Schon das Happy End?
Helen Bianchin 17- 2/02
Julia 1515 17- 2/02
gescannt von suzi_kay
1. KAPITEL
Caitlin stockt...
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Schon das Happy End?
Helen Bianchin 17- 2/02
Julia 1515 17- 2/02
gescannt von suzi_kay
1. KAPITEL
Caitlin stockte der Atem. „Sie machen Witze!" Es war ein Scherz. Ein geschmackloser, verrückter Scherz. Nur dass Rechtsanwälte sich während einer geschäftlichen Konsultation nicht in diese Niederungen des Humors begaben. „Gütiger Himmel", flüsterte sie schockiert. „Sie meinen es ernst." Der Mann an dem imposanten Mahagonischreibtisch zuckte die Schultern und rettete sich in eine Floskel. „Ihr verstorbener Vater erwähnte, dass Sie darin eine Schwierigkeit sehen könn ten." „Schwierigkeit" beschrieb nicht einmal annähernd den Irrsinn, den ihre weitläufige, zerstrittene Familie ihr aufs Haupt lud. Andererseits war es für sie nichts Neues. Solange sie sich erinnern konnte, war sie immer der Liebling gewesen. Daddys Prinzessin. Sein einziges Kind. Ein ständiger Stachel im Fleisch seiner zweiten und dritten Frau und deren jeweiligen Kindern aus vorhergehenden Ehen. Niemand kann behaupten, mein Leben wäre nicht interessant, dachte Caitlin. Drei väterliche Scheidungen, zwei intrigante Exfrauen und zwei ebenso boshafte Stiefgeschwister. Während ihrer Kindheit und Jugend hatte sie in der Geborgenheit eines Internats gelebt und nur die Ferien zu Hause verbracht. Diese Wochen waren meist die Hölle gewesen, ein ständiger emotionaler Krieg hinter der Fassade eines scheinbar herzlichen Familienlebens. Die Zeit zwischen den einzelnen Scheidungen ihres Vaters war nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm gewesen und hatte Caitlin in ihrem Entschluss bestärkt, eine würdige Nachfolgerin ihres Vaters zu werden und dessen weit verzweigte Geschäftsinteressen wahrzunehmen. Sehr zur Freude des Mannes, der sie gezeugt hatte. Und nun streckte der gleiche Mann eine Hand aus dem Grab, um einen Teil ihres Lebens heraufzubeschwören, den sie unbedingt hatte vergessen wollen. Caitlin warf dem Anwalt einen durchdringenden Blick zu. „Unmöglich." Ein Anflug von Panik schwang in ihrer Stimme mit. „Ihr Vater hatte nur Ihr Bestes im Sinn." „Indem er eine Klausel in sein Testament einfügt, die mich zu einer Versöhnung mit meinem Exmann zwingt?" rief sie spöttisch. Es war einfach lächerlich! „Soweit ich weiß, ist die Scheidung noch nicht rechtskräftig." Ihre Verzweiflung erreichte einen neuen Höhepunkt. Dieses Detail hatte sie völlig außer Acht gelassen, da ihr die Unterla gen noch nicht zugestellt worden waren - und Nicos auch nicht. „Ich habe nicht die Absicht, Nicos Kasoulis wieder in mein Le ben zu lassen!" Nicos war zwar in Griechenland geboren, aber schon als kleines Kind mit seinen Eltern nach Australien ausgewandert. Er hatte mehrere Universitätsabschlüsse erworben, Karriere in der Hightechindustrie gemacht und dann die florierende Firma seines Vaters geerbt, nachdem beide Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren. Caitlin hatte ihn auf einer Party kennen gelernt, sie hatten sich sofort zueinander hingezo gen gefühlt und drei Monate später geheiratet. „Kevin hat Nicos Kasoulis zum Testamentsvollstrecker bestellt", eröffnete ihr der Anwalt. „Außerdem hat er ihn kurz vor seinem Tod in den Aufsichtsrat von Macbride berufen." Warum war sie darüber nicht informiert worden? Verdammt, sie bekleidete einen verantwortungsvollen Posten im Macbride-Konzern! Sie nicht ins Vertrauen zu ziehen war väterliche Überheblichkeit in ihrer schlimmsten Form. Trotzig hob sie das Kinn. „Ich werde das Testament anfechten." Zum Teufel, das konnte er ihr nicht antun! „Die Bedingungen sind wasserdicht", wandte der Anwalt ein. „Jede der Exfrauen Ihres Vaters erhält eine individuelle Einmalzahlung sowie eine jährliche Unterstützung, bis sie wieder heiratet. Die Beträge sind so kalkuliert, dass sie ihnen einen angemessenen Lebensstil an dem Wohnort garantieren, den sie nach der Scheidung gewählt haben. Es gibt noch ein paar
Spenden für die Wohlfahrt, aber der restliche Grundbesitz geht zu drei gleichen Teilen jeweils an Sie, Nicos und in einen Treuhandfonds zu Gunsten Ihrer Kinder. Mit der einzigen Einschränkung", fuhr er fort, „dass Sie und Nicos Kasoulis die Scheidung zurückziehen und mindestens ein Jahr lang im gleichen Haus wohnen." Hatte Nicos bereits von diesen Bedingungen gewusst, als er vor einer Woche die Beerdigung ihres Vaters besucht hatte? Garantiert, entschied Caitlin bitter und dachte daran, dass er wie ein düsterer Racheengel im Hintergrund gestanden und die Szene beobachtet hatte. Seine Berührung war kühl, beinah unpersönlich gewesen, als er ihre Hand genommen und mit den Lippen leicht ihre Wange gestreift hatte. Er hatte einige Beileidsworte gemurmelt, es höflich abgelehnt, an dem Empfang teilzunehmen, der in Kevin Macbrides Haus abgehalten wurde, und war zu seinem Wagen gegangen. „Und falls ich nicht bereit bin, der Forderung meines Vaters nachzukommen?" „Bleibt Nicos Kasoulis Aufsichtsratsvorsitzender und Teilha ber von Macbride." Sie konnte nicht fassen, dass Kevin so weit gegangen war, um sich seinen Herzenswunsch zu erfüllen und seine Tochter mit dem Mann zu versöhnen, den er ihrer für mehr als würdig er achtet hatte. „Das ist doch lächerlich!" protestierte Caitlin. Sie war die rechtmäßige Erbin des Macbride-Imperiums. Verdammt, es ging hier weder um Geld noch um Immobilien oder Aktien, sondern darum, was diese Werte repräsentierten! Den Schweiß und Fleiß eines jungen Iren aus Tullamore, der im Alter von fünfzehn Jahren nach Australien gekommen war, um in Sydney ein neues Leben als Ziegeleiarbeiter zu beginnen. Mit zweiundzwanzig hatte er eine eigene Firma und seine erste Million verdient. Mit dreißig war er bereits zur Legende geworden und wurde allseits respektiert. Er hatte die Tochter einer der besten Familien der Stadt zur Frau genommen, ein Kind gezeugt und einen Blick für schöne Frauen entwickelt - eine Eigenschaft, die ihm oft Schwierigkeiten und Ehescheidungen beschert hatte. Ein liebenswerter Schürzenjäger, so hatte Caitlins Mutter Kevin Macbride einmal an einem guten Tag beschrieben. Für Caitlin hingegen war er ein Heiliger. Ein großer, dunkelhaariger Mann mit einem ansteckenden Lachen. Jemand, der sie in die Arme geschlossen, die sonnengebräunte Wange an ihr Haar geschmiegt, atemberaubende Geschichten erzählt und sie bedingungslos geliebt hatte. Von klein auf hatte sie eine Art fiktives Monopoly mit dem Reich ihres Vaters gespielt. Sie hatte auf seinen Knien gesessen und jede Einzelheit über sein Geschäft aufgesogen, die er preis gegeben hatte. Während der Schulferien hatte sie ihn zu Baustellen begleitet, ihren eigenen Schutzhelm gehabt und genauso gut fluchen können wie die abgebrühtesten Arbeiter - zumindest im Stillen. Hätte Kevin je einen derartigen Kraftausdruck aus dem Mund seiner Tochter gehört, hätte er sie nie wieder irgendwohin mitgenommen. Diese Strafe hätte sie härter getroffen als jede väterliche Zurechtweisung, denn sie hatte seine Liebe zur Baukunst geerbt, den Drang, etwas Wunderbares aus Ziegeln und Mörtel zu schaffen. Das Land zu besiedeln, Pläne zu studieren, die Materialien auszuwählen und die Fortschritte vom Ausschachten bis zur Fertigstellung zu verfolgen. Häuser, Gebäude, Bürotürme. In späteren Jahren hatte Kevin Macbride viel delegiert, aber jedes seiner Projekte hatte seine persönliche Note getragen. Es war eine Frage seines irischen Stolzes und ihres eigenen - gewesen, sich darum zu kümmern. Die bloße Vorstellung, Nicos Kasoulis irgendetwas zu überlassen, war ungeheuerlich. Caitlin konnte und wollte es nicht tun. Macbride gehö rte einer Macbride. „Sie wollen sich weigern?" Die sanfte Stimme des Anwalts riss sie aus ihren Grübeleien. „Nicos Kasoulis wird nicht die Kontrolle über Macbride bekommen." Ihre Augen waren so grün wie die Wiesen in der Heimat ihres Vaters. Leuchtend, betörend. Sie wurden durch den hellen Teint und das rötliche Haar betont, das ihr lockig über den Rücken fiel.
Kevin Macbride war zwar ein stattlicher Mann gewesen, doch seine Tochter hatte die zierliche Gestalt ihrer Mutter geerbt, das Haar und die Augen von ihrer Großmutter väterlicherseits - und das Temperament ebenfalls. Zu viel Frau für einen einzelnen Mann, überlegte der Anwalt, der sich schon seit langem über das Privatleben des prominenten Baulöwen wunderte, dessen Geschäftsabschlüsse der Kanzlei im Lauf der Jahre beachtliche Honorare eingebracht hatten. „Sie werden sich demnach den Wünschen Ihres Vaters beugen, wie es im Testament gefordert wird?" Mit Nicos Kasoulis zusammenleben. Ein Haus und ihr Leben ein Jahr lang mit ihm teilen? „Wenn es unbedingt sein muss", erwiderte sie ernst. Er hätte schwören können, dass in ihrer Stimme ein stahlharter Unterton mitschwang, der dem Mann, der versuchen sollte, sie seinem Willen zu unterwerfen, nichts Gutes verhieß. War Nicos Kasoulis dieser Mann? Nach seinem Äußeren zu urteilen, wäre es durchaus möglich. Allerdings hatte sich das Paar bereits wenige Monate nach der Hochzeit wieder getrennt, und Gerüchten durfte man nicht trauen. Seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass Kevin Macbrides Wünsche nach dem Gesetz befolgt wurden. Was nicht verwunderlich war, wenn man das Privatleben dieses Mannes berücksichtigte - oder das seines einzigen Kindes. „Ich werde Ihre Einwilligung notariell beglaubigen." Caitlin zog eine Braue hoch. „Hat mein Vater einen bestimmten Termin für die Versöhnung festgelegt?" erkundigte sie sich kühl. „Innerhalb von sieben Tagen, von heute an gerechnet." Kevin Macbride hatte nie Zeit verschwendet, aber eine Woche war wirklich übertrieben. Sie betrachtete die luxuriöse Einrichtung, die teuren Kunstdrucke an den Wänden, das schwere Spiegelglas und die Aussicht auf den Hafen. Plötzlich wollte sie fort von hier, fort von den Formalitäten und Paragrafen. Sie wollte die frische Luft im Gesicht spüren, das Verdeck ihres Porsche herunterlassen und losfahren, sich vom Wind das Haar zerzausen und Farbe auf die Wangen zaubern lassen. Wollte ihre Gedanken ordnen, bevor sie sich mit Nicos befassen musste. Entschlossen stand sie auf. „Ich denke, wir werden bald wieder in Kontakt treten." Es gab unzählige Dokumente zu unterzeichnen - die übliche Prozedur, um den Nachlass eines Ver storbenen zu regeln. Sie reichte dem Anwalt zum Abschied die Hand und wandte sich dann zum Gehen. Er begleitete sie über den Flur zum Ausgang. An den hohen Doppeltüren aus Glas blieb er stehen, während sie auf den Lift zusteuerte. Caitlin Kasoulis war ohne jeden Zweifel eine schöne junge Frau. Ihre Haltung, ihre anmutigen Bewegungen und dieses Haar ... Er seufzte leise. Sie glich einer hellen Flamme, und ein Mann konnte sich an ihrem bloßen Anblick die Finger verbrennen. Caitlin fuhr mit dem Aufzug hinunter ins Erdgeschoss, überquerte die Straße zum benachbarten Parkplatz und stieg in den Wagen. Es war fast fünf Uhr, die Rushhour würde bald einsetzen. Geschickt lenkte sie den Porsche auf die Straße und reihte sich in den Strom der Autos ein. Sie mied die überfüllten Hauptstraßen, bis sie die Stadt hinter sich gelassen hatte und der Verkehr weniger wurde. Dann legte sie einen höheren Gang ein, lauschte dem Brummen des Motors und genoss die Geschwindigkeit. Kurz vor sechs bog sie auf eine Grasfläche am Strand ein. Am Horizont zog ein Tanker seine Bahn und näherte sich langsam dem inneren Hafen, und im seichten Wasser tollten einige Kinder unter den wachsamen Augen ihrer Eltern herum. Möwen schwebten über der Gischt, landeten auf der Oberfläche und lie ßen sich auf den Sand treiben. Eine friedvolle Szene, wie Caitlin sie brauchte, um den kürzlich erlittenen Verlust zu verkraften. Sie hatte so viel organisie ren und mit der Familie klären müssen. Und nun auch noch mit Nicos.
Es war vorbei. Erledigt. Und sie hatte es überwunden. Lügnerin! Sie brauchte nur an ihn zu denken, und schon erinnerte sie sich daran, wie es zwischen ihnen gewesen war. Es verging kein Tag, an dem ihr Unterbewusstsein ihr nicht irgendeine Erinnerung aufzwang. Nicos beschäftigte ihre Gedanken, schlich sich in ihre Träume und war zu ihrem schlimmsten Albtraum geworden. Sie erwachte regelmäßig schweißgebadet. Das Gefühl seiner Hände und Lippen auf ihrer Haut war so täuschend echt, dass sie jedes Mal hätte schwören mögen, er wäre tatsächlich bei ihr gewesen, Doch sie war immer allein und die Alarmanlage intakt. Den Rest der Nacht verbrachte sie dann meist lesend, oder sie schaute sich den Spätfilm im Fernsehen an, in dem verzweifelten Be mühen, Nicos' Bild aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Gelegentlich traf sie auf gesellschaftlichen Veranstaltungen mit ihm zusammen, bei geschäftlichen Anlässen, bei denen ihre Anwesenheit unabdingbar war. Sie begrüßten einander, wechselten einige höfliche Worte - und gingen weiter. Allerdings war sie sich seiner Nähe, seines eindringlichen Blicks und seiner männlichen Ausstrahlung stets überdeutlich bewusst. Sogar jetzt beschleunigte sich ihr Herzschlag, und ihre Haut begann zu prickeln. Tief in ihr erwachte das Verlangen und breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Es war verrückt. Sie atmete tief durch. Einmal. Zweimal. Dreimal. Wie könnte sie je vergessen, dass seine Exgeliebte sich mit der Nachricht, sie wäre von Nicos schwanger, an die Öffentlichkeit gewandt hatte? Georgia Burton war ein bekanntes Model, das bereits mehrere Titelseiten geschmückt hatte. Als Tag der Empfängnis hatte sie einen Termin genannt, als Nicos geschäftlich unterwegs ge wesen war. Ihren Beteuerungen zufolge hatte die Affäre nicht mit der Hochzeit geendet - eine Tatsache, die Caitlin nicht verzeihen konnte, obwohl Nicos alles vehement geleugnet hatte. Nach zahllosen Streitigkeiten hatte sie ihre Koffer gepackt und war ausgezogen. Selbst jetzt, nach vielen Monaten, waren die Erinnerung und der Schmerz noch genauso intensiv wie am Tag nach der Trennung. Das Läuten des Mobiltelefons klang unerträglich schrill in der Stille. Anhand der Rufnummer, die auf dem Display aufleuchtete, identifizierte Caitlin den Anrufer als ihre Mutter und meldete sich. „Roberta?" „Liebes, hast du vergessen, dass wir beide heute Abend zusammen essen und ins Theater gehen wollen?" Caitlin schloss die Augen. „Können wir das Dinner verschie ben? Ich hole dich um halb acht ab." Sie würde es gerade noch schaffen, wenn sie das Tempolimit ignorierte, die schnellste Du sche aller Zeiten nahm und sich umzog. „Viertel vor acht. Ich habe schon die Karten, und der Parkservice spart uns auch noch ein paar Minuten." Sie schaffte es ... gerade so. Gemeinsam betraten sie den Zuschauerraum und nahmen ihre Plätze ein, als der Vorhang sich hob. Caitlin konzentrierte sich auf die Bühne und die Darsteller und verdrängte jeden anderen Gedanken. Diese Fähigkeit hatte sie schon in jungen Jahren entwickelt, und nun profitierte sie davon. In der Pause gesellte sie sich mit ihrer Mutter in der Halle zu den anderen Besuchern, trank ein Glas Champagner und lauschte der Konversation. Roberta besaß eine Boutique in exklusiver Lage und hatte sich seit ihrer Scheidung zu einer cleveren und höchst erfolgreichen Geschäftsfrau entwickelt. „Ich habe für dich etwas beiseite gelegt", vertraute Roberta ihr an. Der modische Geschmack ihrer Mutter war unfehlbar, und so lächelte Caitlin. „Danke. Ich stelle dir einen Scheck aus." Roberta tätschelte den Arm ihrer Tochter. „Ein Geschenk, Liebling." Ein Schauer überlief Caitlin. Nur mit Mühe konnte sie ein Frösteln unterdrücken.
Es gab nur einen Mann, der diese Wirkung auf sie ausübte. Verstohlen drehte sie sich um und spähte in die Menge. Nicos Kasoulis stand in einer kleinen Gruppe. Er hatte den Kopf leicht zur Seite gelegt und plauderte mit einer hinreißenden Blondine, deren unverhohlene Bewunderung beinah peinlich wirkte. Zwei Männer, zwei Frauen. Ein netter Vierer. Caitlin wollte sich gerade wieder abwenden, als ihre Blicke sich begegneten. Seine dunklen Augen waren bezwingend, fast furchteinflößend. Dank seiner imposanten Statur, der breiten Schultern und seiner Ausstrahlung lenkte er die Aufmerksamkeit automatisch auf sich. Ein markantes Gesicht - ein Erbe seiner griechischen Vorfahren -, hohe Wangenknochen, ein energisches Kinn, ganz zu schweigen von einem Mund, der tausend sinnliche Freude verhieß, und Augen, so dunkel wie die Sünde, bildeten einen faszinierend en Kontrast zu der Aura der Macht, die ihn umgab. Er trug das Haar ein wenig länger, als es der herrschenden Mode entsprach, ein weiterer individueller Zug bei einem Mann, dessen Willenskraft von seinen Zeitgenossen gleichermaßen bewundert wie gefürchtet wurde. Falls er glaubte, Caitlin einschüchtern zu können, so hatte er sich getäuscht. Sie hob das Kinn und warf ihm aus leuchtend grünen Augen einen vernichtenden Blick zu, bevor sie ihm den Rücken zukehrte. In diesem Moment rief ein Summton die Besucher zurück auf ihre Plätze. Um Caitlins Konzentration war es geschehen. Der letzte Akt zog wie in einem dichten Nebel an ihr vorbei. Ihr einziges Be streben war, dem Zuschauerraum zu entfliehen, ohne noch einmal mit dem Mann zusammenzutreffen, der sie die Wonnen der Leidenschaft gelehrt hatte. Der bloße Gedanke daran brachte ihr inneres Gleichgewicht ins Wanken. Eine Flucht, die Nicos nach Belieben zulassen oder vereiteln konnte. Vereiteln, wie ihr bewusst wurde, als sie sich mit ihrer Mut ter einen Weg durchs Foyer zum Ausgang bahnte. „Caitlin. Roberta." Seine Stimme war dunkel und trügerisch sanft. „Hallo, Nicos", rief ihre Mutter entzückt, als er sich zu ihr hinabbeugte und sie auf die Wange küsste. „Wie nett, dich zu sehen!" Verräterin, dachte Caitlin wütend. Roberta war von Anfang an eine von Nicos' glühendsten Verehrerinnen gewesen. Und war es noch heute. „Das Kompliment kann ich nur zurückgeben." Er wandte sich Caitlin zu. „Dinner morgen Abend. Sieben Uhr?" Scheusal. Sie unterdrückte die Verwünschung in letzter Sekunde, als sie die verwunderte Miene ihrer Mutter bemerkte. Und Nicos zog lediglich die Brauen hoch. Zum Teufel mit ihm! „Hat Caitlin es dir nicht erzählt?" Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. „Nein." Roberta blickte zwischen ihrer Tochter und Nicos, der betont unschuldig den Kopf zur Seite legte, hin und her. Einen Moment lang erwog Caitlin, ihm die Augen auszukratzen. Verdammt, er wusste es! Sie sah es deutlich an dem amüsierten Funkeln seiner Augen und dem spöttischen Lächeln um seine Lippen. „Kevin in seiner unendlichen Weisheit hat eine Klausel in sein Testament eingefügt, der« zufolge ich mit Nicos für ein Jahr im selben Haus wohnen muss", erklä rte sie bitter. „Falls ich mich weigere, erhält Nicos die Mehrheitskontrolle über Macbride." Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Etwas, das ich auf gar keinen Fall dulden werde." „Oje ..." flüsterte Roberta, die mit dem aufbrausenden Temperament ihrer Tochter nur allzu vertraut war. Roberta kannte ihren Exmann gut. Seinen eisernen Willen hinter dem lässigen irischen Charme. Die Scheidung war lange her, und sie hatte ihm vergeben. Immerhin war aus ihrer Verbindung auch etwas Gutes entstanden: Caitlin. „Der Mann ist ein Narr, der sich in alles einmischen muss", sagte sie ruhig. O ja, Kevin
Macbride war ein gerissener Bursche gewesen. Und er hatte den attraktiven Griechen, den seine Tochter geheiratet hatte, auf Anhieb gemocht. Vielleicht, nur vielleicht, erreichte der Vater nach seinem Tod das, was ihm zu Lebzeiten nicht gelungen war. Roberta, wie konntest du nur? empörte Caitlin sich im Stillen. Während ich mit den Schatten der Vergangenheit kämpfe, hatte ich eigentlich erwartet, du würdest mir bedingungslos zur Seite stehen und nicht den Feind mit offenen Armen willkommen heißen. Nicos beobachtete das wechselnde Mienenspiel seiner Frau. Sie hatte an Gewicht verloren, ihr Teint war blass, und momentan kochte sie vor kaum unterdrückter Wut. Es kostete ihn größte Überwindung, sie nicht einfach über die Schulter zu werfen und zu seinem Wagen zu tragen. Und anschließend in sein Bett. Caitlin erriet seine Gedanken und hätte ihn am liebsten geschlagen. „Gute Nacht." Die Worte klangen genauso, wie sie gemeint waren - eine kühle Abfuhr, mit einem Hauch Verachtung. Ehe sie es verhindern konnte, hatte er den Kopf gesenkt und ihre Lippen mit einem Kuss verschlossen, der ihre sorgsam errichtete Abwehr vernichtete. Kurz, fordernd und nachdrücklich hatte er ihr gezeigt, was einmal zwischen ihnen gewesen war. Und was wieder sein würde. Die Fronten waren geklärt, eine stumme Feststellung, weder Drohung noch Herausforderung. Lediglich eine Tatsache. Lächelnd richtete er sich wieder auf. „Sieben Uhr, Caitlin", erinnerte er sie lässig. Ruhig Blut, ermahnte sie sich. „Nenn mir das Restaurant, und ich werde dich dort treffen." „Das Foyer des Ritz-Carlton." Ein exklusives Hotel in unmittelbarer Nähe ihres Apartments, so nahe, dass sie auf einen Wagen verzichten konnte. Sie war sicher, dass er den Treffpunkt absichtlich gewählt hatte. Statt jedoch wie ein trotziges Kind mit dem Fuß aufzustampfen, blickte sie ihn ungerührt an. „Gut." Nicos verabschiedete sich von Roberta mit einem kurzen Nicken, dann bahnte er sich einen Weg durch die Menge. „Sag nichts", warnte Caitlin ihre Mutter, als sie endlich auf der Straße standen. „Das würde mir nicht im Traum einfallen, Liebes", beteuerte Roberta lächelnd.
2. KAPITEL
Es war ein warmer Abend. Eine milde Brise wehte vom Meer herüber, als Caitlin den Wagen abschloss und die Alarmanlage aktivierte. Sie parkte direkt vor dem Hoteleingang, dessen ele gante Fassade wohlhabende Gäste anlockte, die gepflegtes Ambiente und eine zentrale Lage zu schätzen wussten. Caitlin hatte viel Sorgfalt und Zeit auf ihr Äußeres verwandt, weil sie für den bevorstehenden Kampf möglichst gut gerüstet sein wollte. Nicos beobachtete interessiert, wie sie die Lounge betrat. Geschäftsmäßig, befand er angesichts des strengen schwarzen Kostüms. Tailliertes Jackett, knielanger, enger Rock, schwarze Strümpfe, die die wohlgeformten Beine und schmalen Fesseln betonten, sowie hochhackige schwarze Pumps. Außer einem Brillantanhänger an einer dünnen Goldkette und dazu passenden Ohrsteckern trug sie keinen Schmuck. Ob sie ahnte, wie gut er sie durchschaute? Die kleinen Signale, die ihre Stimmung verrieten ... Das zu einem modischen Chignon geschlungene Haar, das perfekte Make-up, das ihre Augen und die Form ihrer Lippen betonte. Das trotzig erhobene Kinn. Es war eine Fassade, die er nur zu gut kannte. Er erinnerte sich lebhaft, wie sie unter seinen Berührungen dahingeschmolzen war. Wie sich ihr Haar anfühlte, wenn er die Finger hinein schob und ihren Nacken umfasste, so dass ihr weicher, verführerischer Mund seinem ganz nahe war. Die ungezügelte Leidenschaft, mit der sie sich an ihn schmiegte und ihm eine tiefere Befriedigung schenkte als jede andere Frau zuvor. Als sie ihn erblickte, straffte sie leicht die Schultern und umfasste die Handtasche fester. Ohne zu zögern, kam sie auf ihn zu. „Nicos." Die Begrüßung klang höflich, fast kühl. Lass dir die Kontrolle nicht entgleiten, mahnte eine innere Stimme. „Wollen wir hineingehen?" Feuer und Eis, dachte er. Eine Kombination, die ihn schon immer fasziniert hatte. „Kannst du es nicht erwarten, Caitlin?" Ihre Blicke begegneten sich. „Ich möchte es nur schnell hinter mich bringen." „So viel Ehrlichkeit", spottete er leise. Er versuchte nicht, sie zu berühren, war ihr aber so nahe, dass sie sich der Wärme seines Körpers überdeutlich bewusst wurde und den dezenten Duft seines Rasierwassers wahrnahm. Ganz zu schweigen von der Aura dynamischer Kraft, die untrennbar mit ihm verbunden war. Nicos genoss sichtlich die Situation. Der heutige Abend war lediglich ein Vorgeplänkel. Ein gesellschaftliches Treffen, um eine Art Waffenstillstand zu schließen, der es ihnen ermöglichte, das nächste Jahr halbwegs einträchtig zu überstehen. Nicos hatte nichts zu verlieren, sie hingegen ... Denk nicht daran, ermahnte sie sich und betrat an seiner Seite das Restaurant. Nachdem sie Platz genommen hatte, überließ sie ihm die Aus wahl des Weins, während sie die Speisekarte überflog und sich für eine Vorspeise und einen Salat entschied. „Bist du nicht hungrig?" fragte er, als sie den exzellenten Chardonnay probierte. Gleichmütig hielt Caitlin seinem Blick stand. „Eigentlich nicht." Ihr Magen krampfte sich zusammen, und dieses Gefühl war ihrem Appetit nicht gerade zuträglich. Es ärgerte sie maßlos, dass Nicos noch immer diese Wirkung auf sie ausübte. Ein Blick auf ihn genügte, und ihr Puls begann zu rasen. Ob er sich dessen bewusst war? Hoffentlich nicht. Ihr Leben lang hatte sie geübt, ihre Gefühle zu verbergen. Zu lächeln und so zu tun, als wäre sie gegen die Giftpfeile immun, die ihre zwei Stiefgeschwister und die beiden Stiefmütter bei jeder Gelegenheit auf sie abschössen. Eine gelassene Miene zur Schau zu tragen war nicht allzu schwer - sie tat es jeden Tag. Beruflich und privat. „Lass uns zum Thema kommen, ja?" „Wollen wir nicht erst aufessen?" konterte er ruhig. Caitlin kostete den Salat und schob ihn dann beiseite. „Ich habe keinen Appetit mehr." „Vielleicht noch etwas Wein?"
„Nein, danke." Sie brauchte unbedingt einen klaren Kopf. Verdammt, warum musste er nur so unbeschreiblich männlich sein? Er genoss die Mahlzeit, wie er eine Frau genoss. Mit Sorgfalt, Freude und Befriedigung. In den Bewegungen seiner Hände lag etwas ungemein Sinnliches. Caitlin brauchte nur auf seinen Mund zu blicken, um sich auszumalen, wie er sich auf ihrem anfühlte. Nicos besaß die Gabe und die Erfahrung, eine Frau verrückt zu machen. Konzentrier dich, befahl sie sich im Stillen. Hier geht es nicht um dich. Oder um Nicos. Es geht um den Anspruch auf Macbride. „Wir müssen entscheiden, wo wir wohnen werden", begann sie ernst. Er zerteilte das Fischfilet auf seinem Teller und nahm sich eine Portion Salat. „Du würdest natürlich dein Apartment bevorzugen." So einfach konnte es nicht sein. „Ja." „Das Haus in Point Piper ist riesig. Es wäre viel praktischer für dich, wenn du dort einziehen würdest." Es wunderte sie, dass er das luxuriöse Anwesen nicht verkauft hatte, in dem sie die wenigen Monate ihrer unseligen Ehe verbracht hatten. Ein architektonisches Meisterwerk, das an einen Felshang gebaut war und sich über drei Ebenen erstreckte. Das Haus verfügte über modernste Einrichtung, Terrassen, einen Swimmingpool und einen atemberaubenden Blick auf den Hafen. Und es barg zu viele Erinnerungen. „Nein, das finde ich nicht." Nicos legte das Besteck beiseite und lehnte sich zurück. „Hast du Angst, Caitlin?" Sie ließ sich von seiner scheinbar entspannten Miene nicht täuschen. Nicos Kasoulis besaß einen messerscharfen Verstand und einen ausgeprägten Killerinstinkt. Beides hatte ihm bei Freund und Feind grenzenlosen Respekt verschafft. Sowohl im Geschäftsleben als auch in der oberen Gesellschaft. Diese Rücksichtslosigkeit hatte Kevin Macbride imponiert, der in Nicos sein charakterliches Ebenbild gesehen hatte: jemanden, der wusste, was er wollte, und der sein Ziel erbarmungslos verfolgte. „Habe ich denn Grund dazu?" Er lächelte versonnen. „Ich habe doch nur dein Bestes im Sinn." „Falls dem so wäre, könntest du es ablehnen, als Kevins Testamentsvollstrecker zu fungieren." „Ich habe ihm mein Wort gegeben." „Und nur das zählt." „Zynismus steht dir nicht." Caitlin nahm einen Schluck Wein. „Verzeih mir", bat sie ohne die geringste Reue. „Das habe ich schon früh lernen müssen." „Möchtest du ein Dessert?" erkundigte er sich höflich, als er das wütende Funkeln ihrer grünen Augen bemerkte. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Wir müssen einen Kompromiss finden." Nicos griff in die Innentasche seines Jacketts, holte einen dicken Umschlag hervor und warf ihn auf den Tisch. „Was ist das?" fragte sie misstrauisch. „Eine Fernbedienung für das Haupttor und Schlüssel für mein Haus." Er war sich seiner so sicher! „Ziemlich voreilig, oder?" „Praktisch", korrigierte er sie. „Arrogant", erwiderte sie. „Und wenn ich darauf bestehe, dass du in mein Apartment ziehst?" „Willst du mich wirklich neben deinem Schlafzimmer haben? Soll ich den Wohnbereich mit dir teilen? Oder die Küc he? In einem Apartment, das eher auf eine als auf zwei Personen zuge schnitten ist?" „Du kennst meine Wohnung doch gar nicht." „Ich war für den Innenausbau und die Restaurierung des alten Gebäudes verantwortlich",
erklärte er. Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Als Nächstes behauptest du noch, es würde dir gehören." Nicos neigte leicht den Kopf. „Stimmt." Sie hätte die Wohnung nie gekauft, wenn sie davon gewusst hätte. Genau genommen war es ihr Vater gewesen, der sie auf das Penthouse in der großen modernisierten Anlage aufmerksam gemacht hatte, kaum einen Monat nachdem sie Nicos verlassen hatte. Er beobachtete ihr Mienenspiel, doch dann hatte sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle. „Mythos Investments ist eine meiner Firmen." Natürlich. Der Name hätte sie warnen müssen, aber damals hatte sie an nichts anderes denken können als daran, eine sichere Zuflucht zu finden. Plötzlich erwachte ein Verdacht in ihr. „Hast du einen Privatdetektiv beauftragt, jeden meiner Schritte zu überwachen?" Keinen Privatdetektiv, sondern einen Exoffizier, dessen Aufgabe gewesen war, zu beobachten, falls nötig, zu schützen und dabei immer unsichtbar zu sein. Ein erfolgreich ausgeführter Auftrag, wie Nicos zugeben musste, der dem Mann ein beträchtliches Honorar beschert hatte. Das Schweigen sagte mehr als tausend Worte. Caitlin presste die Lippen zusammen. „Verstehe." „Was verstehst du, pedhi mou?" Seine Stimme klang gefähr lich ruhig. Zu ruhig. Wie die Ruhe vor einem Sturm. „Zwei Männer haben sich zusammengetan, um mein Leben zu manipulieren. Mein Vater zeit seines Lebens und nun du." Sie griff nach dem Wasserglas und erwog flüchtig, Nicos den Inhalt ins Gesicht zu schütten. „Tu's nicht", warnte er sie leise. „Kannst du Gedanken lesen?" „Deine schon." „Der Bericht über mich dürfte ziemlich langweilig gewesen sein", meinte sie kalt. Arbeit. Gesellschaftliche Verpflichtungen. Einige männliche Begleiter, von denen keiner bei ihr übernachtet hatte. „Wie konntest du nur?" rief sie wütend. „Du bist in meine Privatsphäre eingedrungen. Ich sollte dich wegen Belästigung anzeigen." Er zuckte nicht mit der Wimper. „Es geschah nur zu deinem Schutz." „ Wusste Kevin davon?" . „Wir haben darüber gesprochen." Verräter, alle beide. „Gütiger Himmel!" Sie stöhnte auf. „Ich bin siebenundzwanzig und nicht siebzehn!" „Du bist die Tochter eines sehr reichen Mannes und ..." „Die betrogene Ehefrau von jemandem, der meinem Vater beinah ebenbürtig ist", unterbrach sie ihn bitter. „Ja.“ „Ich hasse dich." Er zuckte leicht die Schultern. „Dann hasst du mich eben. Es ist zumindest irgendein Gefühl." Vor Wut kochend, ballte sie die Hände so fest zu Fäusten, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. „Wenn du jetzt gehst, schiebst du das Unvermeidliche nur hinaus", sagte Nicos drohend. „Und wir müssten uns noch einmal treffen." Zum Teufel, er hatte Recht! „Ich will weder das eine noch das andere." „Aber du willst Macbride." Das konnte sie nicht leugnen. Warum sollte das auf ein Jahr befristete Zusammenleben mit ihrem Exmann irgendwelche Probleme aufwerfen? Sie waren beide erwachsen. Sie hatten berufliche Verpflichtungen und
unterschiedliche Interessen. Mit ein bisschen Glück würden sie einander kaum sehen. Caitlin unterdrückte den kindischen Impuls zu kichern. Wem wollte sie etwas vormachen? Sie sah auf den dicken Umschlag und blickte Nicos fest an. „Ich werde nicht das Schlafzimmer mit dir teilen." „Ich erinnere mich nicht, dich darum gebeten zu haben." Sie fröstelte. „Freitag." Das war der siebte Tag und erfüllte somit Kevins letzten Willen. „Abends", fügte sie hinzu. „Ich werde erst spät nach Hause kommen." „Darin sehe ich kein Problem." Nicos winkte den Ober herbei und bestellte Kaffee. „Für mich nicht", lehnte sie ab. Sie musste hinaus, fort von dem Mann, der einst ihr Herz, ihre ganze Welt in den Händen gehalten hatte. Allen anderen Schwierigkeiten würde sie sich Freitag stellen. Im Moment wollte sie nur so weit wie möglich fort von Nicos Kasoulis. Würdevoll erhob sie sich und griff nach der Handtasche. Zu ihrem größten Entsetzen stand Nicos ebenfalls auf und packte ihr Handgelenk. „Was tust du?" fragte sie empört. „Ich dachte, das wäre offensichtlich." Der Ober erschien aus dem Nichts, nahm die Geldscheine entgegen, die Nicos ihm reichte, und lächelte, erfreut über das großzügige Trinkgeld. Caitlin blieb nichts anderes übrig, als sich von Nicos aus dem Restaurant begleiten zu lassen. Im Foyer versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien -vergeblich. Notgedrungen folgte sie ihm hinaus auf die Straße. „Wenn du mich nicht sofort loslässt, schreie ich", drohte sie leise. „Nur zu", forderte er sie ungerührt auf. „Ich schätze, weibliche Effekthascherei sichert dir einige Aufmerksamkeit." „Du bist der abscheulichste Mann, dem ich je begegnet bin!" Sein lautloses Lachen trieb sie zur Weißglut. „Geh zur Hölle!" „Du willst bestimmt nicht, dass ich dich dorthin mitnehme, oder?" Ein eiskalter Schauer überlief sie. „Ich will dich nicht, und damit basta!" „Ist das eine Herausforderung?" „Eine Feststellung." „Ein Jahr, Caitlin ... Vielleicht schließen wir sogar Waffenstillstand." „Das bezweifle ich." „Wir sollten es zumindest versuchen", schlug er vor. Sie holte die Autoschlüssel aus der Handtasche und deutete auf den weißen Porsche am Straßenrand. „Mein Wagen." „Willst du damit etwas beweisen, Caitlin?" „Ja.“ „Vielleicht sollte ich deinem Beispiel folgen." Er senkte den Kopf und zog sie an sich. Sie öffnete den Mund, um zu protestieren, doch es kam kein Wort über ihre Lippen, als er sie leidenschaftlich küsste. Etwas lang Vergessenes erwachte in ihr. Erinnerungen daran, wie es früher zwischen ihnen gewesen war. Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, schmiegte sie sich an ihn und schwelgte einen kurzen Moment lang in dem wunderbaren Gefühl, nach Hause gekommen zu sein. Der sanfte Druck seiner Zunge brachte sie fast um den Verstand. Wie konnte sie nur so schamlos sein! Seufzend löste sie sich von ihm und trat einen Schritt zurück. Ärger und Widerwillen erfassten sie, als Nicos über ihr Kinn strich. „Chemie", behauptete sie mit gewohnter Lässigkeit. Seine Miene war undurchdringlich. „Meinst du?" Er nahm ihr die Schlüssel aus der Hand, schaltete die Alarmanlage aus und entriegelte den Wagen. Dann öffnete er die Fahrertür, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und wartete, bis Caitlin hinter dem Lenkrad Platz
genommen hatte. „Freitag, Caitlin." Als ob er sie daran erinnern müsste! Sie startete den Motor, lenkte den Porsche aus der Parklücke und fädelte sich geschickt in den fließenden Verkehr ein. Minuten später rollte sie die Zufahrt zur Tiefgarage ihres Wohnhauses hinunter. Nachdem sie den Wagen abgestellt hatte, nahm sie den Lift zu ihrem Apartment. Es war erst kurz nach neun - zu früh, um ins Bett zu gehen. Caitlin spielte mit dem Gedanken, eine ihrer Freundinnen anzurufen und sich mit ihr auf einen Drink zu verabreden. Allerdings würde dies Fragen zur Folge haben, die sie nicht beantworten wollte. Stattdessen zog sie sich aus und schlüpfte in ein überdimensionales T-Shirt. Danach entfernte sie das Make- up, kuschelte sich in einen bequemen Sessel und zappte durchs Fernsehprogramm, bis sie eine interessante Sendung gefunden hatte. Irgendwann musste sie eingeschlafen sein, denn als sie erwachte, war ihr Nacken völlig verspannt, und ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es weit nach Mitternacht war. Minuten später hatte sie das Licht gelöscht und war ins Bett gegangen - um wach zu liegen, gequält von der Erinnerung an Nicos' Lippen auf ihrem Mund. Das Packen dauerte nicht lange. Eine Auswahl Kleider fürs Büro, Freizeitgarderobe und einige elegante Outfits für gesellschaftliche Anlässe. Caitlin klappte beide Koffer zu und warf einen letzten Blick auf ihr Apartment, dann schaltete sie die Alarmanlage ein, schloss die Eingangstür ab und rief den Lift. Double Bay war nur wenige Kilometer von Point Piper ent fernt, und es gelang ihr auf der kurzen Fahrt einfach nicht, die nervöse Anspannung abzuschütteln, die sich ihrer bemächtigt hatte. Seufzend bog sie in die gepflegte Wohnstraße ein, in der auch Nicos' Haus lag. Sie bremste den Wagen ab, betätigte die Fernbedienung und wartete, bis das hohe schmiedeeiserne Tor lautlos aufglitt. Eine halbrunde Auffahrt mündete« vor dem imposanten Gebäude inmitten des weitläufigen Parks. Ein Anwesen von vielen in die sem Viertel, das für seine Mischung aus Altem und Neuem bekannt war. Über der mächtigen geschnitzten Flügeltür thronte ein von Säulen getragenes Vordach, und ein ausgeklügeltes Alarmsystem sorgte für zusätzliche Sicherheit. In der Woche kümmerte sich ein Ehepaar um das Haus und den Garten, aber die beiden hatten bestimmt schon vor Stunden Feierabend gemacht. Beklommen betrat Caitlin die Halle. Im Haus herrschte absolute Stille. Das Licht der Nachmittagssonne fiel durch die bleigefassten Buntglasfenster und malte Muster in Pink und Grün auf den cremefarbenen Marmorboden. Eine breite, geschwungene Treppe führte zu einer ovalen Galerie, über der ein kostbarer Kronleuchter hing und die Höhe des Raums betonte. Durch eine Tür zu ihrer Rechten gelangte man in den offiziellen Wohn- und Essbereich, links befanden sich ein behaglicher Salon, das Esszimmer und die Küche. Das darunter liegende Stockwerk beherbergte einen Partyraum, eine Sauna, Duschen und ein Fitnessstudio sowie ein Schwimmbad, dessen Fenstertüren sich zum terrassierten Garten hin öffneten. Fünf Schlafzimmer mit angrenzenden Bädern umfasste das obere Stockwerk des geschmackvoll möblierten Hauses, das einen atemberaubenden Blick auf den inneren Hafen bot. Für einige kurze Monate war es ihr Zuhause gewesen. Ein Ort der Liebe, des Lachens und der Leidenschaft. Geh nicht weiter, warnte eine innere Stimme. Sosehr Caitlin sich auch seit frühester Jugend an Disziplin ge wöhnt hatte, so hilflos war sie jetzt gegenüber den unwillkommenen Emotionen, die sie überwältigten. Sie war im Begriff, in Nicos Kasoulis' Reich einzudringen, ein überaus riskantes Unterfangen. Aber welche Alternative hätte sie gehabt? Keine, wenn ich die Kontrolle über Macbride behalten will, dachte Caitlin, als sie die
Treppe hinaufging. Benutzte Nicos noch immer das Schlafzimmer, das sie einst geteilt hatten? Oder war er in eines der anderen gezogen? Nein, entschied sie wenig später. Seine Garderobe hing dort, und seine Toilettenartikel standen im Bad. Sie blickte auf das breite Bett und bemühte sich, ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen. Wie ertrug er es nur, hier zu bleiben? In diesem Zimmer, in diesem Bett? Kummervoll wandte sie sich ab, um die unliebsamen Erinnerungen zu verdrängen. Noch hatte sie alles unter Kontrolle. Aber wie lange noch? fragte eine boshafte innere Stimme, als Caitlin ein Schlafzimmer auf der gegenüberliegenden Seite der Galerie wählte. Es verfügte über einen kleinen Tisch, der ideal für ihren Laptop war. Hatte Nicos geahnt, dass sie sich für diesen Raum entscheiden würde, oder handelte es sich um einen Zufall? Nicos' Motive zu hinterfragen war sinnlos. Auspacken, einräumen, duschen, E-Mails abrufen, einige Anrufe erledigen und früh schlafen gehen - so sah ihr Plan für die nächsten Stunden aus. Gegen zehn erinnerte sie ihr knurrender Magen daran, dass sie das Dinner ausgelassen hatte. Ihr Lunch hatte aus einem Sandwich am Schreibtisch bestanden und das Frühstück aus Orangensaft und Kaffee. Nicht gerade nahrhaft, befand sie und machte sich auf den Weg in die Küche, um den Kühlschrank zu plündern. Ein Schinkensandwich und eine Tasse Tee mussten vorerst ge nügen. Sie war fast fertig, als sie hörte, wie die Vordertür geschlossen und die Alarmanlage aktiviert wurde. Es gab keine Chance, nach oben zu entkommen, ohne bemerkt zu werden, und so versuchte sie es erst gar nicht. Ihre schwache Hoffnung, Nicos würde sich nicht um den Lichtschein im Erdgeschoss kümmern, verflog, als er in die Küche kam. Sein bloßer Anblick versetzte ihre Sinne in hellen Aufruhr. Diese atemberaubende Kombination aus primitiver Sinnlichkeit und unterschwelliger Kraft übte eine tödliche Wirkung auf den Seelenfrieden jeder Frau aus. Insbesondere auf Caitlins. Es ärgerte sie maßlos, dass er sofort Bescheid wusste, gleichgültig, wie gut sie sich in der Gewalt hatte. „Ein kleiner nächtlicher Imbiss, oder hast du das Dinner aus gelassen?" Nicos durchquerte die Küche und blieb ungefähr einen Meter von ihr entfernt stehen. Er betrachtete das weite T-Shirt, das ihre Schenkel halb bedeckte, die nackten Beine und Füße und das Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. In diesem Aufzug erinnerte sie nicht im Entferntesten an eine erfolgreiche Geschäftsfrau. „Du bist früh zurück." „Du hast meine Frage nicht beantwortet." Caitlin nahm einen Schluck Tee. „Beides." Er lockerte die Krawatte und schob beide Hände in die Ho sentaschen. Sie wirkte erschöpft, unter ihren Augen lagen dunk le Schatten. Er hätte wetten können, dass sie in den letzten Nächten nicht viel geschlafen hatte. Aus Furcht vor dem erzwungenen Zusammenleben mit ihm? „Wollen wir es mit höflicher Konversation versuchen?" schlug sie spöttisch vor. Er sah ein bisschen gefährlich aus. Sie redete sich ein, ein solcher Gedanke wäre der Gipfel der Dummheit. Doch das Gefühl ließ sich nicht abschütteln. Der Instinkt mahnte sie zur Vorsicht, aber sie wurde das Opfer ihres Leichtsinns. „Wie war deine Verabredung ... entschuldige, dein Dinner?" fragte sie lässig. Er zog die Brauen hoch. „Wie kommst du darauf, dass ich in weiblicher Begleitung war?" „Eine durchaus logische Annahme - in Anbetracht der wachsenden Zahl von Frauen im Geschäftsleben." „Und meiner Schwäche für weibliche Gesellschaft", konterte er. „Du genießt einen gewissen Ruf." „Ich leugne nicht, dass ich diverse Partnerinnen hatte", erwiderte er ruhig. „Diese Beziehungen waren ernst und haben mir damals etwas bedeutet."
„Allerdings bist du nicht treu - weder innerhalb noch außerhalb der Ehe." Er rührte sich nicht von der Stelle, trotzdem hatte sie das Gefühl, er würde plötzlich viel zu nahe vor ihr stehen. „Soll ich etwas wiederholen, das du sowieso nicht glauben willst?" Die Atmosphäre war äußerst spannungsgeladen. „Spar dir die Mühe." Furchtlos hielt sie seinem Blick stand. „Wir haben bereits damals bis zur völligen Erschöpfung darüber diskutiert. Und es hat nichts gebracht. Ich wüsste nicht, inwieweit es uns jetzt weiterhelfen würde." Seine Selbstbeherrschung war bewundernswert. „Falls ich dir die gleiche Frage stellen würde, wenn du von einem Geschäftsessen nach Hause kommst - wie würde deine Antwort lauten?" Sie zögerte nicht eine Sekunde. „Scher dich zum Teufel." „Eine eindeutige Formulierung." Caitlin erhob sich und ging zur Spüle. „Vergiss das mit der ,hö flichen' Konversation." Sie stellte die Tasse in den Geschirrspüler. „Beschränken wir uns einfach auf ,Guten Morgen' und ,Gute Nacht'." „Glaubst du, das funktioniert?" Wieso hatte sie den Eindruck, dass er ihr immer mindestens einen Schritt voraus war? „Die Alternative wäre ein Minenfeld." „Schlachten, die gewonnen oder verloren werden?" Sie sah ihn nachdenklich an. „Es geht nicht darum, ob man gewinnt oder verliert, sondern wie man spielt." „Ein interessanter Vergleich." „Nicht wahr?" Sie wandte sich zum Gehen. „Gute Nacht." „Schlaf gut, pedhaki mou." Seine verführerische Stimme klang ihr in den Ohren, als sie die Treppe hinaufging, und in der vermeintlichen Geborgenheit ihres Schlafzimmers erschien ihr die zärtliche Anrede wie eine Bedrohung. Logischerweise wollte sich der Schlaf erst einstellen, als Caitlin von Erschöpfung überwältigt wurde, nachdem sie diverse Pläne gegen Nicos geschmiedet hatte.
3. KAPITEL
Als Caitlin am nächsten Morgen in die Küche hinunterkam, war unverkennbar, dass Nicos bereits gefrühstückt hatte. Der Duft von frischem Kaffee hing in der Luft. Sie schenkte sich eine Tasse ein, fügte Zucker hinzu und steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster. Während sie darauf wartete, dass der Toast bräunte, probierte sie das aromatische Getränk. Auf dem Tisch lag die Tageszeitung. Caitlin überflog die Schlagzeilen, die den jüngsten Justizirrtum anprangerten, den Ruin einer großen Firma beklagten und zwei Ratsmitglieder lob ten, die sich für die bevorstehenden Wahlen profilierten. Als die Toastscheiben fertig waren, bestrich sie sie mit Konfitüre, goss sich Kaffee nach und widmete sich die folgende Viertelstunde der Zeitungslektüre. Auf der Gesellschaftsseite prangte zu ihrem größten Entsetzen ein Foto von ihr und Nicos. Es war, wie sie bei genauerem Hinsehen feststellte, kurz nach ihrer Hochzeit auf einem Empfang aufgenommen worden. Der Artikel trug die Überschrift: Wieder vereint? Wie aus ungenannter Quelle verlautet, haben Nicos und Caitlin Kasoulis sich wieder zusammengetan, um eine Be dingung von Kevin Macbrides Testament zu erfüllen. Tat sache oder Täuschung? Ein wütender Fluch entrang sich ihren Lippen. Ohne nachzudenken, schnappte sie sich die betreffende Seite und machte sich auf die Suche nach ihrem Ehemann. Sie fand ihn an seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer vor, den Blick auf den Computermonitor gerichtet. Er hob den Kopf, als sie hineinstürmte, bemerkte ihr wütendes Gesicht und speicherte die Daten vorsichtshalber ab. „Guten Morgen." Caitlin bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Hast du das gesehen?" Sie warf die Zeitung auf die Tastatur und tippte mit dem Finger auf den Artikel. Irgend jemand hatte es sehr eilig gehabt. In Anbetracht ihrer zerrütteten Familienverhä ltnisse beschränkte sich der Kreis der Verdächtigen auf vier Personen. Jeder Einzelne hätte die Presse mit dem größten Vergnügen über die Details informiert. „Willst du dich beschweren und eine Gegendarstellung verlangen?" Sie war so wütend, dass sie kaum sprechen konnte. „Was wür de das helfen?" „Nicht das Geringste." Ein böser Verdacht erwachte in ihr. „Bist du dafür verantwortlich?" Er presste die Lippen zusammen. „Eine Antwort darauf erübrigt sich wohl." „Wer war es dann?" Sein Schweigen sagte mehr als tausend Worte, und Caitlins Zorn erreichte nie gekannte Dimensionen. „Ich muss ein paar Telefonate erledigen", sagte sie. „Dann muss ich weg." „Für heute Abend habe ich eine Einladung zum Dinner." „Es würde mir nicht im Traum einfallen, dich daran zu hindern." „Für uns beide." „Du kannst allein gehen!" „Das würde bestimmt einige Spekulationen heraufbeschwö ren, oder?" wandte er ein. „Besonders im Hinblick auf unsere angebliche Versöhnung." „Ich habe nicht die Absicht, deine Begleiterin im Gesellschaftszirkus zu spielen", erklärte sie nachdrücklich. „Da ich selten an solchen Veranstaltungen teilnehme, wäre es nur ein kleines Opfer." „Außerdem haben wir uns nicht versöhnt. Wir wohnen lediglich im selben Haus." „So ist es", bestätigte er gefährlich sanft. „Trotzdem sind wir für die Dauer eines Jahres Partner, wann immer es nötig sein solltet" „Das ist keine Bedingung aus Kevins Testament." „Betrachte es als eine von mir."
„Versuch nicht, mich zu manipulieren", warnte sie und wandte sich zur Tür. „Das lasse ich mir nicht gefallen." „Sei um Viertel nach sechs fertig", befahl er. Caitlin würdigte ihn keiner Antwort und unterdrückte nur mühsam den Impuls, die Tür hinter sich ins Schloss zu knallen. Betont langsam ging sie nach oben, schlüpfte in eine maßge schneiderte Hose und hochhackige Pumps, dann nahm sie ihre Handtasche sowie die Autoschlüssel und eilte die Treppe hinunter zur Garage. Zehn Minuten später hielt sie in der Nähe eines Parks, holte ihr Handy hervor und tätigte den ersten der erwähnten Anrufe. Andrea, Kevins zweite Frau, schätzte zwar Reichtum und einen luxuriösen Lebensstil und war selbstsüchtig bis zum Äußersten, aber dennoch nicht boshaft. Ihre Tochter Paula, aus der ersten Ehe, war ein verwöhnter Snob, trotzdem war es unwahrscheinlich, dass sie sich den Zorn ihrer Stiefschwester zuziehen wollte. Somit blieben nur Chloe, Kevins dritte Frau, und ihr Sohn Enrique aus einer vorhergehenden Ehe. Beide würden Caitlin mit dem größten Vergnügen demütigen. Caitlin hatte gute Kontakte - und nutzte sie erbarmungslos. Eine Stunde später hatte sie die Antwort, die sie wollte. Enrique. Sie war nicht im Mindesten überrascht. Ihr Stiefbruder war ein aalglatter Charmeur, der aus seiner Meinung keinen Hehl machte, dass er als einziger Mann unter einer Schar weiblicher Familienmitglieder den Löwenanteil von Macbride hätte erben müssen. Es interessierte ihn wenig, dass Kevin seine künftigen Ehefrauen jeweils vor der Hochzeit eine Verzichtserklärung hatte unterschreiben lassen und sowohl An drea als auch Chloe klargemacht hatte, dass Caitlin seine Nachfolgerin wäre. Enrique war ein junger Mann, der ein Leben in Luxus, schnelle Autos und schöne Frauen liebte. Als Teenager hatte er sich zudem ein teures Hobby zugelegt, das ihn mehr als einmal in eine diskrete Privatklinik gebracht hatte. Wenigstens kenne ich jetzt meinen Gegner, dachte Caitlin, als sie nach Double Bay zurückfuhr. Sie beabsichtigte, ihr Apartment zu überprüfen und ihre Garderobe zu sichten, denn sie plante, ihm eine nachhaltige Lektion zu erteilen. Caitlin hatte einige gute Freundinnen, die sie anrufen und zum Lunch einladen konnte. Obwohl das Treffen unliebsame Fragen aufwerten würde und sie den Schmerz über den Verlust noch nicht verwunden hatte, wusste sie, dass ihr Vater es nicht gewollt hätte, wenn sie um ihn trauerte. „Das Leben ist ein Fest", hatte er stets zu sagen gepflegt. Und er hatte ausgiebig gefeiert. Trotzdem vermisste sie sein Lachen, seine Liebe. Er war ihr Fels in der Brandung gewesen. Allerdings hatte er Nicos in einem Anfall von Selbsttäuschung seine Rolle in ihrem Leben übertragen. Caitlin wollte ein für alle Mal klarstellen, dass sie Nicos' Schutz weder brauchte noch wollte. Leider hatte Kevin seinen letzten Trumpf ausgespielt und ihr keine Wahl gelassen. Kurz nach fünf parkte Caitlin den Porsche und betrat Nicos' Haus mit drei Abendkleidern über dem Arm. Als sie die Treppe erreichte, kam Nicos in die Halle, und sie blieb stehen. „Formell, Caitlin", sagte er und nannte den Treffpunkt sowie den Veranstalter, während sie nebeneinander die Stufen hinaufstiegen. Wie hatte sie es nur vergessen können? Es handelte sich um einen der wichtigsten Wohltätigkeitsbälle der Stadt, und solange sie sich erinnern konnte, hatte Kevin die Organisation unterstützt. Ihr blieben noch ... fünfundvierzig Minuten, in denen sie duschen, sich um ihre Frisur und das Make-up kümmern und anziehen musste. Sie schaffte es in letzter Sekunde und präsentierte sich Nicos' bewunderndem Blick. Das jadegrüne Abendkleid aus Crepe Georgette mit dem asymmetrischen Rüschenbesatz und dem figurbetonten Schnitt schmeichelte ihrer schlanken Gestalt und dem hellen Teint. Um
Zeit zu sparen, hatte sie das Haar zu einem lockeren Chignon frisiert und als einzigen Schmuck einen Brillantanhänger und die dazu passenden Ohrstecker angelegt. Auch Nicos bot einen atemberaubenden Anblick. Für seine siebenunddreißig Jahre sah er blendend aus, die athletische Figur verriet regelmäßiges Training. In dem schwarzen Abendan zug, dem schneeweißen Hemd und der schwarzen Fliege verkörperte er perfekt den reichen, kultivierten Geschäftsmann. Seine angeborene Sinnlichkeit und die unstrittige Erfahrung mit dem anderen Geschlecht erhöhten zudem den Reiz, der von ihm ausging - und dem jede Frau erliegen musste. Noch vor einem Jahr hätte Caitlin eine scherzhafte Bemerkung gemacht, sein Kinn gestreichelt und ihn leicht geküsst. Heute jedoch tat sie nichts dergleichen. Stattdessen ging sie schweigend an seiner Seite durch die Halle und stieg in den vor dem Haus geparkten Wagen. „Wollen wir die Rollenverteilung für heute Abend durchsprechen?" fragte sie, während er das Tor hinter ihnen mit der Fernbedienung schloss und auf die Straße einbog. „Im Hinblick auf Enriques Verbindung zu einem gewissen Klatschkolumnisten?" „Du wusstest es?" „Hast du etwa gedacht, ich würde es nicht herausfinden wollen?" Caitlin erwiderte darauf nichts und betrachtete angelegentlich die draußen vorbeihuschende Szenerie. Egal, wo sie sich auf der Welt befand, Sydney war ihre Heimat. Es war eine schöne Stadt mit einem malerischen Hafen und Gebäuden in den unterschiedlichsten architektonischen Stilen. Das relativ milde Klima, der klare blaue Himmel über dem funkelnden Wasser von Port Jackson, die eleganten Villen an den Berghängen und die zahlreichen in den kleinen Buchten ankernden Boote sorgten für ein bezauberndes Flair. Nicos steuerte den Wagen durch die Straßen und hielt schließlich direkt vor dem Hoteleingang, wo ein Page die Schlüssel entgegennahm, um das Auto zu parken. Die weitläufige Halle vor dem Ballsaal war bereits mit Gästen überfüllt. Livrierte Ober reichten Drinks, und lautes Stimmengewirr erfüllte den Raum. Die gesellschaftliche Elite war hier versammelt, wie Caitlin spöttisch feststellte, und präsentierte die neueste Mode. Die Frauen trugen genug Juwelen, um den Staatshaushalt eines Dritte-Welt-Landes für mindestens ein Jahr zu bestreiten. Viele der Anwesenden hatten das Foto von Caitlin und Nicos Kasoulis in der Zeitung gesehen und den dazugehörigen Artikel gelesen. Sie musste also mit allgemeiner Neugier und viel sagen den Blicken rechnen. Ohne auf das sensationslüsterne Tuscheln zu achten, stand sie neben Nicos und trank einen Champagnercocktail. Einige Bekannte kondolierten ihr zum Verlust ihres Vaters, andere signalisierten durch Gesten, dass sie später noch mit ihr sprechen würden. Caitlin entdeckte ihre beiden Stiefmütter auf der anderen Seite der Lobby. Andrea hatte ihren derzeitigen Liebhaber im Schlepptau, während Chloe nur von ihrem Sohn Enrique begleitet wurde. Glücklicherweise versuchte Roberta nicht, sich auf dem gesellschaftlichen Parkett zu profilieren, und bevorzugte weniger mondäne Anlässe. Drei von Kevins Exfrauen auf einer Veranstaltung wären einfach zu viel des Guten gewesen. Es war schwer genug gewesen, die Beerdigung halbwegs friedlich zu begehen und den Klatschreportern und Gaffern kein hollywoodreifes Drama zu bieten. Nicos beobachtete, wie die widersprüchlichsten Gefühle sich im Gesicht seiner Frau spiegelten, und spürte, dass sie sich mental gegen die unvermeidliche Konfrontation wappnete. Andreas und Chloes Interesse an Kevins Tochter war bestenfalls oberflächlich zu nennen, allerdings achteten beide Frauen genau auf Etikette. Enrique hingegen war ein anderes Thema. „Du musst dich dem nicht allein stellen." Ihre Blicke trafen sich. „Willst du mich damit trösten?" „Verlass dich darauf." „Mein Leibwächter", sagte sie ironisch. „Das auch", erwiderte er spöttisch.
„Caitlin, Liebes!" Sie drehte sich beim Klang der melodischen Stimme um und ließ die in die Luft gehauchten Wangenküsse über sich ergehen, die Andrea so liebte. „Nicos." Die Begrüßung fiel wesentlich kühler aus, dann wandte Andrea sich wieder ihrer Stieftochter zu. „Kevin wäre stolz auf dich, dass du dich so kurz nach seinem Tod in der Öf fentlichkeit zeigst." War das ein Kompliment oder ein Tadel? Caitlin beschloss, nur das Beste zu denken. „Danke, Andrea." Fünf Minuten später rauschte Andrea wieder von dannen, und Chloe näherte sich. „Wir waren nicht sicher, ob du heute Abend kommen wür dest." Schlank, anmutig und überaus selbstsicher, bewies Kevins dritte Frau die Lässigkeit eines Mannequins. „Kevin hätte es so gewollt", erklärte Caitlin, bevor sie ihren Stiefbruder begrüßte. „Enrique." Sein jungenhaftes Äußeres war trügerisch. Als Chloe noch mit Kevin verheiratet gewesen war, hatte er gedacht, sich durch die Verführung Caitlins einen festen Platz in der Familie sichern zu können - nur um feststellen zu müssen, dass Caitlin nicht auf seinen Charme hereinfallen wollte. Ihre Weigerung hatte ihn allerdings nicht an weiteren Versuchen gehindert, und er hatte ihr nie verziehen, dass sie seinen Traum von einem behaglichen Leben auf Kosten des Macbride-Vermögens vereitelt hatte. Mit resignierter Miene betrachtete er ihre schlanke Gestalt. „Du siehst hinreißend aus, Schä tzchen." „Ja, nicht wahr?" Nicos nahm ihre Hand und hob sie an die Lippen. Sein Blick war dunkel und undurchdringlich, als er sie stumm zwang, den Druck seiner Finger zu erdulden. Ihr Körper reagierte prompt auf die Liebkosung, und zwar in höchst verräterischer Weise. Das Blut schien schneller durch ihre Adern zu strömen, ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen. Nur unter Aufbietung ihrer ganzen Willenskraft gelang es ihr, gelassen zu wirken. „Was sollte das denn?" fragte sie, als Chloe und Enrique end lich außer Hörweite waren. „ Schadensbegrenzung." „Zu wessen Vorteil?" erkundigte sie sich skeptisch. „Zu deinem." „Ich bezweifle, dass solche Tricks helfen." Einer der vorbeieilenden Ober bot ihr neuen Champagner an. Dankend lehnte sie ab. Wenige Minuten später wurden die Türen zum Ballsaal geöffnet und die Gäste gebeten, ihre Plätze einzunehmen. Nach den horrenden Eintrittspreisen musste das Menü einfach köstlich sein, aber Caitlin naschte nur von jedem Gang, trank ein Glas von dem exzellenten Chardonnay und plauderte höflich mit ihren Tischnachbarn. Es wurde ein abwechslungs reiches Unterhaltungsprogramm geboten, und während einer Umbaupause entschuldigte sie sich, um den Waschraum aufzusuchen. Sie hatte leichte Kopfschmerzen und wäre am liebsten nach Hause gefahren. Allerdings war „zu Hause" nicht mehr ihr Apartment, und das erzwungene Zusammenleben mit Nicos hatte gerade erst begonnen. Vor der Tür hatte sich eine Schlange gebildet, und so musste Caitlin warten, bevor sie vor dem langen Spiegel ihren Lippenstift auffrischen konnte. War es ein Zufall, dass der erste Mensch, den sie nach Verlassen des Waschraums sah, Enrique war? Da ihr Stiefbruder zweifellos etwas im Schilde führte, nickte sie ihm nur kurz zu und wollte in den Ballsaal zurückkehren. Seine entschlossene Miene verhieß nichts Gutes. „Ich wollte allein mit dir reden", begann er unumwunden. Sie ahnte, was er sagen wollte, schwieg aber, in der Hoffnung, dass sie sich vielleicht täuschte. „Ich brauche Geld."
„Ich habe keines bei mir." „Aber du kannst es beschaffen." Dieses Thema war nicht neu. Früher hatte sie geglaubt, ihm helfen zu können, und hatte gezahlt. Bis sie erkannt hatte, dass sie damit nur seine Verschwendungssucht unterstützte. „Nein." „Morgen. Triff mich zum Lunch. Du kannst es dann mitbringen." Die Zeiten, da sie Mitleid für ihn empfunden hatte, waren längst vorbei. „Welchen Teil verstehst du eigentlich nicht bei einem Nein?" „Verdammt, ich bitte dich!" rief er mühsam beherrscht. „Eintausend, Caitlin. Mehr nicht." „Hat es sich nicht für dich gelohnt, den Informanten für die Klatschseite zu spielen?" Seine Augen funkelten eiskalt. „Ich weiß nicht, was du meinst." Der Kopfschmerz wurde stärker. „Selbst wenn ich es dir leihen würde, wie lange würdest du dich damit über Wasser halten, Enrique? Eine Woche? Und dann?" „Ich muss nur einmal gewinnen ..." „Nein." Sie beobachtete, wie seine Züge sich verfinsterten. Einem schlecht gelaunten Enrique ging sie lieber aus dem Weg. Er packte ihren Arm mit brutalem Griff. „Biest", zischte er giftig. „Dafür wirst du bezahlen." „Lass mich los", befahl sie leise und zuckte unter dem schmerzhaften Druck seiner Finger zusammen. „Tu, was Caitlin sagt." Nicos' Stimme klang furchteinflößend. „Sofort." Enrique ließ die Hand sinken. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum du meine Frau bedrohst", fuhr Nicos gefährlich sanft fort. „Fass sie noch einmal an, und ich verspreche dir, dass du für geraume Zeit nicht mehr laufen oder reden wirst." „Ihr solltet euch darüber klar sein, dass ich meinen Anwalt angewiesen habe, Kevins Testament anzufechten", verkündete Enrique boshaft. „Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen", erwiderte Nicos unbeeindruckt. „Kevins Exfrauen wurden bei der Scheidung großzügig abgefunden. Weder du noch Paula habt irgendeinen Grund, Ansprüche zu erheben." „Das sehe ich anders." Ohne ein weiteres Wort machte Enrique kehrt und verschwand im Ballsaal. Caitlin warf Nicos einen vernichtenden Blick zu. „Ich musste nicht gerettet werden!" „So? Ich hatte eher den Eindruck, dass dein charmanter Stiefbruder im Vorteil war." Sie hätte ihm erzählen können, dass Enrique in der Vergangenheit schon die unterschiedlichsten Druckmittel angewandt hatte und der festen Überzeugung war, seine Stiefschwester würde ihm gehören, weil seine Mutter Kevin geheiratet hatte. Trotzig hob sie das Kinn. „Ich wäre mit ihm fertig geworden." „Mit Worten vielleicht", räumte Nicos spöttisch ein. Nur mit Mühe unterdrückte sie den kindischen Impuls, mit dem Fuß aufzustampfen. „Spiel nicht den starken Mann, Nicos." „Ich bringe dich nach Hause." „Den Teufel wirst du tun!" „Willst du mir bei jeder Gelegenheit widersprechen, Caitlin?" Sie atmete tief durch. „Wenn wir nicht wieder hineingehen, denkt Enrique, er hätte gewonnen." „Fünfzehn Minuten", räumte Nicos ein. „Dann brechen wir auf." Es wurde fast eine Stunde daraus, und so betraten sie erst kurz vor Mitternacht das Haus. Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf. Oben angekommen, drehte Caitlin sich zu Nicos um. „Gute Nacht." Er umfasste ihr Kinn und senkte den Mund auf ihre Lippen. Es war ein kurzer, viel zu kurzer Kuss, eine flüchtige Berührung ihrer Zungen ... Als Nicos sich zurückzog, verspürte sie den Wunsch, der KUSS möge ewig währen. Sie
wollte mehr und kämpfte gegen das Verlangen an, sich an ihn zu schmiegen und den KUSS zu erwidern. Allerdings wäre das einem Eingeständnis gleichgekommen, und sie hatte in den letzten Monaten zu viel Zeit damit verbracht, sich gegen ihn zu wappnen. Es wäre der Gipfel der Dummheit gewesen, ihn ihre innere Abwehr überwinden zu lassen. Außerdem wäre es zu schmerzlich. Also wich sie vor ihm zurück, und er ließ sie gehen. Zu bereitwillig, wie sie fand, als sie ihr Zimmer erreichte und die Tür hinter sich schloss.
4. KAPITEL
Der Sonntag dämmerte mit grauem Himmel und schweren Re genwolken herauf. Caitlin stand früh auf, zog ein Sweatshirt, Shorts und eine Trainingshose an, dann ging sie hinunter in die Küche und trank ein Glas Orangensaft, bevor sie die Wendeltreppe in den Fitnessraum hinunterstieg. Im Haus war es still. Sie betrat den Saal und betrachtete die unterschiedlichen Geräte. Schließlich ging sie hinüber zum Sandsack und hämmerte eine solide Rechte in dessen Mitte. Obwohl ihre Fingerknöchel schmerzten, empfand sie tiefe Befriedigung. „Falls du die Übung wiederholen möchtest, solltest du Boxhandschuhe überstreifen", schlug Nicos lässig vor, als er he reinkam. Wütend drehte sie sich zu ihm um, erntete jedoch nur ein spöttisches Heben der Augenbrauen. „Oder willst du lieber auf ein lebendes Opfer einprügeln, statt dich mit einem Ersatz zu begnügen?" War er ihr nach unten gefolgt? Wohl kaum, die Zeit im Fitnessraum gehörte zu seiner täglichen Routine. Caitlin verwünschte insgeheim ihren Leichtsinn, diese frühe Stunde zu ei nem Training gewählt zu haben. „Führe mich nicht in Versuchung." Ohne Make-up und mit dem Pferdeschwanz sah sie wie siebzehn aus. Ihre Augen funkelten, ihr Mund war weich und einla dend. Am liebsten hätte er den Saal durchquert und sie geküsst, was ihm zweifellos einen kräftigen Leberhaken und eine Flut wütender Flüche eingebracht hätte. Caitlin wandte sich dem Laufband zu, stellte den Schwierigkeitsgrad ein, dann absolvierte sie einen strammen Marsch und setzte sich anschließend auf den Hometrainer. Sie konzentrierte sich ganz darauf, die vorgegebene Kilometerzahl zu erreichen, und achtete nicht weiter auf Nicos, der Gewichte stemmte und etliche Geräte benutzte. Ihr Programm konnte sich mit seinem nicht messen, das wur de deutlich, als sie nach dem Handtuch griff und sich den Schweiß von der Stirn wischte. Verstohlen beobachtete sie ihn in dem wandhohen Spiegel. Nicos wirkte so entspannt, als wür de er einen Bummel durch den Park machen. Die Muskeln spannten sich an und vermittelten den Eindruck geradezu sünd hafter Stärke. Ihr Anblick weckte Erinnerungen, die sie sich vergeblich zu verdrängen bemüht hatte. Dass sie gezwungen war, mit ihm zusammenzuleben, trug nicht dazu bei, ihren Seelenfrieden zu retten. Zorn, Schmerz und Sehnsucht kämpften in ihr. Wie konnte sie irgendetwas für einen Mann empfinden, der nicht nur nach der Hochzeit seine Geliebte behalten, sondern sie auch noch unvorsichtigerweise geschwängert hatte? Warum, um alles in der Welt, hatte Nicos Kevins absurdem Vorschlag zugestimmt? Und welche Rolle spielte Georgia dabei? Verdammt, in die Sache war ein Kind verwickelt! Ein kleiner Junge, der höchstens wenige Wochen alt war. Was war mit ihm? Ihre Gedanken überschlugen sich. Einen Moment lang erwog sie, in die Sauna zu gehen und danach in den Pool zu springen. Dazu hätte sie sich allerdings ausziehen müssen, und sie beabsichtigte keinesfalls, sich in seiner Gegenwart zu entkleiden. Außerdem musste sie unbedingt Abstand zu ihm gewinnen, und so verließ sie leise den Raum. Nach dem Frühstück wollte sie duschen, sich etwas Lässiges anziehen und den Tag außerhalb des Hauses verbringen. Irgendwo, weit weg von diesem Anwesen und dem widerwärtigen Mann, dem es gehörte. Zwanzig Minuten später kam sie auf dem Weg zur Garage die Treppe herunter und begegnete Nicos in der Halle. Er nahm ihr die Tasche von der Schulter und die Autoschlüssel aus der Hand. „Willst du ausgehen?" „Hast du etwas dagegen?" konterte sie kühl.
„Nein, warum sollte ich?" Sie wollte an ihm vorbei. „Du brauchst nicht auf mich zu warten." Nicos hielt sie zurück. „Ein Mindestmaß an Höflichkeit wäre nicht schlecht." Caitlin schaute zuerst vielsagend auf seine Hand, dann begegnete sie seinem Blick. „Du meinst, was meinen Aufenthaltsort und die Zeit meiner Rückkehr betrifft? Bedauere, ich habe keine festen Plä ne." „Außer dass du die Flucht ergreifen willst." Es ärgerte sie, dass er sie so gut kannte. „Ja." Er ließ sie los. Wenig später lenkte sie den Wagen durchs Tor und fuhr in Richtung Norden zum Strand. Nachdem sie sich für eine relativ einsame Bucht entschieden hatte, breitete sie ein Badelaken aus, schaltete ihr Handy aus und schlug das neueste Taschenbuch ihrer Lieblingsautorin auf. Ihr Lunch bestand aus einem Sandwich, das sie sich zusammen mit einer Flasche Mineralwasser an einem Kiosk kaufte. Danach las sie stundenlang weiter, bis ihre Rastlosigkeit Oberhand gewann. Also sammelte sie ihre Habseligkeiten ein und fuhr zurück in die Stadt, wo sie die Boutiquen am Darling Harbour durchstöberte. Es war so leicht, sich in der flanierenden Menge zu verlieren. Irgendwann blieb sie stehen, um ein Silberarmband im Schaufenster eines Juweliers zu bewundern. Sein außergewöhnliches Design lohnte eine genauere Betrachtung, und Caitlin wollte den Laden gerade betreten, als sie eine vertraute Stimme vernahm. „Ein Bummel durchs Armenviertel, Liebes?" Caitlin wandte sich zu einer großen, schlanken Blondine um, die ihre makellosen Züge den Künsten eines Schönheitschirur gen verdankte. Das perfekte Ergebnis wurde durch ein kunst volles Make-up und exklusive Designermode betont. „Paula", begrüßte sie ihre Stiefschwester, deren Lächeln ebenso gekünstelt war wie ihre Herzlichkeit. „Willst du unerkannt bleiben, Caitlin? Oder habe ich etwas versäumt, und ..." Sie deutete auf die Shorts und das über dem Bauchnabel zusammengeknotete T-Shirt. „... das ist die neueste Mode?" „Man nennt es ,lässig'", erwiderte Caitlin, amüsiert über Paulas verächtlichen Tonfall. „Und wo ist der unvergleichliche Nicos?" „Ich habe ihn zu Hause gelassen." Zumindest das entsprach der Wahrheit. Wie lange er dort bleiben würde, war allerdings eine andere Sache. „So frisch vereint." Das Lächeln war alles andere als liebens würdig. „Obwohl jeder weiß, dass ihr beide damit nur den letzten Wunsch des lieben Kevin erfüllt." „Jeder?" „Aber ja, Liebes." Paula hatte offenbar Blut geleckt. „Ihr seid das Hauptgesprächsthema in der guten Gesellschaft." Zweifellos wurden die Gerüchte durch falsche Spekulationen genährt. Nun, das war nichts Neues. „Wirklich?" „Dir ist natürlich klar, dass Enrique beabsichtigt, das Testament anzufechten." „Genau wie du, oder?" „O nein, Liebes. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass es sinnlos wäre." Paula bedachte Caitlin mit einem prüfenden Blick. „Wie fühlt man sich als Erbin, Schätzchen? Du warst ja immer Daddys ganzer Stolz. Du hast sogar den Prinzen geheiratet - um dann herauszufinden, dass er auch nur ein Mann ist." Ihr Lä cheln wurde - wenn überhaupt möglich - noch geringschätziger. „Ein interessanter Zufall, dass seine Geliebte wieder in der Stadt ist. Oje, du wusstest es nicht?" fügte sie scheinheilig hinzu. Caitlin hatte ein Leben lang geübt, eine gleichgültige Miene zu bewahren. „Danke für die Warnung." „Es war mir ein Vergnügen." Caitlin hatte nicht vor, das Feld zu räumen. „Mach's gut, Paula." Die unmissverständliche Aufforderung verfehlte ihr Ziel. „Schade, ausgerechnet jetzt, da
wir uns wieder ein bisschen anfreunden." Sich mit Paula anzufreunden war etwas, das Caitlin tunlichs t vermeiden wollte. Andrea hatte die Abneigung zwischen ihnen von Anfang an geschürt. Die Freundschaft zwischen der Tochter der Ehefrau und der Tochter des Mannes war nie ein Thema gewesen. Das Zusammenleben in scheinbarer Harmonie erforderte Schlagfertigkeit, Intelligenz und ein stets wachsames Auge ... für boshafte Sticheleien, fantasievolle Ausschmückungen der Wahrheit und das sprichwörtliche Messer im Rücken. Paulas Aufgabe war es ge wesen, Kevins Goldkind in Verruf zu bringen. Andreas Auftritt als Caitlins Stiefmutter hatte nicht ewig ge dauert, und als Caitlin geglaubt hatte, es könnte nur noch besser werden, waren Chloe und Enrique aufgetaucht. Und das war noch schlimmer gewesen, viel schlimmer. Caitlin warf einen Blick auf die Uhr und unterdrückte den Impuls, Roberta anzurufen. Stattdessen kehrte sie zum Parkplatz zurück. Sie würde eines der großen Kinocenter besuchen, sich einen Film ansehen, einen Imbiss besorgen und dann nach Hause fahren. Die Auswahl war jedoch zu groß, und so entschied sie sich für zwei Streifen, die unmittelbar nacheinander gespielt wurden. Die kurze Pause dazwischen nutzte sie für eine Tasse Kaffee und einen Snack. Es war bereits nach zehn, als sie den Wagen in der Garage abstellte und leise die Haustür aufschloss. Sie wollte gerade die Treppe hinaufgehen, als Nicos aus dem Arbeitszimmer in die Halle kam. Besaß er Röntgenaugen? Oder hatte er die ausgeklügelte Alarmanlage durch eine Videokamera ergänzt? Die engen Jeans und das Polohemd betonten seine breiten Schultern, die schmalen Hüften und langen Beine. „Hast du daran gedacht, deine Mailbox abzuhören?" Der ruhige Tonfall ließ keine Schlüsse auf seine Laune zu. „Seit dem Nachmittag nicht. Warum?" „Roberta hat zweimal angerufen. Enrique ebenfalls, und er hat auf sofortigem Rückruf bestanden. Und Harry. Er hat behauptet, du hättest seine Nummer." Seine Miene war undurchdringlich, nur seine Augen funkelten gefährlich. „Alle drei sagten, sie hätten bereits versucht, dich per Handy zu erreichen." „Soll ich mich bei dir entschuldigen, weil du Anrufe für mich entgegennehmen musstest?" Nicos kam näher - zu nahe für ihren Geschmack. Sie erwiderte unbeeindruckt seinen Blick. Dabei fielen ihr die winzigen Linien um seine Augen auf, bevor sie seinen Mund betrachtete und ihre Aufmerksamkeit dann seinem markanten Kinn zuwandte. Nicos strahlte eine Ruhe aus, die sie an ein sprungbereites Raubtier erinnerte. Lauf, drängte eine innere Stimme. Caitlin war jedoch eine Kämpfernatur und hielt Flucht für ein Zeichen der Schwäche. „Ich schulde dir keine Erklärung", verkündete sie stolz. Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Da bin ich anderer Meinung." „Scher dich zum Teufel!" Sie wollte ihren Weg fortsetzen, doch Nicos hinderte sie daran, indem er sie zwang, ihn anzusehen. „Reiz mich nicht", warnte er trügerisch sanft. Der Druck seiner Finger war heftig, und sie wusste, dass er ihn noch verstärken würde, falls sie sich ihm zu entwinden versuchte. „Nötigung, Nicos?" erkundigte sie sich spöttisch. „Willst du Krieg?" Ein kalter Schauer überlief sie. „Höflichkeit und Harmonie wären mir lieber." „Dann schlage ich vor, dass du dir ein bisschen Mühe gibst." „Das gilt auch für dich." Er ließ sie los, und sie eilte nach oben. In der Geborgenheit ihres Schlafzimmers angekommen, schloss sie die Tür und sank aufs Bett. Dann schaltete sie das Handy wieder ein, spielte die aufgelaufenen Anrufe ab und wählte die Nummer ihrer Mutter. Und später die des lieben Harry, der mit der Renovierung zweier nebeneinander
liegender Stadthäuser beauftragt war, die sie unlängst als Investition erworben hatte. „Die Farben, Liebchen. Wir müssen uns unterhalten. Blau ist einfach unmöglich!" Sie würde ihn vom Büro aus anrufen, sie würden streiten, sie würde einlenken und seine Wahl billigen. Die scheinbar erbitterten Wortgefechte basierten auf einer langjährigen Freund schaft. Enrique war ein anderes Kaliber. Arrogant, aufdringlich, verzweifelt. Eine gefährliche Kombination. Seufzend zog sie sich aus und ging unter die Dusche. Später lag sie in der Dunkelheit und blickte an die Decke. Einige Tage hatte sie hinter sich, dreihundertzweiundsechzig noch vor sich. Wie, um alles in der Welt, sollte sie das schaffen? Caitlin erwachte zu spät und mit Kopfschmerzen. In ihrer Eile, pünktlich ins Büro zu kommen, ließ sie das Frühstück aus, und von da an ging es den ganzen Tag nur bergab. Alles, was schief gehen konnte, ging schief. Sie musste sich mit Beschwerden aus Bereichen herumschlagen, die norma lerweise völlig reibungslos funktionierten, versuchte, einen aufbrausenden Subunternehmer zu besänftigen, der am Ende doch kündigte, und stand am Rande eines Nervenzusammenbruchs, als Enrique hartnäckig fünf Minuten ihrer Zeit beanspruchte. Der Lunch wäre beinah ausgefallen, wenn ihr gegen zwei nicht eingefallen wäre, sich zwei Sandwiches kommen zu lassen, die sie am Schreibtisch verzehrte. Um vier teilte ihr Kevins Anwalt telefonisch mit, dass Enrique das Testament nunmehr offiziell anfechten und einen Teil der Immobilien beansprachen werde. Enriques Protest war nur ein kleines Störmanöver, aber der Anwalt musste sie natürlich über die Entwicklung informieren. Die Kopfschmerzen, gegen die sie inzwischen mehrere Tabletten genommen hatte, waren mittlerweile zu einem heftigen Migräneanfall geworden, der sie körperlich völlig erschöpfte. Kurz vor sechs parkte sie ihren Wagen und betrat das Haus. Sie sehnte sich nach einem ausgiebigen Bad im Whirlpool und noch einigen Pillen. Anschließend würde sie die Jalousien herunterziehen, in ihr kühles Bett schlüpfen und sich vor dem Rest der Welt verstecken, bis sie von den Kopfschmerzen befreit war und die Fassung wiedergefunden hatte. Sie hätte es fast geschafft. Hätte - wenn sie sich auf der Suche nach weiteren Tabletten nicht nach unten hätte begeben müssen. Nicos traf sie in der Küche an. Sie war aschfahl, trug einen Bademantel, und das Haar fiel ihr offen über den Rücken. „Was, zum Teufel...?" Er verstummte, als er ihren jämmerlichen Zustand bemerkte. Caitlin schloss die Augen. Ihr war absolut nicht nach einem Verhör zu Mute. „Der Teufel ist auf meiner Seite", erwiderte sie müde. „Wo bewahrst du deinen Vorrat an Schmerztabletten auf?" Er ging zu einem der Wandschränke und holte eine Schachtel heraus. Dann füllte er ein Glas mit Wasser und reichte es ihr zusammen mit der Packung. „Kopfschmerzen?" „Ja." Sie drückte zwei Pillen aus dem Streifen und spülte sie mit Wasser hinunter. Inzwischen hatte er einen Stuhl hervorgezogen und drängte sie sanft, sich zu setzen. „Was hast du vor?" Sie wollte ins Bett, sich hinlegen und darauf warten, dass die Schmerzen schwanden. Ohne auf ihren Protest zu achten, zog er das Jackett aus, lockerte die Krawatte und rollte die Hemdsärmel hoch. „Sei still, und entspann dich." Caitlin öffnete den Mund - und schloss ihn sofort wieder, als Nicos begann, die verkrampften Muskeln in ihrem Nacken und ihren Schultern zu massieren. Gütiger Himmel, das fühlte sich gut an! So gut... Sie ließ die Lider sinken und gab sich ganz dem Zauber seiner Finger hin. Schon seit langem war niemand mehr so nett zu ihr gewesen. Nicht so fürsorglich. Nicht seit Kevin krank geworden war.
Lange unterdrückte Emotionen überwältigten sie. Tränen stiegen ihr in die Augen und rannen ihr über die Wangen. Nicos spürte die warmen Tropfen auf seinen Fingern. Mit einem leisen Fluch hob er Caitlin vom Stuhl und presste sie an sich. Hätte er auch nur ein Wort geäußert, hätte sie sich losgeris sen, aber der Trost, den er bot, war einfach zu verlockend, und zum ersten Mal seit Kevins Tod weinte sie still vor sich hin. Sie merkte kaum, dass er das Kinn auf ihren Kopf stützte und sie die Arme um ihn schlang. Nach einer Weile schob er einen Arm unter ihre Knie und trtig sie hinauf in ihr Zimmer. Er schlug die Decke zurück, dann legte er sich mit ihr aufs Bett, wohl wissend, dass sie ihn zu rückstoßen würde, sobald ihr klar wurde, wo sie war - und mit wem. Doch das geschah nicht. Stattdessen verebbten die Schluchzer, die ihre zarte Gestalt geschüttelt hatten, und sie wurde ruhiger. Ihre Atemzüge wurden regelmäßiger, und gleich darauf schlief sie ein. Sie in den Armen zu halten weckte eine Flut von Erinnerungen, und jede einzelne versetzte seine Hormone in Aufruhr. Als er nach einigen Minuten versuchte, vorsichtig von ihr abzurü cken, erntete er leisen Protest. Also blieb er, wo er war. Und wusste, dass er der größte Narr auf Erden war. Weil er es genoss, sie bei sich zu haben, ihren Duft einzuatmen und die seidige Fülle ihres Haars unter den Lippen zu spüren. Die Nachtluft wurde kühler. Nicos streifte die Schuhe ab, zog die Decke hoch und schlief irgendwann ein. Ganz langsam kehrte Caitlin aus den Tiefen des Schlafs in die Wirklichkeit zurück und merkte erschrocken, dass sie zwar im Bett war - aber nicht allein: Nicht genug, dass sie nicht allein war, ihr Kopf ruhte an einer Männerbrust, ein muskulöser Arm hielt sie fest, und ihr eigener Arm war um seine Taille geschlungen. Nicos! Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag, und ihr erster Impuls war, aus dem Bett zu springen und vor ihm zu fliehen. Es dauerte einen Moment, bis ihr die anderen Details auffielen. Sie befand sich in ihrem eigenen Zimmer, Nicos war vollständig bekleidet, und ihr Gedächtnis funktionierte perfekt. Vielleicht, wenn sie vorsichtig den Arm fortzog ... Sie versuchte es, doch Nicos verstärkte nur seinen Griff. Er schlief wie eine Katze, war sich jeder ihrer Bewegungen bewusst und hatte sofort gespürt, dass sie aufgewacht war, hatte die veränderte Atmung registriert und die spontane Spannung. Vermutlich konnte er auch ihre Gedanken lesen. Er sehnte sich danach, sich vorzubeugen und mit den Lippen ihre Schläfe zu berühren, eine Hand in den Ausschnitt ihres Ba demantels zu schieben und ihre Brüste zu liebkosen. Er wollte ihren Nacken küssen und dann die Finger tiefer wandern lassen zu ihren Hüften. Sex am Morgen, dachte er verträumt, eine wundervolle Art, den Tag zu beginnen ... Vielleicht ... Nein, entschied er. Nicht hier, nicht jetzt. Wenn der rechte Zeitpunkt gekommen war, würde es kein Zögern ge ben. Aber er wollte, dass sie ihn begehrte, und dafür brauchte er Zeit. Etwas, wovon er, dank der Bedingungen von Kevins Testament, genug hatte. Sagte nicht schon ein Sprichwort, dass derjenige belohnt wurde, der warten konnte? Seufzend ignorierte er seine Erregung und das Verlangen, das ihn quälte. Eine halbe Stunde Training im Fitnessstudio, anschließend eine Dusche und ein Frühstück, dann würde er seine Energien auf den vor ihm liegenden Arbeitstag konzentrieren können. Zuvor wollte er Caitlin jedoch noch ein wenig necken. „Sind die Kopfschmerzen fort?" Sie zuckte beim Klang seiner verführerischen Stimme zusammen und hob vorsichtig den Kopf. „Ja." Der Instinkt riet ihr, von ihm abzurücken. Und zwar schleunigst. „Du hast gut geschlafen." Wie es schien, hatte sie sich in der Nacht nicht viel bewegt. Oder er hatte es nicht zugelassen. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, sich für seine Hilfe zu
bedanken. Beschämt dachte sie an die Tränen, die sie an seiner Brust vergossen hatte. Langsam setzte sie sich auf. Als sie seinen amüsierten Blick bemerkte, schaute sie an sich hinab und zog den Bademantel fester um sich. Geschmeidig schwang Nicos die Beine aus dem Bett und stand auf. Sein dunkles Haar war leicht zerzaust, und er glättete es schnell mit den Fingern, bevor er sich bückte und seine Schuhe aufsammelte. „Frühstück um acht auf der Terrasse?" erkundigte er sich und genoss ihre Verwirrung. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er zur Tür. Verblüfft schaute sie ihm hinterher. Dann verließ auch sie das Bett, holte sich frische Wäsche und eilte ins angrenzende Bad. Eine halbe Stunde später klappte sie ihren Aktenkoffer zu und lief rasch die Treppe hinunter. Sie hatte gerade die Halle betreten, als Nicos durch einen Flur hereinkam, der zu der Wendeltreppe führte, die das Erdgeschoss mit dem Fitnessraum verband. Sein Anblick in Shorts und Sweatshirt ließ ihr Herz schneller klopfen. Ein feuchtes Handtuch hing über seinen Schultern. Er sah umwerfend männlich aus, das schweißnasse Hemd klebte an seinen breiten Schultern und der muskulösen Brust. Angesichts des Aktenkoffers, des strengen Kostüms und der hochhackigen Pumps zog er eine Augenbraue hoch. „Du willst so früh los?" „Ja", bestätigte Caitlin ruhig. So konnte sie noch ein wenig Zeit am Computer verbringen, bevor ihre Sekretärin eintraf und die eigentliche Arbeit begann. Er wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß von der Stirn. „Warte nicht mit dem Dinner auf mich. Ich werde erst spät nach Hause kommen." „Ich auch", erwiderte sie spontan und wandte sich zu der Zwischentür, die zur Garage führte. Warum, um alles in der Welt, hatte sie das gesagt, obwohl sie gar keine festen Pläne für den Abend hatte? Ich könnte Roberta anrufen und mich mit ihr zum Essen verabreden, überlegte sie, während sie den Motor startete und den Wagen zum Tor lenkte. Oder in ein Museum oder ins Kino gehen. Der Tag verlief ohne große Störungen. Sie meldete sich bei Harry und vereinbarte ein Treffen mit ihm in der Mittagspause. Er erwartete sie vor den beiden Stadthäusern und überschüttete sie in der ihm eigenen selbstsicheren Art mit Vorschlägen. „Mattgrüne Teppiche, Wände und Decken in blassem Apricot und Creme und dazu helle Möbel, Schätzchen." Er hob ihre Hand an die Lippen und küsste ihre Finger. Dann machte er eine ausholende Geste. „Es wird einfach hinreißend!" „Kein Blau?" erkundigte sie sich scherzhaft und lenkte ange sichts seiner gepeinigten Miene sofort ein. „Okay. Kannst du mir auch verraten, welche Farbkomposition du für das andere Haus wünschst?" Sofort begann er, mit den poetischsten Worten zu schwärmen. Caitlin sträubte sich ein wenig, weil er es nicht anders erwartete, und am Ende erreichten sie einen Kompromiss, mit dem jeder zufrieden war. Sie besaß ein gutes Auge für günstige Gelegenheiten, das Talent, sich das fertige Projekt vorstellen zu können, und nun zwei aneinander grenzende Häuser - den dritten Immobilienkauf in diesem Jahr. Die anderen Objekte waren von Harrys Handwerkerteam renoviert und mit einem beachtlichen Gewinn verkauft worden. Und da sie ihm einen prozentualen Anteil am Profit zahlte, hatte er natürlich größtes Interesse an jedem Auftrag. „Ich habe da etwas in Surrey Hills." Surrey Hills war ein älterer Vorort, der sich bei gut verdienenden, kinderlosen Ehepaaren größter Beliebtheit erfreute. Harry blickte sie prüfend an. „Ein Reihenhaus?" „Eigentlich drei." „Gute Bausubstanz?" Er stellte unzählige präzise Fragen und notierte sich die Adresse. „Ich werde sie mir ansehen und mich wieder bei dir melden." Er würde die Häuser mit äußerster Dringlichkeit behandeln, davon war sie überzeugt.
Drei Reihenhäuser waren vielleicht ein bisschen viel, aber sie befanden sich in bester Lage und gehörten zu einem verwahrlosten Anwesen, das die Familie verkaufen wollte. Der Nachmittag verlief hektisch. Caitlin verließ das Büro erst spät und traf sich mit Roberta in dem kleinen, schicken Restaurant, das eine Freundin ihr empfohlen hatte. Neue Besitzer, eine moderne Inneneinrichtung und eine vielseitige Speisekarte sorgten für eine ausgezeichnete Mahlzeit. Danach gingen sie in einen spanischen Film, eine flotte Komödie mit schwarzem Humor und Untertiteln. Caitlin war gern mit ihrer Mutter zusammen, denn Roberta war für ihre Tochter eine echte Freundin. „Kommst du zurecht?" fragte sie, als sie nach dem Kino bei einem Kaffee saßen, und drückte Caitlins Hand. „Wie meinst du das?" „Das Zusammenleben mit Nicos." Caitlin wollte nicht über den eigentlichen Sinn dieser Worte nachdenken. „Getrennte Schlafzimmer, getrennte Leben." Die knappe Formulierung beschrieb nicht annähernd die knisternde Spannung zwischen ihnen. Ständig wurde sie daran erinnert, was sie einst geteilt hatten, und sie bemühte sich verzweifelt, sich in dem Chaos ihrer Emotionen zurechtzufinden. Roberta enthielt sich klugerweise jeglichen Kommentars. Sie kannte ihre Tochter gut genug, um das heikle Thema nicht weiterzuverfolgen. „Noch einen Kaffee, Liebes?" Caitlin schüttelte den Kopf. „Nein, danke." Sie blickte auf die Uhr und sah, dass es kurz vor Mitternacht war. „Ich muss jetzt wirklich ..." Um ein Haar hätte sie „nach Hause" gesagt. „... zurück." Nicos' Mercedes stand bereits in der Garage, als sie hineinfuhr, und im Haus brannte Licht. Er kam aus Richtung des Arbeitszimmers, als sie die Halle betrat. Er hatte das Jackett und die Krawatte abgelegt, die beiden obersten Hemdknöpfe geöffnet und die Ärmel hochgerollt. „Hattest du einen netten Abend?" Irgendetwas in seinem Blick warnte sie, ihm eine ausweichende Antwort zu geben. „Dinner und ein Kinobesuch mit Ro berta", erklärte sie. „Wir haben beim Kaffee die Zeit vergessen." Wenn er sie einem Verhör unterzog, konnte sie das auch tun. „Und du?" „Dinner mit einem Kunden." „Wer hat gewonnen?" Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich habe eine kleine Gewinnspanne erreicht." Natürlich. Nicos spielte nicht, um zu verlieren. „Gratuliere." Er neigte den Kopf. „Ein Geschäftsfreund hat für morgen zum Dinner eingeladen." „Wie schön für dich." „Ich erwarte selbstverständlich, dass du mich begleitest." Selbstverständlich. „Und wenn ich es nicht tue?" „Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, eine geschlossene Front zu bilden." „In diesem Fall hast du bestimmt nichts dagegen, mich am nächsten Montag ins Ballett zu begleiten?" konterte Caitlin liebenswürdig. Nicos schätzte die schönen Künste, doch das umfasste nicht klassischen Tanz. „Hast du denn Karten?" „Natürlich." Das Gastspiel der russischen Balletttruppe war schnell ausverkauft gewesen, und Caitlin hatte ursprünglich beabsichtigt, eine Freundin einzuladen. Nun hatte sie ihre Pläne jedoch umgestoßen. Sie lächelte strahlend. „Das nennt man Verhandlungsgeschick. Ein Ausdruck, mit dem du sehr vertraut bist." „Einverstanden." „Na dann, gute Nacht." Noch immer lächelnd, lief sie die Treppe hinauf.
5. KAPITEL
Caitlin wählte mit Bedacht ein elegantes Abendkleid aus cremefarbener Seide. Die exquisite Stickerei aus winzigen Kristallen und Perlen machte aus dem Oberteil ein Kunstwerk und erstreckte sich bis zu den Hüften. Von dort fielen die Perlen an langen Schnüren bis zum Saum und schwangen bei jeder Bewegung hin und her. Heute Abend wollte sie einen besonders gepflegten, kultivierten Eindruck machen, und so steckte sie sich das Haar zu einem lockeren Chignon auf und verwandte viel Zeit auf das Make up. Ein breites Brillantarmband, ein dazu passendes Collier und Ohrstecker ergänzten das Outfit. Hochhackige Sandaletten ließen sie noch größer und schlanker wirken. Sie hatte bereits mit zahlreichen Größen des Landes diniert und konnte mühelos über zahllose Themen eine Konversation führen. Warum, um alles in der Welt, war sie wegen eines Abends mit einigen von Nicos' Geschäftsfreunden und deren Frauen so nervös? Weil das, was die Klatschpresse nicht enthüllt hatte, durch Gerüchte und Verleumdungen ergänzt worden war - und zwar reichlich. Das Interesse würde höflich sein, die Unterhaltung gepflegt. Aber zweifellos würden Nicos und Caitlin im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. > „Fertig?" Sie drehte sich zu Nicos um und betrachtete seinen schwarzen Abendanzug. Armani? Cerruti? Er bevorzugte die tadellose Verarbeitung beider Designer. Das weiße Hemd war aus feinster Baumwolle, die schwarze Seidenkrawatte makellos. Nichtsdestotrotz war es der Mann, der ihre Sinne ansprach. Die markanten Züge, die dunklen, eindringlichen Augen, der verführerische Mund ... Er besaß eine gefährliche erotische Ausstrahlung, die Frauen anzog wie Motten das Lic ht. Angeborenen Charme und unleugbare Erfahrung mit dem weiblichen Geschlecht. Zusammen mit Reichtum und Einfluss bildete dies eine tödliche Kombination. Caitlin verstand, warum eine Frau um ihn kämpfen würde. Ob Georgia das getan hatte? Könnte sie so weit gehen, sein Kind zu bekommen und eine Ehe zu ruinieren? Unwillkürlich schüttelte Caitlin den Kopf. Ein fairer Kampf war eine Sache, schmutzige Tricks zu benutzen eine andere. „Sind mir plötzlich graue Haare gewachsen?" Nicos' spöttische Stimme brachte sie jäh in die Wirklichkeit zurück. „Soweit ich sehe, nicht." „Wollen wir dann gehen?" Ihre Gastgeber wohnten in Woollahra, in einem imposanten alten Herrenhaus abseits der Straße mit einem atemberaubenden Ausblick. Wagen säumten die beleuchtete Auffahrt, und drinnen drängten sich die Gäste in der weitläufigen Halle. Gedämpfte Musik erklang aus Lautsprechern und schuf eine angenehme Atmosphäre, während Caitlin an Nicos' Seite darauf wartete, dem Gastgeber vorgestellt zu werden. Nicos' Hand ruhte auf ihrem Rücken. Eine besitzergreifende Geste oder Beruhigung? Caitlin ließ sich ein Glas Champagner reichen. „Ich schätze, wir sollten Eintracht demonstrieren", flüsterte sie Nicos zu. „Das wäre ratsam, oder?" erwiderte er amüsiert. „Erwarte nur nicht, dass ich stumme Bewunderung heuchle." Er lächelte. „Ich bin enttäuscht. Stumme Bewunderung wäre eine nette Abwechslung," „Ich werde mir die Feindseligkeiten für später aufheben, wenn wir wieder allein sind." „Dafür bin ich zutiefst dankbar." „Für die Feindseligkeit oder das Alleinsein?" Das harmlose Wortgefecht begann ihr Spaß zu machen. „Beides." „Du genießt unsere Streitereien?"
Er hob ihre Hand an die Lippen. „Ich genieße es, deine wechselnden Emotionen zu beobachten." Es fiel ihm leicht, sie abzulenken und zu durchschauen. In diesem Moment war sie nervös, aber entschlossen, die Fassade aufrechtzuerhalten, hinter die nur er blicken konnte. Die Anzeichen waren unverkennbar: das Basen ihres Pulses, das beinah zu bereitwillige Lächeln, das Funkeln in den Tiefen ihrer smaragd grünen Augen. Instinktiv wollte er sie beruhigen und strich mit den Fingerspitzen über ihren Rücken. Prompt wurden ihre Augen groß. „Wir sollten uns zu den anderen gesellen, findest du nicht?" schlug sie vor und trank noch einen Schluck Champagner. Es war verrückt. Eine schlichte Berührung, und sie musste den natürlichen Drang ihres Körpers unterdrücken, sich an ihn zu lehnen. „Thea und Rafe Richardson sind gerade eingetroffen. Wollen wir zu ihnen gehen?" Es war ein angenehmer Abend, das Essen war hervorragend. Die Sitzordnung bei Tisch erwies sich als interessant, und während die Konversation, unterbrochen von gelegentlichem Lachen, dahinfloss, spürte Caitlin deutlich die neugierigen Blicke einiger Frauen, die nach der geringsten Unstimmigkeit zwischen ihr und Nicos suchten. Nicos schien entschlossen, den fürsorglichen Ehemann zu spielen - zu ihrem größten Missfallen. Immer wieder berührte er, wenn auch nur flüchtig, ihre Hand, und wenn sie miteinander redeten, was für ihr Empfinden ziemlich oft vorkam, vermittelte er den Eindruck, als wäre jedes ihrer Worte von höchster Bedeutung für ihn. Seine Höflichkeit war mustergültig. „Pass auf, dass du nicht übertreibst", warnte sie leise, als er ihr Wasserglas nachfüllte. „Weil ich mich um dich kümmere?" Sie hätte schwören mögen, dass er nicht vom Essen oder von Getränken sprach. Unwillkürlich drängte sich ihr die Erinnerung daran auf, wie ersieh um ihre Bedürfnisse gekümmert hatte ... im Schlafzimmer und außerhalb ... und an ihre leidenschaftliche Reaktion. Er besaß die Fähigkeit und die Erfahrung, sie in Ekstase zu versetzen. v Als das Dessert serviert wurde, hatte Caitlin genug. Wenn dies ein Spiel war, wollte sie sich auch daran beteiligen. Spontan stach sie eine winzige Portion von der exzellenten Creme caramel ab und hielt Nicos den Löffel hin. „Probier einmal, Liebling." Ihre Blicke trafen sich. Gehorsam öffnete er den Mund und kostete den Bissen. Sie verzichtete darauf, die Geste zu wiederholen, aber einige Minuten später legte sie die Hand auf seinen Schenkel. Dass er die Muskeln anspannte, fand sie höchst ermutigend, und so ließ sie die Finger langsam höher wandern. „Willst du dich rächen, Caitlin?" „Ja.“ „Geh nicht zu weit." „Ich wusste nicht, dass es Grenzen gibt." „Vergeltung hat ihren Preis." „Ist das eine Drohung oder eine Herausforderung?" „Es liegt allein in deiner Hand." Doppeldeutiger ging es wohl kaum! Vielleicht wäre ein Rückzug klüger. Zumindest vorübergehend, schränkte sie ein, denn noch war sie mit Nicos nicht fertig. Betont charmant wandte sie sich dem Gast auf ihrer anderen Seite zu und begann eine Unterhaltung, an deren Inhalt sie sich später nicht mehr erinnerte. „Wie ich hörte, fliegst du morgen nach Melbourne, um zwei Projekte zu inspizieren, die Kevin begutachtet hatte", sagte Nicos. Caitlin verbarg ihr Erstaunen. Ihr Anwalt war über ihre Pläne informiert und hatte es offenbar als seine Pflicht betrachtet, Nicos einzuweihen. „Ja.“ „Ich werde dich begleiten." „Warum?" „Es ist in meinem Interesse als Testamentsvollstrecker und Mitglied des Aufsichtsrats, jede deiner Entscheidungen bezüglich eines Immobilienverkaufs zu überprüfen", erklärte er ruhig.
„Ich habe vor, dort zu übernachten." Eine Absicht, die mit seinem Terminkalender kollidieren dürfte. „Kein Problem. Du hast vermutlich einen der ersten Flüge gebucht, oder?" Caitlin atmete tief durch. Nicos hatte sie geschickt in eine aus sichtslose Lage manövriert, obwohl es sich um eine ganz offizielle Geschäftsreise handelte. Ärgerlich war nur die Sache mit der Übernachtung, denn dieser Trick hatte nicht funktioniert. Der Kaffee wurde in der Halle serviert, und Caitlin ließ sich anmutig auf einem der gepolsterten Stühle nieder. Hier war sie endlich in Sicherheit. Irrtum, erkannte sie wenig später. Nicos stellte sich direkt ne ben sie, und diese Nähe hatte nicht nur verheerende Auswirkungen auf ihre Atmung, sondern auch auf wesentlich intimere Regionen ihres Körpers. Was war nur los mit ihr? Sie spielten beide lediglich eine Rolle. Sobald ihr Wagen das Tor passierte, würden sie zur Routine zurückkehren. Getrennte Schlafzimmer, getrennte Leben. Gemeinsame Auftritte nur der Öffentlichkeit zuliebe. Warum also hatte sie das Gefühl, ihr Körper wäre ein meisterlich gestimmtes Instrument, das nur auf die Berührung seines Meisters wartete? Jeder Nerv war angespannt, jede Faser sensibilisiert. Wenn er sie anfasste, würde sie in Flammen aufgehen. Ob er es wusste? Gütiger Himmel, hoffentlich nicht! Es wäre die absolute Demütigung. Für sie. Verzweifelt sehnte sie das Ende des Abends herbei. Sie wollte nach Hause, sich ausziehen, das Make-up entfernen und ins Bett schlüpfen. Allein. Lügnerin! Du willst mit ihm zusammen sein. Und einmal noch erfahren, was euch einst verbunden hat. Um der alten Zeiten willen. Mit Nicos war es mehr als Sex gewesen. Es war Intimität gewesen, der körperliche Ausdruck von Liebe zwischen zwei Menschen, die in jeder Hinsicht perfekt harmonierten. Der Selbsterhaltungstrieb warnte sie, dass ein erneuter Be such jenen besonderen Ortes einem emotionalen Selbstmord gleichkommen würde. Doch sie war ein Überlebenskünstler. Sie musste es sein. Kurz nach elf drängte Nicos zum Aufbruch. Caitlin bedankte sich bei den Gastgebern, verabschiedete sich von einigen Be kannten und ging dann gemeinsam mit Nicos zum Wagen. Bald darauf passierten sie das Tor und bogen auf die Hauptstraße nach Point Piper ein. „Ist alles gesagt?" Verwundert wandte sie sich zu ihm um, konnte seine Miene jedoch nicht deuten, da sein Gesicht im Schatten lag. „Ich lade gerade meine Batterien auf." Er lachte leise. „War es so schlimm?" Im Haus ihrer Gastgeber war sie in Sicherheit gewesen. Nun waren sie jedoch allein, und die Auswirkungen des Spiels dauerten an. Außerdem war sie sich einer unterschwelligen Gefahr bewusst - falls sie nicht genau aufpasste, würde sie eine Situation heraufbeschwören, mit der sie nicht umgehen konnte ... weder jetzt noch in Zukunft. War Nicos' liebevolle Fürsorge ein raffiniertes Täuschungsmanöver gewesen? Sie redete sich ein, es gar nicht genau wissen zu wollen. Leider hatte ein Teil von ihr auf seine Berührungen reagiert, und es ärgerte sie maßlos, dass sie sich nicht besser unter Kontrolle gehabt hatte. Es dauerte nicht lange, die Strecke zwischen Woollahra und Point Piper zurückzulegen. Caitlin stieg anmutig aus dem Wagen und betrat die Halle - einige Schritte vor ihrem atemberaubenden Ehemann. Das Klappern ihrer Absätze auf dem Marmorboden klang laut in der nächtlichen Stille, und ihre Schritte wurden noch schneller, als sie sich der Treppe näherte. Sie merkte, dass Nicos die Alarmanlage aktivierte und die Lampen ausschaltete. Instinktiv kämpfte sie gegen den Drang an zu fliehen. Wovor? spottete eine innere Stimme. Vor dir selbst? Sie wollte diese Frage nicht beantworten und auch nicht darüber nachdenken, als sie
endlich die Geborgenheit ihres Schlafzimmers erreichte. Nicos hatte nicht versucht, sie aufzuhalten. Warum wurde sie dann das Gefühl nicht los, dass er einen ge nauen Plan verfolgte? Wollte er sie verführen? Warum? Nur um zu beweisen, dass es ihm möglich war? Seine Chancen stehen in etwa so gut wie die einer Schneeflocke in der Hö lle, sagte sie sich, als sie die Sandaletten von den Füßen streifte und das Kleid in den Schrank hängte. Dann schminkte sie sich ab, zog ein Nachthemd an und schlüpfte ins Bett, wohl wissend, dass sie so schnell keinen Schlaf finden wür de. Nachdem sie sich eine Stunde rastlos von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, zog sie einen Morgenmantel über und ging hinunter ins Schwimmbad neben dem Fitnessraum. Dort legte sie Morgenmantel und Nachthemd ab und sprang in das kristallklare Wasser. Sie schwamm mehrere Bahnen und genoss es, das kühle Wasser auf der Haut zu fühlen. Es war ein sinnloses, kräftezehrendes Unterfangen, aber vielleicht würde ihr die Erschöpfung zum ersehnten Schlaf verhelfen. Vielleicht würde sie dann auch Nicos' Bild nicht mehr verfolgen oder sich in ihre Träume stehlen. Allmählich begannen ihre Muskeln zu schmerzen, und ihr Atem war nicht mehr gleichmäßig. Zeit aufzuhören, entschied sie, als sie den Beckenrand erreichte. Dort ruhte sie einige Sekunden aus, bevor sie sich das Haar aus der Stirn strich. „Hast du genug?" Sie zuckte beim Klang der vertrauten männlichen Stimme zusammen und ging unter, als sie unwillkürlich die Überlaufrinne losließ. Sekunden später tauchte sie empört wieder auf. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt! Woher wusstest du, dass ich hier unten bin?" „Bewegungsmelder", erklärte Nicos. „Ein Modem neben meinem Bett meldet, wenn Licht im Haus eingeschaltet wird, nachdem der Alarm aktiviert wurde." Wasser tretend blickte Caitlin zu ihm auf. Er schien sie um Meilen zu überragen! „Und deshalb hast du beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen." In der schimmernden Poolbeleuchtung wirkte er wie ein Racheengel, und sein blauer Bademantel erinnerte sie daran, dass sie splitternackt war. Auf einem Regal lag ein Stapel Handtücher, aber um dorthin zu gelangen, müsste sie aus dem Wasser steigen und mehrere Schritte laufen. „Hast du genug überschüssige Energie abgebaut?" „Ja." Hoffentlich erriet er nicht, warum sie diese mitternächtliche Quälerei auf sich genommen hatte. Er beugte sich vor und streckte ihr eine Hand entgegen. „Ich helfe dir raus." „Mir würde es schon helfen, wenn du mir ein Handtuch holen würdest", erwiderte sie trocken. „Hast du etwa nichts an?" „Wie lange bist du eigentlich hier?" fragte sie misstrauisch. „Ein paar Minuten." Sie schlug mit der flachen Hand aufs Wasser und spritzte ihn nass. „Du Scheusal!" Nicos erhob sich, öffnete- den Bademantel und warf ihn beiseite. Dann sprang er in den Pool und tauchte dicht neben ihr wieder auf. „Nun sind die Chancen gleich." Caitlin hob die Hand, doch er hielt sie fest, bevor sie ihn ohr feigen konnte. „Lass mich los." Sein Lächeln verhieß nichts Gutes. „Bitte", fügte sie ruhig hinzu, in dem verzweifelten Bemühen, Abstand zu ihm zu gewinnen. Er war zu nahe, zu männlich, zu ... „Wem traust du eigentlich nicht?" erkundigte Nicos sich versonnen. „Mir? Oder dir selbst?" Sie schluckte trocken. „Hör auf, Katz und Maus mit mir zu spielen." „Denkst du, ich spiele?" Tapfer begegnete sie seinem Blick. „Ich denke, du genießt die Situation." „Und du würdest ihr gern entrinnen."
„Ich würde gern aus dem Pool steigen", korrigierte sie ihn. „Dann geh, pedhi mou", meinte er. „Ich werde dich nicht daran hindern." Er schwamm gemächlich zum anderen Ende des Beckens. Rasch kletterte sie hinaus und zog den Morgenmantel über. Eigentlich hätte sie frösteln müssen, denn das Wasser war ziemlich kalt. Aber stattdessen strömte das Blut heiß durch ihre Adern, und ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen, während sie ein Handtuch wie einen Turban um ihr nasses Haar schlang. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass sie mit Nicos nackt gebadet hatte. Damals jedoch ... Nein, ermahnte sie sich streng, denk nicht an damals. Ohne sich noch einmal umzuwenden, eilte sie die beiden Treppen in ihr Schlafzimmer hinauf. Dort duschte sie und wusch sich das Haar, bevor sie es trocken lohnte und zu Bett ging. Ein leises Stöhnen entrang sich ihren Lippen, als sie bemerkte, wie spät es war. In wenigen Stunden würde der Wecker klingeln, dann musste sie aufstehen, eine Reisetasche packen und zum Flughafen fahren.
6. KAPITEL
Melbourne war eine weitläufige, weltoffene Stadt mit breiten Alleen, Straßenbahnen und wechselhaftem Wetter. Seit Caitlins letztem Besuch waren zwei Jahre vergangen, und es schien sich nicht viel verändert zu haben, wie sie auf dem Weg vom Flughafen feststellte. Das Hotel war ein modernes Gebäude auf dem Hügel im Herzen der Stadt. Nachdem die Anmeldeformalitäten erledigt waren, fuhren Caitlin und Nicos in dem gläsernen Lift in eines der oberen Stockwerke. Ihre Suite bot zwar einen atemberaubenden Ausblick, aber außer dem Wohnbereich mit zwei Sesseln, einem Couchtisch sowie einer Konsole mit Telefon und Fax gab es nur ein einziges Schlafzimmer mit einem überdimensionalen Bett. „Falls du dir einbildest, dass ich es mit dir teile - vergiss es", erklärte Caitlin, als Nicos das Handgepäck abstellte. „Wir teilen ein ganzes Haus", erinnerte er sie. „Aber kein Zimmer. Und erst recht kein Bett", fügte sie kampflustig hinzu. „Hast du Angst vor mir oder vor dir?" „Eine Antwort darauf erübrigt sich wohl." Er faltete zwei Hemden auseinander und hängte sie in den Schrank, dann nahm er seine Kulturtasche und trug sie ins angrenzende Bad. Caitlin folgte seinem Beispiel und schüttelte das knitterfreie Kleid aus Seidengeorgette aus, das sie zum Dinner tragen wollte. Um keinen Preis der Welt würde sie das Bett mit Nicos teilen. Einer der bequemen Sessel im Wohnzimmer würde ihr genügen. Oder besser noch, sie schob beide Sessel zusammen und baute mit einem Kissen und einer Decke ein provisorisches Bett. Ihr Unbehagen wuchs, je mehr ihr deutlich wurde, dass sie tatsächlich mit Nicos in dieser Suite würde übernachten müs sen. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich im Stillen. Wir sind aus rein, geschäftlichen Gründen hier. Wir werden zu Mittag essen, an einer Besprechung teilnehmen, ins Hotel zurückkehren, um zu duschen und uns umzuziehen, und uns dann zum Dinner mit seinem Cousin Stavros Kidas und dessen Frau Eleni treffen. Der Lunch verlief harmonisch, das Essen im hoteleigenen Restaurant war köstlich, und allmählich begann Caitlin sich ein wenig zu entspannen. Sie hielten sich nicht lange beim Kaffee auf, sondern riefen ein Taxi, um die beiden Baustellen zu besichtigen. Die Aktivitäten auf dem Gelände bestätigten Nicos' Nachforschungen. Ein großer Baulöwe plante zweifellos ein gigantisches Projekt. „Sie werden alles abreißen", stellte Caitlin fest und betrachtete zwei alte Cottages, die seit über einem Jahrhundert hier standen. Sie wirkten verlassen und würden gewiss bald zwei ebenso alten Gebäuden an der östlichen Grundstücksgrenze folgen. Kevin hatte ein Angebot für die übrigen zehn Cottages unterbreitet sowie ein Konzept vorgelegt, sie in elegante Boutiquen umzuwandeln und gleichzeitig das historische Flair zu erhalten. Leider hatte ihn ein internationales Konsortium aus dem Rennen geworfen und eine gewaltige Summe für das Terrain geboten, das Macbride bereits gehörte. „Kevins Idee hat mir besser gefallen", sagte sie. „Das flache Glasmonstrum passt einfach nicht in die Umgebung." Nicos sah sie prüfend an. „Du hast beschlossen, nicht zu verkaufen?" Trotzig hob sie das Kinn - eine Geste, die er nur zu gut kannte. „Sie haben inzwischen fast das ganze Viertel erworben, und wenn wir unseren Teil zurückhalten, wird es im Wert fallen. Also werden wir verkaufen - aber zu einem guten Preis. Sie werden ihn bezahlen, denn sie brauchen das Gebiet." Sie hatte alles ge nau kalkuliert. „Ich schätze, es ist zweihundertfünfzigtausend wert." Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Kevin wäre stolz auf dich." Caitlin hoffte es. Sie wollte unbedingt ihren Ruf in der Branche ihres Vaters festigen. Als Frau war es nicht leicht, sich zu behaupten, und sie durfte sich keinen Fehler erlauben. „Okay, dann lass uns nach Toorak fahren." Als sie sich zum Taxi umwandte, nahm Nicos ihre Hand. Sie wusste, sie könnte
sich jederzeit von ihm lösen, aber sie genoss seine Berührung und seine Wärme so sehr, dass sie unwillkürlich an ihrem Verstand zweifelte. Toorak war ein exklusiver Vorort, eine erlesene Mischung aus altem und neuem Geld, ehrwürdigen Herrenhäusern, schattigen Alleen, einer lebhaften Hauptstraße mit noblen Geschäften und schicken Cafes. Binnen weniger Minuten hatten sie sich darauf geeinigt, dass sich die beiden nebeneinander liegenden Grundstücke durch aufwändige Renovierungsarbeiten in zwei Boutiquen verwan deln ließen, die sich hervorragend in die Umgebung einfügen würden. „Behalten und modernisieren", erklärte Caitlin und übertrug insgeheim den Erlös aus dem ersten Verkauf auf das zweite Projekt. Ihr gefiel die Herausforderung. Sie wusste, es würde funktionieren, und konnte es kaum erwarten, mit den Planungen zu beginnen. „Was meinst du?" „Vielleicht ist Roberta daran interessiert, einen Laden in Melbourne zu mieten." Er war gut, sehr gut sogar, wenn es darum ging, ihre Gedanken zu lesen. „Der Anwalt, mit dem wir um vier verabredet sind, hat seine Kanzlei doch ganz in der Nähe, oder?" Die Telefonate und Verhandlungen nahmen eine Stunde in Anspruch, aber am Ende triumphierte Caitlin. Strahlend verließ sie das Anwaltsbüro. „Wir haben es geschafft!" „Du hast es geschafft", korrigierte Nicos lächelnd. „Ich habe nur daneben gesessen und dich beobachtet." Das stimmte, aber seine Anwesenheit hatte ihr trotzdem ge holfen. Unter Kevins Anleitung hatte sie viel gelernt, doch nicht alle Männer betrachteten Frauen im Geschäftsleben als gleichberechtigt, und ihr war klar, dass sie härter hätte kämpfen müssen, wenn sie allein gekommen wäre. „Danke." „Wofür?" „Dass du da warst." „Es war mir ein Vergnügen." Nicos winkte ein Taxi herbei. Als der Wagen am Straßenrand hielt, stiegen sie ein und ließen sich zum Hotel bringen. Kurz nach fünf betraten sie die Suite. Caitlin streifte die Schuhe ab und knöpfte die Kostümjacke auf. „Willst du zuerst duschen, oder soll ich?" „Wir könnten ja gemeinsam duschen", meinte Nicos unschuldig. „Nein, können wir nicht", entgegnete sie nachdrücklich. Sie erinnerte sich nur zu gut, wie er unbekleidet aussah: ein pracht voller Körper, breite Schultern, fester Po und muskulöse Schenkel. Und was seine Männlichkeit betraf ... Stopp, befahl sie sich im Stillen. Ihr Herz raste bei dem Gedanken daran, wie es zwischen ihnen gewesen war. Seine erregenden Berührungen, ihre Reaktion, Gütiger Himmel, es war ihm immer gelungen, sie in Ekstase zu versetzen! Schweigend nahm sie frische Wäsche aus der Kommode, schnappte sich den hoteleigenen Frotteemantel und verschwand im Bad. Nach kurzem Zögern schob sie lautlos den Riegel zu. Zwanzig Minuten später kam sie wieder heraus, den Bademantel fest zugeknotet und die Kosmetiktasche in der Hand. Nicos saß auf dem Bett und sah sich eine Dokumentarsendung im Fernsehen an. „Fertig?" Erst als sich die Badezimmertür hinter ihm schloss, merkte Caitlin, dass sie den Atem angehalten hatte. Bis er wieder erschien, hatte sie sich angezogen, geschminkt und befestigte gerade die Diamantstecker an ihren Ohren. Ohne die geringste Scham legte er den Bademantel ab. Fasziniert betrachtete sie seinen athletischen Körper, der bis auf einen winzigen schwarzen Slip nackt war. Ihr Magen zog sich zusammen, als Nicos nach der Hose griff und sie überstreifte. Dann kam ein sauberes Hemd, und sie musste ihre gesamte Willenskraft auf
bieten, um den Blick von ihm abzuwenden, bevor er es in den Hosenbund steckte und den Reißverschluss zuzog. Der bloße Gedanke, von diesen Armen eine ganze Nacht ge halten zu werden, war pure Folter. Trotzdem verzehrte sie sich nach dem Trost, den sie boten. Die Nähe, den Schutz ... Was war nur in sie gefahren? Sie konnte unmöglich etwas von dem Mann wollen, der sie betrogen hatte. Aber ihr Körper sprach eine andere Sprache, er besaß ein instinktives Wissen, das einer anderen Logik folgte. Nichts als Chemie, sagte sie sich und nahm ihre Abendhandtasche. „Wollen wir gehen?" „Wir treffen Stavros und Eleni unten an der Bar", erklärte Nicos, während sie mit dem Lift nach unten fuhren. Caitlin hatte die beiden nicht mehr gesehen, seit sie Nicos verlassen hatte. Ob er ihnen von der Trennung und Aussöhnung erzählt hatte? „Nein", sagte er, als sie die Halle erreichten. „Sie haben aber bestimmt davon gehört." War sie so leicht zu durchschauen? Sie hatte jedoch keine Zeit mehr, sich danach zu erkundigen, denn in diesem Moment erhob sich ein Paar von seinen Plä tzen und kam auf sie zu, um sie zu begrüßen. „Es ist schön, euch wieder zu sehen." Eleni lächelte, als sie es sich auf einer Sitzgruppe bequem machten. Nicos winkte einen Ober herbei und bestellte Champagner. „Haben wir etwas zu feiern?" fragte Eleni. „Sozusagen." Nicos warf Caitlin einen versonnenen Blick zu. „Ich war sehr betroffen über den Tod deines Vaters", meinte Stavros. „Ein trauriger Verlust." „Danke." Stavros wandte sich zu Nicos um und verwickelte ihn in ein Gespräch über einen gemeinsamen Geschä ftsabschluss, während Eleni sich zu Caitlin vorbeugte. „Ich bin ja so froh, dass ihr beide wieder zusammen seid." Was sollte sie darauf erwidern? „Es ist lange her", antwortete sie ausweichend. „Georgia macht nichts als Ärger", vertraute Eleni ihr leise an. „Sie hat Nicos die Hölle auf Erden bereitet." Tatsächlich? Bei den wenigen Anlässen, bei denen sie ihm während der Trennung begegnet war, hatte er sehr zufrieden ausgesehen. „Aber das weißt du natürlich", fuhr Eleni fort. Caitlin enthielt sich eines Kommentars, obwohl es ihr schwer fiel, weiterhin unverbindlich zu lächeln, als Eleni theatralisch die Augen verdrehte. „Die Frau ist eine Hexe." Sichtlich widerstrebend wechselte sie das Thema. „Ihr wart also den ganzen Tag geschäftlich unterwegs, und nun ist es Zeit zum Feiern." Sie lächelte ver träumt. „Für uns übrigens auch. Ich bin schwanger." „Das freut mich für dich." Caitlins Begeisterung war aufrichtig gemeint. Ein Kind war ein wunderbares Geschenk, und Eleni hatte sich vo m Tag ihrer Hochzeit an Babys gewünscht. Bald darauf begaben sie sich ins Restaurant. Das Menü war exzellent, der Service ebenfalls, und die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Caitlin konnte kaum glauben, dass es bereits zehn Uhr war, als Eleni zum Aufbruch drängte. „Meine Frau wird schnell müde", entschuldigte Stavros sich, als Nicos die Rechnung beglich. „In einer Minute geht es mir fabelhaft, in der nächsten kann ich kaum noch die Augen offen halten", fügte Eleni fröhlich hinzu. Sie verließen das Hotel durch die Halle, und Stavros beauftragte den Portier, ihren Wagen holen zu lassen. „Wir werden euch doch bald wieder sehen, oder?" Eleni umarmte Nicos und drehte sich dann zu Caitlin um. „Pass auf dich auf, Caitlin." Ein Page fuhr mit ihrem Wagen vor, und kurz darauf waren sie verschwunden. „Möchtest du noch etwas trinken?" fragte Nicos, als sie in die Lobby zurückgingen.
„Gern." Ihr war jedes Mittel recht, die Rückkehr in die Suite hinauszuzögern. Nicos bestellte Kaffee, und während Caitlin ihren trank, beobachtete sie die anderen Gäste - Paare, Singles, Alte und Junge. „Einen Penny für deine Gedanken." Sie blickte ihn an, aber seine Miene war undurchdringlich. „Es war ein erfolgreicher Tag." „Ja, das war es." „Darf ich davon ausgehen, dass du meine Entscheidungen billigst?" „Ich habe nie an deinen Fähigkeiten gezweifelt." „Danke." „Du bist offenbar hauptsächlich an Immobilien interessiert." Caitlin stutzte. „Ich verwende dazu mein Privatvermögen. Du hast also absolut keinen Grund, meine Wahl in Frage zu stellen." „Ich habe lediglich eine Feststellung getroffen." „Möchtest du die Adressen haben, damit du sie überprüfen kannst?" Allmählich wurde sie wütend. „Oder hat deine Informationsquelle dir bereits einen vollständigen Bericht geliefert?" „Du beauftragst Kevins Anwalt mit deinen eigenen Geschäften", erinnerte er sie ruhig. „Hat er seine anwaltliche Schweigepflicht verletzt?" fragte sie empört. „Keineswegs. Er hat nur deinen professionellen Scharfsinn gelobt." Caitlin atmete tief durch. „Mir macht es Spaß, Anwesen zu restaurieren", erklärte sie dann. „Die Reihenhäuser sind eine gute Investition." „Woher weißt du davon?" Er begegnete ihrem Blick. „Ich verhandle wegen der anderen drei im gleichen Block. Der Makler hat mich heute Morgen ange rufen und mir mitgeteilt, dass meine Frau sich dafür interessiert." Noch ein Vertrauensbruch? Oder hatte der Makler lediglich angenommen, als Mann und Frau wären sie über die jeweiligen Geldanlagen des anderen informiert? „Willst du mich überbieten?" „Nein. Ich dachte eher, wir könnten zusammenarbeiten." Ihre Neugier war geweckt. „Harry wäre entzückt. Der Innenarchitekt, den ich beschäftigte", fügte sie erklärend hinzu. „Er ist sehr gut." „Er soll mich anrufen." Ein Ober näherte sich mit einer Kanne frischen, dampfenden Kaffees und erbot sich, die Tassen erneut zu füllen, was sowohl Caitlin als auch Nicos ablehnten. Caitlin unterdrückte ein Gähnen und stand auf. „Ich gehe nach oben ins Bett." Sie war müde, und sie wollten mit der ersten Maschine zurück nach Sydney. Nicos folgte ihr schweigend.
7. KAPITEL
„Was tust du da?" „Ich baue ein provisorisches Bett." Caitlin nahm eine Decke und ein Kopfkissen. „Das Bett ist groß genug", meinte Nicos trügerisch sanft. Trotzig begegnete sie seinem Blick. „Ich werde es nicht mit dir teilen." „Traust du mir nicht über den Weg? Oder dir?" „Dir", erwiderte sie nachdrücklich und ging hinüber ins Wohnzimmer. Sie schob die beiden Sessel zusammen, so dass sie mit der Sitzfläche aneinander stießen. Das Lager dürfte recht bequem sein, sofern sie sich zusammenrollte. Dann nahm sie ein langes Baumwollnachthemd aus der Reisetasche und verschwand im Bad, um sich umzuziehen. Nun ja, ganz so bequem ist es nicht, räumte sie ein, nachdem sie sich auf den Sesseln niedergelassen hatte. Sie schaltete das Licht aus, und die Suite versank in Dunkelheit. Vor ihrem geistigen Auge ließ sie die Ereignisse des Tages noch einmal Revue passieren, dachte an Robertas Begeisterung über die Aussicht, in Melbourne eine Filiale ihrer Boutique in Double Bay zu eröffnen - und veränderte ihre Position auf den Polstern. Verdammt, ihr war ein Bein eingeschlafen! Vielleicht sollte sie sich auf den Rücken legen und die Knie anziehen. Wie lange dauerte es, bis sie erkannte, dass die Sessel kein Schlafplatz waren? Eine halbe Stunde? Caitlin hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verstrichen war, als sie sich vorsichtig hinunterrollte und die Decke auf dem Boden ausbreitete. Sie beugte sich vor, griff nach dem Kissen und stieß sich dabei den Ellbogen. Ein leises Stöhnen entrang sich ihren Lippen. Teufel, tat das weh! Ob Nicos schon schlief? Sie spielte mit dem Gedanken, das Kissen zu nehmen und ihm aufs Gesicht zu pressen. Sie hätte auf zwei getrennten Suiten bestehen sollen. Verdammt, warum hatte sie es nicht getan? In diesem Moment wurde das Licht im Schlafzimmer einge schaltet, und Nicos tauchte im Durchgang auf, der die beiden Räume miteinander verband. Schweigend kam er näher und hob sie hoch. „Lass mich runter", befahl Caitlin wütend. Das tat er. Und zwar neben dem Bett. „Bleib, wo du bist", warnte er sie mit einer Stimme, die ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Sie beobachtete, wie er das Bett umrundete. „Den Teufel werde ich tun!" Er warf ihr einen finsteren Blick zu. „Wenn du kämpfen willst, stehe ich dir zur Verfügung. Aber denk daran, wie es enden wird", fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. „Ich zittere." „Das wirst du auch, wenn du nicht ins Bett kommst." Sie rührte sich nicht von der Stelle, ihre smaragdgrünen Augen funkelten vor Zorn. „Seit wann bist du ein solcher Tyrann?" „Zehn Sekunden, Caitlin", drohte Nicos. Sie griff nach dem Telefon auf dem Nachttisch. „Ich lasse mir eine andere Suite geben." Bevor sie jedoch auch nur eine Nummer wählen konnte, hatte Nicos die Verbindung bereits unterbrochen. „Vergiss es!" Wütend drehte sie sich zu ihm um. „Wie kannst du es wagen!" „Mühelos." Spontan schnappte sie sich ein Kissen und warf es nach ihm. Er fing es und legte es beiseite. Sein Zorn war unverkennbar. Die Nachttischlampe tauchte sein Gesicht in mattes Licht, so dass es noch markanter wirkte. „Vor drei Nächten haben wir ein Bett geteilt, das nur halb so groß war." „Das war etwas ganz anderes."
Er bewegte sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit, Ange sichts seiner drohenden Haltung zog Caitlin es vor, ins Bett zu klettern. Sie konnte diese Auseinandersetzung nicht gewinnen, wusste nicht, wohin, und wehrte sich verbissen, als er sie packte. Mühelos hielt er ihre Arme fest. In einem Anfall blinder Raserei biss sie ihn in die Brust und registrierte zufrieden, dass er scharf den Atem einsog. Gleich darauf wurde sie jedoch auf die Matratze geschleudert. Vergeblich bemühte sie sich freizukommen und schrie erschrocken auf, als er sich über sie kauerte und ihre Hände über dem Kopf in die Kissen drückte. „Geh runter von mir!" Ungerührt hielt er sie mit seinen Schenkeln gefangen, während sie sich hin und her wand, um sich loszureißen. „Hör auf. Du tust dir nur weh." „Verdammt, lass mich los!" Ihre Augen funkelten, ihr Haar war eine wilde Lockenmähne. Nach einem letzten, verzweifelten Versuch musste sie ihre Niederlage eingestehen. Ihre Brüste hoben und senkten sich unter den heftigen Atemzügen. Wenn Blicke töten könnten, wäre Nicos tot umgefallen. Er wartete, bis ihr Atem wieder gleichmäßiger ging. Unendliche Ruhe spiegelte sich in seinen männlichen 2ügen wider, eine unterschwellige Wildheit, die ihr Angst machte. Nein! hätte sie am liebsten geschrien, brachte jedoch keinen Laut über die Lippen. Der Raum um sie versank, es existierten nur noch der Mann und die knisternde Spannung. Primitives Verlangen erfasste sie, das Blut begann schneller und heißer durch ihre Adern zu strömen. Ein schwacher Laut entrang sich ihrer Kehle, halb entsetztes Stöhnen, halb sehnsüchtiges Seufzen. Was geschah mit ihr? Es schien, als würde alles verschmelzen und Nicos den Mittelpunkt des Universums bilden. Ihr Körper hatte eigene Erinnerungen, und denen war sie nun hilflos ausgeliefert, unfähig, die verräterische Leidenschaft zu ersticken. Zum Teufel mit dir, Nicos! Tu es nicht! Zu spät. Langsam senkte er den Kopf und streifte mit den Lippen ihren Mund, eine federleichte Berührung, neckend - und viel zu kurz. Er merkte, wie sie erschauerte, spürte die Wärme und liebkoste spielerisch ihre Unterlippe, bevor er mit der Zungenspitze die Konturen nachzeichnete. Seine Erregung war ein unwiderstehliches Lockmittel, das sich an das Zentrum ihrer Weiblichkeit drängte. Wogen der Lust durchrannen sie - pulsierend, aufreizend, mitreißend. Sie öffnete den Mund, wollte mehr, viel mehr von seinen Verführungskünsten und stöhnte auf, als er ihren Hals und ihren Nacken küsste. Ich sollte ihm Einhalt gebieten, bevor es zu spät ist, dachte sie benommen. Leider war sie dem erotischen Zauber seiner Liebkosungen hilflos ausgeliefert. Als sein Mund ihren erneut fand, küsste sie ihn voller Inbrunst und schmiegte sich an ihn. Sie stand in Flammen und atmete keuchend, während er ihre Hände freigab und mit ihrem langen Nachthemd kämpfte. Eine geschmeidige Bewegung, und er hatte sich den Slip von den Hüften gestreift. Caitlin schrie leise auf, als er die feste Knospe ihrer Brust mit den Lippen umschmeichelte. Sie klammerte sich an seine Schultern, streichelte seinen Rücken, presste die Finger auf seinen Po. Jetzt ... Mühelos fand er den empfindsamen Punkt zwischen ihren Schenkeln und schenkte ihr lang vermisste Wonnen. Je nä her sie dem Gipfel der Ekstase kam, desto flehender wurde ihr Stöhnen. Nicos drang in sie ein und genoss es, von ihr umfangen zu werden. Dann begann er langsam, sich zu bewegen. Er zog sich fast ganz zurück, bevor er erneut vordrang. Wieder und wieder ... Behutsam steigerte er das Tempo, bis sie sich seinem Rhythmus anpasste und sie gemeinsam das Paradies erreichten. Caitlin war überzeugt, keinen Muskel mehr rühren zu können. Gütiger Himmel! Erschöpft schloss sie die Augen und seufzte auf, als Nicos sie auf den Rücken rollte, ohne sich von ihr zu lösen. Besänftigend streichelte er ihre Haut, dann spürte sie seine Lippen an ihrer Schläfe. Es fühlte sich so gut an, wie die Heimkehr in einen sicheren Hafen nach stürmischer See.
Langsam richtete sie sich auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Dann berührte sie seine Brust, schob die Finger durch die dichten Locken, hielt einen Moment inne, bevor sie der schmaler werdenden Linie über seinen Nabel abwärts folgte. Sie spürte, dass seine Erregung wuchs. Spielerisch ließ sie die Finger tiefer gleiten und noch tiefer ... Plötzlich stieß er ihre Hand beiseite und begann nun seinerseits, sie zu stimulieren. Ihre Sinne standen sofort in Flammen, köstliche Wonnen durchrannen sie. Die süße Folter war fast mehr, als sie ertragen konnte, und diesmal war sie es, die ihn in das Reich der Ekstase führte. Caitlin schlief in Nicos' Armen ein, den Kopf auf seine Brust gebettet. Während der folgenden Stunden tasteten sie immer wieder nacheinander, befriedigten ihr Verlangen mal voller Ungeduld, mal langsam und berauschend. Ein Teil von ihr wünschte, die traumhafte Nacht möge nie enden. Wie oft hatte sie sich eine solche Nacht ausgemalt, sie wieder und wieder durchlebt, nur um dann einsam und verlassen aufzuwachen! Als das erste Licht des Tages über den Horizont dämmerte, schwelgte sie in Nicos' Zärtlichkeiten und genoss es, mit dem Körper ihres Geliebten zu verschmelzen. Sie passten so gut zueinander, als wären sie zwei Hälften eines Ganzen. Es war schon spät, als sie das Bett verließen und gemeinsam duschten. Danach gönnten sie sich ein ausgiebiges Frühstück auf dem Zimmer, bevor sie sich anzogen und auscheckten. Die Vormittagsmaschine landete kurz nach zwölf in Sydney. Nicos holte den Wagen, verstaute das Handgepäck im Kofferraum und setzte Caitlin vor ihrem Bürogebäude ab, bevor er quer durch die Stadt zu seiner eigenen Firma fuhr. Eigentlich hätte sie erschöpft sein müssen, doch stattdessen fühlte sie sich energiegeladen. Sie fuhr mit dem Lift nach oben, sprach kurz mit ihrer Sekretärin und machte sich an die Arbeit. Nicos rief um vier an, um ihr mitzuteilen, dass er sich verspäten würde, worauf Caitlin erwiderte, sie müsse. Zu Hause noch einige Berichte prüfen. „Warte nicht mit dem Dinner auf mich." „Willst du Marie selbst anrufen, oder soll ich das erledigen?" fragte sie und hörte, dass er es bereits getan hatte. Nach sechs Uhr betrat sie das Haus und fand im Kühlschrank einen appetitlichen Salat vor, den Marie für sie vorbereitet hatte. Sie eilte nach oben, um sich umzuziehen und anschließend den Whirlpool zu füllen. Das einsame Abendessen konnte auch noch eine halbe Stunde warten, während sie sich im Wasser ent spannte. Es war keine sonderlich gute Idee, wie sie feststellte, als die Erinnerung an Nicos' Liebesspiel lebendig wurde. Der bloße Gedanke an die erotischen Freuden, die sie miteinander geteilt hatten, genügte, um Wonneschauer durch ihren Körper zu jagen. An ihre hemmungslose Reaktion auf seine Liebkosungen durfte sie gar nicht erst denken ... Es hat sich nichts geändert, entschied sie und schloss resigniert die Augen. Wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Alles hatte sich geändert. Gegen sieben zog sie Jeans und ein Baumwolltop an und ging hinunter in die Küche. Nachdem sie den köstlichen Salat aufgegessen hatte, machte sie es sich im Wohnzimmer bequem und zappte mit der Fernbedienung durch die Fernsehprogramme. Offenbar war sie irgendwann eingeschlafen, denn sie erwachte, als sie eine Hand auf ihrer Hüfte spürte. „Nicos?" „Wen hast du erwartet?" erkundigte er sich amüsiert. „Ich kann selbst laufen", erklärte sie nachdrücklich. „Setz mich ab." Inzwischen hatte er die Treppe erreicht und begann, die Stufen hinaufzusteigen. „Glaubst du, ich könnte dich nicht tragen?" Sie wog kaum mehr als ein Kind, und er war nicht einmal außer Atem, als er oben ankam. „Verdammt, lass mich runter!" Nachdem er sie auf die Füße gestellt hatte, wandte sie sich ab. „Gute Nacht." „Wohin willst du?" In der trügerisch sanften Frage schwang ein stahlharter Unterton mit.
Misstrauisch sah Caitlin ihn an. „In mein Zimmer." „Nein." „Was meinst du mit ,nein'?" „Letzte Nacht..." „War ein Fehler." „Den Teufel war es!" „Wir ..." Sie zögerte kaum merklich. „... haben uns mitreißen lassen", fuhr sie fort. Worte, nichts als Worte. Keines von ihnen beschrieb auch nur annähernd ihren emotionalen Aufruhr oder ihre Reaktion. Nicos furchte die Stirn. „So bezeichnest du es also? Wir haben uns mitreißen lassen?" Ruhig hielt sie seinem Blick stand. „Wie würdest du es sonst nennen?" „Wir teilen den gleichen Raum, das gleiche Bett." Er unterband ihren Protest, indem er ihr einen Finger auf den Mund legte. „Darüber gibt es keine Diskussion." Ihre grünen Augen schienen Funken zu sprühen. „Seit wann bestimmst du die Spielregeln?" Er umfasste ihr Kinn. „Seit dem Moment, als wir uns letzte Nacht geliebt haben." „Wir hatten Sex." „So ist es, pedhi mou." Er klang amüsiert, und sie kämpfte gegen das erwachende Verlangen an. Sie wollte seinen Verführungskünsten nicht erliegen oder um Selbstbeherrschung ringen. Es hatte Monate gedauert, bis sie ihren Widerstand gegen ihn aufgebaut hatte. Und trotzdem war es ihm in einer einzigen Nacht gelungen, den unsichtbaren Schutzwall niederzureißen, als hätte dieser nie existiert. „Ich bin müde", behauptete Caitlin. „Ich möchte ins Bett. In mein Bett. Allein." Nicos strich mit dem Daumen über ihre weiche Lippe. „Okay, wie du willst." Er ließ die Hand sinken. „Aber nicht allein." Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er zu seinem Zimmer. Verdammt, merkte er denn nicht, dass sie Zeit brauchte, um zu verarbeiten, was zwischen ihnen passiert war? Dass zwischen ihnen Kriegszustand herrschte und sie ständig in Gefahr war, den Bedürfnissen ihres Körpers zu erliegen? Den ganzen Tag über hatte sie an nichts anderes als an ihre Schwäche denken können. Dieser Mann hatte sie mit einer anderen Frau betrogen, und - was am schlimmsten war die Frau hatte ein Kind von ihm bekommen. Damals war sie damit fertig geworden, aber nun flog ihr die sorgsam errichtete Fassade um die Ohren. Sie wollte ihn hassen und redete sich ein, dass. sie es tat. Doch sich selbst hasste sie noch mehr. Caitlin erreichte ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Es gab keinen Riegel und somit auch keine Möglichkeit, Nicos fern zu halten - es sei denn, sie schob ein schweres Möbelstück ' vor die Tür. Sie warf einen versonnenen Blick auf das Doppelbett. Auf gar keinen Fall wollte sie unter die Laken schlüpfen und warten, dass Nicos zu ihr kam. Es bestand nicht der geringste Zweifel, dass er kommen würde. Andererseits konnte sie ihn vor vollendete Tatsachen stellen. Hier oben befanden sich noch drei weitere Schlafzimmer. Sie könnte eines davon benützen, um ihre Absicht zu unterstreichen, nicht mit ihm zu schlafen. Caitlin wählte einen der Räume und holte frische Laken. Nachdem sie das Bett gemacht hatte, streckte sie sich erschöpft darauf aus. Statt jedoch sofort einzuschlafen, blickte sie eine Ewigkeit starr in die Dunkelheit. All ihre Sinne und Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Sie sagte sich, dass sie ihn nicht begehrte, ihn nicht begehren wollte. Trotzdem sehnte sich ihr Körper nach einer Wiederholung der letzten Nacht. Es wäre so einfach, wenn sie sich vormachen könnte, dass sie lediglich den Sex mit Nicos genossen hatte. Warum auch nicht? fragte eine innere Stimme. Koste einfach ein Jahr lang den
intimen Kontakt mit ihm aus, und dann verschwinde. Leichten Herzens und ohne Reue. Unmöglich. Sie hatte ihm ihr Herz und ihre Seele bereits in dem Moment geschenkt, als sie einander zum ersten Mal begegnet waren. Monatelang hatte sie sich eingebildet, sie hätte beides wiedergewonnen, doch die letzte Nacht hatte bewiesen, dass sie ihm immer noch gehörten. Und immer gehören würden. Dafür hasste sie sich. Und ihn. Ein schwacher Lichtschein durchbrach die Dunkelheit, als die Tür geöffnet wurde. Caitlin erschrak, als sie Nicos' Silhouette im Türrahmen sah. Rasch senkte sie die Lider. Wenn sie völlig still lag, würde er vielleicht annehmen, sie schliefe. Sie hätte es besser wissen müssen. Sekunden später merkte sie, wie die Bettdecke angehoben und die Matratze niederge drückt wurde, als er ins Bett glitt. Wie lange würde es dauern, bis er die Hand nach ihr aus streckte? Fünf Sekunden? Zehn? Während sie zählte, konzentrierte sie sich darauf, gleichmäßig zu atmen. „Was hast du vor?" erkundigte Nicos sich leise. „Hör endlich auf zu schmollen." Hatte er gewusst, dass sie wach war, oder hatte er lediglich geraten? „Ich habe noch nie geschmollt." Caitlin wandte ihm den Kopf zu - und bereute es sofort. Nicos lag neben ihr und sah sie an, den Ellbogen aufs Kissen gestützt. Mit einer geschmeidigen Bewegung schaltete er die Nachttischlampe ein. Das Licht fiel auf seine Züge, und in seinem funkelnden Blick spiegelte sich ein Anflug von Humor ... und noch etwas, das sie lieber nicht ergründen wollte. „Ich versuche zu schlafen." „Ohne Erfolg." „Das weißt du doch gar nicht." Er strich ihr zart über die Wange und zeichnete dann die Konturen ihres Mundes nach. „Lass das!" Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Er spürte ihre Lippen unter seiner Berührung erbeben, sah die heftig pochende Ader an ihrem Hals. „Müde?" Wohlige Wärme breitete sich in ihr aus. Sie schluckte trocken. „Ja.“ Nicos beugte sich über sie und küsste sie auf den Mundwinkel. „Soll ich die ganze Arbeit allein machen?" Er ließ die Hand um ihren Nabel gleiten, bevor er sie tiefer schob, um eine weitaus intimere Erkundung zu beginnen. „Das ist nicht fair", protestierte sie leise. „Ist das ein Ja oder ein Nein?" Seine erfahrenen Zärtlichkeiten entlockten ihr einen atemlosen Laut, als sie sich ihm entgegendrängte. Er erstickte ihr Stöhnen, indem er ihre Zunge mit seiner aufreizend umschmeichelte. Langsam, aber zielstrebig verführte er sie, und sie ließ ihn gewähren. Hemmungslos, ekstatisch. Später hielt er sie fest umfangen, die Lippen auf ihr Haar gepresst, während er besänftigend ihren Rücken streichelte.
8. KAPITEL
Der Frühling war die traditionelle Zeit der Galadiners, die von den großen Wohltätigkeitsorganisationen der Stadt ausgerichtet wurden und unter der Schirmherrschaft medienerprobter Gastgeberinnen standen. Diese Damen mobilisierten ihren gesamten Bekanntenkreis, um ein besonders glanzvolles Ereignis zu ge währleisten. Angesichts der zahlreichen Festivitäten war es für die Prominenz möglich, mit steter Regelmäßigkeit auswärts zu speisen - was viele auch taten. Andere waren eher wählerisch und beehrten nur gewisse Organisationen mit ihrer Anwesenheit. Die heutige Soiree rangierte sehr weit oben auf dem Veranstaltungskalender, wie Caitlin bemerkte, als sie an Nicos' Seite den Ballsaal eines Luxushotels betrat. Der Abend verhieß zudem einige diskrete Sticheleien zwischen Roberta, Andrea und Chloe, die mit ihrem Gefolge an weit auseinander liegenden Tischen platziert waren. Irgendwo in der Menge würden sich auch Paula und Enrique befinden, die der Etikette zuliebe gute Miene zum bösen Spiel machen mussten - während sie sich nach Kräften bemühen würden, einander wie die Pest zu meiden. Zusammen mit der allgemeinen Neugier, was Caitlins und Nicos' Versöhnung betraf, glich die Atmosphäre einer gut besuchten Hexenverbrennung. Als Kevins Tochter war sie erfahren genug gewesen, ein atemberaubendes blassgraues Abendkleid mit einer durchsichtigen hellblauen Tunika aus Chiffon zu wählen. Es umschloss ihre schlanke Gestalt wie eine zweite Haut und bauschte sich von den Knien bis zum Boden. Mit winzigen Perlen besetzte Spaghettiträger hielten das Oberteil, ihr Schmuck beschränkte sich auf ein kostbares Diamantcollier, Ohrstecker und ein dazu passendes Armband. Hochhackige Pumps vervollständigten das Outfit. Das lange Haar hatte sie zu einer eleganten Frisur aufgesteckt. Ein raffiniertes Make- up sorgte für eine strahlende Fassade. Lächle, ermahnte Caitlin sich im Stillen. Ein Gesichtsmuskelkater war ein geringer Preis fürs Überleben. „Bereit für den Kampf?" raunte Nicos ihr zu, während er sie zu dem für sie reservierten Tisch geleitete. „Und ob", bestätigte sie. „Dort ist Roberta." Sie spürte seine Hand auf ihrem Rücken. „Andrea und Chloe sitzen auf der anderen Seite des Saals." Caitlin lächelte ihn an. „Dann lass sie uns in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit begrüßen." Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Plätze endlich einnehmen konnten. Im Verlauf des Abends hatte sie mehrfach das Gefühl, nur Schauspieler auf einer Bühne zu sein, die ihre vorgeschriebene n Rollen verkörperten. Galt dies auch für Nicos' aufmerksame Fürsorge? Für seine Berührungen, für das versonnene Lächeln, das winzige Fältchen um seine Augen zauberte? Teils wünschte sie, er möge es aufrichtig meinen, teils fürchtete sie sich vor den Konsequenzen. Sie brauchte ihn nur anzublicken, um den Mann hinter der kultivierten Fassade zu sehen. Der makellose Maßanzug verbarg einen durchtrainierten, hinreißend männlichen Körper, der eine Aura urwüchsiger Sexualität und höchster Sinnlichkeit ausstrahlte. Diese Augen, dieser Mund ... O verdammt, beherrsch dich! schalt sie sich. Das Menü umfasste drei Gänge, die von diversen Reden und einem Unterhaltungsprogramm begleitet wurden. Während das Dessert serviert wurde, nutzte Caitlin die Gelegenheit, sich im Saal umzublicken. Ihr stockte der Atem, als sie einen vertrauten dunklen Schöpf erspähte. Die Größe, die Haltung ... Es konnte nicht sein, oder? Während sie beobachtet wurde, drehte die Frau sich langsam um, und Caitlin spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
Georgia. Was tat sie hier? Nicht in Sydney, sondern hier, auf einer Veranstaltung, zu der nur geladene Gäste Zutritt hatten ... Dann sah sie, wie ihr Stiefbruder Georgia einen Drink reichte, und plö tzlich passte alles zusammen. In seinem Zorn über ihre wiederholte Weigerung, ihm Geld zu leihen, hatte Enrique seine Rache sorgfältig geplant. Gütiger Himmel, warum wurde ihr Leben von Peinlichkeiten und Demütigungen überschattet? Der Instinkt riet ihr zur Flucht. Aber damit würde sie Enrique nur in die Hände spielen, und diese Befriedigung wollte sie ihm nicht verschaffen. Hatte Nicos Georgia ebenfalls entdeckt? Irgendwie bezweifelte sie es. Er war in eine Unterhaltung mit einem Kollegen vertieft, und soweit sie es beurteilen konnte, saßen Georgia und Enrique nicht in seinem Blickfeld. Caitlin merkte es sofort, als Nicos ihren Stiefbruder und dessen Begleiterin sah. Obwohl er nicht mit der Wimper zuckte, hätte sie schwören mö gen, dass er sich verspannte. Wie aufs Stichwort wandte Georgia Sich um. Lächelnd entschuldigte sie sich bei Enrique und kam auf Caitlins und Nicos' Tisch zu. „Jetzt wird es interessant", meinte Caitlin leise. „Benimm dich", warnte Nicos. Sie bedachte ihn mit einem liebenswürdigen Blick. „Wieso denn?" erkundigte sie sich unschuldig. „Ich bin doch die Höflichkeit in Person." Ihr war klar, dass unzählige Augenpaare jede ihrer Bewegungen, jede ihrer Gefühlsregungen verfolgen würden. Die Trennung von Caitlin und Nicos Kasoulis hatte die Presse eine Zeit lang beschäftigt. Und jetzt berichteten die Medien über Versöhnung zwischen ihnen. Das Erscheinen von Nicos Kasoulis' ehemaliger Geliebter bot dem Klatsch neue Nahrung, und man brauchte nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass Georgia Burtons Ankunft in der Stadt die Telefonkabel zum Glühen bringen würde. „Nicos ..." Der Name kam wie ein sanftes Schnurren über Georgias Lippen, während sie ihn mit Blicken zu verschlingen schien. „Ich hatte gehofft, dich heute Abend hier zu sehen." Natürlich. Ich könnte wetten, du hast alles bis ins letzte Detail geplant, dachte Caitlin und neigte leicht den Kopf. „Georgia." Georgia zog einen Schmollmund. „Du hast meine Anrufe nicht beantwortet." „Ich hatte keinen Grund dazu", erwiderte Nicos kühl. „Nicht einmal um der alten Zeiten willen?" „Es ist vorbei, und zwar schon seit einer ganzen Weile." „Wie kannst du sagen, es sei vorbei, wenn wir doch ein Kind miteinander haben?" fragte sie vorwurfsvoll. „Du hast ein Kind", korrigierte Nicos sie, „von dem wir beide wissen, dass es nicht von mir ist." „Willst du es immer noch leugnen?" „Meineid ist eine Straftat." „Genauso wie die Weigerung, die Verantwortung für sein Kind zu akzeptieren", konterte Georgia. „Deine Dreistigkeit ist wirklich unglaublich", erklärte Nicos grimmig. „,Unglaublich' beschreibt ziemlich genau deine erotischen Fähigkeiten." Georgia blickte zu Caitlin herüber. „Sie sind bestimmt meiner Meinung, oder?" „Ich habe nicht vor, ihm zu schmeicheln", entgegnete Caitlin liebenswürdig. „Denken Sie, ich tue es?" Caitlin würdigte sie keiner Antwort. Stattdessen beobachtete sie, wie Georgia sich mit einem gelangweilten Lächeln umdrehte und in der Menge verschwand. „Das ist ja noch mal gut gegangen." Nicos warf ihr einen finsteren Blick zu. „Sie ist auf Ärger aus." „Und du nicht?" Sie spürte, dass er trotz aller scheinbarer Gelassenheit wütend war.
„Nein." „Ich muss in den Waschraum." „Suchst du eine Fluchtmöglichkeit?" „Im Moment schon." Sie hatte bereits sehr früh gelernt, stets zu lächeln und den Kopf hoch zu tragen. Dank dieser jahrelangen Übung bewegte sie sich perfekt auf dem gesellschaftlichen Parkett. Es war ein Spiel, reine Heuchelei, und das beherrschte sie ausgezeichnet. Entspannt begrüßte sie einige Bekannte, als sie sich einen Weg durch die Menge bahnte, und plauderte mit einigen Freunden. Im Waschraum war es relativ leer. Caitlin überprüfte den Sitz ihrer Frisur und frischte ihren Lippenstift auf. Sie wollte gerade wieder hinausgehen, als die Tür aufschwang und Georgia hereinkam. Ein Zufall? Wohl kaum. Eher ein Trick des Models, uni eine Konfrontation unter vier Augen herbeizuführen. Caitlin hätte natürlich schnell hinausschlüpfen können -aber wozu, wenn Georgia offenbar so fest entschlossen war, ihr Sprüchlein aufzusagen? „Ich schätze, es gibt einen Grund, weshalb Sie mir gefolgt sind." „Selbstverständlich." „Warum bringen Sie es dann nicht hinter sich?" „Die Klauseln im Testament Ihres Vaters müssen eine schreckliche Strafe für Sie sein", meinte Georgia herablassend. Das Spiel hatte also begonnen. Es gehörten jedoch zwei dazu, und Caitlin hatte nicht vor zu verlieren. „In welcher Hinsicht?" „Nun ... das Haus mit Nicos zu teilen, natürlich." Angriff war die beste Verteidigung. „Nachdem er mich betrogen hat?" „Das ist bestimmt schwer, Liebes." „Wir haben uns auf einen Kompromiss geeinigt", behauptete Caitlin ruhig. „So?" „Und genießen die Randerscheinungen." „Wie zum Beispiel?" „Sex." Sie brachte sogar ein vertrauliches Lächeln zu Stande. „Nicos ist beim Sex einfach hinreißend." Georgias Augen wurden schmal. Eins zu null für Caitlin. Aber wie lange würde es dauern, bis das Model gleichzog? „Mag sein, Liebes. Aber sind Sie auch sicher, dass er an Sie denkt, wenn ..." Sie legte eine bedeutsame Pause ein. „In diesem intimen Moment", fügte sie betont taktvoll hinzu. Donnerwetter, dachte Caitlin beinah bewundernd. „Sie können mit mir gar nicht konkurrieren", stellte Georgia hoheitsvoll fest, „denn ich habe ihm einen Sohn geschenkt." „Ist das eindeutig bewiesen?" „Warum sonst sollten unsere Anwälte damit beauftragt sein, einen Unterhaltsvertrag aufzusetzen?" Caitlin erkannte, dass sie sich auf gefährliches Terrain vorge wagt hatte. „Und wo ist Ihr Sohn? Ist er nicht ein bisschen klein, um bei einem Babysitter gelassen zu werden?" „Meine Mutter hat mich aus Brisbane herbegleitet. Natürlich habe ich ein Kindermädchen." Natürlich. Was war nur aus den altmodischen Mutterpflichten geworden? „Wenn Sie Nicos so wichtig sind", begann Caitlin vorsichtig, „warum hat er nicht gleich die Scheidung eingereicht, nachdem ich ihn verlassen hatte?" „Woher wollen Sie wissen, dass er es nicht getan hat?" konterte Georgia. „Eine offizielle Trennung braucht keine weitere Be gründung als die Tatsache, dass ein Paar ab einem gewissen Datum getrennt lebt. Das australische Rechtssystem gestattet ein provisorisches Scheidungsurteil nach einjähriger Trennung." „In diesem Fall hat unsere Versöhnung das Verfahren ge stoppt."
Georgia hatte ihre Krallen inzwischen geschärft und holte nun zum tödlichen Schlag aus. „Eigentlich nicht, Liebes. Ein Jahr bedeutet nicht viel. Ich bin durchaus bereit, ihn sich eine Weile mit Ihnen amüsieren zu lassen." Ihr Lächeln glich dem einer boshaften Katze. „Immerhin werde ich ihn noch ein ganzes Leben lang haben." „Sind Sie sich dessen so sicher?" „Ich bin fest entschlossen", versicherte das Model. Caitlin unterdrückte die aufsteigende Übelkeit. „Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich ihn so einfach aufgeben werde?" „Sie haben es schon einmal getan. Warum sollte es diesmal anders sein?" Ein spöttisches Lächeln umspielte die sorgfältig geschminkten Lippen. „Ach Schätzchen", fuhr Georgia mitleidig fort, „Sie wollen doch nicht etwa um ihn kämpfen, oder? Es wäre eine zu demütigende Erfahrung." „Für wen?" Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann erklärte Georgia sanft: „Ich will gewinnen." „Ich auch." Das Model ließ sich viel Zeit, um sein Spiegelbild zu überprüfen, bevor es Caitlins eindringlichem Blick begegnete. „Warten wir ab, wer den Preis bekommt." Als Schlussbemerkung waren diese Worte nicht mehr zu überbieten. Es dauerte eine Weile, bis Caitlin sich so weit beruhigt hatte, dass sie die trügerische Geborgenheit des Waschraums verlassen und in den Ballsaal zurückkehren konnte. Nicos stand in der Nähe des Eingangs und blickte ihr entgegen, die Augen unverwandt auf ihre gefasste Miene gerichtet. Sie war eine in vielerlei Hinsicht temperamentvolle Frau, aber der Kummer um ihren Vater forderte seinen Tribut. Georgia mit ihren boshaften Sticheleien war eine Plage, und Enrique war wieder einmal auf der Suche nach Geld. Nicos ärgerte sich über die verschlungenen Pfade des Schicksals und zwang sich zur Geduld, bis eine Lösung gefunden war. Der Zweck heiligte die Mittel. „Georgia hat mit dir gesprochen." Trotzig hob Caitlin das Kinn. „Es ist dir also aufgefallen." „Es gibt kaum etwas, das mir an dir nicht auffällt." „Vielen Dank", erwiderte sie gereizt. „Ich sollte mich jetzt wohl geschmeichelt fühlen." „Sie hat dich aufgeregt." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. „Gut beobachtet. Bitte verlang nicht, dass ich unser Gespräch Wort für Wort wiederhole." „Caitlin..." „Lass uns hineingehen." „Wir reden später weiter." Im Saal waren Freunde, mit denen sie sprechen müssten, Be kannte, die begrüßt werden wollten, und so wurde es fast Mitternacht, bevor sie sich zurückziehen konnten. Caitlin saß schweigend im Wagen, während Nicos die Innenstadt durchquerte und in Richtung der östlichen Vororte fuhr. „Möchtest du dich darüber unterhalten?" Sie wandte den Blick von den hell erleuchteten Straßen ab und betrachtete sein markantes Profil. Er hatte Georgia mit erschreckender Kälte behandelt - ihr, Caitlin, zuliebe? Seufzend blickte sie durch die Windschutzscheibe. Sogar ihn anzusehen tat weh. „Eigentlich nicht." Kaum hatten sie das Haus erreicht, stieg sie aus dem Wagen und eilte vor Nicos durch die Halle zur Treppe, so als könnte sie nicht genug Abstand zwischen sich und ihn legen. Das ist natürlich lächerlich, räumte sie im Stillen ein, nachdem sie im oberen Stockwerk angekommen war und zu ihrem Schlafzimmer ging. Nicos folgte ihr. Er beobachtete, wie sie aus den Schuhen schlüpfte und den Schmuck ablegte, bevor sie den Reißverschluss ihres Kleids öffnete. „Ich hatte keine Ahnung, dass Georgia heute Abend dort sein würde."
Für den Bruchteil einer Sekunde hielt sie inne, dann schob sie die Spaghettiträger von den Schultern und streifte das Kleid vorsichtig über ihre Hüften. Bis auf einen winzigen Slip war sie nun völlig nackt. Nicos fragte sich, ob sie wusste, wie aufreizend sie wirkte. Helle, samtweiche Haut, wohlgeformte Kurven und feste Brüste, die perfekt in seine Handflächen passten. Er sehnte sich danach, ihre Hüften zu streicheln und die Hände höher zu ihren Brüsten gleiten zu lassen, um die rosigen Knospen mit den Daumen zu liebkosen. „Ehrlich gesagt, ist mir das egal." Sie war froh, dass sie ihm den Bücken zuwandte, sonst hätte er die Lüge sofort durchschaut. Und plötzlich war er bei ihr, drehte sie zu sich um und brach ihren Widerstand so mühelos, als würde er ein störrisches Kind besänftigen. Er umfasste ihr Kinn und zwang sie sanft, ihn anzusehen. „Nein, es ist dir nicht egal." Seine Stimme glich einem sinnlichen Raunen. Aus Furcht, ihre wahren Gefühle zu verraten, unterdrückte Caitlin den Impuls, trocken zu schlucken. „Tu's nicht", flehte sie verzweifelt, als er den Kopf senkte. Sie presste die Lippen zusammen - nur um sie bei der ersten zarten Berührung durch seine Zunge zu öffnen. Es war ein sanfter, zärtlicher Kuss, forschend und fordernd. Sie ignorierte die innere Stimme, die sie vor Nicos' Verführungs künsten warnen wollte. Ein leises Stöhnen entrang sich ihrer Kehle, als er die Nadel aus ihrer Frisur entfernte und dann die Finger in die seidige Fülle schob. Er hielt ihren Kopf fest, während er den Kuss mit einer Intensität vertiefte, die dem eigentlichen Liebesakt gleichkam. Viel zu spät wurde ihr bewusst, dass er seine Kleidung abge legt hatte. Sie streckte die Arme nach ihm aus, schwelgte in seinen Zärtlichkeiten, als er sie, ohne die Lippen von ihren zu lösen, mit sich aufs Bett zog. Die Welt um sie her versank, es zählten nur noch der Zauber seines Mundes und ihre hemmungslose Re aktion darauf. Viel später rückte sie von ihm ab, verärgert über ihre eigene Schwäche und die Erbarmungslosigkeit, mit der er sie ausgenutzt hatte. „Du kannst nicht leugnen, dass uns etwas Besonderes verbindet", sagte er leise. „Soll ich mich deshalb besser fühlen?" konterte sie wütend. „Meinst du, ich würde mich nicht hassen, weil ich ... süchtig bin nach ...?" „Sex?" „Nach dir." „Danke, agape mou, für diesen feinen Unterschied", flüsterte er. „Ich dürfte gar nicht so empfinden", rief sie. „Es ist..." Einen Moment lang fehlten ihr die Worte. „... widerwärtig." Ein Muskel zuckte in seiner Wange. „Mir fallen spontan viele passende Bezeichnungen ein ,widerwärtig' gehört nicht dazu." „Wie würdest du es dann nennen?" fragte sie. „Sinnlicher Zauber ... ungezügelte Leidenschaft .... wildes Verlangen ... das sich für uns zu etwas Einzigartigem verbindet." Gütiger Himmel! Am Anfang war es all das gewesen - und noch mehr. Viel mehr. Caitlin schloss kurz die Augen. Selbst jetzt, nachdem alles zerbrochen war, hatte sich nichts an der emotionalen Bindung geändert. Eine urwüchsige Kraft, die danach drängte, akzeptiert zu werden. Noch vor einem Jahr hätte sie geschworen, dass es sich um Liebe handelte. Aber wie sollte sie es nun angesichts seiner Untreue bezeichnen? Es ergab einfach keinen Sinn. „Trotzdem hat drei Monate nach unserer Hochzeit - drei Monate", wiederholte sie nachdrücklich, „deine angebliche Exgeliebte verkündet, sie wäre schwanger und du wärst der Vater." Ihre grünen Augen funkelten. „Der Beweis für deine Untreue ist unwiderlegbar." Der Zorn ließ sich nicht äl nger unterdrücken. „Verdammt, du musst von unseren Flitterwochen geradewegs in ihr Bett gestiegen sein!" Da half auch die Erinnerung an die idyllischen Wochen auf Maui nichts. Romantische Tage und lange, von Liebe erfüllte Nächte.
„Damals hast du Georgia mehr geglaubt als mir." Am liebsten hätte Nicos sie geschüttelt. „Hast du auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wie ich mich gefühlt habe?" Er ballte die Hände zu Fäusten und kämpfte gegen den Impuls an, irgendetwas zu zertrümmern. Bald schon würde er den Beweis haben, den er brauchte. Aber im Moment musste er sich mit Worten begnügen. „Ist dir je in den Sinn gekommen, dass Georgia unsere Ehe vorsätzlich zerstören will? Und damit dich und mich?" „Ja", räumte sie ehrlich ein. Dieser Gedanke war ihr tatsächlich gekommen. Eine gekränkte Frau stellte eine gefährliche Be drohung dar. „Doch dann nannte sie Daten, Orte, Hotels ..." Georgia hatte sogar Rechnungen präsentiert. Es war schrecklich gewesen, mit den Beweisen konfrontiert zu werden. Grenzenloser Schmerz spiegelte sich in ihren Augen. „Ich war nicht mit ihr zusammen." „Verdammt, sie war schwanger!" rief Caitlin. „Sie hat mir sogar eine Kopie der Ultraschalluntersuchung gezeigt." Ein Video, das einige Wochen später per Kurier in ihrem Apartment abgegeben worden war. Ein so unwiderlegbarer Beweis, dass sie sich das Band nur wenige Sekunden hatte ansehen können, bevor ihr übel wurde. Es war einfach zu viel. Der Gedanke, dass sie sich in seinen Armen so schamlos und lüstern benommen hatte, erfüllte sie mit Abscheu. Aufstöhnend rollte sie sich an den Rand der Matratze, doch Nicos hielt sie zurück. „Lass mich los." Der Druck seiner Hand war unerbittlich. „Nein." Wütend drehte sie sich zu ihm um. „Was willst du damit beweisen, Nicos? Deine überlegene männliche Stärke?" Sie atmete tief durch. „Deine sexuelle Erfahrung?" Ein sonderbarer Ausdruck huschte über sein Gesicht. Nicos sagte kein Wort, und die Atmosphäre war zum Zerreißen ge spannt. Plötzlich bewegte er sich und zog sie auf sich, eine Hand auf ihrem Po, die andere in ihr Haar geschoben. Dann zwang er sie erbarmungslos, den Kopf zu senken. Er presste die Lippen auf ihre, fordernd, forschend, atemberaubend. Der Kuss glich einer Eroberung, einer überwältigenden Demonstration der Macht. Nicos drang mit der Zunge in ihren Mund und zwang ihr seinen Willen auf. Caitlin hörte ein leises Stöhnen, ahnte jedoch nicht, dass es von ihr stammte. Der Kuss war eine Inbesitznahme. Von wilder Intensität, hemmungslos, vernichtend. Beinah barbarisch. Ein Mann, der seine Emotionen kaum noch unter Kontrolle hatte, War fest entschlossen, ihr sein Bild in die Seele zu brennen. Tief in ihrem Inneren regte sich etwas, eine Antwort, das unbändige Verlangen, die eigene Sehnsucht zu stillen. Es vertrieb die schockierte Lethargie und ersetzte sie durch eine leidenschaftliche Reaktion. Caitlin war sich des Wandels kaum bewusst, sie merkte nur, dass ihre Lust seiner in nichts nachstand und sie sich danach sehnte, ihm die gleichen Wonnen zu bereiten, die er ihr schenkte. Schnell und ungehemmt, ohne Vorspiel. Sie begehrte, brauchte die Zügellosigkeit, die pure, geradezu animalische Vereinigung ohne jegliche Schranken. Keuchend klammerte sie sich an seine Schultern. Ihre Stimme war ein heiseres Flehen, als sie sich ihm in intimster Weise entgegendrängte. Aufreizend langsam bewegte sie sich hin und her, bis sich seiner Kehle ein tiefes Stöhnen entrang. Heiße Wogen der Lust durchfluteten sie. Ekstatisch warf sie den Kopf in den Nacken und richtete sich auf. Für mehrere, schier endlose Sekunden setzte sie das verführerische Spiel fort, bis sie ihn in sich aufnahm - so langsam, dass sowohl seine als auch ihre Beherrschung auf eine harte Probe gestellt wurden. Sofort flammte das Begehren zwischen ihnen auf, als sie in jenen uralten Rhythmus verfielen, der sie schließlich schweiß überströmt nach Atem ringen ließ. Caitlin sank auf Nicos zurück und seufzte leise auf, während er ihren Rücken streichelte. Dies ... das hier war alles und noch mehr. Geschenkte Zeit, bevor Probleme und Zweifel
zurückkehren konnten. Die wohlige Erschöpfung nach einem erotischen, aufwühlenden Liebesakt, der alle Sinne bis aufs Äußerste geschärft hatte. Was sie soeben geteilt hatten, war mehr als nur Sex gewesen. Mehr als die Befriedigung gegenseitigen Verlangens. In diesem verzauberten Moment scheute Caitlin jedoch davor zurück, ihre Gefühle beim Namen zu nennen. Er liebkoste ihr Ohr, dann küsste er ihren Hals. Sie stöhnte heiser auf, als sein Mund ihren fand und Nicos ein erotisches Spiel mit der Zunge begann. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung setzte er sich auf, und während er sie locker umfangen hielt, senkte er den Kopf zu ihren Brüsten und umschloss eine Knospe mit den Lippen. Caitlin erschauerte unwillkürlich, als er daran saugte, und schrie auf, als sie seine Zähne spürte. Sekunden später ließ er die Lippen etwas tiefer gleiten und biss sie ganz sanft, bevor er die andere Knospe zu reizen begann. Verlangend ließ sie die Finger durch sein Brusthaar und anschließend zu seinem Nabel gleiten. Nachdem sie diesen ein wenig liebkost hatte, setzte sie ihre Erkundung fort und umfasste ihn. Nicos reagierte sofort auf ihre federleichten, aufreizenden Be rührungen und drückte sie aufstöhnend auf die Matratze. Diesmal ließ er sich Zeit. Langsam streichelte er ihre emp findsamste Stelle, bis ihr Verlangen ins schier Unermessliche wuchs und Caitlin ihn anflehte, die süße Qual zu beenden. Sie schrie auf, als er das Gewicht verlagerte, und war enttäuscht - allerdings nur bis zu dem Moment, in dem er mit den Lippen ihren Nabel berührte und diese dann immer tiefer gleiten ließ, um sie auf die intimste Art überhaupt zu erregen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob man sterben und in den Himmel gelangen und trotzdem sterblich sein konnte. An welchem Punkt wandelte sich Schmerz in Lust und umgekehrt? Caitlin wusste es nicht. Ihr war allerdings klar, dass es beides sein konnte. Gefühle, die so intensiv waren, dass sie an Schmerz grenzten und nach Erfüllung verlangten. Sie spürte, dass sie nie etwas Ebenbürtiges erfahren würde, und wünschte, es würde niemals aufhören. War das sie, die aufschrie? Sie, die den Mann, dessen Berührungen sie zu zerstören drohten, anflehte? Als Nicos schließlich in sie eindrang, war sie beinah erleichtert und nahm ihn bereitwillig auf. Wider Erwarten ließen die Gefühle jedoch nicht nach, sondern wurden noch stärker und entluden sich explosionsartig, als er sie zum Gipfel der Ekstase führte. Diesmal war sie nicht allein, und sie hörte ihn lustvoll aufstöhnen, als er ebenfalls den Höhepunkt erreichte. Sie kostete diesen Augenblick aus, seine Leidenschaft und die Freude, diese mit ihm zu teilen. Später würde sie alles analysieren könnten, doch vorerst begnügte sie sich damit, für den Moment zu leben. In seinen Armen, die Wange an seine Schulter geschmiegt, hörte Caitlin seinen regelmäßigen Herzschlag, spürte seine Kraft und genoss die tröstliche Wärme seines Atems an ihrem Haar. Lässig strich er ihr über die Taille und ließ die Hand dann besitzergreifend auf ihrer Hüfte ruhen. Sie liebte den würzigen, maskulinen Duft seiner Haut, sie liebte es, das Spiel seiner Muskeln unter seiner gebräunten Haut zu spüren. Die Art, wie er sie umfangen hielt, hatte etwas. Und die unterschwellige Leidenschaft, die aus seinem Blick sprach und jedes Wort überflüssig machte. Damals hatte sie ihm nur in die Augen sehen müssen, um Bescheid zu wissen. Dieses Verlangen schüren müssen, sich dessen bewusst sein müssen, dass die Nacht anfing, sobald Nicos und sie allein waren ... eine lange, leidenschaftliche Nacht, in der sie einander Vergnügen bereiteten, bis sie vor Erschöpfung einschliefen und schließlich im Morgengrauen wieder aufwachten. Ob es je wieder so sein würde? Bedingungsloses Vertrauen. Absolute Treue. Denn zusammen waren sie zwei Hälften eines
Ganzen. Zwei Herzen, die im Takt schlugen. Seelenverwandt. Damals hatte sie, Caitlin, geglaubt, nichts und niemand könnte sie auseinander bringen. Doch jemand hatte es getan, und das Gespenst namens Georgia ließ sich nicht verscheuchen.
9. KAPITEL „Los, raus aus dem Bett." Caitlin hörte die Worte, hob den Kopf und stöhnte. Dann drehte sie sich auf den Bauch und barg das Gesicht im Kissen. „Es ist mitten in der Nacht", protestierte sie. „Neun Uhr", informierte Nicos sie amüsiert. „Du bekommst dein Frühstück ans Bett, und danach fahren wir zum Picknick in die Blue Mountains." Sie war nicht sicher, worüber sie mehr überrascht war - über das Frühstück im Bett oder ... „Picknick?" erkundigte sie sich und blickte ihn dabei an. „Bist du verrückt?" Es war zwar Frühling, aber immer noch kühl. Und in den Blue Mountains, die zum Great Dividirig Range gehörten, war die Temperatur noch um einige Grad niedriger. Die Matratze gab nach, als Nicos sich darauf setzte, und die köstlichsten Düfte stiegen Caitlin in die Nase - nach frisch gebrühtem Kaffee, Toast und ... War das Speck? Auf dem Tablett stand auch Orangensaft. Sie setzte sich auf und stopfte sich ein Kissen in den Rücken. „Das ist dekadent", bemerkte sie, während sie sich ein Glas Saft vom Tablett nahm. Nachdem sie es in einem Zug halb geleert hätte, sah sie Nicos argwöhnisch an. „Was willst du?" Er schwang die langen Beine aufs Bett, stopfte sich ebenfalls ein Kissen in den Rücken und nahm sich einen Teller mit Toast und Eiern mit Speck. „Zweifelst du etwa daran, dass ich aus reiner Herzensgüte Frühstück gemacht und es dir ans Bett gebracht habe?" Nicos hatte bereits geduscht und sich angezogen, und sie verfluchte ihn insgeheim dafür, dass er bereits zu dieser Zeit so frisch wirkte. Sie hingegen war unausgeschlafen, nackt und bot sicher einen fürchterlichen Anb lick mit ihrem zerzausten Haar. „Ja", erwiderte sie. „Du machst mich schlechter, als ich bin. Ich habe dir schon einige Male das Frühstück ans Bett gebracht." „Stimmt", bestätigte sie. „Allerdings wolltest du mich da am Aufstehen hindern und nicht dazu ermuntern." „Ich dachte, wir machen einen Ausflug und lassen es uns mal richtig gut gehen." Caitlin trank den Orangensaft aus und aß eine Gabel Ei mit Speck. Ob es möglich war, den Tag in Frieden und Eintracht zu verbringen, die unterschwellige Feindseligkeit zu verdrängen und, was am wichtigsten war, nicht an Georgia zu denken? „Keine Telefonate, keine Störungen, kein Druck", fügte Nicos hinzu. „Wir haben ein Mobiltelefon", erinnerte sie ihn zynisch. „Die Anrufer können auf die Mailbox sprechen." „In den Bergen ist es bestimmt kalt." „Ich könnte mich dazu bewegen lassen, es mir anders zu überlegen, wenn du lieber im Bett bleiben möchtest." „Ein Picknick klingt toll", erklärte sie eifrig, und er lachte amüsiert. Was wäre die Alternative gewesen? Eine Wiederholung des letzten Sonntags? Oder sollte sie eine Freundin anrufen und mit ihr The Rocks erkunden? Oder sich zum Tennisspielen verabreden? Oder sich an ihren Laptop setzen und sich in Arbeit vergraben? Es gab viele Möglichkeiten, und keine erschien Caitlin besonders reizvoll. Außerdem half es ihr vielleicht dabei, die erzwungene Gesellschaft mit Nicos nüchtern zu betrachten, wenn sie einen ganzen Tag mit ihm verbrachte. Von wegen nüchtern betrachten, sagte sie sich spöttisch, nachdem sie geduscht hatte und ein dünnes Stricktop und Jeans anzog. Es war neun Tage her, seit sie wieder bei ihm eingezogen war, und sie teilte bereits dasselbe Zimmer und dasselbe Bett mit ihm wie damals - obwohl sie geschworen hatte, es nicht zu tun. Was sagte das über sie aus? Dass sie willensschwach und leicht zu beeinflussen war? Oder dass sie lediglich die positiven Be gleiterscheinungen der Beziehung mit ihm genoss? Weder noch, sagte sie sich, während sie Socken und Turnschuhe anzog. .. Einerseits hätte sie den inneren Aufruhr, den die unerwartete Begegnung mit Georgia
ausgelöst hatte, gern verdrängt. Ihr Timing war geradezu meisterhaft gewesen. Hatte Georgia es etwa bewusst darauf angelegt, eine mögliche Versöhnung zwischen Nicos und ihr, Caitlin, zu verhindern? War das ihr Ziel? Du lieber Himmel! War die Frau so verzweifelt, dass sie mit solchen Tricks arbeitete? Entschlossen verdrängte Caitlin diese unerfreulichen Gedanken. Sie hängte sich einen Pullover um und verknotete die Ärmel vorn. Sie war fest entschlossen, diesen Tag zu genießen, ohne sich den Kopf zu zerbrechen. Nicos fuhr den Great Western Highway nach Katoomba entlang, und sie kamen durch verschiedene Orte, die oft ineinander überzugehen schienen. In einem Ort hielten sie an, um belegte Brötchen, Obst und Mineralwasser zu kaufen, und setzten ihre Fahrt durch steile Täler fort. Eine Abzweigung führte sie zu einem wunderschönen Wasserfall, an dem sie Mittag essen wollten. Nicos nahm eine Decke aus dem Wagen und breitete sie an dem grasbewachsenen Rand aus. Darauf machten sie es sich gemütlich und aßen in einvernehmlichem Schweigen. Es war viel kühler als in Sydney, und die Ruhe bildete einen angenehmen Kontrast zum Großstadtleben. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, und daher fiel es Caitlin nicht schwer, sich eine andere Zeit vorzustellen, als das menschliche Dasein auf den Kampf ums Überleben reduziert ge wesen war. Die Evolution des Menschen hatte ins einundzwanzigste Jahrhundert geführt, doch die oft herbe oder schlichte Schönheit der Natur war im Überfluss vorhanden - eine Erinnerung an eine primitive Kraft. Nachdem Caitlin ihr Schinkenbrötchen gegessen hatte, biss sie in einen Apfel. „Danke", sagte sie leise. „Dafür, dass ich dich hierher gebracht habe?" fragte Nicos. „Ja." Sie spürte, wie die Anspannung der letzten Tage nachzulassen begann und einem inneren Frieden wich. Sydney schien weit weg zu sein, genauso wie der Alltagsstress, Enriques Forderungen ... und Georgia. Selbst ihre Feindseligkeit Nicos gegenüber legte sich vorübergehend, Nicos schraubte seine Wässerflasche zu und streckte sich aus. Er trug ein Poloshirt und darüber einen dicken Pullover, der seine breiten Schultern und seine muskulöse Brust betonte, sowie Jeans, die seine Hüften und langen Beine zur Geltung brachten. Nachdem Caitlin ihren Apfel aufgegessen hatte, wollte sie aufstehen, doch er hielt sie zurück. „Kein Grund zur Eile." Er zog sie neben sich. „Ruh dich ein bisschen aus." Erst jetzt merkte sie, wie müde sie war, und beschloss, ein Nickerchen zu machen ... „Wir müssen los. Es gibt bald Regen." Caitlin öffnete die Augen, sah den bedeckten Himmel, stellte fest, dass Nicos ihr die Decke umgewickelt hatte, und stand auf. „Wie spät ist es?" Als er es ihr sagte, wurde ihr bewusst, dass sie länger als eine Stunde geschlafen hatte. Regenwolken hingen tief zwischen den Bergen, und kurz nachdem sie losgefahren waren, begann es in Strömen zu gießen. Die grünen Blätter der Bäume schimmerten nun bläulich. So bald sie den Berg überquert hatten und das Tal darunter erreichten, schien wieder die Sonne. Caitlin wusste selbst nicht, warum sie wünschte, der Tag wäre noch nicht zu Ende und sie müssten noch nicht nach Hause zurückkehren. „Was hältst du davon, in The Rocks zu bummeln und irgendwo Pizza zu essen?" schlug Nicos vor, als sie sich der Stadt näherten. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte schalkhaft. „Abgemacht." So verbrachten sie einige nette Stunden damit, durch die vielen Kunsthandwerkläden und Geschenkboutiquen zu bummeln und anschließend an den Restaurants und Straßencafes vorbei. In einem davon servierte man ihnen die beste Pizza, die Caitlin je gegessen hatte. Dazu tranken sie Wein und anschließend starken, süßen schwarzen Kaffee.
Als Nicos den Wagen in die Garage fuhr, verspürte Caitlin eine freudige Erregung und fragte sich, wie der Abend wohl enden würde. Zusammen betraten sie das Haus und gingen nach oben in ihr gemeinsames Zimmer. In stillschweigender Übereinkunft duschten sie gemeinsam und ließen sich dabei viel Zeit. Nachdem sie sich abgetrocknet hatten, führte Nicos Caitlin zum Bett und zog sie darauf. Er stöhnte heiser, als sie sich auf ihn legte. Diese Nacht gehörte ihm. Caitlin nahm sich vor, ihm die größten sinnlichen Genüsse zu verschaffen. Seine Haut schmeckte angenehm würzig und maskulin. Verführerisch ließ sie die Lippen von seinem Mundwinkel über seinen Hals gleiten, zu seinen Brustwarzen und noch tiefer, bis sie ihn intim mit Lippen und Zunge zu verwöhnen begann. Sein lustvolles Stöhnen ermunterte sie, sich noch größere Freiheiten herauszunehmen, so dass er sich schließlich kaum noch beherrschen konnte. Dann war sie diejenige, die aufschrie, weil er sie gleichermaßen liebkoste und es so lange hinauszögerte, bis sie den Verstand zu verlieren glaubte und ihn anflehte, in sie einzudringen. Noch lange danach lagen sie eng umschlungen da. Caitlin barg den Kopf an seiner Schulter, während Nicos die Lippen auf ihr Haar presste. Erst am späten Vormittag hörte Caitlin ihre Mailbox ab. Roberta schlug einen gemeinsamen Lunch in dieser Woche vor, Enrique hatte sich zweimal gemeldet und bat um dringenden Rückruf, Harry ließ sich über Vorhänge, Teppiche und Kissen aus und wollte alles am nächsten Tag beim Lunch mit ihr besprechen, und zwei Freundinnen wollten ebenfalls mit ihr zu Mittag essen. Nachdem Caitlin sich bei allen gemeldet hatte, stürzte sie sich in die Arbeit. Sie hatte per Fax die Kostenvoranschläge für die Projekte in Melbourne bekommen und überprüfte diese nun. Ausnahmsweise einmal schaffte sie es, das Büro vor fünf zu verlassen. Allerdings blieb sie prompt im dichten Feierabendverkehr stecken, so dass sie erst kurz vor sechs in Point Piper eintraf. Daher blieb ihr keine Zeit mehr zum Duschen, und sie musste sich schnell entscheiden, was sie zum Dinner und zum anschließenden Besuch im Ballett anziehen sollte. Sie entschied sich für ein schräg geschnittenes, dreilagiges Kleid in Rot, Violett und Pink Farben, die sich eigentlich mit ihrer Haarfarbe hätten beißen müssen, diese jedoch unterstrichen. Anschließend frischte sie ihr Make- up auf und nahm eine Abendhandtasche aus dem Schrank. Als sie nach unten kam, erwartete Nicos sie bereits. Er trug einen dunklen Abendanzug mit weißem Hemd und schwarzer Fliege und sah einfach umwerfend aus. Bei seinem Anblick verspürte sie ein erregendes Prickeln, und sein Lächeln weckte in ihr die Sehnsucht nach seinen Berührungen. Das Dinner nahmen sie in einem Restaurant in Double Bay ein. Da sie nicht viel Zeit hatten, verzichteten sie auf eine Vorspeise und ein Dessert, um rechtzeitig im Theater zu sein. Es handelte sich um eine konventionelle, sehr beeindruckende Inszenierung von Schwanensee, und die Tänzer überzeugten durch künstlerische Perfektion. Als der Vorhang am Ende des letzten Akts fiel, war Caitlin richtig enttäuscht. Es dauerte eine Weile, bis sie das Theater verlassen hatten und wieder im Wagen saßen. In einem Cafe in Double Bay ließen sie den Abend bei einem Kaffee ausklingen, wie sie es auch damals oft getan hatten - fast als wollten sie die Spannung noch steigern. Sie, Caitlin, hatte Nicos nur anzusehen brauchen, und er hatte die Rechnung beglichen, bevor sie Hand in Hand zum Wagen gegangen waren. Die leidenschaftlichen Begegnungen danach waren wunderschön gewesen, weil sie vielmehr aus Liebe als aus Lust erwachsen waren. Allerdings hatte sie, Caitlin, es auch ge nossen, wenn Nicos sein Verlangen kaum noch zügeln konnte. „Angenehme Gedanken?"
Der Klang seiner Stimme brachte sie in die Gegenwart zurück, und sie sah Nicos ernst an. „Unterschiedlich", erwiderte sie und beobachtete, wie ein Lächeln seine Lippen umspielte. „Wollen wir gehen?" Kurz vor Mitternacht trafen sie zu Hause ein. Caitlin protestierte nur schwach, als Nicos sie auszog und in die Arme nahm. Diesmal ließen sie sich viel Zeit, und es War eher ein zärtlicher Liebesakt. Danach schmiegte Caitlin sich ah Nicos und schlief bis zum nächsten Morgen. Nicos war bereits gegangen, als Caitlin aufwachte. Nachdem sie geduscht, sich angezogen und eine Kleinigkeit gefrühstückt hatte, fuhr sie ins Büro. Sie schaltete den Computer ein und machte sich an die Arbeit, wurde zu ihrem Leidwesen aber ständig vom Klingeln des Tele fons gestört. Als es wieder läutete, nahm sie den Hörer ab und meldete sich wie üblich. „Wir sollten zusammen zu Mittag essen." Es dauerte einige Sekunden, bis sie die Stimme ihres Stiefbruders erkannte. „Das hat keinen Sinn", entgegnete sie ruhig. „Außerdem bin ich schon mit einem Kollegen zum Essen verabredet." Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, doch Harry wür de es ihr danken. „Ich habe interessante Informationen über Nicos", verkündete Enrique. „Die du mir natürlich nicht umsonst gibst." „Du kennst mich gut." Zu gut. „Wenn ich wissen wollte, was Nicos macht, würde ich einen Privatdetektiv engagieren." „Warum solltest du einen Privatdetektiv engagieren, wenn du mich hast", konterte er aalglatt. „Auf Wiederhören, Enrique", verabschiedete Caitlin sich mit einem resignierten Unterton. „Nicos ist bei Georgia in Brisbane." Sie hätte schwören können, dass ihr Herz einen Schlag aus setzte, um dann umso schneller zu pochen. Nicos hatte ihr weder gesagt, dass er nach Brisbane fliegen wollte, noch dass er an diesem Abend später zurückkommen würde. „Ruf in seinem Büro an, wenn du mir nicht glaubst." „Ich habe keine Zeit für solche Spielchen." „Aber du bist neugierig." „Neugierig" war eine viel zu harmlose Bezeichnung für das Gefühl, das sie jetzt verspürte. „Du hast meine Handynummer", fügte Enrique herausfordernd hinzu. Caitlin beendete das Gespräch und versuchte, sich auf die Zahlen auf ihrem Monitor zu konzentrieren. Es gelang ihr jedoch nicht, und nachdem ihr zum dritten Mal ein Fehler unterlaufen war, speicherte sie die Datei ab und wählte Nicos' Privatnummer. Allerdings hörte sie nur eine Ansage, die auf seine Handynummer verwies. Natürlich konnte es genauso gut bedeuten, dass er in einer wichtigen Besprechung oder nicht im Büro war. Caitlin zwang sich, sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Eine halbe Stunde später versuchte sie es erneut, erreichte allerdings wieder nichts. Verdammt, das ist lächerlich! ermahnte sie sich. Ruf ihn an, und mach mit deiner Arbeit weiter. Also wählte sie die Nummer seines Mobiltelefons. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich Nicos. „Caitlin. Ist was passiert?" Da sie ihn nie anrief, war die Frage durchaus berechtigt. „Enrique will mir Informationen verkaufen", erklärte Caitlin ohne Umschweife. „Und du bist darauf eingegangen." Sein zynischer Tonfall ließ sie erschauern. „Ja." „Ich bin heute Morgen nach Brisbane geflogen, um einige rechtliche Angelegenheiten mit
meinem Anwalt zu besprechen." Ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. „Mit Georgia." Es war eine Feststellung. „Ja." Hatte sie erwartet, dass Nicos sie anlügen würde? „Danke, dass du mich aufgeklärt hast", sagte Caitlin eisig und legte auf. Sekunden später klingelte das Telefon, doch sie nahm nicht ab. Eisern entschlossen beendete sie ihre Arbeit, räumte ihren Schreibtisch auf und verließ das Büro vor der üblichen Zeit, den Laptop in der Hand. Dass sie innerlich so ruhig war, wunderte sie selbst. Sie fuhr nach Double Bay und checkte im Ritz-Carlton ein. Wenn ich eine Nacht allein verbringe, verstoße ich nicht gegen die Bedingungen in Kevins Testament, überlegte sie, während sie sich in der luxuriös ausgestatteten Suite umblickte. Die Technik war auf dem neuesten Stand. Sie konnte am Laptop arbeiten, sich beim Zimmerservice etwas zu essen bestellen und die eingehenden Anrufe auf ihr Mobiltelefon umleiten. Es bereitete Caitlin ein gewisses Vergnügen, zu überschlagen, wann Nicos nach Hause kommen und ihre Abwesenheit bemerken würde. Wann würde er wohl das erste Mal anrufen? Um sieben? Er meldete sich um Viertel nach sieben, wie sie zufrieden feststellte. Sie hatte ihre Mutter angerufen, geduscht und einen der hoteleigenen Bademäntel übergestreift und anschließend eine leichte Mahlzeit beim Zimmerservice bestellt. Sie ignorierte das Klingeln, bis die Mailbox ansprang. Er hinterließ nur eine kurze Nachricht, und seine Stimme klang ruhig. Eine halbe Stunde später versuchte er es wieder, und diesmal war er leicht verärgert. Mittlerweile hatte er sicher in ihrem Apartment und wahrscheinlich auch bei Roberta angerufen. Caitlin hatte sie allerdings angewiesen, ihm nicht zu sagen, wo sie sich aufhielt. Wann würde er wohl aufgeben? Bestimmt nicht so schnell, dachte sie, als sie aufs Display ihres Mobiltelefons blickte. Diesmal war es ihre Mutter. „Schatz", schalt sie sie sanft. „Das ist sehr unklug von dir." „Man darf auch mal unklug sein", erwiderte Caitlin und hörte ihre Mutter seufzen. „Nicos weiß nicht, wo du bist, und du meldest dich nicht." Ihre Mutter machte eine kurze Pause. „Lass ihn wenigstens wissen, dass dir nichts passiert ist." „Also gut, wenn er wieder anruft", gab Caitlin nach. „Er ist kein Mann, mit dem eine vernünftige Frau Spielchen spielt", warnte Roberta sie. „Momentan fühle ich mich aber nicht besonders vernünftig." „Mach's gut, Caitlin." Nachdem ihre Mutter das Gespräch beendet hatte, fühlte Caitlin sich zum ersten Mal seit einigen Stunden unbehaglich. Und ihr Unbehagen verstärkte sich, als das Telefon eine Viertelstunde später erneut klingelte. Nicos. Sie schaltete das Mobiltelefon ein und zwang sich, ruhig zu sprechen. „Mir geht es gut. Ich komme morgen Abend nach Hause." Dann unterbrach sie die Verbindung. Als es wieder klingelte, reagierte sie nicht. Sie versuchte, am Laptop zu arbeiten, gab jedoch nach einer halben Stunde auf. Nachdem sie den Fernseher eingeschaltet hatte, machte sie es sich im Bett bequem und wählte einen Film, der sie so fesselte, dass sie alles um sich her vergaß. Plötzlich klopfte es an der Tür. Caitlin erschrak und unterdrückte einen Anflug von Furcht. Schließlich gewann ihr gesunder Menschenverstand die Oberhand. Dies hier war ein First-Class-Hotel mit strengen Sicherheitsvorkehrungen. Trotzdem war sie immer noch nervös, als sie zur Tür ging, sich vergewisserte, dass der Sicherheitsriegel vorgeschoben war, und fragte, wer dort wäre. „Der Zimmerservice, Ma'am." Caitlin öffnete die Tür einen Spaltbreit und sah sich einem livrierten Ober gegenüber,
der ein Tablett in Händen hielt. „Ich habe nichts bestellt." „Da Sie heute Abend nicht im Speisesaal waren, bekommen Sie Tee aufs Zimmer, Ma'am." „Einen Moment bitte." Sie löste den Sicherheitsriegel und öffnete die Tür. Das war ein großer Fehler, wie sich herausstellte, denn Nicos tauchte wie ein Racheengel hinter dem Ober auf. Es war zu spät, die Tür zuzuknallen. Ein Blick in sein Gesicht, und ihr wurde klar, dass er sich von einer verschlossenen Tür nicht abschrecken lassen würde. Er hatte die Hotelangestellten bestochen, damit ein Ober ihr Tee aufs Zimmer brachte. Daher wäre es für ihn kein Problem, auch einen Portier oder sogar den Hotelmana ger zu ihr zu schicken. Der Ober, der offenbar noch ganz andere Dinge gewohnt war, zuckte nicht mit der Wimper, als er die Suite betrat und das Tablett auf einen Tisch stellte. Dann zog er sich diskret wieder zurück. Caitlin wartete, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, bevor sie sich an Nicos wandte. „Was, zum Teufel, hast du hier zu suchen?" Ihr Gesicht war ungeschminkt, das Haar fiel ihr lockig über die Schultern, und ihre grünen Augen funkelten vor Zorn. Der Hotelbademantel war ihr viel zu groß. Unter anderen Umständen wäre er amüsiert gewesen, doch nun konnte er sich nur mühsam beherrsche n. Nicos ging weiter ins Zimmer und betrachtete sie unverhohlen. „Dasselbe könnte ich dich fragen." Seine Stimme klang ge fährlich ruhig. „Ich wollte eine Nacht allein sein", erklärte Caitlin. „Lass uns nach Hause fahren, ja?" „Ich fahre nirgendwohin." Obwohl er sich nicht von der Stelle gerührt hatte, wirkte er sehr bedrohlich. „Wir können uns wie zivilisierte Menschen benehmen. Ich kann dich aber auch über die Schulter werfen und zum Wagen tragen." Unwillkürlich ballte sie die Hände zu Fäusten. „Das würdest du nicht wagen." „Wetten, dass?" „Ich rufe den Sicherheitsdienst." Nicos deutete auf das Telefon. „Nur zu." „Nicos..." „Du hast fünf Minuten, Caitlin. Zieh dich an, oder bleib, wie du bist. Es liegt bei dir." „Nein." „Ich verhandle nicht." Caitlin fluchte und sah dann, wie er amüsiert eine Augenbraue hochzog: „Viereinhalb Minuten ... die Zeit läuft", sagte er kühl. Er konnte zählen, solange er wollte. Sie hatte nicht vor, sich von der Stelle zu rühren. Wie zwei feindliche Krieger standen sie sich gegenüber. Wer siegen würde, stand von vornherein fest. Nicos war ihr körperlich haushoch überlegen. Als die Zeit abgelaufen war, nahm er ihren Laptop, ihre Hand tasche und ihre Kleidung in eine Hand und warf sie sich über die Schulter, als würde sie nicht viel mehr wiegen als ein Kind. Wütend ballte Caitlin die Hände zu Fäusten und trommelte auf ihn ein. „Du Teufel! Lass mich sofort runter!" Er wandte sich zur Tür, und sie trommelte weiter auf ihn ein. „Wenn du es wagst, so mit mir das Hotel zu verlassen, bringe ich dich um!" rief sie wütend. „Du hast deine Chance gehabt." „Nicos..." Doch es war zu spät. Hoffentlich ist niemand im Flur oder im Aufzug, flehte sie stumm. Im Flur war niemand, im Aufzug schon. „Ach du meine Güte!" sagte eine Frau leise, während der Mann neben ihr leise lachte. „Er ist ein Wolf im Schafspelz", erklärte Caitlin vehement und hieb Nicos in die Seite. Würden die Demütigungen denn niemals enden?
„Und was für einer!" Klang da etwa Neid aus der Stimme der Frau? Als der Aufzug hielt, trug Nicos sie zu seinem Wagen. „Ich bin mit meinem Wagen hier", protestierte Caitlin. „Glaubst du etwa, ich würde dich fahren lassen?" Er deaktivierte die Alarmanlage und öffnete die Beifahrertür. „Ich lasse ihn morgen früh abholen." „Ich muss damit zur Arbeit fahren." Nicos warf ihre Kleidung und ihre Handtasche auf den Rücksitz und stellte ihren Laptop auf den Boden, bevor er sie auf den Beifahrersitz verfrachtete. „Ich bringe dich hin." Nachdem er ihr den Sicherheitsgurt angelegt hatte, schloss er die Tür, ging um den Wagen herum und setzte sich ans Steuer. „Du bist der arroganteste, unmöglichste Kerl, dem ich je begegnet bin!" Er ließ den Motor an und warf ihr einen finsteren Blick zu. „Spar dir die Beschimpfungen, bis wir zu Hause sind." Daraufhin verfiel Caitlin in Schweigen und sagte auch kein Wort, als er den Wagen schließlich in die Garage fuhr. So würdevoll sie konnte, stieg Sie aus, nahm ihre Sachen heraus und ging vor ihm ins Haus. Leider schleifte der Saum auf dem Boden, die Ärmel, die sie vorher aufgekrempelt hatte, hingen wieder herunter, und das Revers drohte auseinander zu klaffen. Sie stellte den Laptop auf einen der Tische in der Eingangs halle und war sich dabei der Tatsache bewusst, dass Nicos ihr folgte. „Lass uns ins Wohnzimmer gehen", sagte er. Caitlin blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Warum wollen wir es nicht gleich hier austragen?" Sie ließ ihre Handtasche fallen und legte ihre Kleidung daneben. Dann zog sie das Revers zurecht und verknotete den Gürtel fester. Sie sieht aus wie ein Kind, das sich verkleidet hat, überlegte Nicos und widerstand dem Drang, sie herunterzuputzen, weil sie ihm die schlimmsten Stunden seines Lebens beschert hatte. „Wie wäre es, wenn du mir erklären würdest, warum du einfach aufgelegt hast, meine anderen Anrufe nicht entgegenge nommen hast, mir keine Nachricht hinterlassen hast, nicht zu Hause warst und ich dich überall suchen musste?" „Das müsstest du doch am besten wissen!" erwiderte sie wütend. „Du hast mir verschwiegen, dass du nach Brisbane fliegen wolltest, vermutlich um Georgia und deinen Sohn zu sehen." Zorn blitzte aus ihren Augen. „Ich habe es erst von Enrique erfahren, und du hast es bestätigt. Was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe?" „Du hast also beschlossen wegzulaufen." „Ich bin nicht weggelaufen." „Wie würdest du es dann nennen?" „Verdammt, ich war so wütend, dass ich dich am liebsten ge schlagen hätte!" rief Caitlin und hätte am liebsten wieder mit den Fäusten auf ihn eingetrommelt, weil er sie erneut verletzte. „Wenn du meine Anrufe entgegengenommen hättest..." „Hättest du es mir erklären können?" „Ja." Trotzig hob sie das Kinn. „Und mir erzählt, was ich deiner Meinung nach hören wollte?" „Die Wahrheit?" „Und die wäre?" „Dass sich die mo natelangen Rechtsstreitigkeiten dem Ende zuneigen." Seine Augen wurden dunkler. „Während der Schwangerschaft hat Georgia einen Aufschub des Vaterschaftstests erwirkt. Mit der Geburt ist dieser Aufschub aufgehoben." Man merkte ihm an, dass er seinen Frust zu bekämpfen versuchte. „Mein Anwalt wartet schon eine ganze Weile auf die Ergebnisse. Heute hat er sich mit dem gegnerischen Anwalt zusam mengesetzt, um das Verfahren zu beschleunigen." Er machte eine kurze Pause. „Ich bin hingeflogen, um zusätzlichen Druck auszuüben."
„Und, warst du erfolgreich?" „Es kann noch ein paar Tage dauern." „Damals wo lltest du mich glauben machen, dass Georgia eine Psychotikerin ist, die so krankhaft eifersüchtig war, dass sie sich von einem anderen Mann schwängern ließ, um unsere Ehe zu zerstören." Caitlin erinnerte sich noch genau an die Fotos und Fakten, die Georgia als Beweis für ihre Affäre mit Nicos vorgelegt hatte. „Damals habe ich dir die Geschichte nicht abgekauft..." Sie atmete tief durch. „Genauso wenig wie ich sie dir jetzt abkaufe." „Dein Vertrauen in mich ist wirklich herzerfreuend." Ihr Zorn brach sich nun Bahn. „Zum Teufel mit dir, Nicos! Sie war über ein Jahr deine Geliebte!" „Das war, lange bevor ich dich kennen gelernt habe." Er blickte sie durchdringend an. „Wenn sie, wie sie behauptet, meine große Liebe gewesen wäre ... warum hätte ich dann dich heiraten sollen?" „Weil du auf mein Erbe spekuliert hast?" Seine Augen begannen zornig zu funkeln, und einen Moment lang glaubte sie, er würde sie schlagen. Ein Muskel zuckte an seiner Wange - ein Beweis dafür, dass Nicos sich nur mühsam beherrschte. „Geh mir aus den Augen, bevor ich etwas tue, was ich später bereue", sagte er so bitter, dass ihr Magen sich vor Angst zusammenkrampfte. Als sie zögerte, fügte er hinzu: „Geh. Sonst wünschst du, du wärst nie geboren worden!" Caitlin rührte sich nicht von der Stelle. Es war eine Frage der Stärke. Ihrer Stärke. Mental und emotional. Und sie wollte sich nicht von Nicos einschüchtern lassen. „Du kleine Närrin", sagte er trügerisch sanft. Ehe sie sich's versah, hob er sie hoch und ging mit ihr nach oben. Die Anspannung, die von ihm ausging, verriet unterdrückten Zorn, und Caitlin spürte schmerzhaft seinen Griff. Nachdem er sie kurzerhand aufs Bett gelegt hatte, zog er sein Jackett aus und nahm seine Krawatte ab. Fasziniert beobachtete sie, wie seine Schuhe, Socken und seine Hose folgten, schließlich sein Hemd und sein Slip. Nackt und sichtlich erregt legte Nicos sich zu ihr aufs Bett. Er löste den Gürtel ihres Bademantels und schob diesen auseinander. Anschließend senkte er den Kopf und liebkoste ihre Brüste so aufreizend, dass sie aufstöhnte und nicht mehr zu sagen vermochte, ob es Lust oder Schmerz war. Dann kam er gleich zur Sache und drang mit einem kraftvollen Stoß in sie ein. Sie schrie auf, als er in einen leidenschaftlichen Rhythmus verfiel. Dies ... dies war eine primitive Vereinigung, bei der es nur darum ging, das aufgestaute Verlangen zu stillen. Nicos weckte in ihr einen Zorn, der seinem in nichts nachstand, und sie richtete sich auf und biss ihm in die Brust. Seine Rache war erbarmungslos, und sie, Caitlin, zahlte es ihm mit gleicher Münze heim. Es war ihr einziger Triumph, denn gleich darauf setzte Nicos sich auf sie und drückte ihr die Arme über den Kopf. Hilflos warf sie den Kopf hin und her, während er sie gefangen hielt und seine Besitzansprüche geltend machte. Mit jedem Biss spannten ihre Muskeln sich stärker an, und die Wellen der Lust, die sie durchfluteten, wurden noch intensiver. Es war mehr, als sie ertragen konnte, und sie begann zu betteln, zu flehen, damit er endlich aufhörte. Und das tat er auch. Nachdem er den Höhepunkt erreicht hatte, rollte er sich auf den Rücken und zog sie mit sich. Caitlin wollte sich von ihm lösen und sich zum anderen Ende des Betts rollen, doch er hielt sie mit eisernem Griff fest. Er atmete genauso schnell wie sie, und sie schloss die Augen, um ihn nicht ansehen zu müssen. Erst als sie glaubte, dass er eingeschlafen war, versuchte sie, von ihm wegzurücken, aber er zog sie sofort wieder an sich.
10. KAPITEL
Als Caitlin aufwachte, stellte sie fest, dass sie allein war. Einen Moment lang lag sie regungslos da, während die Erinnerungen an die letzte Nacht auf sie einstürmten. Sein Verlangen war übermächtig gewesen, und Nicos hatte es lediglich stillen wollen, ohne sich um die Konsequenzen zu scheren. Wenn er seinen Zorn unterdrückte, war er wesentlich furchteinflößender, als wenn er sie anschreien oder mit irgendeinem Gegenstand nach ihr werfen würde. Caitlin verlagerte das Gewicht und streckte sich ... und merkte, wie ihre Muskeln wehtaten. Außerdem verspürte sie tief in ihrem Inneren einen Schmerz, der von dem ungestümen Liebesakt herrührte und ihr bei jeder Bewegung bewusst wurde. Wie spät war es? Sie drehte sich auf die Seite, um einen Blick auf den Digitalwecker zu werfen, und setzte sich unvermittelt auf. Schon acht? Dann hatte sie nur eine halbe Stunde Zeit, um zu duschen, sich anzuziehen und rechtzeitig ins Büro zu gelangen. Als sie kurz darauf nach unten kam, ihren Laptop und ihre Handtasche nahm und das Haus verlassen wollte, erschien Nicos in der Eingangshalle. Einen Moment lang stand sie regungslos da und erwiderte wie gebannt seinen Blick, während er sich ihr näherte. Schließlich fand sie die Sprache wieder. „Ich bin spät dran." „In dem Fall kommt es auf ein paar Minuten mehr auch nicht an", erklärte er trügerisch sanft. Sie musste unbedingt auf Abstand zu ihm gehen und sich mit Arbeit ablenken. „Ich muss weg." „Nein", entgegnete er leise. „Das musst du nicht." Er hob die Hand und umfasste ihr Kinn, um ihr Gesicht zu betrachten. Vermutlich hatte Caitlin auch nicht besser geschlafen als er. Wie oft hatte er sie in der Nacht beruhigen müssen, weil sie sich hin- und hergewälzt hatte, während er ebenfalls mit sich ge kämpft hatte? Dass sie ihn herausgefordert hatte, spielte keine Rolle. Seine Reaktion darauf war unentschuldbar. „Was willst du?" Statt zu antworten, strich er ihr mit dem Daumen über die Lippe und fragte: „Geht es dir gut?" „Interessiert es dich überhaupt?" rutschte es ihr heraus. „Ja." Caitlin war machtlos gegen das Zittern, das sie überkam. „Ich habe keine Zeit für eine nachträgliche Analyse." Nicos ließ die Hand sinken. „Dann verschieben wir es auf heute Abend." Caitlin wich einen Schritt zurück und ging anschließend an ihm vorbei. „Bevor, nachdem oder während wir auf der Kunstausstellung waren oder sind?" Sie sah, wie seine Augen dunkler wurden, und fügte zuckersüß hinzu: „Du hast es doch nicht etwa vergessen, oder?" „Nein. Ich habe schon einen Blick in meinen Terminplan ge worfen." Im Durchgang zur Garage drehte sie sich noch einmal um. „Es kann sein, dass ich mich verspäte." Der Tag war die Hölle. Wegen eines Unfalls staute sich der Verkehr, so dass Caitlin dreimal so lange wie sonst in die Innenstadt brauchte. Daher war es bereits nach neun, als sie ihr Büro betrat. Als Nächstes stellte sie fest, dass ihr Computer nicht funktionierte, weil der Server ausgefallen war. Zu allem Überfluss fand sie mehrere Beschwerden einer Firma vor, die Kunde bei ihnen war und höchste Qualität für einen clever abgefassten Vertrag erwartete, der nichts wert war. Es machte sie wütend, dass es immer noch Männer gab, die meinten, eine Frau würde so etwas durchgehen lassen. Sie rief den Leiter der Firma an, präsentierte ihm Zahlen und Fakten und informierte ihn schließlich eisig, dass Macbride nicht daran interessiert wäre, Geschäfte mit ihm zu machen. Dafür musste sie sich dann noch von ihm beschimp fen lassen.
Gerade als sie überlegte, dass es an diesem Tag nicht mehr schlimmer kommen konnte, teilte ihre Sekretärin ihr mit: „Georgia Burton ist am Empfang." Caitlin spürte, wie ihr Magen sich zusammenkrampfte. Sie hätte Georgia ohne weiteres ausrichten lassen können, dass sie einen Termin vereinbaren sollte. Allerdings hätte sie die Konfrontation damit nur hinausgezögert. „Bringen Sie sie herein", erwiderte sie deshalb. Anschließend strich sie sich schnell übers Haar und zog sich die Lippen nach. Sie hatte den Lippenstift gerade in ihre Schreibtischschublade gelegt, als ein diskretes Klopfen an der Tür Georgias Ankunft ankündigte. Georgia sah einfach atemberaubend aus - perfekt geschminkt und in einem pastellfarbenen Seidenkostüm, das sie mit hochhackigen Pumps kombiniert hatte. Caitlin deutete auf einen der drei Sessel. „Bitte setzen Sie sich." Demonstrativ blickte sie auf ihre Armbanduhr. „In zehn Minuten muss ich zu einer Besprechung." „Fünf Minuten reichen völlig, Schätzchen." Georgia ging zum Fenster und sah einige Sekunden hinaus, bevor sie sich ihr wieder zuwandte! „Nicos und ich haben ein Geschäft abgeschlossen." Lass dich nicht von ihr aus der Fassung bringen, ermahnte sich Caitlin. „So?" „Ich dachte, es würde Sie interessieren." „Wie kommen Sie darauf?" „Stört es Sie nicht, dass Nicos sich immer noch mit mir trifft?" „Sollte es das?" „Ja, denn Sie hindern ihn daran, bei seinem Sohn die Vaterrolle zu spielen." „Und Sie wollen dieses Hindernis aus dem Weg räumen." „Es freut mich, dass Sie begriffen haben, worum es geht." „Sie meinen, dass es ein letzter, verzweifelter Versuch Ihrerseits ist?" erkundigte Caitlin sich trügerisch sanft. „Wie lange dauert es denn, bis Sie gerichtlich gezwungen werden, das Ergebnis des Vaterschaftstests bekannt zu geben?" Ruhig erwiderte sie Georgias Blick, während sie im Geiste die Krallen schärfte. „Einen Tag, ein paar Stunden?" „Nikki ist Nicos' Sohn!" „Natürlich wünschten Sie, es wäre so." Nun holte Caitlin zum finalen Schlag aus. „Aber er ist es nicht, stimmt's?" Du lieber Himmel, was war, wenn sie sich irrte? Georgia kniff die Augen zusammen. „Nicos wat bei mir in Brisbane." „Es handelte sich um einen Termin bei einem Anwalt." „Hat er Ihnen das erzählt?" „Was wäre, wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich einen Privatdetektiv damit beauftragt habe, Nicos zu beschatten?" Natürlich hatte sie es nicht getan, doch das brauchte Georgia nicht zu wissen. „Dann sind Sie ja über alle Affären informiert." Bleib ruhig, ermahnte sich Caitlin. Georgia will dich nur auf die Probe stellen. Oder etwa nicht? Sie riss sich zusammen, stand auf und ging zur Tür. „Bitte entschuldigen Sie mich." Georgia wirkte beherrscht. „Er bleibt vielleicht mit Ihnen verheiratet, Schätzchen, aber er wird immer mir gehören", sagte sie gespielt mitfühlend. Dann schwebte sie hinaus und lächelte süffisant, so dass Caitlin am liebsten irgendetwas an die Wand geworfen hätte. Dejavu, überlegte sie grimmig, als sie an ihren Schreibtisch zu rückkehrte. Vor neun Monaten hatte sie auch hier gestanden und war zutiefst schockiert gewesen über die Neuigkeit, dass Georgia ein Kind von Nicos erwartete. Hatte sie sich geirrt? Waren Georgias vermeintliche Beweise alle gefälscht gewesen? Nicos hatte von Anfang an seine Unschuld beteuert. Was war, wenn er die Wahrheit sagte? Doch sie konnte nichts tun. Ihr blieb nichts anderes übrig, als auf das Ergebnis des Vaterschaftstests zu warten. Den Lunch musste Caitlin ausfallen lassen, und am Nachmittag hatte sie schlechte Laune. Sehr schlechte Laune sogar, nachdem sie einen Anruf von ihrem Stiefbruder erhalten hatte. Sie konnte ihm nicht einmal damit drohen, ihn bei Chloe bloßzustellen, denn diese wusste,
dass er ständig Geld brauchte und warum er es brauchte. Ihr zufolge war es nur eine Phase. Sie, Caitlin, war hingegen der Meinung, dass Enrique diese Phase längst hinter sich hatte und auf dem besten Weg in die Sucht war. Erst um halb sechs verließ sie das Büro, und wie immer herrschte dichter Feierabendverkehr. Sein Wagen stand bereits in der Garage, als sie hineinfuhr, und Nicos erwartete sie in der Eingangshalle. Mit einem wütenden Blick ging sie an ihm vorbei und auf die Treppe zu. „Frag nicht." Dass er amüsiert die Augenbrauen hochzog, während er ihr nachblickte, merkte sie natürlich nicht. Oben im Flur streifte sie ihre Pumps ab, und als sie das Schlafzimmer erreichte, hatte sie bereits ihre Jacke aufgeknöpft und zog den Reißverschluss ihres Rocks hinunter. Eine Minute später betrat sie das angrenzende Bad und warf dabei einen verstohlenen Blick auf den Whirlpool. Wie gern hätte sie sich jetzt hineingelegt und sich im sprudelnden Wasser entspannt, aber sie hatte zu wenig Zeit! Also stellte sie sich unter die Dusche und begann, sich unter dem Wasserstrahl einzuseifen. Sie fühlte sich körperlich und seelisch ausgelaugt, und ihr Körper schmerzte an Stellen, an die sie lieber nicht dachte. Ein leises Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit. Caitlin drehte sich um und stieß einen entsetzten Laut aus, als Nicos nackt zu ihr in die Duschkabine kam. „Was, zum Teufel, soll das?" Er nahm ihr die Seife weg. „Das ist doch offensichtlich." „Nein, lass das." Sie stöhnte auf, als er ihr die Schultern einseifte, und versuchte vergeblich, ihm die Seife wieder wegzunehmen. „Gib sie mir!" „Warum entspannst du dich nicht einfach?" Entspannen? Sollte das ein Witz sein? „Nicht!" Nicos massierte ihr den Nacken, und sie stöhnte erneut auf. Anschließend ließ er die Finger tiefer und wieder nach oben gleiten. Es tat so gut, dass sie ihre Wut vergaß und die Anspannung von ihr abfiel. Caitlin schloss die Augen und genoss seine Berührungen. Langsam seifte er jeden Zentimeter ihres Körpers ein, und sie seufzte, als er ihre Brüste berührte und die Finger dann zu ihren Hüften gleiten ließ. „Wir haben keine Zeit für so etwas." „Doch, das haben wir." Nun liebkoste er ihren Nabel und schob die Hand schließlich zwischen ihre Beine, um ihre intimste Stelle zu reizen. „Wir dürfen nicht zu spät kommen", brachte Caitlin mühsam hervor, während Hitzewellen ihren Schoß durchfluteten. „Nein", erwiderte Nicos leise und nahm die Hand weg, um sie an sich ziehen zu können. Er neigte den Kopf und strich sanft mit den Lippen über ihre, bevor er ein erotisches Spiel mit der Zunge begann, das ihr Blut zum Sieden brachte und ihr Herz schneller schlagen ließ. Sie krallte die Hände in seine Schultern Und hielt sich an ihm fest. Sein KUSS war so unglaublich erotisch, dass sie jegliches Gefühl für Zeit und Baum verlor. Es gab nur hoch sie beide. Später vermochte Caitlin nicht mehr zu sagen, wie lange sie so dagestanden hatte. Fünf Minuten? Zehn? Öder noch mehr? Sie fühlte sich angenehm träge und war von einer Wärme erfüllt, die die Sehnsucht nach mehr weckte. „Wir sollten damit aufhören ..." begann sie vorsichtig und spürte, wie Nicos die Lippen über ihr Gesicht gleiten und auf ihrer Schlaf e ruhen ließ. „Hm." Caitlin beugte sich vor und drehte das Wasser ab, während er ein Handtuch aus dem Regal nahm, es ihr reichte, und sich ebenfalls eins nahm. Die Versuchung, unter der Dusche zu blei ben, war groß. Noch größer war das Bedürfnis, zu Hause zu bleiben und das Schlafzimmer gar nicht mehr zu verlassen.
„Später", versprach Nicos, und seine Augen funkelten vor Verlangen. Die Ausstellung fand in einer Galerie in der Innenstadt statt. Es wurden Werke aufstrebender Künstler gezeigt, von denen zwei viel Beifall ernteten. Caitlin ging von Bild zu Bild und wurde schließlich von einem angezogen. Die Farbgebung und das Motiv erinnerten sie an Monets Bilder und die Landschaften in Frankreich. „Gefällt es dir?" „O ja." Es würde perfekt in ihr Apartment passen - oder in ihr Büro. Caitlin ging weiter, da Nicos von einem Geschäftspartner in ein Gespräch verwickelt wurde. „Hallo, Caitlin. Scheint so, als würde man uns immer zu denselben Veranstaltungen einladen." „Enrique. Warum überrascht es mich nicht, dich hier zu sehen?" „Ich habe Verbindungen", meinte Enrique und lächelte ge wandt. „.Kontakte pflegen' lautet die Devise, und ich arbeite mich hier langsam vor." „Allein?" „Angehende Künstler sind nichts für Chloe, Kleines. Hast du schon über mein Angebot nachgedacht?" „Das brauche ich nicht. Die Antwort ist dieselbe wie sonst auch." „Caitlin ..." Er schüttelte den Kopf. „Ich bin bereit, Informationen zu deinem Vorteil auszutauschen." „Nein." „Nein?" Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Bist du denn überhaupt nicht an Informationen über Georgias Kind interessiert? An Fakten, die Nicos beweisen kann?" Es schien Caitlin, als würde eine kalte Hand ihr Herz umklammern. „Das ist nichts Neues." „Damals hat es für Aufsehen gesorgt." „Gibt es eigentlich irgendetwas, was du nicht für Geld tun würdest?" erkundigte sie sich hitzig. „Ich habe eine teure Angewohnheit, Kleines." Sein Lächeln erinnerte sie an einen Hai, der die Zähne bleckte. „Es spielt keine große Rolle, ob die Zeitung mich bezahlt oder du." „Fahr zur Hölle!" „Das heißt also ,nein'?" „Allerdings, und zwar jetzt und auch in Zukunft", ließ Nicos sich im nächsten Moment trügerisch sanft vernehmen. „Sieh dich vor, Enrique. Wenn du dich Caitlin noch einmal näherst, erwirke ich eine einstweilige Verfügung, bevor du blinzeln kannst." „Du kannst mir nicht drohen!" „Ich habe die Fakten dargelegt", sagte Nicos eisig. „Es liegt bei dir, ob du einwilligst oder nicht." Enrique warf Caitlin einen feindseligen Blick zu. „Du schuldest mir etwas. Kevin schuldet mir etwas." „Belästigung ist eine Straftat", erinnerte Nicos ihn in hartem Tonfall. Enrique fluchte. „Ich hoffe, ihr schmort beide in der Hölle." Dann wandte er sich ab und bahnte sich einen Weg zwischen den Gästen hindurch. „Charmant", bemerkte Caitlin Nicos neigte den Kopf. „In der Tat." „Ich glaube, ich sehe mir jetzt die anderen Bilder an." Er begleitete sie, wurde jedoch bereits nach wenigen Schritten wieder angesprochen. Nachdem sie seinen Gesprächspartner höflich gegrüßt hatte, ließ Caitlin die beiden allein. „Möchten Sie etwas trinken, Ma'am?" Sie lächelte den Ober an und nahm ein Sektglas von seinem Tablett, bevor sie weiterging und schließlich zu dem Bild zurückkehrte, das ihr so gut gefiel. Als sie den Punkt sah, der besagte, dass es bereits verkauft war, bedauerte sie, nicht den Galeriebesitzer aufgesucht und einen Preis ausgehandelt zu haben. „Ich glaube, wir haben unsere Pflicht getan", meinte Nicos leise, als er sich wieder zu ihr gesellte. „Wollen wir gehen?"
Da einige Bekannte von ihnen unter den Gästen waren, dauerte es eine Weile, bis sie die Galerie verlassen konnten. „Hast du Hunger?" erkundigte sich Nicos. Caitlin warf ihm einen Blick zu, während er aus der Parklücke fuhr. „Willst du mir etwas zu essen anbieten?" „Hast du heute Mittag etwas gegessen?" Sie hatte es nicht einmal geschafft zu frühstücken und nur Obst und ein Sandwich, das ihre Sekretärin organisiert hatte, zu sich genommen. Und die Kanapees, die man auf der Ausstellung angeboten hatte, waren kein Ersatz für eine Mahlzeit. „Nein", gestand sie. Nicos fuhr ein kurzes Stück und hielt schließlich vor einem schicken Straßencafe in Double Bay. Auf der Speisekarte standen verschiedene Gerichte mit exotischen Namen, und sie entschied sich für Garnelenrisotto mit Bruschetta. Er bestellte dasselbe, und sie tranken Mineralwasser mit Eis, während sie auf ihr Essen warteten. Caitlin war sich seiner Gegenwart überdeutlich bewusst, ebenso der Tatsache, dass er trotz seines eleganten Outfits ge fährlich maskulin wirkte. Man merkte es an seiner ganzen Haltung. Seine Augen spiegelten eine innere Stärke wider, eine Kraft, die elementare Rücksichtslosigkeit mit einem eisernen Willen verband. Seine unterschwellige Sinnlichkeit ließ diese ebenso faszinierend wie bedrohlich erscheinen. Selten hatte Caitlin erlebt, dass er Macht ausübte oder sich in Zorn flüchtete. Mit Ausnahme des gestrigen Abends. Es war so gewesen, als hätte man ein Raubtier losgelassen, und sie erschauerte bei der Erinnerung daran. „Ist dir kalt?" Sie trug einen eleganten Hosenanzug mit einem Top darunter, und der Abend war mild. „Nein." Kürz darauf servierte ein Ober ihnen das Essen, und sie ließen sich Zeit, um es zu genießen. Danach saßen sie noch eine Weile beim Kaffee da. Es war nach elf, als sie zu Hause eintrafen. Allmählich zeigten die Ereignisse der vergangenen Tage ihre Wirkung, und Caitlin wollte hur noch ins Bett und schlafen. „Lass mich das machen." Sie warf Nicos einen erschrockenen Blick zu, als er ihre Jacke aufknöpfte. Als Nächstes zog er ihr das Top aus, dann die Schuhe und die Hose. Sie protestierte leise, als er ihren BH aufhakte, und erstarrte, sobald er ihr den Slip hinunterstreifen wollte. „Nicos..." Er legte ihr einen Finger auf die Lippen, und sie stand hilflos da, während er sich ebenfalls seiner Sachen entledigte. Anschließend hob er sie hoch und legte sich mit ihr aufs Bett. „Wo waren wir stehen geblieben?" Langsam ließ er die Hand zu ihrer Taille und anschließend zu ihrer Hüfte gleiten, bevor er sie zwischen ihre Beine schob. Caitlin seufzte lustvoll auf und öffnete bereitwillig die Lippen, als er ein erotisches Spiel mit der Zunge begann und sie dabei weiter liebkoste. Am letzten Abend hatte er sie im Zorn genommen, und nun musste er es wieder gutmachen. Dieser Abend gehörte ihr, und Nicos ließ sich viel Zeit und war dabei so unendlich zärtlich, dass sie den Tränen nahe war, als er schließlich in sie eindrang. Danach schlief sie in seinen Armen ein.
11. KAPITEL
Nicos war bereits weg, als Caitlin am nächsten Morgen die Küche betrat. Sie toastete Brot, schenkte sich Kaffee ein und ging anschließend mit ihrem Gedeck und der Zeitung unter dem Arm auf die Terrasse, um dort zu frühstücken. Es war ein herrlicher Frühlingstag - die Sonne schien, es war windstill, und überall waren bereits Knospen zu sehen. Schon bald würde überall Impatiens blühen und das Spalier an der hinteren Mauer mit bunter Gartenwicke berankt sein. Was für eine friedliche Atmosphäre! dachte Caitlin versonnen. Sie biss in ihren Toast und trank einen Schluck Kaffee, während sie die Schlagzeilen überflog. Schließlich fiel ihr Blick auf die Klatschkolumne. Welcher bekannte Geschäftsmann aus Sydney, der sich vor kurzem wieder mit seiner Frau versöhnt hat, konnte durch einen Vaterschaftstest seine Unschuld beweisen? Seine ehemalige Geliebte, die sich durch die Behauptung, er wäre der Vater ihres Kindes, offenbar das große Geld versprochen hatte, musste sich nun der Wissenschaft beugen. Nicos? Caitlins Magen krampfte sich zusammen. Es konnte sich nur um ihren Mann handeln. Enriques Worte ... Das konnte kein Zufall sein. Ihr wurde übel, als sie die Bedeutung dieser Meldung erfasste. Starr blickte sie über den Garten, ohne etwas wahrzunehmen, während die unterschiedlichsten Bilder vor ihrem geis tigen Auge auftauchten. Der Schmerz war genauso stark wie vor neun Monaten. Georgia, die ihr mitteilte, sie würde ein Kind von Nicos erwarten. Nicos, der alles leugnete. Ihre eigene Fassungslosigkeit. Die Auseinandersetzungen. Das eisige Schweigen zwischen ih nen. Ihr Entschluss, ihn zu verlassen. Benommen nahm Caitlin ihr Gedeck und die Zeitung und kehrte in die Küche zurück. Nachdem sie die Tasse und den Teller in den Geschirrspüler getan hatte, ging sie nach oben, um sich anzuziehen. Sie rief im Büro an und sagte, sie würde etwas später kommen. Eine halbe Stunde danach betrat sie die eleganten Büroräume, die Nicos in der Innenstadt gemietet hatte. Während sie am Empfang vorbeieilte, rief die Empfangsdame seine Sekretärin an. Diese teilte ihr dann mit, Nicos wäre in einer wichtigen Besprechung. „Es ist sehr dringend", erklärte Caitlin. Sie musste unbedingt die Wahrheit erfahren. „Mr. Kasoulis möchte auf keinen Fall gestört werden." „Ich übernehme die Verantwortung", sagte Caitlin kühl. Der Boss oder seine Frau? Verständlicherweise war die Sekretärin hin- und hergerissen. „Ich informiere ihn, dass Sie hier sind", gab sie schließlich nach. Dann ging sie zu ihrem Schreibtisch, um Nicos anzurufen. Sekunden später legte sie wieder auf. Sie wirkte gelassen, als sie sich zu ihr umdrehte. „Ich bringe Sie in Mr. Kasoulis' Büro. Er kommt gleich." Das Büro lag an einer Ecke des Gebäudes, war sehr geräumig und bot eine herrliche Aussicht auf den Hafen von Port Jackson. Es war mit antiken Möbeln eingerichtet, und an den Wänden hingen echte Ölgemälde. Caitlin ging zu der getönten Fensterfront und blickte auf den Hafen. Eine Passagierfähre legte gerade an. Vor dem Eingang zum Hafen lag ein großer Tanker vor Anker und wartete darauf, von einem Schlepper zum Anlegeplatz dirigiert zu werden. Es war ein Anblick, der in starkem Kontrast zu ihrem inneren Aufruhr stand. Als die Tür leise geschlossen wurde, wandte Caitlin sich um. Nicos kam auf sie zu und musterte sie dabei anerkennend. „Was ist los?" Erneut krampfte ihr Magen sich zusammen, sobald Nicos vor ihr stand. Wieder einmal erinnerte er sie an ein Raubtier. Sie nahm den Zeitungsausschnitt aus ihrer Jackentasche und reichte ihn ihm. „Hier, lies das."
Nicht ohne eine gewisse Bewunderung stellte sie fest, dass er sich nichts anmerken ließ, als er den Te xt überflog. Schließlich zerknüllte er den Ausschnitt und warf ihn in den Papierkorb. „Und deswegen hast du mich aus einer Besprechung geholt?" „Für mich ist es wichtig." Er betrachtete sie einen Moment lang mit einem unergründlichen Ausdruck in den Augen. „So wichtig, dass es nicht bis heute Abend warten konnte?" „Nein." „Soll ich es bestätigen?" „Ja", erwiderte Caitlin nur. „Lass mich raten", begann Nicos betont lässig. „Georgia hat es Enrique gestanden, der es wiederum an eine Kontaktperson bei der Zeitung verkauft hat?" „Ja!" bekräftigte sie, und ihre Augen funkelten zornig. „Verdammt, du hättest es mir selbst sagen können, damit ich es nicht aus der Zeitung erfahren muss!" „Wann hätte ich dir denn erzählen sollen, dass ich vorhabe, Georgia zu einem Gentest heranzuziehen, Caitlin?" erkundigte er sich trügerisch sanft. „Hätte ich es auf einer der Veranstaltungen, auf denen wir uns zufällig getroffen haben, beiläufig erwähnen sollen? Als Kevin im Krankenhaus lag? Oder auf seiner Beerdigung?" Sie kniff die Augen zusammen. „Du wusstest, dass Kevin sein Testament geändert und den Zusatz mit hineingenommen hatte." Ihr Zorn entwickelte eine gewisse Eigendynamik. „Deswegen hast du gewartet. Ihr hattet beide beschlossen, eine ungüns tige Situation auszunutzen." „Ja." „Du hattest kein Recht dazu!" fuhr sie ihn an. „Das Mindeste, was ich für ihn - und für dich - tun konnte, war, ihm deine ungeteilte Aufmerksamkeit zu gewährleisten, ohne dass du dich um andere Probleme kümmern musstest, die lösbar waren ..." „Und die zu einem späteren Zeitpunkt gelöst werden konnten." Es schien ihr, als würde eine kalte Hand ihr Herz umklammern. „Und wenn es nicht so schlecht um Kevin gestanden hätte?" Sein Blick war streng, beinah gefährlich. „Du zweifelst daran, dass ich es dir gesagt hätte?" Caitlin war sich nicht sicher. Doch sie hätte es gern geglaubt, sehr gern sogar. Nicos merkte, wie unentschlossen und aufgewühlt sie war. Trotzdem wartete er. „Weißt du, was ich durchgemacht habe, als Georgia mir von ihrer Schwangerschaft erzählt und erklärt hat, du wärst der Vater?" fragte sie, „Ich erinnere mich daran, dass ich dir gesagt habe, meine Be ziehung mit Georgia wäre beendet gewesen, lange bevor wir uns kennen gelernt haben." Und sie hatte es ihm nicht abgenommen. „Du musst zugeben, dass die Beweise gegen dich sprachen." Georgia hatte es wirklich sehr geschickt eingefädelt. „Die Angaben, die Georgia ge macht hat, waren durchaus glaubhaft." „Selbst wenn etwas daran gewesen wäre, meinst du, ich wäre so dumm gewesen, eine Schwangerschaft in Kauf zu nehmen?" erkundigte er sich ungerührt. „Es ist schon vorgekommen, dass Kondome geplatzt sind." Am liebsten hätte er ihr den Hals umgedreht. „Ich habe dir mein Wort gegeben. Das hätte genügen müssen." Kevin hatte an ihn geglaubt. Warum hatte sie es nicht getan? Weil Georgia mich geschickt manipuliert hat, gestand Caitlin sich ein. Ihr Entsetzen und ihr Zorn hatten ein Übriges getan. Erneut flammte Wut in ihr auf. „Was hast du denn erwartet, Nicos? Dass ich ein Auge zudrücke? Verdammt, es war, als hätte man mir das Herz herausgerissen!" „Hast du auch mal daran gedacht, wie mir zu Mute war? Weißt du, wie es ist, wenn man alles versucht, aber nichts erreicht?" Für einen Moment verschlug es Caitlin die Sprache.
„Weißt du, wie lange ich gebraucht habe, um meine Unschuld zu beweisen? Wie lange ich mich gerichtlich mit Georgia auseinander setzen musste, damit sie in der Schwangerschaft einen Gentest machen lä sst, und das vergeblich?" Seine Züge waren angespannt vor Zorn. „Wie ich auf Grund der Rechtslage ge zwungen war, bis zur Geburt des Babys zu warten, und trotzdem vor Gericht gehen musste, um einen Vaterschaftstest zu erzwingen?" „Wie lange kennst du das Ergebnis des Vaterschaftstests schon?" fragte sie. „Seit gestern Nachmittag." Nicos ballte die Hände zu Fäusten und schob sie in die Hosentasche. „Georgia wollte mich zu Unterhaltszahlungen verpflichten, damit sie ein flottes Leben führen kann, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste." Seine Miene war starr, und seine Augen wirkten kalt. „Es sieht so aus, als wäre der Kindsvater ein Playboy, der über seine Verhältnisse lebt. Sie haben das Ganze zusammen ausgeheckt." Ihr Gesichtsausdruck sprach Bä nde, doch Caitlin schien sich dessen nicht bewusst zu sein. „Zweifelst du daran, dass ich nichts unversucht lassen würde?" erkundigte Nicos sich schroff. Sie schwieg. „Ich habe Kopien von Gerichtsakten, Berichte von Privatdetektiven und jetzt das Ergebnis des Vaterschaftstests", fügte er hinzu. Neun Monate voller Seelenqualen, zerbrochener Träume und einsamer Nächte. Sie waren beide durch die Hölle gegangen, weil seine ehemalige Geliebte nicht in der Lage gewesen war loszulassen und beinah ihre Ehe zerstört hätte. Und beinah hätte Georgia ihr Ziel auch erreicht ... Caitlin schauderte, als sie daran dachte. „Ich muss mich bei dir entschuldigen", sagte sie steif. Nicos hielt ihren Blick fest. „Heißt das, du tust es?" Nun brachen ihre Gefühle sich Bahn. „Ja, verdammt!" Nein, sie wollte nicht weinen und sich damit vollends erniedrigen. Also riss sie sich zusammen und hob das Kinn. „Du hast Recht. Das hier ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort." Sie wandte sich ab und wollte zur Tür gehen, doch er umfasste ihren Arm und hielt sie zurück. „O nein", entgegnete er trügerisch sanft. „Diesmal verschwindest du nicht." Tränen schimmerten in ihren Augen. „Was willst du?" Ihr versagte die Stimme, und das wurde ihm fast zum Verhängnis. „Du wirfst mir vor, dass ich die Bedingungen in Kevins Testament ausgenutzt habe?" fragte er leise. „Dass ich die Gelegenheit genutzt habe, zu kitten, was Georgia zerstört hatte?" Er wartete einige Sekunden, bevor er hinzufügte: „Dass ich dir bewiesen habe, wie kostbar unsere Beziehung ist?" Schließlich ließ er sie los und schob die Hände in die Hosentaschen, als könnte er sich nur so davon abhalten, ihre Schultern zu umfassen und sie zu schütteln. „Du solltest merken, ja fühlen, dass du die einzige Frau in meinem Leben bist. Immer wenn wir miteinander geschlafen haben, solltest du wissen, dass es ein Akt der Liebe war. Nicht nur Sex, um mein Verlangen zu stillen." Ja, sie hatte es gewusst. In ihrem tiefsten Inneren hatte sie es gewusst. Sie hätte auf ihren Instinkt hören sollen, statt Georgias boshaften Unterstellungen und vermeintlichen Beweisen Glauben zu schenken. „Außer dem einen Mal, als ich dich aus dem Hotel geholt habe", fuhr Nicos düster fort. Er nahm die Hände aus den Hosentaschen und hieb mit der Faust in die andere Handfläche. „Ich war so wütend, weil sich das Verfahren noch weiter hingezogen hat. Als ich dann nach Hause kam und feststellte, dass du weg warst... Ich stand so dicht vor der Lösung meines Problems, allerdings nicht dicht genug. Und ich habe die Fassung verloren, weil du dich mir so offen widersetzt hast." Er strich sich durchs Haar. „Und ich habe dich schockiert." „Nein, du hast mich überwältigt", verbesserte Caitlin ihn. „Du warst immer so beherrscht. Dass du deinem Verlangen plötzlich freien Lauf gelassen hast, war aufregend." Nun gab es nichts mehr. Nicht einmal falschen Stolz. „Ich habe dich so ge liebt." Sie konnte es nur in Worte fassen. Doch diese Worte kamen aus tiefstem Herzen.
Ein unergründlicher Ausdruck trat in seine Augen, verschwand aber gleich wieder. Schließlich hob Nicos die Hand und streichelte flüchtig ihre Wange. „Und jetzt?" „Es hat sich nichts geändert", erwiderte sie nur. „Danke." Er wusste, wie viel Überwindung es sie gekostet hatte, das zu sagen. Zärtlich berührte er mit dem Daumen ihre Lippen, spürte, wie sie bebten, und lächelte schwach. „War das wirklich so schwer?" „Ja.“ Nun ließ er die Finger über ihren Hals gleiten und umfasste ihren Nacken. Ihre Lippen fühlten sich weich an, und er küsste sie erst zärtlich, dann so leidenschaftlich, dass es alle Zweifel auslöschen musste. Caitlin seufzte auf, und er presste sie an sich, so dass ihre Körper miteinander zu verschmelzen schienen. Langsam ließ er die Hand über ihren Rücken und ihren Po gleiten und verharrte einen Moment lang auf ihrem Schenkel, bevor er sie unter ihren Rock schob. Ihre warme Haut zu spüren brachte ihn fast um den Verstand, und er konnte an nichts anderes mehr denken als daran, ihre und seine Sachen abzustreifen, Caitlin hier und jetzt zu lieben und dabei alles um sich her zu vergessen. Als Nicos die Hand in ihren Slip schob und ihre empfindsamste Stelle liebkoste, schmolz Caitlin förmlich dahin. Es war fast mehr, als sie ertragen konnte. Ungeduldig knöpfte sie sein Hemd auf, um endlich seine nackte Haut zu spüren und ihn genauso intim zu verwöhnen, wie er, es bei ihr tat. Nein, es war nicht genug. Nicht annähernd genug. Er hörte auf, sie zu küssen, und ließ den Mund über ihren Hals gleiten, bevor er ihre Lippe liebkoste und erneut ein erotisches Spiel mit der Zunge begann. Sie nahm nichts mehr wahr außer ihm. Dass er sich wieder von ihr gelöst hatte, merkte sie daher erst, als das Klingeln des Telefons an ihr Ohr drang. „Kasoulis", meldete er sich in hartem Tonfall. Caitlin schwankte leicht und wich dann einen Schritt zurück, doch Nicos umfasste ihr Handgelenk. Erstaunt stellte sie fest, wie zerknittert sein Anzug und ihr Kostüm waren. „Bitte vertagen Sie die Besprechung auf morgen Nachmittag." Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie seine Sekretärin auf diese Anweisung reagierte. „Es ist mir egal, womit Sie es begründen", erklärte er nun. Nachdem er einen Moment zugehört hatte, warf er ein: „Der Abschluss ist für sie wichtiger als für mich. Sie werden sich schon damit einverstanden erklären." Dann legte er auf. Vergeblich versuchte Caitlin, sich wieder zu beruhigen. „Ich sollte jetzt gehen." „Wir gehen." Er streichelte ihre Brüste und verharrte einen Augenblick so. Schließlich knöpfte er widerstrebend sein Hemd zu, steckte es in den Hosenbund und rückte seine Krawatte zurecht. „Irgendwohin, wo wir ungestört sind", fügte er lächelnd hinzu. „Aber du hast eine wichtige Besprechung ..." „Die habe ich gerade abgesagt." Ihre Augen funkelten schalkhaft. „Stimmt." Nicos küsste sie flüchtig, und prompt sehnte sie sich nach mehr. Als sie kurz darauf im Auto saßen, beobachtete Caitlin ihn und war sich seiner Gegenwart dabei überdeutlich bewusst. Seine elementare Sinnlichkeit ließ sie alle Hemmungen über Bord werfen und machte sie zu seinem willenlosen Werkzeug. „Fahren wir in ein Hotel?" „Willst du etwa Marie und Andre schocken?" Das waren die beiden Hausangestellten. Caitlin lächelte schalkhaft. „Lieber nicht." Kurz darauf stoppte Nicos vor einem Hotel, und sie stieg aus, während er den Wagen einem Angestellten übergab. Als er im Foyer eincheckte, bewunderte sie das große Blumenarrangement, und dann betraten sie gemeinsam den Aufzug. Ob die anderen Gäste im Aufzug das Knistern zwischen ihnen bemerkten? Sie musste sich beherrschen, um ihn nicht zu berühren. Es gab vieles, was sie ihm sagen wollte, doch das
konnte warten. Was sie voneinander wollten und brauchten, hingegen nicht. Nicos zog Caitlin in die Suite, hängte das Schild mit der Aufschrift „Bitte nicht stören" an die Tür und schloss diese. Er zog sie an sich und presste die Lippen auf ihre, um sie leidenschaftlich zu küssen. Auf dem Weg zum Bett zogen sie sich gege nseitig aus. Als sie nackt waren, flammte das Verlangen umso heftiger auf. Sie konnten nicht mehr warten. Jetzt. Es war die stumme Sprache der Liebenden, ein stillschweigendes Einverständnis. Caitlin stöhnte lustvoll auf, als Nicos sie hochhob und mit einem kraftvollen Stoß in sie eindrang. Sie warf den Kopf in den Nacken, und daraufhin begann er, erst die eine, dann die andere Knospe mit Lippen und Zunge zu reizen, bis sie um Gnade bettelte. Caitlin krallte die Finger in seine Schultern und zog anschließend seinen Kopf zu sich hinunter, um ihn so aufreizend zu küs sen, dass es genauso erotisch war wie der eigentliche Liebesakt. Sie keuchte, als er noch tiefer in sie eindrang, nur um sich anschließend zurückzuziehen und sie wieder zu nehmen - mit langsamen Bewegungen, um ihr das größtmögliche Vergnügen zu bereiten. Kurz darauf erklommen sie gemeinsam den Gipfel der Ekstase, und es dauerte eine ganze Weile, bis die Wellen der Erregung abgeebbt waren. Nicos hielt Caitlin fest umschlungen, die Lippen in ihrem Nacken, bis ihre Atemzüge gleichmäßiger wurden. Schließlich trug er sie ins Bad, ließ Wasser in den Whirlpool laufen und setzte sie hinein, bevor er an die Bar ging, um Champagner zu holen. Er brachte ihr ein Glas, und nachdem er ebenfalls in das sprudelnde Wasser gestiegen war, stieß er mit ihr an. „Prost." Sie lächelte glücklich, und die Gefühle, die sie überkamen, ließen sie beinah ehrfürchtig werden. Es war eine tiefe Liebe, das Bewusstsein, dass es nie einen anderen Mann geben würde, der seinen Platz in ihrem Herzen einnahm. Nicos hob die Hand und streichelte ihre Wange. Dann zog er mit dem Daumen die Konturen ihrer Lippen nach, und Caitlin öffnete sie unwillkürlich. „Danke." Er hob eine Augenbraue. „Wofür?" Ihre Augen waren dunkelgrün, und der Ausdruck darin sprach Bände. „Dafür, dass es dich gibt", erwiderte sie nur. Für seine Hartnäckigkeit und alles, was ihn zu dem Mann machte, der er war. Der Gedanke, dass er sie vielleicht wieder hätte ge hen lassen, erfüllte sie mit Schmerz. „Du gehörst mir", erklärte Nicos sanft. „Keine andere Frau kann dir das Wasser reichen." Es tat unbeschreiblich weh, dass sie an ihm gezweifelt hatte. Und dennoch war das Beweismaterial damals erdrückend gewesen und sie hatte seine Aussagen nicht überprüfen können. Georgia hatte alles darangesetzt, ihre Ehe zu zerstören ... Caitlin erschauerte, und Nicos zog sie an sich. Aufreizend langsam streichelte er ihre nasse Haut und ließ die Hände dabei immer tiefer gleiten. Sie seufzte lustvoll auf, als er ihre empfind samste Stelle zu liebkosen begann. Die Leichtigkeit, mit der er ihr eine solche Lust verschaffte, verschlug ihr den Atem. „N icos", flüsterte Caitlin. „Hm?" „Wenn du weitermachen willst, solltest du wissen, dass ich heute Mittag nichts gegessen habe." Sein raues Lachen brachte sie fast um den Verstand. „Ich dachte, ich hätte deine ungeteilte Aufmerksamkeit." Sie küsste ihn flüchtig auf den Mund. „Die hast du auch." Und ob du sie hast, fügte sie im Stillen hinzu. Daraufhin stand Nicos auf, hob sie aus dem Whirlpool und setzte sie auf den Fliesen ab. Nachdem er ihr ein Handtuch um^ gewickelt hatte, schlang er sich eins um die Hüften. „Komm, bestellen wir etwas beim Zimmerservice."
Später, nach einem ausgedehnten Essen, zu dem sie den restlichen Champagner getrunken hatten, nahm Caitlin seine Hand und zog Nicos an sich. „Hast du heute Abend schon etwas vor?" Er lächelte. „Wir könnten nach Hause fahren." Nach Hause. Das klang nicht schlecht. „Hm", meinte sie und tat so, als würde sie über seinen Vorschlag nachdenken. „Wir könnte uns auch anziehen." Sie zupfte an seinem Bademantel. „Und in einen Nachtclub gehen." Caitlin wollte also spielen. Das konnte sie haben. „Oder ins Kino." Sie ließ den Finger über den Ausschnitt seines Bademantels gleiten. „Es wäre Verschwendung, die Suite zu verlassen." Nicos stand regungslos da. Es gefiel ihm, dass sie die Initiative ergriff. „Stimmt." Langsam strich sie durch sein dunkles Brusthaar. „Haben wir Wein?" „Koten oder weißen?" Caitlin lächelte schalkhaft. „Das ist egal." „Soll ich nachsehen?" Erregt stöhnte er auf, als sie ihn umfasste. Widerstrebend löste er sich von ihr und nahm eine kleine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank. Nachdem er ihnen eingeschenkt hatte, reichte er ihr ein Glas. Sie tauchte einen Finger hinein, strich ihm über den Hals und leckte den Weih dann mit der Zunge ab. Gleichzeitig löste sie den Gürtel und streifte ihm den Bademantel ab, der daraufhin zu Boden glitt. Seine Augen waren dunkel, und sie sah, wie er schluckte, als sie eine seiner Brustwarzen zu liebkosen begann. Minuten später atmete er scharf aus und umfasste ihr Handgelenk. „Bist du fertig?" brachte er hervor. Caitlin neigte den Kopf und lächelte aufreizend. „Hast du genug?" Ein Muskel zuckte an seiner Wange. „Ich werde dasselbe mit dir tun." Sie lachte. „Das hoffe ich doch." Später war sie diejenige, die erregt aufstöhnte. Die ihn anflehte, als Nicos ihren Körper auf die denkbar aufreizendste Weise erkundete, bis sie den Verstand zu verlieren glaubte und einen ekstatischen Höhepunkt erlebte. Erschöpft lag sie anschließend da. Es kostete sie sogar Mühe, die Hand zu heben. Daher nahm sie es nur nebenbei wahr, als Nicos sie an sich zog und zudeckte. Am nächsten Morgen wurde Caitlin von seinen Zärtlichkeiten geweckt. Er streichelte ihre Taille, ihre Hüfte und anschließend ihren Schenkel, während er die Lippen über ihren Hals gleiten ließ, und sie kuschelte sich an ihn. Es war eine wunderschöne Möglichkeit, den Tag zu beginnen. Sich nach allen Regeln der Kunst zu verführen und sich beim Liebesakt alle Zeit der Welt zu lassen. Danach duschten sie zusammen, zoge n sich an und bestellten sich Frühstück. Sie nahmen es auf der Dachterrasse ein und beobachteten dabei, wie die Stadt zum Leben erwachte. Ein neuer Tag, dachte Caitlin versonnen, während sie den aromatischen Kaffee trank. Der Himmel war strahlend blau, und es war schon jetzt ziemlich warm. Die Zeit schien still zu stehen, und Caitlin verspürte den Wunsch, diesen Moment für immer festzuhalten. Nicos betrachtete Caitlins Profil, ihre klassischen Züge. Sie war innerlich und äußerlich schön. Er spürte, wie erneut Verlangen in ihm aufflammte, als er sich an ihre leidenschaftlichen Begegnungen erinnerte. Sie waren seelenverwandt, und er kannte ihre tiefsten Geheimnisse. Als Caitlin sich zu Nicos umwandte und den Ausdruck in seinen Augen sah, schmolz sie förmlich dahin. „Zeit zu gehen", sagte sie sanft. Dann stand sie auf und reichte ihm die Hand. Zusammen fuhren sie mit dem Aufzug zum Empfang und holten den Wagen ab. Zehn Minuten später parkte Nicos in zweiter Reihe vor dem modernen Gebäudekomplex, in dem sich die Büros von Macbride befanden. Caitlin küsste ihre Finger und berührte damit flüchtig seine Lippen. „Bis heute Abend." Nicos blickte ihr nach, als sie durch die gläserne Drehtür ging, und fädelte sich wieder in den
Verkehr ein. Es gab einen Ort auf den griechischen Inseln, wo die Sonne das klare Wasser küsste, Wein auf den sanften Hängen wuchs und weiß getünchte Häuser auf den Hügeln lagen. Dort wollte er Caitlin hinbringen und eine Weile mit ihr das Leben genießen. Er würde seine Sekretärin bit ten, die Reise zu buchen. Gleich nachdem er wieder in seinem Büro eingetroffen war, nahm er den Hörer ab, gab verschiedene Anweisungen und arbeitete anschließend weiter. Auf der anderen Seite der Stadt betrachtete Caitlin gerade das rechteckige Paket, das soeben per Kurier geliefert worden war. Als sie es auspackte, kam das Bild zum Vorschein, das sie in der Galerie so bewundert hatte. Sie nahm den Hörer ab und wählte Nicos' Nummer. Sobald er sich meldete, sagte sie: „Danke. Es ist wunderschön." „Gern geschehen." Der Klang seiner Stimme ließ sie erschauern. Minuten später wurde eine lange, schmale Schachtel geliefert, in der eine langstielige rote Rose lag, eingewickelt in Seidenpapier. Auf der beigefügten Karte stand: Caitlin, agapemou. Nicos. Meine Geliebte. Caitlin hob die Rose an die Wange, genoss das Gefühl der samtigen Blätter auf der Haut und atmete dann tief den betörenden Duft ein. Sie hatte auch Pläne geschmiedet und traf nun die nötigen Vorkehrungen. Nachdem sie Roberta angerufen hatte, sank sie lächelnd wieder auf ihren Stuhl. „Ein privates Dinner", verkündete Caitlin am nächsten Morgen beim Aufstehen. „Wir haben etwas zu feiern." Neckend fügte sie hinzu: „Wir müssen uns schick machen. " „Es handelt sich also um einen besonderen Anlass?" fragte Nicos, als er sich zu ihr unter die Dusche gesellte, und sie nickte. Ja, das war es. Etwas ganz Besonderes. Ihr Geschenk an ihn. Ob er es erraten hat? überlegte sie, als sie ihn später in der Dämmerung in den Garten führte. Unter den ausladenden Ästen eines besonders schönen Jacarandabaums stand Roberta mit einem Zelebranten. „Damit wir unser Ehegelübde bekräftigen können", erklärte Caitlin. Nicos zog sie an sie, um sie so leidenschaftlich zu küssen, dass ihr der Atem stockte. „Das müssen Sie nach der Zeremonie tun", zog der Zelebrant ihn auf. „Worauf Sie sich verlassen können." Roberta wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, als der Zelebrant die Worte sprach, die Caitlin sich gewünscht hatte. Sie weinte vor Freude über das neue Glück ihrer Tochter und des Mannes, der sie über alles liebte. Caitlin hatte Marie beauftragt, ein einfaches Menü zuzubereiten, das sie nun bei Kerzenlicht im Esszimmer einnahmen. Eisgekühlter Champagner und eine kleine Hochzeitstorte verliehen dem Ganzen einen festliche Note. Danach nahm Nicos sie mit ins Arbeitszimmer und steckte ihr einen Diamantring an. „Für immer", sagte er sanft. „Da wäre nur noch eins." Er schloss eine Schublade auf und nahm ein Dokument heraus, das er ihr reichte. „Hier, lies das." Es war die Urkunde, die ihr ein Drittel des Erbes ihres Vaters garantierte und die dieser ursprünglich ihm übertragen hatte. „Es hat immer dir gehört", sagte Nicos leise. „Jetzt ist es offiziell." Für einen Moment verschlug es Caitlin die Sprache, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Schnell wischte sie sie ab. „Ich liebe dich", brachte sie schließlich hervor. „Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben." Zärtlich umfasste er ihr Gesicht. „Ich weiß." Er küsste sie leidenschaftlich und trug sie dann nach oben ins Bett.
12. KAPITEL Caitlin verlagerte ihr Gewicht auf dem Liegestuhl und ließ sich von der Sonne wärmen. Sie trug einen Bikini, einen Strohhut und eine Sonnenbrille. Nicos hatte nur einige Anrufe tätigen müssen, um alles Notwendige zu delegieren, einen Flug nach Athen zu buchen und diese elegante Yacht zu chartern. Seit einer Woche kreuzten sie nun in der Ägäis. Es waren herrliche, faule Tage und leidenschaftliche Nächte gewesen. Caitlin schloss die Augen und hing ihren Gedanken nach. All die Zweifel und Unsicherheiten waren aus dem Weg geräumt, und ihr innerer Aufruhr hatte sich gelegt. Es war eine Feuerprobe, dachte sie und zuckte leicht zusammen, als Georgias Bild vor ihrem geistigen Auge auftauchte. „Nicht", meinte Nicos sanft. Er kannte sie so gut, dass er es sofort spürte, wenn sie angespannt war. Beruhigend strich er über ihren Bauch. Ihre Haut war leicht gebräunt und seidenweich, und aufreizend zog er den Saum ihres Bikinislips mit einem Finger nach. Als Caitlin scharf einatmete, lächelte er und ließ die Hand tiefer gleiten. Prompt spannten ihre Bauchmuskeln sich an. Schließlich neigte er den Kopf und küsste sie auf den Nabel. „Du läufst Gefahr, die Einheimischen zu schockieren", bemerkte sie heiser. Nicos lachte leise. „Es ist weit und breit niemand zu sehen." „Denk an die Paparazzi mit ihren Teleobjektiven", erinnerte sie ihn. Sie fühlte sich angenehm träge und hatte keine Lust, sich von der Stelle zu rühren. Mit seinen Zärtlichkeiten konnte er sie innerhalb kürzester Zeit so erregen, dass sie in hellen Flammen stand. „Willst du das unten ausziehen?" Caitlin lachte und schob ihren Hut ein Stück hoch, um Nicos ansehen zu können. „Ist das dein Ernst?" Er lächelte frech. „Deiner nicht?" Sie tat so, als würde sie überlegen. „Ich glaube, ich könnte mich umstimmen lassen." Als sie daran dachte, wie gut er sie umstimmen konnte, klopfte ihr Herz schneller. Nicos ließ die Hand ein Stück tiefer gleiten, so dass Caitlin beinah auf gestöhnt hätte. „Wenn du darüber nachdenken musst..." Caitlin krallte die Finger in sein Brusthaar. „Spiel nicht mit mir..." Er brachte sie mit einem KUSS zum Schweigen, der noch viel mehr Sinnenfreuden verhieß. Nachdem er sich von ihr gelöst hatte, fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. „Also gut." Sie presste die Finger auf seine Lippen. Dann stand sie auf und zog ihn ebenfalls hoch. Die Yacht war groß und verfügte über eine geräumige Kombüse und ein ebensolches Schlafzimmer. Sie hatten alle Zeit der Welt, und Nicos erkundete ausgiebig Caitlins Körper. Sie gehörte ihm. Sie war das Wichtigste in seinem Leben. Sie war es immer gewesen, auch während ihrer Trennung. Es würde niemals eine andere Frau geben, die ihren Platz in seinem Herzen einnahm. Nicos gestand ihr seine Liebe auf Griechisch und anschließend auf Englisch, und Caitlin spürte, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Sie umfasste sein Gesicht, sah ihm in die Augen und entdeckte dort, was sie in ihrem tiefsten Inneren wusste - die bedingungslose, ewige Liebe eines Mannes zu einer Frau. „Versprich mir etwas", bat sie ihn sanft. Er lächelte. „Musst du mich das fragen?" „Lass uns versuchen, jeden Tag zu etwas Besonderem zu ma chen." „Versprochen." „Da wäre nur noch eins." Sie küsste ihn flüchtig. „Du hast meine Liebe und mein Vertrauen. Für immer." „Genau wie du meine Liebe und mein Vertrauen hast, agape mou", flüsterte Nicos zärtlich und bewies ihr dann eine Leidenschaft, die alles bisher Dagewesene übertraf.
- E N D E