberfläche war unwahrschein- lich glatt, fühlte sich wie Samt an und beruhigend kühl. Der Sibirier richtete sich auf, ließ das Gerät aber an seinem Platz. »1.23l Jahre alt! Kein Jahr mehr und keines weniger!« sagte der wortkarge Mann und deutete, um seinen Worten Gewicht zu ver- leihen, auf den C-14-Analysator. Fassungslos starrte ihn Dhark an. Er hatte fest geglaubt, diese Plastik müsse jünger sein, viel jünger als alle anderen, die sie kannten. Er hätte in diesem gefesselten Goldenen Menschen gern die von den Mysterious endlich besiegten Grakos gesehen! Und nun war diese Figur älter als alle anderen! Die Männer unterhielten sich. Dhark kniete vor dem Aggregat für Altersbestimmung. Die wildesten Vermutungen wurden ange stellt. Jeder sah in der gefesselten Darstellung etwas anderes. Nur Doorn beteiligte sich nicht an dem Disput, und auch der Tel schwieg. Langsam richtete sich Ren Dhark wieder auf. Doorn hat recht, dachte er, denn diese Figur ist eintausendzweihunderteinunddrei-ßig Jahre alt. Er mußte mit dieser Talsache erst einmal fertig wer- den, und als er zu den anderen trat, sprach er Leutnant Imre Erkel an. »Zeigen Sie uns nun die Stätten, die Hinweise auf die Myste-rious liefern, Erkel!« Die zweite Überraschung folgte der ersten auf dem Fuß. »Commander, wir befinden uns an Ort und Stelle.« Er drehte sich einmal um die eigene Achse und beschrieb mit der Hand einen Kreis. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu:
»Zwischen und hinter den haushohen Trümmern, und auch dar- unter, aber was da liegt, ist zerstört!« »Wo denn, zum Kuckuck?« stieß Ren Dhark aus, der kaum noch seine Ungeduld zügeln konnte, denn Major Cas.s Letter halle in seinen Andeutungen von einmaligen Hinweisen gesprochen. Imre Erkel ließ sich auch von der Erregung des Commanders nicht aus der Ruhe bringen: »Ich führe Sie. Wollen Sie mir bitte folgen?« Das taten alle nur zu gern. Es ging einen kurzen, aber steilen Hang hinab. Der Schotter machte das Gehen beschwerlich, doch die geringe Schwerkraft von Soradan verhinderte trotz der umfangreichen Ausrüstung, die jeder Mann mit sich führte, schmerzhafte Stürze. Sie näherten sich dem ersten haushohen Brocken, dessen Seiten von Wind und Wetter zerrissen waren, aber weder rechts noch links von ihm war irgend etwas Bemerkenswertes zu sehen. Wie ein geschulter Fremdenführer, der sich am Ende der Füh- rung seines Trinkgeldes sicher ist, ging Leutnant Imre Erkel voran und verschwand hinter der nächsten Ecke des Gesteinsriesen. Ren Dhark stieß ihn beinahe um. »Hier, Commander!« Der Leutnant deutete auf Schriftsymbole, wie man sie auf der POINT OF auch sehen konnte. »Das... das habe ich nicht... das hatte ich nicht erwartet!« stieß Ren Dhark aus und betrachtete die Schriftzeichen der Mysterious, die offenbar mit einem nadelfein eingestellten Strahler eine Nach- richt in die glattgeschliffene Felswand gebrannt hatten. »Kannst du das entziffern, Ren?« fragte Riker, der seiner Neu- gier freien Lauf ließ. Der Commander nickte, aber etwas schnürte ihm die Kehle zu. Dieser Text war mehr als nur brisant. Die Mysterious schrieben von unten nach oben und begannen mit ihren Ausführungen rechts unten, so wie die Japaner auf Terra, doch Ren Dhark hatte den In-halt der Inschrift rasch erfaßt. »Und was steht da nun, Ren?« Dan Riker sprach für alle, auch für Arc Doorn und Dro Cimc, den Tel. Mit fast tonloser Stimme übersetzte Dhark: »Wir sind die Einsamsten, wir sind die Verdammten, für die es keine Rückkehr mehr gibt. Die Falle hat sich hinter uns geschlos- sen, aber die Fallensteller werden dennoch blindlings in ihre Ver-nichtung jagen, und wenn wir auch verzweifelt sind, so sind wir noch lange nicht mutlos. Es tut gut, sich w rächen, und wir hüben uns schon gerächt, auch wenn unsere Rache erst viel später wirk-sam werden wird. -So weit die
Übersetzung!« Ren Dhark sah seine Begleiter der Reihe nach an. Alle schwiegen. Der seltsame, verschlüsselte Text hatte jeden tief beeindruckt. Wir sind die Einsamsten, wir sind die Verdammten! Das klang verzweifelt, hoffnungslos. Doch welche Falle konnte sich hinter den Mysterious, die vor 1.231 Jahren auf Soradan ge- wesen waren, geschlossen haben? Wer konnte damals noch mäch- tiger als die Geheimnisvollen gewesen sein? Die Grakos? Es tut gut, sich w rächen, und wir haben uns schon gerächt, auch wenn unsere Rache erst viel später wirksam werden wird! Ren Dhark mußte den Text noch einmal übersetzen. Jetzt erst kam Dan Riker auf die Idee, die Übersetzung auch als Tonauf- zeichnung festzuhalten. Eine Ablichtung der Schrittsymbole war nicht erforderlich, weil das, wie Imre Erkel erklärte, von den Män-neun der FO VII schon erledigt worden sei. »Bitte weiter!« sagte der Fremdenführer. Zielbewußt ging er auf den nächsten Block zu. Man erwartete, abermals Schriftzeichen zu finden, die nur der Commander lesen konnte. »Großer Himmel«, stieß Janos Szardak aus, als er einen Blick auf die wiederum glatte Wand warf, »das ist ja eine Formel!« Die meisten aus der alten Garde und alle anderen, die auf S-Kreuzern Dienst verrichteten, hatten in Lehrgängen die Zahlzei- chen der Mysterious lernen müssen. Fragend wurde Dhark von allen Seiten angesehen. Warum sagte er nichts? War auch er nicht in der Lage, diese Formel zu erklären? War sie auch ihm zu kompliziert? Denn sie bestand aus mehr als hundert Gruppen und wies unbekannte ma- thematische Schlüsselzeichen auf. Dan Riker versuchte sie mit seinem Wissen von Erron-3 zu ent schlüsseln, aber er gab den Versuch nach wenigen Augenblicken auf. Dhark wischte sich wie ein Schlafwandler, der gerade erwacht ist, über die Stirn. »Das ist die Formel des Unitalls!« Chris Shanton, zu dessen Füßen Jimmy lag und sich sonnte, lachte. » Warum sollten die Mysterious ausgerechnet hier die Uni-tallformel eingeschmolzen haben?« Mit einem gequälten Lächeln stellte Dhark seine Gegenfrage: »Shanton, warum ist Rom erbaut worden?« Verblüfft, aber euch wortlos geworden, sah ihn der Dicke an. »Ja, warum? Dhark, entschuldigen Sie meine Bemerkung, aber die
Überraschung war einfach zu groß. Die Unitallformel? Wirklich? Und mit ihrer Hilfe wären wir in der Lage, Unitall herzustellen?« »Ja, wenn wir das Aso-Kary-Verfahren beherrschen!« und gleichzeitig deutete er auf die vorletzte Reihe. »Diese Gruppe hat mit der Formel nichts zu tun; diese Symbole sprechen nur von ei- nem AsoKary-Verfahren. »Typisch Mysterious!« knurrte jemand, der sie nicht leiden konnte, und dieser Jemand war Arc Doorn. »Weiler, meine Herren!« Imre Erkel gab ihnen keine Zeit, sich mit dieser Überraschung zu beschäftigen. Er bog nach rechts ab, beachtete die herumliegenden Steinklötze nicht mehr, sondern ging auf eine Felsnase zu, die gleich einem Kamelhöcker zum Sit-zen einlud, nur daß dieser Höcker mehr als hundert Meter lang und über fünfzig Meter hoch war. Sie sahen es alle zur selben Zeit: Ein Tor in der Felswand! Ein Tor aus Unitall! Es schimmerte blauviolett in der Sonne. »Das haben wir nicht öffnen können. Wir haben alles mögliche versucht, aber vergebens«, erklärte Erkel, bevor sie es erreicht hatten. Ren Dhark drehte sich nach dem Sibirier um, und der wußte, was er zu tun hatte. Auf ihm ruhten jetzt die Hoffnungen aller. Doorn mit seinem phänomenalen Können sollte es wieder einmal schaffen, den versteckt angebrachten Öffnungsmechanismus zu finden. Das Tor hatte die Unirisse eines gleichmäßigen Fünfecks. »Das ist neu!« sagte der Sibirier. »Für uns neu!« schränkte er ein. » Für die lieben Geheimnisvollen vielleicht der letzte Mode- schrei vor rund 1.230 Jahren.« Die fünfeckige Unitalltür und der gewachsene graue Fels bilde-ten eine Ebene. Rechts von dem Verschluß war metertief der Fels ausgehöhlt worden. Die Männer aus der FO VII hatten mit Blastern versucht, neben der Tür in den dahinterliegenden Raum durchzustoßen, waren aber kurz darauf auf Unitall gestoßen und hatten darum ihr Vorhaben wieder aufgegeben. Ren Dhark achtete nicht auf Doorns Bemühungen. Mit seinen Gedanken war er bei Ron wedde di terra und der hier auf diesem Planeten in den Fels geschriebenen Nachricht: Wir sind die Ein-samsten!
Aber zwischen den beiden Botschaften lagen doch rund zweihundertfünfzig Jahre. Demnach konnte die eine mit der ande- ren in keinem kausalen Zusammenhang stehen. »Leutnant Erkel!« Der junge Mann drehte sich zu seinem Commander um und sah ihn erwartungsvoll an.»Haben Sie noch weitere Überraschungen für uns? « »Ja, Commander, wir...« Der hatte sich schon an Riker gewandt: » Dan, die Experten sollen nachkommen. Ruf das Schiff an.« Der schaltete sein Spezialvipho auf Sendung und rief die POINT OF. Wenig später bestätigte Fallula, daß die Wissenschaftler, ge-führt von einem Offizier der FO VII, auf Schwebeplattformen un- terwegs seien. Im gleichen Moment erhob sich Arc Doorn aus der Hocke und sagte: » So einfach. Direkt primitiv...«, und er trat zur linken Seite. »Erkel, Ihre Strahlbohrmänner haben Glück gehabt, daß sie es nicht auf dieser Seite versucht haben. Ich schätze, dann hätten sie den gesamten Kamelrücken in die Luft gejagt. Dabei ist hier schon genug durch die Luft geflogen.« Dhark war bei der letzten Bemerkung des Sibiriers hellhörig geworden. »Was meinen Sie damit, Doorn?« »Diese Felsbrocken, die überall herumliegen. Jemand scheint den Mysterious das Dach zum Einsturz gebracht zu haben.« Von allen Seiten wurde der untersetzte Mann angegrinst. Doorn hatte mit dieser Behauptung weit danebengegriffen, denn die Felsblöcke, die herumlagen, reichten bei weitem nicht aus, um zu- sammengesetzt das Tal als Felsdach zu überspannen. »Offnen Sie das Tor, Doorn!« Dhark ging auf dessen Bemer-kung nicht mehr ein. Auch für ihn war sie nicht mehr als eine Hy- pothese, die keinen Wert besaß. »Bitte!« sagte Doorn, schaltete an einer Stelle, die niemand au- ßer ihm als Schalter erkannt hätte, und trat zurück. Man wartete. Doorn auch. Man sah ihn an. Doorn behielt die Ruhe. Aber nach drei Minuten änderte sich das. »Zum Teufel!« knurrte er und wollte wieder auf das fünfeckige Unitalltor zugehen, als es lautlos senkrecht im Boden verschwand. »Deckung!« brüllte Ren Dhark, der es in der dunklen Tiefe eines Ganges grell aufleuchten sah. Er riß Dan Riker und Dro Cimc, die rechts und links neben ihm standen, mit sich zu Boden. Aber daß sie den Boden erreichten, merkte er nicht mehr. Denn als er aufschlug, war er schon besinnungslos.
Walt Brugg in der Funk-Z der POINT OF unterhielt sich mit sei- nem Kollegen in der FO VII. Er wollte so viel wie möglich über diesen Planeten Soradan erfahren. »Wir sind überhaupt nicht weit herumgekommen, weil dieser Goldene Mensch unsere Experten regelrecht festgenagelt hat, und als dann die Wissenschaftler Spuren der Mysterious entdeckten, war auch der letzte wie aus dem Häuschen.« Sie sahen sich über die großen Bildschirme und vertrieben sich mit der Unterhaltung die Zeit, denn in beiden Schiffen bestand nach wie vor höchste Alarmbereitschaft. Jeder Raumer konnte von einer Sekunde zur anderen starten. »Und sonst ist kein einziger Vorstoß ins Unbekannte gemacht worden?« wollte Brugg wissen. »Nein, denn unsere...« Walt Brugg mußte kommentarlos abschalten, denn Leon Bebir verlangte eine Verbindung mit Dhark. Brugg rief durch. Keine Antwort. Nur die Experten, die mit ihren Schwebeplatten unterwegs waren und den Ruf aufgefangen halten, meldeten sich. 126 127
»Raus aus der Phase!« knurrte der Funkoffizier, und sogleich war von den Wissenschaftlern nichts mehr zu hören. »Brugg, wo bleibt die Verbindung?« fragte Behir ungeduldig aus der Zentrale. »Ja, wo bleibt sie, Bebir? Ich habe keine Ahnung. Elis, schalte doch mal die Echokontrolle ein. Moment, Bebir!« Dieser Ton war nur auf der POINT OF möglich, und selbst der Commander akzeptierte ihn. Elis Yogan setzte die Echokontrolle ein. Er war mit seiner Mes- sung schnell fertig. »Alle Sender der Gruppe Dhark sind klar!« Briggs Fluch war nicht besonders fein. Er versuchte es noch einmal und schaltete gleichzeitig die Sendeleistung höher, obwohl er wußte, daß so etwas bei dieser lächerlich kleinen Distanz völlig überflüssig war. Keine Antwort! Aus der Gruppe Dhark meldete sich kein Mensch. »Hol'.s der Teufel, da stimmt schon wieder mal was nicht!« knurrte er und unterrichtete dann den Zweiten Offizier des Flagg- schiffs. »Danke!« schnarrte Bebir und schaltete zu den Flashdepots durch, wo die Piloten Sitzwache hatten. »Wonzeff, Doraner, War-ren! Einsatzziel:
Goldener Mensch. Dhark und seine Männer mel- den sich nicht auf Funkanruf. Bleiben Sie alle drei ununterbrochen mit uns in Verbindung. Ab mit euch!« Drei Flash, die 011, 013 und 014 jagten durch die Unitallwand des Ringraumers, ohne Spuren zu hinterlassen, und schalteten kaum einen Kilometer vom Schiff entfernt den Sie auf Maximum. Die Koordinaten des Goldenen Menschen waren bekannt, dennoch hielten sie sich lieber an die Karte, die die Kartographen der FO VII erarbeitet hatten. Daher kam es, daß sie die Wissenschaft- ler auf den viel langsamer fliegenden Schwebeplattformen erst auf halber Strecke überholten. Von der POINT OF kam durch: »Immer noch keine Verbindung mit dem Commander. Das deutet auf eine unbekannte Gefahr hin. 128 Aufpassen!« »Wir sind feuerbereit!« meldete Rul Warren, der das Kommando über den kleinen Pulk übernommen hatte, zum Schiff zu- rück. »Wir können sofort aus allen Antennen feuern.« Sie bogen in das Tal ein, als Wonzeff große Augen machte. Er hatte einen Blick auf seine Energieortung geworfen. »Strahlungsausbruch vor uns!« rief er seinen beiden Kollegen über Funk zu. In der Funk-Z und in der Kommandozentrale hörte man mit. »Der Commander hat ein Talent, stets mit der Nase vorn zu sein«, bemerkte Glenn Morris und schüttelte den Kopf. »Wo Dhark ist, ist auch immer was los.« Die drei Flashpiloten hatten keine Zeit, sich zu unterhalten. Den Kopf weit im Nacken, starrten sie zur Bildprojektion hoch. Doch der Darstellung dieser Projektion wollten sie nicht glau-ben! Der Goldene Mensch brannte! Er stand von oben bis unten in Flammen! In blauen, gelben und roten Flammen, die steil in den Himmel stiegen! Und der Goldene Mensch wurde von ihren Ortungen als Quelle des Energieausbruchs angemessen. »Wie hoch?« fragte Warren kurz über Funk. »Noch nicht letal, aber nicht mehr weit davon. Verdammt noch mal, wie sollen wir alle auf einmal 'rausschaffen, und... o Gott, die Eierköpfe! Sie dürfen nicht einfliegen. Sie müssen landen und un- sere Nachricht abwarten. Doraner, jagen Sie den Spruch an die Experten raus, aber auf der Frequenz der POINT OF, damit sie...« »Mitgehört, Wonzeff. Nachricht an uns hat sich erledigt. Soll das Schiff kommen?« Wenn der Commander nicht ausdrücklich befohlen hätte, die POINT
OF dürfe unter keinen Umständen folgen, dann wäre es Wonzeff ein leichtes gewesen, den Ringraumer anzufordern. So jedoch zögerte er und meinte: »Erst wollen wir uns den Fall aus der Nähe ansehen. Ende. « 129 Sie jagten in Kiellinie auf den brennenden Goldenen Menschen zu. Über tausend Meter hoch loderten die farbigen Flammenbah- nen, die nichts anderes als reine Energie waren. Und in diesem Energiestrom stand die rätselhafte Plastik. Nein, sie stand nicht!
Sie bewegte sich!
Sie schmolz!
Sie brach ganz langsam, aber deutlich erkennbar in sich zusammen.
Sie wurde kleiner und verlor ihr charakteristisches Aussehen.
»Ich werd' verrückt...« stammelte Rul Warren, der doch seit der
Rückkehr von Hope nach Terra so viel gesehen und erlebt hatte. Aber daß er einmal eine brennende Riesenplastik sehen würde, die in ihrem eigenen Energieausbruch zerschmolz, hätte er sich nicht träumen lassen. »Was ist los?« Bebirs Stimme aus dem Leitstand kam über Funk zu ihnen in die Flash. »Noch nichts von Bedeutung, nur daß der Goldene Mensch schmilzt. Ende!« sagte Doraner nicht gerade freundlich. »r-Strahlungswert steigt nicht an. Bleibt vor der letalen Grenze. Hm... wie ist denn das möglich?« Doraner erhielt von Wonzeff eine scharfe Antwort. »Sei froh, daß es so ist und nicht anders, sonst könnten wir den Commander zu seinem Staatsbegräbnis fliegen.« Die nervenzerreißende Spannung fraß auch bei ihnen Kräfte. »Suche aufnehmen!« befahl Doraner, und die drei Flash trennten sich. Es war selbstverständlich, daß der Blitz mit der Nummer 014 die weitesten Kreise um die energiespeiende Statue zog, während die 011 dicht um die Plastik herumflog. »Ich hab' sie in der Projektion! Folgen!« rief Warren mehr als laut über Funk, fuhr an seinem Flash die spinnbeindünnen Ausle- ger aus und nahm auch schon Kurs auf die Männer, die bewe- gungslos am Boden lagen. Gleichzeitig mit ihm landeten die beiden anderen Blitze. Drei Mann stießen ihren Einstieg auf und sprangen zu Boden. Dann ta- ten sie keinen Schritt mehr, weil sie nicht mehr dazu fähig waren.
Ein paar Schritte vor den am Boden liegenden Männern, von denen keiner seinen Raumhelm geschlossen hatte, gab es eine fünfeckige Bildprojektion, und in diesem Fünfeck zeigte sich das zerfurchte Gesicht eines Mannes, das jeder Terraner auf Terra kannte. Es war zum ersten Mal in der großen Transmitterantenne im Industriedom des Höhlensystems auf Deluge beobachtet wor- den. Aber dieses zerfurchte Männergesicht, das so sehr an einen Mann von der Erde erinnerte, war tot... Es hatte keine Augen! Anstelle der Augen saßen zwei glühende Pole, und diese Pole strahlten Bahnen ab, die gegen den Goldenen Menschen prallten. Pjetr Wonzeff war der einzige, der sein Aufnahmegerät hochriß und dieses Bild festhielt. »Sogar die Cyborgs sind bewußtlos!« rief Rul Warren über Helmfunk. »Zurück!« bellte Wonzeff, als er bemerkte, daß Mike Doraner sich der Bildprojektion in der fünfeckigen Öffnung nahem wollte. »Kein Risiko eingehen. Ich...« Er handelte instinktiv, riß seinen schweren Blaster hoch und schoß in dieses tote Gesicht, dessen Augen zu Abstrahlpolen geworden waren. Der Blasterschuß ging hindurch. Irgendwo in der Tiefe traf er, und dort gab es eine leichte Explosion, die im gleichen Moment das zerfurchte Gesicht in der Öffnung verschwinden ließ. Auf der Stelle wirbelte Wonzeff herum, doch was er zu sehen hoffte, war nicht eingetreten. Nach wie vor brannte der Goldene Mensch, der immer mehr in sich zusammenfiel. Bis zu den Hüften war sein Material noch sta- bil, aber was sich darüber befand, floß langsam nach innen und bewies damit, daß diese Plastik nicht massiv gewesen sein konnte. »r-Strahlung läßt nach!« Rul Warren gab es durch. Die drei Flashpiloten hatten sich von ihrer Verwirrung erholt und überleg ten, was zu tun war. »Bei allen Anti-r injizieren!« schlug Doraner vor und lief schon zu einem Flash. Anti-r war ein Mittel gegen leichte Strahlungsschäden, aber ob es in diesem Fall ausreichen würde, war fraglich, und dazu war keiner der drei Piloten medizinisch ausgebildet. Doch schaden konnte es auf keinen Fall. Doraner kam mit zwei Injektionspistolen, und Wonzeff half ihm bei der Verabreichung. »Möchte wissen, warum die Cyborgs nicht auf ihr Zweites System geschaltet hatten?« knurrte er, als er Car-rell und Alsop
Anti-r verabreichte. Warren stand wieder mit der POINT OF in Verbindung. »Wirbenötigen sofort zwei Ärzte, die mit stärkstem Strahlenserum ver- sehen sind. Flash-Einsatz erforderlich, Bebir! Sollen auf Gedan- kensteuerung schalten. Mein Blitz übernimmt. Ende!« Auch das gab es innerhalb der TF nur einmal, daß einfache Flashpiloten dem stellvertretenden Kommandanten Befehle ertei- len konnten. »Schicke sie los. Fliegen in fünf Minuten raus!« Bebir gab die Nachricht persönlich durch. Die drei Männer bekamen eine Atempause. Sie begriffen immer noch nicht, wieso Dhark und seine Männer hier bewußtlos lagen, denn sie hatten sich nicht im Bereich der beiden Strahlen befun- den, die von den Abstrahlpolen des zerfurchten Gesichts ausge- gangen waren. Rul Warren kramte in seinem Erste-Hilfe-Vorrat herum und kam mit einem Arsenal Injektionspistolen heran. Wonzeff und Doraner streikten. »Die Ärzte müssen bald eintref- fen, und ich habe keine Lust, mir von denen eine Zigarre einzu- handeln, nur weil wir übereifrig gewesen sind. Ich...« Ihre Außenmikrophone übertrugen ein gräßliches Geräusch, das ihnen furchtbar in den Ohren klang. Hinter ihnen barst der Rest des Goldenen Menschen! Von den Hüften aus riß der Torso über beiden Beinen auseinan der und gab trotz der züngelnden Energieflammen das Innere für kurze Zeit frei! Drei Männer bannten es mit ihren Aufnahmegeräten. Jeder auf der Erde sollte eines Tages, wenn die Aufnahmen freigegeben wurden, sehen, daß der Goldene Mensch in seinem Inne- ren eine ungeheuer komplizierte technische Apparatur barg. »Das ist doch keine Mysterious-Technik!« murmelte Mike Do- raner, der sich auf einigen Spezialgebieten darin ausgebildet hatte. Er erhielt keine Antwort, denn die beiden Flash mit den Medizi- nern an Bord rasten heran und setzten zur Landung an. Doch sie kamen nicht allein! Bebir hatte auch die Roboter zum Einsatz gebracht, und die von Wallis Industries in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen neu entwickelten Konstruktionen bewiesen jetzt ihre Vielseitigkeit. Kleine Zusatztriebwerke, die bei Bedarf an- und abgelegt werden konnten, verwandelten die eigentlich für den bodennahen Einsatz gedachten konusförmigen Maschinen in vollwertige, überschall-schnelle
Fluggeräte. Zehn Robs stürzten sich aus der Höhe, bremsten dicht über dem Boden ab und blieben in der Schwebe. Maitskill und Hanfstik untersuchten Ren Dhark und Dan Riker. Sie sahen sich fragend und auch etwas ratlos an. Was ist mit ihnen passiert? hieß der Blick. Die Bewußtlosen be-fanden sich weder in einem paralysierten Zustand, noch waren sie ohnmächtig. Dazu hatte ihr Körper unverständlicherweise kaum r-Strahlung aufgenommen. Wie die Roboter standen die Flashpilo-ten herum und schauten zu. Das Fauchen und Zischen der energe-tischen Strahlbahnen, die den Goldenen Menschen vernichteten, nahm keiner mehr war. Wichtiger als diese Plastik waren die Männer am Boden. Die Viphos sprachen an. Bebir fragte durch. Es dauerte ihm zu lange, bis er Bericht erhielt. Maitskill faßte sich kurz. »Wir untersuchen noch und melden uns, wenn wir selbst klar sehen. Ende.« Damit hatte sich der Zweite der POINT OF zufriedenzugeben.
Kartek und Dressler, die die beiden Mediziner herangezogenhatten, gingen langsam auf die fünfeckige Öffnung zu. Die ande- ren achteten nicht auf sie. Als Mike Doraner mit ihnen sprechen wollte, konnte er sie nirgendwo sehen. »Kartek! Dressler!« brüllte er mit Stentorstimme und lauschte auf Antwort. Nur das Prasseln und Zischen um den schmelzenden Goldenen Menschen herum war zu hören. Er benutzte sein Vipho und rief die beiden Männer über die Phase. Keine Antwort. Die übrigen Piloten wurden aufmerksam. Rul Warren ging auf den nächsten Rob zu und fragte ihn, ob er gesehen hatte, wohin die beiden Männer gegangen seien. »Durch das fünfeckige Tor!« antwortete die Konstruktion mit klarer Stimme und bewegte sich dabei um keinen Millimeter. Hier und dort wurde geflucht. »Diesen Leichtsinn hätte ich ihnen nicht zugetraut«, stellte Pjetr Wonzeff verärgert fest. »Im schlimmsten Fall können wir sie su- chen... « »Warum wir?« unterbrach ihn Doraner. »Setzen wir doch zwei Roboter ein. Wozu sind denn diese Blechkameraden da?«
Wonzeff lachte verlegen. »Ich muß mich erst noch daran ge wöhnen, daß es sie gibt. Okay, das ist ein guter Vorschlag.« Die Roboter trugen auf ihrer metallenen Verkleidung ein indivi- duelles Registrierungs-Kennzeichen, aber die wenigsten Men-schen, die mit den Maschinen zu tun hatten, sprachen die Buchsta- ben- und Zahlenkombination vollständig aus. »Drei zwo sieben C und Vier null acht C! Sucht die beiden Män-ner, die durch das fünfeckige Tor gegangen sind, und bringt sie schnellstens wieder zurück.« Zwei Robs wiederholten gleichzeitig den Wortlaut der Order, dann schwebten sie auf ihren Prallfeldern auf das Tor in der Fels-
wand zu, um Augenblicke später im Dunkel der Höhle zu verschwinden. »Bin gespannt, wie lange die brauchen«, sagte Warren, als Hanfstik seine Diagnose gestellt hatte und zu seinem Kollegen meinte: » Magarytonie!« Für die Piloten ein Wort aus einer unbekannten Sprache; ein bekannter Begriff für Maitskill, aber der zweifelte die Diagnose seines Kollegen an. »Demnach müßten alle alles sehen, hören und fühlen, und soll- ten dennoch zu keinerlei Reaktion in der Lage sein? Nicht einen einzigen Reflex zeigen?« Er deutete auf drei Geräte, die er an Dan Riker angeschlossen hatte. Die meisten Anzeigeskalen standen im Nullbereich. »Die müßten wenigstens ausschlagen, Hanfstik.« »Nicht, wenn der Thekus-Faktor im Spiel ist. Und das ist hier der Fall.« Die Flashpiloten wunderten sich, daß man die bewußtlosen Männer nicht so schnell wie möglich in die Medo-Station der POINT OF brachte, wo man sie doch viel besser behandeln konnte als hier im Freien. »Ich versuche es mit der HeatTherapie«, sagte Hanfstik und kniete wieder neben Ren Dhark. »Na, ob die hilft?« zweifelte Maitskill, der dann aufmerksam dem Tun seines Kollegen zusah. Der schaltete ein Gerät mit vielen Stellknöpfen hoch, kontrol- lierte sorgfältig jede einzelne Anzeige, nahm hier und da noch Nacheinstellungen vor und ließ dann seine Hand auf die breite Haupttaste fallen. Durch Dharks Körper ging konvulsivisches Zucken. Einmal bäumte
er sich auf, aber weder seine erstarrten Gesichtszüge ver- änderten sich, noch zeigten seine Augen Reflexe. »Es hat doch keinen Sinn, Maitskill.« »Verdammt noch mal«, sagte da Ren Dhark, der sich ruckartig aufgerichtet hatte und sich umsah. Er schien nicht zu wissen, wo er sich befand. Dann blickte er an sich herunter und sah die vielen Kabelanschlüsse an seinem halb entblößten Körper. »Maitskill, Sie...?« Langsam gewann er sein Erinnerungsvermö- gen zurück. Endlich schien er zu begreifen, warum seine Begleiter besinnungslos am Boden lagen. »Wie lange liegeil wir schon hier?« fragte er. Seine Stimme klang nicht besonders fest. »Über eine Stunde, Dhark. Können Sie uns sagen, was passiert ist?« Der Commander grübelte. »Nein, das kann ich nicht. Ich sah nur, wie es in der dunklen Tiefe des Ganges grell aufleuchtete. Mehr weiß ich nicht.« »Danke...« Die beiden Mediziner hatten es eilig, nun auch die anderen Männer wieder zu Bewußtsein zu bringen. Maitskill löste die Kontakte von Ren Dhark und wandte sich dann Manu Tschobe zu, während Hanfstik sich mit gemischten Gefühlen mit Dro Cimc beschäftigte. Hatte die terranische Medizin inzwischen auch vom Telin-Imperium alle Unterlagen über den biologischen Aufbau der Tel erhallen, wie man ebenso den Schwarzen Weißen sämtliche Informationen über die Menschen geliefert halte, so war doch noch vieles fremd und bedurfte intensiver Studien, bis man die Zu- sammenhänge erkannte. Und in diesem Fall wußte Hanfstik nicht zu sagen, ob die Heat-Therapie bei Cimc die gleiche Wirkung hatte wie bei einem Terraner. Aber was blieb ihm anderes übrig als es zu versuchen? Ren Dhark, der langsam seine Kräfte wieder zurückgewann, dachte noch nicht daran, sich zu erheben, aber er ließ sich von Wonzeff Bericht erstatten. »Wonzeff, war es das gleiche Gesicht, wie wir es erstmalig im Transmitterbogen im Industriedom gesehen haben, nur daß dieses Gesicht statt Augen Abstrahlpole besaß?« vergewisserte er sich. »Ja, und das da scheint das Resultat der beiden Strahlbahnen zu sein, Dhark. Drehen Sie sich einmal um!« Vom Goldenen Menschen war nicht mehr viel übrig. Knapp dreißig Meter hoch ragte der Torso, der in sich zerrissen war, aber nun nichts mehr von der Apparatur zeigte, die sich in seinem In136 nem verborgen hatte. Das Zischen und Prasseln hatte
in der Zwi- schenzeit an Stärke verloren, der Zerstörungsprozeß jedoch war dadurch nicht langsamer geworden. »Und zu allem Überfluß sind Dressler und Kartek verschwun-den. Sie haben auf eigene Faust das fünfeckige Tor durchschritten. Zwei Roboter sind unterwegs, um sie zu suchen. Das Beunruhi- gende ist, daß sie schon lange fort sind.« In Ren Dhark kam wieder der Commander zum Vorschein, der Mann, der nicht so leicht etwas übersah. »Warum haben Sie sie nicht über Vipho angerufen und Bericht verlangt, Wonzeff?« Der holte das sofort nach, aber die Roboter antworteten nicht. Sie schwiegen ebenso, wie sich Kartek und Dressler in Schweigen hüllten. Mit Hilfe von Warren und Doraner erhob sich Dhark. Er war nicht mehr der einzige aus seiner Gruppe, der wieder bei Bewußt- sein war. Auch bei Dro Cimc hatte die Heat-Therapie Erfolg ge- habt, und der Tel saß verwundert auf dem Boden und blickte sich ebenso ratlos um, wie es der Commander getan hatte, als er aus dem geschockten Zustand geweckt worden war. Nur in einem Punkt war Hanfstiks Diagnose falsch gewesen. Keiner der Bewußtlosen hatte etwas gehört, gesehen oder gefühlt, nachdem ihnen diese Sache zugestoßen war. Maitskill unterrichtete über Vipho den Zweiten Offizier des Flaggschiffes. Leon Bebirs Seufzer der Erleichterung war laut und deutlich zu hören. » Können die Wissenschaftler ihre Fahrt fortsetzen?« fragte er an. Da mischte sich Dhark ein. »Ja, Bebir, setzen Sie unsere Experten in Marsch.« Maitskill, der überrascht den Kopf gehoben hatte und Dhark verblüfft ansah, wunderte sich über die so rasch zurückgekehrte Entschlußkraft des Commanders. »Sie sind noch zu schwach, Dhark. Sie übernehmen sich wie 137 der...« Da stand der nächste aus der vorher bewußtlosen Gruppe auf - Dan Riker. Der Tel richtete sich ebenfalls auf. »Ich verstehe nicht, warum wir nicht gleich ein paar Roboter mitgenommen haben!?« Für den Schwarzen Weißen war der Einsatz der Maschinenwe-sen eine selbstverständliche Angelegenheit, denn er war mit Robo- tern groß geworden; anders die Terraner. Die neu entwickelten Konstruktionen waren — im Gegensatz zu den Robotern der Tel - aus zwei Gründen nicht
einmal im Ansatz menschenähnlich: Zum einen sollten sie ihren Maschinencharakter nicht verlieren, zum anderen war der konusförmige Grundentwurf des terranischen Ro-boter einfach vielseitiger. Die ersten TV-Übertragungen, die den Menschen auf Terra zei-gen sollten, daß die Konstruktionen äußerst praktische Vielzweck-geräte waren, hatten oft Mißtrauen ausgelöst. Ren Dhark war ohne Roboter aufgewachsen; auch er mußte erst ein Verhältnis zu den Maschinen und ihren phantastischen Mög- lichkeiten finden, und darum erwiderte er auf Dro Cimcs Vor-schlag: »Man sollte sich niemals zu sehr auf Maschinen verlassen.« Den erstaunten Blick des Schwarzen Weißen sali er nicht mehr, weil er schon damit beschäftigt war, die Suche nach Kartek und Dressler zu organisieren. Eine polternde und orgelnde Stimme übertönte alles. Chris Shanton tobte. Er kniete neben seinem Jimmy, der auf der Seite lag und sich nicht rührte. »Wer hat den Köter ausgeschaltet? Welcher Idiot hat ihm diese drei Kurzschlüsse verpaßt?« Er hatte seinem robotischen Spiel- zeug die Bauchdecke geöffnet und blickte mit immer größer wer- dendem Zorn auf die Zerstörungen im Inneren, die durch die Kurzschlüsse hervorgerufen worden waren. »Lassen Sie sich nicht aufhalten«, sagte ihm Dhark leichthin, der sich über diesen Fall keine Gedanken machte. Aber sein Freund Dan war bestürzt und er legte ihm schwer die Hand auf die Schul- ter. »Ren, niemand von uns konnte an Jimmy manipulieren! Wer hat ihn abgeschaltet? Das grelle Licht in der Höhle, das du gesehen hast? Wenn das stimmt, sollten wir uns noch auf einige Überra- schungen gefaßt machen!« Dhark zögerte einen Augenblick und ließ sich Rikers Worte durch den Kopf gehen. »Okay, Dan. Das muß näher untersucht werden. Manchmal ist es zum Verzweifeln, wenn von allen Seiten alles Mögliche und Unmögliche gleichzeitig auf einen herein- stürzt.« Er verstummte, weil Leutnant Imre Erkel neben ihn getre-ten war. »Commander«, sagte er - als Offizier der TF war er es nicht an- ders gewohnt, als jeden Mann mit seinem Dienstgrad anzureden. Daß die Männer des Flaggschiffes den Commander der Planeten einfach mit Namen ansprachen, war für ihn jedesmal wieder etwas Ungeheuerliches. »Ich möchte Ihnen, bevor Sie die Höhle betre- ten, noch etwas zeigen. Es ist kaum hundert Meter entfernt. Hinter dem Kamelrücken. Darf ich Sie
führen?« Er durfte. Riker, Cimc, Doorn und Tschobe schlössen sich ihnen an. Ein kurzes Stück gingen sie über einen zähen, knöchelhohen Moosteppich, der wieder von Geröll abgelöst wurde. Sie kletterten einen steilen Hang hinauf, erreichten ein kleines Plateau, das hin- ter dem ersten Höcker des Kamelrückens lag, und Imre Erkel hatte gerade gesagt: »Noch eine Minute, und wir sind da«, als etwas Ungeheuerliches passierte. Imre Erkel stieß seine Arme zum Himmel, und über seine Lip- pen kam unartikuliertes Stöhnen. Dhark, Tschobe, Cimc, Riker und Doorn sahen die zurückgelassenen Männer, die Flash und die Roboter! Der Kamelrücken war nicht mehr vorhanden! Der kleine Bergzug war verschwunden! Lautlos! Von einem Moment zum anderen! So wie Schatten verschwan- den. Die machten dabei auch keinen Lärm. Aber der Felszug war doch kein Schatten gewesen! Niemand sprach. Jeder starrte in das liefe, große Loch, das sie dunkel anstarrte. Aber alle schluckten, und auch der Tel hatte den Schweiß auf der Stirn stehen. »Ein Bergzug, der verschwindet?« Ren Dhark konnte es immer noch nicht fassen, und doch war es Realität. Es gab den Kamel- rucken nicht mehr, und mit ihm war auch das verschwunden, was Imre Erkel ihnen hatte zeigen wollen. »Der Goldene Mensch kaputt! Jimmy ausgeschaltet! Und jetzt das!« quälte sich Arc Doorn ab. Am liebsten hätte er hemmungslos geflucht und die Mysterious beschimpft. Er mochte sie immer weniger, weil ihm die Geheimnisvollen einfach tu geheimnisvoll waren! »Und mit dem Bergzug sind Dressler und Kartck verschwun-den!« Dharks Stimme klang viel schärfer als er es beabsichtigt hatte. Auch er mußte seine Erregung erst einmal abklingen lassen. Neben ihm rief Riker über sein Vipho die POINT OF. Dort ver-stand man ihn nicht, weil die Frequenz von Störungen überlagert wurde. »Dhark ist mit einem Kamelrücken verschwunden?« fragte Glenn Morris zurück und ließ Falluta und Bebir in der Komman-dozentrale mithören. So kam es, daß die Wissenschaftler, die mit acht Schwebeplattformen unterwegs waren, eine völlig falsche Information aus der POINT OF erhielten. Dan Riker schaltete sein Gerät aus, weil auch er kaum ein Wort
verstehen konnte. Dabei warf er einen Blick zum Himmel und suchte sich die Augen nach einer Wolke aus. »Mag der Teufel wissen, woher nur diese Störungen kommen...« Rechts polterlen mehrere Steine in die Tiefe. Die Felswand, die aussah, als ob man sie mit einem scharfen Messer durchschnitten hätte,
verlor ihr loses Gestein. Ren Dhark achtete nicht darauf. Wie hypnotisiert
blickte er in das riesige Loch, das von einem Au- genblick zum anderen
in erschreckender Lautlosigkeit entstanden war.
Dafür gab es nur eine Erklärung.
Man hatte einen Materiesender eingesetzt und mit seiner unvor-
stellbaren Leistung den Kamelrücken mit der gesamten Anlage
verschwinden lassen, um ihn in Nullzeit an einer anderen Stelle in der
Galaxis wieder existent werden zu lassen. Ein Materiesender, der in
seinem Leistungsvermögen die Apparatur auf Planet l im Zwitt-System
um ein Vielfaches übertraf.
Er dachte an die beiden Flashpilolen, weniger an die beiden Ro-boter,
die nun auch verloren waren. Roboter waren zu ersetzen; Menschen
nicht.
»Wir müssen den Materiesender finden.« Seine Worte zwangen die
anderen, ihn anzusehen.
»Materiesender?« sagte Dro Cimc voller Zweifel. »Gibt es so etwas
überhaupt? Im Telin-Imperium arbeitet man seit ein paar hundert
Jahren daran — erfolglos.«
An Dharks Stelle erwiderte der Sibirier: »Die Mysterious hatten Materiesender entwickelt.« Aber er sagte nicht, wo die Terraner auf ein Gerät dieser Art gestoßen wa-ren. »Und damit kann man einfach...?« »Nein, Cimc!« Dhark hatte den Tel verstanden und war ihm ins Wort gefallen. »So einfach geht es auch wieder nicht. Nur das, was im Bereich des Senders liegt, kann versetzt werden.« Wieder blickte er zu den letzten Resten des vergehenden Goldenen Men- schen hinüber. Von der gewaltigen Plastik war nicht mehr viel üb- rig. Die Fußfesseln schmolzen, und die wunderbar modellierten nackten Füße begannen, ihre Form zu verlieren. Mit ruckartiger Bewegung nahm Dhark sein Vipho hoch und rief Chris Shanton an. »Ist Jimmy wieder okay, Shanton?« »Fast!« orgelte dessen tiefe Baßstimme. »Warum?« »Weil Jimmy feststellen soll, wo sich der Materiesender befin-det!« »Im Goldenen Menschen, Dhark! Genauer: unter seinem Stand- ort.
Aber der Materiesender war einmal. Er schmilzt auch und...« Man konnte es sehen. Dort, wo die gewaltige Plastik gestanden hatte, wo die Füße der gigantischen Statue Kontakt mit dem Felsen gehabt hatten, brach der Boden auf, und unter donnerndem Krachen stürzte der zu ei- nem Klumpen geschmolzene Goldene Mensch zusammen mit Ge steinstrümmem in die Tiefe. Gleichzeitig drangen krachende Explosionen ins Freie, und ein einziges Mal schoß eine weiße, grelle Stichflamme in den Himmel von Soradan. Die r-Strahlung stieg schlagartig an, um aber kurz darauf wieder auf die normalen Werte zurückzufallen. In dem Tal mit den vielen Trümmerstücken gab es zwei gewal- tige Löcher. Die Blicke aller pendelten zwischen diesen beiden Stellen hin und her. Niemand sah zum Himmel empor. Niemand sah die unfaßbare Erscheinung. Aber in der POINT OF kontrollier- ten Falluta und Bebir die Bildkugel, die eine detaillierte Darstel- lung der näheren und ferneren Umgebung des Schiffes lieferte, und sahen das Phänomen. »Bebir, das Emblem! Die stilisierte Galaxis-Spirale!« stieß Fal- luta aus und war aus seinem Pilotensitz aufgesprungen. Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf den dritten Bildschirm. In der Kommandozentrale der POINT OF fuhren die Offiziere herum und sahen diese im Goldton schimmernde Spirale, die am wolkenlosen Himmel rotierte. Ganz langsam. Ihre Rotation ver- langsamte sich immer weiter. Und dabei wurde das Emblem lang- sam auch blasser. Kein Laut war im Leitstand zu hören. Die Männer hatten den Atem angehalten - Männer, die schon so viel erlebt hatten und dennoch immer wieder von neuen Dingen überrascht wurden. Was halte das zu bedeuten? 142 Falluta mußte sich fast Gewalt antun, um sich nach Yell umzu- drehen. »Was sagen unsere Ortungen?« »Nach den beiden starken, aber unheimlich kurzen Energieausbrüchen kaum etwas. Ich messe nur eine schwache Strahlung im Standortbereich von Dhark an.« Hastig beugte sich der Erste Offizier des Flaggschiffes zu den Sprechrillen der Bordverständigung vor. »Funk-Z, ich muß eine saubere Verbindung zu Dhark haben. Sofort!« Sekunden später: »Verbindung steht. Sie können sprechen, Falluta.« Dhark meldete sich.
»Commander, haben Sie auch das Emblem am Himmel beobachten können?« Falluta hörte nur ein knappes, hartes Was, dann lautes Atmen und schließlich die Stimme des Sibiriers, der bissig sagte: »Das sieht den Mysterious mal wieder ähnlich!« Kurz darauf war das Emblem am Himmel so blaß geworden, daß man es nicht mehr erkennen konnte. »Wir kommen zurück«, meldete Dhark. »Es hat keinen Sinn mehr, noch länger hier zu bleiben. Was es hier noch zu sehen gibt, können wir uns ebensogut vom Schiff aus ansehen. Falluta, lassen Sie alle Unterlagen, die die FO VII über Soradan besitzt, zurecht- legen. Bis gleich.« Deprimiert verließen die Männer diesen Platz, an dem einmal Mysterious gehaust hatten - Mysterious, die vor 1.231 Jahren in eine Falle geraten waren, aus der es für sie kein Entkommen mehr gegeben hatte. Dennoch mußten sie einen Weg gefunden haben, sich an ihrem Gegner zu rächen. Eindeutig ging es aus dem Satz ihrer Nachricht hervor, die sie in den Felsen geschmolzen hatten: Aber die Fallensteller werden dennoch blindlings in ihre Ver-
nichtung jagen.
Bis zum Einflug in die POINT OF sprach Ren Dhark kein Wort. Was hatte das zerfurchte Gesicht des alten Mannes zu bedeuten gehabt? Und warum war er nicht in der Lage, jene Sätze zu versle 143 hen, die ihnen im Industriedom das zerfurchte Gesicht, das im Transmitterbogen aufgetaucht war, zugerufen hatte? Auch jene Worte konnte er nicht übersetzen, die sie damals auf Hope empfangen hatten, als Arc Doorn Experimente mit dem sie- beneckigen, winzigen Gigantsender machte. Wer war der Alte? Etwa auch ein Symbol wie die stilisierte Wiedergabe einer Ga- laxis-Spirale? Ren Dhark hielt sich allein in seiner Kabine auf und sichtete das Material, das ihm die FO VII geliefert hatte. Die Wissenschaftler des Forschungsraumers hatten gute Arbeit geleistet, dennoch konnte sich der Commander nicht richtig darüber freuen, denn die Katastrophe, die vor 1.231 Jahren über die Geheimnisvollen auf Soradan hereingebrochen war, bedrückte ihn. Rund 230 Jahre, bevor die Mysterious schlagartig von all ihren Welten
verschwanden, hatten sie eine Niederlage hinnehmen müs- sen. Deutete dieses Ereignis nicht darauf hin, daß sie 230 Jahre später in einem unvorstellbaren Krieg alle vernichtet worden wa- ren? Ron weddu di terru! Er konnte diesen ersten Satz einer Daucrsendung, die von Er-ron l ausgegangen war, nicht vergessen. Grüßte Gefahr, alle sofort zurückkommen! Und der zweite Satz: Lebensgefahr für alle überall! Für alle überall! So etwas gab es doch nicht. Einer der hundert Millionen Sauer stoffplaneten der Milchstraße hätte doch zum Versteck werden können, denn überall konnte der erbarmungslose Gegner doch nicht sein! Ren Dhark stutzte und legte unbewußt die Folie aus der Hand. Mußte der Gegner der Mysterious ein Lebewesen sein, eine Intelligenz? Konnte die Lebensgefahr nicht auch galaktisches For-mat haben, vielleicht in der Art, wie die Störungen des elektroma- gnetischen Feldes der Milchstraße, die für die meisten Rassen le- bensgefährlich waren? Ren Dhark stellte plötzlich fest, daß er sich in Spekulationen verlor. Kein einziger Hinweis war vorhanden, der erklärte oder andeutete, mit welcher Gefahr die Mysterious plötzlich konfron- tiert worden waren. Er nahm die Folie wieder in die Hand und las den Text, den er fast gleichzeitig übersetzte. Dann betrachtete er die Aufnahme. Schriftzeichen der Mysterious, die in eine Unitall- platte geschmolzen worden waren. Und diese Platte hatte halb un- ter einem der hohen Felsblöcke gelegen, der erst geschmolzen werden mußte, damit man sie auch tatsächlich erreichen konnte. »... und die Schranke hinter Soradan wird sie vernichten!« sagte Dhark noch einmal halblaut und wiederholte damit den letzten Satz der Mitteilung, aus der unversöhnlicher Haß sprach. »Die Schranke hinter Soradan... hmm!« Etwas begriff er nicht. Warum hatten die Mysterious nicht ihren Materiesender benutzt, um damit der Falle zu entkommen, in die andere sie hatten stürzen lassen? Durften sie diesen Stützpunkt nicht verlassen? Warum nicht? Hatte es vielleicht mit dem gefesselten Goldenen Menschen zu tun? Und weshalb war nach 1.231 Jahren dieser Materiesender akti- viert worden? Hatten Dressler und Kartek im Kamelrücken etwas entdeckt, was kein fremdes Auge sehen sollte? Ren Dhark schüttelte den Kopf, schob die Folien zusammen, schaltete
das Aufnahmegerät ab und sagte den schon ungeduldig wartenden Experten, daß ihnen die Unterlagen zwecks Auswer- tung zur Verfügung stünden. Ohne seine Übersetzungen wären sie hilflos gewesen. Doch kaum hatte er abgeschaltet, als er eine Ver- bindung mit Major Cass Lefter verlangte. Der Kommandant der FO VII meldete sich aus dem Triebwerks- raum seines 200-Meter-Kugelraumers. »Da bin ich überfragt, Commander. Erlauben Sie, daß ich mich erkundige.« Dhark hörte, wie er mit einem Mann aus seinem Fotolabor sprach. »Nein, Major. Einen 3D-Film und vier Aufnahmen haben wir zurückbehalten, weil sie nichts taugen. Strahlungseinfall, der von den Giltern nicht absorbiert wurde...« Major Lefter unterbrach den Techniker. »Packen Sie die mißra- tenen Aufnahmen sofort zusammen. In fünf Minuten will Commander Dhark sie in seiner Kabine in Empfang nehmen. Ende!« »Danke«, sagte Dhark dem Major und schaltete ab. Ein Sergeant trat ein, nahm Folien und Aufnahmegerät in Empfang und ver- schwand wieder. Kurz darauf betrat ein Bote von der FO VII die Kabine. Dhark legte den Film ein und ließ die Projektion laufen. Die digitale Aufnahmetechnik, die statt Filmen mit Chips aus- kam und bei der der umständliche Entwicklungsprozeß entfiel, hatte in den letzten 70 Jahren zwar gewallige Fortschritte gemacht. Aber ebenso gewaltig waren die Fortschritte bei der Entwicklung neuer, unvorstellbar feinkörniger und für sämtliche Bereiche des elektromagnetischen Spektrums sensibilisierbarer Filme gewesen. Der Qualitätsvorsprung, den Filmmaterial gegenüber digitalen Bilderstellungsvert'ahren um die Jahrtausendwende besessen hatte, war seitdem nicht geschrumpft - auch wenn heulige Videochips Bilder in einer Schärfe und Auflösung lieferten, die noch vor fünf- zig Jahren nur mit professionellem Filmmaterial denkbar gewesen wären. Entsprechend phantastisch waren die Möglichkeiten des heutigen Filmmaterials. Doch diese Aufnahmen waren tatsächlich alle mißlungen. Strahlungseinfall hatte sie verdorben. So gut wie nichts war zu erkennen. Die vier Fotos waren nicht besser. Dhark schlug im Pro- tokoll nach und las: Film Nummer 29, Aufnahmen von Block 134. Die Zeichen stellen wahrscheinlich Koordinaten dar. Position: in acht Meiern Höhe unter dem ersten Höcker des Kamelrückens.
Die vier Autnahmen gehörten zu demselben Komplex. Dhark nahm den Film heraus, griff nach den mißratenen Aufnahmen und war schon zum Filmlabor unterwegs. »Sehen Sie sich das an!« sagte er den beiden Spezialisten. » Kann man daraus noch etwas machen?« Der Commander der Planeten befand sich auf der POINT OF und nicht auf irgendeinem anderen Schiff der TF; darum erhielt er auch keine Antwort, weil die beiden Männer den Film in einen suprasensorgesteuerten Analysator spannten. Auf einer kleinen, schwach von innen her beleuchtelen Scheibe, die konkav gewölbt war, tauchten Primärfarben auf, die ununter- brochen ihre Positionen wechselten. Daneben lief ein komplizier- tes Zählwerk, das achtzehn Kolonnen besaß, die untereinander- standen. Dhark kannte dieses Prüfgerät nicht, weil Filmen nicht zu seinen Hobbys gehörte. Plötzlich sah ihn einer der Fototechniker an. »Der Film ist nicht durch Strahlung verdorben worden... ich meine die Schicht. Die Schicht wäre okay und alle Aufnahmen bestens, wenn die Struktur des Trägermaterials nicht verändert worden wäre. Man hat sich das ungefähr so vorzustellen: Auf einem Quadratzenlimeter hat sich das Trägermaterial an circa hundert Stellen ungewöhnlich stark zusammengezogen, aber an ebenso vielen anderen Stellen wiederum ungewöhnlich ausgedehnt. Dabei ist die lichtempfindli-che Schicht zu einer Warze geworden. Daß unter diesen Umstän- den kein klares Bild entsteht, ist klar.« Ren Dhark interessierte weniger die technische Seite; er wollte wissen, ob der Fehler noch zu beheben war. »Im ganzen Film, Dhark?« Es klang, als ob der Commander ver- langt hätte, sie sollten ein Wunder schaffen. »Das dauert Tage, fünf, sechs...« »Und einzelne Bilder des Films?« Er ging von der Vermutung aus, daß man nur von den Koordinaten auf dem Steinbrocken Nummer 134 Aufnahmen gemacht hatte und der Kamelrücken 146 147 nicht auch noch auf den Film gebannt worden war. »In einer Stunde könnten wir Ihnen zehn bis zwanzig gute Auf nahmen liefern.« »Gut. Ich warte darauf. Schaffen Sie klare Abzüge von diesen vier Fotos und aus dem Film fünfzehn Bilder von verschiedenen Stellen. Sie finden mich in meiner Kabine.« Auf dem Weg dorthin warf Ren Dhark einen Blick in den Leit-stand. »Lage unverändert!« meldete ihm Falluta. Dan Riker saß im Ko-Sitz und unterhielt sich mit Dro Cimc, der auf der Konsole Platz genommen hatte und die Arme verschränkt vor seiner Brust hielt. »Gut, daß du kommst, Ren«, rief sein Freund ihm zu. »Wir ha- ben
versucht, die Richtung zu erfassen, in der der Materiesender den Kamelrücken fortgeschafft hat. Ohne den Checkmaster hätten wir schnell aufgegeben, aber der behauptet nun, daß wir den Ka- melrücken in diesem Sektor zu suchen hätten. Entfernung von So-radan 2.056 Lichtjahre. Und das hier sind die Koordinaten.« »Was sagt die Astronomie, Dan?« fragte Dhark, ohne sich die Koordinaten anzusehen. »Auch die Astronomie der FO VII kennt diesen Bereich nicht. Unbekannte Region. Hattest du etwas anderes erwartet?« Dhark ging auf Rikers Frage nicht ein. »Ich bin in der Funk-Z!« Damit verließ er die Zentrale. Entgeistert sah ihm Dan Riker nach. »Cimc, verstehen Sie das? Läßt uns einfach stehen?! Geht gar nicht auf das ein, was ich ihm gesagt habe! Moment, das habe ich schnell!« Er sprang auf und verließ ebenfalls den Leitstand. Der Blick des Schwarzen Weißen kreuzte sich mit dem des Ersten Offiziers. »Manchmal seid ihr Emporkömmlinge in eurer Handlungsweise schwer zu verstehen.« Es gefiel keinem Mann in der Zentrale, ein Emporkömmling zu sein, und niemand hatte es gern, daß der Tel diesen Ausdruck auch nur im Scherz benutzte. Darum polterte Falluta: »Die Ethik der Tel 148 wird uns bis zum Jüngsten Tag genauso fremd bleiben, Cimc! Wir vergeben zum Beispiel keine Orden, die dem Träger das Recht verleihen, drei Menschen ungestraft zu ermorden! Wir setzen auch keine Menschen als Versuchskaninchen ein. Ganz Terra stünde auf, wenn bekannt würde, daß Mediziner Menschen zu Versuchen mißbraucht hätten und diese Menschen dabei gestorben wären.« Wer Dro Cime ließ sich nicht provozieren. »Falluta, Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Auch Sie müßten wissen, daß ich in den Terranern die ehrlichen Freunde der Tel sehe, aber es muß mir doch erlaubt sein, mich hin und wieder über euch zu wundern. Und eben habe ich mich über Dhark gewundert. Man ist auch sei- nem Freund gegenüber höflich, und das war Dhark vorhin keines- wegs.« Der gleichen Ansicht war auch Dan Riker. Er stampfte in die Funk-Z und wollte seinem Freund ein paar passende Worte sagen, als er im nächsten Moment seinem Vorsatz untreu wurde. Ren Dhark verlangte gerade von Elis Yogan, mit größter Sendeleistung in Rot 246:55,00 nach Kartek und Dressler zu rufen. In Rot 246:55,00 sollte der Materiesender den Kamelrücken rematerialisiert haben!
»Hoffentlich machen uns die Störungen des elektromagnetischen Feldes der Galaxis keinen Strich durch die Rechnung«, sagte Yogan, » denn in der letzten halben Stunde sind die Werte wieder einmal sprunghaft hochgeschnellt.« »Versuchen Sie es, Yogan, und wenn wir nur einen Blip auffan-gen, der den Verdacht aufkommen läßt, Kartek oder Dressler könnten ihn mit ihrem Vipho abgestrahlt haben, bin ich schon zu- frieden.« Der Versuch mißlang. Die Störungen des galaktischen Magnetfeldes reichten einmal mehr in den Hyperspace hinein und unterbanden damit einen ein- wandfreien Funkverkehr. Der Wirrwarr an Amplituden auf den Oszillos war so groß, daß selbst der zur Hilfe gezogene Checkma 149
ster damit nicht mehr fertig wurde. Er warf rot aus
und streikte. Die Schleuse zur Funk-Z sprang auf,
und einer der beiden Fo-tospezialisten sagte:
»Hier sind Sie also!« Dabei strahlte er über das ganze Gesicht und überreichte Dhark zwanzig noch vom Kernleilchenhclichter warme Abzüge. »Was ist das?« fragte Dan seinen Freund und mußte wieder einmal erleben, keine Antwort zu erhalten. »Großer Himmel...«, flüsterte Ren Dhark. Hastig schob er die Hand in die Tasche und holte die Folie hervor, die ihm Riker in der Kommandozentrale gegeben hatte. Rot 246:54,87! Das war deutlich auf einem der Abzüge zu lesen, wenn man die Werte der Mysterious auf das terranische Koordina-tensystem umrechnete. Und auf der Folie, die er von Riker bekommen hatte, stand: Rot 246:55,00, Eine Differenz von 0,13 Bogensekunden! »Unheimlich...« »Was denn? Was ist unheimlich?« Riker verstand die Zusammenhänge nicht. Er hatte ja auch keine Ahnung, daß die Wissen-schaftler auf der FO VII einen mißlungenen Film und vier unklare Aufnahmen zurückbehalten hallen. »Unheimlich ist, daß die Mysterious die Koordinaten, auf die ihr Materiesender eingestellt gewesen war, in eine Steinwand ge- schmolzen haben. Wer verrät schon, auf welchen Bereich ein Fluchtgerät eingestellt ist?« Dan verstand ihn immer noch nicht. »Laß mal sehen!« Er zog ihm Folie und Abzug aus den Fingern. »Donnerwetter! Das meinst du...« »Und die Falle, die die Geheimnisvollen den anderen nachträg- lich gestellt haben, nachdem sie selbst hoffnungslos in der Klemme steckten. Dan, überleg mal! Vor 1.231 Jahren wurden Mysterious auf diesem
Planeten in eine Falle gelockt. Nach allem, was wir im Tal gesehen haben, konnten oder durften sie diese Welt trotz Materiesender nicht mehr verlassen. Aber dann schreibt man doch nicht auf eine Felswand, in welche Richtung der Sender arbeitet. Die Mysterious mußten sich doch klar sein...« Er sprach nicht mehr weiter, und sein Schweigen war so uner- wartet, daß ihn auch der letzte Mann in der Punk-Z verwundert anblickte. Ren Dhark griff mit beiden Händen nach Rikers Arm und hielt sich daran fest. »Du, Dan... wenn nun nach 1.231 Jahren Kartek und Dressler in die Falle gestolpert sind, die die Geheimnisvollen damals für andere aufgestellt hatten?« Um ein Haar hätte Dan zu seinem Freund gesagt: Ren, du bist verrückt! Doch dann warnte ihn eine innere Stimme ziemlich kräf- tig, das nicht zu tun. Es war ja auch gar nicht so verrückt, was Dhark da behauptete. Da war einmal der Bildabzug und dann die Folie mit den Koor- dinaten! So viel Zufall gab es nicht! Ein Zufall, der nur eine Diffe- renz von 0,13 Bogensekunden hatte! Es tut gut, sich zu rächen, und wir haben uns schon gerächt, auch wenn unsere Rache erst viel später wirksam wird! Dan Riker erinnerte sich dieses Satzes und seufzte: »Mahlzeit!« Ren Dhark aber sagte: »Wir starten!« Jedem Mann in der Funk-Z war klar, daß die Suche nach Kartek und Dressler begonnen hatte. Der Commander hatte eine Spur gefunden! Der Commander hatte aber auch entdeckt, daß es wahrscheinlich gefährlich sein würde, dieser Spur nachzugehen. Aber waren nicht die meisten Spuren, die sie verfolgt hatten, voller Gefahren gewesen?
4. Hinter ihnen blieb Soradan zurück. Langsam wurde die Sonne kleiner. Der Funkkontakt mit der PO VII war gut. Auf kleine Di-stanzen machten sich die Störungen des galaktischen Magnetfeldes kaum bemerkbar. Kurs: Rot 246:54,87! Distanz: 2.056 Lichtjahre. Aber die Sprungkoordinaten waren auf eine
Entfernung von 2.051 Lichtjahren berechnet worden. Commander Dhark dachte nicht daran, mit offenen Augen in eine Falle zu rasen. Auf beiden Schiffen lief die X-Zeit. In dreißig Sekunden mußte die Transition erfolgen. Die P01NT OF baute ihre beiden Intervalle, die Transilions-bremse, ab. Im Schiff war jenes undefinierbare Pfeifen wieder zu hören - das charakteristische Zeichen, daß der Ringraumer kurz vor einer Transition stand. Dann verschwand die Bildkugel über der langgestreckten Instrumentenkonsole. Warum? Wer konnte darauf eine Antwort geben? Kein Mensch. Der Checkmaster zeigte mit allen Kontrollen Grün.
X-Zeit!
Sprung!
»Alarm!« schrie Ren Dhark über die Verständigung, und auch er
sackte zusammen, denn die Gravowerte waren ganz kurz hochge sehnellt. Die POINT OF krachte in allen Verstrebungen. Die Andruckaus gleicher heulten in schauerlichstem Diskant. Das Schiff schoß aus allen verfügbaren Antennen. Der Checkmaster hatte den Ringraumer übernommen und sämtliche Steuerschalter blockiert.
Was war denn überhaupt los?
Der Weltraum hatte sich verändert!
Es gab keine Sterne mehr!
Titanische Kräfte versuchten, die P01NT OF festzuhalten!
Grappa und Yell hinter den Ortungen rührten sich nicht. Sie
hatten nichts mehr zu tun. In der Funk-Z verzweifelten die Offi-ziere. Die FO VII hatte mit ihnen zusammen transitiert und mel-dete sich dennoch nicht! Im Triebwerksraum sahen sich Miles Congollon und Arc Doorn aus weit aufgerissenen Augen fragend an. Sie konnten Daumen drehen. Ihre Arbeit hatte der Checkma- ster ebenfalls übernommen. Das gewaltige Triebwerk des Flagg- schiffes brüllte wie ein Ungeheuer der Vorzeit. Sämtliche M-Kon-verter waren hochgefahren worden. In den beiden Waffensteuerungen rangen Bud Clifton und Jean Rochard die Hände. Ihr Ziel war von einem Augenblick zum ande- ren verschwunden: Eine leuchtende Fläche, oder war es eine Kugel gewesen?
Darauf hatten sie aus allen Antennen geschossen, aber die Strahlen hatten keine Wirkung gezeigt, und nun war das Ziel verschwunden. Was war mit der verdammten Bildkugel los? Das gleiche fragte sich auch Ren Dhark, und er versuchte über die Gedankensteuerung, Kontakt zum Checkmaster zu erhalten. Nicht stören! Nicht stören! hörte er in seinem Kopf. Großer Himmel, konnte auch der Checkmaster in seiner Arbeit gestört werden? Ein Stoß ging durch die POINT OF, und die Schwerkraft schnellte wieder hoch. Männer brachen in die Knie, andere stürzten zu Boden. Die Schwerkraft der POINT OF war auf l g eingestellt, und jetzt war sie nicht mehr stabil. Wo waren die Sterne geblieben? Es mußte sie geben. Die Bild-kugel versagte, das Auge des Ringraumers. Da wurden Ren Dhark und Dan Riker an der Schulter gepackt. Dro
Cimc stand zwischen ihren Steuersesseln, und der Tel brüllte ihnen zu:
»Wir haben es mit einem negativen Raumgefüge zu tun!«
Die Offiziere starrten den Tel an, als ob sie an seinem Verstand
zweifelten, nicht aber Dhark und Riker. Sie spielten ihr Wissen
aus, das sie im Archiv von Erron-3 durch Einnahme von Mentcaps
erhallen hatten. »Ein negatives Raumgefüge?« murmelte Ren Dhark und ver- suchte, das Brüllen und Toben im Schiff, das alle Schallisolierun- gen durchschlug, nicht mehr zu beachten. Es fiel ihm schwer, sich so etwas vorzustellen; genauso schwer war es, sich ein anderes Raum-Zeit-Kontinuum zu erklären. Miles Congollon störte ihn in seinem Grübeln. »Ich kann für unser Triebwerk nicht mehr garantieren...« »Congollon, was heißt das?« fragte Dhark mit Schärfe in der Stimme. »Es müßte eigentlich schon explodiert sein, aber der Checkma- ster hat eine uns bisher unbekannte Schallung vorgenommen, nach der die P01NT OF längst wie ein Atomofen brennen müßte...« »Und? Brennt das Schiff, Congollon?« »Nein, bis jetzt noch...« »Dann stören Sie nicht. Ende!« Im Stillen gab Dro Cimc dem Commander recht. Miles Congol-lons Meldung war in dieser Lage überflüssig gewesen. Riker beugte sich zu Dhark herüber. »Nach G-Derugal müßten wir durchkommen.« Abermals benutzte er einen Ausdruck, den außer ihm nur der Commander verstand.
Heftig schüttelte Dhark den Kopf. »Damit schafft es der Checkmaster nie, Dan. Zur Hölle, was ist denn ein negatives Raumgefüge? Doch nichts Natürliches...« »Aber vielleicht die Falle, die unsere lieben Mysterious auf So-radan aufgestellt haben.« Erschreckt blickte Dhark seinen Freund an. »Wenn das stimmt, dann ist die FO VII verloren. Ist dir das klar?« Die Bildkugel zeigte immer noch nichts. Die Ortungen lagen still. In der Funk-Z bemühte man sich vergeblich, Verbindung mit 154 dem Forschungsraumer zu bekommen. Glenn Morris fluchte wie ein Raumtramp. Was ging im Schiff vor? Wie hoch waren die Belastungen der wichtigsten Aggregate? Niemand konnte es sagen, denn überall waren die Instrumente zur Untätigkeit verdammt. »Kein Blip geht raus! Kein einziger!« tobte Walt Brugg in hilfloser Ohnmacht. »Warum denn nicht?« Seine Frage blieb im Raum hängen. Man zuckte nicht einmal mit den Schultern. Stand das Schiff im freien Fall? Raste es mit Überlicht durch dieses negative Raumgefüge? Existierte es noch in der Form, wie die Menschen es kannten? In der Zentrale wurde der Checkmaster von allen Seiten ange- starrt. Seine Kontrollen leuchteten grün, aber dieses Grün konnte nicht mehr beruhigen. Die Aggregate, Transformer, Spulbänke und Andruckausgleicher heulten und brüllten; die Schwerkraft im Schiff war wieder konstant, alles andere jedoch nicht normal. Noch einmal versuchte Dhark über die Gedankensteuerung, Kontakt zum Bordgehim zu erhalten. Nicht stören! Nicht stören! Es war zum Verzweifeln! Die Ratlosigkeit machte sich auch bei Dhark bemerkbar, wäh- rend Dan Riker unheimlich ruhig wirkte. Vergebens versuchte der Commander, die Steuerschalter in andere Positionen zu bringen. Sie saßen fest! Sie waren blockiert. Der Checkmaster hatte das Kommando über die POINT OF übernommen. Da zitterte das Schiff. Es bebte, als ob es hin und her geschüttelt würde. Die Kontrollen des Checkmasters leuchteten grün! Als ob sie die Menschen verhöhnten. Dhark warf einen Blick auf das Chrono!
Null Uhr! Das Chrono stand. Zum ersten Mal, seit Menschen den Ring155 raumer der Mysterious flogen! Die Schleuse flog auf. Miles Congollon, Chefingenieur der POINT OF, raste mit si Team in die Kommandozentrale. Auch Arc Doorn sah nicl aus. Der Schweiß rann über sein Gesicht. »Gleich fliegt der Kahn auseinander! Wir haben aufgeg weil wir nicht von ultraharter Strahlung gebraten werden wol »Trotz Raumanzug?« fragte Dhark scharf, der diese Fluc dem Triebwerksraum einfach nicht begreifen konnte. Miles Congollon streifte seinen Klarsichthelm zurück, t sich zum Commander herunter und zeigte ihm die Werte a nem r-Messer. » Genügt das?« Dhark nickte nur. Congollons r-Messer war nicht mehr Lage gewesen, die Strahlungswerte im Triebwerksraum ger messen. Sie überstiegen den Meßbereich des Gerätes! Der Commander beugte sich zu den Sprechrillen vor. »An alle! Gefahr für das Schiff. Wir müssen damit rechne die POINT OF explodiert!« Was sollte er noch mehr sagen? Anordnen, alle Schleus schließen? Das hatte auch keinen Sinn, falls die Unilallzelle atomaren Gewalten ausbrannte. Es machte nicht einmal Sinn, einen Raumanzug zu tragen. Das schob ihr Ende nur h aber es konnte sie nicht mehr retten. Ein Schrei gellte durch die Zentrale: »Aus! Aus! Alles vorbei...« War der Mann wahnsinnig geworden? Yell hinter den Ortungen hatte geschrien. Er deutete auf den Checkmaster! Der halte abgeschält zeigte nicht einmal rot. Das Schiff war ohne Führung! Im negativen Raumgefüge! Das mußte das Ende sein - das Ende hinter Soradan! Das an der Schranke, die die Mysterious vor 1.231 Jahren en hatten, um ihre Gegner zu vernichten! Aber konnte es eine Schranke geben, die eine Stärke von 156 156 als fünf Lichtjahren hatte? Sie waren doch gut fünf Lichtjahre vor dem eigentlichen Ziel aus dem Hyperspace wieder ins EinsteinUniversum zurückgekommen!
Auf der Galerie schrien die beiden Offiziere auf. Haben wir denn plötzlich Hysteriker an Bord, fragte sich Ren Dhark bestürzt, riß sich mit seinem Schwenksessel herum, blickte zur Galerie hinauf und traute seinen Augen nicht mehr. Im glei- chen Moment nahm er die gedankliche Bemerkung über Hysteri- ker wieder zurück. Zwischen den beiden Offizieren auf der Galerie standen Dressler und Kartek - die vermißten Flashpiloten, die mit dem KamelrÜk- ken auf Soradan vor ihren Augen verschwunden waren. Hinter ihnen tauchten die beiden Roboter auf, die man losge- schickt hatte, diese Männer in der unterirdischen Anlage zu su- chen. Sie mußten sich schräg halten, um den Transmitter benutzen zu können. Er war für Transporte in dieser Größenordnung nicht geschaffen. »Was haben Sie gesagt. Dressler?« rief Dhark durch das Lärmen der Aggregate. »Wir befinden uns in einer extremen Schwerkraft- zone? Woher wollen Sie das denn wissen?« Dressler hastete von der Galerie herunter. »Wir wissen es, Dhark. Wir haben die Rückkehr der POINT OF und der FO VII ins Nonnaluniversum beobachtet. Die beiden Schiffe stecken genau in dem Bereich, den die Mysterious vor 1.231 Jahren als Falle her- gerichtet haben, und beide Schiffe rasen mit immer größerer Ge- schwindigkeit auf das Schwerkraftzentrum zu!« Also kein negatives Raumgefüge? Warum konnten sie dann keine Sterne sehen? Etwas an Dresslers Angaben war nicht richtig. »Großer Himmel, Dhark, unsere Angaben stimmen. Glauben Sie uns! Glauben Sie, wir hätten unseren sicheren Platz nur verlassen, um wieder auf der POINT OF zu sein? Wir wollten Sie warnen. Können Sie sich vorstellen, daß Sie erst mit Ihrem Sprung in die- sen Sektor den Schwerkraftbereich aktiviert haben? Oh, diese ver dämmten Mysterious, sie müssen ihren Gegner sehr gut gekannt haben. Ich glaube, die waren nicht viel anders als wir Terraner. Darum sind Sie ja auch auf deren Trick mit den Koordinaten her-eingefallen, die sie an der Felswand hinterlassen hatten.« Der Mann wurde allen unheimlich. Woher hatte Dressler sein Wissen bezogen? Etwas, das er gar nicht wissen konnte? »Dhark...« Der Flashpilot ließ den Commander nicht zu Wort kommen, »warum schalten Sie nicht alle verfügbare Energie auf AGrav? Das ist doch der einzige Weg, aus diesem Dilemma herauszukommen und...«
Dhark wurde rot vor Zorn. Dieser Flashpilot nahm sich zu viel heraus. Und sein Vorschlag, A-Grav einzusetzen, war kindisch, wenn nicht einmal der Checkmaster mit der Lage fertig geworden war. Unmißverständlich sagte er das dem Mann. »Der Checkmaster ist damit fertig geworden, aber nicht in der Form, wie Sie es von ihm gewöhnt sind. Der Checkmaster hat uns, Kartek und mich, unterrichtet! Ja, unterrichtet! Er hat uns auch die Transmitterfrequenz der POINT OF mitgeteilt, sonst wären wir gar nicht hier. Commander, Sie sollen A-Grav einsetzen und die Kal- lote-Schaltung vornehmen!« Kallote-Schaltung?! Eine Notschaltung, die dann benutzt werden sollte, wenn die Steuerschalter am Instrumentenpult blockiert waren! Kallote-Schaltung - diesen Begriff hatten Dhark und Riker zum ersten Mal im Archiv aut'Erron-3 gehört, als sie die entsprechende Mentcap geschluckt hatten. Kallote-Schaltung - um sie einzusetzen, mußte Dhark aufs un- terste Deck. Und Dressler war weder Phantast noch Wichtigtuer! Er hatte mit dem Ausdruck Kcitlote-SchaIhtii}; bewiesen, daß er vom Checkmaster unterrichtet worden war. Auch sein übriges Wissen stammte vom Bordgehirn! Aber warum hatte es diesen Weg benutzt und Dhark nicht direkt unterrichtet? Das fragte sich der Commander, als er über das Hauptdeck zum nächsien A-Gravschacht lief. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er Deck l erreicht hatte. Er achtete nicht darauf, daß ihm einige Männer erstaunt nachblickten. »T... drei-drei-achl-sechs-null — vier-FF!« FF mußte er ganz kurz hintereinander wählen, sonst ging die schwere Tür nicht auf. Lautlos schwang sie zurück. Mit einem Satz stand Ren Dhark an der Notsteuerung, einer winzigen Wiedergabe des Instrumenten- pultes in der Zentrale. Nur neun der wichtigsten Instrumente gab es hier, und auch nur die Hälfte der Steuerschalter. Er ließ sich in den Sessel fallen, legte seine Fingerkuppen auf die Schalter, schloß die Augen und konzentrierte sich. Kallote-Schaltung? Er kannte sie, und er zögerte keinen Moment, als er sich über seine Aufgabe klargeworden war Dreizehn Schalter kippten in andere Positionen. Sieben der neun Instrumente erwachten zum Leben.
Das Heulen und Brüllen in der POINT OF veränderte sich nicht. »Hoffentlich...« flüsterte Dhark und wischte über sein Gesicht. Er blieb sitzen. Er wollte sich erst überzeugen, ob er mit der KalloteSchaltung wirklich sein Schiff aus dem Schwerkrallbe- reich herausreißen konnte. »Großer Himmel, die FO VII!« Sie konnten doch den For schungsraumer nicht im Stich lassen, aber wie sollte der Ringrau-mer das Kugelschiff aus diesem Gravitationszentrum retten? Von diesem Notpult aus war er nicht in der Lage, eines der beiden In- tervalle zu erstellen. Das war nur in der Zentrale möglich! Eine Explosion dröhnte durch das Flaggschiff! Über Dhark flammte eine Kontrolle auf. Er las die Schriftzei- chen der Mysterious und wurde blaß. M-Konverter 7 war explodiert, aber dank seiner Unitallverklei-dung nicht auseinandergeflogen! Noch nicht! Da brüllte Rikers Stimme über die Bordverständigung. » Sieben ist hochgegangen! Und Doorn ist übergeschnappt! Er ist mit Robotern unterwegs, um den Konverter über Bord zu werfen. Dein lieber Freund bedrohte uns plötzlich mit dem Blaster, als wir versuchen wollten, ihn zurückzuhalten.« Und Arc Doorn hätte notfalls tatsächlich Gebrauch von der Waffe gemacht, weil er überzeugt war, keine andere Wahl zu ha- ben. Konverter 7 drohte durch die atomare Glut in seinem Innern zu einer winzigen, aber tödlichen Sonne zu werden, und mußte des- halb von Bord. Allein hätte Doorn das nie geschafft. Dieses Pro- blem war nur mit Robotern zu lösen, wenn - er seine Arbeit getan hatte. Er befahl die Metallkolosse zum Standort von Konverter 7. Er selbst raste in den Triebwerksraum und kümmerte sich einen Keh- richt darum, daß der von ultraharter Strahlung verseucht war. Doorn benötigte Werkzeuge der Mysterious, mit denen er einem Konverter zu Leibe gehen konnte. Er riß das Fach auf, griff zu der schweren Plastiktasche und wuchtete sie über seine Schulter. Was kümmerte ihn, daß jedes Teil im Triebwerksraum heiß war. Er venraute seinem M-Anzug, der mit dieser Strahlenmenge einfach fertig werden mußte. Und dann stand er keuchend vor Konverter 7, der so aussah, als würde er normal arbeiten. Renn-Schneider ansetzen.
Der stammte vom Planeten Dockyard, aus der unterseeischen Reparaturabteilung. Diese Abteilung war für terranische Experten eine Sensation gewesen, denn bisher hatte man sich dem trügeri- schen Glauben hingegeben, innerhalb der My.sterious-Technik kämen Pannen nicht vor. 160 Roda-Drill und Sabelschere! Letzte sah ganz und gar nicht nach einer Schere aus. Arc Doorn arbeitete wie ein Galeerensklave und kümmerte sich nicht um die bewegungslos ausharrenden Roboter, die auf seine Befehle warteten. Die Arbeit, die er gerade verrichtete, mußte er allein tun. Dabei konnte ihm niemand helfen. Er war nicht daran interessiert, daß ihm einige Millionen Volt um die Ohren flogen und ihn gegen die nächste Wand schleuderten. Erste Lösung! Das Adhesive Broan gab der Gewalt der Sabelschere nach, aber noch sechs andere Kleber waren zu trennen. Kleber, die Unitall mit Unitall zu einer untrennbaren Einheit verbanden. Dagegen waren die terranischen Adhesives keinen Cent wert. Kurz warf er einen Blick auf sein Chrono. Das stand?! Er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Auf den Knien kroch er zur anderen Seite des kugelförmigen Konverters, hinter dessen Unitallverkleidung atomare Höllengluten wüteten, die mit der Zeit auch das Kunstmetall der Mysterious vernichten würden. Mit beinahe unmenschlicher Energie konzentrierte sich Are Doorn auf seine Arbeit. Noch einen Kleber lösen, dann die Verschachtelungen trennen und dabei aufpassen, daß ihm viele Millionen Volt und unwahr- scheinlich hohe Amperewerte keinen Strich durch die Rechnung zogen. Der Schweiß rann in seine Augen, aber er achtete nicht darauf. »Verdammter...« Den Fluch hätte er sich sparen können. Er hatte M-Konverter 7 von seiner Unitallauflage getrennt! Jetzt mußten nur noch die Verschaehtelungen herausgenommen wer-den, dann konnten die Roboter die Höllenbombe unter den Arm nehmen und zur nächsten Schleuse tragen, um sie ins All zu schleudern. 161 Der Sibirier richtete sich auf und gab den Robs den Befehl, den kugelförmigen Energieerzeuger vorsichtig anzulieben. Die schwe- ren
Konstruktionen verteilten sich um den Konverter, fuhren ihre Greifarme aus der Verkleidung und legten ihre Greifer gegen die Rundung. »Noch nicht! Zum Anheben gebe ich den Befehl extra!« Der Länge nach lag er wieder auf dem Boden und beobachtete den Haarriß zwischen Konverter und Boden. »Anheben! Millimeter um Millimeter!« Doorn verließ sich ganz auf die Maschinen und sah, wie der Energieerzeuger langsam angehoben wurde. Drei Millimeter Abstand! Fünf Millimeter. »Stop!« Der Abstand zum Boden blieb mit fünf Millimetern konstant. Doorn drehte sich auf die Seite und zog die schwere Werkzeug-tasche heran. Den Schachtel-Fänger heraus — eine Sonde, die halb selbständig arbeitete und nur Kommandoimpulse benötigte, um Verschachte- lungen auszubauen. Die Roboter rührten sich nicht mehr. Der kugelförmige Konver- ter befand sich mit seiner Auflagefläche fünf Millimeter über dem Unitallboden. Der größte Teil des Schachtel-Fängers war unter dem Energieerzeuger verschwunden. Doorn hielt den etwas klobi- gen Griff in der Hand und gab mit seinen Fingerkuppen über kleine Schalter die Impulse. Innerlich war er eiskalt. Er war überzeugt, daß er den Konverter ohne Zwischenfall vom Versorgungsnetz der P01NT OF trennen könnte. Eine bessere Hilfe als seine Roboter konnte er sich nicht vorstellen. Vierte Verschachtelung gelöst. Nun die fünfte und sechste in ei-nem Arbeitsgang. Viel konnte nicht mehr passieren. Da hörte Doorn es in seinem Klarsichthelin summen. r-Alann! Über die restlichen Verschachtelungen kam Ultrastrah- lung durch. Er mußte sich beeilen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, von der Strahlung gebraten zu werden. Seine Hand, die den Griff des Werkzeuges hielt, wurde nicht unruhig. Sicher wie bisher gaben seine Fingerspitzen über die Schalter die Befehle. Noch drei Verschachtelungen! Verdammtes Summen! dachte er und richtete den Strahl seines Scheinwerfers nach links. »Doorn, melden!« klang es in seinem Helmfunk auf. Der Commander wollte ihn sprechen, nur hatte er keine Zeit,
ihm zu antworten. Erst einmal hatte er die letzte Verschachtelung auszubauen. »Doorn...!« Ungeduld schwang in Dharks Stimme mit. Der Sibirier richtete den Lichtstrahl etwas weiter nach links. Vorsichtig führte er den Schachtel-Fänger in die gleiche Richtung. Im nächsten Augenblick atmete er erleichtert auf. Der Konverter war von der Energieversorgung des Schiffes ge- trennt. Nun konnten die Robs ihn haben. Anheben und ab mit ihm zur Schleuse 2. Seinen Befehl mußte auch Dhark hören, und der konnte ihm entnehmen, daß Doorn nun vielleicht Zeit fand, sich mit ihm zu unterhalten. Die Melallkonstruktionen hoben den Kugelkörper in einem Ar beitsgang einen Meter hoch, die Robothände griffen um die Kante der Auflage, und dann schwebten vier Roboter mit dem gefährli- chen Aggregat in Richtung Schleuse 2 davon. Doorn mußte sich beeilen, wenn er sie nicht aus den Augen verlieren wollte. Am A-Grav holte er sie ein. Über Helmfunk setzte er sich mit der Schleuse in Verbindung. »Macht 2 auf! Ich komme mit vier Robotern und dem heißen Konverter, der 'rausgeworfen werden muß.« Die Antwort der Schleusenwache ließ ihn zusammenzucken. »Schleuse läßt sich nicht öffnen. Ist von der Kommandozentrale aus blockiert und...« Er hatte sich schnell wieder gefangen und zischle ins Mikro- phon: » Mein lieber Freund, ich bin ein Gemütsmensch, aber nicht im Moment. Wenn Sie mit Ihren Kollegen nicht sofort die Hand-bedienung nutzen, dann setze ich Sie gleich auf meinen heißen Konverter. Klar?« In der Kommandozentrale hörte man mit. Dan Riker hatte längst vergessen, daß sie von Doorn mit einem Blaster bedroht worden waren. Unbewußt nickte Riker und stimmte in Gedanken der Dro- hung des Sibiriers zu, denn dieser Energieerzeuger mußte so schnell wie möglich von Bord. Der Sibirier lief seinen Robotern voraus, die ihm mit dem Ag- gregat schwebend folgten und sich seiner Geschwindigkeit ange- paßt hatten. Schleuse 2 wurde manuell geöffnet. Vier Männer betätigten den Mechanismus und sahen nicht, daß Doorn mit seinen Robotern vor der Energiesperre wartete. Eine Sirene begann zu heulen, und die Energiesperre verfärbte sich. Der
Sibirier hetzte zu der kleinen Instrumententafel und warf einen Blick darauf. Irrsinnig hohe Schwerkraftwerte Hüteten von außen gegen die energetische Sperre und versuchten, sie zum Zusammenbruch zu bringen. Doorn kaute auf seiner Unterlippe herum, denn mit dieser Schwierigkeit hatte er nicht gerechnet. Wenn er gleich die Sperre abbaute, damit die Roboter in die Schleuse konnten, dann brachen tödlich wirkende Gravitationswerte ins Schiff ein und rissen auch den stärksten Menschen zu Boden, um ihn nie wieder aufstehen zu lassen. »Dhark... Riker, ich brauche noch einen Roboter, aber der muß binnen einer Minute hier sein. Ende!« rief er in sein Helmmikro- phon und wartete die Antwort nicht ab. Nur eine Metallkonstruktion konnte sein Vorhaben realisieren, den Konverter ins All zu schleudern — ein Rob, der von ihm prä zise Befehle erhalten hatte. »Hier Doorn, an alle im Bereich der Schleuse 2! Im Umkreis von vierzig Metern sämtliche Kabinen räumen! Schwerkraftein- bruch möglich!« Über das Deck kam in rasendem Flug ein Roboter heran und bremste dicht vor Doorn ab. »Hör zu, P-34...« und dann erfolgten seine Anweisungen. Schleuse 2 war inzwischen so weit geöffnet worden, daß man den Konverter hinauswerfen konnte. »Genügt!« rief Doorn in seiner wortkargen Art der Schleusen- wache zu. »Absetzen!« Er machte es ihnen vor und legte selbst fünfzig Meter Distanz zwischen sich und die Schleuse. Gegenüber einem Schwerkrafteinbruch war diese Entfernung ein Nichts, aber optisch gab sie selbst Doorn ein Gefühl der Sicherheit. Er hatte es vorgezogen, sich der Länge nach auf den Boden zu legen, und aus dieser Position beobachtete er P-34. Der Roboter handelte genau nach seiner Order. Er baute hinter sich und um die Schleuse herum eine zweite Energiesperre auf. Drei Kontrollen nahm er vor, um festzustellen, ob diese neue Sperre ebenso stark war wie die andere. Der entscheidende Augenblick nahte. Die Sperre vor der Schleuse verschwand. Fünf Roboter und ein Konverter befanden sich nun ungeschützt in einem Feld extremer Schwerkraft, die aus dem Raum in diesen Teil des Schiffes eingebrochen war. Die au- tomatisch arbeitende Gravitationsregulierung der POINT OF war so hyperempfindlich, daß sie
für den Bruchteil einer Sekunde auf diesen Einbruch im Bereich der Schleuse 2 reagierte und gegenzu-steuem versuchte. Doch dann mußte sie die neuen Sperren erkannt haben, denn im nächsten Moment war das Schrillen der hochfah- renden Gravitationsregelung nicht mehr zu hören. Den Robotern machte die Schwerkraft nicht zu schaffen. Ihre Prallfelder glichen die Belastung aus. Vier schwebten mit dem Konverter nun zur Schleuse, ließen den kugelförmigen Körper einmal hin- und herschwingen und schleuderten ihn dann nach draußen, ins Nichts, das immer noch keine Sterne zeigte. »Ist raus!« stieß Doorn über seine Lippen. »Das Ding sind wir los!« Und im Schiff hörte die gesamte Besatzung, wie laut und tief er atmete. Ein paar Minuten später, nachdem die Roboter die Schleuse geschlossen hatten und die alte Sperre wieder stand, hob der Sibirier seine Vorsichtsmaßnahmen auf. »Gratuliere, Doorn!« meldete sich Dan Riker aus der Zentrale. »Nicht nötig«, wehrte der Sibirier ab, »ich hatte ja auch keine Lust, gebraten zu werden. Hallo, Dhark, Sie wollten mich spre- chen?« »Erledigt, aber kommen Sie zu mir. Ich halte mich auch auf Deck l auf, in Raum T-0045.« Doorn stutzte, denn alle Räume mit dem Buchstaben T waren für jeden Mann gesperrt, aber dann erinnerte er sich, daß sich in T-0045 eine der vier Notsteuerungen des Schiffes befand. »Komme, Dhark!« Von einem Roboter ließ er sich zur anderen Seite der Rumpf- zelle fliegen. Das war bequemer als zu laufen, und es ging auch schneller. Zum ersten Mal machte der Sibirier die Beobachtung, daß die Benutzung von Robs eine ausgezeichnete Sache war, und er beschloß, ihr Können in Zukunft viel öfter als bisher zu nutzen. Die Tür zu T-0045 war nur angelehnt. Doorn zog sie auf und trat ein. Der Commander drehte sich nicht nach ihm um, aber er wußte, wer hereingekommen war. »Kennen Sie dieses Instrument, Doorn?« Er deutete darauf. »Nein... doch! Das habe ich auf Planet l gesehen, aber...« Sein Gesichtsausdruck war eine einzige Frage. »Aber was soll das Ding hier? « »Welchen Zweck hat es denn, Doorn?« Dharks Ungeduld war allzu verständlich, denn trotz der Kallote-Schaltung hatte sich die Lage des Schiffes nicht verändert. »Progressive Steuerung der Trobar-Funktionen...«
»Aber wir haben doch gar keinen Materiesender an Bord!« warf Dhark ein, der die Erklärung des Sibiriers für ausgemachten Un- sinn hielt. »Wissen wir das ganz genau?« Doorn war nicht aus der Ruhe zu bringen und hatte im nächsten Augenblick den Einwand des Commanders schon wieder vergessen. »Was haben Sie denn da geschaltet? Diese Serie kenne ich nicht und... nanu!« Nach diesem Ausruf sagte er nichts mehr. »Was haben Sie denn jetzt schon wieder, Doorn? Manchmal können Sie Ihren Mitmenschen auf die Nerven gehen.« »Nicht schlimm, wenn es sich auszahlt. Und ich glaube, hier zahlt sich etwas aus. Dhark, diese Anlage ist keine Notsteuerung. Wir haben es uns bloß eingeredet, oder hat sich etwas verändert, nachdem Sie hier Ihre Schaltung vorgenommen haben?« »Leider nicht. Wir stecken immer noch in dieser Schwerkraft-sperre...« »Und die kann man doch beseitigen. Lassen Sie mich mal heran!« » Doorn...!« Er hätte ebensogut sagen können: Noch ein Wort, und ich zerreiße Sie! Dem sturen Sibirier machte das nichts aus. »Sie können es nicht wissen, wenn Sie nicht die gleichen Ment- caps geschluckt haben, die Sie mir damals von Erron-3 mitbrach-ten. Es hat mich sowieso schon gewundert, daß Sie sich überhaupt dazu durchringen konnten, mich über die Station zu informieren. Und nun machen Sie schon endlich Platz!« Ein untersetzter Mann mit einer Boxernase gab dem Commander der Planeten Befehle, und der gehorchte. Doorns Hinweis auf sein Mentcap-Wissen war ihm so wichtig geworden, daß er aufstand, »Manchmal komme ich doch nicht daran vorbei, die Mysterious zu bewundern, besonders wenn ich mir vor Augen halte, was für ein Schiff sie mit der POINT OF gebaut haben.« Ein unwahrschein- licher langer Satz für den mundfaulen Mann, der die Kallote- Schaltung auf Null setzte und nun die Steuerschalter in andere Po- sitionen brachte. Die Instrumente zeigten völlig andere Werte an, alle neun, und fast im gleichen Moment erschien die Bildkugel 167 über der Konsole. Die kleine Bildkugel, die das Sternenmeer der Milchstraße zeigte und in ein paar Kilometern Entfernung die FO VII, deren Scheinwerfer eingeschaltet waren.
Die Schwerkraftzone existierte nicht mehr. Sie war von der P01NT OF aus abgeschaltet wordeil! Vor Begeisterung schlug Dhark dem Mann im Steuersitz auf die Schulter, aber der wehrte jeden Dank abermals ab. »Sie hätten es selbst getan, wenn Sie meine Mentcaps geschluckt hätten, nur möchte ich gern erfahren, von welcher Stelle aus dieser Gravitati- onsbereich entwickelt wurde. Weit kann die Quelle doch nicht ent- fernt sein und...« Er sah zu Ren Dhark auf, der seinen Klarsichthelm wieder zurückgeklappt hatte. »Aber mit einem Materiesender ist so ziemlich alles möglich, und bei ihm spielen Distanzen kaum eine Rolle. Demnach müßte ich mit dem Impuls, den ich schaltete und der von der POINT OF abgestrahlt wurde, irgendwo einen Materiesender ausgeschaltet haben. Es muß sich einfach um ein Aggregat dieser Art gehandelt haben, sonst hätte doch das Kontrollinstrument für die progressive Steuerung der TrobarFunktionen hier gar keinen Sinn!« Arc Doorn hatte wieder einmal einen Beweis seines unerklärli- chen Könnens geliefert, Zugang zu einer Technik zu finden, die ihm von der Logik her unverständlich hätte sein und bleiben müs- sen. Wortlos reichte ihm Dhark eine Zigarette. Beide rauchten. Das tat jetzt einfach gut, egal, was die Gesundheitsapostel dazu sagten. Und überhaupt stellte Tabakgenuß eigentlich kein Gesundheitsri- siko mehr dar. Die früher für Raucher so typischen Krankheiten waren kein Problem mehr für die moderne Medizin. In der Bordverständigung blieb es still. Ein gutes Zeichen. Der Lärm im Schiff war mit Doorns Schaltung verstummt. Im Ring- raumer herrschten wieder die gewohnten Verhältnisse. »Warum hat dann der Checkmaster diese Schaltung nicht vorge 168 nommen?« Doorn kam mit einer Gegenfrage: »Warum befindet sich diese Steueranlage nicht in der Kommandozentrale, Dhark? Ich vermute, daß man diese Anlage hier nachträglich einbaute, nur für den Fall, daß auch dieses Schiff in die Gravitationszone geriet. Bestimmt war jeder Mysterious-Offizier über sie unterrichtet; nur wir nicht, weil wir eben keine Mysterious sind.« Nachdenklich sah Ren Dhark den Mann an. Wie viel hatten sie alle schon seinem unerklärlichen Können zu verdanken gehabt, und wie wenig hatte sich Arc Doorn, der doch auf dem Koloni-stenraumer GALAXIS keine besonders wichtige Funktion besaß, im Laufe der letzten Jahre verändert. Er war der wortkarge Mann geblieben, der manchmal unheimlich aktiv werden konnte und dem es nichts
ausmachte, sich über Befehle und Bestimmungen hinwegzusetzen. Wer in der P01NT OF fand schon den Mut, die gesamte Besatzung der Kommandozentrale mit seinem Blaster zu bedrohen, um sein Vorhaben durchzuführen? »Kommen Sie, Are«, sagte der Commander, »im Leitstand wird man uns schon ungeduldig erwarten.«
5. Hatten sie nun endgültig die Schranke hinter Soradan überwun-den? Die beiden Flashpiloten waren davon überzeugt. Ihre Be-richte leiteten ein Unternehmen ein, von dem niemand ahnte, was es den Terranem bringen würde. Ren Dhark verzichtete darauf, den Transmitter zu benutzen, um den Planeten zu erreichen, auf den Dressler und Kartek mitsamt dem Kamelrücken versetzt worden waren. »Im Kamelrücken befindet sich eine Grabanlage der Myste-rious!« hatten beide behauptet und auf die Roboter verwiesen, die ausgeschickt worden waren, um sie zurückzuholen. Doch dazu war es dann nicht mehr gekommen, weil der Maleriesender sie versetzt hatte. Beide Schiffe gingen auf Transitionskurs. Die P01NT OF und die FO VII sprangen gleichzeitig. Ein Sonnenungeheuer starrte in den Leitstand des Flaggschiffes, als es wieder im Einstein-Universum remateriali.siert halte. Ge-genüber diesem Stern war Beleigeuze klein. Achtunddreißig Planeten besaß das System, von denen die ersten zehn nicht beachtet wurden, denn sie glühten. Als Sauerstoff- welten kamen nur Nummer elf bis siebzehn in Frage. In der astronomischen und astrophysikalischen Abteilung herrschte Hochbetrieb. Alle Ortungen waren besetzt und arbeiteten mit maximaler Leistung. Etwas, das schon zur Routine geworden war. Dennoch lag dieser Fall anders, denn die Flashpiloten hatten von einem hochindustrialisierten Planeten gesprochen, der von den Mysterious verlassen worden war. Bisher war man noch nicht auf Welten dieser Art gestoßen, und 170 selbst W-4 im System Ika-35 mit seiner Ruinenstadt konnte nicht zu dieser Spezies gerechnet werden. »Stadt grenzt an Stadt, und überall glaubt man, die Bewohner müßten jeden Moment aus ihren Häusern kommen!« »Dhark!« Lionel sprach über die Verständigung. »Nummer 15 und 16
sind Sauerstoffwelten. Beide könnten in Frage kommen. Gravowerte bei 16 nur 0,78 und bei dem anderen 1,01 g. Mittlere Temperatur bei achtzehn Grad Celsius.« Die drei Offiziere am Checkmaster forderten die Kursdaten an. Keine zehn Sekunden später hatte Dhark sie schon vorliegen. Be- gleitet von der FO VII raste der Ringraumer auf den Planeten mit der Nummer siebzehn zu, drang in einer Umlaufbahn in die dichte- ren Luftschichten vor und begann, ihn zu umkreisen. Bald stand fest, daß der siebzehnte Planet nicht die Welt war, auf der sich die beiden Piloten aufgehalten hatten. Die Schiffe nahmen wieder Fahrt auf, stießen in den Raum hinein und jagten dem anderen Umläufer zu. Der Forschungsraumer blieb hinter ih-nen zurück, denn ihm war es mit seinen As-Onentriebwerken nicht möglich, überlichtschnell zu fliegen. Und weil Ren Dhark nicht wußte, ob jemand in diesem System Strukturerschütterungen an- messen konnte, halte er untersagt, zu transiticren. In knapp drei Stunden Normzeit legte die POINT OF 161 Millio-nen Kilometer zurück und ging dann erneut in einen Orbit. Sie wartete auf die FO VII, weil man nur gemeinsam auf diesem ver- lassenen Planeten landen wollte. Tele arbeitete mit maximaler Leistung im Infrarotbereich, denn über dem Planeten lag eine fast geschlossene Wolkendecke, die seine Oberfläche verhüllte. In der Bildkugel tauchte eine unbekannten Welt auf, die nur zum Teil im Tageslicht lag. Aber dieser Ausschnitt genügte, um die Aussagen der beiden Piloten zu bestätigen. Eine Stadt grenzte an die andere, doch diese unbekannten Städte hatten keine Ähnlichkeit mit terranischen. Alle waren aufgelok-kert, die einzelnen Blocks wurden durch große Parks getrennt. Die 171 Bauten waren gewaltige Ringpyramiden, die sich stark nach oben verjüngten und breite Terrassen besaßen. Grappa maß die Bauten und kam auf erstaunliche Resultate: im Durchschnitt über zweitausend Meter hoch, bei einein Radius der Grundfläche von drei bis vier Kilometern. Jedes Bauwerk mußte demnach in der Lage gewesen sein, über eine Million Bewohner aufzunehmen - und von diesen Ringbauten gab es Tausende! Über Funk meldete die FO VII ihre Ankunft. Die POINT OF stoppte in 13.400 Kilometern Höhe und gab einen Peilstrahl ab. Aus der Tiefe des Alls tauchte der Kugelraumer auf und hielt in knapp einem Kilometer Entfernung neben der POINT OF. Mit gefechtsklaren Antennen schössen die beiden Schiffe in die Tiefe
und steuerten die Stadt an, die um eine weit in den Kontinent führende Meeresbucht gebaut worden war. Kartek und Dressler, die sich im Leitstand aufhielten, konnten nicht sagen, wo auf dem Planeten sie sich aufgehalten hatten. Die Energieortung half auch nicht weiter, denn schon beim Anflug aus dem Raum hatte Grappa gemeldet, daß er unzählige Energiequellen anmessen würde. In der Funk-Z murmelte Walt Brugg bestürzt: »Das hat uns ge- rade noch gefehlt!« Er rief über die Bordverständigung zur Kommandozentrale: » Dhark, wir liegen in Fremd-Funkortung!« »Funkortung? Warum strahlen Sie nicht unser Erkennungszei- chen ab? Benutzen Sie die Symbole der Mysterious, Brugg!« Ob der Commander jetzt wirklich glaubt, Mysterious würden uns einen großen Bahnhof bereiten? fragte sich Brugg in Gedan- ken, während seine linke Hand schaltete, um das Erkennungszei- chen der POINT OF in den Symbolen der Geheimnisvollen abzu- strahlen. »Dhark, jetzt sind wir von drei Stellen erfaßt und... es klingt wie ein Märchen: Ein starker Hyperfunk-Impuls ist in den Raum ge- gangen!« Die Fallgeschwindigkeit der beiden Schiff war geringer gewor- den. Vorsichtig tasteten sie sich tiefer, und der Checkmaster wie der Suprasensor in der FO VII hatten den Auftrag, sofort das Schiff zu übernehmen und in den Raum zu bringen, wenn sie an- gegriffen werden sollten. Die Spannung stieg. Der letzte Mann hatte seinen Klarsichthelm geschlossen. In den beiden Waffensteuerungen wurde kein Wort gesprochen. Alle Antennen, bis auf die wenigen, die für den Funk freigehalten werden mußten, waren klar. Die gleichen Verhältnisse herrschten in der FO VII. In weniger als achttausend Metern Höhe stießen die Schiffe durch die dichte Wolkendecke. Nun war Infrarot nicht mehr erfor- derlich, und die Bilderfassung schaltete auf Tele-nonnal zurück. Die Menschen in den Schiffen sahen die riesige Stadt mit ihren gigantischen Ringpyramiden zu beiden Seiten der breiten Meeres- bucht unter sich liegen - eine Stadt, in der es von Intelligenzen wimmeln mußte. »Dhark!« Bruggs Ruf aus der Funk-Z. »Wir empfangen Ant- wort, aber... ich schalte durch!« Es knackte im Lautsprecher, und dann waren Worte in einer unbekannten Sprache zu hören. Jeder im Leitstand sah den Commander an.
Hörten sie die Sprache der Geheimnisvollen? »Man hat uns Landegenehmigung erteilt!« sagte Ren Dhark in die Stille hinein. »Aber wo ist 76/89? Don sollen wir landen.« Er beugte sich etwas zu den Sprechrillen vor. »Brugg, schalten Sie die Bordverständigung auf den Sender, ich muß einige Fragen stellen.« Was er dann fragte, verstand kein Mensch. Unheimlich war es, daß man ihm antwortete. »Peilstrahl! Großer Himmel, der könnte mit seiner Leistung ja bis ans andere Ende der Galaxis reichen!« stieß Tino Grappa aus. »Den habe ich angefordert. Grappa, wir suchen einen Landeplatz mit der Bezeichnung 76/89. Zeigen Sie, was Sie können!« Ein paar hundert Meter hinter der POINT OF befand sich die FO VII auf gleicher Höhe. Die Besatzung des Leitstandes halte über Funk mitgehört, was in der POINT OF vor sich ging, und selbst dem letzten Offizier im Forschungsraumer war es etwas un- heimlich gewesen, den Commander fließend in der Sprache der Mysterious reden zu hören. Grappa fuhr von seinem Sitz auf, als habe er sich in einen Reiß- nagel gesetzt. »Dhark, 76/89 ist das flache Dach einer Ringpyramide! Mo- ment, die Ortsangabe kommt!« Dhark blickte nach links auf die Instrumentenkonsole und las die Werte ab, die Grappa mit seiner Ortung erfaßt und erstellt hatte. Das zweithöchste Bauwerk der Stadt sollte der Landeplatz für POINT OF und FO VII werden. Die Fläche war groß genug, um noch zwanzig Raumer aufzunehmen. »Verstanden«, sagte Major Leiter in der FO VII und blieb mit seinem Kugelraumer zurück. Er sollte erst landen, wenn das Flaggschiff sicher und unbelästigt aufgesetzt hatte. Dann stand der Ringraumer auf seinen neunzig Teleskopbeinen in 2.855 Metern Höhe über der Stadt auf dem flachen Dach einer Ringpyramide. Kurze Zeit später setzte die FO Vll ein paar hun-dert Meter entfernt auf. Major Lefter sollte eine ziemlich plumpe Landung durchführen, weil Dhark die Festigkeit der Dachfläche einem Test unterziehen wollte. Nicht einmal eine winzige Erschütterung war zu spüren, als Lefter seine harte Landung vollzog, so daß sich die Teleskopstüt- zen seines Schiffes bis an die Grenze ihres Leislungshereiches zu-sammendrückten. »Wir können sogar aufA-Grav verzichten!« sagte Dhark, als er
seinen Pilotensitz verließ und die Kommandogewalt über sein Schiff
an Falluta abtrat.
Er besprach den Einsatz mit Dan Riker.
»Auf jeden Mann einen Roboter. Die werden getrennt losge- schickt.
Wir fliegen mit Flash in die Stadt. Die beiden Cyborgs Carrell und
Alsop kommen mit, ebenso Dressler und Kartek. Auf
die anderen Flashpiloten möchte ich dieses Mal verzichten und sie lieber
in der Einsatzreserve wissen. Regelst du diese Angelegen- heit? Apropos,
Dan, was war mit dem Chrono des Leitstandes los? Hast du den
Zeitmesser wieder in Gang bringen lassen?«
Riker lachte trocken auf. »Nicht einen Finger haben wir gerührt. Als
der Gravilationsspuk vorüber war, schaltete der Checkmaster und
korrigierte sogar noch die Einstellung.«
»Der Checkmaster? Der Checkmaster stellte unser Chrono neu ein?«
Aus leicht zusammengekniffenen Augen schaute Dhark sei- nen Freund
mißtrauisch an.
»Unser lieber, unheimlicher Checkmaster. Ich glaube, daß wir ihn und
seine Fähigkeiten auch in hundert Jahren noch nicht rich- tig kennen.
Könnte man doch nur einmal die Unitallverkleidung abnehmen und
reinsehen. Okay, ich unterrichte die Männer für den Einsatz. Doorn auch?
«
»Unter allen Umständen, Dan!«
Etwas später flogen fünf Flash aus, und über die Schleuse 3
schwebten zehn Roboter zur Kante der Ringfläche hinüber - ein Bild,
an das sich die Männer im Flaggschiff wie in der FO VII immer noch
nicht gewöhnt hatten.
Mit schwach arbeitendem Sie warteten die Blitze auf das Er-scheinen
der Roboter in Höhe der obersten Ringetage. Die Bild-projektion war so
geschaltet, daß sie in die Tiefe blicken konnten. Erst von dieser Position
aus erkannten sie, welch ein gewaltiges Bauwerk sie vor sich hatten. Die
Ringterrassen, die sich geschlos-sen um die Konstruktion zogen, waren
alle gleich breit und leer. Wie jede Etage eine andere Farbe der
Außenfront besaß, so war auch jeder Terrassenbelag in
unterschiedlichem Farbton gehalten, ohne daß das Bauwerk einem
klatschbunten Chamäleon glich.
Riker flog den Flash, der sich mit dem Blitz des Commanders auf
gleicher Höhe hielt.
»Unsere Robs kommen, Ren.«
Die tonnenschweren Metallriesen rasten heran und stoppten dicht
neben den plumpen Blitzen, denen ein Nichteingeweihter niemals ansehen konnte, daß es raumtüchtige Fahrzeuge waren, die über eine erstaunliche Feuerkraft verfügten. Die Roboter fuh- ren Greifer aus der Hülle und klammerten sich von außen an die Flash, die zu diesem Zweck ihre Intervalle kurz abschalteten und die Roboter dann in die Felder einhüllten — nach dem gleichen Prinzip, nachdem der Ringraumer andere Schiffe in den »Intervall- schlepp« nehmen konnte.. Die Blitze senkten ihre stumpfe Nase und flogen die breite Straße in der Tiefe an, die an einem weitflächigen Park, der mit hohen Bäumen bestanden war, scheinbar endete. Auch diese Straße war leer. Hinter ihnen blieb der gewaltige Bau zurück. »Keine Fenster? Keine Türen?« Dro Cimcs Stimme war über den Funk zu hören. »Nirgendwo Fenster?« Den anderen war das auch aufgefallen, aber sie hatten es längst aufgegeben, sich über Produkte der Mysterious den Kopf zu zer brechen. Nacheinander setzten die Flash auf, und die zehn Männer stie- gen aus. Die Roboter koppellen sich ab. »Wir haben auf das Zweite System geschaltet!« sagte Mark Car-rell, als er Dharks fragenden Blick bemerkte. »Eine Panne wie auf Soradan wird uns nicht mehr passieren.« »Hoffentlich«, erwiderte der Commander, der diesen Fehler der beiden Cyborgs nicht vergessen hatte. Dreihundert Meter entfernt lag die unterste Ringterrasse des wuchtigen, himmelstürmenden Bauwerks. Der salzige Duft des nahen Meeres wurde vom leichten Wind herangetragen. Es war angenehm, sich im Freien aufzuhalten. Erstaunlich war, daß der graue Straßenbelag weder Staub noch Schmutz aufwies. »Achtung, an Gruppe Dhark! Eine Maschine unbekannter Konstruktion nähert sich aus Süden. Es wird empfohlen, wieder in die Flash zu steigen! « Falluta warnte sie aus der P01NT OF. »Platz nehmen, meine Herren!« Ren Dhark war nicht bereit, ein unnützes Risiko einzugehen. Die Einstiege der Flash schlössen sich. Die Männer mußten wieder die Köpfe weit in den Nacken legen, um die Bildprojektion zu sehen. Die Funkverbindung zum Flaggschiff stand. »Distanz noch einen Kilometer. Biegt jetzt um die Ringpyra- mide.
In wenigen Sekunden müßten Sie die Konstruktion sehen können...« Dann sahen sie, wie sich ein graues Ungetüm um die Rundung des Bauwerkes schob. Nein, es schwebte, und es nahm Kurs auf die fünf Blitze. Das Ding hatte keine beschreibbare Form, denn es war weder eine Kugel noch ein Zylinder noch eine andere geometrische Fi- gur. Räder oder Teleskopstützen waren an den gebogenen Flächen nicht zu sehen, ein Linsensystem auch nicht. Über zwanzig Meter lang, bei einem Durchmesser von acht Metern an der breitesten Stelle, ragten drei Halbkuppeln über acht Meter Höhe hinaus. Vor den Flash setzte das Monstrum knirschend auf. Ausweiskontrolle! verstand Ren Dhark als einziger. Ihm war nicht nach Lachen zumute; im Gegenteil, jetzt wurde es ernst, denn wie sollte er einer robotisch gesteuerten Maschine klarmachen, daß sie weder Ausweise besaßen noch Mysterious waren? »Kartek, haben Sie das auch erlebt?« fragte er hastig über Funk. »Nein, was will das Ding denn?« Verblüfft schwiegen die Männer, als Dhark ihnen Auskunft gab. Ausweiskontrolle! verstand der Commander zum zweiten Mal, und wenige Sekunden später hörte er den Robot sagen: Letzte Auf-forderung wr Aiisweiskontrolte! Meldung an die Überprüfung ist abgesetzt! Dhark mußte handeln, wenn er keine Katastrophe heraufbe- schwören wollte, und bevor er seinen Flash verließ, informierte er die anderen über sein Vorhaben. »Ich muß es tun, denn außer mir beherrscht keiner die Sprache der Mysterious, und allzu groß kann die Gefahr nicht werden, denn als Schutz habe ich zehn Roboter.« 177 Er stieß den Ausstieg auf und sprang zu Boden. Beide Hände auf den Kolben seiner Superschweren Blaster, ging er auf das Maschi nenmonstrum zu und blieb in drei Metern Entfernung vor der leicht eingebeulten Nase stehen. »Ich heiße Ren Dhark und bin ein Fremder, der keine Ausweise besitzt!« Das Robotungeheuer antwortete nicht, dafür meldete sich die Funk-Z über sein Vipho. »Commander, das Ding hat schon wieder Funkkontakt mit einer Stelle in der Stadt aufgenommen und erhält gerade eine Antwort, die nur aus Zahlen besteht. Wir...« Glenn Morris in der Funk-Z schnappte nach Luft. »Commander, wir brechen durch! Wir werden in das Bauwerk gerissen! Wir stürzen...«
Abrupt brach die Funkverbindung mit der P01NT OF ah. Von der FO VII war auch nichts mehr zu hören. Das Robotungeheuer bewegte sich plötzlich auf ihn zu. Sie und alle linderen sind verhaftet! Ich werde Sie geschlossen abfahren! verstand der Commander. Das war der Augenblick, in dem Ren Dhark seine zehn Roboter auf das Maschinenungeheuer ansetzte. Die P01NT OF stürzte in das Innere der Ringpyramide, obwohl das Triebwerk vom Checkmaster blitzschnell hochgeschaltet wurde und der Sie mit maximaler Leistung arbeitete, unterstützt vom entfesselten A-Grav. Der Traktorstrahl, der nach dem Flaggschiff gegriffen hatte, war stärker als alle Kräfte, die die P01NT OF ihm entgegensetzen konnte. Palluta und Bebir sahen an den Instrumenten, wie ihr Schiff aus 2.855 Metern Höhe in das Innere der Ringpyramide stürzte. Das Landedach war plötzlich nicht mehr vorhanden gewesen. Die 178 Bildschinne über der Instrumentenkonsole hatten nur noch einen unheimlich großen, dunklen Schacht gezeigt. Im gleichen Moment war der Funkkontakt mit dem Commander und seinen Leuten ab- gerissen. Auch mit der FO VII konnte man sich nicht mehr ver- ständigen. »Falluta, warum schalten Sie nicht die beiden Intervalle ein?« rief ihm Leon Bebir erregt zu. Er kam nicht dazu, seinem Zweiten eine Antwort zu geben, denn alle hörten in ihrem Kopf die Worte: Schiff wird wr Kontrolle ge-bracht! Zu welcher Kontrolle? Wer konnte sie kontrollieren? Was hatte das zu bedeuten? Tino Grappa gab sich mit diesen Fragen nicht ab. Er hatte genug mit der Distanzortung zu tun, die im Augenblick schon 1.100 Me- ter minus anzeigte. Mit anderen Worten, die P01NT OF befand sich schon tausendeinhundert Meter tief unter der Planetenoberfläche! Grappa konnte nur nach oben tasten. In die Tiefe hinein sprach seine Distanzortung nicht an. Dafür sorgte ein absolut wirkendes Abschirmfeld. »Fallgeschwindigkeit wird geringer«, murmelte Falluta und hoffte, daß die Bildkugeln bald wieder etwas zeigen würden, denn mit dem Sturz waren sie alle ausgefallen. Immer stärker wurde das Schiff abgebremst. Man schien sich dem unbekannten Ziel und der Kontrolle zu nahem. » Diese Mysterious haben Fallen gebaut, die nur der Phantasie kranker Gehirne entsprungen sein können.« Er sprach nicht mehr gut über die Geheimnisvollen, denen die Men-schen und Terra doch so viel zu
verdanken hatten.
Da setzte der Ringraumer auf.
Sie waren angekommen. Sie und A-Grav arbeiteten längst nicht mehr. Sie waren vom Checkmaster abgeschaltet worden, nachdem dieser erkannt hatte, daß jeder Versuch, sich der Kraft des Trak- torstrahls zu widersetzen, nur Energieverschwendung bedeutete. »Immer noch keine Verbindung mit der FO VII?« fragte Bebir die Funk-Z.
»Totenstille auf allen Frequenzen!« antwortete Glenn Morris. »Nur kann man sich daran so schlecht gewöhnen.« Über die Bordverständigung setzte sich Bebir mit den beiden Waffensteuerungen in Verbindung. »Alles klar?« »Bei uns ja, aber der Checkmaster hat sein Veto eingelegt und uns mal wieder etwas Neues gezeigt. Denn wir können keine ein- zige Strahlantenne mehr steuern, als ob die Phasen zu ihnen alle durchschnitten wurden.« Leon Bebir wurde den Verdacht nicht los, daß diese Tatsache von außen bewirkt worden war. Denn warum sollte ihr Bordgehim das Schiff wehrlos machen? Von allen vier Schleusen gleichzeitig kam der alarmierende Ruf: »Die Schleusen öffnen sich, und die Rampen werden ausgefah- ren!« Der Checkmaster verriet die Besatzung! Er spielte sie dieser unbekannten Kontrolle in die Hände. Leon Bebir wischte sich den Schweiß ab. Neben ihm im Piloten- sitz murmelte Falluta einen Fluch nach dem anderen, aber was half es, denn das Öffnen der Schleusen konnte auch er nicht verhin-dern. Kommandant des Schiffes war wieder einmal das unheimli- che Bordgehirn. Da flammten alle Bildkugeln wieder auf. Wo man sie im Schiff betrachten konnte, wagte niemand mehr zu atmen. Buchstäblich von allen Seiten war die P01NT OF eingeschlossen.Überall dort, wo die Strahlantennen in der Unitallhaut lagen, ende-ten schwarze Metallstangen, deren Durchmesser über drei Meter betrug und die aus der kuppeiförmigen Wand und dem Kugelschalenboden ausgefahren worden waren. Wände, die blaues Licht abstrahlten und diesen Kontrollraum taghell erleuchteten. Aber nirgendwo Bewegung. Nicht einmal ein Roboter war zu sehen. Die Bordverständigung funktionierte noch.
»Falluta...! Falluta, unsere Roboter... unsere Roboter sind abge schaltet worden. Soeben. Wir verstehen das nicht. Das ist doch unbegreiflich...« Der Mann im Rob-Depot war so ratlos, daß er bei seiner Durchsage ununterbrochen stotterte. Der erste Offizier und momentane Kommandant der P01NT OF konnte daran nichts ändern. Er konnte es aber auch nicht versle- hen. Und wer verstand, was diese Metallstangen zu bedeuten hat- ten? Im Triebwerksraum rührte sich keine Hand mehr, und Miles Congollon war nicht in der Lage, seinen Sessel zu verlassen. Der Spuk, der sich vor ihren Augen abspielte, war zum Fürch- ten. Offensichtlich wurde ein Triebwerksteil nach dem anderen getestet. Gerade wurde Satz XII angefahren, in den maximalen Leistungsbereich gebracht und darin gehalten. Congollon, der Mann, der manchmal so melancholisch blickte, beugte sich zu den Sprechrillen vor, weil er sich Gewißheit verschaffen mußte, ob- wohl ihm die Instrumente sagten, daß die Steuerkommandos, durch die Satz XII angefahren worden war, nicht aus der Kommandozentrale kamen - weder vom Checkmaster, noch von Fal- luta oder Bebir. »Nein, Congollon, hier hat niemand eine Schaltung vorgenom- men, weil es bei uns nichts zu schalten gibt. Beobachten Sie wei- ter. Zu Ihrer Information: Durch unbekannte Kräfte und Methoden sind unsere Roboter im Depot abgeschaltet worden. Wir müssen uns auf weitere Überraschungen gefaßt machen.« Satz XII des Triebwerkaggregates lief immer noch im maxima- len Leistungsbereich, doch plötzlich traten in der Sal-Phase Schwankungen auf, die bis zu achtzehn Prozent von der maxima- len Leistungskurve abwichen. Abrupt wurde Satz XII abgeschaltet. Einen Augenblick später testeten unbekannte Kräfte Satz XIII. Und in diesem Turnus ging es ununterbrochen weiter. Überall im Schiff liefen ähnlich unbegreifliche Tests ab. Nicht das kleinste Gerät wurde übersehen. Verblüffend war die Schnel- ligkeit, mit der die Kontrollen durchgeführt wurden. »Mich sollte nicht wundern, wenn man gleich darangeht, jede zweite Maschine unseres Schiffes auszuwechseln.« Bissig sah Leon Behir den Ersten an. »Ihren Humor möchte ich auch mal haben.« Achtunddreißig Minuten nach Beginn der Kontrolle wurde Fal- lutas
Vermutung Talsache! Zuerst verschwanden die schwarzen Metallstäbe in der Kuppel- wand so schnell, daß die Männer es kaum mit den Augen verfol- gen konnten. Die P01NT OF sah jetzt nicht mehr wie ein bizarrer Igel aus. Dann öffnete sich über dem Schiff das Kuppelgewölbe, und ein Bildschirm in der Zentrale bot den Männern einen Blick durch den Hohlzylinder zu jenem winzigen Lichtpunkt hinauf, der ein winziger Ausschnitt des Himmels war und die Landefläche auf dem Ringbau markierte. »Da kommt der Segen schon!«, stieß Falluta hervor, und er kam in Form klobiger Roboter, die aus Rumpf, plumpen Beinen und mächtigen Armen bestanden. Neben, vor und hinter ihnen, wahr- scheinlich in einem Traklorstrahl, schwebten Aggregate heran, die den meisten Männern im Schiff bekannt waren. »Großer Himmel, die liefern uns ja sogar Ersalz für den hochgegangenen Konverter!« Behir halte seiner Verblüffung durch Schreien Luft gemacht. Und dann war der Besuch im Schiff! Roboter, die die Terraner ignorierten. Roboter, die nicht mehr als Werkzeuge waren. Spezialroboter, wahrscheinlich nur für den Zweck entwickelt, um in Raumschiffen defekte oder nicht mehr optimal arbeitende Geräte und Aggregate auszuwechseln. Die Ingenieure und Techniker kamen aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Fassungslos schaute Miles Congollon im Triebwerksraum zu, wie acht Roboter den Satz XII auswechselten. Sie gingen mit den Superschweren Teilen um, als würde jedes nur ein paar Kilo wiegen und nicht mehrere hundert Tonnen. Sie arbeiteten mit sogenannten Ailhesives — Kleber, die bei jedem Menschen schwerste Schäden verursachten, wenn er mit die sen unheimlichen Stoffen in Berührung kam. Im Schiff beruhigte man sich, je länger die Roboter darin arbei- teten. Ein Aggregat wurde nicht ersetzt. An einer Kabine gingen alle Roboter vorbei - an dem Raum, in dem es einmal das Gerät gegeben hatte, mit dem die Zeilverschie- bung ausgelöst werden konnte. Falluta und Bebir unterhielten sich darüber. »Schade«, meinte Bebir und wunderte sich, daß Falluta anderer Meinung war. »Ich bedaure nicht, daß kein Ersatz geliefert wird. Für mich war die ZV mehr als unheimlich. Ich habe die Zeitverschiebung immer als etwas Unnatürliches angesehen, und ich glaube, dem Commander ist es nicht
viel anders ergangen.«
»Aber hat sie uns nicht einige Male das Leben gerettet?«
Falluta stellte eine Gegenfrage: »Schluckt man auch dann noch als
Gesunder Gift, wenn dieses Gift in der Krankheit Medizin war?«
Dann meldete ein Deck nach dem anderen, daß die Roboter mit ihrer
Arbeit fertig seien und mitsamt den ausgetauschten Teilen die P01NT
OF verlassen würden.
In der Zentrale scherzte ein Offizier:
»Hoffentlich kommt der letzte Rob nicht mit der Rechnung.«
Er kam nicht. Sie verschwanden in dem Schacht und wurden auf
dem Bildschirm im Kommandoraum der P01NT OF zusehends kleiner.
Doch die Schleusen des Ringraumers blieben weiterhin geöffnet. In
Richtung der Schleuse 2 wurde ein Teil der Kugelwandung transparent.
Roboter von einem anderen Typ traten daraus hervor und gingen auf das
Schiff zu. Roboter, die humanoides Aussehen
hatten. Keine Gefahr, teilte der
Checkmaster über Alphawellen auch
dem letzten Mann mit. Wenig später, als
sich die ersten im Schiff gegen eine
Umar
183 mung mit einem Roboter wehrten und dennoch nicht verhindern
konnten, hinausgetragen zu werden, wußte man, was dieser Be- such zu
bedeuten hatte.
Über die Bordverständigung mußte Falluta die Leute beruhigen. »Wenn
der Checkmaster ausdrücklich gesagt hat, daß keine Ge-fahr besieht, dann
besteht sie auch nicht. Den Robotern ist in kei-nem Fall Widerstand
entgegenzusetzen!«
Und doch wurde auch ihm anders, als zwei Metallarme sich um ihn
legten, ihn anhoben und aufs Hauptdeck trugen. Er war der letzte, der
das Schiff verließ - eine POINT OF, auf der es nicht einmal mehr eine
Wache gab und in der die Roboter irdischer Bauart immer noch
abgeschaltet waren.
Das Robotungeheuer, das Ren Dhark und seine Männer verhaf-ten und
abführen wollte, wurde mit den Konstruktionen von der Erde auf
rätselhafte Weise fertig.
Schlagartig blieben sie stehen und führten keinen einzigen Be- fehl
mehr aus. Ihre Prallfelder setzen aus, sie sanken zu Boden. Ren Dhark
stand dem Maschinenkoloß hilflos gegenüber. Er ver-suchte seinen
Flash zu erreichen, als ihn eine Lähmung überfiel, die in den Beinen
begann und im gesamten Körper hochstieg.
Er konnte nicht mehr stehen und brach langsam zusammen. Als er kniend nach vorn stürzte, waren seine Arme nicht mehr in der Lage, den Sturz abzufangen. Das Gefühl hoffnungsloser Ohn- macht wurde in seinem Kopf immer stärker. Dann ließen seine Sinne nach. Er konnte kaum noch etwas er-kennen. Der Himmel über ihm verschwand, die Straße, das roboti- sche Ungeheuer. Mit Entsetzen hatten die Männer in den Flash diese Vorgänge beobachtet. »Angreifen! Zerstrahlen!« brüllte Dan Riker über Funk und ver-suchte, den Automaten mit Duststrahlen in amorphen Staub zu 184 verwandeln. Vergeblich betätigte er den Kontakt. Die Antennen seines Blitzes strahlten Dust nicht ab. Die Ahnung, sich in einer ungeheuren Gefahr zu befinden, flog ihn an. Sein Versuch, das Intervall zu erstellen, mißlang. Im Funk rührte sich nichts. Da bewegte sich Ren Dhark, der bis jetzt bewegungslos gelegen hatte. Er begann zu schweben und auf das Robotungeheuer zuzutrei- ben. Mit Entsetzen im Blick sah Riker, wie sein Freund in dem Automaten verschwand, dessen gebogene Fläche an einer Seite transparent geworden war. Dann gab man ihm keine Gelegenheit mehr, weitere Überlegungen anzustellen. Ein übermächtiger Wille nahm von ihm Besitz und zwang ihn und die anderen, ihre Flash zu verlassen. Nur die beiden Cyborgs leisteten diesem Suggestivzwang dank ihres Zweiten Systems Widerstand. Mark Carrell und Holger Al-sop sprangen zu Boden, rissen ihre Superschweren Blaster hoch -aber zum Schuß kamen sie nicht. Ein Pressorstrahl, der auch mit ihren Superkräften fertig wurde, riß ihnen die Strahlwaffen aus den Händen und jagte sie ein paar hundert Meter fort. Kaum waren sie verschwunden, als das Ungeheuer umschaltete und die Cyborgs mit einem Traktorstrahl in sein Inneres hereinholte. Alsop und Carrell, die über ihr Programmgehim alles ohne die geringste see-lische Erregung verfolgt hatten, begriffen, daß im Augenblick je- der Widerstand sinnlos war. Sie schalteten ihr Sichtsystem auf In- frarot, um in dem dunklen Verlies etwas erkennen zu können. Ein Raum, vier Meter lang, etwas mehr als zweieinhalb Meter hoch, völlig leer, hatte alle zehn Mann aufgenommen. Niemand konnte sich bewegen, auch die Cyborgs nicht. Fesselfelder preßten sie gegen die glatten Metallwände. Der transparente Teil der Wand war nicht mehr zu sehen. Geräusche gab es keine, und diese Stille hatte etwas Bedrohliches an sich.
Was geschah mit ihnen?
Das fragten sich allein die Cyborgs in ihrem Zweiten System,
denn die übrigen waren nicht mehr in der Lage, einen Gedanken zu
fassen. Der Zwang, dem Willen des technischen Monstrums keinen
Widerstand entgegenzusetzen, hatte alle anderen Gehirn- tunktionen
gelähmt.
Die Cyborgs waren nicht in der Lage, auf ihre Chronos zu sehen, denn
das Fesselfeld hielt auch ihre Köpfe fest. Einen schwachen Stoß
registrierten sie, dem ein Aufklappen des metallenen Verlie-ses folgte.
Roboter standen vor ihnen, Roboter, die sich in blauem Licht
bewegten und einen nach dem anderen auf ihren starken Armen
hinaustrugen.
Der Zwang, keinen Widerstand mehr zu leisten, schwand. Auch der
Commander konnte wieder klar denken, ebenso Manu Tschobe.
Er sah die gewaltige Halle, deren Decke leicht nach außen ge- wölbt
war. Sie schien transparent zu sein und das Leuchten einer rötlichen
Lichtquelle hereinzulassen. Dann sah der Afrikaner in langen Reihen
Vertiefungen verschiedenster Formen, und im glei- chen Moment
erkannte er, daß er in diesem Saal schon einmal ge- wesen war, und vor
ihm Professor Tim Acker!
»Das ist der Raum, in dem Professor Acker und ich gezwungen
wurden, unser gesamtes Wissen preiszugeben... damals, als wir durch
die Ringantenne des Großlransmitters im Industriedom un- abhängig
voneinander unsere Beobachtungen...«
Weiter kam er nicht. Ein zylinderförmiger Roboter ergriff ihn und
schwebte zwischen zwei Reihen Vertiefungen mit ihm davon.
Die werden sich wundern, was sie alles preisgeben müssen, dachte er
noch, dann wurde er einmal herumgeschwenkt, hing zwischen zwei
metallenen Pranken mit dem Rücken zum Boden und wurde dann in eine
Vertiefung gedrückt. Wiederum konnte er weder ein Klicken hören noch
Druck verspüren, doch als er einen Arm bewegen wollte, konnte er das
nicht mehr.
Unsichtbare Kräfte hielten jeden Teil seines Körpers umfaßt und ließen
ihm nicht den geringsten Spielraum.
Der zylindrische Roboter schwebte davon, und wiederum hörte Manu
Tschobe nicht einmal leises Summen.
Kaum hatte der Afrikaner den anderen einen Teil seiner Entdek- kUng
mitgeteilt, als Dhark seinen beiden Cyborgs zurief: »Unbe- dingt im
Zweiten System bleiben!« Dann waren er und Dan Riker an der Reihe, durch Roboter in die Vertiefungen gebracht zu wer-den. Alle erlebten dasselbe, nur Tschobe nicht und die beiden Cy- borgs. Ihr Programmgehirn war mit den Mitteln, die hier benutzt wurden, nicht anzugreifen, aber die anderen wurden zu einem Nichts, und niemand war mehr Herr seiner Sinne und seines Kör- pers. Jeder gehorchte! Und niemand wußte, was er tat. Licht! Dunkelheit! Farben! Schatten! Sahen sie wirklich etwas, oder bildelen sie es sich nur ein? Manu Tschobe richtete sich auf. Nichts hielt ihn zurück. Und am Ende der Reihe ahmten Carrell und Alsop sein Beispiel nach. Der Afrikaner schmunzelte. Dieser raffinierten Konirolle war jetzt ein großer Fehler unterlaufen, denn aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie die Cyborgs als Roboter eingestuft. Tschobe glaubte zu wissen, warum die Kontrolle ihn entließ. Sie hatte ihn wiederer- kannt. Und wiederum sah er sein Double. Er erinnerte sich, wie er beim ersten Mal zugeschlagen hatte, um sich selbst einen Kinnhaken zu verpassen. Nun hielt er seine Hände bei sich und achtete nicht auf seine zweite Ausfertigung. Ein Double der Cyborgs gab es nicht. Die Konstrukteure und Erbauer dieser Anlage hatten bei Maschi- nenwesen auf diesen makabren Scherz verzichtet. »Tschobe, die Kontrolle ist für Sie zu Ende. Sie können den Transmitter benutzen, um zu Ihrem Schiff zurückzugelangen, aber sich auch durch Controllo befördern lassen, der Sie hierher brachte.« Das Robotmonstrum hieß also Controllo. Manu Tschobe bedankte sich bei Manu Tschohe nicht. Und was damals nur Tim Acker beobachtet hatte, sah er nun auch. Sein Double löste sich auf, und dann gab es nur noch ihn seihst. Die Cyhorgs mit ihrem zweiten System zeigten keine Verwun- derung über die Vorgänge. Ihr Programmgehirn nahm alle Daten auf und speicherte sie. »Wir warten!« hatte Tschobe kurz gesagt und dann die Vertie- fungen beobachtet, in denen noch sieben Mann lagen und ge- zwungen wurden, nicht nur ihr gesamtes Wissen preiszugeben, sondern sich auch der Wahrheitsprütung zu unterziehen. Diese Wahrheitsprüfung, die nicht belogen werden konnte, war der grausigste Akt der Kontrolle. Lange vor den anderen erhob sich der Commander, und auch er
begegnete seinem Spiegelbild. Aber er versuchte nicht, es niederzuschlagen, wie damals sowohl Acker als auch der Afrikaner. Er erhielt seine Anweisungen in der Sprache der My.sterious, und in diesem Augenblick begriff Ren Dhark, warum er vor den anderen aus der Prüfung entlassen worden war. Man hatte ihn mit seinen Kenntnissen der MysteriousSprache als ein verwandtes Wesen anerkannt. Dro Cimc erhob sich als letzter. Für ihn mußte diese Prüfung be- sonders entsetzlich gewesen sein, denn er trat drei Schritte zurück, als er sein Double auf sich zukommen sah, und Angst und Schrekken zeichneten sich in seinen Augen ab, als sein Ebenbild ihn in seiner Muttersprache anredete. »Nicht schießen!« rief Dhark ihm zu, als die Hand des Tel zum Blaster flog. Wenig später löste sich das Phänomen in Nichts auf, und der Wer wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Nein!« sagte er und schüttelte den Kopf, und dann noch einmal: » Nein!« Der Controllo stand offen. Nacheinander nahmen sie darin Platz. Diesmal wurden sie nicht durch Fesselfelder gegen die nackte Me tallwand gepreßt. Die Apparatur schloß sich, und die Männer hat ten nichts anderes zu tun, als abzuwarten, wohin sie geschafft wurden. Die Cyborgs fanden Zeit, dem Commander ihren Bericht zu geben und vertraten auch die Ansicht, von der Kontrolle als Roboter eingestuft worden zu sein. »Das haben wir wahrscheinlich nur unserem Phantzustand zu verdanken«, meinte Holger Alsop. Dro Cimc, der noch immer unter den Nachwirkungen der Prü- fung litt, sagte nur: »Warum bin ich nicht auch ein Cyborg? Bei allen Göttern mei-nes Volkes, ich war drauf und dran, den Verstand zu verlieren!« Man glaubte ihm, weil man inzwischen wußte, wie sehr sich die Tel trotz ihres menschlichen Aussehens vom Homo sapiens unter- schieden. Ein leichter Stoß ging durch das Robotmonstrum, dann öffnete es sich. Vor ihnen lag die POINT OF. Das Schiff stand auf seinen Teleskopstützen, und der Landeplatz war eine gewaltige Hohlkugel, die blaues Licht ausstrahlte. Aber warum war an den beiden Schleusen, die sie sehen konn- ten, keine Wache zu finden?
Wenig später stand fest, daß die Besatzung des Ringraumers verschwunden war. In seinem dröhnenden Baß meldete Chris Shanton über die Verständigung, daß er und Doorn nicht in der Lage seien, einen einzigen Roboter zu aktivieren. »Als ob man ih- nen die Kon vener ausgebaut hätte!« Manu Tschobe versuchte in der Funk-Z, Kontakt mit der FO VII zu bekommen. Nicht einmal das Rauschen der Statik war im Empfang zu hören, und über die Antennen ging kein Blip ab. Da verlor auch der Sibirier seine fast sprichwörtliche Ruhe. »Dhark«, rief er zur Zentrale durch, »ich werde verrückt. Ich kann's nicht glauben, aber ich seh's doch und kann es anfassen! Der Konverter ist wieder da, den ich in den Leerraum habe beför- dern lassen. Das verdammte Ding steht wieder hier!« 189 Aber auch er kam nicht auf den Gedanken, daß der Konverter nicht mit dem Energieerzeuger identisch war, den er durch Robo- ter halte hinausschaffen lassen. Wie sollte er auch ahnen, daß in der POINT OF eine ganze Reihe Geräte und Aggregate von Spezialrobotern ausgewechselt worden waren? Denn diese Metallkonstruktionen hatten nicht die gering- sten Spuren hinterlassen. In der Kommandozentrale sahen sich die Männer fragend an. Der Konverter war wieder an Bord? Und immer noch heiß? Die Rückfrage ging an Arc Doorn. Der weinte fast. »Das ist ja das Verdammte daran, Dhark. Der Konverter ist o.k. Keine Spur heiß. Ich begreife das nicht, und Shanton auch nicht. Das ist noch schlimmer als mit den Robotern, die nicht mehr zu aktivieren sind. Sagt denn der Checkmaster nichts?« Der schwieg. Ratlos ließ Dhark sich auf den Pilotensitz fallen. »Wo sind die Männer geblieben? Waruni haben weder Falluta noch Bebir eine Nachricht hinterlassen?« Darauf konnte niemand antworten. Dan Riker lachte wütend auf. »Ich möchte wissen, wer diese Blockierungs-Schallung durchge-führt hat.« Ren Dhark winkte ab. Plötzlich war er wieder ruhig geworden. Ein Gedanken hatte ihm die Ruhe wiedergegeben. Konnten die verschwundenen Männer nicht ebenso zu einer Kontrolle abgeholt worden
sein wie man sie kontrolliert hatte? In der FO VII herrschte bedrückte Stimmung. Der Forschungsraumer war in die Tiefe gerissen worden, mit blinden Bildschirmen, und seit der Landung war nichts anderes passiert, als daß von allen Seiten dicke und lange Metallstähe ge-gen die Oberfläche des Kugelschiffes drückten. 190 Die Bildkugeln, die nach der Zwangslandung wieder funktionierten, zeigten an, daß sich das Schiff in einer blaustrahlenden Hohlkugel befand, die überall geschlossen war. Auch bei der FO VII verschwanden die Stäbe blitzschnell wie-der in der Wandung, aber an ihre Stelle waren gebündelte Strahlen getreten, die von der stilliegenden Ortung nicht analysiert werden konnten. Zuerst klagten nur wenige über Kopfschmerzen, dann wurden es mehr und mehr Männer, die sich unpäßlich fühlten. Medikamente und Injektionen, die sonst binnen einer Viertelstunde wirkten, halfen nicht. Die ersten Männer wurden lethargisch. Ihre Teil- nahmslosigkeit ging so weit, daß sie jeden Befehl ignorierten. Die Arzte standen vor einem medizinischen Rätsel. Sie wurden von den Kopfschmerzen ebenfalls nicht verschont. Als auch der letzte Mann darunter litt, war klar, daß diese Beschwerden mit der Strah- lenflut zusammenhängen mußten, in der die FO VII gebadet wurde. Dann gab es keinen aktiven Terraner mehr in dem Kugelraumer. Sie ahnten nicht, daß sie einer Kontrolle unterworfen wurden wie die Männer der POINT OF. Dieses abgeänderte Verfahren, der Be- satzung ihr Wissen abzunehmen, lag in der Form des Raumschif- fes begründet. Ein auf logistischer Basis arbeitendes Gehirn hatte bestimmt, diese radikale Methode anzuwenden. Die Bildkontrolle riß alle in tiefste Ohnmacht. Die Gedankenkontrolle griff schon die Herzfunktion an, und ab- rupt sank der Pulsschlag. Die Wahrheitsprüfung brachte der Besatzung fast den Tod. Als der Test zu Ende war, blieb es in der FO VII so still wie zu- vor. Nur die Zeit verrann. Lautlos.
Die gleichen Roboter brachten die Besatzung der POINT OF wieder
zurück und setzten jeden Mann an dem Platz ab, an dem sie ihn auch in Empfang genommen hatten. »Sturer ging's wirklich nicht«, sagte der Erste Offizier, nachdem er dem Commander kurz Bericht erstattet hatte. »Und nun ver-schwinden diese unheimlichen Blechkameraden lautlos.« Sie verließen das Schiff, und mit dem letzten wurde der Check- master wieder aktiv. Vor Dan Rikers erstaunten Augen wurde die Blockierungs-Schaltung einfach gelöscht. »Die Schleusen schließen sich!« meldete eine Wache. Grappas Distanzortung funktionierte auch wieder. »Schiff steigt!« gab er durch. Ein Pressorstrahl, genau dosiert, stieß den Ringraumer durch die Röhre in der Ringpyramide wieder nach oben. Die Ausweiskontrolle war beendet. Hoffentlich auch für die FO VII, dachte Ren Dhark, der sich Sorgen um den Forschungsraumer machte, weil es immer noch nicht möglich war, mit ihm in Funkkontakt zu treten. Für einen Moment stand das Flaggschiff der TF 2.860 Meter über der Oberfläche des fremden Planeten. Fünf Meter unter den Auflegern der Teleskopstützen existierte immer noch das kreis- runde Loch. Selbst Ren Dhark wischte sich über die Augen, als es mit einem Mal nicht mehr vorhanden war. Der Landeplatz auf der Kreisfläche dem Ringbaues war wieder stabil, und auf diesem stabilen Material setzte das Schiff nun auf; nur ein paar hundert Meter weiter gab es noch die zweite Öffnung, durch die die FO VII in die Tiefe verschwunden war. »Warum dauert die Kontrolle bei dem Forschungsraumer län- ger?« fragte der Tel, als die Polkappe des 200-Meter-Kugelrau-mers auftauchte und sich dann das gleiche abspielte wie bei der POINT OF. »Dhark, das Schiff antwortet nicht«, meldete Elis Yogan besorgt aus der Funk-Z. »Wir haben die Echokontrolle eingesetzt. Die Sender der FO VII sind klar, unser Ruf geht auch ab, aber...?« Den Rest ließ er ungesagt. Nach einer guten halben Stunde des Wartens setzte Ren Dhark Wonzeff mit einem Flash ein. Daß durch den Brennkreis des Sie die Zelle der FO VII beschädigt wurde, ließ sich vermeiden, wenn der Pilot ihn kurz vor dem Durchdringen der Wandung aus- und danach sofort wieder einschaltete. Im Schutz seines Intervallfeldes flog der Flash ins andere Schiff ein und landete im Hangar, um weitere Beschädigungen zu ver- meiden. Die Schleuse zum Deck sprang auf, und da sah Wonzeff schon die
ersten beiden Männer bewegungslos am Boden Über Helmfunk stand er mit der POINT OF in Verbindung, wäh- rend er über das Hauptdeek der Kommandozentrale zulief. Hastig gab er seinen Bericht ab. Ren Dhark und seine Männer warteten, bis Wonzeff sein Ziel er- reicht hatte, aber die Ärzte der Medo-Station waren schon vorsorg-lich alarmiert worden. »Auch hier sind alle besinnungslos. Dhark, die Männer sehen aus, als ob sie im Sterben lägen.« Drei Ärzte flogen in drei weiteren Flash, die mit Medikamenten beladen waren, zur FO VII. Tschobe befand sich unter ihnen. Was er zu berichten halte, schreckte die Männer im Ringraumer auf. »Die haben eine Gehirnwäsche bekommen, die unmenschlich gewesen sein muß. Mehr kann ich im Augenblick noch nicht sa- gen. « In der Funk-Z lachten die Männer auf, als sie wenig später eine Blechstimme aus dem Empfang hörten, die anfragte: »Bin ich von dem Dicken ausgesetzt worden oder werde ich doch noch einmal abgeholt?« Jimmy, der über seine eigene Ortungsanlage festgestellt hatte, daß die Sender des Ringraumers wieder arbeiteten, hatte sich auf seine Art in Erinnerung gebracht. Wonzeff, der zur POINT OF zu- rückfliegen wollte, erhielt den Auftrag, Jimmy abzuholen, aber unter keinen Umständen etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Der Commander suchte das Depot der Roboter auf, wo er Chris Shanton und Arc Doorn in einer Verfassung antraf, die ihm an beiden neu war. »Hier spukt's...« Das war typisch für den Sibirier. »Aber die Roboter sind ja wieder aktiv?! Was haben Sie mir denn vorhin gemeldet?« Ren Dhark war in dieser Situation für dumme Scherze nicht zu haben. Der Dicke streichelte seinen Backenbart, der langsam wieder seine alte Länge bekam. »Wir meldeten Tatsachen, Dhark. Uns ist nicht zum Spaßen zumute. Auf einmal waren alle Blechkameraden wieder aktiv. Ohne unser Dazutun! Spukt's hier, oder spukt's hier nicht?« Woher der Konverter gekommen war, hatte sich inzwischen herumgesprochen, auch daß die POINT OF regelrecht überholt worden war, aber der Fall mit den Robotern blieb schleierhaft.
Von der FO VII meldete Tschobe, daß es endlich gelungen sei, einen Mann wieder zu Bewußtsein zu bringen. »Sie haben das gleiche durchgemacht wie wir, nur wurde bei der Besatzung eine radikalere Methode angewandt, weil allem Anschein nach keine Möglichkeit bestand, sie aufzufordern, das Schiff zur Kontrolle zu verlassen.« Aber dann dauerte es noch 23 Stunden Normzeit, bis auch der letzte Mann der FO VII sein Bewußtsein wiedererlangte. Diese Wartezeit war von der Besatzung der POINT OF zu einem ausgiebigen Schlaf benutzt worden. Daß es für lange Zeit der letzte Schlaf war, ahnte niemand. 6. Erron-l konnte mit dem Hypersender der POINT OF nicht er- reicht werden, darum war es erforderlich, die Sendestation auf die- sem Planeten, dem man wegen seiner Ringpyramiden den Namen Babylon gegeben halte, zu benutzen. Mit acht Flash flog Ren Dhark aus. Selten war eine Expedition so sorgfältig vorbereitet worden. Die Position der Sendestation war bekannt. In dreitausend Me- tern Höhe rasten die Blitze in Kiellinie dahin. Der Kontakt zum Ringraumer brach nicht ab. Dro Cimc saß hinter dem Commander, den Kopf weit in den Nacken gelegt, um über die Bildprojektion nach draußen zu sehen. » Eine schauderhafte Konstruktion der Geheimnisvollen«, knurrte der Tel, dem ein paar Nackenwirbel schmerzten. »Nicht, wenn man ein Auge oben auf dem Kopf hat«, rief ihm Dhark zu, um dann auch die Bildprojektion zu betrachten, Ungeheuer eindrucksvoll waren die gigantischen, breit angeleg- ten Ringbauten mit ihren faszinierenden Terrassen, aber deprimie- rend war diese vollkommene Leere. Ron wedde di terra! Dhark ging dieser Satz nicht aus dem Kopf. Aber wenn alle mit größter Dringlichkeit vor tausend Jahren auf ihre Heimatwelt zurückbeordert worden waren, wieso hatten sie dann noch Zeit gefunden, alle Spuren, die einen Hinweis auf ihr Aussehen gaben, zu verwischen? Wieso war auch in den Wohnun- gen nichts Bemerkenswertes zu finden? Unter ihnen waren die Straßen leer, und wie leergefegt auch die mächtigen Ringterrassen. Dro Cimc blinzelte. In der Feme glaubte er goldenes Schimmern zu sehen. Er machte Dhark darauf aufmerksam.
»Keine Ahnung, Cimc.« Noch rund vierhundert Kilometer bis zum Ziel. Ein Flug von vierhundert Kilometern über eine Riesenstadt nach der anderen. Diese Städte waren nur durch Parks voneinander ge- trennt. Sie flogen in den hellen Tag hinein, und das goldene Schimmern in der Ferne wurde immer deutlicher. In Ren Dhark wurde ein Verdacht wach, aber er teilte ihn dem Tel nicht mit. Vielleicht irrte er sich. Da schaltete er seine Bildprojektion auf das goldene Schimmern. Tele erfaßte es. Und wiederum sah er ihn: den Goldenen Menschen mit seinein unmodellierten Gesicht! Wie hoch? Achttausend Meter? Zehntausend? Dhark wagte nicht zu schätzen und setzte seine Ortung ein. 7.236 Meter! Ohne Sockel! Der war noch einmal 1.062 Meter hoch! Ein Goldener Mensch, der auf einem mehr als fünfzig Kilometer durchmessenden Platz stand, einer kreisrunden, strahlendblau schimmernden Fläche. War Blau nicht die Farbe der Mysterious? Im Funk wurde es immer lauter. Das Bild der Plastik wurde zur P01NT OF übertra-gen. Sämtliche Kameras liefen. »Ren«, rief Dan Riker seinen Freund, »benutze einmal deine Energieortung.« Dhark schaltete sie ein und setzte sich überrascht auf. Im Bereich des Goldenen Menschen befand sich ein Energieerzeuger, der alles bisher Erlebte weit in den Schatten stellte. Und diese Anlage befand sich unter dem Sockel, tief im Boden. Die acht Flash fielen mit ihrer Geschwindigkeit unter Mach l, denn sie hatten sich ihrem Ziel bis auf neunzig Kilometer genä hert. »Was hat diese Statue zu bedeuten?« hörte Ren Dhark den Tel hinter seinem Rücken sagen. »Sie ist uns allen ein Rätsel, Cimc, und wir wissen bis heute nicht einmal, warum man das Gesicht nicht modelliert hat, wäh- rend alles andere mit so hoher Kunst gestaltet wurde. Und sehen Sie sich das doch nur an: ein Standbild, das über achttausend Me-ter hoch ist! Die Vergötterung eines Humanoiden? Oder der Gott der Mysterious? Wenn es darauf doch einmal eine Antwort geben würde.« Je näher die Flash der Plastik kamen, um so unbeschreiblicher war die
Wirkung, die sie auf die Männer machte. Eine Wolken- bank schwebte heran und begann, sie einzuhüllen. Kopf und Arme des Goldenen Menschen verschwanden und tauchten allmählich wieder auf, als auch der achte Plash vor dem berghohen Sockel auf seinen .spinnbeindünnen Auslegern gelandet war. In Unitallblau schimmerle der Boden des Platzes. Er war nicht überall sauber. Stellenweise hatten Erdverwehungen ihn zuge-deckt, und an einigen Plätzen standen sogar Baumgruppen, deren Blätter im leichten Wind rauschten. Keine Inschrift auf dem Sockel! Kein einziges Symbol. Auch das Emblem einer Galaxis-Spirale suchten sie vergebens. Der Sockel war aus dem gleichen Material gefertigt wie die Statue, die jetzt wieder bis zu den Fingerspitzen der himmelwärts gereckten Arme zu erkennen war. Das Schweigen der sechzehn Männer hielt an. Je länger sie den Goldenen Menschen betrachteten, um so stärker unterlagen sie dem unbeschreiblichen Eindruck, den er nicht zuletzt durch seine imposante Größe auslöste. Commander Ren Dhark durchbrach die Stille, weil er über sein Spezialvipho mit der POINT OF sprechen wollte. »Falluta, kommen Sie mit dem Schiff herüber, aber die FO VII soll ihren Landeplatz nicht verlassen.« Sein Erster bestätigte, und Dhark schaltete ab. Dro Cimc und Dan Riker waren nicht zu finden. »Sie sind rechts um die Ecke des Sockels gegangen«, gab Shanton Auskunft, neben dem Jimmy wie ein echter Scotchterrier bei Fuß saß. Durch Arc Doorn und Manu Tschobe wurde er abgelenkt. Doorn hatte mit ihrem tragbaren Ortungsgerät versucht, die Mammut-Sender im Boden genau zu lokalisieren, aber nur den Energieer- zeuger anmessen können. »Dhark, wenn die Mysterious nun den Goldenen Menschen als Antenne benutzt haben?« Der Commander wollte zuerst über Tschobes Frage lachen, doch nach kurzem Überlegen kam sie ihm gar nicht mehr so abwegig vor. Hätte damit der Goldene Mensch als Antenne eines Mammut- Senders nicht einen Sinn bekommen? Dann kam die Landung der P01NT OF dazwischen. Falluta hatte das Schiff innerhalb weniger Minuten herangellogen. Ringsum in der Ferne, mehr als dreißig Kilometer weg, erhoben sich die wuchtigen Ringpyramiden mit ihren breiten Terrassen. Und nirgendwo Leben.
Alles war leer! Verlassen! Vor tausend Jahren verlassen worden, als der Alarmruf durch die Milchstraße gegangen war: Ron wedde di terra! »Energieerzeuger wird noch höher angefahren!« Doorn geizte schon wieder mit Worten. Auch der letzte Mann, der auf dem Unitallboden des großen Platzes stand, hielt den Atem an, denn ein feines Singen lag plötz- lich in der Luft. Oder kam es aus dem Sockel? Da gellte Chris Shantons orgelnde Baßstimme auf: »Die Plastik dreht sich ja!« Sie drehte sich auf dem Sockel. Der Goldene Mensch machte auf der Stelle ganz langsam eine halbe Rechtsdrehung, und als er sich nicht mehr bewegte, war auch das feine Singen nicht mehr zu hören. Dharks Spezialvipho sprach an. Walt Brugg aus der Funk-Z meldete sich mit starker Erregung. »Gerade ist wieder ein Komprispruch mit unvorstellbar hoher Sendeleistung abgestrahlt worden. Wir haben kein Gerät an Bord, das noch in diesen hohen Bereichen Messungen exakt vornehmen kann.« Dan Riker und Dro Cimc schritten vor dem quadratischen Sok-kel entlang. »Ich kann verstehen, daß Dhark auf der Jagd nach den Myste- rious ist, aber ich kann nicht verstehen, daß er im Unterbewußtsein immer noch an ihre Existenz glaubt. Riker, die nun entzifferten Codesprüche weisen doch unmißverständlich aus, daß die Myste- rious sich vor rund tausend Jahren in einer Gefahr befunden haben, der sie hilflos gegenüberstanden. Würden sie heute noch existie- ren, dann hätten sie schon längst den Versuch gemacht, sich mit uns Tel, mit euch Terranem oder einer anderen, die Raumfahrt be- herrschenden Rasse in Verbindung zu setzen. Aber uns wie euch ist von einem Versuch dieser Art nichts bekannt.« »Was dennoch kein Beweis ist, Cimc!« Dan Riker widersprach dem Tel, weil er glaubte, seinen abwesenden Freund verteidigen zu müssen, obwohl er oft genug der Ansicht gewesen war, daß die Suche nach den Mysterious sinnlos sei. Aber hatte Dharks Hart- näckigkeit in diesem Fall der Menschheit nicht unvorstellbaren Portschritt gebracht? »Cimc, wir haben nur Vermutungen, und so- lange niemand den Gegenbeweis antreten kann, müssen wir mit der Existenz der Mysterious rechnen.« »Babylon!« Der Tel nannte den Namen dieses Planeten, der eine einzige Stadt darstellte. »Aufgebaut, grandios, einmalig, denn so etwas kennt man im Telin-Imperium nicht, und - verlassen! Erron-1 verlassen! Die Sternenbrücke aufgegeben! Alles aufgegeben!«
»Aber vorher ist jeder Planet geräumt worden. Sie haben alles mitgenommen, was auf sie schließen könnte. Das bedeutet doch, 198 199 daß sie trotz der Alarmwamungen genügend Zeit hatten. Wir...« Er stutzte. Sein Blick ruhte auf der glatten Sockelwand. »Cimc, sehen Sie das auch?« »Was?« fragte der Tel, der vergeblich etwas zu erkennen versuchte. »Hier! Dieser Schattenriß!« Riker trat dicht an die Wand und fuhr mit ausgestrecktem Zeigefinger darüber. »Bis zum Boden, und so hoch hinauf, daß ich sein Ende nicht mehr sehen kann.« Dro Cimc wechselte ein paarmal seinen Standort, und endlich konnte er die haarfeine Schattierung erkennen, die nur aus einem bestimmten Blickwinkel sichtbar war. »Was vermuten Sie, Ri- ker?« Die Ankunft der POINT OF, die beide Männer überraschte, un- terband vorerst die Antwort, und sie unterhielten sich darüber, was Ren Dhark veranlaßt haben konnte, das Schiff nach hier zu beor- dern. Kurz darauf hörten auch sie das feine Singen, doch daß die Plastik eine halbe Rechtsdrehung machte, entging ihnen, weil vor ihnen der Sockel lautlos aufgerissen war und ein gigantisches Por- tal freigelegt hatte. »Wie auf dem Planeten Mirac, und doch wiederum anders...«, flüsterte Dan Riker, der bewegungslos neben dem Tel stand und mit ihm in die gewaltige Halle sah, die im Blaulicht strahlte. Sie überhörten, daß nach kurzer Zeit das Singen verstummte, und sie hatten vergessen, daß sie sich auf einem fremden Planeten be- fanden. »Was ist das? Ein Museum? Eine Ausstellungshalle?« Dan Riker hatte andere Fragen zu beantworten. Was hatte das Öffnen des Portals ausgelöst? Stand es mit dem Singen, das sie gehört hatten, in Zusammen- hang? Mußte er jetzt nicht seinen Freund Ren benachrichtigen? Ein undefinierbarer Zwang hielt ihn davon ab. »Nicht hineingehen, Cimc! Zum Teufel, nicht...« 200 Der Tel hatte schon den entscheidenden Schritt getan, und war mit diesem Schritt aus Rikers Blick verschwunden, als ob er durch die Antenne eines Transmitters getreten wäre. »Cimc! Cimc!« Er schrie den Namen des Schwarzen Weißen, aber eine Antwort erhielt er nicht. Wo war der Tel gebliehen? In der Halle sah alles aus wie vorher. Nichts hatte sich darin verändert, nichts bewegt oder verschoben. Die gewaltigen Vitrinen, die breite Straßen bildeten und von denen manche bis zu
hundert Meter lang waren, spiegelten das herrliche Blaulicht wider, aber
das Licht lieferte keine Spur von dem Tel.
Über sein Vipho unterrichtete Riker endlich seinen Freund.
»Wir kommen, Dan! Unternimm nichts!«
»Ich werde mich hüten«, knurrte dieser. Er machte sich Vor- würfe,
Cimcs Eskapade nicht energisch genug unterbunden zu ha- ben.
Da war das Singen wieder zu hören, und abermals bemerkte er nicht,
daß die gigantische Plastik eine Drehung machte - eine halbe
Linksdrehung - und nun die alte Position wieder eingenom- men hatte.
»Hallo, Riker«, klang es aus dem Vipho, »ich kann Ihnen nur
empfehlen, auch den entscheidenden Schritt zu tun...«
»Wo bei allen Sternen halten Sie sich auf, Cimc?« unterbrach ihn Dan,
der die kleine Bildscheibe seines Viphos betrachtete, aber nicht viel
erkennen konnte.
»Im Kopf des Goldenen Menschen, den ich über einen Transmit- ter
erreicht habe. Ziemlich luftig hier oben, aber trotz der Höhe gut zu
ertragen. Es lohnt sich, sich hier umzusehen, denn hier haben Ihre
Mysterious doch nicht alles fortgeschafft, bevor sie Babylon verließen.«
»Bleiben Sie in der Verbindung. Dhark kommt.«
Der Tel schwieg. Neben Riker landeten drei Flash. Sechs Mann
stiegen aus. Sie hatten mitgehört und waren informiert.
»Riskieren wir es!« schlug Chris Shanton vor, der seinen Jimmy nicht
im Stich gelassen hatte.
»Und wenn es dem Portal einfällt, sich wieder zu schließen?«
meckerte der Sibirier, dessen Bedarf an Abenteuern zur Zeit ge- deckt
war. »Wie kriegen wir es dann wieder auf?«
»Ruhe, bitte!« ordnete Dhark an, der sich mit dem Tel in Ver-
bindung setzte. »Cimc, was befindet sich in dem Kopf des Gol- denen
Menschen?«
Ein Seufzer war zu hören, dann kam die Antwort. »Wenn ich das
sagen könnte, dürfte ich stolz auf mich sein. Dhark, etwas Ähnliches
wie das hier habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen«
»Technik?« Dharks kurze Frage.
»Was sonst?!«
»Haben Sie den Goldenen Menschen auf seine alte Position zu-
rückgedreht, Cimc?«
»Was soll ich getan haben? Wen gedreht? Ja, wie denn, Dhark? Mit
meinen Händen? Glauben Sie, ich sei der Narr, der hier etwas berührt
oder herumspielt?«
Der Commander sah seine Männer an.
»Ich brauche drei Freiwillige.«
Sechs meldeten sich - alle. Er wählte seinen Freund Riker aus, Arc Doorn und Chris Shanton, Jimmy zählte nicht als Person, blieb aber bei seinem Dicken. Über Vipho wurde dem Tel ihr Kommen mitgeteilt. Die letzten Ausrüstungsgegenstände wurden noch ausgetauscht, dann nickte Dhark seiner Gruppe zu und tat als erster den entscheidenden Schritt. Er verschwand vor ihren Augen. Riker, Doorn und Shanton warteten gespannt, ihr Vipho auf größte Lautstärke gestellt. »Angekommen!« hörten sie. Da verschwand Dan Riker. Er meldete sich kurz darauf. Dann folgten die anderen. Sie belanden sich im Kopf des Goldenen Menschen. Sie sahen auf den Planeten Babylon hinab, und aus dieser Höhe wirkten die Ringbauten längst nicht mehr so wuchtig, dennoch war es ein ein maliges Bild, was sich ihren Augen in allen Richtungen bot. »Wieso können wir durch das Material sehen?« fragte Riker verwundert. »Sollten die Mysterious ein Metall entwickelt haben, das Einwegcharakter hat wie unsere Plastikscheiben?« Die Sicht war nach allen Seiten frei, wenn sie nicht gerade durch Wolkenbänke kurzfristig behindert wurde. Der Commander inter essierte sich weniger dafür. Er sah sich in der gewaltigen Halle, die aber nur einen Teil des Plastikkopfes in Anspruch nahm, um. Der Tel hatte recht mit seiner Behauptung, ähnliches noch nie ge- sehen zu haben. Auch Dhark war der Sinn der Anlage unklar. Wozu dienten die von Kardanringen gehaltenen Kristallblöcke? Warum war in diesem Fall nicht A-Grav benutzt worden? Weshalb war man zu dem uralten Verfahren zurückgekehrt? Vier große Gitterwerke, nach allen Seiten schwenkbar, waren auf diese Kristallblöcke ausgerichtet. Im Mittelpunkt der hausho- hen Anlage schwebte etwas, das wie ein zusammengedrücktes Knäuel Draht aussah, nur daß dieses schwebende Knäuel ständig seine Farbe veränderte. Die Schaltwand stand frei im Raum. Sie besaß drei Galerien, die durch eine Treppe miteinander verbunden waren. Daran wanderten Dhark und Doorn entlang. Beide sagten kein Wort, bis sie das Ende erreicht hatten. »Tut mir leid...« Genau das hatte Dhark von dem Sibirier erwartet. Diese Technik, die sich ihnen im Goldenen Menschen bot, war nicht von den Mysterious entwickelt worden. Wer dann hatte diese
Riesenplastik gebaut und die Anlagen in ihrem Innern installiert? Die Grakos? Sie blieben vor dem Transmitter stehen, der sie in den Kopf der Statue gebracht hatte. »Was mag das sein?« fragte Shanton, der einen dunkelgrauen Zylinder von vierzig Zentimetern Länge und knapp zwei Zentime- tern Durchmesser in der Hand hielt. »Es lag auf dem Boden neben einer defekten Maschine.« Als das Wort »defekt« fiel, horchten alle auf. Shanton zeigte ih- nen das Gerät. Plötzlich kniete jemand davor und räumte ein paar Teile zur Seite, hob die Seitenverkleidung ab und schüttelte unun- terbrochen den Kopf. Schweigend und gespannt sah man Are Doorn zu. »Ich kann es nicht erkennen. Zuerst glaubte ich einen Rhezor vor mir zu haben, aber...« Er verstummte und erhob sich wieder. Sein Gesicht zeigte Mißmut. Dhark legte ihm die Hand auf die Schulter. »Doorn, wir haben von Ihnen kein Wunder erwartet«, sagte er, um ihm Mut zu machen. Da kniete der Sibirier schon wieder und studierte das halb auseinandergenommene Aggregat. Ein Pfiff war zu hören, ein Fluch in seiner russischen Muttersprache, und dann kehrte er ihnen sein Gesicht zu, in dem die Augen strahlten. »Ich hab's! Das Ding haben die Mysterious nicht gehaut. Das stammt aus der Fabrikation der Giants. Aber wie alt mag das sein? Schade, daß wir keinen C-14-Analysator bei uns haben...« »Was ist es denn?« »Ein Bio-Sender, und genauso kaputt wie das Ding auf dem Pla- neten Robon, mit dem uns damals der CAL diese Show geliefert hat.« Auch Ren Dhark hatte keine Ahnung, worauf Doorn jetzt ange- spielt hatte, denn auf Robon war ihnen vom CAL der Giants so manche Show frei Haus geliefert worden. »Damals, als er vor unseren Augen einfach verschwand, über den Fluß hinweg. Ohne Transmitter. Und als ich dann später, lei-der viel zu spät, mit Ingenieuren den Platz am Fluß untersuchte, war alles unversehrt und nur der Bio-Sender zerstört. Absichtlich vernichtet worden. Das bewiesen die Spuren.« Über Dharks Stirn stand eine Falte. »Warum haben Sie mir nie darüber berichtet? Wissen Sie, daß auf Terra wegen Ihres Schwei-gens bis heute nie versucht wurde, einen Bio-Sender zu konstruie ren? Habe ich Sie richtig verstanden, daß man damit Personen
befördern kann wie mit einem Transmitter?« »Ungefähr, nur ist die Reichweite sehr begrenzt, und er arbeitet nicht vorausgesetzt, daß unsere damaligen Untersuchungen auf Robon richtig waren - wenn er Materie im größeren Ausmaß be- fördern soll. « »Sie sprechen immer von >befördernsenden
auf sie einstürmten, zu mächtig waren. Unbeweglich, für Ewigkeiten in Plastikglas versiegelt, schweb- ten Lebewesen in den Vitrinen. Intelligenzen? Atemlos starrten die Terraner die erste Gruppe an: Tintentische? Grün und rot gemustert, mit drei Köpfen, die auf langen Stielen aus dem fast formlosen Rumpf ragten. Sieben Gliedmaßen, die unten vom Rumpf abgingen, endeten eindeutig in dreifingrigen Händen. Diese konservierten Lebewesen waren rund drei Meter groß, bei einem Durchmesser von achlzig Zentimetern. Besonders stark entwickelt waren die sieben Arme. Warum hatte man diese Lebewesen konserviert? Riker und Dro Cimc gingen noch näher an die Vitrine heran, um wie angewurzelt stehenzubleiben, denn im gleichen Moment klang eine sonore Stimme in unbekannter Sprache auf. Ruckartig bewegte Ren Dhark den Kopf. Er verstand, was gesagt wurde. Der unsichtbare Kommentator beschrieb in diesem Augenblick in der Sprache der Mysterious eine intelligente Rasse, die in den Ozeanen ihrer Well lebte, die ein einziges unterseeisches Paradies sein sollte. Lasoge war der Name dieser Intelligenzen. Aber Dhark hatte von diesen Wesen noch nie gehört. Er übersetzte, was der Kommentator ihnen vermittelt hatte, und sah über das Erstaunen der anderen hinweg. »Wir müssen es schon glauben...« Riker fiel ihm ins Wort: »Demnach haben dann die Mysterious diesen Goldenen Menschen und alle anderen Plastiken geschaffen? Dann ist diese mythische Gestalt doch ihr Erzeugnis?« Wie erregt er war, hörte man an seiner Stimme. Shanton orgelte mit seinem Baß: »Kommt doch mal her!« Sie eilten beinahe achtlos an den anderen konservierten Gruppen vorbei, denn aufgeregt winkte ihnen der dicke Diplomingenieur. Die bizarren, meist grauenhaften Wesen im Plastikglas konnten weniger abgebrühten Männern Entsetzen einjagen. »Seht euch die an!« forderte Shanton sie auf und deutete auf eine Sechsergruppe. Auch Ren Dhark traute seinen Augen nicht mehr! Hatten sie Neandertaler- oder Peking-Menschen vor sich, oder jene Urmenschen, die vor Jahrhundertlausenden am Tanganjikasee gewohnt hatten?
»Näher herangehen, damit der Kommentator ausgelöst wird.« Ren war es, der selbst dicht an die Vitrine herantrat und dann die Stimme des Erklärers vernahm. Nein, diese Wesen, halb Affe, halb Humanoide mit der zusam mengedrückten, fliehenden Stirn, deren Arme bis unter die Knie reichten, waren nicht die Urahnen der menschlichen Rasse. ».... wenige Jahre nach der Entdeckung durch uns wurde ihre Welt von einem Lichtausbruch ihrer Sonne vernichtet.« »Gott sei Dank«, sagte Chris Shanton, den sonst so schnell nichts aufregen konnte, »daß die da nicht meine Urgroßeltern sind.« Sie gingen langsam an den Vitrinen entlang, sahen Riesenspin- nen mit grauenhaften Gesichtern und Krallen, Dornen und Zangen. Da waren fremde Geschöpfe, denen das Raubtierhat'te auf der Stirn stand, und doch war das alles kein Museum, in dem die Fauna fremder Planeten konserviert worden war, sondern eine Ausstellung der intelligenten Rassen, die die Mysterious auf ihren Flügen durch die Milchstraße entdeckt hatten. Aber intelligente Wesen zu konservieren und sie wie Ausstel lungsstücke zu behandeln, deutete das nicht auf einen grausamen Zug der Geheimnisvollen hin? Die Männer suchten immer intensiver den Homo sapiens, aber sie bekamen ihn nicht zu Gesicht. »Der Homo sapiens ist ihnen also entgangen...« »Und wir ihnen auch!« schloß sich der Tel an, der bisher ver geblich Exemplare seiner Rasse gesucht hatte. Aber die Rateken waren den Mysterious nicht fremd gewesen, und die Utaren auch nicht, diese kleinen, sympathischen Huma- noiden mit den Knopfaugen. Und hatten nicht gerade die Ularen von den Grakos gesprochen, der Geißel der Galaxis? Die Gruppe blieb stehen, als sie in die nächste Vitrinenstraße einbog. »Die Nogk!« stieß Riker aus. »Wenn Huxley das sähe!« Dann zweifelten die Männer wieder an ihrem Verstand. Nur mittels zigfacher Vergrößerung waren die konservierten Intelligenzen zu erkennen. Termiten? Maden? Winzige graue Kugeln, die ein halbes Hun- dert Fühler besaßen! Und dann Libellen und Wesen, die Ähnlich- keit mit terranischen Fliegen hatten, und Wasserwesen mit Kie- men, abermals mit Fühlern, aber alle ohne Ausnahme mit Glie- dern, die in Greifhänden endeten!
Wie groß in natura? Der Kommentator verriet es ihnen. Umgerechnet auf das terranische Standardmaß war das größte Wesen drei Millimeter lang! »Und wir haben bisher kaum Intelligenzen im Weltall angetrof- fen, und zum Teil jene nie mehr gefunden, die uns damals begeg- neten, als wir mit 50.000 Kolonisten auf Hope saßen«, gab Ren
Dhark zu bedenken. »Die Amphis scheinen den Mysterious auch unbekannt gewesen zu sein.« Keine Minute später sahen sie konservierte Amphis, und am Ende dieser Vilrinenstraße die menschenfreundlichen Wiesel aus dem ColSystem. Auch sie waren untergegangen, als die Strah-lungswerle des elektromagnetischen Feldes der Galaxis plötzlich hochgeschnellt waren. Und das alles im Sockel, auf dem die Plastik des drehbaren Gol- denen Menschen stand. Ren Dhark warf einen Blick auf sein Chrono. Über drei Stunden hielten sie sich schon in dem Museum auf, das wahrscheinlich einmalig in der Milchstraße war; aber ihr Ziel war eigentlich die unvorstellbar leistungsstarke Hyperfunkstation, die sich ebenfalls hier irgendwo befinden mußte. Dhark machte seine Begleiter darauf aufmerksam, doch Dan Ri-ker widersprach. »Erst einmal möchte ich wissen, wie wir hier wieder heraus- kommen, und erst dann nach dem Sender suchen!« »Einverstanden!« erklärte sich der Commander bereit. »Allzu schwierig dürfte es nicht sein, wenn wir verlangen, daß ein Peil- strahl vom Portal gesendet wird. Doorn!« Der nahm das tragbare Ortungsgerät schon hoch und nickte nur. An ihm sollte es nicht liegen, und Ren Dhark forderte über sein Spezialvipho den Peilstrahl an. In der FO VII hatte sich auch der letzte Mann von der Kontroll- strapaze erholt, und der Dienst im Forschungsraumer verlief wie-der wie üblich. Alle wissenschaftlichen Abteilungen arbeiteten mit vollem Programm. Bei den Astrophysikern herrschte Nervosität. Und Mißstimmung!
Die elfköpfige Gruppe war in zwei Parteien autgeteilt worden, und eine bekämpfte die andere. Jede behauptete, die richtige Theorie aufgestellt zu haben; jede führte ihre Argumente ins Feld, aber leider reichten die nicht aus, um einen hundertprozentigen Beweis zu erbringen. »Es ist Unsinn, von einem Strahlungsstrom des galaktischen Magnetfeldes zu sprechen. Seine Durchbrüche durch den Hyper-space widersprechen geradezu dieser Hypothese!« Und die andere Partei entgegnete: »Es ist Nonsens, zu behaupten, die starken Schwankungen in- nerhalb des Magnetfeldes seien der >Pulsschlag< unserer Milch- straße. Wenn man sich überlegt, wie viele raumfahrende Rassen vor diesen steigenden Werten geflohen sind, dann müßte man ja annehmen, die Galaxis stünde dicht vor einem Herzinfarkt!« Die beiden Gruppen fanden nicht zueinander, und gerade die wissenschaftlichen Feindseligkeiten trieben beide Parteien zu noch höheren Leistungen an. Noch nie waren terranische Schiffe in diesem Bereich der Milchstraße gewesen. Noch nie hatten sich Terra-Raumer der an-deren Seite der Galaxis so sehr genähert, obwohl der andere Rand des Halos immer noch viele tausend Lichtjahre entfernt war. Die Astrophysiker in der FO VII waren aufeinander angewiesen, und wenn sie zehn Parteien gebildet hätten. In vielen Bereichen arbeiteten diese elf Experten Hand in Hand, und sie waren nicht so töricht, sich gegenseitig die Resultate ihrer Arbeit vorzuenthalten. Nur hinsichtlich der Auslegung gab es dann jedesmal heiße Streit- gespräche. Larrons, ein stiller Mann, der privat sehr zurückgezogen lebte, mühte sich mit der Erstellung eines Diagramms ab. Sein mathe- matisch geschulter Verstand hatte ihm schon zum dritten Mal ge- sagt, daß in einem der siebzehn Resultate ein hanebüchener Fehler stecken müsse. Aber er, der es gewohnt war, Berechnungen durch den Suprasensor durchführen zu lassen, hatte noch nie erlebt, daß ein Suprasensor auch falsche Resultate liefern konnte. Also quälte er sich mit der Erstellung des Diagramms weiter herum, bis er auf einmal Folien, Stifte und Hilfsmittel nahm, hoch- riß, schauerlich fluchte und alles auf seinen Schreibtisch knallte. Die Folien flogen zu Boden, und der Rest rutschte seinem Kol- legen auf den Schreibtisch. »Aber Kollege Larrons...« Auch auf Forschungsraumern liebte man es,
Etikette zu bewahren. Ein Wissenschaftler sprach jeden Mann der Besatzung mit seinem Dienstgrad an, und die Experten wurden mit Doc oder Professor angeredet. Untereinander benutz- ten die Experten den Ausdruck Kollege, und wenn es ganz dick kam mein lieber Kollege. Kollege Larrons gab um die leichte Rüge nichts. Er aktivierte die Internverständigung und rief in Richtung der Sprechrillen: »Wer hat die Berechnung über den Salon-Effekt durchgeführt? Die ist falsch! Die muß falsch sein! Die haut mir ja dauernd mein Diagramm in Scherben!« Eine gute Stunde benötigten elf Astrophysiker, um festzustellen, daß die Salon-Berechnung tatsächlich falsch war, aber wo der Fehler lag, war nicht herauszufinden. »Sollte das Ding...?« stellte ein Experte die Frage und warf dem Suprasensor einen mißtrauischen Blick zu. Auch ihm wollte es nicht recht in den Kopf, daß ein Suprasensor eine Berechnung feh-lerhaft durchführte. Larrons saß grübelnd an seinem Schreibtisch, während seine Kollegen ratlos nach der Fehlerquelle suchten. Der Verdacht ver- stärkte sich, daß der einzige Mann unter ihnen, der Mysterious-Mathemalik vollendet beherrschte, einen Kardinalfehler in die Be- rechnung hineingebaut hatte, die sogar dem Suprasensor nicht auf- gefallen war. Die letzte Möglichkeit war nicht von der Hand zu weisen, denn ihr Rechengehirn war vor dreizehn Monaten mit neuen Daten beschickt worden, und im vergangenen Jahr hatte die Mysterious-Mathematik durch zwei grundlegende Werke von Anja Riker Riesenfortschritte gemacht. Diese Gedanken gingen auch durch Larrons Kopf, der sich ruckartig aufrichtete und dann die Frage stellte: »Seil wann kennt man eigentlich den Salon-Effekt?« Staunen ringsum, dann erwiderte ein Experte zögernd: »Seit sie- ben Monaten. Aber warum diese Frage?« »Weil unser Suprasensor vor dreizehn Monaten zum letztenmal neu beschickt wurde. Darum! Essex, jetzt sind Sie dran als M-Ma-thematiker! « Der hob voller Entsetzen beide Hände. »Wie denken Sie sich das, Kollege Larrons? Wenn ich das im Kopf durchrechnen soll, benötige ich drei Monate zur Lösung die- ser Aufgabe. Drei Monate!« »Und wenn Sie den Suprasensor beschicken? Wie lange dauert das? Mit allen Formeln, Gleichungen und so weiter, die zur Be- rechnung des Salon-Effekts erforderlich sind?« »Wenn man mir hilft, vier Stunden, vielleicht fünf. Mehr aber nicht. «
»Dann tun Sie es doch!« Es klang wie ein Befehl, obwohl Lar-rons seinem Kollegen nichts befehlen konnte. Erbaut war Essex von dieser Arbeit nicht, denn er als einziger wußte um die Schwierigkeiten und Fehlerquellen, die in diesem Beschickungsproblem lagen. Aber als er die Blicke der anderen auf sich ruhen fühlte, ließ es sein Stolz, perfekter M-Mathematiker zu sein, nicht zu, den Auftrag abzulehnen. »Okay, ich mach's«, sagte er. »Danke«, erwiderte Larrons knapp und wandle sich einer ande- ren Arbeit zu. Der angeforderte Peilstrahl war wohl durchgekommen, dennoch fanden sie das Portal nicht, denn eine energetische Sichtsperre, die Einwegcharakter hatte, ließ es sie nicht finden, während sie von den Männern, die draußen standen, gesehen wurden. Versuche, diese Sperre zu durchbrechen, scheiterten, und nach einigen miß- lungenen Experimenten gab man auf. Als letzte Möglichkeit konnten immer noch die Flash mit ihrem Intervall eingesetzt wer- den, doch Ren Dhark wollte zu diesem Zeitpunkt eine Beschädi-gung des Goldenen Menschen durch den Brennkreis des Sie ver-hindern. Und es war fraglich, oh ein Flash das besondere Material der Hülle antriebslos durchdringen konnte oder einfach darin stek- kenblieh. Niemand hatte Lust, das riesige Museum noch länger zu besich- tigen. Es zeigte einfach zuviel Unvorstellbares, und auch Dhark konnte sich bei manchen der konservierten Intelligenzen nicht vorstellen, daß sie einmal einen Planeten beherrscht hatten oder noch darauf lebten und ihr Leben nach ihren Gesetzen in bestimmte Bahnen gelenkt hatten. Mit der tragbaren Ortung kam der Sibirier keinen Schritt weiter.
Der staubfreie Metallboden bildete gleichzeitig eine absolute Ab-
schirmung, bis sie am linken Ende der Vitrinenstraßen abermals
einer Plastik des Goldenen Menschen begegneten, und der steckte
konserviert in der Vitrine!
Kein Wesen aus goldschimmerndem Metall, sondern ein Wesen aus Fleisch und Blut — und wiederum hatte dieses Wesen kein Ge- sicht! Es war einwandfrei entfernt worden! Die Mysterious hatten sich nicht einmal die Arbeit gemacht, die Spuren dieses gräßlichen Eingriffes zu beseitigen!
Ein Mensch, dessen Haut im Goldton schimmerte!
Ein Mensch, knapp zwei Meter groß!
Die Blicke von Dhark und Cimc kreuzten sich.
Zwei Menschen hatten sich angesehen, der eine weißhäulig, der
andere schwarzhäutig, und in der Vitrine befand sich der dritte Mann — dieser dort goldhäutig, doch den hatte man verstümmelt! »Ein Grako?« fragte Dan Riker. »Daran muß ich die ganze Zeit denken«, sagte Dhark leise, dem es nicht leicht fiel, diese Worte über die Lippen zu bringen, denn unter einem Grako hatte er sich ein superintelligentes Ungeheuer vorgestellt, aber kein Wesen, das der Rasse der Tel ebenso wie den Terranem glich. Dhark trat nah an die Vitrine heran, und zugleich wurde der un- sichtbare Kommentator wieder aktiv. Ein Nicht» im Nichts und ins Nichts vertrieben! Das hörte er in der Sprache der Mysterious!
Ein Nichts im Nichts!
Und ins Nichts vertrieben!
Kein weiterer Kommentar!
Keine einzige Andeutung!
Der Goldene Mensch, der Feind der Mysterious?
Ihr Todfeind, der vor rund tausend Jahren dann doch aus dem
Nichts wieder zurückgekommen war, um seine Vertreibung ins Nichts an den Mysterious so zu rächen, daß es sie seit diesem Zeitabschnitt nicht mehr gab? Ren Dhark hatte die Auskunft des Kommentators übersetzt und damit allen Spekulationen Tür und Tor geöffnet! Waren die Goldenen Menschen die Erbauer der unsichtbaren Stationen, die so unbarmherzig und sinnlos zuschlugen und nur das eine Ziel zu kennen schienen, alles Leben zu vernichten? Die Grakos, wie die Utaren sie genannt hatten? Da stand der Sibirier neben Ren Dhark, und der Commander war über die Störung froh. Die Gedanken, die ihn bewegten, waren nicht gut gewesen, weil es ihm so schwerfiel, im Goldenen Men- schen die Geißel der Milchstraße zu sehen. »Schauen Sie mal her, Dhark!« Und er deutete auf sein tragbares Ortungsgerät. Distanz-, Energie- und Materieortung sprachen an.
»Geben Sie her!« Dhark nahm ihm das kleine Gerät ab, stellte alles auf Null und schaltete es dann durch. »Hmm! Dann müßte der Eingang nach unten ja in der Vitrine liegen?« Diese Vitrine war gegenüber den anderen relativ klein, keine drei Meter hoch, vier Meter lang und einen guten Meter breit; ein einziges Stück Plastikglas, in dem der Goldene Mensch steckte. Langsam umschritt Ren Dhark das Behältnis. Überall blieben die Werte unverändert, wenn er sich nicht weiter als zwei Schritt davon entfernte. Warum war gerade an dieser Stelle die absolut wirkende Ab- schirmung des Bodens unterbrochen? Er forderte die anderen auf, sich den Kopf darüber zu zerbre-chen, und zu den anderen gehörte auch Jimmy, aber auf den ach-tete nicht einmal Chris Shanton. Jimmys Ortungen liefen ebenfalls. Sie arbeiteten nach dem glei- chen Prinzip, nach dem das tragbare Gerät seine Resultate er- stellte, aber dennoch auf einer leicht veränderten Basis. »Ja, zum...« Chris Shanton brüllte seinen Scotchterrier an, der vom Abstrahl- pol seiner Zunge einen Strahl gegen den Goldenen Menschen in der Vitrine schoß! Der Vitrine tat er damit nichts an. Aber der Goldene Mensch verschwand, als ob er sich nie darin aufgehalten hätte! Alles war im Bruchteil einer Sekunde geschehen. Jimmy schoß nicht mehr. Der Goldene Mensch war verschwunden! Und nun verschwand langsam auch die Vitrine! In den Boden! Ihre Sinkgeschwindigkeit wurde immer größer, und dann war sie nicht mehr zu sehen. An ihrer Stelle entstand eine rechteckige Öffnung, und aus der rechteckigen Öffnung tauchte eine Plattform mit zehn Sitzen auf. »Eine unmißverständliche Einladung«, sagte Dro Cimc. Ren Dhark zögerte noch. »Einer muß zurückbleiben. Für den Fall, daß wir Schwierigkeiten bekommen sollten.« »Jimmy!« warf Chris Shanton ein, der damit der Möglichkeit aus dem Weg gehen wollte, derjenige zu sein, der den Ausflug in die Tiefe nicht mitmachen durfte. »Jimmy könnten wir benötigen. Er war es ja auch, der uns diesen Weg erst gezeigt hat, aber Sie sind der beste Mann, Shanton, um Verbindung
nach beiden Seiten zu halten.«
Der Dicke warf dem Commander einen Blick zu, der keineswegs
freundlich war, aber er machte keinen Versuch, Dharks Entschei-dung
abzuändern.
Die kleine Gruppe betrat die Plattform ohne den Diplomingeni- eur und
nahm Platz. Jimmy hockte neben Ren Dhark und ließ sich kraulen. Er gab
das Knurren eines Hundes, dem es gutgeht, von sich.
Kaum saß der letzte Mann, als sich die bestuhlte Plattform ab- wärts
bewegte. Der Schacht war dunkel, und Arc Doorn schaltete seinen
tragbaren Scheinwerfer an. Über ihnen wurde das Blaulicht zusehends
schwächer, und plötzlich war es total verschwunden. Doorns Lichtfinger
schoß in die Höhe. Er und die anderen sahen den Abschluß eines
Vorganges.
Die Vitrine hatte sich wieder in die rechteckige Öffnung ge-
schoben und den Schacht verschlossen.
»Shanton, hören Sie uns?« fragte Dhark zur Kontrolle über sein Vipho.
»Ich höre und sehe Sie. Aber die Vitrine ist wieder da, und in ihr der
Goldene Mensch.«
»Danke. Ende.«
Die Fahrt nach unten wurde immer schneller. Doorns tragbares
Ortungsgerät zeigte über den Distanztaster die Tiefe an, in der sie sich
inzwischen befanden.
»Hübsche Anlage, die noch tiefer als 2.000 Meter liegt«, sagte er in
seiner wortkargen Art.
Da wurden alle in ihren Sesseln nach rechts gedrückt. Der Schacht
verlief nicht mehr senkrecht nach unten. Er machte einen Knick.
»Tiefe bei 2.647 Metern unverändert, aber wir sind jetzt schon über drei
Kilometer vom senkrechten Teil des Schachtes entfernt«, meldete der
Sibirier unaufgefordert, dessen Scheinwerferstrahl sich nicht mehr
bewegte, weil es außer der glatten Wandung nichts mehr zu sehen gab.
Angespannt saßen die Männer in den Sitzen, und jeder hielt sei
nen schweren Blaster schußbereit in der Hand. Jimmy hatte sich auf
allen Vieren niedergelassen und glich einem Hund, der vor sich hindöst.
In Wirklichkeit hatten ihn seine mit maximaler Lei- stung arbeitenden
Ortungen, die nichts Beunruhigendes angaben, zu dieser gemütlichen
Pose verführt.
Shanton meldete sich kurz. Der Kontakt war und blich gut.
Da stoppte die Plattform ab, und dicht hinter ihr stand plötzlich eine energetische Sperre, die schwach leuchtete. Vor ihnen riß die Dunkelheit auf, und ein riesiger Saal, dessen Decke Kuppelform hatte, lag vor ihnen. Sie waren angekommen. Nacheinander erhoben sich die Männer, während Jimmy die Plattform schon verlassen hatte und in den Saal gestürmt war. Er gab das Zeichen, ihm zu folgen, und selbst der Tel, der die Robot- konstruktion doch erst kurze Zeit kannte, vertraute ihr. Der Boden war mit braunem, flauschigem Belag bedeckt. Die Wände schimmerten im Blaulicht etwas grünlich. Mitten im Saal stand eine Halbkugel, die rund zehn Meter Durchmesser hatte und leicht pulsierte. Es hatte keinen Sinn, Spekulationen anzustellen, welchem Zweck diese Anlage dienen sollte. Gespannt näherten sich die Männer dem einzigen markanten Platz. Geräusche waren nicht zu hören, bis auf die, die sie selbst hervorriefen. Shanton meldete sich. Auf dem kleinen Bildschirm seines Vi-phos konnte er den Kuppelsaal sehen und wollte wissen, was er zu bedeuten hatte. Dhark gab ihm negativen Bescheid. Dan Riker erreichte die Halbkugel als erster und entdeckte, daß die Oberfläche nicht glatt, sondern mit kleinen Steuerschaltern übersät war - Steuerschalter, die an die des Instrumentenpultes in der POINT OF
erinnerten.
Er sah sie überall, auch oben an der Rundung der Halbkugel; aber
wie kam man in diese Höhe?
Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als er über- rascht wurde. Er hob vom Boden ab und schwebte zur Kuppclrundung hinauf. Erstaunt sahen ihm die anderen nach. »Dan, was machst du denn da oben?« rief Dhark ihm zu. »Gedankenstcucrung, Ren!« »Dann laß dich von ihr auch wieder herunterbringen. Betätige aber keinen einzigen Schaller!« Diese Warnung war nicht nötig. Riker kam ebenso schnell wie- der herunter, wie ihn der Druckstrahl nach oben getragen hatte. Da stolperte der Tel über Jimmy, und der Schwarze Weiße fiel mit der linken Körperseite gegen die Halbkugel. Schlagartig verschwand das Blaulicht. Für einen Augenblick war die Dunkelheit absolut, aber kaum hatten die Augen sich an diesen Wechsel gewöhnt, als sie erkannten, daß sich über ihnen eine riesige Stemenkarte befand. War sie durch Cimcs Stolpern und die ungewollte Betätigung der Steuerschalter hervorgerufen worden?
Ren Dhark machte die Probe, schaltete seinen Scheinwerfer ein und brachte alle Schalter in Nullstellung. Das Blaulicht kam zurück, und die Sternenkarte verschwand! Jetzt möchte ich gerne einmal sehen, wie das Sternbild des Orion von Babylon aus ausschaut, dachte Ren Dhark, und ihm erging es kaum anders als seinem Freund Dan. Alle sahen das Sternbild, und wiederum war es im Kuppelraum dunkel. »Aber du hast doch gar nicht geschaltet?« sagte Riker, der die- sen Wechsel nicht begriff, halb fragend. »Gedankensteuerung, Dan. Ich habe mir gewünscht, das OrionSternbild zu sehen. Bitte, da hast du es. Nur sieht's von hier etwas anders aus als wir es von Terra her kennen.« »Eine vollständige Sternenkarte der Galaxis?« Zweifel schwang in der Stimme des Tel mit, aber auch die Ahnung, daß er von der Wahrheit nicht weit entfernt war. Eigenartigerweise hatte der Sibirier nur Interesse für sein Ortungsgerät. 218 »Dhark, hinter diesem Kuppelsaal müssen noch weitere große Räume liegen, oder meine Materie- und Energieortung stimmt nicht mehr. Fünf habe ich bis jetzt anmessen können, und alle lie gen um diesen Bau herum. Aber wo sind die Türen zu diesen Räumen'?« Der Commandcr schien die Bemerkung des Sibiriers überhört zu haben, denn er ging darauf nicht ein, sondern sprach weiter mit Dro Cimc. »Wir können einen Versuch machen!« Er konzentrierte seine Gedanken auf eine bestimmte Frage, und blitzartig wechselte das Sternbild unter der Kuppel. Die Milchstraße war zu sehen, und zum ersten Mal sahen Men- schen und ein Tel ihr wirkliches Bild. Spiralarm I/a und II/a! Daran orientierten sie sich, und im Ge- wimmel der Sternpunkte fanden sie auch das Sol-System, eine lä-cherliche Winzigkeit in diesem Sonnenmeer. Auch Ren Dhark hatte seinen Blick auf die andere Seite der Milchstraße gelenkt, und was terranische Astronomen vermutet hatten, zeigte diese phantastische Karte. Die andere Hälfte der Galaxis war in ihrer Ausdehnung viel brei- ter und besaß auch mehr Arme, die um viele tausend Lichtjahre tiefer in den Leerraum vorstießen. Ein Wunder war allein diese Projektion unter der Kuppel, und ein einziger starker Gedankenimpuls hatte genügt, sie dort er-scheinen zu lassen.
Wo ist die Welt der Wesen, die diese Anlage gebaut haben? Ich möchte mm eine Karle sehen, aus der ich erkennen kann, wo die- ser Planet liegt! Das waren die neuen Gedanken Ren Dharks, und die Impulse, die seine Alpha-Rhythmus-Frequenz abstrahlte, kamen an. Die Galaxiskarte verschwand. Im Kuppelsaal blieb es dunkel, doch unter der Kuppel war nichts mehr zu sehen. »Was ist denn jetzt?« fragte Dan Riker erstaunt, nachdem es wieder hell geworden war. Der Commander informierte ihn und die anderen. »Also darauf gibt's keine Antwort?! Typisch!« sagte Arc Doorn, der aus seiner Abneigung gegen die Mysterious keinen Hehl machte. Dhark blickte ihn nachdenklich an, und im stillen gab er dem Sibirier recht, denn die Mysterious waren Genies in bezug auf die Verschleierung ihres Aussehens. Sie hatten nun unter Beweis ge-stellt, daß sie es auch verstanden, ihre Heimatwelt absolut abzu- schirmen. »Doorn, Sie haben von anderen Räumen gesprochen und...« Er drehte den Kopf und sah dem Scotchterrier nach, der durch den Raum strolchte. »Jimmy!« Aber der liebe Jimmy hatte seine Ohren verstopft oder das Relais für akustische Wahrnehmung abgeschal- tet. Er wedelte nicht einmal mit dem Schwanz, sondern lief lang- sam auf die Wand zu. » Jimmy, komm zurück!« Dharks Stimme war laut geworden, aber auch das hatte keinen Erfolg. Der Tel lachte, denn ihm waren Robotkonstruktionen, die nicht absolut gehorchten, unbekannt. Der Commander bewertete Jimmys Verhalten anders. »Mal sehen, was er macht.« Sie hatten nicht lange zu warten. Jimmy war ein paar Meter vor der leeren Wand stehengeblieben, hatte den Kopf zur Seite geneigt und die Ohren gespitzt. Auf einmal veränderte sich das Aussehen der Wand. Eine halbkreisförmige Fläche leuchtete in schmutzigem Grau auf, ver- schwand, und ein geöffneter Durchlaß war zu sehen. »Das habe ich mir gedacht«, murmelte Ren Dhark und ging auf die Öffnung zu. Dieser Kuppelraum mit seinen projizierten Ster-nenkarten würde schon bald zum Arbeitsfeld für die Astronomen der FO VII. Und sollte sich herausstellen, daß alle Karten rund tausend Jahre alt waren, so spielte das trotz der Positionsverschie- bung der Sonnen kaum eine Rolle, da es mit Hilfe von Suprasen- soren leicht war, die Standortveränderungen auf die Jetztzeit zu berichtigen.
Jimmy hatte seinen Wert einmal mehr bewiesen.
Vor ihnen lag ein Raum, vier- oder fünfmal größer als der Kup- pelsaal, dessen Bedeutung jeder auf den ersten Blick erkannte: die Funkzentrale. Und daß sie die Steueranlage für den Mammut-Sen- der war, bewies allein schon ihre Größe. Selbst auf Planet l im Zwitt-System gab es keine Zentrale von diesen Ausmaßen. Astrophysiker Essex in der FO VII hatte seine Aufgabe hervor-ragend gelöst und sein Können als M-Mathematiker bewiesen. Er strahlte, als Larrons ihm zurief: »Jetzt stimmt mein Diagramm, aber wenn Sie mir noch zehnmal erklären, was ein thradytischer Sprung ist, dann habe ich es auch nach der zehnten Erklärung nicht verstanden. Mysterious-Mathe-matik ist mir unheimlich, doch schauen Sie sich mal sehr genau dieses Diagramm an. Ich wüßte nicht, daß man jemals diesen Weg beschritten hat. Nun?« Aber Essex studierte noch die zeichnerische Darstellung eines Koordinatensystems. »Das Diagramm, mein lieber Kollege Larrons, ist in dieser Art der Darstellung ungewöhnlich...« »Aber ich bin damit zu verblüffenden Resultaten gekommen. Hier wird ein Weg aufgezeichnet, der uns, wenn wir ihn weiter be- schreiten, eine Antwort geben könnte, wie diese starken Schwan-kungen im galaktischen Magnetfeld entstehen. Damit wären wir dann endlich aus der grauen Theorie heraus.« Die übrigen Wissenschaftler hatten sich um die beiden Kollegen geschart, und das Diagramm, das in der astrophysikalischen Abtei-lung der FO VII so großes Aufsehen ausgelöst hatte, wanderte von Hand zu Hand. Reader, schon weit über die sechzig, aber ein sehr vitaler Mann, schüttelte den Kopf, als er die hohen Werte las, auf die Larrons gekommen war. »Kollege, wenn die nur annähernd richtig sind, dann besteht die Gefahr, daß die gesamte Galaxis irgendwann einmal ein einziges strahlenverseuchtes Feld ist, in dem es kein Leben irgendwelcher Art mehr geben wird. Waren Sie sich klar darüber, als Sie unsere Resultate in dieser eigenartigen Anordnung zu Ihrem Diagramm
zusammenfaßten?« »Haben uns die quer durch den Raum flüchtenden Intelligenzen nicht schon längst bewiesen, daß die Magnetorkane hinter dem Zentrum der Milchstraße viel stärker spürbar wurden und tödlich waren? Sonst wäre dieser Exodus doch sinnlos gewesen.« Reader hielt die Folie immer noch in der Hand. »Ich habe mit zwei Kollegen versucht, die Stromrichtung der Störungen zu fixie-ren. Natürlich gibt es dabei noch eine Reihe Fragezeichen, doch diese unbeachtet gelassen, zeigt sich, daß die Störungsquelle etwa 70.000 bis 110.000 Lichtjahre in Richtung Rot 56:00,00 liegt. Wenn unser Kommandant von Ren Dhark die Genehmigung ein- holen könnte, dieses Gebiet anzufliegen, wären wir endlich in der Lage, die Ursache dieses auf die Dauer unerträglichen Zustandes zu entdecken.« »Warum suchen wir den Kommandanten nicht auf, Kollege? Mit unseren Unterlagen? Auch wenn er davon nichts versteht. Unterla- gen vorzuweisen ist immer gut. Sie machen Eindruck. Kommen Sie mit?« Reader zögerte keinen Augenblick. Sie packten ihre Unterlagen und verließen ihre Abteilung. Der Major bemerkte die beiden Astrophysiker nicht sofort. Doch seine Augen wurden immer größer, je länger Reader sprach, und dann, als er hörte, in welcher Entfernung die Störungsquelle liegen sollte, winkte er ab. »Meine Herren, wie denken Sie sich das? Der Commander wird nein sagen. Sie wissen doch, daß er diese irrsinnig weiten Vor- stöße in die Galaxis hinein untersagt hat, und wenn man sich erin- nert, was er erleben mußte, als er einmal tief zwischen den Sternen steckte, dann kann ich ihn gut verstehen. Das schrittweise Vorta- sten halte ich für die bessere Lösung.« Reader wollte sich damit nicht zufriedengeben. »Major, Sie könnten doch wenigstens einen Vorstoß bei dem Commander machen. Wie wichtig es ist, die Ursachen der Störungen endlich zu erfahren, weiß er selbst.« »Okay, meine Herren. Sobald der Commander wieder zu spre- chen ist, werde ich ihm Ihren Wunsch vortragen, mit meiner Un-terstützung, denn ich möchte so langsam auch endlich wissen, ob wir alle in ein paar Jahren unter dem Prallfeld um Terra nicht mehr herausfliegen dürfen, oder ob man darauf hoffen kann, daß dieser Teufelsspuk noch zu unseren Lebzeiten zu Ende geht. Ich infor- miere Sie sofort, wenn ich mit ihm gesprochen habe.« Draußen auf dem Hauptdeck fragte Larrons zweifelnd seinen äl- teren
Kollegen: »Glauben oder hoffen Sie, daß der Commander uns die Flugge nehmigung erteilt?« »Schwer zu sagen. Hoffen tue ich schon, mehr aber auch nicht.« Sie ahnten nicht, wie lange die FO VII noch auf dem Planeten Babylon bleiben würde, und sie konnten sich auch nicht vorstellen, was der Commander der Planeten unter dem Goldenen Menschen entdeckt hatte, Der Commander fuhr mit seinem Sessel am Schallpult entlang und kontrollierte die vielen Instrumente, die ihm entweder aus der P01NT OF oder von Planet l her bekannt waren. Daß er während seines Aufenthaltes in der Zentrale auf Zwitt viel gelernt halle, bewies sich hier. Er bereitete den Komprispruch nach Erron-1 vor, und die Station hatte dann unter allen Umständen Verbindung mit Terra aufzu- nehmen. Babylon mußte besetzt und durchforscht werden. Mit den Wissenschaftlern an Bord der FO VII hätte es Jahrzehnte gedauert, bis dieser Planet seine letzten Geheimnisse preisgegeben hätte. Aber wo steckte denn der Scotchterrier? Jimmy war nirgendwo zu sehen. Dhark blickte nach allen Seiten, und dann rief er nach der ulki- gen Robotkonstruktion, doch der Hund tauchte nicht auf. Über sein Vipho setzte er sich mit Shanton im Vitrinensaal in Verbindung. Er bekam einige Neuigkeiten zu hören, aber am mei- sten interessierte ihn die Meldung, daß der Goldene Mensch seine Arme und Hände bewegt hatte. Der Zeitvergleich bestätigte Dharks Verdacht, im Goldenen Menschen die Antenne zu diesem Riesensender zu sehen, denn die Bewegungen waren mit Doorns Justierungsversuch synchron verlaufen. Er aktivierte den Sender. Die Frequenz für Erron-1 stand. Der Spruch war vorbereitet. Er enthielt genaue Anweisungen. Lief in- nerhalb der nächsten zehn Stunden über diesen Fall kein weiterer Spruch von Babylon ein, dann hatten auf Terra dreißig Ringrau-mer, bis zur Halskrause mit Menschen und Material beladen, den Auftrag, diesen Planeten mit seinem Goldenen Menschen so schnell wie möglich zu erreichen. Die Bestätigung von Erron-1 kam wegen der Störungen nur zum Teil durch, aber aus den Bruchstücken war zu entnehmen, daß man die Botschaft über den Riesensender einmalig gut empfangen hatte. Dharks Vipho meldete sich.
»Dhark, haben Sie Jimmy zu mir hochgeschickt?« fragte Chris Shanton mit tiefem Baß. »Jimmy ist bei Ihnen?« »Ja! Tauchte gerade auf, aber das elende Miststück schweigt und gibt keinen Ton von sich.« »Bei mir war er schwerhörig, aber wie kommt der Scotchterrier zu Ihnen? Wir sehen hier mal nach, auf welche Weise Ihr Liebling Sie erreicht hat.« »Netter Liebling, der sich weigert, auf Fragen zu antworten. Auseinandemehmen könnte ich das Biest.« Der Tel hatte mitgehört. »Ich sehe mich einmal um, denn es interessiert mich auch, auf welchem Weg der Hund zu Shanton gekommen ist.« Ren Dhark mußte sein Vipho abschalten. Der Empfänger brachte einen Spruch herein. In Symbolzeichen! Klar und deutlich war er, als oh es in der Galaxis keinen Magnetorkan gäbe. Das Rechengehirn mußte ihn entschlüsseln, und dann hatte der Commander den Text aus der Sprache der Mysterious zu überset-zen. Signalstern der Klasse T ruft Fände. Kommen! Der zweite Empfänger sprach an. Falluta war erregt, als er durchgab: »Dhark, Babylon liegt in einem Peilstrahl. Aber halten Sie sich fest! Dieser Strahl soll aus einer Tiefe von mehr als 99.000 Licht-jahren kommen, und er liegt auf der gleichen Richtung, aus der wir eben einen Punkspruch aufgenommen haben, den niemand entzif- fern kann.« »Falluta, der Spruch heißt: Signalstern der Klasse T ruft Fände. Kummen! Demnach scheint Fände derselbe Planet zu sein, den wir Babylon getauft haben. Lassen Sie durch die Spezialisten der FO VII Untersuchungen über den Peilstrahl anstellen. Ende.« Kurz darauf gab Dhark dem unbekannten Signalstern in Sym bolzeichen Antwort. Sekunden später ging es wieder los, wie vor kurzem auf Erron-1: Ron wedcia di terra! Sogar Doorn hatte seinen Platz verlassen und stand bei den bei-den anderen, die den Codeworten der Mysterious lauschten. Ron wedde di terra! Ein Signalstem brachte ihnen seinen Warnruf! Ihnen? Oder hatte er sie mit Mysterious verwechselt, weil sie über den Riesensender Symbole der Geheimnisvollen abgestrahlt hatten? Mißtrauisch warf Riker seinem Freund einen Blick zu. »Ren, ich weiß,
was du jetzt denkst. Ich weiß auch, was du vorhast, und dir macht es nun gar nichts aus, daß der Signalstern über 99.000 Lichtjahre entfernt ist. Du möchtest dorthin...« »Vorher in den Kartenraum, Dan. Ich stoße nicht tiefer in die Milchstraße vor, wenn ich nicht im Besitz einwandfreier Sternkar- ten bin, und wenn der Kartensaal sie nicht liefern kann, dann ist Babylon der am weitesten vorgeschobene Posten Terras.« »Ich befürchte nur, daß du die Karte bekommen wirst.« Seine Ahnungen erfüllten sich. Über die Gedankensteuerung erhielt der Commander ein Kartenwerk, das ihm in einmaliger Ge- nauigkeit den langen Weg zum Signalstem aufzeichnete. Monty Bell, der Leiter des Wissenschaftlichen Forschungsinsti- tuts unter Alamo Gordo blickte auf, als Marschall Bultons Gesicht auf seinem Viphoschinn erschien. »Hallo, Bell, Sie sind ja ein al- ter Freund des Commanders, aber haben Sie früher bei ihm schon einmal bemerkt, daß er kein Verhältnis zum Geld hat?« Monty Bell runzelte die Stirn, weil er den Marschall nicht ver-stand. Was wollte der Mann mit dieser Frage? »Wir haben vor drei Stunden vom Commander einen Funk- spruch bekommen, über Erron-1, ein paar weitere Planeten und einige Raumschiffe. Dhark hat dreißig Ringraumer angefordert, dreizehntausend Experten, die sich in der Mysterious-Technik auskennen, und dazu eine Geräteladung von nur neunzehn Millio-nen Tonnen. Aber wer diesen Spaß bezahlen soll, davon hat er in seinem Funkspruch kein Wort gesagt. Bell, eine Ladung von neunzehn Millionen Tonnen! Unser lieber Finanzminister trägt sich seit drei Stunden mit dem Gedanken, zu demissionieren, weil er keine Lust hat, den Bankrott der Weltwährung verkünden zu müssen. »Bulton, ich kenne Dhark nur als den Menschen, der weiß, wel- chen Wert Geld hat, und wenn er, wie in diesem Fall, etwas an-gefordert hat, dann wird sich der Einsatz der Menschen und der Mittel bestimmt lohnen. Wissen Sie, wofür er das alles benötigt?« »Nein. Das weiß niemand. Die dreißig Schiffe sollen in sieben 226 227 Stunden, wenn die Order nicht aufgehoben wird, so schnell wie möglich einen Planeten anfliegen, den Dhark Babylon getauft hat. Babylon wäre damit der am weitesten vorgeschobene Posten un- seres Interessenbereiches. Wenn wir die Grenzen ziehen würden, könnten wir darin das Telin-Imperium tausendmal unierbringen. Es ist unvorstellbar groß und völlig unübersichtlich. Wie wir das alles eines Tages unter Kontrolle halten wollen — ich spreche nun von der TF - ist auch dem
letzten Mann im Stab schleierhaft. Nur mit Robotschiffen wäre es vielleicht möglich. Aber die haben wir nur in ungenügender Anzahl.« Bell lächelte ironisch. »Daß aber auch die Unterhaltung von Robotschiffen Geld kostet, will wohl die TF nicht wissen, oder?« Er sah noch das verblüffte Gesicht des Marschalls und wunderte sich dann nicht, als dieser abrupt abschaltete. In der großen Zentrale des Riescnsenders stieß Dan Riker seinen Freund an und sagte kurz: »Schau mal, wer da kommt!« »Wie hat Shanton das denn geschafft?« fragte Dhark verdutzt und entdeckte dann zwischen dem Ingenieur und Dro Cimc den Robothund. Der Dicke grinste gemütlich, als er neben dem Commander ste henblieb und sich bückte, um Jimmy zu sireicheln. »Man sollte diesem Miststück einen Orden geben, denn er hat die Transmitterverbindung von hier zum Vitrinensaal und zur P01NT OF gefunden. Daß er dort war, hat mir Fallula eben über Vipho bestätigt. Und weil's diese Verbindung gibt, hin ich heruntergekommen. Was soll ich da oben im Museum?« Dhark, der genug erfahren hatte, winkte ab. Der Tel, der insgesamt noch elf weitere Säle aufgespürt und kurz besichtigt hatte, begriff, warum der junge Mann vor ihm Commander der Planeten geworden und zugleich die wichtigste Person war. Commander der Planeten! Zuerst hatte er heimlich über diesen Titel gelacht, aber dann genügten eine Reihe von Tagen, um ihn erkennen zu lassen, welch eine gewaltige Dynamik in Ren Dhark steckte, und wie gut er es verstand, Menschen zu neuen Zielen zu führen. Er würde auch den Signalstern in 99.000 Lichtjahren Entfer- nung, fast am Ende der anderen Seite der Galaxis, erreichen. Er würde alles erreichen, was ein Mensch nur erreichen konnte. Eine Stunde später gingen Dhark und seine Männer über Transmitter zurück auf die POINT OF. Dort liefen schon die Vor-bereitungen für den Flug, der seinen Ringraumer 99.000 Licht-jahre tief in den unbekannten Teil der Galaxis bringen sollte, der hinter dem Zentrum der Milchstraße lag. Die FO VII hatte den Auftrag, die dreißig S-Kreuzer, die sich im Anflug auf Babylon befinden mußten, einzuweisen und die wissenschaftlichen Gruppen einzusetzen. Noch einmal strahlten die Scheinwerfer der POINT OF die rie- sige
Plastik des Goldenen Menschen an, der seine Arme zum Himmel gereckt hielt, als wollte er die Sterne herunterholen. Der Goldene Mensch ohne Gesicht! Wann würden sie das Rätsel, das sich in ihm verbarg, lösen? Niemals? Und das Rätsel der Mysterious auch nie? Achtundzwanzig Stunden Normzeit war die POINT Op schon unterwegs, und sie hatte ihren zweiten Sprung hinter sich gebracht. Seit neun Stunden trieb das Flaggschiff der TF im freien Fall dahin. Der Grund war die Galaxis selbst. Die Durchschnittswerte der Sterndichte stimmten nicht mehr, denn in diesem Abschnitt standen die Sonnen viel dichter zusammen als man hatte erwarten können. Astronomen, Astrophysiker und Ren Dhark mit seinem Freund studierten wieder und wieder die Karten, die sie auf Babylon erhalten halten, und verglichen sie mit der Wirklichkeit. Sie waren auf tausend Jahre genau. Das störte nicht. Was aber störte, war erst nach der zweiten Transition festgestellt worden. Die Karten gaben die Milchstraße nur in einer Tiefe und Höhe von 1.740 Lichtjahren wieder. Was sich darüber und darunter befand, enthielten sie nicht. Niemand war das aufgefallen, als man sie studierte, weil selbst der mißtrauischste Astronom nicht damit ge- rechnet hatte, daß hier die Sonnen so dicht zusammenstehen könn- ten. »Umkehren?« fragte Ren Dhark seinen Freund. Überrascht blickte dieser auf. »Diese Frage habe ich von dir noch nie gehört. Welche Bedenken hast du? Daß wir in einer Sonne rematerialisieren könnten?« »Ja, das auch, oder zu nah an einen Schwerkraftgiganten heran kommen, der unsere Intervalle wie Eierschalen zerbricht. Ich habe kein gutes Gefühl, auch wenn man nichts darauf gehen soll. Ge-fühle...« Jens Lionel störte. »Wir haben die Karten auf Tagesstand gebracht und alle Stern positionen berichtigt. Hier, Dhark, haben wir eine sternenarme Region entdeckt, die auf zweiundzwanzig Lichtjahre im Umkreis keine Sonne enthält. Der beste Platz, um dort zu rematerialisie- ren.« »Entfernung?« »18.647 Lichtjahre. Dreimal überprüft.« »Danke. Komm, Dan!«
Sie verließen die astronomische Abteilung und kehrten zur Kommandozentrale zurück. Das Schott zur Funk-Z stand offen, und beide warfen zufällig einen Blick hinein. Brugg und Yogan saßen wie erstarrt hinter ihren Aggregaten. Glenn Morris war nicht zu sehen, aber sie hörten ihn. »Schon wieder hat uns dieser verdammte Peilstrahl erwischt! Wie schafft man es nur über den Hyperraum und diese Entfernung, zwischen Millionen Sonnen ein winziges Raumschiff zu erwi- schen?« Und Elis Yogan stöhnte: »Die haben einen Energieverbrauch...« Dhark und Riker gingen weiter. Jeder machte sich seine Gedan- ken über den Peilstrahl, der von dem Signalstem kam. Warum mochten die Mysterious diesem Planeten den eigenarti- gen Namen gegeben haben? Der Checkmaster erledigte die Navigationsaufgabe wie immer in kürzester Zeit und erstellte alle Daten für eine Transition über 18.647 Lichtjahre in Richtung Rot 56:00,00. Grün und Blau wur- den nicht verändert. Da kam X-Zeit, das undefinierbare Pfeifen im Schiff war wieder zu hören, die beiden Intervalle wurden abgeschaltet, und kurz vor dem Sprung verschwanden die Bildkugeln in der POINT OF. Blind und ohne Energiefeldschutz ging der Ringraumer in Transition, ra-ste in Nullzeit durch den Hyperspace und rematerialisierte wieder im normalen RaumZeit-Gefüge. »Intervalle stehen!« sagte Dan aus dem Ko-Sitz. »Alles klar« rief Grappa von den Ortungen her. Es knackte in der Bordverständigung, und mit verzweifelter Stimme meldete Glenn Morris: »Dhark, der verdammte Strahl hat uns doch schon wieder erfaßt und...« Jens Lionel, der beste Astronom, den es an Bord gab, mischte sich mit überschlagender Stimme ein. »Dhark, wir können den Signalstem sehen! Aber wir sehen ihn über einen Strahl, der aus dem Hyperspace kommt!« Der Commander lehnte sich erst einmal zurück und verarbeitete dabei die Meldung seines Astronomen. Ein Planet war über einen Strahl zu sehen, der aus dem Hy230 231 perraum kam? »Dhark, haben Sie mich nicht verstanden?« Lionel fieberte und barst fast vor Ungeduld. »Doch, aber darf ich auch ein bißchen Zeit haben, um zu überle- gen? « fragte der Commander in Richtung der Sprechrillen.
»Da giht's nichts zu überlegen, Dhark! Weil es zu nichts führt. Wie kann man begreifen, einen Planeten zu sehen, der noch 47.359 Lichtjahre entfernt ist? Einen Planeten unter neunen!« Dhark drehte sich nach Grappa um. »Liegt bei Ihnen etwas Besonderes vor?« Der nickte. »Wenn Lionel sich nicht gemeldet hätte, hätte ich es sagen müssen. Der Peilstrahl hat sich in seiner energetischen Struktur verändert. Bitte kommen Sie herüber und sehen sich das selbst an.« Es kam nicht oft vor, daß der Ortungsspezialist den Commander zu sich bat. Dhark hielt sich nicht lange an der Ortung auf, ihn trieb es zur astronomischen Abteilung, in der man den Signalstern sehen konnte. Dieses Phänomen wollte er sich nicht entgeheil lassen. Lionel experimentierte mit verschiedenen Gittern und Rastern und übersah dabei, daß Dhark neben ihm stand. »Der muß noch klarer kommen. Aber wie schaffe ich das? Zum Teufel mit diesem Gitter! Was, TT-z? Das hatte ich doch schon im Kasten. Trabor, geben Sie mehr Saft auf diesen Kasten und...« Da starrte er Dhark an. »Stehen Sie schon lange hier?« »Nicht lange genug, um Ihr komplettes Selbstgespräch mitzubekommen. Machen Sie das immer?« »Klar, dann geht mir die Arbeit besser von der Hand, und sie muß heute schnell getan sein, denn den Astros möchte ich ein Schnippchen...« Er arbeitete weiter und kontrollierte. »Da«, sagte er stolz und zeigte auf die klare, dunkle Scheibe, die einige Tau- send Sonnen als Lichtpunkte zeigte. »So ist der verteufelte Si- gnalstern gut zu sehen. Sehen Sie den Farbwechsel, Dhark? Blau - von vorn mit Blau. Wechselrhythmus 3,2 Sekunden...« Über die Verständigung fragten die Astrophysiker bei Lionel an. » Haben Sie ihn schon klar?« »Gestochen scharf. Der Farbwechsel ist hier erstklassig zu beobachten. Blau und rot. Nehmen Sie die Gitter F-66 und TT-d, und schalten Sie dabei auf 332,1 an der Rastereinstellung. Dann wird das Bild klar. Wie weit sind Sie denn mit Ihrer Spektralanalyse?« »Fertig. Der Strahl ist ein Kunstprodukt und benutzt den Peil- strahl als Träger. Ein interessanter Fall, daß ein Planet aus dieser Distanz zu sehen ist - wenigstens sein Leuchten. Was sagt denn der Commander? « »Steht neben mir und staunt wie ich. Sonst noch was?« »Nein, danke, wenn man einmal nicht von den elektromagneti- schen
Störungen in der Galaxis sprechen will. Denn die können einem langsam aber sicher das Grauen einflößen.« »Was ist denn los?« »Was los ist? Höchstwerte, wie sie noch nie angemessen wur- den, Hier 4,6 mal höher als beim stärksten Strahlorkan. Nach je- dem Sprung sind die Werte hinaufgegangen. Wir sind gespannt, wie hoch sie im Gebiet des Signalstems sind.« Dhark mischte sich ein. »Haben sie letale Stärke?« »Schon überschritten. Das heißt, wenn ein Mensch sich dieser Strahlenflut länger als sechs Stunden Normzeit ungeschützt aus-setzt.« »Danke!« Dhark wollte in der astronomischen Abteilung nicht länger stören, denn die Wissenschaftler hatten mit der Auswertung der Sternenkarten genug zu tun, und ihnen oblag die verantwor- tungsvolle Aufgabe, in diesem Sternenmeer einen Sektor zu fin- den, in dem die POINT OF nach der Transition rematerialisieren konnte. Jens Lionel hielt den Commander zurück. »Wir haben noch eine erstaunliche Beobachtung gemacht, und sie ist in den letzten Mi- nuten nach diesem Sprung bestätigt worden. Dhark, diese andere Hälfte der Milchstraße ist viel dicker als der Bereich, der vor dem Zentrum liegt!« »Hm, das hätte Huxley doch auch sehen müssen, als er zusammen mit den Nogk in den Leerraum vorstieß. Haben Sie daran ge- dacht?« Lionel nickte erregt. »Ja, und weil er es nicht gesehen hat und auch den Nogk nichts aufgefallen ist, liegt eine Erklärung dafür auf der Hand: Dunkelwolken, die die Mächtigkeit der Galaxis in diesem Bereich verdecken. Darin stimmen wir mit den Astrophy- sikern überein. Die vermuten, daß die obere und untere Seite die- ses Teils der Galaxis von Dunkelwolken zugedeckt ist. Leider las- sen die Strahlstörungen, die alle Werte verfälschen, nicht zu, un- sere Ortungen einzusetzen. Dann wüßten wir es schon.« »Lionel, sagen Sie mal, sind denn von hier aus die anderen Spiralnebel nicht mehr zu sehen?« »Nein! Kein einziger! Wir haben mit allen Mitteln versucht, sie zu finden.« Er zuckte mit den Schultern. »Nur die Radiostrahlung aus den Tiefen des Universums kommt auch hier an, jedoch stark abgeschwächt, und manche ist kaum noch zu erkennen. Ohne die Sternenkarten der Mysterious würde ich Ihnen den Rat geben, so- fort umzukehren, aber nachdem sich herausgestellt hat, wie genau die sind, können wir uns auf sie verlassen. Ja, bitte...« Ein Kollege stand neben ihm, der mit der Auswertung der Kar- ten beschäftigt gewesen war. »Was gibt's?« »Mein Anliegen gilt dem Commander, Lionel. Kann die POINT OF
einen Sprung von 41.074 Lichtjahren machen?« »Das kann sie, aber Sie wissen doch auch, daß wir bei dieser Distanz das 134fache an Energie gegenüber zwei Sprüngen von je 20.000 Lichtjahren verbrauchen.« Der Astronom kratzte seinen Kopf. »Das weiß ich wohl, aber der nächste sichere Wiedereintrittsort in dieser Richtung liegt 41.000 Lichtjahre entfernt. Abermals eine Oase im Sternenmeer. Auf 43 Lichtjahre keine einzige Sonne. Bei dieser Dichte nicht zu begreifen...« Die Astroabteilung hatte Lionel eine interessante Mitteilung zu machen. »Lionel, wir haben diese Gegend astrophysikalisch unter die Lupe genommen. Dieser Leerraum ist sehr aufschlußreich. Hier muß jemand vor langer Zeit Schwerkraftexperimente gemacht ha- ben, und ihm war es wohl ziemlich egal, daß er dabei Sonnen in Schwerkraftzwerge verwandelte und zugleich aus ihren Bahnen riß. Rundherum stehen diese Zwerge in einer Häufigkeit, die abso- lut anomal ist.« Lionel war ein Wissenschaftler mit Phantasie. Ohne zu überle- gen erwiderte er: »Vielleicht verstand dieser Jemand, der nicht gern nach einer Transition in einer Sonne rematerialisieren wollte, sich hier einen Platz zu schaffen, wo er es ohne Gefahr tun konnte!« Stille in der Verständigung. Auch Ren Dhark sah den Experten verblüfft an. Das konnte nicht nur stimmen, das mußte sogar so sein, und ob Lionels Vermutung richtig war, konnte nur der zweite Leerraum im Sternenmeer beweisen, der 41.074 Lichtjahre ent- fernt war! Also setzte die POINT OF zu einem Sprung über diese gewaltige Distanz an. 234 235 Dro Cimc hielt sich am Pilotensitz fest und stöhnte: »Bei unse- ren großen Göttern.« Der Sprung der POINT OF war präzise durchgeführt worden, und die Intervalle standen wieder um das Schiff. Die Bildkugel arbei- tete wieder und zeigte ihnen etwas Fürchterliches! Die Menschen im Ringraumer sahen die Ursache der Störungen im galaktischen Magnetfeld! Eine zweite Milchstraße streifte die heimatliehe Galaxis! Die beiden Halos berührten sich! Eine zweite Milchstraße am anderen Ende des heimatlichen Sternenmeers, die mit der eigenen kollidierte! Zwei gewaltig starke Spannungsfelder hatten sich getroffen, und die Kollision hatte die ungeheuren Störungen ausgelöst, die so stark waren, daß sie sogar im Hyperspace noch wirkten! Niemand hatte so etwas geahnt!
Kein Mensch! Weil noch nie ein Mensch so tief in den anderen Teil der Milchstraße vorgestoßen war wie nun die POINT OF. »Nein...!« flüsterte Ren Dhark, der wie alle anderen die Bildku- gel anstarrte. Aber das war keine Fiktion. Sie alle sahen die nackte Wirklichkeit! Eine Sternspirale stieß mit einer anderen zusammen. Dabei brauchten noch nicht einmal Sonnen zusammenzuprallen. Dieser Kontakt zweier galaktischer Spannungsfelder allein war schon eine Katastrophe, und die bekamen sie bis in den äußersten Winkel des heimatlichem Systems zu spüren! Die Katastrophe hatte diesen Teil der Milchstraße schon zu einer Strahlenhölle werden lassen. Wurde der andere Teil im Laufe der nächsten Jahrhunderte und Jahrtausende auch so verseucht, daß für jede Intelligenz die letzte Stunde geschlagen hatte? Die fremde Galaxis, in gleicher Höhe wie die heimatliche Milchstraße, schien in einem Winkel von fünfundvierzig Grad an der Peripherie vorbeizutreiben. »Großer Himmel, das hat Huxley nicht sehen können, und wenn er es gesehen hat, dann mußte er die Spitze der anderen Galaxis für Sterne der eigenen halten! Dan...« Der sagte kein Wort. Der starrte nur auf die Bildkugel, und es fiel ihm so schwer, das Grauenhafte zu begreifen. Er wollte es ein- fach nicht wahrhaben, obwohl er noch aus seinem Astronomieun- terricht an der Oberschule wußte, daß ein Zusammenstoß zweier Galaxien gar nicht so selten im Universum war. Aber nun erlitt die eigene Milchstraße ein ähnliches Schicksal. Hier hatten sich zwei spiralförmige Galaxien getroffen, und die fremde Spirale stand tief in der Leere des Universums als gleißen- des Band, das einen langgestreckten, dunklen Rand besaß, gebildet von der verdunkelnden Wirkung großer Staubwolken. »Sind wir jetzt glücklicher, nachdem wir nun wissen, was die Störungen ausgelöst hat?« fragte Ren Dhark seinen Freund und auch den Tel. »Haben wir in unserer Ahnungslosigkeit auf der an-deren Seite der Milchstraße bisher nicht viel ruhiger gelebt?« Die Schockwirkung ließ allmählich nach. Die Realität konnte nicht beiseitegeschoben werden. Damit mußten die Terraner fertig werden. Ihre Galaxis war keine ruhige Sterneninsel in der Ewig- keit des Alls. Sie war nichts anderes als eine Spirale, die mit einer anderen zusammengestoßen war. Wann?
Rikers Hand legte sich auf seinen Arm. »Ob das der Grund gewesen ist, warum die Mysterious vor tau-send Jahren von ihren Planeten verschwanden? Vielleicht gab es damals schon diese Störungen?« Ren zuckte die Schultern. »Übernimm das Schiff, Dan.« Bei den Astronomen und Astrophysikern herrschte die gleiche bedrückende Stille wie in der Kommandozentrale. »Wenn wir die letzten 6.585 Lichtjahre zum Signalstern auch noch zurücklegen, dann befinden wir uns in der schönsten Strahlungshölle, aber dem Intervall dürfte sie doch nichts ausmachen, Dhark?!« Lionel sah ihn fragend an. »Belastung stand eben bei 4,7, und das ist bedeutungslos. Haben Sie schon kontrolliert, ob es ringsherum auch wieder Schwer- kraftzwerge gibt?« Ein Astrophysiker nickte. »Hier wimmelt es davon, und so lang- sam glauben wir, daß Lionel mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen hat. Mittels Schwerkraft hat man sich radikal Platz zum sicheren Rematerialisieren verschafft. Wir versuchen anhand der Bewegungen der Schwerkraftsterne rechnerisch herauszufinden, wann das stattgefunden hat. Ob vor der Kollision oder während des Zusammenstoßes. Commander...« Nachdenklich sah der Ex-perte Ren Dhark an. »Sie haben uns die Sternenkarte geliefert. Können Sie uns erklären, warum diese Sternenkarle nicht auch die andere Milchstraße zeigt? Vor tausend Jahren war dieser höllische Spuk draußen schon längst in Gang, und es werden nach groben Schätzungen weitere 60.000 bis 80.000 Jahre vergehen, bis sich die beiden Galaxien wieder getrennt haben.« »Die Erklärung kann ich Ihnen liefern, warum die Sternenkarlen die andere Galaxis nicht aulzeigen. Über meine Alpha-Rhythmus- Frequenz habe ich die Gedankensteuerung aufgefordert, Karten von unserer Galaxis zu liefern. Und wie präzise allein die Gedan- kensteuerung in der POINT OF arbeitet, hat sie schon oft bewiesen. Besteht die Möglichkeit, daß von der anderen Spirale Arme in un- sere Milchstraße hineinreichen? « »Umgekehrt auf jeden Fall. Die fremde Galaxis hat zwei von unseren Spiralarmen in sich aufgenommen. Ob es Zusammenstöße von Sonnen und Planeten gegeben hat, konnten wir in der Kürze der Zeit nicht feststellen. Nur dank Ihrer Karten wissen wir, daß zwei Spiralarme an der Spitze unserer Milchstraße fehlen.« Drei Stunden später erfolgte der letzte Sprung der POINT OF, die
mitten in einem Doppelsonnen-System rematerialisierte. Eine der beiden Sonnen war ein auffallend kleiner weißer Stern, während die andere ein GO-Typ war. Der Kurs des Schiffes lag auf dem fünften Planeten, der seine Signalzeichen zusammen mit dem Peilstrahl ununterbrochen ab- gab. Er war im Durchmesser 920 Kilometer größer als die Erde, aber seine Schwerkraft betrug nur 0,78 Gravos. Dhark steuerte die Tagseite an. Die Bildkugel arbeitete mit ma- ximaler Leistung und holte ihnen mittels aller erdenklichen Tricks die Oberfläche des unbekannten Planeten in das Schiff. Alarmstufe l und höchste Gefechtsbereitschaft bestand. Der letzte Mann hatte seinen Raumanzug angezogen, und nur der Klarsichthelm war nicht geschlossen. Im Abstand von 100.000 Ki- lometern tastete Tino Grappa den Signalstem mit seinen Ortungen ab, doch außer einer einzigen, dafür aber gewaltigen Energieer- zeugungsanlage konnte er nichts entdecken. Ausgang des Peilstrahls und der Signalzeichen waren mit dem georteten Areal identisch. »Keine Strahlgeschützstellungen oder ähnliches?« fragte Ren Dhark kurz. Er ließ den Blick nicht von den Instrumenten. »Nichts, wenn nicht alles unter einem raffinierten Ortungsschutz liegt«, rief ihm Grappa herüber. Der Commander beschleunigte wieder, und seine POINT OF ra- ste im Schutz der beiden Intervallfelder auf den Signalstern zu, der sich ihnen als eine rotschimmernde Kugel zeigte. Einzelheiten auf der Oberfläche wurden immer deutlicher, und das Schweigen in der Kommandozentrale immer bedrückender. »Das ist ja ein einziger Schiffsfriedhof! Großer Himmel, wer hat denn hier all diese Kähne zusammengeschossen?« Fragend sah Dan Riker seinen Freund an, als ob der ihm Antwort geben könnte. Riker halte nicht übertrieben. Die beiden langgestreckten Kontinente, die durch eine schmale Landzunge miteinander verbunden waren, zeigten an mehr als hundert Plätzen riesige Raumschiffsfriedhöfe. »Dhark, ich taste ununterbrochen, aber außer dem einen Energieerzeuger kann ich nichts feststellen!« Aus sich heraus hatte Grappa diese Erklärung abgegeben, weil er ahnte, daß er in den nächsten Sekunden die Aufforderung erhalten würde, noch einmal alle Ortungen einzusetzen. Glenn Morris aus der Funk-Z hatte nichts zu berichten. Vom Si gnalstern kamen nur die Blips, die Peilstrahl und Signalzeichen bildeten. In zwanzigtausend Kilometern Entfernung stoppte Dhark seinenRaumer. Über die Bordverständigung gab er den Cyborgs Mark Carrell und Holger Alsop ihre Einsatzorder, dann drehte er sich um und
fragte den Tel: »Machen Sie mit? Ich möchte erst einmal mit zwei Flash landen. Dieser Planet ist mir nicht geheuer.« »Das dürfte bedeuten, daß ich hierbleiben muß, Ren?« fragte Dan Riker bissig. »Du warst als Kind schon intelligent«, entgegncte Dhark freundlich grinsend. »Du wirst das Schiff herunterbringen, wenn wir dort alles okay finden.« Mit der 002 und der 003 flogen sie aus und stürzten sich auf den Planeten hinunter. Der Funk zwischen den beiden Flash und der POINT OF stand. Erst als sie die Lufthülle erreichten, wurde der Sie auf negative Beschleunigung geschaltet. Infrarot brauchte nicht eingesetzt zu werden, weil der Kontinent, den sie anflogen und der weit nach Süden reichte, vollkommen wolkenfrei war, während sich auf der Nordseite der Kugel ein Tief breitgemacht hatte. Langsam schloß die 003, in der die beiden Cyborgs saßen, zum Commander auf. Sie hatten vor dem Start schon auf ihr Zweites System geschaltet und auch gephantet. Der größte Schiffsfriedhof der Landmasse war das Ziel. Er unterschied sich dadurch von den meisten anderen, daß an seinem Ende eine Gruppe hoher weißer Bauwerke, die allem Anschein nach unbeschädigt waren, in den Himmel ragte. Eine helle Landepiste zog sich quer über den Friedhof. Der Tel, der die Bildprojektion betrachtete, sagte ob seiner schmerzenden Nackenwirbel: »Ein Mysterious müßte man sein und auf dem Kopf ein drittes Auge haben.« Dhark fuhr die spinnbeindünnen Ausleger seines Flash aus und setzte zwischen den Bauten und dem Schrottplatz auf. Er schaltete die Bilderfassung erst auf die Gebäude und dann auf die Raumer. Der Gegensatz war kraß. Die Bauten waren unversehrt, als ob man sie vor ein paar Stun- den verlassen hätte, und die vom Zahn der Zeit angefressenen Raumer aller nur erdenklichen Typen sahen aus, als lägen sie schon ein paar tausend Jahre hier. »Ich glaube, wir können es wagen, uns diesen Friedhof und die Bauten einmal näher anzusehen«, meinte Ren Dhark und stieß den Ausstieg auf. Die Luft roch frisch und etwas salzig, denn der Ozean war nur knapp einen Kilometer entfernt, und man hörte aus der Feme das Brüllen und Tosen der starken Brandung, die mit wilder Wut ge- gen die felsige Steilküste donnerte.
Wie Dhark und Cimc hatten auch die Cyborgs ihren Flash ver- lassen und hinter sich geschlossen. Langsam, die Strahlwaffen schußbereit und mit tragbarem Ortungsgerät, gingen sie auf ein niedriges, aber unwahrscheinlich langgestrecktes Gebäude zu, das fünf nebeneinanderliegende, breite Laubengänge besaß. Der Schritt der Männer hallte unter den Lauben, aber manchmal verklang er, wenn sie über angewehtes Erdreich gingen. Kaum noch zu hören war das Tosen der Brandung an der felsigen Steil-küste. »Auch hier alles verlassen, aber nichts zerstört, als ob man alles in der Hoffnung zurückgelassen hätte, eines Tages wiederkommen zu können.« Ren Dhark sah sich um und blickte durch ein transpa- rentes Portal, hinter dem eine Halle mit vielen Sitzgelegenheiten lag. »Die Wartehalle?« fragte er. Doch niemand antwortete. Sie hatten das langgestreckte Gebäude mit den Lauben hinter sich gelassen und gingen auf den Wolkenkratzer zu, der nur an der rechten Seite senkrecht zum Himmel strebte, an dem zwei Sonnen standen, während die linke Seite abgeschrägt in die Höhe führte. Das Tosen der Brandung war hier besser zu hören, aber dazu auch etwas anderes: Geräusche laut arbeitender Aggregate. Sie kamen aus den dun- klen Öffnungen des Hochhauses. Sieben Portale, dicht nebenein- ander, starrten sie wie blinde Augen an. Die Eingänge lagen im Dunkeln, und die vier Männer mußten die Scheinwerfer an ihren Raumanzügen einschalten, um die Finsternis zu verjagen. »Nein...« Dieser Ausruf war Dro Cimc über die Lippen gekommen. Die beiden Cyborgs, die auf ihr Zweites System geschaltet hatten und in den Phant gegangen waren, zeigten keine seelische Erschütte- rung. Anders Ren Dhark, der blaß geworden war. Gebündelte Scheinwerferstrahlen huschten lautlos über Skelette, die kreuz und quer am Boden lagen. Über den Helmlunk war das stoßweise Atmen von Dhark und Cimc deutlich zu hören. »Keine Wesen, die ich kenne!« »Auch keine Tel«, sagte der Schwarze Weiße. »Sehen Sie sich einmal dieses gulerhaltene Skelett an. Das Wesen muß über drei Meter groß gewesen sein. Und dazu die spitze Kopfform. Da, an diesem anderen Schädel ist die Spitze auch erkennbar.« Er hatte langsam seinen Lichtstrahl von einem Objekt zum anderen gelenkt. Die Knochengerüste hatten nichts Menschliches an sich. Die Unterarme besaßen neben Elle und Speiche noch einen dritten Knochen. Anstelle der Rippen waren schmutziggraue Platten zu sehen,
die neben den unwahrscheinlich starken Rückenwirbeln la- gen. Woran waren diese Wesen gestorben? An der Strahlung aus dem Raum? Oder waren sie hier verhun- gert oder sogar umgebracht worden? Hatte man ihnen keine Ge-| legenheit mehr gegeben, den großen Wartesaal aufzusuchen, wo es r Ruhelager gab? »Scheußlich«, sagte Dhark, »und unheimlich. Tausend und mehr sind hier umgekommen. Carrell, was sagt unsere Ortung?« Mit seiner leicht veränderten Stimme gab der Cyborg Auskunft. »In den Kellergewölben dieses Hochhauses liegen die Energie erzeuger, und im Haus selbst befindet sich eine einzige technische Anlage, wenn ich meiner Materieortung glauben darf.« »Strahlung?« »Nein. Keine energetischen Sicherungen festzustellen. Ich ver stehe nicht, warum wir die Skelette gerade hier finden.« »Cimc, Sie bleiben mit Alsop zurück und alarmieren sofort die POINT OF, wenn zwischen Ihnen und mir der Helmfunk abreißen sollte. Allein mit Alsop unternehmen Sie nichts. Darauf muß ich mich verlassen können!« »Und wenn die POINT OF zu spät kommt? Ich sehe nur noch diese Riesenskelette!« »Cimc, man geht bei jedem Unternehmen ein Risiko ein. Carrell, gehen wir!« Sie betraten das Erdgeschoß des Hochhauses. Sie halten um die Skelette keinen großen Bogen zu machen, denn als Dhark ungewollt gegen einen Knochen stieß, zerfiel dieser zu Staub. Die Halle, die sie betreten hatten, war im Verhältnis zum Hochhaus nicht besonders groß, und daß sie fünf Ausgänge besaß, konnte nur eine Spielerei des Architekten gewesen sein, der die Pläne zu diesem Bau entworfen hatte. Mark Carrell hielt plötzlich den Commander fest. »Man ortet uns, aber die Ortung kommt aus der Tiefe. Man ta- stet uns regelrecht ab.« Beide Männer waren stehengeblieben; beide betrachteten die kleinen Instrumente des tragbaren Ortungsgerätes. Noch war der Tasterstrahl, der sie erfaßt hatte, nicht gefährlich, aber das konnte sich von einer Sekunde zur anderen ändern. Dhark begann zu ah- nen, wer diese Riesenwesen hier zur Strecke gebracht hatte, die, wenn das Material im Laufe der Jahrhunderte nicht verfallen war, 242 243 allem Anschein nach dieses Gebäude ohne Raumanzug betreten hatten.
Was aber konnte sie veranlaßt haben, sich in dieser großen Zahl hier einzufinden? Waren sie dazu aufgefordert worden? »Ortung eingestellt«, gab Carrell durch. Seine Cyborgslimme war ohne Leidenschaft. Ren Dhark ließ seinen Scheinwerferstrahl die Runde machen. Die Öffnungen zweier A-GravIifte hatte er entdeckt. Daß sie in Tätigkeit waren oder in Betrieb gesetzt werden konnten, davon war er überzeugt. Da schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf. »Carrell, haben Sie, nachdem Sie die Skelette gesehen haben, sich nicht gefragt, ob das nicht die sterblichen Überreste von My-sterious sein könnten?« Der antwortete über sein Programmgehim ohne zu zögern: »Mit 99,3 Prozent unmöglich, weil diese Riesen in einem Flash keinen Platz gefunden hätten. Aber worauf stehen wir eigentlich?« Dhark fühlte nun auch die Unebenheit des Bodens, und das konnte nicht an der zentimeterdicken Staubschicht liegen, auf der sie standen. Er kratzte das Erdreich zur Seite und sah es golden darunter schimmern. »Carrell, helfen Sie mir!« Und zu zweit versuchten sie nun, Erdreich und Staub zur Seite zu schaffen. Über Funk fragte Dro Cimc an: »Alles okay?« »Ja, noch.« Dhark hatte die Anfrage kaum wahrgenommen, weil ihn eine Ahnung erfaßte, die ihm sagte, daß Carrell und er auf dem Em- blem einer Galaxis-Spirale ständen. So war es tatsächlich. »Im Goldton, Carrell! Das verstärkt meinen Verdacht, daß der Goldene Mensch mit den Mysterious identisch ist. Vielleicht ist es ihre Religion, die ihnen verbietet, ihr Gesieht darzustellen. Viel- leicht hat dieses religiöse Gebot auch dafür Sorge getragen, daß wir nirgendwo Abbildungen von ihnen gefunden haben. Gehen wir weiter, oder raten die Ortungen davon ab?« »Nein.« Sie kamen bis dicht vor den rechten A-GravIift. Eine Stentor-stimme dröhnte ihnen über die Außenmikrophone in die Ohren: Ron wedäa di terra! Und nacheinander klangen alle jene Sätze auf, die den Menschen so lange ein Rätsel gewesen waren. Aus den Wänden kam die Stimme, aus der Decke und aus dem Boden.
Ron wedde di terra! Die Stimme hatte einen anderen Klang angenommen. Der Befehlston war kräftiger geworden, drohender. Ron wedde di terra! Zum drittenmal honen sie die Aufforderung, und da begriffen die beiden Terraner, daß sie keinen Schritt weitergehen durften. In diesem Hochhaus nicht. Sie hatten gerade die letzte Warnung ge- hört, auf die nur noch die Gewalt folgen konnte. Zwei Männer hasteten zurück, und unter ihren Füßen zerfielen die Knochen fremder Wesen zu Staub. Die drohende Stimme war nicht mehr zu hören, und sie blieb stumm, als Dhark und Carrell wieder bei Cimc und Alsop waren. Kurz informierte der Commander seine Begleiter und gleichzei-tig die Männer in der Kommandozentrale der POINT OF, die im Parkorbit über dem Signalstem stand. »Wir verzichten zur Zeit darauf, die Gebäude zu durchforschen. Die Skelette, die wir in einer Halle vorgefunden haben, geben doch zu denken. Nun werden wir uns einige der zerstörten Raumer näher ansehen und mit den Flash zum größten Schrotthaufen hin- überfliegen. Ende.« Kaum hatten sich die Einstiege hinter ihnen geschlossen, als der Sie eingeschaltet wurde und die Blitze spielend leicht abhoben, um in wenigen Metern Höhe dem Raumschiffsfriedhof entgegenzu- fliegen. Zwischen drei gewaltigen Kugelraumem, die mehr als tausend Meter Durchmesser hatten, und zwei Ringschiffen der S-Klasse
setzten die Flash wieder auf. Draußen blieben die Männer stehen und sahen sich um. Der Tel war ebenso ein Waffenspezialist wie die drei Terraner,
und alle vier Männer kannten die Wirkung der verschiedensten
Strahlwaffen. Hier aber, bei diesen Zerstörungen, versagte ihr
Wissen.
Langsam näherten sie sich einem Ringraumer, bei dem nicht einmal die Teleskopstützen ausgefahren worden waren. Vor dem zerfetzten Loch in der Unitallhaut, das größer als zehn mal zehn Meter war und weit ins Schiffsinnere hineinreichte, blieben sie stehen. Schweigend betrachteten sie an den Rändern die Schmelzspuren. Aufmerksam studierten sie den erstarrten Schmelzfluß. Die beiden Cyborgs mir ihrem Programmgehim trafen schneller ihr Urteil als Ren
Dhark und Dro Cimc. »Die Zerstörungen sind von innen nach außen erfolgt«, behauptete Holger Alsop mit leidenschaftsloser Cyborgslimme. Der erstarrte Schmelzfluß bewies es überall. Aus der POINT OF meldete sich Dan Riker. »Haben wir alles richtig verstanden, Ren? Die Schrottkähne, die ihr bis jetzt untersucht habt, sind von innen heraus zerstört wor den?« »Ja, Dan. Moment, ich halte die Bilderfassung meines Viphos auf eine besonders markante Stelle. Dann kannst du dich selbst überzeugen, daß wir nur Tatsachen wiedergegeben haben.« Für kurze Zeit blieb es in der Funkverbindung mit dem Ringraumer still, dann war Rikers Stimme wieder zu hören. »Sterne und Boliden, Ren! Das sieht ja so aus, als ob diese Schiffe von ihren Besatzungen mit Absicht in Schrott verwandelt worden wären?!« »So scheint es gewesen zu sein. Wir wollen jetzt versuchen, in diesen Ringraumer einzudringen. Funkverbindung bleibt bestehen. Ende.« Eine Schleuse stand offen.
Seit wie vielen Jahrhunderten? Erdreich war angeweht worden, und fremdartige Gräser und Sträucher machten die metallen»; Rampe zu einem weichen Wie- senteppich. An mehreren Stellen war die Erdschicht mehr als einen halben Meter dick. Schweigend, in geschlossenen Raumanzügen, betraten die Män- ner das zerstörte Schiff und gingen über Deck l dem ersten A-Gravschacht zu. Er war in Höhe des dritten Decks zerfetzt, und bizarr verbogene Unitallträger funkelten im Licht der Scheinwerfersirahlen violett-blau auf. Die Männer mußten zurück, um die Nottreppen zu be- nutzen. Die Kommandozentrale erreichten sie ohne größere Schwierigkeiten. Die Schleuse war zerstört, und der Leitstand nicht mehr wiederzuerkennen. »Wie jemand, der alle Brücken hinter sich verbrannt hat«, mur- melte Ren Dhark. »Ron wedde di terra! Ist es vorstellbar, daß ein Volk, dem die halbe Milchstraße gehörte, im Angesicht einer un- geheuren Gefahr Selbstmord begangen hat? Ist es vorstellbar, daß sich alle ohne Ausnahme das Leben nahmen? Wenn das so ist, was waren die Mysterious dann für Wesen? So unverständlich hart ge- gen sich selbst, wie sie als Grakos
anderen Rassen gegenüber wa- ren?« Seine Fragen und Überlegungen blieben unbeantwortet. Als er das Zeichen gab, das Schiff zu verlassen, ging jeder wieder gern hinaus. Zwei Stunden später hatten sie genug gesehen. Bei jedem Schiff, gleich welchen Typs, die gleichen Zerstörungen. Alle von innen nach außen. Mit den eigenen Energievorräten waren stolze Raum- schiffe in trostlose Schrotthaufen verwandelt worden. Aber wo waren die Besatzungen geblieben? Nirgendwo hatten die vier Terraner eine Spur von ihnen gefunden. Aus der Kommandozentrale der P01NT OF sagte Dan Riker: »Jetzt bedaure ich nicht, hier oben im Sessel zu sitzen. Für Schrott hatte ich noch nie viel Interesse. Aber wie lange wollt ihr noch un- ten bleiben? « »Vielleicht noch eine Stunde; vielleicht zwei. Länger auf keinen Fall, wenn wir nicht auf Neues stoßen sollten.« Sie flogen zur Nord.seite des Raumhafcns, auf dem mehr als fünftausend Schrottschiffe lagen, und diesmal stiegen sie auf tau- send Meter, um sich noch einmal einen Überblick zu verschaffen. Aus der 003 meldete sich Holger Alsop. »Dhark, da scheint ein unbeschädigter Ringraumer zu liegen. Südsüdwest, hinter der Kugelraumer-Kette, etwa in der Mitte, und das einzige Schiff, das ich bisher mit ausgefahrenen Teleskopstüt- zen gesehen habe.« Der Commander stellte die Bilderfassung auf die Richtung ein, die Alsop durchgegeben hatte, legte wie der Tel den Kopf weit in den Nacken und betrachtete die Projektion. Der Cyborg konnte mit seiner Ansicht recht haben. »Fliegen wir den Raumer an!« entschied Dhark ohne langes Zö- gern. Die beiden Flash änderten ihren Kurs und jagten auf ihr Ziel zu. Die Unitallhaut des Raumers war unbeschädigt! Alle vier Schleusen standen offen, und die Rampen waren ausgefahren. Rampen, die auch hier mit angewehtem Erdreich be- deckt und von Pflanzen und Sträuchem bewachsen waren. Mit Spannung betraten sie das Schiff und erreichten auf Deck l den ersten A-Gravschacht. Dhark schaltete. Der Lift nahm seine Arbeit wieder auf, und im Schacht schwebten sie zum Hauptdeck hinauf. Das Schott zur Zentrale mußten sie manuell öffnen. Die Energieversorgung des Raumers war wohl in den wichtigsten Berei- chen abgeschaltet worden. Der Leitstand war unbeschädigt.
»Nichts anfassen!« rief Ren Dhark hastig aus, als Dro Cimc an das Instrumentenpult mit seinen Steuerschaltern trat. Ruckartig riß der Tel seine schon erhobene Hand zurück und machte Ren Dhark Platz, der nur Augen für die Positionen der Schalter hatte. »Das verstehe ich nicht...«, murmelte er nach kurzer Zeit. »Dan? « Der meldete sich aus der P01NT OF. »Laß durch den Checkmaster folgende Steuerschaltung prü- fen... « Über dreißig verschiedene Werte gab er durch und wartete dann; mit ihm die beiden Cyborgs und der Tel. Sie sahen Dhark an, unter welcher Spannung er stand, aber sie konnten sich nicht erklären, warum der Commander so erregt war. Eine knappe Viertelstunde verging. Nur einmal hatte sich Riker mit der Bemerkung gemeldet: »Der Checkmaster tut sich schwer mit der Aufgabe.« Endlich kam die Antwort. »Ren, ich habe Jens Lionel zu Rate ziehen müssen, weil ich mit den Koordinaten des Checkmasiers nichts anfangen konnte. Das Schiff, in dem du dich aufhältst, wollte zur anderen Galaxis, und nicht einmal besonders weit. Nach Lionels Berechnungen sollte ein Sprung von 36.723 Lichtjahren gemacht werden.« »Zur anderen Galaxis, Dan? Ist kein Irrtum möglich?« »Nein«, sagte sein Freund fest. »Wir haben deine Daten noch einmal durch den Checkmaster gejagt. Lionel hat auch mit seiner Hilfe seine Berechnungen angestellt. Das Ziel des Ringschiffes sollte ein System in der anderen Milchstraße sein. Oder du hast uns falsche Daten geliefert, oder ein Mysterious-Narr hat mit bos- hafter Absicht den Steuerschaltern die verrückten Positionen ge- geben. Aber ist das nicht ziemlich unwahrscheinlich, da uns die andere Milchstraße so nah ist?« Ren Dhark wandte sich an seine Cyborgs. »Versuchen Sie den Karlenraum zu finden und benachrichtigen Sie mich, wenn Sie ihn entdeckt haben.« Noch während des Gesprächs mit Riker meldete sich Carrell. »Wir haben ihn gefunden. Auf dem gleichen Deck, fast genau über Schleuse 3.« Ein Terraner und ein Tel eilten dorthin. Alsop erwartete sie am Schott. Mark Carrell stand am Karten- tisch
und hatte die Projektion eingeschaltet. »Ist das der Kurs, Dhark?« fragte er und deutete auf die klare Lichtlinie, die von ei- ner Milchstraße zur anderen führte. Dhark zog das Bordgehim der P01NT OF zu Rate. Es sollte ihm die errechneten Koordinatenwerte in die Symbole der Geheimnis- vollen umwandeln. Die Antwort aus dem Flaggschiff kam prompt. »Ja«, sagte der Commander dann, und ließ seinem Ja ein schweres Atmen folgen. »Ja, das ist der Kurs. Er stimmt mit den Positionen der Steuerschalter überein. Und diese Karte mit dem eingezeichneten Kurs haben Sie so, wie sie hier erscheint, in der Projektion vorgefunden?« »Ja, und ich war nicht darauf vorbereitet, daß die Projektion ar-beiten würde...« »Ist unabhängig vom Versorgungsnetz«, warf Dhark ein. »36.723 Lichtjahre entfernt? Cimc, was würden Sie an meiner Stelle tun?« Der Tel sah ihn von oben bis unten an und erklärte dann ruhig: »Wenn es die Energievorräte meines Schiffes erlaubten, würde ich die Stelle in der anderen Milchstraße anfliegen.« »Die Energievorräte der P01NT OF erlauben es!« erwiderte der Commander mit eigenartiger Betonung. »Wir fliegen zum Schiff zurück. Hier haben wir nichts mehr zu suchen...« 8. Das große Abenteuer war angelaufen! In den Tiefen des Raums lag der Signalstern. Kurz nach dem Start der POINT OF hatte sein Peilstrahl das Schiff erfaßt, und über diesen Träger nahm die Funk-Z ununterbrochen den Ruf auf: Ron wedde di terra! Das Fla%'ä,d\y£ AM Tl? was UM: MYdfi.K.n.MlkAKtt&tte uo.teros%a, zu dieser Stemeninsel, die mit der eigenen kollidiert war. Dan Riker flog das Schiff mit Sternensog, und die Überlichtgeschwindigkeit des Ringraumers stieg ununterbrochen, obwohl die hohen Störwerte in der Galaxis ein absolut einwandfreies Arbeiten der Ortungen nicht zuließen. Die Gefahr, mit einem unsichtbaren Radiostern zusammenzustoßen, bestand - aber der Checkmasler hatte errechnet, daß diese Möglichkeit äußerst gering war. Ren Dhark saß bei den Astronomen, die die Karte studierten, die er von dem unbeschädigten Ringraumer auf dem Signalstern mitgebracht hatte und die einen Teil der beiden Galaxien zeigte. Auch diese Karte war rund tausend Jahre all, und in diesem Zeitablauf
hatten sämtliche Sonnen nicht nur andere Positionen bezogen, auch beide Milchstraßen in ihrer Gesamtheit hatten sich auf ihren Bahnen bewegt. Jens Lionel kaute an seinem Lichtschreiber herum und schüttelte entmutigt den Kopf. Seine Kollegen hatten in den letzten zehn Minuten den Mund nicht mehr aufgemacht. Alle waren mir ihrer Kunst am Ende. »Dhark, wenn wir wüßten, wie schnell die andere Galaxis sich bewegt, wäre das größte Handikap aus der Welt geschafft, aber...« Er machte mit der Hand eine Geste der Hoffnungslosigkeit, und dann warf er seinen Lichtschreiber auf die Karte. »Mit anderen Worten«, sagte Dhark, der sich erhob, »wir kön- nen keine Transition wagen und müssen weiterhin mit Stemensog fliegen, wollen wir nicht die Gefahr heraufbeschwören, in einer Sonne zu rcmaterialisieren.« »Genau. Ein Sprung ist nur bis zum Halo ohne Risiko, und bis zum Rand unserer Galaxis sind es immerhin noch 6.200 Lichtjahre. Aber was erwartet uns in den beiden sich überlagernden Spannungsfeldern? Hier, schauen Sie sich die Daten an, die uns die Astrophysik hereingegeben hat. Das sind Störwerte, was?« Auf ihrem Kurs war der Abgrund zwischen den beiden Galaxien vott Halo iu Halo gemessen rund 9.000 Lichtjahre breit. Er konnte stemenleer sein, doch ebenso bestand die Möglichkeit, daß es dort von unsichtbaren Sonnen und Quasaren wimmelte. »Ossorn und Bentheim aus der Astrophysik sollen noch her überkommen«, verlangte Ren Dhark, der wieder Platz genommen hatte. Die beiden Astrophysiker kamen nicht mit leeren Händen. Sie legten einen Stoß Folien auf den Tisch. Dhark sah die Männer an und hatte alles schon erfahren. Sie waren mit ihrer Arbeit unzu- frieden. »Das ist miserables Stückwerk, Dhark. Mist! Wir haben bis jetzt noch nicht einmal herausfinden können, in welche Richtung die andere Galaxis sich bewegt. Aber wie sollen wir das auch schaffen, wenn mit den Ortungen nichts mehr anzufangen ist? Alle ar- beiten jetzt schon mit plus/minus 17, und bei diesen Mißwerten sind einwandfreie Lösungen nicht zu erwarten. Plus und Minus addiert ergibt mehr als 33 Prozent. Unter diesen Bedingungen ist es sinnlos, überhaupt irgendwelche Untersuchungen anzustellen.« Ossom war noch ehrlicher als Bentheim. »Ich bewundere Ihren Mut, Dhark, die andere Milchstraße anzu-
fliegen!« Diese Astrophysiker hatten ihm gerade den Rat gegeben, das Unternehmen abzubrechen - Männer, die als Wissenschaftler da- nach fieberten, die unbekannte Galaxis astrophysikalisch zu unter-suchen. Dhark lehnte sich zurück, schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie an und inhalierte tief. Er war über Ossorns Rat nicht verärgert oder betroffen, denn seil den letzten Minuten hatte er schon mehrfach mit dem Gedanken gespielt, einfach umzukeh- ren. »Lionel, verbinden Sie mich mit der Funk-Z.« Dann sprach der Commander mit Glenn Morris. »Peilstrahl steht unverändert, und der Ruf Ron wedde di terra! kommt mit unveränderter Stärke und Klarheit herein. Ein Wunder bei den turbulenten Störungen.« »Morris, sind Sie in der Lage, die Richtung des Peilstrahls bis auf den Bruchteil einer Bogensekunde genau festzustellen?« Über die Bildscheibe sah der Funkoffizier seinen Commander verblüfft an. »Dhark, ich müßte mir ja ein Armutszeugnis ausstel- len, wenn ich das nicht fertigbrächte.« »Dann tun Sie es, und senden Sie die Daten zur Astronomie. Ich warte darauf.« Er schob die Folien zur Seite, und die Karte aus dem unbeschä-digten Raumer lag wieder frei. »Hier ist der Kurs eingezeichnet, den ein Ringraumer vor rund tausend Jahren nehmen wollte. Wir haben jetzt auf die Daten aus der Funk-Z zu warten. Ich bin gespannt, ob diese Daten mit dem geplanten Kurs des Schiffes immer noch übereinstimmen.« Sieben Wissenschaftler blickten den Commander erstaunt an. »Vermuten Sie, daß der Peilstrahl gar nicht unserem Schiff gilt, sondern eine Funkbrücke zu einem anderen Planeten in der frem- den Galaxis darstellt?« fragte Bentheim. »Ich habe diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen, und darum will ich das untersuchen lassen.« Verärgert fragte Ossorn seinen Kollegen Bentheim: »Warum sind wir nicht selbst darauf gekommen?« Lionel arbeitete mit seinem Lichtschreiber und schrieb eine Reihe Daten auf seinen Folienblock. »Ich bin neugierig wie selten, Dhark.« Glenn Morris ließ sie nicht lange warten. »Hier die Daten, exakt bis auf eine hundertstel Bogensekunde.« Lionel schrieb schon wieder. Ren Dhark blickte ihm über die Schulter und erkannte schon bei der ersten Zahlenkolonne, daß er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte.
»Lionel, tragen Sie den Peilstrahl in die Karte ein.« Die dünne Linie trennte sich vom eingetragenen Kurs des My-steriousRaumers schon nach den ersten tausend Lichtjahren. »Kann das stimmen?« fragte sich der Astronom, obwohl er rech- nerisch schon längst zu dem gleichen Ergebnis gekommen war. »In tausend Jahren hat die andere Milchstraße... äh, hat dieses Sy-stem in der anderen Galaxis diese Strecke zurückgelegt?« Die Karte war ein Wunderwerk an Präzision, und darum machte sich Lionel auch die Arbeit, nun an Hand der Karte die von der fremden Milchstraße in rund tausend Jahren zurückgelegte Strecke auszumessen. Das Resultat verblüffte. Die größte Differenz bei den drei von Morris durchgegebenen Koordinaten betrug acht Bogensekunden, und die rührten daher, daß der Wissenschaftler den Kurs des Peil- strahls nicht haargenau eingetragen hatte. »Soweit wären wir«, stellte Dhark befriedigt fest und drückte seine Zigarette aus. »Damit hat unser Unternehmen ein anderes Gesicht bekommen. Dennoch werden wir nur bis zum Halo sprin- gen, 6.200 Lichtjahre weit, und uns dann mit dem Sternensog bis zum Rand der anderen Galaxis vorarbeiten. Nach 9.000 Lichtjah- ren Abgrund wären es dann schon 15.200 Lichtjahre, die wir hinter uns gebracht hätten, wenn wir den Rand der anderen Galaxis erreichen. Dann bliebe nur noch eine Strecke von 21.500 Lichtjah- ren. Wie die zurückzulegen ist, kann man jetzt noch nicht sagen. Danke, meine Herren!« Als er die astronomische Abteilung verlassen hatte, sagte Ossom 254 255 wenig freundlich: »Dhark ist auf die goldrichtige Idee gekommen, und er bedankt sich auch noch bei uns! Schöne Blamage!« Die P01NT OF hatte in einer Transition 6.200 Lichtjahre zum Halo der heimatlichen Galaxis hinter sich gebracht und stand vor einem Abgrund, der bis zur fremden Milchstraße 9.000 Lichtjahre breit war. Das schimmernde Sternenband mit seinem dunklen Streifen, der von Staubwolken hervorgerufen wurde, schien trotz dieser Entfer- nung zum Greifen nah. So klar wie jetzt hatten die Männer der POINT OF diese zweite Stemeninsel, von deren Existenz kein Mensch etwas geahnt hatte, noch nie gesehen. Aber so hohe Störwerte des galaklischen Ma-gnetfeldes wie in diesem Sektor waren auch noch nie beobachtet worden. Ein Cyborg im Phantzustand, der sich eine halbe Stunde im freien Raum ohne Schutzanzug aufgehalten hätte, wäre nach zwanzig Minuten biologisch
tot gewesen. Die Belastung der beiden Intervalle stand auf 7,8 Prozent, kein hoher Wert, aber dennoch ungewöhnlich. Trotz Sprung hatte sie der Peilstrahl vom Signalstern nicht ver- loren und das Schiff im Moment der Rematerialisierung wieder erfaßt. Auch der Ruf ROH wedde di terru! war in gleicher Laut- stärke und Klarheit ununterbrochen zu hören. Dhark schaltete den Sternensog hoch. Er hatte den Kurs durch den Checkmaster dreimal kontrollieren lassen. Der Ringraumerging auf Überlicht, um dabei dennoch im Raum-Zeit-Gefüge zu bleiben, und stieß tiefer in den galaktischen Abgrund hinein. Grappa und Yell hinter den Ortungen hatten nicht viel zu tun, denn die Mißweisungen waren inzwischen auf plus/minus 21 Pro- zent gestiegen, und mit diesen Werten war nun wirklich nichts mehr anzufangen. Eigenartigerweise arbeitete die Echokontrolle in der Funk-Z nach wie vor exakt, und auch die Funkortung brachte 256 noch Werte, die brauchbar waren. Der Kurs der POINT OF hing beinahe buchstäblich an einem Fa- den — am Peilstrahl vom Signalstem. Immer wieder betrachteten die Männer in der Kommandozen- trale die Bildkugel, die ihnen auf der rechten Seite die beiden kol- lidierenden Galaxien zeigte, zwei Stemeninseln, die sich auf einer Strecke von 3.000 Lichtjahren berührten, wenn man davon absah, daß sowohl von der einen als auch von der anderen Spiralarme tief in die andere hineinragten. »Wann mag die erste Kollision passiert sein?« fragte Riker sei-nen Freund und Dro Cimc. »Wer kann das beantworten, Dan? Erst wenn Geschwindigkeit und Richtung der fremden Galaxis bekannt sind, werden Schät- zungen möglich sein. Aber eines glaube ich fest: daß dieser Zu- stand schon einige tausend Jahre besteht. Das bedeutet auch, daß es der Mensch verstanden hat, mit den Schwankungen des galakli- schen Magnetfeldes zu leben. Wir Terraner - und auch die Tel -scheinen zu den wenigen Humanoiden zu gehören, die biologisch gegen Strahlorkane aus dem Weltraum resistent sind. Andere Ras-sen wiederum mußten plötzlich ihre Heimatwelten verlassen, als die Strahlungswerte eine bestimmte Grenze überschritten«. Der Schwarze Weiße war derjenige, der vom Zusammenstoß der beiden Sterneninseln am stärksten beeindruckt war. »Ich erinnere mich eines Kindermärchens, in dem es heißt, daß man auf der an- deren Seite der Milchstraße, wenn man das Zentrum weit hinter sich gelassen hat, unweigerlich den Tod finden würde, weil dort ein gleißender Riese hause,
der Fangarme habe, sonst aber wie ein Diskus aussehe. In dieser Erzählung heißt der Riese Drakhon.« »Da ist Ihr Riese, Cimc!« erwiderte Riker impulsiv. »Ein Diskus mit Spiralarmen und hohen Strahlungswerten. Demnach scheint aus Ihrem Volk doch schon einmal ein Raumschiff in dieser Re- gion gewesen zu sein. Und zwar das Schiff eines begabten Schriftstellers, wie mir scheint. « 257 Unaufhörlich stieg die Überlichtgeschwindigkeit der POINT OF, aber es schien, als oh das Schiff in der Schwärze des Leerraumes stillstände, denn selbst nach zwei Stunden hatte sich das Aussehen der fremden Galaxis nicht verändert. Fern stand sie in der Tiefe des Alls; nur auf der rechten Seite der Bildkugel war von Raum- schwärze nichts zu sehen nur das kalte Gleißen zweier ineinan-derhängender Stemeninseln. Früher, als noch niemand wußte, daß die POINT OF auch ein Sprungschiff war, stellte das überlichtschnelle Fliegen die einzige Möglichkeit dar, von System zu System zu eilen. Am Ende der dritten Stunde begann sich das Aussehen der unbekannten Galaxis allmählich zu verändern. Der dunkle Streifen wurde breiter und kräftiger. Aus ihm schob sich ein Spiralarm heraus, der aber weitab von dem Ringraumer nach starker Biegung parallel zu seiner Galaxis verlief. Immer mehr einzelne Sterne waren zu erkennen. Langsam begann sich die Spirale in ihre einzelnen Sonnen aufzulösen; aber dort, wo das Zentrum liegen mußte, standen die Sterne so dicht wie eine Mauer. Auch durch diese Milchstraße konnte man nicht quer hindurch-sehen! Unerwartet kam die Durchsage von Ossorn. »Dhark, die Stö rungswerte fallen. Eine Erklärung dafür haben wir nicht, aber wir können auch nicht gravitatorisch feststellen, daß wir uns einer an-deren Galaxis nähern. Nach wie vor bleiben die Schwerkraftwerte konstant.« »Machen Sie sich deswegen Sorgen, Ossom?« »Nein, nur ratlos sind wir alle, denn wir sind doch der anderen Galaxis schon so nahe, daß wir eigentlich auf gravitatorischem Gebiet auffallende Veränderungen feststellen müßten.« Ren Dhark konnte den Astrophysikern auch nicht helfen, doch zu Riker sagte er: »Das, was nach der Logik eintreten müßte, erlullt sich nicht, und was niemand erwartet, zeigt sich als Tatsache.« Die Stunden vergingen, und die Geschwindigkeit der POINT OF stieg
unaufhaltsam. Ununterbrochen erzeugten die Flächenprojek-toren des Ringraumers den Brennpunkt, und der stieß das Schitf immer schneller über den Abgrund der anderen Sterneninsel zu, die nun merklich ihr Aussehen veränderte und mehr und mehr Einzelsteme zeigte. »In fünf Stunden könnten wir drüben sein«, sagte Dhark, der die Kommandoführung an seinen Freund abgab, während Falluta die Rolle des Kopiloten übernahm. Der Commander machte einen Kontrollgang durch das Schiff. Es war ein unfaßbarer Glücksfall, daß der Ringraumer auf Baby- lon von Robotern überholt worden war. Nur in diesem Wissen hatte er den Flug zu der anderen Milchstraße gewagt. Im Triebwerksraum herrschte eine von Dhark noch nie erlebte Stimmung. Die Männer beachteten ihn gar nicht. Congollon und Doorn bildeten keine Ausnahme. »Noch einmal!« ordnete Congollon an. Doorn nickte knapp und nahm die Kontrolle vor. Dhark traute seinen Augen nicht, und zugleich beschlich ihn leichte Unruhe. Warum kontrollierte man hier abermals die Encr-giereserven der Speicherbänke? Gaben sie mehr Energie ab als sonst? Oder waren vielleicht schon alle Konverter angefahren worden, um den Energieschwund auszugleichen? »Es ist zum Heulen!« stieß Doorn aus. »Schon wieder dasselbe Resultat.« Dharks Unruhe wich starkem Erstaunen. Was wollten diese beiden denn? Die Speicherbänke waren bis zur Halskrause mit Energie gefüllt. Das war doch kein Grund, sich aufzuregen! Miles Congollon machte eine Geste, die große Hilflosigkeit ausdrückte. »Ich zweifle an meinem Verstand. Lassen Sie mich mal die Steuerschalter kontrollieren, Doorn!« Der knurrte bissig: »Trauen Sie mir tatsächlich zu, ich könnte 258 259 keine Kontrolle durchführen? Sie sind mir ein netter Chef!« »Was wird hier gespielt?« Dhark mischte sich ein. Er hatte seiner Meinung nach lange genug auf eine Erklärung gewartet, und Gedankenleser war er noch nie gewesen. »Was hier gespielt wird?« echote Miles Congollon völlig unnö-tig. » Was bloß? Wir wissen es nicht. Wir kommen uns wie dumme Jungen vor! Dhark, vielleicht haben Sie eine Erklärung: Wir ha- ben, nachdem wir aus dem Orbit über dem Signalstem auf Fahrt gegangen sind, nicht so viel Energie verbraucht!« Und er schnippte dabei mit Daumen und Ringfinger.
»Reden Sie keinen Unsinn, Congollon!« widersprach Dhark ver-
ärgert.
»Na bitte! Sie wissen es also auch nicht. Darf ich Sie auf diese drei
Instrumente aufmerksam machen, Commander?« Das war bissig, denn
kein Mensch an Bord redete Dhark mit dem Titel Commander an,
schon gar nicht seine alten Freunde von Hope.
Der machte große Augen!
»Seit wann haben Sie das bemerkt, Congollon?«
»Seit fünf Stunden. Natürlich glaubten wir an den Ausfall der
Instrumente, und es kostete uns einen Haufen Zeit, bis wir sicher waren,
daß alle einwandfrei arbeiteten. Dann haben wir jede Speicherbank
geprüft, und darüber ging abermals Zeit verloren. Seit einer halben
Stunde lassen wir die große Konirolle laufen. Das Resultat kennen Sie
ja! Kein Energieverbrauch hei maximal arbeitendem Sternensog. Ein
bißchen unglaubwürdig! Meinen Sie nicht auch?«
»Und Grappa?« fragte Ren Dhark gelassen.
»Was kennt der denn vom Triebwerk?« brummte Doorn.
»Wenn das Schiff für den Sternensog keine Energie abliefern muß, dann
kommt sie woanders her. Die POINT OF liegt nach wie vor im Peilstrahl
vom Signalstem. Mal sehen, ob Grappa trotz der Mißwerte in der Lage
ist, diesen Peilstrahl genauer unter die Lupe zu nehmen.«
»Sie meinen, daß wir über den Peilstrahl mit der Energie ver
sorgt werden, die der Stemensog verschlingt?« »Ja, denn irgendwoher muß sie doch kommen. Ich lasse auch feststellen, über welche Antenne Energie ins Schiff geleitet wird.« »Dhark, daran glauben Sie?« fragte Congollon und sah ihn kopfschüttelnd an. »Muß ich es nicht, wenn Ihre Behauptungen stimmen und die Instrumente einwandfrei arbeiten?« Er kam wieder in die Zentrale zurück. Er winkte ab, als Riker ihm das Schiff übergeben wollte. »Überlassen Sie mir mal für ein paar Minuten den Ko-Sitz, Fal- luta.« Der erhob sieh. Dhark brachte Steuerschalter in andere Positio- nen. »Was kontrollierst du denn?« wollte Dan Riker wissen. »Über welche Antenne wir Energie ins Schiff nehmen.« »Über welche Antenne? Energie? Wieso?« Dhark berichtete. »Wann werden wir diesen Kahn hundertprozentig kennen?« fragte Dan Riker unzufrieden. »Nie, wenn es uns nicht ein Mysterious verrät.«
»Ja, ja, deine Mysterious! Hoffst du wirklich, sie in dieser fremden Milchstraße zu finden, Ren?« »Ja!« »Dein Won in Gottes Ohr.« Ren Dhark war leicht zusammengezuckt, als er an einem Instrument den starken Ausschlag sah. »Energie kommt über Antenne 2-2 herein, und die wird voll vom Peilstrahl getroffen!« »Sind denn unsere Antennen auf Null geschaltet?« fragt Dan ungläubig. »Ja, bis auf drei Funkantennen. Anordnung von mir. Die beiden WS können aber, falls erforderlich, sofort übernehmen. Alle An- tennen. Hm...« »Das wollte ich gerade auch brummen: Sieh mal an. Über einen Peilstrahl bekommen wir die Energie geliefert, die wir für den Sternensog benötigen. Langsam wird es mir unheimlich Ren, wenn ich den Gedanken weiterspinne.« »Spinne ruhig, denn du glaubst ja doch nicht an die Existenz der Mysterious«, stichelte er. »Laß mich damit in Ruhe, mein Lieher. Die Mysterious sind zu deinem Lieblingshobby geworden.« »Also der Peilstrahl bringt uns Energie ins Schiff. Demnach wird er auch die Ringraumer, die mit Geheimnisvollen vollge- stopft waren und vor einer ungeheuren Gefahr flohen, mit Energie versorgt haben. Energieübertragung auf Zehntausende von Licht- jahren! Hut ab vor dieser technischen Leistung. Und dabei ist der Peilstrahl auch noch Zielstrahl und Träger einer Hyperfunkwelle. Hm...« »Ja, wir haben noch viel zu lernen, wenn wir unsere Technik auf den gleichen Stand bringen wollen. Aber nun sollten wir Congol- lon benachrichtigen.« Major Cass Leiter, Kommandant der FO VII, war klug genug gewesen, einen leitenden Stab einzurichten, der die Experten ein- wies, die mit den Ringraumern von Terra gekommen waren. Drei weitere Gruppen sammelten die einlaufenden Berichte, werteten sie aus und speicherten sie in Suprasensoren. Der Goldene Mensch, die riesige Plastik auf einem wuchtigen Sockel, beeindruckte jeden, aber was war sie schon gegen das Transmittersystem, das von drei Ingenieuren entdeckt wurde? Mit ihm konnte man jede Ringpyramide, jede technische Anlage auf Babylon in Nullzeit erreichen.
Den Neuankömmlingen auf dieser Welt war es nicht anders er- gangen als der Besatzung der POINT OF und der FO VII. Auch der letzte Mann war zur Kontrolle abgeholt und wieder zurückge- bracht worden. Nur die S-Kreuzer hatte die Kontrolle verschont, diese ehemaligen Robotschiffe, die Ren Dhark über Terra in einem waghalsigen Unternehmen gekapert hatte. »Seitdem wir diesen Peilstrahl nicht mehr feststellen können, mache ich mir doch Sorgen um den Commander. Wenn er den Si- gnalstern erreicht hat, warum hat er uns dann nicht über den Peil-strahl wenigstens eine Nachricht gegeben?« Fragend sah Letter seinen Ersten Offizier an. »Warum setzen wir nicht den Riesensender ein und rufen ihn an, Major?« »Okay! Veranlassen Sie das und informieren Sie mich nach Vollzug umgehend.« Eine halbe Stunde später, nachdem über dreihundert Berichte in Komprisprüchen nach Erron-1 abgestrahlt worden waren, wurde der Riesensender auf die Hyperfrequenz der POINT OF geschaltet. Der Goldene Mensch auf Babylon drehte sich wieder einmal und richtete seine Handflächen in Richtung des Signalsterns. Dann lief die Sendung. Dreimal wurde der Ringraumer gerufen. Keine Antwort. Die Justierung der Antenne wurde noch einmal kontrolliert. Sie stimmte. Erneut rief man dreimal das Flaggschiff der TF. Immer noch Schweigen. »Nichts?« fragte der Erste der FO VII. »Keine Antwort, aber deswegen brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Die Störwerte des Strahlorkans sind einfach zu hoch. Bestimmt hat uns die POINT OF gehört, und bestimmt hat sie auch versucht zu antworten, aber dann ist der Ruf nicht bis zu uns durchgekommen. Erron-1 kann Terra ja auch nicht direkt errei- chen, und das will etwas heißen.« »Danke«, sagte der Erste, der mit dieser Beruhigungspille aus der Sendezentrale nicht zufrieden war, wenngleich der Funkinge-nieur recht hatte, als er auf die Störungen hinwies. Aber warum hatte sich dann der Commander jenes Aggregates auf dem Signal- stern nicht bedient, das allen Störungen zum Trotz einen Peilstrahl 262 263 bis nach Babylon geschickt hatte?
Da gab es die nächste Überraschung durch die Astronomen, die dem Projektor im Kartensaal über die Gedankensteuerung das al-lerletzte abverlangten und eine Stcrnenkarte nach der anderen ko-pierten. Drei aufgeregte Experten traten hei Major Cass Letter ein, große Karlen in den Händen. »Sehen Sie sich das an, Major!« Zwei Karten lagen nebeneinan- der. Lefter wollte nicht raten: »Was stellen sie dar?« »Diese Karte zeigt unsere Galaxis, und diese Karte muß Andro-meda aus einer Perspektive darstellen, die wir nicht kennen. Das heißt also, daß die Mysterious Andromeda kennen oder aus An- dromeda kamen und wieder auf diese Sterneninsel zurückgekehrt sind.« »Sind Sie alle dieser Ansicht?« fragte Lefter diplomatisch. »Nein«, sagte der jüngste Astronom. »Ich bestreite, daß diese Karte die Galaxis Andromeda darstellt. Das kann nicht Andro- meda sein, weil diese Karte viel zu wenig Kugelhaulen aufweist, und dann gefällt mir die Form der Spirale nicht. Egal, aus welcher Perspektive betrachtet - so sieht Andromeda nicht aus.« »Kollege, wollen Sie uns dann sagen, was das hier ist?« »Nicht Andromeda, sondern eine von den zwei Milliarden ande- ren Galaxien. Die Auswahl ist doch groß genug.« »Ja, haben Sie denn dabei nicht berücksichtigt, daß alle anderen Stemeninseln viele Millionen Lichtjahre tiefer im All liegen? Mit welchen technischen Mitteln sollten die Mysterious solche Distan-zen überbrückt haben? Denken Sie doch daran, daß die Nogk ihr Vorhaben, Andromeda zu erreichen, wegen des Exspects, von des-sen Existenz niemand etwas ahnte, aufgeben mußten! Und da wa- gen Sie, leichtsinnig wie ein Laie von irgendeiner anderen Milch-straße zu sprechen?« Zum Schluß hatte die Stimme des älteren Astronomen gegrollt. »Exspect hin, Exspcct her, das ist nicht Andromeda, und bei die ser Ansicht bleibe ich. Und ich glaube außerdem, daß der Com mander nicht einen Finger gerührt hätte, um auf Grund dieser Karte den Versuch zu machen, Andromeda zu erreichen.« »Aber das muß sie doch sein! Alle anderen Sterneninseln sind viel zu weit weg, Kollege!« Der ältere flehte den jüngeren an, sich der Mehrheilsmeinung anzuschließen. Der zuckte die Achseln. »Was wissen wir Astronomen denn vom Universum? Ohne diesen Fund im Kartensaal würden wir immer noch nicht über eine komplette Karte unserer eigenen Milchstraße verfügen. Weiß der Teufel, was diese hier darstellt, aber auf keinen Fall Andromeda. Und damit ist die Debatte dar- über erledigt. Ich
darf mich empfehlen, weil mein Magen ganz hübsch knurrt!« Der Halo der fremden Milchstraße war erreicht. Der Abgrund, der hinter ihnen lag, hatte eine Breite von 9.024 Lichtjahren. Erst nach Zurücklegung dieser Strecke hatte die P01NT OF in weitem Abstand die erste Sonne passiert. Astrophysiker und Physiker verzweifelten. Das Phänomen Schwerkraft machte sie hilflos. Milliarden Son- nen einer fremden Galaxis mußten doch andere Schwerkraftver- hältnisse erzeugen als die Sonnen in der eigenen Sterneninsel. Aber das Gegenteil war der Fall, denn hier wie drüben - 9.000 Lichtjahre weit - herrschten die gleichen Gravitationsverhältnisse! »Jetzt soll nun noch einer sagen, wir lebten in einem galakti- schen Zwillingssystem!« stöhnte Bentheim. »Ich merze das Wort unmöglich aus meinem Wortschatz aus!« stellte Ossom fest, schob sich die nächste Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie an und rauchte. Etwas günstigere Nachrichten kamen von der Ortung. Die hohen Plus/Minus-Mißweisungen ließen nach, je tiefer der Ringraumer in das unbekannte Sternenmeer eindrang. Ren Dhark, der mit der Überlichtgeschwindigkeit stark heruntergegangen war, ließ den Stemensog nun wieder mit maximaler Leistung laufen. Zwei Stunden später konnte ihm Grappa melden: »Auf unsere Ortungen ist wieder Verlaß. Erstaunlich, daß hier im Gegensatz zu drüben der Strahlorkan längst nicht diese Stärke zeigt.« Das Aii);t' der P01NT OF - die Ortungen — das so lange trüb ge-wesen war, konnte nun wieder sehen, und wiederum drei Stunden später liefen in der Kommandozentrale die ersten Vorbereitungen für eine Transition tiefer in diese fremde Galaxis hinein. Die Besatzung wurde unterrichtet und darüber informiert, daß die Ortungen des Schiffes einen Sprung über fünftausend Licht- jahre erlaubten. X-Zeit lief. Das Pfeifen war wieder im Schiff zu hören, die Intervalle wur- den abgebaut, und dann verschwanden auch noch die Bildkugeln in der Zentrale und allen anderen Räumen der P01NT OF. Weit von kalttunkelnden Sonnen entfernt rematcrialisierle das Flaggschiff der TF. Kurz hintereinander erfolgten die nächsten drei Sprünge, alle nur über
Distanzen von 5.000 Lichtjahren, und jedesmal wurde das Schilf, kaum daß es rematerialisierte, wieder vom Peilstrahl aus der heimatlichen Galaxis erfaßt. Dann lag das unbekannte Ziel nur noch tauscndt'ünfhundert Lichtjahre vor ihnen. »Du fliegst wieder mit Oberlicht, Ren?« fragte Riker. »Ja, das kostet wohl Zeit, aber es ist doch sicherer. Mir reicht's!« Allen Männern im Schiff reichte es, denn mit dem letzten Sprung war die P01NT OF nur zwei Lichtstunden von einer Sonne entfernt ins Universum zurückgekommen, und die Männer konn-ten von Glück sagen, daß es weder ein Riesenstern noch ein Schwerkraftgigant gewesen war, sondern eine kleine, trüb leuchtende Funzel. »Funk-Z, nichts zu hören?« »Nichts, Dhark«, gab Yogan Auskunft. »In dieser Galaxis scheint man von Hyperfunk noch nie etwas gehört zu haben.« »Schalten Sie auf volle Leistung, und legen Sie die Verbindung in die Zentrale!« Dann konnte Ren Dhark sprechen. Alle, auch der Tel, horchten erstaunt auf, als sie den Commander in der Sprache der Mysterious reden hörten. Glaubte er tatsächlich, die Geheimnisvollen in dieser Galaxis zu finden? Unbewußt schüttelte Dan Riker den Kopf. Seinem Freund war nicht zu helfen und zu raten, wenn es sich um die Mysterious han- delte. Dann begann das Warten auf die Antwort der Geheimnisvollen. Im Hyperfunkempfang blieb es so still wie zuvor. Die Mysterious antworteten nicht! Hundertachtundzwanzig Männer und Frauen in sieben verschie-denen Teams untersuchten den Planeten Babylon nur unter dem Aspekt, ob er zur Besiedelung freigegeben werden könnte. In drei Schichten, Tag und Nacht, wurde gearbeitet. Die Bakteriologen halten das größte und schwierigste Pensum zu erledigen, während die Virologen, wie auf allen anderen Planeten, die einmal von den Mysterious besiedelt gewesen waren, einen gemütlichen Job hatten. Denn selbst mit größter Mühe konnten sie auf Babylon keine gefährlichen Erreger dieser Spezies finden. In einem umfassenden Abschlußbericht wurde Babylon zur Besiedelung freigegeben.
Der leitende Stab unter Major Cass Lefter nickte sauer.
»Alles schön und gut«, sagte Joffre Thuan, »aber die Neusiedler
drehen uns durch, wenn die Controllos sie abholen. Und was ge-
schieht mit Säuglingen und Kleinkindern bei dieser robotisch ge
steuerten Überprüfung? Nein, wir können Babylon noch nicht zur
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Besiedelung freigeben, solange diese unangenehme Kontrolle ak-
tiv ist. Diese Einrichtung muß zuerst abgeschaltet werden!«
»Aber wie?« rief ihm Hawe Selam zu. »Das verdammte Aggre-
gat läßt doch keinen heran, und wo die Phasen für die Encrgiezu-
fuhr liegen, wissen wir immer noch nicht.«
Er hatte recht, der Mann vom Tschad-See. Diese Kontrolle war
die Sperre, die Neusiedler von Babylon fernhielt.
»Zerstrahlen?« machte ein Experte den Vorschlag.
Cass Lefter sah ihn kopfschüttelnd an. »Möchten Sie gern vom
Commander unangespitzt in den Boden gerammt werden? Sie wis
sen doch, wie er über die Technik der Mysterious denkt. Nein, da
lassen Sie sich bitte schnell etwas Besseres einfallen.«
Diplomingenieur Cartex sagte in seiner ruhigen Art: »Es bleibt
uns nichts anderes übrig, als das größte Energieortungsgerät einzu-
setzen, um herauszufinden, über welche Phasen die Kontrolle ver-
sorgt wird. Ich werde das sofort veranlassen.«
Das Resultat der Untersuchungen war deprimierend.
Die Kontrolle war vom Energienetz des Planeten unabhängig!
Aber was noch schlimmer war: Die Kontrolle halle begriffen,
was die neuen Herrscher über den Planeten Babylon planten, und
hatte kurz nach der Untersuchung mit einem großen Energietaster
einen Schutzschinn um sich gelegt und sich regelrecht eingeigelt.
Diplomingenieur Cartex dachte nicht daran, aufzugeben.
Er ließ sich den Plan über die Transmitterstraßen vorlegen und
studierte ihn mit seinem Team. »Aha, hier ist eine Verbindung zur Kontrolle. Über diesen Weg können wir hinein und auch wieder heraus.« Er nahm ein paar Fotos der Kontrolle zur Hand. »Wir dürfen unter keinen Umständen die Reparaturfunktionen ausschalten, aber wie halten wir uns die unfreundlichen Roboter vom Leib, wenn wir den Bio-Taster hier abschalten, der die Kontrolle jedesmal in Tätigkeit setzt, wenn 268 Menschen Babylon das erste Mal betreten?« »Ablenken!« Cartex verzog sein Gesicht, als ob er in eine Zitrone gebissen hätte. » Roboter ablenken? Lieber Himmel, wie stellen Sie sich das vor?« »Schwerkraftschleudern einsetzen.« »Besten Dank«, widersprach Cartex, nun längst nicht mehr so ruhig wie üblich. »Ich habe einen tödlichen Unfall miterlebt. Durch eine Gravitationsschleuder. Mit 480 g wurde experimen- tiert, und die beiden Männer waren auf der Stelle tot, als sie vom falsch gesteuerten Schwerkraftbereich erfaßt wurden. Sie waren nicht mehr wiederzuerkennen! Und ich möchte noch ein bißchen leben.« Sie hockten zu acht Mann in einer Kabine der FO VII und zer-brachen sich den Kopf, wie man am besten und wirksamsten der Kontrolle beikommen könnte. Hawe Selam trat ein und hörte, wie ratlos man war. »Ein Königreich für einen brauchbaren Vorschlag, Selam«, sagte Cartex. »Fällt Ihnen nichts ein?« »Vielleicht doch. Warum wird nicht versucht, den einfachsten Weg zu gehen? Das lästige Ding mittels Funkimpulsen abzuschal- ten?« »Unmöglich, Selam. Wir kennen die Symbolzeichen nicht, und wir heißen alle nicht Ren Dhark, der die Sprache der Mysterious beherrscht. Lassen wir den Fall mal über Nacht ruhen, und versu- chen wir es morgen erneut. Ich gehe noch zum Stab hinüber, ma- che ihm von unserem Fehlschlag Mitteilung und lege mich dann schlafen. Schlaf haben wir alle nötig. Gute Nacht!« Unaufhaltsam raste die POINT Op mit hoher Überlichtge schwindigkeit ihrem unbekannten Ziel in dieser fremden Galaxis zu. Der Peilstrahl vom Signalstem hielt den Ringraumer auf Kurs 269 und versorgte ihn gleichzeitig über den galaktischen Abgrund hinweg
mit der Energie, die der mit maximaler Leistung arbei- tende Sternensog verschlang. In den wissenschaftlichen Abteilungen herrschte eine selten zubeobachtende Arbeitswut. Das Neue, das Unbekannte, das Überraschende hatte jeden Experlen zu höchster Leistung angespornt, und die Tatsache, daß die Störv.erte langsam, aber unaufhaltsam niedriger geworden waren, trug viel zu dieser Arbeitswut bei. »Als ob nur unsere Galaxis dafür anfällig sei«, hatte Bentheim unzufrieden geknurrt, weil er dieses Phänomen wie das der unveränderten Gravitation nicht in sein astrophysikalisches Weltbild einbauen konnte. »Noch hundert Lichtjahre Distanz!« gab der Commander aus dem Leitstand durch. Wir haben im Zielgebiet drei Systeme erfaßt, von denen jedes Planeten besitzt. Wir werden den Sektor in drei Stunden erreicht haben.« Diese Zeilangabe bedeutete, daß die POINT OF viel von ihrer hohen Überlichtgeschwindigkeit verloren hatte. Das zeigte, mit welcher Vorsicht sich Dhark dem Ziel näherte. In der Kommandozentrale sahen die Männer dem Ende des Fluges gelassen entgegen. Sie hatten in der letzten Zeit zu viele Überraschungen erlebt und waren in dieser Beziehung etwas abge-stumpft. Was konnte sie nach Erron-1, Soradan, Babylon und dem Si- gnalstern noch verwirren? Sie waren in anderen Universen gewe- sen, sie hatten die Wunder der Sternenbrücke erlebt, den unwahr- scheinlichen Planeten unter einer simulierten Sonnenkorona, dem sie den Namen Zwitt gegeben hatten, und viele unfaßbare Wunder mehr. »Dhark, die Werte sind noch nicht genau, aber in rund einer Stunde werden wir exakte Angaben liefern können, wenn sich die Verhältnisse draußen nicht wieder verschlechtern.« Grappa, der so lange mißmutig hinter seinen Ortungen gesessen hatte, weil sie wegen der Störungen nicht mehr einzusetzen gewesen waren, sah wie ein Mann aus, der einen ausgiebigen Schlaf hinter sich ge- bracht halte. Dabei war fast jeder im Schiff seit Babylon kaum ins Bett gekommen, und immer öfter suchte dieser oder jener die Medo-Station auf, um sich stimulierende Mittel spritzen zu lassen. In der Funk-Z ödeten sich die Männer gegenseitig an. Diese Galaxis, die seil der Erzählung Dro Cimcs den Namen Drakhon weghatte, war funktechnisch betrachtet eine Wüste. Nicht ein ein- ziger Blip war bisher eingefangen worden, wenn man davon ab- sah, daß Radiosterne in dieser Stemeninsel noch häufiger zu fin-den waren als in der heimatlichen
Milchstraße. Walt Brugg gähnte laut und anhaltend und benutzte noch nicht einmal seine Hand, um sie vor den offenen Mund zu halten. Glenn Morris warf ihm deswegen keinen strafenden Blick zu, und Elis Yogan war es vollkommen egal, wer wann und wie gähnte. Schlafen wollten sie alle, aber gerade das konnten sie sich nicht leisten. »Stinklangweilig!« meuterte Brugg. Die anderen waren zu faul, um darauf zu antworten. Wie lang- weilig dieser Flug durch eine fremde Milchstraße war, wußten sie selbst. Auf allen Hyperfunkfrequenzen herrschte Ruhe, die elektromagnetischen Sender lagen still; denn was sollte man mit diesen lah-men Schleichern, wie sie im Bordjargon hießen, im Weltraum an- fangen? Die waren ja viel langsamer als jetzt noch die POINT OF, die, obwohl stark abgebremst, immer noch Überlicht flog. Im Triebwerksraum ging es nicht viel anders zu. Miles Congol- lon und seine Crew legten schon seit vielen Stunden die Hände in den Schoß und langweilten sich. Sie hatten sich damit abgefunden, daß ihr Schiff durch den Peilstrahl vom Signalstem die Energie für den Stemensog erhielt, und weil niemand eine Erklärung für diese Beschickung fand, war man zur Tagesordnung übergegangen. Im Leitstand rief Grappa dem Commander zu: »Wir fliegen drei Systeme an, die alle Planeten besitzen. Auf Grün 13 eine Doppelsonne mit vierzehn Umläufern. Auf Grün l :50 eine GO-Sonne mit sechs Planeten, und zum Schluß auf Grün 16:20 drei Sonnen mit einunddreißig Planeten. Der Abstand der Systeme voneinander beträgt 1,2 und 0,9 Lichtjahre in der Folge, wie ich sie aufgeführt habe.« Dan Riker sah seinen Freund an und meinte: »Planeten reichlich. Da haben wir noch ein hübsches Arbeitspensum vor uns, wenn wir alle drei Systeme erforschen wollen.« Das Chrono in der Kommandozentrale zeigte an, daß seit Rikers Bemerkung abermals eine Stunde vergangen war. Man konnte es auch an der Bildkugel feststellen, die auf maximale Televergröße-rung geschaltet war und das System mit den drei Sonnen klar zeigte. Bis auf zehn Liehtminuten ging Ren Dhark mit hoher Überlichtfahrt heran, schaltete dann auf Sie um, und im gleichen Moment sank die Geschwindigkeit der POINT OF unter die des Lichtes. Mit 0,91 Licht stürmte der Ringraumer weiter.
»Achtung, Einflug in fremdes Sonnensystem. Alarmstufe l! WSOst und West klar?« Nacheinander meldeten sich die beiden Waffensteuerungen, auch die Funk-Z. »Noch immer nichts. Diese Galaxis ist eine Funkwüste, Dhark. Kein Blip ist einzufangen.« Das verstand niemand, denn es widersprach allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit, daß es in dieser Galaxis keine Intelligenzen geben sollte, die Raumfahrt und Hyperfunk beherrschten. »Man kann doch gar keinen anderen Weg gegangen sein«, murmelte Dhark »weil überall zwei plus zwei vier ergibt.« »Das meinen wir, Ren, und die Tel, die Utaren, Nogk und wie sie alle heißen, aber ist Hyperfunk unbedingt erforderlich, wenn man den Raumflug beherrscht? Kann es nicht noch andere Metho- den und Wege geben, sich über Lichtjahr-Entfernungen hinweg zu verständigen?« Dhark winkte ab. »Möglich ist alles, Dan, aber ich kann es mir nicht vorstellen. In diesem Fall mangelt es mir an Phantasie. Cimc, was meinen Sie dazu?« Der Schwarze Weiße wiegte den Kopf. »Mir ergeht es wie Ih- nen, Dhark, doch warum sollte Riker nicht recht haben? Wir sind in die Gleise gezwängt worden, die die Technik uns erschaffen hat. Sind die Personen, die umwälzend Neues schufen, nicht im- mer aus einem zu starr gewordenen Rahmen ausgebrochen? Viel- leicht werden wir schon seit längerem angerufen, nur bemerken wir es nicht, weil uns die technischen Einrichtungen fehlen. Was hilft einer einzigen Person ein Vipho, wenn es keine zweite gibt, die auch dieses Gerät besitzt?« »Hm...«, brummte Dhark und überlegte. Dro Cimcs Worte wa-ren nicht zu widerlegen. Doch es fiel ihm schwer, sich deren Be- deutung in letzter Konsequenz vorzustellen. Diese fremde Milchstraße war in ihrer Zusammensetzung gar nicht so verschieden von der heimatlichen Galaxis. Daß es hier mehr Radiosterne und Quasare gab, hatte nicht viel zu bedeuten. Dunkelwolken und stark aufgeheizte Gasnebel durchzogen diese Population ebenso wie die andere. In Größe und Zahl der Sonnen unterschied sie sich auch nicht auffallend von ihrer Partnerin. Al- les sprach dafür, daß auch hier die Technik bei gleichen physikali- schen Gesetzen die gleichen Wege ging, wie sie von den Tel, den Terranern und allen anderen bekannten intelligenten Rassen ge- gangen worden waren. Dann konnte er sich mit diesem Problem nicht länger beschäfti- gen,
weil die POINT OF sich der äußeren Bahn dieses großen Sonnensystems näherte, das einunddreißig Planeten besaß. Nicht allein wegen der drei Sonnen, von denen zwei weiße Rie- sen waren, stellte das System etwas Ungeheures dar, sondern weil der äußere Planet wie auch die drei nächsten mehr als dreißigfachen TerraDurchmesser aufwiesen. Große Planeten am Rande ei- nes Systems zu finden war neu für die Besatzung des Ringrau-
Die Ortungen stießen bis zu den drei Sonnen vor, und Grappa lieferte ununterbrochen neue Werte. Die inneren acht Planeten waren zu heiß, um Leben zu tragen, aber der neunte konnte schon eine Sauerstoffwelt sein. »Zehn bis zwölf sind bestimmt Sauerstollwelten, Dhark. Was mit dem dreizehnten los ist... Moment!« Bentheim aus der Astrophysik hatte sich gemeldet. »Dhark, vier Planeten, Nummer 9 bis Nummer 13, sind Sauer stoffwelten, aber nur 10 und 11 kommen für uns in Betracht, weil die beiden anderen klimatisch nichts taugen. Nummer 9 ist zu heiß. Durchschnittstemperatur über 30 Grad Celsius; und 13 mit minus 7 zu kalt. Auf 9 müssen die Meere kochen oder im Laufe der Zeit verkocht sein, und auf 13 kann man nur Schlittschuh lau- fen oder Ski fahren.« Leicht sagte Dan Riker dahin: »Dann bleibe ich doch lieber in unserer vollklimatisierten POINT OF. Plus 30 auf dem einen Plane- ten und minus 7 auf dem anderen... brrr! Kein Bedarf für sowas!« Ren Dhark dachte anders darüber, aber er sprach seine Gedan- ken nicht aus. Langsam drosselte er die hohe Fahrt seines Schiffes, und die drei Sonnen in der Bildkugel wurden zusehends größer. Die beiden weißen Sterne waren gigantische Hochöfen, während die dritte Sonne ein Fünftel kleiner als Sol war, aber mit ihrem roten Fun- keln hübscher aussah als die Giganten. »Keine Ortung?« fragte Dhark über die Verständigung die Funk-Z. »Ein Friedhof«, erwiderte Glenn Morris. Die Bahn des vierzehnten Planeten, der in Opposition stand, wurde passiert, und das Schiff wurde noch langsamer, änderte zugleich seinen Kurs, um den dreizehnten Umläufer, der erdgroß war und eine Schwerkraft von 1,2 Gravos aufwies, auf Rot 96:34,06 anzufliegen. »Auch die Energieortung erbringt nichts, Grappa?« 274 Der junge Mann verneinte.
Dann stand die POINT OF in 1.000.000 Kilometern Abstand vor dem kalten Sauerstoffplaneten. Über die Bildkugeln im Schiff be- trachtete die Besatzung die erstarrte Eiswelt. Die Ozeane zugefroren, die Kontinente unter Eismassen ver- deckt. Nur hier und da ragten nackte Felsspitzen aus dem weißen Tod heraus, der aber diesen Namen nicht verdient hatte, weil das Eis überall schmutziggrau und braun war. »Weiter!« sagte Dhark, und mit maximalem Sie jagte er zum zwölften Planeten. Auf dem Weg fragte er sich in Gedanken, mit welcher Technik es die Mysterious geschafft hatten, ihnen den Peilstrahl nachzuschicken, der sie auch bei abrupt durchgeführten Manövern nicht aus seinen Fängen ließ. Ein Wegweiser war er weniger, mehr ein Energieversorger. Ob er auf dem Rückweg in die heimatliche Galaxis diese Arbeit auch verrichten würde? »Das hatte ich nicht erwartet!« sagte Riker unzufrieden und völ- lig ohne jeden Zusammenhang. »Was nicht, Dan?« »Daß wir hier herumsuchen müssen. Warum hat der Komman- dant des unbeschädigten Ringraumers auf dem Signalstern nicht in seinem Zielsystem rematerialisieren wollen? Drei Lichtjahre vor einem dieser drei Systeme ins Normaluniversum einzutauchen ist doch ungewöhnlich. « »Vielleicht war der Mysterious-Kommandant erregt, so daß ihm dieser Fehler unterlief. Denk an die Warnsprüche, die doch wohl allen Mysterious gegolten haben -Ron wedda wi terra! und die anderen.« »Könntest recht haben, Ren. Also weitersuchen, nur habe ich keine Hoffnung, daß wir irgend etwas finden. Weder Mysterious noch eine Spur von ihnen.« »Und der Peilstrahl, Dan? Ein Strahl, der unser Schiff mit Ener- gie versorgt und 36.726 Lichtjahre entfernt in einer anderen Ga- laxis seinen Ursprung hat? Zählt diese Tatsache gar nichts?« »Abwarten, mein Lieber...« 275 Sie wurden hintereinander von allen Sauerstoffplaneten ent-täuscht, weil die Umläufer mit normalen Durchschnitlstemperatu- ren hübsche Giltmischungen in ihrer Atmosphäre hatten, die ein Leben für Terraner unmöglich machten. Der Stemensog wurde wieder eingeschaltet, und die POINT OF jagte dem kleinen normalen System zu, das aus einer GO-Sonne und sechs Planeten bestand. »Nichts... absolut nichts!« sagte Elis Yogan in der Funk-Z. »Ich möchte
gern wissen, was Dhark in diesem Gebiet eigentlich sucht. Nur weil's diesen Peilstrahl gibt, ist er hierher gekommen?« Lustlosigkeit breitete sich auch in der Zentrale aus, als Grappa meldete, auf dem vierten Planeten nicht einen einzigen Energieer- zeuger anmessen zu können. Drei Stunden später jagte der Ringraumer auf das dritte und letzte System zu, festgehalten vom Peilstrahl, der jede Kursände-rung mitmachte. »Ren, deine Hartnäckigkeit ist zu bewundern«, sagte Dan Riker mit leichtem Spott in der Stimme. Diesen Spott konnte der Commander, der wie alle anderen durch die erfolglose Suche gereizt war, nicht mehr vertragen. »Du kannst dir deine Bemerkungen sparen, Dan!« entgegnele er ihm scharf. »Bitte!« Die Doppelsonne wurde größer. Es handelte sich um zwei fast gleichgroße, weiß und orange leuchtende Sterne, die von vierzehn Planeten umlaufen wurden. »Auch hier nichts...«, sagte Yogan in der Funk-Z. Da drehte der übermüdete Glenn Morris durch. Er schlug mit der Hand auf die Kante seiner Echokontrolle und schnauzte seinen Kollegen an: » Verdammt, daß hier nichts ist, wissen wir alle, aber dann brauchen wir es nicht auch noch ununterbrochen zu hören. Nichts...! Nichts...! Verdammt noch mal!« Er wollte noch mehr sagen, aber er mußte krampfhaft schlucken. Seine Echokontrolle hatte einen betriebsklaren fremden Sender erfaßt. Im gleichen Moment war sein Zorn verraucht, und über die Verständigung unterrichtete er Dhark. »Von welchem Planeten, Morris?« »Vom vierten! Betriebsklarer Hypersender.« »Drehen Sie unseren bis zur maximalen Leistung auf und Verbindung zu mir. Ich rufe noch einmal durch!« Zum zweitenmal strahlte der starke Sender der POINT OF einen Spruch in der Sprache der Mysterious ab. Schlagartig hatte sich im Schiff wieder die Spannung breitgemacht. Wer würde antworten? Ein Mysterious? Hatten sie nun endlich ihre Heimatwelt entdeckt? Keine Antwort! Ren Dhark wiederholte nochmals.
Wiederum Schweigen im Hyperfunk-Empfang. »Ist die geortete Station tatsächlich betriebsklar, Morris?« vergewisserte sich der Commander, der langsam auch die Geduld verlor. »So klar wie unser Sender. Soll ich mal auf eine andere Frequenz gehen?« Auch das brachte keinen Erfolg. Währenddessen stieß der Ringraumer in das System hinein. Die äußeren Planeten wurden kurz getastet und dann außer acht gelassen. Mit hoher Fahrt jagte Dhark die POINT OF auf den vier- ten Planeten zu, der eine Sauerstoffwelt von der Größe Terras war, aber mit seiner Durchschnittstemperatur von 20,2 Grad eine un- gewöhnlich starke Wärme aufwies. Im Abstand von einer Million Kilometer wurde die letzte Luftanalyse abgeschlossen. Diese Welt besaß eine Atmosphäre, die noch sauerstoffhaitiger war als die Terras. »Ich orte Energieerzeuger...« Kaum verständlich war Grappas Durchsage. »Viele, aber alle sind klein, leistungsschwach. Sie sind über den gesamten Planeten verteilt. Ich erfasse immer mehr. Zu schätzen wage ich nicht, so viele sind es in den letzten Sekunden geworden.« Hastig drehte sich der Commander nach ihm um. »Sie haben doch keine Roboter geortet, Grappa?« »Das... das hatte ich schon befürchtet, als ich Meldung machte«, sagte der junge Mann, dem sein Verdacht nicht geheuer war. Die Bildkugcl erfaßte den fremden Planeten mit Tclc und durchbrach mit Infrarot die dichten Wolkenbänke, die eine Direkt- sicht auf die Oberfläche verhinderten. Schweigen in der Zentrale. Einer warf dem anderen ratlose Blicke zu. Was war das, was sie sahen? Weiße, flache, viereckige Kästen. Überall. Alle durch schmale Grünanlagen voneinander getrennt. Zur Abwechslung mal ein Planet, der mit weißen Flachbauten übersät war? Ein Planet, der auf der den Terranern zugewandten Seite als Ozean einen besseren Teich besaß, aber auch der war von den weißen, viereckigen Kästen nicht verschont worden. Sie schwammen auf ihm! »Keine Blips, Funk-Z?«
»Keine! Wir orten mit der Echokontrolle nur einen einzigen, aber starken Hyperscnder!« Dro Cimc murmelte Worte in seiner Heimatsprache, die im Ton nicht gut klangen. Auch der Tel konnte den Zweck dieser Bauten dort unten nicht begreifen. Verglichen mit Babylon war diese Welt ein einziges Bauwerk, Babylon hingegen eine Parklandschaft mit wenigen Ringpyramiden. Die POINT OF stürzte sich mit gefechtsklaren Antennen auf die Oberfläche hinab. Vergeblich suchte der Commander nach einem Raumhafen. Dort unten gab es keinen! Oder sollten auch hier die flachen Dächer wie auf Babylon gleichzeitig als Landefläche dienen? In der POINT OF gab es keinen einzigen müden Mann mehr. »Sogar von Ufer zu Ufer haben sie die Kästen errichtet!« »Rechts, das Gebirge! Großer Himmel, auch dort Kasten an Ka- sten! In die Berge hineingebaut!« Die Ortungen hatten nichts Neues zu melden. Die POINT OP fuhr ihre Teleskopbeine aus, obwohl sie immer noch einige lausend Meter hoch war. »Wo willst du landen, Ren?« fragte Riker. »Auf einem der grünen Streifen zwischen den weißen Bauwer- ken. Sie sind gerade breit genug für unser Schiff.« Daß er dabei Baumgruppen wie Streichhölzer zerbrechen mußte, war unbedeutend. Und ob dicht unter der Oberfläche Fels war oder nicht, hatte nichts zu besagen. A-Grav würde die POINT OF not-falls so leicht machen, daß die breiten Aufleger der Teleskopstüt- zen keinen Zentimeter tief ins Erdreich einsinken würden. »Keine Fenster! Nirgendwo ein Eingang!« Hilflos sah Riker sei- nen Freund an. »Ren, wohin hast du uns mit deiner Sturheit nur gebracht?« »Wenn ich das wüßte, Dan...« »Hat uns der Peilstrahl noch?« Dhark bewegte sich ruckartig. »Nein! Zum Teufel, nein! Seit wann bloß? Also...« Verwirrt fuhr er sich durch sein Haar. »Frage Grappa!« Er mußte den Ringraumer zwischen den fenster-und portallosen weißen Würfelbauten landen, die alle die gleiche Höhe von drei hundertneun Metern besaßen und ebenso breit waren. Weich setzte die POINT OF auf und zerfetzte dabei an die hun- dert Baumriesen. A-Grav hielt das Schiff. Der Sie wurde abge-schaltet und nach ihm das Triebwerk.
»Wenn jetzt ein Controllo oder etwas Ahnliches erscheint und uns zur Identifizierung schleppen will, lasse ich durch die WS das Feuer darauf eröffnen.« Leise fragte ihn Riker. »Ganz wohl scheinst du dich in deiner Haut auch nicht zu fühlen?« »Bei dem Würfelzirkus?« stellte Dhark barsch seine Gegenfrage 278 279 und deutete auf die Darstellung in der Bildkugel. »Babylon mit seinen Ringpyramiden... ja, das war noch erträglich, aber eine komplette halbe Planetenseite mit einem weißen Würfel neben dem anderen zu bepflastern ist unerträglich! Denn man denkt un- entwegt: Hier haben Verrückte gebaut!« »Deine liehen Freunde, die Mysterious, Ren...« Dieses Mal schwang in Rikers Stimme kein Spott mit, sondern leichtes Be- dauern. Über wen? Ober die Mysterious oder über seinen Freund? Der betrachtete kopfschüttelnd immer wieder diese weißen, viereckigen Würfel ohne Fenster und ohne Türen. 9. Auf Babylon, Erron-1, Terra und vielen anderen Planeten, auf denen Terraner Fuß gefaßt hatten, atmete man auf. Die Störungen des elektromagnetischen Feldes der Galaxis wur- den schwächer, und je schwächer sie wurden und so den Hyper-space nicht mehr belasteten, desto besser klappte der To-Funk wieder. Erron-1 und Babylon waren plötzlich wieder in der Lage, Cent Field direkt anzurufen, während die mächtige Hyperfunksta-tion des größten terranischen Raumhafens noch nicht direkt durch- kam, sondern ihre To-Funksprüche über einen S-Kreuzer, der auf halbem Weg nach Erron-1 als Relaisstation füngierte, weiterleiten lassen mußte. 280 Hawe Selam hatte Cartex mitten in der Nacht geweckt. Verschlafen blinzelte ihn der Diplomingenieur an. »Eine unpassendere Zeit als drei Uhr früh konnten Sie sich wohl nicht aussu-chen, Selam?« Der winkte lässig ab. »Hier geht es nicht um Etikette, hier geht es darum, wie man die Kontrolle ausschalten kann, ohne die Ge- samtanlage lahmzulegen. Ich habe einen Weg gefunden, Cartex.« In diesem Moment wurde der Diplomingenieur hellwach. »Wie?« fragte er kurz, richtete sich auf und zeigte dabei seine prachtvoll behaarte Brust.
Selam saß ihm gegenüber bequem in einem Sessel und wollte rauchen. »Wo ich schiale, wird nicht die Luft verpestet!« grollte Cartex, und Selam steckte die Zigarette wieder ein. »Gute Nacht, Cartex, und entschuldigen Sie die Störung«, sagte der dunkelhäutige Mann, stand schon auf und ging zur Tür. Verdutzt blickte Cartex ihm nach. Fluchend verließ er sein Bett, kleidete sich hastig an und eilte ein Deck liefer zu Selams Kabine. Der saß im Sessel, rauchte und trank einen Brigg dazu; einen dreistöckigen. »So spät noch auf, Cartex?« fragte er scheinheilig. »Lassen Sie die Faxen, Selam. Welchen Weg haben Sie gefun- den?« »Den einfachsten! Was die Kontrolle kann, können wir schon lange. Wir packen die gesamte Anlage unter einen hochenergeti- schen Schutzschirm, und die Controllos sichern wir ebenso ab.« Diplomingenieur Cartex nannte sich Rindvieh. Selam tröstete ihn. » Manchmal sehe ich ja selbst vor lauter Bäumen den Wald nicht.« Mit der Nachtruhe war es vorbei. Kurz nach sechs Uhr morgens war die lästige Konirolle abgesi-chert, und auch der letzte Controllo ebenfalls unter einem energe-tischen Schirm eingesperrt. Terra erreichte die Nachricht, daß Babylon zur Besiedelung frei-gegeben worden sei, gegen 7.10 Uhr Normzeit. Der Funkspruch von Babylon leitete den Evakuierungsplan B-01 ein. Schlagartig stand das Ministerium für Kolonialplaneten vor neuen, kostspieligen Aufgaben. Babylon war zur Besiedelung freigegeben worden! Der leitende Stab hatte als erste Einwanderungsquote 35 Millio-nen Menschen festgesetzt. »Sind die verrückt geworden?« fragte der zuständige Minister seine drei Referenten. »35 Millionen? Woher sollen wir das Geld nehmen, um diese Menschen nach Babylon zu befördern? Siff, stellen Sie eine Verbindung zu meinem Kollegen von der Finanz her.« »35 Millionen?« jubelte dieser. »Ausgezeichnet, Kollege, weil wir die Umsiedlung ab sofort nicht mehr kostenlos durchführen. Pro Kopf sind zwanzig Dollar zu entrichten. Dafür wird die An- ordnung über privates Eigentum, das bisher auf dreißig Kilo be-schränkt war, auf fünfzig Kilo
pro Person heraufgesetzt. Babylon bietet nach den uns vorliegenden Berichten den Neusiedlern einen unvorstellbaren Komfort in allen Ringpyramiden, so daß sie nicht mehr erwarten können, kostenlos Nachschub von Terra zu erhal- ten. Jedes Stück, jedes Teil muß zusätzlich zu den Frachtkosten auch noch bezahlt werden. Im Augenblick wird gerade in meinem Ministerium der Frachttarif ausgearbeitet. Henner Trawisheim hat mir 100 mit den neuen Robotern besetzte Schiffe zugewiesen, und die werden wir alle einsetzen. Zuerst als Transportschiffe, danach als Handelsraumer, die pro Schiff und Flug bis zu 1,2 Millionen Dollar Transportgebühren einbringen können. Dabei sind die Ge- winne durch die kleine Zusatzsteuer auf Handelsgüter noch nicht berücksichtigt.« Der Minister für Kolonialplaneten traute seinen Ohren nicht. Mit keinem Wort hatte sein Kollege die leere Kasse der terrani- schen Regierung erwähnt. Mit einem Mal schien es keine Inflati- onsgefahr mehr zu geben. Und dann durfte er sich auch noch an- hören: »Geld spielt im Augenblick keine Rolle! Nur müssen wir so schnell wie möglich die 35 Millionen nach Babylon schaffen, damit der Rubel wieder ins Rollen kommt und die terranische In-dustrie mit ihren Großbanken endlich wieder die Tresore öffnen muß und uns ihr Geld zufließen läßt.« Dem Minister für die Kolonialplaneten fiel es schwer, seinem Kollegen zu folgen. War das nicht ein Vabanquespiel, das hier mit 35 Millionen Neusiedlern versucht wurde? 282 283 »Es ist keines!« widersprach der Finanzminister. »Aber endlich haben wir die Möglichkeit, binnen eines Jahres unsere Staatsfman-zen wieder in Ordnung zu bringen. In spätestens einer halben Stunde werden Sie von Trawisheim die Order erhallen. Evakuie- rungsplan B-01 anlaufen zu lassen und...« »Was? B-01? Anderthalb Milliarden Menschen sollen nach Ba-bylon evakuiert werden?« »Ja, und das im Laufe der nächsten Monate. Ein Glück, daß wir alle Vorbereitungen dafür schon längst getroffen und abgeschlos- sen haben. Um 14.30 Uhr Normzeit unterbrechen alle TV-Statio- nen ihr Programm und rufen die erste Quote von 35 Millionen Umsiedlern dazu auf, sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden bereitzumachen.« »Und was sagt die Industrie dazu, auch wenn nach Plan B-01 für Ersatz
der Arbeitskräfte schon gesorgt ist?« »Sie wird noch mehr als bisher automatisieren müssen, wenn morgen die Regierung meinen Vorschlag genehmigt, eine achlpro-zenlige Exportsteuer auf alle Waren zu erheben, die Terra verlas-sen,. Die Importsteuer nach Terra wird ebenso hoch liegen. Damit hätten wir durch Babylon die einmalige Chance, unsere Finanzen kurzfristig zu sanieren.« Dem Minister für Kolonialplaneten sträubten sich die Haare. »Aber damit wird doch auf der Erde alles teurer!« »Nein. Der Index wird um keinen Cent sieigen, weil Babylon so billig liefern kann, daß trotz der Einfuhrsteuer die von dort einge- führten Waren preiswert bleiben.« »Und wie zahlt Babylon, Kollege? Wollen Sie den Siedlern ei- nige hundert Tonnen blütenfrischer Banknoten mitgeben, die auf Terra keine Deckung haben?« fragte der Minister spitz. »Babylon zahlt mit seinen Waren, die es an Terra und andere Planeten liefert. Fünfzig Prozent des Warenwertes erhält Babylon, die restlichen fünfzig fließen in die Staatskasse, zusätzlich zu den acht Prozent Importsteuer!« »Halsabschneider!« platzte der Minister für Kolonialplaneten heraus. »Besser das als ein Pleitegeier!« erwiderte der Finanzminister abgebrüht. »Ich glaube, bis erst einmal alles richtig läuft und die 100 Raumer ununterbrochen zwischen Terra und Babylon pendeln, werden wir alle wenig Schlaf finden.« »In meinem Ministerium bestimmt. Evakuierungsplan B-01... na, viel Vergnügen kann ich mir und meinen Mitarbeitern kaum wünschen...« Eine Expedition mußte nach draußen, denn auch Tino Grappa war nicht fähig, zu erklären, welchen Zweck die kleinen Energie- erzeuger hatten, die er mit seiner Ortung erfaßte. Ein Konverter in jedem Würfel! Und so viele Konverter, wie es Würfel gab. Sie zu zählen war sinnlos. Durch den Checkmaster ausrechnen zu lassen, wie viele es auf diesem vierten Planeten des Doppel.sonnen-Systems gab, brachte auch nichts ein. »Dhark, ich würde den Einsatz von Flash vorschlagen«, gab ihm der Schwarze Weiße den Rat. »Mit ihnen haben wir es nicht schwer, einen der Würfel aufzusuchen. Und wenn der Brennkreis vor der Gebäudefront noch abgeschaltet würde, könnten wir sogar Beschädigungen durch den Sie vermeiden.«
Viele, die abkömmlich waren, hatten sich in der Zentrale eingefunden. Diese weißen Würfel hatten sie in den Leitstand getrieben, in der vagen Hoffnung, dort vielleicht schon etwas zu erfahren. Riker war mit dem Vorschlag von Cimc nicht einverstanden. »Warum nicht Roboter einsetzen, die für unsere Sicherheit sorgen und uns zum Dach eines Würfels hinauffliegen? Ich denke nur an unseren ersten Landeplatz auf Babylon, auf der Ringpyramide, und an die AGravschächte, die sich plötzlich auftaten und beide Schiffe in die Tiefe schafften. Warum sollte es hier anders sein? Das Fehlen von Fenstern und Portalen deutet meiner Meinung nach doch geradezu daraufhin.« Chris Shanton nickte. Manu Tschobe auch. Doorn bezog keine Stellung. Das ersparte ihm das Sprechen. Zum Schluß sahen alle den Commander fragend an. Wie immer sollte er die Entscheidung fällen. »Okay, Dan, versuchen wir es mit unseren Robotern, aber als zweite Sicherung sollen sechs Flashpilolen Sitzwaclie in ihren Blitzen halten und auf Anforderung versuchen, uns aus der Patsche zu helfen.« »Rechnest du schon wieder mit Zwischentallen, Ren?« »Wann erleben wir denn keine?« Er drehte sich nach Falluta um. »Wir können den Alarm beenden. Schicken Sie ein Drittel der Be- satzung in die Federn. Vier Stunden Schlaf, damit das nächste Drittel nicht so lange darauf warten muß, und die dritte Schicht kann dann acht Stunden schlafen.« »Dhark, wollen Sie so lange aufbleiben? Sie und wir sind doch alle hundemüde!« hielt ihm Falluta mit Recht vor. »Fragt uns dieser Planet danach, Falluta?« Dann bestimmte er,
wer sich an der Expedition beteiligen sollte: die Cyhorgs, Alsop,
Sass, Oshuta und Carrell. Riker, Doorn, Tschobe, Shanton mit
Jimmy und Dro Cimc.
Zehn Roboter wurden aktiviert und erhielten ihre Befehle. Alle Männer, auch die Cyhorgs, suchten geschlossen die Medo-Slation auf und ließen sich von Hanfslik und Maitskill aufputschende In jektionen verabreichen. »Dhark, das war aber das letzte Mal. Wir können nicht verant- worten, daß uns plötzlich die halbe Mannschaft trotz Spritzen zu-sammenbricht, und besonders Sie übernehmen sich schon wieder!« An der Schleuse 3 erwarteten sie die Roboter. Die kegelförmi- gen Maschinen hatten zusätzlich kleine Antigravgeräte mittels
Magnethalterungen montiert. Sie fuhren ihre Greifer aus und ho- ben die Männer an, als ob die kein Gewicht besäßen, und dann schwebten die Melallkonstruktionen die Rampe hinunter. Zwi- schen den Teleskopbeinen der POINT OF lagen entwurzelte und zerfetzte Riesenbäume mit ihren gewaltigen Kronen. Für die Robs kein Hindernis. Sie schwebten mit ihrer Traglast darüber hinweg. An der weißen Gebäudewand stiegen sie senkrecht dreihundert-neun Meter hoch und erreichten nach knapp einer Minute das Flachdach des Würfels, wo sie die Männer behutsam absetzten. Die blickten in die Tiefe und auf die blauschimmernde Ring- röhre, die den Namen POINT OF trug. Aus dieser Perspektive sah das Schiff gar nicht mehr so imponierend aus. Von ihrem Standort aus blickten sie auf eine weiße Fläche, die, je weiter der Blick wanderte, so aussah, als ob sie zusammenhän- gend sei. Auftragsgemäß sicherten die Roboter die Gruppe in einem lok- keren Kreis ab. Die vier Cyborgs hatten schon beim Verlassen des Ringraumers auf ihr Zweites System geschaltet. Den Phant wollten sie nicht einsetzen, weil die Lage noch ruhig war. Langsam wanderten sie über das Flachdach der gegenüberlie- genden Kante zu. Sie hatten schon mehr als die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als Dan Riker seinen Freund anstieß und ihn auf die Verfärbung im Dachboden aufmerksam machte. Ein Dreieck in gelblichem Farbton zeichnete sich deutlich ab. »Ich mache mit meinem Roboter einen Versuch«, bestimmte Dhark und ließ sich wieder aufheben. Der Rob führte jeden Befehl ohne Zeitverzögerung aus. Langsam schwebte er auf das eingefärbte Dreieck. Es geschah nichts. Die anderen kamen, von Robotern getragen, hinzu. Alles blieb, wie es war. »Setz mich ab!« befahl Dhark seinem Maschinenmenschen. Aber kaum hatte er mit seinen Füßen den Flachdachboden be- rührt, als dieser verschwand. Er und alle anderen schwebten langsam in die Tiefe. »Zum Teufel«, knurrte Manu Tschobe, »auf Roboter keine Re- aktion, nur auf Lebewesen. Eine raffinierte Steuerung. Und nun bin ich gespannt, wohin diese Reise geht.« Der Schacht hatte die Form eines gleichschenkligen Dreiecks. In einem Würfelbau etwas Ungewöhnliches, aber kaum hatten sie die
zweitoberste Etage passiert, als sie begriffen, warum er in dieser Form konstruiert worden war. Jede Etage war in drei Hauptabteilungen unterteilt. Leere Gänge. Lichtüberflutete Gänge. Das Blaulicht der Myste-rious. »Sollen wir nicht aussteigen?« fragte Doorn, als sie nur noch hundert Meter hoch waren, wie seine Distanzortung ergab. »Bis zum Erdgeschoß. Bitte Bescheid sagen, Doorn, wenn wir so tief sind.« Der andere nickte nur. Die Roboter hatten sie in einen Kreis eingeschlossen. Die kegelförmigen Maschinen bildeten den äußeren Ring, die Menschen be- fanden sich in ihrem Inneren. Äußerlich unterschieden sich diese Maschinen nicht von denen, die auf Terra ihre Arbeit in den Industrieanlagen aufnahmen oder auf Raumschiffen dienten. Aber diese zehn Roboter waren eigens für eine Erprobung an Bord der POINT OF entwickelte Prototypen. Sie waren mit einer beträchtlichen Anzahl von Waffen ausgerüstet und entwickelten im Notfall eine eindrucksvolle Kampfkraft. »Nächste Etage Erdgeschoß!« rief Doorn so laut, daß es jeder hören mußte. Sie verließen den A-GravIift und betraten einen breiten Gang. Der Boden war mit einem Kunststoff ausgelegt, der jeden Schritt dämpfte. Die Ruhe war unheimlich und bedrückend. »Was mag das sein?« fragte nun auch Ren Dhark, nachdem sich alle anderen schon unterwegs im Lift diese Frage gestellt hatten. Sie erreichten die erste Tür. Sie schwang zurück, als Dhark und Riker sich ihr bis auf einen Schritt genähert hatten. Ein Zimmer mit zwei Schwebebetten. Vier Sessel. Ein kleiner Schwebetisch und drei Metallstutzen, die aus der Wand ragten, darunter ein metallenes Auffanggerät - 288 vielleicht ein Handwaschbecken ? Mit den Männern waren nur drei Roboter in den Raum gekom- men. Die anderen sieben blieben sichernd auf dem Gang. Dro Cimc legte seine rechte Hand um einen der drei Stutzen. Im gleichen Moment sprudelte warmes Wasser ins Becken! Und es sprudelte nicht mehr, als der Tel seine Hand vom Stutzen löste. Warmwasser! Kaltwasser und - mit Sauerstoff angereicherte Luft! In den Wänden Schlitze. Belüftungs- und Klimaanlage. Neben den beiden Schwebebetten eine Art Nachttisch, der auf seiner
Platte Steuerschalter hatte. Vier insgesamt. Ren Dhark betätigte sie. Einen nach dem anderen. Nichts ereignete sich. »Aber was stellt dieses Zweibettzimmer dar?« Sie erfuhren es erst, als sie wieder den A-Gravschacht benutzt hatten und sich im Tiefkeller umschauten. Dieser Würfelbau war ein Hospital! Eine Klinik, die so phanta- stisch eingerichtet war, daß der einzige Arzt unter Dharks Män-nern die Sprache verloren hatte. Manu Tschobe kam aus seiner Fassungslosigkeit nicht mehr heraus. »Dagegen ist die Einrichtung der Medo-Station in der POINT OF Ausschuß!« urteilte er. »Wirklich so wunderbar, Tschobe?« fragte Ren Dhark, der von medizinischen Dingen nicht allzuviel verstand. »Einmalig, Dhark, einmalig! Sehen Sie sich das an...« Aber er kam nicht dazu, seine Begeisterung in Worte zu fassen, denn die Cyborgs Carrell und Sass hatten eine andere Entdeckung gemacht. Sie hatten einen Tankraum mit durchsichtigen Plastiktanks ge- funden, die bis zum Rand gefüllt waren und tiefgekühlt wurden. Ein paar hunderttausend Liter waren hier gelagert, aber was war 289 in den Tanks? Antwort konnte nur der Mediziner Manu Tschobe geben, doch dem fiel es offensichtlich schwer zu sprechen. »Blutplasma...? Gleich ein paar hunderttausend Liter...?« Die Überraschungen nahmen kein Ende. Der Tiefkeller der Kli-nik mit einer Ausdehnung von drcihundertneun mal dreihundert-neun Metern war ein einziges medizinisches Wunderwerk. »Nein!« sagte Manu Tschobe und hob abwehrend die Hände. »Ich muß mich irren. Ich irre mich bestimmt! Bestimmt...« Hinter einer transparenten Wand, in geschlossenen und wie-derum durchsichtigen Gefäßen, bewegte sich etwas kaum merk- lich. »Tschobe, was könnte das sein?« »Fleisch!!« preßte er hervor. »Fleisch, das lebt. Fleisch, das künstlich erzeugt worden ist. Ein paar hundert Tonnen Fleisch...« Shanton mischte sich ein. »Aber Fleisch ist doch keine breiige Masse, Tschohe?! Und das widerlich anzusehende Zeug ist einwandfrei breiig. Fleisch hinge- gen ist immer gebunden.« Der Afrikaner sah den dicken Diplomingenieur mitleidig an.
»Breiiges Fleisch zu binden und ihm Form zu geben ist auch für terranische Ärzte kein Kunststück mehr, aber Fleisch in dieser Form konserviert zu speichern, das schaffen wir auf der Erde nur für zwei, drei Monate. Danach geht selbst in den besten Lösungen alles kaputt. Doch wie lange mag das hier schon liegen?« Wieder meldete sich die POINT OF, und Falluta stellte zum zweitenmal den Antrag, noch eine zweite Expedition hinauszu schicken, um einen anderen Würfelbau zu inspizieren. Jetzt gab Ren Dhark seine Zustimmung. Eine halbe Stunde später nahmen sie mit der Gruppe Leon Be-birs Funkkontakt auf. Die Männer um den Zweiten Offizier waren verwirrt, weil auch sie sich in einer gigantischeil Klinik mit rie- sengroßen OP, Blutplasmabänken und Breifleischtruhen aufhiel »Lazarus!« sagte Dan Riker. »Was?« fragte Tschobe ihn, der den Zusammenhang nicht be- griff. »Ach, nichts, Tschobe. Ich habe diesem Planeten gerade nur den passenden Namen gegeben: Lazarus — wenn sich herausstellen sollte, daß alle Würfclbauten Kliniken sind.« »Alle?« »Das wäre ja Wahnsinn...« »Unsinn, so etwas nur anzunehmen...!« Die Widersprüche kamen von allen Seiten. Vierundzwanzig Stunden später, nachdem die POINT OF aus der beginnenden Nacht zur anderen Seite des Planeten Lazarus geflo- gen war, um dort wieder zwischen Würfelbauten zu landen, wuß- ten sie, daß dieser Planet eine Welt für kranke Mysterious gewesen war, die hier Heilung gesucht und gefunden hatten. Auch Ren Dhark hatte sich ausgeschlafen und saß in der Messe mit seinen Freunden zusammen. »Uns hier noch länger umzusehen ist sinnlos, denn wir finden nur Kliniken, die nach Schema F der Mysterious erbaut sind; doch was mich wieder stutzig gemacht hat: Auf jedem Planeten, auf dem sie gelebt haben, trafen wir das gleiche an. Ihre Supertechnik -aber von ihnen selbst keine Spur!« »Und hier nun diese verlassene Klinikwelt«, sagte Manu Tschobe, dessen Begeisterung sich in Niedergeschlagenheit um- gewandelt hatte, weil er trotz allen Suchens keine Erklärung für diese Massierung von Kliniken finden konnte. Sein Blick fiel wieder auf einen der Bildschirme. Von allen Seiten war die POINT OF von Würfelbauten umgeben, denn auf Lazarus gab es keinen Raumhafen. Dafür war beim Bau der Kliniken kein Platz übriggeblieben, und die Probe, ob der Ringraumer auf einem
Flachdach landen könnte, ohne daß es ein- brach, wollte Ren Dhark nicht unternehmen. Die Kursdaten für den Flug zum dritten Planeten waren schon erstellt, und Lazarus sollte in einer knappen Viertelstunde verlassen werden. 290 291 Tino Grappa störte die Planung. Seine Energie- und Distanzortung schlug an! Aus Richtung des dritten Planeten kam ein Raumschiff! »Grappa, irren Sie sich bestimmt nicht?« vergewisserte sich Dan Riker noch einmal. »Nein! Das Raumschiff ist sehr klein. Nicht über fünfzig Me-ter.« Walt Brugg aus der Funk-Z unterbrach ihn über die Bordver ständigung. »Das ist zum Verrücktwerden! Erst kein einziger Blip einzufan-gen, und jetzt ist ein Hypersender aktiv, der Lazarus anfliegt. Ein sehr starker Sender, der...« »Sendung hereingeben, Brugg!« befahl Ren Dhark, der plötzlich fieberte und von der Hoffnung getragen wurde, eine Sendung in der Sprache der Mysterious zu hören. »Nicht möglich, denn die heranfliegende Station ist nur in Be- trieb, sendet aber weder Text, noch etwas anderes. Bitte...« Walt Bruggs Durchsage stimmte. »Brugg, dann rufe ich das Schiff an. Kann ich sprechen?« »Alles klar!« Ren Dhark beugte sich vor, hielt mit den Händen die Armslützen seines Pilotensitzes umklammert und sprach auffallend hastig in der Sprache der Mysterious. In der Zentrale war die Spannung hochgeschnelll, und selbst der letzte Offizier schaute den Commander, der seinen Anruf beendet hatte und sich zurücklehnte, abwartend an. Mit hastiger Bewegung schob er sich eine Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie an und rauchte. Grappa wagte in dieser Phase keine neue Meldung abzugeben, obwohl das anfliegende Raumschiff gerade seinen Kurs geändert hatte. Konnte man vor Minuten noch fest damit rechnen, es würde Lazarus anfliegen und vielleicht sogar darauf landen, so jagte das kleine Raumschiff auf dem neuen Kurs in ei-ner Entfernung von mehr als hunderttausend Kilometern am vier- ten Planeten des Doppelsonnensystems vorbei. Die Spannung in der Zentrale war kaum noch zu ertragen. Kam jetzt die Antwort aus dem fremden Raumschiff? Da meldete Wald Brugg, und seiner Stimme war die Enttäu- schung
anzuhören: »Fremdes Raumschiff hat laut unserer Echo- kontrolle den Hypersender abgeschaltet, auch den Empfänger.« »Verdammt!« fluchte Dan Riker, der dann den Kopf schüttelte. »Ren, sollen wir nicht hinter dem unbekannten Schiff herjagen und es zwingen, Kontakt mit uns aufzunehmen?« Der hatte mit diesem Gedanken auch schon gespielt. Aber wuß- ten sie denn, welche Überraschungen vom dritten Planeten kom- men konnten, der ebenso wie Lazarus eine Sauerstoffwelt war, und konnte nicht durch die Jagd auf das kleine Schiff eine Aktion aus- gelöst werden, die für die POINT OF und ihre Besatzung den Un-tergang herbeiführen konnte? »Dan, das ist zu gefährlich. Erst müssen wir erfahren, ob der dritte Planet so harmlos ist, wie er sich gibt. Ich glaube auch nicht mehr daran, daß es in dieser fremden Galaxis keine raumfahrenden Intelligenzen gibt...« »Dhark!« Yell, der neben Grappa saß, hatte den Schrei ausgestoßen. Der Commander sprang auf und stand nach wenigen Sätzen ne- ben seinem Offizier. »Da!« Yell deutete auf sein Oszillo und auf die Scheibe darüber, die die Flugbahn des unbekannten kleinen Schiffes aufzeichnete. In gewaltigen Spiralen schraubte sich der Raumer auf Lazarus herunter! Abermals hatte er seinen Kurs geändert. »Keine halbe Million Kilometer entfernt«, murmelte der Com mander, der längst nicht mehr allein hinter den Ortungen stand. Nur Riker durfte als Kopilot seinen Platz nicht verlassen und mußte sich mit den Daten zufriedengeben, die ihm automatisch zugespielt wurden. Die Tasteranlage der POINT OF ließ das kleine Schiff nicht mehr los, das sich in immer engeren Spiralen dem Planeten Lazarus näherte. »Tatsächlich keine Fremdortung, Grappa?« fragte Dhark »Nicht die Spur, und doch muß uns das andere Schiff erfaßt ha- ben. Sehen Sie doch, wie genau es seinen Kurs auf unseren Lan-deplalz ausgerichtet hat!« »Und der ist nicht besonders günstig. Zwischen den Klinikge- bäuden... Dan, A-Grav hoch! Schiff in fünfhundert Metern Höhe stehenlassen!« Er hatte sich nicht einmal zu seinem Freund umge- dreht, als er ihm den Befehl zurief. Diese Spirale, die auf der Scheibe über dem Oszillo zu
sehen war, bannte ihn. Der Ringraumer schwankte schwach, als er, durch die A-Grav-kräfte erfaßt, abhob und senkrecht zwischen den Klinikbauten nach oben stieg. Das Triebwerk arbeitete im Leerlauf, und der Sie war noch nicht eingeschaltet worden. Da hatte Tino Grappa sämtliche Werte über das kleine Schiff. »Kugelraumer mit 48 Metern Durchmesser. Verfügt über sehr starke Energieerzeuger.« »Keine Intervalle festzustellen, Grappa?« unterbrach ihn der Commander ungeduldig. »Keine. Schiff fliegt sogar ohne Schutzschirm!« Bis auf 180.000 Kilometer war der kleine Raumer schon heran. Auch für einen Laien mußte nur klar sein, daß sein Ziel POINT OF hieß, denn die Spirale auf der Scheibe zeigte es unmißverständlich. Das Flaggschiff hatte fünfhundert Meter Höhe erreicht und stand, von den A-Gravkräften gehalten, bewegungslos über dem Meer von Klinikbauten. Kurz hintereinander meldeten die beiden Waffensteuerungen das Ringschiff gefechtsklar. »Dhark, der kleine Kahn wird noch schneller!« Grappa schüt- telte den Kopf, obwohl er nicht erklären konnte, was ihm an die- sem Raumschiff nicht gefiel. Zum fünften oder zum sechsten Mal überprüfte er die Daten, die ihm die Massentaster lieferten. »Dhark, ist das normal? Kann ein kleines Schiff so viel Masse besitzen? Ich komme damit nicht klar und...« Ein ungeheurer Verdacht schoß Dhark durch den Kopf. Gefahr! schrie die Ahnung in ihm. Er wirbelte herum und rannte zum Pilotensitz zurück. Sie auf maximale Leistung! A-Grav stehenlassen! Die POINT OF raste aus fünfhundert Metern Höhe los, und die Andruckausgleicher im Schiff begannen so laut zu heulen, daß sie die erstklassige Schallisolierung überwanden. »Was ist denn jetzt los, Ren?« fragte Riker, der das Handeln sei- nes Freundes nicht verstand. »Was... was... wieso? Fluchtkurs? Flucht vor dem kleinen Kahn?« Der Commander schüttelte nur den Kopf. Das war keine Verneinung, sondern die Bitte, jetzt nicht gestört zu werden. Die durch die Flächenprojektoren entfesselten Sie-Kräfte stießen das blauviolettschimmemde Schiff durch die dichten Luftschichten dem freien Raum entgegen. »Grappa, was ist mit dem Kurs des fremden...!?« Der Ortungsmann wußte, was der Commander von ihm erfahren
wollte. »Kleinraumer hat seinen Kurs auf POINT OF korrigiert!« Die Geschwindigkeit des Flaggschiffes stieg, aber im Verhältnis zur hohen Fahrt des unbekannten Schiffes nicht schnell genug. Hastig beugte sich Dhark zu den Sprechrillen vor und rief über die Verständigung: »WS! Kleinraumer unter Strahlfeuer nehmen!« »Bist du...?« Da hatte das Flaggschiff schon mit seiner ganzen Feuerkraft zugeschlagen. In einer Distanz von knapp hunderttausend Kilometern blitzte es grell am Himmel auf, und aus dem Aufblitzen wurde eine Sonne, die ihre Energien nach allen Richtungen davonstieß. Das grelle Weiß dominierte neben roten, gelben und dunkelfarbigen Fontä- nen. Im Bruchteil einer Sekunde war vor ihnen alle Materie in Energie umgewandelt worden, und die Umwandlung hatte einen Prozeß ausgelöst, der in keinem Verhältnis zu der geringen Größe 294 295 des unbekannten Schiffes stand. Die automatisch arbeitenden Blenden der Bildkugel waren gegenüber dieser blitzartig ausbrechenden Licht- und Energieflut machtlos und hatten so viel Licht in die Kommandozcntrale ein brechen lassen, daß viele Offiziere geblendet wurden. »Besten Dank!« stieß Ren Dhark aus und fuhr sich mit der lin-ken Hand über das Gesicht. Riker musterte ihn, als ob er diesen Mann noch nie gesehen hätte. »Ich glaube, wir alle haben dir zu danken... Sterne und Boliden, Ren, was hat dir verraten, daß dieses kleine Biest eine als Raum- schiff getarnte Bombe war?« Hatte Dhark seine Frage nicht verstanden? Wie geistesabwesend starrte er dumpf vor sich hin und schüttelte ununterbrochen den Kopf. »Ren...« Dhark richtete sich auf und sah den Freund an, dem er die Hand auf den Arm legte. »Schon gut, Dan. Ich habe deine Frage gehört. Und Sie wissen doch auch Bescheid, Cimc, nicht wahr? Können Sie Riker eine Antwort geben, denn Sie haben doch auch an den Ortungen gestanden.« Der Schwarze Weiße zuckte mit den Schultern und machte dazu eine Handbewegung, die Unsicherheit ausdrückte. »Ich vermute nur etwas. Etwas, das wir Tel nicht kennen. Etwas, das unsere Technik nicht beherrscht. Energie, Dhark? Ein kleines Raumschiff voller Energie?«
Da meldete sich die physikalische Abteilung über die Verständi- gung. »Dhark, jeder von uns ist außer sich. Wissen Sie, was Sie da ha- ben auseinanderfliegen lassen? Wir möchten es nicht glauben, aber wir müssen es glauben. In dem Schiff war nichts als Energie, aber in eine Form gebracht, als ob sie zusätzlich noch komprimiert worden sei. Ich weiß, ich weiß...« Er hatte Dharks Kopfschütteln falsch interpretiert und glaubte seine Auslassungen erklären zu müssen. »Jonkers, ich zweifle nicht an Ihrer Erklärung, wenn ich mir auch nicht erklären kann, wie man Energie ballt und komprimiert und sie in einen Zustand versetzt, in dem sie als Energie nicht geortet werden kann. Nur unserem Massentaster haben wir zu ver- danken, daß wir noch existieren, und das auch nur durch Grappas Frage, der sich nicht erklären konnte, wieso das kleine Schiff soviel Masse hatte. Ja, diese fremde Galaxis hat eine böse Überra- schung für uns bereitgehalten.« Unbeschreibliches Erstaunen stand in den Augen des Physikers. »Dhark, und Sie haben an der zu großen Masse erkannt, daß sich... « Der Commander fiel ihm ins Wort. »Ich habe nichts erkannt, Jonkers, weil ich leider kein Hellseher bin. Ich hatte aber plötzlich Angst, Riesenangst vor dieser Masse in dem Kleinraumer, und als er uns dann auf unserem Fluchtkurs verfolgen wollte, gab ich Feu- erbefehl.« Der Tel sah diesen Terraner nachdenklich an, der gerade zuge- geben hatte, Angst gehabt zu haben. Welcher Mann gab so etwas gern zu? Doch Dhark hatte über seine Angst gesprochen, als ob er so etwas jeden Tag erneut erleben würde. »Jonkers, hätte diese Energiebombe beim Angriff gegen unser Schiff nicht auch ein paar hundert Kliniken vernichtet?« Der Physiker war nicht ganz sicher. »Das weiß ich nicht, Dhark. Aber wer in der Lage ist, Energie zu ballen und zu komprimieren, der müßte auch in der Lage sein, sie beim Freiwerden in bestimmte Bahnen zu lenken. Ich kann Ihnen erst in einer Stunde mehr darüber sagen, wenn wir unsere Beob- achtungen ausgewertet haben. Sie werden unseren Bericht unver- züglich erhalten. « »Versuchen Sie auch herauszufinden, warum unsere Energieor- tung die im Kleinraumer gespeicherte Energie nicht als solche er- tasten konnte.«
»Hoffentlich können wir Ihnen den Gefallen tun, Dhark.« Dazu waren die Physiker noch nicht imstande, als sie zwei Stun- den später dem Commander ihren Untersuchungsbericht vorlegten. Die meisten Fragen blieben wissenschaftlich ungeklärt. Nur eine Tatsache stand fest: Der Kleinraumer halte mit seinem Energiestoß beide Intervalle der POINT OF zusammenbrechen lassen. Wenn es zum Angriff gekommen wäre, dann hätte sich das Schiff in einem Sekundenbruchteil in seine Atome zerlegt. »Glück gehabt«, sagte Dhark, der in seiner Kabine den Bericht gelesen hatte und mit seinem Freund Riker, dem Tel und Manu Tschobe zusammensaß. Kopfschüttelnd las Riker die Ausarbeitung und stellte die Frage,
die ihm niemand beantworten konnte: »Wer mag uns dieses Höl-
lending bloß geschickt haben?«
Evakuierungsplan B-01! Schlagartig lief er auf vollen Touren, in Afrika wie in Australien und Europa. Die Ringpyramiden von Babylon riefen nach den Menschen! Ununterbrochen gaben die großen TV-Stationen durch, wo die Millionen Menschen sich einzufinden hatten, und in aufwendigen Live-Sendungen wurde Terra über diesen einmaligen Exodus informiert. Hinter dieser großartigen Kulisse spielte sich eine unbeschreibli- che Terminhetze ab. Die Suprasensoren wurden zu den unbarm- herzigsten Sklaventreibern, und plötzlich stellte sich bei dieser Dauerbelastung heraus, daß es trotz Automation ohne den Men- schen doch nicht ging. In Alamo Gordo, wo sämtliche Fäden zusammenliefen, behielt ein dreißigjähriger, dennoch schon graumelierter Mann seinen ru- higen Kopf. Ihn konnte auch der Ausfall von vier Suprasensoren in seinen Abteilungen nicht aufregen. Bobby Mantcher war der Pol, der Ruhe ausstrahlte. Er war aber auch der Mann, der unerbittlich durchgreifen konnte, wenn leicht- sinnig etwas verpatzt wurde. Der Schirm seines Standviphos wurde hell, und der kantige Kopf eines Majors der TF erschien. »Mantcher, der Stab der TF vermißt die GSO in 456/b:2. Prüfen Sie
das bitte sofort nach.« »Wird erledigt. Prokord.« Das Schaltpult stand rechts neben seinem bequemen Sessel. Bobby Mantcher war für Gemütlichkeit, wenn gearbeitet werden mußte, und hatte seinen Antrag durchgebracht, sein Arbeitszimmer geschmackvoll einrichten zu dürfen. Mantcher, der Nichtraucher war, schaltete seine Bildsprechan- lage auf fünf verschiedene Abteilungen durch. »In 456/b:2 ist die liebe GSO nicht aufgeführt. Meine Damen und Herren, wie stellen Sie sich das vor? 18.000 Personen ohne ein einziges Kontrollorgan zu evakuieren! 456/b:2 läuft in drei Stunden und sechzehn Minuten an. In sechzig Minuten haben Sie den Schaden repariert. Ende!« Damit mußten 45 Absprunghäfen, verteilt über die ganze Erde, angerufen werden. Das bedeutete wiederum, 45 Büros der GSO zu informieren, damit diese die Kräfte abstellen konnten, die laut Plan dafür vorgesehen waren. Bobhy Mantcher bekam trotz seines bequemen Sessel kaum Zeit zu essen. Die Industrie meuterte. Liefertermine wurden nicht eingehalten. Die Kontrollen an den Raumhäfen tobten, weil die Güter nicht ein- trafen, die ersten Raumer aber schon mit Kurs Babylon starten wollten. Im Stab der Flotte sagte Marschall Bulton: »Wie froh werde ich sein, wenn wir diese 100 Robot-Raumer unterwegs haben und endlich wieder etwas Luft auf den Raumhäfen bekommen. Denn gleichzeitig sind die neuen Roboter schon kräftig mit dem Aus- bauprogramm für die Plätze beschäftigt.« Der Minister der Finanzen dachte mit Schaudern an die Milliar298 299 den Dollars, die diese Evakuierung kostete und die den schwindsüchtigen Staatshaushalt noch stärker belasteten. Im Inneren war er sich gar nicht so sicher, daß der Plan, diese Aktion zur wunder- samen Geldvermehrung zu benutzen, tatsächlich auch funktionie-ren würde. Aber er war Politiker genug, um eine Idee, die seiner Karriere förderlich sein konnte, nach außen hin entschlossen zu vertreten - auch wenn er selbst starke Bedenken hatte. Darüber dachte Bobby Mantcher nicht nach. Ihn interessierte nur, daß die Aktion B-01, für die er mit seinen Mitarbeitern ver- antwortlich war, nach Plan ablief. Vierundsechzig Minuten nach dem Anruf Major Prokords rief er ihn zurück. »Die Panne mit der GSO in 456/b:2 ist beseitigt.«
»Okay. Mantcher, Ende!« Ende? dachte der graumelierte junge Mann. Die Evakuierung nach Babylon läuft gerade erst an. Welche Sorgen werden wir in vier Wochen haben, wenn uns die Neusiedler auf Babylon mit ih-ren Forderungen in den Ohren liegen, weil dieses und jenes auf ihrem neuen Heimtitplaneten noch immer nicht w haben ist? 35 Millionen Menschen kurzfristig auf einen anderen Planeten auszusiedeln, bedeutete Wochen härtester Arbeit und verlangte selbst vom letzten Mitarbeiter ein Maß an Arbeitsleistung, das letzten Endes mit klingender Münze kaum anerkannt werden konnte. Jeder seiner achthundertundzwei Mitarbeiter halle eine Schlüs selposition inne, und jede Position mußte Tag und Nacht von jeder Evakuierungsstelle der Erde erreichbar sein. Da rief Peking durch. 3.270 Personen mit falschen Schlüsselzeichen waren zum Ab sprunghafen DX-274 beordert worden, hätten aber erst in neun-zehn Tagen mit dem achten Transport ausgeflogen werden sollen. »Schöne Schweinerei«, murmelte Mantcher, schaltete zur Planung 112 durch und sagte ruhig: »Die Unterlagen sind schon zu Ihnen unterwegs, Suni. In Peking hat jemand Blödsinn gemacht. 300 Bügeln Sie es sofort aus, sonst können wir übermorgen den Ab sprunghafen DX-274 sperren.« »Um was geht es denn, Mantcher?« fragte Sum verblüfft. »Sehen Sie sich die Unterlagen an, und Sie wissen alles. Ende.« Er kam auch nicht Ruhe. Die Evakuierungsleitung in Lima tobte, weil zu wenig syntheti-sche Nahrungsmittel angeliefert worden waren. Medikamente fehl- ten auch: 157 Tonnen! Bobby Mantcher sah den Stoß Folien auf seinem Schreibtisch liegen, die er bis 18 Uhr durcharbeiten mußte, und schaltete kurz entschlossen die Rufanlage auf den Suprasensor um, der von jetzt an die Anrufe mit seiner leidenschaftslosen Gründlichkeit an die zuständigen Stellen weiterleitete. Bobby Mantcher hatte sich sein Bild über Evakuierungsplan B01 gemacht. Er war zufrieden. Er hatte mit schwerwiegenderen Pannen gerechnet. Die, die ihm bis jetzt bekannt geworden waren, stellten Lappalien dar. Er durfte zufrieden sein. Der dritte Planet des Doppelsonnen-Systems war der extremste,
den Terraner bisher zu Gesicht bekommen hatten. Berge, wohin man sah! Reißende Flüsse in den tiefen Tälern und Wälder bis zu den höchsten Gipfeln hinauf. Auf dieser Welt, die etwas kleiner als Terra war, gab es keine Baumgrenze. Vier Kontinente, von denen einer über den Südpol verlief, wurden von einem Meer umgeben, das im Durchschnitt nur ein paar hundert Meter tief war. Die POINT OF stand in viertausend Metern Höhe über dem Südkontinent. »Nichts festzustellen, Dan. Kein einziges Bauwerk, nicht die geringste Spur einer technischen Anlage. Die Straße zu den Sternen hat uns ins Leere fliegen lassen. Der Traum von den Mysterious geht hier zu Ende. Aber da wir schon einmal hier sind, will ich trotzdem landen. Einmal, um der Mannschaft Gelegenheit zum Ausruhen zu gehen, und zum anderen, um uns die Möglichkeil zu verschaffen, uns ein wenig umzusehen.« Resignation klang in seiner Stimme mit. Sein Freund konnte ihm nicht helfen, denn auch er, der so oft die Existenz der Geheimnisvollen angezweifelt hatte, hatte seit der Entdeckung des Peilstrahls geglaubt, die Mysterious müßten trotz ihres unerklärlichen Rückzuges aus der heimatlichen Galaxis in dieser neuentdeckten Milchstraße namens Drakhon leben. Auf einer kleinen Lichtung, umgeben von knapp tausend Meter hohen Bergen, setzte der Ringraumer auf. Die wuchtigen Aulleger der Teleskopstützen zerquetschten reihenweise Bäume mit mächti- gen Kronen, denn die Lichtung war nicht so groß, wie es der Durchmesser der Ringröhre verlangte. Die letzten Analysen waren gemacht worden, und besonders die Bioniker waren begeistert, denn sie behaupteten, diese Gebirgs-welt sei vollkommen frei von gefährlichen Bakterien. »So etwas wie hier haben wir noch nirgendwo angetroffen!« Doch der Commander ließ sich auch nicht durch seine Bioniker zu einer Unvorsichtigkeil verleiten. »Standardausrüstung wird mitgenommen, denn wer weiß, was uns in diesem Urwald noch alles erwartet.« Die Wache an der geöffneten Schleuse 3 hatte keine besonderen Vorkommnisse zu melden. Langsam ging der Commander mit seiner Begleitung die Rampe hinunter, aber kurz vor deren Ende blieben alle stehen, denn drei vierbeinige Tiere, die das Aussehen von Wölfen hatten, traten aus dem Dunkel des Waldes heraus, äugten zu den unbekannten Besu- chern ihrer Welt hinüber und wedelten plötzlich alle drei mit der Rute. »Wenn die jetzt auch noch Pfölchen gehen wollen, heiße ich
Smith!« sagte Dan Riker leise. »Angst haben die Tiere nicht, Dan. Und weißt du, was das be- deutet? Sie haben keine Feinde.« Er hatte nicht alles gesagt, was ihm durch den Kopf gegangen war. Er hatte nicht vom größten Feind der Fauna gesprochen: dem intelligenten Humanoiden. Da setzten sich die drei Tiere in Bewegung. Sie kamen auf die Männer zu, und sie wedelten dabei immer noch mit ihrer Rute. »Dhark!« Dro Cimc hatte diesen Ruf aus seiner Kehle gepreßt, und der Schwarze Weiße hielt Manu Tschobes Handgelenk um- klammert. »Alle drei Tiere tragen Gliederhalsbänder!« Und die waren aus Metall! AusUnitall! Und diese Tiere, die wie terranische Wölfe aussahen, heulten wie Wölfe und wedelten mit der Rute! Vierzehn Männer waren zu Standbildern geworden. Vier Cyborgs hatten vergessen, auf das Zweite System zu schalten. Im Licht der beiden Doppelsonnen schimmerten drei Halsbänder blauviolett. Und dann standen die Tiere am Fuß der Rampe und beäugten die ihnen unbekannten Wesen. »Yaduha!« sage Ren Dhark mit brüchiger Stimme. Niemand hatte ihn verstanden - nur die Tiere! Kommt her! hatte der Commander ihnen zugerufen. Sie kamen die Rampe herauf. Ein wenig mißtrauisch blickten sie das Wesen an, das seine rechte Hand etwas vorgestreckte. Der Wolfsrüde hatte Mut. Er war neugierig, denn mit leicht angehobenem Kopf beschnup- perte er aus fünf Zentimeter Entfernung Ren Dharks Hand. Wieder sagte er Worte in der Sprache der Geheimnisvollen, und der Rüde gehorchte. Er ging bei Fuß und wedelte kräftig mit seiner prachtvollen Rute. Männer stöhnten - Männer die es gewagt hatten, über den Ab-grund des Leerraumes eine fremde Galaxis anzufliegen. Sie glaub302 303 ten zu träumen, obwohl jeder wußte, daß er nichts als die Wirklichkeit sah und erlebte. Die beiden Wolfshündinnen hatten bei Dharks Worten wohl die Ohren gespitzt, waren aber nicht näher herangekommen. Auf drei Metern blieben sie vor den zweibeinigen Wesen stehen und be- gannen nun, leise zu heulen. Der Rüde blickte zu Dhark hinauf, dann zu seinen Gespielinnen, erhob
sich und lief auf sie zu. Die nahmen ihn sofort in ihre Mitte, beschnupperten ihn von oben bis unten, drehten sich um und jagten zusammen wieder dem Dunkel des Waldrandes zu, in dem sie verschwanden. »Und nun?« fragte Ren Dhark, der das Schweigen brach. Seine Augen glänzten, denn er mußte an das Gliederhalsband des Rüden denken, das dicht vor ihm im Sonnenlicht so herrlich blauviolett geschimmert hatte. Ein Unitallhalsband. Manu Tschobe kaute auf seiner fleischigen Unterlippe heruni. Er teilte Dharks Hoffnungen nicht, denn das Unitallhalshand brauchte kein Beweis dafür zu sein, daß auf diesem Gebirgsplaneten die Mystcrious lebten. Sie konnten auch hier alles zurückgelassen ha-ben, und später war dann diese Welt von einer anderen raumfah- renden Rasse entdeckt worden. Aber sollte er dem Commander seine Überlegungen mitteilen? »Das war eine Überraschung«, sagte Chris Shanton mit seiner orgelnden Baßstimme. »Zahme Wölfe mit Halsbändern! Warum haben Sie nicht versucht, die Tiere zurückzuhallen, Dhark? Vielleicht hätten sie uns zu ihrem Herrn geführt, und uns wäre die Su- che nach ihnen erspart geblieben.« »Warum ich nicht versucht habe, die Wölfe zurückzuhalten? Weil mir der Gedanke nicht gekommen ist. Wer hat denn daran gedacht?« Er blickte sie der Reihe nach an, und der Reihe nach schüttelte jeder den Kopf. Die Überraschung war einfach zu groß gewesen. »Und Sie? Hat Ihr Programmgehirn diesen Impuls gege-' ben?« fragte der Commander die vier Cyborgs. Bram Sass erwiderte offen: »Dhark, wir vier haben erst in dem Augenblick, als die Wölfe wieder auf den Wald zuliefen, auf unser Zweites System geschaltet.« Sie setzten sich in Bewegung und gingen auf den Waldrand zu, wo mächtige Bäume standen, an denen das Auffallendste die glasglatle gelbe Rinde war - als ob jeder Baum mit einem Kunst- stoffüberzug versehen worden sei. Das Blattwerk war so dicht, daß kein einziger Sonnenstrahl den Boden erreichte. Feuchte, warme Luft schlug den Männern entgegen, als sie in den Schattenbereich eintraten. Das Halbdunkel und die Stille lö- sten ein Gefühl gesteigerter Aufmerksamkeit aus. Jeder hielt sei- nen Biaster schußbereit, und die Cyborgs hatten wortlos ihre Ar- beit als Sicherungsgruppe angetreten. Steil ging es bergan. Der mit einer dichten Laubschicht bedeckte
Boden federte unter jedem Schritt. Spuren waren keine zu finden, und auch die Wölfe hatten keine hinterlassen. Was man in der POINT OF während der Landung schon beob achtet hatte, bestätigte sich, als der Grat des Höhenzuges erreicht war. Auch hier stand Baum neben Baum, und ein Blick in die Ferne war nicht möglich. »Hätten wir nicht doch besser unsere Flash eingesetzt, Ren?« fragte Riker. »Das können wir ja immer noch tun, wenn diese Exkursion erfolglos bleiben sollte.« Einen entwurzelten Baum, der quer über einem reißenden Bach lag, benutzten sie als Brücke. Eine schmale, aber hohe Schlucht, die mit mannshohen Sträuchern bewachsen war, nahm sie auf. Hier war das Vorwärtskommen beschwerlich, und ohne Holger Alsop und Bram Sass, die vorausgingen und mit ihren starken Cy-borgkräften die Sträucher zur Seite drückten und niedertrampelten, hätte sie diese Schlucht eine gute Stunde gekostet. An ihrem Ende ging es steil abwärts. Aus der Tiefe kam das Donnern eines Wasserfalls. Als dieses Geräusch so laut geworden waren, daß eine normale Verständigung unmöglich wurde, lichtete 305 sich plötzlich der Wald und gab den Blick auf einen schmalen, aber langen See frei, dessen Wasser über die Felskante in dunkle Tiefen stürzte, aus dem das Donnern und Tosen kam. Oshula und Carrell sicherten nach rechts. Sie standen dicht am Seeufer und achteten nicht auf die Wasserfläche, die plötzlich einen starken Wirbel zeigte. Ein hluugraucr, abgeplatteter Kopf, der zwei große Augen und eine kreisrunde, große Mundöffnung besaß, schoß aus der Tiefe hervor. Die beiden Cyborgs hörten auf einmal ein Zischen, doch bevor sie begriffen, was geschah, wurde zuerst Carrell und einen Augen-blick später auch Oshuta an den Beinen von einem Wasserstrahl getroffen, der sie mit seinem Druck zu Boden riß. Damit war aber auch jeder Überraschungseffekt vertan. Zwei Cyborgs, vom Sturz zu Boden unbeeindruckt, sahen den platten Kopf aus dem Wasser ragen. Sie sahen aber auch, wie zwei Fangarme mit großen Saugnäpfen an den Enden auf sie zuschös-sen. Zwei Blasterstrahlen trafen die heranfliegenden Fangarme und zerschnitten sie. Das Wasser platschte hoch, als die Reste zurück-fielen und blitzschnell die verstümmelten Fangarme eingezogen wurden. Der kreisrunde Mund des unbekannten Wasserwesens öffnete sich wie zu einem gellenden Schrei, doch selbst über ihr Cyborg-Gehör konnten die
beiden Männer wegen des tosenden Wasserfalls nichts hören. Dann wurde die Seeoherfläche noch einmal unruhig, um im nächsten Augenblick wieder glatt zu sein. »Acht bis zehn Meter lange Fangarme, Oshuta! Informieren Sie sofort die anderen. Ich bleibe hier.« Die Fauna dieses Planeten war also doch nicht so friedlich, wie sie sich mit dem Auftauchen der Wölfe hatte zeigen wollen. Die Gruppe ging Lati Oshuta entgegen, weil sie nach links nicht weiterkam, denn im Laufe der Jahrtausende hatten die Wasser eine tiefe Schlucht ins Gestein gegraben, die ein unüberwindliches Hindernis für die Menschen darstellte. »Ein Fisch, der einen Wasserstrahl ausspuckt, durch dessen 306 Druck man zu Boden gerissen wird?« fragte Shanton ungläubig, faßte jedoch den Biaster fester und ließ keinen Blick mehr von der Oberfläche des Sees. An seinem Ufer kamen die Männer schnell vorwärts, und das Donnern des Wasserfalls wurde merklich leiser, so daß wieder eine normale Unterhaltung möglich war. In weitem Bogen zog sich der See nach Süden. Hin und wieder strichen Vögel über ihn hinweg. Einmal sahen sie ein fremdes Tier von der Größe eines Pferdes auf der anderen Seite, das trank und von den Menschen keine Notiz nahm. Carrell und Oshuta, die hundert Meter weit voraus waren, stan- den still. »Dhark«, erklang es im Vipho auf, »über den See führt eine Brücke aus Unitall.« Leidenschaftslos hatte Mark Carrell diese Nachricht durchgege- ben. Zwölf Männer mit ihrer nicht gerade leichten Ausrüstung rann- ten los. Die Meldung des Cyborgs hatte sie alarmiert. Und dann sahen sie die schwach gewölbte Brücke im Licht der beiden Dop- pelsonnen schimmern. Ein Filigran-Bauwerk. Verspielt in seiner Konstruktion. Nur mit Unitall konnte man so etwas bauen. Mehr als hundert Meter lang, aber nur drei Meter breit. In einem einzigen Bogen überspannte sie das Wasser. Riker hielt seinen Freund fest und deutete mit der anderen Hand stumm zu Boden. Die Spur eines Rades zeichnete sich darauf ab! Als ob jemand eine altmodische Handkarre benutzt hätte. Und die Spur war erst ein paar Stunden alt. »Ja...« sagte Ren Dhark zu seinem Freund, nachdem die Dis- kussion
über die Entdeckung zu Ende war, und er nickte schwer. Ein Mysterious, der eine Handkarre benutzte, war nicht vorstell- bar. Auch diesen Planeten hatten die Geheimnisvollen verlassen. Ron wedda wi terrci! War dieser verschlüsselte Warnruf an alle Mysterious vor tau-send Jahren der Antang ihres Endes gewesen? Auf dem schimmernden Unitall der Brücke zeichnete sich noch dreimal die Spur eines Rades ab, das mit Erdreich verkrustet ge-wesen war. »Eine Brücke, einfach in die Gegend gebaut, ohne Straße? Und auch auf der anderen Seite nichts von einer Straße zu sehen?! Die Bäume stehen so dicht zusammen wie anderswo auch. Rätselhaft.« Das war die große Enttäuschung nach der großen Überraschung. Auf der anderen Seite des Sees hatte man wenigstens Reste einer Straße zu finden gehofft. »Verfolgen wir die Spur und...« Ren Dhark hatte sich noch einmal umsehen wollen, bevor sie wieder in das Halbdunkel des Waldes zurückkehrten, als er dicht am Ufer etwas sah, das im gleichen Ton schimmerte wie die Brücke. Wortlos ließ er seine Begleiter stehen und eilte darauf zu. Eine dünne Kette, um einen Stamm geschlungen, endete im Wasser. Eine Kette aus Unitall. Dhark zog daran, doch die Kette bewegte sich nicht. Seine Kräfte reichten nicht aus. Hier mußten die Cyborgs helfen. Alsop und Sass schafften es, während die anderen ihnen zusa-hen. Da wurde über dem Dunkel des Seegrundes etwas sichtbar, das drei oder vier Meter Durchmesser besaß, und es war immer besser zu erkennen, je mehr es sich der Oberfläche näherte. Ein hauchdünnes Unitallnetz, in dem graue, daumendicke, rund zehn Zentimeter lange Plastikhülsen lagen, die alle verschlossen waren. Ein paar tausend! Ratlos sahen sich die Männer an. Welchem Zweck diente diese Methode, den Inhalt des Netzes auf dem Grund des Sees aufzube wahren? Arc Doorn hatte versucht, den Verschluß des Netzes zu öffnen, aber sein Vorhaben bald wieder eingestellt. »Die Sache ist nicht nur verriegelt, sondern auch abgeschlossen. Unmöglich, es ohne den passenden Kro-Schlüssel aufzubekommen.«
Die Maschen des hauchdünnen Netzes waren so klein, daß keine Plastikhülse herausgeklaubt werden konnte. »Werfen wir es wieder ins Wasser zurück«, ordnete Dhark an, und dann schleuderten vier Cyborgs das schwere Netz samt sei- nem Inhalt im hohen Bogen in sein altes Versteck. Dro Cimc blieb am Ufer stehen, bis das Wasser sich wieder be- ruhigt hatte, während die anderen schon weitergegangen waren. »Sollte es auf diesem Planeten keinen einzigen Kühlschrank ge- ben?« murmelte er in seiner Heimatsprache und bemerkte dann erst, daß er allein am See stand. Hastig eilte er den anderen nach und holte sie an einer Stelle ein, wo die Radspur besonders deut- lich im Boden zu sehen war. Sie bog nach rechts ab und führte auf eine Schlucht zu, die nicht durch Sträucher versperrt war. Auf dem blanken Felsboden war von dem Abdruck des Rades nichts mehr zu sehen. Vorsichtig bewegte sich die Gruppe, denn die Schlucht machte einen scharfen Knick, und man wollte von dem, was hinter dem Knick lag, nicht überrascht werden. Ren Dhark und Dan Riker gingen zwischen den Cyborgs Alsop und Sass. Ein paar Schritte hinter ihnen, dicht an der Felswand, bewegten sich Oshuta und Carrell. Dicht bei Fuß blieb auch Jimmy, der seit Beginn der Exkursion noch keinen Laut von sich gegeben hatte. Hinter dem Knick erweiterte sich die Schlucht zu einem Tal. »Hier ist doch gerodet und gefällt worden!« stieß Riker aus, als er die Baumstümpfe sah, die aus dem Boden ragten. Aber das mußte schon sehr lang her sein, denn die Stümpfe waren alle morsch und halb verfault. Das Gelände wurde durch Strauchgruppen immer unübersichtli- cher, und damit wuchs die Gefahr. Von der Spur eines Rades war nichts mehr zu sehen, so sehr man auch danach suchte. Baumstumpfe ragten überall hervor, doch zwischen ihnen hatten sich Sträucher breitgemacht, die hier jedoch nicht so dicht verfilzt wa- ren wie an anderen Stellen. Das Gelände wurde abschüssig, und das Tal schwang sich in ei- nem engen Bogen nach links. »Wir hätten doch die Flash benutzen sollen«, sagte Ren Dhark zu dem Tel, und wieder einmal wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Die beiden Sonnen heizen gut«, erwiderte der Schwarze Weiße, » und... Dhark! Da! Menschen!« Menschen auf diesem Planeten in einer anderen Milchstraße?
Ja! Weiße Menschen. Fünf kamen ihnen entgegen. Ganz ruhig. Ohne eine Spur von Verwunderung oder Zurückhal- tung. Und ohne Waffen in den Händen. Fünf Männer mit kantigen Gesichtern, langen, dunkelgrauen Haaren und grauen, locker liegenden Anzügen gekleidet, die an den Beinen in Pluderhosen ausliefen. »Wir gehen auch weiter«, rief Dhark seinen Männern zu und lief dabei nicht Gefahr, von den Fremden gehört zu werden, denn dazu waren die noch zu weit entfernt. »Aber unsere Wallen brauchen wir nicht so demonstrativ zu zeigen.« Rikers Blick pendelte zwischen den Fremden und seinem Freund bin und her. »Ren, denkst du jetzt an die Mysterious?« »Nein, Dan. Der Traum ist aus. Endgültig. Diese fünf vor uns, die werden auch nichts anderes getan haben, als auf diesem Plane- ten das Erbe der Geheimnisvollen anzutreten. Doch vielleicht kön- nen sie uns etwas über die verschwundene Rasse erzählen.« Doorn warf noch einmal einen Blick auf sein tragbares Ortungs- gerät, aber alle Instrumente daran standen im Nullbereich. »Dhark, ich kann an ihnen noch nicht einmal ein Stück Metall feststellen.« Der Abstand zwischen den beiden Gruppen verringerte sich schnell. Jung waren diese Humanoiden nicht, die jetzt langsamer wurden und die Arme vor der Brust kreuzten. Sollte diese Geste ausdrücken, daß von ihnen keine Gefahr aus- ging? Als sie nur noch drei Meter trennten, gab Dhark seinen Männern das Zeichen, stehenzubleiben, und leise sagte er zu Dan Riker: »Komm mit!« Aber sie traten nicht vor, denn im Moment, als sie weitergehen wollten, sprach einer der fünf Ureinwohner. Und Ren Dhark verstand ihn! In der P01NT OF waren nur noch die wichtigsten Stellen besetzt, alle anderen Männer hielten sich im Bereich der vier geöffneten Schleusen auf, saßen oder lagen auf den Rampen und genossen das kostenlose Vergnügen, die würzige frische Luft zu atmen, die sich doch stark von der im Raumschiff unterschied, und sonnten sich. Alec Berow, ein Mann aus dem Triebwerksteam, wollte sich eine Zigarette zwischen die Lippen schieben, als ihm das Stäbchen aus den Fingern glitt.
»Mensch«, rief er fassungslos seinem Nebenmann zu, der ausgestreckt in der Sonne lag und so herrlich döste. »Da hinten vor den Bäumen stehen zwei Tiere und starren uns an!« Ruckartig richtete der andere sich auf. »Wo?« fragte er und blin- zelte ins helle Licht der Doppelsonne. Auch andere wurden auf- merksam. Berow beschrieb die Stelle genauer. Jemand pfiff. Ein anderer atmete schwer. Der letzte Mann auf der Rampe wurde aufmerksam, »Großer Himmel, dagegen sind ja terranische Elefanten Schoß hündchen!« Auf sechs dicken Stempelbeinen standen zwischen den Bäumen 310 311 des Waldrandes zwei riesige Tiere, die unbeweglich zum Raum- schiff herüberstarrten. Grün und gelb war ihr Fell, und schauder- haft flach der Kopf mit den fünf tellergroßen Augen. Wie das kan- tige Blatt eines Spatens sah dieser Kopf aus, an dein man das Maul vergeblich suchte. Der Rumpf war dick, lang und wie hei einem Zebra gemustert. Über einen halben Meier groß mußten die drei Ohren auf der oberen Kante des Spatenblatt-Kopfes sein, und diese Ohren, deren Ränder gelb leuchteten, waren in Richtung auf das Schiff gedreht. »Niemand hat diese Ungetüme kommen hören?« wurde die Frage laut. Über Vipho unterrichtete man die Kommandozentrale. »Solange die Tiere friedlich sind, nicht darauf schießen!« befahl Leon Bebir, der versuchte, sie in der Bildkugel zu entdecken. Aber dann hielt auch er den Atem an, als er die Ungeheuer sah, denn so groß hatte er sie sich trotz der Meldung nicht vorgestellt. »Das sind ja wandelnde Häuser! « Immer mehr Menschen wollten diese Tiere sehen, und auf der Rampe 3 gab es bald nur noch Platz zum Stehen. »Wenn sie doch nur ein paar Schritt aus dem Schatten heraustre-ten wollten«, sagte jemand ungeduldig, und ihm sowie den Um- stehenden verschlug es die Sprache, denn die unheimlich großen Tiere taten ihnen den Gefallen. Totenstille herrschte auf der Rampe, denn noch wußte niemand, ob die Ungeheuer jetzt Kurs auf das Schiff nehmen würden. Warum sollten wir euch etwas tun? Ihr tut uns doch auch nichts! Die Männer der P01NT OP waren einiges gewohnt, doch daß ein Wesen, das wie ein überdimensionales Urwelttier Terras aussah, sie auf telepathischer Basis ansprach, schockte auch den letzten. Eure Gedanken sind viel klarer als die der anderen, aber ihr seid ja auch nicht so arm wie sie!
Dreißig Meter vor dem Fuß der Rampe waren die Tiere stehengeblieben. Der Blick aus ihren fünf tellergroßen Augen, die von Kante zu Kante des Spatenblattkopfes reichten, ruhte auf den 312 Männern. Unheimlicher als ihr Aussehen war aber die Tatsache, daß sich diese Kolosse vollkommen lautlos bewegten. Von jedem Mann war dumpfes Stampfen der säulenartigen Beine erwartet worden. Statt dessen hatten sie sich geräuschlos genähert. Physiker Bentheim, der auch zu den sonnenhungrigen Männern der P01NT OF gehörte, informierte Leon Bebir über diesen uner-warteten Telepathiekontakt. »Ich gehe gleich allein auf die Tiere zu und will versuchen, mit ihnen in Kontakt zu kommen.« »Unter keinen Umständen, Bentheim, denn das kann ich nicht verantworten und...« Doch da hörte jeder: Warum seid ihr voller Mißtrauen ? Nur weil ihr kleiner seid? »Schöner Saturn« stieß Bebir aus, »jetzt habe ich es auch emp- fangen. Unheimlich, Bentheim!« »Nicht mehr, Bebir. Wir sollten die Chance nutzen, mit diesen Intelligenzen Verbindung aufzunehmen. Und zwar sofort!« Der Zweite Offizier der P01NT OP zögerte mit seiner Entschei- dung und spielte mit dem Gedanken, über Funk den Commander zu informieren. Doch er hatte Befehl, Funk nur in dringendsten Fällen einzusetzen. »Gut, riskieren Sie es, Bentheim. Ich wünsche Ihnen viel Glück.« Der Astrophysiker drängte sich durch die Menschenmenge auf der Rampe und ging den Kolossen entgegen. Das unterste Glied eines Stempelbeines war größer als er! Mit seinen Armen wäre er nicht in der Lage gewesen, eins von ihnen zu umfassen. Ihr kommt von den Sternen, denn wir haben euch beobachtet; wir sahen auch die Sonne, die durch euch entstanden ist. Wann fliegt ihr wieder fort? Ihr stört diesen Planeten in seiner Ruhe! Sie waren hier nicht gern gesehen? Sie störten die Ruhe des Planeten? Und sie waren beobachtet worden, als sie die Energiebombe un 313 schädlich machten? Aber die Ortungen hatten doch nichts angemessen! Nichts! Wozu braucht man Technik, wenn man seine Sinne einsetzen kann ? Wer sind die anderen? fragte Bentheim in Gedanken.
Die anders sind als ihr. Einige von euch haben sie schon ken nengelernt. Die beiden Wesen waren sparsam in ihren Auskünften und keineswegs präzise. Man denkt und spricht nicht schlecht über andere, die nicht anwesend sind, bekam Bentheim seine Lektion, weil er sich in Ge- danken mißtrauisch gefragt hatte, ob die Begegnung zwischen Dhark und den anderen gut ausgegangen war. Wann fliegt ihr wieder fort? Bleibt nicht w lange auf dieser Welt! Darauf kann ich nicht antworten, dachte der Physiker. Warum sollen wir so schnell wieder starten ? Weil ihr die Unruhe mitgebracht habt. Warum habt ihr dieses System nicht verlassen, als euch die Energiebombe daw auffor-dern wollte? Mit ihrer Zerstörung habt ihr den leinen All-Hüter vernichtet. All-Hüter? Bentheim, war zusammengezuckt, als er diesen Begriff ver-nahm. Waren sie doch auf der Welt der Mysterious, und lebten auf die-sem Planeten zwei intelligente Rassen friedlich nebeneinander? Doch warum gab es hier nichts von der Supertechnik der Ge heimnisvollen zu sehen? Fragend schaute Bentheim zu den Wesen hoch, aber kein telepathischer Impuls erreichte ihn. Bleibt nicht w lange auf dieser Welt! War diese Aufforderung eine Drohung? Wir brauchen nicht zu drohen, denn allein unser Wille genügt, um euch zu zwingen, diesen Planeten zu verlassen. Du warst uns sympathisch. Anderer. Die beiden intelligenten Ungeheuer setzten sich in Bewegung, gingen lautlos an Bentheim vorbei und tauchten im Halbdunkel des Waldes unter. Bentheim nahm sein Vipho hoch und informierte Bebir. »Ich komme zurück!« Ein sehr nachdenklich gewordener Mann ging auf die P01NT OF zu. ... denn allein unser Wille genügt, um euch w zwingen, diesen Planeten zu verlassen. Das glaubte er ihnen aufs Wort! Ren Dhark stammelte seine Antwort in der Sprache der Myste- rious, und in Gedanken klammerte er sich an die verzweifelte Hoffnung, daß diese Humanoiden die Sprache der Geheimnis- vollen gelernt hatten wie er.
Seine dreizehn Begleiter wußten nicht, was sie denken sollten. Der Commander hatte in der Sprache der Mysterious gesprochen, aber diese fünf Männer, die Terranern so erschreckend stark gli- chen, konnten doch nie und nimmer die Geheimnisvollen sein! »Man hat uns begrüßt und uns gebeten, ihnen zu folgen. Sie sind jetzt unterrichtet, daß nur ich allein ihre Sprache beherrsche.« »Und wer sind sie, Ren?« fragte Dan Riker gespannt. »Das haben sie mir nicht gesagt, und ich habe sie auch nicht da- nach gefragt.« »Sie gehen ja schon!« stieß Chris Shanton aus. »Sie warten nicht einmal auf uns.« »Folgen wir Ihnen!« bestimmte Dhark, dem auch nicht wohl war. Er fand es unhöflich, sich einfach umzudrehen und fortzuge- hen, aber konnte man erwarten, auf diesem Planeten dieselben Sit- ten und Gebräuche wie auf Terra zu finden? Sie legten zwei Kilometer zu Fuß zurück, ohne daß ein einziger Versuch unternommen werden konnte, mit den Humanoiden ins Gespräch zu kommen. An einer Mauer aus grünen Sträuchem blieben die fünf Fremden endlich stehen. Einer stieß einen lauten Ruf aus, und ein Teil der gewachsenen Mauer schwang nach innen zurück. Sie hatten die Siedlung erreicht - niedrige Holzhülten, vor denen Frauen, Männer und Kinder saßen. Die Kinder hockten so gelassen auf dem Boden wie die Erwachsenen. Selbst der Tel wunderte sich über die Reaktion, denn nicht ein einziger neugieriger Blick fiel auf sie. Zwar wurden sie von allen angesehen, aber das war auch schon alles. Die Hütten waren um einen kleinen Platz herum gebaut worden -einen Platz, der mit Unitallplatten ausgelegt war! Einer der fünf deutete mit einer Geste an, sich niederzulassen, und dann warteten sie, bis ihre Gäste auf dem Unitall saßen. Dann ließen sie sich ih-nen gegenüber ebenfalls nieder. Der Fremde mit der Narbe am Kinn sprach. »Ihr habt unsere Schiffe gefunden, und nun habt ihr uns gefun-den. Wir haben lange auf euch gewartet, aber ihr seid zu spät ge- kommen. Zu spät für die letzten von uns. Für hundertacht Perso- nen!« Aber ihr seid zu spül gekommen! »Ren, hast du ihn verstanden?« fragte Dan seinen Freund erregt. Der Commander übersetzte, und unter seinen Begleitern breitete sich Schweigen aus. Manche sahen sich um, blickten zu den einfa- chen Hütten hinüber und sahen Männer, Frauen und Kinder davor sitzen.
Krankhaft ruhig, wie Menschen, die wissen, daß sie bald sterben müssen und sich mit ihrem Schicksal abgefunden haben. Der Viphospruch der POINT OF war eine Störung, aber die Mit-teilung des Zweiten Offiziers berichtete von den beiden großen »Ungeheuern«, die sich mit der Besatzung auf telepathischer Basis in Verbindung gesetzt hatten. »Bentheim, der es wagte, ihnen ent-gegenzutreten, hat die eindeutige Aufforderung erhalten, so schnell wie möglich diesen Planelen wieder zu verlassen, da wir nur Unruhe in diese Welt bringen würden. Dhark, stimmt es, daß Sie noch auf eine zweite intelligente Rasse gestoßen sind?« Der Commander richtete die Bilderfassung seines Viphos auf die fünf Gastgeher. »Das sind sie, Bebir. Können Sie sie gut er- kennen?« »Was? Dhark, die sehen ja aus wie wir!« schrie der fassungslose Offizier im Leitstand der POINT OF auf. »Was sind das für wel- che?« Wagte er den Ausdruck Mensch nicht zu benutzen? »Wir wissen es noch nicht, aber sie sprechen die Sprache der Mysterious und haben uns gerade erklärt, daß wir viel zu spät ge- kommen seien. Ob die Zahl von hundertacht Personen, die uns ge- nannt wurde, sich auf dieses primitive Dorf bezieht oder ob es die letzten auf dieser Welt sind, wissen wir noch nicht. Ich rufe wieder durch, Bebir. Ende.« Der Sprecher der Fünf sagte: »Ich heiße Rolloso, und wie heißt du?« »Ren Dhark. Seid ihr jene, die die Ringraumer aus dem gleichen Material gebaut haben, auf dem wir sitzen?« »Ja«, erwiderte Rolloso gelassen und drehte sich um, als hinter ihm Schritte aulklangen. Zwischen zwei Hütten näherte sich ein alter Mann in der glei- chen Tracht, wie sie von allen in dieser Siedlung getragen wurde. Aber nicht die Kleidung sorgte dafür, daß Dhark, Riker und Tschobe aufsprangen und den Alten anstarrten, sondern das Ge- sicht! Sie hatten es schon einmal gesehen! In der Ringantenne des Großtransmitters im Industriedom! Der ungewöhnlich große Alte mit dem zerfurchten Gesieht ging kerzengerade und trat vor Ren Dhark, Riker und Tschobe. »Wir kennen uns, ja?« fragte er mit tiefer Stimme und nickte leicht mit dem Kopf. »Ich habe euch sofort wiedererkannt, und ihr mich auch.« »Wer sind Sie?« fragte Ren Dhark, der wie seine Begleiter vor Erregung fieberte. »Ich bin Olan, der letzte Glückliche. Ich werde sie alle überleben
müssen und kann darüber nicht glücklich sein. Es ist schön, daß wir uns kennengelernt haben, und es ist gut zu wissen, daß unser Erbe gerade in euren Händen liegt. Stammt ihr von einem Planeten ab, der blau strahlt, wenn man sich ihm aus dem Raum nähert, und der unter einer einzigen kleinen Sonne der drille von neun Umläu- fern ist?« Ren Dhark starrte ihn an wie ein Gespenst. Hatte Olan gerade von Terra gesprochen, von der blauen Mutter Erde? »Ja...« stieß er hervor. »Von dort kommen wir, aus der anderen Galaxis, und unser System liegt dazu auf der anderen Seite der Sterneninsel.« Er mußte übersetzen, bevor Olan ihm darauf eine Erwiderung gab. »Nein, das kann doch nicht stimmen...« »Dhark, soviel Zufall gibt es nicht!« hielt ihm auch Dro Cimc vor. »Hier muß eine Verwechslung vorliegen!« Und der Commander übersetzte die Ausrufe seiner Begleiter in die Sprache der Mysterious. »Warum soll es Zufall sein, daß wir und ihr vom gleichen Plane-ten abstammen? Gleichen wir euch nicht?« Die Fragen des Allen hatten Gewicht. »Nur wer ist das?« und er deutele auf den Tel, während er den schwarzhäutigen Tschobe nicht beachtete. »Dieser Mann stammt aus einer anderen Rasse in unserer heimatlichen Galaxis, aus einem großen Sternenreich, Olan, doch können wir der Behauptung Glauben schenken, ihr und wir stammten vom gleichen Planeten ab?« »Lemur! Ist dir dieser Name bekannt - in deiner Sprache be-kannt, Dhark?« Dieses Wort brauchte der Commander nicht zu übersetzen, und der einzige, dem es unverständlich blieb, war Dro Cimc. »Lemuria!?« »Er spricht von dem versunkenen Kontinent Lemuria im Indischen Ozean?« »Lemur gleich Lemuria, Dhark?« Der Alte und die fünf anderen lauschten. Überraschung zeigte sich in ihren Augen nicht. »Ich bin jetzt von deinen Freunden verstanden worden, obwohl sie unsere Sprache nicht beherrschen. Lemur war der Kontinent, auf dem wir lebten, bevor wir auszogen, um nach den Sternen zu greifen. Doch bevor hier alles zu Ende geht und die Shirs euch zwingen, diesen Planeten zu verlassen, zeigt uns euer Schiff, mit dem ihr gekommen seid. Laßt uns noch einmal eines der stolzen Schiffe unserer Ahnen sehen.« Wer waren die Shirs? Diesen Ausdruck hatte Dhark nicht ver-
standen. »Sie sehen aus wie riesengroße Tiere, aber sie sind die intelli-genteste und stärkste Rasse, die wir je kennenlernen durften. Mit den Kräften ihres Geistes können sie fast alles vollbringen, nur nicht diesen Planeten verlassen, auf dem wir nur zu Gast sind - wie ihr jetzt!« Zuviel stürzte auf sie ein. Sie benötigten eine Pause, um sich zu erholen. Nur noch hundertacht Mysterious sollten leben, und auch die würden bald sterben? Über Vipho rief Dhark die POINT OF an und gab Leon Bebir die Order, ihren Standort anzufliegen. »Der Robothund Jimmy wird mit seinem Sender einen Peilstrahl emittieren. Hast du mich verstanden, Jimmy?« Der Scotchterrier erwiderte: »Verstanden. Peilstrahl steht!« Dann wandte Ren Dhark sich wieder an den alten Olan: »Unser Schiff wird in Kürze hier sein, und wir hoffen, alle, die hier woh- nen, als Gast auf unserem Raumer begrüßen zu können.« »Dhark, bis auf uns sechs wird niemand das Schiff betreten. Es genügt, es zu sehen, um noch einmal Erinnerungen daran wach- werden zu lassen, als uns auf dem Gipfel der Macht fast zwei Ga-laxien gehörten.« Der Alte, übermannt von der Erinnerung, 318 319 wischte sich stille Tränen aus den Augen. * Die POINT OF hatte in dem Tal mit den gerodelen Bäumen auf- gesetzt. An der ausgefahrenen Rampe von Schleuse 2 standen drei Offiziere des Schiffes und sahen Ohark mit seinen Männern und sechs Fremden auf das Schiff zukommen. Über die Bordsprechanlage wurde die gesamte Mannschaft in einer Bildreportage unterrichtet. »Sie sprechen nicht miteinander«, gab Wifter durch, der die Handkamera am besten bedienen konnte, »und man kann nicht sa- gen, was dieses Schweigen ausgelöst hat. Unbeschreiblich ist das Aussehen der sechs Mysterious, weil sie weißen Terranem bis aufs Haar gleichen. Bitte sehen Sie sich diese sechs Personen in Ver- größerung an.« Sie gingen die Rampe hinauf. Langsam war ihr Schritt. Rechts neben Dhark befand sich Olan, der Alte, und hinter diesen beiden die fünf anderen, von Riker und Dro Cimc begleitet. »Unser Schiff!« sagte Olan, als sie die Schleuse erreicht hatten. »Eines von vielen Millionen Schiffen!« Was hatte er gesagt? Er hatte von Millionen Schiffen gespro-chen? An der Schleuse zur Kommandozentrale standen Leon Bebir und
Falluta, und was sonst auf der POINT OP nicht üblich war: Sie salutierten, als Dhark mit seinen Gästen den Leitstand betrat. »Was ist das?« Zum ersten Mal zeigte der Alte mit dem zerfurchten Gesicht Überraschung und trat an den Checkmaster. » Dhark, was ist das? Welchem Zweck dient dieses Gerät?« Der Mysterious wußte es auch nicht?! Auch die übrigen fünf zeigten jetzt Gemütsbewegungen. Plötz- lich sprachen alle, und Dhark hatte Mühe, sie zu verstehen. Aber nein, sie irrten sich, denn diese Zentrale unterschied sich doch kaum von dem Leitstand eines Robot-Raumers! »Sechs Gul-Transmitler hier?! « rief Rolloso aus. »Und noch drei vom Typ Xa auf der Galerie?!« Die Besatzung des Leitstandes, Ren Dhark eingeschlossen, glaubte zu träumen. Neun Transmitter sollten sich in der Zentrale befinden? Wo wa-ren sie denn? Ihnen nur war eine Anlage dieser Art auf der Galerie bekannt! Arc Doorn ließ die Mysterious nicht mehr aus den Augen, als zwei neben das Instrumentenpult auf die Wand zutraten, die voll-kommen frei war. Es knackte laut, und im Knacken hatte sich dieser Teil der Wand geöffnet und einen Transmitter mit seiner grauen Ringantenne freigelegt! Ren Dhark hielt Olan auf. »Warum bist du...?« Doch der Mysterious fiel ihm erregt ins Wort: »Woher stammt dieses Raumschiff? Niemals ist es auf einer unserer Werften vom Band gelaufen, Dhark! Sage mir, woher du es hast!« Aber noch wichtiger war jetzt die Antwort auf die Frage, wer Olan war und welche Aufgabe er einst zu erfüllen hatte. »Wer ich bin? Jetzt nur noch Olan. Wer ich war? Der letzte Oberkommandierende aller Flotten verbände!« Das konnte doch nicht stimmen, denn die Mysterious waren vor rund tausend Jahren von ihren Planeten verschwunden. »Dhark, ich verstehe dein Mißtrauen. Wie alt wird ein Terraner im Durchschnitt?« »Hundertvierzig Jahre, Olan.« »Ich bin nach der alten Zeitrechnung von Lemur über eintau senddreihundert Jahre alt! Und diese Männer, die die große Katastrophe nicht mehr bewußt erlebt haben, alle über tausend Jahre. Aber das ist bedeutungslos. Sage mir endlich, wo du dieses Schiff gefunden hast.«
Olan hielt seine Handgelenke umklammert und verriet damit, daß er noch längst kein schwacher Greis war. »Das ist eine lange Geschichte...« »Es ist keine, wenn du mir auf einer Sternenkarte das System zeigst, in dem dieser Raumer von euch entdeckt wurde!« Seine Stimme hatte einen Klang, als ob er Millionen Raumschiffskommandanten einen Befehl erteilt hätte. Jens Lionel wurde mit den erforderlichen Unterlagen in den Leitstand gerufen. Er legte den Datenträger in die entsprechende Vorrichtung und riefeine Projektion der Milchstraße ah. Mit ei-nem Lichtstab deutete Ren Dhark auf das Col-System, in dem es den Planeten Hope gab. »Kaso! Götter des Raumes! Auf Kaso hat dieses Schiff gele-gen?« Zweifelnd blickte der Alte den Commander der Planeten an. »In einem Höhlensystem, Olan. Wir haben diesen Planeten Hope genannt - Hoffnung, und unsere Hoffnungen, die wir dort im Herzen trugen, erfüllten sich, als wir dieses Schiff fanden. Warum hast du die Götter des Raumes angerufen, als ich dir das System zeigte?« »Kaso...« Der Alte sah zu den anderen Mysterious hinüber, und auch die schüttelten den Kopf. Mit ihrem Schweigen steigerten sie die Spannung in der Kommandozentrale bis ins Unerträgliche. Olan trat wieder an den Checkmaster und strich mit einer Hand über die glatte und kühle Unitallverkleidung. »Nun begreife ich auch, warum ich dieses Aggregat nicht kenne. Margun und Sola, die genialsten Salter, die jemals geboren wurden, haben dieses Schiff auf Kaso gebaut. Dhark, weißt du, welche Aufgabe dieses Aggregat zu erfüllen hat?« Der erläuterte es ihm an Hand von Beispielen, und das Staunen der Mysterious steigerte sieh. In der Zwischenzeit war der ratekische Translator aktiviert wor- den, und Dhark brauchte eine halbe Stunde später nicht mehr zu dolmetschen, da das Gerät diese Aufgabe übernommen hatte. »Olan, weißt du, wie man die Verkleidung des Checkmasters entfernen kann?« »Wozu, Dhark? Wenn du Margun und Sola gekannt hättest, würdest du diese Frage nicht gestellt haben.« Was hatte das nun schon wieder zu bedeuten'? Lag eine Warnung in Olans Worten, auf dem Wunsch nicht länger zu bestehen? Dan Riker und Doorn unterhielten sich über den
Translator mit Rolloso, der ihnen versicherte, daß ein Schiff wie die POINT OF kein zweites Mal gebaut worden sei. »Laßt mich durchs Schiff gehen, und ich beweise es!« Daran war Ren Dhark auch interessiert, aber der Alte hielt ihn zurück. »Dhark, kannst du unsere Schrift lesen?« »Ja.« »Dann möchte ich gern in einer Kabine mit dir allein sein. Ich trage etwas bei mir, das ich dir zu lesen geben möchte.« »Bitte«, sagte der Commander und wandte sich an Falluta. »Ich halte mich in meiner Kabine auf und möchte nicht gestört wer- den.« Kurz darauf saßen sie sich in bequemen Sesseln am runden Schwebetisch gegenüber. Olan griff in sein Gewand und brachte eine schmale Kassette zum Vorschein, die rechts an der oberen Kante ein winziges, ge- zahntes Stcllrad besaß, an dem er drehte. »Bitte, Dhark...«, sagte er und reichte ihm die Kassette, deren Oberfläche schwach leuchtete. Kaum hatte sie den Besitzer ge- wechselt, als die ersten Schril'lzeilen der Mysterious zu sehen wa ren. Und Ren Dhark las... 322 323 10. Der Tag, an dem uns die Götter des Raumes straften. Die Gewalt kann es nicht länger verschweigen, denn die Medi- ziner drohen, ihre Entdeckungen bekanntzugeben, wenn es durch die Gewalt nicht binnen drei Tagen geschieht. Wir alle können es einfach nicht glauben, was auf uns zukommt, denn furchtbarer noch als beim Verlassen von Lemur haben die Götter des Raumes uns gestraft. Dieser Bericht wird erstellt, damit eine andere Rasse, die unse- ren Spuren gefolgt ist, eines Tages auch erfährt, warum wir zwi- schen den Sternen verschwunden sind - wir, die Salter. 212 im 73. Jcihrdes Sapol. Die letzten Vorbereitungen sind getroffen, und wahrend Lemur sich
unter immer schwereren Beben schüttelt und die Plastikpisten auseinanderreißen, gehen die Salter ohne Panik an Bord der Raumschiffe. Keiner von ihnen wird Lern, die blaue Kugel im Raum, jemals wiedersehen, denn der Untergang von Lemur wird eine Katastrophe planetarischen Ausmaßes auslösen. 214 im 73. Jahr des Sapol. Unsere Schiffe stehen im Raum und formieren sich. 93 Millio- nen Salter haben Lern verlassen. Das Ziel ist bekannt, und wir werden tief ins Universum vorstoßen und auf drei Planeten in zwei verschiedenen Systemen landen, die unserer verlassenen Welt ähnlich sind. 46 im 2. Jahr des Prim. Ein Expeditionsschiff ist von Lern zurückgekommen, und der Bericht über den Besuch unserer alten Heimalwelt stimmt mit den Prognosen unserer Geologen und Geophysiker überein, die Eiszei- ten vorhersagten. Weite Gebiete Lems sind mit einer dicken Eis- schicht überzogen, und die Durchschnittstemperatur ist so weit ge- sunken, daß es großer technischer Anstrengungen bedürfen würde, um ein erträgliches Leben unter Energieschirmen gewährleisten zu können. Vereinzelt beobachtete die Besatzung Salter anderer Art, die unter primitivsten Umständen auf dem Eisplaneten zu überle- ben versuchten. 3 im 123. Jahr des Fho. Lern verschwindet immer mehr aus unserer Erinnerung, was auch kein Wunder ist, denn wieviel Zeit ist seit dem Exodus ver- flossen! Wir haben die Störungen des Elektromagnetfeldes der Galaxis entdeckt und befürchten durch die drohende Kollision mit der anderen Milchstraße schwerste Erbschäden als Folge. Alle Groß-Mediziner sind in Gruppen zusammengefaßt worden, um ein Mittel zu entwickeln, das gegen Erbschäden immun macht. Große Hoffnungen dürfen wir uns nicht machen. Im übrigen geht die Entwicklung stürmisch weiter, und das Reich der Salter umfaßt schon 23.000 Planeten, die aber nur zum Teil besiedelt sind. 73 im l. Jahr des Gin. Unsere Schiffe sind erstmalig in die fremde Galaxis eingeflogen, die sich in ihrer Zusammensetzung von der heimatlichen nicht unterscheidet. Auffallend ist die Tatsache, daß hier die Störungen des elektromagnetischen Feldes nicht so stark sind. Überrascht hat unsere Gravitationsexperten die Tatsache, daß beide Milchstraßen ein gemeinsames gravitatorisches Feld besit-zen.
Mit dem Dahinscheiden des letzten Gin ist eine neue Zeitrech nung eingeführt worden. 023 der UUR. Unseren Groß-Medizincrn ist der phantastische Wurf gelungen. Sie haben zwei Erfolge mit einem Schlag erzielt. In rund 100 der werden alle Salter biologisch umgestellt sein, und schwangere Frauen werden nur noch umgestellte Kinder zur Welt bringen, de- ren Lebenserwartung zehnmal höher liegt als die unsrige. Durch das pollyde Arso-Verfahren wird die Resistenz eines jeden Salters verstärkt, und Strahlungsschäden können auch dann nicht auftre- ten, wenn die Werte der Strahlorkane plus 135 erreichen sollten. Wir können mit Zuversicht in die Zukunft sehen. 20.367 der UUR. Nach 20.343 der ist das pollyde Arso-Verfahren erstmals ver-bessert worden, aber in bezug auf die Lebenserwartung ist kein so großer Sprung getan worden wie beim ersten Mal. Dennoch ist mit einer zwanzigprozentigen Verlängerung des Lebens zu rechnen. Die Bevölkerung explodiert auf allen Planeten, und die Zahl der einsatzbereiten Raumschiffe hat eine Million überschritten. Den- noch verfügt die Flotte nach wie vor über zuwenig Schiffe. 46.289 der UUR. Heute hat die Gewalt die Führung des Salier-Reiches übernom-men, und die Nachricht ist auf allen Planeten verbreitet worden. Viele halten diese Veränderung für das wichtigste Ereignis seit dem Auszug von Lern. Lemur ist zu einer Sage geworden. Lern wird kaum noch zwecks Beobachtungen angeflogen, denn die dort lebende Bevölkerung entwickelt sich nur sehr langsam. 50.002 der UUR. Die Gewalt kann ihren größten Triumph feiern, denn aufgrund ihrer Initiative ist ein Planet in der anderen Galaxis zu einer großen Klinik umgebaut worden. Allein 185 Transmitlerstraßen enden dort. Selbst bei plötzlich aufflammenden Seuchen kann bin- nen fünf trib ein Zwanzigstel aller Salter nach dort gebracht und behandelt werden. Unvorstellbar, daß so etwas jemals eintreten sollte, aber die Gewalt hat damit bewiesen, daß sie ihre Verspre- chungen hält. 50.189 der UUR. Einige Bioniker sind beunruhigt, weil sie an Kranken Mutatio- nen festgestellt haben, die nicht zu erklären sind. Sie vertreten wie ihre
Kollegen die Behauptung, daß jeder Salter durch die ununter- brochen anhaltenden Störungen aus der Galaxis aus eigener Kraft inzwischen resistent geworden sei, aber sie befürchten, daß sich noch nicht alle Salter innerhalb ihres biologischen Aufbaues auf die lange Lebenserwartung eingestellt haben. Die Kommission der Groß-Mediziner konnte ihnen nicht beipflichten, und die Meldung der Bioniker wurde gespeichert. 50.196 der U U R. Auf mehreren Planeten sind plötzlich mehrere hunderttausend Salter von einer noch unbekannten Krankheit befallen und über Transmitterstraßen sofort nach Tarrol, der Klinikwelt, geschafft worden. Die Krankheit breitet sich auch auf anderen Planeten aus. Tarrol ist zum ersten Mal zu zehn Prozent belegt. Während in den Nach- richten die Bevölkerung beruhigt wird, hat die Gewalt alle Groß- Mediziner alarmiert, und abermals sind Bioniker aufgetreten, die nun von einem Zusammenhang zwischen dem pollyden Arso-Ver- fahren und der immer noch ungeklärten Krankheit sprechen. Die Gewalt ruft den galaktischen Notstand aus. Die Gewalt strahlt Ron wedda wi terra! ab. Noch glauben die meisten Salter, und besonders die Besatzungen der Schiffe, an eine Alarmübung, wie sie die Milchstraße noch nie gesehen hat. Mögen die Götter des Raumes uns gnädig sein! 326 327 50.197 der U U R. Alle Salter mutieren. In jedem von uns ist ein immer noch nicht medizinisch geklärter Umwandlungsprozeß erfolgt, der höchst an-fällig gegen die Störstrahlungen aus dem elektromagnetischen Feld macht. Die Salter sterben wie die Fliegen, und die Konverter können die Leichen kaum noch fassen. Tarrol hat sich als zu klein erwiesen. Die Zahl der Transmitter- straßen ist zu gering. Die Gewalt, kaum selbst noch arbeitsfähig, hat sofortige Abhilfe versprochen, aber wer nach Tarrol als Kran- ker kommt, hat nichts zu erwarten - nur den Tod. Die äußeren Planeten sind schon geräumt. Wie immer, wenn ein Planet verlassen wurde, nahm jeder seine persönliche bewegliche Habe mit. Diese Gewohnheit, die man selbst in dieser Situation nicht einmal durch Verbote unterbinden kann, belastet die Kapazi- tät unserer Raumschiffe.
50. l'98 der Üb'R. Zerfall der Zellen! Zerfall der Organe! So viel Kunslorgane sind gar nicht vorhanden, wie allein auf Tarrol benötigt werden. Die Zahl der Mediziner wird beunruhigend klein. Unser Reich schrumpft sowohl an Planeten als auch an Saltern erschreckend schnell zusammen. Aber warum geht die Veränderung bei dem einen rasch vor sich, und bei dem anderen zeigt sich noch nichts? Man zweifelt bereits am Können unserer Mediziner. 50.201 der U U R.
Die Salter werden in 1.000 der nicht mehr existieren.
Mit uns ist es vorbei!
Wir haben alles getan, um das, was wir erreicht haben, eines Ta- ges
wieder in Besitz zu nehmen, aber wer träumt noch davon? Niemand! Die Planeten sind verwaist. Nichts Persönliches ist zurückgeblieben. Idiotisch, diese Gepflogenheit, wenn man darüber 328 nachdenkt. Aber es ist besser, darüber nachzudenken als über das Ende. 50.7 33 der UU R. Die Gewalt existiert schon lange nicht mehr. Auf Tarrol regiert ein Senat aus zwölf Köpfen. Er hat eine Transmitterstraße nach dem dritten Planeten errichtet, und dorthin sollen diejenigen um- gesiedelt werden, die noch keine Anzeichen des Zellzerfalls zei-gen. 123.679 Salter dürfen sich glücklich schätzen, gesund zu sein. Noch... Mit den Shirs auf dem dritten Planeten wurde ein Vertrag ge- schlossen, in dem ihre Rechte ausdrücklich bestätigt wurden. 50.806 der UUR. 73 der sind erst vergangen, und trotz der Geburtenzugänge ist die Zahl der Salter auf dem dritten Planeten auf 91.483 gesunken. Die Zahl der Totgeburten ist erschreckend hoch, aber auch für jede enttäuschte Mutter das Zeichen, selbst erkrankt zu sein und bald sterben zu müssen. Die Rückkehr nach Tarrol bedeutet jedesmal das unausweichliche Ende. Unter den noch gesunden Saltem brei- tet sich Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod aus, die auch schon bei den Kindern zu beobachten ist. Ein unbestimmbarer Haß gegen alles Technische entsteht, und man beginnt, die kleinen Industrie- anlagen, die mit Genehmigung der Shirs errichtet werden durften, abzubauen und nach Tarrol zurückzuschicken. Der
Mangel an Medizinern dort wird zur Katastrophe. 51.043 der UUR. Auf Tarrol lebt niemand mehr. Die Med-Roboter sind in ihre Depots zurückgeschickt worden. Auf dem dritten Planeten geht es dem Ende zu, denn hier existieren nur noch 1.634 Salter. 51.044 der UUR. Die Speicherung auf Tarrol hat einen Hyperfunkspruch aufge fangen, der eindeutig von einem unserer modernsten Schiffssender abgestrahlt worden ist. Leider ist es uns nicht möglich, den Text in unsere Sprache zu übersetzen. Überrascht sah Ren Dhark auf und stoppte durch Drehen des Stellrades den lautenden Text. »Haben wir diesen Spruch ausgelöst, von dem da die Rede ist, Olan? « »Ja, Dhark. Heute wissen wir es genau. Damals flackerte die Hoffnung noch einmal in uns auf, aber das konnte das Sterben nicht stoppen. Die Zeit verging, und der Hypersender, mit dem ihr gearbeitet hattet, war nicht mehr zu hören. Doch bei meinem aller- letzten Besuch auf Tarrol entdeckte ich, daß ihr unsere Transmit-terstraßen gefunden hattet, und ich hoffte, mit euch in Kontakt zu kommen. Ich mußte das Transmittersystem benutzen, weil Tarrol keinen starken Sender besitzt, wußte aber nicht, daß diese Me- thode wohl für die Bildübertragung ausgezeichnet arbeitet, sich je- doch nicht eignet, Wörter zu übermitteln. Oder hast du später übersetzen können, was ich euch damals zurief?« »Nein, und das machte alles so rätselhaft, Olan.« Der Alle mit dem zerfurchten, ausdrucksvollen Gesicht nickte schwer. » So rätselhaft wie der Zerfall der Zellen hei uns Saltern geblieben ist. Manchmal kann ich nicht glauben, daß die hohe Le- benserwartung die Ursache war, aber darüber zu rätseln ist sinnlos. Nach eurer Zeitrechnung lebt in einem Jahrhundert nur noch ein Salter - und das bin ich, der alte Mann. Darum habe ich Tarrol auch nie mehr aufgesucht, als ich hier erfuhr, daß ich mich über die Methode, eine Straße zu benutzen, euch nie verständlich ma- chen könnte. Wir zerstörten den Transmitter auf diesem Planeten, und damit gab es keine technische Anlage mehr...« »Doch, die Brücke über den See, Olan!« warf Dhark ein. Der winkle ab. »Ein Requisit, Terraner. Wie gern ich dieses Wort in deiner Sprache ausspreche! Terraner! Es klingt schön, schöner als Salier! In dem Wort schwingt es.«
Die Bordverständigung störte.
Fallutas Stimme klang auf, etwas erregt.
»Dhark, wir wissen nicht, ob Sie es auch empfangen haben, aber die
intelligenten Ungeheuer haben sich auf telepathischer Basis mit mir und
Riker in Verbindung gesetzt und verlangen, daß wir den Planeten
umgehend verlassen.«
»Danke, ich komme!« Aber er blieb sitzen und überlegte, ob er Olan
von dem Vorfall Mitteilung machen sollte, und kurz ent- schlossen
berichtete er dem Salter.
»Ich habe es erwartet, Dhark, und ich bin bestürzt, daß ich diese
Aufforderung nicht auch erhalten habe. Ein schlechtes Zeichen, denn
von dieser Seite her habe ich die Shirs noch nie kennenge- lernt. Aber
wenn du willst, versuche ich, mit den Shirs zu verhan- deln. Ob ich
Erfolg habe, kann ich allerdings nicht versprechen.« »Warum verlangen
die Shirs, daß wir verschwinden, Olan?« »Weil wir ihre Freunde
geworden sind und sie uns in Ruhe ster-ben lassen wollen. Sie haben
unser Schicksal auf diesem Planeten miterlebt, und sie wollten uns
helfen. Doch auch ihnen gelang es nicht, den Zerfall unserer Zellen
aufzuhallen. Ich muß mich beei- len, Dhark, wenn ich überhaupt etwas
erreichen will!«
Der Salter Hongu hatte sich bereiterklärt, sich in der Medo-Sta tion untersuchen zu lassen, und lag nun auf dem Schwebetisch. Die Durchleuchtung lief. Vielsagend schauten sich die Mediziner an, denn der organische Aufbau der Salter unterschied sich nicht von dem eines Terraners. Herz, Lungen, Leber, Nieren und Magen befanden sich an den ge- wohnten Stellen. Nur das Gehirn sah hier und da etwas anders aus, und drei wichtige Zentren waren doppelt so groß wie beim Men-schen! Die Serodiagnostik lief nebenan im Labor. Ein paar Schritte weiter wurde ein winziges Stück Zellgewebe von Hongu l,2millio-330 331 nent'ach vergrößert und projiziert. Drei Experten studierten das Bild und verglichen es gleichzeitig mit Fotos, die Zellgewebe von Terranern zeigten. »Der Salter ist doch gesund und...« Er verstummte, weil er an einer Zelle den beginnenden Verfall erkannt halte, und das unge- wöhnliche Aussehen der erkrankten Zelle schockte ihn so sehr, daß er ohne zu überlegen die Mediziner anrief und sie aufforderte, sich die Projektion anzusehen. Hanfstik und Maitskill kamen als erste. Manu Tschobe traf ein paar
Minuten später ein. »Hm...« Das war immer wieder zu hören, aber keine fachliche Stellungnahme. »Unbekanntes Krankheitsbild«, sagte Maitskill endlich. »Oder ein verunglückter Regenerationsprozeß«, gab Hanfstik zu bedenken, »der dann eine Kettenreaktion auslöst, den die Abwehrstoffe eines Salters nicht mehr unter Kontrolle bringen kön-nen. Tschobe, was meinen Sie dazu?« »Hm...«, brummte auch der Afrikaner und verglich die Projek- tion erneut mit den Fotos. »Hanfstik, bin ich farbenblind, oder se-hen die Zellkerne des Salters farblich nicht etwas anders aus als die eines Terraners?! Vergleichen Sie doch einmal!« Sie stellten das gleiche fest. »Aber hat das etwas zu bedeuten, Tschobe? Diese leichte Farbänderung kann rassisch bedingt sein. Wenn man sich vorstellt, daß die Salter Lemuria im Pleistozän verlassen haben und...« »Nein!« widersprach der Afrikaner scharf. »Denn die Zellen ei- nes Schwarzen sehen genauso aus wie die von Weißen, Roten und Gelben. Warten wir doch ab, bis wir die Molekularketten vorliegen haben.« Die Serodiagnostik war beendet und hatte kein Resultat gebracht. »Vollkommen normal«, sagte der Experte und schaltete den phantastischen Apparat ab, den die Salter-Mediziner entwickelt hatten. 332 »Machen wir mit unseren Untersuchungen weiter, bis man uns die Molekularketten gibt.« Über Bordverständigung und Translator, der in der Zentrale stand, verständigten sie sich mit Hongu. »Lebt unter euch noch ein Arzt, Hongu, oder ein Salter mit aus reichendem medizinischem Wissen?« »Nein«, erwiderte der Mann in seiner Sprache, und dann hatten die Mediziner wieder zu warten, bis der Translator übersetzt hatte. Die Untersuchung lief weiter, aber aufsehenerregende Resultate erbrachte sie nicht Endlich standen die DNS- und andere Ketten fest und konnten mit den medizinischen Werten normaler Terraner verglichen wer-den. »Keine Veränderung, keine Abweichung. Hongu, du müßtest gesund sein, aber du bist es leider nicht. Wie alt bist du nach unse- rer Zeitrechnung?« Der Salter überlegte lange und sagte dann zögernd: »Nicht ganz tausend. Und damit gehöre ich noch zu den jungen Saltem.«
Der Translator übersetzte. Die terranischen Mediziner sahen sich vielsagend an. Tausend Jahre alt werden und dann noch zu be- haupten, jung zu sein, war verlockend, aber daß wegen der hohen Lebenserwartung ein Milliardenvolk vernichtet worden war, war die andere, die dunkle Seite der Münze. »Wie sind die Werte für die Produktion des Knochenmarks?« fragte Hanfstik im Labor. »Ausgezeichnet, wenn wir drei bloß nicht farbenblind geworden wären. Wir sehen die roten Blutkörperchen in einem leicht verän- derten Farbton. Dabei...« »Ich komme rüber und schau mir das an!« unterbrach ihn Tschobe und hatte den OP-Saal schon verlassen. Zehn Minuten später war er wieder zurück. »Wir benötigen wenigstens zwanzig Salter zur Untersuchung!« verlangte er, »Mit den Resultaten eines einzigen ist nichts anzufangen. Sind Sie damit einverstanden?« Fragend blickte er seine 333 Kollegen an. »Wenn die Salter mitmachen. Fraglich bei ihrer psychischen Einstellung zu ihrem unausweichlichen Tod.« »Dann sollten wir ihnen Hoffnungen machen!« hielt Tschobe ihnen vor. Die Kollegen verzogen das Gesicht. »Mit unserem Können? Die Ärzte auf Tarrol waren uns bestimmt tausendfach überlegen und konnten sich selbst nicht einmal helfen!« »Und wer hat vor knapp fünfzig Jahren auf der Erde den Krebs endgültig besiegt? Ein Wissenschaftler mit einem großen Team und finanzieller Unterstützung oder ein bescheidener praktischer Arzt, der nicht einmal den Doktortitel hatte? Wir sollten es we- nigstens versuchen. Fragen wir Hongu, ob wir Chancen für eine Reihenuntersuchung haben.« »Ja!« sagte der Salter sofort, kaum daß der Translator übersetzt hatte. »Hongu«, fragte Tschobe, »wir haben am See ein Unitallnelz mit vielen verschlossenen Kapseln gefunden. Weißt du davon?« »Ja. Wer von uns sterben muß und es vor Schmerzen nicht mehr aushallen kann, erhält eine Kapsel und geht damit bei Aufgang der Sonnen ins Freie, um sich irgendwo niederzulegen. Wenn die Sonnen untergehen, ist er verschwunden, und nur das Gras im Umkreis von ein paar Metern ist verkohlt. So bleibt nichts von uns übrig, wenn wir sterben. Die Kapsel braucht man nicht zu öffnen, sondern nur in der Hand zu halten. Sie wirkt in kürzester Zeit.« »Da haben wir aber Glück gehabt«, sagte Hanfstik. »Riesiges Glück.
Wir wollten die Dinger schon aus dem Netz holen und an- fassen!« Der Salter verließ den Untersuchungstisch und kleidete sich wieder an. »Darf ich um ein Bildfunkgerät bitten, damit ich euch aus dem Dorf sofort mitteilen kann, ob sich zwanzig Salier uniersuchen las-sen wollen? « Mit einem Vipho ausgestattet, verließ er die P01NT OF. In der Medo-Station warteten die Mediziner auf die Salter, um an ihnen eine vergleichende Reihenuntersuchung vorzunehmen. Vier Shir.s standen mehr als einen Kilometer von der POINT OF entfernt zwischen den Baumstümpfen. »Sie sind die friedfertigsten Intelligenzen, und sie haben Kampf und Krieg nicht nötig, denn ihre Parakräfte sind unfaßbar stark. Wenn sie gewollt hätten, Dhark, wärest du mit deinem Schiff längst aus diesem System geflogen, denn gegen ihren hypnoti- schen Zwang gibt es keinen Widerstand. Wir leben nebeneinander und doch getrennt, und wir Salter kennen ihre Lebensweise nicht. Sie zeigen sich uns nur selten, aber unsere Wölfe kommen oft mit ihnen zusammen und spielen mit ihnen, denn diese großen Intelli- genzen sind selbst verspielt.« Weis alles zertrampeln diese sechsbeiniyen Ungeheuer, wenn sie spielen? fragte sich Dhark in Gedanken und zuckte zusammen, als er auf telepalhischer Basis die Antwort vernahm: Nichts, Dhark. denn wir sind nicht terslörmgswütig! Der Salter hatte die Antwort nicht empfangen. Dreißig Meter vor den vier Shirs blieben sie stehen. »Dhark, laß mich mit ihnen sprechen«, bat der Alte. Sein »Sprechen« bestand darin, daß er seine Gedanken auf das Problem konzentrierte, dessentwegen sie die Shirs aufgesucht hatten. Der Commander vernahm nichts. In einer Geste, die Hilflosigkeit ausdrückte, wandte sich der Mysterious wieder an den Terraner. »Die Shirs bestehen darauf, daß du bis Sonnenuntergang diesen Planeten verlassen haben mußt, sonst werden sie den Start mittels ihrer Parakräfte erzwingen. Sie sind auch nicht mehr bereit, über diesen Punkt zu diskutieren.« »Dann war der Weg zu ihnen umsonst. Gehen wir zum Schiff zurück, denn wir haben doch noch so viele Fragen an euch. Ein 334 335 Fall, Olan, der uns immer wieder zu Verwünschungen trieb: Warum
habt ihr in den Flash die Bildprojektion über dem Kopf gebaut? Wir glaubten, die Mysterious müßten ein drittes Auge auf dem Kopf hüben, und nun seid ihr so gebaut wie wir.« Schmunzelte der Alte mit seinem zerfurchten Gesicht? »Wir Salter haben die Flash nur in Ausnahmet'ällen geflogen. Warum auch? Wir verfügten über genügend Roboter, die bessere Piloten waren als wir, und diese Roboter hatten auf dem Kopf ein drittes Auge!« Diese Überraschung mußte Ren Dhark erst einmal verarbeiten, doch Olan lenkte ihn ab. »Jetzt verstehe ich die Shirs nicht mehr, Terraner! Gerade haben sie mir mitgeteilt, daß du mit deinem Schiff noch bleiben kannst. Noch nie haben wir erlebt, daß sie eine Entscheidung widerriefen. Was mag die Ursache dafür sein?« Mit dreiundzwanzig Mysterious war Hongu an Bord zurückge-kehrt und hatte mit ihnen die Medo-Station aufgesucht. Vier Kin-der, die man zwischen fünf und sechs Jahren schätzen konnte, die aber tatsächlich schon weit über hundert Jahre alt waren, befanden sich unter den Testpersonen. Sie waren wenige Minuten vor Dhark und Olan an Bord gekommen, und der Commander hatte die Gruppe noch auf das Schiff zugehen sehen. Riker konnte ihm keine Auskunft geben. »Wir haben nicht rück gefragt, um die Mediziner nicht zu stören. Wir wissen nur, daß sie den Salter Hongu untersucht haben und ihn dann ins Dorf zurück- schickten, denn Tschobe bat mich, ihm leihweise ein Vipho mitzugeben.« »Wann war das, Dan?« »Vor einer Viertelstunde verließ er das Schiff. Die Uhrzeit müßte man an der Schleuse erfahren. Warum ist das so wichtig?« »Moment, Dan.« Er rief die Schleuse an und ließ sich die Uhr-
zeit geben. Gleichzeitig empfing er allein einen Ruf der Shirs! Du brauchst keine Zeitvergleiche w machen, Dhark, denn dein Verdacht ist richtig. Weil die Salter unsere Freunde sind, die wir bald nicht mehr unter uns haben, geben wir euch Gelegenheit, sie auf ihre Krankheit hin w uniersuchen, obwohl ihr damit noch mehr Unruhe unter sie gebracht habt! »Was war gerade, Ren?« verlangte Riker zu wissen, dem das eigentümliche Verhalten seines Freundes aufgefallen war. Dhark hatte wie geistesabwesend gewirkt. »Wir brauchen diese Welt nicht vor Sonnenuntergang zu verlas-sen,
wie es die Shirs ursprünglich verlangt haben. Sie wollen den Saltern die Chance nicht nehmen, sich von unseren Medizinern untersuchen zu lassen.« »Typisch Manu Tschobe, denn er überredete Hongu, die Medo- Station aufzusuchen. Aber was die Ärzte der Mysterious nicht ge- schafft haben, das schaffen unsere auch nicht. Warum diesen ar- men Menschen für eine Stunde Hoffnung machen? Ich verstehe Tschobe nicht, auch wenn er ein guter Arzt ist. Aber damit ist er noch lange kein medizinischer Wissenschaftler.« »Warten wir ab.« Er wandte sich wieder an Olan, der sich über den Translator mit Dro Cimc unterhielt, und der erstaunte Tel er-fuhr, daß den Mysterious seine Heimatwelt, von der aus das Telin-Imperium geschaffen wurde, bekannt war. »Wir haben deshalb deinen Planeten nicht übernommen, Cimc, weil die Kontrolle über ihn zu teuer gewesen wäre.« Sie sind doch die Grakos gewesen, schoß es Ren Dhark durch den Kopf, denn gerade hatte der Alte etwas von den Methoden verraten, wie die Salter ihr Sternenreich ausgebaut hatten: durch Eroberungen mittels ihrer gigantischen Flotte! Doorn und Miles Congollon tauchten in der Kommandozentrale auf, begleitet von einem Salter namens Kuli. »Dhark«, sprach ihn Congollon an und deutete auf Kuli, »er war über eine Stunde mit uns zusammen im Triebwerksraum und hat uns die Arbeitsweise der Anlage erklärt, und er war mitten in sei- nem Vortrag, als er plötzlich nicht mehr weiterwußle. Unser Triebwerk weicht von allen anderen der Mysterious ah. Nur der Teil, der auf Babylon von den Robotern überholt wurde, stimmt damit überein, doch was dahinter liegt, ist auch ihm ein Buch mit sieben Siegeln. Er vertritt die interessante Ansicht, daß unser Triebwerk dem alten Typ um ein Vielfaches überlegen ist.« Da rief Tschobe aus der Medo-Station. »Ist Dhark wieder an Bord? Dann soll er doch mal sofort herkommen, falls er Zeit hat.« Der wandte sich an Olan. »Bitte komm mit! Unsere Mediziner untersuchen gerade Salter.« Auf dem Weg zum Schiffslazarett stellte Dhark die Frage: »Olan, als wir die ersten Flüge mit diesem Schiff in die Tiefen des Raumes machten, wurden wir immer wieder von Raumern anderer Rassen wütend angegriffen. Wir haben bis heute noch nicht er- gründen können, warum man uns vernichten wollte.«
»Wer in der Milchstraße kannte unsere Schiffe nicht? Nur wir selbst waren unbekannt. Wer ein Stemenreich schafft, macht sich Feinde, und wir hatten viele, aber wir besaßen auch die Mittel, Planeten, die von uns bewohnt wurden, so abzuschirmen, daß kein fremdes Schiff gegen unseren Willen darauf landen konnte. Aber einzeln fliegende Ringraumer waren immer Robotschiffe, und viele tausend davon haben wir zwischen den Sternen verloren. In einem bestimmten Bereich der Milchstraße gab es auch eine Or- tungsstrecke, die wir nie entdecken konnten, die aber den anderen Völkern jedes Schiff meldete.« »Die haben wir auch kennengelernt, Olan. Zur Genüge. Und diese Ortungsstrecke wurde erst stillgelegt, als wir in vielen Raumschlachten mit überlegenen Verbänden siegreich blieben. Waren denn die Roboter der Klasse Fir-Dara im Kampf nicht reaktionsschnell genug?« Der alte Mysterious hatte Dharks Frage überhört. »Du kennst die Klassifikation Fir-Dara? Woher, Dhark? Woher?« Der Alte war 338 überrascht und zugleich auch bestürzt. »Von Erron-3, Olan!« Abrupt blieb der Mysterious stehen. »Erron-3? Du warst in Erron-3? Du hast Erron-3 gefunden, das größte Staatsgeheimnis meines Volkes?« »Im anderen Universum, Olan! So wie wir auch auf Hope das Mentcap-Archiv entdeckt haben!« »Und du bist mit deiner Besatzung wieder zurück ins normale Kontinuum gekommen?! Dhark, wer hat dir den Weg nach Er- ron-3 gezeigt?« Sie standen immer noch. Der Commander sprach von der Stemenbrücke, vom Planeten Zwitt unter seiner Sonnenkorona und der Zentrale im Zentrum des Planeten. Er berichtete von dem Wegweiser, den er in der Kabine des Kommandanten gefunden hatte, und von dem Materiesender auf dem Planeten l, der sie ins andere Universum geschleudert hatte. Bewunderung stand in den Augen des alten Mysterious, der der letzte Kommandant der Flotte gewesen war. »Du hast Erron-3 gefunden! Du bist zurückgekommen! Unglaublich, aber ich muß es glauben.« »Und wir haben Erron-1 entdeckt und besetzt...« »Und Erron-2, Dhark.« »Nein«, widersprach er, »denn das suchen wir noch.« »Erron-2 braucht ihr nicht mehr zu suchen, denn Tarrol ist Er-ron-2, die Welt der Kliniken. Aber Erron-3 aufzuspüren und den Weg ins normale
Universum zurückzufinden... Dhark, hast du dein Schiff zurückgeführt?« »Ja, warum?« »Ich freue mich, dich am Ende meiner Tage kennengelernt zu haben,
und ich sterbe jetzt gern in dem Wissen, daß Menschen von Lern, von
dem wir eines Tages ausziehen mußten, bereit sind, un- ser Stemenreich
zu übernehmen.«
»Das wird noch viele, viele Jahre dauern... Jahrzehnte, Jahrhun
339 derte«, erwiderte der Commander, der wußte, daß er die Über-nahme
des Imperiums der Mysterious durch die Terraner nicht mehr erleben
würde. »Gehen wir, Olan, denn in der Medo-Station erwartet man uns.
Hoffentlich hat man gute Nachrichten für uns.«
Der Alte schüttelte den Kopf.
»Ein Mann wie ich, der so viele Milliarden Salter hat sterben se-hen und
den Untergang seines Reichs in allen Phasen miterlebte, kann keine
Hoffnung mehr haben.«
»Ich lasse mich auch untersuchen«, hatte der alte Olan erklärt und
sich im anderen OP auf den Schwebetisch gelegt.
Tschobe saß Ren Dhark gegenüber, der die letzten Untersu-
chungsergebnisse überprüfte.
»Manu, glauben Sie wirklich daran, diesen letzten Saltem noch helfen
zu können?« fragte der Commander.
»Ich glaube es nicht, aber ich hoffe es. Wir sind auf eine Spur gestoßen,
die die Mediziner der Mysterious aus dem Grund über- sehen haben
müssen, weil die Inkubationszeit bis zum Zerfall eine Dauer von vielen
tausend Jahren gehabt haben muß. Wenn unsere These stimmt, Dhark,
dann haben die Salter der Verfärbung, die für sie ja gar keine war, nicht
die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie ihr hätten geben müssen...«
»Tschobe, wird nicht alles bis ins allerletzte untersucht, wenn es um die
Existenz eines Volkes von hoher Kultur und medizinischer Technik geht?
Machen Sie sich und uns allen nicht etwas vor?«
Die wulstigen Lippen des Afrikaners schmunzellen. »Dhark«, sagte er
langsam und betont, »ich bin jetzt wie Sie! Sie haben uns bis hierher
gebracht, und ich will diese Salter gesund machen! Sie haben an die
Existenz der Mysterious geglaubt, ich glaube an den Erfolg!«
Nun schmunzelte Ren Dhark auch. »Wenn Ihre Spur den Zerfall der
Zellen aufdeckt, verfügen Sie dann auch über das Mittel, diese
Krankheit zu besiegen?«
»Ich hoffe, daß wir eine Chance haben, und die erste Antwort kann ich
Ihnen geben, wenn ich dem Checkmaster die Werte, die wir bis jetzt erhalten haben, zur Auswertung gegeben habe.« Der letzte der hundertacht Mysterious hielt sich in der Medo- Station auf, und die Mediziner kamen nicht mehr aus ihren Klei- dern, denn eine Testreihe nach der anderen nahmen sie vor, und stets war es der Checkmaster, der präzise die komplizierten Be- rechnungen und Auswertungen durchführte. Ein Gerücht nach dem anderen lief durch das Schiff, aber keines hatte Bestand und wurde manchmal, wenn es bis zu den Ärzten drang, energisch dementiert. Nicht stören! stand an den Türen zur Medo-Station, und selbst Commander Dhark respektierte diese Aufforderung. Seit drei Tagen lag das Raumschiff vor der kleinen Siedlung der Mysterious, und kein einziger Shir hatte sich in dieser Zeit sehen lassen. Mehrere Versuche, mir ihnen in Verbindung zu treten, waren fehlgeschlagen. Offensichtlich waren die Shirs an einem Kontakt mit den Terranern nicht interessiert, so wie sie sich ja auch von den Saltern deutlich genug distanziert hatten. Dan Riker hatte seinen Freund in dessen Kabine besucht, und sie saßen sich nun bei einer Tasse dampfenden Mokkas gegenüber. Der aromatische Duft gab dem Raum eine gemütliehe Note, die auch auf die beiden Männer abfärbte. Sie fühlten sich gestört, als die Kabinentür aufsprang, doch als sie Dro Cirnc erkannten, war jeder Unmut verflogen. Aus einer antiken Mokkakanne schenkte Dhark dem Tel ein, der schon bei seinem ersten Besuch Terras mit diesem Getränk Freundschaft geschlossen hatte. »Wie immer, Cimc, haben Riker und ich uns über die Myste-rious unterhalten, über ihr Stemenreich und über das Schicksal der Salter. Hat es jemals einen so grausamen und langsamen Unter- gang eines Volkes gegeben, und hat jemals ein Volk so viele Zei- chen seiner Größe zurückgelassen? Und gerade wir mußten auf die letzten hundertacht Mysterious stoßen! In einer anderen Milch-straße! Auf einem Planeten, der ihnen nicht gehört! Aul einer Welt, wo sie als Sterbende nur zu Gast sind.« »Dhark«, sagte der Tel, »haben Sie nicht die Mysterious ununterbrochen gesucht? Sind Sie es mit Ihrem unaufhaltsamem Vorwärtsstürmen nicht gewesen, der auf der Spur der Salter immer tie- fer in die Galaxis vorgestoßen ist? Darum ist es kein Zufall, daß Sie sie gefunden haben.«
»Wie aber werden sie reagieren, wenn unsere Mediziner ihnen auch nicht helfen können? Ich war ja in der Medo-Station, als die ersten zwanzig sich zu den Untersuchungen eingefunden hatten. Niemals habe ich so viel Vertrauen und Glauben in den Augen ei- nes Menschen gesehen wie bei diesen zwanzig Saltern. Was wird aus ihnen, wenn ihnen gesagt werden muß: Ihr seid alle verloren! Werden sie dann eine Plastikhülse in die Hand nehmen und sich irgendwo im Freien neben einem Strauch niederlegen und nichts als Asche und verbranntes Gras zurücklassen?« Dhark sah seine Besucher fragend an, obwohl er wußte, daß sie ihm keine Antwort geben konnten. »Wir...« Über die Bordversländigung brüllte Manu Tschohe in die Ka-bine hinein: »Dhark, kommen Sie sofort in die Medo-Station!« Wie ein Rekrut, der von einem Offizier angepfiffen worden ist, sprang Commander Dhark auf und lief auf die Tür zu. Keuchend traf er in der Medo-Station ein, wo ihn der Afrikaner schon am Eingang erwartete. »Kommen Sie mit in den Projektionsraum!« sagte er und nahm Dhark an der Hand. »Was gibt es denn, Tschobe?« »Später!« wehrte der ab. Die Projektion stand. Sie zeigte eine Formelkelle, unter der sich Dhark wirklich nichts vorstellen konnte, aber zu einer Frage kam es nicht. »Dhark, das ist Taratalyth Form B!« Der halte keine Ahnung, was Taratalyth war. »Taratalyth Form A ist zum ersten Mal von Experten auf dem Planeten Scillo im System 673 bei den dort aussterbenden Riesen sauriern gefunden worden. Diese Reptilien wurden alle über tau-send und mehr Jahre alt, und als unser erstes FO-Sehiff dort lan- dete, gingen sämtliche Arten langsam aber sicher zugrunde. Wer es war, der in den Reptilien das Taratalyth entdeckte und seine Wirkungsweise erkannte, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich der Aufregung in Fachkreisen, als die Wirkung dieses Stof-fes bestätigt wurde. Zugleich machte man aber auch an Eintags- fliegen, mit denen man die Experimente angestellt hatte und die nach einem Jahr noch nicht daran dachten, zu sterben, die Entdek- kUng, daß nach Ablauf von vierzehn Monaten ihre Zellen spontan zerfielen. Innerhalb von drei Tagen war die gesamte Pracht tot. Noch verwirrender aber war die Tatsache, daß ein Elternteil, der Taratalylh bekam, es von Generation zu Generation weiterver- erbte! Und hier haben wir in den Saltem Taratalyth in der Form B ge- funden. Dieses abgewandelte, von den Mysterious geschaffene Molekül hat neben seiner tödlichen Wirkung die phantastische Ei- genschaft, hochgradig immun gegen Strahlungsschäden zu ma- chen. Die ungeheure, kaum vorstellbar lange Inkubationszeit des Taratalyths, bis es den Zellzerfall
auslöst, verhinderte, daß die Mediziner der Mysterious auch nur auf den Gedanken kommen konnten, darin den Grund des Massensterbens zu suchen. Denn was tausend Jahre, zehntausend Jahre und mehr keine Nebenwir- kung zeigte, konnte später auch keine auslösen. Dachte man. Das war das Todesurteil für alle Salter! Und alle hundertacht in dieser Station leiden an dem Zellzerfall, auch Olan!« Im Projektionsraum hielten sich acht Männer auf; einer war Olan, der Salier. 342 343 Er wußte schon alles. Über den Translator war er informiert worden. »Dhark«, verlangte Manu Tschobe, »über einen unserer Transmitter muß ich mit Hanfstik zum Planeten Lazarus, um mich in einer der Kliniken zu vergewissern, daß die Salter-Mediziner das Taralalyth in dieser Form langst kannten. Aber wie wäre es, wenn Sie statt Hanfstik mitkämen, weil Sie die Salter-Sprache in Wort und Schrift beherrschen? « Dhark schüttelte den Kopf. »Tschobe, sind Sie nicht besorgt, doch eine falsche Spur verfolgt zu haben? Glauben Sie wirklich nicht, daß die Salter-Mediziner mit diesem Medikament nicht auch Tierversuche in der Form angestellt haben, wie man sie auf Terra durchführte?« »Doch, Dhark, das haben sie!« erwiderte Manu Tschobe erregt. »Aber mit größter Wahrscheinlichkeit nur mit langlebigen Tieren! Sie wollten doch nur ein Mittel gegen die Strahlungsschäden ent- wickeln, und sie werden diese langlebigen Versuchstiere mit im- mer höheren Dosen bestrahlt haben, bis sie zugrunde gingen. Bei den nachtraglichen Untersuchungen konnten sie doch gar nicht die Nebenwirkung feststellen, weil die Inkubationszeit ja gerade erst begonnen halte! Dhark, ich muß nach Lazarus!« Die Befürchtung, daß Goltog (Taratalyth) den Zelkerfall auslö-sen könnte, widerlegt sich in der Tatsache selbst, denn dann müß- ten schon Generationen vorher Satter an dieser Form des Zellzer-falls gestorben sein. »Und wie geht es nun weiter?« fragte der Commander seinen schwarzhäutigen Begleiter, als sie auf den Transmitterraum zugin-gen, über den sie dann wieder zur P01NT OF gelangen wollten. »Wir müssen mit den Saltem sofort nach Terra zurück, denn mit unseren Bordmitteln können wir ihnen nicht helfen. Auf der Erde ist das möglich, doch es wird im günstigsten Fall drei Jahre dau- ern, bis man den Mysterious das Taratalyth aus den Zellen entzogen hat.« »Damit verurteilen wir sie doch alle auch zum Tode, Tschobe...«
»Nein, Dhark, denn durch den Entzug wird der Regenerations- prozeß selbst nicht beeinflußt. Die Salter behalten damit über weitere Jahrhunderte hinaus die Fähigkeit, ihren biologischen Neuaufbau in Gang zu halten. Aber Terra hat damit zu rechnen, daß jede Behandlung eines Salters bis zur Genesung zwischen drei und fünf Millionen Dollar kostet. « »Tschobe, sind wir das den Mysterious nicht schuldig?« Tschobe und der Commander trafen dort ein. Lange mußten sie nicht suchen, denn Olan hatte ihnen aufge zeichnet, wo die Labors und Archive in jeder Klinik lagen. Die dritte Stunde ging zu Ende, als sie alle Salter-Unterlagen über das Taratalyth der Form B fanden. »Manu...!« Nur seinen Vornamen sprach Dhark aus, als er dem Afrikaner die Hand schüttelte. Der Mediziner und Hyperfunkexperte hatte recht behalten! In jedem Punkt! Denn Dhark hatte aus einem Mysterious-Proto-koll unter anderem übersetzt: 344 Die Shirs hatten sich von den Saltern und Terranem verabschie-det und gleichzeitig in ihrer telepathischen Botschaft verraten, die Gedanken aller Menschen überwacht zu haben. Wir hoffen, daß wir wieder von euch hören, wenn unsere Gäste gesund geworden sind! Das war eine offizielle Einladung, wiederzukommen. Wir kommen zurück, hatte Dhark gedacht und gewußt, daß die Shirs ihn jetzt hörten. Wir versprechen es! Die POINT OF, von Falluta und Bebir geflogen, raste aus dem System heraus, als das Schiff erneut vom Peilstrahl des Signal- sterns erfaßt und auch wieder energetisch versorgt wurde. Im Funk 345 war wiederum der Dauerruf zu hören: Ron wedda wi terra! Er hatte keine Gültigkeit mehr, und eines Tages würde ein My- sterious zum Signalstern fliegen und diese Dauersendung abschal- ten. In Ren Dharks Kabine gab es keinen Platz mehr, denn für acht- zehn Personen war sie zu klein. Mittelpunkt war Olan, der Alte, der Ren Dhark und Dan Riker gegenübersaß. »Olan, wer sind die Grakos, die Geißel der Galaxis, die ganze Planeten vernichteten und die Bevölkerungen verschleppten - und die nach wie vor eine schwere Bedrohung für Terra darstellen?« »Grakos?« Fragend blickte ihn Olan an, und der Commander mußte
ihm ausführlicher erklären, was Terraner darunter verstan-den. Mitten in der Erklärung richtete sich der Alte ruckartig auf und unterbrach Dhark mit seiner Frage: »Ihr kennt sie? Ihr seid mit ih- nen zusammengestoßen? Das kann nicht möglich sein, denn als ehemaliger Chef aller Flottenverbände weiß ich genau, daß es sie nicht mehr gibt. Wir... wir Salter haben diese Raumpest vor vielen Jahrtausenden vernichtet! Wir haben sie nicht nur dezimiert, wir haben sie ausgerottet! Die erste und letzte Rasse, die von uns ver-nichtet wurde! Diese Ungeheuer! Aber woher wißt ihr davon?« Automatisch kam die Rede auf die Utaren und auch auf die Nogk. »Wir kennen sie, sie aber uns nicht. Wunderbare Völker, diese Rassen, die ihr die Nogk und die Utaren nennt. Extremer waren schon die Rateken, aber man konnte mir ihnen leben.« Im Schiff setzte das undefinierbare Pfeifen ein. Die POINT OF stand dicht vor der Transition, die sie bis in den Halo von Drakhon bringen sollte. In Dharks Kabine achtete man nicht darauf. »Wir Salter sind zum ersten Mal nach langer Zeit wieder voller Hoffnung, und selbst wenn unsere Lebenserwartung durch die Heilung auf die normale Spanne heruntergesetzt werden würde, so beunruhigt es uns nicht, denn das Wissen allein, daß wir alle am Zellzerfall sterben mußten, brachte ständige Todesangst mit sich.« Olan, der Alte mit dem zerfurchten Gesicht, sah lächelnd in die Runde. »Wir treuen uns, den Planeten wiederzusehen, von dem einst unsere Ahnen zu den Sternen auszogen, und sollten wir ge- sund werden, dann werden wir Salter euch die Straße zu den Ster- nen zeigen. Das schwöre ich in diesem Schiff!« Knapp eine Stunde hatte Olan mit Dhark und seinen Freunden in der Kabine sprechen können, dann mußte er in die Medo-Station zurück, wo seine hundertsieben Gefährten schon im Tiefschlaf la- gen. Erst als die POINT OF vor dem Sol-System rematerialisierte, wurden sie wieder geweckt. Olan war der einzige, der die Kommandozentrale betrat. »Das ist Terra!« sagte Dhark und deutete auf die Bildkugel. »Deine Welt, Olan, von der deine Ahnen zu den Sternen zogen, als Lemuria im indischen Ozean zu versinken drohte, und auf dieser Welt wirst du mit deinen Gefährten wieder gesunden.« »Wir alle glauben es, aber wir alle, die etwas Wichtiges über un- ser Reich wissen, werden für alle Fälle Aufzeichnungen machen, die ihr dann verwerten sollt.« Die Augen des Alten glänzten vor freudiger Erregung. Ren Dhark, der hinter Falluta stand, legte dem Mysterious die Hand auf die Schulter. »Keiner von euch soll sich übernehmen, Olan. Wir haben Zeit und Geduld zu warten. Nur eins noch
möchte ich wissen: Wir haben auf vielen Planeten, die ihr verlas-
sen hattet, eine Statue gefunden, die einen goldenen Menschen
ohne Gesicht darstellt. War diese Plastik für euch eine Gottheit?«
Die Freude war aus Olans Blick verschwunden. »Eine Gott
heit?« fragte er hart. »Seit wann sind Grakos Götter? Die hölli-
schen Unsichtbaren mit ihren unsichtbaren Riesenstationen, die
nur im Todeskampf sichtbar wurden, und dann, Dhark... dann sa-
hen sie aus wie du und ich, wie alle hier, nur war ihre Haut golden und ihr Gesicht wunderbar anzusehen. Und doch waren sie die 346 347 grausamsten Teufel zwischen allen Sterneninseln, die nur eins kannten: morden, morden, morden...!« Da bemerkte er, daß alle in der Kommandozentrale sich ansahen, und ahnungsvoll fragte er: »Ihr kennt sie doch, die Grakos?« »Sie selbst nicht«, erwiderte Dhark, »aber ihre unsichtbaren Stationen, die selbst Terra anzugreifen versuchten.« Plötzlich sprach Olan, der Oberkommandierende der Salter-Flot-ten: » Nach mehr als dreißigtausend Jahren sind sie wieder aus ih-ren Löchern gekommen! Oh, jetzt bin ich sicher, daß ich noch lange leben werde. Von dir, Dhark, verlange ich ein Kommando, wenn ich wieder gesund bin, und mit mehr als einer Million Ro-bot-Raumem werde ich die Grakos bis an die Grenzen des Alls ja- gen. Ich will es sein, der den Befehl an die Roboter gibt, sie ein zweites Mal auszurotten. Danach wird auch auf der Erde eine Pla-stik des goldenen Menschen als immerwährende Mahnung ste- hen.« Dhark versuchte, den erregten Mysterious abzulenken. »Olan, schau dir Terra an, den Blauen Planeten. Ist die Erde nicht eine wunderschöne Welt... eine, der immer wieder einlädt, zu ihr zurückzukommen...?« REN DHARK
Drakhon-Zyklus Band l
Das Geheimnis der Mysterious erscheint Ende März 2000 348 Ren Dhark - Programm Kurt Brand schuf von 1966 bis 1969 die Heftserie Ren Dhark. Für die Buchausgabe des HJB Verlages wird der SF-Klassiker neu bearbeitet, ergänzt und fortgeschrieben, denn in den Tiefen des Alls ist das Rätsel
der Mysterious noch immer zu lösen... Bereits erschienen und lieferbar: Buchausgabe (352 Seiten), DM29,80 Band 4 „Todeszone T-XXX" ist z. Zt. (anderes Cover!) zum Sonderpreis von Bd. l „Stemendschungel Galaxis" Bd.
Bd. 2 „Rätsel des Ringraumers" Bd.
Bd. 3 „Zielpunkt Terra" Bd.
Bd. 4 „Todeszone T-XXX" Bd.
Bd. 5 „Die Hüter des Alls" Bd.
Bd. 6 „Botschaft aus d. Gestern" Bd.
Bd. 7 „Im Zentrum der Galaxis" Bd.
Bd. 8 „Die Meister des Chaos" Bd.
nur noch als Sonderausgabe DM 19.80 lieferbar 9 „Das Nor-ex greift an!" 10 „Gehetzte Cyborgs" 11 „Wunder d. bl. Planeten" 12 „Die Stemenbrücke" 13 „Durchbruch n. Erron-3" 14 „Sterbende Sterne" 15 „Das Echo des Alls" 16 „Straße zu den Sternen" Sonderbände (192 Seiten), DM 19,80 (1) „Die Legende der Nogk" (4) „Hexenkessel Erde" (2) „Gestrandet auf Bittan" (5) „Der Todesbefehl" (3) „Wächter der Mysterious" (6) „Countdown zur Apokalypse" In Vorbereitung: Ende März 2000 erscheinen Ren Dhark -Drakhon Zyklus Band l „Das Geheimnis der Mysterious" und ein neuer Sonderband (7) Weitere Bände erscheinen im Abstand von drei Monaten HJB Verlag, Postfach 22 01 22, 56544 Neuwied
Tel. 026 31-35 48 32, Fax 026 31 -3561 02
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