Springer-Lehrbuch
Gerhard Czermak
Religions- und Weltanschauungsrecht Eine Einführung. In Kooperation mit Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf
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Dr. Gerhard Czermak Bürgermeister-Ebner-Straße 33 86316 Friedberg
[email protected] ISBN 978-3-540-72048-5
Professor Dr. Dr. Eric Hilgendorf Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informatikrecht und Rechtsinformatik Domerschulstraße 16 97070 Würzburg
[email protected] e-ISBN 978-3-540-72049-2
DOI 10.1007/978-3-540-72049-2 Springer-Lehrbuch ISSN 0937-7433 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.com
Vorwort
Das große Rechtsgebiet „Religions- und Weltanschauungsrecht“ ist trotz seiner Aktualität und des erheblichen Umfangs von Rechtsprechung und Literatur von einer Klärung der wesentlichen Grundfragen und ihrer praktisch bedeutsamen Konsequenzen immer noch ein gutes Stück entfernt. Im Titel „Religions- und Weltanschauungsrecht“ kommt deutlicher als in „Religionsrecht“ zum Ausdruck, dass es nicht nur, wie in der traditionellen Literatur zum „Staatskirchenrecht“, mehr oder weniger um Religion und speziell die großen christlichen Kirchen geht, sondern um die Rechts- und Verfassungsprobleme aller religiösen und nichtreligiösen Sinnsysteme und der dazugehörigen Gemeinschaften sowie der Einzelpersonen. Hauptziel des vorliegenden Buches ist die Vermittlung eines Grundverständnisses der wesentlichen Verfassungsfragen und Zusammenhänge, auch in ihrer zeitlichen Entwicklung. Hierzu ist es erforderlich, die bisherige Dogmatik und Rechtspraxis mit ihren begrifflichen Problemen und Ungereimtheiten, teilweise aber auch Leerstellen, kritisch zu sichten. Eine nicht mehr hauptsächlich auf die Interessen der großen Kirchen fixierte, sondern im Grundsatz die Gesamtheit der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften erfassende Darstellung führt zwangsläufig zu einer genaueren Untersuchung des Gebots der religiös-weltanschaulichen Neutralität mit Auswirkungen auf vielen Ebenen. Im Vordergrund der Darstellung stehen – in der gebotenen Knappheit – dogmatische Grundfragen und praktisch (gesellschaftlich) bedeutsame Bereiche, auch da, wo sie bisher gern vernachlässigt werden. Darüber hinaus sollen die tatsächliche Bedeutung von rechtlichen Problemen und Institutionen aufgezeigt und konkrete Angaben über das gesellschaftliche Umfeld vermittelt werden. Dem dienen auch statistische Angaben. Diese praktische Orientierung soll das Buch nicht nur für Jurastudierende und Rechtspraktiker interessant machen, sondern auch für juristische Laien, etwa Journalisten und Politologen. Diese können sich durch die Lektüre der mit Absicht knapp gefassten Einleitungskapitel (§§ 2, 3 und 4) und der wichtigsten Rechtsnormen im Anhangsteil einen ersten Überblick über das Religions- und Weltanschauungsrecht verschaffen. Der allgemeinen Einordnung dient auch das Kapitel über Religion, Moral, Recht und Staatsphilosophie (§ 5). Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf hat den strafrechtlichen Teil (§ 19) verfasst; der gesamte übrige Text stammt von Dr. Gerhard Czermak. Die Autoren sind für die von ihnen verfassten Partien jeweils allein verantwortlich.
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Vorwort
Für konstruktive Kritik sind wir jederzeit dankbar. Sie ist zu richten an
[email protected] oder
[email protected]. Gerhard Czermak und Eric Hilgendorf Friedberg/Bayern und Würzburg, im Herbst 2007
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................. V Inhaltsverzeichnis .............................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis..................................................................................... XV § 1 Zur Geschichte der Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche ...............................................................................................................1 I. Entwicklung bis zur Reformation...................................................................1 II. Reformation und nachreformatorische Zeit...................................................2 1. Reformation...............................................................................................2 2. Aufklärung ................................................................................................3 3. Herkunft der Menschenrechte ...................................................................3 III. Die preußische Religionspolitik...................................................................4 1. Friedensinteresse .......................................................................................4 2. Kirchenhoheit ............................................................................................5 3. Katholischer Widerstand ...........................................................................5 IV. Zur Entwicklung der Religionsfreiheit im 19. Jh.........................................6 1. Reichsdeputationshauptschluss und Frühkonstitutionalismus...................6 2. Von 1848 bis 1918 ....................................................................................7 V. Vom toleranten Glaubensstaat zum Staat der Religionsfreiheit....................9 1. Weimarer Zeit ...........................................................................................9 2. Nationalsozialismus und Kirchen............................................................10 3. Deutsche Demokratische Republik .........................................................11 4. Bonner Grundgesetz ................................................................................12 § 2 Grundfragen und aktuelle Probleme des Religionsrechts .........................13 I. Zum Gegenstand und Begriff des Religions- und Weltanschauungsrechts ..13 1. Das herkömmliche Staatskirchenrecht ....................................................13 2. Etablierung einer neuen Terminologie ....................................................14 II. Rechtsquellen ..............................................................................................15 III. Besonderheiten des Rechtsgebiets .............................................................15 1. Ideologische Aufladung ..........................................................................15 2. Dynamik des Religionsrechts ..................................................................16 IV. Aktuelle Problemstellungen und neuralgische Punkte...............................17 1. Aktuelle Diskussion ................................................................................17 2. Neuralgische Punkte................................................................................18
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Inhaltsverzeichnis
§ 3 Säkulare Gesellschaft und Verfassungswirklichkeit .................................. 19 I. Religionssoziologische Situation in Deutschland......................................... 19 1. Mitgliederzahlen und Relationen ............................................................ 19 2. Glaubensverluste, Individualisierung, Ansehensminderung der Kirchen, Politik ................................................................................. 20 II. Rechtstatsächliche Feststellungen ............................................................... 22 1. Innerkirchliche Angelegenheiten ............................................................ 22 2. Staatlich-kirchliche Einrichtungen .......................................................... 23 3. Bevorzugung von Kirchen bzw. Religion im öffentlichen Raum ........... 24 4. Finanzielle Kirchenförderung.................................................................. 24 5. Benachteiligung von Minderheiten ......................................................... 25 § 4 Staat und Religion bzw. Weltanschauung im Grundgesetz – Gesamtüberblick............................................................................................ 27 I. Freiheit ......................................................................................................... 27 1. Persönliche Religionsfreiheit .................................................................. 27 2. Korporative Religionsfreiheit.................................................................. 28 II. Gleichheit .................................................................................................... 28 III. Trennung von Staat und Religion bzw. Weltanschauung .......................... 29 IV. Religionsfreundlichkeit des GG ................................................................ 29 V. Sonstige Gesichtspunkte des religionsverfassungsrechtlichen Systems ..... 30 1. Möglichkeiten der Kooperation............................................................... 30 2. Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften .......................... 30 3. Landesverfassungen ................................................................................ 30 VI. Kurzfassung............................................................................................... 31 § 5 Religion, Moral, Recht, Staatsphilosophie, Grundgesetz........................... 33 I. Religion, Moral und Recht ........................................................................... 33 1. Recht und Sozialmoral ............................................................................ 33 2. Einwirkung von Religion und Weltanschauung auf das Recht ............... 34 II. Staatsphilosophie, Weltanschauung, Grundgesetz ...................................... 36 1. Der Staat als Heimstatt aller Bürger........................................................ 36 2. Liberale Rechtstheorie und Grundgesetz: Neutralitätsliberalismus ........ 37 3. Gegenpositionen...................................................................................... 39 § 6 Zur Entwicklung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der Bundesrepublik.............................................................................................. 43 I. Phasen des Religionsrechts........................................................................... 43 II. Zum Staatskirchenrecht in der Frühzeit der Bundesrepublik (1949–1965). 43 1. Voraussetzungen ..................................................................................... 43 2. Hinweise zur Entstehungsgeschichte der religionsverfassungsrechtlich bedeutsamen Artikel des Grundgesetzes ................................................. 45 3. Die Phase der „staatskirchenrechtlichen Euphorie“ (1949–1965)........... 46 III. Die religionsrechtliche Wende zu einer Phase der Ernüchterung .............. 50 1. Literarischer Vorstoß............................................................................... 50 2. Die Kirchensteuerurteile des BVerfG ..................................................... 51
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IV. Hinweise zur weiteren Entwicklung ..........................................................51 1. Bleibende Kirchenfreundlichkeit.............................................................51 2. FDP-Kirchenpapier 1974 ........................................................................52 3. Bedeutende deutsche Sonderentwicklungen ...........................................53 § 7 Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit................................55 I. Begriffliche Fragen und Defizite ..................................................................55 II. Einheitsgrundrecht aus Art. 4 I, II GG oder Einzelgrundrechte? ................56 III. Gemeinsame tatbestandliche Probleme der Grundrechte des Art. 4 I, II GG ............................................................................................57 1. Grundrechtsträger....................................................................................57 2. Vorliegen von „Religion“ oder „Weltanschauung“.................................58 3. Besonderheiten ........................................................................................59 IV. Glaubensfreiheit.........................................................................................61 1. Schutzbereichsdefinition .........................................................................61 2. Grundsätzliche Uneinschränkbarkeit.......................................................62 3. Flankierende Verfassungsbestimmungen ................................................63 V. Bekenntnisfreiheit .......................................................................................64 VI. Die Religionsausübungsfreiheit und ihre Schranken .................................65 1. Schutzbereich ..........................................................................................65 2. Schranken der Religionsausübungsfreiheit .............................................66 VII. Das Verhältnis des Art. 4 I, II zu Art. 140 GG.........................................68 § 8 Gewissensfreiheit ...........................................................................................69 I. Begriff und Funktion der Gewissensfreiheit.................................................69 II. Die subjektive Gewissensfreiheit im Einzelnen ..........................................71 1. Schutzbereich ..........................................................................................71 2. Schranken der Gewissensfreiheit ............................................................73 3. Fälle anerkannter Gewissensfreiheit........................................................73 4. Drittwirkung der Gewissensfreiheit im Privatrecht.................................74 § 9 Trennung von Staat und Religion, Neutralität, Toleranz ..........................75 I. Begriffliche Grundlagen, Defizite und Abgrenzungen.................................75 1. Freiheit, Gleichheit, Trennung ................................................................75 2. Trennung und Neutralität ........................................................................75 3. Neutralität und Toleranz..........................................................................76 II. Trennungsgebot und Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften ............................................................................77 1. Historische Hinweise...............................................................................77 2. Der Weimarer Kompromiss ....................................................................78 3. Trennung von Staat und Religion im Grundgesetz..................................78 4. Art. 137 I WRV/140 GG als Gebot institutioneller Trennung ................79 5. Partiell zulässige institutionelle Zusammenarbeit ...................................80 6. Verhältnis von organisatorischer Trennung und Zusammenarbeit..........80 7. Problematische Bereiche der Zusammenarbeit .......................................81
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III. Toleranz ..................................................................................................... 82 1. Unklare Rechtspraxis .............................................................................. 82 2. Historische Entwicklung ......................................................................... 83 3. Bedeutungsverlust im Staat der Religionsfreiheit ................................... 83 4. Toleranz als bürgerliche Tugend, nicht eigenständige Rechtsregel ........ 84 § 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot.......................................................... 85 I. Allgemeines zur Begrifflichkeit ................................................................... 85 1. Konturenloser Begriff?............................................................................ 85 2. Akzeptanz von Neutralität als Unparteilichkeit ...................................... 86 II. Normative Begründung des Neutralitätsgebots und Einwände dagegen..... 87 1. Normative Begründung ........................................................................... 87 2. Einwendungen......................................................................................... 88 III. Allgemein anerkannte Aspekte und Funktionen der religiösweltanschaulichen Neutralität .................................................................... 90 1. Unterschiedliche Aspekte........................................................................ 90 2. Neutralität als Forderung des objektiven Verfassungsrechts................... 91 IV. Verfassungstheoretische Vertiefung des Neutralitätsgebots...................... 91 1. Zur liberalen Basisideologie des GG....................................................... 91 2. Liberale Rechtstheorie............................................................................. 92 3. Zur Gesetzgebung bei ideologisch umstrittenen Fragen ......................... 93 V. Neutralitätsprobleme der bereichsspezifischen Rechtspraxis ..................... 94 1. Varianten und Modifikationen der Unparteilichkeit ............................... 94 2. Offene Neutralität.................................................................................... 94 3. Distanzierende Neutralität....................................................................... 95 § 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG) ........... 99 I. Begriff, Inhalt, prinzipielle Statusgleichheit................................................. 99 1. Zum Gegenstand der korporativen Religionsfreiheit .............................. 99 2. Prinzipielle Statusgleichheit statt gestufter Parität ................................ 100 II. Selbstbestimmungsrecht............................................................................ 101 1. Allgemeines .......................................................................................... 101 2. Inhalt und Träger des Selbstbestimmungsrechts ................................... 102 3. Verhältnis des Art. 137 III WRV/140 GG zu Art. 4 I, II GG................ 103 4. Die „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ ................................. 104 5. Ämterhoheit .......................................................................................... 105 6. Grundrechtsbindung der Religionsgemeinschaften? ............................. 105 III. Körperschaftsstatus.................................................................................. 106 1. Entstehung, Begriff, Inhalte .................................................................. 106 2. Das „Privilegienbündel“........................................................................ 108 3. Anerkennung und Beendigung des Körperschaftsstatus ....................... 109 4. Erforderlichkeit des Körperschaftsstatus? ............................................. 111 5. Res sacrae (kirchlich-öffentliche Sachen) ............................................. 111 IV. Kleine Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ........................ 112 1. Tatsächliche Hinweise........................................................................... 112 2. Rechtspraxis .......................................................................................... 113
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V. Rechtsfragen des Islam (Überblick)..........................................................115 VI. Verbot von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.................117 VII. Staatlicher Rechtsschutz im kirchlichen Bereich ...................................117 1. Praktische Bedeutung des Rechtsschutzes gegen die Kirchen ..............117 2. Juristische Problemstellung und Rechtsprechung .................................118 § 12 Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer ..............................................121 I. Kirchenmitgliedschaft ................................................................................121 1. Allgemeines...........................................................................................121 2. Internes Mitgliedschaftsrecht und staatliches Recht..............................121 3. Insbesondere: Kindertaufe und staatliches Recht ..................................122 4. Weitere kirchenrechtliche Fragen..........................................................122 5. Der sogenannte Kirchenaustritt .............................................................124 II. Kirchensteuerrecht ....................................................................................126 1. Grundlagen und einfachrechtliche Hauptmerkmale des deutschen Kirchensteuersystems............................................................................127 2. Verfassungsrechtliche Problematik der Kirchensteuer, insbesondere Kirchenlohnsteuer .................................................................................128 3. Weitere Verfassungsprobleme der Kirchensteuer .................................131 4. Ergebnis, Folgen, Alternativen..............................................................133 § 13 Schule und Religion...................................................................................135 I. Einführung..................................................................................................135 II. Zur Entwicklung der Schulproblematik ....................................................136 1. Geschichte bis 1945 ..............................................................................136 2. Zeit des Umbruchs und der Konfessionsschulen...................................136 III. Christliche Gemeinschaftsschulen (CGS)................................................139 1. Ungereimte Grundlagen und ihre allgemeinen Auswirkungen .............139 2. Einzelne Folgeprobleme........................................................................140 IV. Insbesondere: Das Kreuz im Klassenzimmer ..........................................146 1. Ein Paukenschlag ..................................................................................146 2. Beruhigung der Lage .............................................................................148 3. Rechtssystematische Beurteilung ..........................................................148 4. Unzureichende Rezeption des Kruzifix-Beschlusses ............................150 V. Weitere Fragenkreise ................................................................................152 1. Regelschulproblematik, Konfessionsschulen und Bekenntnisfreie Schulen..................................................................................................152 2. Religionsunterricht ................................................................................154 3. Ethikunterricht, Praktische Philosophie, Werte und Normen................159 4. Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER – Brandenburg) und Werteunterricht in Berlin.......................................................................161 5. Islam und Schule ...................................................................................163
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§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge) ................................ 169 I. Geschichte des Vertragsrechts bis heute .................................................... 169 1. Heutige Ausgangslage........................................................................... 169 2. Geschichte bis 1945 .............................................................................. 170 3. Staat-Kirche-Verträge in der Bundesrepublik bis 1990 ........................ 172 4. Staat-Kirche-Verträge nach 1990.......................................................... 174 II. Zur Rechtsnatur der Staat-Kirche-Verträge .............................................. 175 1. Verständnisgrundlagen.......................................................................... 175 2. Zu den herkömmlichen Meinungen ...................................................... 176 3. Kritische Neuansätze............................................................................. 178 III. Rechtliche und rechtspolitische Legitimation der Verträge..................... 179 1. Vertragsmotive...................................................................................... 179 2. Historische Aspekte .............................................................................. 180 3. Die kirchenpolitische Lage nach dem GG und parlamentarische Fragen.................................................................................................... 180 4. Kategorien und religionspolitische Bedeutung vertragsrechtlicher Regelungen............................................................................................ 182 § 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung...................... 185 I. Tatsächliche Hinweise zum Kirchenvermögen und zur Kirchenfinanzierung ................................................................................... 185 II. Rechtlicher Schutz des Kirchenvermögens („Kirchengutsgarantie“)........ 186 III. Staatsleistungen i. S. des Art. 138 I WRV/140 GG ................................. 186 1. Allgemeines zu den historischen Staatsleistungen ................................ 187 2. Zur historischen Entwicklung und heutigen Legitimation der Staatsleistungen..................................................................................... 188 3. Rechtsfragen der Staatsleistungen......................................................... 189 IV. Religionsförderung (Subventionen)......................................................... 192 1. Rechtliche Möglichkeit und praktische Dimension............................... 192 2. Interessengeleitete Differenzierungen ................................................... 193 3. Rechtsprechung ..................................................................................... 195 4. Hinweise zu einer Theorie der Religionsförderung............................... 196 5. Resümee ................................................................................................ 197 § 16 Kirchliches Sozialwesen und kirchliches Arbeitsrecht........................... 199 I. Zur tatsächlichen Bedeutung des kirchlichen Sozialwesens....................... 199 II. Rechtliche Voraussetzungen der Entwicklung.......................................... 200 1. Vorrang der Freien Träger..................................................................... 200 2. Überdehnung der Religionsausübungsfreiheit ...................................... 201 3. Überdehnung des Selbstbestimmungsrechts ......................................... 202 III. Arbeitsrecht im kirchlichen Bereich ........................................................ 203 1. Allgemeines .......................................................................................... 203 2. Wahlmöglichkeit der Kirchen ............................................................... 204 3. Sonderstellung im kollektiven Arbeitsrecht und „Dritter Weg“............ 204 4. Besonderheiten im Individualarbeitsrecht, insbesondere Kündigungsrecht ................................................................................... 206
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§ 17 Staatlich-kirchliche Einrichtungen ..........................................................211 I. Staatliche Theologische Fakultäten und Konkordatslehrstühle ..................211 1. Zur grundsätzlichen Zulässigkeit staatlicher theologischer Fakultäten .211 2. Zulässigkeit theologischer Fakultäten und verfassungsrechtliche Unvereinbarkeiten .................................................................................212 3. Besondere Aspekte ................................................................................215 4. Tatsächliche Hinweise...........................................................................216 5. Konkordatslehrstühle ............................................................................217 II. Militär- und Anstaltsseelsorge ..................................................................218 1. Überblick zur Militärseelsorge ..............................................................218 2. Einzelheiten...........................................................................................219 3. Rechtlich zusammenfassende Beurteilung der Militärseelsorge ...........221 4. Anstaltsseelsorge...................................................................................222 III. Kirchliche Friedhöfe ................................................................................223 1. Die übliche Praxis .................................................................................223 2. Religionsverfassungsrechtliche Kritik...................................................224 § 18 Öffentliches Recht und Zivilrecht (Überblick) .......................................225 I. Grundsatzfragen .........................................................................................225 II. Auswahl bundesrechtlicher Vorschriften und Bedeutung des Landesrechts..............................................................................................226 1. Bundesrecht...........................................................................................226 2. Landesrecht ...........................................................................................226 III. Ausgewählte Bereiche .............................................................................227 1. Sonderstatusverhältnisse, insbesondere Beamtenrecht..........................227 2. Wehr- und Zivildienstrecht, Geistlichenprivileg ...................................229 3. Rundfunkrecht.......................................................................................231 4. Melderecht.............................................................................................232 5. Datenschutz ...........................................................................................232 6. Personenstandsrecht ..............................................................................232 7. Immissionsschutz ..................................................................................233 8. Denkmalschutz ......................................................................................234 9. Straßen- und Wegerecht, Straßenverkehrsrecht ....................................235 10. Sonn- und Feiertagsrecht.....................................................................236 11. Kirchenasyl .........................................................................................237 12. Ziviles Arbeitsrecht .............................................................................238 13. Religiöse Kindererziehung ..................................................................238 § 19 Strafrecht und Religion.............................................................................241 I. Geschichte und System des heutigen Religionsstrafrechts .........................241 II. Religionsbeschimpfung (§ 166 StGB) ......................................................243 III. Exkurs: Zur Reformdiskussion um § 166 StGB ......................................245 1. Verschärfung des § 166 StGB? .............................................................246 2. Streichung des § 166 StGB?..................................................................247
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IV. Sonstige Delikte des Religionsstrafrechts................................................ 248 1. Störung der Religionsausübung (§ 167 StGB) ...................................... 248 2. Störung einer Bestattungsfeier (§ 167a StGB) ...................................... 250 3. Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) .................................................... 250 V. Straftatbestände, die mittelbar der freien Religionsausübung und dem religiösen Frieden dienen .......................................................................... 250 VI. Kriminologie ........................................................................................... 251 VII. Der Gewissenstäter................................................................................. 252 § 20 Europäische Entwicklung ......................................................................... 255 I. Statistische Hinweise.................................................................................. 255 II. Grundsysteme der Religionsverfassung .................................................... 256 III. Europarechtliche Vorgaben und Entwicklungen ..................................... 258 1. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ............................... 258 2. Religionsrecht in der EU ....................................................................... 258 3. Grundrechtsschutz der EU .................................................................... 261 Anhang 1: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Auswahl) ............................................................ 263 I. Amtliche Sammlung................................................................................... 263 II. Sonstige Entscheidungen .......................................................................... 267 Anhang 2: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Auswahl)............................................................ 271 I. Amtliche Sammlung................................................................................... 271 II. Sonstige Entscheidungen .......................................................................... 275 Anhang 3: Religionsverfassungsrecht – Grundgesetz mit Weimarer Reichsverfassung ............................................................................................... 277 Anhang 4: Gesetz über die religiöse Kindererziehung (RKEG) ................... 281 Anhang 5: Europäisches Recht ........................................................................ 283 I. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) .................................... 283 II. Recht der Europäischen Union.................................................................. 284 1. Bedeutung der Grundrechte .................................................................. 284 2. Allgemeine Erklärungen zur Religionsfreiheit...................................... 284 3. Antidiskriminierung .............................................................................. 284 Literatur zum Religions- und Religionsverfassungsrecht.............................. 287 Sachverzeichnis.................................................................................................. 321
Abkürzungsverzeichnis
A. a. A. a. a. O. ABl. AfkKR AGG A&K AK-GG ALR Anm. AöR AP APuZ ArchKathKR ARK ARSP AuK AuR B. BAG BAGE BaWü BaWüGBl. BaWüVerf BayEUG BayGVBl. BayVBl BayVerf BayVerfGH BayVolksschulO BB Bbg
Auflage anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Archiv für katholisches Kirchenrecht (früher: ArchKathKR) (Z) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht & Kirche (Z) Alternativ-Kommentar zum GG Preußisches Allgemeines Landrecht, 1894 Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts (Z) Arbeitsrechtliche Praxis (mit Entscheidnugen des BVerfG zu Art. 140 GG) Aus Politik und Zeitgeschichte (Z) Archiv für katholisches Kirchenrecht (heute: AfkKR; Z) Arbeitsrechtliche Kommissionen Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Z) Aufklärung und Kritik (Halbjahresschrift der Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg) Arbeit und Recht (Z) Beschluss Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, sogenannte amtliche Sammlung Baden-Württemberg Gesetzblatt Baden-Württemberg Verfassung des Landes Baden-Württemberg Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bayerische Verwaltungsblätter (Z) Bayerische Verfassung Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerische Volksschulordnung Der Betriebs-Berater (Z) Brandenburg
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Abkürzungsverzeichnis
BbgGVBl Bd. Bde. BDSG betr. BetrVG BFH BFHE BGB BGBl. BGH BImSchG BPersVG BSHG BStBl. BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfG-K BVerwG BVerwGE bzw. ca. Can. CDU CGS CIC
Gesetz- und Veordnungsblatt für das Land Brandenburg Band Bände Bundesdatenschutzgesetz betreffend Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, sogenannte amtliche Sammlung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesimmissionsschutzgesetz Bundespersonalvertretungsgesetz Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, sogenannte amtliche Sammlung Bundesverfassungsgericht, Kammerentscheidung Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, sogenannte amtliche Sammlung beziehungsweise
CSU
circa Canon(es) Christlich-Demokratische Union Christliche Gemeinschaftsschulen Codex Iuris Canonici (promulgiert von Johannes Paul II. 1983) Christlich-Soziale Union
DB DDR ders. DITIB DÖD DÖV Dok. DStR DtZ DuR DVBl
Der Betrieb (Z) Deutsche Demokratische Republik derselbe Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion Der öffentliche Dienst (Z) Die öffentliche Verwaltung (Z) Dokument Deutsches Steuerrecht (Wochenschrift) Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Demokratie und Recht (Z) Deutsches Verwaltungsblatt (Z)
Abkürzungsverzeichnis
E EFG EG EGBGB EGMR EGV EKD EKMR EMRK ena epd Essener Gespräche EU EuGH EuGRZ EuR EUV EvStL EZW
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Entscheidung Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Evangelische Kirche in Deutschland Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Evangelischer Nachrichtendienst Evangelischer Pressedienst Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Europäische Union; auch Ethikunterricht Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht (Z) Vertrag über die Europäische Union Evangelisches Staatslexikon (3. A., 2 Bde. 1987; Neuausgabe 2006, 1 Bd.) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht; Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
f. FB FDP ff. FamRZ FG Fn. FS
folgende Fachbereich Freie Demokratische Partei fortfolgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Finanzgericht Fußnote Festschrift
G gem. GewA(rch) GG ggf. grdl. GS GV. NRW
Gesetz gemäß Gewerbearchiv (Z) Grundgesetz gegebenenfalls grundlegend Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen
H. HdbKathKR HdbStKirchR HdbStR HdbVerfR
Heft Handbuch des katholischen Kirchenrechts (1983) Handbuch des Staatskirchenrechts (2 Bde., 1974/75) Handbuch des Staatsrechts (6 Bde., ab 1987) Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (1983)
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Abkürzungsverzeichnis
HdbWissR Hervorh. h. M. HmbGVBl. Hrsg. hrsg.
Handbuch des Wissenschaftsrechts (2 Bde., 1982) Hervorhebung herrschende Meinung Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Herausgeber herausgegeben
i. d. F. i. e. S. insb. i. S. i. V. m.
in der Fassung im eingen Sinne insbesondere im Sinn in Verbindung mit
JA Jh. JöR Jura JuS Jus Eccl. JWG JZ
Juristische Arbeitsblätter (Z) Jahrhundert Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Ausbildung (Z) Juristische Schulung (Z) Jus Ecclesiasticum (Schriftenreihe) Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung (Z)
Kan. Abt. K. d. ö. R. KJ KDVG KMBl. KODA krit. KritV
Kanonistische Abteilung Körperschaft des öffentlichen Rechts Kritische Justiz (Z) Kriegsdienstverweigerungsgesetz Kultusministerialblatt Kommissionen zur Ordnung des diözesanen Arbeitsrechts kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Koordinierungsrat der Muslime Kündigungsschutzgesetz Kommunale Steuerzeitschrift
KRM KSchG KStZ lat. LER LIGA Lit. LitV LKV LS LThK
lateinisch Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde Träger der Freien Wohlfahrtspflege, die in der „Bundesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege“ zusammengefasst sind Literatur Literaturverzeichnis Landes- und Kommunalverwaltung (Z) Leitsatz Lexikon für Theologie und Kirche
MAVO MdB
Mitarbeitervertretungsordnung Mitglied des Bundestages
Abkürzungsverzeichnis
MdKI MDR m. E. MeVoGVBl
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Mill. MitbestG MIZ m. N. Mrd. MRRG MSG MSV MVG
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ND n. F. NJW NRW NuR NVwZ NVwZ-RR NWVBl NRWVerf NZA NZWehrR
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RG RGBl. RGG RhPfVerf RK
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Abkürzungsverzeichnis
RKEG RL Rn. RSG Rspr. RU S. s. SaAnhGVBl SaarlVerf SächsGVBl s. o. SBR SED SG SGB SKA SL Sp. SPD St. st. StdZ StL-GG
Gesetz über die religiöse Kindererziehung (1921; s. auch RelKErzG) Richtlinie Randnummer Religion, Staat, Gesellschaft (Z) Rechtsprechung Religionsunterricht
StVO stw.
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ThürGVBl TRE
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U. u. a. u. ä. usf. usw. u. U. u. v. a.
Urteil und andere; unter anderem und ähnliches und so fort und so weiter unter Umständen und viele andere
v. v. a. VBlBW VerfGBbg VerwArch Vf. VG
vom vor allem Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Z) Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Verwaltungsarchiv (Z) Verfahren Verwaltungsgericht
Abkürzungsverzeichnis
VGH vgl. VIKZ VR VVDStRL VwGO WG WissR WPflG WRV Z ZaöRV ZAR z. B. ZBR ZDG ZdE ZDv ZevKR ZfA ZfP ZfSH/SGB zit. ZMD ZMV ZRG ZRP z. T. ZTR ZUM
XXI
Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verband der Islamischen Kulturzentren Verwaltungsrundschau (Z) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Weltanschauungsgemeinschaft(en) Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, schaftsförderung (Z) Wehrpflichtgesetz Weimarer Reichsverfassung
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§ 1 Zur Geschichte der Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche
Literatur: G. Denzler (Hrsg.), Kirche und Staat auf Distanz, 1977; W. P. Fuchs (Hrsg.), Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, 1966; H. Fürstenau, Das Grundrecht der Religionsfreiheit …, ND 1975 (Erstausgabe 1891); H. R. Guggisberg (Hrsg.), Religiöse Toleranz, 1984; M. Heckel, ZevKR 2000, 173; Chr. Hillgruber, DVBl 1999, 1155; E. R. Huber/ W. Huber (Hrsg.), Staat und Kirche im 19. und 20. Jh., 4 Bde., 1973–1988; J. Isensee, ZRG, Kan. Abt., LXXIII (1987), 296 (krit. zu katholischer Kirche und Menschenrechten); C. Link, JZ 1998, 1 (zum Westfälischen Frieden); H. Lutz (Hrsg.), Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, Darmstadt 1977; M. Seckler, Theologische Quartalschrift 1995, 1 (zu katholischen Toleranz- und Intoleranzdoktrinen); R. Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997.
Generell sind in den Ländern des europäischen Kulturkreises historisch zwei 1 Grundmodelle zu unterscheiden: Einheitslösungen und Trennungslösungen. − Bei den Einheitslösungen ist die religiöse Wahrheit zugleich Staatswahrheit. Dabei war die Variante der Priesterherrschaft (Hierokratie) in der vorchristlichen Antike weit verbreitet. Auch gab es Kulturen, in denen die Herrscher als Götter verehrt wurden. Die im Abendland verbreitete Variante war das Staatskirchentum mit Staatsreligion. − Dem stehen die Trennungslösungen gegenüber, die zumindest grundsätzlich zwischen religiöser und politischer Macht unterscheiden. Dabei schließt dieser institutionelle Dualismus eine religiöse Begründung und Bindung der weltlichen Herrschaft aber keineswegs aus. Verbreitet sind Mischformen (s. zur aktuellen Lage § 20 II). Mit der Frage dieser Lösungsmodelle hängt die der persönlichen Religionsfreiheit 2 eng zusammen, aber sie ist davon immer zu unterscheiden. Voraussetzung jeder individuellen Religionsfreiheit ist unstreitig jedenfalls ein gewisses Maß der Trennung von Staat und Religion.
I. Entwicklung bis zur Reformation Die Entwicklung zur Trennung von Staat und Kirche ist spezifisch europäisch und 3 ein bemerkenswert ungewöhnlicher Vorgang. Aber nur das westliche Christentum, das in der Nachfolge des weströmischen Reichs stand, tendierte – anders als das Christentum im byzantinischen Cäsaropapismus (380/81: Christentum alleinige
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§ 1 Zur Geschichte der Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche
Staatsreligion) – zu einer Scheidung des geistlichen und weltlichen Bereichs. Man knüpfte an die augustinische Unterscheidung zwischen Civitas Dei und Civitas terrena an. Ein früher Ausdruck dieses Bestrebens nach Eigenständigkeit der kirchlichen Gewalt ist ein Brief des Papstes Gelasius I. an Kaiser Anastasios im Jahr 494, in dem er eine Zwei-Gewalten-Lehre propagiert. Daraus entwickelte sich die Zwei-Schwerter-Lehre mit ihren Jahrhunderte währenden leidenschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst. Bei diesen ging es um Macht und Einfluss und somit um die Vorherrschaft innerhalb der einen Christenheit (Unum Corpus Christianum). Bei grundsätzlicher Unterscheidung von geistlichem und weltlichem Bereich gab es aber stets zahlreiche Überschneidungen und gegenseitige Übergriffe, die ein ständiger Anlass für Streit waren. Bei den mittelalterlichen Auseinandersetzungen gelang es der Kirche zunächst, Erfolge im Kampf um ihre Unabhängigkeit zu erringen (Investiturstreit). In Deutschland stand sie schließlich doch auf Reichsebene und in den Territorialstaaten und großen Städten mehr auf der Verliererseite. Im Spätmittelalter schufen die Aufsichts- und Verwaltungsrechte des Staats über die Kirche und ihr Vermögen günstige Voraussetzungen für das frühe Landeskirchentum, das sich nach der Reformation kräftig entwickelte.
II. Reformation und nachreformatorische Zeit 1. Reformation
4 Die Reformation war wesentlich für die Entwicklung der Trennung von Staat und Kirche und die Religionsfreiheit. Sie zerbrach die Glaubenseinheit, brachte aber noch längst nicht Glaubensfreiheit, sondern nur Glaubenszweiheit. Diese wurde dokumentiert durch den Augsburger Religionsfrieden von 1555. Schließlich, nach dreißigjährigem Morden, wurden die Religionsparteien durch den Westfälischen Frieden von 1648 erweitert. Die beiden anerkannten Religionsparteien wurden um das reformierte Bekenntnis (insbesondere die Calvinisten) ergänzt auf der Basis der – im Übrigen aber exklusiven – christlich-konfessionellen reichsrechtlichen Parität. Von individueller Religionsfreiheit kann dabei aber noch nicht die Rede sein. Die in den Einzelstaaten zunächst erzwungene konfessionelle Einheit (cuius regio eius religio) wurde jetzt lediglich etwas aufgeweicht durch das Abstellen auf das festgelegte Normaljahr 1624. Ansonsten blieb für nicht anerkannte Konfessionen lediglich das Recht zum Privatgottesdienst oder wenigstens zur Hausandacht. Als letzte Ausflucht blieb das Recht der Auswanderung, wenn man eine aufnahmebereite Herrschaft fand.1
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Zum Westfälischen Frieden C. Link, JZ 1998, 1.
II. Reformation und nachreformatorische Zeit
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2. Aufklärung Erst das Aufklärungszeitalter brachte wesentlich neue Entwicklungen. Der moder- 5 ne europäische Staat der Aufklärung bildete in Deutschland ein kräftiges Staatskirchentum aus. In ihm erscheint Kirche als innerstaatlicher Verband, der der Souveränität des Herrschers unterliegt. An die Stelle des mittelalterlichen Dualismus trat also die allgemeine staatliche Kirchenhoheit. Deren Restbestände wurden erst durch die WRV beseitigt und selbst in der Staatspraxis der Weimarer Zeit wirkten sie in Form einer gewissen Kirchenaufsicht systemfremd fort. Bis zur vollen individuellen und korporativen Religionsfreiheit war es noch ein weiter Weg. In der politischen Philosophie des 17. und 18. Jh. trat das Individuum allmählich in den Vordergrund. Diese Aufklärungsphilosophie verstand Religionsfreiheit schon als individuelles Menschenrecht. Als erster focht Thomas Hobbes (1588–1679) die aristotelische und christlich-mittelalterliche Lehre von der natürlichen Ungleichheit des Menschen an. Der Gleichheitsgedanke des modernen Naturrechts, eine Basis der Menschenrechtsentwicklung, beruht nach Hobbes nicht mehr auf der Gleichheit vor Gott, sondern wesentlich auf der biologischen Artgleichheit. Wenn man in Europa die Gewährleistung des konfessionellen Friedens nun als Staatsaufgabe ansah, war das freilich durch die verheerenden Religionskriege erzwungen und nicht Ergebnis toleranter Einstellung. Aber die Unterstützung durch die Philosophen war wichtig. Pufendorf (1632–1694) und Thomasius (1655–1728) lehrten sogar, die weltliche Herrschaft habe keine Kompetenz in Glaubensfragen.2 Diese Position auch in der konkreten Rechtspraxis zu akzeptieren, fällt selbst manch heutigem deutschen Juristen noch schwer. 3. Herkunft der Menschenrechte Auch bei Juristen ist die Frage nach der geistigen Herkunft der Menschenrechte 6 umstritten. Häufig wird einseitig ihre christliche Herkunft betont.3 Die Menschenwürde und der Gedanke der Gottesebenbildlichkeit des Menschen werden in Verbindung gebracht. Die Vorstellung von der einen und gleichen Würde des Menschen kam aber vor der Neuzeit nicht zum Durchbruch. Spätestens seit Kant (1724–1804) gehört zur Menschenwürde die sittliche Autonomie des Menschen, 2 3
Vgl. C. Link, Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979, 294 ff., 310 ff. S. aber zum Ganzen O. Höffe, Vernunft und Recht, 1996 (Kap. 4: Christentum und Menschenrechte, S. 83–105; stw.); H. Hofmann, JuS 1988, 841–848; M. Honecker, MdKI 1998, 103; W. Huber, Art. Menschenrechte, in: EvStL 3. A. 1987; J. Isensee, ZRG Kan. Abt. LXXIII (1987), 296; H. Lutz (Hrsg.), Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, 1977; H. Maier, Wie universal sind die Menschenrechte? (Herder Spektrum; S. 78–91 zur Geschichte der Menschenrechte und Religionsfreiheit); A. PfahlTraughber, in: humanismus aktuell H. 5 (1999), 66–77; G. Putz, Christentum und Menschenrechte, 1991; W. Schild, Art. Menschenrechte, in: U. Ruh u. a. (Hrsg.), Handwörterbuch religiöser Gegenwartsfragen, 1986.
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§ 1 Zur Geschichte der Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche
und die so verstandene Menschenwürde ist auch Grundlage der Freiheits- und Gleichheitsrechte des GG. Demgegenüber bekämpfte die christliche Theologie diesen Autonomiebegriff 200 Jahre lang als frevelhafte Anmaßung. Das nachreformatorische, wesentlich christlich geprägte Europa bot aber auf der Basis des Gedankenguts der Antike und der Renaissance günstige Voraussetzungen für die Entwicklung von Menschenrechten und Religionsfreiheit. Beide sind aber ein Produkt komplexer historischer Vorgänge und des rationalen und aufklärerischen Individualismus. Die Virginia Bill of Rights von 1776 ist, anders als die französische Menschenrechtserklärung von 1789, Produkt eines aufgeklärten Christentums in spezifischer historischer Situation. Insgesamt kann man keineswegs sagen, es führe ein direkter Weg von der christlichen Lehre zu den modernen Menschenrechtserklärungen.4 Die Neuausgabe des Evangelischen Staatslexikons von 2006 enthält in ihrem einschlägigen Artikel5 keinerlei Hinweis auf eine christliche Herkunft der Menschenrechte. Die historisch erzwungene religiöse Toleranz war auch im aufgeklärten Absolutismus in der Regel auf Christen beschränkt; der sogenannte Ungläubige blieb grundsätzlich Staatsfeind (auch bei Locke und Rousseau), war jedenfalls als Untertan suspekt und durfte seine weltanschauliche Überzeugung nicht öffentlich äußern. Der Philosoph Otfried Höffe beschreibt das Kapitel „Christentum und Menschenrechte“ eingehend als ein „Drama in fünf Akten“.6 Das Christentum habe zunächst wesentlich selbst jene Schwierigkeiten geschaffen, für deren Lösung man die Menschenrechte brauche. Das sozial unverträgliche Prinzip „Wahrheit vor Freiheit“ galt im katholischen Bereich in abgeschwächter Form sogar bis zum 2. Vatikanum mit seiner revolutionären Erklärung über die Religionsfreiheit.7
III. Die preußische Religionspolitik 1. Friedensinteresse
7 Besondere Resonanz fand das aufklärerische Gedankengut in der neuen Großmacht Preußen, in der bei protestantischer Mehrheit auch starke katholische Minderheiten lebten und somit ein großes Interesse an konfessionellem Frieden bestand. Im Staat Friedrichs II. sollte jeder nach seiner Façon selig werden können, was sich aber nur auf die Religionsausübung im familiären Bereich bezog. Entsprechend den aufklärerischen Prinzipien wurde auch gegenüber den diversen kleinen christlichen Gemeinschaften Toleranz geübt, worin Preußen anderen europäischen Staaten weit voraus war. Besonders gut ausgebaut war die in religiöser Hinsicht freiheitliche Auffassung im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 4 5 6 7
So auch z. B. H. Maier, a. a. O., 84. R. Poscher, EvStL, Neuausgabe 2006, Art. Grundrechte, Menschenrechte. O. Höffe, 1996, a. a. O., 83–105. Hierzu statt aller E.-W. Böckenförde, Stimmen der Zeit 204 (1986), 303.
III. Die preußische Religionspolitik
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1794 (ALR). Es datiert bereits nach der Französischen Revolution und deren Menschenrechtskatalog, der übrigens – wenig bekannt – noch nicht für Frauen galt. Das damals sehr freiheitliche ALR verpflichtete die Kirchen ausdrücklich dazu, „ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflößen“. Heute würde man dazu sagen, es handele sich hauptsächlich um eine Instrumentalisierung der Religion, obwohl dieses Denken in der Kategorie der staatlichen cura religionis auch im heutigen Deutschland zumindest in der Praxis noch nicht verschwunden ist (s. § 3 II). 2. Kirchenhoheit Die staatliche Kirchenhoheit über die „Religionsgesellschaften“ bedeutete in 8 Preußen (und nicht nur dort) nach dem Allgemeinen Landrecht von 1794 ein strenges Reglement, das in nicht weniger als 1232 Paragraphen festgelegt war, religiös-dogmatische Fragen ausgenommen. Das ALR unterschied zwischen den drei reichsrechtlich anerkannten öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften, die ihren Kult auch öffentlich ausüben durften, und den nur geduldeten Kirchengesellschaften minderen Rechts, die z. B. keine Steuerfreiheit genossen. Nach dem ALR war der König „Quelle aller äußeren Gewalt im Staate“ und besaß die bischöflichen Rechte (Episkopalrechte) über die evangelische, reformierte und katholische Kirche. Bedeutungsvoll war die Vorschrift, wonach sich sämtliche Religions- und Kirchengesellschaften „in allen Angelegenheiten, die sie mit anderen bürgerlichen Gesellschaften gemein haben, nach den Gesetzen des Staates richten“ müssen. Diese Bestimmung kehrt ähnlich, freilich im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsrecht, in § 147 I der Paulskirchenverfassung von 1849 und Art. 15 der Preußischen Verfassung von 1850 wieder. Auch heute gilt die Formel des Art. 137 III WRV von den Schranken der für alle geltenden Gesetze. Man unterschied zwischen der allgemeinen Kirchenhoheit des Monarchen, den sogenannten iura circa sacra (Rechte im Umfeld der Religion), und seinen eigentlichen kirchenregimentlichen (innerkirchlichen) Befugnissen, den iura in sacra. Diese Unterscheidung ermöglichte im 19. Jh. eine allmähliche Trennung der innerkirchlichen Angelegenheiten aus der Einflusssphäre des Staates. Nur zugunsten der katholischen Kirche beschränkte sich das ALR auf die allgemeine Kirchenhoheit. 3. Katholischer Widerstand Trotz dieser Lockerung stand die katholische Auffassung in erheblichem Wider- 9 spruch zu den staatlichen Verhältnissen, was nach der Angliederung der Rheinprovinz und von Westfalen im Jahr 1815 schließlich zu den Kölner Wirren von 1837 mit ihrer eigenartigen Vorgeschichte führte. Im Mittelpunkt stand die Mischehenfrage, in der das preußische und das Kirchenrecht nicht vereinbar waren. Der Kölner Erzbischof von Droste zu Vischering hielt sich unerwartet an eine päpstliche Anweisung, was bis zu einem Amtsverbot und seiner Verhaftung führ-
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§ 1 Zur Geschichte der Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche
te. Im Rahmen einer Beilegung des Konflikts ab 1840 wurden die staatlichen Eingriffe in die Behandlung der Mischehen aufgehoben und später auch der Briefverkehr der Bischöfe und Domkapitel mit der römischen Kurie freigegeben. Er hatte zuvor nur über das Ministerium stattfinden dürfen. Die staatliche Zensur theologischer Schriften wurde gemildert, der Regierungseinfluss auf die Bischofswahlen eingeschränkt. Die neue Freiheit für die katholische Kirche war ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum ALR.
IV. Zur Entwicklung der Religionsfreiheit im 19. Jh. 1. Reichsdeputationshauptschluss und Frühkonstitutionalismus
10 Die religionsrechtliche Entwicklung im Deutschland des 19. Jh. ist gekennzeichnet durch eine allmähliche Lockerung des staatlichen Zugriffs auf die Kirchen, was besonders der katholischen Kirche zugute kam, und durch die allmähliche Entfaltung individueller Religionsfreiheit. Am Anfang der neuen Entwicklungsstufe stand eine Verfassungsrevolution, nämlich der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 mit seiner kompensatorischen Auflösung der rechtsrheinischen geistlichen Reichsfürstentümer (die ohnehin nicht mehr lebensfähig waren8) und der Säkularisierung des Reichskirchenguts zugunsten moderner, räumlich geschlossener weltlicher Staatsgebilde (Säkularisation; s. ergänzend § 15 III 2 zu den Staatsleistungen). Es gab keine Reichsbischöfe mehr und die katholische Kirche trennte sich zwangsläufig – zu ihrem Vorteil – von ihrer Feudalstruktur. Die neuen katholischen Bischöfe waren kirchlicher, mehr auf Rom und auf kirchliche Erneuerung ausgerichtet. Die neuen, lebensfähigen Mittelstaaten hatten nach 1803 und nach dem Wiener Kongress von 1815 starke konfessionelle Minderheiten, was die individuelle Religionsfreiheit begünstigte. Im Frühkonstitutionalismus deutscher Länder wurden wesentliche Prinzipien der Aufklärung anerkannt. Individuelle Religionsfreiheit und konfessionelle Parität wurden Leitprinzipien, und in beiden war das Trennungsprinzip angelegt. Wie schwierig die Entwicklung im Einzelnen war, darauf deuten schon die zitierten Kölner Wirren von 1837. Aber auch Bayern, das sich bezüglich der Protestanten im Allgemeinen nicht so unvernünftig verhielt wie Preußen bezüglich der Katholiken, leistete sich 1838 den Protestantenerlass, der die berühmte Kniebeugungsaffäre auslöste. Eine Order König Ludwigs I. verfügte: In Einheiten, die zu katholischen Militärgottesdiensten abgeordnet waren, hatten auch evangelische Soldaten bei der Wandlung, beim Segen und bei der Fronleichnamsprozession niederzuknien, eine Maßnahme, die in Preußen 1810 und 1832 schon eine Parallele gehabt hatte und Empörung auslöste. Erst nach vielen Jahren nahm der König seine Order zurück, so wie es auch in Preußen als Folge der Kölner Wirren geschehen war. Weiterhin gab es im vor8
P. Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung im Urteil der zeitgenössischen Publizistik, Lübeck/Hamburg 1966.
IV. Zur Entwicklung der Religionsfreiheit im 19. Jh.
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märzlichen Deutschland der Restaurationszeit das staatliche Plazet zur innerkirchlichen Rechtsgültigkeit kirchlicher Gesetze, staatliche Regelung des kirchlichen Verkehrs mit der Kurie, Einflussnahme bei der Besetzung kirchlicher Ämter usw. 2. Von 1848 bis 1918 a) Mit dem Revolutionsjahr 1848 begann auch in Deutschland ein neuer Abschnitt 11 im Staat-Kirche-Verhältnis. Nachdrücklich forderten die katholische Kirche, aber auch wichtige Vertreter der Protestanten die Abkehr des Staates von der Bevormundung der Kirchen. In der Frankfurter Nationalversammlung traten die Vertreter der katholischen Minderheit nahezu geschlossen für eine Trennung von Kirche und Staat nach belgischem oder amerikanischem Vorbild ein, was der Verfassungsausschuss aber, auch wegen der engen Verbindung der evangelischen Landeskirchen mit dem Staat, ablehnte. Nach einer massiven katholischen Petitionsbewegung zugunsten der Kirchenfreiheit kam im Zweckbündnis mit den kirchenkritischen Liberalen die äußerst fortschrittliche Regelung der Paulskirchenverfassung zustande. Deren § 147 lautete: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden. Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.“
Diese ihrer Zeit weit vorauseilende freiheitliche Regelung war unmittelbares Vorbild für die WRV, konnte aber nicht in Kraft treten. b) Die bis 1918 geltende neue Preußische Verfassung von 1850 fiel wieder deut- 12 lich zurück, räumte aber unter Aufrechterhaltung des Bündnisses von Thron und Altar der katholischen und evangelischen Kirche manche Freiheiten in der Selbstverwaltung ein. Im Gegensatz zur katholischen Kirche hatte die evangelische Kirche aber keine eigene Kirchenverwaltung. Das landesherrliche Kirchenregiment über die evangelische Kirche blieb daher bei Einrichtung staatlich-kirchlicher Behörden grundsätzlich unangetastet. Trotz individueller Religionsfreiheit verstand sich der preußische Staat auch nach seiner Verfassung als christlicher, was insbesondere im Schulwesen zum Ausdruck kam. Im Preußen Bismarcks führte der erbittert geführte Kulturkampf immerhin auch zur Beendigung der geistlichen Schulaufsicht, was den bayerischen Lehrern trotz jahrzehntelangen ebenfalls erbitterten Kampfes bis zum Ende der Monarchie nicht gelang. c) Einige Anmerkungen verdient Bismarcks Kulturkampf gegen die katholische 13 Kirche (1870–1878).9 Bald nach der Reichsgründung 1871 kam es zum Zusammenstoß mit dem politischen Katholizismus und seiner neugegründeten ZentrumsPartei, die als zweitstärkste Fraktion in den Reichstag einzog. Hauptkampfplatz 9
Hierzu eingehend R. Morsey, in: Essener Gespräche 34 (2000), 5.
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§ 1 Zur Geschichte der Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche
war der preußische Landtag. Bismarck sah eine Opposition zum evangelischen Kaisertum und eine Staatsgefährdung. Die antikatholischen Affekte führten zu einigen Kampfgesetzen Preußens und des Reichs (Kanzelparagraf 130a StGB, 1871; Schulaufsichtsgesetz und Jesuitengesetz 1872, Maßnahmen wie Staatsaufsicht mit Kulturexamen für Geistliche, Meldepflicht für Besetzung kirchlicher Ämter, Beschränkung der Freizügigkeit für Geistliche, Inhaftierung etlicher Bischöfe, Aufhebung zahlreicher Ordensniederlassungen, Gehaltssperren und viele andere). Der scharfe Antikatholizismus (der auch in mehreren anderen europäischen 14 Ländern, insb. in Italien und der Schweiz, einen Kulturkampf auslöste) hatte mehrere Ursachen. Neben der Gründung der Zentrums-Partei spielte das unter massivem päpstlichem Druck zustande gekommene Unfehlbarkeitsdogma des gerade erst (unmittelbar vor der Besetzung Roms und der Beseitigung des Kirchenstaats durch die italienischen Truppen) beendeten 1. Vatikanischen Konzils eine Rolle; die Mehrzahl der deutschen und österreichischen Bischöfe wurde zum Einlenken auf die neue Lehre gezwungen.10 Ein verstärkter ultramontaner Einfluss stand im Widerspruch zu Bestrebungen einer protestantischen Nationalkultur und Bismarck war besorgt im Hinblick auf eine befürchtete „schwarze Internationale“ (Österreich, Frankreich, Polen). Der berühmt-berüchtigte „Syllabus errorum“ Pius IX. von 1864 war noch in frischer negativer Erinnerung. In Form eines Bannfluchs hatte der Papst 80 liberale Irrtümer angeprangert, darunter in Nr. 15 die individuelle Religionsfreiheit, in Nr. 45 die staatliche Schule, in Nr. 67 die staatliche Ehescheidung, in Nr. 77 die Anerkennung einer anderen als der katholischen Religion als ausschließliche Staatsreligion und in Nr. 80 die Ansicht, der Papst müsse sich mit dem Fortschritt, dem Liberalismus und der modernen Kultur aussöhnen und verständigen. Aber Bismarck schoss mit den starken Eingriffen der Kampfgesetze in die Re15 ligionsfreiheit und mit behördlichen Willkürmaßnahmen weit über das Ziel hinaus und war klarer Verlierer der Auseinandersetzung. Der deutsche Katholizismus wurde durch Solidarisierung deutlich und nachhaltig gestärkt, seine Unabhängigkeit erhöht. Bleibendes Ergebnis des Kulturkampfes war die endgültige Herstellung der allein staatlichen Kompetenz bei der bürgerlichen Eheschließung sowie im Schul- und Hochschulwesen: ein weiterer Schritt zur Trennung von Staat und Religion.
16 d) Im 19. Jh. rangen der rein säkulare Staatszweck und die Idee des christlichen Staats miteinander. Der staatliche und kirchliche Rechtskreis sonderten sich dabei zunehmend. Friedrich Julius Stahl forderte den Christlichen Staat und hatte darin zahlreiche gewichtige Befürworter, darunter den frommen Friedrich Wilhelm IV. Ihnen gelang es, unterstützt auch vom jungen Bismarck, in Art. 14 der PreußVerf von 1850 den christlichen Charakter staatlicher Institutionen festzuschreiben. Gegenpol war der ebenfalls protestantische große Kirchenrechtslehrer Rudolf Sohm, 10
S. die eindringliche Dokumentation bei A. B. Hasler, Wie der Papst unfehlbar wurde, 1981. Langfristig hatte das zweite proklamierte Dogma, nämlich der Jurisdiktionsprimat, eine größere Bedeutung, da er dem Papst weltweit eine bisher unbekannte absolute innerkirchliche Machtfülle garantierte.
V. Vom toleranten Glaubensstaat zum Staat der Religionsfreiheit
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dem zufolge es einen christlichen Staat ebenso wenig geben könne wie eine christliche Wirtschaftsordnung, habe doch der Staat überhaupt keine religiös-weltanschaulichen Zwecke zu verfolgen. Insgesamt hatte im Religionsrecht des 19. Jh. die individuelle Religionsfreiheit den Vorrang vor der institutionellen. Der Status der Person folgte wesentlich dem Prinzip des religiösen Agnostizismus. Der öffentliche Status der Kirchen war bestimmt durch den Grundsatz der Parität und die Förderung der Großkirchen einerseits sowie die Respektierung der anderen Religionsgesellschaften auf niedrigerem Status andererseits. Trotz aller Verklammerung von Staat und Religion auf Landesebene – das Reichsrecht ignorierte diese Fragen – schritt die Trennung beider fort. Der Prozess wird durch den Summepiskopat der Landesherren fassadenhaft verdeckt, „bis sich dann im Jahre 1919 die äußere Trennung gleichsam als reife Frucht eines Jahrhunderts vom Baume der Geschichte löst“ 11.
V. Vom toleranten Glaubensstaat zum Staat der Religionsfreiheit 1. Weimarer Zeit a) Die religionsrechtlichen Regelungen der Weimarer Reichsverfassung (und da- 17 mit im Wesentlichen auch des GG) waren Ergebnis eines erstaunlichen Kompromisses zwischen der damals kirchenkritischen SPD und dem katholischen Zentrum. Mit dieser modernen demokratischen Verfassung begann eine völlig neue Epoche des Religionsverfassungsrechts. An die Stelle des gemäßigten Glaubensstaats trat der Staat der Religionsfreiheit.12 Entscheidend war das Verbot der Staatskirche in Art. 137 I WRV, mit dem die Restbestände des Staatskirchenwesens mit dem Summepiskopat (etwa des persönlich katholischen bayerischen Regenten als Oberhaupt der lutherischen Landeskirche) beseitigt wurden. Für die evangelischen Kirchen, denen eine eigene Verwaltung fehlte, hatte das schwerwiegende Folgen, die durch das staatliche Kirchensteuerrecht – eine Anomalie des Systems – abgemildert wurden. Etabliert wurde darüber hinaus ein System institutioneller Trennung von Staat und Kirche, auch auf vermögensrechtlichem Gebiet, kombiniert mit einigen Bevorzugungen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. b) Mit welchen Aufwallungen anlässlich des Umbruchs trotz aller Kirchen- und 18 Religionsfreundlichkeit der WRV zu rechnen war, zeigen katholische Reaktionen aus Bayern aus der Zeit vor Inkrafttreten der neuen Reichsverfassung. Die nach der Novemberrevolution verfügte Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht in der staatlichen Schule war in den Augen der bayerischen Bischöfe – nicht aber der 11 12
M. Heckel, ZevKR 12, 1966/67, 1 (31). Vgl. zur staatsphilosophischen Bedeutung H.-M. Pawlowski, Rechtstheorie 19 (1988), 409.
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§ 1 Zur Geschichte der Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche
evangelischen Kirche – eine „überstürzte Gewaltmaßregel“. Die jetzt erstmals gegebene bloße Möglichkeit der Abmeldung vom Religionsunterricht war für sie eine „neue kulturkämpferische Gewalttat gegen Religion und Kirche“ und ein „Eingriff in das innerkirchliche Rechtsgebiet“. „Endlose Beunruhigung unseres Volkes und zunehmende sittliche Verwilderung der Jugend“ seien die notwendige Folge.13 Und Kardinal Faulhaber veranlasste dies in seinem Hirtenbrief vom 29. 1. 1919 zu einem flammenden Aufschrei: Die soeben durch Verordnung verfügte Möglichkeit der Abmeldung wiege schlimmer als der Blutbefehl des Herodes zum Kindermord und der Religionsunterricht sei jetzt „der Willkür der Eltern und Vormünder ausgeliefert“14. Aber mit der WRV wurde das Ende des christlichen Staats normatives Faktum. Rechtstatsächlich sah die Lage freilich anders aus (insb.: christliches Schulsystem, Kirchenverträge). Zu der insgesamt starken Verweigerungshaltung beider großer Kirchen gegenüber dem Weimarer demokratischen Staat muss man betonen, dass es niemals zuvor für Einzelpersonen wie für Religionsgemeinschaften, insbesondere die evangelische Kirche, so große Freiheiten gegeben hatte.15 2. Nationalsozialismus und Kirchen Literatur: G. Denzler/V. Fabricius, Christen und Nationalsozialisten, Frankfurt a. M. 1993; G. Lewy, Die katholische Kirche und das Dritte Reich, 1965; K. Meier, Kreuz und Hakenkreuz. Die evangelische Kirche im Dritten Reich, 2001; K. Nowak, Geschichte des Christentums in Deutschland, 1995, S. 243–288 und 362–368; K. Scholder, Die Kirchen zwischen Republik und Gewaltherrschaft. Gesammelte Aufsätze, 1988, S. 113–258; J. Winter, Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979.
19 Auf das abgründige und komplexe Thema Nationalsozialismus und Kirchen ist nicht näher einzugehen, weil der Nationalsozialismus kein eigenständiges religionsrechtliches bzw. verfassungspolitisches System entwickelt hat. Der Plan einer durch Reichsgesetz zu etablierenden evangelischen Reichskirche scheiterte. In ein staatliches System, in dem die historisch entwickelten Begriffe der Religionsfreiheit, Trennung und Verbindung von Staat und Kirche eine begrifflich konturierte Rolle spielen, ließ sich die NS-Politik nicht einordnen. Es gab sowohl staatskirchliche Bestrebungen wie die Vorstellung radikaler Trennung. Echte Religionsfreiheit lag dem totalitären Willkürsystem völlig fern, sein Verhalten war taktisch, ggf. durch Zufall bestimmt. Die historische Entwicklungslinie zur Trennung von Staat und Religion bei gleichzeitiger Religionsfreiheit wurde unterbrochen.
13
14 15
ABl. für die Erzdiözese München und Freising 1919, 19 = Dok. 76 bei E. R. Huber/W. Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jh., Bd. IV, 1988, 59 ff. Kard. M. Faulhaber, ebenda, ABl. 1919, 11 ff. = Dok. 77. Auf die Gründe für diese Verweigerungshaltung kann hier nicht eingegangen werden.
V. Vom toleranten Glaubensstaat zum Staat der Religionsfreiheit
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3. Deutsche Demokratische Republik Literatur: G. Besier, Der SED-Staat und die Kirche, Bd. 1: München 1993, Bd. 2: 1995, Bd. 3: 1995 (Standardwerk). Vgl. im Übrigen statt aller Evangelisches Staatslexikon, 3. A. 1987, Art. Deutsche Demokratische Republik VIII Sp. 538–560; Th. Boese, Die Entwicklung des Staatskirchenrechts in der DDR von 1945 bis 1989, 1994; H. Frédéric (Hrsg.), SED und Kirche, Bd. 1, 1946–1967 (1995), Bd. 2, 1968–1989 (1995); St. V. Gerlach, Staat und Kirche in der DDR – war die DDR ein totalitäres System? 1999; U. Haese, Katholische Kirche in der DDR, 1998; B. Schäfer, Staat und katholische Kirche in der DDR, 2. A. 1999.
a) Die DDR-Verfassung von 1949 übernahm im Wesentlichen die „Kirchen- 20 artikel“ der WRV einschließlich des Körperschaftscharakters, wurde aber weitgehend missachtet. In der Phase bis 1958 wurden Kirchen und Christen massiv bedrängt durch atheistische Propaganda, Förderung der Kirchenaustritte, Agitation gegen die Konfirmation und Ersetzung durch eine sozialistische Jugendweihe und andere Maßnahmen. Allerdings wurde der kirchliche Grundbesitz von der Bodenreform verschont und man duldete weiterhin Kirchenbeamte. 1958 bis 1968 war eine Zeit der Annäherung zwischen Staat und evangelischen Kirchen. Die Kirchenführung hielt die Christen zur Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten an und respektierte die sozialistische Entwicklung. Der Staat suchte die Zusammenarbeit aber nur mit ihm genehmen kirchlichen Partnern. Eine neue Situation brachte die Verfassung von 1968. Über die Rechtsstellung der Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften hieß es nur, dass sie ihre Tätigkeit im Einklang mit den Gesetzen ausüben könnten. 1969 schlossen sich die acht evangelischen Landeskirchen der DDR zu einem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zusammen und schieden aus der EKD aus, mit der sie trotz der Zweistaatlichkeit verbunden gewesen waren. Mit der EKD, die weiterhin auch umfangreiche Finanzhilfen gab, pflegte man aber auch nach 1969 eine vielfältige Zusammenarbeit. Die Kirche wollte jetzt Kirche im Sozialismus sein und wurde vom Staat in regelmäßigen Gesprächen als Partner akzeptiert, ohne aber in Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden. 1978 wurden die Beziehungen weiter verbessert, wichtige Zusagen an die Kirchen realisiert. Die Kirchen erhielten u. a. eine Sendezeit im Rundfunk und im Fernsehen. Eine erhebliche Belastung brachte 1981 die Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“. Träger des dazugehörigen Symbols wurden polizeilich gemaßregelt. 1983 bestritt das Regime der Kirche das Recht auf gesellschaftliche Kritik. Im gleichen Jahr fanden aber Staat und Kirche anlässlich des Lutherjubiläums aus unterschiedlichen Interessen zusammen, die Kirche erhielt erhebliche finanzielle und organisatorische Hilfen, auch für sieben regionale Kirchentage. Evangelische Pfarrer konnten an sechs staatlichen Universitäten und drei kirchlichen Hochschulen ausgebildet werden. Für andere kirchliche Berufe gab es viele kirchliche Ausbildungsstätten. Auf Grund der allgemein religionskritischen Verhältnisse befand sich die Kirche freilich in einer Diasporasituation. Kirchliche Taufe, Konfirmation, Trauung und Bestattung wurden zur Ausnahme. Trotzdem gewann das Wort der Kirche in den letzten Jahren der DDR an Gewicht. Es gab einen evangelischen Nachrichtendienst (ena). Die diakonische Tätigkeit in der DDR war vielfältig, durchaus beachtlich und wurde auch staatlich unterstützt. Zur SED-Politik gehörte es, einzelnen Pfarrern ggf. gezielt materielle
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§ 1 Zur Geschichte der Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche
Vergünstigungen zu gewähren wie Sachgeschenke, Bargeldzuwendungen, Urlaubsreisen. 21 b) Die katholische Kirche hatte in der DDR eine ziemlich untergeordnete Rolle. Jahrhundertelang hatte es in diesen Gebieten fast keine Katholiken gegeben, was sich erst im 19. Jh. allmählich änderte. Die Umsiedlungswelle 1945 brachte einen starken Katholikenzuwachs, was zu einer starken Bautätigkeit führte. Die katholische Kirche fühlte sich in der DDR zunächst besonders fremd und orientierte sich nach innen. In städtischen Neubaugebieten konnten aber eine Reihe neuer Kirchen, Gemeindezentren usw. errichtet werden. Auch eine größere Zahl von Orden war in der DDR tätig. 1952 wurde in Erfurt eine Priesterausbildungsstätte genehmigt, zu der Seminare hinzukamen. Die katholische Kirche verhielt sich gesellschaftlich ziemlich abstinent. Das lockerte sich erst seit etwa 1980. Auch in der DDR gab es eine Reihe kleinerer und kleiner Religionsgemein22 schaften. Die Zeugen Jehovas wurden jedoch 1950 verboten. 23 c) Alles in allem war das System eines der Trennung von Staat und Kirche, das im Grundsatz von der Kirche akzeptiert wurde. Die Kirche war gezwungen worden, sich eine eigene christliche Unterweisung in eigenen Räumen und ein eigenständiges Finanzwesen aufzubauen. Man begriff das jedoch als Chance der auf Freiwilligkeit basierenden Gemeinden. Das führte nach 1989 zu erheblichen, aber vergeblichen Widerständen gegen den von den Westkirchen ausgeübten Zwang, das westdeutsche Privilegiensystem zu übernehmen. Nicht zu übersehen ist, dass die sozialistische Staatsideologie zu einer sehr weitgehenden Entkirchlichung geführt hat, die erheblich über die starke Säkularisierung in Westdeutschland hinausging. 4. Bonner Grundgesetz 24 Das GG hat das Weimarer religionsrechtliche System nahezu vollständig übernommen, es ergänzt und intensiviert. Seine Säkularität auf der Basis gleicher Berechtigungen für alle Religionen und Weltanschauungen ist normativ klar und deutlich verankert, aber in der Praxis nach wie vor zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Das System ist das einer grundsätzlichen Trennung, verbunden mit Vorzugsregelungen für alle Religionsgemeinschaften und Gleichstellung auch der nichtreligiösen Weltanschauungsgemeinschaften. Es ist in erster Linie auf die großen Volkskirchen zugeschnitten und ähnelt dem System einzelner anderer westlicher Staaten (Kurzfassung des religionsverfassungsrechtlichen Systems des GG: s. § 4; Ausland: § 20 II).
§ 2 Grundfragen und aktuelle Probleme des Religionsrechts
I. Zum Gegenstand und Begriff des Religions- und Weltanschauungsrechts 1. Das herkömmliche Staatskirchenrecht Bis vor wenigen Jahren sprach man fast nur von Staatskirchenrecht. Man meinte 25 damit das umfangreiche Rechtsgebiet, das die Gesamtheit der staatlichen Rechtsnormen betrifft, die Religion und Weltanschauung zum Gegenstand haben. Im Vordergrund standen nach 1949 ganz eindeutig die sehr guten Beziehungen des Staats zu den Religionsgemeinschaften, und zwar speziell zu den großen Kirchen. Repräsentativ dafür ist insbesondere das gewichtige und thematisch umfassende Handbuch des Staatskirchenrechts.1 Da erstmals unter der Geltung des GG individuelle Grundrechte wirksam einklagbar wurden und das BVerfG auf die Rechtspraxis Druck auszuüben vermochte, spielten zunehmend auch vielfältige Problemstellungen der individuellen Religionsfreiheit (s. zu diesem zusammenfassenden Terminus § 7 I) eine Rolle. Sie wurden allgemein in das Verständnis des Begriffs „Staatskirchenrecht“ einbezogen. In einem weiteren Sinn wurden alle Vorschriften des einfachen Rechts als dazugehörig betrachtet, soweit sie sich punktuell mit Religion befassten (vgl. dazu insb. § 18).
1
HdbStKirchR, 2 Bde., 2. A. 1994/95. M. Stolleis merkte dazu in ZevKR 1996, 435 ff. an, die Autoren gehörten zu den Personenkreisen, die sich alljährlich bei den „Essener Gesprächen“ oder den Mitarbeitertagungen der ZevKR versammelten, also „eine geschlossene Gesellschaft, deren Grundkonsens in der Zugehörigkeit zu einer der beiden großen Konfessionen sowie in der prinzipiellen Bejahung der in Jahrzehnten entwickelten staatskirchenrechtlichen Ordnung besteht“ (437). „Der Duktus des Ganzen ist affirmativ und konservativ“ (440). Islam, Freikirchen und Weltanschauungsgemeinschaften hätten keine Stimme. Das Werk sei institutionell orientiert und Ausdruck eines „auf Wahrung seines politischen Einflusses und seiner Besitzstände bedachten Denkens“ (441).
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§ 2 Grundfragen und aktuelle Probleme des Religionsrechts
2. Etablierung einer neuen Terminologie
26 a) Infolge der stark fortschreitenden Säkularisierung in Westdeutschland, der zunehmenden religiösen Pluralisierung, der andersartigen Situation in den neuen Bundesländern und der wachsenden Bedeutung des Europarechts für das Religionsrecht wurde der Ausdruck „Staatskirchenrecht“ immer unangemessener. Er ist missverständlich, denn weder handelt es sich um kirchliches Recht, noch sind nur Kirchen betroffen. Auch klingt im Terminus „Staatskirchenrecht“ eine institutionelle Verbindung von Staat und Kirche an, die gerade charakteristisch für frühere geschichtliche Epochen war. WRV und GG kennen nicht einmal den Begriff „Kirche“, sondern nur „Religionsgesellschaften“ (Art. 136 III, 137 II–VII, 138 und 141 WRV), „Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen“ (Art. 137 VII WRV) sowie „Religionsgemeinschaften“ (Art. 7 III GG). Daneben spricht Art. 33 III GG von der „Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung“. Eine gewisse Ausnahme enthalten Art. 137 I und Art. 136 IV WRV: „Es besteht keine Staatskirche“, und es kann auch niemand „zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit“ gezwungen werden: das sind aber Verbote. Daher sprach für die Bezeichnung „Staatskirchenrecht“ nach 1949 der Sache nach eigentlich nichts außer der Tradition und der faktischen Dominanz der großen Kirchen in Staat und Gesellschaft. 27 b) Seit etwa 2000 haben sich weitgehend die zutreffenden Begriffe Religionsrecht sowie, enger gefasst, Religionsverfassungsrecht durchgesetzt.2 Der etwas umständlichere Ausdruck Religions- und Weltanschauungsrecht bringt noch deutlicher zum Ausdruck, dass nach dem GG Religion und Weltanschauung gleichgestellt sind (§§ 10, 11). Wenn hier aus Gründen sprachlicher Vereinfachung dennoch häufig von Religionsrecht und Religionsverfassungsrecht die Rede ist, sind die (nichtreligiösen) Weltanschauungen stets mitgemeint. Zu beachten ist noch, dass im allgemeinen Sprachgebrauch Weltanschauung meist als Oberbegriff für alle umfassenden Sinnsysteme gebraucht wird, sei sie religiöser oder nichtreligiöser Natur. Leider unterscheidet das GG trotz seiner Gleichstellung sprachlich zwischen Religion und Weltanschauung, was Ursache manchen Missverständnisses und mancher Diskriminierung ist.3
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3
G. Czermak, NVwZ 1999, 743; P. Häberle, DÖV 1976, 73. Auf die Existenz tiefschürfender begriffshistorischer und -theoretischer Untersuchungen sei hier nur hingewiesen. Insb.: A. Hense, in: A. Haratsch/N. Janz u. a. (Hrsg.): Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, Stuttgart u. a. 2001, 9; C. Walter, in: Grote/Marauhn, Religionsfreiheit, 2001, 215. So bedurfte es einer Entscheidung des VerfGH von Brandenburg, um den nichtstaatlichen Weltanschauungsunterricht eines humanistischen Verbands als Pendant zum nichtstaatlichen Religionsunterricht zu ermöglichen, abgedr. in NVwZ 2006, 1052 (U. v. 15. 12. 2005).
III. Besonderheiten des Rechtsgebiets
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II. Rechtsquellen − National: Grundgesetz (Anhang 3); Bundesrecht und Landesrecht.
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(Landesverfassungsrecht und Einzelregelungen in einer großen Zahl von Gesetzen: Parallelregelungen zum Bundesrecht, Gesetze und nachrangiges Recht in ausschließlicher Landeszuständigkeit, s. jeweils § 18 II); Vertragsrecht (Kirchenvertragsrecht, Vertragsstaatskirchenrecht), zumeist zwischen Bundesländern und Landeskirchen bzw. den katholischen Diözesen und dem Heiligen Stuhl. Die praktische Bedeutung des Vertragsrechts ist sehr groß, bei rechtstheoretisch-kritischer Betrachtung und Berücksichtigung der Verstöße gegen das GG und der wiederholenden Bestimmungen aber eher gering (s. § 14 III 4; sehr streitig).
− Recht der EG
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Keine religionsrechtliche Kompetenz, aber zunehmend Regelungen des vorrangigen EG-Rechts mit religionsrechtlich bedeutsamen Einzelbestimmungen; insgesamt nur geringer Einfluss auf das nationale Religionsverfassungsrecht (näher zur europäischen Entwicklung § 20 und Anhang 5).
− Völkerrecht
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Wichtig (aber inhaltlich grundsätzlich nicht über das GG hinausgehend) ist die EMRK, insb. mit dem die Religionsfreiheit gewährleistenden Art. 9, weil sie unmittelbar im Rang eines einfachen Bundesgesetzes gilt und die Gerichte die Rspr. des EGMR zu beachten haben (§ 20 und Anhang 5). Diverse völkerrechtliche Verträge mit religionsrechtlichem Bezug sind für Deutschland ohne praktische Bedeutung.
III. Besonderheiten des Rechtsgebiets 1. Ideologische Aufladung a) Das Religions- und Weltanschauungsrecht ist wie kaum ein anderes ideologisch 31 gefährdet. Friedrich von Zezschwitz hat das schon vor Jahrzehnten auf den Punkt gebracht: „In wenigen Verfassungsrechtsfragen ist die Scheidelinie zwischen exegetischem Bemühen und schlichter ‚Ideologiejurisprudenz‘ so schlecht markiert wie bei der Beurteilung der religiösen und weltanschaulichen Aktivitäten des Staates.“4 Der Rechtshistoriker und Kirchenrechtler Heckel ergänzt: „Der Anschein der Verschleierung einer gewissen Unaufrichtigkeit, die scheinbiedere Verwendung der Argumente des Gegners, um in sophistischer Verdrehung diesen selbst damit zu schlagen, ist freilich ein altgewohntes Phänomen im Kirchen- und Staatskirchenrecht.“5 Bei Jeand’Heur/Korioth heißt es noch klarer: „Das Hauptproblem im Staatskirchenrecht ist, dass in diesem Rechtsgebiet häufig vom (erwünschten) Ergebnis und den jeweiligen staats- und kirchentheoretischen Prämissen her dis4 5
F. v. Zezschwitz, JZ 1971, 11 (11). M. Heckel, DVBl 1996, 453 (455).
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§ 2 Grundfragen und aktuelle Probleme des Religionsrechts
kutiert wird; die juristische Methode droht in den Hintergrund geschoben zu werden.“6 Leider kommt es besonders häufig vor, dass Autoren vermeintlich klare, „liberale“ und konsensfähige Obersätze aufstellen (z. B. Neutralität als Unparteilichkeit, Verbot staatlicher Einflussnahme), an die sie sich dann aber im konkreten Fall nicht halten.
32 b) Die Gefahr ideologisch motivierter Auslegung und Rechtsanwendung besteht natürlich bei jeder Art von geistigem Hintergrund. Dieser ist auch von Bedeutung für das Problembewusstsein und die Schwerpunktsetzung. Gerade die eigenen Vorverständnisse müssen daher selbstkritisch bewusst gemacht und auf ihre Legitimität im konkreten Fall geprüft werden. Auch berechtigte Interessen abgelehnter Richtungen sind zu berücksichtigen. Die generelle Kritik an verbreiteten Gepflogenheiten im Religionsrecht bestätigt etwa Joachim Wieland, wenn er Markus Kleine7 darin zustimmt, viele staatskirchenrechtliche Äußerungen seien „mehr von einer kirchenfreundlichen Grundüberzeugung als von methodischer Strenge geleitet“. Man könne ihm „kaum widersprechen, wenn er … unter Berufung auf Quaritsch die Methodik des Staatskirchenrechts als geprägt durch eine bunte Mischung aus juristischen, soziologischen und theologischen Elementen charakterisiert, in der die kanonischen Auslegungsregeln Savignys allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen.“8 Hierzu wäre noch zu betonen, dass im Religions(verfassungs)recht keine anderen methodischen Regeln gelten als sonst auch. 33 c) Es kann nach allem jedem Interessenten nur geraten werden, die Logik der jeweiligen Ableitung des Ergebnisses zu überprüfen und bei den im Verfassungsund Verwaltungsrecht besonders häufigen unbestimmten Rechtsbegriffen kritische Fragen zu stellen. Das gilt dann umso mehr, wenn diese Begriffe Weichenstellungen der Argumentationskette bedeuten. Gern wird mit allgemeinen Redewendungen unklarer Bedeutung (z. B. „christlich-abendländische Wertordnung“, „verfassungsunmittelbare Schranken“) eine bestimmte Stimmung erzeugt, ohne weitere konkrete Begründung anhand klarer Begriffe. Wer unklar spricht, hat oft etwas zu verbergen. Jedem, der sich mit dem Religionsrecht befasst, kann empfohlen werden, gerade auch Literatur von Autoren anderer Provenienz zum Vergleich heranzuziehen. Lehrreich ist auch die Lektüre von Gerichtsentscheidungen, wenn sie beim selben Problem zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. 2. Dynamik des Religionsrechts
34 Die Dynamik des Rechtsgebiets ist sicher größer als in anderen Bereichen. Ein bekannter Religionsrechtler hat das einmal sogar so beschrieben: „Kaum ein Bereich des gesellschaft6 7 8
Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge, 2000, S. 67 (Hervorhebung im Original). M. Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten, 1993. J. Wieland, Der Staat 1995, 477 (Buchbesprechung M. Kleine, 1993); Zitate Wieland, S. 479 und 477. In diesem Zusammenhang stehen auch die zahlreichen geschliffenen Sottisen des rechtsdogmatisch besonders interessierten L. Renck.
IV. Aktuelle Problemstellungen und neuralgische Punkte
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lich-kulturellen Lebens wird so leicht und so intensiv von den Wandlungen des geistigen, politischen und gesellschaftlichen Lebens und der herrschenden Anschauungen und geistigen Bewegungen ergriffen wie das Verhältnis von Staat und Kirche. Wie das gesamte Geistesleben befindet sich gerade auch das vieldimensionale Feld der Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften in einer oft nur vom Fachmann erkennbaren, gelegentlich aber auch von Emotionen und Leidenschaften aufgepeitschten kontinuierlichen Entwicklung.“9 Dem entspricht die Äußerung eines anderen Spezialisten, kaum ein Bereich des öffentlichen Lebens reagiere so empfindlich auf jede Umgestaltung der äußeren Form wie der inneren geistigen Struktur der Partner Staat und Kirche, ja sogar auf jeden Wechsel des allgemeinen geistigen Klimas einer Epoche.10 Andere Partner des Staats werden dabei noch gar nicht wahrgenommen. Diese Art von Dynamik prägte allerdings die Nachkriegszeit (§ 6), auch noch nach 1965, einseitig zugunsten der großen Kirchen, und noch heute ist sie wirkungsvoll im Vertragsrecht (§ 14). Zu dieser Dynamik gilt aber auch: „Was Verfassungsinterpretation gibt, kann Verfassungsinterpretation wieder nehmen. Legitimation ist permanent vonnöten.“11 In der Literatur ist seit längerem verstärkt eine gewisse Ernüchterung eingetreten, die 35 1997 Ausdruck in einer grundlegenden Schrift von Stefan Muckel gefunden hat.12 Heute ist das Religionsverfassungsrecht, auch auf Grund einer geänderten religionssoziologischen Situation, vielfach auch wieder Gegenstand des allgemeinen Verfassungsrechts und nicht mehr nur eine Materie für Spezialisten. Jetzt zeigt sich deutlicher, wie labil das hauptsächlich auf die Interessen der großen Kirchen gerichtete Verständnis des „Staatskirchenrechts“ eigentlich schon immer war. Denn trotz aller Unklarheiten enthält das GG doch zahlreiche religionsrechtliche Normen mit im Vergleich zu anderen Bereichen sogar erstaunlich vielen konkreten Formulierungen, und die Grundlinien sind durchaus klar erkennbar und aussagekräftig: Freiheit, Gleichheit, Trennung (s. § 4).
IV. Aktuelle Problemstellungen und neuralgische Punkte 1. Aktuelle Diskussion Nach wie vor werden Schulfragen viel diskutiert. Zum immer noch virulenten 36 Problem mit dem Kreuz und dem jetzt etwas abgeflachten Kampf um die Sicherung des christlichen Religionsunterrichts (Stichworte: Ethikunterricht, Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde) ist das heiß umkämpfte islamische Kopftuch dazugekommen. Um welche Fragenfülle es insgesamt geht, zeigt eingehend § 13. Der Körperschaftsstatus von RG (§ 11) ist immer noch ein besonders umstrittenes Problem. In den Vordergrund des Interesses sind seit langem Fragen des Islam gerückt, der sich immer besser organisiert und (berechtigterweise) die Vorteile unse9
10 11 12
J. Listl SJ, Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, StdZ 1973, 291 ff., zit. nach P. Mikat, Staat und Kirche in der neueren Entwicklung, 1980, 240 (244). Listls Beitrag enthält freilich selbst nicht geringe Emotionen und Verzeichnungen gegnerischer Positionen. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 2. A. 1983, 2. J. Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), 104 (117). St. Muckel, Religiöse Freiheit, 1997.
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§ 2 Grundfragen und aktuelle Probleme des Religionsrechts
res Rechtssystems nutzt. Zahlreiche Bemühungen, einschließlich der Schließung der allerletzten Lücken im Netz der Staat-Kirche-Verträge, sind darauf gerichtet, den Kirchen die vielfältigen Vorteile des bisherigen rechtlichen und praktisch geltenden Religionssystems (Stichwort: Privilegien, § 3 II) trotz eines stark zugenommenen religiösen Pluralismus bei gleichzeitig weiter stark zunehmender Säkularisierung weiterhin zu erhalten. Zunehmende Bedeutung kommt dem Europarecht mit seinen Auswirkungen auf das innerstaatliche Religionsrecht zu (§ 20). 2. Neuralgische Punkte
37 Als neuralgische Punkte des Religionsverfassungsrechts werden ungeachtet der unterschiedlichen Provenienz der Autoren allgemein bzw. häufig angesehen13: − Geltungskraft und Modalitäten der religiös-weltanschaulichen Neutralität und konkrete Bedeutung des Grundsatzes der Trennung von Staat und Religion (§§ 9, 10); − allgemein die schwierige Dogmatik des Art. 4 I, II GG, insbesondere die Frage der Grundrechtsschranken (§ 7); − die arbeitsrechtliche Bedeutung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bei karitativkirchlichen Einrichtungen (§ 16); − die angemessene Einordnung neuerer und fremdartiger Religionen in das Rechtssystem; − der Rechtschutz der staatlichen Gerichte gegenüber den großen Kirchen (jeweils § 11).
38 Hinzugefügt seien in Präzisierung und Erweiterung folgende Bereiche: − die Problematik der extremen Ausweitung der Religionsausübungsfreiheit durch das BVerfG; − die Tendenz der Benachteiligung kleinerer RG und von (nichtreligiösen) WG; − die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Kirchensteuerrechts (§ 12 II); − generell die Privilegienfrage, d. h. das Verhältnis von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit; − damit in Verbindung die rechtliche und rechtspolitische Legitimation des Vertragsrechts (§ 14); − die Probleme der Religionsförderung (§ 15 III); − das Trennungsgebot insbesondere im Hinblick auf die theologischen Fakultäten und die Militärseelsorge (§ 17).
Angesichts der zahlreichen ungelösten rechtlichen Grundsatzfragen sei versucht, in dieser Einführung zumindest die wichtigsten aufzubereiten.
13
Vgl. H. Weber, Maurer-FS 2001, 469; der noch weit umfangreichere Katalog von H. Weber, NJW 1983, 2541, ist immer noch von Bedeutung.
§ 3 Säkulare Gesellschaft und Verfassungswirklichkeit
I. Religionssoziologische Situation in Deutschland Literatur: M. N. Ebertz, Erosion der Gnadenanstalt? 1998; A. Feige/I. Lukatis, in: Praktische Theologie 39, 2004, 12 (Forschungsbericht zur empirischen Religions- und Kirchensoziologie); R. Graf Strachwitz u. a. (Hrsg.), Kirche zwischen Staat und Zivilgesellschaft, Berlin 2003; K. Hurrelmann/M. Albert, Jugend 2006, 15. Shell Jugendstudie, 2006 (Fischer-Taschenbuch); J. Matthes (Hrsg.), Fremde Heimat Kirche – Erkundungsgänge, 2000 (dritte EKD-Untersuchung über Kirchenmitgliedschaft); D. Pollack, Säkularisierung – ein moderner Mythos? 2003; H.-G. Ziebertz (Hrsg.), Erosion des christlichen Glaubens? Umfragen, Hintergründe und Stellungnahmen zum „Kulturverlust des Religiösen“, 2004.
Zu diesem komplexen Thema seien hier nur einige statistische Hinweise gegeben, 39 damit die Rechtsinformationen einen realen Hintergrund bekommen. Vielfach bestehen hierzu trotz überaus zahlreicher Umfragen und der in den Medien dazu erfolgten Berichte falsche Vorstellungen. 1. Mitgliederzahlen und Relationen Eine statistische Konstante ist der starke und stetige Mitgliederverlust der großen 40 Kirchen in den letzten Jahrzehnten infolge der gegenüber dem Staat erklärten „Kirchenaustritte“ (s. zur rechtlichen Problematik § 12 I 5), der abnehmenden Zahl von Taufen und erhöhten Zahl von Sterbefällen. In der Bonner Republik gehörten 1950 noch über 96 % der Bevölkerung formal einer der beiden großen Kirchen an, und 1970 waren es immer noch knapp 94 %. Aber 1987 gehörten bereits 15,5 % der Bevölkerung keiner der beiden großen Kirchen mehr an (davon 11,4 % „Konfessionslose“). Diese Gruppe vergrößerte sich mit der Wiedervereinigung auf 22,4 %. Wegen weiterer stetiger Mitgliederverluste der Kirchen in West- und Ostdeutschland lauteten die Zahlen nach Berechnungen der „Forschungsgruppe Welt-
20
§ 3 Säkulare Gesellschaft und Verfassungswirklichkeit
anschauungen in Deutschland“ (fowid)1 für 2004 wie folgt: 31,1 % römischkatholisch, 31,0 % evangelisch, 3,9 % islamisch und 1,7 % sonstige, während die Konfessionsfreien mit 32,7 % nunmehr bereits die stärkste (freilich nicht ganz homogene) „Konfession“ darstellten. Ihnen müsste noch der durchaus beachtliche, wenn auch nicht näher erforschte Teil der säkular denkenden „Muslime“ zugerechnet werden.2 2004 gehörten nur noch 62,1 % der Bevölkerung formal einer der großen Kirchen an. Im selben Jahr erklärten gut 141 000 Protestanten und 101 000 Katholiken den Kirchenaustritt, nachdem es in den Jahren zuvor noch mehr gewesen waren. Die Parallelität der Trendlinien lässt auf allgemeine gesellschaftliche Ursachen schließen. Kirchliche Fachleute prognostizieren, dass etwa um 2025 die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung keiner der beiden großen Kirchen mehr angehören wird. Im Frühjahr 2005 erklärte ein EKD-Experte für Kirchenmitgliedschaft vor der bayerischen evangelischen Landessynode, bis etwa 2030 werde die evangelische Kirche um etwa ein Drittel schrumpfen. 2. Glaubensverluste, Individualisierung, Ansehensminderung der Kirchen, Politik
41 a) Selbst die formellen Mitglieder der großen Kirchen lehnen in großem Umfang zentrale Glaubenspositionen ihrer jeweiligen Konfession ab, was anhand einer großen Zahl von Umfrageergebnissen belegt werden kann. Das ist wegen des großen Umfangs der Aspekte hier nur ansatzweise möglich. Obwohl derzeit noch etwa 2/3 der Bundesbürger einer Kirche oder kleinen Religionsgemeinschaft angehören, beträgt der Anteil derer, die sich als „religiös“ bezeichnen, nach den meisten „repräsentativen“ Umfragen heute bereits weniger als 50 %. Nach einer Untersuchung von Allensbach stuften sich in Deutschland 1997 nur 47 % als „religiös“ ein. Nur 31 % hielten Religion für wichtig und 66 % für nicht sehr oder überhaupt nicht wichtig.3 Nach einer detaillierten Untersuchung des EmnidInstituts im Auftrag der evangelischen Wochenzeitung „Das Sonntagsblatt“ von 1997 zum Gottesglauben glaubten zwar 56,8 % an „Gott“, doch erklärten 48,5 % „Gott ist in der Natur“ und 43,9 % „Gott ist eine universale Kraft“. Nur 21,4 % wiesen „Gott“ im Weltgeschehen eine aktive Rolle zu, und an einen Gott als persönliches Gegenüber zum Menschen glaubten sogar nur 17,3 %. Nach Angaben des Sonntagsblatts waren es auch in Bayern nicht mehr als 31 %.4 Nach der o. g. Umfrage des Sonntagsblatts haben nicht weniger als 26 % der Formalprotestanten und 16 % der Formalkatholiken erklärt, nicht an „Gott“ zu glauben. Eine Reprä1
2
3 4
http://www.fowid.de. – Fowid verwertet vor allem offizielle Daten des Bundesamts für Statistik und der großen Kirchen sowie die Ergebnisse zahlreicher Umfragen zu einer Fülle von einzelnen Aspekten und bereitet sie insbesondere grafisch auf. Im Februar 2007 etablierte sich trotz aller Gefahren in Köln der „Zentralrat der ExMuslime“ (ZdE) mit z. T. prominenten Mitgliedern, http://www.ex-muslime.de. Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 10 (1993–1997), 1997, 257 ff. Vgl. KNA v. 17. 6. 1997
I. Religionssoziologische Situation in Deutschland
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sentativumfrage von Data Concept für Focus vom März 1999 kommt zwar auf 65 %, die irgendeine Gottesvorstellung haben, aber nur 12 %, die an einen persönlichen Gott glauben. Nach der sehr detaillierten ALLBUS-Studie von 2002 glauben von den Protestanten 23,3 % und von den Katholiken 35,5 % an einen persönlichen Gott, und von allen Befragten sind es 25,2 %.5 Bewertungsprobleme solcher und ähnlicher Erhebungen (Vergleichbarkeit: Erhebungszeitpunkt, erfasste Bevölkerungsgruppen, Seriosität der Fragestellungen, insb. ihre ausreichende Differenziertheit) sind zwar zu berücksichtigen, aber ungeachtet unterschiedlicher Einzelergebnisse lassen sich ziemlich sichere Angaben über Größenordnungen und Tendenzen machen. b) Angaben über Inhalte und Struktur einzelner Glaubensinhalte (Göttlichkeit 42 Jesu, Auferstehung, Verbindlichkeit der Bibel, Himmel, Hölle, das Böse, Reinkarnation, Hexen, Engel, Astrologie usw.) verbieten sich aus Raumgründen. Es ist jedenfalls gesichert, dass nur ein relativ kleiner Bruchteil der Kirchenmitglieder auch nur die zentralen Vorgaben ihrer jeweiligen Konfession akzeptiert. Dem entspricht auch die dramatische Abnahme der religiösen Praxis, insbesondere des Gottesdienstbesuchs, sowie des religiösen Kenntnisstands auch im Westen Deutschlands trotz langjährigen Religionsunterrichts. Die zahlreichen Widersprüchlichkeiten der einzelnen Umfrageergebnisse zu den inhaltlichen Fragen belegen bezüglich der religiösen Hälfte der Bevölkerung einen klaren Trend vom traditionellen konfessionellen Glauben zum individuell patchworkartig gebildeten Privatglauben. Kirchensoziologen sprechen von der Erosion der Volkskirchen als Heils- und Gnadenanstalt. Sie hätten ihre eigene Überlieferung relativiert und dadurch oft fundamentalistischen Protestbewegungen Aufschwung verschafft. Das Ansehen der Kirchen ist in Deutschland in den unteren Bereich der gesellschaftlichen Institutionen abgesunken.6 Positive Gegentrends anlässlich spektakulärer und medienintensiv dargestellter religiöser Großereignisse in den Jahren 2005– 2007 dürften daran auf Dauer wenig ändern. c) Die umfangreiche Shell Jugendstudie 2006, die 12- bis 25-Jährige repräsentativ 43 erfasst, kommt u. a. zu folgenden Ergebnissen: immerhin glauben noch 30 % an einen persönlichen Gott, aber 28 % erklären ausdrücklich, weder an Gott noch eine „höhere Macht“ zu glauben, wobei die Absage an die Religion mit dem Alter zunimmt. Etwa zwei Drittel akzeptieren die Kirche, ohne von ihr Antworten auf Lebensfragen zu erhalten. Sie geben ihr aber ohne Änderungen keine Zukunft. Trotz der religiösen Distanz erwies sich das Wertesystem der Jugendlichen als stabil und positiv ausgerichtet. Auch die der Kirche am fernsten stehenden Jugendlichen haben ein Wertesystem, das sich kaum von dem der anderen Jugendlichen unterscheidet und von Familie und Freundeskreis gestützt wird.
5 6
Tabellen: s. fowid-Archiv, Gottesvorstellung nach Religionszugehörigkeit 2002. Nach einer 2002 erstellten Umfrage des Davoser „World Economic Forum“ nahmen sie von allen berücksichtigten Institutionen sogar den 17. und letzten Platz ein.
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§ 3 Säkulare Gesellschaft und Verfassungswirklichkeit
44 d) Noch wenig erforscht ist das derzeitige Drittel der Bürger, die von Statistikern meist mit der Sammelbezeichnung „Konfessionslose“ (auch: Konfessionsfreie) erfasst werden.7 Diejenigen, die sich als säkulare Humanisten begreifen, dürften aber ein im Kern ziemlich konsistentes naturalistisches Weltbild mit Anerkennung von Menschenrechten und Demokratie sowie der Forderung nach selbstbestimmtem Leben haben. Das kann hier aus Platzgründen nicht weiter belegt werden.8 45 e) Die geschilderten religionssoziologischen Änderungen, die ja auf Entwicklungen im freien gesellschaftlichen und persönlichen Bereich der Bürger zurückgehen und nicht auf Zwang beruhen, werden oft bewusst nicht zur Kenntnis genommen. Zur Stärkung einer verfassungsadäquaten, religiös-weltanschaulich neutralen staatsbürgerlichen Erziehung und zur Aufklärung über ethische Fragen, jeweils für alle Schüler, trägt dies kaum bei.
II. Rechtstatsächliche Feststellungen 46 Die Gleichberechtigung von religiösen und nichtreligiösen Sinnsystemen und das Gebot der grundsätzlichen Trennung von Staat und Religion gehören in der normativen Theorie zu den Grundpfeilern des Religionsverfassungsrechts der Bundesrepublik. Beide sind das Ergebnis langer historischer Auseinandersetzungen. Gleichberechtigung und Trennung sind aber auch ein Gebot der Rücksichtnahme auf die Befindlichkeit möglichst aller Menschen, deren gemeinsamen Interessen eine ausgleichende Rechtsordnung ja zu dienen hat. Die Gewährleistung religiösweltanschaulicher Neutralität gehört also zu den Grundaufgaben unseres Staats. Die politische und rechtliche Praxis sieht aber ganz anders aus. Hierzu werden im Folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Reihe von Tatbeständen aufgelistet, deren rechtliche Bewertung im Einzelnen hier aber offen bleibt.9 1. Innerkirchliche Angelegenheiten
47 Der Staat besoldet mit Steuergeldern auch Andersgläubiger und Konfessionsfreier Bischöfe, Domherren und andere Geistliche (§ 15 III 1 b). Er fördert großzügig Kirchentage und selbst Priesterseminare auch bei knappen öffentlichen Kassen mit allgemeinen Steuermitteln. Er zieht die Mitgliedsbeiträge der Kirchen trotz grundsätzlich verfügter institutioneller Trennung von Staat und Kirche als Kirchensteuer mit Mitteln der staatlichen Finanzverwaltung ein (dazu § 12 II 2). Ost7
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Eine Allensbach-Studie von 2004 (http://www.fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Humanistenquote__2004_01.pdf) war in der Fragestellung noch zu wenig differenziert. S. aber A. Fincke (Hrsg.), Woran glaubt, wer nicht glaubt? Lebens- und Weltbilder von Freidenkern, Konfessionslosen und Atheisten in Selbstaussagen, Berlin 2004 (EZWTexte 176). Vgl. zu vielen Punkten die Nachweise bei G. Czermak, ZRP 2001, 565.
II. Rechtstatsächliche Feststellungen
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deutsche und berliner Finanzämter haben zahlreichen konfessionsfreien Arbeitnehmern ohne deren Zutun die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche in die Lohnsteuerkarte eingetragen, so dass ihnen Kirchensteuer abgezogen wurde (§ 12 I 5 e). 2. Staatlich-kirchliche Einrichtungen Der Staat unterhält zahlreiche christliche theologische Fakultäten als Ausbil- 48 dungsstätten nicht nur für Religionslehrer, sondern auch für Priester. Er finanziert sie mit Steuergeldern aller Bürger und stattet sie üppig aus (§ 17 I 4). Lehrstühle zur Religionswissenschaft sind weit überwiegend innerhalb der theologischen Fakultäten angesiedelt. Im Gegensatz zu den schon relativ gut vertretenen Islamwissenschaften und der Judaistik gibt es derzeit keinen einzigen Lehrstuhl zum weltlichen Humanismus, obwohl sich erwiesenermaßen nur noch etwas weniger als 50 % der Bevölkerung als religiös bezeichnen (s. o. I 2 a). Hauptsächlich in Bayern sollen die sogenannten Konkordatslehrstühle (ursprünglich) der christlichen Beeinflussung der Studenten an den Erziehungswissenschaftlichen Fakultäten dienen, obwohl die Volksschulen laut BVerfG (1975) trotz ihrer irreführenden Bezeichnung „Christliche Gemeinschaftsschulen“ gerade nicht glaubenschristlich, sondern allenfalls mit kulturchristlichem Akzent geprägt sein dürfen (§ 17 I 5). Der Staat richtet nicht nur auf seine Kosten an den öffentlichen Schulen (zulässigerweise) Religionsunterricht (RU) ein (§ 13 V 2), sondern sorgt auch dafür, dass die zunehmenden Abmeldungen durch einen speziellen Ersatzunterricht (Ethik-, Philosophieunterricht, Werte und Normen oder ähnlich) vor allem für nichtreligiöse Schüler trotz der in Art. 7 II und 4 I GG garantierten freien Entscheidung über die Teilnahme am Religionsunterricht erschwert werden. Eine abgemilderte Form der staatlichen Stabilisierung des RU ist in einigen Ländern der Ethikunterricht als Alternativunterricht (§ 13 V 3). Mit äußerster Intensität haben die Kirchen das auf Integration angelegte Schulfach Lebensgestaltung-EthikReligionskunde (LER) des Landes Brandenburg weit über zehn Jahre bekämpft, obwohl vergleichbare Fächer in Westdeutschland (Ethik, Werte und Normen, Philosophie) für selbstverständlich rechtens angesehen wurden und werden. 1996 hat sich sogar der Bundestag an diesem (landesbezogenen!) Kampf beteiligt. Heftig bekämpft wurde von kirchlicher wie politischer Seite auch das neue Wertefach „Ethik“ in Berlin, das 2006 (im Einklang mit der Rspr. des BVerwG, Ethik-Urteil von 1998) ohne Befreiungsklausel eingeführt wurde (§ 13 V 4). Bayern scheut sich nicht, den Studenten der Fachakademien für Sozialpädagogik eine Abmeldung vom konfessionell getrennten Prüfungsfach Religionspädagogik zu versagen. Und Schulgebete initiieren nicht Schüler, sondern Lehrer, d. h. Amtspersonen (§ 13 III 2 a). Der Staat finanziert die gesamte Militärseelsorge sowie Gefängnis- und Polizeiseelsorge. Die Militärseelsorge (§ 17 II 1, 2) wird noch ergänzt durch den Lebenskundlichen Unterricht (§ 17 II 2 d), der von Militärpfarrern auf der Basis des christlichen Glaubens von Staats wegen erteilt wird. Geistliche werden durch das sogenannte Geistlichenprivileg vom Wehr- und Zivildienst befreit (§ 18 III 2). Noch heute leisten in manchen Ländern katholische
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§ 3 Säkulare Gesellschaft und Verfassungswirklichkeit
Bischöfe auf meist staatlichen Wunsch (!) einen staatlichen Treueid, und teilweise hat sich der Staat vertraglich ausbedungen, die Ernennung von Geistlichen von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen (§ 11 II 5). Beamtenrechtliche Regelungen erlauben Sonderurlaub für speziell kirchliche Veranstaltungen (§ 18 III 1). 3. Bevorzugung von Kirchen bzw. Religion im öffentlichen Raum
49 Manche Bundesländer, insbesondere Bayern, betreiben eine dezidiert christliche Schulpolitik (§ 13 III, IV). Sogar des Kreuzsymbols, Inbegriff des christlichen Glaubens, bedienen sich Staat und Kommunen, um nicht nur Schulen und Krankenzimmer und somit Bereiche gesellschaftlich-öffentlicher Bedeutung, sondern sogar um Gerichtssäle und Ratssäle, ja sogar ein Parlament – Orte der ausschließlich säkularen öffentlichen Gewalt – damit auszustatten (§ 10 V 3). Staat und Gemeinden gewährleisten keine Grundversorgung mit religiös-weltanschaulich neutralen öffentlichen Sozialeinrichtungen, sondern ziehen kirchliche Sozialeinrichtungen auf Grund eines falsch verstandenen Subsidiaritätsprinzips den entsprechenden neutralen öffentlichen Einrichtungen vor. Die Folge sind kirchliche Teilmonopole und Monopole (§ 16 I, II 1). Das Rundfunkrecht enthält eindeutige normative Vergünstigungen für die etablierten Religionsgemeinschaften, teilweise auch die jüdische, während Muslime (bisher) oder säkulare Humanisten trotz des Verfassungsgebots der Meinungsvielfalt nicht oder so gut wie nicht berücksichtigt werden (§ 18 III 3). Immer noch werden öffentliche Gebäude anlässlich staatlicher offizieller Akte automatisch kirchlich eingesegnet. Automatisch ist der päpstliche Nuntius entsprechend dem Schlussprotokoll zu Art. 3 des Reichskonkordats von 1933 nach wie vor auch in der Bundesrepublik Doyen des Diplomatischen Corps. Schon 1968 hat ein Kirchenjurist eine – wie er selbst sagte: unvollständige – Liste von institutionalisierten Mitwirkungsrechten der Kirchen im staatlich-öffentlichen Bereich in 44 Punkten kurz beschrieben und nachgewiesen (Rundfunk, Film usw.).10 Unter den 25 vom Bundeskanzler zu berufenden Mitgliedern des 2001 etablierten Nationalen Ethikrats sind christliche und kirchliche Persönlichkeiten nach wie vor deutlich überrepräsentiert. 4. Finanzielle Kirchenförderung
50 Beeindruckend ist die Fülle der direkten und indirekten finanziellen Förderung speziell kirchlicher Anliegen durch die öffentliche Hand (vgl. oben II 1). Groß ist die Zahl der Steuervergünstigungen und Gebührenbefreiungen nach den Normtexten speziell für Kirchen und Religionsgemeinschaften, nicht aber weltanschauliche Vereinigungen. Eine neben dem Staat für nicht wenige Gemeinden durchaus erhebliche Bedeutung haben Kirchenbaulasten, obwohl sie z. T. schon seit Jahr10
P. v. Tiling, ZevKR 14 (1968/69), 259.
II. Rechtstatsächliche Feststellungen
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hunderten bestehen (§ 15 III 3 a). Der Staat ist ungeachtet seiner immer noch nicht eingelösten Verpflichtung zur Ablösung aller 1919 bestehenden historischen Staatsleistungen einschließlich der neuen Bundesländer vertragsrechtlich eine Fülle unbefristeter finanzträchtiger Verpflichtungen neu eingegangen (§ 15 III 3 e). Die im Bundesgebiet flächendeckenden umfangreicheren Staat-Kirche-Verträge enthalten sämtlich finanzielle Verpflichtungen des Staats. Vgl. im Übrigen oben II 1 und § 15 IV. 5. Benachteiligung von Minderheiten Viele religiöse Minderheiten werden im Widerspruch zu wissenschaftlichen Er- 51 kenntnissen pauschal als „Sekten“ diffamiert, durch staatliche Organe angeprangert und benachteiligt. Selbst der demgegenüber etwas ernüchternde Endbericht der einschlägigen Enquête-Kommission des Bundestags (1998) hat kirchlichen Sonderbewegungen wie dem Opus Dei, dessen totalitärer Charakter und großer Einfluss bestens erforscht ist, keine Aufmerksamkeit geschenkt. Generell wurde und wird es religiösen Minderheiten und erst recht weltanschaulichen Vereinigungen i. S. des Art. 137 VII WRV oder schlicht „Konfessionsfreien“ durch Politik, Verwaltung und Gerichte oft schwer gemacht, ihre verfassungsmäßigen Rechte, insbesondere das auf Gleichbehandlung, durchzusetzen. Sie werden auf den teuren, unsicheren und oft zermürbenden Rechtsweg verwiesen, der dann in vielen Fällen gar nicht erst beschritten wird (vgl. § 11 IV).
§ 4 Staat und Religion bzw. Weltanschauung im Grundgesetz – Gesamtüberblick
Literatur: G. Czermak, KJ 2000, 229; D. Ehlers, ZevKR 2000, 201; M. Heckel, JZ 1994, 425; L. Renck, BayVBl 1999, 70 und BayVBl 2000, 744 gegen A. v. Campenhausen, BayVBl 1999, 65; H. Weber, NJW 1983, 2541; ders., Grundprobleme des Staatskirchenrechts, 1970.
Hier soll eine vorläufige Gesamtorientierung gegeben werden, deren Elemente 52 zwar unmittelbar anhand des Verfassungstextes kurz begründet werden, aber einer näheren anderweitigen Prüfung und Entfaltung bedürfen. Abschließend wird die Frage behandelt, inwieweit von einem System des Religionsverfassungsrechts gesprochen werden kann.
I. Freiheit Die „Religionsfreiheit“ fasst zumindest sprachlich eine Serie von im GG verstreu- 53 ten Bestimmungen in einer Kurzform zusammen. Sie ist das Zentrum des Religionsverfassungsrechts, mit dem die Grundkategorien der Gleichheit (Neutralität) und der Trennung sachlich notwendig verbunden sind. 1. Persönliche Religionsfreiheit Die Freiheit der Religion hat ihren wichtigsten normativen Ort in Art. 4 I, II GG 54 und betrifft das freie Denken, Reden und Handeln. Die Freiheit als subjektive Grundrechtsgewährleistung betrifft den privaten Bereich, der vor Eingriffen des Staates und der anderen öffentlichen Einrichtungen zu schützen ist, und das Verhalten der Angehörigen einer RG oder WG nach außen hin, das aber mit den Rechten anderer und den Erfordernissen der Allgemeinheit (auf im Einzelnen sehr umstrittene Weise) in Einklang zu bringen ist. Einzelne Aspekte der Religionsfreiheit werden durch die Verfassung gesondert geschützt: − allgemein die Wahrnehmung gesetzlicher Rechte und die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig von Religion bzw. Weltanschauung (Art. 33 III GG und 136 II WRV/140 GG), − die Freiheit von Äußerungszwang und Teilnahmezwang (Art. 136 III, IV/140 GG),
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§ 4 Staat und Religion bzw. Weltanschauung im Grundgesetz – Gesamtüberblick
− die Freiheit der Vereinigung zu RG (Art. 137 II WRV/140 GG), und − Art. 7 gibt Freiheiten im Schulwesen, dazu ergänzend Art. 141 GG. 2. Korporative Religionsfreiheit 55 Art. 4 GG gilt nicht nur für Einzelpersonen, sondern als subjektives Grundrecht auch für die RG und WG selbst. Das sind Vereinigungen mit einem religiösen oder nichtreligiösen Sinnbezug, der den Menschen und die Welt als Ganzes erfasst und nicht nur Teilaspekte davon. Diese korporative (auch: kollektive) Religionsfreiheit der RG und WG ist in Art. 140 GG geregelt, der die „Weimarer Kirchenartikel“ Art. 137 ff. WRV inkorporiert, d. h. zum Bestandteil des GG macht. Art. 137 WRV garantiert die Freiheit des Zusammenschlusses von RG und ihre Rechtsfähigkeit (Art. 137 II, IV). Die Garantie des internen Selbstbestimmungsrechts der RG innerhalb des Rahmens allgemeiner Staatsgesetze in Art. 137 III WRV ist der Kern der Freiheit der RG. Unklar ist dabei das Verhältnis von Art. 4 I, II GG zu Art. 137 III WRV. Die korporative Religionsfreiheit wird gestärkt durch die Ermöglichung eines Körperschaftscharakters eigener Art (außerhalb des staatlichen Regelungsbereichs) in Art. 137 V WRV, dessen Bedeutung diskussionsbedürftig ist. Das Körperschaftsrecht beinhaltet jedenfalls das verfassungsmäßige Sonderrecht der RG und ggf. WG, ihre Mitgliedsbeiträge mit Hilfe staatlichen Zwangs beizutreiben, Art. 137 VI WRV. Die korporative Freiheit wird zusätzlich gesichert durch die Eigentums- und Vermögensgarantie des Art. 138 II WRV, die den Art. 14 GG ergänzt. Eine weitere Stärkung auch der korporativen Religionsfreiheit ist die Ermöglichung der Militär- und Anstaltsseelsorge durch Art. 141 WRV, während die vage Garantie der Sonn- und Feiertage nur ganz allgemein gefasst ist.
II. Gleichheit 56 Das GG enthält in Bezug auf Religion und Weltanschauung eine Serie von Gleichheitsanordnungen, die nichts anderes als an den Staat gerichtete Neutralitätsgebote darstellen, nämlich das Gebot, Religion und Weltanschauung personenbezogen wie im korporativen Bereich unparteilich zu behandeln. Es handelt sich um die Art. 3 III, 4 I, 7 V, 33 III GG sowie für den korporativen Bereich mit nicht übertreffbarer Klarheit Art. 137 VII WRV/140 GG. Freilich ist damit noch nicht gesagt, wann Sachverhalte konkret „gleich“ i. S. der jeweiligen Bestimmung sind. Textliche Anhaltspunkte für eine abgestufte individuelle und korporative Gleichheit gibt es nicht. Ausgenommen ist nur der praktisch nicht bedeutsame Unterschied zwischen „geborenen“ (Kirchen) und „gekorenen“ Körperschaften, Art. 137 V WRV, wobei aber grundsätzlich alle RG und WG den Körperschaftsstatus erreichen können. Inwieweit öffentlichrechtliche und privatrechtliche RG in der Praxis einen unterschiedlichen Status haben (dürfen), ist Auslegungssache und noch wenig untersucht.
IV. Religionsfreundlichkeit des GG
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III. Trennung von Staat und Religion bzw. Weltanschauung Ernsthafte Religionsfreiheit ist ohne ein Mindestmaß an organisatorischer Tren- 57 nung von Staat und Religion ebensowenig möglich wie ohne ein Mindestmaß an Gleichbehandlung der RG und WG. Allerdings ist auch ohne eine streng durchgehaltene institutionelle Trennung eine volle individuelle Religionsfreiheit möglich, die freilich durch eine relative Benachteiligung der eigenen RG indirekt beeinträchtigt wird. National sehr unterschiedliche Systeme (Staatskirche, gestufte Zulassung, gestufte Rechte, grundsätzliche und absolute Trennung) stehen im Übrigen bei der korporativen Religionsfreiheit grundsätzlich im Einklang mit dem Europarecht und Art. 9 EMRK. Nach seit 1949, jedenfalls heute allgemeiner Meinung ist das Verbot der 58 Staatskirche in Art. 137 I WRV/140 GG als grundsätzliches Verbot institutioneller Verflechtungen von Staat und Religion zu verstehen. Art. 137 I WRV enthält keinen Hinweis auf mögliche Relativierungen. Im Gegenteil erstreckt Art. 138 I WRV die Trennung ausdrücklich auf den Bereich der Einkünfte (Ablösung rechtlich bestehender Staatsleistungen). Vor allem aber ist das in Art. 137 III WRV gewährleistete Selbstbestimmungsrecht Ausdruck fundamentaler Trennung. Zulässige Abweichungen ergeben sich rein textlich nur aus Art. 7 III und 7 V GG (Religionsunterricht, Möglichkeit religiös oder weltanschaulich geprägter öffentlicher Schulen) und Art. 137 VI WRV/140 GG bezüglich der staatlichen Vollstreckung der Mitgliedsbeiträge der RG („Kirchensteuer“). Obwohl die in der WRV enthaltene grundsätzliche Garantie theologischer Fakultäten nicht in das GG übernommen wurde, gibt es wohl rechtliche Gründe für ihren Fortbestand im Grundsatz, nicht in ihrem tatsächlichen Ausmaß. Dem bloßen Text des GG zufolge gilt die Garantie aber nur im Hinblick auf die Ausbildung staatlicher Religionslehrer (s. näher § 17 I 1, 2). Insgesamt bedeutet der Verfassungstext eine sehr starke Ausprägung des Trennungsgebots.
IV. Religionsfreundlichkeit des GG Aus einigen der angeführten Normen des GG ergibt sich bereits dessen Religions- 59 freundlichkeit (umfassende persönliche Religionsfreiheit, Bildungswesen, starke Rechtsstellung der RG, möglicher Körperschaftsstatus, Kirchensteuer, Militärund Anstaltsseelsorge). Hinzu kommt die Möglichkeit religiöser Eidesleistungen, die Möglichkeit einer größeren Zahl religiöser Feiertage sowie, mit Vorbehalt, die Nennung „Gottes“ in der GG-Präambel. Letztere ist zwar Ausdruck religiösen Denkens, aber lediglich als Hinweis auf die Motive der Mitglieder des Parlamentarischen Rats zu verstehen. Eine insgesamt religiöse Einfärbung des GG ist damit nach heute allgemeiner juristischer Auffassung nicht verbunden. Dafür sind keinerlei Kriterien erkennbar, vor allem aber würde sonst der konkret formulierte Gesamtinhalt des GG (s. o.) auf den Kopf gestellt (s. näher § 10 II 2). Alle genannten religionsfreundlichen Bestimmungen ziehen nicht nur keine RG vor, sondern gel-
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§ 4 Staat und Religion bzw. Weltanschauung im Grundgesetz – Gesamtüberblick
ten in gleicher Weise und eigentlich unmissverständlich auch für die nichtreligiösen WG.
V. Sonstige Gesichtspunkte des religionsverfassungsrechtlichen Systems 1. Möglichkeiten der Kooperation 60 Aus der Religionsfreundlichkeit des GG ergibt sich, dass der öffentlichen Hand eine Kooperation mit den RG und WG auch außerhalb des institutionellen Zusammenwirkens beim RU, der Kirchensteuervollstreckung, religiös-weltanschaulich geprägter Schulen und der theologischen Fakultäten grundsätzlich möglich ist. Daher berücksichtigen zahlreiche Gesetze religiöse Belange. Aber auch ohne gesetzliche Regelung würde z. B. selbst eine lediglich auf die Ermöglichung der Soldatenseelsorge beschränkte Militärseelsorge Absprachen zwischen RG und Militärverwaltung erfordern. Auch RG dürfen wie andere Institutionen finanziell gefördert werden, wenn die geltenden Rahmenbedingungen eingehalten sind: Säkulare Begründung, Anwendung gleicher Kriterien bei allen zu fördernden RG und WG (Neutralität), keine institutionelle Verflechtung. Für eine Förderungspflicht sind Verfassungsgründe nicht erkennbar. Das GG lässt also Kooperationen grundsätzlich zu. Von einem mit dem Neutralitätsgebot und Trennungsgebot substantiell vergleichbaren Kooperationsgebot oder zumindest grundsätzlichen Kooperationsprinzip kann aber keine Rede sein. Es gibt dafür keinerlei rechtlichen Kriterien. 2. Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften 61 Unzweifelhaft kann der Staat mit RG und WG auch Verträge schließen. Das ergibt sich indirekt aus Art. 123 II GG. Die Bundesländer haben in außerordentlich großem (weltweit einzigartigem) Umfang und mit nahezu größtmöglicher Dichte hauptsächlich mit den großen Kirchen Verträge nach Art der Staatsverträge geschlossen und in Landesgesetze transformiert. Inwieweit diese Verträge mit dem GG und den Landesverfassungen vereinbar sind, ist immer noch eine kaum kritisch untersuchte Frage, auf deren Brisanz an dieser Stelle lediglich hingewiesen werden soll (s. näher § 14). Dafür, das Kirchenvertragssystem als besonderes Kennzeichen des deutschen Religionsverfassungsrechts anzusehen, wie das früher häufig geschah, gibt das GG aber keinen Anhaltspunkt. Dieses System ist allerdings eine Besonderheit der Staats- und Rechtspraxis. 3. Landesverfassungen 62 Einige Landesverfassungen enthalten deutliche christliche Tendenzen. Allerdings geht Bundesrecht nach Art. 31 GG jeder Art von Landesrecht vor. Das GG kommt
VI. Kurzfassung
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zwar inhaltlich den großen Kirchen sehr entgegen, ist aber generell nicht religiös gefärbt und enthält insbesondere keine Privilegierung des Christentums.
VI. Kurzfassung Im Ergebnis ist das Religionsrecht des GG ausweislich seiner Normtexte ein rein 63 säkulares Rechtssystem, das durch eine umfassende individuelle und korporative Freiheit für Religion und Weltanschauung gekennzeichnet ist. Staat und Religion sind inhaltlich und, von seltenen Abweichungen abgesehen, auch institutionell getrennt. Das System ist sehr religionsfreundlich, behandelt aber unter der Voraussetzung der Beachtung der unverzichtbaren Basisregeln der Verfassung alle RG und WG gleich, ist also unparteilich. Es handelt sich somit um ein kooperatives Trennungssystem mit umfassendem Neutralitätsgebot. Wichtig ist die Feststellung, dass das Religionsverfassungsrecht nicht nur subjektive (einklagbare) Rechte enthält, sondern in seiner Funktion als objektives Verfassungsrecht die Auslegung aller religionsbezogenen Vorschriften in zahlreichen Gesetzen maßgeblich beeinflusst (allgemeine Ansicht). Dass dieses nationale System durch supranationales Recht nennenswert verändert werden könnte, ist nicht zu erwarten. Dieser kurze Definitionsversuch dürfte sich von anderen Umschreibungen der 64 religionsrechtlichen Ordnung des GG kaum unterscheiden. Die Divergenzen liegen überwiegend in den einzelnen sachlichen Regelungsbereichen (Denkmalschutz, Religionsförderung, Rundfunkrecht usw.), die in der Regel durch Bundesund Landesgesetze geregelt sind. Bei ihnen sind bzw. wären die hier genannten Grundkategorien der Religionsverfassung nicht nur verbal, sondern im ganz konkreten Fall zu beachten.
§ 5 Religion, Moral, Recht, Staatsphilosophie, Grundgesetz
I. Religion, Moral und Recht Literatur: J. Braun, JuS 1994, 727; E. Hilgendorf, ARSP 1996, 397; ders., AuK 2001, 72; ders., Jahrbuch für Recht und Ethik 11 (2003), 83; N. Hoerster, Religion als Maßstab des Rechts? in: ders., Sterbehilfe im säkularen Staat, 1998, 154; ders. (Hrsg.), Recht und Moral, 2002; ders., Was ist Recht? 2006, 79–105; H.-M. Pawlowski, Werte, Normen und persönliche Orientierung, ARSP 1996, 26; ders., Recht und Glauben, KuR 1998 Nr. 110, S. 93– 112; R. Zippelius, JuS 1993, 889.
Zum Verständnis der Grundmechanismen eines modernen Staates ist eine korrekte 65 Grundvorstellung über die Zusammenhänge dieser Bereiche, die ja jeweils verhaltensregulierende Normen enthalten, unerlässlich. 1. Recht und Sozialmoral a) Ohne die strikte Unterscheidung von Moral und Recht ist ein halbwegs demo- 66 kratischer Staat nicht möglich. Man kann sagen: Je größer die Verquickung von Moral und Recht, desto stärker der totalitäre Zug des Systems (Gottesstaaten, Weltanschauungsdiktatur). Unter Moral wird hier (in Abgrenzung von der häufig synonymen Begriffsverwendung von „Moral“ und „Ethik“) der Inbegriff der „sittlichen“ Normen und persönlichen Wertvorstellungen verstanden, während „Ethik“ versucht, die Moral in ein System zu bringen (religiöse Ethik, rationale Ethik, utilitaristische Ethik usw.). Die konventionellen, also die eine Gesellschaft prägenden Moralnormen (Sozialmoral im Gegensatz zur oft abweichenden Individualmoral) setzen sich durch, weil sonst gesellschaftliche Nachteile drohen: sie erzeugen sozialen Druck. Die rechtlichen Normen werden demgegenüber durch die organisierte staatliche Gewalt allgemeinverbindlich angeordnet, ihre Einhaltung durch sonst drohende direkte Zwangsmaßnahmen oder indirekte Nachteile gewährleistet. b) Zwischen Recht und Sozialmoral, deren Gebote vom allergrößten Teil der Ge- 67 sellschaft zumindest theoretisch übereinstimmend als „gültig“ anerkannt werden, gibt es starke inhaltliche Überschneidungen. Die moralischen Gebote und die
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§ 5 Religion, Moral, Recht, Staatsphilosophie, Grundgesetz
rechtlichen Gebote (z. B.: Niemanden ohne guten Grund zu schädigen) beziehen sich ja häufig auf dieselben Handlungen. Daher wird gefordert, die wesentlichen Normen der gesellschaftlichen Pflichtmoral (im Gegensatz zur darüber hinausgehenden Tugendmoral) zusätzlich im Rechtssystem zu verankern. Das Recht muss demnach dieses moralische Minimum garantieren: Schutz vor Gewalt, vor willkürlichen Staatseingriffen, Beschränkung menschlichen Handelns im wechselseitigen Interesse usw. Kein Rechtssystem kann auf Dauer bestehen, wenn es nicht bestimmten moralischen Mindeststandards genügt (interne Moral). Das Recht bedarf einer Grundakzeptanz, wenn die Gesellschaft eine halbwegs freie sein soll. Die Frage ist, ob und inwieweit Religion dabei eine Rolle spielen soll. 2. Einwirkung von Religion und Weltanschauung auf das Recht
68 a) Sowohl alte und neue theokratische Systeme als auch politische Religionen wie Stalinismus und Nationalsozialismus zeigen, dass religiöse und weltanschauliche Herrschaft zerstörerische Gewalt entwickeln können. Zu aktuellen religiösen Fanatismen seien nur die Stichworte Islamismus und Kreationismus genannt.1 Religiöse Ideen erzeugen ein gemeinschaftliches Vorverständnis und erbringen dadurch eine wichtige Integrationsleistung: freilich nur für diejenigen, die das Vorverständnis teilen. Vorverständnisse führen dazu, dass natürliche Gegebenheiten nicht mehr unbefangen betrachtet werden. Kühe sind dann heilige Kühe, schwarze Katzen Teufelsgetier, „Atheisten“ nicht nur Menschen, die den Glauben an einen persönlichen „Gott“ nicht teilen2, sondern sie gelten als „unmoralisch“. So prägen unterschiedliche Weltbilder unterschiedliche Vorstellungen von Gerechtigkeit, und selbst die Frage nach der Richtigkeit tatsächlicher Behauptungen spielt aus solchen ideologischen Gründen oft keine Rolle mehr. Man denke nur an die Frage der Bestrafung des „Unglaubens“3 im früheren christlichen Europa und im Islam, an die in Afrika noch heute verhängnisvollen Vorwürfe von Hexerei oder die unterschiedlichen Ansichten zur Geburtenregelung oder zur gesellschaftlichen Auswirkung der Homosexualität. 69 b) Je mehr religiöse Überzeugungen, ggf. vermischt mit anderen Aspekten, bei einem großen Teil der Bevölkerung Orientierungsgewissheit zu schaffen vermögen, desto eher führt der Machtwille sowohl der politisch Mächtigen als auch der religiösen Führer zum politischen Konzept der Glaubenseinheit. Dabei wird Religion durch das Recht staatlich abgesichert, also zwangsweise verordnet (Instrumentalisierung der Religion). Aber diese Integration durch Religion wurde und wird erkauft durch Intoleranz gegen Andersdenkende bis zur Liquidierung. In etwa der Hälfte aller heutigen zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen spielt Reli1
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Sie als pseudoreligiös zu bezeichnen, führt nicht weiter, denn ihr Fundament ist, und sei es noch so fehlgeleitet, eindeutig religiöser Natur. Wie übrigens die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung, s. § 3 I 2 a. „Unglaube“ ist nur ein oft herabsetzend gebrauchtes Wort für das Vorliegen einer anderen Grundüberzeugung.
I. Religion, Moral und Recht
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gion eine erhebliche Rolle, und gerade solche Kriege werden besonders unerbittlich geführt. Als Ergebnis der europäischen Religionskriege des 16. und 17. Jh. hat sich das Erfordernis einer zunächst nur notgedrungen friedlichen Koexistenz unterschiedlicher Konfessionen (unter Ausschluss aller anderen) ergeben. Aus der Sorge des Staates um das Seelenheil wurde die Förderung der christlichen Konfessionen aus rein staatlichen Erwägungen und schließlich die Anerkennung individueller Religionsfreiheit (s. § 1). Das Konzept der verordneten Glaubenseinheit, und sei es nur bezogen auf eine in sich pluralistische Glaubensrichtung, kann nicht dasjenige einer pluralistischen Gesellschaft sein. c) Ohne irgendeine religiös-weltanschauliche Grundorientierung kann kein 70 Mensch sinnvoll existieren. Sie entwickelt sich auf Grund der Herkunft, Erziehung, der gesellschaftlichen Traditionen, der Lebensumstände und erworbenen Kenntnisse, je nach individueller Persönlichkeit und Art und Weise des Denkens. Daraus ergibt sich das Problem, ob und wie die unterschiedlichen Weltsichten in Gesellschaft und Recht friedlich zur Geltung gebracht werden können. Es geht mit anderen Worten um die ausreichende Integration von Staat und Gesellschaft in einer Zeit des zunehmenden religiös-weltanschaulichen Pluralismus. Aber gerade die religiösen Systeme haben schon immer die herrschende Sozialmoral und direkt oder indirekt auch das Recht stark beeinflusst. Das gilt in wichtigen Restbeständen selbst in einer so weitgehend säkularisierten Gesellschaft wie der deutschen, wie die z. T. erbitterten Kämpfe in Fragen der Bioethik (Schwangerschaftsabbruch, Gentechnik, Embryonenschutz, Humanes Sterben), des Familienrechts, Ethikunterrichts usw. beweisen. d) Der Einfluss der Religion auf die Sozialmoral und das Recht ging auch in 71 Deutschland in der zweiten Hälfte des 20. Jh. insgesamt stetig zurück, die Pluralisierung nimmt zu. Umso wichtiger wird die Frage nach der Integration einer solchen Gesellschaft. Mangels einer weithin akzeptierten starken Sozialmoral gewinnt das Rechtssystem an Bedeutung. Wodurch aber werden die Menschen gesteuert, damit sie die Rechtsnormen im Großen und Ganzen befolgen? Die Steuerung geschieht durch äußere Einwirkung, nämlich Bestrafung und anderweitige Sanktionen (Außensteuerung), aber auch durch die grundsätzliche Übereinstimmung der eigenen Überzeugung mit den Rechtsnormen (Innensteuerung): Es gehört sich nicht, unbegründet Gewalt anzuwenden oder sich der Arbeitsleistung durch Vortäuschung einer Krankheit zu entziehen, weil das pflichtwidrig, „unmoralisch“ wäre. Je mehr Menschen gleichartige Grundwerte anerkennen, gleich aus welchem Motiv, die zudem der Rechtsordnung entsprechen, umso weniger äußerer Zwang oder Motivation durch äußere Vorteile (z. B. finanzieller Art) ist notwendig. Entscheidend ist eine ausreichende innere Verankerung gesellschaftswichtiger Grundüberzeugungen, die bei allem Individualismus von möglichst allen Staatsbürgern geteilt oder doch wenigstens als gerecht akzeptiert werden können. In diesem Zusammenhang steht das – meist missverstandene – „Böckenförde-Dilemma“. Es lautet in Kurzform: „Der freiheitlich säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren
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§ 5 Religion, Moral, Recht, Staatsphilosophie, Grundgesetz
kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“4 Wenn daraus abgeleitet wird, der Staat müsse die Kirchen und Religionsgesellschaften als Wertestifter in besonderer Weise fördern, weil man sonst die Zerstörung fördere, so wird Böckenförde gründlich missverstanden, wenn nicht instrumentalisiert. Er spricht von Wagnis und verweist auf die in der Gesellschaft wirkenden höchst unterschiedlichen Kräfte zurück. Es geht ihm darum, dass alle Gruppierungen mit ihrem je eigenen, auch moralischen, Selbstverständnis zur Integration eines Teils der Gesellschaft beitragen. Sie alle müssen in die Lage versetzt werden, den Staat möglichst als auch ihre „Heimstatt“ (so das BVerfG) zu empfinden.5
II. Staatsphilosophie, Weltanschauung, Grundgesetz Literatur: St. Huster, in: W. Brugger/St. Huster (Hrsg.): Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, 69–108; ders., in: Zeitschrift für philos. Forschung 55 (2001), 258 (zur Bioethik); ders., Die ethische Neutralität des Staates, 2002 (darin: Grundlegung 5–124; insb. 93 ff.); J. Rawls, in: ders., Die Idee des politischen Liberalismus, 1992, 364 ff.; Th. M. Schmidt, RSG 2000, 323.
1. Der Staat als Heimstatt aller Bürger
72 „Heimstatt aller Bürger“6 kann der pluralistische Staat nur im Rahmen fundamentaler und liberaler rechtlicher Grundregeln sein, die von allen als gerecht akzeptiert werden können. Das setzt voraus, dass sich alle – ungeachtet ihrer im Einzelnen höchst unterschiedlichen persönlichen Moralvorstellungen – auf der Ebene des Rechts als gleichberechtigte Rechtsgenossen anerkennen. Genau deshalb sucht das Grundgesetz seine Legitimation nicht mehr in Religion und Weltanschauung, wie auch Ernst-Wolfgang Böckenförde klarstellt, sondern der Staat hat keinerlei religiösen Zweck. Er bietet allen Bürgern und auch religiösweltanschaulichen Vereinigungen die gesicherte Möglichkeit, auf der Grundlage gleicher formaler Rechte im Rahmen der allen gemeinsamen Basiskriterien (Grundrechte, Demokratie, Friedenssicherung usw.) für ihre jeweils speziellen bzw. persönlichen Vorstellungen von einem guten Leben (etwa in bioethischen Fragen, in der Sexualität, in der Gottesfrage) zu werben und sie zu verwirklichen. Allerdings sollen die religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften dabei nicht 4
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E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, u. a. in: Staat, Gesellschaft Freiheit, 1976, 42 (60), Erstveröffentlichung Forsthoff-FS 1967; M. Schuck, MdKI 2000, 83–89. Kritisch zum verbreiteten Missverständnis des Böckenförde-Diktums U. Neumann, KuR 1999 Nr. 980, S. 205 f. und, diese bestätigend, E.-W. Böckenförde, KuR 1999 Nr. 980, S. 206 f. BVerfGE 19, 206 (216).
II. Staatsphilosophie, Weltanschauung, Grundgesetz
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anderen ihre spezielle Moral aufnötigen. Der Einsatz staatlicher Mittel ist hierzu absolut untersagt. Letzteres wird leider auch in Deutschland gern missachtet (s. § 3 II). Niemals dürfen die Religionsgemeinschaften gegen die unerlässlichen Basiskriterien des Staats als Heimstatt aller Bürger verstoßen, was für die Behandlung insbesondere des Islamismus von Bedeutung ist. Andererseits soll möglichst niemand gezwungen werden, gegen Glaubenspflichten zu verstoßen. Beispiel: wer aus religiösen Gründen leidensmindernde Maßnahmen mit lebensverkürzender Nebenwirkung ablehnt, soll nicht dazu gezwungen werden. Wer aber aus wohlerwogenen Gründen seinem Leben ein Ende setzen will, soll das tun dürfen, auch wenn andere das für schwer sündhaft halten. Der Glaube soll in den Rechtsdiskurs nur mit säkularen, verallgemeinerungsfähigen Argumenten eingreifen. Bei einer wie beschrieben liberalen Organisation des Rechts kann und muss der Staat in der Lage sein, sein gesamtes Handeln grundsätzlich gegenüber jedermann rational rechtfertigen zu können; eine spezielle Ideologie – außerhalb seiner eigenen Basisregeln – darf er weder vertreten, noch als solche fördern (s. dazu § 15 IV). Dementsprechend kennt das GG keine „Zivilreligion“ (s. unten 3). Dieses sich klar aus dem Text und Geist des GG ergebende Konzept bringt Moral, Religion und Recht vorbildlich zum Ausgleich und belässt ihnen ihre jeweilige Bedeutung. Den jeweiligen religiös-weltanschaulichen Belangen wird voll Rechnung getragen, aber Machtausübung über andere wird nicht staatlich gefördert. 2. Liberale Rechtstheorie und Grundgesetz: Neutralitätsliberalismus a) Damit sind bereits die Grundgedanken der liberalen Rechts- und Staatstheorie 73 skizziert. Sie befasst sich nämlich mit der Frage, wie die individuell verschiedenen Vorstellungen vom Guten auf staatlicher Ebene in Einklang gebracht werden sollen (vgl. zum Ganzen auch § 10 IV 2, 3). Für religiös-kulturell sehr weitgehend einheitliche Gesellschaften bietet es sich an, zur Optimierung des gesellschaftlichen Zusammenhalts die Mehrheitskultur zu privilegieren, wenn dabei gleichzeitig den Minderheiten klare und faire Rechte zugebilligt werden. Man könnte dann von einem liberalen Toleranzstaat sprechen. Die faire Behandlung von Minderheiten fällt den Exponenten der Mehrheitskultur aber erfahrungsgemäß sehr schwer (s. o.). Mit zunehmender Pluralisierung werden die Gleichheitsdefizite des Toleranzstaats zunehmend unangemessen. Ein tragfähiger Basiskonsens aller Bürger setzt im freiheitlich-pluralistischen Staat wirklicher Religionsfreiheit den Vorrang des allgemein akzeptierbaren Rechten vor dem Guten voraus. Die Zuerkennung gleicher Rechte bedarf allerdings eines Bezugspunktes, von dem aus die unterschiedlichen ethisch-spezifischen Vorstellungen (zu Familie, Sexualität, Medizinethik usw.) neutral, d. h. unparteilich, gewährleistet werden können. Dieser Bezugspunkt ist bei uns das, was man als die Ideologie des GG bezeichnen kann: Grundrechte, freier geistiger Prozess, Gewaltverbot, Völkerfriede, Sozialstaatlichkeit und wesentlich auch die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staats. In vieler Hinsicht geben die Grundprinzipien des GG aber keine klare Direktive, wenn etwa in Fragen der Bioethik zwangsläufig zwischen verschiedenen ethischen Positionen entschieden werden muss.
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§ 5 Religion, Moral, Recht, Staatsphilosophie, Grundgesetz
74 b) Ein großes Sonderproblem ist dabei die Menschenwürde (Art. 1 I GG), bei der das Be-
mühen um eine möglichst ideologiefreie Begrifflichkeit oft unter die Räder kommt. Mit „Menschenwürde“ zu operieren, ist besonders problematisch, wie die ausufernde Literatur der letzten Jahre deutlich zeigt. Gern werden Grundsätze, die zum gewünschten Ergebnis führen, in die Menschenwürde hineingelesen. Während man sich im Parlamentarischen Rat gerade nicht auf den Antrag eines Schutzes des vorgeburtlichen Lebens im GG einigen konnte7 und Text sowie systematischer Zusammenhang nichts in dieser Richtung erkennen lassen (im Gegenteil: der Schutz des Lebens in Art. 2 II GG bezieht sich nach dem Zusammenhang nur auf „Personen“), kommt nach heute verbreiteter Meinung selbst der befruchteten Eizelle (Größe ca. 0,11–0,15 mm) bereits „Menschenwürde“ zu. Die dahinterstehenden religiösen Thesen (Beseelung mit Kernverschmelzung, „Simultanbeseelung“, entsprechend der erst seit 1869 vorherrschenden kath. Theologie8) werden meist nicht einmal offen dargelegt. Nur hingewiesen werden kann in diesem Zusammenhang auf die juristisch delikate Rspr. des BVerfG zum Schwangerschaftsabbruch9 mit ihren dogmatischen Ungereimtheiten.10 Es gibt aber erfreulicherweise auch Versuche eines rationaleren Umgangs mit dem Begriff Menschenwürde.11
75 c) Ein konsequenter Neutralitätsliberalismus verlangt im Gegensatz zu Irrationalismen immer, dass staatlich-normative Werturteile über bestimmte Konzeptionen des Guten vermieden werden. Daraus ergibt sich folgende strikt einzuhaltende Regel: Staatliche Regulierungen sowie Beschränkungen individueller Handlungsfreiheit sind nur auf der Grundlage solcher Argumente zulässig, die keine besonderen religiösen oder philosophischen Lehren voraussetzen. Mit anderen Worten: Freiheitsbeschränkungen, aber auch Fördermaßnahmen dürfen nur auf Grund solcher Rechtsgüter erfolgen, deren Vorrang im konkreten Fall unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit neutral begründet werden kann. Allerdings sind die Auswirkungen solcher begründungsneutraler Regelungen 76 zwangsläufig recht unterschiedlich, weil sie auf unterschiedliche tatsächliche Voraussetzungen treffen: in der praktischen Auswirkung differenziert die Gleichheit, z. B. wegen der verschiedenen Zahl der Mitglieder von Religionsgemeinschaften. Für im obigen Sinn neutrale Regelungen mit ethischem Bezug heißt das, dass ethische Konzepte jenseits des für alle verbindlichen Grundkonsenses nicht unter Bestandsschutz gestellt werden, sondern um Akzeptanz werben müssen. Stichwortartig zusammengefasst gilt: Begründungsneutralität, nicht Wirkungsneutralität. 7 8
9 10 11
Zur Entstehungsgeschichte des Art. 2 ausführlich R. Herzog, JR 1969, 442. Zuvor dominierte die auf die Antike zurückführende Theorie von der Sukzessivbeseelung, d. h. stufenweise Beseelung je nach Geschlecht; vgl. G. Jerouschek, JZ 1989, 279, 283 f. BVerfGE 39, 1 und 88, 203. Dazu N. Hoerster, JuS 1995, 192. Erhellend im Zusammenhang der Klonierungsproblematik E. Hilgendorf, in: Staat – Kirche – Verwaltung. FS für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, 2001, 1147–1164; ders., in: Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart. FS für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, 2002, 387–404 (mit Kritik an der Vermischung rechtlicher und moralischer Argumente in der bioethischen Debatte). Allgemein zu Art. 1 I GG statt aller H. Dreier, in: ders., GG, 2. A. 2004, und krit.-prägnant in: C. Geyer, Biopolitik, 2001, 232; sehr krit. R. Merkel, ebenfalls in: C. Geyer, a. a. O., 51.
II. Staatsphilosophie, Weltanschauung, Grundgesetz
39
Erscheint die Unterschiedlichkeit der Wirkungen im Einzelfall nicht akzeptabel, sind die Regelungen selbst mit „neutraler“ Begründung zu differenzieren. d) Der so definierte und begründete Neutralitätsliberalismus ist nach hier vertrete- 77 ner Ansicht nicht nur gut mit dem GG vereinbar, sondern ergibt sich aus ihm. Nichts anderes ist nämlich mit der weithin anerkannten Rede davon gesagt, das GG kenne keine Staatsideologie. Das kann aber nur meinen: das GG nimmt keine spezifischen moralischen Forderungen (jenseits seiner eigenen allgemeinverbindlichen Basisideologie, s. o. II 1) in Anspruch, sondern überlässt diese den Bürgern. Das besagt auch die allgemeine Grundfreiheit des Art. 2 I GG: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit … “ Eher noch deutlicher ergibt sich dieser Gedanke aus der mehrfachen Anordnung der formalen Gleichheit von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen im GG (s. § 10 II). e) Praktisch bedeutet das aber, dass Gesetze, die einer speziellen, z. B. religiösen, 78 Ethik entsprechen (z. B.: absolutes Abtreibungsverbot, weitgehender Embryonenschutz), nicht einfach mit der aktuellen Existenz einer entsprechenden parlamentarischen Mehrheit begründet werden dürfen, bei der womöglich machtpolitischtaktische Gründe die Hauptrolle spielen. Denn: „Das staatliche Handeln und die politische Ordnung müssen prinzipiell gegenüber jedermann rechtfertigungsfähig sein.“12 Darauf kommt es an und nicht auf eine etwa zusätzlich vorhandene religiöse oder sons- 79 tige vorgegebene ideologische Motivation. Auch soll ja möglichst niemand zu Handlungen gezwungen werden, die seiner Grundüberzeugung widersprechen. Notfalls schützt ihn davor die Gewissensfreiheit, Art. 4 I GG (dazu § 8). Diese strengen Anforderungen an die Gesetzgebung scheinen derzeit allerdings die Parlamentarier erheblich zu überfordern. Dabei nimmt die liberale Rechtstheorie dem Gesetzgeber nicht seine Spielräume, sondern reduziert sie nur und versachlicht die Argumentation bei ideologisch umstrittenen Fragen.13 Im Übrigen lässt auch sie Regelungen zu, die Ausdruck einer spezifisch religiös-weltanschaulichen Überzeugung sind, sofern sie unvermeidbar sind (keine „neutrale“ Alternative) oder wenn sie dennoch rational begründet werden können. So ein Grund kann in einem Sonderfall auch der soziale Friede sein. Das darf aber keinen Freibrief für sozial unverträgliche fundamentalistische Forderungen abgeben, die anderen aufgedrückt werden sollen. Ein Nachgeben um des „Friedens“ willen wäre dabei verhängnisvoll. Vgl. zum Ganzen auch § 10 IV 2, 3.
3. Gegenpositionen a) Immer wieder aufkommende Thesen, die eine gewisse religiöse Tendenz des 80 GG behaupten und sich vor allem an der Gottesklausel der Präambel festhalten (s. dazu § 10 II 2 b), verwenden manchmal dafür den reichlich unklaren Begriff Zivil12 13
St. Huster, in: Brugger/Huster, Der Streit um das Kreuz, 1998, 69 (83). Je mehr rechtspolitische Forderungen ausdrücklich oder hintergründig speziell religiös fundiert sind, desto hartnäckiger und giftiger sowie u. U. dauerhaft spaltender sind die Auseinandersetzungen.
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§ 5 Religion, Moral, Recht, Staatsphilosophie, Grundgesetz
religion. Dieser Modebegriff der politischen Philosophie wird in einem weiten Verständnis nicht nur für die Idee von Grundrechten und Menschenwürde im gesellschaftlichen Grundkonsens („Verfassungspatriotismus“), sondern sogar für Aspekte der Medienkultur oder des Sports verwendet. Eine solche Begriffsausweitung führt aber zu einer sinnlosen Begriffsentleerung. Der Erfinder des Begriffs Civil Religion, der US-Amerikaner Robert N. Bellah, verstand (1967) darunter eine dezidiert religiöse, aber außerkirchliche Minimalüberzeugung, deren Hinterfragung Politik und Gesellschaft nicht zulassen, also mit Tabu belegen. So war es auch schon z. B. bei Thomas Hobbes, Thomas Morus, John Locke und Jean-Jaques Rousseau: Bei aller Freiheitlichkeit durfte man sich damals, da staatsgefährdend, keinesfalls zum Atheismus bekennen, und in den heutigen USA gilt das noch heute in abgemilderter Form. Der Krieg im Irak wurde zu Beginn auch und gerade mit zivilreligiösen Formeln begründet.14
81
Ein bekannter Vertreter des Verständnisses von Zivilreligion als notwendige religiöse Minimalüberzeugung ist der politische Philosoph Hermann Lübbe. Für ihn ist Zivilreligion nach wie vor ein (klarer) Sammelbegriff für symbolisch bedeutsame Phänomene außerkirchlicher religiöser Kultur als Teil der öffentlichen politischen Präsenz. Diese enge Definition erscheint sinnvoll. Nun gibt es Zivilreligion in diesem Sinn auch in Deutschland (öffentliche religiöse Symbole und Trauerfeiern, Helm ab zum Gebet, ritualisierte öffentliche Ansprachen mit leicht religiöser Tendenz u. a.). Lübbes These, auch das deutsche Verfassungsrecht enthalte dezidiert religiöse Elemente, die auch nichtreligiöse Bürger hinnehmen müssten, hält aber in dieser Form einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Lübbe meint: die Gottesnennung in Präambeln sowie religiöse Verfassungseide bekundeten religiöse Akte, religiöse Verhaltensweisen würden zu Erziehungszielen erhoben, und insgesamt gebe es „manifeste zivilreligiöse Elemente im Rechtssystem“.15 Die Fakten als solche stimmen ja. Aber zum einen lässt sich leicht nachweisen, dass das GG nicht einmal ansatzweise einen religiösen Inhalt hat (s. § 4), zum anderen missachtet die zitierte These den Rechtssatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“. Zivilreligiöse Fakten sagen nichts über ihre Vereinbarkeit mit dem GG aus. „Zivilreligion“ ist ein unklarer und für das Recht auch in seinem engeren Verständnis unbrauchbarer Begriff. In den deutschen juristischen Sprachgebrauch ist er zu Recht nicht eingegangen.
82 b) Ähnlich ist es mit dem ebenfalls vieldeutigen Begriff Kommunitarismus, der die alten Fragen nach der richtigen Integration der Gesellschaft in einem pluralistischen Rechtsstaat neu aufwirft. Die diversen neokonservativen kommunitaristischen Theorien wurden in den USA ab etwa 1980, in Deutschland etwa 10 Jahre später als Gegenbewegung zum politischen Liberalismus und zur liberalen Rechtstheorie John Rawls’ entwickelt. Es geht um die moralische Verfassung einer modernen Gesellschaft, um die Frage, welcher Art die kollektiven Wertüberzeugungen sein sollen oder müssen. Kommunitaristen kritisieren die Atomisierung der Gesellschaft und betonen die Freiheit zur Bindung in Gemeinschaft, wollen 14
15
Vgl. generell zur großen Bedeutung der Religion in den USA K.-M. Kodalle (Hrsg.), Gott und Politik in USA, 1988 und R. Prätorius, In God We trust, Religion und Politik in den USA, 2003. Vgl. H. Lübbe, in: W. Brugger/St. Huster, Der Streit um das Kreuz, 1998, 237 (240 ff.); insgesamt: R. Schieder (Hrsg.), Religionspolitik und Zivilreligion, 2001.
II. Staatsphilosophie, Weltanschauung, Grundgesetz
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aber gleichzeitig nicht hinter die Aufklärung zurück. Sie haben jedoch keine Theorien hervorgebracht, die man konkret anwenden könnte. Das gilt auch für einen „liberalen“ Kommunitarismus, wie er für Deutschland auch für das Rechtssystem ganz vereinzelt vertreten wird.16 Die „Philosophie“ des GG ist nicht aus philosophischen Richtungen zu ermitteln, sondern nur aus seinem Text und Geist selbst. Bei der Ermittlung seines Gehalts können philosophische Fragestellungen bestenfalls hilfreich sein. Im Gegensatz zum variantenreichen kommunitaristischen Denken gibt die oben skizzierte liberale Rechts- und Staatstheorie eine solche Hilfestellung. Sie untermauert die dem GG zu entnehmenden Grundgedanken und bringt sie auf den Begriff. c) Die Existenz von Naturrecht ist schon oft als leerformelhaft widerlegt wor- 83 den.17 Dennoch spielte es in der Nachkriegszeit als christliches Naturrecht eine wichtige Rolle in der Rspr. des BGH und auch des BVerfG (s. § 6 II 3 d). Typisch war die juristische Rede vom „objektiven Sittengesetz“. Selbst heute reißt die allgemeine Diskussion nicht ganz ab, obwohl das Naturrecht intellektuell, auch im Rechtswesen, eigentlich abgetan ist. Grund für das gelegentliche Wiederaufflackern des Naturrechts ist angesichts stetigen Unrechts die Sehnsucht nach überpositiver Kontrolle des gesetzten Rechts18, aber auch seine Verwendbarkeit im rechtspolitischen Kampf. Seit der Antike diskutiert man im Abendland kontrovers über Naturrecht. Man versteht darunter generell die These der Existenz von objektiv-verbindlichen Gerechtigkeitsprinzipien, die sich aus der Natur der Sache bzw. des Menschen ergeben sollen. In christlicher Ausprägung gründet Naturrecht in der Erkennbarkeit der göttlichen Weltordnung durch die Vernunft. Die Attraktivität der vielfältigen naturrechtlichen Theorien liegt auch in ihrer Eignung, bestehendes positives Recht zu legitimieren bzw. es als Unrecht zu kritisieren. Naturrechtlich hat man z. B. das Recht des Stärkeren, die hierarchische Ordnung, den Absolutismus oder die Kastration von Kirchensängern, aber eben auch die grundsätzliche Gleichberechtigung und Freiheit aller Menschen begründet. Historisch bedeutsam wurde erst das profane Vernunftrecht des Zeitalters der Aufklärung, das die Forderung nach natürlichen, unveräußerlichen Menschenrechten entwickelte. Wir haben daher dem neuzeitlichen Naturrechtsdenken viel zu verdanken. Andererseits ist ja bereits strittig, ob bzw. inwieweit Prinzipien der Moral und Gerechtigkeit aus der Vernunft begründet werden können. Die Lehren vom Naturrecht benutzen unbestimmte Begriffe zur Erzeugung von Gefühlen und definieren sie zirkelhaft durch andere unbestimmte Begriffe. Naturrecht kann daher nicht als Rechtsquelle für das positive Recht fungieren. Wer heute noch oder wieder Naturrecht postuliert, setzt sich daher dem Verdacht ideologischer Interessenvertretung aus. 16
17
18
W. Brugger, AöR 1998, 337; krit. O. Höffe, in: ders., Vernunft und Recht, 1996, 160– 185; Allgemeiner Überblick bei W. Reese-Schäfer, APuZ 1996, B 36, 3 ff. Ausführlich zum Ganzen etwa B. Rüthers, Rechtstheorie, 2. A. 2004; E. Topitsch, Aufklärung und Kritik, H. 1, 1994, 1 (Naturrecht im Wandel des Jahrhunderts). Sie klingt in Art. 1 II GG an, wo von der Unveräußerlichkeit der Menschenrechte die Rede ist.
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84
§ 5 Religion, Moral, Recht, Staatsphilosophie, Grundgesetz
Natürlich ist mit der Ablehnung eines vorgegebenen verbindlichen Naturrechts das Problem des Auseinanderklaffens von Recht und Gerechtigkeit nicht gelöst. Diese kulturgebundene Daueraufgabe erfordert rechtspolitische Wertungen und Änderungen, die möglichst rational und nicht religiös-metaphysisch zu begründen sind, so dass sie möglichst allgemein als „gerecht“ eingesehen werden können.
85 d) Immer wieder wird von religiöser Seite das Argument von der Religion als Integrationsfaktor geltend gemacht, auch um Privilegierungen zu rechtfertigen. Das Argument trifft aber weder faktisch noch rechtlich zu. Natürlich integriert Religion, aber eben nur verschiedene Teile der deutschen Bevölkerung, jeden für sich. Der integrative Wert der großen christlichen Kirchen wird zudem fraglich, wenn man deren erhebliche Selbstsäkularisierung sowie den Umstand berücksichtigt, dass sich etwas mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung (unabhängig von einer formalen Kirchenmitgliedschaft) als „nicht religiös“ bezeichnet. Integration durch Religion ist in Deutschland eine nicht ungefährliche Illusion, weil solche Versuche zu viele ausgrenzen und daher desintegrieren.19 Der Staat muss zur Integrierung möglichst Aller einen geeigneten rechtlichen Rahmen bereitstellen. Eine freiheitliche, gerechte Rechtsordnung auf der Basis der grundsätzlichen ethischen Gleichberechtigung aller Bürger und aller Religionen und Weltanschauungen wäre eine Grundlage für eine bisher fast völlig fehlende Erziehung zum Verfassungspatriotismus. Die innere Akzeptanz der Grundprinzipien des GG könnte wesentlich zur Integration aller Staatsbürger beitragen. Aber leider sind ausreichende staatsbürgerliche Grundkenntnisse nur wenig verbreitet.
19
Ein extremes, wenngleich in der religiös-politischen Landschaft keineswegs isoliertes Beispiel sind u. a. folgende Worte Joachim Kardinal Meisners beim internationalen Soldatengottesdienst am 11. 1. 2007 (Weltfriedenstag) in Köln, gehalten vor dem Bundesverteidigungsminister und anderen hohen Repräsentanten des öffentlichen Lebens: „Wer nicht mehr beten kann ‚Ehre sei Gott in der Höhe‘, wem Gott im Himmel nicht mehr heilig ist, dem kann auch auf Erden nichts mehr heilig sein.“ – „Menschlichkeit ohne Gottesglauben verkommt in Brutalität.“ – „Den Menschen begründet in seiner unantastbaren Würde, dass er die Fähigkeit besitzt, Gott anzubeten.“ (Quelle: Pressestelle des Erzbistums Köln, www.jcm_pr_070111-soldatengd.pdf). Wie soll man Menschen integrieren, denen man bescheinigt, ihnen sei angeblich nichts mehr heilig? – Auf Kritik stieß auch die Aussage des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger auf einem Neujahrstreff der CDU am 15. 1. 2006 in Weinheim zum Thema Einbürgerung, Muslime seien ihm lieber als Scientologen oder Atheisten (so z. B. Rhein-Neckar-Zeitung v. 16. 1. 2006). – Ende 2004 wurde die Zulassung einer humanistischen Schule in Fürth mit einem pädagogisch fundierten Reformkonzept durch den Humanistischen Verband Deutschlands (HVD Nürnberg) abgelehnt mit einer vordergründig pädagogischen Begründung, hinter der aber aktenkundig das Argument gestanden haben soll, eine Vereinigung nicht-religiöser Menschen könne keine Schule betreiben, da nach der Landesverfassung die Kinder in Ehrfurcht vor Gott zu erziehen seien (Quelle: www.humanistische-schule.de/content/presse.html).
§ 6 Zur Entwicklung des Staat-KircheVerhältnisses in der Bundesrepublik
I. Phasen des Religionsrechts In der Frühzeit der Bundesrepublik war das Verhältnis des Staats zu den Reli- 86 gionsgemeinschaften fast gleichbedeutend mit dem zwischen dem Staat und den großen Kirchen. Die Zahl der kleinen, fast ausschließlich christlichen, Religionsgemeinschaften war erheblich kleiner als heute. Nur wenige Menschen gehörten formal keinem religiösen Bekenntnis an, was die politische und rechtliche Praxis erheblich prägte. Im Gegensatz zu heute konnte man damals das Rechtsgebiet, das sich mit Religion und vor allem mit dem Verhältnis des Staats zu den großen Kirchen befasste, ganz unbefangen als „Staatskirchenrecht“ bezeichnen. Dieses entwickelte sich in Phasen, die man grob einteilen kann in die Phase der kirchenzentrierten Euphorie (1949 bis ca. 1965), in eine folgende Phase der Versachlichung und, im Zusammenhang mit dem Aufkommen neuerer Religionsgemeinschaften, des Islam, der Wiedervereinigung, der eingetretenen starken Säkularisierung der Gesellschaft und vor allem der Europäisierung ab etwa 1990 eine Phase der Hereinnahme des Rechtsgebiets in den allgemeinen verfassungsrechtlichen Diskurs. Das kommt in den jetzt hauptsächlich gebrauchten und von Anfang an keineswegs polemisch verwendeten Begriffen Religionsrecht bzw. Religionsverfassungsrecht gut zum Ausdruck. Der Wandel war seit 1949 jedenfalls ein besonderes Merkmal des Religionsrechts der Bundesrepublik.1
II. Zum Staatskirchenrecht in der Frühzeit der Bundesrepublik (1949–1965) 1. Voraussetzungen a) Eine Reihe von Faktoren hat dazu beigetragen, dass die großen Kirchen nach 87 dem Zusammenbruch von 1945 rasch Ansehen und enormen politischen Einfluss 1
G. Czermak, NVwZ 2000, 896.
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§ 6 Zur Entwicklung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der Bundesrepublik
gewannen. Sie waren als einzige der großen gesellschaftlichen Organisationen in ihren Strukturen mehr oder weniger intakt geblieben. Zwar hatten sie sich äußerst zwiespältig verhalten, und je mehr hierüber kritisch geforscht wird, umso bedenklicher sind die Ergebnisse.2 Die Kirchen wurden von den Alliierten trotzdem bereitwillig als Gesprächspartner akzeptiert, erschienen sie doch als „die Garanten von Kontinuität und Ordnung inmitten eines allgemeinen inneren und äußeren Chaos“ (Martin Greschat). Sie nahmen sich erfolgreich der materiellen Not an und vertraten die Interessen des demoralisierten Volks gegenüber den Besatzungsmächten. Sie schonten die Volksseele und sich selbst und reduzierten mit Worten wirksam den Ballast der Schuld, boten Sinndeutung in einer Zeit der Sinnentleerung an. Ihre Kehrtwende war ebenso abrupt und „gründlich“ wie die der deutschen Bevölkerung; soziologisch kein überraschender Befund. Alles zusammen bot beste Voraussetzungen für ein politisches Wirken im Verein mit den zwei neuen, nunmehr interkonfessionellen christlichen Parteien, nämlich der CDU als Nachfolgerin des Zentrum und der CSU als Nachfolgerin der Bayerischen Volkspartei. Hierzu schreibt Paul Mikat: „Schon bald nach der Kapitulation des Reiches meldeten die katholischen Bischöfe kraftvoll ihre kirchenpolitischen und vor allem ihre schulpolitischen Forderungen an.“3
88 b) Als der Parlamentarische Rat 1948 mit seinen Beratungen begann, existierten bereits einige Länderverfassungen. Insbesondere die Verfassungen von Bayern, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Baden und Saarland enthielten bereits starke christliche Elemente.4 In Bayern war die Position der katholischen Kirche so stark, dass Wilhelm Hoegner (SPD) einen Kulturkampf befürchtete, wenn Konfessionsschulen nicht zugelassen würden. Selbst die FDP setzte sich entgegen ihren Prinzipien nur für eine speziell christliche Gemeinschaftsschule ein, denn diese schmälere das „Recht der Kirchen zur religiösen Erziehung“ nicht.5 Mit der Bekenntnisschule als Regelschule in der Landesverfassung hatten die Kirchen in Bayern 1946 sogar mehr bekommen, als es Konkordat und Kirchenvertrag von 1924 (verfassungsrechtlich schon damals problematisch) garantierten. 89 c) Die Kirchen waren, wie gesagt, schon vor Gründung der Bundesrepublik politisch sehr aktiv. Bereits 1945 forderte die Fuldaer Bischofskonferenz die Einrichtung von Bekenntnisschulen. Der Kirche fiel die Rolle als „ebenbürtiger Partner der weltlichen Herrschaftsmacht“ zu. Bereits 1946 verlangte der Zentralrat der deutschen Kolpingfamilie „im Interesse eines moralisch gesunden Ehe- und Familienlebens die Säuberung von Presse, Rundfunk, Kino, Theater von aller dekadenten Sittenlosigkeit“. Führende Protestanten 2
3 4
5
S. aus der nahezu unüberschaubaren Literaturfülle etwa die Arbeiten von G. Besier, E.-W. Böckenförde, G. Brakelmann, G. Denzler, G. Denzler/F. Fabricius, K. Deschner, W. Gerlach, D. J. Goldhagen, M. Greschat, F. Heer, W. Huber/J. Schwerdtfeger, W. Jochmann, E. Klee, G. Lewy, H. Prolingheuer, K. Scholder, G. Zahn und v. a. Zusammenfassend etwa G. Czermak, Christen gegen Juden, Reinbek 1997, insb. 167–236. P. Mikat, in: Morsey/Repgen (Hrsg.), Christen und Grundgesetz, 1989, 33–69 (34). Vgl. B. Beutler, in: A. Rauscher (Hrsg.), Kirche und Katholizismus 1945–1949, 1977, 26; Hollerbach, HdbStKirchR I (1974), 215 (230 ff.). Zu Bayern G. Lauer, BayVBl 1990, 737 (742) m. N.
II. Zum Staatskirchenrecht in der Frühzeit der Bundesrepublik (1949–1965)
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sprachen bald von einem „Wächteramt“ der Kirchen. Die Forderung nach Rechristianisierung der Gesellschaft ließ bereits die heftigen weltanschaulichen Auseinandersetzungen um das Elternrecht und den Charakter der öffentlichen Schulen erwarten, die anlässlich der Beratungen des Parlamentarischen Rats zum Bonner Grundgesetz unter erheblicher Einflussnahme insbesondere der katholischen Kirche (Prälat Wilhelm Böhler, Adolf Süsterhenn) stattfinden sollten. Spielte auch die katholische Kirche – wie eigentlich in den staatlich-kirchlichen Auseinandersetzungen fast immer – den Vorreiter, so darf doch nicht „der enge Abstimmungsprozess und das feinmaschige Zusammenspiel der beiden Kirchen bei den Grundgesetzberatungen außer acht gelassen“ werden.6
2. Hinweise zur Entstehungsgeschichte der religionsverfassungsrechtlich bedeutsamen Artikel des Grundgesetzes Wenige Tage vor dem Zusammentritt des Parlamentarischen Rats in Bonn brachte 90 die Fuldaer Bischofskonferenz ihre Erwartungen in einem Hirtenbrief zum Ausdruck: „Wir wollen dafür Sorge tragen, dass die Grundsteine mit der Ehrfurcht vor Gott gesalbt und nicht in den Schatten der Gottesferne gelegt werden. Jeder Baustein soll nach den Bauplänen Gottes geformt und gesetzt werden … Die Wahrung der Rechte und Freiheit der Kirche werden für die christliche Lebensgestaltung in einem Staate von ausschlaggebender Bedeutung und darum bei der Staatsbildung und -gestaltung eine verantwortungsvolle Pflicht und Sorge für die Christen sein.“7
Das parlamentarische Ringen zu den weltanschaulichen Fragen kann man wie 91 folgt zusammenfassen: „In keiner anderen Frage prallten die weltanschaulichen Gegensätze so hart und unversöhnlich im Parlamentarischen Rat aufeinander als bei den Erörterungen der kulturpolitischen Fragen … Durch die Interventionen der katholischen und der evangelischen Kirche verhärteten sich die Fronten zusehends … Am heftigsten wurde um die Regelungen des Schulwesens gerungen … “8
Nachdem die Versuche der Konservativen, das speziell katholische Anliegen der Verankerung des Elternrechts i. S. eines grundgesetzlichen Anspruchs auf konfessionelle Gestaltung des öffentlichen Schulwesens ebenso gescheitert waren wie eine ausdrückliche Regelung über den Fortbestand des Reichskonkordats und zur Frage des Schutzes des ungeborenen Lebens9, konnten die Fragen des „Staatskirchenrechts“ schließlich wegen der Mehrheit der SPD und FDP nur durch Inkorporierung nahezu aller Weimarer Kirchenartikel geregelt werden. Die Entstehungsgeschichte der religionsverfassungsrechtlich bedeutsamen Artikel des GG
6 7
8 9
Mikat, a. a. O. (1989), 33 (35), Fn. 10. Vgl. R. Salzmann, in: L. Koch/J. G. Stanzel (Hrsg.), Christliches Engagement in Gesellschaft und Politik, 1979, 237–258 (237). So K. Kröger, NJW 1989, 1318 (1323). Zur diesbezüglichen Entstehungsgeschichte eindringlich R. Herzog, JR 1969, 442.
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§ 6 Zur Entwicklung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der Bundesrepublik
braucht hier nicht näher dargelegt werden.10 Oben § 4 findet sich eine Ableitung des religionsrechtlichen Systems des GG in Kurzform unter starker Anlehnung an den Verfassungstext. 3. Die Phase der „staatskirchenrechtlichen Euphorie“ (1949–1965)
93 a) Bald nach Inkrafttreten des GG begann, im Rückblick selbst aus kirchennaher Sicht, eine erstaunliche Entwicklung, die mit der Rede vom „Bedeutungswandel“ der Weimarer Kirchenartikel gekennzeichnet wurde. Ein Aufsatz von Rudolf Smend aus dem Jahr 195111 soll die Initialzündung gegeben haben, was man aber bezweifeln kann. Zwar erklärte Smend richtig: „Aber wenn zwei Grundgesetze dasselbe sagen, so ist es nicht dasselbe.“ Der Gesamtkontext war ja anders. Smend wandte sich aber gegen die Tendenz, „neue Rechte als Siegesgewinn“ zu beanspruchen. Auch sei es der Staat, der kraft seiner Souveränität die Grenze zwischen sich und der Kirche zu ziehen habe. Damit ist die folgende regelrecht klerikale Entwicklung keineswegs schon vorweggenommen. Die neue Lehre vom Staatskirchenrecht korrigierte zwar zu Recht die Weimarer Ansicht von der Existenz einer staatlichen Kirchenaufsicht, kreierte aber im Übrigen etwas völlig Neues: Man überlagerte im Hinblick auf den behaupteten generellen Bedeutungswandel der Kirchenartikel das Trennungsgebot durch das Prinzip der partnerschaftlichen Koordination.12 Entsprechend der schon Anfang des 19. Jh. entworfenen Koordinationstheorie verstand man Staat und Kirche (andere RG kamen da nicht vor) als rechtlich gleichrangige Institutionen, die einander partnerschaftlich zugeordnet waren. Man sprach von der Gleichordnung „gleichrangiger, souveräner, voneinander unabhängiger Gemeinschaften erster Ordnung als societates perfectae“ gemäß der katholischen Staatstheorie.13 Das musste zwangsläufig dazu führen, dass Staat und Kirchen in Bereichen sich überschneidender Interessen Verträge zu schließen hatten. Das Monopol staatlicher Gebietshoheit war – über Art. 137 III WRV hinaus – durchbrochen und der Staat auf Kooperation mit den Kirchen angewiesen. Das bedeutete eine enorme Sonderstellung der Kirchen gegenüber den anderen, auch den korporierten, RG, von WG sprach man nicht. Nach einer Legitimation durch den Text der Verfassung sucht man vergebens.
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Vgl. allgemein v. Doemming/Füsslein/Matz, JöR n. F. 1, Tübingen 1951; zu Art. 140 GG etwa auch A. Hollerbach in: Blumenwitz u. a. (Hrsg.), Konrad Adenauer und seine Zeit, Bd. 2, 1976, 367 ff.; K.-E. Schlief, Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche (1961), 65 ff. R. Smend, ZevKR 1 (1951), 4, auch in: H. Quaritsch/H. Weber (Hrsg.), Staat und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, 1967. Zahlreiche Beispiele bei Obermayer, DÖV 1967, 9 (10), Fn. 12. So z. B. P. Mikat in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte IV/1 (1960), 146 f.; das ist die Staatslehre von Leo XIII. bis Pius XII.
II. Zum Staatskirchenrecht in der Frühzeit der Bundesrepublik (1949–1965)
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b) Gleichwohl erkannte vorübergehend sogar die höchstrichterliche Rspr. diese 94 extreme Koordinationslehre an. Nach einem Urteil des BGH vom 16. 3. 196114 waren die Kirchen mit ihrer originären Hoheitsgewalt der staatlichen Hoheitsgewalt angeblich nicht unterworfen. Einer früheren Entscheidung des BGH zufolge galt staatliches Recht für die Kirchen nur dann, wenn es sich um „Normen elementaren Charakters, die sich als Ausprägungen und Regelungen grundsätzlicher, jedem Recht wesentlicher, für unseren sozialen Rechtsstaat unabdingbarer Postulate darstellen“, handelte15, ferner, wenn die Regelungen „vom kirchlichen Recht stillschweigend oder ausdrücklich bejaht und in Bezug genommen werden“. Diese Regeln galten, wohlgemerkt, nur für die christlichen Großkirchen, denn man anerkannte weithin eine dreistufige Parität: Man unterschied rechtlich zwischen den Großkirchen, den übrigen korporierten Religionsgesellschaften und denjenigen, die nur vereinsrechtlich organisiert waren.16 Auch die für alle Religionsgesellschaften wichtigste verfassungsrechtliche Bestimmung, Art. 137 III WRV/140 GG, wurde und wird auch vom BVerfG sehr kirchenfreundlich interpretiert, was vor allem für das Arbeitsrecht von größter Bedeutung ist. Zur Weimarer Zeit verstand man unter den „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ allgemein, dass die Kirchen selbstverständlich der allgemeinen staatlichen Rechtsordnung unterworfen waren, und auch der bekannte katholische Staatskirchenrechtler Godehard Josef Ebers17 sah das nicht anders. Da prägte 1932 Johannes Heckel die – nur für die Großkirchen gelten-sollende – Formel vom allgemeinen Gesetz. Darunter sei zu verstehen „jedes für die Gesamtnation als politische, Kultur- und Rechtsgemeinschaft unentbehrliche Gesetz, aber auch nur ein solches Gesetz“.18 Der BGH hat das, s. o., 1961 noch verschärft. c) Die speziellen Bevorzugungen der Großkirchen gegenüber den anderen Glau- 95 bensgemeinschaften oder gar weltanschaulichen Vereinigungen fanden seit 1955 einen besonderen Ausdruck in den Verträgen zwischen Staat und Kirchen, die noch bis vor kurzem von prominenten Staatskirchenrechtlern als ein Hauptmerkmal dieses Rechtsgebiets in Deutschland bezeichnet wurden. In den Kirchenverträgen bzw. Konkordaten konnten die Kirchen die Früchte jener Theorien vom Bedeutungswandel der Weimarer Artikel ernten. Das Vertragsrecht entsprach der politisch-juristischen Gesamtlage. Der 1955 geschlossene Kirchenvertrag mit den niedersächsischen Landeskirchen (Loccumer Vertrag), der die gemeinsame Verantwortung von Staat und Kirchen beschwor, wurde Vorbild für ein umfassendes Vertragsnetz in der alten Bundesrepublik und, seit 1990, mit einigen Modernisierungen auch in den neuen Bundesländern. Mittlerweile sind die allerletzten Lücken des Vertragssystems geschlossen, und die seltene Kritik daran wird von der Politik vollständig ignoriert. Juristische Kritik ist nicht üblich (s. näher § 14 III). 14 15 16 17 18
BGHZ 34, 372 (373 f.). BGHZ 22, 387 f. Heute wird allen RG zumindest ein gleicher Grundstatus zuerkannt, s. § 11 I. G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930, 294. J. Heckel, VerwArch 37 (1932), 282 (284); er begründete die Formel u. a. mit der „verfassungspolitischen Situation“ und mit den Erfahrungen des Kulturkampfes.
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§ 6 Zur Entwicklung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der Bundesrepublik
96 d) In der Frühzeit der Bundesrepublik gewann im rechtlichen Bereich das katholische Naturrechtsdenken (vgl. zum Naturrecht allgemein § 5 II 3 c) breiten Raum und bestimmte das allgemeine Klima. Dieses Denken geht von einer unveränderten göttlichen Ordnung, der lex aeterna, aus und von einem durch die Vernunft erkennbaren natürlichen Sittengesetz. In Verbindung mit dem Kirchenrecht ergibt sich daraus das Bestreben, die Rechtsordnung in christlichem Sinn zu beeinflussen. Der Einfluss dieses naturrechtlichen Denkens auf die Rechtsprechung war nachweislich enorm19 und passte gut zur Tendenz der Klerikalisierung des öffentlichen Lebens. Ein Blick etwa in alte Strafrechtskommentare wird heutige Jurastudenten den Kopf schütteln lassen. Besonders deutlich zeigte sich das katholisch geprägte Rechtsdenken auch im Schulwesen. 97
Die Situation soll noch weiter verdeutlicht werden. 1953 erklärte Papst Pius XII. in seiner sogenannten Toleranzansprache: „Was nicht der Wahrheit und dem Sittengesetz entspricht, hat objektiv kein Recht auf Dasein, Propaganda und Aktion. Nicht durch staatliche Gesetze und Zwangsmaßnahmen einzugreifen, kann trotzdem im Interesse eines höheren und umfassenderen Gutes gerechtfertigt sein.“20 Der Mensch war damit zum Objekt eines abstrakten Wahrheitsbegriffs reduziert: Im Recht sind dabei diejenigen, die sich im Besitz der „Wahrheit“ wähnen bzw. die darüber entscheidenden Instanzen. Das ist eine Machttheorie, und sie ist sozial unverträglich.21 Das zeigt sich deutlich auch im juristischen Schrifttum der jungen Bundesrepublik. So bekundete der bekannte Verfassungsrechtler Walter Hamel eine theokratische Ten98 denz. Er prägte – als Jurist – Sätze wie: „Nur die an Gott gebundene Person, ihre Ideen und Begriffe, ihr Tun sind sittlich“ oder: Freiheit besteht nur „im Bekenntnis und in der transzendenten Ordnung des Bekenntnisses: der Kirche oder einer anderen geistlichen Gemeinschaft“.22 Folglich ist für Hamel das Grundrecht des Art. 4 I GG eingeschränkt zu verstehen: „Die irreligiösen Skeptiker sind von der Bekenntnisfreiheit auszuschließen, da sie mit ihrem Bekenntnis die Freiheit verwerfen“.23 Zutiefst irrationale Auffassungen wie die Hamels24 waren keineswegs vereinzelt. Heinrich Scholler etwa schrieb in seinem Werk zur Gewissensfreiheit 1958: „Ein Volk von Meinungslosen, Gewissenlosen und Religionslosen wird weder Meinungs- noch Gewissens- noch Religionsfreiheit kennen oder anerkennen können.“25 Wilhelm Wertenbruch schrieb in seiner Habilitationsschrift (1958) u. a., Gott sei wieder „verfassungsrechtlich als der Herr anerkannt“.26 Ernst von Hippel meinte noch 1967 – da war selbst in Bayern die Position der Bekenntnisschule längst ins Wanken geraten – in seiner Allgemeinen Staatslehre: Da der Mensch gottbezogen sei, besitze das Religiöse in der Gemeinschaft „offenbar“ auch eine normative Bedeutung. Das müsse umso mehr betont 19
20 21 22 23 24 25 26
Vgl. eindrucksvoll statt aller H. Simon, Katholisierung des Rechtes? 1962 (Bensheimer Hefte 16); Langner, Der Gedanke des Naturrechts seit Weimar und in der Rechtsprechung der Bundesrepublik, Bonn 1959 (umfangreich); Weinkauff, NJW 1960, 1689; Evers, JZ 1961, 241; Wieacker, JZ 1961, 337. Zit. nach E.-W. Böckenförde, StdZ 90 (1964/65), 199 (205). Böckenförde, a. a. O., 206. Zitate W. Hamel, ARSP 40 (1952/53), 475 und ARSP 42 (1956), 483. W. Hamel, ZStW 109 (1953), 75. Eingehend zu Hamel und Witte A. Podlech, AöR 1963, 185. H. Scholler, Die Freiheit des Gewissens, Berlin 1958, 196. W. Wertenbruch, Grundgesetz und Menschenwürde, Köln/Berlin 1958, 156.
II. Zum Staatskirchenrecht in der Frühzeit der Bundesrepublik (1949–1965)
49
werden, als der moderne Staat „den Menschen der totalen Aufklärung, das aber heißt praktisch, den sich von Gott und dem Guten emanzipierenden Menschen … und also den Sünder, zum Maßstab nimmt“.27
e) Diese extremen Ansichten waren eingebettet in ein allgemeines Klima, in dem 99 der Klerikalismus hauptsächlich katholischer Prägung eine große Rolle spielte. Thomas Ellwein hat das 1955 eindrucksvoll und detailliert beschrieben.28 Der Klerikalismus war gepaart mit einem paritätischen Konfessionalismus (Proporzdenken), bei dem für Minderheiten kein Raum blieb. Auch viele Politiker waren nicht willens, einzusehen, dass die Bundesrepublik keine katholische Demokratie sein konnte. Die Weltanschauungskämpfe waren heftig, es herrschte ein Kulturkampfklima. Alle Handlungen des Menschen unterstanden nach Auffassung der katholischen Integralisten und des Papstes auch dann dem Urteil der Kirche, wenn diese ihre Autorität nicht jedermann einsichtig durch Gründe stützen konnte. Das war auch die Auffassung von einflussreichen Politikern wie Alois Hundhammer, der den fundierten und mit zahlreichen Nachweisen versehenen Ausführungen des angesehenen Politologen Ellwein einen „fanatischen Kampf gegen einen angeblichen Klerikalismus“29 vorwarf. Jegliche Kritik an übersteigerten kirchlichen Ansprüchen wurde von den C-Parteien gern als „Konfessionshetze und Brunnenvergiftung“ angeprangert. SPD-Regierungen wurden selbst dann als marxistischliberal und antikirchlich bekämpft, wenn sie, wie in Bayern und Hessen, profilierte Christen zum Kultusminister machten usw. f) Thematisch stand im Mittelpunkt des weltanschaulichen Ringens der Kampf um 100 die Schule (dazu § 13 II 2). Dieser war es auch, der nach einem äußerst aufwändigen Verfahren zum bekannten Konkordatsurteil des BVerfG führte. Darauf ist hier nicht näher einzugehen. Von großer Bedeutung war damals, 1957, jedoch, dass das BVerfG – ganz nebenbei – ohne überzeugende Begründung den Konfessionsschulzwang guthieß. Da war es für das BVerwG ein Leichtes, mehrfach den Bekenntnisschulzwang und die Glaubensfreiheit miteinander zu vereinbaren, zuletzt 1964. Der BayVerfGH sah sich 1967 bezüglich einer gravierenden Gesetzesänderung veranlasst, das in der Verfassung noch verankerte Bekenntnisschulprinzip aufzuweichen und christliche Minderheiten zu berücksichtigen. Wenn evangelische Schüler gezwungen würden, nach katholischen Grundsätzen erzogen zu werden (oder umgekehrt), sei das ein „klarer Verstoß“ gegen die Glaubensfreiheit. Für Nichtchristen sollte Entsprechendes aber nicht gelten, wie im selben Jahr in zwei weiteren Entscheidungen klargestellt wurde. Denn die „Ausmerzung“ des christlich geprägten Geistes der (Volks)Schule verletze die „Gewissensfreiheit“ der christlichen Eltern. Auch habe der Gedanke der Nichtmajorisierung der
27 28
29
E. v. Hippel, Allgemeine Staatslehre, 2. A. Berlin/Frankfurt 1967, 262. Th. Ellwein, Klerikalismus in der deutschen Politik, 1. und 2. A. München 1955; eingehend zu diesem Aspekt der gesamten Adenauer-Ära Th. M. Gauly, Katholiken, Machtanspruch und Machtverlust, 1991, insb. 127–178. A. a. O., S. 24 der 2. A.
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§ 6 Zur Entwicklung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der Bundesrepublik
Grundrechte Schranken „kraft unserer demokratischen Rechtsordnung“.30 Dabei war zu diesem Zeitpunkt bundesrechtlich schon eine Wende zugunsten der Religionsfreiheit eingeleitet. Die „Schulfrage“ lag zwar nur am Rande des Staatskirchenrechts, war aber dafür umso bedeutungsvoller.
III. Die religionsrechtliche Wende zu einer Phase der Ernüchterung 1. Literarischer Vorstoß
101 Die Zeit der allgemeinen Konfessionalisierung ging in den 1960er Jahren allmählich dem Ende entgegen. Im Zuge der Landschulreformen wurden die Konfessionsschulen weitgehend zugunsten der sogenannten christlichen Gemeinschaftsschulen beseitigt, die freilich ebenfalls zahlreiche (zunächst kaschierte) Rechtsfragen aufwerfen (§ 13 III, IV). Im juristischen Bereich hatten die Machtansprüche der Kirchen und die extreme Auffassung der strengen Koordinationslehre (s. o.) zwangsläufig fundamentalen Widerspruch zur Folge. Er fand 1962 seinen eindrucksvollsten Ausdruck in einem großen und einflussreichen Aufsatz von Helmut Quaritsch31. Er räumt gründlich auf mit dem Ereignis des deutschen Verfassungsrechts, „dass die Interpretation der unverändert rezipierten staatskirchenrechtlichen Vorschriften der WRV innerhalb eines Jahrzehnts zu Konsequenzen geführt hat, die dem Inhalt der im Jahre 1948 abgelehnten Anträge entsprechen bzw. noch weit darüber hinausgehen“.32 Gleich eingangs stellte Quaritsch die Frage nach der intellektuellen Redlichkeit und dem Unterschied zwischen Erkenntnis und Bekenntnis. 1964 stieg Erwin Fischer, der häufig (wohl meistens als Alibi) Zitierte, in die juristische Arena mit seinem Kontrastprogramm „Trennung von Staat und Kirche“. Ebenfalls 1964 erschien die Grundlagenarbeit von Gerhard Scheffler zu Art. 140 GG33 und 1965 folgte Konrad Hesse mit seinem vielzitierten, weltoffenen Aufsatz „Freie Kirche im demokratischen Gemeinwesen“, in dem er auch von eigenen früheren Positionen Abstand nahm und deutliche innerkirchliche Kritik übte. Die Kirche strebe „maximale institutionelle Sicherungen an“ und suche „das, was sie an unmittelbarem Einfluss auf die moderne Gesellschaft verloren haben, mittelbar durch staatskirchenrechtliche 30 31
32 33
BayVerfGH 20, 125 (133 f.) und 20, 159 (165). H. Quaritsch, Der Staat 1 (1962), 175–197 und 289–320; auch in: H. Quaritsch/H. Weber (Hrsg.), Staat und Kirchen … 1967, 265–310. Später folgte H. Quaritsch, Der Staat 5 (1966), 451, u. a. mit Rezension einer Monographie von A. Albrecht (1965), dem „beste(n) Buch, das je für die Koordination geschrieben wurde“, aber den Kreis auch nicht quadrieren könne. A. a. O., 195. G. Scheffler, Die Stellung der Kirche im Staat nach Art. 140 GG … , Hamburg 1964, 2. A. (Neubearb.) 1973.
IV. Hinweise zur weiteren Entwicklung
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Institutionalisierung zurückzugewinnen“; das sei aber der kirchlichen „Diasporasituation“ in der Gesellschaft nicht angemessen.34 Hesses Aufsatz klingt noch heute sehr modern, ebenso wie Hermann Webers Monographie über die Religionskörperschaften von 1966.35 2. Die Kirchensteuerurteile des BVerfG Die bekannten Kirchensteuerurteile des BVerfG aus den Jahren 1965/66 bedeute- 102 ten das Ende der Phase der staatskirchenrechtlichen Euphorie. Noch schneller, als sich die Koordinationstheorie entwickelt hatte, verschwand sie nun sang- und klanglos. Auf manchen wirkte es aber noch fast revolutionär, als das BVerfG in seiner berühmten Entscheidung zur badischen Kirchenbausteuer Ende 1965 die Auffassung vertrat, RG dürften keine Hoheitsrechte über ihr nicht angehörende Personen ausüben, und auch juristische Personen dürften nicht zur Kirchensteuer herangezogen werden. In einer noch heute vielzitierten Urteilspassage heißt es, das GG lege „dem Staat als Heimstatt aller Bürger ohne Ansehen der Person weltanschaulich-religiöse Neutralität auf“, verwehre die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersage auch die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse.36 Welche verfassungsrechtlichen Grundprobleme die Kirchensteuer aufwirft und dass das BVerfG trotz der zitierten Entscheidung recht kirchenfreundlich judizierte, zeigt die Darstellung zum Kirchensteuerrecht in § 12 II.
IV. Hinweise zur weiteren Entwicklung 1. Bleibende Kirchenfreundlichkeit Dass die Phase der staatskirchenrechtlichen Euphorie der Adenauer-Ära mit ihrer 103 Koordinationstheorie endgültig vorbei war, dokumentierte die Staatsrechtslehrertagung 1967, die unter dem Thema „Die Kirchen unter dem Grundgesetz“ stand. Dass das aber nicht das Ende einer bevorzugten Würdigung kirchlicher Interessen im Recht und keine Anerkennung der religiös-weltanschaulichen Unparteilichkeit bedeutete, ist verdichtet in dem Aufsatztitel „Christliche Schule im neutralen Staat“.37 Noch entscheidender war die Tatsache, dass das BVerfG auf einen „betont kirchenfreundlichen Kurs“ einschwenkte38, und die Religionsfreiheit sowie die weltanschauliche Neutralität des Staates erhielten, verbal stets hochgehalten, eine für die Bundesrepublik eigentümlich reduzierte Bedeutung. 34 35
36 37 38
K. Hesse, ZevKR 11 (1964/65), 337 (347, 346). H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966; im selben Geist K. Obermayer, DÖV 1967, 9. BVerfGE 19, 206 (216). Feuchte/Dallinger, DÖV 1967, 361. So etwa H. Weber, NJW 1983, 2541 (2542).
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§ 6 Zur Entwicklung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der Bundesrepublik
2. FDP-Kirchenpapier 1974
104 a) Viel Aufsehen erregte 1974 das FDP-Kirchenpapier, nämlich das beim Bundesparteitag
der FDP nach umfangreicher innerparteilicher Diskussion mit großer Mehrheit verabschiedete Thesenpapier mit dem Titel „Freie Kirche im freien Staat“. Es gilt seit langem als gescheitert und konservativen Kreisen als kirchenfeindlich, antiquiert und nicht diskussionswürdig. In Kürze: Das Papier betont eingangs die Notwendigkeit eingehender Gespräche mit den Kirchen und anderen religiösen sowie weltanschaulichen Gruppen. Der Staat habe auf kirchliche Angelegenheiten keinerlei Einfluss zu nehmen (These 1), der Körperschaftsstatus sei durch ein neues Verbandsrecht abzulösen (These 2), die Mitgliedschaft sei rein intern zu regeln (These 3), das Recht auf Verschweigung der Religionszugehörigkeit sei stets zu beachten (These 4), die Kirchensteuer sei durch ein kircheneigenes Beitragssystem zu ersetzen (These 5), das Neutralitätsprinzip sei auch im Landesrecht und bei religiösen Symbolen zu beachten (These 6), Kirchenverträge und Konkordate seien aufzuheben und ggf. durch Gesetze oder Einzelvereinbarungen zu ersetzen (These 7), Staatsleistungen und finanzielle Sondervorteile seien aufzuheben (These 8), bei sozialen Einrichtungen sei freien Trägern kein Vorrang einzuräumen und die öffentliche Hand müsse ausreichend neutrale Einrichtungen bereitstellen (These 9), die religiös-weltanschaulich neutrale Gemeinschaftsschule solle im ganzen Bundesgebiet Regelschule sein, wahlweise sei Religionsunterricht oder Religionskunde anzubieten (These 10), Anstalts- und Militärseelsorge sei die alleinige Sache der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (These 11), Geistliche und Theologiestudenten seien im Wehrdienstrecht den anderen Bürgern gleichzustellen (These 12), in den öffentlichen Gremien sei die Vertretung der Kirchen und anderer gesellschaftlicher Gruppen auf die jeweilige Funktion der Verbände zu überprüfen (These 13).
105 b) Die FDP-Thesen verursachten seinerzeit kurzfristig großen Wirbel, vermochten aber
keine nachhaltige Wirkung zu entfalten. Das Papier wurde damals in z. T. erstaunlichem Maße angefeindet und diffamiert: es verlasse den Boden des GG39, wolle die Kirchen in den privaten Bereich abdrängen, stelle einen grotesken Anachronismus dar und sei ein liberales Armutszeugnis. Aus heutiger Sicht, die sich um ideologisch möglichst unvoreingenommene Argumentation auf der Basis der Gleichberechtigung der religiös-weltanschaulichen Richtungen bemüht, ist die feindselige Ablehnung dieser 13 Thesen in Bezug auf das GG nicht recht verständlich. Wo diese Forderungen, soweit sie nicht verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten wiederholen, verfassungswidrig sein sollen, ist nicht im Ansatz ersichtlich. Die Abschaffung des Körperschaftsstatus würde zwar eine Verfassungsänderung erfordern und einige Probleme lösen, aber die Probleme eines Verbandsrechts wären nicht unbedingt geringer. Die Ersetzung des Kirchensteuerrechts durch ein kircheneigenes Beitragssystem wird innerkirchlich seit langem gefordert. Erhellend zur seinerzeitigen massiven Kritik ist die trotz deutlicher inhaltlicher Kritik moderate Darstellung von Alexander Hollerbach.40 Heute (2007) erscheint es trotz der völlig geänderten religionssoziologischen Situation undenkbar, dass eine Partei vergleichbare Forderungen erhebt.
39 40
So das Kommissariat der katholischen Bischöfe. A. Hollerbach, Internat. Katholisch Zeitschrift Communio 4 (1975), 160; zur Kritik auch H. Engelhardt, JZ 1975, 689; Verteidigung der Thesen bei E. Fischer, Vorgänge H. 12 (1974), 4 mit Thesenabdruck S. 93 f.
IV. Hinweise zur weiteren Entwicklung
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3. Bedeutende deutsche Sonderentwicklungen Bemerkenswert war und ist die Entwicklung eines vielfach dominierenden konfes- 106 sionellen Sozialsystems und eines damit verbundenen kirchlichen Arbeitsrechts, das im Rahmen des staatlichen Zivilrechts die Schutzstandards für die Arbeitnehmer vor allem beim Kündigungsschutz erheblich reduziert (§ 16). Ein eher noch bedeutenderes Thema ist das der finanziellen Religionsförderung und der nicht reduzierten Vorzugsstellung der großen Kirchen, die sich auch im Kampf gegen kleine RG und in der nahezu vollständigen Ignorierung des großen Teils der Bevölkerung zeigt, der keiner RG angehört. Auf das für Deutschland typische Vertragssystem wurde bereits hingewiesen. Diese Themen sind in diversen §§ dieses Buches abgehandelt. Seit den 1990er Jahren ist im rein juristischen Bereich eine größere Bewegung 107 festzustellen. Zum einen wurde die Dogmatik des Religions(verfassungs)rechts vorangetrieben, zum anderen wurde der Schwerpunkt etwas von den Kirchen wegverlagert (Probleme des Islam und kleinerer RG). Das Religionsrecht wird seitdem nicht mehr nur den Spezialisten überlassen, sondern ist allmählich zum Gegenstand des allgemeinen Verfassungs- und Verwaltungsrechts geworden. Die Europäisierung des Rechts hat diese Entwicklung unterstützt.
§ 7 Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit
Literatur: Es gibt bisher immer noch keine Dogmatik zu diesem Thema, die sowohl juristisch konsistent als auch zugleich weithin anerkannt und praktisch brauchbar ist. Daher sei pauschal auf die Kommentarliteratur zu § 4 I, II GG verwiesen. Aus der übrigen Literatur seien einige wichtigere Arbeiten herausgegriffen: W. Bock, AöR 1998, 444–475; M. Borowski, in: A. Haratsch/N. Janz u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, 49–80; ders., Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006; C. D. Classen, Religionsfreiheit und Staatskirchenrecht in der Grundrechtsordnung, 2003; M. Heckel, Religionsfreiheit, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. IV, Tübingen 1997, S. 647–859; ders., ZevKR 1999, 340–384, insb. 354 ff.; J. Hellermann, in: C. Grabenwarter/St. Hammer u. a. (Hrsg.), Allgemeinheit der Grundrechte und Vielfalt der Gesellschaft, Stuttgart u. a. 1994, 129–144; A. Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 1998; K.-H. Kästner, AöR 1998, 408–443; ders., JZ 1998, 974–982; St. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, 1997, S. 125–282; J. Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301–310; F. Schoch,. Hollerbach-FS 2001, 149–167; R. Tillmanns, Jura 2004, 619–627; C. Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, 494–536.
I. Begriffliche Fragen und Defizite Unter Religionsfreiheit, genauer: Religions- und Weltanschauungsfreiheit, versteht 108 man zusammengefasst alle verfassungsrechtlichen Garantien zugunsten von Religion und Weltanschauung, und zwar sowohl individuell als auch korporativ, d. h. betreffend die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften als solche. Dazu gehört auch die kollektive Religionsfreiheit, d. h. die Freiheit der Individuen, sich zu Religionsgemeinschaften zusammenzuschließen. Oft wird auch die korporative Religionsfreiheit als kollektive bezeichnet. Die individuelle Religionsfreiheit ist hauptsächlich in Art. 4 I, II GG angesiedelt (die Gewissensfreiheit gehört nach heutiger Ansicht als aliud nicht dazu, s. § 8), wird aber über Art. 140 GG durch Vorschriften der WRV ergänzt: Art. 136, 137 II 1 WRV. Auch die religiösen Gleichheitsrechte Art. 3 III und 33 III GG sowie Art. 137 VII WRV/140 GG werden durch den Sammelbegriff Religionsfreiheit bzw. genauer „Religions- und Weltanschauungsfreiheit“1 erfasst. Diese Sammelbegriffe sind wohl am zweckmäßigsten. Leider werden daneben missverständlich auch noch „Glaubensfrei1
So ausdrücklich BVerfGE 105, 279.
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§ 7 Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit
heit“, „Bekenntnisfreiheit“ und verschiedene Begriffskombinationen wie „Glaubens- und Bekenntnisfreiheit“ als Sammelbegriff verwendet. Daher empfiehlt sich ggf. eine nähere stichwortartige Kennzeichnung des Gemeinten mit genauer Angabe des GG- bzw. WRV-Artikels und Absatzes.
II. Einheitsgrundrecht aus Art. 4 I, II GG oder Einzelgrundrechte? 109 Trotz erheblicher und zunehmender Widerstände in der Literatur gilt in der Praxis immer noch die Einheitsthese des BVerfG aus seiner auch anderweitig problematischen Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1968 (Aktion Rumpelkammer, auch: Lumpensammler-Beschluss). Das BVerfG hat dort ausgeführt: „Das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) ist an sich im Begriff der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) enthalten. Dieser Begriff umfaßt nämlich – gleichgültig, ob es sich um ein religiöses Bekenntnis oder eine religionsfremde oder religionsfreie Weltanschauung handelt – nicht nur die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, d. h. einen Glauben zu bekennen, zu verschweigen, sich von dem bisherigen Glauben loszusagen und einem anderen Glauben zuzuwenden, sondern ebenso die Freiheit des kultischen Handelns, des Werbens, der Propaganda (BVerfGE 12, 1 [3 f.]). Insofern ist die ungestörte Religionsausübung nur ein Bestandteil der dem Einzelnen wie der religiösen oder weltanschaulichen Vereinigung (BVerfGE 19, 129 [132]) zustehenden Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Mindestens seit der Weimarer Verfassung geht die Freiheit der Religionsausübung inhaltlich in der Bekenntnisfreiheit auf … “2
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Im Folgenden versteht das BVerfG den Art. 4 II GG exzessiv und dehnt ihn auf Handlungen aus, die sich äußerlich neutral darstellen. In einer späteren Entscheidung hat es sogar in einer vielzitierten Passage erklärt, die „Glaubensfreiheit“ (hier als Gesamtgrundrecht aus Art. 4 I, II GG verstanden) umfasse „das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln“.3 Das führt bei zunehmender religiöser Pluralisierung angesichts des anerkannt 111 großen Gewichts des religiösen Selbstverständnisses (s. unten III 3 a) zu einer verstärkten Bedeutung der Grundrechtsschranken, obwohl solche in Art. 4 GG formal gerade nicht vorgesehen sind. Da das konkrete Erfordernis der Grundrechtsschranken von der Struktur des jeweils geschützten Lebenssachverhalts abhängt, ergibt sich das Bedürfnis nach begrifflichen Differenzierungen, die Art. 4 I, II GG ja auch enthält: Glaube, Bekenntnis und Religionsausübung beziehen sich sprachlich auf das Denken, Bekennen (verbales und nichtverbales Äußern) und Handeln, also recht unterschiedliche Verhaltensweisen. Das legt nahe, diese Aspekte zumindest gedanklich zu trennen, weil Rechtsanwendungsprobleme dann schärfer zutage treten. Selbst bei dem für die Rechtspraxis zu berücksichtigenden Ver2 3
BVerfGE 24, 236 (245); s. auch E 67 (26) und st. Rspr. BVerfGE 32, 98 (106), Gesundbeter-Fall; 93, 1 (15), Kruzifix.
III. Gemeinsame tatbestandliche Probleme der Grundrechte des Art. 4 I, II GG
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ständnis von Art. 4 I, II GG als Einheitsgrundrecht (unter Ausklammerung der Gewissensfreiheit) empfiehlt sich daher eine begriffliche Unterscheidung. Vorzuziehen ist die Auffassung von Einzelgrundrechten, wie das auch etwa von 112 der Dogmatik des Art. 5 I GG bekannt ist und im Übrigen mit der Herausarbeitung der Gewissensfreiheit als eigenständiges Grundrecht auch in Art. 4 I GG schon geschehen ist. Ein Einheitsverständnis birgt die Gefahr einer Nivellierung, steht im Widerspruch zum Wortlaut und zur Entstehungsgeschichte des Art. 4 I, II GG und berücksichtigt auch nicht die Existenz des Art. 136 III, IV WRV/140 GG. Das soll hier nicht näher vertieft werden.4 Bevor auf die einzelnen Grundrechte bzw. Aspekte des Art. 4 I, II eingegangen wird, sind wichtige gemeinsame Fragen vorab zu klären.
III. Gemeinsame tatbestandliche Probleme der Grundrechte des Art. 4 I, II GG 1. Grundrechtsträger Grundrechtsträger sind neben natürlichen Personen auch religiöse und weltan- 113 schauliche Vereinigungen (vgl. auch Art. 19 III GG)5, unabhängig vom Rechtscharakter der Gemeinschaft. Vereinigungen können sich bezüglich ihrer eigenen Angelegenheiten zusätzlich auch auf ihr Selbstbestimmungsrecht (Art. 137 III WRV) berufen. In seinem Lumpensammler-Beschluss6 von 1968 hat das BVerfG sogar die Meinung vertreten, Art. 4 GG stehe nicht nur Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu, sondern auch Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben (im Streitfall: Katholische Landjugendbewegung, weil sie institutionell mit der Kirche verbunden sei). Das erscheint keineswegs naheliegend oder gar zwingend und hat enorme Auswirkungen im Sozialbereich (s. ergänzend unten VI 1). Mit seiner GochEntscheidung7 hat das BVerfG diese Ansicht noch bekräftigt. Die Religionsfreiheit von Kindern wird überlagert durch das elterliche Erziehungsrecht, Art. 6 II 1
4
5
6 7
Nähere Begründung bei St. Muckel, Religiöse Freiheit (1997), 126 ff.; ders., in: Der Staat 2001, 96; ders., in: Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 4 und 5 (446 f.); St. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, 376 ff.; im Übrigen etwa K. Fischer/Th. Groß, DÖV 2003, 932; K.-H. Kästner, JZ 1998, 974 (insb. 979 f.); s. schon R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4 Rn. 63 ff. S. BVerfGE 19, 129 (132); st. Rspr., z. B. BVerfGE 99, 100 (118). Die Problematik des Art. 137 III WRV wird unten bei der Betrachtung des Verhältnisses von Art. 4 und 140 GG kurz behandelt. BVerfGE 24, 236. BVerfGE 46, 73 (85 f.); st. Rspr.
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§ 7 Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit
GG.8 Die volle Religionsmündigkeit der Kinder tritt nach dem als Bundesrecht fortgeltenden RKEG von 1921 mit der Vollendung des 14. Lebensjahres ein (s. Anhang 4).9 Siehe zur religiösen Kindererziehung § 18 III 13. 2. Vorliegen von „Religion“ oder „Weltanschauung“
114 a) Die Berufung auf die Religionsfreiheit setzt begrifflich das Vorliegen einer „Religion“ oder „Weltanschauung“ im Rechtssinn voraus. Ihr zumindest alternatives Vorliegen kann nie offen bleiben, denn jeder Rechtsschutz setzt einen rechtlich definierten Sachverhalt voraus. Unter Religionen versteht man im Wesentlichen umfassende Sinnsysteme zur Erklärung des Weltganzen und der Stellung des Menschen in ihm mit seinen Fragen nach Woher, Wohin und Wozu, soweit sie einen transzendenten Bezug haben oder jedenfalls nach den äußerlichen Merkmalen wie Ritualen als Religion anzusehen sind.10 Kennzeichen der Religion ist somit die sinnstiftende, ganzheitliche, subjektiv mehr oder weniger verbindliche und transzendentale Weltbetrachtung. Das nichtreligiöse Gegenstück sind die Weltanschauungen. Religiöse und nichtreligiöse Sinnsysteme sind aber nur im Grundsatz unterscheidbar. Denn nach übereinstimmender Auffassung der Religionswissenschaftler ist „Religion“ nicht eindeutig zu definieren, so dass fließende Übergänge zwischen „Religion“ und (nichtreligiöser) „Weltanschauung“ bestehen.11 115 b) Verfassungsrechtlich spielt die begriffliche Differenzierung aber wegen der Gleichstellung von Religion und Weltanschauung (insbesondere: Art. 4 I und Art. 137 VII/140 GG) letztlich keine Rolle.12 Das GG verwendet diese Begriffe bzw. „religiös“ und „weltanschaulich“ oder in Wortzusammensetzungen, teils nebeneinander (Art. 4 I, 33 III), teils isoliert (Art. 3 III, 7 III und V). Entsprechendes gilt für die über Art. 140 GG inkorporierten Art. 136, 137, 138 und 141 WRV. Daraus ergibt sich, dass Religion und Weltanschauung als begriffliche Alternativen bzw. Parallelen zu verstehen sind. Der ebenfalls übliche allgemeine Sprachgebrauch, wonach „Weltanschauung“ als Oberbegriff für religiöse und nichtreligiöse Auffassungen verwendet wird, ist daher nicht der des GG und damit des Verfassungsrechts. Dem entsprechend verwendet das BVerfG seit Jahrzehnten häufig den Terminus „weltanschaulich-religiös“ oder auch umgestellt. Die Gleich8
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S. zu dieser im Detail immer noch ungeklärten Problematik statt aller erhellend M. Jestaedt, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 371; 386 ff. zum RKEG. Zu den umstrittenen Sonderregelungen in Bayern und dem Saarland s. § 13 V 2 f. Vgl. aus der Rspr. BVerwGE 89, 368 (369 ff.); 90, 112 (115). S. den instruktiven Artikel „Weltanschauungsgemeinschaften“ von H.-D. Reimer, EvStL, 3. A. 1987 Sp. 3963 ff.; eingehend auch St. Muckel, Religiöse Freiheit, 1987, 135 ff. So auch z. B. BVerfGE 90, 1 (4); Lit.: statt vieler C. D. Classen, Religionsrecht, 2006, Rn. 84; St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140/137 WRV Rn. 103; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 4 und Bd. 3, Art. 137 VII WRV Rn. 122.
III. Gemeinsame tatbestandliche Probleme der Grundrechte des Art. 4 I, II GG
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stellung gilt individual- und korporativrechtlich und ist Ausdruck der religiösweltanschaulichen Neutralität des Staats (s. § 10 II 1). Allerdings sprechen zahlreiche Gesetze nur von Religionsgemeinschaften, so dass es dann einer verfassungskonformen Gesetzesergänzung zugunsten der Weltanschauungsgemeinschaften bedarf.13 3. Besonderheiten a) Inhaltlich sind Art und Qualität der religiös-weltanschaulichen Überzeugungen 116 nicht begrenzbar, da der Staat sie nicht bewerten darf.14 Er muss das Selbstverständnis der religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften in der Rechtsordnung berücksichtigen und gelten lassen, soweit es sozialverträglich ist (s. § 11 II 2). Eine Eingrenzung auf eurozentristische (kulturadäquate) Systeme, die das BVerfG ursprünglich vertreten hat15, hat es längst wieder aufgegeben16: Es gibt keinen Numerus Clausus für Religion oder Weltanschauung. Allerdings muss das tatbestandliche Vorliegen religiös-weltanschaulicher Überzeugungen plausibel und insoweit überprüfbar dargelegt werden. Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, es liege eine Religion oder RG vor, macht die Garantien der Religionsfreiheit noch nicht anwendbar. Vielmehr „muss es sich auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion und eine Religionsgemeinschaft handeln. Dies im Streitfall zu prüfen und zu entscheiden, obliegt … den staatlichen Organen, letztlich den Gerichten, die dabei freilich keine freie Bestimmungsmacht ausüben, sondern den von der Verfassung gemeinten oder vorausgesetzten, dem Sinn und Zweck der grundrechtlichen Verbürgung entsprechenden Begriff der Religion zugrunde zu legen haben.“17 Besondere Lebensphilosophien oder spirituelle Lehren allein bedeuten noch nicht das Vorliegen einer religiös-weltanschaulichen Überzeugung im erforderlichen umfassenden Sinn. Religion bzw. Weltanschauung sind auch negativ abzugrenzen von einer im Kern lediglich wirtschaftlichen oder politischen Zielsetzung. Solche Ziele dürfen bei einer Gesamtwürdigung das Erscheinungsbild nicht derart prägen, dass der religiös-weltanschauliche Überbau sich eindeutig nur als Vorwand für die Möglichkeit der Berufung auf die Religionsfreiheit darstellt. Auch erhebliche wirtschaftliche Betätigung als solche ist noch kein Grund, das Vorliegen einer
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16 17
Für einzelne Regelungen verneinen allerdings einzelne Autoren und sogar Gerichte die Anwendbarkeit auf WG. BVerfGE 12, 1 (4); st. Rspr. „Beschränkung der Religionsausübung auf diejenigen Richtungen, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet haben“, so BVerfGE 12, 1 („Kulturadäquanzklausel“). BVerfGE 41, 29 (50). BVerfGE 83, 341 (353).
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§ 7 Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit
Religion bzw. RG zu versagen.18 Vor allem bei neueren religiösen Bewegungen hat die Rechtspraxis das Vorliegen der Religionseigenschaft streng geprüft. Im Vordergrund einer umfangreichen Rechtsprechung und Spezialliteratur standen dabei die Aktivitäten der „Scientology Church“, der in Deutschland (im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern) die Eigenschaften einer RG fast durchweg auf allen Ebenen abgesprochen wurden. Auf diesen absoluten Sonderfall19 braucht hier nicht näher eingegangen zu werden, zumal seine gesellschaftliche Gesamtbedeutung stark überschätzt wird.
117 b) Hervorzuheben sind noch zwei Aspekte. Nach ganz h. M. sind auch rein subjektive, vereinzelte religiös-weltanschauliche Überzeugungen geschützt, unabhängig vom Vorliegen einer RG oder WG.20 Religionen und auch neue innerreligiöse Gruppierungen sind immer gemeinschaftsbezogen. Rechtskonflikte treten hauptsächlich beim äußerlichen Verhalten auf, das durch kollektive Handlungen geprägt ist: religiöse Versammlungen, Prozessionen usw. Die isolierte Einzelbezugnahme auf eine Privatreligion dürfte schwer plausibel zu machen sein und hat kaum praktische Bedeutung. Auch sind Einzelüberzeugungen durch eine korrekte Anwendung der Art. 2 I und 5 I GG sowie die Gewissensfreiheit auch ohne die Möglichkeit der Berufung auf die Religionsfreiheit ausreichend geschützt. Den Vorzug verdient daher die hauptsächlich von Classen vertretene realistischere Auffassung, dass die individuelle Religionsfreiheit die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppierung voraussetzt.21 118 c) Auffälligerweise wird nur bei der Religionsfreiheit so oft zwischen ihrer „positiven“ und „negativen“ Variante unterschieden, häufig mit der Betonung, es gehe nicht an, dass Nichtreligiöse unter Berufung auf Art. 4 GG anderen, die ihren Glauben positiv ausüben wollten, das praktisch verbieten könnten. Diese Argumentation geht am Kern des Problems vorbei. Es gibt nur eine einheitliche Religionsfreiheit bzw. ihre Ausprägungen, und sie enthalten die selbstverständliche Freiheit, vom Grundrecht keinen oder einen vom Üblichen abweichenden Gebrauch zu machen. „Positiv“ und „negativ“ sind nur Aspekte ein und desselben Grundrechts, und das „Negative“ ist i. d. R. verbunden mit einer anderen „positiven“ religiösen-weltanschaulichen Überzeugung.22 Ein Problem besteht nur gegenüber dem Staat beim Zusammenstoß gegensätzlicher Grundrechtsansprüche, also bei echten Grundrechtskollisionen, die nach den normalen Regeln (Suche 18
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Zum Begriff der RG: B. Pieroth/C. Görisch, JuS 2002, 937; R. Poscher, Der Staat 2000, 49. Rigide Betätigungsformen, auffallende wirtschaftliche Ausnutzung der Anhänger, besonders aberwitzige religiöse Theorie (die weithin unbekannte Thetanen-Lehre). Aus der Rspr.: BAG NJW 1996, 143 ff. Rechtsvergleichend G. Thüsing, ZevKR 2000, 593. So BVerfGE 33, 23 (29). S. näher C. D. Classen, Religionsrecht, 2006, Rn. 89–98. Aus dem zu Unrecht oft scharf kritisierten Kruzifix-Beschluss des BVerfG in E 93, 1 (hierzu § 13 IV) ergibt sich die indirekte Absage an eine positive und negative Religionsfreiheit als eigenständige Rechtsfigur.
IV. Glaubensfreiheit
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nach einer vermittelnden Lösung, geringstmöglicher Eingriff usw.) zu behandeln sind. Im staatlichen Bereich gilt ohnehin religiös-weltanschauliche (und sei es „offene“) Neutralität (§ 10), so dass allenfalls Konflikte zwischen Grundrechtsträgern untereinander zu bereinigen sind. Die Rede von der positiven und negativen Religionsfreiheit ist nicht hilfreich, sondern irreführend.23
IV. Glaubensfreiheit 1. Schutzbereichsdefinition Da die Religionsfreiheit die Freiheit des Denkens, Redens und Handelns in reli- 119 giös-weltanschaulicher Hinsicht schützt, liegt es nahe, den Schutz des Innenlebens („forum internum“) der „Glaubensfreiheit“, Art. 4 I 1. Alt., zuzuordnen, wie das wohl die meisten Autoren (unabhängig von der Frage der Eigenständigkeit als Grundrecht) schon tun.24 Auch dem BVerfG ging es schon immer auch um „die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben“25. Dabei ist „dem Staat die Einmischung in den höchstpersönlichen Bereich des Einzelnen“ verboten.26 Die Glaubensfreiheit im engeren Sinn will daher jegliche Form staatlicher Meinungsmanipulation, also auch mittelbarer einseitiger religiös-weltanschaulicher Beeinflussung, verhindern. Sie gewährleistet eine staatlich unbeeinflusste religiösweltanschauliche Überzeugungsbildung. In den Worten Martin Heckels: „Subtile Beeinflussung wirkt viel nachhaltiger und vergiftender auf das religiöse Leben der Kinder ein als die grobe, äußere Unterdrückung der Religionsfreiheit, wie die Erfahrung von Jahrhunderten … lehrt.“27 Weitere eindringliche Formulierungen: Die Glaubensfreiheit verbiete „staatliche Einflussnahme auf die Bildung von Glau23 24
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Zur Kritik näher L. Renck, NVwZ 1994, 544 und ZRP 1996, 205. Beispiele: C. D. Classen, Religionsrecht, 2006, Rn. 146, der das sogar als „einhellige Auffassung“ bezeichnet; A. v. Campenhausen, schon in Staatskirchenrecht 1983, 59 und 64 sowie in HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1994, 78 (der Staat habe die Bürger religiösweltanschaulich nicht zu erziehen); J. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, 1993, 140 f.; R. Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 4 GG Rn. 70; K. Hesse ZevKR 25 (1980), 239 (242) unter Berufung auf Anschütz; Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge, 2000, Rn. 75 f.; J. Kokott in Sachs, GG, 3. A. 2003, zu Art. 4; J. Listl, in: HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 439 (455: Einfluss auf Glaubensbildung „schlechthin verwehrt“; demg. S. 443 für Schulkreuze in verfehlter Annahme einer Grundrechtskollision); G. Manssen, Staatsrecht I 1995, Rn. 307; P. Mikat, in: HdbVerfR 2. A. 1994, § 29 Rn. 16; St. Muckel, Religiöse Freiheit (1997), 139 und ders., in: Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 18; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Grundrechte, 22. A. 2006; J. Rux, Der Staat 1996, 523 (528 f.); M. Wenckstern, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 4 I, II Rn. 38, 45 und viele andere. BVerfGE 12, 1 (3); E 24, 236 (245) und st. Rspr. BVerfGE 41, 29 (49), Christliche Gemeinschaftsschule Baden-Württemberg; E 93, 1. M. Heckel, in: Hollerbach-FS (2001), 657 (689).
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§ 7 Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit
bensüberzeugungen und jeden staatlichen Glaubenszwang, auch mittelbarer oder tatsächlicher Art. Die Freiheit der Glaubenswahl gehört mit allen Vorstadien der Meinungsbildung, der Informationsbemühungen und der suchenden Zuwendung zu einer Glaubensgemeinschaft … dazu … Diese Freiheit gilt unbeschränkt.“28 Oder: „Einer rechtlichen Regelung ist die Glaubensfreiheit nur insofern zugänglich, als es dem zu religiöser Neutralität verpflichteten Staat schlechthin verwehrt ist, auf die Bildung von Glaubensüberzeugungen Einfluss zu nehmen (Hervorh. im Original).29 Schlichter ausgedrückt geht es darum, dass es nicht Aufgabe der öffentlichen Hand ist, seine Bürger religiös-weltanschaulich zu erziehen. Diese Ansicht ist seit langem auch in einer Serie obergerichtlicher und höchstrichterlicher Entscheidungen zum Ausdruck gekommen.30 Eine spezielle Frage ist die der Zulässigkeit der staatlichen Warnung vor schädlichen Aktivitäten von RG, die Bürger schwer schädigen können. Solche (nicht immer berechtigten) Warnungen können mittelbar eine schwerwiegende Einflussnahme auf die innere Substanz der betroffenen RG darstellen. Das betrifft sowohl die korporative Glaubensfreiheit wie das Selbstbestimmungsrecht, Art. 137 III WRV (Näher § 11 IV). Hervorzuheben ist der besonders enge Zusammenhang der so verstandenen 120 Glaubensfreiheit mit dem Neutralitätsgebot. Denn von einseitiger religiösweltanschaulicher Beeinflussung kann sich nur ein Staat frei halten, der sich neutral verhält (näher § 10). Das BVerfG leitet sogar wesentlich aus Art. 4 I GG das Neutralitätsgebot ab. Würden sich alle staatlichen und anderen öffentlichen (insb. kommunalen) Organe und Entscheidungsträger stets religiös-weltanschaulich neutral verhalten, müsste sich niemand auf die Glaubensfreiheit berufen. 2. Grundsätzliche Uneinschränkbarkeit
121 Geht es der Glaubensfreiheit nach allem um den Schutz der freien, nicht einseitig auch nur indirekt vom Staat beeinflussten Bildung, Veränderung bzw. Beibehaltung religiös-weltanschaulicher innerer Vorstellungen, so stellt bereits jeder solche unzulässige Beeinflussungsversuch einen Eingriff in die Glaubensfreiheit dar, ohne dass es auf die Intensität der Beeinflussung (durch direkten Zwang, Pyschotechniken, aufgezwungene Lehrmittel, gezielt einseitige oder wertende Informa-
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A. v. Campenhausen, HdbStR VI (1989), § 136 Rn. 41. J. Listl, in: HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 439 (455). Erstaunlicherweise haben sich gerade die Autoren v. Campenhausen, Heckel und Listl als scharfe Gegner des KruzifixBeschlusses BVerfGE 93, 1 profiliert, obwohl dieses das Einflussnahmeverbot ernst genommen hat. BayVGH NVwZ 1986, 405; OVG Hamburg NVwZ 1986, 406; BVerwG NVwZ 1988, 937 (jeweils Bhagwan-Kleidung eines Lehrers); BVerwGE 79, 298 und BVerfG-K NVwZ 1990, 54 (Schulbuchzulassung); BVerwGE 84, 292 (Anti-Atomkraft-Plakette); BVerfGE 41, 29 und 41, 65 (Christliche Gemeinschaftsschulen); BVerfGE 93, 1 (Kruzifix).
IV. Glaubensfreiheit
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tionen, unsachliche Bemerkungen usw.) ankäme.31 Dabei sind grundsätzlich keine verfassungsrechtlich legitimen Gründe denkbar, die eine Einschränkung rechtfertigen. Denn bei Beachtung des Grundrechts wird kein Bürger in seinem Recht auf Freiheit von staatlicher Beeinflussung beeinträchtigt. Auch hat niemand Anspruch auf staatliche Förderung gerade seiner religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung.32 Glaubensfreiheit in obigem Sinn hat aus der Sicht des Grundrechtsträgers keinen äußeren Aspekt, so dass (im Gegensatz zu den anderen Aspekten der Religionsfreiheit) auch kein Schrankenproblem existiert. Das spricht zusätzlich für eine Eigenständigkeit als Grundrecht. Eine Besonderheit besteht darin, dass es unter strengen Voraussetzungen zulässig sein muss, dass der Staat Warnungen vor schädlichen Aktivitäten von RG ausspricht (Frage des Grundrechtseingriffs) und insofern das Grundrecht der RG beschränkt (näher § 11 IV). 3. Flankierende Verfassungsbestimmungen Unterstrichen wird die Glaubensfreiheit durch verfassungsrechtliche Sonderrege- 122 lungen. Nach Art. 3 III GG darf niemand „wegen … seines Glaubens, seiner religiösen … Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“. Eine solche Benachteiligung – worunter auch geringfügige Nachteile zu zählen sind – läge aber vor, würden Organe der öffentlichen Gewalt einseitig Einfluss nehmen. Allerdings stellen die ausdrücklichen Vorschriften des GG zum Religionsunterricht (Art. 7 II, III) und den religiös-weltanschaulichen Schularten (Art. 7 V) Ausnahmen vom Beeinflussungsverbot dar. Sie stehen aber grundsätzlich allen Richtungen zur Verfügung. Nach Art. 7 II GG entscheiden die Eltern aber (frei) über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht33, und gem. Art. 7 III 3 GG können Lehrer nicht gegen ihren Willen verpflichtet werden, einen solchen Unterricht zu erteilen. Aber auch weitere mit der Glaubensfreiheit zusammenhängende Aspekte sind ausdrücklich normiert, nämlich das Schweigerecht in Art. 136 III 1 WRV (kein Zwang zur Offenbarung religiöser Überzeugungen, s. auch § 12 II 2 c)34 und Art. 136 IV WRV (kein Zwang zur Teilnahme an kirchlichen Handlungen und religiösen Übungen sowie zur Benutzung einer religiösen Eidesform), jeweils i. V. m. Art. 140 GG. Die ebenfalls inkorporierten Absätze 1 und 2 des Art. 136 WRV besagen sinngemäß, dass den Staat die individuelle Religion bzw. Weltanschauung seiner Bürger nichts angeht, was sich auch schon aus Art. 33 III GG ergibt. Eine religiös-weltanschauliche Beeinflussung ist damit unvereinbar. Glau31
32 33
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Zu den Schwierigkeiten der praktischen, aber bei richtigem Verständnis nicht unmöglichen, Verwirklichung, insb. der Schule, s. § 10 V 2. S. dazu BVerfGE 93, 1 (Kruzifix-Beschluss). Problematisch daher ein Ethikunterricht usw. als Ersatzunterricht bzw. zwangsweiser Alternativunterricht, s. § 13 V 3 b. Zur Freiheit von Offenbarungszwang umfassend und eindringlich St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 72–107 mit Beispielen, auch bezüglich der meist nicht möglichen Einschränkung.
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§ 7 Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit
bensfreiheit als Beeinflussungsfreiheit ist daher bei jeder Betrachtungsweise notwendig, mag sie auch in der Rechtspraxis alles andere als selbstverständlich sein.35
V. Bekenntnisfreiheit 123 Die Bekenntnisfreiheit (Art. 4 I GG) und Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 II GG) liegen insofern auf einer Ebene, als sie nach hier vertretenem Verständnis beide die Außenwirkung betreffen, also ein Handeln, Nichthandeln oder NichtHandeln-Müssen. Daher wird jeweils die Schrankenfrage virulent, ohne dass dabei prinzipielle Unterschiede bestehen. Die Bekenntnisfreiheit bedeutet die Freiheit, religiös-weltanschauliche Über124 zeugungen zu äußern (Spezialfall der Meinungsfreiheit), dafür zu werben (zu missionieren) und das äußerliche Bekenntnis zu ändern. Sie kann auch in Symbolen, künstlerischen Formen und in der Kleidung zum Ausdruck kommen.36 Die negative Form der Bekenntnisfreiheit ist in Art. 136 III WRV/140 GG (keine Offenbarungspflicht, s. oben IV 3) eigens normiert. Im einzelnen ist die Abgrenzung zwischen Bekenntnisfreiheit und Religionsausübungsfreiheit unsicher. So kann etwa die religiöse Kleidung auch der Religionsausübungsfreiheit zugeordnet werden. Diese Fragen sind aber bedeutungslos und können letztlich dahinstehen, weil die Kriterien einer ggf. erforderlichen Grundrechtsbegrenzung dieselben sind. Die Schrankenfrage wird im Rahmen der Religionsausübungsfreiheit behandelt. Die mehrfach vertretene Meinung, schon begrifflich sei Missionierung mit zweifelhaften Methoden wie „Gewalt“ oder Anwendung von Psychotechniken nicht durch die Bekenntnisfreiheit geschützt, ist mit Vorsicht zu betrachten. Denn da der Kern aller Glaubensüberzeugungen nicht als tatsächlich richtig nachweisbar ist, sondern eben geglaubt werden muss, bedarf es zur Missionierung wie zur Erstaneignung eines Glaubens immer gewisser, auch indirekter, Unterweisungs- und Überredungstechniken unterschiedlicher Art, ohne die kein Glaube tradiert werden kann. Die Frage, welche Methoden dabei als redlich oder nicht redlich anzusehen sind, wird nicht immer einheitlich beurteilt werden. Daher ist im Zweifel der Schutzbereich als gegeben anzunehmen und das Problem im Rahmen der Prüfung von Grundrechtsschranken zu erörtern.
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S. ergänzend zum objektivrechtlichen Gebot der religiös-weltanschaulich Neutralität in seiner distanzierenden Form § 10 V 3. Wie hier Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge, 2000, Rn. 77 und C. D. Classen, Religionsrecht, 2006, Rn. 147.
VI. Die Religionsausübungsfreiheit und ihre Schranken
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VI. Die Religionsausübungsfreiheit und ihre Schranken 1. Schutzbereich a) Die Religionsausübungsfreiheit ist hinsichtlich ihres Gegenstandes wie ihrer 125 Einschränkbarkeit recht problematisch. Für ihre Eigenständigkeit spricht neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Art. 4 GG37 auch Art. 136 IV WRV/140 GG, der die freie Religionsausübung voraussetzt, die auch in der Vorgängerregelung des Art. 4 II GG, nämlich Art. 135 S. 2 WRV, eigens gewährleistet wurde. Historisch bedeutet die Religionsausübungsfreiheit Kultfreiheit. Durch sie werden auch heute unstreitig öffentliche Gottesdienste, Prozessionen, Kollekten, liturgisches Geläute, religiöse Bräuche und religiöse Bestattung erfasst. Über Kult und Gebräuche hinaus gehört auch die Errichtung religiöser Gebäude zu Art. 4 II GG, weil sie unmittelbar durch den religiösen Zweck geprägt ist. Erfasst wird auch die kollektive Religionsfreiheit, d. h. die Freiheit von Personen, sich zu religiös-weltanschaulichen Vereinigungen zusammenzuschließen. Dieses Recht ist in Art. 137 II WRV/140 GG auch textlich normiert. Das Recht zur religiösen Kindererziehung gehört nach richtiger Ansicht nicht zur Religionsfreiheit, sondern ausschließlich zum Elternrecht, Art. 6 II GG. b) Das BVerfG hat Art. 4 II GG als Bestandteil eines Einheitsgrundrechts exzessiv 126 ausgeweitet. In seinem bekannten Lumpensammler-Beschluss38 hat es nicht nur die Grundrechtsträgerschaft sogar auf Vereinigungen ausgedehnt, die sich nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben (Beispiel: Katholische Landjugendbewegung; s. oben III 1), sondern das kombiniert mit der auf der Grundlage des religiösen Selbstverständnisses neuartigen Erstreckung auf alle möglichen Äußerungen des religiösweltanschaulichen Lebens. Noch klarer kommt das in der Sentenz zum Ausdruck: Zur Religionsfreiheit „gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Dabei sind nicht nur Überzeugungen, die auf imperativen Glaubenssätzen beruhen, durch die Glaubensfreiheit geschützt. Vielmehr umspannt sie auch religiöse Überzeugungen, die für eine konkrete Lebenssituation eine ausschließlich religiöse Reaktion zwar nicht zwingend fordern, diese Reaktion aber für das beste und adäquate Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung zu bewältigen. Andernfalls würde das Grundrecht der Glaubensfreiheit sich nicht voll entfalten können. (Hervorh. Cz)“.39
Damit ist das Grundrecht nicht mehr auf bestimmte Lebensbereiche und Ver- 127 haltensweisen beschränkt, sondern umfasst jegliches religiös motivierte Verhalten, das sich von einem ansonsten äußerlich identischen Verhalten nur durch die spezifische Motivation unterscheidet. Auch wird die Grenze zur Gewissensfreiheit (Befreiung vom Rechtszwang im Einzelfall, s. § 8) verwischt. Gleichwohl hat sich 37 38 39
Speziell zu Art. 4 II GG St. Muckel, Religiöse Freiheit, 1997, 128 f. BVerfGE 24, 236. BVerfGE 32, 98 (106); 93, 1 (15).
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§ 7 Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit
diese auch historisch nicht erklärbare Auffassung in der Literatur weitgehend durchgesetzt mit der Folge einer unangemessen schwierigen konkreten Bestimmung der Grundrechtsschranken. Diese Ausdehnung des Art. 4 II GG stößt bei einer Minderheit zu Recht auf Ablehnung.40 Warum sollte karitative Tätigkeit nicht denselben (religiös-weltanschaulich neutral legitimierten) gesetzlichen Grenzen unterliegen wie eine identische Tätigkeit, die gewerblich ausgeübt wird? Der Frage wird die Schärfe genommen durch eine als selbständig verstandene Schrankenklausel des Art. 137 III WRV. Hierzu bedarf es allerdings einer Erörterung des Verhältnisses des extensiv verstandenen Art. 4 II GG zu Art. 137 III WRV (dazu unten VII). 2. Schranken der Religionsausübungsfreiheit
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128 a) Das BVerfG und mit ihm eine erhebliche Literaturmeinung halten Art. 4 I, II GG für ein „schrankenloses“ Grundrecht, weil Art. 4 GG keinen Schrankenvorbehalt kennt, um die Bedeutung der Religionsfreiheit hervorzuheben und seine Einschränkung zu erschweren.42 Das hat zur Folge, dass lediglich die Grundrechte Anderer und andere verfassungsunmittelbare Schranken die Religionsausübungsfreiheit wie auch die Bekenntnisfreiheit begrenzen können. Solche verfassungsunmittelbaren Schranken (kollidierendes Verfassungsrecht) bestehen in der Gewährleistung von verfassungsgeschützten Rechtsgütern im Rahmen der Notwendigkeit, konkreten Erforderlichkeit und unter verhältnismäßiger Abwägung mit Art. 4 GG. Es kann wegen des großen Rechtsprechungsmaterials hier nicht dargetan werden, wie häufig sich die Gerichte bei dieser Schrankenziehung mit Allgemeinplätzen begnügt haben, so dass die Intention des besonderen Schutzes vielfach konterkariert wurde.43 So operiert man etwa mit „Gemeinschaftsinteressen“ von Verfassungsrang, mit „notwendigen“ Maßnahmen im öffentlichen Interesse der Sicherheit und Ordnung u. ä. Diese Argumentation ist, so ErnstWolfgang Böckenförde, „so verbreitet, dass diese Grundrechte sich ‚einfacher‘ handhaben lassen als solche mit Gesetzesvorbehalt. Bei diesen kommt es immer darauf an, ob und inwieweit der Gesetzgeber denn von der Einschränkungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat, bei jenen können verfassungsimmanente
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41 42 43
Grdl. die Kritik von J. Wieland, Der Staat 1986, 323 (332 f., 342 ff.); s. im Übrigen G. Britz, Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, 122 ff.; J. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, 1993, 138 ff.; A. Hense, Glockengeläut, 1998, 205 ff.; D. Herkströter, Wissenschaftsfreiheit und Theologie, 1996, 267 ff.; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4 Rn. 102 ff.; K. Misera-Lang, Dogmatische Grundlagen …, 1999, 270. K. Fischer/Th. Groß, DÖV 2003, 932. E 32, 98 (107); 33, 23 (30 f.); 93, 1 (21). Das hat schon M. Fehlau, JuS 1993, 441 beklagt; vgl. im Übrigen etwa St. Muckel, Religiöse Freiheit, 1997, 16 ff. mit Beispielen.
VI. Die Religionsausübungsfreiheit und ihre Schranken
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Schranken rein interpretativ, und das heißt im Wege des Richtervorbehalts, entwickelt werden“.44 b) Wesentlich überzeugender erscheint die Argumentation mit Art. 136 I WRV/ 129 140 GG: „Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.“ Denn dass gerade die religiöse Betätigung nach außen Schranken unterworfen bleiben muss, war auch dem Parlamentarischen Rat klar, nur die rechtstechnische Begründung dafür war zweifelhaft.45 Die demgegenüber vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung, das GG habe Art. 4 GG aus dem Zusammenhang der WRV gelöst und somit den Art. 136 I WRV „überlagert“ mit der Folge eines fehlenden Gesetzesvorbehalts, stellt einen Selbstwiderspruch dar. Denn ebenfalls in ständiger Rechtsprechung betont es, Art. 140 GG sei „vollgültiges Verfassungsrecht“. Während die rechtstechnische Bedeutung des fehlenden Gesetzesvorbehalts in Art. 4 I, II GG 1949 durchaus unklar blieb, ist es Faktum, dass Art. 136 I WRV Verfassungsbestandteil ist, dessen Ignorierung zwingender Gründe bedürfte. Im Übrigen ist das (hier ohnehin problematische) entstehungsgeschichtliche Argument auch bei der Verfassungsauslegung nur eines im Rahmen des anerkannten Auslegungskatalogs, der ja keinen gleichbleibenden Prioritäten unterliegt. Die Anwendbarkeit des Art. 136 I WRV (ungeachtet des Fortfalls von Art. 135 WRV) ist jedenfalls eine gut vertretbare Ansicht. Sie sollte wegen ihres Zwanges, statt vager Sprachformeln zur verfassungsunmittelbaren Schrankenziehung konkrete gesetzliche Gründe für Grundrechtsschranken im Rahmen einer fallbezogenen Gesamtabwägung zu finden, vorgezogen werden. Das wäre nicht nur juristisch sauberer, sondern würde die Religionsfreiheit im Ergebnis stärken. Klar dafür spricht auch die Schrankenklausel des Art. 137 III WRV, die ja bei RG angewendet wird (s. im Folgenden). Wenn es individualrechtlich keine entsprechenden Regeln geben sollte, wäre das ungereimt. Ein erheblicher, wenn nicht schon überwiegender, Teil der Literatur hat sich daher schon für die Anwendbarkeit des Art. 136 I WRV ausgesprochen46, während das BVerfG noch nicht über seinen Schatten springen wollte.47
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So E.-W. Böckenförde, NJW 2001, 723 (724, Fn. 10). Dazu näher St. Muckel, Religiöse Freiheit, 1997, 226 ff. Vgl. statt aller eingehend W. Bock, AöR 1998, 444 (462 ff.); M. Heckel, Religionsfreiheit, in: ders., Gesammelte Schriften IV (1997), 647 (748 ff.); K.-H. Kästner, JZ 1998, 974 (981 f.); St. Muckel, a. a. O., 224 ff.; H. Weber, ZevKR 2000, 109 (120 f., Fn. 29); umfassende Nachweise bei G. Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, 2002, 136 ff., Rn. 43. Ein diesbezüglicher Versuch des BVerwG in E 112, 227 (231 f.) ist daher vereinzelt geblieben. Demgegenüber hat das BVerfG seine bisherige Linie in E 104, 337 schlicht bestätigt.
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VII. Das Verhältnis des Art. 4 I, II zu Art. 140 GG48 130 Beide Vorschriften stellen die Grundpfeiler des Religionsverfassungsrechts dar. Dennoch ist ihr Verhältnis zueinander immer noch nicht geklärt. Dazu können nur einige Hinweise gegeben werden. Art. 4 I, II enthält persönliche Grundrechte, während Art. 140 GG mit den inkorporierten Weimarer Artikeln im Wesentlichen die Rechtspositionen der RG und WG fixiert, jedoch in Art. 136, 137 II 1 WRV auch individualrechtliche Komponenten enthält. Die Weimarer inkorporierten Regelungen stehen in einem neuen Verfassungszusammenhang und müssen daher so verstanden werden, dass sich insgesamt möglichst ein organisches Ganzes ergibt.49 Die institutionellen Gewährleistungen des Art. 140 GG sind laut Grundsatzentscheidung des BVerfG von 2000 funktional auf die Verwirklichung der Religionsfreiheit angelegt.50 Die Verwirrung ist vor allem darin begründet, dass nach ganz h. M. auch den RG und WG als solchen bereits in Art. 4 I, II GG individuelle Rechte umfassend garantiert sind. Nach ständiger Rspr. des BVerfG müssen sich daher RG und WG stets auch auf Art. 4 GG berufen, damit eine Verfassungsbeschwerde zulässig ist (vgl. den Katalog des Art. 93 I Nr. 4a GG)51. Dann fragt sich allerdings, welche Bedeutung die institutionellen Regelungen der Weimarer Artikel überhaupt noch haben. Einer beachtlichen Mindermeinung zufolge läge es näher, die in Art. 140 GG subjektivrechtlich formulierten Rechte, insbesondere Art. 137 III WRV, anders als bisher als korporative bzw. persönliche Grundrechte anzuerkennen52 und als Spezialregelung gegenüber Art. 4 GG den Vorrang zu geben. Dann wäre auch klar, dass RG und WG in Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts stets und völlig sachgerecht die „für alle geltenden Gesetze“ einzuhalten hätten. In der Praxis werden die Fachgesetze ohnehin oft selbstverständlich und ohne Bezugnahme auf das Problem der vorbehaltlosen Grundrechte angewandt. Wenn z. B. eine RG in Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts ein religiösen Zwecken dienendes Gebäude errichtet, werden sämtliche baurechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Vorschriften als allgemeine Gesetze angewandt, und auch die Vorschriften des BGB gelten ohne weiteres für RG, ohne dass die Vorbehaltlosigkeit des Art. 4 GG auch nur erwähnt würde. Und was rein interne Angelegenheiten wie die Glaubenslehre anbelangt, wäre auch bei Anwendung des Art. 137 III WRV eine Einschränkung nicht begründbar. Eine Bereinigung der gravierenden Ungereimtheiten durch das BVerfG wäre daher sehr zu wünschen (s. näher § 11 II 3). 48 49 50
51 52
Problemdarstellung bei St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 Rn. 12–15. BVerfGE 19, 226 (236); 53, 366 (400); 99, 100 (119); 102, 370 (387). BVerfGE 102, 370 (387), betr. Zeugen Jehovas. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. BVerfGE 19, 129 (135); st. Rspr. So z. B. D. Ehlers, ZevKR 1999, 533 (536 f.); G. Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, 2002, 287 ff. (eingehend); K. Oellers-Frahm, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, 471 (486 f.).
§ 8 Gewissensfreiheit
Literatur: H. Bethge, HdbStR VI, 2. A. 2001, Art. Gewissensfreiheit; F. Filmer, Das Gewissen als Argument im Recht, 2000; A. H. Hansen, Die rechtliche Behandlung von Glaubens- und Gewissenskonflikten im Arbeitsverhältnis, 2000; M. Herdegen, Gewissensfreiheit und Normativität des positiven Rechts, 1989; ders., HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 481; W. Kluth, in: Listl-FS 1999, 215; B. Kraushaar, ZTR 2001, 208; St. Muckel, NJW 2000, 689; W. Rüfner, Recht der Arbeit 1992, 1; H. H. Rupp, NVwZ 1991, 1033.
I. Begriff und Funktion der Gewissensfreiheit Die in Art. 4 I GG ohne Definition garantierte Gewissensfreiheit ist in ihrem heu- 131 tigen Verständnis vor allem das Ergebnis von Untersuchungen neueren Datums. Historisch waren Religions- und Gewissensfreiheit kaum zu trennen. Erst mit Anerkennung der „Religionsfreiheit“ als Grundrecht erhielt die Gewissensfreiheit allmählich eigenständige Bedeutung.1 Allerdings nahm die Verwendung des Wortes Gewissensfreiheit an der verbreiteten (und noch heute nur reduzierten) Begriffsverwirrung im Bereich des Art. 4 I, II GG teil. Das änderte sich für die Gewissensfreiheit spätestens mit der Staatsrechtslehrertagung von 1969.2 Seitdem ist „Gewissensfreiheit“ allgemein als vollständig eigenes Grundrecht anerkannt.3 Dieses unterscheidet sich als allgemeines säkulares Grundrecht strukturell deutlich von den übrigen Gewährleistungen des Art. 4 I, II GG, die ausschließlich den religiös-weltanschaulichen Bereich betreffen. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 III GG) ist ein eigens geregelter Sonderfall, der nicht so häufig wie die normale Gewissensfreiheit mit religiös-weltanschaulichen Motiven verbunden ist und in einer religionsrechtlichen Einführung daher entbehrlich erscheint, zumal bei der heutigen großzügigen Praxis des Anerkennungsverfahrens. Die justizielle Verfolgung der Zeugen Jehovas4 im Zusammenhang mit der Kriegsdienstver1
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4
E.-W. Böckenförde, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit, VVDStRL 28 (1970), 33 (40 ff.) Referate von E.-W. Böckenförde, a. a. O. und R. Bäumlin, VVDStRL 28 (1970), 3. Unkorrekt ist es, wenn sogar noch in BVerwGE 94, 82 (87) von „Glaubens- und Gewissensfreiheit“ die Rede ist. Die Zeugen Jehovas haben schon zur NS-Zeit einen viel größeren Blutzoll entrichtet als die meisten verfolgten gesellschaftlichen Gruppen. – Jedoch Berücksichtigung der besonderen Zwangslage der Zeugen Jehovas in BVerfGE 23, 127 (134); 78, 391 (395):
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§ 8 Gewissensfreiheit
weigerung kann wohl als wenig rühmliches Kapitel angesehen werden, ist aber Rechtsgeschichte und sei hier nicht vertieft. Unter Gewissen versteht man im weltlichen Recht, so das BVerfG, ein „real er132 fahrbares seelisches Phänomen … , dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind“.5 Auf welche Weise das Gewissen zustande gekommen ist, spielt dabei keine Rolle. In derselben Entscheidung aus dem Jahr 1960 heißt es, als Gewissensentscheidung sei „jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien von ‚Gut‘ und ‚Böse‘ orientierte Entscheidung anzusehen, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte“.6 Gewissensfreiheit zielt, zumindest in erster Linie, auf Freiheit von staatlichem Rechtszwang bei aufgezwungenen Konflikten. Ob sie auch dem allgemeinen Schutz des Denkens (forum internum) dient, wie die Glaubensfreiheit im hier verstandenen Sinn (§ 7 IV), sei später diskutiert. Das richtige Verständnis der Gewissensfreiheit ergibt sich in Abgrenzung von 133 den Rechten der Religionsfreiheit aus ihrer spezifischen Funktion. Niklas Luhmann hat sie klar herausgearbeitet.7 Sein Gedankengang ist in etwa folgender: Wenn in einer ausdifferenzierten Gesellschaftsordnung mit ihren vielen Rollenzusammenhängen eine möglichst weitgehende Verhaltensorientierung am eigenen Gewissen möglich bleiben soll, muss der Staat aktiv werden. Es geht um „Erhaltung der Kontinuität in der Selbstauffassung und den Rollenbeziehungen“.8 Der Staat muss zu diesem Zweck das Verhalten der Bürger koordinieren, indem er es möglichst von Gewissensproblemen entlastet. Das geschieht durch Bereitstellung geeigneter rechtlicher Handlungsalternativen, die dem Bürger jeweils ein für sein Gewissen akzeptables rechtskonformes Verhalten ermöglicht. Die Zahl der ernsten Gewissenskonflikte wird so wesentlich verringert. Das bedeutet: In erster Linie hat die Gewissensfreiheit die objektiv-rechtliche Funktion, den Gesetzgeber zu veranlassen, die Rechtsnormen so flexibel zu gestalten, dass die Bürger möglichst nicht durch die Anforderung von Rechtsnormen in Gewissenskonflikte oder gar Gewissenskrisen gestürzt werden. Erst wenn eine gewissensneutrale, auch „lästige“ Alternative wie der Zivildienst nicht existiert, erzwingt das subjektive Grundrecht der Gewissensfreiheit die Befreiung vom Rechtszwang im Einzelfall: ein aufgedrängter Gewissenskonflikt wird abgewehrt.
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Der Ersatzdienst sei zwar durch Art. 12a GG garantiert, seine Verweigerung verdiene aber im Fall der Zeugen Jehovas Berücksichtigung bei der Strafzumessung. Die Gewissensfreiheit führte zur Schaffung des § 15a ZDG. So BVerfGE 12, 45 (54). BVerfGE 12, 45 (55) und st. Rspr. N. Luhmann, Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, AöR 90 (1965), 257. N. Luhmann, AöR 90 (1965), 257 (55).
II. Die subjektive Gewissensfreiheit im Einzelnen
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II. Die subjektive Gewissensfreiheit im Einzelnen 1. Schutzbereich a) Im Einklang damit bedeutet subjektive Gewissensfreiheit im heutigen Ver- 134 ständnis die Befreiung vom Zwang, verfassungsgemäße rechtliche Gebote oder Verbote zu befolgen („situative Normdurchbrechung“9). Die Gewissensfreiheit ist also verhaltensbezogen. Sie stellt die Gleichheit vor dem Gesetz partiell in Frage. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass inhaltlich ganz beliebige individuelle Gewissensüberzeugungen, unabhängig von Religion oder Weltanschauung, als absolut bindend erfahren werden können: Der Schutzbereich ist also thematisch unbegrenzt. Daher ist die Eingrenzung der Gewissensfreiheit von besonderer Bedeutung, zumal sie unabhängig ist von der Frage der Anwendbarkeit des Art. 136 I WRV/140 GG bei Art. 4 I, II GG im Übrigen. Art. 136 I WRV kann zur Begrenzung der Gewissensfreiheit bei keiner Betrachtungsweise herangezogen werden. Man hat aber zutreffend bereits auf Schutzbereichsebene eine Reihe von funktionalen Eingrenzungen herausgearbeitet.10 Zunächst gilt die Einschränkung, dass die Konfliktsituation nicht selbst herbeigeführt werden darf, sondern aufgezwungen sein muss. Die Gewissensfreiheit gibt also wohl nicht die Möglichkeit, eigenes, ansonsten rechtswidriges Handeln zu erzwingen. Diese Frage der Gewissensbetätigung ist allerdings umstritten. Hierher gehört die (kontroverse) Frage der Zulässigkeit des im Ergebnis abzulehnenden Kirchenasyls.11 Ein Fall der Gewissensfreiheit liegt ferner nur dann vor, wenn jemand rechtlich zu eigenhändigem Tun verpflichtet wird. Vollstreckungsmaßnahmen muss man hinnehmen. Auch kann man sich nur auf höchstpersönliche Angelegenheiten berufen, also nicht die Zahlung von Sozialversicherung verweigern mit der Begründung, mit den Geldern würden auch Schwangerschaftsabbrüche finanziert.12 Entsprechendes gilt für Steuerverweigerung mit der Begründung, mit den Steuern werde verantwortungslos Rüstung finanziert13, oder für die Weigerung eines Postbediensteten, Postwurfsendungen bestimmter Absender nicht zuzustellen oder gar zu vernichten14. Denn solche Fälle gehören nicht zum Verantwortungsbereich der Bürger. b) Es geht bei der Gewissensfreiheit darum, die psychische Integrität und mora- 135 lisch-personale Identität des Menschen unangetastet zu lassen, seine Des9 10 11
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W. Kluth, in: Listl-FS 1999, 215 (215). Dazu St. Muckel, NJW 2000, 689. Dabei sind unterschiedliche Varianten zu unterscheiden. Das relativ seltene echte Kirchenasyl, das definitiv staatliches Recht missachtet, mag im Einzelfall als sympathischer Akt zivilen Ungehorsams gewertet werden, wird aber durch die Gewissensfreiheit nach richtiger Auffassung nicht gedeckt. S. näher § 18 III 11. BVerfGE 67, 26; 78, 320. BVerfG NJW 1993, 455; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 2600. BVerwGE 113, 361.
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§ 8 Gewissensfreiheit
integration durch ihm zutiefst widerstrebende staatliche Gebote oder Verbote innerhalb seines ureigenen Bereichs zu verhindern. Daher gehört zum Grundrechtstatbestand das Vorliegen einer ernsten Gewissensnot, die plausibel darzulegen ist: eine schwierige Aufgabe, die bei religiös motivierten Konflikten meist eher zu lösen ist. Unklar ist, welche Überzeugungsintensität die Annahme einer solchen Gewissensnot erfordert. Bloße qualifizierte Unlust genügt sicher nicht, auch nicht das Vorliegen fester Überzeugungen. Andererseits wird man nicht die Prognose eines regelrechten Zerbrechens der Persönlichkeit verlangen können.15 Die ernsthafte Gefahr von Persönlichkeitsstörungen sollte selbst bei sehr strenger Beurteilung ausreichen. All diese Voraussetzungen der Annahme einer Gewissensentscheidung i. S. eines Grundrechts sind erforderlich, um das Grundrecht trotz seiner fehlenden thematischen Eingrenzung begrifflich handhaben zu können und eine Paralysierung der Rechtsordnung durch individuelle Sonderüberzeugungen zu vermeiden.
136 c) Die Abwehrfunktion der Gewissensfreiheit (Recht, ein Verhalten zu verweigern) wird vielfach ergänzt durch die Behauptung des allgemeinen Rechts, seinem Gewissen gemäß handeln zu dürfen. Das ist abzulehnen. Denn nicht in obigem Sinn qualifizierte Gewissensbetätigungen sind ohnehin durch die allgemeine Handlungsfreiheit gewährleistet.16 Bei einer solchen überflüssigen Ausweitung würde der existentielle Gewissensbegriff weitgehend banalisiert. 137 d) Vielfach wird die Auffassung vertreten, auch die Freiheit der unbeeinflussten Gewissensbildung sei ebenfalls durch die Gewissensfreiheit geschützt. Der Bereich der religiös-weltanschaulichen Überzeugungsbildung wird aber nach der meist und auch hier vertretenen Ansicht schon durch die „Glaubensfreiheit“ (= Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit) umfassend geschützt (s. § 7 IV). Da der Staat ohnehin keine spezifische Konzeption des guten Lebens propagieren darf, ist die Frage des etwaigen zusätzlichen Schutzes vor Beeinflussung der Überzeugungsbildung auch im Rahmen der Gewissensfreiheit nachrangig. Der Hauptzweck der Gewissensfreiheit ist es jedenfalls, vor existentieller Gewissensnot durch staatlich aufgezwungene Gewissenskonflikte zu bewahren. Die Frage der Einbeziehung unzulässiger, nämlich einseitiger staatlicher Einflussnahme außerhalb des religiös-weltanschaulichen Bereichs, insbesondere politischer Einflussnahme, hat ebenfalls keine praktische Bedeutung. Denn das GG kennt insgesamt keine Staatsideologie (s. näher § 5 II 2 und § 10 IV). Die Schul-, Beamtenund Soldatengesetze verbieten solche Beeinflussungen ohnehin.
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Vgl. U. Mager, EvStL-Neuausgabe 2006, Art. Gewissensfreiheit. Wie hier St. Muckel, Religiöse Freiheit, 1997, 157; krit. Tendenz auch etwa bei E.-W. Böckenförde, VVDStRL 28 (1970), 33 (63 f.); J. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, 1993, 141; R. Zippelius, BK, Art. 4 (Drittb.) Rn. 45.
II. Die subjektive Gewissensfreiheit im Einzelnen
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2. Schranken der Gewissensfreiheit Die bei der Religionsfreiheit so schwierige Schrankenfrage ist bei der Gewissens- 138 freiheit infolge der diversen tatbestandlichen Einschränkungen etwas entschärft. Die Gewissensfreiheit kennt, wie gesagt, eindeutig keinen Grundrechtsvorbehalt, zumal auch die Anwendung des Art. 136 I WRV wegen der Andersartigkeit dieses Grundrechts ausscheidet. Die Schranken der wie oben definierten Gewissensfreiheit können sich daher nur unmittelbar aus dem GG ergeben. Der Kreis legitimer Verfassungsschranken wird aber klein sein17, sofern eine Einschränkung überhaupt möglich sein sollte. Wenn eine echte Gewissensnot in obigem Sinn vorliegt, so ist schwer vorstellbar, aus welchen vorrangigen Gründen der staatliche Zwang, ggf. in reduzierter Form (?), sich sollte durchsetzen können. Welche entgegenstehenden Rechte Dritter in Frage kämen, ist unklar. Terroranschläge von Überzeugungstätern erfüllen jedenfalls keinen Tatbestand der Gewissensfreiheit. Sie können schwerlich als staatlich verursachter Konflikt aufgefasst werden, vor allem aber verstoßen sie gegen das dem GG zugrundeliegende Gewaltverbot. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen eine Abwägung zwischen vom GG geschützten Gütern vorzunehmen ist, etwa wenn die strafrechtlich vorgeschriebene Hilfeleistung (Bezug: Art. 2 II 1 GG) mit der religiös begründeten Gewissensüberzeugung kollidiert, nicht helfen zu dürfen (Gesundbeter-Fall: beide Eheleute lehnen Bluttransfusion ab, Frau stirbt, keine Bestrafung des Ehemanns).18 3. Fälle anerkannter Gewissensfreiheit In einer Grundsatzentscheidung von 1972 sprach das BVerfG einem evange- 139 lischen Pfarrer, der sich auf das neutestamentliche Schwurverbot berief, das Recht zu, keinen Zeugeneid zu leisten, auch nicht ohne religiöse Formel. Es liege bei verfassungskonformer Auslegung der StPO in diesem Einzelfall ein gesetzlicher Grund zur Eidesverweigerung vor. Es handele sich „um einen unausweichlichen, den Betroffenen in seiner geistig-sittlichen Existenz als autonome Persönlichkeit berührenden Konflikt“.19 Eine entsprechende Ansicht vertrat das BVerfG zur Ermöglichung der Annahme eines Kommunalmandats und forderte die Zulässigkeit der Ersetzung einer Eidesleistung durch eine andere Beteuerungsformel.20 Daraufhin wurden die Kommunalgesetze entsprechend geändert (gewissensneutrale Alternative). In einem Einzelfall hat das BVerwG die Befehlsverweigerung eines Soldaten wegen eines schweren Gewissenskonflikts gerechtfertigt.21 Das BVerwG 17 18 19
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St. Muckel, NJW 2000, 689 (692). So die vieldiskutierte Grundsatzentscheidung BVerfGE 32, 98 (Gesundbeter-Fall). BVerfGE 33, 23 (Zeugeneid). Das BVerfG vermengte allerdings terminologisch Glaubensfreiheit und Gewissensfreiheit. Die heutige Gesetzesregelung ermöglicht ggf. eine eidesgleiche Bekräftigung. BVerfGE 79, 69 (Kommunalmandat und Eidesleistung). BVerwGE 83, 358.
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§ 8 Gewissensfreiheit
traf 1993 eine eingehend begründete Grundsatzentscheidung zur Frage, ob muslimische Schülerinnen zum koedukativen Schulsport gezwungen werden können.22 Bei Vorliegen eines Gewissenskonflikts sei mangels geeigneter anderer Maßnahmen zu befreien. Ein Schulwechsel sei nicht zumutbar. Zur Gewissensfreiheit und nicht zur Religionsfreiheit gehören nach richtiger Ansicht auch die Fälle der begehrten Befreiung oder Ausnahme von der Schulpflicht. Im Übrigen sei zur Gewissensproblematik im Schulwesen auf § 13 III 2 d verwiesen. Eine andere Entscheidung des BVerwG betrifft die indirekt erzwungene Teilnahme an Versuchen mit lebenden Tieren.23 Sie wägt Gewissensfreiheit und Lehrfreiheit gegeneinander ab. Studenten, die sich auf Art. 4 I GG berufen, müssten substantiiert darlegen, dass und welche gleichwertigen alternativen Lehrmethoden existieren und ggf. gleichwertige Leistungsnachweise rechtzeitig konkret anbieten (umstritten). 4. Drittwirkung der Gewissensfreiheit im Privatrecht
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140 Das Grundrecht der Gewissensfreiheit gibt in seiner objektivrechtlichen Bedeutung dem Staat, wie gesagt, eine rechtspolitische Direktive zur Schaffung einer von Gewissenskonflikten möglichst freien Rechtsordnung. Es strahlt aber, wie andere Grundrechte auch, mittelbar auch auf die Privatrechtsordnung aus. Das führt im Arbeitsrecht zu einer Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers (§ 315 BGB), der nach „billigem Ermessen“ handeln muss und Arbeitnehmer nicht unnötig in Gewissenskonflikte bringen darf. Probleme haben sich insbesondere bei der Produktion von Rüstungsgütern25 ergeben sowie bei der Sperrung von Arbeitslosengeld.26
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BVerwGE 94, 82. BVerwGE 105, 73. A. H. Hansen, Die rechtliche Behandlung von Glaubens- und Gewissenskonflikten im Arbeitsverhältnis, 2000; B. Kraushaar, ZTR 2001, 208; W. Rüfner, Recht der Arbeit 1992, 1; H. H. Rupp, NVwZ 1991, 1033. Dazu BAG NJW 1990, 203. BVerfG NJW 1984, 912.
§ 9 Trennung von Staat und Religion, Neutralität, Toleranz
I. Begriffliche Grundlagen, Defizite und Abgrenzungen 1. Freiheit, Gleichheit, Trennung Im Ergebnis können die grundlegenden Rechtsbegriffe des Religionsverfassungs- 141 rechts zusammengefasst werden mit den Kategorien Freiheit, Gleichheit und Trennung. Die Freiheit von Religion und Weltanschauung (Religionsfreiheit) ist grundgelegt in der individuellen Religionsfreiheit des Art. 4 I, II GG und der korporativen Religionsfreiheit, die in Art. 137 II ff. WRV/140 GG, insb. dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften (Art. 137 III WRV) garantiert ist. (s. § 11) Sie wird ergänzt durch Art. 136 WRV/140 GG. Die organisatorische Trennung von Staat und Religion ist, im Wortlaut etwas unklar, in Art. 137 I WRV/140 GG festgelegt, der durch den die vermögensrechtliche Trennung betreffenden Art. 138 WRV ergänzt wird. Die religiös-weltanschauliche Gleichheit schließlich ist in einer Serie von speziellen Gleichheitsrechten des GG festgeschrieben. Aus ihnen ergibt sich die religiös-weltanschauliche Neutralität mit ihren verschiedenen Aspekten, wenn sie auch nicht als eigener Verfassungsbegriff existiert. Zur Neutralität gehört auch die Parität i. S. von Gleichbehandlung der „Religionsgesellschaften“ (so durchgehend die WRV) bzw. – moderner – „Religionsgemeinschaften“ (vgl. Art. 7 III 2 GG). Der historische Begriff Parität (s. § 1 IV 2 d) hat heute wegen der formalen Gleichstellung aller RG und WG (Art. 137 VII WRV) keine selbständige rechtliche Bedeutung mehr und ist daher eigentlich überflüssig und trägt eher zur Verwirrung bei. Toleranz ist, wie sich ungeachtet aller Definitionsprobleme zeigen wird, kein selbständiges Gebot des Grundgesetzes, was oft verkannt wird. 2. Trennung und Neutralität Vorab sei darauf hingewiesen, dass die genauere Ableitung des Neutralitätsgebots 142 mit seinen Differenzierungen und die Darstellung der daraus zu ziehenden Folgerungen wegen ihres Umfangs in § 10 erfolgen.
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§ 9 Trennung von Staat und Religion, Neutralität, Toleranz
Trotz der deutlichen Unterschiede werden Trennungsgrundsatz (als institutionelle Trennung) und Neutralitätsgebot (formale und inhaltliche Gleichbehandlung, insb. bei der Förderung) oft nicht klar auseinandergehalten, ja regelrecht vermengt.1 Sie hängen zwar sachlich und historisch eng zusammen, sind aber inhaltlich deutlich verschieden. Die häufige Verwischung von Trennungsgebot und Neutralität in Deutschland mag auch mit der Rspr. des BVerfG zusammenhängen. In der vielzitierten Entscheidung zur Badischen Kirchenbausteuer von 1965 heißt es: „Das GG legt durch Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG sowie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV i. V. m. Art. 140 GG dem Staat als Heimstatt aller Bürger ohne Ansehen der Person weltanschaulich-religiöse Neutralität auf. Es verwehrt die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagt auch die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse.“2
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Damit werden Neutralität und Trennung ohne nähere Definition in einem Atemzug genannt. Auch noch im Kopftuch-Urteil von 2003 werden die Begriffe verwischt.3 3. Neutralität und Toleranz
145 Neutralität und Toleranz werden ebenfalls oft in einem Atemzug genannt, obwohl sie sich begrifflich gegenseitig sogar ausschließen. Bei dieser Vorgehensweise wird Neutralität nur als Prinzip verstanden, das von Fall zu Fall modifiziert werden kann, etwa durch Berücksichtigung von Mehrheitsverhältnissen. Insoweit ergibt sich allerdings ein Zusammenhang aus der historischen Entwicklung. Aus der Glaubenseinheit (Identifikation der öffentlichen Mächte mit der – katholischen – Religion) wurde die Glaubenszweiheit (Augsburger Religionsfriede 1555), die andere Religionen bzw. religiöse Richtungen noch aus der formalen Gleichheit ausschloss und allenfalls ihre Existenz hinnahm (begrenzte Tolerierung), und schließlich die Glaubensdreiheit (Anerkennung der Reformierten auf Grund politischmilitärischer Erschöpfung, nicht des Toleranzgedankens), bis daraus schließlich der Toleranzgedanke zu gestufter Anerkennung auch anderer Religionsgemeinschaften und endlich zur zumindest theoretisch gleichberechtigten Religions- und Weltanschauungsfreiheit führte. Die Trennung staatlicher und kirchlicher Institutionen ist dabei Voraussetzung der Religionsfreiheit. Konsequente Religionsfreiheit bedeutet zwar strikte Neutralität (religiös-weltanschauliche Unparteilichkeit, 1
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Unklar z. B. v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, § 13, S. 90 ff. (mehrfach); C. Walter spricht in R. Grothe/T. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit, 2001, 215 (232 ff.) vom „Neutralitäts- und Trennungsprinzip; J. Winter gebraucht in seinem Staatskirchenrecht der BRD, 2001, 51 f. Trennung, Neutralität und Toleranz in unklarem Zusammenhang. Korrekt etwa D. Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. A. 2003, zu Art. 140 GG (Prinzipien des Staatskirchenrechts). BVerfGE 19, 206 (216; Badische Kirchenbausteuer); s. auch 12, 1 (4); 18, 385 (386). BVerfGE 108, 282, Gründe B II 4 b, aa.
II. Trennungsgebot und Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften
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Gleichbehandlung), jedoch gibt es in vielen westlichen Staaten (bei völliger individueller Religionsfreiheit) korporative, nicht neutrale Abstufungen zwischen RG (z. B. in Italien). Mit dem Europarecht und der EMRK (Art. 9) sind diese Abstufungen und selbst staatskirchliche Systeme anerkanntermaßen vereinbar (s. § 20 III 1). Das BVerfG verhält sich bezüglich der „Toleranz“ sehr unklar und vermeidet Definitionen, wie auch größere Teile der Literatur. „Toleranz“ wird dabei nicht als klar umrissener juristischer Begriff verwendet, sondern nur als positiv klingendes Wort ohne systematische Verortung und ohne eigenständigen Rechtsgehalt. Darauf wird unter IV. gesondert eingegangen.
II. Trennungsgebot und Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften 1. Historische Hinweise Nach allgemeiner Ansicht ist die Trennungsforderung hauptsächlich in dem text- 146 lich nicht sehr aussagekräftigen Art. 137 I WRV/140 GG verankert: „Es besteht keine Staatskirche.“ Die grundsätzliche Trennung von Staat und Religion ist ein wesentliches Kennzeichen der modernen Staaten westlicher Prägung. Die Trennung von Staat und Kirche war „trotz aller äußeren Verklammerungen ein Leitmotiv des deutschen Staatskirchenrechtes im 19. Jh.“ Hierzu führt der Staatskirchenrechts-Historiker Martin Heckel weiter aus, der Prozess des geistigen Auseinanderlebens von Staat und Kirche „wird durch die äußere organisatorische Gestalt der Kirchenhoheit etwas fassadenhaft verdeckt … bis sich dann im Jahre 1919 die äußere Trennung gleichsam als reife Frucht eines Jahrhunderts vom Baume der Geschichte löst“4. Schon § 147 der Frankfurter Paulskirchenverfassung von 1848 war hier ziemlich klar und seiner Zeit voraus: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche … “. Diese Trennungsregel trat zwar nicht in Kraft, übte aber Einfluss aus. Die preußische Verfassung von 1850 bestätigte zwar den Grundsatz der Selbstbestimmung als Kernpunkt der Trennung, schränkte ihn aber erheblich ein. Das landesherrliche Kirchenregiment blieb, wie auch in anderen Ländern des Reichs, für die evangelische Kirche bestehen, da sie nicht wie die katholische Kirche eine geeignete eigene Verwaltung besaß. Der Staat richtete kirchliche Behörden ein, die mit Staatsbeamten besetzt waren. Ähnlich waren die Verhältnisse in den anderen deutschen Ländern. Das System der Staatskirchenhoheit vereinte kirchliche Selbständigkeit mit der Aufsicht und Einwirkung des Staats.
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M. Heckel, ZevKR 12 (1966/67), 31.
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§ 9 Trennung von Staat und Religion, Neutralität, Toleranz
2. Der Weimarer Kompromiss
147 In Konsequenz der historischen Entwicklung beendete die Weimarer Reichsverfassung (WRV) mit ihrem Kompromiss zwischen den staatstragenden Parteien (insbesondere der damals kirchenkritischen SPD und dem katholischen Zentrum) dieses Mischsystem, indem es die – in strenger Form längst nicht mehr bestehende – „Staatskirche“ aufhob. Religionsfreiheit ist ja ohne Trennung von Staat und Religion zumindest im Kernbereich nicht möglich. Die WRV geht also den entscheidenden Schritt vom grundsätzlich (nur) toleranten christlichen Glaubensstaat zum pluralistischen Staat der Religionsfreiheit.5 Die ohnehin schon gelockerten institutionellen Verbindungen von Staat und Kirchen sollten endgültig gelöst werden, was durch das Selbstbestimmungsrecht (Art. 137 III WRV) und die finanzielle Trennung (Art. 138 I WRV) unterstrichen wurde. Der Landesgesetzgeber (vgl. Art. 137 VIII WRV) war durch Art. 137 I WRV verpflichtet, entgegenstehende Rechtsnormen abzuschaffen, soweit nicht eine strikte Beachtung des Trennungsgebots durch wichtige Kompromissregelungen entfiel: beim Religionsunterricht und den theologischen Fakultäten (Art. 149 I, III WRV), der Möglichkeit der Kirchensteuererhebung nach staatlichen Daten (Art. 137 VI WRV), beim Zugang zur Wehrmacht zur Vornahme religiöser Handlungen (Art. 141 WRV). Zu Recht sprach man daher von „hinkender Trennung“. Das bedeutete zunächst eine grundsätzliche institutionelle, d. h. formale Trennung von Staat und Religion. Gleichzeitig sah man in Art. 137 I WRV auch die Grundlage der religiös-weltanschaulichen Neutralität (kein Vorrang einer Religionsgemeinschaft). Dass man in der Weimarer Zeit lange trotzdem mit der Staatspraxis eine besondere staatliche Kirchenaufsicht als Korrelat zum Körperschaftscharakter (Art. 137 V WRV) der Kirchen für zulässig hielt, wird seit 1949 zu Recht als systemwidrig einhellig abgelehnt und war schon um 1930 stark in Zweifel gezogen.6 3. Trennung von Staat und Religion im Grundgesetz
148 a) Unter der Geltung des GG besteht seit langem völlige Einigkeit darüber, dass Art. 137 I WRV/140 GG (zumindest als theoretischer Obersatz) das Verbot jeder institutionellen Verbindung zwischen den Organen der öffentlichen Hand und den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bedeutet.7 Das heißt, gemeinsame Aufgabenerfüllung mit untrennbarer Verbindung von staatlichen und kirch5
6
7
S. näher zu diesen staatstheoretischen Fragen H.-M. Pawlowski, Rechtstheorie 19 (1988), 409. S. zur Entwicklung der Trennungsregel und ihrer Diskussion zur Weimarer Zeit B. Jeand’Heur, Der Staat 1991, 442; C. Link, BayVBl 1966, 297; ders., in: W. Thieme-FS 1993, 95. Vgl. z. B. v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 90; D. Ehlers in: Sachs, GG, 3. A., zu Art. 140 GG; M. Morlok in: H. Dreier, GG, Bd. 3, Art. 140 GG/ Art. 137 WRV, Rn. 16.
II. Trennungsgebot und Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften
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lichen Aufgaben ist untersagt.8 Dennoch ist die Trennung keineswegs religionsfeindlich. Häufig wird besonders betont, das GG lasse auch freiwillige Kooperationen zwischen Staat und Kirche, insbesondere im Kultur- und Sozialbereich, ohne weiteres zu. Letztere Behauptung gilt aber nur mit Einschränkungen, wie noch im Rahmen der Neutralitätsproblematik aufgezeigt werden soll. Es besteht aber kein Anlass, ständig auf die Selbstverständlichkeit hinzuweisen, der Staat des GG dürfe in vielfacher Hinsicht in seiner Gesetzgebung die Religion als Faktum angemessen berücksichtigen. Ggf. muss er das und er tut das ja auch in einer Fülle einzelgesetzlicher Regelungen (s. den Überblick in § 18 II). Er ist nicht laizistisch i. S. einer weitgehenden Ausgrenzung von Religion und Weltanschauung aus dem Rechtssystem. Denn es gibt diesbezüglich zwei Hauptmodalitäten der Neutralität: die offene und die distanzierte (s. näher § 10 V). Die Frage der Berücksichtigung von Religion ist eine der Zulässigkeit im Einzelfall und oft ein Problem der Neutralität. Das ändert aber nichts am Charakter und thematisch weiten Geltungsbereich des Art. 137 I WRV in seiner Funktion als Grundvorschrift der organisatorisch-institutionellen Trennung. b) Oft wird dem Art. 137 I WRV auch heute (wie wohl allgemein zur Weimarer 149 Zeit) zusätzlich ein materieller Gehalt zugeschrieben, nämlich das Gebot inhaltlicher Trennung (Nichtidentifikation mit Religion und Weltanschauung, „Neutralität“).9 Diese Fragen haben aber so viele Aspekte, dass sie besser getrennt unter dem Begriff der religiös-weltanschaulichen Neutralität abgehandelt werden, der unter der Herrschaft des GG besser fundiert ist als unter der Geltung der WRV. 4. Art. 137 I WRV/140 GG als Gebot institutioneller Trennung Art. 137 I WRV/140 GG wird daher im Folgenden ausschließlich als Gebot der 150 institutionellen Trennung behandelt. Umstritten ist dabei die Frage der thematischen Reichweite der Trennung, also die Frage, inwieweit sie Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften zulässt. Zunächst ist aber zu registrieren, dass der Trennungsgedanke nicht nur in Art. 137 I WRV zum Ausdruck gekommen ist. Gem. Art. 137 III WRV/140 GG bestimmt jede RG bzw. WG (Art. 137 VII) selbst über ihre Angelegenheiten, und dass den Staat die Verleihung der religiösen Ämter nichts angeht, verfügt Art. 137 III 2 WRV ausdrücklich. Das Vermögen der Religionsgemeinschaften ist gem. Art. 138 WRV vollkommen getrennt vom staatlich-öffentlichen Vermögen, und Staatsleistungen auf Grund 1919 vorhandener Rechte, die ja aus der Zeit staatlicher Kirchenhoheit mit ihren Verflechtungen stammten, waren insgesamt abzulösen. Flankierende Vorschriften enthalten die 8
9
Der Begriff „res mixtae“ (gemeinsame Angelegenheiten) wird meist in einem unspezifischen Sinn gebraucht und ist daher missverständlich, da ohne rechtlichen Gehalt. Es handelt sich nur um einen beschreibenden Hilfsbegriff. Die gleichzeitige Berührung von staatlichen und religiösen Interessen besagt nichts über die konkrete Zulässigkeit einer Zusammenarbeit. Vgl. D. Ehlers, ZevKR 1987, 158. Eingehende Begründung bei L. Renck, BayVBl 1988, 225.
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§ 9 Trennung von Staat und Religion, Neutralität, Toleranz
Art. 136 III, IV WRV, wonach die religiös-weltanschauliche Überzeugung der Bürger die öffentliche Hand generell nichts angeht, Ausnahmen hiervon eigens benannt und sehr begrenzt sind und niemand zur Teilnahme an irgendwelchen religiösen Handlungen gezwungen werden darf. Alles zusammen ist Ausdruck eines generell formulierten Trennungsgebots, das andere als die genannten eng begrenzten Ausnahmen nicht kennt. Es handelt sich daher nicht um ein bloßes Prinzip, einen Programmsatz, an den der Staat nicht stets gebunden wäre, sondern – in seinem Geltungsbereich – um ein Rechtsgebot. 5. Partiell zulässige institutionelle Zusammenarbeit 151 Demgegenüber kennt das GG, im gleichen Verfassungsrang wie das Trennungsgebot, ausdrücklich Bestimmungen, die eine institutionelle Zusammenarbeit erfordern: Eine insoweit unbestrittene Sonderregelung enthält der den Religionsunterricht betreffende Art. 7 III GG. Soweit staatlicher Religionsunterricht besteht (s. näher § 13 V 2), erfordert er eine intensive Zusammenarbeit staatlicher und (in der Praxis fast immer) kirchlicher Institutionen: bezüglich der Lehrerausbildung, kirchlichen Bestätigung der Lehrbefugnis, der Lehrpläne, des Einsatzes und der Besoldung ggf. kircheneigener Lehrer. Entsprechend ist das Zusammenwirken bei „öffentlichen Volksschulen“, die in Form von „Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen“ betrieben werden (Art. 7 V GG). Diskussionsbedürftig sind bereits die Kirchensteuer (Art. 137 VI WRV) und die Militär- und Anstaltsseelsorge (Art. 141 WRV), die in der Rechtspraxis in ausgesprochen staatskirchlichen Formen erfolgen (s. näher §§ 12 II und 17 II). Der Text des GG erfordert aber lediglich die Übermittlung der für die Kirchensteuererhebung erforderlichen Steuerdaten bzw. die zumindest in Form von Absprachen notwendige Verständigung über die Modalitäten, in denen die Seelsorge in Institutionen durchgeführt werden soll. Staatliche theologische Fakultäten dürften zwar trotz Nichtübernahme gerade der diesbezüglichen Weimarer Mindestgarantie in das GG zumindest in dem Umfang zulässig sein, wie der staatliche Religionsunterricht das erfordert. Ob hingegen der Staat des GG, der ja auf jede religiöse Legitimation verzichtet, staatliche theologische Fakultäten im Hinblick auf die Ausbildung des Priesternachwuchses, einer rein innerkirchlichen Aufgabe, betreiben und großzügig ausstatten darf, ist im Hinblick auf das Trennungsgebot eine ganz andere Frage (s. näher § 17 I 1, 2), unabhängig von den zusätzlich bestehenden Neutralitätsfragen. 6. Verhältnis von organisatorischer Trennung und Zusammenarbeit 152 Insgesamt sind es nur wenige Teilbereiche, in denen das GG eine institutionelle Verbindung von Staat und Religion erfordert bzw. zulässt. Sie vermögen daher auch in der Gesamtschau nicht ein dem Trennungsgebot entgegengesetztes
II. Trennungsgebot und Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften
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Kooperationsprinzip10 zu verkörpern. Es könnten auch keine Kriterien dafür angegeben werden, mit deren Hilfe eine Aufweichung des allgemeinen Gebots der institutionellen Trennung (Art. 137 I WRV) bewirkt werden soll. Die Auseinandersetzung zu der Frage, ob eine Vorschrift wie die zum staatlichen Religionsunterricht als systemwidrige Ausnahme vom systemprägenden Trennungsgebot bezeichnet werden soll11, erscheint wenig hilfreich. Denn die Sondervorschriften, die eine Abweichung vom Trennungsgebot des Art. 137 I WRV darstellen, sind bei ihrer Anwendung von diesem eben nicht betroffen und doch wesentlicher Bestandteil der religionsverfassungsrechtlichen Ordnung. Das wird mit der Rede von Regel und Ausnahme aber nicht geleugnet. Das Gebot der institutionellen Trennung ist aber nun einmal eine allgemeine Rechtsregel, die nur dann nicht gilt, wenn besondere, thematisch demgegenüber genau begrenzte Verfassungsvorschriften sie außer Kraft setzen. Sie sind dogmatisch-tatsächlich nichts anderes als (z. T. gewichtige) Ausnahmen von der Regel, und eine spezifische rechtsdogmatische Aussage ist mit dieser Feststellung nicht verbunden. Insbesondere ist damit nicht gesagt, dass es dem Kultur- und Sozialstaat grundsätzlich untersagt wäre, auf verschiedenen Feldern mit den Religionsgemeinschaften zu kooperieren, soweit das ohne institutionelle Verbindung geschieht. Eine generelle thematische Ausklammerung des religiös-weltanschaulichen Bereichs aus der staatlichen Sphäre (rigider „Laizismus“) ist ohnehin weder tatsächlich möglich, noch ist erkennbar, dass sie in neuerer Zeit behauptet worden wäre. Problematisch kann nur die jeweilige Art (Begründung) der Kooperation (finanzielle Förderung, Rundfunkwesen usw.) sein, und sie ist es nach hier vertretener Auffassung in der Tat häufig. 7. Problematische Bereiche der Zusammenarbeit In der Praxis gibt es etliche Bereiche, die im Hinblick auf das institutionelle Tren- 153 nungsgebot zumindest zweifelhaft erscheinen und teilweise mehr als das. In allen Bundesländern zieht der Staat die Mitgliedsbeiträge der Kirchen in Form der Kirchensteuer mit Mitteln der staatlichen Finanzverwaltung ein, obwohl Art. 137 VI WRV keinen Hinweis auf die Zulässigkeit dieses Verfahrens enthält. Trotz Art. 136 III 1 WRV tragen die Behörden auf der Lohnsteuerkarte einen Vermerk über die Zugehörigkeit zu einer kirchensteuerberechtigten Gemeinschaft ein (§ 12 II 2 a, c). Staat und Kirche sorgen in Bayern auf Grund konkordatärer Regelungen für sogenannte Konkordatslehrstühle, die in profanen Fächern nur im Einvernehmen mit der Kirche besetzt werden (§ 17 I 5). Der Staat finanziert ohne verfassungsrechtlich-textliche Grundlage die gesamte Militärseelsorge sowie Gefängnis10
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So aber seinerzeit noch repräsentativ Th. Maunz, BayVBl 1988, 231 in Auseinandersetzung mit L. Renck, BayVBl 1988, 225. Dagegen etwa St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 4–7. Diese Kritik dürfte auf einem Missverständnis beruhen. In Rn. 4 sagt Korioth selbst, institutionelle Verbindungen seien untersagt, „es sei denn, es existiert eine im Grundgesetz selbst angelegte Ausnahme“.
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§ 9 Trennung von Staat und Religion, Neutralität, Toleranz
und Polizeiseelsorge, obwohl es sich dabei um verfassungsrechtlich nicht erkennbar legitimierte institutionelle Verbindungen handelt. Die Militärseelsorge wird noch ergänzt durch eine weitere bemerkenswerte Einrichtung: den Lebenskundlichen Unterricht, der von staatlichen beamteten Militärpfarrern auf der Basis des christlichen Glaubens von Staats wegen erteilt wird (§ 17 II). Trotz der Ämterhoheit der Kirchen (vgl. Art. 137 III 2 WRV) leisten in manchen Bundesländern katholische Bischöfe einen staatlichen Treueid, und teilweise hat sich der Staat in Kirchenverträgen ausbedungen, die Ernennung von Geistlichen von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen (§ 11 II 5). Trotz zunehmender juristischer Kritik gibt es in all diesen Bereichen derzeit keine Anzeichen für eine Änderung.
III. Toleranz12 1. Unklare Rechtspraxis
154 Toleranz gehört zu den vieldiskutierten, aber im Rechtsbereich leider wenig reflektierten Begriffen, die gleichwohl auch von Juristen gern verwendet werden. Auch das BVerfG verhält sich dazu sehr unklar und vermeidet Definitionen. In einer frühen Entscheidung meint es, „Glaubensfreiheit“ bedeute, dass der Staat den Glauben oder Unglauben der Bürger nicht bewerten dürfe, sie sei mehr als Toleranz.13 In einer weiteren Entscheidung spricht es von Toleranz als staatsbürgerlicher Angelegenheit.14 Auch wird davon gesprochen, das GG sei durch ein „Prinzip der Toleranz“ gekennzeichnet.15 In seiner bekannten GesundbeterEntscheidung bringt das BVerfG das Toleranzgebot in Verbindung mit dem Zurückweichen des Strafanspruchs.16 An anderer Stelle spricht das Gericht gar von einer „Wertentscheidung der Verfassung für Toleranz“, sie sei „tragendes Prinzip der freiheitlichen Demokratie“.17 In den Urteilen zur Christlichen Gemeinschaftsschule spricht das BVerfG ebenfalls von einem Toleranzgebot des GG und verwendet es (unklar) zur Konfliktlösung.18 In der Sexualkundeentscheidung wird vom Staat Toleranz gegenüber den Eltern verlangt, deren Rechtsposition aber konkret nicht damit, sondern mit Artikeln des GG begründet.19 In der Schulgebetsentscheidung von 1979 werden verschiedene 12
13 14 15 16 17 18 19
Grundlegende Kritik am juristischen Begriffsgebrauch bei A. Debus, Das Verfassungsprinzip der Toleranz unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, 1999. BVerfGE 12, 1. BVerfGE 19, 226. BVerfGE 31, 58. BVerfGE 32, 98. BVerfGE 33, 23. BVerfGE 41, 29 und 41, 65. BVerfGE 47, 46.
III. Toleranz
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Aspekte des Toleranzgebots erörtert (Grundrechtsschranke, Erziehungsziel, staatsbürgerliche Haltung).20 Eine unklare und unbedeutende Nebenrolle spielt die Toleranz im Kruzifix-Beschluss von 1995.21 Das Kopftuch-Urteil von 2003 schließlich erwähnt das Toleranzgebot, das Ausdruck der Menschenwürde sei, als Ausgleichsregel.22 Somit wird „Toleranz“ nicht als klar umrissener juristischer Begriff verwendet, sondern nur als positiv klingendes Wort ohne eigenständigen Rechtsgehalt, so dass seine Verwendung irreführend und überflüssig ist. 2. Historische Entwicklung Solche Unklarheiten sind auch in der Literatur häufig. Es fragt sich daher, ob und 155 welchen Stellenwert ein erst zu definierendes Toleranzprinzip in unserer Rechtsordnung überhaupt haben könnte. Das Wort Toleranz leitet sich von lat. tolerare ab mit dem Sinn von ertragen, dulden, hinnehmen. Man versteht darunter das Geltenlassen fremder Anschauungen, Werte und Handlungen. Zu unterscheiden ist eine formale Toleranz, die andere Haltungen lediglich in ihrer Existenz respektiert, und einer inhaltlichen Toleranz i. S. des verstehenden Hinnehmens. Historisch entwickelte sich die europäische Toleranzidee als rationales Prinzip i. S. der geregelten Hinnahme religiöser Minderheiten durch die weltliche Obrigkeit zur Wahrung des inneren Friedens erst mit der Philosophie der Aufklärung im späten 17. und 18. Jh. (vgl. auch § 1 II). Sie wandte sich (nach zahlreichen Religionskriegen und der Hexenverfolgung) insbesondere gegen den Geist religiöser Verfolgung. Die mit dem Westfälischen Frieden (noch nicht aus dem Geist der verstehenden Toleranz) geschaffene Reichsverfassung ließ ausschließlich, aber paritätisch Katholiken, Lutheraner und Reformierte zu. Wenn unter dem Einfluss der Aufklärung in vielen Territorien auch andere Bekenntnisgemeinschaften unparitätisch geduldet, d. h. toleriert wurden, bedeutete das somit einen Bruch geltenden Reichsrechts. Auch im 19. Jh. war Toleranz ein Rechtsbegriff, der nur religiöse Duldung minderen Rechts bedeutete. 3. Bedeutungsverlust im Staat der Religionsfreiheit Als der mehr oder weniger tolerante christliche Glaubensstaat mit der Weimarer 156 Verfassung und später intensiviert durch das konsequentere GG abgelöst wurde durch einen sich nicht mehr religiös definierenden Staat der Glaubensfreiheit, verlor der historische Rechtsbegriff der Toleranz seine Bedeutung. Der Staat des GG spricht allen Bürgern unterschiedslos gleiche einklagbare religiöse, weltanschauliche und allgemein-staatsbürgerliche Rechtspositionen zu, und Entsprechendes 20 21
22
BVerfGE 52, 223. BVerfGE 93, 1; im Sondervotum erscheint das Toleranzgebot als Verpflichtung der Bürger. BVerfGE 108, 282.
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§ 9 Trennung von Staat und Religion, Neutralität, Toleranz
gilt auch für die religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften, die gleichen Zugang zum Recht haben. Der Staat hat sich ihnen gegenüber nicht lediglich tolerant, sondern neutral zu verhalten. Dennoch und obwohl das GG den Begriff Toleranz nicht kennt und auch nicht aus Normen des GG destilliert werden kann wie der Rechtsbegriff Neutralität, wird Toleranz manchmal sogar als grundlegendes Verfassungsprinzip bezeichnet. Das verkennt aber, dass die Grundrechte sich zwar aus der Toleranzidee entwickelt haben, rechtlich aber darüber hinausgehen. Toleranz erfordert einen eigenen ideologischen Standpunkt, den das Rechtssystem aber in religiös-weltanschaulicher Hinsicht ebenso wenig haben darf wie eine spezielle Staatsideologie jenseits der eigenen zentralen Existenzvoraussetzungen. Es gibt daher im Ergebnis kein Rechtsprinzip der Toleranz als allgemeine staatliche Verhaltensmaxime.23 Selbst, wenn man Toleranz (GG-widrig) zur Aufweichung des Neutralitätsgebots verwenden wollte, wäre das mangels Rechtskriterien nicht möglich. 4. Toleranz als bürgerliche Tugend, nicht eigenständige Rechtsregel
157 Das bedeutet nicht, dass der Gedanke des Ausgleichs zwischen unterschiedlichen Positionen, der zum Begriff Toleranz gehört, in der Rechtsordnung nicht verankert wäre. Bei Grundrechtskollisionen (Musterbeispiel: unterschiedliche religiös-weltanschauliche Vorstellungen der Eltern über schulische Erziehung) muss der Staat eine vermittelnde Lösung finden, die auch seine eigenen legitimen Interessen berücksichtigt. Das geschieht aber mit Hilfe der anerkannten grundrechtsdogmatischen Grundsätze: Verhältnismäßigkeit, geringstmöglicher Eingriff, Güter- und Interessenabwägung. Ein Rückgriff auf den allgemeinen Toleranzgedanken als Kollisionsregel brächte dabei keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Toleranz im positiven Sinn der grundsätzlichen Achtung vor Andersdenkenden, die diesen ein moralisches Recht auf Anderssein zubilligt, kann und soll allerdings Gegenstand schulischer Bildung und Erziehung sein und auch als rechtliches Erziehungsziel formuliert werden. Das ist dann (rational allgemein rechtfertigungsfähiges) „ideologisches“ Recht, entspricht aber dem pluralistischen Staat des GG, dessen Funktionieren letztlich Bürger voraussetzt, die trotz aller Unterschiede friedlich miteinander leben wollen. Das setzt ein Minimum an toleranter Einstellung gegenüber den Mitmenschen voraus. Somit zielt Erziehung zu Toleranz auf eine bürgerliche Tugend. Zusammengefasst: Das geltende Verfassungsrecht lässt für Toleranz als selb158 ständiges Rechtsprinzip keinen Raum. Toleranz ist eine unerlässliche staatsbürgerliche Tugend mit vielen Facetten. Im rechtlichen Diskurs sollte der beliebte Begriff Toleranz vermieden werden, da er nur geeignet ist, Missverständnisse hervorzurufen. 23
S. für die Aufgabe des Rechtsbegriffs Toleranz neben der Monographie von A. Debus vor allem St. Muckel, Religiöse Freiheit 1997, 116 ff.; M. Winkler, in: I. Erberich/A. Hörster u. a. (Hrsg.), Frieden und Recht, 1998, 53 und L. Renck, JuS 1989, 451.
§ 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot
Literatur: S. Baer/M.Wrase, DÖV 2005, 243; E.-W. Böckenförde, ZevKR 1975, 119; G. Britz, JZ 2000, 1127; W. Brugger/St. Huster (Hrsg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998; M. Droege, Staatsleistungen, 2004, 376–432; C. Gusy, KritV 2004, 153; M. Heckel, HdbStKirchR Bd. I, 2. A. 1994, 589 und ebenda 623; St. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002; Th. Maunz, AfkKR 139 (1970), 427; H. Mayer-Scheu, Grundgesetz und Parität von Kirchen und Religionsgemeinschaften, 1970; A. Nolte, NVwZ 2000, 891; D. Pirson, in: Zacher-FS 1998, 743; J. Rawls, in: Die Idee des politischen Liberalismus, 1992, 364; L. Renck, DÖV 2002, 56; R. Röger, DRiZ 1995, 471; K. Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972; ders., Gesammelte Aufsätze, 1997, 448–479 = Essener Gespräche 4 (1970), 9; ders., in: P. Mikat (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, 1980, 427.
I. Allgemeines zur Begrifflichkeit 1. Konturenloser Begriff? Das vom Trennungsgebot zu unterscheidende (s. § 9 I 2) Gebot religiös-weltan- 159 schaulicher Neutralität (meist ist ungenau bzw. unzutreffend vom Neutralitätsprinzip die Rede) gilt als rechtlich schwierig. Man hat diesen Zentralbegriff des Religionsverfassungsrechts als schillernd, ambivalent und konturenlos bezeichnet, und in der Literatur hat nur er (alles in allem) eine erstaunlich stiefmütterliche Rolle gespielt.1 Es wurde sogar schon vorgeschlagen, auf das Wort Neutralität zu verzichten, weil ihm kein Begriff entspreche.2 Das erscheint jedoch voreilig. Im Kern ist nämlich „Neutralität“ durchaus klar. Das Wort Neutralität leitet sich ab von lat. „ne utrum“: keines von beiden. In einem allgemeinen Sinn bedeutet daher Neutralität Nichteinmischung, Unparteilichkeit, Nichtidentifizierung mit der einen oder anderen Überzeugung. Im Alltagsleben wird Neutralität problemlos von jedermann so verstanden. Im Recht bezeichnete Neutralität zunächst das politischmilitärische Verhältnis von Staaten i. S. der Nichteinmischung in Krieg und Frieden und hat auch in der Bündnispolitik Bedeutung. Daraus ergeben sich jeweils 1
2
Das betrifft leider vor allem themenübergreifende Arbeiten, die auf ein breiteres juristisches Publikum zielen. An Monographien sind nur zu nennen: K. Schlaich (1972) und St. Huster (2002). S. aber neuerdings M. Droege (2004), 376–432 (zur kulturstaatlichen Religionsförderung). F. Holzke, NVwZ 2002, 903; krit. hierzu G. Czermak, NVwZ 2003, 949.
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§ 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot
bestimmte Verhaltensforderungen und ggf. gegenseitige Ansprüche, die im Völkerrecht festgelegt werden. Konkret geht es z. B. um das Recht des Durchzugs fremder Truppen und des Überfliegens, um Durchsuchungsrechte, Verwundetentransporte usw. Auf der Grundlage der allgemeinen Neutralität (Unparteilichkeit) sind somit ganz unterschiedliche Einzelaspekte auf ihre Vereinbarkeit mit dem Neutralitätsgrundsatz zu prüfen. Dass die Ergebnisse im Einzelnen unterschiedlich ausfallen, ändert nichts an der Nützlichkeit des Neutralitätsbegriffs. So gibt es im Arbeitsrecht eine koalitionsrechtliche Neutralitätspflicht des Staats, der sich nicht in die Tarifauseinandersetzungen einmischen darf. 2. Akzeptanz von Neutralität als Unparteilichkeit
160 Es ist kein Grund ersichtlich, den Begriff Neutralität im religiös-weltanschaulichen Bereich anders zu verstehen denn als Nichteinmischung, Unparteilichkeit, Gleichbehandlung, wenn die Neutralität eine ausreichende normative Grundlage hat. Daran fehlt es aber gerade im Religionsverfassungsrecht nicht (s. unten). Im Grundsatz ist dieses Verständnis auch so gut wie allgemein anerkannt.3 So schreibt etwa Martin Heckel in seinem monographischen Aufsatz zum KruzifixBeschluss des BVerfG von 19954: „Generell bedeutet Neutralität die Enthaltung von Parteilichkeit und Parteinahme des Staates hinsichtlich der plural existierenden und konkurrierenden Richtungen des religiösen und weltanschaulichen Spektrums der freien, offenen Gesellschaft. Im modernen Verfassungsrecht ist sie unter dem Maßstab der Freiheit und Gleichheit aller Bürger … herausgebildet worden.“ An gleicher Stelle spricht er wie andere Autoren von der „Pflicht zur staatlichen Äquidistanz gegenüber konkurrierenden Forderungen der Religionsgesellschaften“.5 Die Probleme liegen im thematischen Geltungsbereich der Neutralität, in der Intensität ihrer Geltung, in den Fragen der konkreten Anforderungen bzw. Varianten der Neutralität und vor allem in der Unwilligkeit vieler Juristen, aus dem Gebot neutralen staatlichen Verhaltens auch dann Konsequenzen zu ziehen, wenn sie das Ergebnis als unerwünscht ansehen.6 So behandeln mehrere Bundesländer entgegen den wiederholten eindeutigen Formulierungen des 3 4 5 6
S. etwa die Nachweise bei G. Czermak, NVwZ 2003, 949, Fn. 35 ff. BVerfGE 93, 1. M. Heckel, DVBl 1996, 453 (472). Ein gutes Beispiel hierfür bietet der soeben zitierte M. Heckel, a. a. O. 467 f. Das Schulkreuz diene lediglich als „visuelle Unterstützung der säkularen Kultur- und Werteerziehung in den Profanschulfächern.“ Das Kreuz in Schule und Gerichtssaal sei nicht Ausdruck eines christlichen Staatsverständnisses und Teil einer Zwangsmissionierung. Denn die Verfassungs- und Gesetzesnormen (insb. Art. 4, 3 III, 33 III GG) schlössen „für jedermann evident und jedermann bewusst“ jeden Religionszwang aus und schützten auch die Religionslosigkeit. Dabei ging es um einen bayerischen Fall, und gerade Bayern war (und ist) für eine dezidiert christliche Schulpolitik bekannt, die landesrechtlich noch heute sogar ausdrücklich verankert ist (s. die Einzelheiten bei G. Czermak, KJ 1992, 46 und L. Renck, NVwZ 1991, 116).
II. Normative Begründung des Neutralitätsgebots und Einwände dagegen
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BVerfG im Kopftuch-Urteil von 2003 das islamische Kopftuch und die christliche Ordenstracht verschieden, und gleichzeitig geben sie vor, mit den geänderten schulrechtlichen Vorschriften lediglich den Anforderungen des BVerfG gerecht werden zu wollen (s. zur Kopftuchproblematik § 13 V 5 b). Im Ergebnis ist die religiös-weltanschauliche Neutralität diejenige Forderung des GG, die am massivsten missachtet wird (s. die Auflistung in § 3 II).
II. Normative Begründung des Neutralitätsgebots und Einwände dagegen 1. Normative Begründung a) Die Rede von der religiös-weltanschaulichen Neutralität ist keine beliebig füll- 161 bare Leerformel, vielmehr „kann die staatliche Neutralität als verfassungstheoretischer und verfassungsrechtlicher Schlüsselbegriff [Hervorh. Cz] bezeichnet werden“7, der die Bewältigung des religiös-weltanschaulichen und allgemein ethischen Pluralismus betrifft. Diese Aufgabe ist ein Grundanliegen des GG und hängt somit mit dem staatlich-bürgerlichen Grundkonsens und der Frage nach der „Leitkultur“ zusammen. Die religiös-weltanschauliche Unparteilichkeit als Kern und Ausgangspunkt der religiös-weltanschaulichen Neutralität ist nichts anderes als religiös-weltanschauliche Gleichheit. Sie ergibt sich aus der Zusammenschau einer Reihe von GG-Artikeln. Art. 3 III GG verschärft den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. Denn nach Art. 3 III GG darf niemand „ … wegen … seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“. Art. 3 I GG tritt gegenüber Art. 3 III GG zurück8. Das wird bekräftigt durch Art. 33 III GG, wonach der „Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte … “ „unabhängig von dem religiösen Bekenntnis“ ist, was insbesondere auch für öffentliche Ämter gilt. Dass insoweit auch Religion und (nichtreligiöse) Weltanschauung gleich behandelt werden, verfügt ausdrücklich Art. 33 III 2 GG. Diese rechtliche Gleichsetzung ist ohne formale oder inhaltliche Differenzierung textlich schon in Art. 4 I GG verfügt, der von der „Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses“ spricht. Art. 136 II WRV/140 GG ist im Kern identisch mit Art. 33 III 1 GG. Durchaus noch praktische Bedeutung hat Art. 136 III 1 WRV/140 GG, wonach niemand gegenüber irgendwelchen öffentlichen Stellen seine religiöse Überzeugung offenbaren muss. Dass schon im Zusammenhang der Weimarer „Kirchenartikel“ Religion und Weltanschauung stets gleich zu behandeln waren, ergibt sich aus Art. 137 VII WRV: „Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.“
7 8
St. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, 23. Vgl. BVerfGE 59, 128 (156).
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§ 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot
162 b) Unter der Geltung des Grundgesetzes erhält die individualrechtliche und auch korporative9 (vgl. Art. 19 III mit Art. 4 I, II GG) Gleichbehandlung von Religion und Weltanschauung eine im Vergleich zu Weimar erheblich stärkere Bedeutung. Denn erst unter dem GG entfalten die Grundrechte wegen Art. 1 III GG unmittelbare Geltung für alle Organe der öffentlichen Gewalt, während zur Weimarer Zeit die Grundrechtsbindung sehr schwach und überdies umstritten war. Insgesamt ergibt sich mit großer Deutlichkeit, dass der Staat (die öffentliche Hand) alle Religionen und Weltanschauungen formal gleich behandeln muss und dass es ihm untersagt ist, auf diesbezügliche Orientierungen Einfluss zu nehmen. Auf die Sonderproblematik der Einhaltung der zentralen Verfassungsgrundsätze durch die Religionsgemeinschaften und die Möglichkeit des Verbots religiös-weltanschaulicher Vereinigungen sei hier nur hingewiesen (s. § 11 II 6 und VI). 2. Einwendungen
163 a) Nun werden anhand des GG gelegentlich grundsätzliche Einwendungen gegen eine strikte Anwendung der religiös-weltanschaulichen Gleichbehandlung geltend gemacht, ja sogar die Möglichkeit der Neutralität wird angezweifelt. Die Leugnung der Möglichkeit konsequenter Neutralität beruht aber günstigstenfalls auf einem Missverständnis. Es gibt im ideologischen Bereich kein unparteiliches Verhalten an sich, sondern nur auf einer Basis, von der aus die Position zu den übrigen Beteiligten „neutral“ bestimmt wird. Diese Basis ist für die gesamte öffentliche Hand das GG, genauer, die Ideologie des GG, wie sie sich aus seinen tragenden und absolut unverzichtbaren Regeln und Grundsätzen ergibt (Kern der Grundrechte, demokratischer Rechtsstaat, freier, das heißt pluralistischer geistiger Prozess, Gewaltfreiheit u. a.). Auf dieser Basis kann sich „der Staat“ sehr wohl neutral gegenüber den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften verhalten, soweit sich diese innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens bewegen. Sonderprobleme wie die Frage innerreligiöser Grundrechte (hierzu § 11 II 6) können hier beiseite gelassen werden. Das GG als Basis ist weder christlich, noch überhaupt religiös, wie schon oben und früher dargelegt. „Von der christlichen Tradition ‚des Abendlandes‘ … findet sich in der Staatsverfassung keine Spur“, schreibt zutreffend Martin Heckel.10 164 b) Insbesondere die Gottesklausel der GG-Präambel hat nach so gut wie allgemeiner Auffassung der Verfassungsjuristen keine spezifische normative Bedeutung, sondern ist bei verfassungssystematischer Auslegung nur ein Hinweis auf die Motivation der Mehrheit der Mitglieder des Parlamentarischen Rats. Andernfalls würde ein vager Hinweis auf eine metaphysische Instanz in einem Vorspruch das im eigentlichen Verfassungstext deutlich verankerte System der Religionsverfassung ohne erkennbare Kriterien nach Belieben aufweichen können: ein Wer9
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S. BVerfGE 19, 129 (132); 70, 138 (161); st. Rspr.: auch juristische Personen können Träger des Grundrechts aus Art. 4 I, II GG sein. M. Heckel, Gleichheit oder Privilegien? 1993, 40.
II. Normative Begründung des Neutralitätsgebots und Einwände dagegen
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tungswiderspruch in einer zentralen Frage der Verfassung. Auch wäre es im Hinblick auf die Vorstellung des Staats als „Heimstatt aller Bürger“ desintegrativ, einen religiösen Begriff zu verwenden und ihn gegenüber nichtreligiösen Menschen damit zu rechtfertigen, man könne ihn auch anders verstehen, wenn man nur will. Selbst der öfter genannte Hinweis auf das daraus zumindest folgende Verbot atheistischer Tendenzen ist überflüssig, da solche nach dem GG ohnehin ebenso untersagt sind wie spezifisch religiöse Tendenzen.11 c) Das Verhältnis des Neutralitätsgebots zu den als besonders religionsfreundlich 165 angesehenen Verfassungssätzen, die ggf. sogar eine institutionelle Verflechtung zwischen Staat und Religion zulassen, stellt sich wie folgt dar: Der staatliche Religionsunterricht ist zwar eine Bereichsausnahme vom Trennungsgebot und bedeutet auch eine Teilidentifikation, verstößt aber insofern nicht gegen die Neutralität, als ja bei Erfüllung der formalen Voraussetzungen (Bekenntniseigenschaft, Vorliegen der Mindestschülerzahl usw.) jede Religionsgemeinschaft oder (nichtreligiöse) Weltanschauungsgemeinschaft mit Hilfe des Staats „Religionsunterricht“ i. S. des Art. 7 III GG anbieten kann. Auch im Übrigen ist das Schulwesen mit seinen verschiedenen religiös-weltanschaulichen Alternativen gem. Art. 7 GG weder christlich, noch überhaupt spezifisch religiös gefärbt (s. näher § 13 V 1, Regelschulproblematik, und § 13 III, sogenannte Christliche Gemeinschaftsschulen). Entsprechendes gilt für die Einziehung der Mitgliedsbeiträge religiös-weltanschaulicher Gemeinschaften in Form einer „Kirchensteuer“ und die Zulassung zur Militär- und Anstaltsseelsorge. Der Körperschaftsstatus kann von allen religiösweltanschaulichen Gemeinschaften erlangt werden, die das beantragen und die formalen Voraussetzungen erfüllen. Der Sonn- und Feiertagsschutz lässt sich säkular begründen, das GG ist für den teilweisen Abbau christlicher Feiertage und die Einführung anders begründeter Feiertage offen. Auch die unverkennbare Religionsfreundlichkeit des GG eignet sich somit nicht zur Relativierung des Neutralitätsgebots. Denn alle damit verbundenen Garantien gelten in gleicher Weise für (nichtreligiöse) Weltanschauungsgemeinschaften, mag das auch vom Gesetzgeber und von den Gerichten nicht immer respektiert werden. Und soweit Landesverfassungen (teilweise mit erstaunlichen Formulierungen) mit dem GG kollidieren bzw.
11
Zu Einzelheiten und weiteren Gründen vgl. G. Czermak, NJW 1999, 1300 in Auseinandersetzung mit J. Ennuschat. Gegen eine Nominatio Dei spricht auch ihre nicht seltene Instrumentalisierung für religiös-politische Zwecke. Wenn der Gottesbegriff (trotz des in Europa traditionellen Verständnisses als persönlicher Gott) so inhaltsleer wäre, als wie ihn religiöse Politiker den Agnostikern und anderen A-Theisten schmackhaft machen wollen, bräuchten sie nicht immer wieder so erbittert und mit Unterstützung von Theologen um ihn zu kämpfen. Ein Extrembeispiel liefert der einflussreiche katholische Philosoph Robert Spaemann: Gott in der Präambel des GG sei „Legitimationsgrund allen Rechtes“. Wegen der unbedingten sittlichen Pflicht zur Gottesverehrung habe der Staat die Pflicht, diese zu privilegieren; so in Essener Gespräche 30 (1996), 5 (15 f.).
90
§ 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot
einseitige religiöse Präferenzen erkennen lassen12, gilt Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht“) bzw. es ist eine GG-konforme Auslegung erforderlich.
III. Allgemein anerkannte Aspekte und Funktionen der religiös-weltanschaulichen Neutralität 1. Unterschiedliche Aspekte
166 Zu den zumindest als theoretischer Obersatz jeweils allgemein anerkannten Aspekten der religiös-weltanschaulichen Neutralität gehören: Das Recht ist säkular, indem es keinen religiös-weltanschaulichen Vorstellungen verpflichtet ist: Religion oder Weltanschauung als solche sind kein rechtliches Kriterium. Anders ausgedrückt: Der Staat verzichtet auf religiöse Legitimation. Er darf sich mit keiner Religion oder Weltanschauung identifizieren (Nichtidentifikation) 13, und zwar unabhängig von der Frage der jeweiligen Bevölkerungsmehrheit14; er darf diesbezügliche Überzeugungen (den Glauben oder Unglauben) nicht positiv oder negativ bewerten15 oder gar inhaltlich Einfluss zu nehmen suchen (Nichtintervention)16. Der Staat hat also keine religiöse Kompetenz. Er darf keine religiös motivierte Religionspolitik betreiben17 und muss alle Religionen und nichtreligiöse Weltanschauungen rechtlich gleich behandeln (Parität). Parität wird zwar immer noch häufig als eigener religionsverfassungsrechtlicher Begriff gesondert von „Neutralität“ genannt, ohne dass dabei aber ein inhaltlicher Unterschied deutlich würde. Man kann natürlich insbesondere bezüglich der religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften aus rein sprachlichen Gründen von Parität sprechen. Inwieweit Neutralität auch als Chancengleichheit bei finanziellen Fördermaßnahmen verstanden werden kann18, bedürfte näherer Untersuchung (s. aber unten IV 2: Begründungsneutralität, nicht Wirkungsneutralität). Insgesamt kann man das Neutralitätsgebot als Untersagung von Privilegien ansehen. Es dient der größtmöglichen Entfaltung der in Art. 4 I, II GG verbürgten Religionsfreiheit aller. Letztlich ist Neutralität ein Sammelbegriff für die einschlägigen Gleichheitssätze, an denen jeder Einzelfall gerechtfertigt werden muss. 12
13 14 15 16 17 18
S. insb. die religiösen Aspekte in den Verfassungen von Baden-Württemberg (Art. 1; 12 I; 16 I), Bayern (Präambel; Art. 131 II; 135 S. 2), Nordrhein-Westfalen (Art. 7 I; 12 VI), Rheinland-Pfalz (Präambel; Art. 33; 41 I 1), Saarland (Art. 26 I 2; 27 III), Sachsen (Art. 109 I). BVerfGE 19, 1 (8); 19, 206 (216); 93, 1 (17), st. Rspr. BVerwGE 109, 40 (57). BVerfGE 12, 1 (4); 41, 29 (50); 41, 65 (84); 102, 370 (386, 394), st. Rspr. Vgl. § 7 IV 1: Glaubensfreiheit als Beeinflussungsfreiheit. M. Heckel, Gleichheit oder Privilegien, 1993, 42. So Th. Maunz in seinem lesenswerten Neutralitätsaufsatz in AfkKR 139 (1970), 427. Zu Fragen einer Theorie der Religionsförderung unten § 15 IV 4.
IV. Verfassungstheoretische Vertiefung des Neutralitätsgebots
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2. Neutralität als Forderung des objektiven Verfassungsrechts Besondere Beachtung verdient, dass das Neutralitätsgebot als allgemeines Gebot 167 der Unparteilichkeit objektives Recht darstellt, das die öffentliche Hand unabhängig von Grundrechtspositionen strikt bindet. Dabei „hat der religiös-neutrale Staat grundsätzlich verfassungsrechtliche Begriffe nach neutralen, allgemeingültigen, nicht konfessionell oder weltanschaulich gebundenen Gesichtspunkten zu interpretieren“19. Nur, wenn sich der Staat auch „unaufgefordert“ (d. h. ohne gerichtlichen Zwang) an die Unparteilichkeit hält, kann er von allen Bürgern als seine „Heimstatt“20 angesehen werden. Das Neutralitätsgebot in seinem allgemeinen Sinn als Gebot unparteilichen Verhaltens ist zwar nicht in der historischen Entwicklung, aber vom Verständnis her eine schiere Banalität. Das allein würde aber durchaus genügen, um die gröbsten Verstöße gegen die Neutralität zu vermeiden. Herausragendes Beispiel für Verstöße der öffentlichen Hand gegen das objektivrechtliche Gebot der Neutralität ist das Kreuzsymbol in Gerichtssälen und kommunalen Einrichtungen. Insbesondere der Umstand, dass sich das BVerfG trotz immer wieder gegebenen Anlasses geweigert hat, sich näher auf Neutralität als objektives Recht einzulassen, dürfte eine wesentliche Ursache der noch heute gegebenen Emotionen auf diesem Gebiet sein (näher zum Ganzen unten V 3: distanzierende Neutralität).
IV. Verfassungstheoretische Vertiefung des Neutralitätsgebots21 1. Zur liberalen Basisideologie des GG Dem GG geht es um die Sicherung größtmöglicher individueller Freiheit bei 168 gleichzeitiger Wahrung der gleichen Rechte Aller, um soziale Gerechtigkeit (materialer Rechtsstaat, Sozialstaat) u. a. Alles zusammen ergibt die Basisideologie des GG, die auch als gesellschaftlicher Grundkonsens grundsätzlich von allen Bürgern anerkannt werden sollte. Dieser verfassungsrechtliche und gesellschaftliche Basiskonsens darf keinesfalls religiös oder weltanschaulich definiert sein. Er muss aber, wenn er die verschiedensten und selbst im Verhältnis zueinander ganz unvereinbare individuelle Vorstellungen über das gute Leben möglichst zulassen soll, gerecht sein. Das Rechte hat stets Vorrang vor dem Guten, soweit es unter 19
20 21
So BVerfGE 24, 236 (246 f.), st. Rspr.; ausgenommen: notwendige Berücksichtigung des religiös-weltanschaulich Selbstverständnisses, z. B. beim Begriff Religion. BVerfGE 19, 206 (216). S. grundlegend die Publikationen von St. Huster, insb. in: W. Brugger/St. Huster (Hrsg.): Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, 69 (hauptsächlich zum Neutralitätsliberalismus); ders., Die ethische Neutralität des Staates, 2002; ders. in: Zeitschrift für philosophische Forschung 55 (2001), 258.
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§ 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot
dem Gesichtspunkt des inneren Friedens von allen akzeptiert werden kann. Entscheidend ist dabei die Zuerkennung gleicher Rechte auf gleicher Basis, weil nur so die unterschiedlichen ethisch-spezifischen Vorstellungen (zu Familie, Sexualität, Medizinethik usw.) neutral, d. h. unparteilich, gewährleistet werden können. Bei Einhaltung der staatspolitisch unverzichtbaren Minimalforderungen soll niemand gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln (Gewissensfreiheit), aber der Staat darf auch niemand ohne Not spezifisch-ideologische Positionen aufdrängen. Ein so verstandenes liberales Neutralitätsprinzip ist kein Kompromiss zwischen Vorstellungen des Guten, sondern diesen vorgelagert. Solche Neutralität ist ein Gebot politischer Stabilität im pluralistischen Staat und darüber hinaus einer gerechten Ordnung, die auch Minderheiten schützt. Es ist daher ein moralisches Prinzip, das aber keine spezifische Ethik enthält. Das ist der Grundgedanke der liberalen Rechtstheorie, wie sie besonders in John Rawls einen prominenten Ausdruck gefunden hat.22 Die liberale Rechtstheorie bedeutet somit, dass staatlich-normative Werturteile über bestimmte Konzeptionen des Guten vermieden werden, soweit das möglich ist. Fragen von Mehrheit und Minderheit spielen dabei wegen des gleichen Grundkonsenses keine Rolle. Dieses Konzept harmoniert vollkommen mit dem GG und ist im Kern vom BVerfG und BVerwG der Sache nach anerkannt. Beide haben oft die tragenden Grundsätze des GG als einer liberalen, pluralistisch-offenen wertbasierten Ordnung hervorgehoben (rechtlicher Basiskonsens), aber in verschiedenen Entscheidungen auch sinngemäß betont, es gebe keine (gemeint: darüber hinausgehende) Staatsideologie.23 2. Liberale Rechtstheorie
169 Aus dem skizzierten Grundgedanken des sogenannten Neutralitätsliberalismus (vgl. dazu näher § 5 II 2, 3) ergibt sich folgende Rechtsregel: Staatliche Regulierungen sowie Beschränkungen individueller Handlungsfreiheit sind nur auf der Grundlage solcher Argumente zulässig, die keine besonderen religiösen oder philosophischen Lehren voraussetzen. Mit anderen Worten: Freiheitsbeschränkungen, aber auch Fördermaßnahmen dürfen nur auf Grund solcher Rechtsgüter erfolgen, deren Vorrang im konkreten Fall unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit neutral (rational) begründet werden kann. Neutralität ist daher kein abwägungsfähiges Rechtsgut, sondern eine absolute Grenze staatlichen Handelns. Entweder der Staat verhält sich neutral, oder er tut es nicht. 22
23
J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975; ders., Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten, in: ders., Die Idee des politischen Liberalismus, 1992, 364. Der Begriff „Staatsideologie“ scheint in der Rspr. bisher nicht verwendet worden zu sein. Der Sache nach wurde die allgemeine ideologische Neutralität des Staats z. B. gefordert in BVerwGE 79, 298 (Schulbuchzulassung; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, NVwZ 1990, 54); BVerwGE 84, 292 (keine Antiatomkraft-Plakette im Schuldienst); BVerfGE 108, 282 (Kopftuch: „ … keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung“ = Gründe B II 4 b, aa).
IV. Verfassungstheoretische Vertiefung des Neutralitätsgebots
93
Die relativierende Frage der Eingriffsintensität spielt daher bei nicht neutralem 170 Verhalten im Rahmen einer grundrechtlichen Prüfung keine Rolle (vgl. § 7 IV 2, Glaubensfreiheit). Die Auswirkungen begründungsneutraler Regelungen sind freilich regelmäßig höchst unterschiedlich: Gleichheit differenziert, weil die neutralen Regelungen auf unterschiedliche Umfelder treffen: verschiedene Zahl der Betroffenen, unterschiedliche wirtschaftliche Stärke usw. Das ist auch nicht zu kritisieren, weil ethische Konzepte jenseits des für alle verbindlichen Grundkonsenses nicht unter Bestandsschutz gestellt werden, sondern um Akzeptanz werben müssen. Das heißt: es geht um Begründungsneutralität, nicht Wirkungsneutralität.24 Das Fehlen einer Ergebnisneutralität gilt für jede politische Ordnung. So treffen etwa Verbrauchssteuern Arme mehr als Menschen, bei denen Geld keine Rolle spielt. Dem Neutralitätsliberalismus könnte man allenfalls entgegenhalten, er unterminiere die Mehrheitskultur. Deren Förderung trägt zwar zur Integration der Mehrheit bei (die es als solche in der stark pluralisierten Bundesrepublik gar nicht mehr gibt), gleichzeitig aber zu einer unnötigen Desintegration der Minderheiten. Auch lehrt die Geschichte, dass von kollektiven Leidenschaften eine größere Gefahr ausgeht als von individuellen. Man sollte auch nicht unterschätzen, dass die freiheitlich-liberale Ordnung selbst zu einem Integrationsfaktor werden kann. Die Entwicklung eines dazu erforderlichen Verfassungspatriotismus wäre eine dringende Aufgabe schulischer Erziehung. Übrigens ist auch das bekannte und oft instrumentalisierte Böckenförde-Dilemma (der Staat lebt von geistig-kulturellen Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann) keineswegs so zu verstehen, dass die christlichen Kirchen wie Religion überhaupt besonders begünstigt werden sollen. Es geht vielmehr um eine Unterstützung gemeinwohlfördernden Handelns i. S. des hier skizzierten Liberalismus, wie Böckenförde – anscheinend vergebens – klargestellt hat25 (s. zur Liberalen Rechtstheorie näher § 5 II). 3. Zur Gesetzgebung bei ideologisch umstrittenen Fragen Es gibt ideologische Fragen jenseits der Verfassungsessentialia, aus denen sich der 171 Gesetzgeber nicht heraushalten kann, ohne seine Ordnungsaufgabe zu vernachlässigen. Er muss dann Stellung beziehen, etwa in Fragen der Bioethik (Gentechnik, Embryonenforschung, Humanes Sterben usw.), obwohl dort religiös-weltanschauliche Positionen oft hart aufeinanderprallen. Der Normgeber wird dann zwar bestimmte ideologische Positionen im Ergebnis bevorzugen bzw. benachteiligen müssen. Er darf das auch unter zwangsläufiger Modifizierung der Neutralitätsforderung, wenn die Normen mit rationalen säkularen Erwägungen begründet sind, die grundsätzlich allgemein akzeptiert werden können (z. B. Folgeerwägungen, gesellschaftlicher Friede). Das ist dann der Fall, wenn ein normatives Ergebnis nach Möglichkeit von allen in der Gesellschaft vertretenen ideologischen Rich24 25
Dazu ausführlich St. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, 98 ff. E.-W. Böckenförde, in: KuR 1999 Nr. 980, S. 206 f. in Bestätigung von U. Neumann, ebenda S. 205 f.
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§ 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot
tungen – auf der Basis der zentralen verfassungsrechtlichen Existenzbedingungen eines pluralistischen Staats mit freiem Meinungsbildungsprozess – als ein Versuch zum Richtigen verstanden werden kann (Anschluss-, nicht Begründungsrationalität). Auf diese noch kaum untersuchten Fragen kann hier nur hingewiesen werden.
V. Neutralitätsprobleme der bereichsspezifischen Rechtspraxis 1. Varianten und Modifikationen der Unparteilichkeit
172 Geht man von der Unparteilichkeit in der Begründung der Rechtsnormen und rechtlichen Einzelentscheidungen als dem Kern der Neutralität aus, so liegen die teilweise diffizilen Rechtsprobleme in der jeweils bereichsspezifisch zu untersuchenden praktischen Anwendung. Dabei kann man im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte unterscheiden: 173 − Distanzierende Neutralität i. S. der indifferenten Ausklammerung religiösweltanschaulicher Fragen (Neutralität als Anknüpfungsverbot, vgl. Art. 3 III GG) oder inhaltlich offene Neutralität i. S. der Berücksichtigung religiösweltanschaulicher Fragen und Interessen bei formaler Gleichberechtigung (Verbot einseitiger Beeinflussung – ideologische Neutralität)? − Gleichbehandlungsgebot als Parität innerhalb einzelner Gruppierungen und Inhalte (konfessionelle Parität) oder allgemeine formale Gleichbehandlung i. S. des Verbots der Benachteiligung oder Bevorzugung? − Formale oder gestufte Neutralität im Hinblick auf Art. 137 V WRV/140 GG? − Neutrale Förderung i. S. der formalen Gleichheit oder Differenzierung nach staatspolitischer Nützlichkeit bzw. Sozialrelevanz? 2. Offene Neutralität
174 a) Unparteilichkeit kann auf verschiedene Weise verwirklicht werden. Hauptvarianten des Neutralitätsgebots sind einerseits die offene Neutralität (auch als positive, übergreifende, hereinnehmende, vorsorgende Neutralität bezeichnet), die religiös-weltanschauliche Aktionen und Äußerungen als Gebrauch der Religionsfreiheit paritätisch unterstützt, andererseits die distanzierende, ausgrenzende Neutralität, die religiös-weltanschauliche Tatbestände ignoriert.26 Es handelt sich um Varianten der staatlichen Unparteilichkeit, nicht jedoch inhaltliche Abstriche davon. 26
Vgl. zu dieser Unterscheidung schon K. Schlaich, in: ders., Gesammelte Aufsätze, 1997, 448 = Essener Gespräche 4 (1970), 9; ders., in: P. Mikat (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, 1980, 427.
V. Neutralitätsprobleme der bereichsspezifischen Rechtspraxis
95
b) Dass das GG Religion und Weltanschauung nicht generell ignoriert, sondern 175 auch als positive Faktoren mit jeweils gleichem Rang berücksichtigt und unterstützt, ergibt sich unmittelbar aus seinen Regelungen. Soweit der Staat auch mit gesellschaftlichem Bezug agiert, muss bzw. darf er Religion und Weltanschauung positiv berücksichtigen, Raum dafür lassen. Hauptbeispiele sind das Schulwesen und die Anstalts- und Militärseelsorge, weil es hier um die grundrechtlichen Interessen der Bürger geht. Aufgabe des Staats ist es dabei, für die Möglichkeit gleichberechtigter Interessenwahrnehmung zu sorgen. Daher müssen er und seine Amtswalter sich dabei aus der religiös-weltanschaulichen Diskussion durch Vermeidung jeder Einseitigkeit heraushalten (Verbot der Einflussnahme: Glaubensfreiheit). Die religiös-weltanschauliche Auseinandersetzung im offenen Meinungsbildungsprozess ist aber zu ermöglichen. Das eigentliche Problem besteht häufig darin, wie diese offene Neutralität praktisch zu verwirklichen ist: was konkret bedeutet religiös-weltanschauliche Neutralität bei der Erörterung religiös-weltanschaulicher Fragen im Schulunterricht? Was verlangt die Wahrung der staatlichen Neutralität konkret vom Lehrer bei Berücksichtigung seiner Doppelexistenz als Amtsperson und Privatperson? Wie ist die Rücksichtnahme auf die religiösweltanschaulichen Interessen der Bürger im Sozialwesen gleichberechtigt zu organisieren? Besondere Schwierigkeiten wirft die Wahrung der Neutralität bei der – grundsätzlich zulässigen – auch finanziellen Förderung religiös-weltanschaulicher Belange auf. Wenn und soweit der Staat z. B. klassische Musik fördert, darf er wohl geistliche Musik nicht generell davon ausnehmen, jedenfalls muss er es nicht. Gleiches gilt generell für Bildungseinrichtungen. Insgesamt ergibt sich eine Fülle von Problemen, schon wegen der ganz unterschiedlichen Träger und regionalen Unterschiede. Was die Unparteilichkeit der Förderung verlangt oder zulässt (auch die Förderung rein innerkirchlicher oder humanistischweltanschaulicher Fortbildungsmaßnahmen usw.?) und ob nicht doch Differenzierungen zwischen verschiedenen religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften als unparteilich verstanden werden können, kann nur konkret diskutiert werden (s. zur Religionsförderung § 15 IV). Wann bei gesetzlichen Leistungstatbeständen, etwa im Sozialhilferecht, tatsächliche Ungleichheiten rechtlich relevant sind, kann höchst schwierig zu beurteilen sein.27 Sobald aber Gleichheitsverstöße (Neutralitätsverstöße) festgestellt werden, kann es keine Abstriche (Aufweichungen der Neutralität) geben. Zwischen der offenen und distanzierenden Neutralität liegt das Problem des is- 176 lamischen Kopftuchs und der christlichen Kleidung von Lehrern (dazu § 13 V 5 b). 3. Distanzierende Neutralität Demgegenüber greift im rein staatlichen Kernbereich die distanzierende, indiffe- 177 rente Neutralität Platz. Hier, wo es um die angemessene Selbstdarstellung der Or27
Hierzu intensiv G. Britz, JZ 2000, 1127.
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§ 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot
gane und Einrichtungen der öffentlichen Gewalt geht, steht die Neutralität als Forderung des objektiven Verfassungsrechts im Vordergrund. Besonders einleuchtend (aber in der Praxis nicht immer selbstverständlich) ist das Erfordernis auch äußerlich neutralen Verhaltens bei Justiz und Polizei, die beide die unmittelbare Staatsgewalt repräsentieren, ohne dass sie – wie die allgemeinen Schulen – gleichzeitig als gesellschaftliche Einrichtungen verstanden werden können, in die sich der Bürger mit seinen persönlichen religiös-weltanschaulichen Vorstellungen einbringen kann. Warum sollte nun der Staat, der keine religiös-weltanschaulichen Maßstäbe und Kompetenzen hat, in solchen Einrichtungen statt des Staatswappens oder Bildes des höchsten Staatsrepräsentanten das eindeutige Symbol der traditionellen Mehrheitsreligion anbringen sollen oder dürfen? Die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit dieser Art der Staatsrepräsentation hat Ernst-Wolfgang Böckenförde 1975 in besonders eindringlicher Form dargelegt und erklärt, sie sei „geeignet, das öffentliche Vertrauen in die staatliche Rechtsprechung als eine religiös-weltanschaulich neutrale zu beeinträchtigen“.28 Unter keinem Gesichtspunkt, wie insbesondere der Präambel des GG oder Bestimmungen mancher Landesverfassungen, lasse sich das Kreuz in Gerichtssälen rechtfertigen. Die heute ohnehin faktisch weitgehend überholte Argumentation mit einer christlichen Mehrheit ist zudem widersprüchlich, weil dieses religiöse Symbol ja die Gerichtstätigkeit gerade nicht beeinflussen darf. Es handelt sich daher „um eine leere Form, um die Hervorbringung eines Scheins, dem keine (geistige) Wirklichkeit entspricht, eine gerade für das Kreuz (Kruzifix) fatale Situation“.29 Gerichte können ihre befriedende Funktion nur ausüben, wenn sie aus der Sicht aller Parteien vertrauenswürdig erscheinen. Das BVerfG hat hierzu ausgeführt: „Die Überzeugungskraft richterlicher Entscheidungen … stützt sich in hohem Maße auch auf das Vertrauen, das den Richtern von der Bevölkerung entgegengebracht wird. Dieses Vertrauen fußt nicht zuletzt auf der äußeren und inneren Unabhängigkeit des Richters, seiner Neutralität und erkennbaren Distanz … “.30 Dazu gehört auch ein religiösweltanschaulich neutrales Umfeld. Dennoch ist die Leitung vieler staatlicher Gerichte (in einigen westlichen Bundesländern und im Wesentlichen nur in der ordentlichen Gerichtsbarkeit) offenbar noch heute anderer Ansicht. Wie viel Vertrauen verdienen Richter, die in verfassungswidrig ausgestatteten Räumen Recht sprechen, für die sie die Sitzungshoheit haben? Das BVerfG musste sich bisher erst einmal (anlässlich des Wiedergutmachungsverfahrens eines jüdischen Be28 29
30
E.-W. Böckenförde, ZevKR 1975, 119 (132). So der Katholik Böckenförde, a. a. O. 135. Eingehend zur Ablehnung des Gerichtskreuzes einschließlich der deutschen Rechtslage auch Kalb/Potz/Schinkele, Das Kreuz in Klassenzimmer und Gerichtssaal, Freistadt (Österreich) 1996, 88–108; im Ergebnis wie hier s. im Übrigen statt aller St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 136 WRV/140 GG, Rn. 119 = S. 141 (Stand 2003); M. Morlok, in: H. Dreier, GG, Bd. 3 2000, Art. 140 Rn. 35; St. Muckel, KuR 1996 Nr. 110, 21 (33 f.); R. Röger, DRiZ 1995, 471 (476; Fn. 50 und Zusammenhang); E. Schickedanz, BayVBl 1974, 188 ff.; K. Schlaich, in: P. Mikat (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, 1980, 427 (447). BVerfG NJW 1989, 93.
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schwerdeführers bei glaubhaft gemachter innerer Belastung) mit dem Problem befassen und stellte einen Verstoß gegen Art. 4 GG als Grundrecht fest, wich aber einer substantiellen Äußerung zur Neutralitätsproblematik aus.31 Diesem Mangel ist die Rspr. bis heute auffällig treu geblieben. Sie prüft lieber aufwändig Fragen eines Grundrechtsverstoßes, wobei man den Rechtsuchenden ggf. Recht geben kann, ohne sich mit dem objektiven Neutralitätsgebot zu befassen, mag es sich auch noch so sehr aufdrängen. Das BVerfG hat in seinem Kruzifix-Beschluss von 1995 eine große Chance zur eindeutigen Klarstellung vertan. Es hat zwar zunächst das Neutralitätsgebot herausgestellt, dann aber doch den Schwerpunkt auf die grundrechtliche Erörterung gelegt, so dass die mittragende Bedeutung des Neutralitätsgebots zunächst kaum registriert wurde. Auch aus diesem Grund sind in manchen Bundesländern noch heute die meisten kommunalen Sitzungssäle32 mit dem Kreuzsymbol versehen. Wie einfach wäre es doch, in Gerichtsverfahren nach Feststellung eines Grundrechtseingriffs durch ein religiöses Symbol dessen Rechtfertigung mit dem schlichten Hinweis auf einen Verstoß gegen die objektive Neutralitätspflicht zu verneinen. Bislang muss sich aber jeder Betroffene einzeln und kostenträchtig durch die Instanzen kämpfen und gilt viel eher als Querulant und Intoleranter, als dass die Vertreter der öffentlichen Gewalt als verfassungsbrüchig angesehen werden. Der Staat als „Heimstatt“ (BVerfG) aller Bürger?
31 32
BVerfGE 35, 366. S. dazu die Eilentscheidungen VG Darmstadt NJW 2003, 2471, B. v. 26. 11. 2002 mit HessVGH, NJW 2003, 2471. Erst in seinem offenbar nicht veröffentlichten U. v. 26. 9. 2003 – 3 E 2482/02 (1) hat das VG Darmstadt ausdrücklich generell erklärt, dass „die Anbringung eines Kreuzes in einem Saal, in dem ein (mittelbar) staatliches Gremium wie der Kreistag tagt, um seinen Aufgaben im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung … nachzukommen, rechtswidrig ist“ und das anhand BVerfGE 93, 1 erläutert.
§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
Literatur: Neben der Kommentarliteratur C. Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, 537–606.
I. Begriff, Inhalt, prinzipielle Statusgleichheit 1. Zum Gegenstand der korporativen Religionsfreiheit Unter korporativer Religionsfreiheit versteht man die Rechtsbefugnisse, die reli- 178 giös-weltanschaulichen Vereinigungen als solchen zustehen. Die ganz h. M. sieht sie schon in Art. 4 I, II GG verankert, findet aber ihren textlichen Ausdruck hauptsächlich in den Garantien des Art. 137 WRV/140 GG. Soweit Art. 137 II WRV in Satz 1 die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften gewährleistet, ist das die kollektive Religionsfreiheit als Individualrecht, das bereits mit der individuellen Religionsausübungsfreiheit garantiert ist. Häufig wird aber der Begriff „kollektive Religionsfreiheit“ für das Recht der religiös-weltanschaulichen Verbände, also synonym mit dem Begriff der „korporativen Religionsfreiheit“, verwendet. Art. 137 II 2 WRV gewährleistet den ungehinderten Zusammenschluss bereits bestehender RG und WG. Art. 137 IV WRV garantiert allen RG und WG die Teilnahme am Rechtsverkehr durch Erwerb der Rechtsfähigkeit nach Bürgerlichem Recht, und Art. 137 V WRV gibt darüber hinaus die grundsätzlich allgemein offenstehende Möglichkeit, den Charakter als Körperschaft des öffentlichen Rechts (freilich ganz eigener Art, s. unten) zu erwerben. Der immer noch etwas rätselhafte Körperschaftscharakter, der auch Voraussetzung des Steuererhebungsrechts (Art. 137 VI WRV) ist, gehört zu den vieldiskutierten Themen der korporativen Religionsfreiheit. Schließlich haben die RG und WG das Recht auf Zulassung zur Anstalts- und Militärseelsorge (Art. 141 WRV). Das Zentrale Recht aller RG und WG ist das Selbstbestimmungsrecht in eigenen Angelegenheiten (Art. 137 III WRV).
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§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
2. Prinzipielle Statusgleichheit statt gestufter Parität
1
179 a) Bis 1919 kannten die deutschen Staaten Systeme etwas willkürlicher gestufter Parität. Sie unterschieden zwischen drei Gruppen, nämlich den großen Kirchen, anderen öffentlich-rechtlich korporierten (Freikirchen) und kleinen Religionsgesellschaften, die privatrechtlichen Status hatten. Man behandelte sie abgestuft ungleich. Die Kirchen, insb. die mit dem Staat institutionell eng verbundenen evangelischen Kirchen, waren erheblich privilegiert, unterstanden aber einer speziellen staatlichen Kirchenaufsicht. Die übrigen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften wurden begrenzt bevorzugt. Für die privatrechtlichen RG galt die Trennung vom Staat, der ihre religiösen Belange ignorierte. Die sich als christlich verstehenden Staaten betrieben aktive Religionspolitik, die jeweils traditionelle Hauptkonfession wurde bevorzugt. Der Korporationsstatus wurde nach politischen Motiven verliehen. 180 b) Die WRV beseitigte dieses System. Sie ersetzte den Glaubensstaat durch einen Staat der Religionsfreiheit und die dreistufige Parität durch ein System der grundsätzlichen Gleichheit aller RG im Grundstatus und bezog erstmals und gleichberechtigt die WG mit ein (Art. 137 VII WRV). Die Unterscheidung zwischen den Religionsgesellschaften, die den öffentlichen Status schon bisher hatten (geborene Körperschaften), und denen, die – als privatrechtliche RG – einen Rechtsanspruch darauf hatten, bei der Erfüllung von formalen säkularen Voraussetzungen den Körperschaftsstatus ebenfalls gleichberechtigt zu erlangen (gekorene Körperschaften), ändert nichts am rechtlichen Grundstatus aller RG und WG. Alle haben, unabhängig von der Rechtsform, die gleiche Freiheit, insb. das Selbstbestimmungsrecht (Art. 137 III WRV), und auch Art. 4 GG gilt gleichermaßen. Die übrigen religionsfreundlichen Bestimmungen des GG (Religionsunterricht, religiösweltanschauliche Unterstützung beim Militär und in Anstalten, Vermögensschutz) gelten für alle RG und WG unabhängig vom Körperschaftsstatus in gleicher Weise.2 Das verfassungsrechtlich durchlässige System prinzipieller Gleichheit kennt daher zwei Arten von RG und WG: Diejenigen, die Körperschaft des öffentlichen Rechts (K. d. ö. R.) i. S. des Art. 137 V WRV mit besonderen Befugnissen sind (s. unten III 1) und auch die ausschließliche Möglichkeit haben, die Mitgliedsbeiträge als Steuern zu erheben (§ 12 II), und die privatrechtlichen Gemeinschaften, die diesen Status grundsätzlich erreichen können. Es herrscht somit Formalparität. 181 c) Ungeachtet dieser klaren Rechtslage ist man vor allem nach 1949 von einer dreistufigen Parität ausgegangen: Man sprach von einem besonderen öffentlichen Status der großen Kirchen, der mit dem aller anderen Religionsgesellschaften, K.
1 2
M. Heckel, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 589. Nur teilweise wird das bestritten. Für den RU hat das BVerwG in E 123, 49 (70) ausdrücklich erklärt, der Status einer K. d. ö. R. sei nicht erforderlich.
II. Selbstbestimmungsrecht
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d. ö. R. oder nicht, unvergleichbar sei (Koordinationslehre; s. § 6 II 3).3 Rein praktisch gesehen gibt es aber auch heute eine mehrstufige „Parität“: Für alle RG, die K. d. ö. R. sind, gilt ein „Privilegienbündel“, das zwar nicht notwendig mit dem Status gem. Art. 137 V WRV verbunden ist, aber durch zahlreiche Gesetze – nicht unproblematisch, s. unten III 2 – gewährt wird. Andere RG sind von diesen begründungsbedürftigen Vorzugsregelungen (z. B. Gebührenfreiheit) ausgeschlossen. WG schließlich, seien sie K. d. ö. R. oder nicht, werden bisher oft ignoriert. Soweit RG als K. d. ö. R. gesetzliche Privilegien genießen, werden die WG vielfach verbal davon ausgenommen. Fördergelder kommen so gut wie nur RG zugute (s. § 3 II zur rechtlichen und faktischen Privilegierung). Wichtig zu dieser „unvollkommenen Parität“ ist die materialreiche Kritik von Ludwig Renck.4
II. Selbstbestimmungsrecht Literatur: W. Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, 1996; M. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, 305– 307 und 597–606; B. Grzeszick, AöR 2004, 168 (Rechtsschutzfragen); K. Hesse, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 521; St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140, S. 172–200; St. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, 1997, 181–194; G. Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, 2002; J. Wieland, Der Staat 25 (1986), 321.
1. Allgemeines Das Selbstbestimmungsrecht (SBR) der RG und WG ist ihr Recht, „ihre An- 182 gelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ zu ordnen und zu verwalten (Art. 137 III WRV/140 GG). Die Bestimmung geht schon textlich auf die Paulskirchenverfassung von 1849 zurück (§ 1 IV 2). Man hat sie die „lex regia“ des Rechts der RG genannt. In ihr verschmilzt der Gedanke der Freiheit der RG mit dem der Trennung von Staat und Religion. Traditionell und nach wie vor ist die Materie eine der schwierigsten und unklarsten des Religionsverfassungsrechts. Da geht es um das Verhältnis zu Art. 4 I, II GG, die Abgrenzung der eigenen von den 183 staatlichen Angelegenheiten, die Frage der Schranken und um den Rechtsschutz gegen kirchliche Maßnahmen. Wegen der grundsätzlichen Schwierigkeiten ist hier nur eine kritische Problemskizze möglich. Ein erheblicher Teil der Schwierigkeiten dürfte auf die dogmatisch zu wenig ausgereifte und in den Konsequenzen zu wenig bedachte Rspr. des BVerfG zurückzuführen sein, die in einer weit zurückliegenden Zeit des üblichen favor ecc3
4
Bemerkenswert: K. Hesse, ZevKR 3 (1953/54), 188. Hesse hat sich von dieser Position (zur Gegenmeinung: „Das was hier als Sinn des GG ausgegeben wird, steht in unausgleichbarem Widerspruch mit der Wirklichkeit.“) später distanziert. L. Renck, DÖV 2002, 56–67.
102
§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
lesiae entstanden ist. Es bedürfte eines echten gerichtlichen Willensaktes, die größten Mängel zu bereinigen. Es sei nochmals betont, dass das SBR für alle RG und WG ungeachtet ihrer Rechtsform gilt, sofern nur eine RG oder WG im Rechtssinn vorliegt (§ 7 III 2). Für körperschaftlich organisierte RG und WG gelten auch im Rahmen des SBR Besonderheiten (s. unten III).
2. Inhalt und Träger des Selbstbestimmungsrechts
184 a) Das SBR umfasst z. B. Lehre und Kultus, die interne Verfassung (Ordnungsstrukturen, Ämter, Mitgliedschaft), Vermögensverwaltung, Ausbildung der Funktionsträger usf. Eine Aufsicht darüber ist dem Staat grundsätzlich verwehrt. In Literatur und weithin auch Rspr. besteht Einigkeit darüber, dass eine strenge Unterscheidung zwischen einem ausschließlich den RG vorbehaltenen Kernbereich und einem Bereich mit Außenwirkung, der staatlichen Gesetzesschranken unterliegt, nicht generell möglich ist (s. aber unten VII). Was die RG als eigene Angelegenheit betrachten, ist eine Sache ihres u. U. sehr weiten Selbstverständnisses und kann nicht durch (leere) Formeln wie die Natur der Sache vom staatlichen Bereich abgegrenzt werden. Das SBR der privatrechtlichen RG ist zwar eingeschränkt durch die BGB-Vorschriften des Vereinsrechts, wobei aber u. U. im Hinblick auf das organisatorische Selbstverständnis der RG selbst zwingende Vorschriften modifiziert werden müssen.5 Andererseits darf das Selbstverständnis nicht zur Paralyse der Rechtsordnung führen. Das zu verhindern ist Sache der gesetzlichen Schranken, die aber ihrerseits die Bedeutung der Religionsfreiheit im Rahmen einer Wechselwirkung (wie bei Art. 5 II GG) berücksichtigen müssen. Es gibt dabei auch keinen Bereich „eigener“ Angelegenheiten, in dem von vorneherein staatliche Schranken nicht in Betracht kommen. So ist die Abhaltung von Gottesdiensten sicher grundsätzlich eine rein interne Angelegenheit. Der Staat kann jedoch anordnen, dass die Kirche bzw. der Betsaal wegen erheblicher baulicher Mängel nicht benutzt werden darf. Prediger sind in ihren Inhalten frei, aber Beleidigungen und Verleumdungen sind auch für sie strafbar. RG können nach Belieben Grundstücke erwerben usw., aber es ist nicht ihre Sache, von den zivilrechtlichen Vorschriften abzuweichen. 185 b) Nach ganz h. M. und dem BVerfG sind Träger des SBR neben den RG und ihren rechtlich selbständigen Untergliederungen auch diejenigen Einrichtungen, die nach dem Selbstverständnis der RG berufen sind, ein Stück des Auftrags der RG zu erfüllen („kirchliche Satelliten“).6 Das entspricht jedoch der abzulehnenden Erweiterung der Religionsausübungsfreiheit auf solche Vereinigungen (§ 7 VI 1 b) und ist auch hier abzulehnen.
5 6
BVerfGE 83, 341 (Bahá’í). BVerfGE 46, 73 (86 f.); 53, 366 (391 ff.); 57, 220 (242); 70, 138 (162). A. A. Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge, 2000, Rn. 173: nur die RG selbst.
II. Selbstbestimmungsrecht
103
3. Verhältnis des Art. 137 III WRV/140 GG zu Art. 4 I, II GG Viele Äußerungen zu diesem Thema widersprechen sich gegenseitig und sind zu- 186 dem in sich oft unklar. Das hat seine Ursache in der Ansicht, Art. 4 I, II GG sei ein Einheitsgrundrecht und umfasse auch die korporative Religionsfreiheit, so dass dieses Grundrecht aus Art. 4 GG inhaltlich zumindest weitgehend deckungsgleich mit Art. 137 III WRV ist. Die Ansicht, das SBR sei bereits vollständig in Art. 4 GG enthalten und somit rein deklaratorisch, wurde jedoch nahezu allgemein abgelehnt.7 Gängig ist die Auffassung, das SBR sei umfangreicher: So soll die interne Organisation und Rechtsetzung sowie die Grundstücksverwaltung nicht durch Art. 4 GG, sondern nur durch das SBR erfasst sein.8 Das wirft aber nur weitere Fragen auf. Einerseits wird dem Art. 137 III WRV wie den übrigen Weimarer Gewährleistungen keine Grundrechtsqualität zuerkannt, weil außerhalb des Grundrechtskatalogs stehend und nicht im Katalog des Art. 93 I Nr. 4a GG enthalten9, andererseits kann auf dieser Basis unstreitig unter pauschaler gleichzeitiger Berufung auf Art. 4 I, II GG jede Frage des SBR per (wegen Art. 4 I, II GG zulässiger) Verfassungsbeschwerde der Prüfung durch das BVerfG unterzogen werden. Wenig konsequent erscheint es, bei den Fragen der (auch) unter Art. 137 III WRV fallenden korporativen Rechte aber stets dessen allgemeine Schranken anzuwenden (Schrankenspezialität?)10, statt auch hier der Lehre von der (angeblichen, s. § 7 VI 2) Schrankenlosigkeit des Art. 4 I, II GG zu folgen. In der Rechtspraxis wird somit Art. 137 III WRV faktisch wie ein Grundrecht behandelt und es werden auch die dazu ausdrücklich vorgeschriebenen Schranken angewandt. Wäre es da nicht sinnvoller, mit einer gewichtigen Mindermeinung die korporativen Freiheitsrechte des Art. 137 III WRV (die seinerzeit im Grundrechtsteil angesiedelt waren) als subjektive Grundrechte zu verstehen, was sie der Sache nach auch sind?11 Das hätte den Vorteil einer klaren Aufteilung: Art. 4 I, II GG enthalten nur Grundrechte von Personen und Art. 137 III WRV/140 GG enthält ein selbständig geltend zu machendes Grundrecht von RG und WG, das den „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ unterliegt. Das ist im Übrigen ein 7
8
9 10
11
So aber insb. J. Listl, Essener Gespräche 3 (1969), 34 (89); M. Morlok, in: H. Dreier, GG III, 1. A. 2000, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 42. Neuestens wieder deutlich in diese Richtung M. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, 598. Das BVerfG hat in E 53, 366 (399 f.) ausgeführt, das SBR sei „notwendige“ rechtlich selbständige Freiheitsgewährleistung bezüglich Organisation, Normsetzung und Verwaltung. S. auch E 72, 278 (289). St. Rspr. seit BVerfGE 19, 129 (135), h. M. So etwa BVerfGE 42, 312 (322, 334); 53, 366 (401 ff.); 66, 1 (20). Aus der Lit. M. Morlok, in: H. Dreier, GG III, 1. A. 2000, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 42. D. Ehlers, ZevKR 1999, 533 (536 f.); M. Morlok, in: H. Dreier, GG III, 1. A. 2000, Art. 140 Rn. 29 f.; G. Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, 2002, 287 ff. (eingehend); K. Oellers-Frahm, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, 471 (486 f.).
104
§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
gewichtiges Argument für Art. 136 I WRV als Gesetzesvorbehalt für Art. 4 I, II GG (vgl. § 7 VI 2). Denn sofern Aktivitäten der RG durch nicht religionsspezifische Gesetze eingeschränkt werden dürfen, weil erforderlich und verhältnismäßig, warum sollten dann Einzelpersonen, etwa in Gruppen, für vergleichbare Aktivitäten größere Freiheiten haben? 4. Die „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“
187 a) Die lange Entwicklung der Interpretation der für das SBR geltenden Schrankenformel detailliert darzustellen, würde eher zur Verwirrung beitragen als die praktische Problemlösung erleichtern. Im Ergebnis sind die Streitpunkte eher gering. Einige Gesichtspunkte wurden schon im Zusammenhang mit dem Inhalt des SBR (oben II 2 a) erwähnt. Nach 1949 wurde eine Bereichsscheidungslehre entwickelt, die zu objektivieren versuchte. Ihr zufolge ist zu unterscheiden zwischen einem innerkirchlichen Bereich, der keine Rechtswirkungen in den staatlichen Bereich hinein entfaltet und daher keinen Schranken unterliegt, während dann, wenn der staatliche Bereich berührt wird, die gesetzlichen Schranken maßgebend sind. Das hat sich, obwohl vordergründig einleuchtend, schon deswegen als nicht tragfähig erwiesen, weil die Definition der „eigenen Angelegenheiten“ eine Sache des (plausibel zu machenden) jeweiligen Selbstverständnisses der RG ist, andererseits aber die allgemeinen Gesetze expressis verbis gerade die eigenen Angelegenheiten der RG betreffen (vgl. im Übrigen die Beispiele oben II 2 a). 188 b) Die neuere Rspr. des BVerfG will das SBR mit kollidierenden Rechten Dritter oder anderen Verfassungsgütern im Rahmen einer Güterabwägung zu einem angemessenen Ausgleich bringen (Wechselwirkungslehre: Wechselwirkung von Freiheit der RG und Schrankenzweck).12 Bei Kollisionslagen ist ein Ausnahmerecht zulasten, aber auch zugunsten von RG unzulässig. Es gelten die allgemeinen Regeln der Verfassungsauslegung. Im Grundsatz kann jedes förmliche Gesetz oder eine darauf zurückführbare hinreichend bestimmte Norm das SBR begrenzen.13 Eine genauere Untersuchung könnte ergeben, dass etliche Gesetze, soweit sie nicht durch sogenannte Berücksichtigungsklauseln (Bereichsausnahmen) das Schrankenproblem zugunsten der RG (Kirchen) vermeiden (Neutralitätsproblem), etwas einseitig zugunsten der Religion ausgefallen sind (Gesetzesüberblick: § 18). 189 c) Ein ausgesprochenes, aber gewichtiges Sonderkapitel ist die Anwendung des SBR durch
das BVerfG im Bereich der kirchlichen sozialen Einrichtungen auf das staatliche Arbeitsrecht. Hier ist dem BVerfG kein angemessener Ausgleich gelungen. Bedenklich ist dabei, dass das BVerfG noch heute insb. an seiner rigiden Rspr. zum Kündigungsschutzrecht festhält (vgl. zum Ganzen § 16 III 3, 4).
12 13
Seit BVerfGE 53, 366 (400); 66, 1 (22) u. a. S. statt aller St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 47, S. 190– 192.
II. Selbstbestimmungsrecht
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Ein besonderes Kapitel des SBR bildet auch die Frage, ob es innerreligiöse Bereiche 190 gibt, zu denen staatliche Gerichte von vorneherein keinen Zugang haben. Dagegen spricht die Festlegung, dass die Schranken des SBR durch staatliche Gesetze zu ziehen sind, über deren Verlauf im Einzelfall doch wohl staatliche Gerichte zu entscheiden berufen sind. Der Staat hat das Letztentscheidungsrecht darüber, wo das SBR endet. Insbesondere die Frage des Rechtsschutzes gegen die Kirchen hat jedoch eine eigenartige und wenig erfreuliche Entwicklung genommen, auf die unter VII eingegangen wird.
5. Ämterhoheit Art. 137 III 2 WRV hebt aus heute überholten historischen Gründen einen Teil- 191 aspekt des SBR besonders hervor: Ämter von RG werden ohne staatliche oder gemeindliche Mitwirkung verliehen. Diese Selbstverständlichkeit wäre nicht erwähnenswert, wenn es nicht eine Reihe von Staat-Kirche-Verträgen gäbe, die genau dieses vorsehen (staatliche Mitwirkung an der Besetzung von Bischofsstühlen, Treueid katholischer Bischöfe, staatliche Anstellungsvoraussetzungen für Geistliche, staatliche Mitwirkung bei der Bestellung von Anstalts- und Militärseelsorgern). Dabei hat der Staat aber generell keine religiöse Kompetenz. Daher werden auch Staatsämter gem. Art. 33 III GG unabhängig vom religiösen Bekenntnis vergeben. Um so mehr verbietet sich die Einflussnahme auf die innerkirchliche Ämterbesetzung, in welcher Form auch immer. Gerechtfertigt werden die staatlichen Einflüsse mit dem jeweiligen kirchlichen Einverständnis. Dagegen steht aber neben der strikten Anordnung in Art. 137 III WRV das Gebot der Trennung von Staat und Religion (Art. 137 I WRV, s. § 9 II 3, 4, 7). Striktes Verfassungsrecht kann aber nicht durch Vereinbarung beseitigt werden.14 6. Grundrechtsbindung der Religionsgemeinschaften? Eine schlichte Folge des SBR ist, dass RG intern grundsätzlich keinerlei Bindung 192 an staatliche Grundrechte unterliegen, soweit sich ihre Rechts- und Glaubensordnung nicht unmittelbar auf den staatlichen Bereich auswirkt. Etwas anderes gilt teilweise für körperschaftlich organisierte RG (Art. 137 V WRV), nämlich hinsichtlich ggf. übertragener Rechte (Kirchensteuer; Friedhofsrecht, § 17 III 1). Das SBR schließt die staatliche Schlichtung innerreligiöser Konflikte aus (anders bei vereinsrechtlicher Beurteilung) und räumt der jeweiligen RG nach allgemeiner juristischer Ansicht den internen Vorrang gegenüber einem individuell anderen Grundrechtsverständnis ein.15 Maßnahmen gegenüber Mitgliedern, die deren Status als Bürger betreffen, müssen natürlich die staatliche Rechtsordnung einhalten. Konkret: Soweit eine RG Frauen nicht gleichberechtigt behandelt, müssen sich 14
15
S. dazu die Diskussion zwischen L. Renck, BayVBl 1995, 682 und 1997, 553 einerseits (wie hier) sowie andererseits D. Pirson, BayVBl 1996, 641 sowie M. H. Müller, BayVBl 1996, 644. H. Weber, ZevKR 1997, 282 (eingehend).
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§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
diese das gefallen lassen, solange sie Mitglied sind bzw. sich als solches betrachten. Frauen dürfen aber von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung nach außen hin (Art. 5 I GG) auch dann Gebrauch machen, wenn ihnen das die RG untersagt. Der Staat muss auch verhindern, dass „Glaubensabfall“ mit dem Tod bestraft wird (Art. 2 II 1 GG). Konflikte können sich z. B. beim staatlichen islamischen Religionsunterricht ergeben, wenn der vermittelte Glaube nicht mit dem GG zu vereinbaren ist. Die Nichtbeachtung der staatlichen Grundrechte darf dabei sicher nicht gelehrt werden (vgl. die Hinweise bei § 13 V 5 a). Das Divergenzproblem tritt nicht nur beim Islam auf, sondern abgemildert auch bei den christlichen Kirchen. Das katholische Kirchenrecht kennt genaugenommen keinen Grundrechtskatalog.16 Im Bereich der EKD hat zwar Wolfgang Huber 1996 einen Maximalkatalog innerkirchlicher Grundrechtspostulate vorgelegt17, der aber erst in einzelnen Landeskirchen in ersten Ansätzen festgeschrieben wurde.
III. Körperschaftsstatus Literatur: H. M. Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003; C. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347; St. Huster, JuS 1998, 117; St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 63–92 (S. 203–223); ders., in: GS für Bernd Jeand’Heur, Berlin 1999, 221; St. Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, 2004; M. Morlok/H. M. Heinig, NVwZ 1999, 697; L. Renck, RSG 2005, 97; G. Schmidt-Eichstaedt, Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts? 1975; B. Spielbauer, Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland, Wesen und aktuelle Legitimation, 2005; H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966; ders., RSG 2001, 47 (Übersicht); W. Weiß, KritV 2000, 104.
1. Entstehung, Begriff, Inhalte
193 a) Der Körperschaftsstatus der RG ist eine deutsche Besonderheit, die oft als Kirchenprivilegierung kritisiert wird und weithin als etwas rätselhaft galt und noch gilt. Nach Art. 137 V WRV/140 GG bleiben „Religionsgesellschaften“ „Körperschaften des öffentlichen Rechtes“, soweit sie bis 1919 bestanden, und andere können, bei Gleichstellung der WG (Art. 137 VII WRV), diesen Status ebenfalls erhalten. Im Einzelnen blieb unklar, welche Bedeutung diese definitionslose Regelung, die auf die Kirchen abhob, haben sollte. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Kirchen war außer Diskussion, denn Körperschaften als Teil der staatlichen Gewalt, wenn auch mit unterschiedlicher Bedeutung, waren die evangelischen Kirchen gewesen, und auch die örtlichen katholischen Kirchen hatte der Staat zu Körperschaften gemacht. Der öffentlich-rechtliche Status wurde als Ehrentitel an16 17
Beispiel: krit. zu Lehrbeanstandungsverfahren W. Böckenförde, NVwZ 1998, 810. W. Huber, Gerechtigkeit und Recht, 1996, 431–445.
III. Körperschaftsstatus
107
gesehen, eine zivilrechtliche Regelung wäre als Herabdrückung empfunden worden. Auch benötigte man den öffentlich-rechtlichen Status nach damaliger Überzeugung als Basis für die Kirchensteuer, die für die evangelischen Landeskirchen existentiell nötig war. Dass die religiösen Körperschaften kein Bestandteil der staatlichen Verwaltung sein sollten, war angesichts der übrigen religionsrechtlichen Regelungen der WRV klar. Wichtige Klärungen ergeben sich aus der bekannten Zeugen-Jehovas-Entscheidung des BVerfG von 2000, zu der im Zusammenhang mit dem Problem der Anerkennung als Körperschaft Stellung genommen wird (unten 3 a). b) Über die mit dem Charakter als K. d. ö. R. verbundenen Einzelbefugnisse konn- 194 te zur Weimarer Zeit keine Einigung erzielt werden. Auch der mit dem GG gegebene neue verfassungsrechtliche Hintergrund bedeutet, dass eine Anknüpfung an die historische Situation für die heutige Auslegung des Art. 137 V WRV nicht maßgebend sein kann.18 Heute besteht weitgehend Einigkeit über folgende Bedeutungen der Körperschaften i. S. des Art. 137 V WRV: Sie sind mitgliedschaftlich verfasste Personenverbände, die aber nicht, wie alle „normalen“ K. d. ö. R. (z. B. Gemeinden, Industrie- und Handelskammern, Ärztekammern usw.) auf gesetzlicher Grundlage beruhen, Träger mittelbarer Staatsverwaltung und staatlicher Aufsicht unterworfen sind. Vielmehr sind sie, bis auf die staatliche Entscheidung über die Anträge gem. Art. 137 V 2 WRV, vom Staat unabhängig und keiner Staatsaufsicht unterworfen. Mit der Verleihung des Körperschaftsstatus ist die allgemeine Rechtsfähigkeit verbunden. Die Korporationsqualität ist auch mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen verbunden. Die wichtigste ist die interne umfassende Rechtsetzungsbefugnis, die an keine Vorgaben wie das Vereinsrecht gebunden ist. Allerdings besteht nach wie vor erheblicher Streit darüber, ob und inwieweit der Staat nicht doch verpflichtet ist, einen gewissen Rechtsschutz gegen Maßnahmen der RG (praktisch: Kirchen) zu gewährleisten (dazu unten VII). Die Rechtsetzungsbefugnis bedeutet auch die Dienstherrenfähigkeit, kraft derer die Kirchen auf Grund von Kirchengesetzen öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse (mit Pfarrern und Kirchenbeamten) begründen können, ohne an staatliches Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht gebunden zu sein. Zur Korporationsqualität gehört nach herrschender (aber sehr umstrittener) Ansicht auch die Befugnis, Sachen durch Widmung den Charakter einer öffentlichen Sache zu verleihen (res sacra). Zu den Befugnissen wird auch das Parochialrecht gerechnet, d. h. das Recht, die Mitglieder entsprechend der örtlichen Zuständigkeitsregelung kraft Wohnsitzbegründung in Anspruch zu nehmen. Solche Zuständigkeitsregelungen sind Ausdruck der Organisationsgewalt, die aber schon kraft des allgemeinen SBR (Art. 137 III WRV) auch für die privaten RG garantiert ist. Korporierte RG sind nur insoweit an die staatlichen Grundrechte gebunden, als sie von öffentlichrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen bzw. soweit ihnen staat-
18
So eingehend W. Weiß, KritV 2000, 104 (118 ff.).
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§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
liche Hoheitsfunktionen verliehen sind.19 Ein wichtiger Anwendungsbereich ist das Kirchensteuerrecht, das mit dem Körperschaftsstatus notwendig verbunden ist, und nach bisheriger Praxis auch das Recht kirchlicher Friedhöfe (zu letzteren aber krit. § 17 III 2). All diese Besonderheiten lassen sich aus den im Art. 137 V WRV formulierten Merkmalen der dauerhaften Existenz und den dafür notwendigen Merkmalen körperschaftlicher, öffentlich-rechtlicher Art ableiten. Da sie als „gleiche Rechte“ (Art. 137 V 2 WRV) zu gewähren sind, ist dabei jede Differenzierung unzulässig.20 Ob sich hingegen, wie das BVerfG meint, auch die Konkursunfähigkeit aus dem Körperschaftscharakter ergibt, erscheint recht fraglich.21 2. Das „Privilegienbündel“
195 a) Von besonderer Bedeutung ist insbesondere für die großen Kirchen die Tatsache, dass zahlreiche Bundes- und Landesgesetze an den Körperschaftsstatus der RG über die genannten inhaltlichen Merkmale hinaus Vergünstigungen knüpfen, die häufig den körperschaftlich organisierten WG zumindest nicht ausdrücklich ebenfalls zugebilligt werden und die jedenfalls für privatrechtliche RG und WG nicht gelten. Es handelt sich, abgesehen vom Kirchensteuerwesen, um umfassende Steuerbefreiungen und andere Vergünstigungen im Steuerrecht, die Befreiung von arbeitsrechtlichen Vorschriften, einen speziellen Enteignungsschutz, Vergünstigungen in der Bauleitplanung, im Rundfunkrecht, Denkmalschutz, Freistellung von staatlicher Kontrolle, Sonderregelungen im Meldewesen und Personenstandrecht, Gebührenvergünstigungen (Gerichts- und Verwaltungskosten in unterschiedlichem Ausmaß), Erleichterungen im Grundstücksverkehr, Vorteile in der Zwangsvollstreckung, Sondervorschriften in den Sammlungsgesetzen, die Mitwirkung in staatlichen Gremien (Jugendschutz), die Fähigkeit, Träger der Jugendwohlfahrt zu sein, Vorteile im Beamten- und Versorgungsrecht (z. B. Wechsel zwischen Staats- und Kirchendienst, Dienstzeitenanrechnung), Berufsbildungsrecht u. a. Auch das Strafrecht enthält Sonderregelungen, die nur für öffentlichrechtliche RG gelten, und dasselbe gilt auch für öffentliche Zuschüsse.22 196 b) Da diese umfassenden Privilegien nicht notwendig aus dem Körperschaftsstatus folgen, bedarf es insoweit einer verfassungsrechtlichen Begründung dafür, warum sie für die privatrechtlichen RG und WG nicht gelten sollen. Art. 3 I GG gestattet es ja nicht, dass wesentlich Gleiches grundlos verschieden behandelt wird. Der gesellschaftliche Einfluss und die Mitgliederzahl scheiden als zulässiges Differenzierungskriterium aus, da ein spezifischer Nachweis gesellschaftlichen Einflusses kein Anerkennungskriterium für den Körperschaftsstatus ist und es privatrecht19
20 21 22
Zu dieser ausnahmsweisen Grundrechtsgeltung H. Weber, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 573. Vgl. W. Weiß, a. a. O. 124 ff. BVerfGE 66, 1; krit. C. Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, 575–578. Umfassender Überblick bei E. D. Bohl, Der öffentlichrechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften, 2001, 58 ff.
III. Körperschaftsstatus
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liche RG (z. B. buddhistische) gibt, die deutlich größer sind als eine Vielzahl von öffentlich-rechtlichen, die im Einzelfall recht klein sein können.23 Die unterschiedliche Behandlung muss durch die Art der Gründe und ihr Gewicht gerechtfertigt sein. Das Argument, jeder privatrechtlichen RG stehe der Weg zur K. d. ö. R. frei, sticht deswegen nicht, weil das für Religionen ohne förmliche Mitgliedschaft wie z. B. „den Islam“ nicht oder nur bei Überwindung großer Hindernisse möglich ist und im Übrigen der Körperschaftscharakter teilweise auch als nachteilig empfunden werden kann (Zwang zu internem Rechtssystem, Probleme mit dem Rechtsschutz). Manche RG lehnen ihn bewusst ab, weil sie in ihm die Dokumentation einer unerwünschten Nähe zum Staat sehen. Nach allem gibt es wohl kaum sachliche Gründe, die beim „Privilegienbündel“ eine pauschale Unterscheidung zwischen korporiert und nichtkorporiert rechtfertigen.24 Das ist offenbar auch die Ansicht des BVerfG, denn das GG weise „Vergünstigungen und Mitwirkungschancen nicht schematisch danach“ zu, „in welcher Rechtsform eine Religionsgemeinschaft organisiert ist“.25 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass innerhalb der Körperschaften ebenfalls 197 nur bei Vorliegen entsprechender Gründe differenziert werden darf, was aber schon bei Betrachtung der Staat-Kirche-Verträge weitgehend nicht der Fall ist. Während diese nahezu ausschließlich die großen Kirchen begünstigen, gehen alle anderen leer aus (s. zu den Problemen der Religionsförderung § 15 IV). 3. Anerkennung und Beendigung des Körperschaftsstatus a) Art. 137 V WRV nennt als unverzichtbare Anerkennungsvoraussetzung streng 198 genommen außer dem Vorliegen einer „Religionsgesellschaft“ und einem Antrag nur die Gewähr der Dauer, die anhand der „Verfassung“ der RG und ihrer (nicht umschriebenen) Mitgliederzahl geprüft werden soll. Zuständig sind nach Art. 137 VIII WRV die Länder. Bei der Frage nach ungeschriebenen Verleihungsvoraussetzungen war besonders umstritten, ob neben Rechtstreue auch eine besondere Anerkennungswürdigkeit bzw. Hoheitsfähigkeit vorliegen muss, womöglich in Form einer Prüfung der Qualität der inneren Ordnung oder des Bekenntnisses. Die vielfältigen Diskussionen dazu sind weitgehend obsolet geworden durch ein sorgfältiges Grundsatzurteil des BVerfG in Sachen der Zeugen Jehovas, mit dem ein vieldiskutiertes Urteil des BVerwG26 aufgehoben wurde. In seiner einstimmig ergangenen Entscheidung27 hat das BVerfG die folgende Auffassung vertreten. Erforderlich ist zunächst eine prognostische Einschätzung der Dauerhaftigkeit anhand der aktuellen Mitgliederzahl und ihres Gesamtzustands (Mindestbestands23 24
25 26 27
W. Weiß, a. a. O. 107 f. mit Fn. 21, 22 und 128 f. mit Fn. 16. Ebenda 128 ff. S. auch die kritischen Hinweise bei M. Brenner, in: VVDStRL 59 (2000), 264 (285 f.) und H. Weber, RSG 2001, 47 (51). BVerfGE 102, 370, Gründe C V 2 c am Ende. BVerwGE 105, 117. BVerfGE 102, 370.
110
§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
zeit, ausreichende Finanzausstattung, Intensität des Gemeinschaftslebens) ohne Schematismus und unter Orientierung am tatsächlichen Verhalten. Darüber hinaus sei eine Verleihung bei Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen des Art. 9 II GG für private Vereinigungen unzulässig. Daraus ergibt sich das Gebot der zumindest grundsätzlichen Rechtstreue und eine absolute Gewähr für die Einhaltung der fundamentalen Verfassungsprinzipien (Art. 79 III GG) einschließlich der religiösweltanschaulichen Neutralität. Der Religionsfreiheit widerspräche aber etwa die Forderung nach einer demokratischen Binnenstruktur. Eine über diese (vom BVerfG näher erläuterten) Voraussetzungen hinausgehende Staatsloyalität kann nicht verlangt werden. Denn die Korporationsqualität ist ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit, so dass der „Grundrechtsträger“ sein Handeln nicht am Staatsinteresse orientieren muss. Der Begriff der „Loyalität“ wäre auch kaum zu handhaben.28 Eine Fortführung der Diskussion über diese Grundsatzfragen erscheint nach dem Zeugen-Jehovas-Urteil des BVerfG wenig sinnvoll, da es rechtsdogmatisch stimmig und eine Änderung der Rspr. schwer vorstellbar ist. Bezüglich der Details der im Einzelnen recht unterschiedlichen Anerkennungs199 praxis (Mitgliederzahlen, Mindestdauer der bisherigen Existenz usw.), die regelmäßig trotz Art. 137 VIII WRV nicht auf Landesgesetzen beruht, wird auf die Literatur verwiesen.29 Hinsichtlich der Mitgliederzahlen war man bisher oft sehr großzügig; manche RG wiesen bei Anerkennung nur einige hundert Mitglieder auf.30 Die Anerkennung in einem Bundesland verleiht generelle Rechtsfähigkeit.
200 b) Besondere Probleme haben sich in den neuen Bundesländern ergeben, weil die DDR seit 1968 keinen Körperschaftsstatus mehr vorsah und seit 1990 kein ausdrücklicher Verleihungsakt vorgenommen wurde.31 Seit langem aktuell sind die Sonderprobleme der Anerkennung muslimischer Verbände, weil der Status gem. Art. 137 V WRV das Vorliegen einer RG und somit einen Ansprechpartner für den Staat voraussetzt, der Islam aber keine Mitgliedschaft kennt (s. unten V). Außerdem stellen Islamwissenschaftler ernsthaft in Frage, inwieweit verbandliche Beteuerungen der Anerkennung des GG den Realitäten entsprechen. Bislang (2007) wurde noch kein islamischer Verband als K. d. ö. R. anerkannt. 201 c) Wenn RG mit Körperschaftsstatus in einen schwerwiegenden und andauernden Konflikt mit unverzichtbaren Grundforderungen des GG geraten, muss ihnen die28 29 30
31
Überzeugend dagegen etwa G. Robbers, Heckel-FS, 1999, 411 (419 ff.). H. Weber, ZevKR 1989, 356. Vielfach kritisiert wurde die Verleihung der Körperschaftsrechte an den Deutschen Orden (Deutsche Brüderprovinz) durch den Freistaat Bayern im Jahr 1998, obwohl dieser damals nur aus 27 Ordenbrüdern bestand (2007: 30 Brüder). Er baute einen großen Sozialkonzern auf, der Ende 2000 zusammenbrach und einen riesigen Schuldenberg hinterließ (Vgl. näher z. B. die SPD-Infos www.filzgeschichten.de/deutscherorden.html; umfangreiche SZ-Berichterstattung). Vgl. die Hinweise bei St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 71. Gegen ein automatisches Wiederaufleben des Körperschaftsstatus L. Renck, BayVBl 1996, 264 (267 f.).
III. Körperschaftsstatus
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ser Status durch actus contrarius auch wieder entzogen werden können (s. unten VI), wenn auch fast alle Länder keine gesetzlichen Regelungen über Anerkennung und Entziehung des Körperschaftsstatus kennen. 4. Erforderlichkeit des Körperschaftsstatus? Der Körperschaftsstatus für RG, den andere europäische Staaten ohnehin nicht 202 kennen, ist sicher nicht notwendig. Seine Streichung käme nicht in Konflikt mit Art. 4 GG.32 Allerdings wäre dann eine Neuregelung über die Verhältnisse der RG und WG erforderlich. 5. Res sacrae (kirchlich-öffentliche Sachen)
33
a) Unter den res sacrae versteht man Sakraleinrichtungen, die von RG i. S. des 203 Art. 137 V WRV zu öffentlichen Sachen gewidmet worden sind. D. h., dass diese Sachen (etwa gottesdienstliche Gegenstände, Kirchengebäude, kirchliche Friedhöfe, Kirchenglocken) durch Willenserklärung der RG (ggf. mit Zustimmung eines fremden Eigentümers) eine verbindliche Zweckbestimmung zu unmittelbar gottesdienstlichen Zwecken erhalten haben. Damit und nach Indienststellung sind sie „öffentliche Sachen“ i. S. des Verwaltungsrechts und ohne zusätzlichen Rechtsakt mit einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit belastet, die den ggf. anderweitigen Eigentümer im Rahmen der Zweckbestimmung zur Duldung verpflichtet. Die res sacrae sind so gut wie verkehrsunfähig, solange sie nicht von der RG entwidmet werden. Ihr Rechtsgrund wird im Allgemeinen in Art. 137 V WRV gesehen. Damit ist der grundsätzliche traditionelle Standpunkt und der der Gerichte wiedergegeben. b) Die Existenz der res sacrae wird nur selten bestritten, ihre normative Begründung ist 204 aber einschließlich der Ableitung aus dem Körperschaftsstatus höchst zweifelhaft.34 Diskutiert werden Fragen des Art. 4 GG, 137 III und V sowie 138 II WRV und des Gewohnheitsrechts. Teilweise wird die Ansicht vertreten, auch die privatrechtlichen RG könnten res sacrae begründen. Unklar ist der gegenständliche Umfang der res sacrae, die auch von den weiter gefassten kirchlichen öffentlichen Sachen unterschieden werden. Diese sollen das gesamte kirchliche Verwaltungsvermögen umfassen. Unklar ist auch die Abgrenzung der Zuordnung zum privaten oder öffentlichen Recht (die zudem fallbezogen erfolgen muss), 32
33
34
v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 131 f.; W. Huber, Evangelische Theologie 54 (1994), 157 (177 ff.); H. Weber, RSG 2001, 47 (72). A. Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 1998, 285 ff.; R. Mainusch, ZevKR 1993, 26 (eingehend) und ders., Die öffentlichen Sachen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, 1995 (umfassend); L. Renck, DÖV 1990, 333 und BayVBl 1996, 264; D. Schütz, HdbStKirchR II, 2. A. 1995, 3. Das hat L. Renck in BayVBl 1996, 264 dargelegt mit dem Ergebnis, dass es keine res sacrae kraft Bundesrechts gibt, sondern nur kraft einfachen Landesgewohnheitsrechts, und in den neuen Bundesländern nicht einmal das.
112
§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
und damit zwischen dem Rechtsweg zu den Zivil- oder Verwaltungsgerichten. Der bekannte außergewöhnliche Rechtsstreit zwischen dem Freistaat Bayern und einer griechischen Kirchengemeinde um die Herausgabe der St.-Salvator-Kirche in München hat die Gerichte einschließlich zweier Verfassungsgerichte in überaus zahlreichen Verfahren über 20 Jahre lang in zwei Rechtswegen beschäftigt.
205 c) Wegen dieser Schwierigkeiten sei nur auf den hauptsächlich praktisch gewordenen Be-
reich des Glockenläutens hingewiesen, der die Gerichte hauptsächlich beschäftigt hat. Auf derselben Ebene liegt die Problematik des Muezzinrufs (s. näher mit Nachweisen § 18 III 7). Eine ganz spezielle Materie ist die der kirchlichen Friedhöfe, die ja ebenfalls res sacrae sind (näher § 17 III).
IV. Kleine Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften 1. Tatsächliche Hinweise 206 a) Auch für kleinere und kleine privatrechtliche RG gilt ohne Unterschied zu den großen Kirchen derselbe verfassungsrechtliche Grundstatus, der vom Staat auch zu schützen ist (s. oben I 2), insbesondere das Selbstbestimmungsrecht. Sinn oder Unsinn religiöser Lehren geht den Staat der Religionsfreiheit nichts an, solange äußerste Grenzen ihrer Auswirkung nicht überschritten werden. Dieser Kernbestandteil des Religionsverfassungsrechts drohte auch in der Bundesrepublik (wie insbesondere in Frankreich) lange Zeit in Vergessenheit zu geraten, und Benachteiligungen auch durch öffentliche Organe gibt es auch heute noch. Seit den 1970er Jahren standen die sogenannten Sekten, wie man kleinere und vor allem fremdartige RG gern abschätzig zu nennen pflegte, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Man sprach gern (und oft unzutreffend) von „Jugendreligionen“ oder „Jugendsekten“, auch von Neuen Religiösen Bewegungen. In Berichten und Filmen wurde, auch anhand erfundener Geschichten, erfolgreich der pauschale Eindruck erweckt, eine große Zahl dieser Gruppierungen arbeite mit menschenverachtenden Methoden des Psychoterrors, misshandele Kinder systematisch zum Zweck der Indoktrination, hindere Austrittswillige durch Drohungen am Austritt, betreibe wirtschaftliche oder sexuelle Ausbeutung und anderes mehr, so dass die Gesellschaft bedroht sei. Bereits die ungeprüfte und unberechtigte Behauptung, jemand gehöre einer „Sekte“ an, konnte zu dessen Existenzvernichtung führen, und staatliche Organe und kirchliche „Sektenbeauftragte“ schürten die öffentliche Meinung durch öffentliche Warnungen (s. unten). Die Sektenbeauftragten der großen Kirchen, vornehmlich der evangelischen, nahmen ihre einflussreiche Tätigkeit zu dem Zeitpunkt auf, als die Kirchenaustrittszahlen in die Höhe schnellten und die Kirchen gerade wegen ihrer eigenen inneren Erosion die „Sekten“ als Konkurrenz empfanden. Es gelang ihnen, durch intensive Öffentlichkeitsarbeit den Me-
IV. Kleine Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
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dien, der Politik, den Bildungseinrichtungen und auch den Gerichten ihre Problemsicht zu vermitteln.35 b) Die angeprangerten Missstände waren bzw. sind teilweise in der Tat vorhanden, 207 und erschreckende Erscheinungen bis zum Massensuizid, und sei es bei ausländischen Vereinigungen, beeinflussten die allgemeine Stimmung mit. Aber zum einen sind diese Gemeinschaften sehr unterschiedlich, so dass Missstände bei der einen nicht einfach auf andere übertragen werden können. Zum anderen wurden die Ergebnisse der wissenschaftlichen Diskussion, wonach die öffentliche Einschätzung solcher kleiner Minderheiten als generell gefährlich weitgehend auf Unkenntnis und gravierenden Fehlbewertungen beruhte36, nicht zur Kenntnis genommen. Die zur Aufdeckung von Missständen berufene Enquête-Kommission des Bundestags „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“, der große Einseitigkeit vorgeworfen wurde37, kam in ihrem Abschlussbericht unter Auswertung von Sachverständigengutachten 1998 dennoch zum Ergebnis, von den zahlreichen erfassten Gruppen gehe keine Gefahr für Staat und Gesellschaft oder auch nur für gesellschaftlich relevante Bereiche aus.38 Nur 0,7 % der Bevölkerung sind Mitglied einer der Gruppen oder stehen ihr nahe. Seitdem ist das Thema zumindest für die breite Öffentlichkeit erledigt.39 2. Rechtspraxis a) Zu einer Fülle an – fast stets ablehnenden – Entscheidungen gab die Scientology 208 Church Anlass. Das ist aber ein Sonderfall, da die Scientologen zwar eine (ungewöhnlich skurrile) religiöse Ideologie haben40, aber gute Gründe für die Annahme sprechen, dass die wirtschaftliche Betätigung und das finanzielle Verhalten gegenüber ihren Anhängern in einem für das Vorliegen einer RG nicht mehr aus-
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Dazu hilfreich, etwas spät, BGH NJW 2003, 1308, U. v. 20. 2. 2003 (kirchliche Amtshaftung für Sektenbeauftragte); dazu H. Wilms, NJW 2003, 2070. Beispiel: M. Baumann, Zeitschrift für Religionswissenschaft 1995, 111; M. Introvigne, Schluß mit den Sekten! Die Kontroverse über „Sekten“ und neue religiöse Bewegungen in Europa (hrsg. und eingeleitet von H. Seiwert), 1998. S. die besonders scharfe Kritik von M. Kriele, ZRP 1998, 231 („Sektenjagd“). Deutscher Bundestag, Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ (Hrsg.), Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen. Forschungsprojekte und Gutachten der Enquête-Kommission, 1998; Endbericht der Enquête-Kommission, Drucksache 13/10950 vom 9. 6. 1998; Kritik an den Empfehlungen des Endberichts z. B. von M. Kriele, ZRP 1998, 349. Gruppierungen im Zentrum (Opus Dei) oder am Rand der großen Kirchen (Engelwerk) waren nicht Gegenstand der Untersuchungen. Allgemein zur rechtspolitisch-soziologischen Situation auch nach Beendigung der Arbeit der Enquête-Kommission in krit. Sicht E. K. Scheuch, RSG 2000, 213. M. Schmidt-Salomon, in: MIZ H. 2/2002, 4.
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§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
reichenden Maß dominieren (Religion als bloßer Vorwand).41 Eine sehr umfangreiche Rspr.42 befasste sich mit Fragen des Familienrechts, Arbeits- und Sozialrechts, der wirtschaftlichen Betätigung, des Straßen- und Wegerechts, des Vereinsrechts, Wehr- und Zivildienstrechts u. a. Der Umfang der juristischen Benachteiligung kleinerer RG und WG (durch Rechtsdogmatik, etwa auf Schutzbereichsebene, durch einseitige Gesetzesauslegung, unzureichende Tatsachenermittlung, Umdeutung von falschen Tatsachenbehauptungen in Werturteile) scheint noch nicht näher untersucht worden zu sein. Ansätze zur juristischen Verarbeitung sind aber vorhanden.43
209 b) Eine sowohl praktisch wie rechtsdogmatisch bedeutsame Materie ist die der Zulässigkeit vor allem staatlicher Warnungen vor religiösen Minderheiten. Solche Warnungen können erhebliche gesellschaftliche Nachteile hervorrufen und dadurch in die Religionsfreiheit eingreifen (s. auch oben 1 a).44 Die hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen45 haben zu einer umfangreichen Spezialliteratur geführt.46 In seinem Osho-Beschluss von 200247 hat das BVerfG ausgeführt, die nach Art. 4 I, II GG zulässige kritische Auseinandersetzung mit RG und WG verlange von staatlichen Organen Zurückhaltung und Wahrung der religiös-weltanschaulichen Neutralität. Daher seien diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen einer RG oder WG untersagt. Die Bundesregierung bedürfe aber für ihr Informationshandeln über die Zuweisung der Aufgabe der Staatsleitung hinaus auch dann keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung, wenn es zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führe. Nach einer Ver41 42
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BAG NJW 1996, 143. S. dazu Abel/Becher/Gawlik/Büttner/Traudien, Die Rechtsprechung zu den Neueren Glaubensgemeinschaften, 1991; die ausführlichen Berichte von R. B. Abel in der NJW: 1996, 91; 1997, 426; 1999, 331; 2001, 410; 2003, 264; 2005, 114. Beiträge in: G. Besier/E. K. Scheuch (Hrsg.), Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid. Teil 1: Aufsätze, Essays und Polemiken, 535 S.; Teil 2, Dokumentation, 494 S., jeweils 1999 (Bd. 1: H. Weber, 174 und 517; H. Wilms, 211 und 519 [insb. zur Diskriminierung der Rosenkreuzer]); W. Cremer/T. Kelm, NJW 1997, 832 (Zugang zum öffentlichen Dienst); C. A. W. Gambke, Gewissen und Freiheit H. 50 (1998), 6 (eindringlich zur Diskriminierung der Osho-Bewegung); J. Neumann, Aufklärung und Kritik, H. 1/1999, 78; C. Sailer, ZRP 1999, 455 (457 ff.). S. die praktischen Beispiele zu Minderheiten in Deutschland bei A. Köster-Loßak MdB, in: Gewissen und Freiheit Nr. 52 (1999), 60. Auch das BVerfG bestätigt in E 105, 279 (309), es sei nachvollziehbar, wenn „schwerwiegende Nachteile“ befürchtet werden. Die wichtigsten: BVerfGE 105, 279 (Osho-Beschluss); E 99, 185 (Fall Helnwein, Rufschädigung); BVerfG NJW 1989, 3269, U. v. 15. 8. 1989 (Transzendentale Meditation); BVerwGE 82, 76 (Transzendentale Meditation); BGH NJW 2003, 1308, U. v. 20. 2. 2003 (Sorgfaltspflichten eines kirchlichen Sektenbeauftragten). Einige Hinweise: M. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, 449 ff.; H.-J. Cremer, JuS 2003, 747; C. Gusy, NJW 2000, 977; J. Lege, DVBl 1999, 569; D. Murswiek, NVwZ 2003, 1. BVerfGE 105, 279.
V. Rechtsfragen des Islam (Überblick)
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fahrensdauer von elf (!) Jahren48 hielt es die Bezeichnungen der Osho-Meditationsvereine als „pseudoreligiös“ und „destruktiv“ und den Vorwurf der Mitgliedermanipulation für GG-widrig, während es u. a. die Begriffe „Sekte“ und „Psychosekte“ nicht beanstandete, obwohl diese in der Öffentlichkeit nicht soziologisch-neutral, sondern leicht als abschätzige Brandmarkung verstanden wurden. Das BVerfG meinte aber, damit sei nicht einmal der Schutzbereich berührt, sondern diese Ausdrücke „bewegen sich im Rahmen einer sachlich geführten Informationstätigkeit“. Der Beschluss wurde vor allem rechtsdogmatisch kritisiert.
V. Rechtsfragen des Islam (Überblick) Literatur: M. Kloepfer, DÖV 2006, 45; J. Oebbecke (Hrsg.), Muslimische Gemeinschaften im deutschen Recht, Frankfurt a. M. 2003; M. Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, 1. und 2. A. 2001. – Zur allgemeinen Problematik in Deutschland: Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN u. a., Drucksache 16/2085, zum Stand der rechtlichen Gleichstellung des Islam in Deutschland, in: BT-Drucksache 16/5033 (2007); allgemeine Informationen zum Islam einschließlich Deutschland: sieben ausführliche Art. in: G. Czermak, Religion und Weltanschauung in Gesellschaft und Recht, 2007; G. Batz (Hrsg.), Islamismus, AuK-Sonderheft 13 (2007); A. Th. Khoury/P. Heine/J. Oebbecke (Hrsg.), Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, 2000; U. Ulfkotte, Der Krieg in unseren Städten. Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern, 2003.
Für den Islam gelten keine verfassungsrechtlichen Besonderheiten, und insofern 210 ist er für das Grundverständnis des Religionsverfassungsrechts nicht bedeutsam. Er gilt aber allgemein als besondere juristische Herausforderung. Die Zahl der Konfliktbereiche ist groß. Das betrifft die Bestrebungen islamischer Verbände, als Körperschaft gem. Art. 137 V WRV anerkannt zu werden, obwohl der Islam keine persönliche Religionsmitgliedschaft in unserem Sinn kennt. Dabei tritt die Frage auf, inwieweit Verbände korporativ verfasst sein dürfen und welche Rolle die persönliche Mitgliedschaft in den einzelnen Vereinen hat. Im Vordergrund steht derzeit die Möglichkeit der Einrichtung von staatlichem islamischem Religionsunterricht. Der Staat braucht dazu eine RG als eindeutigen Ansprechpartner, wobei der Körperschaftsstatus nicht erforderlich ist. Problemlösungen erscheinen als möglich (s. § 13 V 5 a). Auch die Kopftuchproblematik ist rechtlich vor allem ein Problem des Schulrechts, aber auch der Neutralität (§ 13 V 5 b). Das Schächten wird man trotz der (bezeichnenderweise erst aus Anlass des Schächturteils des BVerfG49 erfolgten) Verfassungsänderung zugunsten des Tierschutzes (Art. 20a
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Die im Widerspruch zur Rspr. des EGMR steht. BVerfGE 104, 337. Die Entscheidung wurde rechtsdogmatisch zu Recht erheblich kritisiert. Aus der Lit.: J. Caspar/M. Geissen, NVwZ 2002, 913; K.-E. Hain/P. Unruh, DÖV 2003, 147; K.-H. Kästner, JZ 2002, 491; J. Oebbecke, NVwZ 2002, 302; F. Wittreck, in: Der Staat 2003, 519. Im Übrigen: M. Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen,
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§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
GG, 2002) auf der Basis der verfassungsgerichtlichen Rspr. nicht ganz unterbinden können (Opferfest!), wenn sichergestellt ist, dass das Schächten wirklich fachgerecht unter Einhaltung von Auflagen erfolgt.50 In Berlin z. B. hat man sich aber auf das Vorschalten elektrischer Betäubung einigen können. Die Fragen der Unterrichtsbefreiung wegen kooedukativen Sportunterrichts werden im Hinblick auf die langjährige Rspr. meist zugunsten der Befreiung gelöst. Heikler ist die Nichtteilnahme von Muslimas an auswärtigen Schulfreizeiten, wenn kein männlicher Begleiter zugegen ist (jeweils § 13 III 2 d). Das Problem des auf die muslimischen Schülerinnen ggf. ausgeübten familiären Zwangs ist rechtlich kaum zu lösen. Beim ordnungsgemäß durchgeführten Sexualkundeuntericht setzt sich der staatliche Erziehungsanspruch gegen die immerhin zu berücksichtigenden islamischen Vorstellungen durch (ebenfalls § 13 III 2 d). Praktische Probleme wirft das Bestattungswesen auf, da die islamischen Sitten mit den deutschen Gegebenheiten oft nicht übereinstimmen (etwa Sargzwang, eigenes Gräberfeld).51 Viele Probleme konnten aber durch behördliches Entgegenkommen, z. T. durch Änderung der Landesgesetze, behoben werden. Das Baurecht ist heute wohl unproblematisch, denn anerkanntermaßen gelten für Moscheen keine anderen bauplanungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Regeln als z. B. für Kirchen. Der Muezzinruf unterliegt wie das liturgische Glockengeläut dem Immissionsschutzrecht (§ 18 III 7). Das größte Problem ist wohl das der ausreichenden Verfassungstreue, da der (auch in Deutschland herrschende) orthodoxe Islam trotz seiner zahlreichen Richtungen und Verbände zwar keine Gewalt, sondern Rechtstreue befürwortet, aber letztlich doch auf Etablierung eines islamischen Staatswesens zielt. Umfassende Verfassungsloyalität kann freilich von keiner RG verlangt werden (s. o. II 6 und III 3 a). Ob und inwieweit die gängigen Bekenntnisse zum GG ehrlich gemeint sind, bedarf genauer Untersuchungen bei sich stets wandelnden Verhältnissen. Es gibt durchaus hoffnungsvoll stimmende Ansätze zur Möglichkeit der staatsbürgerlich-gesellschaftlichen Integration. Zu prüfen sind diese schwierigen Fragen bei der Problematik des RU (§ 13 V 5 a) und der Anerkennung gem. Art. 137 V WRV. Entgegenkommen der staatlichen Seite zeigt sich bei der akademischen Lehre (§ 17 I 4) und in versuchsweisen Ansätzen der Präsenz im öffentlichen Rundfunk. In beidem ist der Islam (dessen ca. 3,2 Millionen Kulturzugehörige vielfach, vor allem in der türkischen Gruppe, gar nicht religiös sind) dem unzweifelhaft GG-treuen weltlichen Humanismus ungeachtet der soziologischen Verhältnisse (§ 3 I) weit voraus.
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2001, 174 ff. Wichtig aus der Sicht der Verwaltungspraxis nach Änderung des Art. 20a GG: A. Dietz, NuR 2003, 477; ders. neuestens in DÖV 2007, 489. Vgl. BVerwG NVwZ 2007, 461, U. v. 23. 11. 2006 (dazu A. Dietz, DÖV 2007, 489); H.-G. Kluge, NVwZ 2006, 650 kritisiert u. a. ein zu weites Verständnis des Begriffs der RG als ad-hoc-Gruppierung zu lasten des Staatsziels Tierschutz. K. Hertlein, NVwZ 2001, 890; Th. Lemmen, Islamische Bestattungen in Deutschland, 2. A. 1999; D. Zacharias, ZevKR 2003, 149.
VII. Staatlicher Rechtsschutz im kirchlichen Bereich
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VI. Verbot von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Die Möglichkeit und Erforderlichkeit, RG ggf. verbieten zu können, wurde erst 211 seit der starken Präsenz von Scientology, vor allem aber nach dem 11. 9. 2001 ein rechtspolitisches Thema. Im Zug der Anti-Terror-Gesetzgebung wurde auch das Religionsprivileg des Vereinsgesetzes noch Ende 2001 beseitigt. Bis dahin waren nach § 2 II Nr. 3 Vereinsgesetz RG und WG gem. Art. 137 WRV nicht dem Gesetz unterworfen, weil man von der Unanwendbarkeit des Art. 9 II GG ausgegangen war, eine Frage, die aber nach wie vor umstritten ist. Nach Art. 9 II GG sind Vereinigungen, deren Zweck oder Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Völkerverständigung richten, verboten. Die Streichung der vereinsrechtlichen Ausnahme52 brachte ungeahnte, z. T. kaum lösbar erscheinende Rechtsfragen hervor.53 Das BVerwG hat den Knoten mit seiner Kalifatsstaat-Entscheidung54 durchschlagen. Der Verein (bzw. seine inländische Teilorganisation) und seine Ersatzorganisationen wurden aufgelöst. Die Möglichkeit des Verbots von RG oder WG wird freilich nur im äußersten Fall in Betracht kommen, denn für sie besteht kein Gebot der Verfassungstreue, sondern nur der Rechtstreue.
VII. Staatlicher Rechtsschutz im kirchlichen Bereich Literatur: B. Grzeszick, AöR 2004, 168; K.-H. Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, 1991; ders., NVwZ 2000, 889; A. Nolte, NJW 2000, 1844; K. OellersFrahm, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, 471; W. Rüfner, HdbStKirchR II, 2. A. 1995, 1081; H. Weber, HdbStKirchR II, 2. A. 1995, 1047; ders., NJW 2003, 2067. – Allgemein sei auf die Kommentierungen zu § 40 VwGO hingewiesen.
1. Praktische Bedeutung des Rechtsschutzes gegen die Kirchen Die Frage nach der Möglichkeit staatlichen Rechtsschutzes im kirchlichen Bereich 212 ist ein besonderes Kapitel des Religionsverfassungsrechts. Im Vordergrund stehen dabei Rechtsansprüche gegen die Kirchen als K. d. ö. R. (andere RG oder WG kommen praktisch kaum in Betracht), die von solchen Kirchenbediensteten er52
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BGBl. I 2001, S. 3319. Die Änderung zeigt die Anpassungsfähigkeit der Rechtsauslegung an rechtspolitische Änderungen. Das hat L. Michael in JZ 2002, 482 eindrucksvoll nachgewiesen. BVerwG NVwZ 2003, 986, U. v. 27. 11. 2002, bestätigt durch BVerfG-K NJW 2004, 47; hierzu M. Sachs, JuS 2004, 12; neuerdings: BVerwG, NVwZ 2006, 694, U. v. 25. 1. 2006.
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§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
hoben werden, die nach ausschließlich kirchlichem Recht auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der RG (s. oben II und III 1 b) in einem Dienstverhältnis zur RG stehen. Für sie wurden also keine Arbeitsverhältnisse nach staatlichem Recht (dazu § 16 III) begründet. Es handelt sich um Pfarrer, Kirchenverwaltungsbeamte oder andere Kirchenbedienstete, also einen zahlenmäßig beschränkten Personenkreis. Auf derselben Ebene liegen Ansprüche von dem CIC 1983 unterliegenden Ordensangehörigen gegen ihren (ehemaligen) Orden. Die Bedeutung dieser Rechtsfragen für die Allgemeinheit ist nach der Zahl der Betroffenen eher gering. Sie ist aber wichtig für das Verständnis des Rechtsstaats. Kann er es zulassen, dass jemand in seinem Hoheitsbereich in existentiellen Fragen keinerlei Rechtsschutz durch staatliche Gerichte erhält, als ob der Betreffende nicht auch Staatsbürger wäre? 2. Juristische Problemstellung und Rechtsprechung
213 a) Rechtsdogmatisch geht es darum, wer letztlich dazu befugt ist, im Einzelfall zu entscheiden, wie weit das SBR der RG reicht und wo staatliche Gesetze die Grenze ziehen. Anders gefragt: gibt es kirchliche Angelegenheiten, für die staatliche Gerichte von vorneherein nicht zuständig sind bzw. wie weit geht ihre Prüfungsbefugnis? Die Rspr. insb. des BVerwG und BVerfG hat das Problem der staatlichen Justizgewährleistung trotz jahrzehntelang selten einmütiger Opposition der Rechtswissenschaft nicht einmal als solches erkennen wollen. Der BGH hat neuerdings zwar eingelenkt, BVerwG und BVerfG haben aber an ihrer abwehrenden Position festgehalten. 214 b) Die Gerichte haben von Anfang an eine rigoros restriktive Linie eingeschlagen mit dem Ergebnis, dass Geistlichen und Kirchenbeamten der Rechtsschutz gegen die Kirche durch staatliche Gerichte nahezu vollständig verweigert wurde. Das BVerwG hat stets und mit Billigung des BVerfG die Ansicht vertreten, Fragen des kirchendienstrechtlichen Status seien der staatlichen Gerichtsbarkeit mangels Zuständigkeit entzogen. Einige neuere höchstrichterliche Entscheidungen machten zwar Hoffnung auf eine Tendenzwende55, die aber durch ein Urteil des BVerwG vom 30. 10. 200256 stark gedämpft wurde. Der 2. Senat hielt nicht nur die Klage eines Pfarrers gegen seine Ruhestandsversetzung entsprechend der traditionellen Rspr.57 für nicht statthaft; die Entscheidungen der Kirchen und Kirchengerichte hierzu seien von den staatlichen Gerichten hinzunehmen. Er erklärte sogar aus55
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BVerfG-K NJW 1999, 349 und ebenda 350; BVerfG-K NVwZ 1999, 758 (die Möglichkeit staatsgerichtlicher Prüfung von Statussachen wurde offengelassen); BGH NJW 2000, 1555 (Grundsatzentscheidung vom 11. 2. 2000 – V ZR 291/99: Justizgewährung gegenüber RG auch dann, wenn interne Vorfragen wie die Vertretungsbefugnis nach außen geklärt werden müssen); BGHZ 154, 306 = NJW 2003, 2097, U. v. 28. 3. 2003 – V ZR 261/02; BVerwGE 116, 86 (7. Senat). BVerwG NJW 2003, 2112 (2. Senat). Z. B. BVerwGE 66, 241; 95, 379; BVerfG NJW 1983, 2569; BVerfG NVwZ 1989, 452.
VII. Staatlicher Rechtsschutz im kirchlichen Bereich
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drücklich, die „Exemtion von der staatlichen Gerichtsbarkeit“ beziehe sich auch auf die Einhaltung der „fundamentalen Grundsätze der staatlichen Rechtsordnung“. Im Bereich der eigenen Angelegenheiten könne es keine Einschränkung des SBR geben. Nur für vermögensrechtliche Ansprüche aus einem Dienstverhältnis machte man teilweise Ausnahmen.58 c) Es besteht nunmehr ein offener Gegensatz zwischen dem BVerwG und dem 215 BGH. Der 5. Zivilsenat des BGH hatte 2000 eine Klage betreffend innerjüdische Vertretungsbefugnisse für zulässig erklärt59, und 2003 erklärte er die Gehaltsklage eines Geistlichen der Heilsarmee, einer K. d. ö. R., für zulässig, obwohl die Wirksamkeit der Dienstentlassung zu klären war.60 Die dabei anzuwendende Prüfungsdichte wurde im Rahmen der Begründetheitsprüfung und einer Güterabwägung behandelt und auf die Grundprinzipien der Rechtsordnung beschränkt, d. h. das Willkürverbot, die guten Sitten und den „ordre public“ (Art. 30 EGBGB). Eine Grundsatzentscheidung des BVerfG in dieser Sichtweise wäre zu begrüßen.61 d) Abschließend sei Folgendes angemerkt. Auszugehen ist davon, dass es im Staat 216 des GG keine rechtsfreien Räume geben kann, soweit sie nicht durch das GG ausdrücklich der autonomen Rechtsgestaltung durch innerstaatliche Institutionen, Verbände usw. überlassen sind. Dem Staat kommt die Letztentscheidung darüber zu, ob eine Angelegenheit in den internen, völlig staatsfreien Raum kirchlichen Rechts fällt oder nicht. Daher sind staatliche Gerichte in Kirchensachen stets zumindest zuständig. Die eigentlichen Rechtsfragen, ob nur eigenkirchliches Recht betroffen ist usw., sind je nach Fallgestaltung im Rahmen der Begründetheit, allenfalls ausnahmsweise auch schon der Zulässigkeit der Klage zu prüfen. Dabei geht es um die Reichweite des Rechtsschutzes im Einzelfall. Zwar liegt es nahe, dass inhaltliche Streitigkeiten, etwa bezüglich des Sakramentenrechts oder der Ämterverleihung, nicht in die sachliche Prüfungsbefugnis eines staatlichen Gerichts fallen können. Dass es aber nicht einmal befugt sein soll, schwerwiegende Verstöße gegen das rechtliche Gehör oder das Willkürverbot bei der Sachverhaltsfeststellung zu beanstanden, leuchtet weniger ein. Und die kirchenrechtliche Wirksamkeit der Entlassung eines Pfarrers hat auch weltliche Folgen im Versorgungsrecht (Sozialversicherung), so dass eine Prüfung äußerster Grenzen nach weltlich-rechtlichen Maßstäben nicht ohne weiteres außerhalb staatlicher Kompetenz liegt. Schließlich: Das SBR rechtfertigt schon deshalb nie eine völlige Ausklammerung aus dem Rechtsschutz, weil gerade die eigenen Angelegenheiten der
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Staatlicher Rechtsweg nur, wenn zumindest schlüssige Rechtswegeröffnung durch Kirche; nicht aber bei „verkappten Statusklagen“, bei denen die Statusfrage inzident zu prüfen wäre, vgl. BVerwGE 95, 379. BGH NJW 2000, 1555. BGH NJW 2003, 2097. In BVerfGE 111, 1 wurde die Grundsatzfrage wieder nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Verfassungsbeschwerde bei keiner Betrachtungsweise Erfolg haben könne. Dagegen das Sondervotum Lübbe-Wolff, a. a. O. 7 ff.
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§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)
RG expressis verbis durch die allgemeinen Gesetze eingeschränkt werden (Art. 137 III 1 WRV). Die geringe Überzeugungskraft der restriktiven Rspr. wird verstärkt durch den 217 Umstand, dass die Gerichte bei Klagen einer kirchlichen Körperschaft gegen Kirchenangehörige62 so gut wie nie Zuständigkeitsprobleme sehen.63 Aber die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit in Kirchensachen kann nicht davon abhängen, wer Kläger und wer Beklagter ist. Im Übrigen wird man zivilrechtliche Klagen von Mitgliedern gegen eine privatrechtliche RG nach BGB-Vereinsrecht nicht von vorneherein als unstatthaft ablehnen können. Warum das bei Klagen gegen K. d. ö. R. – trotz des verfassungsrechtlich gleichen Grundstatus (s. o. I 2) – anders sein soll, leuchtet nicht ein.
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Dazu H. Weber, HdbStKirchR II, 2. A. 1995, 1047. Nur Gedankenlosigkeit oder favor ecclesiae?
§ 12 Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer
I. Kirchenmitgliedschaft Literatur: A. v. Campenhausen, HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 755; H. Engelhardt, ZevKR 1996, 142; Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge, 2000, S. 178 ff.; P. Krämer, HdbKathKR, 2. A. 1999, 200; I. Riedel-Spangenberger, Trierer Theologische Zeitschrift 102 (1993), 286; M. J. Roca, ZevKR 1998, 333; J. Winter, KuR 1999 Nr. 550, S. 25 (Territorialprinzip bei den protestantischen Kirchen).
1. Allgemeines Die Frage der formalen Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft betrifft 218 hauptsächlich die christlichen Kirchen. Sie hat in Deutschland erhebliche praktische Bedeutung im Hinblick auf das Kirchensteuerrecht. Die landesrechtlichen Kirchensteuergesetze machen ja die Erhebung des Mitgliedsbeitrags in der ungewöhnlichen Form einer staatlich erzwingbaren Steuer von der formalen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft mit Körperschaftsstatus i. S. des Art. 137 V WRV/140 GG abhängig. Demgegenüber kennen Religionen wie die (sehr vielfältige) islamische, aber auch andere, gar keine förmliche Religionszugehörigkeit. Bei der förmlichen Mitgliedschaft ist zu unterscheiden zwischen Gemeinschaften, die privatrechtlich, und solchen, die öffentlich-rechtlich organisiert sind. Für die privatrechtlich organisierten gilt grundsätzlich das Vereinsrecht des BGB, das aber ggf. an wichtige Grunderfordernisse des jeweiligen religiösen Selbstverständnisses anzupassen ist.1 2. Internes Mitgliedschaftsrecht und staatliches Recht Bei der Mitgliedschaft in einer religionsrechtlichen Körperschaft (Hauptbeispiel: 219 Kirchen; theoretisch auch WG) ist stets zu unterscheiden zwischen der Mitgliedschaft nach religionsinternem Recht auf Grund des Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 III WRV) der Religionsgemeinschaft und der Mitgliedschaft aus der 1
BVerfGE 83, 341 (Bahá’í).
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§ 12 Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer
Sicht des Staats nach staatlichem Recht. Es ist rechtlich eine Sache, wen die Kirchen als ihr Mitglied ansehen, und eine andere, ob daraus Folgerungen für den weltlichen Rechtskreis gezogen werden können, die u. U. mit den bürgerlichen Grundrechten unvereinbar sind. Wegen der Auswirkungen der Kirchensteuer auf den staatlichen Rechtskreis gewährleistet der Staat insoweit – terminologisch völlig unzutreffend – den sogenannten Kirchenaustritt bei staatlichen Behörden (s. unten). Die Religionsfreiheit verbietet es dem Staat für seinen Bereich (Kirchensteuerrecht), auch dann auf kirchliches Mitgliedschaftsrecht zu verweisen, wenn dabei jemand gegen seinen Willen dem Kirchenrecht unterworfen würde. 3. Insbesondere: Kindertaufe und staatliches Recht 220 a) Obwohl Kleinkinder noch keinen eigenen religiös-weltanschaulichen Willen haben und bekunden können, ist die bei den großen Kirchen übliche Kindertaufe allenfalls ein moralisches, aber kein rechtliches Problem. Bei der Taufe vertreten in der Regel beide sorgeberechtigten Eltern das Kind kraft ihres Elternrechts. Insofern erfolgt die Taufe und damit nach Kirchenrecht der Kircheneintritt „freiwillig“. Deshalb dürfen die Kirchensteuergesetze der Bundesländer für die Kirchensteuerpflicht, grundsätzlich im Einklang mit Art. 6 II GG, an die durch Taufe, Konfession und Wohnsitz begründete Kirchenmitgliedschaft auch für den staatlichen Bereich anknüpfen. 221 b) Jedenfalls bei der katholischen Kirche ist das Kriterium der Taufe allerdings keineswegs so eindeutig, wie meist fraglos angenommen wird. 222
Denn die katholische Taufe ist in nicht weniger als 29 Canones des kirchlichen Gesetzbuchs (CIC 1983) geregelt (Can. 849–878). Diesen Vorschriften ist aber nicht klar zu entnehmen, wann eine Taufe gültig ist. Zur Frage der kirchenrechtlichen Gültigkeit der Taufe gibt es daher eine umfangreiche Spezialliteratur bezüglich der zahlreichen problematischen Fallgestaltungen. Die bloße Mitteilung an die zuständige Behörde, jemand sei katholisch getauft, ist daher eigentlich kein rechtsstaatlich ausreichender Nachweis für das Vorliegen einer gültigen Taufe und damit des Beginns der Kirchensteuerpflicht. Besonders bedenklich ist im Hinblick auf die bundesgesetzliche Regelung des Personensorgerechts die Regelung in Can. 868 CIC, wonach es genügt, wenn nur ein Elternteil der Taufe zustimmt. Bei angenommener Todesgefahr darf sogar ein Kind nichtkatholischer Eltern gegen den Willen beider Eltern katholisch getauft werden. Wegen Art. 4 I GG kann in solchen Fällen sicher keine Kirchenmitgliedschaft i. S. des staatlichen Kirchensteuerrechts angenommen werden.
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Die pauschale Verweisung auf das innerkirchliche Recht ist insgesamt rechtlich unklar und zumindest problematisch. Rechtswirksam kann sie nur sein, wenn man eine verfassungskonforme Auslegung zulässt. Deren möglicher Inhalt erscheint aber zweifelbehaftet. 4. Weitere kirchenrechtliche Fragen
224 a) Ob der Beginn der Kirchenmitgliedschaft mit der Taufe im Bereich der EKD stets unproblematisch ist, bedürfte näherer Untersuchung. Das Mitgliedschafts-
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recht ist in einem EKD-Gesetz von 1976 zwar einheitlich geregelt, jedoch enthalten die §§ 6 ff. betreffend den Erwerb der Mitgliedschaft keine Hinweise zur Gültigkeit von Taufen. Vor Erlass des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes hatte es zahlreiche Probleme wegen Umzugs von einer in eine andere Landeskirche gegeben („Möbelwagenkonversion“). Nach dem neuen Kirchenrecht erlischt mit dem Wegzug in eine andere Landeskirche der EKD automatisch die Mitgliedschaft in der alten Landeskirche und Kirchengemeinde. Gleichzeitig wird automatisch eine Mitgliedschaft in der neuen Landeskirche begründet (Territorialprinzip). Das ist theologisch fragwürdig, weil die heute 23 deutschen Landeskirchen ja inhaltlich unterschiedlichen Bekenntnissen angehören (lutherisch, reformiert, uniert). Dem teilweise erheblichen Unterschied im jeweiligen „Bekenntnisstand“ trägt die Möglichkeit Rechnung, nach EKD-Recht innerhalb eines Jahres Widerspruch zu erheben (votum negativum) und sich mit Rückwirkung einem anderen Bekenntnis auf dem Gebiet der Landeskirche anzuschließen, so vorhanden. Bei Zuzug aus dem Ausland gilt das Entsprechende, sofern die jeweiligen Kirchen eine entsprechende Vereinbarung geschlossen haben.2 Da sich der Automatismus des Kirchen- und ggf. sogar Konfessionswechsels auch bei (oft uninformierten) Ausländern auf das Entstehen der (fast nur in Deutschland bestehenden) Kirchensteuerpflicht erstreckt, führt das häufig zu großem Unmut. – In der weltweit organisierten katholischen Kirche gibt es keine vergleichbaren Probleme. b) Innerkirchlich gibt es verschiedene Arten der Kirchenmitgliedschaft. Die evan- 225 gelischen Kirchen unterscheiden zwischen der durch die Taufe begründeten geistlichen Gliedschaft in der Kirche Jesu Christi und der rechtlichen Mitgliedschaft in einer bestimmten Partikularkirche auf Grund von Bekenntnis und Wohnsitz. Den sogenannten „Kirchenaustritt“ nach staatlichem Recht (s. unten) werten die evangelischen Landeskirchen innerkirchlich nach dem Kirchenmitgliedschaftsgesetz der EKD (§ 10 Nr. 3) als vollständige Beendigung der rechtlichen Mitgliedschaft. Glied der geistlichen Kirche bleibt der Betreffende nach wie vor. c) Die katholische Kirche kennt zwar keinen Kirchenaustritt, aber seit dem 2. Va- 226 tikanischen Konzil und dem CIC 1983 verschiedene Stufen der Zugehörigkeit. Verstöße gegen das Kirchenrecht können zur kircheninternen Rechtsminderung bis zum 227 nahezu vollständigen Rechtsverlust führen. Als schwerwiegenden Pflichtenverstoß wertete die Kirche in Deutschland bisher stets auch den (lediglich) gegenüber dem Staat und im Hinblick auf Wirkungen im staatlichen Rechtskreis erklärten Kirchenaustritt. Die deutschen Bischöfe haben das 1969 bekräftigt: „ … Wenn also ein Katholik seinen Austritt aus der Kirche erklärt – aus welchen Gründen auch immer – so stellt dies eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft dar. Er kann daher am sakramentalen Leben erst wieder teilnehmen, wenn er bereit ist, seine Austrittserklärung rückgängig zu machen … “.
Die strenge Abhängigkeit von Zahlungsmoral und Seelsorge wurde unter Be- 228 nedikt XVI. 2005/2006 beseitigt. Der formale kirchenrechtliche Akt des Glaubensabfalls mit Exkommunikation erfordere die innere Entscheidung, die katho2
S. krit. zu den Problemen des Territorialprinzips im Mitgliedschaftsrecht der EKD im europäischen Kontext J. Winter, KuR 1999 Nr. 550, S. 25–32; ders., ZevKR 2002, 544.
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lische Kirche zu verlassen, die Kundmachung dieser Entscheidung und die direkte Annahme dieser Entscheidung seitens der zuständigen kirchlichen Autorität.3 5. Der sogenannte Kirchenaustritt
229 a) Der Kirchenaustritt im eigentlichen Sinn wäre nach allem ausschließlich ein Aspekt der förmlichen Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft und müsste natürlich unmittelbar bei derselben erklärt werden. Eine Beendigung der internen Kirchenmitgliedschaft durch eine Erklärung gegenüber einer staatlichen Stelle ist mangels staatlicher Kompetenz (vgl. Art. 137 III WRV/140 GG) unstreitig absolut unzulässig. Nun kennen die katholische Kirche und die evangelischen Kirchen innerkirchlich keinen Kirchenaustritt, sondern nur unterschiedliche Reaktionsweisen auf das Verhalten Getaufter. Bei den Kirchen der EKD endet die Mitgliedschaft neben dem Tod mit dem Wegzug aus dem Kirchengebiet oder mit dem Übertritt in eine andere RG. Ein Kirchenaustritt ist nicht vorgesehen (s. aber oben 4 b). 230 b) Die Religionsfreiheit gebietet daher dem Staat, seinen Bürgern eine Möglichkeit zu geben, sich von den staatlich-rechtlichen Folgen einer Kirchenmitgliedschaft zu befreien. Dazu gehören neben der Bedeutung für die Kirchensteuerpflicht der Religionsunterricht und ggf. Konfessionsschulen, die Anstaltsseelsorge und das Lehramt. Der Staat darf den „Ausgetretenen“ nicht mehr als Angehörigen seiner Religionsgemeinschaft behandeln. Die Befreiung von diesen staatlichen Folgen erfolgt entsprechend den Kirchenaustritts- bzw. Kirchensteuergesetzen der Länder unbestritten durch förmliche Erklärung vor dem Standesamt bzw. Amtsgericht (abweichende Regelung: Bremen). Das BVerfG hat das bestätigt: „Der staatlich geregelte Kirchenaustritt ist nicht darauf gerichtet, Wirkungen im innerkirchlichen Bereich herbeizuführen, sondern soll nur Wirkungen im Bereich des staatlichen Rechts auslösen.“4 231 c) In den 1970er Jahren erging, bei schlagartig steigenden Austrittszahlen, eine Serie obergerichtlicher Entscheidungen zu sogenannten modifizierten Austrittserklärungen. Gläubige Bürger, die aus unterschiedlichen Gründen (Bevorzugung einer Freiwilligkeitskirche, Probleme mit der Hierarchie, Entbürokratisierung u. a.) lediglich keine Steuer mehr an ihre Amtskirche zahlen und ggf. das Geld anderweitig religiösen Zwecken zuführen wollten, waren ja wegen der falschen Begrifflichkeit der Gesetze gezwungen, öffentlich den „Austritt“ aus ihrer Kirche zu erklären, der sie nach wie vor angehören wollten. Sie gaben daher nach Möglichkeit Zusatzerklärungen zu Protokoll, wonach sich der „Austritt“ nur auf die Kirchensteuerpflicht (bzw. den staatlichen Bereich), nicht auch auf die Kirchenmitgliedschaft beziehe. Das entsprach aber ohnehin dem geltenden Recht (s. o.). In den Kontroversen der Gerichte und der Literatur setzte sich, obwohl an der Eindeutigkeit der öffentlich-rechtlichen Willenserklärung in der Regel kein Zweifel bestehen konnte, schließlich die Meinung von der Unzulässigkeit solcher Modifizierungen durch. Innerhalb weniger 3
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Die deutschen Bischöfe ignorieren die päpstliche Weisung bisher (Stand Juli 2007), was innerkirchlich umstritten ist; der Ausgang erscheint vorerst offen. BVerfGE 30, 415 (426).
I. Kirchenmitgliedschaft
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Jahre verboten sämtliche Bundesländer nicht nur durch Gesetz solche Zusatzerklärungen, sondern machten überdies ihr Fehlen sogar zur Voraussetzung der Wirksamkeit der eigentlichen Erklärung. Der falsche Begriff „Kirchenaustritt“ wird bis heute beibehalten, jedoch nicht erläutert. Diese gesetzliche Irreführung hat(te) einen zusätzlichen Gewissensdruck bei den betroffenen Gläubigen zur Folge, nach der Änderung in der katholischen Kirche 2005/2006 (s. o.) nach wie vor jedenfalls bei den EKD-Kirchen.
d) Die gesetzliche Terminologie „Kirchenaustritt“ ist eine „Abschreckungsrege- 232 lung“ (so E. G. Mahrenholz) zu Gunsten der Kirchen, die mit dem staatlichen Neutralitätsgebot in Konflikt gerät. Hierzu schreibt Ludwig Renck zutreffend: „Einen Kirchenaustritt zu beurkunden, der strictu sensu keiner ist und für den sich der Staat auch nicht zu interessieren hat, ist eine Farce und der staatlichen Autorität abträglich. Es kann auch nicht staatliche Aufgabe sein, die Bürger in religiösweltanschauliche Bedrängnis zu führen, die möglicherweise mit einem Kirchenaustritt verbunden … “ ist.5 Renck spricht daher richtig von einer „Abstandserklärung“. Jedem Bundesland stünde es (verfassungsrechtlich unproblematisch6) frei, verbal speziell nur den Austritt aus der öffentlich-rechtlichen Kirchensteuergemeinschaft zu ermöglichen.7 e) Ein erstaunliches Sonderproblem ist die Behandlung der Kirchenaustritts- 233 problematik in den neuen Bundesländern. Seit Jahren wirken insbesondere in Berlin und Brandenburg die evangelische Landeskirche und der Staat auf Grund des übernommenen westdeutschen Kirchensteuersystems zusammen mit dem Ergebnis, dass man Menschen, die offensichtlich unkirchlich sind, rückwirkend Kirchensteuer abverlangt. Denn die (der DDR unbekannte) Kirchensteuerpflicht beginnt mit der Taufe und endet erst mit der „Austrittserklärung“ gegenüber dem Staat. Die evangelische Kirche hat verstärkt Ende der 1990er Jahre die Taufbücher durchforstet und Adressen ermittelt, und die Behörden haben dann ohne Aufklärung der Bürger den Kirchenvermerk in die Lohnsteuerkarte eingetragen. Oft erhielten Bürger, die seit Jahrzehnten ungläubig sind, ja nicht einmal von ihrer Taufe wussten, Kirchensteuerbescheide mit erheblichen Nachforderungen, wenn sie den Kirchenaustritt nicht nachweisen konnten.8 Dieser Nachweis ist häufig nicht direkt zu erbringen, da die Handhabung des Kirchenaustritts in der DDR chaotisch war. Die Bürger der Ex-DDR, mit rechtsstaatlichen Möglichkeiten wenig vertraut, gaben schließlich häufig auf. Unterschiedliche Stellen waren für zuständig angesehen worden, Vorschriften missachtet, Bestätigungen nicht ausge5
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L. Renck, BayVBl 2004, 132 und DÖV 1995, 373 (Zitat 375). Er hält die gesetzliche Regelung daher wohl zu Recht für verfassungswidrig. Es wird ohne verfassungsmäßige Legitimation Einfluss auf eine religiöse Entscheidung genommen. Vgl. die entsprechende Regelung in Art. 7 II GG, wonach man nicht aus der Kirche austreten muss, um die Teilnahme am Religionsunterricht ablehnen zu können. Eine gesetzliche Regelung könnte lauten: „Die Pflicht, Religionsgemeinschaftssteuer zu zahlen, endet mit dem Tag der Erklärung des Steuerpflichtigen gegenüber … [zuständige staatliche Stelle], keine Religionsgemeinschaftssteuer mehr zahlen zu wollen. Die Erklärung hat schriftlich oder zur Niederschrift zu erfolgen“. Nach Jahren erste Presseveröffentlichung ausgerechnet in der „Super Illu“ Nr. 27/2003.
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stellt, Kinder beim gemeinsamen Austritt der Eltern nicht berücksichtigt.9 Trotz der eigenartigen Gesamtumstände stellten sich die Verwaltungsgerichte auf den Standpunkt, die Beweislast für den Kirchenaustritt liege bei den Betroffenen. Dabei wäre in der Mehrzahl der Fälle das Institut der Umkehr der Beweislast wenigstens zu diskutieren gewesen. Ein Appell des Humanistischen Verbands Deutschlands (HVD) vom Dezember 2004, der Bischof von Berlin-Brandenburg möge wenigstens jetzt eine Weihnachtsamnestie erlassen, blieb vergebens.
234 f) Zur tatsächlichen Bedeutung der „Kirchenaustritte“ ist in Kürze anzumerken: die Kirchenaustrittszahlen geben trotz der o. g. Sonderprobleme im Wesentlichen die Zahl der Austritte von inhaltlich nicht mehr Gläubigen an. Diese Zahl stieg in der alten Bundesrepublik von 1969 auf 1970 dramatisch an. Diese Entwicklung stabilisierte sich, bei jahrgangsweise erheblichen Änderungen in beiden Richtungen, auch nach der Wiedervereinigung auf hohem Niveau. Von 1995 bis 2002 betrugen die Austritte bei der katholischen Kirche jährlich etwa zwischen 114 000 und 168 000 und auf evangelischer Seite zwischen 174 000 und 298 000. Als Folge hat sich der Anteil der Bürger ohne Konfessionsangabe seit 1970 vervielfacht. 1970 belief er sich in der BRD (alt) auf nur 3,9 %, 1987 jedoch bereits auf 11,4 %. In Gesamtdeutschland betrug ihre Zahl Ende 2002 nicht weniger als 31 %. Im Herbst 2004 waren die „Konfessionslosen“ (d. h. hauptsächlich Menschen mit nichtreligiösen Grundüberzeugungen) erstmals statistisch mit 32 % stärker als Katholiken bzw. Protestanten mit je 31,2 %.10
II. Kirchensteuerrecht Literatur: F. Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002 (bisher umfassendste, aber kirchenfokussierte Darstellung); A. Hollerbach, HdbkathKR, 2. A. 1999, 1078 (Überblick); H. Weber, NVwZ 2002, 1443 (materialreiche Einführung); s. im Übrigen K. Blaschke, ZevKR 2002, 395; Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge, 2000, 182 ff.; K.-E. Schlief, ZRG 116 (1999), 465 (Entwicklung seit 1945); U. Suhrbier-Hahn, Das Kirchensteuerrecht, 1999; ergänzend G. Czermak, KJ 2006, 418.
235 Es kann hier nicht um eine Darstellung auch der zahllosen steuerrechtlichen Detailprobleme einschließlich der zahlreichen Modifikationen in den Bundesländern gehen. Vielmehr sollen neuralgische und praktisch bedeutsame Fragen des Kirchensteuerrechts im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem GG untersucht werden. Sie sind von besonderer rechtspolitischer Bedeutung. Die politischen Parteien 9
10
Instruktiv zur DDR-Rechtslage und Rechtspraxis M. Kapischke, LKV 2002, 70; R.-D. Bohländer, diesseits 2005, H. 1, S. 13–15 zur Kirchensteuer-Fahndung in den neuen Bundesländern; dazu auch H. Groschopp, hpd-online (Humanistischer Pressedienst) v. 6. 12. 2006; zu Zuständigkeitsproblemen nach der Wende K. Rellermeyer, NJ 1995, 410. S. demgegenüber aber OVG Berlin, U. v. 6. 9. 2006 – 9 B 25.05. Wegen der Einzelheiten vgl. statt aller das umfangreiche Internet-Portal www.fowid.de (Datenarchiv; Tabellen und Grafiken).
II. Kirchensteuerrecht
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haben bisher alle Erörterungen von Grundsatzfragen abzublocken verstanden, obwohl diese auch innerkirchlich z. T. umstritten sind. 1. Grundlagen und einfachrechtliche Hauptmerkmale des deutschen Kirchensteuersystems a) Das deutsche Kirchensteuerwesen ist weltweit fast einmalig und hat nur in eini- 236 gen schweizer Kantonen eine Parallele. Es betrifft ausschließlich solche RG und ganz ausnahmsweise WG, die als Körperschaften gem. Art. 137 V WRV/140 GG anerkannt sind. Privatrechtliche RG müssen ihre Mitgliedsbeiträge (wie beim österreichischen Kirchenbeitragssystem) notfalls vor Gericht geltend machen. Rechtliche Basis der Kirchensteuer sind Art. 137 VI WRV/140 GG und die Kirchensteuergesetze der Länder sowie kirchliche Steuerordnungen. Art. 137 VI GG lautet: „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ Da die Kirchensteuern öffentlich-rechtliche Zwangsabgaben sind, die den Religionsgemeinschaften (im Wesentlichen: den großen Kirchen) als alleinigen Steuergläubigern ohne Zweckbindung zugute kommen, sind sie echte Steuern i. S. des Steuerrechts. Der Sache nach sind sie nichts anderes als Mitgliedsbeiträge außerstaatlicher Organisationen. b) Kirchensteuerpflichtig sind (wegen der – vom GG nicht vorgeschriebenen – 237 Verweisung der Kirchensteuergesetze auf das innerkirchliche Mitgliedschaftsrecht) unabhängig vom Lebensalter alle (gültig) Getauften, die nicht gegenüber dem Staat den „Kirchenaustritt“ (s. o.) erklärt haben. Rechtspolitisch kann man das kritisieren mit der Überlegung, bei unmündig getauften Kindern sei ein automatischer Fortbestand der Kirchensteuerpflicht für die Zukunft im Hinblick auf die vorweggenommene künftige religiös-weltanschauliche Entwicklung der Kinder wenig freiheitlich. Immerhin ist nach der bundesrechtlichen Regelung der Religionsmündigkeit im RKEG von 1924 (s. Anhang 4) mit Vollendung des 14. Lebensjahrs jeder befugt, über die Zugehörigkeit zu einer RG selbst zu entscheiden. Die Kirchensteuergesetze könnten ohne weiteres die Kirchensteuerpflicht von einer schriftlichen Erklärung bzw. Bestätigung des religionsmündigen Minderjährigen oder volljährig Gewordenen abhängig machen. c) Einzelheiten des Systems: Die Kirchensteuer ist eine Annexsteuer. Ihre Bemessungs- 238 grundlage ist die Einkommensteuerschuld, nicht das zu versteuernde Einkommen. Die Kirchensteuerschuld wird nach dem EStG in voller Höhe als Sonderausgabe von der Einkommensteuerschuld abgezogen. Die Erhebung und Verwaltung der Kirchensteuer ist auch nach den Kirchensteuergesetzen an sich Sache der RG als den alleinigen Steuergläubigern; die Kirchensteuergesetze sämtlicher Bundesländer räumen jedoch den Kirchen ohne verfassungsrechtliches Erfordernis (unbestritten) das Recht ein, die Kirchensteuerverwaltung gegen ein Entgelt von (je nach Bundesland) ca. 2,5 bis 4 % des vereinnahmten Aufkommens auf die staatlichen Finanzämter zu übertragen. Der Steuerhebesatz wird von Kirchen und Staat einvernehmlich festgelegt und beträgt je nach Bundesland 8 oder 9 % der Einkommen- oder Lohnsteuer. Die Lohnkirchensteuer muss von allen Arbeitgebern ohne
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§ 12 Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer
Kostenerstattung eingezogen werden. Zur Durchführung des Kirchenlohnsteuereinzugs wird die Kirchenzugehörigkeit bislang in der Lohnsteuerkarte vermerkt. Zusätzlich zur üblichen Kirchensteuer ermöglichen mittlerweile alle Bundesländer ein Besonderes Kirchgeld für Fälle, in denen der kirchenangehörige Ehepartner kein oder nur ein geringes Einkommen hat und der Allein- oder Hauptverdiener nicht kirchensteuerpflichtig ist.
239 d) Dieses im Grundsatz in allen Bundesländern bestehende insgesamt effiziente System ist für die großen Kirchen von erheblichem Vorteil. Es wurde auch durch eine Vielzahl von Verträgen und Vertragsgesetzen (die im Rahmen staatlicher Alleinkompetenz jederzeit änderbar sind) zugunsten der Kirchen abgesichert (s. § 14 Vertragsrecht). Die mit den Kirchen genau abgestimmten Landesgesetze stellen auf die großkirchlichen Verhältnisse ab. Rspr. und Literatur übersehen aber regelmäßig, dass gerade in praktisch wichtigen Fragen verfassungsrechtliche Grundprobleme bestehen, über die man nicht mit verbalen Behauptungen einfach hinweggehen sollte. 2. Verfassungsrechtliche Problematik der Kirchensteuer, insbesondere Kirchenlohnsteuer
240 Die Kirchenlohnsteuer ist die praktisch wichtigste Form der Kircheneinkommensteuer, die insgesamt ein Aufkommen von (konjunkturabhängig) derzeit 8–9 Mrd. Euro in beiden Amtskirchen erbringt. Die Kircheneinkommensteuer ist übrigens keineswegs, wie meist behauptet, die wichtigste kirchliche Einkommensquelle, sondern wird von den Subventionen weit übertroffen (s. § 15 III). Das 1950 in Westdeutschland eingeführte Kirchenlohnsteuersystem wurde in den Einigungsvertrag von 1990 mit integriertem (gleichzeitig in Kraft getretenen) DDRKirchensteuergesetz übernommen, obwohl die allein zuständigen neuen Bundesländer damals noch gar nicht existierten; ein Vorgang, der eine kritische Untersuchung verdient hätte. Die neuen Bundesländer haben aber mittlerweile längst eigene Gesetze.11 241 a) Die stärkste öffentliche Kritik betrifft den, freilich landesrechtlich jeweils ermöglichten, Kirchensteuereinzug durch die staatlichen Finanzämter und die staatliche Kirchensteuerverwaltung, weil man darin einen klaren Verstoß gegen das Gebot institutioneller Trennung von Staat und Religion sieht. Art. 137 VI WRV/ 140 GG spricht nur von „bürgerlichen Steuerlisten“, die der Staat zur Verfügung stellen müsse. Da es solche Steuerlisten längst nicht mehr gibt, bedeutet die Bestimmung unter der Geltung des GG, dass der Staat alle Daten zur Verfügung stellen muss, die für eine kircheneigene Steuererhebung erforderlich sind. Einen staatlichen Kirchensteuereinzug garantiert das GG unbestritten nicht, sondern nur eine hoheitliche Vollstreckung (Verwaltungszwang). Die dennoch darüber hinaus ermöglichte staatliche Kirchensteuerverwaltung (von der die katholischen Diözesen und alle Kirchen der EKD als Landeskirchensteuer oder Ortskirchensteuer Ge11
M. Gehm, LKV 2000, 173.
II. Kirchensteuerrecht
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brauch machen) verstößt gegen das in Art. 137 I WRV/140 GG verankerte (und im Grundsatz allgemein anerkannte) Gebot der institutionellen Trennung von Staat und Religion, d. h. Verbot organisatorisch-institutioneller Verflechtungen staatlicher und kirchlicher Organe (s. § 9 II 3). Jede Ausnahme davon bedarf einer speziellen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (§ 9 II 4 ff.).12 Warum von diesem Erfordernis bei der Kirchensteuer abgewichen werden soll, ist juristisch nicht nachvollziehbar. Im Gegensatz dazu haben alle Kirchensteuergesetze ein Instrumentarium für eine sehr weitgehende Zusammenarbeit staatlicher und kirchlicher Organe geschaffen. Aber sogar das BVerfG hat beim staatlichen Kirchensteuereinzug (wohl angesichts der Effizienz und eingefahrenen Selbstverständlichkeit des Lohnsteuerabzugsverfahrens) erstaunlicherweise nicht einmal ein Rechtsproblem erkennen wollen.13 Dabei hatte es in seiner „liberalen“ grundlegenden Entscheidung zur Badischen Kirchenbausteuer von 196514 erklärt, das GG verwehre u. a. die Einführung „staatskirchlicher Rechtsformen“. Es werde zwar, so das BVerfG, mit der staatlichen Kirchensteuerverwaltung eine rein religiöse Angelegenheit unterstützt. Eine solche Religionsförderung sei aber zulässig, weil sie keine Identifikation mit einer bestimmten Religion bedeute.15 Diese Behauptung trifft zwar formal zu, denn „Kirchensteuer“ können schon wegen Art. 137 VII WRV/140 GG auch WG erheben, mögen sie daran auch nicht interessiert sein. Das geht aber am Kern des Problems vorbei. Mit diesem oberflächlichen Argument wird nämlich Art. 137 I WRV weitgehend ausgehöhlt. Auf eine solche Aushöhlung läuft auch die spitzfindige Argumentation von Anke und Zacharias16 hinaus. Ihr zufolge liegt ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz mangels typischer Gefährdungslage einer institutionellen Verknüpfung nicht vor, da die Zuständigkeiten klar getrennt seien. Das überzeugt aber nicht, weil trotz funktionaler Trennbarkeit schon die Kirchensteuergesetze notwendig eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche bedingen („gemeinsame Angelegenheit“). Lässt man solche Abhängigkeiten zu, verliert das Trennungsgebot jede Kontur, obwohl seine Bedeutung durch das Gebot strikter vermögensrechtlicher Trennung in Art. 138 WRV noch unterstrichen wird. Die Garantie der Kirchensteuer ist eine in der historischen Umbruchsituation von 1919 begründete Ausnahme17, die nicht ohne triftigen verfassungsrechtlichen Grund erweitert werden darf.18 Dass eine Kirchensteuer sogar als Annexsteuer zur Einkommensteuer (was das GG ebenfalls 12
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So konsequent z. B. Jarass/Pieroth, GG, 8. A. 2006, Rn. 2 zu Art. 140/137 WRV; insb. J. Wasmuth, in: Brohm-FS 2002, 607 ff. Nicht thematisiert in BVerfGE 20, 40 (43), B. v. 20. 4. 1966. BVerfGE 19, 206; die Entscheidung erging im Rahmen einer Serie kirchensteuerrechtlicher Entscheidungen, in denen auch einige freiheitliche Grundpflöcke eingeschlagen wurden. BVerfGE 44, 103 f. (nicht bindender Vorprüfungsbeschluss). H. U. Anke/D. Zacharias, DÖV 2003, 140. Der Verfassungskompromiss war vor allem im Hinblick auf die Existenz der evangelischen Kirchen in einem jetzt nicht mehr christlichen Staat erforderlich. Wie hier eingehend J. Wasmuth, in: Brohm-FS 2002, 607 ff., 625 f.
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nicht garantiert) auch ohne staatlichen Steuereinzug funktionieren kann, beweist das Land Bayern. Nur dort erheben die großen Kirchen die Kirchensteuer in der Form der Kircheneinkommensteuer (nicht: Kirchenlohnsteuer) freiwillig nicht durch die staatlichen Finanzämter, sondern durch eigene Kirchensteuerämter.
242 b) Die Besteuerung der großen Masse der Bevölkerung erfolgt effizient und meist nachhaltig19 per automatischen Einzug der Lohnkirchensteuer durch den Arbeitgeber, der hierfür kein Entgelt bekommt. Das erschien dem BVerfG – trotz seinerzeit kontroverser Debatte – so problemlos, dass es eine Verfassungsbeschwerde nicht einmal zur Entscheidung annahm.20 Diese von der noch heute ganz h. M. begrüßte Entscheidung wird damit begründet, der Arbeitgeber sei lediglich Beauftragter des Steuerfiskus. Er unterstütze dabei „im Rahmen seiner sozialstaatlich gebotenen Fürsorgepflicht zugleich seine Arbeitnehmer in der vereinfachten Erfüllung der ihnen obliegenden Kirchensteuerpflicht“. Dabei wird ignoriert, dass es um den Einzug der Mitgliedsbeiträge für Religionsgemeinschaften geht, die auch alleinige Steuergläubiger sind. Eine Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben mag zwar u. U. möglich sein, aber doch nicht, wenn bei ihrer Erfüllung ein wichtiges Verfassungsgebot (institutionelle Trennung von Staat und Religion) missachtet und sogar andersgläubige oder religionslose Arbeitgeber gezwungen werden, für von ihnen abgelehnte Glaubensgemeinschaften tätig zu sein, um das mit einer Tätigkeit lediglich für den Staat zu „begründen“. Selbst die – sachwidrig so bezeichneten – „Kirchensteuergesetze“21 gehen ausdrücklich davon aus, die Erhebung und Verwaltung der Kirchensteuer sei Sache der RG, denen aber zugestanden wird, diese Aufgabe an die Finanzämter zu delegieren.22 243 c) Auf wie dünnem Eis die z. T. komplizierten Bemühungen der Rechtsprechung zur Rechtfertigung des derzeitigen Kirchensteuersystems stattfinden, zeigt vielleicht am deutlichsten das Problem des Vermerks der Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte, ohne den ein Steuerabzug durch den Arbeitgeber bisher gar nicht möglich war. Zu dieser Preisgabe höchstpersönlicher Daten sagt aber Art. 136 III 1 WRV/140 GG klar: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“ Zwar gilt eine Ausnahme von diesem Schweigerecht (dazu auch § 7 IV 3) für ein Fragerecht der Behörde, wenn von der Kenntnis Rechte oder Pflichten abhängen. Doch muss dabei selbstverständlich Art. 4 GG beachtet sein, was praktisch besonders beim Negativvermerk von Bedeutung ist. Im Übri19
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Eine Änderung bedarf des sogenannten Kirchenaustritts (s. o. I 5) und somit einer aktiven Auseinandersetzung mit einer Frage, die Grundbefindlichkeiten betrifft, und in der viele Menschen aus unterschiedlichsten Gründen unsicher sind. BVerfGE 44, 103 f. Es geht ja generell um alle RG und WG mit Körperschaftsstatus. S. zur Kritik auch G. Felix, BB 1995, 1929 f.; J. Wasmuth/G. Schiller, NVwZ 2001, 852 (857 f.); Bedenken auch bei H. Weber, NVwZ 2002, 1443 (1447). Für Verfassungswidrigkeit VG Frankfurt DB 1969, 2318 = BB 1969, 1521. Aus der älteren Lit.: G. Böhlig, System und Probleme des Kirchensteuerrechts, 1964, 169 ff. (eingehend); F. Burchardi, Steuer und Wirtschaft 45 (1968), Sp. 131 ff.; C. Rasenack, BB 1968, 539 ff.
II. Kirchensteuerrecht
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gen ist in Art. 136 III 1 WRV von der Zulässigkeit einer Weitergabe an Dritte (hier: Arbeitgeber) nicht die Rede. Das BVerfG hat das Problem 1978 so „gelöst“: Das Kirchenlohnsteuerverfahren ist verfassungsgemäß (eine von ihm nicht begründete Behauptung, s. o.). Es erfordert aus „Zweckmäßigkeitsgründen“ einen Vermerk über die Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers zu einer steuerberechtigten Religionsgemeinschaft. Aus diesem Grund ist eine Grundrechtsverletzung „noch nicht“ anzunehmen. Das nach Auffassung des BVerfG schrankenlose Grundrecht aus Art. 4 I, II GG (dessen Teilaspekt Art. 136 III 1 WRV ja ist)23, wird also entgegen dem klaren Wortlaut der Verfassung aus bloßen Zweckmäßigkeitsgründen eingeschränkt24: ein bemerkenswertes Verfassungsverständnis, das mit der übrigen Rspr. nicht zu vereinbaren ist.25 Denn eine Besteuerung von Kirchenmitgliedern ist, wie oben dargestellt, auch ohne Lohnsteuerkartenvermerk jedenfalls möglich, also nicht verfassungsrechtlich „erforderlich“.26 d) Die Rechtsprechung lässt sogar die Pauschalisierung der Lohnkirchensteuer 244 zusammen mit der Pauschalisierung der Lohnsteuer zu, wobei der Arbeitgeber im Einzelfall nachweisen muss (was bei Teilzeitbeschäftigten in der Regel nicht möglich ist), dass der jeweilige Arbeitnehmer keiner steuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehört, um einer unberechtigten Zahlung zu entgehen.27 Insgesamt ist mit der Pauschalisierung eine Fülle an Ungereimtheiten verbunden, insbesondere bezüglich der nach BFH zulässigen Aufteilung nach geschätzten Steueranteilen der verschiedenen Steuergläubiger.28 3. Weitere Verfassungsprobleme der Kirchensteuer a) Nicht leicht einsehbar ist die Verschiedenbehandlung glaubensverschiedener29 245 und konfessionsverschiedener30 Ehen.31 Zumindest dürfte es dem GG widerspre23
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Das grundrechtsdogmatische Problem der Anwendbarkeit der Schranke des Art. 136 I WRV spielt in diesem Spezialfall der Glaubensfreiheit keine Rolle. BVerfGE 49, 375 (Nichtannahmebeschluss); freilich neuerdings bestätigt durch den Kammerbeschluss BVerfG NVwZ 2001, 909. In BVerfGE 28, 243 (260 f.) heißt es sogar streng: „Nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte sind mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise imstande, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen.“ W. Hassemer/D. Hömig bezeichnen das in EuGRZ 1999, 525 (528, Fn. 61) sogar als st. Rspr. Eingehend wie hier St. Korioth in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 Rn. 92; J. Wasmuth/G. Schiller, NVwZ 2001, 852 ff.; H. Weber, NVwZ 2002, 1443 (1448): „besonders problematisch“. BFHE 159, 82 = BStBl. II 1990, 993, E. v. 30. 11. 1989. C. Meyer, in: Listl-FS 1999, 699. BVerfGE 19, 268.
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chen, wenn zahlreiche Kirchensteuergesetze bei Zusammenveranlagung regelmäßig auch die Haftung für die Steuerschuld des konfessionsfremden Ehepartners anordnen.32 Unmut erzeugt oft die kirchensteuerliche Behandlung beim Zuzug von Ausländern nach Deutschland, wenn sie keine Kenntnis von der spezifisch deutschen Kirchensteuer haben und arglos bei der Meldebehörde eine Konfession angeben. Bei allen evangelischen Landeskirchen mit Außengrenzen (anders als in der katholischen Kirche mit ihrem weltweit einen Bekenntnisstand und einheitlicher Organisation) ergeben sich häufig Rechtsprobleme.33
246 b) Ein weiteres Kapitel ist das Besondere Kirchgeld, das in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet wurde. Mittlerweile wird es in allen Bundesländern von den evangelischen Landeskirchen sowie einem Teil der katholischen Diözesen vom kirchenangehörigen, aber nicht konkret kirchensteuerpflichtigen Partner erhoben. Diese besondere Form des gestaffelten Kirchgelds geht zurück auf ein obiter dictum des BVerfG von 1965.34 Demnach kann man an den vom Familieneinkommen abhängigen wirtschaftlichen Lebenszuschnitt des Kirchenmitglieds (Lebensführungsaufwand) anknüpfen, wenn der kirchenangehörige Partner kein oder nur ein zu geringes Einkommen hat, und so mittelbar Geld von den konfessionsfreien Ehepartnern abschöpfen (oder von solchen, die einer nicht körperschaftlich organisierten RG angehören).35 Nun ist zwar die Überlegung nachvollziehbar, der meist nichtkirchliche Ehepartner solle es dem anderen wirtschaftlich ermöglichen, eine kirchliche Beitragspflicht entsprechend dem gemeinsamen Lebenszuschnitt zu erfüllen. Das sollte aber doch eine Frage der ehelichen Einigung und nicht des gesetzlichen Eingriffs sein. Wie es aber juristisch gerechtfertigt werden soll, dass kirchliche Organe von Staats wegen Kenntnis von den Einkommensverhältnissen eines Kirchenfremden erhalten, ohne die eine Berechnung dieses relativ hohen gestaffelten Kirchgelds unmöglich ist, bleibt unerfindlich. Interessante Fragen ergeben sich im Hinblick auf die Religionsfreiheit des nichtkirchlichen Partners auch, wenn das Besondere Kirchgeld vollstreckt werden soll. Nicht zu rechtfertigen ist auch die mittelbare Beanspruchung von Gläubigen, die einer RG angehören, wenn diese nicht kirchensteuerberechtigt ist.36 Aber die Literatur37 sowie die Finanz- und Verwaltungsgerichte38 haben auch das Besondere Kirchgeld bisher nicht beanstandet. 30 31
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BVerfGE 20, 40. S. jedoch krit. W. Damkowski, DÖV 1987, 705 (eingehend); F. Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, 324–326. Vgl. F. Hammer 332 f. mit Hinweis auf untereinander gegensätzliche Entscheidungen des BFH; gegen eine Haftung auch z. B. C. Link, ZevKR 37, 1992, 163 ff. S. krit. zu den Problemen des Territorialprinzips im Mitgliedschaftsrecht der EKD im europäischen Kontext J. Winter, KuR 1999 Nr. 550, S. 25–32; ders., ZevKR 2002, 544. BVerfGE 19, 268 (282). Angeblich bestehe eine „Gerechtigkeitslücke“. Dazu G. Czermak, KJ 2006, 418 (428). Informativ: H. U. Anke, ZevKR 2001, 191; D. Zacharias, KuR Nr. 410, S. 81–85 = KuR 2002, 33 ff.
II. Kirchensteuerrecht
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4. Ergebnis, Folgen, Alternativen Bei Beachtung des GG im hier vertretenen Sinn (kein staatlicher Kirchensteuer- 247 einzug; kein Lohnsteuerkarten-Vermerk oder vergleichbares Verfahren, keine Verpflichtung des Arbeitgebers) wäre das bisherige System beendet und die Kirchen müssten ein eigenes Erhebungsverfahren entwickeln. Die staatliche Vollstreckbarkeit wäre weiterhin durch das GG garantiert. Über die Forderung, aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit39 einen kircheneigenen Steuertarif zu schaffen, wird kirchenintern unabhängig von Verfassungsfragen ohnehin seit langem diskutiert.40 Man spricht in Bezug auf die Anbindung der Kirchensteuer an die Einkommensteuer gern von einer „Annexsteuerfalle“ und von „Verwerfungen“.41 Wie unnötig die Missachtung der Verfassung ist, zeigt die Tatsache, dass in Bayern die evangelisch-lutherische und katholische Kirche seit eh und je bis heute ganz bewusst die Kircheneinkommensteuer durch Kirchensteuerämter verwalten und darin Vorteile sehen.42 Die Landesgesetzgeber bräuchten nur die Möglichkeit der Übertragung der Kirchensteuerverwaltung auf die Finanzämter, also einige Worte im Gesetz, zu streichen. Im Übrigen scheinen sich die Kirchenleitungen darüber im Klaren zu sein, das sich das gegenwärtige Kirchensteuersystem auf Dauer ohnehin nicht halten lassen wird. Norbert Feldhoff, einer der prominentesten katholischen Fachleute, hat 2004 in seinem Artikel „Die fetten Jahre sind vorbei“ zur Zukunft der Kirchenfinanzen erklärt: „Es ist damit zu rechnen, dass die Situation im Vergleich zur Weltkirche vielleicht etwas normaler wird und dass die Kirche in ihrer Substanz keinesfalls vom Kirchensteuersystem abhängt.“43 Viele sind sich offenbar nicht im Klaren darüber, dass die Kirchensteuer hauptsächlich für Kirchengehälter und nur zu maximal 8–10 % für allgemeine soziale Zwecke verwendet wird. Alleine die volle steuerliche Absetzbarkeit, d. h. ein Zuschuss der Allgemeinheit für die Kirchenmitglieder, macht das zwei- bis dreifache dieses 38
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Neuestens: BFH, U. v. 19. 10. 2005 – I R 76/04 (der BFH hebt u. a. auf die Unterhaltspflicht des Ehegatten ab und geht auf obige Kritikpunkte nicht ein); FG Hamburg, U. v. 7. 2. 1996, in: EFG 1996, 492; FG Baden-Württemberg, U. v. 26. 5. 2000, in: ZevKR 2001, 215 = EFG 2000, 1094; BFH, B. v. 22. 1. 2002, Az. I B 18/01, in: BFH/NV 2002, 674; VG Braunschweig NVwZ 2001, 1447, U. v. 17. 7. 2001; FG Baden-Württemberg, U. v. 12. 3. 2004, in: EFG 2004, 1247; FG Bremen, U. v. 14. 1. 2004, in: EFG 2004, 587. So müssen z. B. wohlhabende Kirchenmitglieder, die aus staatlich-steuerlichen Gründen keine Einkommensteuer zahlen, auch keine Kirchensteuer zahlen. Auch große Erbschaften bleiben unberücksichtigt. Dazu J. Giloy, DtZ 1999, 472; neuestens ders., in: R. Seer/B. Kämper (Hrsg.), Bochumer Kirchensteuertag, 2004. Vgl. zu dieser Problematik insb. F. Kirchhof, Heckel-FS 1999, 373 ff.; H. Weber, NVwZ 2002, 1443 (1449 ff.). Krit. zur Gesamtproblematik der derzeitigen Kirchensteuerverwaltung auch M. Droege, Staatsleistungen, 2004, 87 („erheblicher Rechtfertigungsdruck“). N. Feldhoff, Die Politische Meinung Nr. 415, 2004, S. 33 (38).
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Betrages aus.44 Auch haben die gegenwärtigen Kirchensteuergesetze (trotz fehlender staatlicher Kompetenz) mittelbar einen erheblichen Einfluss auf innerkirchliche Strukturen. Denn eine GG-konforme kircheneigene Steuerverwaltung hätte eine Steigerung des Freiwilligkeitsgedankens und Bereinigung der Mitglieder zur Folge. Sie würde dem Zentralismus der großen Kirchen etwas von seiner Dominanz nehmen. Der Freiwilligkeitsgedanke ist es auch, der die evangelischen Freikirchen auf die Kirchensteuer verzichten lässt und der mehrere christliche Initiativen45 dazu motiviert, für eine Änderung bzw. Abschaffung des derzeitigen Systems zu plädieren.46 Auch für das katholische Kirchenrecht ist die freiwillige Unterstützung das Leitbild.47 Besonders interessant ist eine erheblich modifizierte Variante des italienischen Modells, nämlich das Modell eines Bürgerguthabens zur steuerlichen Unterstützung gemeinnütziger Institutionen und Einrichtungen, das der Dietrich-Bonhoeffer-Verein vorgelegt hat.48
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Vgl. zum Ganzen www.fowid.de (Rubrik Datenarchiv; Stichwörter Kirchenquote, Kirchensteuer, Subventionierung). S. insb. www.kirchensteuern.de (Verein Umwidmung von Kirchensteuern) und www.dietrich-bonhoeffer-verein.dike.de. Zur Verteidigung der bisherigen Kirchensteuer: S. Müller-Franken, BayVBl 2007, 33 ff. Vgl. HdbKathKR, 2. A. 1999, 1078 (1080). Abgedruckt in: K. Martin (Hrsg.), Abschied von der Kirchensteuer. Plädoyer für ein demokratisches Zukunftsmodell, Oberursel 2002; Kurzcharakteristik bei G. Czermak, KJ 2006, 418 (429).
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Literatur: S. Baer/M. Wrase, DÖV 2005, 243; G. Czermak, Rüfner-FS 2003, 79 ff. (Basis dieses Abschnitts); ders., in: W. Brugger/St. Huster (Hrsg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, 13; St. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, 250–435 (zur Erziehung im neutralen Staat); G. Kuhn-Zuber, Die Werteerziehung in der öffentlichen Schule, 2006; W. Loschelder, ZBR 2001, 6; N. Niehues/J. Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 4. A. 2006; L. Renck, NVwZ 1991, 116; ders., BayVBl 2006, 713; I. Richter, in: Religion, Ethik, Schule, 1998, 39; G. Robbers, RdJB 2003, 11; H. H. Rupp, in: Anstöße. Berichte aus der Arbeit der evangelischen Akademie Hofgeismar H. 1/2, 1969, 9; K. O. Thielking, Die Kirche als politischer Akteur, 2005; H. Weber, Der Staat 8, 1969, 493; F. v. Zezschwitz, JZ 1971, 11.
I. Einführung Die staatliche Schule ist ein traditionelles Kampffeld im Streit zwischen Staat, 248 Kirchen und Eltern um die ideologische Vorherrschaft bei der Unterrichtung und Erziehung der Schüler. Für die Zeit vor Verabschiedung des GG kann man das Ringen um die Schulfragen wie folgt zusammenfassen: „In keiner anderen Frage prallten die weltanschaulichen Gegensätze so hart und unversöhnlich im Parlamentarischen Rat aufeinander als bei den Erörterungen der kulturpolitischen Fragen … Durch die Interventionen der katholischen und der evangelischen Kirche verhärteten sich die Fronten zusehends … Am heftigsten wurde um die Regelungen des Schulwesens gerungen.“1 Wie hart, ja unversöhnlich dieser Kampf auch heute noch sein kann, beweisen die Vorgänge nach dem Kruzifix-Beschluss des BVerfG von 1995 bis zum heutigen Tag, diejenigen vor und nach der Etablierung des LER-Unterrichts in Brandenburg (ab 1996) und um die Einführung eines allgemeinen „Wertefachs“ in Berlin 2006. Die religiös-weltanschaulichen Einzelthemen des Bereichs Schule sind vielfältig: Es geht, hauptsächlich in den westlichen Bundesländern, überwiegend um Fragen der Grund- und Hauptschulen: um die allgemeine Ausrichtung der Schulen (sogenannte Christliche Gemeinschaftsschule, und immer noch Konfessionsschule), um die Erziehungsziele, das Kreuz/Kruzifix im Klassenzimmer, um Schulgebet, religiöse Kleidung von Schülern und Lehrern, um Unterrichtsbefreiung aus religiösen Gründen, Fragen des Religionsunterrichts, Probleme des Islam und anderes. Rechtsdogmatisch geht es um 1
So K. Kröger, NJW 1989, 1318 (1323).
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Grundfragen der individuellen Religionsfreiheit, der staatlichen Neutralität, um Toleranz, Elternrecht, Bundes- und Landesrecht und schließlich um die Bindungswirkung von Entscheidungen des BVerfG.
II. Zur Entwicklung der Schulproblematik 1. Geschichte bis 1945
249 Ohne historische Hinweise lässt sich die Hartnäckigkeit nicht verstehen, mit der im stark säkularisierten Deutschland noch heute um die religiös-weltanschauliche Ausrichtung der Schulen gestritten wird. Traditionell war die Schule seit dem Mittelalter eine Domäne der Kirche. Die geistliche Schulaufsicht gab es bis 19182. Gemeint ist im Folgenden stets die Volksschule (Grund- und Hauptschule), da bezeichnenderweise fast nur hier der religiös-weltanschauliche Charakter umstritten war und ist. Heftig wurde die vom zentralen Schulartikel der WRV (Art. 146) geforderte „gemeinsame Grundschule“ als öffentliche Regelschule bekämpft, und die bloße – bis dahin unbekannte – Möglichkeit der Abmeldung vom Religionsunterricht brachte die katholischen bayerischen Bischöfe in Rage: Es handele sich um eine „neue kulturkämpferische Gewalttat gegen Religion und Kirche“ und einen „Eingriff in das innerkirchliche Rechtsgebiet“ mit der notwendigen Folge einer „zunehmende(n) sittliche(n) Verwilderung der Jugend“.3 Das Reichsvolksschulgesetz, das die WRV forderte, kam nicht zustande mit dem Ergebnis, dass es beim bisherigen Zustand blieb: es gab im Reichsgebiet entgegen dem Verfassungswillen fast nur Konfessionsschulen. Sie wurden in Artikel 23 und 24 des Reichskonkordats vom 20. 7. 1933 sogar ausdrücklich als materiell-katholische Schulen gewährleistet. 2. Zeit des Umbruchs und der Konfessionsschulen
250 a) Nach 1945 war für beide Großkirchen in der Bundesrepublik hohe Zeit (s. § 6 II 1, 2). „Schon bald nach der Kapitulation des Reiches meldeten die katholischen Bischöfe kraftvoll ihre kirchenpolitischen und vor allem ihre schulpolitischen Forderungen an“, so drückte es der Religionsrechtler Paul Mikat aus.4 Die Fuldaer Bischofskonferenz forderte die Einrichtung von Bekenntnisschulen. Führende Protestanten sprachen bald von einem „Wächteramt“ der Kirchen. Die Forderung nach Rechristianisierung der Gesellschaft ließ bereits die heftigen weltanschau2
3
4
Zur Geschichte des Volksschulwesens W. Keim, 1969, 65 ff.; Th. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, 41 ff. Amtsblatt für die Erzdiözese München und Freising 1919, S. 19 = Dok. 76, in: E.R. Huber/W. Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jh., Bd. 4, Berlin 1988 (Weimarer Zeit); dort auch weitere aufschlussreiche Dokumente. P. Mikat, in: Morsey/Repgen (Hrsg.), Christen und Grundgesetz, 1989, 33 (34).
II. Zur Entwicklung der Schulproblematik
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lichen Auseinandersetzungen um das Elternrecht und den Charakter der öffentlichen Schulen erwarten, die anlässlich der Beratungen des Parlamentarischen Rats zum Bonner Grundgesetz unter erheblicher Einflussnahme insbesondere der katholischen Kirche stattfinden sollten. Als der Parlamentarische Rat 1948 mit seinen Beratungen begann, existierten bereits einige Länderverfassungen. Insbesondere die Verfassungen von Bayern, Rheinland-Pfalz und Saarland enthielten bereits starke dezidiert christliche Elemente.5 In Bayern war die Position der katholischen Kirche so stark, dass Wilhelm Hoegner (SPD) sogar einen Kulturkampf befürchtete, wenn Konfessionsschulen nicht zugelassen würden. Selbst die FDP setzte sich in Bayern entgegen den traditionell kirchenkritischen liberalen Prinzipien nur für eine speziell christliche Gemeinschaftsschule ein, denn diese schmälere das „Recht der Kirchen zur religiösen Erziehung“ (!) nicht.6 Mit der Bekenntnisschule als Regelschule in der Landesverfassung hatten die Kirchen in Bayern 1946 sogar mehr bekommen, als es das Konkordat und der Kirchenvertrag von 1924 garantierten.7 b) Der Kampf um die Schulen im Parlamentarischen Rat mündete schließlich in 251 Art. 7 GG. Er sagt unmittelbar zur religiös-weltanschaulichen Form der allgemeinen öffentlichen Schulen nichts aus, lässt aber durch Rückschluss aus Art. 7 V GG klar erkennen, dass sowohl Gemeinschaftsschulen (für alle Schüler), als auch Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen (zu denen wohl auch die in Art. 7 III GG genannten bekenntnisfreien Schulen gehören, s. dazu unten V 1) als öffentliche Schulen jedenfalls grundsätzlich zulässig sind. Über das Verhältnis dieser Möglichkeiten – die noch durch Art. 141 GG zu ergänzen sind – zu Art. 4 GG ist aber weder diesem, noch Art. 7 GG textlich etwas zu entnehmen. Art. 7 GG enthält in religiös-weltanschaulicher Hinsicht weder eine Aussage zur Zulässigkeit einer öffentlichen Einheits- oder Regelschule, noch eine Einschränkung der individuellen Religionsfreiheit. Daher hätte angesichts der bei Inkrafttreten des GG schon starken Verbreitung des konfessionellen Volksschulwesens die Frage der Zulässigkeit von Konfessionsschulen als Regelschulen wenigstens in der Zeit nach 1949 ein Thema sein müssen. Aber bis in die 1960er Jahre waren die staatlichen Konfessionsschulen in Bayern (Regelschulen), Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland sehr stark vertreten, im Saarland bis 1965 sogar als ausschließliche Schulform. Die übrigen Länder waren durch Gemeinschaftsschulen geprägt, deren religiös-weltanschaulicher Charakter nicht immer klar zu beurteilen, aber doch mehr oder weniger christlich war. c) Auch im juristischen Bereich fanden daran trotz der vielfach konfessionell ge- 252 mischten Bevölkerung die wenigsten etwas auszusetzen. Von nichtchristlichen 5
6 7
S. B. Beutler, Das Staatsbild in den Länderverfassungen nach 1945, 1973; ders., in: A. Rauscher (Hrsg.), Kirche und Katholizismus 1945–1949, 1977, 26; aktuelle Zusammenstellung von Verfassungstexten bei G. Czermak, KJ 2000, 229 (244 f.); A. Hollerbach HdbStKirchR I (1974), 215 (230 ff.). Zu Bayern G. Lauer, BayVBl 1990, 737 (742) m. N. Dabei waren diese Verträge verfassungsrechtlich schon seinerzeit sehr problematisch.
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Minderheiten war ohnehin nicht die Rede. Die Juristen verhielten sich zum Thema „Schule und Weltanschauung“ so, als ob es und damit auch der Konfessionsschulzwang mit Art. 4 GG nichts zu tun habe. Das Schulwesen war, so die schlichte Argumentation, ja Ländersache. Man operierte zudem mit Begriffen wie positive Neutralität, Mehrheit, Tradition, geschichtliches Denken, Toleranz, Intoleranz der Negation, Konkordate und Kirchenverträge, theonome Spitze des Grundgesetzes, übersteigerte Interpretation des Art. 4 GG u. a. Diese Tendenz wurde sogar höchstrichterlich gefördert, voran das berühmte Konkordatsurteil des BVerfG von 1957. Die Bundesregierung hatte beim BVerfG auf Feststellung geklagt, das Land Niedersachsen, das mit seinem Schulgesetz von 1954 die Bildung von Bekenntnisschulen erschwert hatte, habe gegen das Reichskonkordat von 1933 verstoßen und seine Verpflichtung zur Einhaltung der Bundestreue verletzt. Obwohl das BVerfG eine Verpflichtung der Länder gegenüber dem Bund verneinte und den Feststellungsantrag abwies, machte es in den Entscheidungsgründen fragwürdige Ausführungen, auf die es zur Entscheidung gar nicht ankam, die aber die rechtliche und politische Entwicklung erheblich beeinflussten. Die schon damals äußerst umstrittene Auffassung des BVerfG, das Reichskonkordat (dazu § 14 I 2 d) gelte (freilich unter höchst merkwürdigen rechtlichen Umständen) fort, kann hier dahinstehen. In der damaligen Situation war (aus heutiger grundrechtlicher Sicht) die Art und Weise verhängnisvoll, wie das BVerfG mit dem Konfessionsschulzwang umging: In einer Zeit, in der die Juristen ohnehin mit der individuellen Religionsfreiheit, speziell in der Schule, noch nichts rechtes anzufangen wussten, rechtfertigte es – ganz nebenbei – den Konfessionsschulzwang8 mit der dürftigen Feststellung, man könne nicht allen Eltern eine ihren Wünschen entsprechende Schulart zur Verfügung stellen. Art. 4 GG wurde als mögliche inhaltliche Einschränkung des Art. 7 I GG nicht einmal erwähnt.9 Damit wurde das Zeitalter der Konfessionsschulen noch auf längere Zeit zementiert, und noch heute wirkt das nach (teilweise faktischer Konfessionsschulzwang in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen). Das BVerwG schloss sich dieser Sichtweise an.10 Bayern, Rheinland-Pfalz (bis 1964), Saarland und der niedersächsische Landesteil Oldenburg kannten bis zu den Landschulreformen in den 1960er Jahren übrigens ausschließlich eine konfessionell getrennte Lehrerausbildung, während Baden-Württemberg überwiegend simultan-christliche Pädagogische Hochschulen hatte. Das religiöse Ausbildungsprogramm zielte auf Lehrer, die bereit waren, die Schüler nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses zu unterrichten und zu erziehen. Bekenntnisfreie Lehramtsstudenten waren nicht vorgesehen und jedenfalls ein Fremdkörper. In der Schulpraxis ergaben sich aus der konfessionellen Prägung vielfältige Probleme im Hinblick auf das Lehrerverhalten. So war es trotz Art. 7 III 3 GG problematisch, wenn ein Lehrer keinen Religionsunterricht erteilen wollte. Immerhin: 1963 gestand das BVerwG zu, eine katholische Lehrerin als Träge8
9 10
Selbst der Katholik Theodor Maunz hatte ihn in seinem Gutachten als ohne weiteres verfassungswidrig bezeichnet. BVerfGE 6, 309 (339 f.) (Konkordatsurteil). BVerwGE 10, 136; 17, 267; 19, 252.
III. Christliche Gemeinschaftsschulen (CGS)
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rin eines konfessionsgebundenen Staatsamts (s. § 18 III 1 c) müsse nicht unter allen Umständen versetzt werden, obwohl sie wegen Wiederheirat im Stand der Sünde lebe.11 Aber im Zuge des Zwangs zur Abschaffung der Zwergschulen (Landschulreform) in den 1960er Jahren entdeckte man ansatzweise die „Glaubens- und Gewissensfreiheit“ (die man damals noch nicht trennte) und das Minderheitenproblem, freilich zunächst nur für Christen anderer Konfession.12
III. Christliche Gemeinschaftsschulen (CGS) 1. Ungereimte Grundlagen und ihre allgemeinen Auswirkungen a) Etwa Mitte der 1960er Jahre wurden die sogenannten CGS in Westdeutschland 253 teils als einzige staatliche Schulform für alle, teils als Regelschule etabliert. Ihr Charakter war in rechtlicher Hinsicht schillernd, vor allem in Niedersachsen, konnte aber auch durch einen (vermeintlich) klaren, sozusagen ökumenischen Missionierungsauftrag geprägt sein. In den Stadtstaaten Berlin und Bremen mit ihren weltanschaulich neutralen allgemeinen Schulen bestand eine Sondersituation (Art. 141 GG). 1975 kam es zu Urteilen des BVerfG betreffend die CGS in BadenWürttemberg13, Bayern14 und Nordrhein-Westfalen, von denen jedoch nur die ersten beiden von Bedeutung waren. Das BVerfG verstand – trotz einzelner irritierender Formulierungen in der Baden-Württemberg-Entscheidung – das Christentum in der CGS nur als Bestandteil unserer Kultur und Tradition und als Unterrichtsgegenstand, nicht jedoch als zu vermittelndes Glaubensgut. Andernfalls werde gegen das GG verstoßen. Den beiden Entscheidungen ist zusammengefasst zu entnehmen, dass der Landesgesetzgeber die Grundrechte aller Eltern aus den Art. 4 und Art. 6 II GG beachten muss; dass der Minderheitenschutz im Vordergrund steht; dass es um die Werte und Normen geht, die weitgehend zum Gemeingut des abendländischen Kulturkreises geworden sind; dass der religiösweltanschaulich neutrale Staat nichtchristliche Minderheiten nicht diskriminieren darf, zumal es „um das Bestreben nach Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit“ im religiös-weltanschaulichen Bereich geht; daher dürften bekenntnismäßig nicht gebundene Lehrer auch bei der Stellenbesetzung nicht benachteiligt werden. Diese Entscheidungen waren aber unehrlich, da sie zwar auch sanfte christliche Missionierung außerhalb des Religionsunterrichts untersagten, dennoch aber die formale Bezeichnung der Schulen als christlich billigten. Die Bayern11 12
13 14
BVerwGE 17, 267. BayVerfGH 20, 36 = BayVBl 1967, 201, E. v. 20. 3. 1967 (zulässige Aufweichung des Bekenntnisschulprinzips zugunsten der jeweils anderen christlichen Konfession); für Nichtchristen sollte die Religionsfreiheit nach BayVerfGH 20, 125 (133 f.) = BayVBl 1967, 312 nicht gelten, da die Nichtmajorisierung von Grundrechten Schranken „kraft unserer demokratischen Grundordnung“ habe. BVerfGE 41, 29 (Christliche Gemeinschaftsschule Baden-Württemberg). BVerfGE 41, 65 (Christliche Gemeinschaftsschule Bayern).
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Entscheidung stand sogar in völligem Gegensatz zu den Entscheidungsgründen. In Art. 135 BayVerf i. d. F. von 1968 hieß (und heißt) es nämlich, in der Christlichen Gemeinschaftsschule für alle volksschulpflichtigen Kinder würden die Schüler „nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen“. Das war nach Entstehungsgeschichte und Text eine eindeutig auch inhaltlich (nach wessen Kriterien?) christlich geprägte Gemeinschaftsschule. Dennoch legte das BVerfG den Art. 135 BayVerf entgegen seinen eigenen theoretischen Vorgaben verfassungskonform aus mit der Folge, dass sich die bayerische Schulverwaltung bis zum heutigen Tag rein formal auf den unveränderten Text der Landesverfassung berufen kann.
254 b) Hierzu hat Ludwig Renck zu Recht bemerkt, in Bayern trage man den positiven Teil des Tenors der genannten Entscheidung des BVerfG „ … mit dem Grundgesetz vereinbar“ wie eine Standarte vor sich her, während man von der entscheidenden Einschränkung „ … in der sich aus den Gründen ergebenden Auslegung … “ nichts wissen wolle.15 Besonders auffällig ist § 13 I der Volksschulordnung vom 21. 6. 198316: „Die Schule unterstützt die Erziehungsberechtigten bei der religiösen Erziehung der Kinder. Schulgebete, Schulgottesdienst und Schulandacht sind Möglichkeiten dieser Unterstützung. In jedem Klassenzimmer ist ein Kreuz anzubringen. Lehrer und Schüler sind verpflichtet, die religiösen Empfindungen aller zu achten.“ 1995 hat das BVerfG die Passage betreffend das Kreuz in seiner vielgescholtenen Kruzifix-Entscheidung für nichtig erklärt, die übrigen Teile gelten formal noch heute weiter. Das Kultusministerium scheute sich nicht einmal, entgegen der ausdrücklichen Auffassung des BVerfG von 1975 die vom bayerischen Kardinal und vom evangelischen Landesbischof neugefassten „Leitsätze für den Unterricht und die Erziehung nach gemeinsamen Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse an Grund-, Haupt- und Sondervolksschulen“ vom 29. 11. 1988 bereits mit Bekanntmachung vom 6. 12. 198817 allen Lehrern zur Dienstpflicht zu machen, den konfessionslosen Lehrern zumindest in reduzierter Form. So ist der Anschein entstanden, die CGS sei eine Art interkonfessionelle Konfessionsschule und als solche zulässig. 2. Einzelne Folgeprobleme a) Schulgebet
255 Meist begrüßt wurde die Schulgebetsentscheidung des BVerfG von 197918, weil sie die Christlichkeit der CGS zu unterstützen schien. Obwohl sich die Entscheidung über weite Strecken nicht wie eine lege artis und vor allem logisch durchgeführte juristische Begründung liest, wurde sie nur selten kritisiert. Dabei hatte 15 16 17 18
L. Renck, NVwZ 1991, 116 (116). KMBl. I (1983), 497 (503) = BayGVBl. 597. KMBl. 1989, 15. BVerfGE 52, 223.
III. Christliche Gemeinschaftsschulen (CGS)
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das BVerfG erklärt, das Schulgebet sei „nicht Teil des allgemeinen Schulunterrichts“ und liege außerhalb des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags. Dem entspricht die Erklärung, die Länder seien nicht verpflichtet, ein Schulgebet zu ermöglichen. Das Gebet soll aber zumindest, wenn es vom Lehrer angeregt werde und innerhalb der Unterrichtszeit stattfinde, „eine dem Staat zuzurechnende schulische Veranstaltung“ sein. Da es aber eine religiöse Betätigung darstelle, sei es nur bei „völliger Freiwilligkeit“ zulässig. Es wird eingeräumt, wenn der Staat das zulasse, fördere er zwar das Christentum; das bedeute aber „keine gezielte erzieherische Einflussnahme seitens Schule und Lehrer auf die Kinder, sondern eine im Regelfall gemeinsam mit dem Lehrer ausgeübte religiöse Betätigung“. Das liege noch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Art. 7 I GG. Dem ist aber entgegenzuhalten: Als Amtsperson repräsentiert der Lehrer den 256 Staat, und dieser hat nach dem GG (soweit keine Sonderregelung wie bei Art. 7 III GG besteht) keinerlei religiöse Kompetenz.19 Er darf sich daher nicht mit einer Religion derart identifizieren, dass er die Gebete veranlasst. Das bedeutet im Übrigen auch nach BVerfG eine Förderung des Christentums, die „über die religiösen Bezüge hinausgeht, die sich aus der Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors des Christentums (BVerfGE 41, 29 [52]) ergeben“. Bei maßgeblicher Mitwirkung des Lehrers kann gerade bei jungen Schülern auch von völliger Freiwilligkeit der Teilnahme keine Rede sein. Wenn Schüler mit Genehmigung der Schulleitung und des Lehrers einvernehmlich ein Gebet sprechen wollen, mögen sie das tun und der Lehrer mag sich daran – als Privatperson – beteiligen. Die Initiierung einer solchen religiösen Übung durch eine Amtsperson geht vergleichsweise deutlich über das rein persönliche Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen hinaus, solange an der dienstlichen Neutralität der Lehrerin kein berechtigter Zweifel besteht (s. unten V 5 b). Die Schulen hätten andere Möglichkeiten, religiöse Andachten auf rein freiwilliger Basis außerhalb des Klassenverbands zu gestatten. Der Integration und als Denkanstoß würden nichtreligiösphilosophische oder insgesamt religiös-weltanschauliche pluralistische Sinnsprüche statt eines Gebets mehr dienen. b) Zur Frage der Zulässigkeit ideologischer Beeinflussung der Schüler Die Frage, inwieweit staatliche schulische Maßnahmen auf die Erziehung und Un- 257 terrichtung der Schüler inhaltlich Einfluss nehmen dürfen, ist ebenso viel diskutiert wie bisher wenig geklärt.20 Zahlreiche Abhandlungen zu Fragen der Erziehungsziele und Lehrpläne, ja zur „Wertedebatte“ überhaupt lassen den Leser, der 19
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Vgl. zur Kompetenzproblematik neben F. v. Zezschwitz, JZ 1966, 337 insb. L. Renck, BayVBl 1980, 338 f.; ansonsten wurde die sich doch aufdrängende Kompetenzfrage kaum je gestellt. Demgegenüber wurde sie beim muslimischen Kopftuch allgemein stark hervorgehoben. Die wohl tiefschürfendste Untersuchung des Themas „Erziehung im neutralen Staat“ liegt vor in: St. Huster, Neutralität, 2002, 250–435.
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§ 13 Schule und Religion
zu den Kriterien der Abgrenzung von zulässiger und unzulässiger schulischer Wertevermittlung Konkretes erfahren will, ratlos zurück. Dem entspricht die Schwammigkeit und dogmatische Ungereimtheit vieler gerichtlicher Entscheidungen, die für Fragen von religiös-weltanschaulicher Bedeutung fast typisch sind.
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Eine erste wichtige Entscheidung ist der wohl allgemein akzeptierte SexualkundeBeschluss des BVerfG von 1977.21 Demnach darf der Staat neben reiner Sexualkunde auch Sexualerziehung durchführen, muss aber „die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der Erziehung ihrer Kinder“ gerade in diesem sensiblen Bereich besonders achten. Dieser Gesamtplan darf grundsätzlich nicht unterlaufen werden. Schule muss laut BVerfG für die Vielfalt der Anschauungen soweit offen sein, als es sich mit einem geordneten Schulsystem verträgt. Andererseits darf der Staat in einem für die persönliche Entwicklung und die Gesellschaft so wichtigen Bereich nicht vor strengen muslimischen oder christlichfundamentalistischen Überzeugungen einfach weichen. Auf dieses auch für die Heimschulbewegung wichtige Thema mit seiner besonderen Schwierigkeit der Abgrenzung von zulässiger und unzulässiger Ideologie sei hier nur hingewiesen. Die staatliche Schule muss jedenfalls stets in der Lage sein, allgemein rechtfertigungsfähige Gründe für ihre Unterrichtsgestaltung beizubringen. Bezüglich der religiösen Bekleidung von Lehrern an öffentlichen Schulen hat die Rspr. 259 bei nichtchristlichen Lehrern in den Bhagwan-Fällen der 1980er Jahre einen sehr strengen Maßstab angelegt, die viel aktuellere Frage der christlichen Ordenstracht dabei aber nicht ansatzweise erwähnt.22 Bei der Schulbuchzulassung, so das BVerwG 1988, ist es dem Staat „unbeschadet verfassungsrechtlich oder gesetzlich bestimmter Erziehungsziele, die die Schule anzustreben und zu fördern hat, verwehrt, die Erziehungsarbeit der Schule, die tiefgreifenden Einfluss auf die ganze Persönlichkeitsentwicklung des Schülers nimmt, so anzulegen, dass sie in den Dienst bestimmter weltanschaulicher, ideologischer oder politischer Richtungen tritt.“23 Das BVerfG hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.24 Das Tragen einer Anti-Atomkraft-Plakette durch einen Lehrer während des Schuldienstes hat das BVerwG 1990 als unzulässigen „demonstrativen“ rechtswidrigen Eingriff in den „Meinungsbildungsprozess der Schüler“ gewertet. Die Neutralität verlange, dass jede einseitige Werbung unterbunden werde. Andernfalls werde „die Akzeptanz des öffentlichen Schulsystems … nachhaltig erschüttert“.25
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Angesichts solcher Entscheidungen, die die ideologische Neutralität und als Unterfall derselben die religiös-weltanschauliche Neutralität betonen, kann es nicht erstaunen, wenn auch die Rechtsliteratur jede einseitige Einflussnahme grundsätzlich seit langem ablehnt. Im neueren Verfassungsrecht der Bundesrepublik wird weitgehend auch der Schutz vor mittelbarer staatlicher Beeinflussung in Glaubenssachen als wesentlicher Bestandteil der individuellen Religionsfreiheit (zumeist und überzeugend: „Glaubensfreiheit“, s. § 7 IV 1) angesehen: Freiheit der staatlich nicht einseitig beeinflussten Glaubensbildung als Schutz des forum internum. Als Beispiel sei eine Formulierung von J. Listl SJ zitiert: „Einer recht21 22
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BVerfGE 47, 46 (Sexualkunde). BayVGH NVwZ 1986, 405; OVG Hamburg NVwZ 1986, 406; BVerwG NVwZ 1988, 937 (Bhagwan-Entscheidungen). BVerwGE 79, 298 (Schulbuchzulassung). BVerfG-K NVwZ 1990, 54 (Schulbuchzulassung). BVerwGE 84, 292 (Anti-Atomkraft-Plakette).
III. Christliche Gemeinschaftsschulen (CGS)
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lichen Regelung ist die Glaubensfreiheit nur insofern zugänglich, als es dem zu religiöser Neutralität verpflichteten Staat schlechthin verwehrt ist, auf die Bildung von Glaubensüberzeugungen Einfluss zu nehmen (Hervorh. im Original).“26 Auf dieser Ebene liegt auch die Entscheidung des BVerwG von 1988, bei der Einstellung eines Lehramtsbewerbers sei dessen religiöse Einstellung ein „unsachliches Auswahlkriterium“.27 Von einem nichtreligiösen Lehrer muss zwar erwartet werden, dass er die Schüler nicht etwa zum Atheismus beeinflusst, er braucht aber nach dieser Entscheidung auch keinen (ihm ohnehin nicht zumutbaren) positivreligiösen Einfluss auszuüben, auch wenn die Schule sich „christlich“ nennt. c) „Ehrfurcht vor Gott“ Ein solches Erziehungsziel steht zu dieser mit Recht herrschenden Auffassung 261 freilich im Widerspruch. Wer nicht an einen persönlichen Gott glaubt28, kann nicht ohne Verstoß gegen Art. 4 GG dazu erzogen werden, vor ihm „Ehrfurcht“ zu haben. An deren Stelle mag so etwas wie Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Kosmos sowie die Achtung vor der religiösen Überzeugung Andersdenkender treten. Ein Erziehungsziel „Ehrfurcht vor Gott“ – wie es Art. 12 I BaWüVerf, Art. 131 II BayVerf und Art. 7 I NRWVerf vorschreiben, bzw. eine Erziehung „zur Gottesfurcht“ gem. Art. 33 RhPfVerf kann es daher in der öffentlichen Regelschule nach dem GG nicht geben.29 Der BayVerfGH entschied 1988,30 das oberste schulische Erziehungsziel „Ehrfurcht vor Gott“ sei wegen der Glaubensfreiheit nicht für alle Schüler verbindlich.31 Es wirft daher ein eigenartiges Licht auf die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen, wo die neue CDU-FDP Mehrheit dem Schulgesetz von 2005 in § 2 II 1 am 27. 6. 2006 folgende Fassung gab: „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.“ Diese erstaunlich rasche (aber umstrittene) Änderung eines neuen Gesetzes ist umso bemerkenswerter, als die Jugend nach dem folgenden Satz u. a. „zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen“ erzogen werden soll, wobei nach dem folgenden Absatz 3 26
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J. Listl, in: HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 439 (455), freilich dennoch ein starker Befürworter des staatlichen Schulkreuzes. BVerwGE 81, 22 = NJW 1989, 921, entschieden anhand der Mitbewerbung eines konfessionslosen Lehrers für eine niedersächs. Gemeinschaftsschule mit weitgehend katholischer Schülerschaft. Das ist heute nachweislich die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung, auch in Bayern, vgl. § 3 I 2. Vgl. zur Problematik der religiösen Aspekte von Landesverfassungen G. Czermak, KritJ 2000, 229 (244 ff.). BayVerfGH NJW 1988, 3141 (Ehrfurcht vor Gott). S. hierzu krit. H.-M. Pawlowski, NJW 1989, 2240, der auf S. 2242 anmahnt, es erscheine „dringend erforderlich, zu einer systematischen Jurisprudenz zurückzukehren, die höhere Anforderungen an die Begründung von Urteilen stellt“; und L. Renck, NJW 1989, 2442.
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§ 13 Schule und Religion
die Schule das Erziehungsrecht der Eltern „achtet“.32 „Ehrfurcht vor Gott“ kann somit nicht GG-konform in „Achtung vor fremder Glaubensüberzeugung“ uminterpretiert werden33, denn das war schon bisher zu Recht als Erziehungsziel vorgeschrieben. Es ist laut Gesetzestext somit tatsächlich Erziehung zum Gottesglauben beabsichtigt, ein klarer Verstoß gegen das GG. Von Achtung des elterlichen Erziehungsrechts aller Eltern kann daher – widersprüchlich – ebenfalls nicht die Rede sein. Im GG ist die Gottesklausel der Präambel (Verantwortung vor Gott) ja nicht als Änderung oder gar ideologische Aufhebung des gesamten übrigen – säkularen – Verfassungsinhalts zu verstehen, sondern nur als Motiv der allermeisten Mitglieder des Parlamentarischen Rats im Jahr 1949 (s. § 10 II 2 b). d) Unterrichtsbefreiung aus religiösen Gründen
262 Nicht selten bestehen Konflikte zwischen dem staatlichen Erziehungsanspruch (Art. 7 I GG) und der Religionsfreiheit in Form der Religionsausübungsfreiheit bzw. der Gewissensfreiheit sowie dem Elternrecht.34 Es geht im Wesentlichen um strenggläubige (auch religiös-islamistische) Muslime und Christen. Ein großes Problem ist dabei ggf. der kaum feststellbare rigide familiäre Zwang, der auf Mädchen ausgeübt wird, was dann pädagogisch gegen eine Befreiung sprechen würde. Rechtlich wird man das wohl nicht zufriedenstellend lösen können. 263
Nachdem das BVerwG Anfang der 1970er Jahre die Schulbefreiung insb. für Juden und Siebenten-Tags-Adventisten zur Sabbatheiligung für verfassungsrechtlich zulässig erklärt hatte35, entschied es erst 1993 über die Frage eines Anspruchs aus Art. 4 GG, als es um die Befreiung einer 12- und einer 13-jährigen islamischen Schülerin vom in Nordrhein-Westfalen und Bremen vorgeschriebenen koedukativen Sportunterricht ging.36 Eine Teilnahme verstoße gegen zwingende Bekleidungsvorschriften des Koran. Antragsteller müssten konkret glaubhaft darlegen, durch verbindliche Glaubensgebote oder -verbote an der Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht gehindert zu sein und so in einen Gewissenskonflikt zu geraten. Im Streitfall hatte man sich auf die Koransure 24, Vers 31 berufen. Dem müsse der Staat bei der Abwägung zwischen staatlichem Erziehungsauftrag und Glaubensfreiheit Rechnung tragen. Wenn er keinen nach Geschlechtern getrennten Sportunterricht anbiete, müsse er davon mangels anderer möglicher Maßnahmen befreien. Dass ein koedukativer Unterricht auch ab 12 Jahren pädagogisch besonders wichtig ist, habe nicht dargelegt werden können. Es ist nach BVerwG auch nicht zumutbar, auf eine andere Schule auszuweichen oder gar den Wohnort zu wechseln. Diese Rspr. ist akzeptabel, da die Funktionsfähigkeit der Schule und der Sinn schulischer Erziehung durch sie nicht beeinträchtigt werden. Auch liegt die Hauptverantwortung für die religiöse Erziehung nach Art. 6 II GG („zuvörderst“) bei den 32
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SchulG NRW v. 15. 2. 2005 (GV. NRW, S. 102), geändert durch G. v. 27. 6. 2006 (GV. NRW, S. 278). Vom Text her wäre das ohnehin problematisch. Zur Gesamtproblematik C. Langenfeld, AöR 1998, 375 (387 ff.). Zum Befreiungsanspruch bei einer christlichen Minderheit BayVGH NVwZ 1987, 706 (bejaht bei Palmarianischer Kirche). BVerwGE 42, 128 (Schulbefreiung wegen Sabbatheiligung). BVerwGE 94, 82 (Koran und Schulsport).
III. Christliche Gemeinschaftsschulen (CGS)
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Eltern. Die Frage des koedukativen Sportunterrichts ist heute in der Schulpraxis wohl unproblematisch. Ob hingegen eine Befreiung vom Sexualkundeunterricht insoweit in Betracht käme, als dort Abbildungen nackter Menschen betrachtet werden, etwa mit der (fragwürdigen) Begründung, der Islam verbiete das, erscheint im Hinblick auf die wissenschaftliche Basis des Unterrichts, die traditionellen Bestandteile europäischer Kultur (Plastiken, Gemälde) und die tatsächlichen Lebensverhältnisse mehr als fraglich (s. o. III 2 b).37 Schließlich soll Schule auch auf das Leben vorbereiten und gestattet der Islam notfalls die Einhaltung der Gesetze der Gastländer. Schwieriger ist hingegen wohl zu beurteilen, ob bzw. wann von einer Klassenfahrt aus religiösen Gründen zu befreien ist. Damit hatte sich 2002 das VG Aachen zu befassen. Die Gymnasiastin einer 10. Klasse beantragte die Befreiung von der Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt. Unter Vorlage des Gutachtens eines Islamischen Zentrums erklärte sie, ihr Glaube verbiete die Übernachtung außerhalb des Elternhauses ohne Begleitung eines Ehegatten oder männlichen Verwandten. Der Schulleiter lehnte den Antrag wegen der Gleichbehandlung der Geschlechter (Art. 3 II GG) ab. Das VG verweigerte vorläufigen Rechtsschutz. Es gebe eine zumutbare Ausweichmöglichkeit. Die Schule habe den Hinweis, ein Bruder der Antragstellerin, ebenfalls Schüler, könne mitfahren, aufgegriffen und dessen Unterrichtsbefreiung angeboten. Im Beschwerdeverfahren wurde geltend gemacht, der Bruder weigere sich nachhaltig, die Familie drohe, an dem Konflikt zu zerbrechen. Das OVG Münster wies die Beschwerde mit der Begründung zurück, eine Befreiung von der Schulordnung sei gar nicht erforderlich. Es liege ein die Teilnahme hindernder Grund vor. Die religiös bedingten Ängste der Schülerin (Furcht im Hinblick auf Schweinefleisch, rituelle Waschungen und Gebete, Verlust des Kopftuchs, Duschen, Reaktionen der Mitschülerinnen) hätten bei summarischer Prüfung bereits Krankheitswert.38 Demgegenüber hat man wohl zu Recht geltend gemacht, der Respekt vor der Religionsfreiheit solle nicht die Pathologisierung des Grundrechtsinhabers befördern.39 Nach dem heute seit langem anerkannten Verständnis der Gewissensfreiheit handelt es sich in solchen Fällen der Befreiung von einer ansonsten bestehenden Rechtspflicht (Schulpflicht) wie auch z. B. bei der Verweigerung eines Amtseides um einen religiös motivierten Fall der Gewissensfreiheit mit seinen Besonderheiten, was die Gerichte bisher anscheinend gar nicht beachtet haben. Nach dem (abzulehnenden) extrem weiten Verständnis des Art. 4 II GG geht es (auch) um die Religionsausübungsfreiheit in der Form, das gesamte Verhalten mit der Religion in Einklang bringen zu können. Im Ergebnis wäre es aus Integrationsgründen sinnvoll, im Regelfall keine Befreiung von Klassenfahrten zuzulassen. Auch scheint man bisher kaum zu berücksichtigen, dass nach dem RKEG mit Vollendung des 14. Lebensjahres die volle Religionsmündigkeit eintritt. Das sollte doch bedeuten, dass es ausschließlich auf die Überzeugung der Schülerin und nicht auf die Sichtweise der Eltern ankommt. Damit würde man auch die Gleichberechtigung fördern. Insgesamt zeigt sich auch in diesen Befreiungs-Fällen, dass die Dogmatik des Art. 4 I, II GG noch nicht ausgereift ist. In den letzten Jahren macht zunehmend die aus den USA kommende Heimschulbewegung (homeschooling) erhebliche Probleme.40 Christliche Fundamentalisten wehren sich vehement gegen den Zwang, ihre Kinder Schulen besuchen lassen zu müssen, die in ihren 37 38
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BVerfGE 47, 46 (Sexualkunde). VG Aachen NJW 2002, 3191, mit OVG Münster NJW 2003, 1754 (Befreiung von Klassenfahrt). St. Rixen, NJW 2003, 1712. S. zur Heimschulbewegung T. Hebeler/J. Schmidt, NVwZ 2005, 1368.
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§ 13 Schule und Religion
Augen einen verwerflichen ideologischen Einfluss auf sie ausüben. Sie lehnen insbesondere die Evolutionslehre und den Sexualkundeunterricht konsequent ab. Die deutschen Gerichte lehnen bisher Ansprüche auf Unterrichtsbefreiung zu Recht ab.41 Aber auch das hält die auch bezüglich der Unterrichtsmaterialien für den ausschließlich häuslichen Unterricht gut organisierten Familien (mehrere Schulwerke) nicht davon ab, jeglichen Besuch einer staatlichen Schule zu verhindern. Bußgelder und selbst polizeilicher Zwang schreckt sie nicht. 2006 besuchten in Deutschland ca. 500 Kinder keine staatlich anerkannte Schule. Die betroffenen Länder scheinen ratlos. Selbst der zunächst rigoros vorgehende Freistaat Bayern hat sich nach Jahren zur Vermeidung weiterer Schädigung der Kinder zu einer Einigung mit einer Verweigerergruppe genötigt gesehen, entgegen dem Schulrecht den Heimunterricht unter Sicherung gewisser Unterrichtsstandards zuzulassen. Die Heimschulbewegung hat übrigens nicht ausschließlich religiöse Motive. Es geht auch um Drogen, Gewalt und Schulangst. Mehrere Staaten, z. B. Österreich, begnügen sich mit einer Unterrichtspflicht, verlangen aber nicht unbedingt einen Schulbesuch.
IV. Insbesondere: Das Kreuz im Klassenzimmer 1. Ein Paukenschlag
268 Als der ohne mündliche Verhandlung gefasste Kruzifix-Beschluss des BVerfG vom 16. 5. 199542 während des medialen Sommerlochs im August bekanntgegeben wurde, schlugen die Wellen sofort hoch. Sie würdigten das BVerfG auf noch nie dagewesene Weise herab.43 Die konkrete Begründung der Entscheidung spielte bei den teilweise sehr scharfen Angriffen von Politikern, aber auch in Stellungnahmen kirchlicher und anderer Interessenvertreter sowie in Leserbriefen kaum je eine Rolle. Besonnene Stimmen waren stark in der Minderzahl.44 Auch viele Juristen standen, meist zivilisierter, in der vorderen Front der Kritiker dieser wichtigen religionsrechtlichen Leitentscheidung. Der an sich einfach strukturierte Fall warf grundsätzliche juristische, aber auch Fragen der Akzeptanz auf. Stichwortartig: Schutzbereichsfragen, Eingriffsintensität, Grundrechtskollisionen, positive und negative Religionsfreiheit, Landesrecht, Toleranz, staatliches und elterliches Erziehungsrecht, Bedeutung des Kreuzsymbols und nicht zuletzt Neutralität. Aber auch Fragen der Landestradition und der bisherigen christlichen Schulpolitik waren zumindest begründungspsychologisch erörterungsbedürftig. 269
Es gibt keine denkbare, selbst bis ins Lächerliche gehende oder mit böser Polemik verbundene stimmungsmachende Einzelargumentation, die von Juristen nicht vertreten worden wäre, um die Entscheidung anzugreifen: sie war, soweit ersichtlich, die erste, die das Gebot 41
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Z. B. BVerfG, BayVBl 2006, B. v. 31. 5. 2006 – 2 BvR 1693/04; OVG Hamburg, NVwZ-RR 2005, 183; BayVerfGH, BayVBl 2003, 236; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2003, 561; BayVGH, NVwZ 1992, 1224. BVerfGE 93, 1 (Kruzifix). Eindrucksvolle Details bei R. Lamprecht, Zur Demontage des Bundesverfassungsgerichts, 1996 (39–51; 77–108), LitV B 3. Auszugsweise Dokumentation bei P. Pappert (Hrsg.), Den Nerv getroffen, 1995.
IV. Insbesondere: Das Kreuz im Klassenzimmer
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der religiös-weltanschaulichen Gleichberechtigung und das Verbot einseitiger ideologischer Beeinflussung (§§ 7 IV 1 und 10 II) durch den Staat auch gegen christlich-konservative Interessen konkret und symbolträchtig in Stellung brachte. Sogar ein früherer Präsident des BVerfG scheute sich nicht, davon zu sprechen, der Beschluss wirke „wie mit der Brechstange gefertigt“. Mehrfach hat man sogar das Vorliegen des Schutzbereichs der Religionsfreiheit (hier: Glaubensfreiheit) bestritten, obwohl das vor dem BVerfG obsiegende Ehepaar nach der Entscheidungsverkündung zahlreiche Morddrohungen bekam.45 So hat ein bekannter Rechtswissenschaftler die Ansicht vertreten, die Religionsfreiheit werde nicht einmal thematisch „berührt“. Die Schüler seien ja nicht gezwungen, das Kreuz als religiöses Symbol zu akzeptieren. Wörtlich: Jeder Schüler ist „dem Wandkreuz gegenüber frei, ob er es wahrnimmt oder ignoriert“.46 Von Missionierung könne keine Rede sein. Es gebe keine „Freiheit, von einem mißliebigen Anblick verschont zu werden“. Und weiter: „Das unausschöpfbare Sinnpotential des Kreuzes reduziert sich nicht ausgerechnet dadurch auf seine religiösen Elemente, daß es an der staatlichen Schulwand hängt.“ Selbst wenn das Schulkreuz einen appellativen Charakter hätte (so aber eine zentrale Aussage des BVerfG), stünde es nicht in prinzipiellem Widerspruch zum GG. Verkörpere doch der Staat mit dem Kreuz ein Stück seiner Identität, durch alle säkularen Brechungen des Christentums hindurch. Im Übrigen könne der Staat sogar Konfessionsschulen als Regelschulen einführen.47
Welche Fülle an juristischen Aspekten die Entscheidungskritiker behandelten, 270 wird besonders in einer umfangreichen Abhandlung Martin Heckels deutlich.48 Auffällig ist, dass sich die Kritiker im Detail in hohem Maß widersprechen und nur im Ergebnis übereinstimmen: das Schulkreuz hat Bestand. Nahezu alle auch befassen sich nicht mit dem sich ja aufdrängenden Thema der religiösweltanschaulichen Neutralität49, obwohl diese nach den sonst anerkannten Regeln spätestens bei Bejahung eines Grundrechtseingriffs wie das GG insgesamt Prüfungsgegenstand war (s. unten).
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Zur im Tatbestand von BVerfGE 93, 1 vernachlässigten Vorgeschichte s. G. Czermak, NJW 1995, 3348 (3349). – Der Kompromiss des Anthroposophen-Ehepaars mit der Schule wurde seitens des Staates mehrfach missachtet und so der Rechtsstreit erst provoziert. Bei 60–80 cm großen Kreuzen mit Korpus an der Stirnwand dürfte das aber bei keiner Betrachtungsweise möglich sein. So J. Isensee, ZRP 2006, 10; ähnlich kühn M.-E. Geis, RdJB 1995, 373. M. Heckel, DVBl 1996, 453–482. Zu den wenigen Ausnahmen gehört M. Heckel, a. a. O. Obwohl dieser auch für den Bereich der offenen Neutralität die „gleichmäßige(n) Respektierung der verschiedenen Bekenntnis- bzw. Weltanschauungspositionen“ fordert (S. 472), kommt er zur Zulässigkeit des Kreuzsymbols, da dieses ja nach dem Gesamtzusammenhang der Normen des GG bei verfassungskonformer Interpretation nicht als missionierend gedeutet werden dürfe (467 f.). Vgl. aber auch S. 473 die ergänzende Fn. 92.
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§ 13 Schule und Religion
2. Beruhigung der Lage
271 Diese Art von Literatur ist heute fast schon Geschichte.50 Selbst juristische Kritiker haben mitunter zugegeben, das BVerfG sei nach anerkannter Grundrechtsdogmatik vorgegangen. Aus distanzierter Sicht hat Michael Stolleis fünf Jahre nach dem Ereignis eine erfrischende Gesamtanalyse vorgelegt.51 Er verweist u. a. auf die kirchenfreundliche Tradition des BVerfG, eine „Idylle“, die nunmehr plötzlich gestört sei. Auch spricht er von den „komischen Zügen des Spektakels“, die in dem Ausruf des „geistigen Verteidigungsfalles“ in Bayern zu sehen gewesen seien. Im Ergebnis konstatiert Stolleis, der 1. Senat des BVerfG habe die Pflicht, lege artis zu entscheiden, „in respektabler Weise“ erfüllt. Diese Sichtweise hat sich heute wohl durchgesetzt.52 Das tatsächliche Problem besteht freilich nach wie vor, da das Land Bayern die Bindungswirkung der Entscheidung vom 16. 5. 1995 immer noch ignoriert und das BVerwG das bereits am 1. 1. 1996 in Kraft gesetzte bayerische „Kruzifix-Gesetz“ (bei wichtiger inhaltlicher Entschärfung) formal noch gehalten hat. Es hat somit die generelle staatliche Anbringung von Schulkreuzen – entgegen der klaren Aussage des BVerfG – noch gebilligt (s. unten 4 c). 3. Rechtssystematische Beurteilung
272 Bei Licht und ohne Emotionen betrachtet ist das Schulkreuz bzw. Kruzifix trotz vielfältiger Umfeldfragen ein eher schlichtes Rechtsproblem. 273 a) Juristisch-tatsächliche Ausgangsbasis ist der nicht ernsthaft zu bestreitende Umstand, dass Schulkreuze in unserem historisch-kulturellen Umfeld (zumindest in erster Linie) das religiöse Hauptsymbol der christlichen Religionsrichtungen darstellen. Ob sie darüber hinaus überhaupt auch als allgemeines Kultursymbol verstanden werden können, erscheint angesichts der in der Gesellschaft vorhandenen religiös-weltanschaulichen Vielfalt und der auch historisch wirksamen nichtchristlichen Kräfte (Aufklärung, Judentum) fraglich (s. § 1 II 3). Das Kreuz ist jedenfalls stets auch ein religiöses Symbol, woran im Streitfall angesichts des normativen Umfelds (§ 13 I BayVolksschulO, s. o. III 1 b) und der dezidiert christlichen bayerischen Schulpolitik53 ohnehin kein Zweifel bestehen konnte. Das Schulkreuz hat „appellativen Charakter“ (BVerfG), zielt auf emotionale Wirkung und ist daher ein Problem der Glaubensfreiheit, Art. 4 I GG. Denn die Anbringung der Kreuze ist (unabhängig von einer ggf. vorhandenen normativen Grundlage) 50
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S. die reichhaltige Bibliographie zur Kruzifix-Problematik bei A. Nolte, JöR 48 (2000), 87. M. Stolleis, KritV 2000, 376. Vgl. die eingehende Verteidigung des BVerfG bei Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, S. 84–102; ausführliche Literaturnachweise bei G. Czermak, Rüfner-FS 2003, 79 (100), Fn. 96. Ausführlich G. Czermak, KJ 1992, 46 und L. Renck, NVwZ 1991, 116.
IV. Insbesondere: Das Kreuz im Klassenzimmer
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jedenfalls hoheitlich veranlasst und daher dem öffentlichen Schulträger zuzurechnen. Die religiöse Symbolwirkung kann nach dem Wesen von Symbolen auch nicht wegdefiniert werden. Wenn das Schulkreuz keinerlei Wirkung entfalten würde, gäbe es auch keinen verständlichen Grund, warum es angebracht werden sollte. Somit ist der grundrechtliche Schutzbereich gegeben und gegenteilige Behauptungen wirken schon angesichts der Heftigkeit der öffentlichen Reaktionen reichlich irreal. Die Kritik, das BVerfG sei nicht kompetent gewesen, aus den unterschiedlichen theologischen Verständnismöglichkeiten des Kreuzsymbols ein bestimmtes für maßgeblich zu erklären, geht am Rechtsproblem vorbei. Kommt es doch nur darauf an, ob das Kreuz im Schulzusammenhang überhaupt als religiöses Symbol zu verstehen ist, das allgemein-positiv auf das Christentum hinweist.54 Somit ist auf jeden Fall die weitere Sachprüfung durchzuführen. b) Die Frage nach dem Vorliegen eines Grundrechtseingriffs stellen, heißt sie be- 274 jahen. Denn wenn „Glaubensfreiheit“ (und sei es dogmatisch fehlerhaft als bloßer Aspekt eines einheitlichen Grundrechts aus Art. 4 I, II GG verstanden) Freiheit von einseitiger hoheitlicher Beeinflussung bedeutet (das BVerfG spricht im Kruzifix-Beschluss vom Verbot der „Einmischung in die Glaubensüberzeugungen“), so kann man nicht argumentieren, die Beeinflussung sei zu gering, um rechtserheblich zu sein (§ 7 IV 1, 2). Zum einen hängt die starke oder schwache Wirkung von Symbolen vom jeweiligen Adressaten ab (gerade bewusste Nichtchristen und Staatsbürger reiben sich besonders am Kreuz, von der konstanten abendländischen Judenverfolgung im Namen des Kreuzes ganz abgesehen), zum anderen darf kein staatlich verwendetes Symbol dem objektiven Verfassungsrecht widersprechen. Der Verstoß gegen das objektive Neutralitätsgebot (s. § 10 III 2) ist aber offensichtlich, denn wer wollte behaupten, mit der ausschließlichen Präsentation des christlichen Hauptsymbols verhalte sich die Schule unparteilich gegenüber anderen religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungen?55 Unterstellt, es liege im Einzelfall aus der Sicht der betroffenen Schüler bzw. Eltern nur 275 ein geringfügiger Eingriff vor56, so kann auch dieser schon deswegen nicht gerechtfertigt sein, weil er eben im Widerspruch zum Neutralitätsgebot steht. Eine der seltenen vom GG zugelassenen Ausnahmen vom Neutralitätsgebot (Teilidentifikation im staatlichen Religions- oder, theoretisch, Weltanschauungsunterricht; theologische Fakultäten, soweit zulässig) liegt nicht vor. Wenn selbst etliche Rechtsgelehrte speziell im Fall des Schulkreuzes einer nach geltendem Recht (trotz Art. 31 GG!) möglichen Modifizierung des Bundesrechts durch Landesrecht zugunsten christlicher Erziehung das Wort redeten, so kann man das nicht als Ausweis von Rechtskultur gelten lassen. Religionsfreiheit und religiösweltanschauliche Neutralität können nicht durch die jeweiligen Gepflogenheiten und Stimmungen in den verschiedenen Bundesländern mehr oder weniger ausgehöhlt werden. Die 54
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S. zur Symbolproblematik näher G. Czermak, in: W. Brugger/St. Huster, 1998, 13 (22– 29) und ders., DÖV 1998, 107 (110); D. Heckmann, JZ 1996, 880. Wie hier eindringlich St. Muckel, KuR 1996, 65 (77–79) = Nr. 110, 21 (33). In der bisherigen Praxis erforderte es freilich oft große Energien, sich bei den Schulbehörden und Gerichten zur Wehr zu setzen, wobei die Betroffenen zudem nicht selten auf wenig Verständnis stießen.
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§ 13 Schule und Religion
Schulhoheit der Länder ist dabei kein Argument, denn Art. 7 I GG ist eine kompetenzbegründende und keine kompetenzeinschränkende Norm. Bedauerlicherweise hat das BVerfG, den Neutralitätsverstoß nur im Einleitungsteil der Grundrechtsprüfung festgestellt, statt mit dem Hinweis darauf jede etwaige Rechtfertigung des Eingriffs aus- und den Fall damit abzuschließen.
276 c) Eine kurze Auseinandersetzung mit weiteren juristischen wie nichtjuristischen Fragen war zwar aus Akzeptanzgründen sinnvoll, aber juristisch überflüssig. Der Charakter der fälschlich „Christliche Gemeinschaftsschulen“ genannten Schulen (s. o. III 1) stellt in einem Staat, der keinerlei religiöses Mandat hat, keine Ausnahme vom Neutralitätsgebot dar, sondern rechtfertigt nur örtlich bedingte Modalitäten bei der Intensität der (möglichst „objektiven“) Wissensvermittlung57 im Rahmen der offenen (wertaufgeschlossenen), nicht distanziert-ausgrenzenden Neutralität. Das hat die Kruzifix-Entscheidung indirekt im Hinblick auf Restunklarheiten (einzelne missverständliche Formulierungen im Urteil von 1975 bezüglich der CGS in Baden-Württemberg) klargestellt. Darüber hinaus kann der Wunsch von Eltern auf eine bestimmte religiös-weltanschauliche Gestaltung des Unterrichts rechtlich keine Rolle spielen. Der Hinweis auf „positive“ und „negative“ Religionsfreiheit (§ 7 III 3 c) führt daher nicht zum Vorliegen einer Grundrechtskollision, und auch Toleranz hat in der rechtlichen Prüfung nichts zu suchen: die allgemeine staatliche Schule muss (im Rahmen des intellektuell und schulpraktisch Möglichen) nicht nur tolerant, sie muss vielmehr religiös-weltanschaulich neutral sein. Toleranz ist kein Rechtsgebot, wie vielfach nebulös behauptet wird, sondern allenfalls eine (keinen zusätzlichen Gesichtspunkt einbringende) rechtliche Kollisionsregel, vor allem aber eine bürgerliche Tugend (s. § 9 III 3, 4), zu deren Übung freilich auch erzieherische Normen hinführen sollen. Das BVerfG hätte das Neutralitätsgebot endlich erstmals konkreter definieren und darauf hinweisen sollen, dass den christlichen Bürgern mit dem Schulkreuz nichts genommen wird, worauf sie bisher im religiös-weltanschaulich neutralen Staat einen Anspruch gehabt hätten. Wegen der jahrzehntelangen (und noch anhaltenden) verfassungswidrigen Schulpraxis, verbunden mit entsprechenden Fehlinformationen bei Lehrern, Eltern und Schülern, war die Entscheidung dem religiös-konservativen Publikum ohne problematisierende mündliche Verhandlung und ohne seriöse publizistische Begleitung nicht zu vermitteln. Das hier kritisierte Defizit in der Neutralitätsproblematik der ansonsten grundrechtsdogmatisch traditionell und einleuchtend begründeten Entscheidung hat bis heute eine nachhaltige Irritierung in der Rechtspraxis und im Rechtsbewusstsein zahlreicher Bürger zur Folge. 4. Unzureichende Rezeption des Kruzifix-Beschlusses
277 a) Obwohl es der Kruzifix-Beschluss erfordert hätte, zumindest aus rechtsstaatlichem Respekt in sämtlichen bayerischen Volksschulen rechtzeitig zum Beginn 57
Beispiel: Bedeutung einheimischer Klöster für bäuerliche Existenz, Wirtschaft und Kultur, ggf. Politik.
IV. Insbesondere: Das Kreuz im Klassenzimmer
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des neuen Schuljahrs Mitte September 1995 die Kreuzsymbole abzuhängen, handelte der Freistaat Bayern genau gegenteilig. Die Leitung des Kultusministeriums ordnete vor Schulbeginn an, es gebe keine Veränderung. Der Erlass eines die Entscheidung des BVerfG konterkarierenden Gesetzes war bereits abzusehen. Die Gesetzesarbeiten basieren auf einem umfangreichen Rechtsgutachten, das der 278 Staatsregierung bestätigte, der Beschluss des BVerfG lasse dem Gesetzgeber Spielraum für eine Neuregelung. Es dürften generell Kreuze angebracht werden, wenn nur für Andersdenkende eine „hinreichende Ausgleichsregelung“ (die dann beschlossene „Widerspruchsregelung“) geschaffen werde.58 Das war aber eine Behauptung, die in der Entscheidung des BVerfG nur bei sehr spitzfindiger Betrachtung eine Stütze findet. Das „Kruzifix-Gesetz“ vom 23. 12. 1995 wiederholt inhaltlich (nunmehr in Gesetzesform statt nur in einer Rechtsverordnung) genau die Passage, die vom BVerfG gerade erst für ungültig erklärt worden war. Sie lautet jetzt: „Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht.“59 Das war, ungeachtet der verfassungsprozessualen Frage, ob für den Gesetzgeber ein Normwiederholungsverbot gilt60, ein noch nie dagewesener Vorgang und ein bemerkenswerter Affront gegenüber dem BVerfG.
Auf die aufschlussreiche Entstehungsgeschichte dieses widersprüchlichen Ge- 279 setzes mit seiner eingehenden und den Schulleiter überfordernden, im Detail komplizierten Widerspruchsregelung kann hier nur hingewiesen werden.61 b) Der BayVerfGH hat das Gesetz unter Reduzierung des (auch in der BayVerf 280 enthaltenen) Neutralitätsgebots zu einem unverbindlichen Programmsatz für mit der BayVerf vereinbar erklärt.62 Nicht ohne Grund hat Ludwig Renck in seiner Entscheidungsbesprechung die Frage gestellt, ob die Entscheidung „überhaupt im gesetzlichen Sinne begründet und ob das rechtliche Gehör gewahrt ist“.63 Bemerkenswert sind auch die Gründe, mit denen ein Befangenheitsantrag gegen zwei der Verfassungsrichter abgelehnt wurde.64 c) Dem BVerwG blieb es vorbehalten, das bayerische Kruzifix-Gesetz auch bun- 281 desrechtlich zumindest formal „abzusegnen“. Es bestätigte 1998 seine Vereinbarkeit mit dem GG unter der Maßgabe, die Widerspruchsregelung sei bundesverfassungskonform auszulegen. Wenn sich Widersprechende auf ernsthafte und einsehbare Gründe stützen, insbesondere Atheisten sind, müssen sich deren Interessen laut BVerwG letztlich durchsetzen. Dabei müsse Diskretion gewahrt werden.65 Der Gesetzgeber habe das Spannungsverhältnis zwischen negativer und po58 59 60
61 62 63 64 65
P. Badura, BayVBl 1996, 33–40 und 71–77. BayGVBl. 1995, 850 (Kruzifix-Gesetz). Das ist mit St. Detterbeck, NJW 1996, 426 zu bejahen. Bei wesentlich geänderten Umständen, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder sonst wichtigen neuen Gesichtspunkten entfällt die Bindungswirkung natürlich, unabhängig von der Rechtsmaterie. Näher G. Czermak, DÖV 1998, 107. BayVerfGH NJW 1997, 3157; Bundesrecht hat ihn nicht interessiert. L. Renck, NJW 1999, 994 (998); vgl. auch G. Czermak, KJ 1997, 490. Das ist genau dokumentiert in BayVerfGH NJW 1997, 3162. BVerwGE 109, 40 (Schulkruzifix, bayerische Widerspruchsregelung), Leitsätze.
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sitiver Religionsfreiheit akzeptabel gelöst. Das BVerwG geht sowohl darüber hinweg, dass (auch nach BVerfG) gar keine Grundrechtskollision vorliegt (s. o. IV 3 c), als auch über die objektive staatliche Rechtspflicht, sich stets und völlig unabhängig von elterlichen oder Schülerwünschen religiös-weltanschaulich neutral verhalten zu müssen. Dabei erkennt der Senat selbst: „Mit der vom Gesetzgeber zur Regel erhobenen Anbringung der Kreuze wird zunächst auf der ersten Stufe zwischen Personen mit gegensätzlichen Auffassungen ein Konflikt hervorgerufen, für den das Gesetz dann erst auf der zweiten Stufe eine nachträgliche Konfliktlösung bereithält“. Das BVerwG hat die Gefahr benannt, dass ein Widersprechender in die Rolle eines Unruhestifters gerät und die friedliche Koexistenz gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen gefährdet werden kann und Überlegungen zu entsprechender vorsorglicher Klasseneinteilung und zu ggf. wiederkehrenden Abstimmungsprozessen zwischen Befürwortern und Gegnern des Kreuzes angestellt. Trotzdem ist es einfach nicht (wie das BVerfG) auf die Idee gekommen, der Staat solle eben darauf verzichten, ein religiöses Symbol anzubringen.66 Das Neutralitätsgebot hat eine weitere Niederlage erlitten.
282 d) Der bayerischen Staatsführung scheint derzeit (2007) immer noch daran gelegen zu sein, den Konfliktstoff zu erhalten. Während Widersprüche von Eltern seit dem Urteil des BVerwG immer wieder ohne öffentliches Aufsehen zur Entfernung von Kreuzen führen, ist das bei widersprechenden Lehrern nicht der Fall. Ihnen nimmt man es übel, dass sie sich gegen eine landesrechtliche Dienstpflicht stellen und auch für sich die Religionsfreiheit in Anspruch nehmen. Von der Rspr. werden sie bisher sehr streng beurteilt. Wenn sie zwar Nichtchristen, aber gefestigte und gesunde Persönlichkeiten seien, könne man ihnen grundsätzlich zumuten, mit dem Kreuz zu leben.67 Es steht nicht zu erwarten, dass die nichtchristlichen Volksschullehrer, die es natürlich auch in Bayern gibt, auf Dauer alle stillhalten. So bedeutet die politische und justizielle Verweigerung der religiös-weltanschaulichen Neutralität eine andauernde Ursache von Unfrieden und rechtsstaatlicher Irritation.
V. Weitere Fragenkreise 1. Regelschulproblematik, Konfessionsschulen und Bekenntnisfreie Schulen
283 a) Zwar kann der Staat alle in Art. 7 V GG angesprochenen Schularten auch als öffentliche zur Verfügung stellen (zulässige Teilidentifikation). Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sie auch als Regel- oder gar ausschließliche Schulform mit 66
67
Dabei gehört das objektive Neutralitätsgebot zu den tragenden und damit bindenden Gründen des Kruzifix-Beschlusses BVerfGE 93, 1. Es war Prüfungsgegenstand und kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass damit auch das grundrechtliche Verbot einseitiger religiöser Beeinflussung entfällt. Vgl. BayVGH NVwZ 2002, 1000, U. v. 21. 12. 2001; hierzu krit. L. Renck, NJW 2002, 955.
V. Weitere Fragenkreise
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spezieller religiös-weltanschaulicher Ausrichtung zulässig sind. Das öffentliche Schulsystem muss (müsste) eine Jedermann zumutbare religiös-weltanschaulich neutrale Grundversorgung gewährleisten, d. h. eine, die Art. 4 GG Rechnung trägt. Die Vermeidung religiösen Zwangs war einer der Gründe zur Beseitigung des Konfessionsschulwesens gewesen (s. oben II am Ende). Art. 7 I GG (Schulhoheit) begründet lediglich eine staatliche Kompetenz (Organisationsnorm), setzt aber keine Grundrechte außer Kraft. Erhebliche grundrechtliche Probleme bestehen daher in Nordrhein-Westfalen und Teilen von Niedersachsen, wo noch heute öffentliche Konfessionsschulen regional bzw. örtlich faktischen Regelschulcharakter haben. b) Die Frage, ob auch die in Art. 7 III 1 GG genannten Bekenntnisfreien Schulen, 284 die nach dem bloßen Text des GG formal gleichrangig mit Schulen mit Religionsunterricht (RU) sind, als Regelschulen eingerichtet werden dürften, ist bisher theoretisch geblieben. Keiner der alten und neuen Flächenstaaten (Ausnahme: Brandenburg) kannte oder kennt solche Schulen. Die Frage hat aber im Zusammenhang der LER-Debatte (s. unten V 4) eine Rolle gespielt und hat grundsätzliche Bedeutung für den verfassungsrechtlichen Stellenwert des RU. Die nahezu einhellige Rechtsmeinung lehnt Bekenntnisfreie Schulen als Regelschulen 285 insbesondere mit der Begründung ab, die Bremer Klausel (Art. 141 GG) wäre sonst überflüssig. Eine nähere Erörterung verlangt aber eine (selten gesuchte) Begriffsklärung. In der Weimarer Zeit hat man die (nicht definierten) Verfassungsbegriffe „bekenntnisfreie Schule“ und „Weltanschauungsschule“ zunächst gleichgesetzt, später aber differenziert. „Bekenntnisfrei“ waren dabei sowohl Weltanschauungsschulen im eigentlichen Sinn (Vermittlung bekenntnisähnlicher nichtreligiöser Überzeugungssysteme) wie auch schlichtweltliche Schulen. Eine Schulpraxis konnte sich mangels eines ReichsvolksschulG nicht entwickeln. Aus der Entstehungsgeschichte des GG lässt sich auch keine Klarheit gewinnen. Eine bekenntnisfreie Schule in Form einer Weltanschauungsschule im engeren Sinn entsprechend einer Konfessionsschule kann jedenfalls nicht öffentliche Regelschule sein, weil sie mit der Religionsfreiheit Andersdenkender nicht vereinbar ist. Wenn aber, wie das BVerwG 1992 entsprechend der späteren Weimarer Auffassung erklärte68, die Weltanschauungsschule nur ein Unterfall der Bekenntnisschule ist, muss es auch noch mindestens eine andere Fallgruppe geben. Mit Art. 4 GG ohne weiteres vereinbar wäre eine religiösweltanschaulich „neutrale“ weltliche Schule auch dann, wenn sie zwar den Faktor Religion und Weltanschauung als Bildungsgut angemessen berücksichtigt, jedoch keinen staatlichen RU anbietet. Verfassungsrechtlich spricht nichts gegen eine solche Auslegung des Art. 7 III 1 GG, die den Ländern entsprechend ihrer Kulturhoheit mehr Spielraum lässt. Eine solche Bekenntnisfreie Schule könnte wohl durchaus verbunden sein mit einem von den RGen bzw. WGen angebotenen, also außerstaatlichen RU/WU, wie das in Berlin unter der (unbestrittenen) Geltung des Art. 141 GG und neuerdings in Brandenburg der Fall ist. Die Existenz einer bei dieser Auslegung bestehenden doppelten Regelung69 in Art. 7 III 1 und 141 GG ist gut erklärbar: Konkreter Anlass für eine abweichende Regelung war 1949 das Land Bremen, für das man eine eindeutige Sonderregelung brauchte. Die (unklare) „bekenntnisfreie Schule“ des Art. 7 III 1 GG geht darüber hinaus, weil sie (im Gegensatz zu 68 69
BVerwGE 89, 368 (Bekenntnisfreie Schule, Weltanschauungsschule). Doppelregelungen und sich überschneidende Regelungen sind gerade im Religionsverfassungsrecht des GG auch ansonsten anzutreffen.
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Art. 141 GG) für alle Länder gilt. Sie dürfte zwar nicht als Regelschule gewollt gewesen sein, aber nach 1949 galt ja in der schulrechtlichen Praxis auch die Glaubensfreiheit noch nichts (Konfessionsschulzwang), die Gewissensfreiheit war noch nicht verselbständigt und Ungereimtheiten werden im GG ja auch sonst hingenommen. Der (zumal unklare) Wille des Verfassungsgebers ist bei der Verfassungsauslegung ohnehin kein zwingendes, sondern nur ein Hilfsargument. Gegen die hier vorgeschlagene Auslegung spricht auch nicht der Wortlaut des Art. 7 III 1 GG, denn er hat nicht die erkennbare Funktion, ein rechtliches Regel-Ausnahme-Verhältnis zu begründen.
286 c) Es gibt daher keinen überzeugenden Grund, Schulen ohne RU nicht gem. Art. 7 III 1 GG auch als Regelschulen zuzulassen, wenn sie nur „neutral“ konzipiert sind und Religion und Weltanschauung nicht als Unterrichtsgegenstand ausklammern. Das heißt, dass entgegen der h. M. innerhalb des Art. 7 GG der RU (der eine gravierende Abweichung vom Trennungsgebot des Art. 137 I WRV/140 GG und vom Identifikationsverbot darstellt) nicht der verfassungsrechtliche Normalfall, sondern lediglich eine (freilich praktisch bedeutsame) von zwei Optionen ist, wie schon der Verfassungstext prima facie nahe legt.70 Dieses Verständnis bedeutet allerdings eine erhebliche Änderung der religionspolitischen Lage, da man ihm zufolge nicht mehr gebetsmühlenhaft behaupten kann, außerhalb des Art. 141 GG müssten alle öffentlichen Schulen zwingend RU anbieten. Bei dieser Auffassung wäre der große Streit um die Geltung des Art. 141 GG in den neuen Bundesländern (insb. bezüglich LER) gar nicht entstanden. Das Land Brandenburg hätte ohne weiteres gem. Art. 7 III 1 GG auf RU als staatliches Fach verzichten können, und das Fach LER wäre als verfassungsrechtlich unproblematisch ohne Befreiungsregelung einzuführen gewesen (s. unten 4). 2. Religionsunterricht
71
287 a) Der staatliche konfessionelle RU ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine Besonderheit. In Deutschland hält man ihn zwar meist für selbstverständlich, auf europäischer Ebene ist das jedoch nicht der Fall. Frankreich kennt keinen staatlichen RU. Schweden führte 1962 eine einheitliche Schule mit anschließendem Gymnasium ein, das von fast allen Jugendlichen besucht wird. Mit Zustimmung der Nationalkirche wurde der RU durch eine Christentumskunde ohne Verkündigungscharakter ersetzt. Heute ist es ein „gesellschaftsorientierendes Fach“ mit Integration der Fächer Geschichte, Sozialkunde und Geografie. Ein gesondertes Fach Ethik ist dabei unnötig. In Portugal ist staatlicher RU unzulässig, die Kirchen dürfen jedoch RU in den Schulen in eigener Regie anbieten, der einem staatlichen angenähert ist. In Großbritannien, Dänemark und Norwegen ist 70
71
Eine zumindest sehr ähnliche Position vertritt U. K. Preuß; repräsentativ für die h. M.: C. Link, Maurer-FS 2001, 397. Zur allgemeinen Literatur: M. Frisch, ZevKR 2004, 589; C. Link, Religionsunterricht, HdbStKirchR II (1995), 439–509; ders., ZevKR 2002, 449; J. Oebbecke, DVBl 1996, 336; L. Renck, DÖV 1994, 27.
V. Weitere Fragenkreise
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der RU religionskundlich orientiert. Die Niederlande kennen ein Fach „Geistige Zeitströmungen“, über dessen Ausgestaltung örtlich, ohne Einbeziehung von Staat oder Religionsgemeinschaften, entschieden wird. b) Staatlicher Konfessionsunterricht ist aber auch nach dem religionsrechtlichen 288 System des GG keineswegs selbstverständlich. Denn er bedeutet jeweils eine teilweise Identifikation des ansonsten „religiös blinden“ Staats mit einer religiösen Konfession, eine organisatorische Verquickung, die das Gebot der institutionellen Trennung von Staat und Religion (§ 9 II 4) ansonsten im Grundsatz verbietet. RU ist nur möglich, weil und soweit Art. 7 GG das ausdrücklich so regelt: eine entscheidende Voraussetzung des Verfassungskompromisses von 1949. Art. 7 III GG macht den staatlichen Religionsunterricht zum schulischen Pflichtprogramm, soweit die jeweilige Schule nicht „bekenntnisfrei“ ist. Die schwierige Streitfrage, ob in den neuen Bundesländern Art. 141 GG auch außerhalb Berlins anwendbar, RU nach Art. 7 III GG daher nicht verpflichtend ist, ist mangels Entscheidung des BVerfG nach wie vor ungeklärt. Die Klausel betreffend die bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen (s. o. 1 b) ist zumindest praktisch ohne Bedeutung, da es solche Schulen bisher nicht gibt (abgesehen vom Sonderfall Brandenburg). Es spricht aber vieles, insb. der Wortlaut des Art. 7 III 1 GG, dafür, dass selbst innerhalb des Art. 7 GG – entgegen der ganz h. M. – der RU zumindest in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht der Normalfall, sondern lediglich eine von zwei Optionen ist (s. näher oben 1 b). Diese neue Sichtweise hat zwar derzeit nur theoretische Bedeutung, reduziert aber das verfassungsrechtlich-religionspolitische Gewicht des RU. c) RU i. S. des Art. 7 III GG ist ein Unterricht, der von Trägern der öffentlichen 289 Hand nach rechtsstaatlichen Prinzipien verantwortet wird und der staatlichen Schulhoheit (Art. 7 I GG) unterliegt. Da das Schulwesen Ländersache ist, müssen der Staat bzw. die öffentliche Hand im Rahmen des Landesrechts die Religionslehrer ausbilden, bestellen und besolden und haben auch die sonstigen Unterrichtskosten zu übernehmen. Die normalerweise umfassenden Befugnisse der Schulhoheit sind beim RU aber in besonderer Weise beschränkt. Das ergibt sich zum einen aus der Übereinstimmungsklausel (Art. 7 III 2 GG), der zufolge die RG wesentlich an der Durchführung des RU beteiligt werden müssen. Der RU ist daher ein klassisches Beispiel für eine gemeinsame Angelegenheit zwischen Staat und RG: das GG hat hier ausdrücklich eine Ausnahme72 vom Trennungsgebot (Art. 137 I WRV/140 GG) angeordnet. Zum anderen ist der RU zwingend als „ordentliches Lehrfach“ auszugestalten, d. h. gleichberechtigt im Fächerkanon. In ihm sind die bürgerlichen Grundrechte der Schüler, Eltern und Lehrer sowie die unverzichtbaren Prinzipien des Verfassungsrechts zu beachten, aber auch der Umstand, dass für die RG intern die staatlichen Grundrechte nicht gelten. Der Staat kann organisatorische Mindestanforderungen stellen, etwa betreffend 290 die Größe der jeweiligen RG, die formale Eignung der einzusetzenden Lehrer, die Mindestschülerzahl und die Wochenstundenzahl. Der öffentliche Schulträger ist 72
Ebenso BVerwGE 107, 75 (Ethikunterricht), Gründe III 3.3.
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Veranstalter des RU und trägt sämtliche damit verbundenen sachlichen und personellen Kosten73. Die inhaltliche Ausgestaltung ist nach der Übereinstimmungsklausel des Art. 7 III 2 GG im Wesentlichen Sache der jeweiligen RG. Daher können die staatlichen Lehrpläne nicht ohne Zustimmung der jeweiligen RG festgelegt werden. Alle Religionslehrer bedürfen einer von der RG zu erteilenden Lehrbefugnis (katholisch: missio canonica, evangelisch: Vokation). Inhaltlich geht es um eine Glaubensunterweisung, aber auch um sonstige Wissensvermittlung („Unterricht“), etwa Religionskunde, allerdings (anders als in einem korrekt „neutral“ erteilten EU usw.) auf der Basis und im Verständnis der jeweiligen Glaubensrichtung. Nach seiner ursprünglichen Intention bedeutet RU in erster Linie die Vermittlung von Glaubenslehren (so das BVerfG74), während diese beim heutigen RU der großen Kirchen in der Praxis im Hinblick auf die oft geringe Akzeptanz bei den Schülern seit Jahrzehnten zugunsten ethischer, lebensweltlicher und religionskundlicher Fragen immer mehr zurücktreten. Die RG entscheidet allein darüber, ob sie Schüler anderer Konfession am Unterricht teilnehmen lassen will. Insbesondere für den islamischen RU ist die inhaltliche Einschränkung der Verfassungsstaatlichkeit von Bedeutung. Da der RU seine Funktion in einem liberal-pluralistischen Rechtsstaat zu erfüllen hat, darf er nicht zentralen Verfassungsprinzipien widersprechen, etwa die Tötung Glaubensabtrünniger propagieren. Andererseits gehört eine weit verstandene Religionsfreiheit selbst zu den zentralen Verfassungsprinzipien, so dass sich im Einzelnen schwierige Abgrenzungsfragen ergeben können. Obwohl Art. 7 III GG nur für öffentliche Schulen eine Institutsgarantie enthält 291 (Mitwirkung der RG vorausgesetzt), haben die Länder Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Widerspruch dazu sogar die Privatschulen zur Einrichtung von RU verpflichtet, was für Weltanschauungsschulen ohnehin nicht gelten kann (vgl. Art. 7 IV, V GG).75
292 d) Wichtige Besonderheiten des RU ergeben sich aus den Erfordernissen der Religionsfreiheit: Kein Lehrer muss RU erteilen, selbst wenn er der betreffenden Konfession angehört (Art. 7 III 3 GG), und ihm dürfen daraus keine Nachteile entstehen (Art. 33 III GG). Nach Art. 7 II GG entscheiden die Erziehungsberechtigten (frei) über die Teilnahme. Daraus haben die meisten Bundesländer durch Gesetz in Ignorierung des GG eine Teilnahmepflicht für die jeweiligen Religionszugehörigen mit Abmeldeberechtigung gemacht. Ein Teil der Länder hat RU und EU in ein echtes Alternativverhältnis gesetzt. Soweit ggf. eine Abmeldung vom RU gefordert wird, wurde das je nach Landesgesetz sogar formalen Erschwerungen wie Fristen unterworfen und mit der Pflicht beschwert, ersatzweise einen Unterricht (Ethikunterricht usw., s. unten 3) zu besuchen, ggf. eine Prüfung über den bisherigen (noch nicht besuchten) EU abzulegen. Oft wird eine religiöse Be73
74 75
1999/2000: ca. 2,7 Mrd. DM, Zahl mit weiteren Detailangaben bei C. Frerk, Finanzen und Vermögen, 2002, 208 ff. BVerfGE 74, 244 (Grundsatzentscheidung RU). Krit. hierzu auch v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 213, Fn. 22 und C. Link, HdbStKirchR, 2. A. 1995, 439 (468 f., Fn. 124).
V. Weitere Fragenkreise
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gründung der Abmeldung (wichtiger Grund) während des Jahres gefordert, was sicher GG-widrig ist. Ob sich diese Bestimmungen in der Praxis ohne weiteres durchsetzen lassen, ist eine andere Frage. Schüler sind nach § 5 RKEG (1921; Fortgeltung gem. Art. 125 Nr. 1 GG als Bundesrecht; s. Anhang 4) mit 14 Jahren religionsmündig und können sich dann auch ohne Erziehungsberechtigte abmelden bzw. gegenüber dem Staat den „Kirchenaustritt“ erklären (s. aber unten f). Jedenfalls ist der RU gem. GG kein Pflichtfach, wie meist behauptet wird, son- 293 dern ein Wahlfach, das freilich zum schulischen Pflichtangebot gehört. Er ist nach Art. 7 II, III GG ein religionsfreundliches Zusatzangebot zum normalen Schulprogramm, von dem Eltern bzw. Schüler Gebrauch machen können oder auch nicht. e) Die gelegentlichen Behauptungen, es gebe ein individuelles Grundrecht auf RU, 294 erscheinen abwegig.76 Einen Rechtsanspruch können nur RG und WG haben, wenn im jeweiligen Land Art. 7 III GG gilt und wenn sie die (GG-konformen) landesrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. f) Wenig bekannt sind die ungewöhnlichen Sonderregelungen über die Religionsmündigkeit 295 beim RU in Bayern und dem Saarland (bis 1991 auch in Rheinland-Pfalz). Die dort schon vor dem GG vorhandenen Landesverfassungen weichen hinsichtlich des Religionsunterrichts von der 14-Jahre-Regelung des § 5 RKEG (s. o.) ab und verlangen die Vollendung des 18. Lebensjahres (Art. 137 I BayVerf, Art. 29 II 3 SaarlVerf). Die Gültigkeit dieser Vorschriften ist umstritten.77 Das RKEG gilt zwar (s. o.) unstreitig gem. Art. 125 Nr. 1 GG als Bundesrecht fort und die Gültigkeit der dort auf 14 Jahre festgesetzten an sich umfassenden „Religionsmündigkeit“ ist gesichert. Streitig ist aber, ob die Sonderregelungen der genannten Landesverfassungen gem. Art. 125 Nr. 2 GG als partielles Bundesrecht fortgelten und den Art. 5 RKEG wirksam abgeändert haben und ob sie nicht durch spätere anderweitige Rechtsänderungen obsolet geworden sind. Eine gerichtliche Klärung ist nicht erfolgt. Zumindest in Bayern hält man offiziell die irreal wirkende 18-Jahre-Grenze aufrecht, die sonderbarerweise sogar „kirchliche Handlungen und Feierlichkeiten“ mit umfasst. Über 14 Jahre alte Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen wollen, aber nicht die Zustimmung beider Eltern erhalten, müssten daher zur Vermeidung langwieriger Auseinandersetzungen notfalls gem. Art. 5 RKEG aus der Kirche „austreten“, da sie dann automatisch nicht am Religionsunterricht teilnehmen.
g) Art. 7 II, III GG regelt ausdrücklich nur den „Religionsunterricht“. Dennoch ist 296 sich die Rechtsliteratur heute weitgehend darin einig, dass Weltanschauungsgemeinschaften wegen Art. 4 I GG und Art. 137 VII WRV/140 GG auch hier genau so zu behandeln sind wie Religionsgemeinschaften.78 Praktisch geworden ist ein Weltanschauungsunterricht bisher aber nicht im Rahmen des Art. 7 III GG, 76
77
78
Vgl. die Kritik von L. Renck, NJ 2000, 393 (395 f.); ders., ZRP 2003, 137 (138); s. schon St. Korioth, NVwZ 1997, 1041 (1045 f.). Zum Ganzen krit. D. C. Umbach, Geiger-FS 1989, 359 ff.; a. A. M. Jestaedt, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 371 (405 ff.). So z. B. neuestens v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 2006, 217; C. Link, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 439 (500); M. Morlok in: H. Dreier, GG, Bd. 3 2000, Rn. 122 zu Art. 137 WRV; J. Oebbecke, DVBl 1996, 336 (339). So auch VerfGBbg LKV 2006, 493.
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sondern in Berlin, wo ebenfalls die „Bremer Klausel“, d. h. Art. 141 GG, gilt, die nach BVerwG auf Ostberlin erstreckt wurde.79 Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD), Landesverband Berlin, bietet bei seit der Wiedervereinigung stark ansteigenden Schülerzahlen einen Unterricht Lebenskunde an. Das ist ein Weltanschauungsunterricht, der 2005/2006 von ca. 41 000 Schülern völlig freiwillig besucht wurde, im Schuljahr 2006/07 bereits von über 42 000. Als Gegenstück zum nichtstaatlichen RU in Brandenburg (Ergebnis des beim BVerfG geschlossenen Prozessvergleichs in Sachen LER, s. unten) möchte der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg seinerseits in den Grundschulen einen Weltanschauungsunterricht nach Art des Berliner Lebenskundeunterrichts einführen. Dies wurde aber politisch bekämpft, so dass die Beseitigung der Diskriminierung durch eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts vom 15. 12. 2005 erzwungen werden musste.80 In allen anderen Bundesländern besteht kein Weltanschauungsunterricht und er steht auch nicht zur Debatte.
297 h) Die kirchlich-theologische und religionspädagogische Literatur zum christlichen RU ist
unüberschaubar. Seit Jahrzehnten spricht man von einer Krise des RU, der aber als wertevermittelnde Institution für staatspolitisch unverzichtbar erklärt wird. Wertevermittlung durch andere Fächer (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde, Ethik, Werte und Normen, Praktische Philosophie) wird aber bekämpft, sofern dadurch der RU wegen der Teilnahmefreiheit (Art. 7 II GG) ein zusätzlicher wäre. Die Akzeptanz des staatlichen RU schwindet ungeachtet des in allen Flächenstaaten etablierten Ethikunterrichts (EU) oder vergleichbaren Unterrichts seit langem je nach Örtlichkeit weiter. Der religiöse Bildungsstand ist trotz langjährigen RU mit Versetzungserheblichkeit meist beklagenswert gering. In der gymnasialen Oberstufe machen die Schüler die Frage des Besuchs von RU oder EU vielfach von praktisch-persönlichen Erwägungen abhängig (Auswirkung auf Abiturnoten, Persönlichkeit des Lehrers, Vormittags- oder Nachmittagsunterricht). Nach einer repräsentativen Befragung des Zentrums für empirisch-pädagogische Forschung (zepf) der Universität Koblenz-Landau von 2005 würden 48 % der Befragten auf das Schulfach Religion verzichten (trotz massiven Einsatzes der Kirchen und großer Teile der Politik für den RU), um Deutsch und Mathematik aufzuwerten. Nur je 15 % waren es bei Kunst und Philosophie.81 Sie sind offenbar nicht der Meinung mancher kirchennaher Juristen, denen zufolge eine neue Legitimierung des RU darin besteht, dass er „der Ort der gerade im säkularen Staat unverzichtbaren religiös-sittlichen Erziehung“ und Konfrontation mit anderen Ansichten ist82, als ob ethische und religiös-weltanschauliche Unterrichtung in einem integrativen Pflichtunterricht für alle Schüler nicht möglich bzw. wünschenswert wäre.
79 80
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82
BVerwGE 110, 326 (Islamischer RU Berlin). VerfGBbg LKV 2006, 218, U. v. 15. 12. 2005 – VfGBbg 287/03 (LebenskundeEntscheidung; LS 3: „Lässt der Staat Religionsunterricht einfachgesetzlich zu, berechtigt ihn Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz nicht, Weltanschauungsgemeinschaften die Erteilung von Weltanschauungsunterricht auf Grund ihrer Eigenschaft als Weltanschauungsgemeinschaft zu versagen.“). DIE ZEIT 24. 2. 2005; weitere zahlreiche Details bei www.fowid.de (Datenarchiv: Staat und Kirche: Religionsunterricht, Stellenwert, 2003; Grafiken und Tabellen). So z. B. v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 2006, 219.
V. Weitere Fragenkreise
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3. Ethikunterricht, Praktische Philosophie, Werte und Normen a) Die damit angesprochene Problematik des Ethik-Pflicht-Unterrichts hängt eng 298 mit dem RU zusammen. Mittlerweile ist in fast allen westdeutschen Flächenstaaten zwangsweise ein EU an die Stelle des ggf. von Schülern und Eltern nicht gewünschten RU getreten, mit z. T. anderen Bezeichnungen und Modifikationen der Lehrinhalte (Praktische Philosophie, Werte und Normen). Die neuen Bundesländer führten mit Ausnahme von Brandenburg Ethik als Alternativfach bzw. Ersatzfach zum RU ein. In Bayern schreibt die Verfassung seit 1946 in Art. 137 II einen „Unterricht über die all- 299 gemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit“ vor, und zwar ausdrücklich nur „für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen“. Die erforderliche kritische Masse für einen solchen Unterricht war jedoch lange nicht vorhanden. Das änderte sich schlagartig gegen Ende der 1960er Jahre. Hierzu der damalige Kultusminister Hans Maier: „Die Abmeldungen vom Religionsunterricht nahmen erheblich zu, mit steigender Tendenz. Die Schulpolitik musste auf diese neue Lage reagieren.“83 Daher wurde, beginnend 1972 in Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, nach und nach in den übrigen alten Bundesländern ein Fach Ethik oder ein ähnliches Fach eingeführt. Während in Hamburg EU und RU Wahlpflichtfächer sind, zielt der EU oder vergleichbare Unterricht in den übrigen Ländern normativ ausdrücklich nur auf solche Schüler, die nicht an einem staatlichen RU teilnahmen. Er war daher „Ersatzunterricht“. In Berlin und Bremen gab es, bei anderer Verfassungsrechtslage (s. o.) keinen staatlichen RU. 1997 begann man in Nordrhein-Westfalen mit dem Ersatzfach „Praktische Philosophie“, und seit 1998 wird in Bremen das Pflichtfach „Philosophie“ statt Biblischer Geschichtsunterricht nach Bremer Recht unterrichtet. Die Einrichtung der – vereinfachend – hier EU genannten Fächer erfasst oft nur bestimmte Schularten und Jahrgangsstufen und ist auch nicht immer flächendeckend.
Trotz zunehmender Frequentierung des EU war und ist sein Besuch vielfach er- 300 schwert durch Nachmittagsunterricht. Reguläre Studiengänge für Ethiklehrer gab es bis vor kurzem trotz der Wertbezogenheit des anspruchsvollen Fachs nirgendwo. Im Ergebnis hielt man das Fach für Lehrer und Schüler so relativ unattraktiv wie möglich. Ein Hindernis für eine bessere Etablierung des EU ist auch die bemerkenswerte Übung einiger Bundesländer, wegen (privaten) RU, der von Religionsgemeinschaften außerschulisch erteilt wird, ohne gesetzliche Grundlage und somit formal rechtswidrig vom Besuch des staatlichen EU zu befreien. In der gymnasialen Oberstufe erfreut sich das Fach EU aber relativer Beliebtheit. b) Die Vereinbarkeit der Ersatzfachkonstruktion des EU mit dem GG wurde ins- 301 besondere seit einem 1992 von Ludwig Renck veröffentlichten Aufsatz von einer juristischen Minderheit in Zweifel gezogen.84 Die oppositionelle Meinung argumentiert im Wesentlichen mit Art. 7 II, 4 I GG (freie, nicht sanktionierte Entscheidung über die Teilnahme am RU; RU nur als Angebot; keine Religionspflicht, keine Ersatzpflicht; keine Vergleichbarkeit der Fächer) und mit Art. 3 III 83 84
Näher zur Geschichte des Fachs Ethik H. Maier, in: Hollerbach-FS 2001, 737. L. Renck, BayVBl 1992, 519 (Initialaufsatz); J. Bader, NVwZ 1998, 256; G. Czermak, NVwZ 1996, 450; Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge, 2000, S. 215 ff.
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GG (unzulässige Verknüpfung des EU mit einem religionsrechtlichen Sachverhalt), die selbst von einem Gegner dieser Ansicht als „nicht leicht zu widerlegen“ eingestuft wurde.85 In der Justiz nahm einzig das VG Hannover die Kritik 1997 mit Vorlagebeschluss zum BVerfG gem. Art. 100 I GG intensiv und zustimmend auf.86 Dennoch hat das BVerfG die sorgfältig begründete Richtervorlage des VG Hannover für unzulässig erklärt. Es sieht so aus, als ob das BVerfG eine Sachprüfung unbedingt vermeiden wollte. Das BVerwG hat in seinem bekannten Urteil vom 17. 6. 1998, das (nicht nur nach Ansicht seiner Gegner) erstaunliche rechtliche Schwächen aufweist, die Kritik nur insoweit aufgenommen, als es die qualitative Gleichwertigkeit des EU mit RU forderte, da sonst keine Abmeldefreiheit (Art. 7 II GG) bestehe. Die grundsätzliche inhaltliche Zulässigkeit eines religiösweltanschaulich neutralen EU wurde hier wie auch in nahezu der gesamten bisherigen Debatte nicht in Zweifel gezogen.87 Demgegenüber hatte der italienische Verfassungsgerichtshof am 12. 4. 1989 entschieden, ein obligatorischer Alternativunterricht stelle eine „offensichtliche Diskriminierung“ derer dar, die sich gegen den RU entschieden haben. Es werde die Entscheidungsfreiheit über die Teilnahme am RU betroffen. Zu einer so einfachen Erkenntnis waren deutsche Gerichte nicht in der Lage.
302 c) Die Entscheidung des BVerwG hatte wenigstens zur Folge, dass die Länder seitdem ge-
halten sind, eine dem RU gleichwertige Lehrerausbildung zu schaffen und damit einer langjährigen Forderung der Verbände der Ethiklehrer zu entsprechen. Daher hat z. B. in Bayern 2002 – erstmals nach dreißig Jahren – ein Studiengang für Ethiklehrer begonnen. Dass damit allmählich eine abschließende Ruhe bezüglich der Problematik des EU einkehrt, ist freilich nicht zu erwarten. Obwohl EU für Schüler geschaffen wurde, die sich vom RU abgemeldet haben bzw. die Abmeldung beabsichtigen oder keiner Konfession angehören (daher die fragwürdige Befreiung vom staatlichen EU bei Besuch eines außerschulischprivaten RU), werden deren Interessen nicht nur in Bayern nicht oder kaum berücksichtigt. Das ergibt sich etwa aus den detaillierten, mit den Kirchen (!) abgestimmten bayerischen EU-Lehrplänen. Diese sehen eine eingehende Berücksichtigung nichtchristlicher Religionen vor, während das humanistisch-aufklärerische Gedankengut bzw. naturalistischwissenschaftliche Weltbild mit seiner enormen Bedeutung für die europäische Kultur einschließlich seiner bedeutenden Denker systematisch und nahezu vollständig ausgeblendet wird. Entsprechendes scheint auch für die neuen Studiengänge zu gelten, an deren Ausarbeitung humanistischer Sachverstand nicht beteiligt wurde. Von einer religiös-weltanschaulich neutralen Lehrplangestaltung kann, entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Verbot einseitiger ideologischer Einflussnahmen (Glaubensfreiheit), nur begrenzt die Rede sein. Entgegen ministerieller Weisung werden zumindest in Bayern immer wieder Religionslehrer auch als Ethiklehrer eingesetzt, und vielfach scheint der EU in der Praxis eine Art verdünnter RU mit christlicher Ausrichtung zu sein, was zu entsprechenden Beschwerden führt. In Bayern lautete 2001 ein Abiturthema im Fach Ethik „Freiheit und Determination aus Sicht der katholischen Kirche“. Im „ungläubigen“ Sachsen scheint die religiöse Tendenz des EU ausweislich der Lehrpläne besonders ausgeprägt zu sein.88 85 86 87 88
D. Heckmann, JuS 1999, 228 (233). VG Hannover NVwZ 1998, 316. BVerwGE 107, 75 = NJW 1999,769 (Ethikunterricht in Baden-Württemberg). Diese schwer dokumentierbare Problematik bedürfte näherer Untersuchung.
V. Weitere Fragenkreise
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4. Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER – Brandenburg) und Werteunterricht in Berlin a) Zu den meistdiskutierten Schulfragen gehört seit der Wiedervereinigung das 303 Brandenburger Schulfach LER, das 1996 für die Jahrgangsstufen 7–10 nach und nach eingeführt wurde. Im Jahr 2005 besuchten diesen Unterricht etwa 75 000 Schüler. An der Idee dieses neuen Unterrichtsfachs, seiner Entwicklung und Etablierung waren z. T. auch bekannte christliche Persönlichkeiten beteiligt. Es ging darum, eine angemessene Reaktion auf die in der DDR entstandenen Defizite zu geben. Noch im Mai 1990 sah die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen der DDR 304 keinen Bedarf für einen staatlichen RU und plädierte für einen allgemeinen Ethikunterricht (EU). Pluralität von Kulturen und Meinungen sollte jetzt endlich nicht als Bedrohung, sondern als Chance begriffen werden. Von Anfang an waren die Kirchen in die Diskussion um LER eingebunden und war nur ein religiös-weltanschaulich neutraler Unterricht wie der EU in den westlichen Ländern vorgesehen. Die Ermöglichung eines zwar kirchlichen, aber staatlich geförderten RU in Schulräumen stellte man in Aussicht. Auf massiven Druck der Kirchen und des Ministerpräsidenten Stolpe wurde schließlich das von SPD und PDS getragene Konzept eines alle Schüler erfassenden integrativen staatlichen Pflichtunterrichts verwässert, ja fast in sein Gegenteil verkehrt durch eine Befreiungsklausel, die beim Besuch eines außerstaatlichen (!), von der Kirche getragenen RU greifen sollte. Die Debatte wurde jahrelang, sogar in Westdeutschland, politisch und publizistisch mit großer Leidenschaft geführt. Die kulturkampfartigen Auswüchse dieser Debatte gipfelten in einem (historisch außergewöhnlichen) Beschluss des Bundestags vom 15. 3. 199689, in dem die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP den brandenburgischen Landtag im Hinblick auf dessen im Schulgesetz-Entwurf angeblich enthaltenes „bundesunfreundliche Verhalten“ aufforderten, den Gesetzentwurf abzulehnen oder dahingehend zu ändern, dass der RU als ordentliches Lehrfach angeboten wird.
b) In dem nach intensiver wissenschaftlicher Vorbereitung sowie umfangreicher 305 schulpraktischer Erprobung schließlich 1996 beschlossenen Gesetzestext90 heißt es in § 11: „(2) … Das Fach dient der Vermittlung von Grundlagen für eine wertorientierte Lebensgestaltung, von Wissen über Traditionen philosophischer Ethik und Grundsätzen ethischer Urteilsbildung sowie über Religionen und Weltanschauungen. (3) Das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde wird bekenntnisfrei, religiös und weltanschaulich neutral unterrichtet. Die Eltern werden über Ziele, Inhalte und Formen des Unterrichts … rechtzeitig und umfassend informiert. Gegenüber der religiösen oder weltanschaulichen Gebundenheit von Schülerinnen und Schülern ist Offenheit und Toleranz zu wahren.“
Ein solches Fach war bisher – in Form eines neutralen Ersatzfachs – in den 306 westlichen Bundesländern gerade von kirchlich-konservativen Kreisen unter Betonung des allgemeinen Erfordernisses der Wertevermittlung besonders erwünscht 89 90
BT-Protokoll 13. Wahlperiode, 96. Sitzung, 15. 3. 1996, S. 8539–8565. BbgGVBl. I, 101 ff. vom 12. 4. 1996.
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gewesen. Nunmehr führte gerade eine solche Regelung nicht zu Anerkennung, sondern zu bemerkenswert heftigen politischen und verfassungsrechtlichen Attacken.91 Wichtige juristische Exponenten der LER-Gegner haben kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes diesem in einem Landtagshearing noch inhaltliche Verfassungsmäßigkeit bescheinigt, hiervon aber zu Recht die das Konzept aushöhlende Befreiungsklausel (jetzt § 141 des Gesetzes) ausgenommen. Das BVerwG hat in seinem EU-Urteil von 199892 trotz seiner offensichtlichen Kirchenfreundlichkeit ausdrücklich erklärt, ein solcher Unterricht könne (wie jedes andere Fach, ausgenommen Art. 7 III GG) auch ohne Befreiungsmöglichkeit erteilt werden. Aus dieser rechtlichen Sicht sind daher die gegen LER erhobenen Verfassungsbeschwerden unverständlich, und auch der 1. Senat des BVerfG hat das ausweislich seines ungewöhnlichen, erkennbar äußerst kirchenfreundlichen Vergleichsvorschlags vom 11. 12. 2001 wohl so gesehen.93 Die Frage, ob staatlicher RU auch in Brandenburg zum Pflichtangebot gehören muss (Problematik Art. 7 III/141 GG und Bekenntnisfreie Schulen, s. oben V 1 b), ist von der Verfassungsmäßigkeit von LER im Übrigen ganz unabhängig. Der mittlerweile in Gesetzesform umgesetzte Vergleichsvorschlag verschafft der evangelischen Kirche in jeder Hinsicht ein Optimum an „Kirche in der Schule“, auch bezüglich des Einsatzes staatlicher Lehrer, der Anrechnung auf die staatliche Pflichtstundenzahl und der Integrierung in den Stundenplan. Ein Unterschied zu einem auch formal staatlichen Unterricht ist fast nicht zu erkennen.94
307 c) Nicht zu verwechseln mit dem staatlichen LER (ab Jahrgangsstufe 7) ist der vom Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg gerichtlich durchgesetzte nichtstaatliche Weltanschauungsunterricht entsprechend dem Berliner Lebenskundeunterricht (s. o. V 2 g) als Pendant zum nichtstaatlichen RU (bis Jahrgangsstufe sechs). 308 d) Ebenfalls außergewöhnlich heftige Auseinandersetzungen und Kritik auch seitens der Bundes-SPD gab es um das nunmehr eingerichtete allgemeine Wertefach in Berlin, das mit § 12 VI SchulG (Geltung ab 1. 8. 2006) für die Jahrgangstufen 7–10 ohne Befreiungsmöglichkeit mit dem Namen „Ethik“ eingeführt wurde.95 Das Fach ist im Gesetz genau beschrieben und trägt der besonderen multikulturellen Situation Berlins Rechnung. 91
92 93
94 95
So schon Marianne Birthler, in: C. Scheilke/F. Schweitzer (Hrsg.), Religion, Ethik, Schule, Münster u. a. 1999, 71 (mit zahlreichen Einzelheiten zur LER-Debatte, wobei die Protestantin insb. der Führung der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg heftige Vorwürfe macht). BVerwGE 107, 75 (Ethikunterricht). BVerfGE 106, 210 = NVwZ 2002, 980, B. v. 11. 12. 2001 (Vergleichsbeschluss zum LER-Verfahren). Ansonsten zu Recht krit. hierzu L. Renck, ZRP 2002, 316: Das Vorgehen des Gerichts stelle dieses in ein Zwielicht. BbgSchulG, Fassung vom 10. 7. 2002, GVBl. I Nr. 6 vom 11. 7. 2002, S. 55. Dazu bestätigend BVerfG, B. v. 15. 3. 2007 – 1 BvR 2780/06. Zusammenfassend zum Berliner staatlichen Ethikunterricht L. Renck, NJ 2006, 493.
V. Weitere Fragenkreise
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5. Islam und Schule a) Allgemeines Für die islamische Religion gelten natürlich keine besonderen verfassungsrecht- 309 lichen Regeln, aber sie wirft eine Reihe besonderer schulrechtlicher Fragen auf, die Gegenstand einer außerordentlich umfangreichen Literatur wurden.96 Zu den Fragen der Befreiung von schulischen Veranstaltungen, insb. vom Sportunterricht, wurde oben unter III 2 d eingegangen. Besondere Probleme wirft auch der von vielen islamischen Vereinigungen seit langem angestrebte staatliche Religionsunterricht auf. Er konnte bisher (abgesehen von verschiedenen Schulversuchen) noch nicht eingerichtet werden, weil Art. 7 III GG mit seiner Berücksichtigungsklausel für den Staat einen eindeutigen Gesprächspartner verlangt, der verbindliche Entscheidungen zu Unterrichtsinhalten treffen kann. Solche Partner sind auf islamischer Seite wegen der fehlenden kirchenähnlichen Organisation und Zersplitterung noch kaum vorhanden und auf Verbandsebene gibt es schwierige mitgliedschaftsrechtliche Fragen (z. B. Mehrstufigkeit von Verbänden).97 Es existiert schon eine Reihe von auch obergerichtlichen (bisher im Ergebnis negativen) Entscheidungen.98 Seit langem gibt es allerdings in einigen Bundesländern eine islamische religiöse Unterweisung, meist nach türkischen Lehrplänen. Auf die dadurch entstandene rechtliche und rechtspolitische Problematik (islamistische Beeinflussung durch türkische Imame) sei hier nur hingewiesen. Am Ende könnten sich die inhaltlichen Probleme des staatlichen islamischen RU (Verfassungstreue) als schwieriger erweisen als die organisationsrechtlichen.99 b) Das Islamische Kopftuch aa) Zu den heftig diskutierten rechtspolitischen und juristischen Fragen der letzten 310 Jahre gehört auch das Islamische Kopftuch, und zwar insbesondere nach der einschlägigen Entscheidung des BVerfG vom 24. 9. 2003.100 Bei der Beurteilung des von einer muslimischen Lehrerin im Staatsdienst getragenen Kopftuchs geht es zunächst um Empfindlichkeiten, Vorurteile, Religion, Politik, Geschlechterverhältnis und kulturelle Differenzen. Es geht aber auch um das Selbstverständnis des säkularen, freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats. Auffällig an den 96
Zusammenfassend H. Jochum, in: A. Haratsch/N. Janz u. a. (Hrsg.), 2001, 101 ff. Zum Ganzen W. Bock (Hrsg.), Islamischer Religionsunterricht? Rechtsfragen, Länderberichte, Hintergründe, 2. A. 2007; M. Stock, NVwZ 2004, 1399 und St. Muckel, JZ 2001, 58; zu alternativen Organisationsformen M. Heimann, DÖV 2003, 238. 98 Wichtig BVerwGE 123, 49, U. v. 23. 2. 2005 (Islam als Religionsgemeinschaft); BVerwGE 110, 326 zur Sondersituation des RU in Berlin. 99 H. M. Heimann, in: A. Haratsch/N. Janz u. a. (Hrsg.), 2001, 81 ff.; H. Jochum, ebenda S. 101 (115 ff.); s. zur Überwindbarkeit dieser Probleme auch M. Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, 1. und 2. A. 2001 (Herder spektrum). 100 BVerfGE 108, 282 (Islamisches Kopftuch; bemerkenswert emotional das Sondervotum dreier Richter). 97
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Debatten und gesetzgeberischen Reaktionen war die unterschiedliche Behandlung von Kreuz und Kopftuch als ideologische Gegenstücke: Während das (vom Staat veranlasste) Schulkreuz angeblich nicht im Konflikt mit der religiös-weltanschaulichen Neutralität steht, sei das (von einem Individuum getragene und ggf. erläuterte) Kopftuch stets untragbar neutralitätswidrig. Gegen das Urteil polemisierten selbst liberale Kreise sowie feministische Zirkel, die im islamischen Kopftuch ausschließlich ein fundamentalistisches, wenn nicht islamistisches Symbol zu sehen vermochten. Die Fronten verliefen quer und auch im juristischen Bereich101 etwas chaotisch.
311 bb) Das BVerfG hatte zu berücksichtigen, dass weder das religiöse Motiv, noch die Verfassungstreue der (seit Jahren unterrichtenden) Lehramtsbewerberin Fereshta Ludin von den Schulbehörden, den drei vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Instanzen und dem Prozessvertreter des Landes vor dem BVerfG in Zweifel gezogen worden war.102 Bei dieser Ausgangslage ging es um die beamtenrechtlich erforderliche persönliche Eignung i. S. des Art 33 II GG, die nach Art. 33 III GG unabhängig vom religiös-weltanschaulichen Bekenntnis ist. Das Problem besteht darin, dass sich Beamte in ihrem Grundstatus zwar grundsätzlich auf ihre Grundrechte berufen können (unstreitig), aber andererseits zu den Beamtenpflichten die Wahrung der religiös-weltanschaulichen Neutralität gehört und Schüler bzw. Eltern einen grundrechtlichen Anspruch haben, nicht durch Verhaltensweisen, die dem Staat zuzurechnen sind, gezielt beeinflusst zu werden. Der Interpretation des Kopftuchs kommt daher für die Feststellung der konkreten Schranken der Religionsfreiheit der Lehrerin und die beamtenrechtliche Einstellungsprognose entscheidende Bedeutung zu. Dabei kam das BVerfG nach Anhörung von Sachverständigen zu dem klaren Ergebnis, das islamische Kopftuch sei objektiv mehrdeutig. Es könne nicht als solches unzulässig beeinflussen, sondern nur in Verbindung mit einem – hier nicht feststellbaren – kritikwürdigen Gesamtverhalten der Trägerin. 312 cc) Ein Großteil der Entrüstung über diese Entscheidung beruht auf einer Absolutsetzung der Deutung des Islamischen Kopftuchs mit islamistischer Gesinnung, verbunden mit einer GG-widrigen Unterwerfung der Frauen, Art. 3 II GG. Aus Raumgründen kann hier nur betont werden, dass es jeweils eine größere Zahl von Gründen gibt, die rechtspolitisch und rechtlich für bzw. gegen das Kopftuch ins Feld geführt werden. Für das Kopftuch kann sprechen: es kann eine wichtige Hilfe auf dem Weg zwischen zwei Kulturen sein, da es eine Bindung an die Herkunftskultur dokumentiert und somit Halt gibt (Schutz vor Identitätsverlust); es kann auch als ein Zeichen der Emanzipation und keineswegs der Frauenunterdrückung verstanden werden, wenn es um Frauen geht, die sich im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der Herkunftskultur einen eigenen Beruf und damit die Möglichkeit 101
S. Baer/M. Wrase, DÖV 2005, 243 (244), sprechen von 80–100 Fachpublikationen seit 1998. 102 Vgl. BVerwGE 116, 359 (1. Kopftuchentscheidung), zuvor VGH Mannheim NJW 2001, 2899 und VG Stuttgart NVwZ 2000, 959.
V. Weitere Fragenkreise
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einer unabhängigen Existenz erkämpft haben. Solche Sichtweisen103 mögen insbesondere für das türkische Berlin mit seinen starken islamistischen und patriarchalen Tendenzen auch schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG weitgehend illusorisch gewesen sein. Sie durften aber nicht für das Bundesgebiet rigoros verallgemeinert werden. Die objektive Mehrdeutigkeit des „Islamischen“ Kopftuchs bedeutet, dass die jeweilige Trägerin an Ihrem Gesamtverhalten zu messen ist. Wenn dieses nicht als Verstoß gegen das Neutralitätsgebot zu werten ist, bedarf ein generelles Verbot des Kopftuchs nach der Wesentlichkeitslehre und der plausiblen Ansicht des BVerfG eines parlamentarischen Gesetzes104, das in Baden-Württemberg für den Streitfall fehlte. Die Möglichkeit unterschiedlicher Landesgesetze ist eine selbstverständliche Folge der schulrechtlichen Landeskompetenz. Die vielgescholtene Entscheidung des BVerfG ist somit in sich konsistent und in keiner Weise revolutionär. dd) Die Bundesländer haben in der Kopftuchfrage unterschiedlich reagiert. Zuerst 313 erließ Baden-Württemberg am 1. 4. 2004 ein „Anti-Kopftuch-Gesetz“105, das freilich (wie auch die folgenden Gesetze anderer Länder) nur allgemein Fragen des Verhaltens und der religiös-weltanschaulichen Kleidung von Lehrern und zur ideologischen Neutralität behandelt. Der im Gesetzestext deutlich zum Ausdruck gekommene politische Hauptzweck der Regelung ist die Erhaltung der christlichen Dominanz in der Schule.106 Die Gesetzesformulierungen sind ansonsten recht unklar, vermeiden den (ohnehin schon mehrdeutigen) Begriff „(Islamisches) Kopftuch“ und eignen sich gut dazu, weiteren Rechtsstreit zu provozieren. 103
Aufschlussreich ist die nicht-islamistische „Initiative ‚Mein Kopftuch‘“, http://www. meinkopftuch.org/index.html. 104 Z. B. BVerfGE 83, 130 (142). 105 BaWüGBl. 2004, 178; s. im Übrigen die Textdokumentationen bei www.uni-trier.de, FB Rechtswissenschaft, Institut für Europäisches Verfassungsrecht, Arbeitsmaterialien zum Staatskirchenrecht. 106 § 38 II des SchulG für Baden-Württemberg i. d. F. des G. vom 1. 4. 2004 (GBl. S. 178, Nr. 6) lautet: „Lehrkräfte an öffentlichen Schulen nach § 2 Abs. 1 dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülern oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrkraft gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung der Menschen nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach Artikel 12 Abs. 1, Artikel 15 Abs. 1 und Artikel 16 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1. Das religiöse Neutralitätsgebot des Satzes 1 gilt nicht im Religionsunterricht nach Artikel 18 Satz 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg.“ Ähnlich sind die Neuregelungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen.
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Einen unguten Einfluss auf die nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren übte daher das weitere Urteil des BVerwG von 2004 aus, in dem es die baden-württembergische Neuregelung in verfassungskonformer Auslegung für mit dem GG vereinbar erklärte.107 Dabei gestattete die Neuregelung ausdrücklich die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte“ auch durch Lehrerkleidung („äußere Bekundung“).108 Das neuerliche Urteil des BVerwG konnte – gerade auch wegen der Reibungen dieser Entscheidung mit der des BVerfG – als Signal in Richtung Rechtsbruch verstanden werden. Denn das BVerfG hatte ja eben erst an mehreren Stellen eindeutig die Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen gefordert. Beim BVerwG hatte sogar derselbe Senat noch in seiner o. g. Entscheidung von 2002109 die absolute Notwendigkeit strikter religiös-weltanschaulicher Neutralität anlässlich des Islamischen Kopftuchs mit großer, noch nie dagewesener Eindringlichkeit gefordert. Es wundert daher nicht, dass die in mehreren Bundesländern erlassenen Neuregelungen aus rechtsstaatlicher wie rechtspolitischer Sicht misslungen sind. Eine Ausnahme ist die strikt neutrale Berliner Neuregelung. Insgesamt wird der Streit um das Kopftuch noch lange andauern, wenn die Rspr. weiterhin inkonsequent bleibt.110
315 ee) Bei Schülerinnen gab es bisher kein Kopftuchproblem, weil es keine Bekleidungsvorschriften gibt, in der Schule die offene Neutralität gilt und die Grenze bei der konkreten Störung des Schulfriedens liegt. Das könnte sich ändern, vor allem auf Grund der Entwicklung in Berlin nach dem Kopftuchurteil des BVerfG. Seitdem kommen signifikant mehr Schülerinnen mit Kopftuch in die Schule, sogar im Grundschulalter, in dem aus Gründen der islamischen Religion noch nie ein Gebot der Bedeckung der Haare verlangt wurde. Der islamistische Druck auf türkische Familien ist derart stark geworden, dass Schülerinnen sogar im Schulbereich auf das Tragen des Kopftuchs kontrolliert werden. Die bisherige objektive Mehrdeutigkeit des Kopftuchs scheint sich immer mehr zu einer islamistisch-frauenfeindlichen Bedeutung zu 107
BVerwGE 121, 140, U. v. 24. 6. 2004 (Kopftuch II, Neuregelung Baden-Württemberg); zur Kritik s. S. Baer/M. Wrase, DÖV 2005, 243 und G. Czermak, www.fowid.de/, dort Textarchiv TA-2007-3, 2005. 108 § 38 II des Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes v. 1. 4. 2004, BaWüGBl. 178. 109 BVerwGE 116, 359 (Kopftuch I). 110 Auch zu dieser Frage bemerkenswert BayVerfGH, Popularklageentscheidung vom 15. 1. 2007, Vf. 11-VII-05. Sie betrifft die Einfügung eines Abs. 2 S. 3 vom 26. 7. 2006, GVBl. 2006, 397 in Art. 59 BayEUG, wonach äußere Symbole und Kleidungsstücke mit religiös-weltanschaulich Bedeutung von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden dürfen, sofern sie bei den Schülern oder den Eltern „auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist“. Eine unzulässige Privilegierung des Christentums sah der BayVerfGH nicht. – Interessanterweise hat das VG Stuttgart mit U. v. 7. 7. 2006 – 18 K 3562/05 auf Klage einer muslimischen Lehrerin trotz BVerwGE 121, 140 zu § 38 Abs. 2 BaWüSchulG (neu) eine dienstliche Weisung betreffend ihr Kopftuch aufgehoben, weil Nonnen derzeit ihre Ordenstracht auch noch tragen.
V. Weitere Fragenkreise
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verengen, so dass zumindest in Teilen des Bundesgebiets restriktive Regelungen in Frage kommen könnten. Die längere Zeit in Deutschland tätig gewesene Rechtswissenschaftlerin und Politologin Göztepe hat darauf hingewiesen, dass sich in der Türkei das speziell islamische Kopftuch erst mit dem Aufstieg des politischen Islam ab etwa 1980 etablieren konnte. Damals gelang es der islamistischen Bewegung, junge Frauen durch spezielle Angebote zu integrieren. In der Türkei haben die Kopftuch tragenden und als solche verpönten Studentinnen daher alle einen islamistischen Hintergrund, und ihre erkennbare Emanzipation reicht nicht allzu weit. Der Einfluss dieser türkisch-islamistischen Bewegung auf Deutschland ist unverkennbar.111 Es wird ihm daher auch in der Schule begegnet werden müssen.
111
Vgl. eingehend zu dieser türkischen Problematik E. Göztepe, APuZ 2004, B 33/34, S. 32, Ausblick S. 38.
§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge)
I. Geschichte des Vertragsrechts bis heute Literatur: E. R. Huber/W. Huber (Hrsg.), Staat und Kirche im 19. und 20. Jh., Bde. I–IV, 1973 ff. (Dokumentation); K. Obermayer, in: W. P. Fuchs (Hrsg.), Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, 1966, 166–183 (19. u. 20. Jh.); D. Pirson, Art. Vertragsstaatskirchenrecht, in: EvStL 3. A. 1987, Sp. 3814–3827; L. Schöppe, Konkordate seit 1800, 1964 (Textsammlung); K. Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1 (betr. 1918– 1934), 1977; ders., in: G. Denzler (Hrsg.), Kirche und Staat auf Distanz, 1977, 102.
1. Heutige Ausgangslage Das „Vertragsstaatskirchenrecht“ mit Herausbildung eines weltweit einzigartig 316 dichten Netzes von „Staatskirchenverträgen“ ist ein Spezifikum des rechtstatsächlichen Religions(verfassungs)rechts der Bundesrepublik. Nur mit Religionsgemeinschaften (praktisch fast nur den Kirchen) trifft der Staat derartige Abkommen in oft feierlicher Form, nicht aber mit anderen wichtigen gesellschaftlichen Organisationen. Alexander Hollerbach drückt diese Tatsache mit dem Satz aus: „Das staatskirchenrechtliche System des Grundgesetzes ist ein den Vertrag als Gestaltungsmittel bevorzugendes System sachlich begrenzter Kooperation … “1 Mit Joseph Listl bezeichnet er das bundesrepublikanische System auch als „verfassungs- und vertragsrechtlich begründetes freiheitliches2 Kooperationssystem“.3 Diese tatsächlich richtige Beschreibung bedeutet aber keineswegs, dass das Vertragsrecht auch als wichtiger Systembestandteil des Religionsverfassungsrechts der Bundesrepublik angesehen werden könnte. Denn das GG kennt keine Ermächtigungsnorm zum Abschluss solcher Verträge, verbietet sie aber auch 1 2
3
A. Hollerbach, HStR Bd. 6 (1989), § 138 Rn. 138 und VVDStRL 26 (1968), 57 (101). Ob das Vertragssystem wirklich so freiheitlich ist, wird unten im Zusammenhang mit den Fragen der formalen Vertragsschließung und -umsetzung unter III 3 kritisch diskutiert. A. Hollerbach, a. a. O. Rn. 139 unter Zitierung von J. Listl, HdbKathKR 1983, 1050 (1054).
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§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge)
nicht. Niemand bestreitet ihre grundsätzliche Zulässigkeit. Es stellt sich aber die Frage, aus welchen Gründen andere Staaten, die die Religionsfreiheit ebenfalls achten oder die großen Kirchen sogar ausdrücklich privilegieren, ohne ein vergleichbares Vertragsnetz auskommen. 2. Geschichte bis 1945
317 a) Konkordate mit der katholischen Kirche gibt es schon lange. Im Wormser Konkordat von 1122 zwischen dem deutschen König und dem Papst, dem ersten wichtigen Vertrag zwischen Staat und Kirche, wurde der Investiturstreit über die Ernennung von Bischöfen beendet. Insbesondere seit dem 15. Jh. wurden Konkordate mit Territorialherrschern geschlossen, mit deren Hilfe die Päpste ihre Interessen angesichts der Einbeziehung der kirchlichen Angelegenheiten in die weltliche öffentliche Ordnung besser wahren konnten. Mit dem als Staatsgesetz verkündeten napoleonischen Konkordat von 1801 begann eine neue Konkordatsepoche.4 In ihr ging es nicht mehr vorrangig um den Ausgleich zwischen nationalem und kirchlichem Recht, sondern um Rechtsgarantien für die Kirche in souveränen Staaten. Im deutschen Sprachraum kamen im 19. Jh. nur zwei Konkordate zustande. Das Bayernkonkordat von 1817 war derart prokirchlich, dass die bayerische Regierung es zunächst geheim hielt. Es erkannte der katholischen Religion eine Sonderstellung und eine Dotierung ihrer Bischöfe und Domkapitel zu (wie noch heute), und das Konkordat sollte sogar Vorrang vor dem übrigen Landesrecht haben.5 Der Proteststurm der Protestanten war groß. Das Konkordat hatte allerdings nur zusammen mit dem Religionsedikt von 1818, einem staatlichen Gesetz, Bedeutung. Zwischen beiden bestanden gravierende Widersprüche, die zu einem willkürlichen Staatsverhalten führten. In Österreich, wo das josephinische Staatskirchentum der Kirche bereits einige 318 Zugeständnisse gemacht hatte (z. B. freier Briefverkehr mit Rom), wurde 1855 ein sehr kirchengünstiges Konkordat geschlossen, aber wegen der grundstürzenden Dogmen von 1870 (Unfehlbarkeit, Jurisdiktionsprimat) gekündigt, 1874 gesetzlich aufgehoben und durch eine kirchenfreundliche staatliche Regelung ersetzt. Außerhalb des deutschen Sprachraums gab es Konkordate vor allem in Süd319 europa, Mittel- und Südamerika. 320 b) Eine wichtige Epoche der Staat-Kirche-Verträge begann nach 1918 mit Auswirkungen bis heute. Schrittmacher- und Modellfunktion hatte in der Weimarer Republik das Konkordat mit Bayern (1924), dem die Konkordate mit dem größten Land Preußen (1929) und Baden (1932) folgten. Jeweils anschließend wurden 1924, 1931 bzw. 1932 entsprechende Verträge mit den evangelischen Kirchen (Kirchenverträge) geschlossen, wobei der vom Staat ausgehende Gedanke der Formalparität im Vordergrund stand. Für die Protestanten war das ein Novum, weil erst mit der WRV der Summepiskopat des Landesherrn beseitigt wurde und 4 5
Textsammlung: L. Schöppe, Konkordate seit 1800, 1964. So allerdings noch heute Art. 8 BaWüVerf.
I. Geschichte des Vertragsrechts bis heute
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Vertragsschlüsse möglich waren. Mit diesen Verträgen waren im größten Teil des Reichsgebiets wesentliche Bereiche des traditionellen Staatskirchenrechts vertraglich geregelt. Klaus Scholder erklärte zu dem von Nuntius Pacelli energisch angestrebten (und noch heute mit Fortschreibungen geltenden) Bayernkonkordat von 1924 (das als einziger Landesvertrag auch Schulfragen regelte), es stelle „das günstigste Ergebnis dar, das zwischen der katholischen Kirche und einem modernen liberalen Staat je ausgehandelt wurde“.6 c) Ein weiterer Abschnitt begann 1929 mit den Lateranverträgen, in denen das fa- 321 schistische Italien den 1870 untergegangenen Vatikanstaat neu etablierte, dem Vatikan eine einmalige Geldabfindung gab und die katholische Religion zur einzigen Staatsreligion Italiens erklärte. Die Verträge stellten die Ehe generell unter die kirchliche Gerichtsbarkeit. Die staatlich-politische Sphäre und die kirchliche Sphäre des Glaubens, der Erziehung und Sittlichkeit wurden abgegrenzt: Verbot parteipolitischer Betätigung des Klerus einerseits, kirchlich orientierte Schulvorschriften andererseits. Dem atheistischen Mussolini brachten die Lateranverträge neben dem Abschluss der leidigen „Römischen Frage“ internationales Prestige. d) Die Lateranverträge hatten Musterfunktion für die Nationalsozialisten. Mit den 322 Worten des Kirchenhistorikers Klaus Scholder: „Als Hitler daher wohl schon im März 1933 Rom einen ähnlichen Vertrag anbot, griff die Kurie sofort zu. Dieses Angebot lag so sehr auf der Linie ihrer Abgrenzungs- und Sicherheitspolitik, dass sie kaum anders konnte … “7 Für das NS-Regime war das Reichskonkordat vom 20. 7. 19338 (RK) außenpolitisch von großem Nutzen, und innenpolitisch war es mit der Auflösung von Zentrum und Bayerischer Volkspartei verbunden. Noch nach der Wiedervereinigung 1990 spielte es eine wichtige Rolle in den neuen Bundesländern. Das Reichskonkordat ist mit seinen 34 Artikeln und einem Schlussprotokoll mit 323 14 Zusatzartikeln umfassend angelegt. Es enthielt einen geheimen Anhang, in dem bereits die künftige allgemeine Wehrpflicht (und somit der kommende Krieg) berücksichtigt ist. Vertragsgegenstand waren u. a. die Anforderungen an die Geistlichenausbildung und Modalitäten der Bischofsernennung, der staatliche Treueid der Bischöfe, der Erhalt von Religionsunterricht und theologischen Fakultäten, die Garantie von Bekenntnisschulen, Militär- und Anstaltsseelsorge, der Ausschluss Geistlicher von parteipolitischer Tätigkeit, das sonntägliche Gebet für Volk und Reich. Am Schluss des Hauptteils folgt die Freundschaftsklausel. Kardinal Faulhaber würdigte das RK 1937 in einer Predigt wie folgt: „Zu einer Zeit, da die 6
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K. Scholder, in: G. Denzler (Hrsg.), Kirche und Staat auf Distanz, 1977, 102 (103). Auf diesem Konkordat beruht auch das „Gesetz über die Bezüge der Erzbischöfe, Bischöfe und Mitglieder der Domkapitel sowie über die Zuschüsse zum Personalaufwand des Landeskirchenrats“ v. 7. 4. 1925, GVBl. 1925, 135, heute in: BayRS 2220-3-K (mit Verordnungen), das wegen der Dynamisierung der Gehälter laufend aktualisiert wird. K. Scholder, a. a. O. 103. Aus kirchlicher Sicht handelte es sich um ein „concordatum defensionis“. http://www.uni-trier.de/~ievr/brdreligionsrecht/index.html.
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§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge)
Oberhäupter der Weltreiche in kühler Reserve mehr oder minder voll Mißtrauen dem Deutschen Reich gegenüberstehen, hat die katholische Kirche, die höchste sittliche Macht auf Erden, mit dem Konkordat der neuen deutschen Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen. Für das Ansehen der neuen Regierung im Ausland war das eine Tat von unschätzbarer Tragweite.“9
324 e) Parallel zum Reichskonkordat wurde schon Wochen zuvor ein Konkordat mit Österreich geschlossen (5. 6. 1933), das vom klerikal-autoritären, von Mussolini unterstützten, Putschisten Dollfuß regiert wurde. Auch die Konkordate mit Portugal (1940) und Franco-Spanien (1953) besiegelten eine besonders enge Verbindung von Staat und Kirche. Das frankistische Konkordat stellte einen Höhepunkt der Verschmelzung von Thron und Altar dar, wobei im Kollisionsfall sogar die kirchlichen Postulate Vorrang vor den staatlichen hatten. Hierzu der spanische Jurist Iván Ibán: „Das Konkordat war so prokirchlich, daß es nie vollständig angewendet werden konnte … “.10 3. Staat-Kirche-Verträge in der Bundesrepublik bis 1990
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325 a) Der Begriff „Staatskirchenverträge“ wird meistens als Oberbegriff für Konkordate und (Evangelische) Kirchenverträge benutzt, wobei auch die zwischenzeitlich vereinzelt geschlossenen Abkommen mit kleineren Religionsgemeinschaften (mehrfach mit Israelitischen Kultusgemeinden und ausnahmsweise sogar einer Weltanschauungsgemeinschaft) inbegriffen sind. Konkordate bezeichnet man neuerdings auch als Katholische Kirchenverträge. Die „Staatskirchenverträge“ im weiteren Sinn umfassen nicht nur die förmlich-feierlich geschlossenen Verträge umfassenden, zumindest teilkodifikatorischen Charakters, sondern auch ein Geflecht von nicht in Landesgesetz transformierten Vereinbarungen unter den verschiedensten Namen und zu unterschiedlichen Zwecken: (Verwaltungs-)Vereinbarungen, Besprechungsprotokolle, Gemeinsame Erklärungen u. a. Geregelt wurden u. a. Fragen der kirchlichen Wirkungsmöglichkeiten, Organisationsgewalt (z. B. Zirkumskriptionen der Diözesen), der Staatsleistungen und Baulasten, der Ämterbesetzung, Theologischen Fakultäten, Lehrerbildung und besonders im Zusammenhang mit den Landschulreformen der 1960er Jahre allgemein Fragen des Schulwesens, aber auch der Pfarrerbesoldung, Privatschulen, „Konkordatslehrstühle“ zur Unterstützung der Christlichkeit der angehenden Volksschullehrer (nä9
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Kardinal M. Faulhaber, Das Reichskonkordat – Ja oder Nein?, Münchener Kardinalspredigten, 3. Folge, 1937, 4 f.; zit. nach K. Obermayer, in: W. Fuchs (Hrsg.), Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, 1966, 166 (176). I. Ibán, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, 1995, 99 (102). J. Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., 1987 (wiss. Textausgabe). Einen bequemen Textzugang zu den wichtigen Verträgen bieten http://www.ulrichrhode.de/relrecht/srq.html#laender und http://www.unitrier.de/~ievr/brdreligionsrecht/index.html.
I. Geschichte des Vertragsrechts bis heute
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her § 17 I 5), der Zuschüsse zur Versorgung heimatvertriebener Geistlicher und Kirchenbediensteter, Anstaltsseelsorge u. a. mehr. Siegfried Grundmann meinte nach dem Stand von 1962 in einem vielzitierten Aufsatz hinsichtlich der großen christlichen Kirchen: „Mittels des Vertragskirchenrechts werden diese also in einzigartiger, und wie wir hinzufügen dürfen, rechtlich durchaus legitimer Weise privilegiert.“12 Dabei stellt sich wieder die Frage nach der rechtlichen und rechtspolitischen Legitimation des Vertragsrechts (s. näher unten III). b) Bahnbrechend für die Nachkriegsentwicklung, auch noch nach 1990, war nicht 326 ein Konkordat, sondern 1955 der Loccumer Vertrag des Landes Niedersachsen mit den dortigen evangelischen Landeskirchen. Er fungierte als Modell für die nachfolgenden kodifikatorischen Verträge mit Schleswig-Holstein (1957), Hessen (1960) und Rheinland-Pfalz (1962) und verwendete erstmals die noch heute gern zitierte Rede vom „Öffentlichkeitsanspruch“ der Kirche. Der Präambel des Loccumer Vertrags zufolge wurde der Vertrag geschlossen „im Bewußtsein der gemeinsamen Verantwortung für den evangelischen Teil der niedersächsischen Bevölkerung und geleitet von dem Wunsche, das freundschaftliche Verhältnis zwischen Land und Landeskirchen zu festigen und zu fördern“. In der regierungsamtlichen Begründung ist von einer „auch für das Land wünschenswerten engen Zusammenarbeit“ die Rede.13 Eine juristische Würdigung des Vertragswerks versieht einen Abschnitt mit der Überschrift „Neue Nähe von Staat und Kirche“.14 Umfassend war auch das Niedersächsische Konkordat von 1965. c) Wegen des Militärseelsorgevertrags – ausnahmsweise des Bundes – mit der 327 EKD von 1957 wird auf § 17 II verwiesen. d) Seit dem in verschiedener Hinsicht eigenartigen Konkordatsurteil des BVerfG 328 von 195715 wurde dessen bis dahin sehr umstrittene (aber letztlich nicht entscheidungserhebliche und daher nicht bindende) These von der Fortgeltung des Reichskonkordats als völkerrechtlicher Vertrag16 nahezu allgemein übernommen. Wegen der Zuständigkeit der Länder für die Vertragsmaterien hatte diese These die zumindest faktisch subsidiäre Geltung des RK in Ländern ohne konkordatäre Regelung zur Folge. Nach der Wiedervereinigung war sie (ungeachtet erheblicher rechtlicher Probleme der Fortgeltung bzw. Teilfortgeltung in verschiedenen Landesteilen) ein wichtiges Argument zum Abschluss moderner Konkordate selbst in
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S. Grundmann, ÖAKR 1962, 281 (297) = H. Quaritsch/H. Weber (Hrsg.), Staat und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, 248 (261). Abgedruckt bei J. Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge … , 1987, Bd. 2, 119 (120). K. Müller, DÖV 1955, 421 ff. BVerfGE 6, 309–367 (Konkordatsurteil); dazu M. Bullinger, DVBl 1958, 10 (10): „grotesk“. Im Parlamentarischen Rat war die Frage der Fortgeltung des RK umstritten und wurde im Zuge der Beratungen zu Art. 123 II GG offengelassen, vgl. v. Doemming/Füsslein/ Matz, JöR 1 (1951), 840 (842).
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§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge)
den neuen Bundesländern mit ihrem nur sehr geringen Anteil der katholischen Bevölkerung. 4. Staat-Kirche-Verträge nach 1990
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329 a) Nach 1990 wurden in nunmehr allen ostdeutschen Ländern einschließlich Berlin Verträge mit den evangelischen Landeskirchen und trotz des sehr geringen katholischen Bevölkerungsanteils Konkordate mit dem Heiligen Stuhl bzw. Katholische Kirchenverträge mit den Diözesen geschlossen. Staat wie Kirche stützten sich wesentlich auf westliche Berater, die dem traditionellen (noch kaum je kritisch untersuchten) Vertragssystem positiv gegenüberstanden. Umfassende Verträge wurden mit den evangelischen Landeskirchen geschlossen in Sachsen-Anhalt 1993 („Wittenberger Vertrag“), Mecklenburg-Vorpommern 1994 („Güstrower Vertrag“), Thüringen 1994, Sachsen 1994 und Brandenburg 1996.18 Obwohl sich die Vertragsinhalte im Einzelnen deutlich unterscheiden, weisen die neuen Verträge Gemeinsamkeiten auf: stärkere Betonung der Unabhängigkeit von Staat und Kirche; weitgehender Verzicht auf staatliche Einflussmöglichkeiten bei der Besetzung kirchlicher Ämter. Hauptsächlich geht es aber um die traditionellen Vertragsmaterien wie Religionsunterricht, Theologische Fakultäten, Staatsleistungen (die auf eine neue und nunmehr klare Grundlage gestellt werden), Kirchensteuer, aber auch um die Förderung der Kirche als Träger der Jugendhilfe, die Pflege kirchlicher Denkmale und vieles andere.19 Die Streitfragen um die Fortgeltung alter Verträge20 sind durch die Kodifikationen gegenstandslos geworden. Ein verständliches Motiv zum Vertragsschluss hat Steffen Heitmann ausgesprochen, wenn er – bezogen auf Sachsen – meinte, die Verträge mit der evangelischen und katholischen Kirche stellten „eine gewisse Kompensation für die durch den kirchenfeindlichen SED-Staat erlittenen Nachteile“ dar und hätten daher auch eine ideelle Dimension in Form der teilweisen Zurückholung der Kirche in die Gesellschaft.21 330 b) Im katholischen Bereich wurde zunächst das dringliche Problem der Neuordnung der Diözesanverhältnisse und im Zusammenhang damit der Errichtung
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Vertragstexte: www.ulrichrhode.de/relrecht/srq.html#laender und http://www.unitrier.de/~ievr/brdreligionsrecht/index.html. Literatur: H. U. Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, 2000. Fundstellen: SaAnhGVBl. 1994, 173; MeVoGVBl. 1994, 560; ThürGVBl. 1994, 509; SächsGVBl. 1994, 1253; BbgGVBl. I 1997, 4 mit Ergänzung S. 13. Vgl. die umfangreiche Auflistung bei A. v. Campenhausen, NVwZ 1995, 757 (758). L. Renck, NVwZ 1994, 770 (betreffend Reichs- und Preußenkonkordat) gegen Depenbrock, NVwZ 1994, 736, dem er den Gebrauch der „Methode eines auf Biegen und Brechen ‚in dubio pro ecclesia‘“ vorwirft. St. Heitmann, NJW 1997, 1420 (1424). Heitmann war seinerzeit sächsischer Justizminister.
II. Zur Rechtsnatur der Staat-Kirche-Verträge
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eines auch Westdeutschland einbeziehenden Nordbistums gelöst.22 Nach Abschluss von Verhandlungen mit insgesamt sieben Ländern traten 1994 vier Verträge mit dem Heiligen Stuhl in Kraft.23 Es handelt sich in erster Linie um Zirkumskriptionsverträge, mit denen Diözesangrenzen neu festgelegt wurden. Rechtlich fragwürdig ist die für die Bistümer Erfurt, Görlitz und Magdeburg vereinbarte abgeschwächte „politische Klausel“ bei Bischofsernennungen, während wenigstens der bischöfliche Treueid vollständig fallengelassen wurde. 1996–1998 wurden mit dem Heiligen Stuhl vier kodifikatorische Kirchenverträge geschlossen, die man ausdrücklich nicht mehr „Konkordate“ nannte: mit Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.24 Brandenburg mit seinen gut 3 % Katholiken folgte 2003.25 Die dem Brandenburger Konkordat vorangegangene detaillierte juristische und öffentliche Kritik26 wurde trotz erzwungener parlamentarischer Diskussion inhaltlich nicht ernsthaft diskutiert. Hamburg, das bis dahin ohne umfassende Kirchenverträge ausgekommen war, 331 zog 2005 mit einem evangelischen27 und katholischen28 Kirchenvertrag nach. Auch dort wurde die eingehende und detaillierte öffentliche Kritik an den Vertragsentwürfen ignoriert.
II. Zur Rechtsnatur der Staat-Kirche-Verträge Literatur: G. Czermak, Der Staat 2000, 69; D. Ehlers, in: Maurer-FS, 2001, 333; A. Hollerbach, HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 253; St. Muckel, in: Reiner Tillmanns (Hrsg.), Staatskirchenverträge im Freistaat Sachsen, Leipzig 2001, 23; H. Quaritsch, in: Hamburger FS für Friedrich Schack, 1966, 125; L. Renck, DÖV 1997, 929; ders., ThürVBl 1995, 31; D. Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, 2001.
1. Verständnisgrundlagen Das Vertragsrecht ist bisher durch Dualismus geprägt. Allgemein unterscheidet 332 man nach herkömmlicher Ansicht streng zwischen der rechtlichen Bedeutung der Verträge als solcher und den Bedingungen ihrer innerstaatlichen Gültigkeit und 22
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Den Weg, diese an sich rein innerkirchliche Angelegenheit gem. Art. 137 III WRV/140 GG intern zu regeln, wollte die Kirche nicht gehen. Dadurch wird ein Bedürfnis nach besonderer Nähe zum Staat demonstriert. Nachweise bei A. Hollerbach, KuR 1995 Nr. 120, S. 1 (8). Fundstellen: SächsGVBl. 1997, 17; ThürGVBl. 1997, 266; MeVoGVBl. 1998, 2; SaAnhGVBl. 1998, 159. BbgGVBl. I, 2004, 223. L. Renck, LKV 2004, 250. HmbGVBl. 2006, S. 429. HmbGVBl. 2006, S. 435.
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§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge)
Bindungskraft. Über die rechtsdogmatische Einordnung der Verträge besteht Unklarheit. Fraglich ist, auf welcher Art von Rechtsebene (Völkerrechtsebene, Staatsvertragsebene, nach oppositioneller Meinung normales innerstaatliches Recht) die Verträge geschlossen werden (ggf. mit Unterscheidung verschiedener Arten des Vertragsschlusses), und welche Rechtsbindung auf der Vertragsebene damit erzielt wird. Auf der staatlichen Ebene geht es um die Umsetzung der so (wie?) erzielten Bindungswirkung in unmittelbar anwendbares staatliches Recht. Stillschweigend vorausgesetzt ist bei dieser Transformation durch staatliche Zustimmungsgesetze, dass es eine besondere Qualität einer bindenden Vertragsregelung überhaupt geben kann. Das wird neuerdings bestritten, bisher aber trotz oder wegen erheblicher Auswirkungen noch nicht zur Kenntnis genommen. Aber schon die zu konstatierende Theorienvielfalt könnte ein Indiz für falsche Grundannahmen sein. Völlig unbestritten ist heute freilich, dass die transformierten Vertragsgesetze formal wie inhaltlich dieselben Anforderungen erfüllen müssen wie alle anderen Gesetze, also auch vollständig mit dem GG übereinstimmen müssen. Der Dualismus des Vertragsrechts mit innerstaatlichem Vorrang auch des vertragsbrüchigen staatlichen Rechts ist auch vom BVerfG anerkannt.29 Selbstverständlich können die Vertragsgesetze wie alle anderen Gesetze jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Sinn der eigentlichen Verträge (Vertragsebene) ist es gerade, solche rechtlich möglichen (bei Verfassungswidrigkeit zwingend erforderlichen) Änderungen zu verhindern oder doch zu erschweren. Somit ist deutlich, dass es sich um eine ganz besondere Materie handelt. 2. Zu den herkömmlichen Meinungen
333 Infolge der Transformation durch Parlamentsgesetz haben die rechtsdogmatischen Theoriestreitigkeiten bezüglich der Vertragsebene eigentlich kaum rechtliche Bedeutung, für die politische Praxis dagegen umso mehr. 334 a) Nach der bisherigen Rechtstradition im 20. Jh. haben Konkordate im engeren Sinn, d. h. Verträge mit dem Heiligen Stuhl (und nicht zwischen Staat und Diözesen) völkerrechtliche Qualität oder doch „quasivölkerrechtlichen“ Charakter, so dass die Regeln des Völkerrechts zumindest entsprechend anwendbar wären. Man knüpft dabei an die international akzeptierte (aber nicht unbestrittene) Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls an, ein historisches Kuriosum. Beim „Vatikan“ ist ja zu unterscheiden: Zum einen gibt es den Vatikanstaat (Vatikan-Stadt, vormals Kirchenstaat) mit 0,44 km2 und derzeit etwas über 500 Staatsbürgern, dessen Völkerrechtssubjektivität unbestreitbar ist. Völkerrechtssubjektivität wird aber auch dem Heiligen Stuhl (Papst und Kurialbehörden) als Zentralorgan einer Glaubensgemeinschaft zuerkannt. Nach Liquidierung des Kirchenstaats von 1870– 1929 waren die diplomatischen Verbindungen des Heiligen Stuhls aufrechterhal-
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BVerfGE 6, 309 (363); 41, 88 (120 f.).
II. Zur Rechtsnatur der Staat-Kirche-Verträge
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ten geblieben.30 Aber auch bei Anerkennung des Heiligen Stuhls als Völkerrechtssubjekt bleibt festzuhalten, dass sich die Wiener Konvention über das völkerrechtliche Vertragsrecht vom 22. 5. 1969 eindeutig nicht auf das Konkordatsrecht bezieht. Vor allem aber betreffen auch Konkordate mit dem Heiligen Stuhl wie die evangelischen Kirchenverträge ausschließlich Materien des innerstaatlichen Rechts, nicht anders als Verträge von Bundesländern mit Diözesen. Der Heilige Stuhl wird als Vertreter der Katholiken der jeweiligen Diözese tätig. Eine Anwendung völkerrechtlicher Regeln scheidet daher aus.31 b) Den evangelischen Kirchenverträgen kann mangels Völkerrechtssubjektivität 335 der Landeskirchen bzw. ausnahmsweise der EKD ohnehin kein Völkerrechtscharakter zukommen. Der gelegentliche Versuch, ihre Bedeutung den Konkordaten anzunähern durch die Rede von Verträgen sui generis, muss scheitern. Es soll sich um öffentliches Recht handeln, das aber weder dem staatlichen, noch dem Völkerrecht oder supranationalen Recht angehört, sondern einer neuartigen konsentierten Rechtsebene über dem staatlichen Recht, die es ansonsten aber nicht gibt. Hierin zeigen sich die Verlegenheiten der gängigen Vertragstheorien besonders deutlich32, zumal wenn damit die Forderung verbunden wird, der Gesetzgeber solle eine Verfassungsnorm schaffen, die den „Übergesetzesrang zumindest für staatskirchenpolitisch bedeutsame Verträge generell festlegt“ oder den Gesetzgeber dazu ermächtigt.33 Gegenwärtig werden die evangelischen Kirchenverträge meist als Staatsverträge angesehen, jedenfalls der „staatsrechtlichen Sphäre“ zugerechnet.34 Eine Begründung dafür ist nicht ersichtlich, denn Staatsverträge sind eben nur Verträge zwischen Bundesländern oder, mit Zustimmung der Bundesregierung, zwischen Bundesländern und auswärtigen Staaten (Art. 32 GG). Insgesamt kann man feststellen, dass Rechtsnatur und Bindungskraft der Staat-KircheVerträge ziemlich ungeklärt sind.35 Von einer Bindung der Vertragspartner wird (unabhängig von der Transformation) ausgegangen, mag sie auch nur im Bindungswillen bestehen. Auch, soweit Landesverfassungen ausdrücklich Verträge mit RG vorsehen, ergibt sich für deren Rechtscharakter nichts. Der Meinung, dass der außergewöhnliche Art. 8 BaWüVerf, wonach die Verfassung nicht für Verträge mit der evangelischen und katholischen Kirche gilt, im Hinblick auf das GG keine Geltung beanspruchen kann, dürfte niemand widersprechen. 30
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Die Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls „ist nur historisch zu erklären, und zwar aus der Stellung des Papsttums im Weltbild des Mittelalters“. In ihr „bewahrte die Völkerrechtsordnung einen Widerschein jener Sonderstellung des Papsttums in der Geburtsstunde des Völkerrechts“, O. Kimminich, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 226 f. Wie hier E. Fischer, Volkskirche Ade!, 1993, 161 f.; U. K. Preuß in: AK-GG zu Art. 140; näher L. Renck, DÖV 1997, 929 (931). Ihren Ausdruck haben sie etwa in der Darstellung von A. Hollerbach, HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 253 (275 ff.) gefunden. A. Hollerbach, HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 253 (277). V. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 143 und 147. Die Ungereimtheiten und Unsicherheiten zeigen sich auch bei D. Ehlers, in: Staat, Kirche, Verwaltung. Maurer-FS 2001, 333.
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§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge)
3. Kritische Neuansätze
336 a) Quaritsch arbeitete 1966 in einer grundsätzlichen Kritik36 heraus, dass für jeden Vertragspartner nach eigenem Recht der Vertrag als solcher in seinem überwiegenden Inhalt vollzugsunfähig, d. h. ein rechtlicher Umsetzungsakt notwendig ist. Wenn aber der Vertragsinhalt nicht schon kraft Vertrages für alle Staatsorgane bzw. Staatsbürger verbindlich ist, kann sich aus ihm selbst nicht das Verbot vertragswidriger Verfassungs- und Gesetzesänderungen ergeben. Laut Quaritsch werden Kirchenverträge im Fall der nachträglichen Kollision mit Staatsgesetz schlicht unwirksam. Im Ergebnis unterscheidet sich der Kirchenvertrag nicht grundsätzlich vom normalen öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern nur durch ein feierliches Verfahren des Zustandekommens und seine Transformation in Staatsgesetz. Nur letzteres verschaffe dem Vertrag seine höhere Bestandskraft. Die Bedeutung der Vertragsebene selbst erscheint auch bei Quaritsch noch erörterungsbedürftig. 337 b) Fundamentaler sind die Überlegungen von Ludwig Renck.37 In Kürze: Da die Vertragsgesetze weder gesetzes-, noch gar verfassungsfest sind, bleibt die Rechtsnatur der Verträge selbst (Vertragsebene) zu untersuchen. Dabei können für Verträge mit dem Heiligen Stuhl keine besonderen Regeln gelten (s. o.). Der bloße diesbezügliche Wille der Vertragsparteien allein kann keine solche Rechtsqualität erzeugen, erst recht nicht die bloße Tatsache der öffentlichkeitswirksamen streng formalisierten Feierlichkeiten der Vertragsunterzeichnung. Die Verträge sollen aber durch überstaatliche Bedeutung die Bestandskraft der Vertragsgesetze erhöhen. Gehören aber die Verträge als solche weder zum Völkerrecht, noch zum supranationalen Europarecht, und sollen sie dennoch über dem normalen innerstaatlichen Recht rangieren, so muss man eine spezielle überstaatliche Rechtsebene annehmen, die ausschließlich für Staat-Kirche-Verträge gilt, denn ansonsten ist sie unbekannt. Da für eine solche rechtliche Zwischenebene keinerlei rechtsdogmatisch einleuchtenden Gründe angebbar sind, bricht die These einer besonders qualifizierten Rechtsbindung durch die Verträge als solche zusammen. Staat-Kirche-Verträge können somit, ungeachtet feierlicher Formen, nur als innerstaatliche Verträge gültig sein. Da es sich aber nicht um Staatsverträge handelt (s. oben), können sie nur ganz „normale“ öffentlich-rechtliche Verträge i. S. der Verwaltungsverfahrensgesetze sein, unterliegen daher auch den dort festgelegten besonderen Regeln (vgl. §§ 54–62 Bundes-VwVfG), insbesondere zur Ausgestaltung als Austauschvertrag mit Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung, zur Nichtigkeit, Vertragsanpassung und Kündigung. Eine Transformation in Gesetz ist nicht erforderlich, eine zusätzliche Bestandssicherung entfällt. Wird ein Gesetz geschaffen, ist ein inhaltsgleicher Vertrag gegenstandslos. Wenn die Vertragspartner, sei ergänzt, bisher nicht die Absicht hatten, lediglich öffentlich-rechtliche Verträge zu schließen, könnte das lediglich ihre Nichtigkeit zur Folge haben. 36
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H. Quaritsch, in: Hamburger FS für F. Schack, 1966, 125; in dieser Richtung auch K. Obermayer, DÖV 1967, 9 (14 f.). L. Renck, ThürVBl 1995, 31; ders., DÖV 1997, 929.
III. Rechtliche und rechtspolitische Legitimation der Verträge
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c) Die auch hier vertretene (bisher noch isolierte) Renck’sche Argumentation zieht 338 letztlich nur die Konsequenz aus dem Umstand, dass der Staat mit den RG als innerstaatlichen Verbänden paktiert, wobei die von den Vertragspartnern in Anspruch genommene Rechtsposition durch die Staatsverfassung verliehen, ihr aber nicht vorgeordnet ist. Mit innerstaatlichen Verbänden wie z. B. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Stiftungen oder eben auch RG kann der Staat Verträge schließen, aber keine Staatsverträge.
III. Rechtliche und rechtspolitische Legitimation der Verträge Literatur: Verteidigung des Vertragssystems: statt aller v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 141 ff.; A. Hollerbach, KuR 1995, 1–12 = Nr. 120, 1–12; St. Muckel, in: R. Tillmanns (Hrsg.), Staatskirchenverträge im Freistaat Sachsen, Leipzig 2001, 23; zur Kritik: G. Czermak, Der Staat 2000, 69; L. Renck, ThürVBl. 1995, 31; ders., DÖV 1997, 929 sowie LKV 2004, 250 und ZRP 2006, 87; H. Weber, Grundprobleme des Staatskirchenrechts, 1970, 47–53 und ders., NVwZ 1994, 759 (766), Schlussbemerkung.
Auf der Basis der traditionellen Beurteilung des Vertragsrechts bezieht sich die 339 Frage nach seiner Legitimation auf die beiderseitigen Vertragszwecke, auf das Verhältnis von Vorteil und Nachteil, die Frage der Zweckmäßigkeit im Verhältnis zum einseitig gesetzten Gesetzesrecht, die Frage der übergesetzlichen Bindungswirkung, die Art und Weise des Zustandekommens und nicht zuletzt die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit der Inhalte. Üblicherweise werden solche Probleme gar nicht erst diskutiert. 1. Vertragsmotive Ein Hauptmotiv für Vertragsschlüsse ist auf kirchlicher Seite die Überzeugung, 340 Verträge begründeten eine Bestandsfestigkeit der Regelungen, die jeder Verfassungs- und Gesetzesnorm überlegen ist. Nur dadurch erklärt sich auch die Tatsache, dass selbst die neuesten kodifikatorischen Verträge selbstverständliche religionsverfassungsrechtliche Gewährleistungen ausdrücklich wiederholen. In vertragsrechtlichen Publikationen auch neuerer Zeit, z. T. ausdrücklich in den Vertragspräambeln, wurde im Übrigen etwa erklärt: es gehe den Verträgen um das Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Kirche, die Sachangemessenheit von Regelungen, um die Würdigung der Bedeutung des kirchlichen Lebens und diakonischen Dienstes für das Gemeinwohl, die Förderung der bildungs- und kulturpolitischen Tätigkeit der Kirchen, um finanzielle Hilfen, um die Stärkung des kirchlichen Ansehens in der Gesellschaft, um Schutz vor der Gefahr, dass der Staat mit einer einseitigen Regelung das Einmischungsverbot ver-
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§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge)
letzt, um die klare Entfaltung der Sachkonzeptionen, um konkrete Verständigung bis ins Detail hinein u. a.38 2. Historische Aspekte
341 Vor der Existenz demokratischer Rechtsstaaten, insbesondere in der Zeit der absoluten und aufgeklärten Monarchie, konnten förmliche Vereinbarungen zwischen den geistlichen und weltlichen Mächten sehr sinnvoll sein. Denn der Staat beanspruchte ja, sogar innerkirchliche Angelegenheiten zu regeln (§ 1 IV). Aber gerade in dieser Zeit kamen im deutschen Sprachraum kaum Verträge, d. h. Konkordate, zustande (s. oben I 2 a). In der Weimarer Zeit waren wegen der erstmaligen allgemeinen Religionsfreiheit Vertragsregelungen weniger dringlich, konnten aber wegen der Unsicherheiten in einem neuen System ggf. sinnvoll sein. Während die eingehenden bayerischen Verträge sehr kirchengünstig waren, beschränkten sich die Verträge mit Baden und Preußen hauptsächlich auf formale Fragen, enthielten aber Verflechtungen, die unter dem Gesichtspunkt der kirchlichen Selbstbestimmung und Trennung von Staat und Kirche fragwürdig waren. Das Paktieren der katholischen Kirche mit Diktaturen, nämlich mit dem fa342 schistischen Italien (1929), mit Hitlerdeutschland (1933), mit dem klerikalfaschistischen Dollfuß-Regime in Österreich (1933/34), mit Portugal (1940) und Spanien (1953) war mit klaren (z. T. massiven) Vorteilen für die Kirche verbunden. In Italien, Spanien und Portugal sicherte es der Kirche zu Lasten der kleinen Religionsgemeinschaften enormen Einfluss in Staat und Gesellschaft. In Spanien war die auch offizielle religiöse Diskriminierung von Minderheiten bis zum Erlass des „Protestantenstatuts“ von 1967 besonders stark. Diese Konkordatsgeschichte kann zur inneren Legitimierung der heutigen deutschen Vertragslandschaft sicher nichts beitragen. 3. Die kirchenpolitische Lage nach dem GG und parlamentarische Fragen
343 a) Die Rechtsposition der Religionsgemeinschaften wurde im Vergleich zu Weimar erheblich gestärkt durch die unmittelbare und einklagbare Grundrechtsgeltung auch für die RG selbst. Alle wesentlichen korporativen Rechte der RG (s. § 11) sind verfassungsfest. Verfassungsänderungen bedürfen qualifizierter Mehrheiten. So gesehen erstaunt es, dass trotz einer noch nie so starken rechtlichen Sicherung der RG speziell in Deutschland der Abschluss von Kirchenverträgen in solcher Dichte für erforderlich gehalten wurde. Die Zahl der transformierten Verträge sowie der sonstigen Vereinbarungen auf Verwaltungsebene ist natürlich wesentlich
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S. zum Ganzen die zahlreichen Nachweise bei G. Czermak, Der Staat 2000, 69 (77 ff.).
III. Rechtliche und rechtspolitische Legitimation der Verträge
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durch die große Zahl der Länder bedingt, aber erstaunlich ist die Dichte der Regelungen, oft bis in Kleinigkeiten hinein.39 b) Ein besonderes Legitimationsproblem ist schon das kirchliche Motiv, den Rege- 344 lungen entsprechend der h. M. über das parlamentarische System hinaus eine besondere Dauerhaftigkeit zu verleihen, nämlich eine übergesetzliche Bindungskraft. Das zeigt sich schon im häufigen Fehlen von Kündigungsklauseln, im Gegensatz zum staatlichen Recht. Dem Staat sollen paktierte Anweisungen über den auch künftigen Inhalt seiner Rechtsetzung gegeben werden. Natürlich ist den Vertragspartnern bekannt, dass eine vertragliche Selbstbindung des parlamentarischen Gesetzgebers niemals möglich ist. Parlamentarische Gesetzgebung stellt „keinen verkehrsfähigen Gegenstand zwischen dem Staat und seinen Bürgern und ihren Organisationen“ dar, so dass der Gedanke nicht fern liegt, Versuche einer (wie auch immer) rechtsverbindlichen Vorab-Vereinbarung seien vom verfassungsrechtlichen Standpunkt ein „Verstoß gegen die guten Sitten“.40 Es geht den Kirchen darum, das Parlament von unerwünschten Änderungen der Vertragsgesetze dadurch abzuhalten zu können, dass man sie als vertragsbrüchig anprangert. c) Sehr ungewöhnlich ist das übliche verfahrensmäßige Zustandekommen der Ver- 345 träge (oberhalb der bloßen Verwaltungsebene). Von einem offenen Prozess der Meinungsbildung kann keine Rede sein. Zunächst werden zwischen Ministerialbürokratie und Kirchenverwaltung intensive Verhandlungen geführt, dann werden die erarbeiteten Vertragsentwürfe (die der Öffentlichkeit nach Möglichkeit vorenthalten werden) jeweils intern abgesegnet und schließlich nach endgültiger Festlegung des Vertragstextes der parlamentarischen Behandlung in Form des Erlasses eines transformierenden Zustimmungsgesetzes41 zugeführt. Dem Parlament bleibt regelmäßig nur ein Ja oder Nein zu dem bereits geschlossenen bzw. inhaltlich fixierten Vertrag. Faktisch bedeutet das eine Selbstentmachtung des Parlaments. Hermann Weber hat diese Verfahrensweise 1970 deutlich kritisiert und angemerkt: „Auf diesem Wege lassen sich bestimmte politische Konstellationen ‚versteinern‘; ganz entgegen demokratischen Prinzipien kann so einem Wechsel in der politischen Willensbildung der Öffentlichkeit weitgehend vorgebeugt werden.“42
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Kurios ist § 11 Z. 4 der bayerischen Baupflichtrichtlinien für Pfarrgebäude von 1963 (in: J. Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge … , 1987, Bd. 1, 325 ff.) der die staatlichen Pflichten beschränkt: „Abortheizung wird auf Staatskosten grundsätzlich nicht geschaffen und unterhalten.“ S. zu den Staatsleistungen § 15. So L. Renck, DÖV 1997, 929 (936). Beispiel für übliche Formeln: „Gesetz zu dem Vertrag des Landes … mit … “ – § 1: „Dem in … am … unterzeichneten Vertrag des Landes … mit … wird zugestimmt. Der Vertrag wird nachstehend mit Gesetzeskraft veröffentlicht.“ H. Weber, Grundprobleme des Staatskirchenrechts, 1970, 49 f.
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§ 14 Vertragsrecht (Konkordate und Kirchenverträge)
4. Kategorien und religionspolitische Bedeutung vertragsrechtlicher Regelungen
346 a) In einem Staat mit verfassungsrechtlich voll ausgebauter und gesicherter Religionsfreiheit ist eine zusätzliche inhaltsgleiche Sicherung (auch wenn man sie entgegen der hier vertretenen Auffassung für rechtlich möglich hält) rechtlich überflüssig. Entsprechendes gilt für typische Staatsaufgaben wie Denkmal- und Datenschutz sowie das Friedhofs- oder Rundfunkwesen. Bei diesen ist nicht einzusehen, dass der Abschluss von Verträgen besonders zweckmäßig oder gar notwendig erscheint. An der modernen Gesetzgebung sind meist zahlreiche Stellen und oft viele Verbände beteiligt. Die Kirchen werden mit oder ohne Vertrag(sgesetz) ohnehin besonders bei Materien eingebunden, die sie selbst betreffen. Paktierte Gesetze machen Verträge überflüssig. 347 b) Überaus zahlreiche vertragliche Absicherungen sind zumindest verfassungsrechtlich problematisch. Die meisten von ihnen dürften freilich noch nie näher kritisch untersucht worden sein. Hermann Weber meinte schon 1970 in seiner eingehenden kritischen Würdigung der Vertragsmaterie, es fänden sich „kaum irgendwo anders so viele verfassungsrechtlich anfechtbare Bestimmungen wie in den Kirchenverträgen“.43 Fragwürdig sind Regelungen, in denen Kirchen gegenüber dem Staat sogar im rein kircheninternen Bereich Verpflichtungen übernehmen, so bei der Neubildung von und Grenzziehung bei Diözesen, Landeskirchen und Kirchengemeinden (Zirkumskriptionsverträge); bezüglich formeller Anforderungen an die Bestellung von Geistlichen (Ausbildung, Staatsbürgerschaft) und von Bischöfen (Treueid) oder eines Universitätspredigers und bei der Besetzung kirchlicher Positionen in der Anstaltsseelsorge; Übernahme einer Rechtspflicht zur Benennung kirchlicher Beauftragter u. ä. Das sind Fragen des Selbstbestimmungsrechts bzw. der Ämterhoheit (Art. 137 III WRV i.V.m. Art. 140 GG), die den Staat nichts angehen (s. § 11 II 5). Natürlich ist es zweckmäßig, dass die Kirchen den Staat informieren und ggf. mit ihm technische Details absprechen. Das wird oft in ihrem eigenen Interesse liegen. Aber für all diese Fragen bedarf es keiner vertraglichen Vereinbarung. Ein Problem der institutionellen Trennung (Art. 137 I WRV) sind die staatliche Kirchensteuerverwaltung (§ 12 II 2), Militärseelsorge (§ 17 II) und (nach der hier vertretenen Auffassung) teilweise auch die Theologischen Fakultäten (§ 17 I 1, 2). 348 c) Ein generelles und wohl das gewichtigste Problem sind die zahlreichen und teilweise recht massiven Verstöße gegen das Neutralitätsgebot, die hier nicht im Detail benannt werden können. Sie zeigen sich schon darin, dass anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften als den Kirchen und Jüdischen Vereinigungen kaum je vergleichbare Vertragsangebote gemacht werden und dass schon die Präambeln die Kirchen bevorzugt würdigen, ja eine besondere Nähe von Staat und Kirche bekunden. Solche Verstöße werden praktisch umgesetzt durch 43
H. Weber, ein immerhin kirchlichen Belangen gegenüber aufgeschlossener Autor, ebenda S. 51.
III. Rechtliche und rechtspolitische Legitimation der Verträge
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die Neubegründung von Staatsleistungen und einseitige finanzielle Förderung auf verschiedenen Feldern (dazu § 15 III 3 e und IV und § 3 II). Besonders interessant ist die Verpflichtung des theoretisch religiös-weltanschaulich neutralen Staats zur Beteiligung an der Besoldung von Geistlichen in mehreren Ländern und sogar die volle Übernahme der Gehälter der Bischöfe insbesondere in Bayern (oben I 2 b). d) Sicherlich gibt es Bereiche, die schon aus Gründen der Flexibilität nicht gesetz- 349 lich geregelt werden können oder sollen. Dafür steht das bewährte und keinerlei Grundsatzzweifeln ausgesetzte Instrument des öffentlich-rechtlichen Vertrags zur Verfügung, etwa für den Einsatz kircheneigener Religionslehrer. Vielfach genügen einfache Verwaltungsabsprachen. Insgesamt bedürfte das gesamte riesige Vertragsmaterial einer systematischen 350 und kritischen Durchforstung. Es lässt sich aber unschwer feststellen, z. B. auch anhand der jüngsten kodifikatorischen Verträge in Hamburg und Brandenburg44, dass die Verträge insgesamt recht einseitig zugunsten der Kirchen und zulasten des staatlichen Vertragspartners und mittelbar zulasten anderer RG und WG gehen. Sie werfen wesentlich mehr Fragen auf, als sie beantworten.
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Dazu L. Renck, LKV 2004, 250 und ders., NJ 2005, 20.
§ 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung
I. Tatsächliche Hinweise zum Kirchenvermögen und zur Kirchenfinanzierung Das Kirchenvermögen ist eine beachtliche Einnahmequelle der Kirchen. Die 351 großen Kirchen in Deutschland bestehen aus 27 katholischen Diözesen und 23 evangelischen Landeskirchen und ihren Untergliederungen (darunter ca. 13 000 katholische und 18 000 evangelische Pfarreien). Darüber hinaus gehört zur „Gesamtkirche“ eine Fülle an organisatorisch getrennten Einrichtungen und Betrieben. Daraus resultiert ein großes Kirchenvermögen, das eine erhebliche Einnahmequelle ergibt. Andere Finanzierungsquellen sind die Kirchensteuern, die öffentlichen direkten und indirekten Subventionen, privatwirtschaftlichen Einkünfte, historischen Staatsleistungen sowie Spenden und Gebühren. Es geht beim Kirchenvermögen als Gesamterscheinung, soweit es als Finanzierungsquelle in Betracht kommt, um Grund- und Immobilieneigentum, Kapitalvermögen, Wertpapierbesitz und Firmenbeteiligungen. Dieses Vermögen behält mehr oder weniger die Substanz und wird bisher nicht für die laufenden Kirchenhaushalte verwendet. Nicht zur verfassten Kirche gehören die unzähligen Einrichtungen des Diakonischen Werks, des Caritasverbands sowie das Vermögen des Kolpingwerks, der Orden, Akademien und vieler anderer. Es bestehen zahllose verschiedene Rechtsträgerschaften. Zu den rein wirtschaftlichen Aktivitäten des kirchlichen Bereichs gehören Banken, Versicherungen, Handelsunternehmen, Siedlungsgesellschaften, Verlage, Presseagenturen, Druckereien, Filmunternehmen, Brauereien, Touristikunternehmen und andere. Als Erster hat Carsten Frerk den Versuch einer Gesamterfassung von „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland“ auf der Basis zahlloser neu erhobener Einzeldaten aus der Zeit um 2000 unternommen mit dem Ergebnis, es liege insgesamt ein kommerzialisierbarer Immobilien- und Grundbesitz in der Größe von an die 300 Mrd. DM (brutto) vor. Davon entfallen 28 % auf rein kirchlichen Grundbesitz.1 1
C. Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, 2002, S. 435 (über 150 Graphiken und Schaubilder). Kritik an diesem Grundlagenwerk ist, wie sein Autor bestätigt, auch nicht von kirchlicher Seite bekannt geworden.
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§ 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung
II. Rechtlicher Schutz des Kirchenvermögens („Kirchengutsgarantie“)2 352 Mit „Kirchenvermögen“ im juristischen Sinn ist der besondere Eigentums- und Vermögensrechtsschutz gemeint, den RG und in gleicher Weise (Art. 137 VII WRV) auch WG nach Art. 138 II WRV/140 GG genießen. Art. 138 II WRV gewährleistet „das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen“. Diese Vorschrift ergänzt die allgemeine Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und das religiös-weltanschauliche Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 III GG und ist ein spezieller Ausdruck der Religionsfreiheit. Ihr Sinn ist der spezielle Schutz aller vermögenswerten Rechte, soweit sie eine religiöse oder weltanschauliche Zwecksetzung haben. Art. 138 II WRV garantiert eine (heute ohnehin selbstverständliche) Abwehr von Säkularisationsakten, und zwar unabhängig von der Rechtsform der jeweiligen Institutionen. Es geht vor allem um Eigentum und Nutzungsrechte an Gebäuden und religiös gewidmeten Sachen (z. B. Nießbrauch an säkularisierten Kirchengebäuden). Enteignungen sind aber selbst bei Sakralgebäuden grundsätzlich möglich, da das Eigentum mit dieser Möglichkeit von Haus aus belastet ist, vgl. Art. 137 III 1 WRV (Schrankenklausel). Ein Säkularisationsmotiv scheidet natürlich von vorneherein aus. Das Vermögen als solches ist nicht generell nach Art. 138 II WRV geschützt. 353 Das Finanz- und Verwaltungsvermögen steht nach verbreiteter Ansicht allerdings schon dann unter dem Schutz der Kirchengutsgarantie, wenn es mittelbar religiösen Zwecken dient, also nicht völlig austauschbar ist. Die Gegenmeinung macht die Schutzwirkung vom Vorhandensein unmittelbar religiöser Zwecke abhängig. Das überzeugt mehr, weil die weite Auffassung den ausdrücklich in Art. 138 II WRV formulierten Zweckbezug ignoriert. Zu beachten ist, dass der Rechtsschutz ein (noch) vorhandenes Recht bestimmter Qualität voraussetzt. Das ist heute für Staatsleistungen i. S. des Art. 138 I WRV, etwa Kirchenbaulasten, durchaus fraglich (dazu unter III 3). Der die Staatsleistungen betreffende Art. 138 I WRV geht dem Art. 138 II WRV als speziellere Vorschrift ggf. vor.
III. Staatsleistungen i. S. des Art. 138 I WRV/140 GG Literatur: H.-J. Brauns, Staatsleistungen an die Kirchen und ihre Ablösung, 1970; G. Czermak, DÖV 2004, 110 (Übersicht); M. Droege, Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften im säkularen Kultur- und Sozialstaat, 2004, 177–256; J. Isensee, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 1009–1063.
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Dazu statt aller K.-H. Kästner, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 891 und JuS 1995, 784; St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG/138 WRV, 2003, Rn. 13–20.
III. Staatsleistungen i. S. des Art. 138 I WRV/140 GG
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1. Allgemeines zu den historischen Staatsleistungen a) “Staatsleistungen“ an die großen Kirchen (andere Begünstigte fallen weder 354 nach Zahl noch Umfang ins Gewicht) sind bei Vielen ein Stein des Anstoßes, weil man hier eine Verletzung des Gebots der Trennung von Staat und Kirche bzw. der Neutralitätspflicht sieht und hohe Summen im Auge hat. Verkannt wird oft, dass man streng unterscheiden muss zwischen den historischen Staatsleistungen (SL) i. S. des Art. 138 I WRV und denjenigen Leistungen, die der Staat (genauer: die öffentliche Hand) in verschiedener Form hauptsächlich zugunsten der Kirchen als kulturstaatliche Subventionen erbringt. Für Letztere ist auch der Begriff der Religionsförderung geläufig (dazu unten IV). Insgesamt kommt der Problematik der SL, praktisch gesehen, nicht der große Stellenwert zu, der ihm oft beigemessen wird. Das wird im Folgenden erläutert. Berechtigte Bedenken ergeben sich aber aus der historischen Begründung für die SL und aus ihrer juristisch-politischen Sachbehandlung. b) Art. 138 I WRV verfügt seit 1919 ohne Einschränkung die „Ablösung“ der- 355 jenigen „Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften“, die „auf Gesetz, Vertrag oder auf besonderen Rechtstiteln“ beruhen. Die Ablösung hat durch die Landesgesetzgebung nach Grundsätzen des Reichs (heute: Bundes) zu erfolgen. Diese Vorschrift wird allgemein für auch heute noch gültig angesehen. Trotzdem erbringen die Länder, z. T. auch Kommunen (in Form von Kirchenbaulasten) noch heute, nach annähernd 90 Jahren, kontinuierlich stattliche Geldleistungen, weil ein Reichs- bzw. Bundesgesetz trotz des zwingenden Verfassungsgebots nicht zustande gekommen ist. Hieraus schließt die ganz h. M., das Fehlen eines solchen Gesetzes habe eine Sperrwirkung zur Folge, so dass bis zu einer solchen Gesetzgebung das Ablösegebot in eine Bestandsgarantie für die historischen SL umgeschlagen sei. Da ein Ablösegesetz nach 1949 nicht einmal diskutiert wurde und derzeit rechtspolitisch nicht vorstellbar erscheint, bestünde demnach eine Art Ewigkeitsgarantie für die Fortzahlung der 1919 bestehenden SL. Dass dies auch aus tatsächlichen Gründen so bleiben werde, wird immer wieder auch damit begründet, es handele sich um so große Summen, dass der Staat mit einer einmaligen Ablösung überfordert wäre.3 Es biete sich daher die Ersetzung der einmaligen Ablösung durch eine einvernehmliche Geldrente an. Diese Argumentation trifft aber nicht zu. Ausweislich der Haushaltspläne der Länder für das Jahr 2000 (ohne Bremen und Hamburg) ergibt sich insgesamt ein Betrag von ca. 912 Mill. DM für historische SL.4 In Bayern, nach Baden-Württemberg dem Land mit den absolut größten Zahlungen, werden die Gelder nur für kircheninterne Zwecke5 verwendet. 3
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So jetzt wieder v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 288: es würde „Unmögliches“ abverlangt. Details bei C. Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, 2002, 101 ff. Es geht bei den 121 Mill. DM für die kath. Kirche in Bayern im Jahr 2000 hauptsächlich um Gehälter, Gehaltszuschüsse und Pensionen für Seelsorgegeistliche, Bischöfe, Weihbischöfe, Generalvikare, Bischofssekretäre, Dom-Mesner, Erzieher an Priester- und Knabenseminaren u. a., s. G. Czermak, DÖV 2004, 110 (114); vgl. das „Gesetz über die
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§ 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung
Die genannte Größenordnung macht anteilig nur einen kleinen Bruchteil der jeweiligen Staatshaushalte aus, so dass auf dieser Basis eine ratenweise Vollablösung mit somit zeitlicher Beendigung der Zahlungen völlig unproblematisch wäre. Die Leistungen der Länder an die Kirchen außerhalb der historischen SL betragen ein Vielfaches dieser Summen (s. unten IV 1). Aber auch kirchenintern macht der Betrag der SL nur einen sehr geringen Teil der Gesamteinkünfte der kirchlichen Institutionen aus.6 Rein tatsächlich ist somit die Gesamtproblematik von untergeordneter Be356 deutung. Schwerer wiegt die erhebliche faktische Privilegierung der großen Kirchen im Vergleich zu den zahlreichen anderen RG und WG. Die Frage, ob nicht nach so langen Jahrzehnten erfolgter Zahlungen der Rechtsgrund für diese längst erloschen ist, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. 2. Zur historischen Entwicklung und heutigen Legitimation der Staatsleistungen
357 a) Die Weimarer Regelung ist Bestandteil eines umfangreichen Verfassungskompromisses.
Die revolutionäre Umwandlung eines christlichen Staats in einen demokratischen Staat der Glaubensfreiheit mit grundsätzlicher Trennung von Staat und Religion verlangte einen Ausgleich für die bisherigen institutionellen und finanziellen staatlichen Stützen. Man ermöglichte daher Kirchensteuern auf der Grundlage staatlicher Steuerdaten und erkannte mit Art. 138 I WRV staatliche Leistungsverpflichtungen an, soweit sie 1919 rechtlichen Bestand hatten. Gleichzeitig wurde aber, als Maßnahme der finanziellen Trennung von Staat und Religion (in Ergänzung des Art. 137 I WRV) ihre vollständige Ablösung, d. h. endgültige Geldentschädigung zur Beendigung der gegenseitigen Abhängigkeit angeordnet. Die bis 1919 erfolgten staatlichen Leistungen waren hauptsächlich als Ausgleich für die Säkularisation, d. h. staatliche Übernahme von kirchlichem Land und Vermögen als Entschädigung der Fürsten für den Verlust linksrheinischer Gebiete gedacht, die insbesondere auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses (RDH) von 1803 erfolgte. Viele SL gingen aber auch auf frühere Jahrhunderte bis zu den Säkularisationen der Reformationszeit zurück. Die im 19. Jh. neu entstandenen lebensfähigen deutschen Staaten verstanden sich als christlich und fühlten sich auch für die finanzielle Sicherung der Kirchen zuständig (cura religionis). Schon § 35 RDH hatte von den neuen Landesherren die Übernahme des Aufwands für Gottesdienst, Unterricht und anderes gefordert sowie die Übernahme von Geistlichenpensionen. Nicht säkularisationsbedingte SL waren die Ausnahme. Es ging um Kosten kirchlicher Verwaltung, Ausbildung, Besoldung und Versorgung von Geistlichen, den Bedarf von Kirchengemeinden oder Landeskirchen, die in Form von Geldleistungen oder Naturalleistungen7 erbracht werden konnten, die teils festgelegt, teils dynamisch waren. Zu diesen nach den aktuellen Bedürfnissen anfallenden Pflichten gehörten die Kirchenbau-
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Bezüge der Erzbischöfe, Bischöfe und Mitglieder der Domkapitel sowie über die Zuschüsse zum Personalaufwand des Landeskirchenrats“, BayRS 2220-3-K (mit Verordnungen), G. v. 7. 4. 1925, GVBl. 1925, 135 mit laufender Anpassung. Ähnlich F. Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, 81, wonach es sich im gesamten kirchlichen Einnahmespektrum um „eher bescheidene Dimensionen“ handelt. Etwa Holzreichnisse, Getreidelieferungen, Stellung von Messwein und Gegenständen des gottesdienstlichen Bedarfs.
III. Staatsleistungen i. S. des Art. 138 I WRV/140 GG
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lasten, die noch in der heutigen Praxis für viele politische Gemeinden durchaus belastend sein können. Beim Inkrafttreten der WRV im Jahr 1919 hat ein Wildwuchs an Staatsleistungen bestanden, der mittlerweile allerdings durch Verträge weitgehend beseitigt wurde.8 b) Die historisch-politische Legitimation der nach 200 und mehr Jahren noch andauernden 358 Staatsleistungen ist schwierig, da heute völlig andere tatsächliche und rechtliche Verhältnisse herrschen. Anfang des 19. Jh. hatten sich die kleinen geistlichen Herrschaften ohnehin schon historisch überlebt.9 Die Säkularisation ermöglichte neue lebensfähige Staaten. Sie bewirkte zum Nutzen der katholischen Kirche eine Entfeudalisierung der Geistlichkeit und eine Intensivierung des kirchlichen Lebens. Viele enteignete Kirchengüter wurden (etwa durch König Ludwig I. von Bayern) den Kirchen später wieder zurückgegeben. Man hat auch darauf hingewiesen, dass „die Kirchen nicht unbeträchtliche Vermögensmassen auf Grund von Umständen erworben haben, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlichtweg unvereinbar sind, weshalb sie für deren Verlust redlicherweise keinen Ausgleich verlangen können“.10 Schließlich bedeutete die Verfassungsrevolution von 1918/19 die Beendigung des christlichen Glaubensstaats und die Etablierung eines privilegienfeindlichen pluralistischen Staats mit nie dagewesener Religionsfreiheit, der zudem die weitere Existenz der großen Kirchen durch die Möglichkeit der Kirchensteuer in besonderer Weise (aber nicht exklusiv) finanziell absicherte. Die nunmehrige Trennung von Staat und Religion hätte die alsbaldige Beendigung der systemfremd gewordenen SL erfordert. Stattdessen wurden viele Jahrzehnte weiterhin Leistungen für historische Verpflichtungen erbracht, deren Rechtsbestand im „Normaljahr“ 1919 oft gar nicht erwiesen war und den Umfang eines einmaligen Ablösungsbetrags zur Weimarer Zeit zwischenzeitlich in der Summe um ein mehrfaches übertroffen haben dürfte. Andere historische Umwälzungen hatten keine vergleichbaren Entschädigungen zur Folge. So gingen viele durch die Sowjets nach 1945 Enteignete völlig leer aus. Im Übrigen wäre der ersatzlose Fortfall der historischen SL für die Kirchen bei einer finanziellen Gesamtbetrachtung nur von sehr geringer Bedeutung.
3. Rechtsfragen der Staatsleistungen a) Entscheidend für einen Rechtsanspruch auf SL bzw. eine Ablösungsentschädi- 359 gung war beim Inkrafttreten der WRV das Bestehen eines Rechtsgrundes zu diesem Zeitpunkt. Die bloße tatsächliche Üblichkeit der Leistung allein wird man entgegen einer verbreiteten Meinung11 nach den allgemeinen Beweislastregeln nicht ohne weiteres gelten lassen können. Unabhängig von der häufigen Zweifelhaftigkeit der erbrachten Leistungen nach Rechtsbestand bzw. Umfang gibt es eine Reihe juristischer Grundsatzprobleme. Der Text des Art. 138 I WRV erfasst
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Die Kirchen wurden bzw. werden dabei durch den Staat anderweitig entschädigt, wobei solche einvernehmlichen Regelungen trotz fehlenden bundesrechtlichen Ablösungsgesetzes allgemein für zulässig erachtet werden. P. Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung im Urteil der zeitgenössischen Publizistik, 1966. J. Wasmuth, in: FS für W. Brohm zum 70. Geburtstag, 2002, 607, 626 ff. (628). So J. Isensee, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 1009 (1028).
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§ 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung
nur „Staatsleistungen“, die von den Ländern12 abzulösen seien, während von den bis dahin erbrachten zahlreichen kommunalen Leistungen, die z. T. in Form von Kirchenbaulasten bis ins Mittelalter zurückreichten, nicht die Rede war. Das war auch einleuchtend, da damals den Gemeinden noch nicht, wie heute, mittelbare Staatsqualität als Teil der „öffentlichen Gewalt“ zugesprochen wurde.13 Die heutige, wohl überwiegende, Forderung, es müssten (trotz des Verstoßes gegen das Gebot der Beendigung der historischen Leistungen) wegen der zwischenzeitlichen Änderung der Rechtsposition der Gemeinden diese gem. Art. 138 I WRV in die Pflicht genommen werden14, wirkt daher aufgesetzt.15 Obwohl sich auch das BVerwG schon 1967 gegen die Einbeziehung der Gemeinden in Art. 138 I WRV ausgesprochen hat16, scheinen sich die z. T. schwer von Kirchenbaulasten betroffenen Kommunen mit den Zahlungen abzufinden.17
360 b) Seltsamerweise wird die sich bei solchen Dauerschuldverhältnissen aufdrängende Frage des zwischenzeitlichen Erlöschens der Staatsleistungen (Stichworte: wesentliche Änderung der Verhältnisse, Fortfall der staatlichen Religionsfürsorge, Paritätsfragen infolge starker örtlicher Verschiebungen, Notwendigkeit von Vertragsanpassungen, Kündigung aus wichtigem Grund, Abgegoltensein durch erbrachte Leistungen18) von Gerichten nicht einmal gestellt. Sie führen stattdessen lieber aufwändige historische Untersuchungen durch.19 Die Literatur betreibt z. T. erheblichen Aufwand, um die Kirchenbaulasten möglichst umfassend zu retten.20 361 c) Erörtert werden auch Fragen der sogenannten negativen (mittelbaren) Staatsleistungen. Dabei geht es um die (von Anfang an umstrittene) Frage, ob Art. 138 I 12
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Leistungen des Reichs wurden nach allgemeiner Auffassung nicht erfasst, s. auch BVerfG NVwZ 2001, 318, B. v. 30. 9. 2000. G. Anschütz schrieb daher noch in der 14. und letzten Auflage 1933 seines repräsentativen WRV-Kommentars zu Art. 138 in einer Fußnote S. 653 unter Hinweis auf RGZ 125, 189, kommunale Leistungen würden von Art. 138 I WRV nicht erfasst. Z. B. J. Isensee, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 1009 (1032). Gegenmeinung: etwa D. Ehlers, in: Sachs, GG, 4. A. 2007, zu Art. 140/138 WRV; Th. Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, 1995, 196 ff.; L. Renck, DÖV 2001, 103 (105). BVerwGE 28, 179 (183). Das Handbuch „Evangelisches Kirchenrecht in Bayern“, 1994, 453 spricht für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern zwar von staatlichen Baulasten an ca. 320 Kirchengebäuden und 300 Pfarrhäusern, aber immerhin auch von Kommunalbaulasten in ca. 100 meist fränkischen Orten. Beklagt werden die dabei häufig bestehenden erheblichen praktischen Schwierigkeiten, da langwierige Auseinandersetzungen über den Umfang der Baulast geführt würden. S. hierzu aber die kritischen Arbeiten von L. Renck: BayVBl 1996, 554, DÖV 2001, 103; BayVBl 2001, 513; DÖV 2003, 526; auch C. Sailer, ZRP 2001, 80. Beispiel: BayVGH BayVBl 1996, 564, U. v. 27. 7. 1994 mit Kritik von L. Renck, ebenda S. 554. M. Frisch, ZevKR 1999, 244; Th. Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden. 1995, S. 352 (JuS Eccl. 52).
III. Staatsleistungen i. S. des Art. 138 I WRV/140 GG
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WRV auch indirekte Zuwendungen in Form von Steuer- und Gebührenbefreiungen erfasst.21 Die überwiegende Meinung befürwortet das, das BVerfG hat die Frage für eine Gerichtsgebühr im konkreten Fall verneint und das Problem im Übrigen offengelassen.22 Praktisch ist die Frage der negativen SL derzeit unerheblich, da unabhängig von verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ohnehin umfassende Steuer- und teilweise Gebührenvergünstigungen bestehen, was im kultur- und sozialstaatlichen Zusammenhang im Grundsatz (bei Einhaltung strikter Neutralität) zulässig ist. d) Ungeklärt ist die Frage nach den Ablösungsmöglichkeiten der Länder ohne 362 Bundes-Grundsatzgesetz, soweit sie ohne kirchliche Zustimmung erfolgen soll. Es wird diskutiert, ob das Fehlen eines Grundsätze-Gesetzes gem. Art. 138 I WRV nach wie vor eine Sperrwirkung entfaltet und ob der Bund kompetenzrechtlich überhaupt in der Lage ist, ein solches Gesetz zu schaffen.23 Angesichts des nahezu 90 Jahre andauernden „erstaunlichen Verfassungsverstoßes“ (H. D. Jarass) leuchtet eine Sperrwirkung in einem Staat, der keine spezifische cura religionis betreiben darf, nicht ein. Die Länder hätten die Staatsleistungen gem. Art. 138 I WRV/140 GG längst – am besten ratenweise – durch einmalige Totalablösung beenden müssen. Da lediglich eine angemessene Entschädigung zu zahlen ist bzw. war, keineswegs voller Wertersatz24, wäre eine 10- oder 15-jährige Leistungsfortführung als Teil einer von der WRV eindeutig gewollten Institutsliquidation25 angemessen gewesen. Wie auch immer: Heute jedenfalls sind angesichts des klaren Verfassungswillens zur Beendigung der altrechtlichen vermögenswerten StaatKirche-Verflechtungen aus der Zeit des christlichen Staats und des Übergangs in einen andersartigen Staat der Freiheit von Religion und Weltanschauung auf der Basis der Gleichberechtigung und religiös-weltanschauliche Abstinenz des Staats alle historischen Staatsleistungen als obsolet anzusehen. Sie sind finanziell längst abgegolten und daher auch anrüchig geworden.26 Alle Zahlungen (Größenordnung: s. oben III 1 b) sind demnach unverzüglich einzustellen, was angesichts der kulturstaatlichen Förderung insb. der Kirchen ohnehin nur relativ geringe Bedeutung hätte.
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Dazu die Hinweise bei G. Czermak, DÖV 2004, 110 (112 f.). BVerfGE 19, 1. Für den Entfall der Sperrwirkung aber z. B. Jarass/Pieroth, GG, 8. A. 2006, zu Art. 140/138 WRV; M. Droege, Staatsleistungen, 2004, 238 nach intensiver Untersuchung; s. auch die krit. Hinweise bei H. A. Wolff, ZRP 2003, 12. Selbst das wird bestritten. Dabei dürfte es regelmäßig kaum möglich sein, einen vollen Wertersatz auf der Basis von 1919 zu ermitteln. So statt aller intensiv H.-J. Brauns und M. Droege. Wie hier im Ergebnis auch z. B. L. Renck. Vgl. im Übrigen Art. 76 der Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils: „Doch setzt sie [die Kirche] ihre Hoffnung nicht auf Privilegien … Sie wird sogar auf die Inanspruchnahme legitim erworbener Rechte immer dann verzichten, wenn feststeht, dass sonst die Lauterkeit ihres Zeugnisses in Frage gestellt ist oder wenn veränderte Verhältnisse eine andere Regelung erfordern.“
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§ 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung
363 e) Von grundsätzlicher und auch praktischer Bedeutung ist die Frage der Zulässigkeit der Neubegründung von Staatsleistungen. Sie wird von der traditionellen Lehre entgegen dem eindeutigen Sinn des Art. 138 I WRV bejaht, da es dem Staat nicht verwehrt sein dürfe, RG zu fördern. Dabei werden häufig die historischen SL i. S. des Art. 138 I WRV und die kulturstaatlichen Subventionen nicht oder nicht klar auseinandergehalten. Ein Neubegründungsverbot kann nur altrechtliche Leistungen betreffen. Das alte Rechtsinstitut der SL beruhte „auf der vorsäkularen Identität staatlicher und religionsgemeindlicher Zwecke“ und sollte gerade wegen des „staatskirchentümlichen Begründungszusammenhangs“ vollständig „liquidiert“ werden.27 Der Staat darf nicht etwa Rechte aus der Zeit vor 1919 in Form von Naturalleistungen beenden und durch wiederkehrende Geldleistungen ersetzen, sie also nicht verrenten. Gerade derartiges ist aber z. B. in den Verträgen mit den neuen Bundesländern geschehen. Man hat den historischen unübersichtlichen Wildwuchs beseitigt und durch einfach zu handhabende Geldrenten ersetzt, also GG-widrig nicht entsprechend Art. 138 I WRV beendet.28
IV. Religionsförderung (Subventionen)29 1. Rechtliche Möglichkeit und praktische Dimension
364 a) Soweit ersichtlich, bestreitet heute niemand die grundsätzliche Möglichkeit, dass der Staat aus rein säkularen Gründen kultur- oder sozialstaatlicher Art auch Religion und RG bzw. WG durch Geld oder geldwerte Leistungen fördert, wenn er dabei nicht einseitig, sondern nach allgemein einsichtigen Gründen vorgeht, d. h. andere RG „gleich“ behandelt und auch WG mit einbezieht. Insbesondere dürfen diese Maßnahmen nicht Religion allgemein oder gar eine bestimmte Religion oder Konfession um ihrer selbst willen fördern, weil das Neutralitätsgebot und das damit verbundene Identifikationsverbot das nicht zulassen (§ 10). Denn: Der Gedanke der Fürsorge des Staates in Glaubensangelegenheiten ist – so das BVerfG – dem GG fremd.30 365 b) Das praktische Ausmaß staatlicher Kirchensubventionen ist in seiner Dimension weithin unbekannt und wurde umfassend erstmals von Carsten Frerk erforscht.31 Sie sind als Teil der Kirchenfinanzierung unter Einbeziehung indirekter 27 28
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So zusammenfassend M. Droege, Staatsleistungen, 2004, 256. Darauf zielt auch die Kritik etwa von Jarass/Pieroth, GG; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, und U. K. Preuß, in: AK-GG, jeweils zu Art. 140/138 WRV. Dazu heute in erster Linie M. Droege, Staatsleistungen, 2004, 258 ff., insb. 376–432. BVerfGE 44, 37 (52 f.). Die folgenden Daten sind der ersten umfassenden Dokumentation der Kirchenfinanzen entnommen: C. Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, 2002 (zahlreiche Tabellen und Grafiken). Die DM-Zahlen wurden in Euro umgerechnet und gerundet. Die konservativ ermittelten tatsächlichen Angaben haben nach Auskunft des
IV. Religionsförderung (Subventionen)
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geldwerter Subventionen (Einnahmeverzichte des Staats) sogar bedeutsamer als die Erträge der Kirchensteuer. Die Fördermittel für kirchliche Sozialeinrichtungen sind im Folgenden nicht berücksichtigt. Zur Größenordnung: Es geht etwa (Zahlenangaben aus 1999–2001) um die Finanzierung des Religionsunterrichts (1,342 Mrd. €), der staatlich-theologischen Fakultäten und anderer kirchlicher Ausbildungsstätten (600 Mill. €, Niedrigstschätzung32), der Militärseelsorge (27 Mill. €), der Polizei- und Gefängnisseelsorge, um die Besoldung von Bischöfen und anderen Geistlichen, um Kirchentage, Kirchenbaulasten, Bauzuschüsse aller Art (bis zum Priesterseminar), Gebührenvergünstigungen, Leistungen der Denkmalpflege, Erwachsenenbildung (insb. Akademien), Jugendarbeit, Rundfunk (kostenlose Ausstrahlung von „Drittsendungen“), Gerichtliche Bußgelder, ABM-Maßnahmen, Auslandsarbeit (Kultur, Entwicklungshilfe, Mission). Zusammenfassend kommt Frerk für das Jahr 200033 auf direkte Staatszuwendungen von 8,3 Mrd. € und auf staatliche Einnahmeverzichte von 10 Mrd. €. Hierzu gehören auch Steuerverzichte infolge der vollen Absetzbarkeit der Kirchensteuer von der Einkommensteuer in Höhe von nicht weniger als jährlich 2,6 Mrd. € bzw. 3,75 Mrd. € in 2004. Diese Beträge kommen allerdings nicht den Kirchen zugute, sondern den Kirchensteuerzahlern, die dabei von allen anderen Steuerpflichtigen subventioniert werden. Es geht bei obigen Angaben nur um die Größenordnung staatlicher geldwerter 366 Leistungen, nicht um ihre rechtliche Zulässigkeit. 2. Interessengeleitete Differenzierungen Zum Thema der finanziellen Subventionierung kirchlicher bzw. religiöser Einrich- 367 tungen oder Aktivitäten gibt es (im Gegensatz zu den Staatsleistungen i. S. des Art. 138 I WRV) nur wenig Spezialliteratur. Auch kirchennahe Autoren, die sich für positive Religionsförderung einsetzten, sprachen immer wieder allgemein von der dabei zu beachtenden Neutralität.34 Aber oft wurde ein Gespenst beschworen: Religion und Kirche laufen (angeblich) Gefahr, schlechter gestellt zu werden als „vergleichbare“ soziale und kulturelle Einrichtungen. Dabei sei aus der Sicht des „neutralen Kulturstaats“ die Arbeit der Kirchen „kulturell wertvoll und förderungswürdig“.35 Aber wie neutral ist die kulturelle Wertung als Förderungsgrundlage? Man hat sogar vorgeschlagen, man solle solche Privatschulen, die das Gebot
32 33 34
35
Autors keine kirchliche Kritik erfahren. Wegen der Finanzleistungen des Freistaats Bayern siehe die genau differenzierten Daten bei http://www.fowid.de/fileadmin/ datenarchiv/Staatsdotationen_Bayerns_an_weltanschauliche_K.d._.R.pdf. S. C. Frerk, a. a. O. 174–183. C. Frerk, S. 405. So plädierte z. B. M. Heckel für religiöse Kulturpflege in „Pluralität und Neutralität“, VVDStRL 26 (1968), 5 (29); G. Robbers, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 867 (877, 879, 889). K. Meyer-Teschendorf, Staat und Kirche im pluralistischen Gemeinwesen, 1979, 135 (143).
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§ 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung
der „Ehrfurcht vor Gott“ stärker entfalten, „finanziell besser stellen als andere“.36 Einen bemerkenswerten Versuch, die zahlreichen Vergünstigungen der Kirchen als nur scheinbar auszuweisen, hat 1990 Martin Heckel in einer Arbeit zu Art. 3 III GG unternommen.37 Natürlich dürfe der Staat keine Religionspolitik betreiben, aber: „Die kulturpolitische und sozialpolitische Beurteilung der Religionsgemeinschaften nach ihrer Bedeutung und Leistung für die Gesamtheit und das Gesamtwohl ist ihm durch Art. 3 III GG unbenommen.“ „Aus säkularen Gründen des Gemeinwohls darf der Staat Religionsgemeinschaften ebenso wägen und werten, fördern und berücksichtigen wie andere Verbände der pluralistischen Gesellschaft.“38 Und: Er müsse sie „auch nach ihren inneren religiösen Qualitäten … zur Kenntnis nehmen und an sie anknüpfen … “.39 So lässt sich mit der Heckelschen These von der „gleichwertigen Differenzierung“ nahezu jede Privilegierung rechtfertigen. Aber auf die zahlreichen Vergünstigungen, die speziell die Kirchen erfahren (z. B. weitgehend öffentliche Finanzierung von Kirchentagen usw., s. § 3 II) gehen Heckel und andere Autoren kaum ein. Wolfgang Clement stellte in einem Referat zur Kirchenförderung 1993 das Prinzip der Gleichbehandlung aller Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften heraus40 und forderte, im sozialen und kulturellen Bereich müsse „der Staat auch dafür sorgen, dass es genügend weltanschaulich neutrale Einrichtungen für jene gibt, deren Überzeugung die kirchliche Ausrichtung nicht entspricht oder gar zuwiderläuft“.41 Aber die starke Dominanz kirchlicher Einrichtungen in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen problematisierte er nicht. Gleichzeitig stellte Dietrich Pirson zur Aufrechterhaltung der staatskirchenrechtlichen Fördertradition den Gedanken der sozialen Nützlichkeit kirchlichen Handelns, den Aspekt der Kulturverantwortung des Staates und den Gedanken der Religionsförderung als Mittel optimaler Freiheitssicherung heraus.42 Er äußerte aber zu Recht selbst Zweifel an der Überzeugungskraft dieser Argumentationsstränge: Bei der sozialen Nützlichkeit sieht er das Problem der kirchlichen Unabhängigkeit und der Bekenntnisneutralität der Förderung. Letzteres begreift er als „zentrale Frage“, ohne sie näher zu behandeln. Bezüglich der staatlichen Kulturverantwortung meldet Pirson selbst „erhebliche Zweifelsfragen“ an, die in der Aussage gipfeln: „Die dogmatischen Schwierigkeiten bei der Differenzierung zwischen unzulässiger Förderung der Religion als solcher und zulässiger Förderung ihrer Qualität als kultureller Erscheinungsweise sind noch größer als bei der Religionsförderung unter dem Gesichtspunkt der sozialen Relevanz religiösen Handelns.“ Bei aktiver Förderung der Religionsfreiheit sei „in besonderer Weise Skepsis angebracht“. Denn es werde schwierig, „die Förderung der Ausgangsbedingungen für religiös Suchende von der institutionsbezogenen Förderung 36 37 38 39 40 41 42
J.-D. Kühne, NWVBl 1991, 253 (259). M. Heckel, in: FS für G. Dürig zum 70. Geburtstag, 1990, 241. Beide Zitate M. Heckel, a. a. O. 245. Zitate, a. a. O. 243. W. Clement, Essener Gespräche 28 (1994), 41 (44). Ebenda 46. D. Pirson, in: Essener Gespräche 28 (1994), 83.
IV. Religionsförderung (Subventionen)
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von Religionsgemeinschaften abzugrenzen“43. Juristisch ausgedrückt geht es um die richtige Anwendung von Art. 3 I und 3 III GG. 3. Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage der insbesondere finanziellen Sub- 368 ventionierung religiös-weltanschaulicher Vereinigungen bisher nur sporadisch befassen müssen. In seiner Salvator-Entscheidung von 199044 hat das BVerwG ausgeführt: Das GG erlaube positive Religionspflege. Der Staat dürfe dabei nach sachlichen Gesichtspunkten der tatsächlichen Verschiedenheit der RG differenzieren45 und dabei Größe, Verbreitung, Grad der öffentlichen Wirksamkeit, kulturund sozialpolitische Stellung in der Gesellschaft und den Körperschaftsstatus berücksichtigen. Aus den beiden vom BVerwG zitierten Entscheidungen des BVerfG ergibt sich nur, dass im Grundsatz Differenzierungen möglich sind und dass der Körperschaftscharakter ein zulässiger Differenzierungsgrund ist. Diese Argumentation ist aber mehr eine Problembeschreibung als eine Lösung, denn es fehlen die Angabe der Anwendungstendenz und die konkrete Begründung. In der Frage der staatlichen Subventionierung von Privatschulen, die ja zum 369 größten Teil kirchliche Träger haben, hat das BVerwG die Auffassung vertreten, kirchliche Träger dürften stärker gefördert werden als andere freie Träger, wenn sachliche Gründe vorlägen wie Konkordate.46 Das BVerfG hat 1987 ebenfalls eine privilegierte Förderung kirchlicher Schulen zugelassen.47 Den Art. 3 III GG sah es nicht verletzt, wenn es darum geht, „ … das Vertrauen der konfessionellen und weltanschaulichen Träger in die bisherige Förderungspraxis nicht zu enttäuschen“, die eine Wiedergutmachung für NS-Unrecht dargestellt habe. Auch könnten die besondere Funktion von Bekenntnisschulen im Hinblick auf Art. 7 V GG, die Wahlrechte von Eltern und Schülern und im Hinblick auf eine wesentlich niedrigere Förderung nichtkonfessioneller Schulen das fiskalische Interesse des Staates berücksichtigt werden. Das BVerfG hat daher nur wenige Jahre später solche Begründungen abgelehnt. 370 In seiner insoweit wenig beachteten Entscheidung zum Nachtarbeitsverbot für Frauen hat es ausdrücklich klargestellt, Merkmale des Art. 3 III GG dürften grundsätzlich auch bei fehlender Absicht nicht als Anknüpfungspunkt für Ungleichbehandlung herangezogen werden und es hat ausdrücklich die o. g. Entscheidung zur schulischen Religionsförderung korrigiert.48 Die Literatur hat sich dem Verständnis des Art. 3 III GG als grundsätzliches Anknüpfungsverbot vielfach an43 44 45 46
47 48
Zitate S. 96 f., a. a. O. BVerwGE 87, 115. Bezugnahme auf BVerwGE 61, 152 (163). BVerwG NJW 1986, 3220, zu BayVGH BayVBl 1984, 336; dazu krit. L. Gramlich, BayVBl 1987, 490. BVerfGE 75, 40 (71 ff.). E 85, 191 (206).
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§ 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung
geschlossen.49 Bei einer Ungleichbehandlung muss demnach eine vom Staat ggf. zu entkräftende Vermutung für die Kausalität eines verfassungswidrigen Motivs angenommen werden. 4. Hinweise zu einer Theorie der Religionsförderung
371 Die bei der direkten und indirekten Religionsförderung (von einer Förderung weltanschaulicher Belange kann in der Praxis so gut wie keine Rede sein) entstehenden juristischen Gleichheitsprobleme (Neutralitätsprobleme) sind noch weitgehend ungelöst. Denn auch, wenn und soweit man Art. 3 III GG für unanwendbar hält, ergeben sich bei der Ermittlung der Vergleichspaare und zulässigen Differenzierungskriterien im Rahmen des dann anzuwendenden Art. 3 I GG u. U. erhebliche Schwierigkeiten.50 Denn fast immer lassen sich irgendwelche sachlich klingenden Gründe finden, die im Ergebnis eine spezielle Religionsförderung als Ausdruck „positiver Neutralität“ rechtfertigen sollen, aber sie reichen oft nicht aus oder sind unzulässig. Hierzu ließe sich § 3 II als Fragenkatalog verwenden. Neuerdings hat erstmals Michael Droege den intensiven Versuch einer religiösweltanschaulich neutralen Theorie der kulturstaatlichen Religionsförderung unternommen und dabei erfreulich klare Grenzen zwischen Art 3 III GG (primär) und Art. 3 I GG (sekundär) gezogen. Wolle man Art. 3 III GG zu Unrecht nicht als grundsätzliches Anknüpfungsverbot ansehen, sondern „gleichwertige Differenzierungen“ zulassen, werde der Unterschied zwischen beiden Gleichheitssätzen eingeebnet. Auch sei der Anwendungsbereich des Art. 3 III GG bei der Religionsförderung relativ schmal.51 Der gesamte Bereich der – grundsätzlich zulässigen – kulturstaatlichen Förderung der RG und WG unterliegt aber dem komplizierten Regime des Art. 3 I GG.52 Dazu kann im Rahmen dieser Einführung angesichts der diversen möglichen Differenzierungskriterien und unterschiedlichen Fallgestaltungen nicht näher Stellung genommen werden. Beherzigenswert erscheint der Hinweis Droeges darauf, der Körperschaftscharakter rechtfertige nur begrenzt besondere Vergünstigungen und die Mitgliederstärke sei dabei „höchst untauglich“ als Anknüpfungspunkt hoher sozialer Relevanz, weil empirische Faktoren eine besondere Bedeutung hätten.53 Ganz allgemein sei aber festgestellt, dass es bezüglich der Gleichbehandlung von Kirchen einerseits und kleinen RG oder WG andererseits häufig keiner besonderen theoretischen Bemühungen bedarf, um zu 49
50 51
52 53
Statt aller M. Droege, Staatsleistungen, 2004, 391 ff., M. Sachs, Besondere Gleichheitsgarantien, in: HdbStR V. Eindrucksvoll G. Britz, JZ 2000, 1127. M. Droege, a. a. O. 391 ff. verweist auf die durch das „wegen“ begründete qualifizierte Beziehung zwischen Merkmal und Differenzierung, auf verfassungsunmittelbare Relativierungen und Differenzierungserlaubnisse sowie den Ausschluss nur mittelbarer Diskriminierungen. Dazu M. Droege, a. a. O. 400–414. Ebenda 409 ff.
IV. Religionsförderung (Subventionen)
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erkennen, was die Gleichbehandlung erfordert oder, noch leichter, was mit Sicherheit neutralitätswidrig ist. Müssten nicht, wenn Kirchentage oder eine päpstliche Großveranstaltung großzügig öffentlich gefördert werden, auch entsprechende Veranstaltungen der Zeugen Jehovas, atheistischer oder muslimischer Verbände vergleichbar gefördert werden? Wäre es stattdessen nicht geboten, im Hinblick auf das Gebot der Trennung von Staat und Religion und die fehlende Religionskompetenz des Staats auf jegliche Subventionierung von Veranstaltungen und Einrichtungen zu verzichten, die unmittelbar dem Ausdruck der religiös-weltanschaulichen Überzeugung dienen? Religion doch als Staatsaufgabe? Lässt sich die kräftige staatliche Bezuschussung speziell großkirchlicher und evangelikaler missionierender Entwicklungshilfe54 in jeder Hinsicht mit verallgemeinerungsfähigen rein säkularen Argumenten begründen? Ein generelles Problem für einwandfreie Kriterien der Zuschussvergabe ist die 372 Tatsache, dass die öffentlichen Zuschussgeber verschiedenen Körperschaften angehören: Bund, Länder, Bezirke, Landkreise, Kommunen. Wie sich da bei den unterschiedlichen Zuschussnehmern, Einrichtungen und Veranstaltungen (teils lokaler, teils überörtlicher, von kurz- oder längerfristiger Bedeutung) Kriterien für eine Gleichbehandlung entwickeln lassen, die einer korrekten Handhabung des Art. 3 I GG standhalten, hat noch niemand beantwortet. Soweit aber eine neutralitätsgerechte Förderung nicht möglich ist, muss sie unterbleiben.55 5. Resümee Das Problem der Religionsförderung ist, wie überhaupt das Neutralitätsgebot, eine 373 große Schwachstelle des tatsächlichen Systems der Bundesrepublik. Bei jeder direkten Subvention besteht die Gefahr, dass die öffentlichen Hände je nach Wohlverhalten und allgemeiner politischer Stimmung den Zuschuss-Hahn auf- oder zudrehen und die Zuschussempfänger entsprechend den jeweiligen politischen Konstellationen, d. h. Opportunitäten, auswählen. Es stellen sich auch Fragen wie: Wird der Staat die Gehaltszahlungen an islamische Mullahs ebenso aus allgemeinen Steuermitteln subventionieren, soweit er dies gegenwärtig für die Geistlichen der beiden Großkirchen tut? Usw. usf. Es spricht nicht wenig dafür, die Religionsförderung zumindest erheblich zu reduzieren, schon, um die bestehenden Verstöße gegen die Neutralität der Förderung abzubauen. Andere Länder kennen keine vergleichbare Religionsförderung, ohne deswegen religionsfeindlich zu sein.56 Gegen die weitgehende öffentliche Förderung kirchlicher Sozialeinrichtungen 374 ist freilich nichts einzuwenden, soweit diese den Staat von eigenen Sozialleistungen entlasten und sofern die öffentlich-neutrale Grundversorgung mit entspre54
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Im Jahr 2000 mindestens 367 Mill. DM, vgl. C. Frerk, Finanzen und Vermögen … , 2002, 161 f., Übersicht 76. Ebenso M. Droege, a. a. O. 386 Fn. 891. So lautet Art. 44 II Nr. 2 der Verfassung von Irland: „Der Staat garantiert, keiner Religion finanzielle Unterstützung zu gewähren“.
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§ 15 Kirchenvermögen, Staatsleistungen, Religionsförderung
chenden Einrichtungen gewährleistet ist. Das Problem liegt dabei nicht in der Förderung als solcher, sondern in der Zulassung des jeweiligen Trägers im Hinblick auf die neutrale Grundversorgung (s. § 16 I).
§ 16 Kirchliches Sozialwesen und kirchliches Arbeitsrecht
I. Zur tatsächlichen Bedeutung des kirchlichen Sozialwesens Die große gesellschaftliche Bedeutung des Themas ergibt sich schon aus dem 375 Umstand, dass die christlichen Großkirchen bei gesundheitlichen, karitativen und pädagogischen Einrichtungen in der Bundesrepublik z. T. sehr weitgehend dominieren. Die Träger der sogenannten freien Wohlfahrtspflege (LIGA) sind hauptsächlich kirchlich gebunden. Der gesamte Bereich hat sich zwischen etwa 1970– 1990 explosionsartig entwickelt. Dem Deutschen Caritasverband (Caritas) und dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (Diakonie) gehören jeweils zahlreiche Verbände und insgesamt über 50 000 rechtlich selbständige Träger an.1 Sie vereinen etwa zwei Drittel aller Beschäftigten in der LIGA auf sich, und etwa zwei Drittel aller Beschäftigten des Bereichs Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege gehören zur LIGA.2 Das heißt, dass knapp die Hälfte aller Arbeitnehmer des gesundheitlich-sozialen Bereichs in konfessionellen Einrichtungen tätig sind. Die kirchlichen Verbände beschäftigen heute um die 1,4 Mill. Menschen als Arbeitnehmer (einschließlich Sondergruppen wie Auszubildende)3. Bezogen auf die Zahl der Plätze bzw. Betten dominieren innerhalb der Freien Wohlfahrt nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrt (2002) die großen konfessionellen Verbände bei der Aus- und Fortbildung mit ca. 97 %, bei den Krankenhäusern mit 88 %, bei der Jugendhilfe 1
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3
Nach Auskunft des Caritasverbands geht es um ca. 25 000, nach Angabe des Diakonischen Werks um ca. 26 800 Einrichtungen und Dienste (Stand 2007). Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege sind hauptsächlich in der „Bundesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege“ organisiert. Zu ihr gehören neben den kirchlichen Verbänden der (heterogene) Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz und die kleine Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, zusammen auch LIGA genannt. Siehe zu den komplizierten Einzelheiten und Ursachen für unterschiedliche Zahlenangaben die umfangreiche Darstellung von C. Frerk, Caritas und Diakonie in Deutschland, 2005, 21 ff.
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§ 16 Kirchliches Sozialwesen und kirchliches Arbeitsrecht
(mit Kindertageseinrichtungen) mit 74,3 %, bei den Behinderten mit 68,7 % und in der Altenhilfe mit 58,3 %.4 Die Verteilung auf die Bundesländer ist sehr uneinheitlich. So betrieben die großen Konfessionen 2002 auf Bundesebene ca. 36 % aller Kindertagesstätten, in Bayern (2000) aber ca. 58 %. Um 2000 waren bei der Caritas etwa 60 % der Mitarbeiter in Nordrhein-Westfalen und Bayern tätig. Die Diakonie ist in Baden-Württemberg besonders stark vertreten. In den neuen Bundesländern waren 2002 laut Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege durchschnittlich 37,6 % aller Mitarbeiter der LIGA in der Diakonie tätig, knapp 7,7 % bei der Caritas (zusammen 45,3 %), beim Paritätischen Wohlfahrtsverband 32,3 %. Bezüglich der Finanzierung der „kirchlichen“ Sozialdienste kommt Carsten Frerk in seinem faktenreichen Standardwerk zu Caritas und Diakonie für 2003 zu folgendem Ergebnis: Zum Gesamtumsatzvolumen von Caritas und Diakonie von ca. 44,5 Mrd. Euro trugen Kirchenmittel lediglich 1,8 % („Kirchenquote“) bei5 – ein weitgehend unbekannter Sachverhalt.6 Die Folge der grob skizzierten Umstände ist, dass viele Andersdenkende je 376 nach den örtlichen Verhältnissen faktisch gezwungen sind, kirchliche Einrichtungen wie Kindergärten, Alten- und Pflegeheime oder spezielle Schulen in Anspruch zu nehmen. Die konfessionelle Dominanz hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation im gesundheitlichsozialen Bereich.
II. Rechtliche Voraussetzungen der Entwicklung 1. Vorrang der Freien Träger
377 Ausgangspunkt der explosionsartigen Entwicklung der Träger kirchlicher Einrichtungen anstelle öffentlicher Träger waren die Änderungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und des Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG), die die konservativen Parteien noch kurz vor der Bundestagswahl 1961 gegen den heftigen Widerstand von Städten und Gemeinden beschlossen. Ohne sachliche Notwendigkeit wurde das bislang geltende System des Vorrangs sozialer Einrichtungen der öffentlichen Hand umgekehrt in einen Vorrang der freien, d. h. vorwiegend kirchlichen Einrichtungen (§ 5 III 2 JWG, heute § 4 SGB VIII betreffend Kinder- und Jugendhilfe; § 10 IV BSHG). Man stützte sich auf das plausibel klingende, aber konkret betrachtet nicht hilfreiche Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre, wonach größere Einheiten nur solche Funktionen übernehmen sollen, die kleinere
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C, Frerk, a. a. O., 35, Tabelle 11. C. Frerk, a. a. O., 309 ff. Haushaltstechnische Besonderheiten und unterschiedliche Usancen kirchlicher Haushaltspläne tragen erheblich zur Verwirrung bei. Die örtlichen Verhältnisse können mehr oder weniger abweichen.
II. Rechtliche Voraussetzungen der Entwicklung
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nicht adäquat zu leisten vermögen.7 Das BVerfG hat zwar 1967 die Regelungen in seinem Sozialhilfeurteil8 verfassungskonform eingeschränkt. (Zusätzliche) Einrichtungen der öffentlichen Hand kommen demnach dann zum Tragen, wenn mit den (bei der Neuerrichtung vorrangig zu berücksichtigenden) privaten Einrichtungen den Bedenken der Betroffenen gegen die Benutzung konfessioneller Einrichtungen nicht mehr Rechnung getragen werden kann. Das BVerfG hat für die Anwendung des § 3 BSHG (Besonderheiten des Einzelfalls) ausdrücklich auch auf Art. 4 GG abgestellt. Das hätte das Bestehen einer angemessenen Grundversorgung mit weltanschaulich neutralen Einrichtungen als Voraussetzung für die Errichtung privater konfessioneller Einrichtungen bedeuten müssen. Die Praxis hat sich nicht daran gehalten, obwohl zahlreiche, auch viele christliche, Juristen oder Politiker den faktischen Zwang, gegen den eigenen Willen christliche Einrichtungen benutzen zu müssen, beanstanden.9 2. Überdehnung der Religionsausübungsfreiheit Nach dem o. g. Sozialhilfe-Urteil war die sogenannte Lumpensammler-Entschei- 378 dung des BVerfG von 196810 (Aktion Rumpelkammer) von entscheidender Bedeutung. Ein OLG hatte unverständlicherweise den Aufruf eines Pfarrers zu einer Altkleidersammlung der Katholischen Landjugend als Akt unlauteren Wettbewerbs gewertet. Das BVerfG stellte daraufhin (ohne Not) die – systemsprengenden – Weichen für die weitere Entwicklung, die ihren Schwerpunkt in der Auslegung des Art. 137 III WRV hatte. Nach dem Selbstverständnis der Kirchen umfasst die Religionsausübung wesentlich auch die karitative Tätigkeit. Das BVerfG billigte daher den Art. 4 I, II GG auch solchen Vereinigungen zu, „die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben“. Das gelte auch für unselbständige Vereinigungen, soweit ihr Zweck die Förderung oder Pflege eines Bekenntnisses oder die Glaubensverkündigung ist. Die Landjugendbewegung sei der Katholischen Kirche zwar nicht organisatorisch, aber institutionell verbunden. In seiner Goch-Entscheidung von 1977 hat das BVerfG diese Ansicht noch bekräftigt und präzisiert.11 Diese Rspr. bedeutet eine neuartige und exzessive Er7
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R. Herzog spricht in seiner grundlegenden Kritik in Der Staat 2 (1963), 399 (407) trotz des richtigen Kerns des Subsidiaritätsprinzips von einem „grandiosen Selbstbetrug“. BVerfGE 22, 180. Sehr deutlich A. v. Campenhausen, in: v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A., 2006, 371; W. Clement, in: Essener Gespräche 28 (1994), 41 (46); M. Heckel, in: Zacher-FS 1998, 235 (249); H. Weber, ZevKR 1991, 253 (264). BVerfGE 24, 236. BVerfGE 46, 73 (85): „Nach Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und die rechtlich selbständigen Teile dieser Organisation, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei
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§ 16 Kirchliches Sozialwesen und kirchliches Arbeitsrecht
weiterung des traditionellen Verständnisses der Religionsausübungsfreiheit als Kultusfreiheit, weil es beliebiges Verhalten unter speziellen Schutz stellt, wenn es nur religiös motiviert ist (s. § 7 VI 1). Dass dabei diesen kirchlichen „Satelliten“ überdies sogar die Grundrechtsfähigkeit zuerkannt wird12, obwohl sonst streng auf das Vorliegen einer RG oder WG im vollen Sinn geachtet wird, entbehrt jeder Begründung.13 3. Überdehnung des Selbstbestimmungsrechts
379 Art. 137 III WRV/140 GG wurde durch die sogenannte St. Marien-Entscheidung des BVerfG von 198014 erstaunlich ausgeweitet. Das Gericht gab Verfassungsbeschwerden katholischer und evangelischer Träger von Krankenhäusern, die voll vom Staat finanziert wurden, statt. Der Gesetzgeber von Nordrhein-Westfalen hatte aus fachlich-wirtschaftlichen Gründen bestimmte Organisationsstrukturen vorgeschrieben. Im Rahmen der Wechselwirkung zwischen dem einschränkenden allgemeinen Gesetz (Art. 137 III 1 WRV) und dem Selbstbestimmungsrecht, die dem Erfordernis friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche gerecht werde, sei dem Eigenverständnis der Kirchen wegen Art. 4 GG ein „besonderes Gewicht“ beizumessen. Das KrankenhausG greife ohne zwingenden Grund unzulässig in die den Kirchen zustehende Organisations- und Personalhoheit ein. Dabei ging es in den beanstandeten Vorschriften nur um rein formale Dinge ohne möglichen religiösen Bezug: um Anhörungsrechte der Betriebsleitung bei Personalfragen, Anhörungsrechte des ärztlichen Vorstands bei der Bestellung leitender Ärzte, die fachlichen Aufgaben und Zusammensetzung des ärztlichen Vorstands und die fachliche Zusammenarbeit der Ärzte verschiedener Abteilungen. In dem ausführlichen, deutlichen Sondervotum Rottmann15 ist dazu ausgeführt, die Senatsmehrheit beschränke sich nicht auf eine Evidenzkontrolle oder Vertretbarkeitskontrolle, sondern setze ihre eigene Beurteilung der gesundheitspolitischen Fragen voll an die Stelle des Gesetzgebers. Gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Religionsgesellschaften würden zu deren eigenen Angelegenheiten erklärt, in die der Staat nur ausnahmsweise, weil zur Gefahrenabwehr unumgänglich, eingreifen dürfe. Wörtlich: „Bei der Verfassungsbeschwerde geht es in Wahrheit gar nicht um das verfassungsmäßige Recht der Selbstorganisation der Kirchen, sondern um die Erhaltung eines bisher rechtsfreien Raumes undurchsichtiger Entscheidungsprozesse und Organisationsprozesse einzelner religiöser Ver-
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ist, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen … “. So BVerfGE 46, 73 (82 f.). Dagegen D. Ehlers, in: B. Pieroth (Hrsg.), Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung, 2000, 85 (108 f.). BVerfGE 53, 366. Ebenda 408 ff.
III. Arbeitsrecht im kirchlichen Bereich
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eine um seiner selbst willen.“16 Wie fragwürdig die Ansicht ist, generell auch den karitativ-pädagogischen Einrichtungen der Kirchen bei Anwendung des allgemeinen Arbeitsrechts auch das religiöse Selbstbestimmungsrecht zuzuerkennen, hat Joachim Wieland besonders eindringlich dargetan.17
III. Arbeitsrecht im kirchlichen Bereich Literatur: Arbeit und Recht (Z), Sonderheft „Kirche und Arbeitsrecht“, 1979 (Grundfragen); H. Beyer/H. G. Nutzinger, Erwerbsarbeit und Dienstgemeinschaft, 1991 (empirische Untersuchung); G. Czermak, PersR 1995, 455; M. Droege, in: Klinkhammer/Frick (Hrsg.), Religionen und Recht, 2002, 203; U. Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, Handbuch, 2002; ders., ZMV 1998, 266 (Teil 1) und ZMV 1999, 19 (Teil 2); R. Keßler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, 1986; ders., in: H. Abromeit/G. Wewer (Hrsg.), Die Kirchen und die Politik, 1989, 136; H. Reichold, in: H. Kreß (Hrsg.), Religionsfreiheit als Leitbild Staatskirchenrecht in Deutschland und Europa im Prozess der Reform, 2004, 105; R. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4. A. 2003; G. Struck, Entwicklung und Kritik des Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich, NZA 1991, 249; G. Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, 2006; J. Wieland, Der Staat 25 (1986), 321; ders., DB 1987, 1633.
1. Allgemeines Die Kirchen und die ihnen rechtlich zugeordneten „Satelliten“ begründen in gro- 380 ßem Umfang Arbeitsverhältnisse nach staatlichem Recht. Ihnen werden dabei rechtliche Besonderheiten zugestanden, die zu einem ganzen Kosmos innerkirchlichen Arbeitsrechts geführt haben. Es bestehen somit zwei parallele und jeweils sehr umfangreiche Rechtsordnungen, deren Zusammenspiel Probleme aufwirft. Da im Konfliktfall zuletzt stets staatliche Gerichte entscheiden, müssen diese stets auch kirchliches Arbeitsrecht anwenden bzw. als Vorfrage berücksichtigen. Gesetzliche Sonderregelungen und eine bemerkenswert kirchenfreundliche Rechtsprechung des BVerfG haben zur Existenz eines, auch international gesehen, absoluten arbeitsrechtlichen Sonderstatus geführt. Der riesige Umfang dieser Materien18 erlaubt hier nur die Skizzierung von Grundlagen.
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A. a. O., 416, mit näherer Begründung. J. Wieland, Der Staat 1986, 321 und ders. in DB 1987, 1633, der allerdings auch die als solche durchaus akzeptable Güterabwägungslehre bei der Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts mit intensiver Begründung ablehnt. Eine Vorstellung davon mit zahlreichen Links bietet http://www.uni-regensburg.de/ Fakultaeten/Jura/schlachter/links/ArbRKirchen.shtml.
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§ 16 Kirchliches Sozialwesen und kirchliches Arbeitsrecht
2. Wahlmöglichkeit der Kirchen
381 Die Kirchen können (wie theoretisch alle Körperschaften i. S. des Art. 137 V WRV/140 GG) für die bei ihr Beschäftigten im Rahmen des Art. 137 III WRV/140 GG rein innerkirchliches Dienstrecht schaffen (Recht der Pfarrer und Kirchenbeamten, Ordensrecht; s. § 11 III 1 und VII). Sie können aber aus freier Entscheidung auch am allgemeinen Rechtsleben teilnehmen und Arbeitsverhältnisse nach staatlichem Recht begründen. Das staatliche Arbeitsrecht muss aber dem religiösen Selbstbestimmungsrecht (Art. 137 III WRV/140 GG) Rechnung tragen, soweit kirchlich orientierte Arbeitgeber (nach dem oben II 2 beschriebenen weiten Verständnis der Religionsausübungsfreiheit) der Kirche rechtlich zugeordnet werden dürfen. Die enorme Reichweite des Selbstbestimmungsrechts in dieser Beziehung ist eine Besonderheit der deutschen Rechtsentwicklung, aber keineswegs im GG bzw. der WRV erkennbar angelegt. 3. Sonderstellung im kollektiven Arbeitsrecht und „Dritter Weg“
382 a) Das staatliche Betriebsverfassungs-, Personalvertretungs- und Mitbestimmungsrecht gilt nach bundesgesetzlichen Sonderregelungen nicht für die Arbeitnehmer des kirchlichen Bereichs.19 Die ganz herrschende (wenn auch erheblich kritisierte) Rechtsauffassung erkennt auch kein Streikrecht an. Tarifverträge (das ist im Verhältnis zum innerkirchlichen Dienstrecht der sogenannte Zweite Weg) sind sehr seltene Ausnahmen, da sie im Widerspruch zum Wesen der „christlichen Dienstgemeinschaft“ stehen sollen (s. unten 4 a). Das BVerfG hat 1981 in einer stark umstrittenen Entscheidung selbst das bloße Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter für bloße Informations- und Werbezwecke trotz Art. 9 III GG abgelehnt.20 383 b) In Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 III WRV/140 GG) haben beide Kirchen seit 1976/77 den sogenannten Dritten Weg geschaffen, der das staatliche Recht ergänzt bzw. an dessen Leerstellen tritt. Er besteht aus umfangreichen kircheninternen Arbeitsrechtsregelungsverfahren und einem Mitarbeitervertretungsrecht.21 Die rechtliche Grundsatzproblematik der Zulässigkeit eines solchen kirchlichen Arbeitsrechts22 wird heute ignoriert, sein Sinn in den 19 20
21 22
§§ 118 II BetrVG, 112 BPersVG, 1 IV 2 MitbestG. BVerfGE 57, 220; dazu der ehemalige Präsident des Evangelischen Kirchentags und Richter des BVerfG H. Simon: „fragwürdige Einschränkung“ (in: ZevKR 1997, 155 (167)). Fachzeitschriften: Die Mitarbeitervertretung (ZMV); Arbeitsrecht & Kirche (A&K). Grundsatzkritik: P.-H. Naendrup, in: Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1979, 353. R. Keßler kommt in seiner fundamentalen (aber kaum bekannten) Monographie „Die Kirchen und das Arbeitsrecht“, 1986, zum Ergebnis, das Beschreiten des Dritten Weges sei zwar möglich, eine Privilegierung in der staatlichen Arbeitsrechtsordnung lasse sich darauf aber nicht stützen. Krit. zu einer derartigen Er-
III. Arbeitsrecht im kirchlichen Bereich
205
letzten Jahren aber verstärkt diskutiert. Die arbeitsrechtlichen Regelungen für kirchennahe Einrichtungen erfolgen durch Kommissionen, die von Arbeitgeber- und Mitarbeiterseite zumindest formal paritätisch besetzt sind: die „Arbeitsrechtlichen Kommissionen“ (ARK) im Bereich der EKD und die „Kommissionen zur Ordnung des diözesanen Arbeitsrechts“ (KODA) der katholischen Bistümer. Anstelle des Arbeitskampfs tritt eine Zwangsschlichtung mit Letztentscheidung der Kommission oder die kirchliche Entscheidung durch Synode oder Bischof. Die so entstandenen Arbeitsvertragsordnungen bzw. -richtlinien werden jeweils einzelvertraglich mit dem Arbeitnehmer in Kraft gesetzt, laufen weitgehend parallel mit Tarifvertragsregelungen und unterliegen ggf. einer Billigkeitskontrolle durch staatliche Arbeitsgerichte. Das Mitarbeitervertretungsrecht (anstelle des staatlichen Betriebsverfassungsrechts) wird repräsentiert durch das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) der EKD und die „Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung“ (MAVO) des Verbandes der Diözesen Deutschlands. Es gibt Ordnungen für kirchliche Gerichte und Schlichtungsstellen und sogar kirchliche Arbeitszeitordnungen. c) Viele Kritiker aus dem kirchlich-gewerkschaftlichen Bereich fordern seit Jahren 384 erhebliche Änderungen im „Dritten Weg“. An den Gesetzgeber ist die Frage zu richten, welchen Sinn die Herausnahme großer Bereiche aus den staatlichen Regelungen hat. Echten besonderen Erfordernissen könnte durch Integrierung in die Staatsgesetze Rechnung getragen werden. Man würde sich dann eine kaum überschaubare Menge an oft gleichlautenden oder ähnlichen Parallelregelungen im staatlichen und kirchlichen Bereich sparen. Man spricht von kaum mehr verständlicher arbeitsrechtlicher Eigenbrötelei und fehlenden wissenschaftlichen Kontroversen.23 Ein Rückbau des kirchlichen Arbeitsrechts würde auch bedeuten, dass Arbeitnehmer leichter kirchenunabhängigen Rechtsrat erhalten könnten. Im jetzigen System haben sie keine Vorteile, da die staatlichen bzw. tarifvertraglichen Rechtsstandards günstigstenfalls erreicht, aber nie zu ihren Gunsten überschritten werden. Demgegenüber können die kirchlichen Arbeitgeber bzw. die kirchliche Hierarchie ihnen genehme Regelungen veranlassen und „untertarifliche“ Gehälter leichter durchsetzen. Die ständig beschworene „christliche Dienstgemeinschaft“, die den besonderen christlichen Charakter der Einrichtungen ausmachen soll, dürfte weitgehend eine Illusion sein (s. unten), und in einer Zeit strenger Ökonomisierung sozialer Dienstleistungen wäre jeder auf fremde Hilfe Angewiesene schon froh, (lediglich) ordnungsgemäß und professionell behandelt zu werden. Für die Beschäftigten liegen die eigentlichen Probleme bei den Einstellungsvoraussetzungen und im stark reduzierten Kündigungsschutz. Er hat häufig Ergebnisse zur Folge, die mit den in der Gesellschaft allgemein anerkannten ethischen Anforderungen an Gerechtigkeit, Verhältnismäßigkeit und Fairness nicht übereinstimmen (s. unten).
23
weiterung des Art. 137 III WRV auch B. Rüthers, Essener Gespräche 18 (1984), 44 f., 145 f.; H. Weber, NJW 1983, 2541 (2550 f.) u. v. a. U. Hammer, ZMV 1998, 266 (267).
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§ 16 Kirchliches Sozialwesen und kirchliches Arbeitsrecht
4. Besonderheiten im Individualarbeitsrecht, insbesondere Kündigungsrecht
385 a) Im Individualarbeitsrecht ist die Eigenart kirchlicher Betriebe als Tendenzbetriebe24 durch ihre Berücksichtigung im Kündigungsrecht, so könnte man meinen, bereits hinreichend geschützt. Ordentliche Kündigungen müssen freilich gem. § 1 KSchG „sozial gerechtfertigt“ sein, insbesondere auch im Hinblick auf Gründe, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Für fristlose Kündigungen gilt § 626 I BGB: „Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“
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Die kirchlichen Einrichtungen bringen die kirchlichen Interessen in die Einzelarbeitsverträge standardisiert ein und sind bei Kündigungsschutzverfahren ohne Weiteres zu berücksichtigen. Dabei legen die großen Kirchen Wert auf eine (in Wirklichkeit oft kaum feststellbare) besondere christliche Prägung der ihnen verbundenen Einrichtungen. Dazu haben sie jeweils eine Theorie der Christlichen Dienstgemeinschaft entwickelt, die als Leitbild für die Arbeitsverhältnisse fungiert. Man spricht in der katholischen Kirche von Teilhabe am „Sendungsauftrag der Kirche“ und vom „Heilsdienst der Kirche“ im Rahmen einer Dienstgemeinschaft, in der alle Beteiligten sich in ihrem Handeln an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben, auch von der „Verwirklichung des Auftrages Christi“.25 In den Kirchen der EKD beruft man sich auf das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen als Basis der Dienstgemeinschaft.26 Aus diesen Gründen soll der natürliche Interessengegensatz von Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitgehend aufgehoben sein. Aber diese etwas wirklichkeitsfremde Sichtweise wird von der großen Mehrzahl der Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen anscheinend nicht geteilt.27 24
25
26
27
Wie bei politischen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder Medienbetrieben auch, vgl. den Katalog des § 118 BetrVG. Vgl. die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“, die die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 22. 9. 1993 verabschiedet hat. Am 1. 7. 2005 hat der Rat der EKD die „Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit“ bei kirchlichen und diakonischen Arbeitgebern erlassen. So schon vor Jahrzehnten O. v. Nell-Breuning SJ, etwa in StdZ 195 (1977), 705; AuR 1979, 1 und in: M. Pilters/K. Walf (Hrsg.), Menschenrechte in der Kirche, 70 ff. Deutlich in diese Richtung etwa H. Beyer, H. Fischer und H. G. Nutzinger auf Grund empirischer Untersuchungen im evangelischen Bereich (Kurhessen-Waldeck), in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 1990, 1 (Tabelle S. 21).
III. Arbeitsrecht im kirchlichen Bereich
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b) Schon in der Frühzeit der Bundesrepublik gab es Fälle, in denen Mitarbeitern kirchlicher 387 Sozialeinrichtungen mit gerichtlicher Billigung gekündigt wurde, weil das private (außerdienstliche) Verhalten den strengen amtskirchlichen Forderungen, insbesondere im Bereich des katholischen Eherechts, nicht entsprach. Bekannt sind die Fälle der Scheidung und kirchenrechtlich unzulässigen Wiederheirat, in denen die katholische Kirche oft rigoros vorgeht. Wenn etwa eine langjährige und verdiente Kindergärtnerin, die vom Mann verlassen wurde, eine neue Bindung einging und Kinder bekam, wurde das ggf. solange geduldet, bis sie den Vater ihrer Kinder heiratete. Dann folgte die, u. U. fristlose, Kündigung wegen „sittenwidrigen Verhaltens“. Es ist ein ernstes Problem, wenn dann der staatliche Arbeitsrichter die Kündigung für gerechtfertigt halten soll, obwohl das dem ziemlich allgemeinen ethischen Empfinden in der Gesellschaft des Staates, dem der Richter zu dienen hat, und auch den normalen Anwendungskriterien der einschlägigen staatlichen Vorschriften krass widerspricht. Aber gerade so hat sich die Rechtspraxis entwickelt. Eine in ihrer prokirchlichen Rigorosität krasse Einzelentscheidung des BAG von 195628 argumentierte immerhin noch rein arbeitsrechtlich und nicht mit Art. 137 III WRV. Die verfassungsrechtliche Dimension erklommen dann die Erstreckung des Art. 4 II GG auf kirchliche sozialkaritative Vereinigungen und die Anwendung des Art. 137 III WRV sogar auf religionsunabhängige organisatorische Krankenhausvorschriften durch Grundentscheidungen des BVerfG (s. oben II 2, 3).
c) Für das Kündigungsschutzrecht grundstürzend war die Entscheidung des 388 BVerfG von 1985 bezüglich der kirchlichen Loyalitätspflichten (Assistenzarzt- und Buchhalterfall)29. Sie prägt die arbeitsrechtliche Rspr. zum Nachteil der Arbeitnehmer bis heute. Das BAG hatte in den aufgehobenen Urteilen den besonderen Tendenzschutz 389 und somit die arbeitsvertraglich festgelegten Loyalitätspflichten berücksichtigt und mit den Arbeitnehmerinteressen abgewogen mit dem Ergebnis, in beiden Fällen rechtfertige die Pflichtverletzung keine ordentliche Kündigung. Auch in kirchlichen Einrichtungen dürften den Arbeitnehmern in der Privatsphäre nur dann besondere Pflichten auferlegt werden, wenn sie nach der Art der zu verrichtenden Tätigkeit der Glaubwürdigkeit der Kirche wegen sachlich geboten seien.30 Diese einleuchtende Abstufung der Loyalitätspflichten empfand das BVerfG hingegen als nicht kirchenadäquat. Im Rahmen der Arbeitsverträge könnten die Kirchen kraft ihres Selbstbestimmungsrechts das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde legen, die Einhaltung der „tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre“ verlangen und grundsätzlich auch darüber entscheiden, ob die Loyalitätspflichten abgestuft sein sollen. Es sei allein Sache
28 29 30
Demnach wirkte sich der Gedanke der Dienstgemeinschaft nach Auffassung von 90 % der Befragten auf die praktische Arbeit nicht aus. Das wird unterstrichen durch die umfangreichen aktuellen Daten zur Konfessionalität bei C. Frerk, Caritas und Diakonie (2005), 99 ff. Gegenbeispiel für Kritik an kirchliche Einrichtungen unter diesem Aspekt: etwa A. Bittler (Hrsg.), Frommer Mißbrauch? Zur Problematik katholisch-klerikaler Helfer, 1993. BAGE 2, 279 = DB 1956, 139 (Anstreicher-Entscheidung). BVerfGE 70, 138 (Assistenzarzt- und Buchhalterfall). BAG NJW 1984, 2596, U. v. 23. 3. 1984 (Buchhalterfall); BAG NJW 1984, 2781, U. v. 12. 12. 1984 (Assistenzarztfall).
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§ 16 Kirchliches Sozialwesen und kirchliches Arbeitsrecht
der Kirchen, verbindlich zu bestimmen, was ihre Glaubwürdigkeit verlange, was spezifisch kirchliche Aufgaben sind, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre sind und was ggf. als schwerer Verstoß gegen sie anzusehen ist. Die Auffassung der jeweils betroffenen kirchlichen Einrichtungen und die Meinung „breiter Kreise unter den Kirchengliedern“ ist nach BVerfG unmaßgeblich. Für die Arbeitsgerichte bestehe allerdings dann keine Bindung an die kirchlichen Vorgaben, wenn sie im Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung (Willkürverbot, gute Sitten, ordre public gem. Art. 30 EGBGB) stünden. Im Übrigen unterliege die Frage der sachlichen Rechtfertigung der Kündigung gem. § 1 KSchG und § 626 BGB als einschränkende Gesetze i. S. des Art. 137 III 1 WRV „umfassender arbeitsgerichtlicher Anwendungskompetenz“. Damit ist der Sinn des Art. 137 III 1 WRV in sein Gegenteil verkehrt: Denn während die Verfassung dieses Recht nur „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ gibt, hat das BVerfG im Ergebnis den religionsneutralen Kündigungsvorschriften ihrerseits Schranken durch übersteigerte und nicht einmal nach der Arbeitnehmerposition differenzierte amtskirchliche Loyalitätspflichten gesetzt, und zwar weit über den ohnehin gegebenen arbeitsrechtlichen Tendenzschutz hinaus. Den Grundrechten der Arbeitnehmer hat es erkennbar nur eine geringe Rolle beigemessen. Das bedeutet eine Paralyse des staatlichen Kündigungsschutzrechts. Dass das auch so gemeint war, ergibt sich besonders deutlich aus der Fallgestaltung des Buchhalterfalles. 390
Dem in seinem Beruf umfassend zuständigen Buchhalter eines Salesianer-Jugendheims war nach 29 Jahren gekündigt worden. Er hatte bereits einen Kündigungsschutzprozess gewonnen und war dann heimlich aus der katholischen Kirche ausgetreten, was ihm schließlich wegen des (problematischen, s. § 12 II 2 c) Lohnsteuerkartenvermerks zum Verhängnis wurde. Landes- und Bundesarbeitsgericht hielten auch die erneute Kündigung nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen für nicht gerechtfertigt, zumal der Buchhalter nur mit internen Arbeiten befasst war. Das BAG berücksichtigte die Begleitumstände und Vorgeschichte des Falles, die fehlende Nähe zu erzieherisch-religiösen Aufgaben, sah kein entgegenstehendes Glaubwürdigkeitsproblem und berücksichtigte auch das relativ hohe Alter und die schwierige Arbeitsmarktsituation. Die Kündigung sei daher insgesamt trotz des Loyalitätsverstoßes sozial nicht gerechtfertigt.
391 d) Auf Grund dieser bis heute nicht revidierten Rspr. des BVerfG haben die Arbeitsgerichte z. T. Automatismen zugunsten der kirchlichen Arbeitgeber entwickelt. Erst nach und nach wurde den – in der Güterabwägung ja stets zu berücksichtigenden – Grundrechten der Arbeitnehmer mehr Beachtung geschenkt. Fragen der Gewichtung des Schutzes von Ehe und Familie, der Homosexualität u. a. erhielten verstärkte Bedeutung. Die einseitig kirchenfreundliche Linie blieb aber, soweit ersichtlich, trotz mancher arbeitnehmerfreundlichen Entscheidung erhalten. Die Macht der kirchlichen Arbeitgeber ist auch wegen ihrer dominanten Position auf dem Arbeitsmarkt für gesundheitliche und soziale Leistungen trotz schwindender Kirchlichkeit (allgemein fortschreitende Säkularisierung, neue Bundesländer, Konkurrenz privater Anbieter) ungebrochen. Wer einen sozialen bzw. medizinisch-therapeutischen Beruf ergreift, mindert seine Arbeitschancen erheb-
III. Arbeitsrecht im kirchlichen Bereich
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lich, wenn er nicht formal Mitglied einer der großen Kirchen ist (Frage der sogenannten Zwangskonfessionalisierung31). e) Wohl zu wenig ernst genommen wurden die trotz der Rspr. des BVerfG be- 392 stehenden arbeitsrechtlichen Möglichkeiten zugunsten der Arbeitnehmer. Die staatlichen Arbeitsgerichte müssen nämlich laut BVerfG eine zweistufige Prüfung vornehmen.32 Selbst wenn dabei nach kirchlichen Maßstäben ein schwerwiegender Verstoß gegen Loyalitätspflichten festgestellt wird, können bzw. müssen die Gerichte im Rahmen ihrer umfassenden Abwägung der jeweils berechtigten Interessen insbesondere Grundrechte der Arbeitnehmer (Schutz von Ehe und Familie, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, sexuelle Orientierung) im Einzelfall durchaus höher bewerten als den Verstoß gegen kirchlich festgelegte Loyalitätspflichten. Auch wird es den Gerichten nicht verwehrt sein können, Glaubwürdigkeitsargumente auf ihre Plausibilität zu überprüfen und widersprüchliches Verhalten kirchlicher bzw. betrieblicher Organe zu berücksichtigen.33 Die zahlreichen arbeitsrechtlichen Kommentare und Handbücher gehen leider auf diese kritischen Fragen meist nur am Rande oder gar nicht ein.34 Eine Gesamtuntersuchung anhand der neueren Rspr., auch zu Fragen wie Homosexualität und Bioethik, wäre verdienstvoll.
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32 33
34
C. Frerk, Caritas und Diakonie (2005), 110–115. S. Nebelsieck berichtet in DIE ZEIT Campus, ZEIT online vom 14. 3. 2007 (http://www.zeit.de/campus/online/2007/08/ Glaube) im Artikel „Zusatzqualifikation Glaube“ darüber, wie schwer es in manchen Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern konfessionslose Bewerber haben, einen Job zu bekommen. Einige zögen sogar Zwecktaufen in Betracht. So zu Recht H. Weber, NJW 1986, 370 f. Dazu näher G. Czermak, PersR 1995, 455 (460 ff., 462). Auch wäre es wohl nicht illegitim, z. B. die Reaktionen der Kirche auf schwerwiegendes Fehlverhalten von Priestern in Erwägung zu ziehen. Hilfreich aber U. Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, 2002, 230–243 mit Hinweisen zur Rspr. Vgl. auch B. Geck/R. Schimmel, AuR 1995, 177; B. Vogler, RdA 1993, 257; P. Budde, AuR 2005, 353 (speziell zur Kirchenaustrittsproblematik unter Berücksichtigung der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG).
§ 17 Staatlich-kirchliche Einrichtungen
I. Staatliche Theologische Fakultäten und Konkordatslehrstühle Literatur: A. v. Campenhausen, ZevKR 2002; A. Hollerbach, HdbStKirchR II, 2. A. 1995, 549; M. Kriele, in: Internationale Katholische Zeitschrift 1990, 541; H. Lecheler, Listl-FS 1999, 143; L. Renck, NVwZ 1996, 333; E. L. Solte, ZevKR 2004, 351; H. Weber, NVwZ 2000, 848.
Seit Entstehung der Universitäten im Mittelalter gehört die Theologie zu den klas- 393 sischen Fakultäten. Noch heute sind die theologischen Fakultäten bzw. Fachbereiche regelmäßiger Teil der allgemeinen staatlichen Universitäten. Zwar wird der noch zu erörternde Sonderstatus der theologischen Fakultäten seit langem kritisiert. Der Auffassung, die theologischen Fakultäten hätten als glaubensgebundene Fächer an wissenschaftlichen Hochschulen des religiös-weltanschaulich neutralen Staats keine Existenzberechtigung, wird ebenso vehement vertreten wie die, gerade heute seien sie notwendiger denn je. Ob das Anliegen, geistig-gesellschaftliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung und Sinnfragen fachübergreifend zu diskutieren, im Rahmen der weltanschaulich offenen Philosophie nicht besser aufgehoben wäre als in der konfessionell geprägten Theologie, mag hier dahinstehen. Jedenfalls ist auch bei Bestreiten des Wissenschaftscharakters der Theologie die – bei Juristen ohnehin verpönte – Forderung nach kompletter Abschaffung der staatlichen theologischen Fakultäten zumindest nach geltendem Verfassungsrecht in dieser pauschalen Form wohl nicht gerechtfertigt (s. aber die Einschränkung unter I 2 d). 1. Zur grundsätzlichen Zulässigkeit staatlicher theologischer Fakultäten Die ganz h. M. geht meist stillschweigend bzw. ohne nähere Erläuterung von der 394 selbstverständlichen Zulässigkeit der theologischen Fakultäten aus. Dabei erwähnt das GG die Universitätstheologie gar nicht. Art. 149 III WRV hat zwar den 1919 vorhandenen Bestand theologischer Fakultäten im Grundsatz ausdrücklich garantiert („Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten“), aber gerade diese Vorschrift wurde ausnahmsweise nicht über Art. 140 GG in dieses
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§ 17 Staatlich-kirchliche Einrichtungen
übernommen. Auch haben die theologischen Fakultäten in verschiedener Hinsicht Ausnahmecharakter und stehen in Spannung zu mehreren Verfassungsgrundsätzen, wie noch auszuführen ist. Daraus allein ergibt sich aber nicht die generelle Unzulässigkeit der theologischen Fakultäten.1 Für eine zumindest grundsätzliche Zulässigkeit der an sich im GG systemfremden theologischen Fakultäten (s. unten) spricht der Umstand, dass historisch in Deutschland durchwegs bis 1945 theologische Fakultäten bestanden haben. Nach 1945 waren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GG 1949 in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und RheinlandPfalz theologische Fakultäten bereits landesverfassungsrechtlich garantiert bzw. zugelassen und auch in anderen Ländern tatsächlich vorhanden. Angesichts der übrigen religionsfreundlichen Sonderregelungen des GG (Religionsunterricht, Kirchensteuer, Körperschaftsstatus) hätte es daher einer ausdrücklichen Regelung bedurft, wenn diese grundlegende und spektakuläre Rechtsänderung hätte vorgenommen werden sollen. In dieser Richtung ergibt sich aber aus den Verhandlungen des Parlamentarischen Rats nichts. Das Schweigen des GG ist auch nicht beredt, denn die theologischen Fakultäten sind Ländersache. Nun ist zwar die historische Normauslegung alles andere als zwingend und mit vielen Problemen behaftet. Aber auch heute noch werden die staatlichen theologischen Fakultäten (trotz verbreiteter Kritik auch innerhalb universitärer Kreise) von größeren Teilen der Gesellschaft als wichtig angesehen. Die verfassungsrechtliche These der generellen Unzulässigkeit der theologischen Fakultäten überzeugt daher insgesamt nicht. 2. Zulässigkeit theologischer Fakultäten und verfassungsrechtliche Unvereinbarkeiten
395 a) Damit ist freilich nichts gesagt über eine immer wieder behauptete (verfassungs)rechtliche Garantie der theologischen Fakultäten und ggf. den Umfang derselben. Auch auf der Basis der grundsätzlichen Zulässigkeit staatlicher theologischer Fakultäten ist weder deren Zahl, noch Ausstattung durch das GG garantiert. Das war selbst nach der seinerzeitigen Grundsatzgarantie des Art. 149 III WRV nicht der Fall. Art. 4 I, II GG gibt nur Freiheit, aber keine Garantie einer staatlichen Einrichtung. Dass sich daraus i. V. m. Art. 137 III WRV/140 GG ein Anspruch auf kircheneigene Ausbildungsstätten ergibt, ist unbestritten. Ohne staatliche theologische Fakultäten wäre die Religionsfreiheit also in keiner Weise beeinträchtigt.2 Und was die zahlreichen kirchenvertraglichen Garantien bis in die jüngste Zeit anbelangt, so müssen sie und die diesbezüglichen Landesgesetze mit dem GG vereinbar sein.3 Daraus ergeben sich aber erhebliche (meist ignorierte) 1
2
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A. A. in jüngerer Zeit wohl nur E. Fischer, Volkskirche ade!, 1993, 131 ff. und U. K. Preuß, AK-GG, 3. A., zu Art. 140 GG. S. aber M. Heckel, Die theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat, 1996, 9. Dazu näher L. Renck, NVwZ 1996, 333 (336 f.).
I. Staatliche Theologische Fakultäten und Konkordatslehrstühle
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Probleme. Auch aus dem Reichskonkordat ergeben sich eindeutig keine Bindungen für die Länder.4 b) Die theologischen Fakultäten und ihre Professoren weisen bemerkenswerte Be- 396 sonderheiten auf. Beide haben anerkanntermaßen eine staatlich-kirchliche Doppelfunktion. Staat und Kirchen wirken bei den theologischen Fakultäten traditionell zusammen. Die Einwirkungsbefugnisse der Kirchen beschränken sich auf die Gewährleistung der Kirchlichkeit von Lehre, Forschung und Ausbildung. Gegen den Willen der jeweiligen Konfession kann keine staatliche Anstellung erteilt werden. Nur die Kirchen haben zu beurteilen, ob die Professoren im Rahmen der kirchlichen Bekenntnisidentität bleiben. Prüfungen für innerkirchliche Zwecke dürfen nur von kirchlich anerkannten Lehrern abgenommen werden. Bei der Verleihung akademischer Grade wirken die Kirchen im Hinblick auf die Bekenntnisgemäßheit mit. Die Theologieprofessoren sind aber Staatsbeamte, die ihren Status selbst bei kirchlicher Lehrbeanstandung nicht verlieren können und daher notfalls statusgleiche Professuren erhalten. Theologieprofessoren haben also einen Doppelstatus (sogenanntes konfessionsgebundenes Staatsamt). Die Unterschiede in der Kirchenbindung evangelischer und katholischer Professoren seien hier dahingestellt (dazu unten 3). c) Die theologischen Fakultäten stehen im Gegensatz zum Gebot der Trennung 397 von Staat und Religion (s. § 9 II) bzw. der religiös-weltanschaulichen Neutralität: Es ist nicht Aufgabe des Staats, akademische konfessionelle Religionslehre zu betreiben (Nichtidentifikation) oder gar Geistliche auszubilden. Für den schulischen Religionsunterricht (RU), der ebenfalls eine Abweichung vom Gebot institutioneller Trennung (Art. 137 I WRV/140 GG) darstellt, gibt es daher eine ausdrückliche Sonderregelung (Art. 7 III GG). Ein Widerspruch besteht auch zu den Gleichheitsvorschriften Art. 3 III und 33 III GG. Nicht zuletzt stehen die theologischen Fakultäten in Konflikt mit dem Wissenschaftsbegriff des Art. 5 III 1 GG.5 Die zur Wissenschaftsausübung erforderliche Autonomie des Wissenschaftlers ist nicht gegeben, wenn ein Theologe nur dann berufen werden darf, wenn er sich im Einklang mit der kirchlichen Glaubensautorität befindet. Als Grundkriterien wissenschaftlichen Arbeitens sind nämlich anzusehen: Der Verzicht auf außengesteuerte dogmatische Festlegung der Denkvoraussetzungen, die vorbehaltlose Bereitschaft zur Kritik hinsichtlich der Methoden und Ergebnisse der Arbeit, der Zweifel als Erkenntnisprinzip, die vernunftgemäße Fassbarkeit des Untersuchungsgegenstands, die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse durch die Vernunft, die Freiheit der Forschung von wissenschaftsfremden Einflüssen, insbesondere von institutionalisiertem Zwang, der allgemeine Zugang zum Wissenschafts4 5
BVerfGE 6, 309 (351). Eingehend L. Renck, NVwZ 1996, 333 (335). H. Lecheler, Listl-FS 1999, 143 (154) hebt speziell für die katholische theologische Fakultät mit ihrer mittlerweile verschärften Inpflichtnahme der Professoren durch die Kirche hervor, die kirchliche Rechtsposition müsse mit Art. 5 III GG in einen erträglichen Ausgleich gebracht werden. Bei Lehrbeanstandungen solle nicht die Kirche, sondern die Fakultät entscheiden.
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§ 17 Staatlich-kirchliche Einrichtungen
betrieb. Diese Voraussetzungen erfüllt die theologische Ausbildung zumindest in den Kernbereichen nicht. Daher sprechen auch die Befürworter der theologischen Fakultäten von Glaubenswissenschaft.6 An dieser Beurteilung ändert auch die Tatsache nichts, dass zweifellos auch Theologen in Einzeldisziplinen hervorragende wissenschaftliche Leistungen erbracht haben.
398 d) Die genannten Widersprüche in zwei für das GG fundamentalen Punkten haben wegen der fehlenden allgemeinen bundesverfassungsrechtlichen Garantie der theologischen Fakultäten Konsequenzen. Erforderlich erscheint eine spezielle Rechtfertigung für theologischen Fakultäten aus dem GG. Eine solche ist in Art. 7 III GG zu sehen: solange und soweit der Staat eigenen Religionsunterricht anbietet, muss er auch die Möglichkeit haben, dafür die Religionslehrer7 an Universitäten auszubilden. Demnach ist Universitätstheologie jedenfalls in dem dafür angemessenen Umfang zulässig. Ob und inwieweit theologische Fakultäten darüber hinaus trotz der verfassungsrechtlichen Grundmängel (s. o.) mit der Überlegung gerechtfertigt werden können, das GG lasse sie stillschweigend zu (s. o. I 1), erscheint zumindest fraglich. Insoweit fehlt eine Rechtfertigung jedenfalls für diejenigen Fakultäten, die 1949 noch nicht bestanden haben. Aber auch die 1919 bestehenden theologischen Fakultäten waren durch Art. 149 III WRV nicht konkret garantiert, sondern konnten auch aufgehoben werden.8 Vertretbar, wenngleich keineswegs zwingend, erscheint die Ansicht, theologische Fakultäten müssten (über die Möglichkeit der Religionslehrerausbildung hinaus) als Vollfakultäten in dem Minimalumfang aufrechterhalten werden, wie es die ordnungsgemäße Existenz der Theologie als akademische Disziplin auch angesichts der fortschreitenden Säkularisierung und des Bestandes an kirchlichen Hochschulen tatsächlich und unbedingt erfordert. Alle übrigen theologischen Fakultäten bzw. ihre zu aufwändige personelle Ausstattung sind mit dem GG unvereinbar. 399 e) Ein weiteres Problem sind die klaren Verstöße gegen die Gleichbehandlung (Parität), da nur den großen christlichen Konfessionen staatlich finanzierte theologische Fakultäten zur Verfügung stehen. Anderen Religionsgemeinschaften und ggf. weltanschaulichen Vereinigungen müssten in angemessenem Umfang Lehrstühle bzw. entsprechende finanzielle Zuwendungen für vergleichbare Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Das geschieht aber nur zu einem kleinen Teil (Judaistik, Islamwissenschaft), wobei der in der Aufklärung wurzelnde säkulare Humanismus mit seiner naturalistischen Weltsicht mit völliger Missachtung gestraft wird.9
6
7 8 9
A. v. Campenhausen meint zur Kirchenbindung in: Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung, Beiheft 10, 1993, 1 (17) abschließend: Aus der Kirchenbindung „folgt nicht eine Beschränkung der freien theologischen Forschung, sondern eine Treuebindung der Lehre … “ entsprechend Art. 5 III GG. Adäquat zur Ausbildung der Lehrer in anderen Fächern der jeweiligen Schulart. G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 13. A. 1930, Art. 149 Anm. 5. Vgl. auch L. Renck, NVwZ 1996, 333 (334).
I. Staatliche Theologische Fakultäten und Konkordatslehrstühle
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f) Ein Sonderaspekt ergibt sich aus der katholischen Instruktion über die kirch- 400 liche Berufung des Theologen der Kongregation für die Glaubenslehre vom 24. 5. 1990.10 Es handelt sich um ein bemerkenswertes Dokument geistiger Fesselung und das genaue Gegenteil von Wissenschaft. Wenn sich ein „Geist der Kritik“ zeigt, muss der Theologe „seinen Blick durch den Glauben reinigen lassen“ (Nr. 9). Die „geoffenbarte Lehre“ muss die Kriterien für Begriffe und Methoden liefern (Nr. 10) usw. Zur Einhaltung dieser Verhaltensregeln verweist Nr. 22 auf das Glaubensbekenntnis und den Treueid (Neufassung jeweils 1989). Diese Instruktion erfasst selbst bischöfliche Verlautbarungen über durchaus reformierbare Meinungen. Hierzu wird mit Recht geltend gemacht: Wenn lehramtliche Äußerungen gleich welchen Inhalts „loyal“ zu übernehmen seien, sei eine derart übersteigerte konfessionelle Bindung „kaum noch gedeckt“ durch das historisch überkommene Verständnis der theologischen Fakultäten.11 Obwohl die katholischen Universitätstheologen in der Praxis oft erheblich von diesen extremen Forderungen abweichen dürften, schon um ihr akademisches Ansehen nicht zu gefährden, soll das als Anfrage an die Legitimation der katholischen theologischen Fakultäten stehen bleiben. 3. Besondere Aspekte Die Details der staatlich-kirchlichen Verschränkung („gemeinsame Angelegen- 401 heit“) und Sicherung des konfessionellen Einflusses im Lehr- und Prüfbetrieb der theologischen Fakultäten würden den Rahmen dieser grundsätzlichen Ausführungen sprengen. Hierzu gibt es umfangreiche Literatur.12 Hingewiesen sei aber auf die deutlichen Unterschiede, die zwischen katholischen und evangelischen theologischen Fakultäten bestehen. a) Zur Tradition katholischer theologischer Fakultäten gehört es, dass vor der 402 staatlichen Übertragung einer Professur (bisher meist Priester) das sogenannte Nihil Obstat des Diözesanbischofs einzuholen ist. Der Bischof prüft nach innerkirchlichem Recht, ob gegen den zu Berufenden durchgreifende Bedenken bestehen (Übereinstimmung mit der kirchlichen Lehre, Lebenswandel) und teilt ggf. die Gründe dem Staat mit. In diesem Fall darf die Berufung nicht erfolgen. Unter denselben Gesichtspunkten kann das Amt des kirchlichen Universitätstheologen nachträglich wieder entzogen werden. In solchen Fällen besteht nach h. M. in den alten Bundesländern im Regelfall eine staatliche Pflicht zur „Ersatzgestellung“, d. h. zur Besetzung der Planstelle mit einer der Kirche genehmen Person. Dieses Verfahren ist für den Staat kostspielig, da der entlassene Theologe auf Grund 10
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Quelle: Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen vom 24. 5. 1990 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 98). http://www.stjosef.at/dokumente/instruktion_kirchliche_berufung_des_theologen.htm. So L. Renck, NVwZ 1996, 333 (337); krit. zur Freiheit der Lehre auch H. Lecheler, Listl-FS 1999, 143 (153 f.). Z. B. H. Weber, NVwZ 2000, 848 (852 ff.), auch zum Vertragsrecht.
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§ 17 Staatlich-kirchliche Einrichtungen
seines Beamtenstatus Anspruch auf eine gleichwertige anderweitige Tätigkeit hat.13 Angesichts der zunehmenden Zahl beanstandeter Theologen (Heirat; Lehrabweichung) lehnen die Verträge mit den neuen Bundesländern eine strikte Pflicht zur Ersatzgestellung durchwegs ausdrücklich ab. Insgesamt besteht eine deutliche personelle Abhängigkeit der Hochschullehrer von der katholischen Amtskirche, verstärkt durch einen bemerkenswerten Treueid. Sie wird aber abgemildert durch die mit dem Beamtenstatus gegebene Existenzsicherung.
403 b) Anders ist die Rechtslage bei den evangelischen theologischen Fakultäten. In den alten Bundesländern bedürfen Berufungen allenfalls eines den Staat nicht bindenden Gutachtens der Landeskirche.14 Eine stärkere Kirchenbindung ergibt sich aus den Verträgen mit den neuen Bundesländern. Die Frage nachträglicher Beanstandungen15 ist nirgendwo vertraglich geregelt. Der Entzug des evangelischen Professorenamts ist schon deswegen nur sehr schwer möglich, weil die evangelischen Kirchen kein verbindliches Lehramt kennen. Auch herrscht in der deutschen protestantischen Universitätstheologie anscheinend eine solche Verwirrung16, dass sich Lehrbeanstandungen fast verbieten. In Extremfällen wie dem des Neutestamentlers Gerd Lüdemann, der sich vom Christentum auf Grund seiner wissenschaftlichen Arbeit öffentlich losgelöst hat, kann die Kirche den Prüfungen die innerkirchliche Anerkennung versagen. Das BVerwG hat 2005 die Ansicht vertreten, zumindest in einem solchen Evidenzfall sei die Universität verpflichtet, kirchlichen Bedenken Rechnung zu tragen.17 4. Tatsächliche Hinweise
404 Deutschland nimmt auch in diesem Punkt des Religionsrechts international schon wegen der Zahl der staatlichen theologischen Fakultäten eine Sonderstellung ein. In den skandinavischen Ländern und in England ist die Universitätstheologie nicht kirchengebunden. In Deutschland gab es 2006 13 staatliche katholische Fakultäten, davon 6 in Bayern. Ab 2007 werden (nach jahrelanger massiver Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofs18) die Fakultäten in Bamberg und Passau in theologische Institute umgewandelt, die nur noch der Lehrerausbildung dienen. 13 14
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Im Einzelnen haben sich dazu etliche Rechtsfragen ergeben. Zutreffende Kritik daran wegen fehlender staatlicher Kompetenz von E. L. Solte, Hollerbach-FS 2001, 791 (798 ff.). R. Mainusch, DÖV 1999, 677. Dazu G. Besier, konzern kirche, 1997, 123 ff., 140 ff. Besier spricht S. 154 von der „tiefen Unsicherheit und Zerrüttung des Faches“. BVerwG NJW 2006, 1015 (Fall Lüdemann; Doppelfunktion der theologischen Fakultät). http://www.orh.bayern.de (dort: Jahresbericht 2002 des Bayer. Obersten Rechnungshofs, S. 148 ff. zur Universitätstheologie. Auf S. 153 wird festgestellt, dass auf die ca. 100 Professoren, einschließlich der Katholischen Universität Eichstätt, im Durchschnitt nur eine einzige Diplomprüfung entfiel.)
I. Staatliche Theologische Fakultäten und Konkordatslehrstühle
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Von den 18 evangelischen Fakultäten sind 12 in Westdeutschland und 6 in Berlin bzw. Ostdeutschland. Hinzu kommt bei beiden Konfessionen eine große Zahl von universitären theologischen Fachbereichen und einzelnen theologischen Instituten. 1997/98 waren für die beiden großen Konfessionen weit über 1 000 Hochschullehrer (ohne Mitarbeiter) tätig, so dass auf jeden von ihnen nur gut 20 Studenten entfielen.19 Mittlerweile sind die Zahlen vor allem bei den Professoren deutlich gesunken. Neben der privaten, aber weitgehend staatlich finanzierten Katholischen Universität Eichstätt gibt es eine Reihe von kirchlichen Hochschulen.20 Auch im Übrigen bevorzugt der Staat die Religion: Es gibt (2005) an 17 Universitäten Institute für Judaistik (wenn auch nicht speziell für jüdische Theologie), daneben die weitgehend staatlich geförderte Hochschule für jüdische Studien (Träger: Zentralrat der Juden in Deutschland) in Heidelberg, die neuerdings auch Religionslehrer ausbildet. Gut vertreten sind jetzt an den Universitäten auch die Islamwissenschaften bzw. Orientalistik (Stand 2005: an 11 Orten). Seit 2005 kann man in Frankfurt a. M. innerhalb der evangelisch-theologischen Fakultät islamische Theologie studieren. Der dazu etablierte deutsche Lehrstuhl ist eine vom türkischen Staat finanzierte Stiftungsprofessur.21 Zum weltlichen Humanismus gibt es in Deutschland nicht eine einzige selbständige integrierende Lehr- und Forschungsstätte.22 5. Konkordatslehrstühle a) Konkordatslehrstühle sind staatliche Lehrstühle für nichttheologische Diszi- 405 plinen außerhalb der theologischen Fakultäten, bei deren Besetzung der katholischen Kirche auf Grund vertraglicher Vereinbarung ein bischöfliches Vetorecht („Nihil obstat“) eingeräumt ist. Dieses Kuriosum betrifft fast ausschließlich Bayern.23 Im Bayernkonkordat von 1924 wurden im Hinblick auf die Religionslehrer an höheren Schulen mindestens vier Konkordatslehrstühle für Philosophie und Geschichte garantiert. 1968 kamen als Ausgleich für die Zustimmung der katholischen Kirche zu den sogenannten christlichen Gemeinschaftsschulen weitere Lehrstühle für Pädagogik und Philosophie an den Pädagogischen Hochschulen (später Universitäten) dazu. 1974 kam es zu weiteren Konkordatsanpassungen. Insgesamt sind es bis heute 21 Lehrstühle für Philosophie, Pädagogik und Politik bzw. Soziologie. Eine ausbildungspolitische Rechtfertigung hierfür wurde nirgendwo festgelegt, es ging aber um die Erziehungswissenschaftlichen Fakul-
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C. Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, 2002, 174 ff. Verzeichnis aller christlichen Fakultäten und sonstigen Hochschuleinrichtungen: http://www.theologie.uni-wuerzburg.de/fakultaeten/de.php. S. zu dieser interessanten Entwicklung M. Spiewak in DIE ZEIT, 1. 3. 2007, S. 36. In den Niederlanden hingegen gibt es seit 1989 eine „Universität für Humanistik“ in Utrecht mit einem beachtlichen wissenschaftlichen Personal. Vereinzelte Konkordatslehrstühle gibt es auch noch in Mainz und Freiburg i. Br.
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täten.24 Dieses Motiv ist aber schon deswegen überholt, weil die christlichen Gemeinschaftsschulen gar nicht „christlich“ sein dürfen (dazu § 13 III 1).
406 b) Der BayVerfGH hat die Konkordatslehrstühle 1980 unter Ignorierung aller Gegenargumente und der Rspr. des BVerfG in einer rechtshistorisch bemerkenswerten Entscheidung für mit der BayVerf vereinbar erklärt.25 Selbst eine Auseinandersetzung mit dem Trennungsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot der BayVerf fand nicht statt. Bundesrechtlich verstoßen die Konkordatsprofessuren gegen das Trennungsgebot (Art. 137 I WRV/140 GG), gegen Art. 33 III GG und 136 II WRV/140 GG (gleicher Ämterzugang), gegen die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 III GG) und natürlich das Neutralitätsgebot. Friedrich Müller hat in seiner eingehenden Kritik an den Konkordatsprofessuren erklärt, der Freistaat Bayern habe mit ihnen „die Schallmauer bundesdeutscher Interessentenjurisprudenz durchbrochen“.26 Dennoch sind die Meinungen in der Rechtslehre noch geteilt, manche Autoren differenzieren. Mittlerweile stehen den Konkordatsprofessuren aber auch die Antidiskriminierungsrichtlinie der EG27 und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§§ 1, 3, 9)28 entgegen.
II. Militär- und Anstaltsseelsorge Literatur: H. D. Bastian, Art. Militärseelsorge, in: TRE, Bd. 22, 747; J. Ennuschat, Militärseelsorge, 1996 (SKA); W. Huber, Die Struktur der evangelischen Militärseelsorge, in: ders., Kirche und Öffentlichkeit, Stuttgart 1973, 220–294; M. Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten, 1993, 163 ff.; St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 10 ff. zu Art. 141 WRV; V. Kruk, NZWehrR 1997, 1; R. Seiler, HdbStKirchR II, 1995, 961 ff.
1. Überblick zur Militärseelsorge
407 Der über Art. 140 GG inkorporierte Art. 141 WRV lautet schlicht: 24
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Das umfangreiche Vertragswerk spricht in Art. 6 § 1 vom „Recht der katholischen Kirche in Bayern auf einen angemessenen Einfluss bei der Erziehung der Schüler ihres Bekenntnisses“. BayVerfGH, BayVBl 1980, 462, E. v. 11.4.1980 Vf. 17-VII-77 (Sondervotum S. 466– 468): Lesenswertes Beispiel für Ideologiejurisprudenz. F. Müller, in: Demokratie und Recht 1976, 175 (179). Im Ergebnis wie hier auch Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, 232 f., M. Kleine, Verfassungswidrigkeiten, 1993, 159 ff.; St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 70 zu Art. 136 WRV (2003); M. Morlok, in: H. Dreier, GG 2000, Rn. 18 zu Art. 136 WRV; G. Scheffler, Staat und Kirche, 2. A. 1973, 351; K. Tilmann, Die sogenannten Konkordatsprofessuren, Diss. Freiburg i. Br. 1971; H. Weber, NVwZ 2000, 848 (849: „wohl“ zu verneinen). RL 2000/78/EG. AGG vom 14. 8. 2006, BGBl. I, S. 1897.
II. Militär- und Anstaltsseelsorge
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„Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.“
Militärseelsorge ist somit nur ein Teil der Anstaltsseelsorge. Trotz der eigen- 408 artigen textlichen Beschränkung der Militärseelsorge auf „Seelsorge im Heer“ wird die Garantie allgemein auf alle Teilstreitkräfte erstreckt. Beim Text des Art. 141 WRV fällt auf, dass in ihm keine Rede ist von institutionellen Verbindungen zwischen Staat und Kirche, schon gar nicht von Staatsbeamten als Militärgeistlichen oder einer staatlichen Finanzierung. Dennoch gilt die Militärseelsorge als klassischer Bereich der gemeinsamen Angelegenheiten zwischen Staat und Kirche. Das Zusammenwirken von Staat und katholischer Kirche sowie EKD wird seit Errichtung der Bundeswehr umfangreich und auf vielen Ebenen wie selbstverständlich betrieben. Das stand allerdings von Beginn an unter Kritik, weil das GG keine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot institutioneller Verbindung zwischen Staat und religiös-weltanschaulicher Vereinigungen, vgl. Art. 137 I WRV, rechtfertige (s. § 9 II 3). Diese Kritik nimmt heute zu. 2. Einzelheiten a) Schon im März 1956 nahm das Evangelische Kirchenamt des Verteidigungs- 409 ministeriums seine Arbeit mit dem bereits kirchlich ernannten Militärbischof auf. In Missachtung eines Beschlusses der EKD-Synode wurde am 22. 2. 1957 der Militärseelsorgevertrag (MSV) zwischen der EKD-Spitze und der Bundesrepublik (Bundeskanzler, Verteidigungsminister) unterzeichnet und nach Zustimmung des Bundestags als Militärseelsorgegesetz (MSG) verkündet (s. zur Vertragsproblematik § 14 III). Eine Regelung über den sogenannten Lebenskundlichen Unterricht enthält der Vertrag übrigens nicht, obwohl seine Abhaltung die Militärgeistlichen erheblich in Anspruch nimmt. In 28 Artikeln ist u. a. geregelt: Militärseelsorge wird als Teil der in kirchlichem Auftrag und unter kirchlicher Aufsicht ausgeübten Arbeit von hauptamtlichen Militärgeistlichen für je 1 500 evangelische Soldaten durchgeführt, ggf. auch durch nebenamtliche Geistliche. Die kirchliche Leitung obliegt dem Militärbischof. Er wird vom Rat der EKD ernannt, sobald die Bundesregierung versichert hat, dass gegen die Ernennung „keine schwerwiegenden Einwendungen“ erhoben werden. Die Militärseelsorger werden vom Militärbischof vorgeschlagen und im Einverständnis mit der jeweiligen Landeskirche zur Probe eingestellt. Darauf erfolgt die Berufung in das (staatliche) Beamtenverhältnis. Gem. Art. 2 II MSV sorgt der Staat für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt ihre Kosten. Mit Blick auf die neuen Bundesländer nach der Wende hat man innerkirchlich 410 darauf hingewiesen, für größere Teile der evangelischen Kirche sei eine Militärseelsorge mit staatskirchlichen Formen ein Verstoß gegen die Theologische Er-
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§ 17 Staatlich-kirchliche Einrichtungen
klärung der Barmer Bekenntnissynode von 1934 und eine „offene Wunde“.29 Dazu heißt es rückblickend in einem Text der EKD von 2007: „In der DDR gab es keine Militärseelsorge. Zu einer schweren Belastungsprobe für den Militärseelsorgevertrag kam es nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Die ostdeutschen Landeskirchen waren nach 1990 zunächst nicht bereit, den Vertrag und die westdeutsche Praxis der Militärseelsorge zu übernehmen. Die Vorbehalte richteten sich gegen eine befürchtete zu große Staatsnähe und den Beamtenstatus der Militärpfarrer. Erst nach einer Übergangsregelung konnte der Militärseelsorgevertrag Anfang 2004 auch in den neuen Bundesländern in Kraft treten.“30
411 b) Für die katholische Militärseelsorge wurde kein Vertrag geschlossen. Die einschlägigen Bestimmungen des Reichskonkordats (RK; s. § 14 I 2 d) von 1933 wurden im Hinblick auf das Konkordatsurteil des BVerfG vom 26. 3. 1957 als fortgeltend angesehen. Sie wurden lediglich ergänzt durch Art. 2 MSG. Dieser bestimmt, dass die beamtenrechtlichen Regelungen des MSV auf die katholischen Militärgeistlichen sinngemäß anzuwenden sind. Im RK wurde die Militärseelsorge relativ eingehend in Art. 27 geregelt. Der Armeebischof ist danach „im Einvernehmen“ mit der Reichs(jetzt: Bundes-)regierung zu bestimmen, die Militärgeistlichen „nach vorgängigem Benehmen“ mit der zuständigen staatlichen Stelle zu ernennen. 412 c) Für die evangelische und katholische Militärseelsorge ist nach wie vor die „Zentrale Dienstvorschrift Militärseelsorge“ – ZDv 66/1 des Bundesverteidigungsministers vom 28. 8. 1956 maßgeblich. In ihr heißt es: „Die Militärseelsorge ist der von den Kirchen geleistete, vom Staat gewünschte und unterstützte Beitrag zur Sicherung der freien religiösen Betätigung in den Streitkräften. Sie stellt sich die Aufgabe … das religiöse Leben zu wecken, zu festigen und zu vertiefen. Dadurch fördert sie zugleich die charakterlichen und sittlichen Werte in den Streitkräften und hilft die Verantwortung tragen, vor die der Soldat als Waffenträger gestellt ist … “.
413
Die Militärseelsorger sind in den militärischen Dienstbetrieb eingebunden, ihre Wirkungsweise ist vom militärischen Auftrag nicht zu trennen. Der MSV begründet eine „gemeinsame Verantwortung“ von Kirche und Staat. Das Dienstzimmer des Militärpfarrers liegt in der Kaserne und überall wird Kooperation praktiziert. Die von der Militärseelsorge verkündete Ethik wurde auch für die Politik der atomaren Abschreckung in Dienst genommen.
414 d) Im Zuge dieses staatlichen Erwartungshorizontes wurde (ohne verfassungsrechtliche, gesetzliche oder vertragliche Grundlage, vgl. aber § 33 SoldG zum staatsbürgerlichen Unterricht) der Lebenskundliche Unterricht auf christlicher Basis eingeführt, eine deutsche Besonderheit. Er beruht lediglich auf zentralen Dienstvorschriften des Verteidigungsministeriums31 und wird von Militärgeist29
30 31
S. zur innerkirchlichen Situation nach 1990 die eingehende krit. Dokumentation von K. Martin in: D. Bald/K. Martin (Hrsg.), Aufbruch nach der Wende 1997, 106–140. http://www.ekd.de/aktuell_presse/news_2007_02_20_1_militaerseelsorgevertrag.html. ZDv 66/1 (1956) und insb. ZDv 66/2 (1959).
II. Militär- und Anstaltsseelsorge
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lichen in allen Truppenteilen während der Dienstzeit auf freiwilliger Basis durchgeführt, und zwar für die Mannschaften getrennt nach den beiden großen Konfessionen. Er beansprucht insgesamt etwa die halbe Arbeitszeit der Militärgeistlichen. Für Zeit- und Berufssoldaten werden Arbeitsgemeinschaften gebildet. Dieser staatliche Unterricht ist organisatorisch der Inneren Führung zugeordnet und Bestandteil des Erziehungsprogramms der Streitkräfte, aber kein Bestandteil der kirchlichen Militärseelsorge. Die katholische Militärseelsorge informiert über ihn u. a. wie folgt: Er sei ein nicht aus der Religionsfreiheit abgeleiteter, aber vom Staat gewollter und inhaltlich von den Kirchen zu füllender Freiraum, für den es keinen zwingenden Grund gebe. Alle Fragen des Lebens seien im Licht des Evangeliums zu deuten.32 Häufig wird der rechtliche Charakter des Unterrichts zwischen Staat und Kirche im Unklaren gelassen. Wolfgang Huber hat im Rahmen einer eingehenden, auch rechtlichen Untersuchung den Lebenskundlichen Unterricht als das interessanteste Beispiel einer unzulässigen Verzahnung von Staat und Kirche dargestellt.33 Noch gravierender erscheint aber der Verstoß gegen das Neutralitätsgebot. Der Staat der Glaubensfreiheit ist nicht befugt, lebenskundlichethisch-gesellschaftliche Themen auf dem einseitigen Hintergrund einer spezifischen Religion darzustellen, da das eine zumindest indirekte Form der (stets unzulässigen) Missionierung darstellt. Eine legitimierende Sondervorschrift wie Art. 7 III GG existiert nicht. Für den allgemeinen Schulunterricht und den Ethikunterricht haben diverse Entscheidungen von BVerfG und BVerwG ideologische Einseitigkeiten untersagt (§ 13 III). Auch der fehlende direkte Zwang zum Besuch des Lebenskundlichen Unterrichts ändert nichts am Verstoß gegen das Neutralitätsgebot. 3. Rechtlich zusammenfassende Beurteilung der Militärseelsorge Art. 137 I WRV/140 GG bedeutet nach allgemeiner Ansicht das grundsätzliche 415 Gebot institutioneller Trennung der staatlichen von der religiös-weltanschaulichen Rechtssphäre. Das schließt konfessionsgebundene Staatsämter ohne spezielle verfassungsrechtliche Rechtfertigung aus (vgl. auch Art. 33 III GG). Für beamtete Militärgeistliche mit staatlich-kirchlichem Doppelstatus ist eine solche Rechtfertigung nicht im Ansatz ersichtlich. Der Rechtsstatus der beamteten Militärseelsorger (Bundesadler im Dienstsiegel) verstößt auch gegen Art. 137 III WRV, weil der Staat entgegen dem ausdrücklichen Verfassungsverbot an der Verleihung kirchlicher Ämter beteiligt ist. Besonders gravierend sind die staatlichen Bedingungen für die Ernennung der Militärbischöfe. Militärseelsorge, die laut Ver32
33
http://www.kmba.de/milseel/Lku/index.html (katholische Militärseelsorge); http://www.ekd.de/militaerseelsorge/Arbeitsfelder/felder.html#Lebenskundlicher (evangelische Militärseelsorge). W. Huber, in: Kirche und Öffentlichkeit, 1973, 272. Eingehende Kritik bei V. Kruk, KuR 2001, 67 = Nr. 940, 1–20 (hier: S. 4 f. und 17 ff.) und M. Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten … (1993), 172 ff.
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§ 17 Staatlich-kirchliche Einrichtungen
fassung lediglich „zuzulassen“ ist, ist überhaupt keine staatliche Aufgabe, sondern eine „Instrumentalisierung der Religion zu militärischen Zwecken“.34 Auch der personell-organisatorische Umfang der Militärseelsorge mit Rüstzeiten und Einkehrtagen ist angesichts der aktuellen Daten der Kirchen- und Religionsstatistik eine weitere Fragwürdigkeit. Einzurichten ist nämlich Militärseelsorge nach Art. 141 WRV nur, „soweit“ das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht. Angebracht wäre aber die Etablierung eines psychologischen Dienstes als ureigene staatliche Aufgabe. Damit würde auch das Problem der unzulässigen Religionsförderung vermieden. Für die staatliche Finanzierung der Militärseelsorge, einschließlich der Kosten für Gesang- und Gebetbücher, gibt Art. 141 WRV nämlich keinerlei Anhaltspunkt. Den Kirchen werden für – verfassungsrechtlich betrachtet – rein kirchliche Aufgaben Gelder zur Verfügung gestellt. Insgesamt entbehrt die Militärseelsorge in ihrer konkreten Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Legitimation.35 Die kirchlichen Interessen verpflichtete traditionelle Meinung vertritt dem416 gegenüber z. B. die Auffassung, die heutige Militärseelsorge sei gerade keine staatskirchliche Einrichtung, weil der Staat „lediglich den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und ihre Kosten“ übernehme, jedoch keinen inhaltlichen Einfluss ausübe.36 4. Anstaltsseelsorge
417 Die großen Kirchen betreiben in vielen öffentlichen Einrichtungen Seelsorge, um Menschen in besonderen Lebenssituationen die Ausübung ihres Glaubens zu ermöglichen. Bekannt ist Anstaltsseelsorge in Krankenhäusern, Heimen, Gefängnissen und in der Polizei. Hierzu gibt es eine große Zahl von Garantien in Landesverfassungen, von vertraglichen Vereinbarungen und z. T. auch Regelungen in Bundesgesetzen. Das StrafvollzugsG regelt religiös-weltanschauliche Rechte der Gefangenen und nennt Seelsorger als eigene Berufsgruppe des Vollzugsdienstes. Soweit Anstaltsseelsorger (teilweise sogar mit Beamtenstatus) einvernehmlich bestellt werden, verträgt sich das schlecht mit Art. 137 III 2 WRV, der staatlichen 34 35
36
W. Huber, in: Kirche und Öffentlichkeit, 1973, 262 ff. Vgl. auch die kritischen Positionen von C. D. Classen, Religionsrecht (2006), Rn. 566 ff.; D. Ehlers, in: Sachs-GG, 3. A. 2003, zu Art. 141 WRV; E. Fischer, Volkskirche ade! 1993, 141 ff.; Jarass/Pieroth, GG, 8. A. 2006, zu Art. 141 WRV; Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, 206 ff.; M. Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten … , 1993, 163 ff.; St. Korioth, in: Maunz/ Dürig, GG, Rn. 10 ff. zu Art. 141 WRV (sehr eingehend); M. Morlok, in: H. Dreier, GG, Bd. 3 2000, Rn. 13 ff. zu Art. 141 WRV; U. K. Preuß, in: AK-GG II, 3. A. 2001, Art. 140 Rn. 71. So R. Seiler, HdbStKirchR II, 1995, 961 (969). Vgl. auch die traditionelle Verteidigung der Militärseelsorge bei v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 203 ff., die m. E. die oben skizzierte Kritik nur indirekt bestätigt.
III. Kirchliche Friedhöfe
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Einfluss auf die Besetzung kirchlicher Ämter ausschließt. Noch problematischer sind ggf. die Regelungen bezüglich der Kostenübernahme durch den Staat, denn die religionsinterne Betreuung wird so durch Steuergelder aller Bürger finanziert. Die Polizeiseelsorge betrifft hauptsächlich die kasernierte Polizei und Polizeischulen, aber auch den polizeilichen Einzeldienst und wird teilweise auf der Basis von Verträgen und Verwaltungsvorschriften von den Ländern finanziert. Ihr Zweck ist es laut Handbuch des Staatskirchenrechts (1995), „den Polizisten die Ausübung des Grundrechts aus Art. 4 I und II GG zu erleichtern und dem Polizeidienst die Werte einer im religiösen Glauben wurzelnden Berufsauffassung nutzbar zu machen.“37 Eine solche Zielsetzung ist missionierend und daher GG-widrig. Problematisch ist auch der staatliche „Berufsethische Unterricht“, weil er zur Dienstpflicht gehört, aber regelmäßig von Polizeiseelsorgern erteilt wird.
III. Kirchliche Friedhöfe Literatur: G. Böttcher, Das aktuelle Praxishandbuch des Friedhofs- und Bestattungswesens, 2 Bde., 2006 (Loseblatt); H. Engelhardt, in: HdbStKirchR II, 2. A. 1995, 105 ff.; J. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. A. 2004; L. Renck, DÖV 1993, 517; E. Sperling, DÖV 1994, 207.
Das Recht der kirchlichen Friedhöfe birgt Grundsatzprobleme, die meist nicht 418 wahrgenommen werden. Es gibt zwar in Deutschland ca. 28 000 Gemeindefriedhöfe, aber doch auch einige tausend kirchliche Friedhöfe. Für die kirchlichen Friedhöfe, die in vielen Orten und Regionen eine monopolartige Stellung haben38, gelten rechtliche Besonderheiten. 1. Die übliche Praxis Kirchliche Friedhöfe gelten als Gemeinsame Angelegenheit (res mixta) von Staat 419 und Kirche. Man sieht sie als hoheitliche öffentlich-rechtliche Einrichtungen an. Den RG mit Körperschaftscharakter (in der Praxis: den großen Kirchen) steht es frei, eigene Friedhöfe zu unterhalten oder nicht. Die Rechtspraxis lässt es genügen, wenn ein kirchlicher Friedhof existiert, der allen Bürgern unabhängig von Religion und Weltanschauung zur Verfügung steht. Die politische Gemeinde soll dann nicht gezwungen sein, einen eigenen Friedhof zu errichten. Die kirchlichen Friedhofsverwaltungen können nach herrschender Praxis wie staatliche Behörden Verwaltungsakte erlassen und auch gegenüber Andersdenkenden kirchlichöffentliche Hoheitsgewalt ausüben. Zumindest kirchliche Monopolfriedhöfe müssen daher auch die staatlichen Grundrechte einhalten. Verwaltungsgerichte haben deshalb wiederholt entschieden, dass zumindest Monopolfriedhöfe keine Ge37 38
HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 986. In Sachsen waren 1994 um 85 % der Friedhöfe kirchlich.
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§ 17 Staatlich-kirchliche Einrichtungen
bührenzuschläge für Nichtgläubige erheben dürfen. An vielen Orten war das üblich. Selbst hohe Gerichte haben die Praxis, kirchliche Friedhöfe wie kommunale zu behandeln, bisher aber nicht problematisiert. Dem wird freilich vereinzelt entgegengehalten, die Praxis befinde sich „im Nebel widersprüchlicher Ansichten“ (L. Renck) und stehe in Widerspruch zu sonst anerkannten Rechtsgrundsätzen. Darauf sei wegen der religionsrechtlichen Grundsatzbedeutung kurz eingegangen. 2. Religionsverfassungsrechtliche Kritik
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420 RG können auf Grund ihres Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 III WRV/140 GG) und der auch ihnen unstreitig zustehenden Kultfreiheit als dem Kernbereich der Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 II GG) eigene Friedhöfe für ihre Mitglieder errichten, ohne dabei staatliche Beschränkungen hinnehmen zu müssen (von gesundheitspolizeilichen Erfordernissen abgesehen). Dem Staat ist wie bei der Gottesdienstgestaltung jede Einmischung untersagt. Anders wäre es nur beim Vorliegen von im GG begründeten Sonderregelungen. Solche bestehen jedoch nicht. Eine Ermächtigung für eine hoheitliche Tätigkeit ergibt sich weder aus dem besonderen Körperschaftsstatus des Art. 137 V WRV/140 GG, noch aus Gewohnheitsrecht (das bei Hoheitseingriffen nie in Frage kommt), noch gar aus der rein historischen Praxis. Eine gesetzliche Beleihung (Delegation einer kommunalen Aufgabe) liegt ebenfalls nicht vor. Demnach sind kirchliche Friedhöfe niemals allgemeine öffentliche Friedhöfe, sondern stets sakrale Einrichtungen, deren Benutzung vom Friedhofsträger nach Gutdünken geregelt werden kann. Das Verhältnis zum Friedhofsbenutzer wäre vertragsrechtlich und nicht hoheitlich. Diese Auffassung vermeidet Inkonsequenzen und staatliche Übergriffe in religiöse Zuständigkeiten. Es ist eine Pflichtaufgabe der Gemeinden, religiös-weltanschaulich neutrale kommunale Friedhöfe mit allen Schutzmöglichkeiten des öffentlichen Rechts zu betreiben.
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Siehe zur näheren Begründung dieser Kritik Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, 234 ff. und L. Renck, DÖV 1993, 517.
§ 18 Öffentliches Recht und Zivilrecht (Überblick)1
Obwohl die genauere Regelung des Verhältnisses des Staats zu den RG und WG 421 gem. Art. 137 VIII WRV/140 GG Sache der Länder ist, enthalten weit über 50 Bundesgesetze einzelne Regelungen, die Religion und Weltanschauung betreffen. Die große Zahl der Regelungen ist nicht weiter verwunderlich, da Religion das gesamte Leben erfasst. Der größte Teil der Normen ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen, ein kleinerer dem Zivilrecht. Die Fragen des strafrechtlichen Religionsschutzes werden eigens in § 19 behandelt.
I. Grundsatzfragen Eine Gesamtuntersuchung dieser Materien, die zusammen mit dem Religionsver- 422 fassungsrecht das „Religionsrecht“ im weiteren Sinn ausmachen, liegt noch nicht vor. Interessant wäre dabei die Erörterung der Frage, inwieweit die Regelungen mehr den Bürgern oder mehr den RG nutzen und ob das im Hinblick auf die staatlichen Interessen angemessen ist. Auf manche Regelungen könnte man wohl auch leicht verzichten, etwa auf Vergünstigungen im Verwaltungs- und Gerichtsgebührenrecht, die in Bund und Land, sowie je nach Verfahrensart unterschiedlich, insgesamt reichlich chaotisch und willkürlich erscheinen. Viele Regelungen begünstigen nur solche RG, die als K. d. ö. R. anerkannt sind. Dabei dürfte es meist schwierig sein, die Schlechterbehandlung der privatrechtlichen RG von der Sache her rational zu rechtfertigen. Häufig werden auch nur RG des öffentlichen Rechts ausdrücklich genannt, WG mit Körperschaftscharakter jedoch nicht. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich, wenn man die unmissverständliche formale Gleichstellung in Art. 137 VII WRV/140 GG und die anderen grundgesetzlichen Vorschriften zur Gleichberechtigung von Religion und Weltanschauung (s. § 10 II) bedenkt. Es bedarf dann nämlich in jedem Fall einer verfassungskonformen Anwendung mit Erstreckung auf die WG, die aber Behörden und Gerichte erstaunlicherweise nicht selten ablehnen. Das zwingt zum kostenträchtigen Gang durch die Instanzen, den sich kleinere Gemeinschaften oft nicht leisten können.
1
J. Müller-Volbehr, HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 289 (instruktiver Überblick mit Kategorisierung).
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§ 18 Öffentliches Recht und Zivilrecht (Überblick)
II. Auswahl bundesrechtlicher Vorschriften und Bedeutung des Landesrechts
1. Bundesrecht 423 a) Verwaltungs-, Sozial-, Wehr- und Finanzrecht: Abgabenordung (AO), Baugesetzbuch (BauGB), Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG), Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG), Bundesbesoldungsgesetz (BBesG), Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG), Bundessozialhilfegesetz (BSHG), Deutsche-WelleGesetz (DWG), Einkommensteuergesetz (EStG), Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG), eine Reihe weiterer Steuergesetze, Filmförderungsgesetz (FFG), Gesetz über die Militärseelsorge, Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS), Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), Hochschulrahmengesetz (HRG), Kriegsdienstverweigerungsgesetz (KDVG), Mediendienste-Staatsvertrag, Melderechtsrahmengesetz (MRRG), Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), Soldatengesetz (SG), Sozialgesetzbuch (SGB V: Krankenversicherung, SGB VI: Rentenversicherung, SGB VIII: Kinderund Jugendhilfe), Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland, Tierschutzgesetz (TierschG), Versammlungsgesetz (VersammlG), Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), Wehrpflichtgesetz (WPflG), Zivildienstgesetz (ZDG). 424 b) Zivilrecht: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Gesetz über die religiöse Kindererziehung (R[el]KEG; s. Anlage), Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG), Personenstandsgesetz (PStG), Urheberrechtsgesetz (UrhG). 425 c) Arbeitsrecht: Arbeitszeitgesetz (ArbZG), Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG), Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), Mitbestimmungsgesetz (MitbestG), Tarifvertragsgesetz. 426 d) Justiz- und Prozessrecht: Finanzgerichtsordnung (FGO), Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), Kostenordnung (KostO), Rechtspflegergesetz (RPflG), Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Zivilprozeßordnung (ZPO). Nochmals sei darauf hingewiesen, dass die Aufzählung keineswegs vollständig 427 ist. 2. Landesrecht 428 Der Bereich des Landesrechts hat auf Grund der Änderung der Zuständigkeiten im Bund-Länder-Verhältnis durch die Föderalismus-Reform von 2006 größere Bedeutung erhalten. In Bereichen wie Datenschutz, Melderecht, Immissionsschutz und im Beamtenrecht haben alle Länder Gesetze erlassen, die mit dem Bundesrecht meist weitgehend übereinstimmen. Sehr wichtig waren schon bisher die Be-
III. Ausgewählte Bereiche
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reiche ausschließlicher Landeszuständigkeit: das Kirchensteuerrecht, Schulrecht, Bestattungsrecht, Kirchenvertragsrecht, Stiftungsrecht, Rundfunkrecht, Sonn- und Feiertagsrecht und der Denkmalschutz. Der Bereich der finanziellen Förderung religiöser Aktivitäten ist ebenfalls eine Domäne der Länder.
III. Ausgewählte Bereiche 1. Sonderstatusverhältnisse, insbesondere Beamtenrecht a) Dass Religion bzw. Weltanschauung kein Merkmal der beamtenrechtlichen 429 Eignung sein darf, ergibt sich schon aus Art. 3 III GG.2 Für öffentliche Ämter, also auch Beamte, gilt aber der speziellere Art. 33 III GG: „ … die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.“ Zusätzlich gilt das europarechtlich geforderte Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.3 Schon immer hat das auch für die Landesgesetzgebung maßgebliche Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) ausdrücklich und ohne Ausnahme wiederholt, Ernennungen seien bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen (vgl. Art. 33 II GG) „ohne Rücksicht auf … Glauben, religiöse oder politische Anschauungen … vorzunehmen“ (§ 7 BRRG). Daher hat das BVerwG 1988 im Fall eines konfessionslosen Lehramtsbewerbers erklärt, dessen religiös-weltanschauliche Einstellung sei auch bei einer überwiegend katholischen Schülerschaft ohne Bedeutung, da ein „unsachliches Auswahlkriterium“.4 Dass das Beamtenrecht nicht auf öffentlichrechtliche Religionsgesellschaften anzuwenden ist (§ 135 BRRG), ist wegen deren Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 III WRV/140 GG) eine Selbstverständlichkeit, ebenso, dass das interne Recht der Kirchenbeamten auf das staatliche Beamtenrecht verweisen darf; das geschieht auch in vielerlei Hinsicht. b) Für Beamte gelten gem. Art. 33 V GG die „hergebrachten Grundsätze des Be- 430 rufsbeamtentums“, woraus sich Einschränkungen ergeben. Beamte befinden sich, wie auch Schüler, Soldaten und Strafgefangene, in einem besonderen Pflichtenverhältnis gegenüber der hoheitlichen Gewalt. Dieses Verhältnis ist aber nicht, wie vor der Geltung des GG, als „besonderes Gewaltverhältnis“ zu verstehen, in dem der Beamte dem Dienstherrn weitgehend ausgeliefert wäre. Nach längst allgemeiner Meinung handelt es sich um ein Sonderstatusverhältnis, das wechselseitige Rechte und Pflichten begründet. In ihm sind auch Beamte (Lehrer, Polizisten usw.) im Grundsatz (Grundstatus) Träger der staatsbürgerlichen Grundrechte. 2
3 4
Wichtig zur religiös-weltanschaulich Gleichheitsproblematik im öffentlichen Dienst: M. Sachs, ZBR 1994, 133. AGG vom 14. 8. 2006 (BGBl. I, S. 1897). BVerwGE 81, 22.
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Entsprechendes gilt für den dem Beamtenstatus in vielem angeglichenen eigenen Status der Richter und Soldaten. Alle Inhaber eines solchen Status können sich grundsätzlich auf ihre persönliche Religionsfreiheit berufen. Das sei deswegen betont, weil diese Erkenntnis noch heute nicht immer beachtet wird.5 Andererseits gilt für Beamte das Gebot der religiös-weltanschaulichen wie allgemein ideologischen Neutralität, so dass bei der Amtsausübung auch die Religionsfreiheit entsprechend den Erfordernissen des jeweiligen Amts u. U. stark eingeschränkt ist (grundrechtlicher Funktionsvorbehalt). Zu unterscheiden sind der bürgerliche Grundstatus, das dienstliche und das außerdienstliche Verhalten mit unterschiedlichen Anforderungen. Während der Dienstausübung wird die persönliche Religionsfreiheit nur in Ausnahmefällen bzw. teilweise von Bedeutung sein können, insbesondere wenn die Tätigkeit unmittelbarer Ausdruck der säkularen Staatsgewalt ist wie bei Richtern6 und Polizeibeamten. An der Pflicht von Lehrern zur religiös-weltanschaulichen Neutralität kann zumindest theoretisch kein Zweifel bestehen.7 Allerdings gehören Schulen zum Bereich der sogenannten offenen Neutralität (s. § 10 V 2), in der Religion und Weltanschauung ihren Platz haben. Sie sind insofern nicht nur öffentliche Einrichtungen, sondern auch Teil der Gesellschaft. Die erforderliche Neutralität der Lehrer geht daher nicht so weit, dass diese ihre persönliche religiös-weltanschauliche Einstellung nicht preisgeben dürften, zumal das mit einem Verlust an erzieherischer Glaubwürdigkeit verbunden wäre. Lehrer dürfen aber ihre ideologische Überzeugung nicht verbal oder nonverbal demonstrativ vermitteln. Jede einseitige Einflussnahme ist ihnen untersagt (s. § 7 IV, Glaubensfreiheit).
431 c) Ausgenommen von der beamtenrechtlichen Neutralitätspflicht sind die Fälle der konfessionsgebundenen Staatsämter, soweit sie das GG erlaubt. Das ist bei Lehrern an Konfessionsschulen (soweit sie nicht Regelschulen sind) eindeutig der Fall, Art. 7 V GG. Überwiegend werden trotz des sich aus Art. 33 III GG und Art. 137 I WRV/140 GG ergebenden grundsätzlichen Verbots (bei zunehmender Kritik) auch beamtete Militärseelsorger dazu gerechnet (s. dazu krit. § 17 II). We5
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In der öffentlichen Kopftuchdebatte hat man (zunächst) nicht selten speziell muslimischen Lehrerinnen generell das Recht abgesprochen, sich auf ihre Religionsfreiheit zu berufen. Das BVerfG hat sich mit den einschlägigen beamtenrechtlichen Fragen in E 108, 282 eingehend auseinandergesetzt. Nichtchristlichen Lehrern, die sich mit dem staatlich angeordneten Schulkreuz nicht abfinden wollten, hat man zunächst generell das Recht abgesprochen, das überhaupt geltend machen zu können, so seinerzeit selbst der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband. Die Problematik der bayerischen Lehrer, die mit dem Schulkreuz nicht einverstanden sind, ist aber wegen einer restriktiven Rspr. noch nicht ausgestanden. S. dazu ergänzend § 13 IV 4 d; zum islamischen Kopftuch § 13 V 5 b). Zur religiösen Neutralitätsproblematik bei Richtern grundlegend R. Röger, DRiZ 1995, 471. Vgl. z. B. BVerfGE 108, 282. In der Praxis ergeben sich erhebliche Einschränkungen durch eine insb. in Bayern jahrzehntelange dezidiert christliche Schulpolitik, s. § 13 III 1 und IV 4.
III. Ausgewählte Bereiche
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gen der Theologieprofessoren und des Sonderproblems der in Bayern für profane Fächer bestehenden Konkordatslehrstühle siehe näher § 17 I 2 und 5. d) Eine weniger wichtige, aber nicht uninteressante Frage ist die des bezahlten 432 Sonderurlaubs für Beamte, z. B. nach § 7 I Nr. 7 der Sonderurlaubsverordnung für Bundesbeamte und Bundesrichter, für die Teilnahme an Veranstaltungen öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften, generell für die Evangelischen Kirchentage und Katholikentage. Das BVerwG8 hat ausdrücklich die sehr problematische Ansicht vertreten, die Vergünstigung gelte nicht für die Angehörigen privatrechtlicher RG, ohne Art. 3 III GG auch nur zu erwähnen.9 2. Wehr- und Zivildienstrecht, Geistlichenprivileg a) Seit jeher besteht ein heikler Zusammenhang zwischen Militär und Religion. 433 Unbestreitbar und historisch fast die Norm ist der Missbrauch der Religion zur Machtausübung und Unterstützung der Kriegführung. Rechtlich und rechtspolitisch steht in der Bundesrepublik die Diskussion um die Militärseelsorge im Vordergrund. S. hierzu und zum von Militärgeistlichen durchgeführten Lebenskundlichen Unterricht näher in § 17 II. Ansonsten ist an gesetzlichen Regelungen zu nennen: Nach § 11 I WPflG sind Geistliche vom Wehrdienst befreit und gem. § 12 II werden Wehrpflichtige, die sich auf das geistliche Amt vorbereiten, auf Antrag vom Wehrdienst zurückgestellt (Problematik des sogenannten Geistlichenprivilegs, s. unten). Auf Vorschlag der RG des öffentlichen Rechts können deren Bedienstete im öffentlichen Interesse nach § 13 WPflG unabkömmlich gestellt werden. Das Kriegsdienstverweigerungsgesetz (KDVG) lässt in § 8 Beauftragte von RG (K. d. ö. R.) zur unentgeltlichen Interessenwahrnehmung bei Anhörungen zu. Im Beirat für den Zivildienst, § 2a ZDG, sind die beiden großen Kirchen vertreten. Selbst vom Zivildienst sind Geistliche befreit, die Regelungen (§§ 10 ff.) entsprechen denen des WPflG. Soldaten haben nach § 36 SG einen Seelsorgeanspruch. b) Das Geistlichenprivileg ist sehr umstritten. Evangelische und katholische Geist- 434 liche sowie hauptamtliche Geistliche anderer Bekenntnisse, deren Status der katholischen Diakonatsweihe entspricht, sind gesetzlich vom Wehrdienst und sogar vom Zivildienst befreit, s. o. Die innere wie rechtliche Berechtigung dieses Privilegs wurden in der Bundesrepublik von Anfang an angezweifelt. Es hat in dieser Form keine historische Parallele. Da auch jedem (angehenden) Geistlichen das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 III GG) zur Seite steht, stellt sich die Befreiung als reines Standesprivileg dar. Das Motiv der Rücksichtnahme auf religiöse Belange im Ernstfall ist zwar nicht sachwidrig, aber im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht ausreichend qualifiziert. Es rechtfertigt nicht die pauschale Befreiung durch Gesetz statt einer Befreiung wegen Unabkömmlichkeit im 8 9
BVerwG NVwZ 1987, 699. Detailkritik bei L. Renck, NVwZ 1987, 669 und M. Sachs, BayVBl 1986, 193 (dazu Gegenposition S. Zängl, 198).
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Einzelfall und erscheint auch fehlerhaft im Hinblick auf das Fehlen einer entsprechenden Regelung für andere wichtige Berufsgruppen. Nicht wenige Verfassungsrechtler machen daher einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 I bzw. III GG, geltend.10 Geistliche werden unter Verstoß gegen Art. 3 III GG speziell wegen ihrer religiösen Ordination bzw. Weihe bevorzugt. Das ist eine mittelalterlich anmutende rechtliche Exemtion des Klerikerstandes, die sich mit der Struktur eines modernen Staats, der von der Allgemeinheit der bürgerlichen Rechte ausgeht, nicht vereinbaren lässt.11 Das BVerwG hat sich diesen Argumenten in seinen diversen Entscheidungen nie gestellt und sich nur mit Fragen der paritätischen Anwendung des Geistlichenprivilegs auf kleinere RG befasst.
435 c) Als selbstverständlich bzw. problemlos wird meist die feierliche alte preußische Zeremonie des Großen Zapfenstreichs angesehen, mit der wichtige Politiker verabschiedet werden. Sie entstand Anfang des 19. Jh. Später kamen religiöse Elemente hinzu. Zum heutigen, 1983 nach auch öffentlich sehr kontroversen Diskussionen genau vorgeschriebenen Zeremoniell gehört auch der Befehl: „Helm ab zum Gebet!“ Ihm folgt die (nichtverbale) Intonation des Chorals „Gebet“ („Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesu offenbart“). Ob die Musik vom dahinterstehenden Text rechtlich gelöst werden kann, sei dahingestellt. Aber zur militärischen Aufgabenstellung gehört sicher nicht das Beten. Die Streitkräfte sollen ja die Freiheitsrechte des GG verteidigen, d. h. auch die Freiheit, dass jeder auf seine Weise glauben oder nicht glauben darf. Nach der offiziellen Begründung hingegen soll das Kommando „Helm ab zum Gebet!“ Gelegenheit zum Gebet als einem Hauptanliegen des Zeremonielles geben. Das verstößt gegen das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot. Zudem werden persönliche Grundrechte verletzt, denn die Teilnahme ist soldatische Dienstpflicht. Art. 136 IV WRV/140 GG untersagt aber ausdrücklich den Zwang zur Teilnahme an religiösen Übungen. Ein zulässiger dienstlicher Zweck wird mit dem religiösen Teil des Zeremoniells nicht erfüllt. Etwas anderes wäre eine allgemeine feierliche Besinnung, in deren Rahmen auch ein religiöses Gedenken möglich wäre.12
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Ablehnend u. a. A. v. Campenhausen, HStR VI, 2. A. 2001, § 136; G. Dopjans, DVBl 1976, 893 f.; Th. Giegerich, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit, 2001, 241 (305); M. Heckel, JuS 1976, 450 (453 ff.) und in HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 640; W. Heun, in: H. Dreier, GG, Bd. 1, 2. A. 2004, zu Art. 3 GG; K.-H. Kästner, ZevKR 1989, 260 (269); v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. A. 2005, zu Art. 3 I GG; H. de Wall, ZevKR 1995, 513 (517); H. Weber, in: Sendler-FS 1991, 553 (561) zur Rspr. des BVerwG. So M. Heckel, JuS 1976, 450 (453 f.). M. Euskirchen, Militärrituale, Köln 2005; ders., Pathos, Geschichtspolitik, religiöse Verbrämung. Warum Armeen Rituale inszenieren, 2005; Fundstelle: http:// www.friedenskooperative.de/ff/ff05/6-63.htm; E.-D. Maar, „Helm ab zum Gebet!“, DöD 1989, 28; F. Weiland, Militärische Schwüre auf Volk und Gott, MIZ 1998, H. 3, 21–27 (mit Textdokumentation).
III. Ausgewählte Bereiche
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3. Rundfunkrecht a) Zu konkreten Fragen der angemessenen Berücksichtung von Religion und 436 Weltanschauung in den allgemeinen Programmen des Hör- und Fernsehfunks und zu Fragen der Eigensendungen der RG und WG (sogenannte Drittsendungen) findet man kaum Material, die einschlägigen Lehr- und Handbücher schweigen sich aus. Rechtsgrundlagen des Rundfunkrechts sind Art. 5 II GG, die Landesrundfunkgesetze und zahlreiche Staatsverträge. Verfassungsrechtliche Voraussetzung des Privatfunks ist, dass die staatsunabhängigen öffentlich-rechtlichen Anstalten (selber Grundrechtsträger) die sogenannte Grundversorgung sichern. Sie dürfen bei Auswahl und Ausgestaltung des Programms Funk und Fernsehen nicht einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausliefern, sondern müssen zur Sicherung der Meinungsvielfalt die wesentlichen gesellschaftlichen Kräfte im Gesamtprogramm angemessen zu Wort kommen lassen. Die Information soll möglichst breit und vollständig sein. Das ist nach Ansicht nicht nur des BVerfG von „fundamentaler Bedeutung“ für unseren Rechtsstaat.13 b) Die Belange der beiden großen christlichen Kirchen werden im öffentlich- 437 rechtlichen Rundfunk und Fernsehen fraglos bestens berücksichtigt. Dafür sorgen, neben der politisch beeinflussten Auswahl der Führungspersonen, auch die Rundfunkräte, in denen aus dem Bereich Religion und Weltanschauung ausschließlich die beiden Großkirchen und die Jüdischen Kultusgemeinden vertreten sind. Zu der Frage, ob und wie die Vielfalt der religiös-weltanschaulichen Belange bzw. der geistigen Strömungen jeweils konkret im Programm und in der redaktionellen Arbeit berücksichtigt wird, gibt es, soweit ersichtlich, keine näheren Untersuchungen. Völlig unklar sind die Kriterien, nach denen festzustellen ist, ob eine bedeutsame weltanschaulich-ideologische Strömung vorliegt und wie sie angemessen zu berücksichtigen ist (Mitgliederzahl, soziologische und geistige Bedeutung, Chancengleichheit, Gesamtinteresse der Hörer, Integration von Minderheiten, Objektivität der Gesamtberichterstattung). Generell kann man feststellen, dass das geschichtsmächtige Gedankengut der europäischen Aufklärung, das Demokratie, Menschenrechte (insbesondere Meinungs- und Religionsfreiheit), Toleranz und die Überwindung der religiösen Meinungskontrolle erst ermöglicht hat (vgl. § 1 II 2, 3), nicht eigenständig gewürdigt wird. Das humanistisch-wissenschaftliche, nicht-religiöse Weltverständnis als eigenständige Weltanschauung hat trotz der erheblichen religionsstatistischen Veränderungen (§ 3 I) keinen Platz im Programm. Die Uneinheitlichkeit und die im Verhältnis zum Christentum fehlende übergreifende Organisation der Muslime14 sollte ebenfalls kein Grund sein, den Islam und 13 14
Hierzu statt aller BVerfGE 74, 297 (326 ff.). S. aber den 2007 gegründeten „Koordinierungsrat der Muslime“ (KRM), der die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (DITIB), den „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland“ (Islamrat), den „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ (ZMD) und den „Verband der Islamischen Kulturzentren“ (VIKZ) vereint. Dem aus recht unterschiedlichen Dachverbänden (mit einem beachtlichen islamistischen Poten-
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vor allem die Möglichkeit seiner Anpassung an die Gegebenheiten eines modernen Rechtsstaats so wenig zu behandeln. Neuerdings gibt es aber Ansätze zur Ermöglichung von Sendungen islamischer RG. Die allgemeine Einigkeit darüber, dass die verschiedenen gewichtigeren Auffassungen im Gesamtprogramm „ausgewogen und angemessen“ zu berücksichtigen sind, ist im religiös-weltanschaulichen Bereich rein verbal. 4. Melderecht
438 Sowohl das Melderechtsrahmengesetz (MRRG) als auch die Meldegesetze der Länder werfen Fragen der Beachtung des verfassungsrechtlichen Schweigerechts über die Religionszugehörigkeit (Art. 136 III 1 WRV/140 GG) auf. Es besteht ein regelrechter Informationsverbund, der detaillierter kritischer Prüfung bedürfte. Der staatliche Kirchensteuereinzug stellt nach hier vertretener Ansicht jedenfalls keine Rechtfertigung für eine melderechtliche Erfassung dar, da er in klarem Widerspruch zu Art. 136 III 1 WRV steht (s. näher § 12 II 2). Zusätzlich fragwürdig ist die Erfassung der Religionszugehörigkeit der Ehegatten. Auch im Übrigen dürften keine triftigen Gründe für eine staatliche Erfassung des Mitgliederbestandes von RG und WG vorliegen. Kirchenverträge gehören jedenfalls nicht dazu. Zu berücksichtigen wäre auch, dass z. B. der Islam keine den christlichen Kirchen vergleichbare Mitgliedschaft kennt. 5. Datenschutz
439 Die Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder nehmen nach h. M. die RG von der Geltung durch „beredtes Schweigen“ aus, was aber bestritten wird.15 Für privatrechtliche RG soll die Ausnahme nicht gelten. Auf die kirchlichen „Satelliten“ (Schulen, Krankenhäuser usw.) ist das staatliche Recht nach überwiegender Meinung anwendbar, was aber wegen der extremen Ausdehnung des Selbstbestimmungsrechts auf diese Einrichtungen durch das BVerfG ebenfalls bestritten wird. Ungeachtet dieser Fragen haben die EKD-Kirchen und die katholische Kirche eigene Datenschutzgesetze erlassen und damit einer staatlichen Erwartung entsprochen. Zu all diesen Fragen gibt es eine umfangreiche Literatur. 6. Personenstandsrecht
440 Nach § 67 des alten PStG, 1875 entstanden, beging grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit, wer eine kirchliche Trauung vornahm, ohne dass zuvor die Verlobten
15
tial) zusammengesetzten KRM kann allenfalls ein Zehntel der Muslime in Deutschland zugerechnet werden. A. A. U. Dammann, in: Simitis u. a., BDSG, 5. A. 2003, § 2 Rn. 87.
III. Ausgewählte Bereiche
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vor dem Standesamt die Ehe schlossen. Diese Regelung war zwar allgemein als selbstverständlich akzeptiert, aber rechtlich problematisch und ein weiterer Beweis für religionsrechtliche Unehrlichkeit. Es geht den Staat nichts an, ob und unter welchen Voraussetzungen eine RG einen religiösen Akt begeht.16 Entscheidend ist nur, dass die staatlichen Regeln über die Ziviltrauung mit allen Rechtswirkungen beachtet werden. Das im November 2006 beschlossene Personenstandsrechtsreformgesetz enthält stattdessen weitere verfassungsrechtliche Probleme, insbesondere betreffend die Weitergabe von persönlichen Daten an die Kirchen und damit Art. 136 III 1 WRV/140 GG. Auch werden gravierende Fragen der Gleichbehandlung aller RG und WG aufgeworfen. All das bedürfte näherer Untersuchung. 7. Immissionsschutz a) Der mit der stark zugenommenen Säkularisierung einhergehende (heute seltener 441 gewordene) Streit um das kirchliche Glockenläuten17 war schon oft Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen und hat viele rechtliche Fragen aufgeworfen, insb. im Hinblick auf den Rechtsweg, die Klagebefugnis und den richtigen Beklagten. Immissionsschutzrechtlich sind Glocken Anlagen, die schädliche Umwelteinwirkungen (hier: Geräusche) herbeiführen können, § 3 BImSchG. Erforderlichenfalls sind nachträgliche Anordnungen gem. § 22 BImSchG zu erlassen. Die Intensität der verursachten Geräusche kann enorm und stark belästigend, ja im Einzelfall sogar gesundheitsgefährdend sein, was nach den anerkannten Regeln der Lärmmessung und -bewertung festgestellt werden kann. Allerdings spielen subjektiv, wie immer beim Lärm, psychologische Fragen eine erhebliche Rolle. Für die einen bedeuten Kirchenglocken Wohlklang, Heimat und Geborgenheit, für andere sind sie überflüssig, lästig, aufdringlich und ärgerlich. Auch bei objektivierender Betrachtung können Beschwerden gegen Kirchenglocken je nach den örtlichen Gegebenheiten nur allzu berechtigt sein. Mittlerweile haben die Kirchenverantwortlichen den nächtlichen (nichtliturgischen) Turmuhrschlag wohl in der Regel abgeschafft, zumal er seine soziale Funktion heute verloren hat. Das hat wesentlich zur Entschärfung beigetragen. b) Für Betroffene kann der Weg, gegen den Verantwortlichen (meist die Pfarr- 442 gemeinde) unmittelbar vorzugehen, unangenehm sein. Nach richtiger (von den Behörden nicht immer geteilter) Auffassung muss die Behörde auf Antrag eines betroffenen Bürgers („Nachbarn“) tätig werden, wenn sie keine triftigen Gründe 16
17
D. Ehlers, Hollerbach-FS 2001, 811 ff.; L. Renck, NJW 1996, 907 f.; R. Tillmanns, NVwZ 2003, 43 ff. Der Österreichische VerfGH hat das Verbot der kirchlichen Voraustrauung schon 1955 als Verstoß gegen die Religionsfreiheit aufgehoben. Statt aller umfassend A. Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 1998; ferner: H. Schwerdtfeger, ZevKR 2001, 319 ff. (zu Rechtswegfragen). S. im Übrigen die umfangreichen Nachweise zu Lit. und Rspr. bei v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, S. 264 f.
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für ein Untätigbleiben zu diesem Zeitpunkt darlegen kann (sonst Ermessensfehler). Hierbei ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten unproblematisch. Im Übrigen ist zu unterscheiden. Kirchenglocken werden zu den res sacrae gezählt (dazu kurz § 11 III 5), und das ist ein Anlass für einen sehr schwierigen juristischen Theorienstreit zwischen öffentlichem und privatem Recht. Aus praktischer Sicht gilt nach BVerwG: Beim liturgischen Glockenläuten ist gegen den Betreiber der Verwaltungsrechtsweg gegeben, wenn die RG eine Körperschaft i. S. des Art. 137 V WRV/140 GG ist (Regelfall). Inhaltlich ist das staatliche Immissionsschutzrecht maßgeblich. Will der Belästigte gegen den Betreiber wegen des Zeitschlags unmittelbar vorgehen, so sind nach allgemeiner Meinung die Zivilgerichte zuständig. Rechtsgrundlage für Nachbarn ist dann § 1004 i. V. m. § 906 BGB. Beim liturgischen Glockengeläut (Ausdruck des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts) wird darauf abgestellt, ob es sich im Rahmen des § 3 BImSchG innerhalb des Herkömmlichen hält und als noch sozialadäquat zumutbare Einwirkung anzusehen ist. Eine Rolle spielen der bauplanungsrechtliche Gebietscharakter, Stärke, Häufigkeit und Tageszeit und besondere Einzelfallumstände. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rspr. verwiesen.18
443 c) Der Muezzinruf 19 hat rein kultische Bedeutung, entspricht also dem liturgischen Glockengeläut. Er kann daher nicht generell untersagt, aber je nach Fallgestaltung Auflagen unterworfen werden. Vielfach wird es geboten sein, die Lautsprecheranlagen zu regulieren. Besonders für Nichtreligiöse, die ja selbst keine weltanschaulich motivierten Geräusche erzeugen, kann der Muezzinruf schon wegen der besonders problematischen Einstellung des Islam gegenüber Nichtgläubigen eine besondere Herausforderung an ihre Toleranzbereitschaft darstellen. 8. Denkmalschutz
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444 Die seit den 1970er Jahren erlassenen Denkmalschutzgesetze der Bundesländer enthalten meist Berücksichtigungsklauseln zur Beachtung der kirchlich-religiösen Belange. Manche Landesgesetze stellen die Kirchen mehr oder weniger von staatlichen Regelungen frei. Vielfach besteht Vertragsrecht. Die fachlich notwendige Zusammenarbeit zwischen staatlichen und kirchlichen Denkmalschutzbehörden ist traditionell gut. Ein erheblicher Teil der staatlichen Denkmalpflegemittel wird für 18
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BVerwGE 68, 62 (Angelus-Läuten); 90, 163 (Nächtlicher Zeitschlag); BVerwG NJW 1994, 956 (Zuständigkeit der Zivilgerichte für Zeitschlag); BayVGH BayVBl 2003, 241, U. v. 1. 3. 2002 (Liturgisches Läuten, Sonderfall; notfalls Geldausgleich für passive Schallschutzmaßnahmen); LG Aschaffenburg NVwZ 2000, 965 (Zeit-Glockenschläge tagsüber; Sonderfall). Es fällt auf, dass man über die Problematik der herkömmlich angenommenen Vorbehaltlosigkeit des Art. 4 I, II GG einfach hinweggeht. Vgl. § 7 VI 2, VII. B. Guntau, ZevKR 1998, 369; St. Muckel, NWVBl 1998, 1; E. Sarcevic, DVBl 2000, 519. Dazu B. M. Kremer, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 77 ff.
III. Ausgewählte Bereiche
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kirchliche Baudenkmäler eingesetzt. Nach Angaben der EKD standen 1994 von den 20 025 Kirchen im Bereich der EKD nicht weniger als 56 % unter Denkmalschutz.21 9. Straßen- und Wegerecht, Straßenverkehrsrecht a) Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten betreffen die Frage, inwieweit RG öffentliche 445 Straßen über den normalen Gemeingebrauch hinaus für besondere religiöse Zwecke nutzen dürfen. Die Straßen- und Wegegesetze der Bundesländer verlangen dafür generell behördliche Sondernutzungserlaubnisse, über deren Erteilung nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden wird. Meist geht es um das Verteilen von Handzetteln und den Verkauf von Büchern, auch um Informationsstände, Zelte oder Kultveranstaltungen. Wann eine erlaubnisfreie Sondernutzung wegen sogenannten kommunikativen Gemeingebrauchs22 oder eine stets erlaubnispflichtige gewerbliche Sondernutzung23 vorliegt, kann fraglich sein. Die grundsätzliche Frage, ob bzw. inwieweit die Statuierung und Handhabung einer Erlaubnispflicht mit der Religionsfreiheit im Einklang steht (Frage der Anwendbarkeit des Art. 4 I, II GG, ggf. i. V. m. der Grundrechtsschranke aus Art. 136 I WRV/140 GG, oder der Schranke der allgemeinen Gesetze, Art. 137 III WRV), ist nicht geklärt. Die Rechtspraxis bemüht meist pauschal Art. 4 I, II GG und stellt solche Fragen nicht, vor allem dann nicht, wenn es um sogenannte Sekten (aus tatsächlichen Gründen überwiegend Scientology) geht, die ggf. streng behandelt werden. Insgesamt dürfte es geboten sein, gesetzlich erforderliche Sondernutzungserlaubnisse aus Gründen der Religionsfreiheit nicht kleinlich zu handhaben. b) Straßenverkehrsrechtlich (§ 29 StVO) sind Veranstaltungen erlaubnispflichtig, 446 wenn sie die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch nehmen. Die dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften erklären ortsübliche Prozessionen und kleinere örtliche Brauchtumsveranstaltungen (großzügig) für nicht erlaubnispflichtig. Das Verhältnis zwischen Straßenverkehrsrecht und Straßen- und Wegerecht bedarf in jedem Bundesland eigener Prüfung. In der Regel dürfte eine verkehrsrechtliche Erlaubnis die straßenrechtliche ersetzen. Bei größeren Veranstaltungen wie Wallfahrten können selbst bei Fehlen einer Erlaubnis immer die erforderlichen straßenverkehrsrechtlichen Einzelmaßnahmen angeordnet werden: Straßensperren, Halteverbote, Warnzeichen. Das Versammlungsgesetz des Bundes gilt ausdrücklich nicht für Gottesdienste, Prozessionen und Wallfahrten, ebenso wie auch „Leichenbegängnisse“, Hochzeitsgesellschaften und Volksfeste. c) Das Beispiel der Straßennutzung zeigt, wie fragwürdig eine Anwendung des 447 Art. 4 II GG (Religionsausübungsfreiheit) als „schrankenloses Grundrecht“ ist, 21
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Kirchenamt der EKD vom 13. 10. 1999, entnommen C. Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, 2002, S. 127. BVerfG NVwZ 1992, 53. BVerwG NJW 1997, 406.
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§ 18 Öffentliches Recht und Zivilrecht (Überblick)
weil sie mit „verfassungsunmittelbaren Schranken“ kaum ordnungsgemäß begründet werden kann. Bei Anwendung des Art. 136 I WRV/140 GG würden sich kaum Probleme ergeben. 10. Sonn- und Feiertagsrecht
448 a) Erstaunlicherweise existiert für dieses Rechtsgebiet eine reichhaltige jüngere Spezialliteratur24 und auch Rspr., obwohl es nur am Rande des Religionsverfassungsrechts und Verwaltungsrechts steht. Die verfassungsrechtliche Grundlage, Art. 139 WRV/140 GG, lautet schlicht: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ Die Vorschrift vereint religionspolitische und sozialpolitische Forderungen und begründet ein Regel-Ausnahme-Verhältnis von Ruhe und Arbeit. Im Gegensatz zur Sonntagsgarantie sind die übrigen Feiertage weder nach Anzahl noch Anlass durch das GG garantiert, sondern nur mit einem (nicht näher festgelegten) unantastbaren Kernbereich institutionell garantiert. Die zuständigen Länder haben weitgehende Gestaltungsfreiheit. Verhaltenspflichten und subjektive Rechte ergeben sich aus Art. 139 WRV nicht.25 Religionsverfassungsrechtlich erscheint Art. 139 WRV im Gegensatz zu einer noch weit verbreiteten Meinung, die ihn zusammen mit anderen religionsfreundlichen Regelungen des GG für ein Kooperationsprinzip argumentativ vereinnahmt, ohne Bedeutung. Denn die Regelung nimmt lediglich flexibel und ohne Wertung Rücksicht auf religiöse Feiertage größerer Bevölkerungsteile sowie sozialstaatliche Bedürfnisse nach (zusätzlichen) freien Tagen. 449 b) Im Einzelnen: Der nichtreligiöse, aber religionsfreundliche Staat kann auch Sonderregelungen für lediglich geschützte kirchliche Feiertage (Recht auf Gottesdienstbesuch für Arbeitnehmer und Schüler) erlassen, ohne gegen das Neutralitätsgebot zu verstoßen. Die Sonn- und Feiertagsgesetze der Länder enthalten zahlreiche und auch divergierende Einzelregelungen, etwa zum besonderen Schutz sogenannter stiller Tage (z. B. Karfreitag, Totensonntag) mit genau umrissenen Veranstaltungsverboten, zum Schutz kleinerer Religionsgemeinschaften sowie spezielle Befreiungsregelungen, wobei auch regionale oder lokale Traditionen berücksichtigt sein können. Angehörige religiöser Minderheiten, denen kein gesetzlicher staatlicher Schutz spezieller Feiertage zugestanden wird, können ggf. Freistellungsansprüche aus Art. 4 GG geltend machen. Art. 139 WRV rechtfertigt gesetzliche Einschränkungen von ansonsten grundrechtlich geschützten Tätigkeiten.26 Besonders bedeutsam sind bundesrechtlich die Regelungen des LadenschlussG und die Verbotsnorm des § 55e Gewerbeordnung sowie – seit 1994 – die 24
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V. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 326 ff.; St. Kirste, NJW 2001, 790; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3 2000, zu Art. 139 WRV; L. Renck, ThürVBl 2002, 173. BVerfGE 87, 363 (393); BVerfG-K NJW 1995, 3378 (3379). BVerfGE 87, 363 (Sonntagsbackverbot).
III. Ausgewählte Bereiche
237
Vorschriften des ArbeitszeitrechtsG. Eine Serie verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen betrifft die Frage der Zulässigkeit spezieller Gewerbeausübung, wenn die Frage der Beeinträchtigung der Funktion der Sonn- und Feiertagsruhe streitig war (z. B. Betrieb von Bräunungsstudios, Videotheken, Waschsalons u. a.). 11. Kirchenasyl Das Thema erhielt mit der Neuregelung des Asylrechts in Art. 16a GG (Asyl- 450 kompromiss von 1993) und seinen erheblichen Einschränkungen (Drittstaatenregelung) Aktualität und Brisanz. In der Rechtswissenschaft war es lange ein Modethema. Seine praktische Bedeutung war ungeachtet der damit verbundenen öffentlichen Aufmerksamkeit gering. Ernsthafte Rechtsprobleme traten eigentlich nur in den sehr seltenen Fällen des „verdeckten“ Kirchenasyls auf, bei dem die Betroffenen dem staatlichen Zugriff entzogen wurden (im Gegensatz zum medienwirksamen „offenen“ und dem „stillen“ Asyl, bei dem die Behörden stets über den Aufenthalt des Ausländers in kirchlichen Räumen informiert waren). Das verdeckte Kirchenasyl ist strafbar und steht im Widerspruch zur offiziellen Kirchenpolitik. Allerdings haben einzelne Juristen27 versucht, mit Hilfe eines extrem weiten Verständnisses der Religionsausübungsfreiheit und der Gewissensfreiheit sowie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts je nach Fallgestaltung eine grundrechtliche Rechtfertigung für die Nichtbeachtung der asylrechtlichen Vorschriften zu konstruieren. Das ist jedoch auf breite Ablehnung gestoßen.28 Denn es ist kaum einzusehen, dass man den auf religiöse Motive gestützten Wunsch auf Schutz anderer Personen als grundsätzlich durch Art. 4 II GG geschützt ansehen soll. Entsprechend dieser Auffassung könnte man nämlich beliebig viele gesellschaftliche Vorgänge „zum rechtlich abgesicherten Gegenstand kirchlicher Intervention in die staatliche Verwaltung“ (L. Renck) machen. Die Gewissensfreiheit soll lediglich im Einzelfall von solchen Konflikten befreien, die die Rechtsordnung aufzwingt, nicht aber sollen selbstgeschaffene Konflikte zur Aufweichung der Rechtsordnung führen. Auf einer anderen Ebene liegt der Umstand, dass die Auswirkungen der z. T. sehr rigiden verfahrensrechtlichen Vorschriften und extrem kurzen Fristen sowie auch schlimme staatliche Fehlentscheidungen Vorgehensweisen des zivilen Widerstands aus ethischen Gründen plausibel machen konnten.
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Z. B. R. Bank, in: R. Grote/T. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, 383; M.-E. Geis, JZ 1997, 60. Etwa H.-G. Maaßen, KuR 1997, Nr. 885, 7; I. v. Münch, NJW 1995, 565 f.; J. Peißl, BayVBl 1999, 137; L. Renck, NJW 1997, 2089.
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§ 18 Öffentliches Recht und Zivilrecht (Überblick)
12. Ziviles Arbeitsrecht
451 Im allgemeinen Arbeitsleben werden häufiger religiös bedingte Forderungen und Wünsche geltend gemacht, die zu Konflikten führen.29 Es geht etwa um die Zulässigkeit von Fragen in Einstellungsgesprächen, die Gebetsverrichtung, die Rücksichtnahme auf religiöse Feiertage, um religiöse Kleidung, religiöse Propaganda, die Weigerung, bestimmte Tätigkeiten auszuführen (Rüstungsproduktion, Zustellung problematischer Textsendungen). Die Arbeitnehmer müssen „gleich“ behandelt werden, und religiös-weltanschauliche Überzeugungen gehen den Arbeitgeber nichts an (bisher: § 75 BetrVG). Das Verbot der „Benachteiligung“ der Arbeitnehmer aus religiös-weltanschaulichen Gründen ist nunmehr in § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)30 festgelegt. § 9 AGG enthält eine Sonderregelung für die Beschäftigung bei RG und WG (Tendenzschutz; s. dazu § 16 III). Wenn arbeitsrechtlich Pflichten auferlegt werden, die religiösen Geboten widersprechen, ist die Situation ähnlich der bei der an den Staat gerichteten „Gewissensfreiheit“ (s. § 8). Es ist also zu fragen, ob der Arbeitgeber von der Verpflichtung im Einzelfall befreien muss. Die Forderung, bestimmte religiöse Handlungen durchführen zu können (Kleidung, Gebete), entspricht der Frage der Bekenntnisfreiheit bzw. Religionsausübungsfreiheit (§ 7 V, VI). Die staatsgerichteten Grundrechte sind zwar hier nicht unmittelbar anwendbar, haben aber nach allgemeiner Rechtsauffassung eine erhebliche Bedeutung bei der Auslegung der arbeitsrechtlichen Normen in Form der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. Grundsätzlich ist vom Direktionsrecht des Arbeitgebers auszugehen, ferner allgemein von den betrieblichen Notwendigkeiten (Arbeitsschutzvorschriften, gebotene Betriebsabläufe, Betriebsfrieden). Ggf. muss der Arbeitgeber prüfen, ob nicht eine unproblematische Ersatzarbeitsstelle zur Verfügung gestellt werden kann. 13. Religiöse Kindererziehung
452 Die Einwirkung auf Kinder und Jugendliche i. S. einer bestimmten Religion oder Weltanschauung ist ein wichtiger Teilaspekt des Elternrechts, wonach die Erziehung insgesamt „zuvörderst“ Sache der Eltern ist, Art. 6 II GG.31 Die Eltern bestimmen, rechtlich gesehen, den Gesamtplan der Erziehung32, in den die öffentliche Hand nicht ohne verfassungsrechtlichen Grund eingreifen darf. Da dem Staat wegen Art. 7 I GG ein eigenständiger schulischer Erziehungsauftrag zugestanden 29
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A. H. Hansen, Die rechtliche Behandlung von Glaubens- und Gewissenskonflikten im Arbeitsverhältnis, 2000; H. Konzen/H. H. Rupp, Gewissenskonflikte im Arbeitsverhältnis, 1990; B. Kraushaar, ZTR 2001, 208. AGG v. 14. 8. 2006, BGBl. I, S. 1897. C. Gericke, Elterliches Erziehungsrecht und die Religion des Kindes, 2001; M. Jestaedt, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 371; D. C. Umbach, in: Geiger-FS 1989, 359. BVerfGE 47, 46.
III. Ausgewählte Bereiche
239
wird, ergeben sich daraus Konflikte. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die öffentliche Schule auf die religiös-weltanschaulichen Erziehungsvorstellungen der Eltern soweit wie möglich Rücksicht zu nehmen hat. Der Staat darf den unterschiedlichen elterlichen Erziehungsvorstellungen nicht entgegenarbeiten, soweit das möglich ist.33 Andere Erziehungsträger als Eltern und Staat kennt das GG nicht. Art. 133 I 3 BayVerf akzeptiert zwar auch die „anerkannten Religionsgemeinschaften und weltanschaulichen Gemeinschaften“ als „Bildungsträger“. Das hat aber wegen Art. 31 GG (Vorrang des Bundesrechts) keine eigenständige Bedeutung und kann nur besagen, dass sich die RG bzw. WG der Kinder bei Einverständnis der Eltern erzieherisch im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts annehmen dürfen.34 Problematisch ist die Grundrechtskonkurrenz von Elternrecht und Kindesrecht. Sie ist im Einzelnen immer noch ungeklärt.35 Sicher ist, dass sich Kinder nicht auf ihr Grundrecht berufen können, soweit im Konfliktfall das Elternrecht reicht. Wesentliche Gesichtspunkte sind nach wie vor geregelt im Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 (RKEG; Text: Anhang 4)36. Dieses Reichsgesetz gilt nach kaum bestrittener Meinung (s. aber die Sonderregelungen in Bayern und im Saarland, dazu § 13 V 2 f) als Bundesrecht fort, da es zum bürgerlichen Recht gehört (Art. 74 I Nr. 1 GG). Das Gesetz verwirklicht akzeptabel den Gedanken des stufenweisen Hineinwachsens in die (im GG nicht geregelte) Religionsmündigkeit. § 5 RKEG ermöglicht mit der Vollendung des 14. Lebensjahres die Entscheidung über die Religionszugehörigkeit (volle Religionsmündigkeit). Wegen der religiös-weltanschaulich begründeten Einzelkonflikte zwischen Eltern und Schülern einerseits und der staatlichen Schule andererseits wird auf § 13, insb. die Abschnitte III–V verwiesen.
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In besonders krassem Widerspruch dazu steht § 13 I BayVolksschulO von 1983: „Die Schule unterstützt die Erziehungsberechtigten bei der religiösen Erziehung der Kinder. Schulgebete, Schulgottesdienst und Schulandacht sind Möglichkeiten dieser Unterstützung. In jedem Klassenzimmer ist ein Kreuz anzubringen. Lehrer und Schüler sind verpflichtet, die religiösen Empfindungen aller zu achten.“ Hierzu krit. L. Renck, BayVBl 2003, 134. Dazu L. Renck, BayVBl 1994, 39; dagegen H. Lecheler, BayVBl 1994, 41; Duplik Renck, BayVBl 1994, 713. M. Jestaedt, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 371 (382). Dazu ausführlich M. Jestaedt, a. a. O.
§ 19 Strafrecht und Religion
Literatur: B. von Becker, NJW 2005, 559; M. Böse, ZStW 113 (2001), 40; G. Dilcher/ I. Staff (Hrsg.), Christentum und modernes Recht. Beiträge zum Problem der Säkularisierung, 1984; A. Eser, HdbStKirchR, Bd. 2, 2. A. 1995, § 71; Th. Fischer, NStZ 1988, 159; W. Hardwig, GA 1962, 257; E. Hilgendorf, FS Albert, 2006, 359; J. Isensee (Hrsg.), Religionsbeschimpfung. Der rechtliche Schutz des Heiligen, 2007; G. Kaiser, FS Middendorf, 1986, 143; K. Lüderssen, FS Trechsel, 2002, 631; R. Maurach/F.-C. Schroeder/M. Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 2, 8. A. 1999, § 61; J. Renzikowski, GS Meurer, 2002, 179; A. Steinbach, JR 2006, 495; Chr. Stumpf, GA 2004, 104; H. Zipf, NJW 1969, 1944.
I. Geschichte und System des heutigen Religionsstrafrechts In fast allen bekannten Strafrechtssystemen besaß die jeweilige Religion in der 453 Vergangenheit auf die Entstehung und Interpretation der Strafnormen einen erheblichen Einfluss. Der strafrechtliche Schutz gilt in der Regel eben jenen Gütern, die auch in der religiösen Moral hoch bewertet werden. Im deutschen Strafrecht – wie in den anderen Strafrechtsordnungen der westlichen Welt auch – ist der religiöse Einfluss seit den 60er Jahren des 20. Jh. allerdings stark zurückgegangen. Die Strafrechtsreform der 70er Jahre verfolgte im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches nicht zuletzt das Ziel, religiöse und metaphysische Vorstellungen zurückzudrängen.1 Heute existieren im deutschen Strafrecht deshalb nur noch wenige Bestimmungen, die eindeutig religiös geprägt sind. Durch das Erstarken des Islam sind neue Fragen im Kontext von Religion und 454 Strafrecht aufgeworfen worden. Es geht im Kern um das Problem, ob bzw. inwieweit kulturell-religiöse Besonderheiten bestimmter Gesellschaftsgruppen im Strafrecht berücksichtigt werden können. In diesen Zusammenhang gehört etwa die Debatte um den sogenannten Ehrenmord, also die Frage, ob bei Tötungsdelik1
W. Maihofer, Die Reform des Besonderen Teils des Strafrechts, in: J. Baumann (Hrsg.), Programm für ein neues Strafgesetzbuch, 1968, 116–127 (120 ff.); vgl. auch E. Hilgendorf/Th. Frank/B. Valerius, Die deutsche Strafrechtsentwicklung 1975–2000, in: Th. Vormbaum/J. Welp (Hrsg.), Das Strafgesetzbuch. Sammlung der Änderungsgesetze und Neubekantmachungen. Supplementband 1: 130 Jahre Strafgesetzgebung – Eine Bilanz, 2004, 258–380 (261 ff.).
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§ 19 Strafrecht und Religion
ten die Vorstellung des Täters, er sei zum Schutz seiner Ehre oder der Familienehre zur Tötung berechtigt oder gar verpflichtet gewesen, strafmildernd wirken kann.2 Die in diesem Zusammenhang relevanten sozialen Normen sind Ausdruck bestimmter Ehrvorstellungen, die heute3 vor allem in der islamischen Welt vorkommen. Dennoch sind sie kaum als spezifisch religiös einzustufen, wobei freilich die Beantwortung der Frage, welche Verhaltensweisen religiös und welche „bloß“ kulturell bedingt sind,4 große Schwierigkeiten aufwirft. Vom religiösen Einfluss auf das Strafrecht zu unterscheiden ist die Frage, ob 455 und inwieweit in einer Strafrechtsordnung Gottheiten, Gegenstände religiöser Verehrung oder zumindest religiöse Gefühle von Gläubigen geschützt werden. Strafrechtsnormen, die dies anstreben, werden traditionell dem Religionsstrafrecht i. e. S. zugerechnet. Das Religionsstrafrecht besitzt eine lange und wechselhafte Geschichte.5 Sei456 nen Kern bildete bis in das 20. Jh. hinein der Tatbestand der Gotteslästerung: Gott selbst sollte vor Kränkungen geschützt werden.6 Gegen diese Vorstellung wandten sich schon die Aufklärer. In seinem „Lehrbuch des peinlichen Strafrechts“ erklärte Feuerbach, „dass die Gottheit injuriert [beleidigt] werde, ist unmöglich; dass sie wegen Ehrenbeleidigungen sich an Menschen räche, undenkbar; dass sie durch Strafe ihrer Beleidiger versöhnt werden müsse, Torheit“.7 Lange Zeit diente das deutsche Religionsstrafrecht dem Schutz religiöser Emp457 findungen der Gläubigen.8 Heute wird die Hauptzielsetzung des Religionsstrafrechts dagegen im Schutz des öffentlichen Friedens gesehen. Dies gilt jedenfalls für die wichtigste Norm des deutschen Religionsstrafrechts, den § 166 StGB, der die Beschimpfung von Bekenntnisssen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen unter Strafe stellt. § 167 StGB pönalisiert die Störung von Gottesdiensten und den beschimpfenden Unfug in Kirchen. Die Norm dient der strafrechtlichen Flankierung des Rechts auf freie Religionsausübung.9 Die §§ 167a StGB und 168 StGB schützen das Pietätsempfinden der Angehörigen von Verstorbenen. Hinzu tritt ein Kranz von strafrechtlichen Vorschriften, die zwar re2 3
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B. Erbil, Toleranz für Ehrenmörder? 2008 (im Erscheinen). Noch in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Konzept einer Familienehre auch im deutschen Strafrecht verteidigt, vgl. etwa H. Welzel, Das deutsche Strafrecht, 10. A. 1967, § 42 I b (S. 294). Richtigerweise wird man auch die Religion als Teil der Kultur einer Gesellschaft anzusehen haben. Überblick bei Dippel, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 11. A., Stand 2003, Vor § 166 Rn. 7 ff. (künftig zitiert als: LK-Dippel). Die römisch-katholische Kirche hält an dieser Auffassung fest, vgl. den Katechismus der Katholischen Kirche. Neuübersetzung aufgrund der Editio typica Latina, 2003, S. 393 (Nr. 1440: „Die Sünde ist vor allem Beleidigung Gottes … “). P. J. A. von Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 1801, hier verwendet die 11. A. 1832, § 303. Eser, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 1024. Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 2, 8. A. 1999, § 61 Rn. 3 spricht von der „strafrechtlichen Ausführungsvorschrift zu Art. 4 Abs. 2 GG“.
II. Religionsbeschimpfung (§ 166 StGB)
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ligiöse Bezüge strafschärfend berücksichtigen, mit dem Religionsstrafrecht i. e. S. aber nur mittelbar in Beziehung stehen.
II. Religionsbeschimpfung (§ 166 StGB) Nach § 166 I StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe 458 bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer beschimpft. Voraussetzung ist, dass die Beschimpfung in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Wegen der von der Verfassung vorgegebenen weltanschaulichen und religiösen 459 Neutralität des Staates ist es nicht zulässig, den Inhalt einzelner Religionen oder Weltanschauungen einem besonderen strafrechtlichen Schutz zu unterwerfen.10 Auch der „Schutz religiöser Gefühle“ ist schon wegen seiner Unbestimmtheit kein zulässiges strafrechtliches Rechtsgut. Darüber hinaus würde ein entsprechend gestalteter Straftatbestand die Anwendung des Strafgesetzbuches von dem subjektiv empfundenen Verletzungsgrad des jeweils Betroffenen (bzw. sich betroffen Fühlenden) abhängig machen und damit dem rechtsstaatlichen Grundprinzip der Rechtssicherheit zuwiderlaufen. Es spricht für sich, dass selbst Befürworter einer Strafverschärfung11 den Bezug auf den Schutz „religiöser Gefühle“ ablehnen: „Denn die Strafbarkeit kann nicht einfach vom subjektiven Empfinden der Anhänger einer bestimmten Religion oder Weltanschauung abhängig gemacht werden. Ansonsten würde die Grenze der Freiheitsbetätigung im Bereich religiöser und weltanschaulicher Auseinandersetzungen davon bestimmt, welches Maß an Kritik die Anhänger eines solchen Bekenntnisses hinzunehmen bereit sind.“12 Es gibt kein Recht auf Schutz vor „religiöser Verunsicherung“.13 Durch § 166 StGB soll auch nicht, wie es noch der Regierungsentwurf von 460 1962 vorgesehen hatte, das allgemeine religiöse Empfinden der Angehörigen der verletzten Glaubensgemeinschaft geschützt werden.14 Das geschützte Rechtsgut ist vielmehr der öffentliche Friede, also ein Zustand des gewaltfreien, rechtlich geordneten Miteinanders und des Vertrauens der Bevölkerung auf den Fortbestand dieses Zustandes. Diese restriktive Auffassung des § 166 StGB wurde durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. 6. 196915 geltendes Recht. Immerhin muss der öffentliche Friede nicht tatsächlich gestört sein; es reicht aus, wenn die fraglichen Äußerungen zur Friedensstörung geeignet sind.16 10 11 12 13 14 15 16
BVerfGE 19, 1 (8); 19, 206 (216). Vgl. unten Rn. 470 ff. BT-Drs. 14/4558, S. 4. R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4 Rn. 74. BT-Drs. 5/4094. BGBl I, S. 645. Es handelt sich um ein sogenanntes konkretes Gefährdungsdelikt, LK-Dippel, § 166 Rn. 54; a. A. („potentielles Gefährdungsdelikt“ als Unterfall der abstrakten Gefähr-
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§ 19 Strafrecht und Religion
461
Der erste Absatz der Vorschrift erfasst Angriffe auf den Inhalt eines religiösen oder eines weltanschaulichen Bekenntnisses. Die Abgrenzung zwischen „religiös“ und „weltanschaulich“ fällt im Einzelfall schwer. Als Faustregel kann gelten, dass ein Bekenntnis dann religiös ist, wenn es durch den Glauben an ein oder mehrere höhere Wesen geprägt ist, weltanschaulich dann, wenn ohne Rückgriff auf derartige Wesen eine Deutung der Welt und der Stellung des Menschen in ihr versucht wird.17 Im zweiten Absatz werden im Inland bestehende religiöse oder weltanschau462 liche Gemeinschaften geschützt. Auf die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts18 kommt es nicht an. Unter „Einrichtungen“ sind nach h. M. feststehende, von den zuständigen Stellen geschaffene innere Ordnungen zu verstehen, etwa die Christusverehrung, die Eucharistie oder der Ablass.19 Der Begriff „Einrichtung“ ist im Detail unbestimmt; unklar ist vor allem die Abgrenzung zu den in § 166 II StGB ebenfalls genannten „Gebräuchen“. Darunter versteht man eine allgemeine (also nicht bloß im Einzelfall auftretende) tatsächliche Praxis, z. B. die Reliquienverehrung oder die Erteilung des Segens.20 Die Beispiele zeigen, dass sich die bisherige Rechtsprechung ganz überwiegend 463 mit Inhalten bzw. Einrichtungen der christlichen Religion beschäftigt hat. Überträgt man diese Rechtsprechung auf die moderne multi-religiöse Gesellschaft, so müssten auch „Einrichtungen“ wie der Ruf des Muezzin oder das religiös gebotene Fasten, vielleicht sogar das Tragen eines Kopftuchs, geschützt werden.21 Damit droht eine Inflationierung der durch § 166 StGB geschützten „Einrichtungen“. Der Begriff der religiösen „Einrichtung“ sollte deshalb restriktiv ausgelegt und auf für die jeweilige Religionsgemeinschaft besonders wichtige, institutionell verfestigte Formen der religiösen Praxis beschränkt bleiben. „Beschimpfen“ meint eine nach Form oder Inhalt besonders verletzende Äuße464 rung22, die religiöse Überzeugungen gezielt „in den Schmutz zieht“. Die Rechtsprechung hat dies z. B. bei der Bezeichnung der christlichen Kirchen als Verbrecherorganisationen23, der Bezeichnung eines Priesters als „Guru“ und seiner Gemeinde als „Sekte“24, die Veröffentlichung eines Artikels mit der Überschrift „Maria hättest Du abgetrieben, der Papst wäre uns erspart geblieben!“25, der Dar-
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dungsdelikte) Tröndle/Fischer, § 166 Rn. 14 sowie die Rspr., vgl. nur BGHSt 16, 49 (56); 46, 36. Lackner/Kühl, § 166 Rn. 2. Dazu oben Rn. 193 ff. Überblick über die Rspr. bei Tröndle/Fischer, § 166 Rn. 9. LK-Dippel, § 166 Rn. 79 f. Tröndle/Fischer, § 166 Rn. 10. OLG Köln NJW 1982, 657; LG Düsseldorf NJW 1982, 290; OLG Karlsruhe NStZ 1986, 363 mit Anm. Ott; krit. Katholnigg, NStZ 1986, 555; BGH NStZ 2000, 643. OLG Celle NJW 1986, 1275; LG Göttingen NJW 1985, 1654. OLG Düsseldorf NJW 1983, 1211 (zu weitgehend). LG Düsseldorf NStZ 1982, 290.
III. Exkurs: Zur Reformdiskussion um § 166 StGB
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stellung eines an ein Kreuz genagelten Schweines26 und der Verspottung der Lehre von der unbefleckten Empfängnis in dem Rock-Comical „Maria Syndrom“27 bejaht. Verneint wurde ein „Beschimpfen“ etwa bei der Beschreibung einer Erstkommunion als „weiss-blutige Hochzeit“28 und der Darstellung des christlichen Gottes als langmähnige Aufziehpuppe.29 Es ist in jedem Fall zu beachten, dass § 166 StGB nicht dem Gefühlsschutz besonders religiöser Menschen dient; eine solche Subjektivierung des Tatbestandes wäre mit dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 II GG, § 1 StGB) nicht zu vereinbaren.30 Hinzu kommt, dass die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) auch scharfe Kritik an Religionen erlaubt, so dass z. B. Äußerungen des Unglaubens oder Ironie nicht unter den Tatbestand von § 166 StGB fallen. Erst recht ist sachliche Kritik, auch wenn sie in sehr scharfer Form vorgebracht wird, kein „Beschimpfen“ i. S. von § 166 StGB. Die Äußerung muss sich, wie sich aus dem Wortlaut des § 166 StGB ergibt, gerade auf den Inhalt des Bekenntnisses beziehen; fehlt es an dem erforderlichen Inhaltsbezug, so liegt § 166 StGB nicht vor. Wenn beispielsweise der Führer einer religiösen Gruppierung als „geldgierig“ bezeichnet wird, scheidet § 166 StGB mangels Inhaltsbezug aus, dafür kann eine Beleidigung (§ 185 StGB) oder üble Nachrede bzw. Verleumdung (§§ 186, 187 StGB) vorliegen. Besondere Probleme entstehen, wenn die Angriffe in künstlerischer Form vorgebracht werden. In derartigen Situationen muss zwischen dem öffentlichen Frieden bzw. der Religionsfreiheit einerseits und der Kunstfreiheit andererseits abgewogen werden.31 Umstritten ist vor allem die Bewertung von Karikaturen.32
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III. Exkurs: Zur Reformdiskussion um § 166 StGB Angesichts der vielen Probleme des § 166 StGB überrascht es nicht, dass die 469 Norm schon seit längerem in der Kritik steht. Teilweise wird gefordert, den Anwendungsbereich zu erweitern, andere plädieren dafür, die Norm zu streichen.
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OLG Nürnberg NStZ-RR 1999, 238. OVG Koblenz NJW 1997, 1175. OLG Karlsruhe NStZ 1986, 363. LG Bochum NJW 1989, 727. Vgl. oben Rn. 459. OLG Köln NJW 1982, 657; BVerwG NJW 1999, 304 mit Anm. Hufen, JuS 1999, 911. LG Bochum NJW 1989, 727; zu Mohammed-Karikaturen A. Steinbach, JR 2006, 495; zu der satirischen Fernsehserie „Popetown“ J. Montag/F. Bosbach, DRiZ 2007, 72.
246
§ 19 Strafrecht und Religion
1. Verschärfung des § 166 StGB?
470 Eine Verschärfung des § 166 StGB soll dadurch erreicht werden, dass das Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens gestrichen wird. Strafbar wäre dann jeder, der öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer (Absatz 1) oder eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche (Absatz 2) beschimpft.33 Hintergrund dieses Vorstoßes ist die Ansicht, der Schutz von Religionsgemein471 schaften und Weltanschauungsvereinigungen und ihrer religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sei derzeit nur unzureichend gewährleistet. Selbst grobe Beschimpfungen würden in der Praxis oft nicht von § 166 StGB erfasst. Die Befürworter einer Ausweitung des Tatbestands weisen insbesondere darauf hin, dass die Bezugnahme auf die „Eignung zur Friedensstörung“ solche religiösen Gemeinschaften schlechter stelle, die auf Kränkungen und Beschimpfungen nur mit Beschwerden, öffentlichen Protesten oder Strafanzeigen und nicht mit Übergriffen und friedensstörenden Demonstrationen reagieren. Die Eignungsklausel habe sich zu einem Instrument für die Beseitigung des Tatbestandes entwickelt.34 Ob eine derartige Verschärfung des § 166 StGB mit der Verfassung in Einklang 472 zu bringen wäre, ist allerdings umstritten. Zwar stehen der Glauben, religiöses Bekennen und das Ausüben religiöser Überzeugungen unter dem besonderen Schutz der Verfassung (Art. 4 I GG). Die Sicherung dieser verfassungsrechtlichen Garantien kann auch durch das Strafrecht erfolgen. Der Gesetzgeber muss dabei aber die Schranken beachten, die sich aus den Grundrechten anderer ergeben. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem die Meinungsfreiheit (Art. 5 I S. 1 GG) und die Freiheit der Kunst (Art. 5 III S. 1 GG). Auch kann die Religionsund Weltanschauungsfreiheit des einen mit der eines anderen in Konflikt geraten. Es gehört zu den wesentlichen Grundsätzen des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates, dass über geistige Inhalte – und dazu gehören auch religiöse Vorstellungen und Glaubenssätze – gestritten werden kann und darf. Das Strafrecht ist hier wie auch sonst nur die ultima ratio, das letzte Mittel des Staates, um die Bedingungen freiheitlicher Auseinandersetzungen zu sichern. Schutzgut eines verschärften § 166 StGB sollen nach Vorstellung der Reformer 473 nicht „religiöse Gefühle“ sein, sondern das „allgemeine Toleranzgebot, das religiöse und weltanschauliche Bekenntnis Dritter zu achten“.35 Dabei soll es sich um einen objektiven Wertmaßstab handeln, der die Grenzen angibt, welche in Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten in religiösen oder weltanschaulichen Fragen nicht überschritten werden dürfen.36 33 34
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So der Gesetzentwurf der CDU/CSU, BT-Drs. 14/4558. Maurach/Schröder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 2, 8. A. 1999, § 61 Rn. 15. BT-Drs. 14/4558, S. 4; vgl. auch J. Renzikowski, GS Meurer, 2002, 179. Ebenda.
III. Exkurs: Zur Reformdiskussion um § 166 StGB
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Diese Rechtsgutskonzeption für § 166 StGB wirft jedoch erhebliche Bedenken 474 auf. Unklar ist schon, nach welchen Kriterien die Verletzung des Toleranzgebots festgestellt werden soll. Die Achtung fremder religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse kann sicherlich nicht bedeuten, sich jedweder Kritik zu enthalten. Gerade das Problem, das im Mittelpunkt der Auseinandersetzung um § 166 StGB steht – die gegenseitige Abgrenzung von Glaubensschutz und Meinungsfreiheit – wird durch die Berufung auf das Toleranzgebot nicht gelöst, sondern offen gelassen. Des Weiteren ist nicht erkennbar, wie die schon im Zusammenhang mit dem Schutz „religiöser Gefühle“ angesprochene Gefahr einer Subjektivierung des Strafrechtsschutzes gebannt werden soll.37 Nimmt man hinzu, dass der Wortlaut des § 166 StGB ohne die Bezugnahme auf eine „Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens“ (weiter) an Konturen verlieren dürfte, so ergibt sich als Resümee, dass der hier in Frage stehende Vorschlag zur Verschärfung des § 166 StGB verfassungsrechtlich bedenklich ist.38 2. Streichung des § 166 StGB? Der Vorschlag einer ersatzlosen Streichung des § 166 StGB wird vor allem mit 475 dem Argument begründet, im säkularen, weltanschaulich und religiös neutralen Staat sei für Religionsdelikte kein Platz mehr.39 Es ist aber zu bedenken, dass § 166 StGB in seiner gegenwärtigen Fassung nicht den Inhalt religiöser Bekenntnisse oder gar nur eine bestimmte Religion (nämlich das Christentum) schützt, sondern den öffentlichen Frieden. Es ist schon lange bekannt, dass religiöser Eifer leicht in Fanatismus und Gewalttätigkeit umschlagen kann. In einer religiös pluralistischen Gesellschaft, wie sie die Bundesrepublik heute ist, kommen Gläubige häufig mit Angehörigen anderer Glaubensgemeinschaften in Kontakt. Gerade bei Religionen, die die Mission zur religiösen Pflicht erklären, sind damit religiös motivierte Konflikte vorprogrammiert. Um gewalttätige religiöse Auseinandersetzungen, wie sie fast überall, wo Religionen aufeinander stoßen, zu finden sind, einzuschränken, müssen die Handlungsspielräume der Religionen und Weltanschauungen voneinander abgegrenzt werden. Mittel dazu ist in erster Linie das Religionsverfassungs- und Religionsverwaltungsrecht. Als ultima ratio ist aber auch der Einsatz des Strafrechts zulässig, um den öffentlichen Frieden zu bewahren. Ein derartiger Friedensschutz lässt sich nicht schon über den Tatbestand der 476 Volksverhetzung (§ 130 StGB) und das Beleidigungsstrafrecht (§§ 185 ff. StGB) erreichen. Eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne muss sich grundsätzlich auf eine natürliche Person beziehen; Personengemeinschaften sind nur ausnahmsweise geschützt. Friedensgefährdende Angriffe auf „den Islam“ oder „die Ungläubigen“ 37 38 39
Vgl. oben Rn. 459. Weitergehende Kritik bei Tröndle/Fischer, § 166 Rn. 2c und d. W. Hassemer, Religionsdelikte in der säkularisierten Rechtsordnung, in: Christentum und modernes Recht. Beiträge zum Problem der Säkularisierung, hrsg. von G. Dilcher und I. Staff, 1984, S. 232–251 (244 ff.).
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§ 19 Strafrecht und Religion
sind deshalb über die §§ 185 ff. StGB kaum zu erfassen.40 Der Tatbestand der Volksverhetzung schützt in Parallele zu § 166 StGB den öffentlichen Frieden, also das allgemeine Interesse an einem friedlichen Zusammenleben im Staat.41 Die Handlungsformen der Volksverhetzung zeichnen sich jedoch durch eine besondere, gegen Personen oder Personengruppen gerichtete Aggressivität aus, wie der Blick auf die Tathandlungen zeigt: Aufstacheln zum Hass gegen Bevölkerungsteile, Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen, Angriffe auf die Menschenwürde. Auch wenn manche Fälle der Beschimpfung von Religionsgemeinschaften bzw. Weltanschauungsgemeinschaften als Volksverhetzung zu ahnden sind, kann der Tatbestand der Volksverhetzung doch nicht den gesamten Anwendungsbereich des § 166 StGB abdecken. § 166 StGB ergänzt den § 130 StGB und setzt teilweise schon in dessen Vorfeld an, indem er ein gesellschaftliches Klima verhindern soll, in dem religiöse Verhetzung, unkontrollierte Aggressivität und religiös motivierte Gewalt sich ausbreiten können Angesichts des beträchtlichen Gewaltpotentials von Religionen42 spricht unter 477 den heutigen Bedingungen religiöser Pluralität vieles dafür, den § 166 StGB unverändert im Gesetz zu belassen. Aus dieser Perspektive betrachtet, dient die Norm weniger dem Schutz von Religion als vielmehr dem Schutz vor Religion. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass § 166 StGB in seiner jetzigen Fassung auch als Mittel der Zensur eingesetzt werden kann.43 Problematisch sind vor allem die Ausstrahlungen des § 166 StGB in das Verwaltungsrecht. Überdies wirft die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören“ so viele Probleme auf,44 dass § 166 StGB in seiner jetzigen Fassung rechtsstaatlich bedenklich ist. Ob es gelingt, die Norm so zu reformieren, dass einerseits der Schutz des öffentlichen (religiösen) Friedens in einer rechtsstaatlich überzeugenden Weise gewährleistet werden kann, anderererseits aber die Meinungsfreiheit nicht übermäßig beschnitten wird, bleibt abzuwarten.
IV. Sonstige Delikte des Religionsstrafrechts 1. Störung der Religionsausübung (§ 167 StGB)
478 Nach § 167 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgemeinschaft absichtlich und in grober 40 41 42
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44
LK-Hilgendorf, Vor § 185 Rn. 25 ff., 28 ff. Tröndle/Fischer, § 130 Rn. 2 f. E. Hilgendorf, Religion, Gewalt und Menschenrechte, in: H. Dreier/E. Hilgendorf (Hrsg.), Kulturelle Identität als Grund und Grenze des Rechts, 2008 (im Erscheinen). Dazu, mit zahlreichen Belegen, C. Reinsdorf/P. Reinsdorf (Hrsg.), Zensur im Namen des Herrn, 1997; G. Schmied/W. Wunden, Gotteslästerung? Vom Umgang mit Blasphemien heute, 1996. Vgl. Rn. 459, 460.
IV. Sonstige Delikte des Religionsstrafrechts
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Weise stört oder an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt. Entsprechende Feiern einer Weltanschauungsgemeinschaft stehen dem gleich. Nach überwiegender Meinung dient die Vorschrift der ungestörten Ausübung von Religion und Weltanschauung.45 Unter Gottesdienst wird die Vereinigung der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft zur religiösen Erbauung durch Verehrung und Anbetung der jeweiligen Gottheit(en) nach den Vorschriften, Gebräuchen und Formen ihrer Gemeinschaft verstanden.46 Auch Zusammenkünfte, die nur für geladene Gäste zugänglich sind und im Fernsehen übertragen werden, können diese Voraussetzungen erfüllen.47 Gottesdienstliche Handlungen sind andere dem jeweiligen Ritus entsprechende Akte der Religionsausübung, zum Beispiel kirchliche Prozessionen, Taufen, kirchliche Trauungen oder Bestattungsfeiern.48 Diese Feierlichkeiten müssen, um den Straftatbestand zu verwirklichen, in grober Weise gestört werden, z. B. durch Anwendung von Gewalt. Die Störung einzelner Teilnehmer reicht nur aus, wenn damit die Feierlichkeit insgesamt merklich beeinträchtigt wird. Gestört werden kann nur eine Veranstaltung, die bereits begonnen hat; die Verhinderung einer religiösen Feierlichkeit unterfällt dem § 167 StGB deshalb nicht. Subjektiv muss die Beeinträchtigung absichtlich herbeigeführt werden, d. h. es muss dem Täter gerade auf die Störung ankommen. Die zweite Tatalternative erfasst das Verüben beschimpfenden Unfugs an einem Ort, der dem Gottesdienst gewidmet ist. In Betracht kommen vor allem Kirchen, Moscheen und Synagogen. Orte, an denen nur vereinzelt Gottesdienste stattfinden, die aber sonst anderen Zwecken dienen (z. B. Gemeindehallen), kommen als Tatorte nicht in Betracht. Andererseits ist es nicht nötig, dass in dem dem Gottesdienst gewidmeten Ort zur Zeit der Tat gerade ein Gottesdienst stattfindet. Grob beschimpfender Unfug wird als eine grob ungehörige, rohe Gesinnung zeigende Handlung verstanden, in der eine besondere Missachtung gegenüber gerade diesem Ort zum Ausdruck kommt.49 Beispiele dafür sind das Anschmieren von Hakenkreuzen oder der Vollzug sexueller Handlungen50, nicht aber z. B. die bloße Nichtbeteiligung an einer Zeremonie, die Weigerung, den Hut abzunehmen oder das Rauchen. Der Täter muss in Kenntnis der Tatumstände die Tat wollen, wobei bedingter Vorsatz genügt; der Täter braucht nicht in der Absicht handeln, den betreffenden Ort zu beschimpfen.
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Tröndle/Fischer, § 167 Rn. 1. LK-Dippel, § 167 Rn. 5. OLG Jena NJW 2006, 1892 f. Tröndle/Fischer, § 167 Rn. 3. Tröndle/Fischer, § 167 Rn. 8. BGHSt 9, 140.
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2. Störung einer Bestattungsfeier (§ 167a StGB)
483 § 167a StGB stellt die Störung einer Bestattungsfeier unter Strafe. Die Vorschrift bezieht sich sowohl auf religiöse als auch auf nichtreligiöse Feiern. Geschützt wird das Pietätsempfinden der Teilnehmer. Subjektiv muss es dem Täter entweder gerade auf die Störung ankommen (Absicht) oder er muss zumindest sicher voraussehen, dass es durch sein Verhalten zu einer derartigen Störung kommt (Wissentlichkeit). 3. Störung der Totenruhe (§ 168 StGB)
484 Eine Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) begeht, wer den Körper eines verstorbenen Menschen oder Teile davon aus dem Gewahrsam des Berechtigten wegnimmt oder daran beschimpfenden Unfug verübt. Die Vorschrift soll nach h. M. das Pietätsgefühl der Angehörigen des Verstorbenen schützen, besitzt also keinen unmittelbaren religiösen Bezug. Auch die Transplantation von Organen aus einem Toten ist grundsätzlich eine Wegnahme von Leichenteilen, wird jedoch durch das Transplantationsgesetz vom 5. 11. 199751 unter bestimmten Voraussetzungen gestattet.
V. Straftatbestände, die mittelbar der freien Religionsausübung und dem religiösen Frieden dienen 485 Neben den §§ 166 und 167 StGB, die den Kern des deutschen Religionsstrafrechts bilden, und den §§ 167a und 168 StGB, die das Pietätsgefühl schützen, existiert eine Reihe weiterer Strafnormen, bei denen ein religiöser Tatbezug zu einer erhöhten Strafe führt. Meist handelt es sich um Qualifikationstatbestände oder Regelbeispiele. So stellt § 304 StGB, die gemeinschädliche Sachbeschädigung, u. a. die Be486 schädigung oder Zerstörung von Gegenständen der Verehrung einer im Staat bestehenden Religionsgesellschaft unter besondere Strafe. Erfasst wird außerdem die Beschädigung oder Zerstörung von Grabmälern und von Sachen, die dem Gottesdienst gewidmet sind. Die Inbrandsetzung einer Kirche oder eines anderen der Religionsausübung dienenden Gebäudes erfüllt den Tatbestand einer schweren Brandstiftung (§ 306a I Nr. 2 StGB).52 In § 243 I S. 2 Nr. 4 StGB (ein besonders schwerer Fall des Diebstahls) wird 487 der Diebstahl einer Sache aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsaus51 52
BGBl. I, S. 2631. Die Legitimation der erhöhten Strafdrohung in § 306a I Nr. 2 StGB gegenüber der einfachen Brandstiftung ist umstritten, vgl. Tröndle/Fischer, § 306a Rn. 2a. Am ehesten lässt sich auch hier auf den Schutz des öffentlichen Friedens abstellen.
VI. Kriminologie
251
übung dienenden Gebäude mit höherer Strafe belegt als der einfache Diebstahl. Ein Gebäude dient der Religionsausübung, wenn es für den Gottesdienst (Kirchengebäude) oder zumindest eine spezifisch religionsbezogene Tätigkeit verwendet wird (z. B. eine Sakristei). Erforderlich ist, dass die entwendete Sache dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient. Dazu gehören beispielsweise Reliquien, Heiligenbilder oder Votivtafeln, nicht aber Opferstöcke oder Kunstgegenstände ohne religiöse Zweckbestimmung.53 Dem Schutz des öffentlichen Friedens dient § 130 StGB (Volksverhetzung). 488 Davon erfasst wird (nach Absatz 2) u. a. die Herstellung, Verbreitung oder öffentliche Ausstellung von Schriften, die zum Hass gegen religiöse Gruppen aufstacheln. Den Schriften gleichgestellt sind Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen (§ 11 III StGB). Besondere Probleme bereitet heute die Verbreitung volksverhetzender Inhalte im Internet.54 Auch § 139 II StGB (Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten) dient 489 im weiteren Sinne dem Schutz des religiösen Friedens. Ein Geistlicher bleibt trotz der Nichtanzeige einer geplanten Straftat straflos, wenn ihm die Information über die Tat in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut wurde. Es handelt sich um einen Rechtfertigungsgrund. Ziel der Regelung ist es, eine Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Seelsorger und Gläubigen zu verhindern.55 In diesem Zusammenhang ist auch auf § 53 I S. 1 Nr. 1 StPO hinzuweisen, der Geistlichen über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden ist, ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt.
VI. Kriminologie Infolge der islamistischen Terrorattacken der letzten Jahre ist der Zusammenhang 490 zwischen Religiosität und Gewalt, und damit auch zwischen Religion und Strafrecht, in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Es ist deshalb bedauerlich, dass die empirische Kriminologie sich nicht schon längst eingehender mit dem Thema auseinandergesetzt hat.56 Weder eine kriminalitätshemmende noch eine kriminalitätsfördernde Wirkung von Religiosität lässt sich beim gegenwärtigen Stand der empirischen Forschung überzeugend darlegen. Auch in der angelsächsischen Kriminologie ist kein eindeutiger Meinungsstand festzustellen.57 Einzelne Religionsgemeinschaften oder religiöse Gruppen mögen Gebote auf-
53 54 55 56
57
Tröndle/Fischer, § 243 Rn. 19. Hilgendorf/Frank/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, 2005, Rn. 466 ff. LK-Dippel, Vor § 166 Rn. 13. Ebenso LK-Dippel, Vor § 166 Rn. 17: „Das Verhältnis der Kriminologie zu den Religionsdelikten ist nichts als defizitär.“ Überblick bei J. Simpson/D. Brownfield, Religion and Crime, in: J. Dressler, Encyclopedia of Crime and Justice, 2. A. 2002, Bd. 3, S. 1327–1333.
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§ 19 Strafrecht und Religion
stellen, die Strafgesetzen widersprechen,58 doch haben derartige Verstöße bislang nicht in nennenswertem Maß zu strafrechtlichen Verurteilungen geführt.59
VII. Der Gewissenstäter 491 Ein wichtiges Sonderproblem stellt die Frage dar, ob und inwieweit sich Straftäter auf religiöse Gebote ihrer Glaubensgemeinschaft berufen können. Die damit zusammenhängenden Fragen werden im Strafrecht üblicherweise unter dem Begriff der „Gewissenstat“ diskutiert.60 Ob und inwieweit die durch Art. 4 GG garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit einer Strafbarkeit entgegengesetzt werden kann, ist umstritten.61 Eine Gewissenstat liegt vor, wenn der Täter durch sein (meist religiös oder 492 weltanschaulich determiniertes) Gewissen zu einem an sich strafbaren Tun oder Unterlassen veranlasst wird, weil dies ihm sein Gewissen bindend vorschreibt, und er nicht ohne innere Not davon abweichen kann. Im gleichen Sinne definiert das Bundesverfassungsgericht die Gewissensentscheidung als „jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung [ … ], die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.“62 Die Gewissenstat ist von der Überzeugungstat zu unterscheiden. Überzeu493 gungen haben im Gegensatz zu Gewissensentscheidungen keinen für den Einzelnen existentiellen und unbedingt bindenden Charakter. Wenn daher jemand allein aus abweichender Überzeugung gegen Strafgesetze verstößt, kann dies allenfalls im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden.63 Das Bundesverfassungsgericht hatte 1971 über einen Fall zu entscheiden, in 494 dem ein Angehöriger des evangelischen Brüdervereins wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB) verurteilt worden war, nachdem er es unterlassen hatte, seine nach einer Entbindung unter akutem Blutmangel leidende Frau zu einer Bluttransfusion zu überreden, wie dies medizinisch dringend angezeigt war. Auch 58
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LK-Dippel, Vor § 166 Rn. 17 nennt in diesem Zusammenhang die Scientology-Kirche und das radikalkatholische Opus dei. Eine Aufsehen erregende Ausnahme stellt der „Fall Klingenberg“ dar, in dem die Angeklagten, darunter zwei katholische Geistliche, an der psychisch erkrankten Würzburger Studentin Anneliese Michel einen Exorzismus durchführten, statt medizinische Hilfe zu holen. Sie wurden wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Vgl. dazu die ausführliche Schilderung bei U. Wolf, Der Teufel ist in mir, 2006. Eingehende Nachweise bei Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 22 Vor Rn. 100. Ein Überblick dazu findet sich bei M. Böse, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit im Rahmen der Strafgesetze, ZStW 113, S. 40 ff. BVerfGE 12, 45 (55). Siehe nur Schönke/Schröder/Lenckner, Vor § 32 Rn. 118; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 22 Rn. 103.
VII. Der Gewissenstäter
253
seine Frau gehörte der religiösen Vereinigung an und widersetzte sich einer Bluttransfusion. Die erste Instanz verurteilte den Ehemann wegen unterlassener Hilfeleistung. Auf die Verfassungsbeschwerde des Ehemannes hin kam das Bundesverfas- 495 sungsgericht zu dem Ergebnis, dass das ausgesprochene Strafurteil den Ehemann in seinem Recht auf Glaubensfreiheit verletze, da in dem Urteil nicht in ausreichender Weise die Reichweite und Bedeutung der Glaubens- und Gewissensfreiheit beachtet worden sei.64 Die Entscheidung enthält allerdings keinen konkreten dogmatischen Lösungsansatz für die Gewissenstat. Im Übrigen ist fraglich, ob in diesem Fall überhaupt ein Rekurs auf die Glaubensfreiheit erforderlich war, da die Frau ja selbst aus Gewissensgründen eine Bluttransfusion ablehnte, es mithin dem Ehemann gar nicht zumutbar65 gewesen sein dürfte, auf die Überzeugungen seiner Frau einzuwirken. Der Gewissenstäter kann sich nicht auf § 34 StGB (rechtfertigenden Notstand) 496 oder § 35 StGB (entschuldigenden Notstand) berufen.66 Art. 4 GG ist jedoch im Strafrecht direkt anwendbar und wirkt dort als Entschuldigungsgrund67: Die Tat bleibt als Verstoß gegen die objektive, demokratisch legitimierte Rechtsordnung rechtswidrig, wird aber dem Einzelnen wegen seiner Gewissensnot nicht zum Vorwurf gemacht.68 Nach dieser Ansicht wäre der Ehemann im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall69 auch dann, wenn ihm ein Zuraten zur Blutübertragung ausnahmsweise zumutbar gewesen wäre, ohne Strafe geblieben, weil sein Unterlassen zwar rechtswidrig war, aber doch entschuldigt werden kann. Die Berufung auf Art. 4 GG kann allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen 497 die Strafbarkeit entfallen lassen. Voraussetzung ist vor allem, dass die Tat Grundrechte Dritter nicht oder nur am Rande beeinträchtigt. Dagegen lässt sich über die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht die körperliche Verletzung oder gar Tötung (Ritualmord) eines anderen Menschen (durch Tun oder durch Unterlassen) entschuldigen. Richtigerweise gilt dies auch dann, wenn die betroffene Person zum Täter (z. B. dem Vater) in einem besonderen Näheverhältnis steht. Der gläubige Vater kann sich also, ohne Strafe befürchten zu müssen, weigern, seiner 64
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BVerfGE 32, 98 ff. mit Anm. Peters, JZ 1972, 85. In BGHSt 32, 367 (389) (Fall Dr. Wittig) hat der Bundesgerichtshof eine Gewissenstat angenommen, als ein Arzt eine Suizidentin auf deren ausdrücklichen Wunsch hin nicht in eine Intensivstation einwies, sondern am Bett der Bewusstlosen verharrte, bis sie starb. Näher zur Zumutbarkeit bei der unterlassenen Hilfeleistung Lackner/Kühl, § 323c Rn. 7. So die heute h. M., vgl. nur Lackner/Kühl, Vor § 32 Rn. 32; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 22 Rn. 101. Es ist umstritten, ob dies nur für Unterlassungs- oder auch für aktives Tun gilt. Richtigerweise ist letzteres anzunehmen, da sich die Wirkung des Grundrechtes Art. 4 GG nicht auf Unterlassungstaten beschränken lässt. Für eine entschuldigende Wirkung auch Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 22 Rn. 121 f.; Schlehofer, in: Münchner Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 1, 2003, §§ 32 ff. Rn. 207 ff. Oben Rn. 495.
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§ 19 Strafrecht und Religion
(ebenfalls gläubigen) Ehefrau zu der medizinisch erforderlichen Bluttransfusion zu raten.70 Er würde sich aber strafbar machen, wenn er z. B. mit Gewalt verhindern würde, dass seine Tochter eine medizinisch notwendige Bluttransfusion erhält, sofern diese in die Transfusion eingewilligt hat.
70
Ebenda.
§ 20 Europäische Entwicklung
Literatur: F. Hammer, DÖV 2006, 542 (Privilegien- und Neutralitätsfrage); H. M. Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003 (Korporationsrecht in Deutschland und EU); St. Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, 2005; G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, 2. A. 2005 (rechtsvergleichend); H. de Wall, ZevKR 2005, 383 (Religionsrecht der EU); H. Weber, ZevKR 2000, 109 (Religionsfreiheit national und international); ders., ZevKR 2002, 265 (Religionsfreiheit im europäischen Recht). – S. im Übrigen das LitV unter B 7.
I. Statistische Hinweise In europäischen, insbesondere deutschen Medien, Talk-Shows, Symposien und 498 Büchern ist immer wieder von einer „Rückkehr der Religion“ die Rede. Einflüsse der Religion und Versuche der Einflussnahme auf Recht und Politik sind auch außerhalb Deutschlands in manchen Ländern erkennbar, und auch die (bisher gescheiterten) intensiven Versuche, die Präambel der künftigen Europäischen Verfassung durch direkte Nennung „Gottes“ religiös aufzuladen, gehören in diesen Zusammenhang. Die „Rückkehr der Religion“ als Medienthema korrreliert allerdings nicht ohne weiteres mit den soziologischen Tatsachen. Im Herbst 2006 wurden im Auftrag der Europäischen Kommission über 29 000 Bürger aller EUStaaten über Werte befragt. Die Ergebnisse wurden im Februar 2007 unter dem Schlagwort „Eurobarometer“ bekannt gemacht. Demnach sind die drei Werte, die für die EU-Bürger am eindrucksvollsten die EU repräsentieren, die Menschenrechte (38 %), Demokratie (38 %) und Frieden (36 %). Persönlich am wichtigsten waren für die Befragten der Frieden (52 %), Respekt gegenüber menschlichem Leben (43 %) und die Menschenrechte (41 %). Die Religion gehört nur für 7 % der Befragten zu den drei wichtigsten persönlichen Themen und nur 3 % sehen Religion als einen der drei repräsentativen Werte der Europäischen Union. Im Schnitt aller Länder war für 52 % der Befragten Religion im Leben wichtig, für 47 % nicht. Im Einzelnen differierten die Ergebnisse stark. So waren 87 % der Polen, 82 % der Griechen, 78 % der Italiener, 57 % der Portugiesen und 56 % der Slowaken der Meinung, Religion sei „wichtig“ in ihrem Leben, aber nur 48 % der Deutschen, 45 % der Briten, 44 % der Österreicher, 43 % der Ungarn, 41 % der Belgier, 40 % der Niederländer, 38 % der Franzosen, 34 % der Spanier, 28 % der
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§ 20 Europäische Entwicklung
Tschechen.1 Differenziertere Fragestellungen würden die persönliche Bedeutung der Religion wohl weiter (u. U. erheblich) reduzieren. Zumindest in Deutschland ist diese Bedeutung ganz erheblich geringer, als es die o. g. Zahl von 48 % nahe legt. Denn weniger als 50 % der deutschen Bevölkerung bezeichnen sich nach jüngeren Repräsentativumfragen überhaupt als (mehr oder weniger) religiös (s. näher § 3 I). Das ist ein deutlicher Unterschied.
II. Grundsysteme der Religionsverfassung 499 Die religionsrechtlichen Grundgegebenheiten sind in den Ländern der EU sehr unterschiedlich geregelt und enthalten z. T. überraschende Varianten. Teilweise sind sie in den Verfassungen, teilweise unterhalb dieser Ebene geregelt. Im Einzelnen lassen sich drei Grundtypen unterscheiden: 500 1. Das – in Deutschland spätestens seit 1919 überholte – Staatskirchentum ist gekennzeichnet durch enge und weitgehende Verbindungen zwischen staatlichen und kirchlichen Organen. Solche Systeme gibt es in England und Schottland, Dänemark, Griechenland und Finnland. Auch viele schweizer Kantone gehören noch hierher. Schweden hat sich 2000 vom Staatskirchentum verabschiedet. 501 2. Ursprünglich relativ strikte Trennungssysteme gibt es seit 1905 im katholischen Frankreich (ausgenommen die drei östlichen Departements am Rhein) sowie in den hauptsächlich protestantischen USA. 502 a) In den USA erfolgte die Trennung (wall of separation) in religionsfreundlicher Absicht und war Ausdruck der staatspolitisch gleichgearteten Interessen der überaus zahlreichen unterschiedlichen christlichen Denominationen, die in Europa vielfach unterdrückt worden waren. Trotz des Trennungsregimes sind die USA viel religiöser geprägt als etwa Deutschland, und der Streit um das Gebet „Pledge of Allegiance“ (ein Gelöbnis der Fahnentreue im Rahmen einer „Nation under God“, das in den meisten Schulen täglich abgelegt wird und 2002 von einem kalifornischen Appellationsgericht zur fast allgemeinen Empörung für verfassungswidrig erklärt wurde) zeigt beispielhaft, dass der Trennungsgrundsatz auch in den USA mit Inkonsequenzen und Aufweichungserscheinungen verbunden ist. 503 b) Frankreich kennt seit 1905 ein System der Laizität, das man in Deutschland gern abwertend als laizistisch bezeichnet. Das französische Trennungsgesetz entsprang erklärtermaßen kirchenkritischer Absicht und Religion sollte aus der Öffentlichkeit möglichst verdrängt werden. Aber die Religionsfreiheit ist auch in Frankreich gut entwickelt, von der unfairen Behandlung sogenannter Sekten einmal abgesehen. Die ausgeweiteten Aufgaben des modernen Staats haben auch in 1
Die Ergebnisse der Umfrage: „Eurobarometer Spezial: Soziale Wirklichkeit in Europa“ (European Social Reality) sind in englischer Sprache im Internet abrufbar unter: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_273_en.pdf.
II. Grundsysteme der Religionsverfassung
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Frankreich Kooperationen zwischen Staat und Kirchen notwendig gemacht. Die staatlichen Schulen sind aber nicht christlich angehaucht wie z. T. noch sehr weitgehend in Deutschland. Das Staat-Kirche-Verhältnis in Frankreich ist heute trotz im Wesentlichen gleicher Rechtsnormen ein anderes als 1905. c) Relativ strikte Trennungssysteme gibt es auch in einigen Kantonen der Schweiz. 504 Eigenartigerweise enthält die Verfassung von Irland, die mit einer außergewöhnlichen förmlichen Anrufung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und des göttlichen Herrn Jesus Christus beginnt, eine sehr weitgehende rechtliche Trennung von Staat und Religion und versagt allen Religionen finanzielle Unterstützung. 3. Schließlich gibt es Mischsysteme, die noch mehr zwischen den Grundtypen der 505 Staatskirche und der Trennung liegen und in denen Staat und Religionsgemeinschaften bei grundsätzlicher Trennung doch vielfältig kooperieren. Zu diesen Staaten zählt man etwa Belgien, Spanien, Italien, Portugal, Österreich und Deutschland. Deutschland ist aber bei Licht betrachtet im Kern (entgegen verbreiteter Meinung) zu den Trennungssystemen zu rechnen, zumindest, wenn man nur die bundesverfassungsrechtliche und nicht die tatsächliche und rechtspraktische Seite berücksichtigt (s. §§ 3 und 9). 4. Trotz aller Unterschiedlichkeit der Systeme mit ihren internen Widersprüch- 506 lichkeiten ist bei fließenden Übergängen eine gewisse Konvergenz der Systeme festzustellen. Das ist bedingt durch das meist umfassende Verständnis der individuellen Religionsfreiheit, durch den für alle Mitgliedsstaaten der EU maßgeblichen Art. 9 EMRK und die einschlägige Rspr. des EGMR, aber auch durch die egalitäre Tendenz der Rspr. des EuGH. Auch sozialstaatliche Erfordernisse spielen eine Rolle, da gesellschaftliche Aktivitäten der Religionsgemeinschaften schwer ignoriert werden können. Künftig werden zudem die Antidiskriminierungsvorschriften der EU mit ihrer nationalrechtlichen Umsetzung Bedeutung gewinnen. 5. Die institutionelle (korporative) Religionsfreiheit ist bisher sehr unterschiedlich 507 geregelt und z. T. immer noch mit erheblichen Ungleichheiten im Status der religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften verbunden. Dabei wird es auf absehbare Zeit wohl bleiben, wenn auch sicher extreme Regelungen wie in Griechenland keinen Bestand werden haben können. Allgemein kann man prognostizieren, dass das Staatskirchentum weiter an Boden verlieren wird (s. näher III 2 b). 6. Die Systembeurteilung ist bei nunmehr 27 EG-Staaten im Einzelnen unsicher. 508 Recht uneinheitlich ist die Situation in den osteuropäischen Staaten. Zwar gibt es kompakte religionsrechtliche Länderdarstellungen.2 Inwieweit diese aber „komplett“ sind und der jeweils komplexen Wirklichkeit ausreichend Rechnung tragen, 2
In erster Linie: G. Robbers (Hrsg.), a. a. O. 2005; eine große Zahl intensiver Länderdarstellungen findet sich in der ZevKR. Ergänzend: Essener Gespräche 40 (2007), Die Trennung von Kirche und Staat. Modelle und Wirklichkeit in Europa. Nützlich sind auch die international ausgerichteten Hefte „Gewissen und Freiheit“.
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§ 20 Europäische Entwicklung
wäre jeweils zu prüfen. Teilweise werden Unterschiede zwischen Rechtslage und Rechtspraxis erwähnt, aber in vieler Hinsicht fehlt auch in den ausländischen Rechtssystemen die rechtliche Klärung. Auch ist zu berücksichtigen, dass im Religionsrecht persönliche Präferenzen nicht selten durchschlagen und etwa den Problemen religiös-weltanschaulicher Minderheiten oder nichtreligiöser Menschen oft wenig Beachtung geschenkt wird. Die Schwierigkeiten der Systembewertung werden schon am Beispiel der Bundesrepublik deutlich.
III. Europarechtliche Vorgaben und Entwicklungen 1. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
3
509 Im Gegensatz zu verschiedenen anderen völkerrechtlichen Konventionen mit religionsrechtlicher Bedeutung wie Art. 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN sowie Art. 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und zu diversen Regelungen in der Genfer Flüchtlingskonvention, der Kinderrechtskonvention und anderen, die alle innerstaatlich keine Rechtswirkung entfalten, hat die EMRK von 1950 den Rang von einfachem Bundesrecht. Art. 9 EMRK regelt umfassend die individuelle Religionsfreiheit, die im Grundsatz auch den RG zugestanden wird. Art. 9 EMRK trifft aber keine Aussage zur Frage der religionsrechtlichen Systeme (dazu unten 2 b). Die Literatur zu Art. 9 EMRK und der einschlägigen reichhaltigen Rspr. des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ist umfangreich. U. a. alle Mitgliedsstaaten der EU haben sich der EMRK und dem EGMR unterworfen. Dessen Urteile müssen aber innerstaatlich umgesetzt werden. Für Deutschland hat die EMRK bisher kaum praktische Bedeutung, da sie nicht weiter geht als das deutsche Religionsverfassungsrecht und zudem nach dem Recht der EU vom EuGH beachtet werden muss (s. unten 3).4 Allerdings wird dessen Bedeutung steigen, weil das unter dem Einfluss der EMRK stehende EG-Recht Vorrang gegenüber dem Recht der Bundesrepublik hat. 2. Religionsrecht in der EU
510 a) Die EU (zuvor die EG) hat bisher keine spezifisch religionsrechtliche Kompetenz. Kirchen- und Religionspolitik steht nicht im allein maßgeblichen Aufgabenkatalog der EU (Prinzip der Einzelermächtigung, Art. 5 EUV, 5 I EGV), und daran wird sich auch künftig wohl nichts ändern. Das EU-Recht enthält dennoch 3
4
Hierzu und zur völkerrechtlichen Thematik einführend H. Weber, ZevKR 2000, 109 (mit Textdokumentation); wegen weiterer Lit. s. B 7 des Literaturverzeichnisses. Die Urteile des EGMR sind, so etwa BVerfGE 111, 307 (315 ff.), auch von den deutschen Gerichten zu beachten.
III. Europarechtliche Vorgaben und Entwicklungen
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indirektes Religionsrecht. Zwar darf die EU nicht zielgerichtet ganze religionsrechtliche Materien regeln. Aber viele EU-Regelungen, die Fragen der Wirtschaft, Arbeit, des Sozialwesens und der Kultur betreffen, enthalten Bestimmungen, die sich auf religiös-weltanschauliche Interessen konkret auswirken (können). Es geht dabei einerseits um bloße Folgewirkungen, andererseits um eigens formulierte Ausnahmetatbestände bei Rechtsnormen, die nicht spezifisch die Regelung religiöser Tatbestände bezwecken, sondern allgemeine Probleme lösen wollen, etwa auf den Gebieten des Arbeits-, Datenschutz-, Fernsehrechts u. a. Dabei hat die Aufmerksamkeit und Lobbyarbeit der Kirchen, auch mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung, Anlass zu wichtigen Sonderregelungen gegeben. Von Bedeutung ist das alles deswegen, weil das EU-Recht Vorrang vor dem nationalen Recht hat (vgl. für Deutschland Art. 23 I GG mit Zustimmungsgesetz), sogar vor den nationalen Grundrechten, solange nur in der EU im Wesentlichen gleiche Rechtsstandards gewährleistet sind.5 b) Was die Rechte der RG und WG selbst anbelangt, kennt die EU wie Art. 9 511 EMRK (der schon wegen Art. 6 II EUV zu berücksichtigen ist, s. unten 3) kein „System“ i. S. von oben II. Diese Auffassung ist in der (durch die deutschen Kirchen und die Bundesregierung veranlasste) Erklärung Nr. 11 der Schlussakte des Amsterdamer Vertrags von 1997 („Kirchenerklärung“) zum Ausdruck gebracht, wonach die EU den bisherigen nationalrechtlichen Status der RG und WG unangetastet lässt. Es handelt sich dabei zwar nicht um verbindliches Recht, aber doch „soft law“, das die vorherrschenden Rechtsüberzeugungen zum Ausdruck bringt. Diese Erklärung wurde sachlich identisch in Art. I-52 der 2004 verabschiedeten, aber nicht in Kraft getretenen EU-Verfassung übernommen. Staatskirchliche Strukturen wird es daher auch weiterhin geben, zumindest soweit sie aus individualrechtlicher Sicht hinnehmbar sind. c) Die religionsrechtliche Problematik des EU-Rechts sei an Beispielen ver- 512 anschaulicht. Der Kommissionsentwurf einer Datenschutzrichtlinie (1995) hatte die Erhebung von empfindlichen personenbezogenen Daten wie ethnische Herkunft, Gewerkschaftszugehörigkeit, politische Meinungen und auch religiöse Überzeugungen untersagt. Das hätte zur Folge gehabt, dass das deutsche System des umstrittenen staatlichen Kirchensteuereinzugs zusammengebrochen wäre, da es ohne Erhebung der Religionszugehörigkeit nicht funktioniert (s. § 12 II 2). Die Wachsamkeit der deutschen Kirchen führte zu einer Ausnahmeklausel. Die schon lange diskutierte europäische Steuerharmonisierung mit mehr indirekten Steuern würde sich deutlich auf die Kirchensteuer auswirken. Die Fernsehrichtlinie (1989) untersagt es, Gottesdienste sowie Sendungen religiösen Inhalts unter 30 Minuten durch Werbung zu unterbrechen. Sie verbietet die Verletzung religiöser Überzeugungen durch Fernsehwerbung. Die Tierschutzrichtlinie von 1993 sieht Ausnahmen vom Betäubungsgebot zugunsten des religiösen Schächtens vor. Weitere punktuelle Auswirkungen können sich bei der geplanten Rechtsangleichung im 5
BVerfGE 37, 271 (Solange I); 73, 339 (Solange II); 89, 155 (174 f., Maastricht); 102, 147 (165 f., Bananenmarkt).
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§ 20 Europäische Entwicklung
Vereinsrecht ergeben. Religionsrechtlich wichtig sind die europarechtlichen Vorschriften zum freien Personenverkehr und zum Arbeitsrecht. Die Arbeitszeitrichtlinie von 1993 macht für Arbeitnehmer des liturgischen Bereichs Ausnahmen von verschiedenen Schutzbestimmungen. In Sozialvorschriften der EU für Fernkraftfahrer gibt es sogar eine Sonderklausel für die Beförderung in Spezialfahrzeugen im Rahmen der Religionsausübung.
513 d) Von besonderer Bedeutung ist das 1997 im Rahmen des Amsterdamer Vertrags verabschiedete Diskriminierungsverbot, der nunmehrige Art. 13 EGV, der Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung bekämpfen will. Auf der Basis dieser EU-primärrechtlichen Ermächtigungsregelung erging im Jahr 2000 die vieldiskutierte Richtlinie zum Verbot jedweder Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf.6 514
Art. 2 II dieser RL stellt mittelbare Diskriminierungen den unmittelbaren weitgehend gleich, und selbst bloße Belästigungen können als Diskriminierung gelten. Die Durchsetzung dieser Verbote muss durch scharfe prozessuale Instrumente gesichert werden, sogar durch Umkehr der Beweislast. Demgegenüber berücksichtigt Art. 4 II der RL, der die Reichweite des arbeitsrechtlichen Tendenzschutzes betrifft, religiöse Interessen sehr weitgehend. Der Text der RL bezieht sich auf „berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen und privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht“. Die Endfassung beruht auf deutschem Drängen, das eine volle Vereinbarkeit der besonders kirchenfreundlichen deutschen Praxis mit den europarechtlichen Vorgaben sichern sollte (s. den Text in Anhang 5). Der personelle Anwendungsbereich dieser Ausnahmeklausel ist extensiv gefasst und bezieht selbst religiöse Umfeldorganisationen ein, und auch inhaltlich ist das Maß der beruflichen Anforderungen weit gefasst. Allerdings ist wegen des Abstellens auf die Art der Tätigkeit, die Umstände ihrer Ausübung und ihre Charakterisierung als „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation“ in Absatz 1 ein europarechtlicher Minimalstandard festgelegt. Da aber die bisher praktizierte Ausdehnung des kirchlichen Tendenzschutzes im deutschen Arbeitsrecht (§ 16 III) im Rechtsvergleich keine Parallele hat, könnte es sein, dass die teilweise extreme Rspr. des BVerfG modifiziert werden muss, auch wegen der generell mehr egalitären Ausrichtung des Europarechts in Theorie und Praxis.7
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Auf das europarechtlich längst erforderliche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 20068, das religiös-weltanschauliche Diskriminierung bundesrechtlich untersagt, sei hier nur hingewiesen. Es enthält hinsichtlich des Beschäftigungsschutzes in § 9 eine Ausnahme für Religion und Weltanschauung. 6
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RL 2000/78/EG vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. ABl. der EG: http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2000/l_303/l_30320001202de00160022.pdf. S. zu Art. 13 EGV in dieser Richtung H. M. Heinig, in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, 215 ff. Das AGG wurde als Art. 1 des G. v. 14. 8. 2006, BGBl. I, 1897 beschlossen und trat am 18. 8. 2006 in Kraft.
III. Europarechtliche Vorgaben und Entwicklungen
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Bemerkenswert ist das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des § 19 AGG9, das u. a. eine Benachteiligung aus Gründen der Religion untersagt. Hierbei hat der Gesetzgeber nämlich trotz auch externer Kritik bewusst auf eine textliche Einbeziehung der Weltanschauung verzichtet mit der befremdlichen Begründung, es solle vermieden werden, dass sich auch Rechtsradikale beim Vertragsschluss darauf berufen könnten.10 3. Grundrechtsschutz der EU Die in Nizza 2000 beschlossene Grundrechte-Charta ist ebenso wie die EU- 516 Verfassung von 2004 mit ihrem Grundrechtsteil nicht in Kraft getreten. Der Grundrechtsschutz wird aber voraussichtlich Eingang in die künftige Europäische Verfassung finden. Anerkanntermaßen kennt das EU-Recht aber schon bisher einen vergleichbaren Grundrechtsschutz wie das GG. Das Fehlen eines rechtsverbindlichen Grundrechtskatalogs hat der EuGH durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen und dabei die gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedsstaaten, vereinzelte Vorschriften des EG-Primärrechts, internationale Verträge wie insbesondere die EMRK und das sogenannte „soft law“ berücksichtigt (politische Erklärungen usw.). Gem. Art. 6 II EUV (1997) achtet die EU ausdrücklich die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Somit gewinnt auch die umfangreiche Rspr. des EGMR und der Vorgängerinstitution EKMR zur Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK) verstärkt Bedeutung. Das Thema Europarecht einschließlich der EMRK ist auch hinsichtlich der Re- 517 ligionsgemeinschaften, insbesondere Kirchen, Gegenstand einer schon unüberschaubaren Literatur. Wegen der wichtigsten Vorschriftentexte wird auf Anhang 5 verwiesen, ergänzend auf http://www.uni-trier.de/~ievr/EUreligionsrecht/Deutschvolltext.pdf.
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Abgesehen von der Frage nach Sinn und Praktikabilität einer solchen Regelung überhaupt. C. D. Classen, Religionsrecht, 2006, Rn. 202, hält das für einen Verstoß gegen GG und EG-Recht. Zumindest bedürfte es (wie in zahlreichen anderen Fällen), einer verfassungskonformen Erstreckung auf Weltanschauungen. Ob das wegen des hier klar entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens möglich ist, wäre erörterungsbedürftig.
Anhang 1: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Auswahl)
I. Amtliche Sammlung − E 5, 85, 17. 8. 1956 – 1 BvB 2/51: KPD-Verbot, Menschenwürde (S. 204 f.: Menschenwürde als eigenverantwortliche Persönlichkeitsentfaltung; S. 205: Geistesfreiheit als systemprägendes Moment des GG) − E 6, 309 = NJW 1957, 705 (Teilabdruck), 26. 3. 1957 – 2 BvG 1/55 u. a.: Konkordatsurteil (S. 339 f.: Bekenntnisschule verstößt nicht gegen Art. 4 GG) − E 12, 1 = NJW 1961, 211, 8. 11. 1960 – 1 BvR 59/56: Tabak-Fall (S. 3: „Glaubensfreiheit“ als von staatlicher Einflussnahme freier Rechtsraum; S. 4: keine staatliche Bewertung des Glaubens oder Unglaubens; Kulturadäquanz, jedoch anders in E 41, 29 [50]) − E 12, 45, 20. 12. 1960 – 1 BvL 21/60: Kriegsdienstverweigerung (Begriff der Gewissensentscheidung) − E 17, 302, 7. 4. 1964 – 1 BvR 350/62: Eheverfehlung und Religionswechsel − E 18, 385 = NJW 1965, 961, 17. 2. 1965 – 1 BvR 732/64: Innerkirchliche Maßnahmen Teilung einer Kirchengemeinde; rein innerkirchlichen Maßnahmen; Bereichslehre − E 19, 1 = NJW 1965, 1427, 28. 4. 1965 – 1 BvR 346/61: Gebührenfreiheit für RG Neuapostolische Kirche; S. 8: staatskirchenrechtliches System; S. 13: Staatsleistungsbegriff − E 19, 135, 4. 10. 1965 – 1 BvR 112/63: keine Ersatzdienstverweigerung − E 19, 206 = NJW 1966, 147, 14. 12. 1965 – 1 BvR 413,416/60: Badische Kirchenbausteuer – Neutralitätspflicht (S. 216: Staat als Heimstatt aller Bürger; weltanschaulich-religiöse Neutralität; S. 219: Weimarer Kirchenartikel als „vollgültiges Verfassungsrecht“) − E 19, 226, 14. 12. 1965 – 1 BvL 31, 32/62: Kirchenlohnsteuer, glaubensverschiedene Ehe (auch keine Haftung des nicht der Kirche angehörigen Partners) − E 19, 268 = NJW 1966, 101, 14. 12. 1965 – 1 BvR 606/60: Kirchensteuer, glaubensverschiedene Ehe (nur ein Partner ist kirchensteuerpflichtig; keine Haftung des nicht pflichtigen Ehepartners; S. 282: vorsorglicher Hinweis auf Möglichkeit eines Besonderen Kirchgelds)
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Anhang 1: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
− E 20, 40, 20. 4. 1966 – 1 BvR 16/66: konfessionsverschiedene Ehe (Möglichkeit der Getrenntveranlagung hinsichtlich der Kirchensteuer nicht erforderlich; anders bei glaubensverschiedenen Ehen) − E 22, 180 = NJW 1967, 1795, 18. 7. 1967 – 2 BvF 3–8 u. a.: Sozialhilfeurteil, Subsidiaritätsprinzip (Die Änderung des BSHG von 1961 sieht als Neuerung den Vorrang freier, d. h. insb. kirchlicher, Sozialeinrichtungen vor. Die verfassungskonforme Einschränkung dieser Prinzipumkehr durch das BVerfG besagt sinngemäß, dass im Hinblick auf Art. 4 GG wenigstens eine ausreichende Grundversorgung mit religiös-weltanschaulich neutralen öffentlichen Einrichtungen gegeben sein muss.) − E 23, 127, 5. 3. 1968 – 1 BvR 579/67: Zivildienstverweigerung (S. 134: Im Strafrecht Wohlwollensgebot bei Gewissenstätern) − E 24, 236 = NJW 1969, 31, 16. 10. 1968 – 1 BvR 241/66: Aktion Rumpelkammer = Lumpensammlerentsch. (Selbstverständnis; S. 246 f.: Art. 4 I, II GG auch für Vereinigungen, die sich nur die partielle Pflege des religiösweltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben; Bedeutung der institutionellen Verbindung mit RG. – S. 246 Wiederholung der Kulturadäquanzformel, insoweit aufgeg. in E 41, 29 (50); S. 247 f.: religiös-weltanschauliche Neutralität als Auslegungsmaxime für verfassungsrechtliche Begriffe) − E 30, 415 = NJW 1971, 931, 31. 3. 1971 – 1 BvR 744/67: Taufe, Kirchensteuer, Kirchenaustritt (religiöse Vereinigungsfreiheit, „Möbelwagenkonversion“, ElternR vor KindesR; S. 426: staatlicher Kirchenaustritt innerkirchlich nicht bindend; S. 423: von staatlicher Einflussnahme freier Raum; förmliche Beitrittserklärung nicht erforderlich) − E 32, 98 = NJW 1972, 327, 19. 10. 1971 – 1 BvR 387/65: Gesundbeter-Fall, verweigerte Bluttransfusion (Grundsatzentscheidung zur Gewissensfreiheit; ggf. keine Bestrafung wg. unterlass. Hilfe; S. 106 f. exzessiv zu Art. 4 II GG: Gesamtverhalten) − E 33, 23 = NJW 1972, 1183, 11. 4. 1972 – 2 BvR 75/71: Eidesverweigerung, Zeugeneid (S. 28 f.: Überzeugungsschutz auch bei Außenseitern; S. 30 f.: Art. 4 I GG überlagere Art. 136 I WRV; S. 32: Toleranz als tragendes Verfassungsprinzip) − E 35, 366 = NJW 1973, 2196, 17. 7. 1973 – 1 BvR 308/69: Kruzifix im Gerichtssaal (kann im Einzelfall – hier: jüdische Klägerin mit jüd. Anwalt in Wiedergutmachungsprozess – Art. 4 GG verletzen. Keine allgemeine Aussage zur Neutralitätspflicht.) − E 39, 1 = NJW 1975, 573, 25. 2. 1975 – 1 BvF 1–6/74: Schwangerschaftsabbruch I (GG-Verstoß der Fristenregelung des § 218a StGB i. d. F. vom 18. 6. 1974; Schutz des Nasciturus zumindest ab dem 14. Tag nach Empfängnis – Nidation – durch Art. 2 II 1, 1 I GG; grundsätzlicher Vorrang der Leibesfrucht vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau; medizinische und soziale Indikation) − E 41, 29 = NJW 1976, 947, 17. 12. 1975 – 1 BvR 63/68: Christliche Gemeinschaftsschule BW (schulrechtlicher Grundfall; Verbot einseitiger christlicher Beeinflussung der Schüler, z. T. unklare, missverständliche Formulierungen)
I. Amtliche Sammlung
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− E 41, 65 = NJW 1976, 950, 17. 12. 1975 – 1 BvR 428/69 Christliche Gemeinschaftsschule in Bayern (Verfassungskonforme Auslegung – ? – von Art. 135 BayVerf, Fassung 1968, gegen klaren Wortlaut und Entstehungsgeschichte; die Anordnung der interkonfessionell-christlichen Erziehung sei bei Reduzierung des Christlichen auf das historisch-kulturchristliche Gut noch mit Art. 4 GG vereinbar, die Schule müsse religiös-weltanschaulich offen und auch gegenüber Nichtchristen legitimiert sein) − E 44, 37 = NJW 1977, 1279, 8. 2. 1977 – 1 BvR 329/71 u. a.: Kirchenaustrittserklärung (keine nachträgliche Überlegungsfrist; grundsätzlich keine Nachbesteuerung; S. 52 ff.: der Gedanke der Fürsorge des Staates in Glaubensangelegenheiten sei dem GG fremd; Rücksichtnahme auf geordnete Kirchensteuerverwaltung erlaubt kurze Nachbesteuerung) − E 44, 103 = NJW 1977, 1282, 17. 2. 1977 – 1 BvR 33/76: Kirchenlohnsteuer und Arbeitgeberpflicht (Nichtannahmebeschluss; Mitwirkung auch nichtkirchlicher Arbeitgeber, Steuerabführung ohne Entgelt) − E 46, 73 = NJW 1980, 1895, 11. 10. 1977 – 2 BvR 209/76: GochEntscheidung (Erstreckung des Art. 137 III WRV auf kirchlich-karitative Einrichtungen; keine Betriebsratswahlen) − E 47, 46 = NJW 1978, 807, 21. 12. 1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75: Sexualkunde (Grundsatzentscheidung zur Schulaufsicht, zum Elternrecht, zur Problematik der Ideologie in der Schule. – Offenheit der Sexualerziehung für die verschiedenen Wertvorstellungen, Rücksichtnahme auf den, auch religiösweltanschaulichen, elterlichen Gesamterziehungsplan) − E 49, 375 = NJW 1979, 209, 23. 10. 1978 – 1 BvR 439/75: Lohnsteuerkarte und Religionszugehörigkeit (Nichtannahmebeschluss; Ignorierung des Art. 136 III 1 WRV, Einschränkung des – schrankenlosen – Art. 4 I, II GG aus Zweckmäßigkeitsgründen) − E 52, 223 = NJW 1980, 575, 16. 10. 1979 – 1 BvR 647/70, 7/74: Schulgebet (ungeklärte Kompetenzfrage bei Mitwirkung eines Lehrers; dogmatische Ungereimtheiten) − E 53, 366 = NJW 1980, 1895, 25. 3. 1980 – 2 BvR 208/76: St. MarienKrankenhaus, NRW (extreme Betonung des kirchl. Selbstbestimmungsrechts in religiös neutralen Organisationsfrgen; sehr krit. Sondervotum Rottmann) − E 54, 341, 2. 7. 1980 – 1 BvR 147, 181, 182/80: Asylgewährung bei Ahmadiyya-Religion (S. 357 f.: religiös motivierte Verfolgung) − E 57, 220 = NJW 1981, 1829, 17. 2. 1981 – 2 BvR – 384/78: Volmarstein = ÖTV-Beschluss (Kein Zutrittsrecht für betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte trotz Art. 9 III GG) − E 59, 360 = NJW 1982, 1375, 9. 2. 1982 – 1 BvR 845/79: Religiösweltanschauliches Elternrecht (Informationsanspruch) − E 66, 1 = NJW 1984, 2401, 13. 12. 1983: Religionsgemeinschaften und Konkurs − E 67, 26 = NJW 1984, 1805, 18. 4. 1984 – 1 BvL 43/81: Krankenkassenleistungen für Schwangerschaftsabbrüche (Keine Verweigerung aus Gewissensgründen)
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Anhang 1: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
− E 70, 138 = NJW 1986, 367, 4. 6. 1985 – 2 BvR 1703, 1718/83, 856/84: Loyalitätspflicht: Assistenzarzt, Buchhalter (Grundfall zum Kündigungsschutz in kirchlichen Einrichtungen; keine Abstufung der Loyalitätspflichten erforderlich; sehr geringe Gewichtung der Arbeitnehmergrundrechte) − E 74, 244 = NJW 1987, 1873, 25. 2. 1987 – 1 BvR 47/84: Religionsunterricht (Definition des RU; Teilnahme Konfessionsfremder) − E 75, 40 = NJW 1987, 2359, 8. 4. 1987 – 1 BvR 8/84, 16/84: Privatschulförderung in Hamburg (Bevorzugte Förderung kirchlicher Schulen zulässig. Siehe aber E 85, 191) − E 78, 391 = NJW 1989, 1211, 30. 6. 1988 – 2 BvR 701/86: ErsatzdienstTotalverweigerung (Zeugen Jehovas; Gewährleistungsinhalt der Gewissensfreiheit; Dienstflucht, Widerruf der Strafaussetzung) − E 79, 69 = NJW 1989, 827, 25. 10. 1988 – 2 BvR 745/88: Eidesleistung und Kommunalmandat (betrifft Gewissensfreiheit, Terminologie des BVerfG insoweit unklar; kein Zwang bei Bereitschaft zu ähnlicher Beteuerung) − E 83, 341 = NJW 1991, 2623, 5. 2. 1991 – 2 BvR 263/86: Bahá’í (Grundsatzentscheidung; religiöses Selbstverständnis; Vereinsrecht. S. 353: Justiziabilität des Religionsbegriffs; Modifizierung zwingenden Vereinsrechts.) − E 85, 191 = NJW 1992, 964, 28. 1. 1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 10/91: Nachtarbeitsverbot für Frauen, Art. 3 III GG als Anknüpfungsverbot (S. 206: Geschlecht und andere Merkmale des Art. 3 III GG grundsätzlich kein Anknüpfungspunkt für Ungleichbehandlung, auch nicht bei fehlender Absicht. Ausdrückliche „Klarstellung“, d. h. Korrektur zu E 75, 40/70 betreffend Religionsförderung) − E 88, 203 = NJW 1993, 1751, 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90 u. a.: Schwangerschaftsabbruch II (Versuch der Quadratur des Kreises; Problem der religiösweltanschaulich neutralen Begründbarkeit von Gesetzen nach rational allgemein einsehbaren Gründen, Frage der Widerspruchsfreiheit) − E 93, 1 = NJW 1995, 2477, B. 16. 5. 1995 – 1 BvR 1087/91: KruzifixBeschluss (Fall Seler. – Exzessiv diskutierte, in der Rechtspraxis weitgehend ignorierte, in der Lit. heute jedoch verbal weithin akzeptierte religionsrechtliche Grundsatzentscheidung zur schulischen Freiheit von einseitiger ideologischer Beeinflussung und zur Neutralität) − E 99, 100 = NVwZ 1999, 753, 13. 10. 1998 – 2 BvR 1275/96: Kirchengutsgarantie (St. Salvator Kirche München) − E 99, 185 = NJW 1999, 1322, 10. 11. 1998 – 1 BvR 1531/96: Fall Helnwein, Rufschädigung (rufschädigende Behauptung der Scientology-Mitgliedschaft des Künstlers; Schutzpflicht des Staates bei Falschbehauptungen Dritter) − E 102, 370 = NJW 2001, 429, 19. 12. 2000 – 2 BvR 1500/97: Zeugen-JehovaUrteil (vieldiskutierte Grundsatzentsch. zu Art. 137 V 2 WRV, Körperschaftsstatus; Rechtstreue ja, Staatsloyalität nein; RU und Anstaltsseelsorge erfordern keinen Körperschaftscharakter, S. 396; einstimmig beschlossen) − E 104, 337 = NJW 2002, 663, 15. 1. 2002 – 1 BvR 1783/99: Schächtverbot, muslimischer Metzger (wurde grundrechtsdogmatisch stark kritisiert)
II. Sonstige Entscheidungen
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− E 105, 279 = NJW 2002, 2626, 26. 6. 2002 – 1 BvR 670/91: Osho-Entscheidung (Informationstätigkeit der Staatsorgane; Neutralität als Einmischungsverbot; aus Art. 4 GG abzuleitende religiös-weltanschauliche Neutralität; keine diskriminierenden oder verfälschenden Darstellungen; zur Frage gesetzlicher Ermächtigung; Sektenbegriff sei – angeblich – nicht diskriminierend) − E 106, 210 = NVwZ 2002, 980, B. v. 11. 12. 2001 (Vergleichsbeschluss zum LER-Verfahren) − E 108, 282 = NJW 2003, 3111, 24. 9. 2003 – 2 BvR 1436/02: Islamisches Kopftuch (Aufhebung von BVerwGE 116, 359. – Dienstpflichten von Lehrern; Abwägung aller Grundrechtspositionen mit der Neutralitätspflicht; Mehrdeutigkeit des Kopftuchs als Symbol; generelles Verbot erfordert Gesetz) − E 111, 1 = NJW 2004, 3099, 27. 1. 2004 – 2 BvR 496/01: Justizgewährungsanspruch gegen kirchliche Maßnahmen (grundsätzliche Klärung der Streitfrage konkret nicht erforderlich, da Vortrag unschlüssig; engagiertes Sondervotum Lübbe-Wolff)
II. Sonstige Entscheidungen − 5. 6. 1981 – 2 BvR 288/81, BVerfG NJW 1983, 2570: Kündigung einer Caritas-Schreibkraft (Wiederheirat) − 5. 9. 1986 – 1 BvR 794/86, BVerfG NJW 1987, 180: Schulpflicht und Elternrecht − 12. 1. 1987 – 2 BvR 160/85, BVerfG NJW 1987, 676: Geistlichen-Privileg − 9. 2. 1989 – 1 BvR 1170/88, BVerfG NVwZ 1990, 54: Schulbuchzulassung und ideologische Neutralität (S. 55: Dem Staat ist nicht schon jede Erziehung oder Beeinflussung untersagt. „Verboten ist nur eine darüber hinausgehende gezielte Beeinflussung oder gar Agitation im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung“.) − 15. 8. 1989 – 1 BvR 881/89, BVerfG NJW 1989, 3269: Transzendentale Meditation (Die Bundesregierung dürfe vor TM warnen, ihre Qualifizierung als „Jugendsekte“ oder „Jugendreligion“ stelle keinen Grundrechtseingriff und keine Ehrverletzung dar. – Bestätigend zu BVerwGE 82, 76) − 9. 2. 1990 – 1 BvR 717/87, BVerfG NJW 1990, 2053: Kündigung eines Kantors (objektiv heillose Zerstrittenheit, Glaubwürdigkeitsfragen) − 11. 4. 1990 – 2 BvR 828/87, BVerfG NVwZ 1990, 1064: Geistlichen-Privileg (keine Freistellung eines Betheldieners und Diakons der Zeugen Jehovas) − 18. 10. 1991 – 1 BvR 1377/91, BVerfG NVwZ 1992, 53: Straßenrecht; kommunikativer Gemeingebrauch (politischer Meinungskampf, religiöse Mission und künstlerische Betätigung genießen erhöhten Schutz) − 21. 1. 1992 – 1 BvR 517/91, BVerfG NJW 1992, 2471: Kein Unterhaltsanspruch gegen Orden (Vergütungslose Tätigkeit des ehemaligen Leiters eines Ordensgymnasiums keine anfechtbare Zuwendung)
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Anhang 1: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
− 31. 3. 1994 – 1 BvR 29/94, 573/92, BVerfG NJW 1994, 2346: Namensschutz für die Bezeichnungen „katholisch“ und „römisch-katholisch“ (u. a. zu BGH, NJW 1994, 245) − 9. 6. 1994 – 1 BvR 502/94 u. a., BVerfG NVwZ 1995, 471: Vorläufige Hinnahme auch überspitzter Kritik durch Glaubensgemeinschaften (Universelles Leben) − 18. 9. 1995 – 1 BvR 1456/95, BVerfG NJW 1995, 3378: Streichung des Bußund Bettags (kein subjektives Recht der Kirchen aus Art. 139 WRV) − 15. 3. 1996 – 1 BvR 570/96, BVerfG NJW 1996, 2085: Transzendentale Meditation (keine einstweilige Anordnung im Hinblick auf Pflicht zur Beantwortung kleiner Anfragen im Parlament) − 7. 5. 1997 – 1 BvR 1974/93, 1987/93, BVerfG NJW 1997, 2669: Unterlassung von Äußerungen gegen Scientologin (erfolglose Verfassungsbeschwerde eines Sektenbeauftragten) − 25. 2. 1999 – 2 BvR 548/96, BVerfG NVwZ 1999, 758: Rein vermögensrechtliche Streitigkeit eines Pfarrerdienstverhältnisses (Verwaltungsrechtsweg; keine verkappte Statusklage) − 20. 3. 2000 – 1 BvR 1834/97, BVerfG NVwZ 2000, 909: Universitätspraktika und Tierversuche (Gewissensfreiheit und Lehrfreiheit; Bestätigung von BVerwGE 105, 73) − 30. 9. 2000 – 2 BvR 708/96, BVerfG NVwZ 2001, 318: Gebührenfreiheit und Staatsleistungen (allgemeine Aussagen zu Art. 138 I WRV; VwGOVerfahren) − 31. 1. 2001 – 1 BvR 619/92, BVerfG DVBl 2001, 723: Kündigung einer Lehrerin an katholischem Gymnasium (interessanter Sachverhalt; Hinweise zur Glaubwürdigkeitsproblematik) − 26. 3. 2001 – 2 BvR 943/99, BVerfG NVwZ 2001, 908: Staatliche Schutzpflicht im gegenseitigen Verhältnis von RG (Beschwerdeführer Universelles Leben; bestehende gesetzliche Regelungen seien ausreichend) − 25. 5. 2001 – 1 BvR 2253/00, BVerfG NVwZ 2001, 909: Lohnsteuerkartenvermerk über Nichtmitgliedschaft in RG (Vereinbarkeit mit Art. 136 III 1 WRV) − 6. 12. 2002 – 1 BvR 1919/95, BVerfG NJW 2003, 1305: Sektenbroschüre der Bundesregierung (keine einstweilige Anordnung zugunsten der Transzendentalen Meditation; Begriff des schweren Nachteils) − 29. 4. 2003 – 1 BvR 436/03, BVerfG NVwZ 2003, 1113,: Heimunterricht (bibelgläubige Gemeinschaft) − 2. 6. 2003 – 2 BvR 1775/02, BVerfG NJW 2003, 2600: Steuerverweigerung und Gewissensfreiheit (Schutzbereich der Gewissensfreiheit nicht betroffen; Jugoslawienkrieg) − 30. 7. 2003 – 1 BvR 792/03, BVerfG NJW 2003, 2815: Verkäuferin mit islamischem Kopftuch (Ausgleich zwischen Grundrechten Art. 4 und 12 GG des Arbeitnehmers und Art. 12 des Arbeitgebers; Plausibilität betrieblicher Nachteile; Bestätigung zu BAG NJW 2003, 1685)
II. Sonstige Entscheidungen
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− 2. 10. 2003 – 1 BvR 1522/03, BVerfG NJW 2003, 3468: Tischgebet in kommunalem Kindergarten (Zu VG Gießen NJW 2003, 1265 und HessVGH NJW 2003, 2846; Problematik eines christlichen Erziehungskonzepts; interessante Maßgaben für das Hauptsacheverfahren, fehlende Erörterung des objektiven Neutralitätsgebots) − 9. 3. 2005 – 1 BvR 616/04 (keine Hinterbliebenenversorgung bei Ablehnung einer Bluttransfusion) − 31. 5. 2006 – 2 BvR 1693/04, BVerfG BayVBl 2006, 633 (Heimunterricht; Verstoß gegen Strafnormen) − 24. 10. 2006 – 2 BvR 1908/03: Einreiseverbot für Religionsstifter (Einreiseverbot nur bei erheblichen Sicherheitsrisiken; für Gründer der Mun-Bewegung verneint; Schengener Abkommen; das Bundesministerium des Innern hatte aus Widersprüchen zwischen den Glaubensinhalten des Beschwerdeführers und dem GG ein öffentliches Interesse an der Einreiseverweigerung herleitet) − 15. 3. 2007 – 1 BvR 2780/06: Ethikunterricht ohne Abmeldemöglichkeit in Berlin (Pflicht zur Teilnahme unbedenklich bei fehlender religiös-weltanschaulicher Prägung; Ausführungen von allgemeinem Interesse)
Anhang 2: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Auswahl)
I. Amtliche Sammlung − E 10, 136 = NJW 1960, 1122, 29. 11. 1960 – VII C 201.59: Ausbildungsrecht für konfessionslose Pädagogikstudentin (Das Land Rheinland-Pfalz kannte seinerzeit nur konfessionell geprägte Pädagogische Akademien) − E 15, 134 = NJW 1963, 1170, 9. 11. 1962 – 7 C 84/59: Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses (Lehrherr darf nicht ohne weiteres für Zeugen Jehovas werben) − E 17, 267, 13. 12. 1963 – VI C 163/61: Bekenntnisschulzwang (Der Zwang sei mit dem GG vereinbar; konfessionsgebundenes Staatsamt trotz Art. 33 III GG. Sünderinnenstatus einer katholischen Lehrerin infolge Wiederheirat rechtfertigt Versetzung weg von Konfessionsschule nicht unter allen Umständen.) − E 19, 252, 17. 9. 1964 – II C 121/62: Materielle Bekenntnisschule zulässig (Anforderungen an Schulleiter staatlich-kath. Schulen; Art. 33 II, III GG gelten nicht für konfessionsgebundene Staatsämter; Bedeutung des Reichskonkordats) − E 28, 179, 3. 11. 1967 – VII C 68.66: Staatsleistungen und Vermögensschutz (kommunale Baulasten fallen nicht unter Art. 138 I WRV; zum automatischen Außerkrafttreten von Rechtssätzen) − E 38, 76 = DVBl 1972, 332, 23. 4. 1971 – VII C 4.70: Kommunale Kirchenbaulasten (Art. 138 II, nicht 138 I WRV; Möglichkeit des Obsoletwerdens) − E 42, 128, 17. 4. 1973 – VII C 38.70: Sabbatheiligung und Schulpflicht (Anspruch auf Befreiung bei objektivierbarem Bekenntnis zu einem entsprechenden biblischen Verbot; Körperschaftscharakter der RG unnötig, Differenzierungen insoweit verstoßen gegen Art. 4 GG) − E 42, 346 = NJW 1973, 1815, 6. 7. 1973 – VII C 36/71: Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts − E 44, 196 = NJW 1974, 574, 30. 11. 1973 – VII C 59/72: Schulgebet − E 52, 104, 18. 2. 1977 – 7 C 48/73: Besonderes Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe rechtens (Grundsatzentscheidung, die auf wesentliche Kritikpunkte nicht eingeht.) − E 61, 152 = NJW 1981, 1460, 14. 11. 1980 – 8 C 12/79: Geistlichenprivileg (Scientology)
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Anhang 2: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
− E 65, 52 = NJW 1983, 2586, 11. 2. 1982 – 5 C 85/80: Bekenntnis und Sozialeinrichtung (Der Sozialhilfeträger soll das Bekenntnis des Hilfeempfängers berücksichtigen, jedoch nur bis zur Grenze der Unvertretbarkeit (Kostengegenüberstellung). Art. 4 GG gebe keine Ansprüche darüber hinaus.) − E 66, 241 = NJW 1983, 2580, 23. 11. 1982 – 9 C 167/82: Rechtsweg bei Pfarrerdienstverhältnis − E 68, 62 = NJW 1984, 989, 7. 10. 1983 – 7 C 44/81: Liturgisches Glockengeläut (Anwendbarkeit des BImSchG; Rechtsweg) − E 74, 134 = NJW 1986, 3220, 11. 4. 1986 – 7 C 13/84: Unterschiedliche Förderung freier und kirchlicher Schulträger − E 79, 62, 12. 2. 1988 – 8 C 16.86: Kirchenaustritt und Kirchensteuer (Zwölftelungsmethode zulässig) − E 79, 298 = NVwZ 1988, 928, 3. 5. 1988 – 7 C 89/86: Schulbuchzulassung (Schulbücher können nicht tendenzfrei sein, dürfen aber nicht in den Dienst bestimmter weltanschaulicher, ideologischer oder politischer Richtungen treten.) − E 81, 22 = NJW 1989, 921, 24. 11. 1988 – 2 C 10/86: Religionszugehörigkeit eines Lehrers („unsachliches Auswahlkriterium“ in Gemeinschaftsschule, auch bei Konfessionslosigkeit und fast nur katholischen Schülern). − E 82, 76 = NJW 1989, 2272, 23. 5. 1989 – 7 C 2/87: Transzendentale Meditation (Recht der Bundesregierung zur sachlich begründeten Warnung vor „Jugendreligion“ oder „Jugendsekte“) − E 84, 292 = NJW 1990, 2265, 25. 1. 1990 – 2 C 50/88: Anti-AtomkraftPlakette eines Lehrers (Während des Unterrichts verstößt das Tragen gegen das Gebot der Zurückhaltung bei politischer Betätigung. Die ständige und manifeste Indoktrination übe gerade auf jüngere Schüler starken Einfluss aus. Das Vertrauen in die Objektivität und politische Neutralität der Schule werde nachhaltig erschüttert. Gegen das Elternrecht werde verstoßen.) − E 87, 115 = NVwZ 1991, 774, 15. 11. 1990 – 7 C 9/89: St. Salvator; Religionsförderung; Kirchengutsgarantie (u. a.: Bei der Förderung von RG darf nach Größe und Verbreitung, Grad der öffentlichen Wirksamkeit, kultur- und sozialpolitischen Stellung und dem Status als private Gesellschaft oder K. d. ö. R. differenziert werden. – Tendenz und nähere Begründung fehlt; problematisch.) − E 89, 162, 5. 11. 1991 – 9 C 118.90: Zwangsbeschneidung als Asylgrund − E 89, 368 = NVwZ 1992, 1192, 19. 2. 1992 – 6 C 5/91: Begriff der Weltanschauungsschule (zu BayVGH NVwZ 1991, 1101; Weltanschauung als ganzheitliches Gedankensystem; Weltanschauungsschule als Unterfall der bekenntnisfreien Schule) − E 90, 1 = NVwZ 1992, 1187, 19. 2. 1992 – 6 C 3/91: Bekenntnisschulbegriff; Gleichbehandlung von Religion und Weltanschauung (S. 4: genaue Abgrenzung zwischen Religion und Weltanschauung bei Art. 7 V GG rechtsunerheblich; Mindestmaß an Toleranz in privaten Bekenntnisschulen) − E 90, 112 = NJW 1992, 2496, 27. 3. 1992 – 7 C 21/90: Osho II; staatl. Warnungen (Leitentscheidung; Religionsbegriff; wirtschaftliche Betätigung; Förde-
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rung von warnenden Vereinen als finaler Grundrechtseingriff nur auf Grund gesetzlicher Grundlage; haushaltsrechtliche Mittelbereitstellung unzureichend) E 90, 163 = NJW 1992, 2779, 30. 4. 1992 – 7 C 25/91: Zeitschlag von Kirchturmuhren (Nichtsakrale Glockenschläge unterliegen dem allgemeinen Immissionsschutzrecht) E 90, 320 = NVwZ 1993, 693, 14. 8. 1992 – 8 C 67/91: Zivildienst in kirchlichen Einrichtungen (Anerkennung als Beschäftigungsstelle setzt nicht religiös-weltanschauliche Neutralität voraus) E 94, 82 = NVwZ 1994, 578, 25. 8. 1993 – 6 C 8/91: Koran und Schulsport (Befreiung von koedukativem Sportunterricht; Darlegungslast) E 95, 379 = NJW 1994, 3367, 28. 4. 1994 – 2 C 23/92: kirchliche Dienstverhältnisse, „verkappte Statusklagen“ (trotz kirchenrechtlicher Rechtswegzuweisung kein Streit um Versorgungsbezüge einer Pastorenwitwe vor staatlichen VGen, weil Statusfeststellungen ausschließlich Sache der Kirchengerichte seien.) E 99, 1 = NVwZ 1996, 61, 15. 6. 1995 – 3 C 31/93: Schächtverbot I (Ausnahme nur bei zwingender Vorschrift einer Religionsgemeinschaft; individuelle Überzeugung reiche nicht. – Überholt durch BVerfGE 104, 337 = NJW 2002, 663) E 101, 309 = NJW 1996, 3287, 18. 7. 1996 – 6 C 10/94: Diplom-Studiengang Kath. Theologie Frankfurt a. M. (Art. 137 III WRV; keine Aufteilung der gemeinsamen Angelegenheiten in einen weltlichen und geistlichen Teil; kirchliche Mitwirkung erforderlich) E 105, 73 = NVwZ 1998, 853, 18. 6. 1997 – 6 C 5/96: Erzwungene Teilnahme an Tierversuchen (Gewissensfreiheit und Lehrfreiheit; gleichwertigen alternativen Lehrmethoden; gleichwertige Leistungsnachweise) E 105, 117 = NJW 1997, 2396, 26. 6. 1997 – 7 C 11/96: Zeugen Jehovas und Körperschaftsrechte (sehr restriktiv; aufgehoben durch BVerfGE 102, 370) E 105, 255 = NJW 1998, 253, 15. 10. 1997 – 7 C 21.96: Adass Jisroel (altkorporierte Rechte und Wiedervereinigung, DDR-Problematik) E 105, 313 = NJW 1998, 1166, 6. 11. 1997 – 1 C 18/95: Entzug der Rechtsfähigkeit gem. § 43 II BGB (Scientology Kirche Stuttgart; nur in atypischen Fällen behördliche Ermessenserwägungen) E 107, 75 = NVwZ 1999, 769, 17. 6. 1998 – 6 C 11/97: Ethikunterricht (EU kann als religiös-weltanschaulich neutraler Unterricht auch nur für solche Schüler eingerichtet werden, die nicht am RU teilnehmen, muss dann aber inhaltlich und organisatorisch dem RU gleichwertig sein: kein „Ersatzunterricht“. Auf die Wahl der Teilnahme am RU darf kein Einfluss genommen werden. Jegliche curriculare Minderausstattung des EU ist unzulässig. EU kann als allgemeines Pflichtfach ausgestaltet werden.) E 109, 40 = NJW 1999, 3063, 21. 4. 1999 – 6 C 18/98: Kruzifix in der Schule (Erhebliche inhaltliche Korrektur zu BayVerfGH NJW 1997, 3157 und zum Bayerischen Kruzifix-Gesetz; kaum in der Konsequenz von BVerfGE 93, 1; Vernachlässigung des objektiven Neutralitätsgebots.)
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Anhang 2: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
− E 110, 326 = NVwZ 2000, 922, 23. 2. 2000 – 6 C 5/99: Islamischer Religionsunterricht in Berlin (Art. 141 GG gilt in ganz Berlin. Einer weiten landesrechtlichen Auslegung des Begriffs „Religionsgemeinschaft“ stehen die Art. 7 III 2; 136 ff. WRV nicht entgegen.) − E 111, 223, 24. 5. 2000 – 9 C 34.99: Ahmadiyya-Fall (Pakistan; Abschiebungsverbot im Hinblick auf religiöses Existenzminimum) − E 112, 227 = NJW 2001, 1225, 23. 11. 2000 – 3 C 40.99: Schächtverbot II (betreffend Islam; Art. 136 I WRV als Schranke der Religionsfreiheit entgegen BVerfG ausdrücklich bejaht. § 4a II Nr. 2 TierschG verlange die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgruppe, die das betäubungslose rituelle Schächten für zwingend hält. Vgl. aber BVerfGE 104, 337) − E 112, 314 = NJW 2001, 1365, 21. 12. 2000 – 3 C 20/00: Religionsfreiheit und Anbau von Cannabis (Versagung der Ausnahmeerlaubnis gem. §§ 3 I, 5 I Nr. 6 BtMG für Rastafari-Religion verletzt nicht Art. 4 II GG; Vorrang des Verfassungsguts Volksgesundheit vor Religionsfreiheit) − E 113, 361 = 29. 6. 1999 – 1 D 104.97: Gewissensfreiheit und Postdienst (Dienstpflichtverletzung eines Postbeamten; Postsendungen von Scientology) − E 116, 86 = NVwZ 2002, 987, U. v. 28. 2. 2002 – 7 C 7/01: Zugehörigkeit zur „Jüdischen Gemeinschaft“ (innerjüdischer Streit um vertragliche Staatszuschüsse; Justizgewährungspflicht auch bei Vorfrage mit religiösem Inhalt, s. auch BGH JZ 2000, 1111) − E 116, 359 = NJW 2002, 3344, 4. 7. 2002 – 2 C 21/01: Islamisches Kopftuch I (starke Betonung der religiös-weltanschaulichen Neutralität; kein Beamtenstatus für Lehrerin, die aus religiösen Gründen nicht auf Kopftuch verzichtet. – Aufgehoben durch BVerfGE 108, 282 = NJW 2003, 3111) − E 117, 145 = NJW 2003, 2112, 30. 10. 2002 – 2 C 23/01: Pfarrerdienstverhältnis (Kein Rechtsweg zu staatlichen Gerichten; Bestätigung der st. Rspr., zuletzt E 95, 379; Exemtion auch bezüglich fundamentaler Rechtsgrundsätze) − E 118, 201 = NJW 2003, 3001, 21. 5. 2003 – 9 C 12/02: Teilerlass der Kirchensteuer (Beschränkung auf „in der Kirche verbliebene Mitglieder“ zulässig) − E 118, 289 = NJW 2003, 3721, 3. 7. 2003 – 3 C 26.02: Schwangerschaftskonfliktberatung (Sicherung eines ausreichenden Angebots wohnortnaher pluraler Beratungsstellen; Anspruch auf Kostenübernahme) − E 120, 16, 20. 1. 2004 – 1 C 9.03: Asylgewährung bei Abfall vom Islam (christliche Taufe, Iran) − E 121, 140 = NJW 2004, 3581, 24. 6. 2004 – 2 C 45/03: Islamisches Kopftuch II (Ablehnung einer Beamtenbewerberin rechtens, die trotz des BaWüSchulG, in Kraft seit 1. 4. 2004, nicht bereit ist, auf das Kopftuch zu verzichten. Art. 38 II SchulG neu wird trotz – abgestrittener – Privilegierung des Christentums akzeptiert. S. aber E 116, 359) − E 121, 270 = NJW 2004, 3727, 15. 7. 2004 – 3 C 48.03: Förderung katholischer Schwangerschaftsberatungsstellen (trotz fehlender Konfliktberatung und Schein-Ausstellung)
II. Sonstige Entscheidungen
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− E 123, 49 = NJW 2005, 2101, 23. 2. 2005 – 6 C 2/04: Verbandsanspruch auf islamischen Religionsunterricht (RG im Kern soziologisch zu verstehen, S. 55; auch mehrstufiger Verband kann RG sein, S. 58 ff.; Körperschaftscharakter unnötig, S. 70; zur Verfassungstreue S. 72 ff.) − E 124, 310 = NJW 2006, 1015, 3. 11. 2005 – 2 C 31/04: Universitätstheologie (Fall Lüdemann) − E 127, ? = NVwZ 2007, 461, 23. 11. 2006 – 3 C 30/05: Schächten III (Ausnahmegenehmigung trotz Art. 20a GG möglich).
II. Sonstige Entscheidungen − 13. 11. 1984 – 2 C 74.81, NVwZ 1987, 699: Sonderurlaub für Kirchentag (Für den Kirchentag einer privatrechtlichen RG – hier: Johannische Kirche – braucht auch dann kein Urlaub nach der SonderurlaubsVO gegeben zu werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 137 V WRV vorliegen.) − 4. 6. 1986 – 7 C 76.85, DVBl 1986, 1107: Rundfunkgebührenbefreiung für Ordensangehörige (die Befreiung könne nicht unter Hinweis auf die Unterhaltspflicht des Ordens versagt werden) − 8. 3. 1988 – 2 B 92/87, NVwZ 1988, 937: Bhagwan-Kleidung (zu BayVGH NVwZ 1986, 405; Grenzen der Bekenntnisfreiheit für Lehrer mit bhagwantypischer Kleidung; strenge Anforderungen an Neutralität) − 24. 11. 1988 – 2 C 10.86, NJW 1989, 921: Lehramtsbewerbung und Konfessionslosigkeit (Das BVerwG behandelt Art. 33 III GG nicht nur als Unterscheidungsverbot, sondern als Anknüpfungsverbot. Auch an einer weitgehend von katholischen Schülern besuchten öffentlichen Schule sei die religiöse Einstellung eines Lehrers ein „unsachliches Auswahlkriterium“.) − 31. 5. 1990 – 7 CB 31/89, NJW 1990, 2079: Justizgewährleistung bei Friedhof einer RG (Grabmalerrichtung kein reines Internum) − 13. 3. 1991 – 7 B 99/90, NJW 1991, 1770: Osho I (vormals „Bhagwan“; inhaltliche Bestätigung von E 82, 76 betreffend TM) − 27. 2. 1992 – 4 C 50/89, NJW 1992, 2170: Islamischer Betsaal (Bauplanungsrecht; z. T. vor 6 Uhr abgehaltenes Morgengebet; Gebot der Rücksichtnahme) − 26. 4. 1993 – 4 B 31/93, NVwZ 1994, 282: gemeindliches Vorkaufsrecht (erfordert Berücksichtigung religiöser, hier: islamischer, Zwecke) − 4. 5. 1993 – 7 B 149/92, NVwZ 1994, 162: Osho III (staatliche Warnungen; Lehren mit menschenverachtender Tendenz, erheblicher Widerspruch zur Wertordnung der Verfassung) − 20. 8. 1993 – 8 C 9/92, NVwZ 1994, 174: Geistlichenprivileg (Ablehnung der Zivildienstbefreiung eines Pionierpredigers der Zeugen Jehovas, weil neben der 58-stündigen geistlichen Tätigkeit 15 Wochenstunden einer weltlichen Berufstätigkeit nachgegangen werde, das sei mehr als ein Fünftel der Regelarbeitszeit des öffentlichen Dienstes. Die Voraussetzungen für eine hauptamtliche geistliche Tätigkeit lägen daher nicht vor.)
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Anhang 2: Religionsrechtliche Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
− 7. 3. 1997 – 3 B 173/96, NVwZ 1998, 852: Friedhof einer RG im Außenbereich (Es sei geklärt, dass die Grenzen der Glaubensfreiheit „nur von der Verfassung selbst, d. h. nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertsystems gezogen werden“, BVerfGE 12, 1 (4); 32, 98 (108); 74, 37 (49 f.). Dazu gehöre zweifellos der Schutz besonderer Landschaftsflächen, Art. 20a GG, und zwar ohne Vorrang der Religionsfreiheit. Der in Art. 137 III WRV enthaltene Rechtsgedanke bestätige das. Bauplanungs- und Bauordnungsrecht seien anerkanntermaßen für alle geltende Gesetze.) − 15. 5. 1997 – 3 B 19/97, NJW 1998, 2919: Chick Corea (Zur Androhung des Entzugs staatlicher Förderung bei Auftreten eines sich offen zur ScientologyKirche bekennenden Künstlers) − 11. 12. 1997 – 1 B 60/97, NJW 1999, 304: Maria-Syndrom (vorsorgliches Verbot einer Theateraufführung; Kunstfreiheit und § 166 StGB, sehr restriktiv) − 3. 7. 1998 – 1 B 114/97, NVwZ 1999, 766: Gewerbeausübung durch RG (Gewerbeanmeldepflicht, Scientology; Eigenschaft gewerblicher Betätigung entfällt nicht wegen religiös-weltanschaulicher Zielsetzung gem. Selbstverständnis des Betreibers, s. BVerwG NVwZ 1995, 473) − 11. 1. 2001 – 11 B 64/00, NVwZ 2001, 926: Prüfung eines Kirchengesetzes (staatliche Gerichte dürfen Kirchensteuerbeschluss inzident am Maßstab des Art. 3 GG prüfen) − 17. 5. 2001 – 7 C 1/01, NVwZ 2001, 924: Zeugen Jehovas und Körperschaftsstatus (Folge-Entscheidung zu BVerfGE 102, 370; zur Frage, wann Grundrechte Dritter einer Verleihung gem. Art. 137 V GG entgegen stehen) − 27. 11. 2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, 986: Verbot von Religionsgemeinschaften (hier: Kalifatsstaat; Rechtslage nach dem VereinsG von 2001; aggressiver Kampf gegen rechtsstaatlich-demokratische Prinzipien) − 15. 12. 2005 – 7 C 20/04: Scientology-Schutzerklärungen − 25. 1. 2006 – 6 A 6/05, NVwZ 2006, 694: Verbot einer RG oder WG (Verbotsmöglichkeit unter den Voraussetzungen des Art. 9 II GG; Verbot des Vereins Hizb-ut-Tahrir wegen nachhaltigen Aufrufs zur Beseitigung des Staates Israel; Völkerverständigung)
Anhang 3: Religionsverfassungsrecht – Grundgesetz mit Weimarer Reichsverfassung
GG-Präambel Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen … hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. Artikel 1 [Menschenwürde; Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt] (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Artikel 2 [Allgemeine Handlungsfreiheit; Freiheit der Person; Recht auf Leben] (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Artikel 3 [Gleichheit vor dem Gesetz; Gleichberechtigung von Männern und Frauen; Diskriminierungsverbote] (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Niemand darf wegen … seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden … Artikel 4 [Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit] (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
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Anhang 3: Religionsverfassungsrecht
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. Artikel 6 [Ehe und Familie] (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Artikel 7 [Schulwesen] (1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. (4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. (5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. Artikel 9 [Vereinigungs-, Koalitionsfreiheit] (1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten. Artikel 18 [Verwirkung von Grundrechten; gilt nicht für Art. 4 GG] Artikel 19 [Einschränkung von Grundrechten; Wesensgehalts-, Rechtswegegarantie] (3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Artikel 31 [Vorrang des Bundesrechtes] Bundesrecht bricht Landesrecht.
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Artikel 33 [Staatsbürgerliche Gleichstellung aller Deutschen; öffentlicher Dienst; Berufsbeamtentum] (1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. (2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. (3) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen. Artikel 140 [Recht der Religionsgesellschaften; Glaubensfreiheit; Schutz von Sonn- und Feiertagen] Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes. Weimarer Verfassung vom 11. 8. 1919: Religion und Religionsgesellschaften Artikel 135 (nicht in das GG übernommen) Alle Bewohner des Reichs genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung wird durch die Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz. Die allgemeinen Staatsgesetze bleiben hiervon unberührt. Artikel 136 [Individuelle Religionsfreiheit] (1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichtenwerden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. (2) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. (3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. (4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden. Artikel 137 [Religionsgesellschaften] (1) Es besteht keine Staatskirche. (2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluss von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen. (3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. (4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. (5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlichrechtliche Reli-
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Anhang 3: Religionsverfassungsrecht
gionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. (6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. (7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. (8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob. Artikel 138 [Vermögen der Religionsgesellschaften] (1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf. (2) Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet. Artikel 139 [Schutz von Sonn- und Feiertagen] Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Artikel 141 [Anstaltsseelsorge] Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist. Nicht in das GG übernommen wurde Art. 149 WRV mit Abs. 3: (3) Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten.
Artikel 141 [Religionsunterricht, Bremer Klausel] Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.
Anhang 4: Gesetz über die religiöse Kindererziehung (RKEG)
Vom 15. Juli 1921 (RGBl., S. 939), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. September 1990 (BGBl. I, S. 2002) §1 Über die religiöse Erziehung eines Kindes bestimmt die freie Einigung der Eltern, soweit ihnen das Recht und die Pflicht zusteht, für die Person des Kindes zu sorgen. Die Einigung ist jederzeit widerruflich und wird durch den Tod eines Ehegatten gelöst. §2 (1) Besteht eine solche Einigung nicht oder nicht mehr, so gelten auch für die religiöse Erziehung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. (…) §5 Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden. Hinweis: Art. 137 BayVerf und Art. 29 SaarlVerf machen die Nichtteilnahme am Religionsunterricht von der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres abhängig, eine sehr umstrittene Regelung, die ungewöhnliche Rechtsfragen aufwirft. S. dazu § 13 V 2 f.
§6 Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die Erziehung der Kinder in einer nicht bekenntnismäßigen Weltanschauung entsprechende Anwendung.
Anhang 5: Europäisches Recht
I. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) Artikel 9 [Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit] (1) Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, durch die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben. (2) Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentliche Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind. Artikel 14 [Verbot der Benachteiligung] Der Genuß der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten muss ohne Unterschied des Geschlechts, der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischen oder sonstigen Anschauungen, nationalen oder sozialen Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status gewährleistet werden. Zusatzprotokoll zur EMRK vom 20. 3. 1952, geändert durch Protokoll vom 11. 5. 1994 Artikel 2 [Recht auf Bildung] Das Recht auf Bildung darf niemandem verwehrt werden. Der Staat hat bei der Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen. Hinweis: Vor Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) muss der nationale Rechtsweg einschließlich des Bundesverfassungsgerichts ausgeschöpft sein.
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Anhang 5: Europäisches Recht
II. Recht der Europäischen Union 1. Bedeutung der Grundrechte Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung) vom 7. 2. 1992, zuletzt geändert durch den Amsterdamer Vertrag vom 2. 10. 1997 Artikel 6 [Grundlagen der Union, nationale Identität, Menschenrechte, Mittelausstattung] (2) Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. 2. Allgemeine Erklärungen zur Religionsfreiheit Hinweis: Die EU hat keine unmittelbare Kompetenz zur Regelung religionsrechtlicher Fragen. Ihre Rechtsnormen wirken sich jedoch auf vielen Gebieten mittelbar auf kirchliche Positionen aus. Auf Betreiben der deutschen Kirchen und der deutschen Bundesregierung wurde die Schlussakte des Amsterdamer Vertrags (1997) ergänzt:
Erklärung Nr. 11: Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und lässt ihn unangetastet. Ebenso achtet die Europäische Union den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften. Die verabschiedete, aber nicht in Kraft getretene EU-Verfassung von 2004 enthält in Art. I-52 einen nahezu wörtlich identischen Passus: Artikel I-52 [Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften] (1) Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht. (2) Die Union achtet in gleicher Weise den Status, den weltanschauliche Gemeinschaften nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genießen. (3) Die Union pflegt mit diesen Kirchen und Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog. 3. Antidiskriminierung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (konsolidierte Fassung) vom 25. 3. 1957, zuletzt geändert durch den Amsterdamer Vertrag vom 2. 10. 1997
II. Recht der Europäischen Union
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Artikel 13 EGV [Antidiskriminierungsmaßnahmen] Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrages kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen. Sekundärrecht zu Artikel 13 EGV: Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. der EG: http:// europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2000/l_303/l_30320001202de00160022.pdf) Artikel 4 [Berufliche Anforderungen] (1) Ungeachtet des Artikels 2 Absätze 1 und 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. (2) Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, Bestimmungen in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften beibehalten oder in künftigen Rechtsvorschriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende einzelstaatliche Gepflogenheiten widerspiegeln und wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche Ungleichbehandlung muss die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund. Sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im Übrigen eingehalten werden, können die Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig i. S. des Ethos der Organisation verhalten.
Literatur zum Religions- und Religionsverfassungsrecht
Vorbemerkung Das Religionsrecht, insbesondere Religionsverfassungsrecht, wird immer weniger überschaubar und kann auch wegen der Fülle an juristischen und nichtjuristischen Zeitschriften und zunehmenden monographischen Arbeiten kaum noch angemessen bibliographisch erfasst werden. Selbst Spezialisten sind kaum in der Lage, auch nur die wichtigsten Arbeiten inhaltlich zur Kenntnis zu nehmen. Selbst zu Spezialthemen wie Kreuzsymbol, Islamisches Kopftuch, allgemein über Rechtsfragen zum Islam, zum Feiertagsrecht, zur religiösen Erziehung, zum Religions- und Ethikunterricht, zu Art. 141 GG, staatlichen Warnungen vor Religionsgemeinschaften und allgemein zu Themen religiöser Minderheiten haben sich jeweils spezielle Literaturen gebildet, die z. T. ebenfalls nur schwer überschaubar sind. Unter diesem Aspekt ist selbst die umfangreiche Auswahl der Titel für dieses Literaturverzeichnis eher klein, wenn man bedenkt, dass allein der Bereich „Arbeitsrecht und Kirchen“ einen ganzen Kosmos bedeutet. Die religionsrechtlichen Aspekte des Europarechts und sonstigen supranationalen Rechts sind eine Dimension für sich. Angesichts dieser Lage werden zu den eingangs genannten Spezialproblemen nur jeweils wenige Titel erfasst. Die gesondert aufgeführten öffentlich-rechtlichen Sondergebiete und das Zivilrecht wurden nur sozusagen angedeutet, weil sonst der Rahmen eines Überblicks völlig gesprengt würde. Der Schwerpunkt dieser Bibliographie liegt bei religionsverfassungsrechtlichen Überblicksdarstellungen, themenübergreifenden Arbeiten, der Grundrechtsdogmatik und dem korporativen Religionsrecht (Abschnitt B 2). Da eine alphabetische Gesamtauflistung zu unübersichtlich geworden wäre, wurden neben den zusammengefassten verwaltungsrechtlichen und anderen Sondermaterien auch die Bereiche Geschichte, Schule, Finanzen und Religionsförderung, Arbeitsrecht und Europarecht abgespalten, weil das hier ohne große Überschneidungen möglich schien. Die Auswahl berücksichtigt insgesamt den Umstand, dass der Bereich Religion und Weltanschauung nicht mehr einseitig auf die Kirchen und ihre spezifische Interessenlage fokussiert sein sollte. Das zentrale Verfassungsgebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität fordert nicht nur verbal-unvermeidliche Akzeptanz, sondern konkrete Umsetzung. Davon ist die Rechtspraxis in einigen Bereichen noch weit entfernt. Ludwig Renck, rechtsdogmatischer Hauptkritiker des traditionellen Religionsrechts (Staatskirchenrechts) bzw. der Rechtspraxis, wurde trotz seines umfangreichen Schrifttums und seiner auf den Grund bohrenden Fragestellungen nur wenig rezipiert. Dem soll hier ausgleichend zumindest teilweise Rechnung getragen werden. Wer sich näher über traditionellere Sichtweisen informieren will, findet ohnehin genügend Material.
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LitV – A 1: Bibliographien
A. Allgemeine Literatur 1. Bibliographien 2. Rechtsquellen, Dokumentensammlungen und Rechtsprechung 3. Verfassungsrechtliche Kommentare 4. Lehrbücher, Handbücher, Fallsammlungen 5. Spezielle Zeitschriften und Reihen 6. Festschriften (religionsrechtliche und religionspolitische Auswahl) 7. Sammelbände (religionsrechtliche und religionspolitische Auswahl) 8. Allgemeine Informationen (z. B. Lexika)
1. Bibliographien Zur Ergänzung und zum Vergleich wird insbesondere auf die Bibliographien in den Lehrbüchern von Jeand’Heur/Korioth (2000) und v. Campenhausen/de Wall (2006) verwiesen, ferner auf die Literaturlisten in (nicht allen) GG-Kommentaren zu den Art. 4 und 140 GG. Die unter A 5 genannten Festschriften enthalten Werkbibliographien mit meist zahlreichen religionsrechtlichen bzw. religionshistorischen Titeln. Aktuelle, thematisch breite Hinweise enthalten die Hefte der Zeitschrift „Kirche und Recht“ in der Rubrik „Bibliographie“. – Czermak, Gerhard: Staat und Weltanschauung. Eine Auswahlbibliographie juristischer sowie historischer und gesellschaftswissenschaftlicher Literatur. Mit kritischen Hinweisen und einer Abhandlung zu Entwicklung und Gegenwartslage des sogenannten Staatskirchenrechts. Bd. 1, Berlin/Aschaffenburg 1993, 354 S., Bibl. S. 23–247; Bd. 2 (1993–1997), Aschaffenburg 1999, 283 S. (annotiert) – Möck, Charlotte: Staat und Kirchen. Bibliographie zu ihrem rechtlichen Verhältnis in der Bundesrepublik Deutschland 1968–1977, 1979 – Quaritsch, Helmut/Weber, Hermann (Hrsg.): Staat und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland. Staatskirchenrechtliche Aufsätze 1950–1967, Bad Homburg 1967 (mit umfassender Bibliographie)
2. Rechtsquellen, Dokumentensammlungen und Rechtsprechung – Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle Bd. 5/II, 1993, S. 621 ff. (zur Entstehungsgeschichte des Art. 4 GG) – Huber, Ernst Rudolf/Huber, Wolfgang: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, 4 Bde., Berlin 1973 ff. (Monumentaldokumentation, Bd. 4: Weimarer Zeit) – Lentz/Baldus/Muckel (Hrsg.): Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946, bisher 38 Bde., Berlin/New York (1963–2004), zit.: KirchE – Listl, Joseph (Hrsg.): Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., Berlin 1987 Für die aktuelle Arbeit besonders nützlich sind die Rechtsprechungsdokumentationen der Zeitschriften KuR und ZevKR; s. auch http://www.uni-trier.de/~ievr/staatskirchenrecht.htm.
LitV – A 3: Verfassungsrechtliche Kommentare
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3. Verfassungsrechtliche Kommentare – Alternativkommentar zum GG (AK-GG): 3. A. 2001 (darin U. K. Preuß zu Art. 4 und 140 GG) – Anschütz, Gerhard: Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 14. A. Berlin 1933 und Darmstadt 1960 (klassischer Standardkommentar) – Dolzer, R./Vogel, K./Graßhof, K. (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Losebl.), 15 Ordner (R. Zippelius zu Art. 4 GG, Drittbearb. 1989; K. Obermayer zu Art. 140 GG, Zweitbearbeitung 1971) – Dreier, Horst (Hrsg.): GG, Bd. 1, 2. A. 2004 (darin M. Morlok, zu Art. 4 GG); Bd. 3, 1. A. 2000 (darin M. Morlok, zu Art. 140 GG) – Friauf, Karl-Heinrich/Höfling, Wolfram: Berliner Kommentar zum GG, 2 Bde. (St. Muckel zu Art. 4 GG, Stand 2001, und in Vorb. zu Art. 140 GG) – Jarass, Hans Dieter/Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. A. 2007 – v. Mangoldt/Klein/Starck: Kommentar zum Grundgesetz, 3 Bde., jeweils 5. A. 2005 (C. Starck zu Art. 4 GG und A. v. Campenhausen zu Art. 140 GG) – Maunz/Dürig: GG (darin St. Korioth zu Art. 140 GG, Stand 2003, 317 S.) – v. Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hrsg.): Grundgesetz-Kommentar, 3 Bde.; Band 1, 5. A., München 2000 (Ute Mager zu Art. 4 GG; Bd. 3, 5. A. 2002) – Sachs, Michael (Hrsg.): GG, 4. A. 2007 (J. Kokott zu Art. 4 GG, D. Ehlers zu Art. 140 GG) – Umbach, Dieter C./Clemens, Thomas (Hrsg.): Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2 Bde., Heidelberg 2002 (Heidelberger Kommentar; M. Wenckstern zu Art. 4 GG, St. Magen zu Art. 140 GG)
4. Lehrbücher, Handbücher, Fallsammlungen – v. Campenhausen, Axel: Staatskirchenrecht, 3. A. München 1996, 484 S. – v. Campenhausen, Axel/de Wall, Heinrich: Staatskirchenrecht. Eine systematische Darstellung des Religionsverfassungsrechts in Deutschland und Europa. 4., überarb. A., München 2006, 436 S. – Classen, Claus D.: Religionsrecht, Tübingen 2006, 273 S. (Lehrbuch) – Heinig, Hans Michael (Hrsg.): Fälle und Lösungen zum Staatskirchenrecht, Stuttgart u. a. 2005, 264 S. – Ebers, Godehard Josef: Staat und Kirche im Neuen Deutschland, München 1930 (juristisches Standardwerk zur WRV) – Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts. Bd. 5 (allg. Grundrechtslehren, 1. A. 1992, 2. A. 2000); Bd. 6 (Freiheitsrechte, 1. A. 1989, 2. A. 2001) – Jeand’Heur, Bernd/Korioth, Stefan: Grundzüge des Staatskirchenrechts, Stuttgart u. a. 2000, 291 S. (zit.: Grundzüge) – Listl, Joseph/Pirson, Dietrich (Hrsg.): Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1. Bd., 2. A., Berlin 1994; 2. Bd., 2. A. Berlin 1995. – Winter, Jörg: Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung mit kirchenrechtlichen Exkursen, Neuwied/Kriftel 2001, 228 S.
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LitV – A 5: Spezielle Zeitschriften und Reihen
5. Spezielle Zeitschriften und Reihen – Archiv für katholisches Kirchenrecht (AfkKR; früher ArchkathKR) – Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, hrsg. v. Heiner Marré, Dieter Schümmelfeder und Burkhard Kämper, Münster (jährlicher Tagungsband, seit 1969; (Essener Gespräche) – European Journal for Church and State Research = Revue européenne des relations églises-état (seit 1994) – Jus Ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchenrecht, Tübingen (oft umfangreiche Monographien) – Kirche und Recht, Z. für die kirchliche und staatliche Praxis (KuR; seit 1995) – Österreichisches Archiv für Recht & Religion (ÖARR; ab 1999) – Österreichisches Archiv für Kirchenrecht (ÖAKR; bis 1998) – Religion, Staat, Gesellschaft, Zeitschrift für Glaubensformen und Weltanschauungen (RSG; ab 2000; viele juristische bzw. für Juristen interessante Titel) – Schriften zum Staatskirchenrecht (seit 2000; Peter Lang Verlag) – Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht (SJKR; ab 1996) – Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Berlin (SKA; meist umfangreiche Monographien) – Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung (ZRG Kan. Abt.) – Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht (ZevKR)
6. Festschriften (religionsrechtliche und religionspolitische Auswahl) – Heckel-FS: FS für Martin Heckel zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 1999 – Hollerbach-FS: Verfassung, Philosophie, Kirche, Berlin 2001 – Kriele-FS: Staatsphilosophie und Rechtspolitik. Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag, München 1997 – Link-FS: Bürgerliche Freiheit und christliche Verantwortung, 2003 – Listl-FS II: Recht in Kirche und Staat, Joseph Listl zum 75. Geburtstag, 2004 – Listl-FS I: Dem Staate, was des Staates – der Kirche was der Kirche ist. Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag, Berlin 1999 – Maurer-FS: Staat – Kirche – Verwaltung. Festschrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, München 2001 – Rüfner-FS: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat. Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag, Berlin 2003
7. Sammelbände (religionsrechtliche und religionspolitische Auswahl) – – – –
Abromeit, H./Wewer, G. (Hrsg.): Die Kirchen und die Politik, Opladen 1989, 297 S. v. Campenhausen, Axel Frhr.: Gesammelte Schriften, Tübingen 1995 Albertz, Jörg (Hrsg.): Gesellschaft und Religion. Berlin 1991, 211 S. Besier, Gerhard/Lübbe, Hermann (Hrsg.): Politische Religion und Religionspolitik, Göttingen u. a. 2005 – Bielefeldt, H./Heitmeyer, W. (Hrsg.): Politisierte Religion. Ursachen und Erscheinungsformen des modernen Fundamentalismus. Frankfurt a. M. 1998
LitV – A 8: Allgemeine Informationen
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– Brockmann, Heinz Wilhelm (Hrsg.): Kirche und moderne Gesellschaft, Düsseldorf 1976 – Denzler, Georg (Hrsg.): Kirche und Staat auf Distanz. Historische und aktuelle Perspektiven. München 1977 – Grabenwarter, Christoph/Lüdecke, Norbert (Hrsg.): Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, Würzburg 2002, 304 S. – Grote R./Marauhn Th. (Hrsg.): Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht. Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven. Berlin u. a. 2001, 632 S. (zit. Grote/Marauhn, Religionsfreiheit) – Haratsch, A./Janz, N./Rademacher, S./Schmahl, S./Weiß, N. (Hrsg.): Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 41. Tagung der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachrichtung „Öffentliches Recht“, Stuttgart u. a. 2001 – Heinig, Hans Michael/ Walter, Christian (Hrsg.): Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht. Ein begriffspolitischer Grundsatzstreit. Tübingen 2007, 367 S. – Heckel, Martin: Gesammelte Schriften. Staat – Kirche – Recht – Geschichte, Bde. 1 und 2 Tübingen 1989, Bde. 3 und 4 Tübingen 1998; Bd. 5 Tübingen 2004/05. – Hollerbach, Alexander: Ausgewählte Schriften, Berlin 2006, 601 S. (Hrsg. G. Robbers) – Listl, Joseph: Kirche im freiheitlichen Staat. Schriften zum Staatskirchenrecht und Kirchenrecht, 2 Bde. Berlin 1996, 1173 S. – Mahlmann, Matthias/Rottleuthner, Hubert: Ein neuer Kampf der Religionen? Staat, Recht und religiöse Toleranz. Berlin 2006, ca. 300 S. – Morsey, R./Repgen, K. (Hrsg.): Christen und Grundgesetz, Paderborn u. a. 1989 – Mikat, Paul (Hrsg.): Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, Darmstadt 1980 – Quaritsch, Helmut/Weber, Hermann (Hrsg.): Staat und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland. Staatskirchenrechtliche Aufsätze 1950–1967, Bad Homburg 1967 (Repräsentative Aufsätze zu Grundsatzfragen; umfassende Bibliographie) – Schlaich, Klaus: Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1997, 604 S. (Jus Eccl. 57) – Schreckenberger, Waldemar (Hrsg.): Staat und Religion. Der moderne Staat im Rahmen kultureller und religiöser Lebenselemente. Berlin 2006, 115 S. – Thielking, Kai Oliver: Die Kirche als politischer Akteur. Kirchlicher Einfluss auf die Schul- und Bildungspolitik in Deutschland, Baden-Baden 2005, 352 S. – Vallauri, Luigi L./Dilcher, Gerhard (Hrsg.): Christentum, Säkularisation und modernes Recht, Baden-Baden/Mailand 1981 (2 umfassend Bde.)
8. Allgemeine Informationen (z. B. Lexika) – Behr, Hartmut/Hildebrandt, Mathias (Hrsg.): Politik und Religion in der Europäischen Union. Zwischen nationalen Traditionen und Europäisierung, Wiesbaden 2006, 500 S. – Czermak, Gerhard: Religion und Weltanschauung in Gesellschaft und Recht. Ein Lexikon für Praxis und Wissenschaft, Aschaffenburg (im Erscheinen) – Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen. Orientierungen im religiösen Pluralismus, Freiburg 2005, 737 (Hrsg. S. Baer/H. Gasper/J. Müller/J. Sinabell) – Evangelisches Staatslexikon: hrsg. v. R. Herzog/H. Kunst/K. Schlaich/W. Schneemelcher, Stuttgart 1987, 3. A., 2 Bde. (zit.: EvStL) – Evangelisches Staatslexikon: Neuausgabe 2006; hrsg. v. W. Heun/M. Honecker/M. Morlok/J. Wieland, 2956 Sp. – Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft. Probleme im Alltag – Hintergründe – Antworten (Hrsg. Khoury, A. Th./Heine P./Oebbecke J. Gütersloh 2000, 333 S. – Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht: Hrsg. A. v. Campenhausen, Ilona RiedelSpangenberger und Reinhold Sebott unter Mitarbeit von Heribert Hallermann, Bd. 1:
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LitV – B 1: Geschichte des Staat-Kirche-Verhältnisses
A–F, 2. korr. A. 2000, X + 736 S., Bd. 2: G–M, 2002, X + 830 S., Bd. 3: N–Z, 2004, VIII + 920 S. – Religion in Geschichte und Gegenwart: Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 4. A., Tübingen, 1998 ff. (zit.: RGG 4. A.) – Staatslexikon. Recht – Wirtschaft – Gesellschaft, hrsg. v. der Görres-Gesellschaft, 7. A., 7 Bde., Freiburg u. a. 1985–1993 (zit.: StL-GG) – Theologische Realenzyklopädie: (Hrsg. Gerhard Müller u. a., Berlin/New York 1977– 2004, 36 Bde. (zit.: TRE; größte deutschsprachige, ökumenisch ausgerichtete wissenschaftliche Enzyklopädie, zahlreiche einschlägige, meist tiefschürfende Artikel)
B. Einzeltitel Religions(verfassungs)recht 1. Geschichte des Staat-Kirche-Verhältnisses 2. Überblicksdarstellungen, themenübergreifende Arbeiten, Grundrechtsdogmatik, korporatives Religionsrecht, Vertragsrecht 3. Schulrecht und Elternrecht 4. Kirchenfinanzen und Religionsförderung 5. Verwaltungsrecht (mit res sacra), Religionsdelikte, Zivilrecht 6. Arbeitsrecht 7. Supranationales Recht
1. Geschichte des Staat-Kirche-Verhältnisses – v. Aretin, Karl Otmar: Kirche und Staat in der Aufklärung, in: G. Denzler (Hrsg.), Kirche und Staat auf Distanz (1977), 74–86 – Bendel, Rainer (Hrsg.): Die katholische Schuld? Katholizismus im Dritten Reich – Zwischen Arrangement und Widerstand 2., durchgesehene A., 2004, 400 S. – Besier, Gerhard: Die Kirchen und das Dritte Reich. Bd. 3: Spaltungen und Abwehrkämpfe 1934–1937, Berlin-München: Ullstein-Propyläen 2001 (1262 S.; s. auch Scholder, Klaus) – Besier, Gerhard: Der SED-Staat und die Kirche. Bd. 1: Der Weg in die Anpassung. München 1993, 928 S.; Bd. 2: Die Vision vom „Dritten Weg“, 1995, 960 S.; Bd. 3. Höhenflug und Absturz, 1995, 982 S. – Beutler, Bengt: Die Stellung der Kirchen in den Länderverfassungen der Nachkriegszeit, in: Kirche und Katholizismus 1945–1949, hrsg. von Anton Rauscher, München u. a. 1977, 26–52 – Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Religionsfreiheit als Aufgabe der Christen, StdZ 90 (1964/65), 199 ff. – Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Die Bedeutung der Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Überlegungen 20 Jahre danach, in: StdZ 204 (1986), 303–312 – Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Forsthoff-FS (1967); auch in: ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit, Frankfurt 1976, 42 ff. sowie in ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, 92 – Boese, Thomas: Die Entwicklung des Staatskirchenrechts in der DDR von 1945 bis 1989. Unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Staat, Schule und Kirche, Baden-Baden 1994, 350 S.
LitV – B 1: Geschichte des Staat-Kirche-Verhältnisses
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– Bohusch, Florian: Verfassungsrechtliche Grundlagen der Glaubensfreiheit – Religionsverfassungsrecht in den deutschen Verfassungsberatungen seit 1848, in: Konstanzer Online-Publikations-System, 2002, URN: urn:nbn:de:bsz:352-opus-8007; URL: http:// www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2002/800/ – Denzler, Georg (Hrsg.): Kirche und Staat auf Distanz. Historische und aktuelle Perspektiven. München 1977 – Denzler, Georg/Fabricius, Volker: Christen und Nationalsozialisten, Frankfurt a. M. 1993 – Frédéric, Hartwig (Hrsg.): SED und Kirche. Eine Dokumentation ihrer Beziehungen. Bd. 1, 1946–1967, Neukirchen-Vluyn 1995, 592 S.; Bd. 2, 1968–1989, 1995, 708 S. – Fuchs, Walther Peter (Hrsg.): Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, Stuttgart u. a. 1966 – Fürstenau, Hermann: Das Grundrecht der Religionsfreiheit nach seiner geschichtlichen Entwicklung und heutigen Geltung in Deutschland, 1891, ND Glashütten 1975 – Gauly, Thomas M.: Katholiken, Machtanspruch und Machtverlust, Bonn 1991 (Adenauer-Ära) – Gerlach, Stefanie Virginia: Staat und Kirche in der DDR – war die DDR ein totalitäres System? Frankfurt a. M. u. a. 1999, 255 S. (Beiträge zur Politikwissenschaft 75) – Giese, Friedrich: Das kirchenpolitische System der Weimarer Verfassung, AöR n. F. 7 (1924), 1 ff. – Gürtler, Paul: Nationalsozialismus und Evangelische Kirche im Warthegau, 1958 (zur kirchenpolitischen Zielvorstellung des NS) – Guggisberg, H. R.: Religiöse Toleranz. Dokumente zur Geschichte einer Forderung, 1984 (Lit.) – Haese, Ute: Katholische Kirche in der DDR. Geschichte einer politischen Abstinenz. Düsseldorf 1998, 237 S. – Heckel, Martin: Das Auseinandertreten von Staat und Kirche in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, ZevKR 2000, 173–200 – Heckel, Martin: Zur Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts von der Reformation bis zur Schwelle der Weimarer Verfassung, ZevKR 12 (1966/67), 1–39 – Hillgruber, Christian: Staat und Religion, DVBl 1999, 1155–1178 – Hofmann, Hasso: Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS 1988, 841–848 – Honecker, Martin: Kirchen und Menschenrechte, MdKI 1998, 103–109 – Isensee, Josef: Keine Freiheit für den Irrtum. Die Kritik der katholischen Kirche des 19. Jahrhunderts an den Menschenrechten als staatsphilosophisches Paradigma, in: ZRG, Kan. Abt. LXXIII (1987), 296–336 – Landau, Peter: Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und die Religionsfreiheit. Zur Entstehungsgeschichte des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit von Kirchen und Religionsgesellschaften. JZ 1995, 909–916 – Lewy, Guenter: Die katholische Kirche und das Dritte Reich, München 1965 (selten zit. Standardwerk; Originalquellen) – Link, Christoph: Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte. Fünf Abhandlungen, Frankfurt a. M. 2000, 204 S. – Link, Christoph: Die Bedeutung des Westfälischen Friedens in der deutschen Verfassungsentwicklung, JZ 1998, 1–9 – Lutz, Heinrich (Hrsg.): Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, 1977 (Lit.; vielzitierter Sammelband) – Maier, Hans: Wie universal sind die Menschenrechte? Freiburg i. Br. 1997, 157 S. (Herder Spektrum) – Meier, Kurt: Kreuz und Hakenkreuz. Die evangelische Kirche im Dritten Reich. München 2001, 249 S. (dtv)
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LitV – B 1: Geschichte des Staat-Kirche-Verhältnisses
– Mikat, Paul: Verfassungsziele der Kirchen unter besonderer Berücksichtigung des Grundgesetzes, in: Morsey/Repgen (Hrsg.), Christen und Grundgesetz, 1989, 33–69 – Morsey, Rudolf: Der Kulturkampf – Bismarcks Präventivkrieg gegen das Zentrum und die katholische Kirche, in: Essener Gespräche 34, Münster 2000, 5–28 – Neumann, Johannes/Fischer, Michael W. (Hrsg.): Toleranz und Repression. Zur Lage religiöser Minderheiten in modernen Gesellschaften, Frankfurt/New York 1987, 349 S. – Nipperdey, Thomas: Religion im Umbruch. Deutschland 1870–1918. München 1988, 167 S. (Beck’sche Reihe; Lit.) – Nowak, Kurt: Geschichte des Christentums in Deutschland. Religion, Politik und Gesellschaft vom Ende der Aufklärung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. München 1995, 389 S. – Obermayer, Klaus: Die Konkordate und Kirchenverträge im 19. und 20. Jahrhundert, in: Fuchs W. P. (Hrsg.), Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, Stuttgart u. a. 1966, 166–183 – Pfahl-Traughber, Armin: Haben die modernen Menschenrechte christliche Grundlagen und Ursprünge? Kritische Reflexionen zu einem immer wieder postulierten Zusammenhang, in: humanismus aktuell 3 (1999), H. 5, 66–77 – Pirson, Dietrich: Die geschichtlichen Wurzeln des deutschen Staatskirchenrechts. HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 3–46 – Putz, Gertraud: Christentum und Menschenrechte, Innsbruck/Wien 1991, 449 S. – Schäfer, Bernd: Staat und katholische Kirche in der DDR, 2. A. Köln u. a. 1999, 501 S. – Scholder, Klaus: Die Kirchen und das Dritte Reich. Bd. 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918–1934, Frankfurt u. a. 1977 (Standardwerk des protestantischen Theologen); Bd. 2: Das Jahr der Ernüchterung 1934. Barmen und Rom. Berlin 1986 (posthum). Bd. 3: s. Besier, Gerhard – Scholder, Klaus: Die Kirchen zwischen Republik und Gewaltherrschaft. Gesammelte Aufsätze. Berlin 1988 (Hrsg. K. O. v. Aretin und G. Besier) – Schroeder, Klaus-Peter: Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. 2. 1803 – Letztes Grundgesetz des Alten Reiches, JuS 1989, 351–357 – Seckler, Max: Religionsfreiheit und Toleranz. Die „Erklärung über die Religionsfreiheit“ des Zweiten Vatikanischen Konzils im Kontext der kirchlichen Toleranz- und Intoleranzdoktrinen. Theologische Quartalsschrift (ThQ) 175, 1995, 1–18 – Starck, Christian: Staat und Religion, JZ 2000, S. 1 ff. – Tillmanns, Reiner: Die Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften in der ehemaligen DDR, Kapitel aus: ders., Grundzüge des Staatskirchenrechts in den neuen Bundesländern, in: P. Neumann/R. Tillmanns (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Probleme bei der Konstituierung der neuen Bundesländer, Berlin 1997, hier: S. 163 ff. – Vallauri, Luigi L./Dilcher, Gerhard (Hrsg.): Christentum, Säkularisation und modernes Recht, Baden-Baden /Mailand 1981 (2 umfassende Bde.) – Weber, Klaus: Die Säkularisation – ein dunkles Kapitel bayerischer Rechtsgeschichte, BayVBl 1985, 553–559 (insgesamt eher positive Würdigung) – Winter, Jörg: Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, Frankfurt u. a. 1979 – Ziekow, Jan: Der Reichsdeputationshauptschluß und die Säkularisation in Preußen, DÖV 1985, 817–819 – Zimmermann, Gunter: Religionsgeschichtliche Grundlagen des modernen Konstitutionalismus, Der Staat 1991, 393–413 – Zippelius, Reinhold: Die Entstehung des demokratischen Rechtsstaates aus dem Geiste der Aufklärung, JZ 1999, 1125–1131 – Zippelius, Reinhold: Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart. München 1997, 170 S.
LitV – B 2: Themenübergreifendes, Dogmatik, korporatives Religionsrecht
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– Zwirner, Henning: Zur Entstehung der Selbstbestimmungsgarantie der Religionsgesellschaften i. J. 1848/49, ZRG kan. Abt. 73 (1987), 210–295
2. Überblicksdarstellungen, themenübergreifende Arbeiten, Grundrechtsdogmatik, korporatives Religionsrecht, rechtspolitische Fragen, Rechts- und Staatsphilosophie – Abel, Ralf B.: Die Entwicklung der Rechtsprechung zu neueren Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften in den Jahren 2003 und 2004, NJW 2005, 114 ff. – Abel, Ralf B.: Die Entwicklung der Rechtsprechung zu neueren Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, NJW 2003, 264–268 (Anschluss an NJW 2001, 410 bis Ende 2002) – Abel, Ralf B.: Die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung zu neueren Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, NJW 2001, 410–419 – Abel, Ralf B.: Die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung zu neueren Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, NJW 1999, 331–337 (Anschluß an NJW 1997, 426) – Anke, Hans Ulrich: Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge. Zu den Möglichkeiten und Grenzen des staatskirchenvertraglichen Gestaltungsinstruments, Tübingen 2000, 453 S. (Jus Eccl. 62) – Arndt, Nina/Droege, Michael: Das Schächturteil des BVerfG. Ein „dritter Weg“ im Umgang mit der Religionsausübungsfreiheit, ZevKR 2003, 188 – Baer, Susanne/Wrase, Michael: Staatliche Neutralität und Toleranz in der „christlichabendländischen Wertewelt“, DÖV 2005, 243–252 – Bayer, Klaus Dieter: Das Grundrecht der Religions- und Gewissensfreiheit, BadenBaden 1997 – Becker, Werner: Toleranz: Grundwert der Demokratie? Ethik und Sozialwissenschaften (EuS) 8, 1997, 413–423 (Hauptartikel; Toleranz als grundlegende Werthaltung der pluralistischen Gesellschaft) – Besier, Gerhard/Scheuch, Erwin K. (Hrsg.): Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid. Teil 1: Aufsätze, Essays und Polemiken, 535 S.; Teil 2, Dokumentation, 494 S., jeweils Zürich und Osnabrück, 1999 – Bethge, Herbert: Art. Gewissensfreiheit in: HdbStR VI, 2. A. 2001, § 137 – Bock, Wolfgang: Die Religionsfreiheit zwischen Skylla und Charybdis, AöR 1998, 444– 475 – Bock, Wolfgang: Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung am Beispiel des Amtsrechts der evangelischen Kirchen, Tübingen 1996, 358 S. – Böckenförde, Ernst-Wolfgang: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ KuR 1999 Nr. 980, S. 206 f. (zustimmend zu U. Neumann, KuR 1999 Nr. 980, S. 205 f.) – Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Religion im säkularen Staat, Universitas 1996, 990–998 – Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Erfolge und Grenzen der Aufklärung. Acht Thesen, in: Universitas 1995, 720–726 – Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Kreuze (Kruzifixe) in Gerichtssälen? ZevKR 20 (1975), 119–147 – Böckenförde, Ernst-Wolfgang: die Entstehung des Staats als Vorgang der Säkularisation, in: FS E. Forsthoff, 1967, 75–94; auch in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, 92 ff. – Borowski, Martin: Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, Tübingen 2006, 837 Seiten (Jus Publicum)
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LitV – B 2: Themenübergreifendes, Dogmatik, korporatives Religionsrecht
– Borowski, Martin: Der Grundrechtsschutz des religiösen Selbstverständnisses, in: Haratsch, A./Janz, N./Rademacher, S./Schmahl, S./Weiß, N. (Hrsg.): Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, Stuttgart u. a. 2001, 49–80 – Braun, Johann: Recht und Moral im pluralistischen Staat, JuS 1994, 727–732 – Brauser-Jung, Gerrit: Religionsgewerbe und Religionsunternehmerfreiheit. Zum Spannungsverhältnis zwischen Religion und Wirtschaft aus wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Perspektive. Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 WRV in ökonomischer Hinsicht, Köln u. a. 2002, 459 S. – Brenner, Michael: Staat und Religion, VVDStRL 59 (2000), 264–300 – Britz, Gabriele: Der Einfluß christlicher Tradition auf die Rechtsauslegung als verfassungsrechtliches Gleichheitsproblem? Zu den praktischen Grenzen religiöser Neutralität im säkularen Staat, JZ 2000, 1127–1133 – Britz, Gabriele: Kulturelle Rechte und Verfassung. Über den rechtlichen Umgang mit kultureller Differenz, Tübingen 2000 – Brockmann, Heinz Wilhelm: Ohne Blick nach vorn. Die Thesen der F.D.P. zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: ders. (Hrsg.), Kirche und moderne Gesellschaft, 1976, 138–165 (anschließend Abdruck der Thesen mit genauer Dokumentation der Vorgeschichte) – Brugger, Winfried/Huster, Stefan (Hrsg.): Der Streit um das Kreuz in der Schule. Zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, Baden-Baden 1998, 307 S. (15 Beiträge, interdisziplinär) – Brugger, Winfried: Kommunitarismus als Verfassungstheorie des Grundgesetzes, AöR 1998, 337–374 – v. Campenhausen, Axel: Neues zum staatlichen Rechtsschutz im kirchlichen Bereich, ZevKR 2000, 622–625 – v. Campenhausen, Axel: Offene Fragen im Verhältnis von Staat u. Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 34 (2000) S. 105–145, sowie Diskussion dazu: S. 146–167 – v. Campenhausen, Axel: Zum Stand des Staatskirchenrechts in Deutschland, BayVBl 1999, 65–70 (hierzu sehr krit. L. Renck, BayVBl 1999, 70) – v. Campenhausen, Axel: Die Kirchen unter dem Grundgesetz 1949–1989, in: R. Morsey/K. Repgen (Hrsg.), Christen und Grundgesetz, Paderborn u. a. 1989, 71 ff. – Classen, Claus Dieter: Religionsfreiheit und Staatskirchenrecht in der Grundrechtsordnung. Zur besonderen Bedeutung der religionsverfassungsrechtlichen Garantien im Lichte der allgemeinen Grundrechtsdogmatik. Tübingen 2003, 195 S. (Jus Publicum 100; zit.: Religionsfreiheit) – Cremer, Hans-Joachim: Der Osho-Beschluss des BVerfG – BVerfGE 105, 279, JuS 2003, 747–751 – Czermak, Gerhard: Religiös-konservative Ideologie als juristisches Erkenntnismittel, Aufklärung und Kritik, Sonderheft 9 (Karlheinz Deschner) 2004, 234–254 – Czermak, Gerhard: Zur Rede von der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats, NVwZ 2003, 949–953 (krit. zu Frank Holzke, NVwZ 2002, 903–913) – Czermak, Gerhard: Das Religionsverfassungsrecht im Spiegel der Tatsachen. Kritische Hinweise zum Verhältnis von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, ZRP 2001, 565–570 – Czermak, Gerhard: Religionsverfassungsrecht im Wandel. Überlegungen anlässlich eines neuen staatskirchenrechtlichen Lehrbuchs, NVwZ 2000, 896–898 – Czermak, Gerhard: Rechtsnatur und Legitimation der Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften, Der Staat 2000, 69–85 – Czermak, Gerhard: Das System der Religionsverfassung des Grundgesetzes, KritJ 2000, 229–247
LitV – B 2: Themenübergreifendes, Dogmatik, korporatives Religionsrecht
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– Czermak, Gerhard: „Gott“ im Grundgesetz? NJW 1999, 1300–1303 – Czermak, Gerhard: „Religions(verfassungs)recht“ oder „Staatskirchenrecht“? NVwZ 1999, 743 f. – Czermak, Gerhard: (Besprechung des HdbStKirchR, 2. A., Bd. 1, 1994 bzw. Bd. 2, 1995) KJ 1995, 121–123 und KJ 1997, 120–123 – Debus, Anne: Das Verfassungsprinzip der Toleranz unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfasssungsgerichtes. Frankfurt a. M. u. a 1999, 268 S. – Debus, Anne: Der Kopftuchstreit in Baden-Württemberg – Gedanken zu Neutralität, Toleranz und Glaubwürdigkeit, KritJ 1999, 430–448 – Deutscher Bundestag: Endbericht der Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“, Drucksache 13/10950 vom 9. 6. 1998 – Deutscher Bundestag, Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ (Hrsg.): Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen. Forschungsprojekte und Gutachten der Enquête-Kommission, Hamm 1998 – Dieckmann, Hubertus-Emmanuel: Überpositives Recht als Prüfungsmaßstab im Geltungsbereich des Grundgesetzes? Eine kritische Würdigung der Rezeption der Radbruchschen Formel und des Naturrechtsgedankens in der Rechtsprechung. Berlin 2006 – Diringer, Arnd: Wirtschaftliche Betätigung und grundrechtlicher Schutz von so genannten neuen Jugendreligionen, Kriterien zur Unterscheidung zwischen religiösweltanschaulichen und wirtschaftlich ausgerichteten Vereinigungen, NVwZ 2004, 1312–1318 – Diringer, Arnd: Die Nichtzulassung von Mitgliedern der Scientology-Organisation zum öffentlichen Dienst, NVwZ 2003, 901–906 – Discher, Thomas: Mittelbarer Eingriff, Gesetzesvorbehalt, Verwaltungskompetenz: Die Jugendsektenentscheidungen – BVerwGE 82, 76; BVerwG, NJW 1991, 1770; 1992, 2496; BVerfG, NJW 1989, 3269, in: JuS 1993, 463–471 – Dreier, Horst: Menschenwürde in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht (Hrsg. Schmidt-Aßmann u. a.), Köln u. a. 2003, 201–222 – Droege, Michael: Prekäre Leitfunktion christlicher Tradition in Zeiten kultureller Differenz? Der Kulturauftrag im Verfassungsstaat und die Kirchen, KritV 2001, 466 ff. – Droege, Michael/Fischer-Lescano, Andreas: Gewissensfreiheit in der Bundeswehr – Berufung auf die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges als Ungehorsamsgrund? NVwZ 2006, 171–173 (zu BVerwG NVwZ 2006, 211, U. v. 21. 6. 2005) – Ehlers, Dirk: Die Bindungswirkungen von Staatskirchenverträgen, in: Staat – Kirche – Verwaltung. Festschrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, München 2001, 333– 349 – Ehlers, Dirk: Problemstellungen des Vertragsstaatskirchenrechts, ZevKR 2001, 286 ff. – Ehlers, Dirk: Der Bedeutungswandel im Staatskirchenrecht, in: B. Pieroth (Hrsg.), Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung, Berlin 2000, 85–112 (wichtiger Überblick) – Ehlers, Dirk: Die Lage des Staatskirchenrechts in der Bundesrepublik Deutschland, ZevKR 2000, 201–219 – Ehlers, Dirk: Die gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche, ZevKR 32 (1987), 158–185 – Ellwein, Thomas: Klerikalismus in der deutschen Politik, 1. und 2. A. München 1955; 2. A. 305 S. – Endrös, Alfred: Finis rerum sacrarum 11. 8. 1919? Zur Entstehungsgeschichte der Artikel 137 V und 138 II der Weimarer Reichsverfassung, in: ZevKR 33 (1988), 285–301
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LitV – B 2: Themenübergreifendes, Dogmatik, korporatives Religionsrecht
– Famos, C. R.: Die öffentlichrechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften im Lichte des Rechtsgleichheitsprinzips, 1999 – Fehlau, Meinhard: Die Schranken der freien Religionsausübung, JuS 1993, 441–447 – Fiedler, Wilfried/Robbers, Gerhard/Brenner, Michael: Staat und Religion, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer [VVDStRL] 59 (2000), S. 199–365 – Filmer, Fridtjof: Das Gewissen als Argument im Recht, Berlin 2000, 333 S., SÖR 808 – Fischer, Erwin: Trennung von Staat und Kirche. Die Gefährdung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der Bundesrepublik, 3. A. Frankfurt a. M. 1984, 352 S. – Fischer, Erwin: Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche. Die Gefährdung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland, 4., völlig neu bearb. A., Berlin/Aschaffenburg 1993, 240 S. (es handelt sich aber nicht um eine 4. A., sondern um ein andersartiges Buch) – Fischer, Erwin: Das Bundesverfassungsgericht und das Gebot der Trennung von Staat und Kirche, KJ 1989, 295–307 – Fischer, Erwin: Das Kirchenpapier der F.D.P. und seine Kritiker, Vorgänge Nr. 12 (1974), 4–10; der Text des Kirchenpapiers ist ebenda S. 93 f. abgedruckt – Fischer, Kristian/Groß, Thomas: Die Schrankendogmatik der Religionsfreiheit, DÖV 2003, 932–939 – Friederich, Ueli: Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat. Zur Bedeutung der Religionsfreiheit im schweizerischen Staatskirchenrecht, Bern 1993, 478 S. (eingehend zum Neutralitätsgebot) – Fuchs, Claudio: Das Staatskirchenrecht der neuen Bundesländer, Tübingen 1999, 324 S. (Jus Eccl. 61) – Gambke, Christian A. W.: Staatliche Diskriminierung der Schüler des Mystikers Osho in Deutschland und die Folgen, Gewissen und Freiheit H. 50 (1998), 6–32 (materialreiche rechtstatsächlich-juristische Studie zur Ideologisierung in Staat und Gesellschaft) – Germann, Michael: Staatliche und kirchliche Gerichtsbarkeit, in: Listl-FS 2004, 627 ff. – Giegerich, Thomas: Religionsfreiheit als Gleichheitsanspruch und Gleichheitsproblem, in: Grote, R./ Marauhn, T. (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht. Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, Berlin u. a. 2001, 241–309 – Glawatz-Wellert, Anne-Ruth: Die Zuordnung der Diakonie zur Kirche, ZevKR 2006, 352 ff. – Goerlich Helmut: JZ 1995, 955–958 (Anm. zu BAG B. v. 22. 3. 1995 – Scientology – und BVerwG B. v. 16. 2. 1995 – Art. 4 GG und Gewerberecht) – Goos, Christoph: Rechtsschutz in Kirchensachen – eine unendliche Geschichte, ZBR 2004, 159 ff. – Grzeszick, Bernd: Staatlicher Rechtschutz und kirchliches Selbstbestimmungsrecht, AöR 2004, 168 – Groh, Katrin: Selbstschutz der Verfassung gegen Religionsgemeinschaften. Vom Religionsprivileg des Vereinsgesetzes zum Vereinigungsverbot. Berlin 2004, 533 S. – Grundmann, Siegfried: Das Verhältnis von Staat und Kirche auf der Grundlage des Vertragskirchenrechts, ÖAKR 13 (1962), 281–300 = Quaritsch/Weber, 1967, 248–264 – Guntau, Burkhard: Der Ruf des Muezzin in Deutschland – Ausdruck der Religionsfreiheit? ZevKR 1998, 369–386 – Gusy, Christoph: Kopftuch – Laizismus – Neutralität, KritV 2004, 153 ff. – Gusy, Christoph: Verwaltung durch Information. Empfehlungen und Warnungen als Mittel des Verwaltungshandelns, NJW 2000, 977–986 – Hansen, Arfst Hinrichs: Die rechtliche Behandlung von Glaubens- und Gewissenskonflikten im Arbeitsverhältnis, Frankfurt a. M. u. a. 2000, 173 S.
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– Hassemer, Winfried/Hömig, Dieter: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich der Bekenntnisfreiheit, EuGRZ 1999, 525–536 (Höchstmaß an komprimierter, unkommentierter Information) – Heckel, Martin: Kontinuität und Wandlung des deutschen Staatskirchenrechts unter den Herausforderungen der Moderne, ZevKR 1999, 340–384 – Heckel, Martin: Die Kirchen im Sozialstaat. Staatskirchenrechtliche Probleme und Positionen kirchlicher Wohlfahrtspflege, in: Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. FS für Hans Zacher zum 70. Geburtstag, Heidelberg 1998, 235–257 – Heckel, Martin: Religionsfreiheit, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. IV, Tübingen 1997, S. 647–859. – Heckel, Martin: Das Kreuz im öffentlichen Raum. Zum „Kruzifix-Beschluß“ des Bundesverfassungsgerichts, DVBl 1996, 453–482 – Heckel, Martin: Die religionsrechtliche Parität. HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 589– 622 – Heckel, Martin: Das Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Religion. HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 623–650 – Heckel, Martin: Zur Ordnungsproblematik des Staatskirchenrechts im säkularen Kulturund Sozialstaat, JZ 1994, 425–431 – Heinig, Hans Michael: Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften. Studien zur Rechtsstellung der nach Art. 137 Abs. 5 WRV korporierten Religionsgesellschaften in Deutschland und der Europäischen Union, Berlin 2003, 578 S. – Heinig, Hans Michael/Walter, Christian (Hrsg.): Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht? Ein begriffspolitischer Grundsatzstreit. Tübingen 2007, 367 S. – Heinig, Hans Michael/Morlok, Martin: Von Schafen und Kopftüchern. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit in Deutschland vor den Herausforderungen religiöser Pluralisierung, JZ 2003, 777–785 – Hellermann, Johannes: Multikulturalität und Grundrechte – am Beispiel der Religionsfreiheit, in: C. Grabenwarter/St. Hammer u. a. (Hrsg.), Allgemeinheit der Grundrechte und Vielfalt der Gesellschaft, Stuttgart u. a. 1994, 129–144. – Hellermann, Johannes: Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, Berlin 1993 – Hense, Ansgar: Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht: mehr als ein Streit um Begriffe? in: Haratsch, A./Janz, N./Rademacher, S./Schmahl, S./Weiß, N. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, Stuttgart u. a. 2001, 9–47 – Hense, Ansgar: Glockenläuten und Uhrenschlag. Der Gebrauch von Kirchenglocken in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, Berlin 1998, 418 S., Staatskirchenrechtliche Abhandlungen 32 (u. a. grundrechtstheoretisch wichtig) – Herdegen, Matthias: Gewissensfreiheit. HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 481–504 – Herdegen, Matthias: Gewissensfreiheit und Normativität des positiven Rechts, Berlin 1989, 330 S. – Hesse, Konrad: Die Entwicklung des Staatskirchenrechts seit 1945, JöR n. F. 10 (1961), 3–121 – Hesse, Konrad: Freie Kirche im demokratischen Gemeinwesen. Zur Gegenwartslage des Verhältnisses von Staat und Kirche in der Bundesrepublik, ZevKR 11 (1964/65), 337– 362; auch in: Quaritsch/Weber (1967), 334–357 – Herrmann, Horst: Ein unmoralisches Verhältnis. Bemerkungen eines Betroffenen zur Lage von Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1974 – Hilgendorf, Eric: Die missbrauchte Menschenwürde, Jahrbuch für Recht und Ethik 7 (1999), 137–158 – Hilgendorf, Eric: Religion, Recht und Staat. Zur Notwendigkeit einer Zähmung der Religionen durch das Recht, in: ders. (Hrsg.), Wissenschaft, Religion und Recht. Hans Albert zum 85. Geburtstag, 2006, 359–383.
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– Hillgruber, Christian: Der Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften. Objektives Grundverhältnis oder subjektives Grundrecht, NVwZ 2001, 1347–1355 (Kritik an BVerfGE 102, 370 betreffend Zeugen Jehovas) – Hillgruber, Christian: Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport. Die Antwort des Grundgesetzes auf eine religiöse Herausforderung, JZ 1999, 538 ff. – Hoerster, Norbert: Religion als Maßstab des Rechts? in: ders., Sterbehilfe im säkularen Staat, Frankfurt a. M. 1998, 154–166 – Hoerster, Norbert (Hrsg.): Recht und Moral, Texte zur Rechtsphilosophie, Stuttgart 2002 – Höffe, Otfried: Vernunft und Recht, Frankfurt a. M. 1996, 296 S. (u. a. zu Menschenrechten und Christentum, Kommunitarismus) – Hofmann, Hasso: Recht, Politik und Religion, JZ 2003, 377 – Hollerbach, Alexander: Religion und Kirche im freiheitlichen Verfassungsstaat. Bemerkungen zur Situation des deutschen Staatskirchenrechts im europäischen Kontext, Berlin 1998, 36 S. – Hollerbach, Alexander: Vertragsstaatskirchenrecht als Instrument im Prozeß der deutschen Wiedervereinigung, KuR 1995, 1–12 = Nr. 120, 1–12 – Huster, Stefan: Die ethische Neutralität des Staates. Eine liberale Interpretation der Verfassung. Tübingen 2002, 764 S. (Jus Publicum 90) – Huster, Stefan: Bioethik im säkularen Staat. Ein Beitrag zum Verhältnis von Rechtsund Moralphilosophie im pluralistischen Gemeinwesen, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 55 (2001), S. 258–276 – Huster, Stefan: Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates. Das Kreuz in der Schule aus liberaler Sicht, in: Brugger, W./Huster, S. (Hrsg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, 69–108 (eingeh. zum Neutralitätsliberalismus) – Huster, Stefan: Liberalismus, Neutralität und Fundamentalismus. Über verfassungsrechtliche und sozialphilosophische Grenzen rechtlicher Verbote und Regulierungen in der Gentechnologie und in der modernen Medizin, in: A. Brockmöller u. a. (Hrsg.), Ethische und strukturelle Herausforderungen des Rechts, (ARSP-Beiheft 66) Stuttgart 1997, 9 ff. – Huster, Stefan: Körperschaftsstatus unter Loyalitätsvorbehalt? – BVerwG, NJW 1997, 2396, in: JuS 1998, 117–121 – Isak, Axel: Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften und seine Bedeutung für die Auslegung staatlichen Rechts, Berlin 1994 (zit.: Selbstverständnis), 354 S. (SKA) – Isensee, Josef: Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirche, Essener Gespräche 25 (1991), 104–146 – Jaeschke, Walter: Der Glaube als Hüter der Verfassung, Evangelische Theologie 54 (1994), 105–119 – Janz, Norbert/Rademacher, Sonja: Islam und Religionsfreiheit. Die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staates auf dem Prüfstand, NVwZ 1999, 706–713 – Jeand’Heur, Bernd: Jus divinum oder BGB: Eintragung von Religionsgemeinschaften in das Vereinsregister? – BVerfGE 83, 341, JuS 1992, 830–834 – Jeand’Heur, Bernd: Der Begriff der „Staatskirche“ in seiner historischen Entwicklung. Die Interpretation von Art. 137 WRV im Zeitpunkt seines Inkrafttretens und sein Einfluß auf die politische Einstellung erheblicher Teile des deutschen Protestantismus zum Verfassungs“system“ von Weimar, in: Der Staat 1991, 442–467 – Kahl, Wolfgang: Vom weiten Schutzbereich zum engen Gewährleistungsgehalt. Kritik einer neuen Richtung der deutschen Grundrechtsdogmatik, Der Staat 2004, 167 – Kalb, Herbert/Potz, Richard/Schinkele, Brigitte: Das Kreuz in Klassenzimmer und Gerichtssaal, Freistadt (Österreich) 1996, 180 S.
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– Kästner, Karl-Hermann: Tendenzwende in der Rechtsprechung zum staatlichen Rechtsschutz in Kirchensachen, NVwZ 2000, 889–891 – Kästner, Karl-Hermann: Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, AöR 1998, 408–443 (Der Beitrag schließt an an die Berichte von A. Hollerbach in AöR 1967, 99 ff. und AöR 1981, 2189 ff. und umfasst den Zeitraum von 1981–1997, jedoch mit Konzentration ausschließlich auf grundrechtliche Fragen.) – Kästner, Karl-Hermann: Hypertrophie des Grundrechts auf Religionsfreiheit? Über das Verhältnis der Religions- und Weltanschauungsfreiheit zum Geltungsanspruch des allgemeinen Rechts, JZ 1998, 974–982 – Kästner, Karl-Hermann: Individuelle Gewissensbindung und normative Ordnung, ZevKR 37 (1992), 127–148 – Kästner, Karl-Hermann: Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit. Über die Frage nach der staatlichen Kompetenz zur Rechtsschutzgewährung im Wirkungsbereich der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Tübingen 1991, 318 S. – Kästner, Karl-Hermann: „Säkulare“ Staatlichkeit und religionsrechtliche Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Bemerkungen zur Tragweite des Säkularitätsprinzips für die Definition religionsbezogener Tatbestandsmerkmale staatlichen Rechts, in: ZevKR 34 (1989), 260–286 (materialreich) – Kästner, Karl-Hermann: Die Entwicklung des Staatskirchenrechts seit 1961, JöR n. F. 27 (1978), 239 ff. (Anschluss an Hesse JöR n. F. 10; mit umfangreicher Literaturübersicht) – Kazele, Norbert: Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht – Ausgewählte Fragen des Staatskirchenrechts, VerwArch 2005, 267 ff. und 421 ff. – Keßler, Rainer: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen am Beispiel der Kontroverse um die Geltung des staatlichen Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich, in: Die Kirchen und die Politik (Hrsg. H. Abromeit/G. Wewer), Opladen 1989, 136–157 – Kippenberg, Hans G./Schuppert, Gunnar F. (Hrsg.): Die verrechtlichte Religion. Der Öffentlichkeitsstatus von Religionsgemeinschaften, Tübingen 2005, 350 S. – Kirchhof, Paul: Die Freiheit der Religionen und ihr unterschiedlicher Beitrag zu einem freien Gemeinwesen, in: Essener Gespräche 39 (2004), 105 – Kleine, Markus: Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten im Verhältnis von Staat und Kirchen unter dem Grundgesetz. Ein Beitrag zur juristischen Methodik im Staatskirchenrecht, Baden-Baden 1993, 246 S. (zit.: Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten) – Kloepfer, Michael: Der Islam in Deutschland als Verfassungsfrage, DÖV 2006, 45–55 – Kluth, Winfried: Das Grundrecht der Gewissensfreiheit und die allgemeine Geltung der Gesetze. Überlegungen zur situativen Normdurchbrechung, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche was der Kirche ist. Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag. Berlin 1999, 215–238 – Kokott, Juliane: Laizismus und Religionsfreiheit im öffentlichen Raum, Der Staat 2005, 343–367 – Korioth, Stefan: Loyalität im Staatskirchenrecht? Geschriebene und ungeschriebene Voraussetzungen des Körperschaftsstatus nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV, in: Rechtstheorie und Rechtsdogmatik im Austausch. GS für Bernd Jeand’Heur, Berlin 1999, 221–245 – Kluth, Winfried: Das Grundrecht der Gewissensfreiheit, Listl-FS I (1999), 215–238 – Krebs, Thomas G.: Hoheitliche Äußerungen über sogenannte Jugendreligionen. Frankfurt a. M. 1998, 171 S. – Kriele, Martin: Die rechtspolitischen Empfehlungen der Sektenkommission, ZRP 1998, 349–355
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LitV – B 2: Themenübergreifendes, Dogmatik, korporatives Religionsrecht
– Kriele Martin: Aktuelle Probleme des Verhältnisses von Kirche und Staat, in: Internationale Katholische Zeitschrift 1990, 541–555 – Krüper, Julian: Die grundrechtlichen Grenzen staatlicher Neutralität, JöR 2005, 79 ff. – Kupke, Arne: Die Entwicklung des deutschen „Religionsverfassungsrechts“ nach der Wiedervereinigung, insbesondere in den Neuen Bundesländern, Berlin 2004, 324 S. – Ladeur, Karl-Heinz/Augsberg, Ino: Der Mythos vom neutralen Staat, JZ 2007, 12 – Ladeur, Karl-Heinz/Augsberg, Ino: Toleranz-Religion-Recht. Die Herausforderung des „neutralen“ Staates durch neue Formen der Religiosität in der postmodernen Gesellschaft, Tübingen 2007, 153 S. – Leidinger, Tobias: Hoheitliche Warnungen, Empfehlungen und Hinweise im Spektrum staatlichen Informationshandelns. Zum aktuellen Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur, DÖV 1993, 925–935 – Link, Christoph: Ein Dreivierteljahrhundert Trennung von Kirche und Staat in Deutschland. Geschichte, Grundlagen und Freiheitschancen eines staatskirchenrechtlichen Modells, in: FS für Werner Thieme zum 70. Geburtstag, Köln u. a. 1993, 95–122 – Magen, Stefan: Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit. Zur Bedeutung des Art. 137 Abs. 5 WRV im Kontext des Grundgesetzes, Tübingen 2004, 328 S. – Magen, Stefan: Der Rechtsschutz in Kirchensachen nach dem materiell-rechtlichen Ansatz, NVwZ 2002, 897–903 – Mahrenholz, Ernst-Gottfried: Die Kirchen in der Gesellschaft der Bundesrepublik, 2. A. Hannover 1972 (kritische Darstellung mit zahlreichen, meist historischen, interessanten Dokumenten) – Maunz, Theodor: Die Kooperation von Staat und Kirche, BayVBl 1988, 231–234 – Maunz, Theodor: Die religiöse Neutralität des Staates, AfkKR 139 (1970), 427–442 – Maurer, Hartmut: Die Schranken der Religionsfreiheit, in: FS für Peter Badura, Tübingen 2004, 311 – Mayer-Scheu, Hansjosef: Grundgesetz und Parität von Kirchen und Religionsgemeinschaften, Mainz 1970 – Misera-Lang, Kathrin: Dogmatische Grundlagen der Einschränkbarkeit vorbehaltloser Freiheitsgrundrechte, Frankfurt 1999 – Morlok, Martin/Heinig, Michael: Parität im Leistungsstaat - Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität? Ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 V 2 WRV. NVwZ 1999, 697–706 – Muckel, Stefan: Der Staatskirchenvertrag als Instrument zur Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche, in: Reiner Tillmanns (Hrsg.), Staatskirchenverträge im Freistaat Sachsen, Leipzig 2001, 23–44 – Muckel, Stefan: Die Grenzen der Gewissensfreiheit, NJW 2000, 689–992 – Muckel, Stefan: Religionsfreiheit für Muslime in Deutschland, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche was der Kirche ist. Listl-FS 1999, 239–257 – Muckel Stefan: Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung. Die verfassungsrechtlichen Garantien religiöser Freiheit unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen, Berlin 1997, 355 S. (zit.: Religiöse Freiheit) – Mückl, Stefan: Europäisierung des Staatskirchenrechts, Baden-Baden 2005 – Mückl, Stefan: Religionsfreiheit und Sonderstatusverhältnisse – Kopftuchverbot für Lehrerinnen? Der Staat 2001, 96–127 (auch wichtig zur Schutzbereichsproblematik) – Müller, Friedrich: Jenseits der Verfassung. Konkordatslehrstühle am Maßstab des Grundgesetzes, in: DuR 1976, 175–179 = ders., Rechtsstaatliche Form – demokratische Politik. Gesammelte Aufsätze, 1977, 110 ff. – Müller-Volbehr, Jörg: Staatskirchenrecht an der Jahrtausendwende –Bestandsaufnahme und Ausblick, ZevKR 44 (1999), S. 385–412
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– Müller-Volbehr, Jörg: Das Grundrecht der Religionsfreiheit und seine Schranken, DÖV 1995, 301–310 – Müller-Volbehr, Jörg: Das Staatskirchenrecht als Gegenstand der einfachen Gesetzgebung in Bund und Ländern, in: HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 289–313 – Müller-Volbehr, Jörg: Staatskirchenrecht im Umbruch, ZRP 1991, 345–349 (u. a. zum Abschied vom System der Volkskirche; krit. protestantische Sicht) – Murswiek, Dietrich: Das Bundesverfassungsgericht und die Dogmatik mittelbarer Grundrechtseingriffe. Zu der Glykol- und der Osho-Entscheidung vom 26. 6. 2002, NVwZ 2003, 1–8 – Neumann, Johannes: Zur Diskrepanz zwischen politisch–institutionellem Anspruch der Kirchen und der gesellschaftlichen Realität. Teil I: Die Kirchen – Kostgänger des Staates: zu Lasten aller, in: RSG 2002, 103–134 – Neumann, Johannes: Die Kirchen und ihr Charakter als Körperschaften des öffentlichen Rechts, Religion – Staat – Gesellschaft 2001, 11–46 – Neumann, Ursula: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“, KuR 1999 Nr. 980, S. 205 f. – Neureither, Georg: Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften als Grundlage des staatskirchenrechtlichen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2002, 382 S. (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen 37) – Nolte, Achim: Durchbruch auf dem Weg zu einem gleichwertigen staatlichen Rechtsschutz in „Kirchensachen“?! NJW 2000, 1844–1845 – Nolte, Achim: Der richtige Weg von der „versorgenden“ zur „vorsorgenden“ Neutralität. Die bayerischen Schulkreuze auf dem Prüfstand des BVerwG, NVwZ 2000, 891 ff. – Obermayer, Klaus: Das Verhältnis von Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften nach dem Grundgesetz, DVBl 1981, 615–619 – Oebbecke , Janbernd (Hrsg.): Muslimische Gemeinschaften im deutschen Recht, Frankfurt a. M. 2003 – Oebbecke, Janbernd: Islamisches Schlachten und Tierschutz, NVwZ 2002, 302 f. (zu BVerfG NJW 2002, 663, U. v. 15. 1. 2002) – Oellers-Frahm, Karin: Staatliche und religionsautonome Gerichtsbarkeit, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, Berlin 2001, 471–507 – Ott, Sieghart: Christliche Aspekte unserer Rechtsordnung, Berlin/Neuwied 1968, 220 S. – Pauly, Walter/Pagel, Cornelia: Die Gewährleistung ungestörter Religionsausübung, NVwZ 2002, 441–444 – Pagels, Carsten: Schutz- und förderpflichtrechtliche Aspekte der Religionsfreiheit, 1999 – Pawlowski, Hans-Martin: Recht und Glauben, KuR 1998 Nr. 110, S. 93–112 – Pawlowski, Hans-Martin: Werte, Normen und persönliche Orientierung, ARSP 1996, 26–42 – Pawlowski, Hans-Martin: Recht und Moral im Staat der Glaubensfreiheit. Ausgewählte rechtstheoretische Arbeiten, Baden–Baden 1992, 192 S. – Pieroth, Bodo/Görisch, Christoph: Was ist eine „Religionsgemeinschaft“? JuS 2002, 937–941 – Pirson, Dietrich: Die zeitlose Qualität der Weimarer Kirchenartikel, in: Staat – Kirche – Verwaltung. Festschrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, München 2001, 409– 423 – Pirson, Dietrich: Religiöse Neutralität in der staatlichen Sozialhilfe, in: Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. FS für Hans Zacher zum 70. Geburtstag, Heidelberg 1998, 743–754
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LitV – B 2: Themenübergreifendes, Dogmatik, korporatives Religionsrecht
– Pirson, Dietrich: Religiöse Minderheiten nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, in: J. Neumann/M. W. Fischer (Hrsg.), Toleranz und Repression, Frankfurt/New York 1987, 99–117 – Poscher, Ralf: Totalität, Homogenität, Zentralität, Konsistenz. Zum verfassungsrechtlichen Begriff der Religionsgemeinschaft. Der Staat 2000, 49–67 – Quaritsch, Helmut: Neues und Altes über das Verhältnis von Kirchen und Staat, Der Staat 5 (1966), 451–474 = Quaritsch/Weber, 1967 (s. unten), 358–381 – Quaritsch, Helmut: Kirchen und Staat. Verfassungs- und staatstheoretische Probleme der staatskirchenrechtlichen Lehre der Gegenwart, in: Der Staat 1 (1962), 175–197 und 289–320 = Quaritsch/Weber, 1967 (s. unten), 265–310 – Rath, Peter (Hrsg.): Trennung von Kirche und Staat? Dokumente und Argumente. Reinbek 1974 – Rathke, Henning: Das Verbot von Religionsgemeinschaften nach der Abschaffung des vereinsrechtlichen „Religionsprivilegs“, ZevKR 2005, 95 ff. – Rawls, John: Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten, in: ders., Die Idee des politischen Liberalismus, 1992, 364 ff. – Reese-Schäfer, W.: Die politische Rezeption des kommunitaristischen Denkens in Deutschland, Aus Politik und Zeitgeschichte 1996, B 36, 3 ff. – Renck, Ludwig: Rechtsstellungsgesetze für Bekenntnisgemeinschaften, ZRP 2006, 87– 90 – Renck, Ludwig: Korporierte Bekenntnisgemeinschaften im bekenntnisneutralen Staat, RSG 2005, 97 ff. – Renck, Ludwig: Bemerkungen zum Konkordat des Landes Brandenburg mit dem Hl. Stuhl, LKV 2004, 250–254 – Renck, Ludwig: Res sacrae in den neuen Bundesländern, LKV 2002, 58 ff. – Renck, Ludwig: Die unvollkommene Parität, DÖV 2002, 56–67 – Renck, Ludwig: Bekenntnisrecht im wiedervereinigten Deutschland, ZRP 1999, 323– 326 – Renck, Ludwig: Zum Stand des Bekenntnisverfassungsrechts in der Bundesrepublik, BayVBl 1999, 70 ff. (sehr krit. zu v. Campenhausen, Axel: Zum Stand des Staatskirchenrechts in Deutschland, BayVBl 1999, 65–70) – Renck, Ludwig: Der sogenannte Rang der Kirchenverträge, DÖV 1997, 929–938 – Renck, Ludwig: Nochmals: Bekenntnisneutraler Staat und Bischofsernennung. Replik auf Pirson, BayVBl 1996, 641 ff. und Müller, BayVBl 1996, 644 ff, in: BayVBl 1997, 553 f. – Renck, Ludwig: Verfassungsprobleme der theologischen Fakultäten, NVwZ 1996, 333– 339 – Renck, Ludwig: Bemerkungen zu den sogenannten Staatskirchenverträgen, ThürVBl 1995, 31–37 – Renck, Ludwig: Die Bischofsernennung in den Konkordaten, BayVBl 1995, 682–684 – Renck Ludwig: Über positive und negative Bekenntnisfreiheit, NVwZ 1994, 544–547 – Renck, Ludwig: Rechtsprobleme der Benutzung kirchlicher Friedhöfe, DÖV 1993, 517– 523 – Renck, Ludwig: Staatliche Religionsneutralität und Toleranz – BVerfGE 35, 366 und 52, 233, in: JuS 1989, 451–455 (krit. zur Kruzifixentscheidung [1973] und zur Schulgebetsentscheidung [1979]) – Renck, Ludwig: Die Trennung von Staat und Kirche, BayVBl 1988, 225–231 – Röben, Volker: Religionsgemeinschaften und wirtschaftliche Tätigkeiten, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), 2001, 547–577 – Röger, Ralf: Die Religionsfreiheit des Richters im Konflikt mit der staatlichen Neutralitätspflicht. Über die Unzulässigkeit des offensichtlichen Tragens religiöser Symbole
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oder religiös bedingter Bekleidung bei Ausübung des Richteramtes, DRiZ 1995, 471– 479 Roellecke, Gerd: Leben zwischen Religion und Recht, JZ 2005, 421 ff. Roellecke, Gerd: Die Entkoppelung von Recht und Religion, JZ 2004, 105–110 Rozek, Jochen: [Anm. zum Kruzifix–Beschluss des BVerfG von 1995] BayVBl 1996, 22–25 Rüfner, Wolfgang: Gewissensentscheidung im Arbeitsverhältnis, RdA 1992, 1–6 Rupp, Hans Heinrich: Verfassungsprobleme der Gewissensfreiheit, NVwZ 1991, 1033– 1038 Rüthers, Bernd: Rechtstheorie. Begriff, Geltung und Anwendung des Rechts. 2. A., München 2005 Sachs, Michael: Zur Bedeutung der grundgesetzlichen Gleichheitssätze für das Recht des öffentlichen Dienstes, ZBR 1994, 133–143 Sailer, Christian: Grenzen öffentlichrechtlicher Kirchenmacht. Zur verfassungsrechtlichen Bewältigung einer neuen Inquisitionsbewegung, ZRP 1999, 455–459 Salzmann, Rainer: Die Entstehung von Artikel 140 des Grundgesetzes, in: L. Koch/J. G. Stanzel (Hrsg.), Christliches Engagement in Gesellschaft und Politik, Frankfurt u. a. 1979, 237–258 Sarcevic, Edin: Religionsfreiheit und der Streit um den Ruf des Muezzins, DVBl 2000, 519–528 Scheffler, Gerhard: Staat und Kirche. Die Stellung der Kirche im Staat nach dem Grundgesetz. 2., völlig neu bearbeitete A., Hamburg 1973 (zu Unrecht vergessene Gesamtdarstellung) Scheuch, Erwin K.: Religionsfreiheit als Problem heute, RSG 2000, 213–231 (Sektenproblematik, Grenzen der Toleranz) Schieder, Rolf (Hrsg.): Religionspolitik und Zivilreligion. Baden–Baden 2001, 239 S. Schlaich, Klaus: Zur weltanschaulichen und konfessionellen Neutralität des Staates. Eine staatsrechtliche Problemskizze, in: ders., Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1997 (Jus Eccl. 57), 448–479; Erstveröffentlichung: Essener Gespräche 4 (1970), 9–44 Schlaich, Klaus: Konfessionalität – Säkularität – Offenheit. Der christliche Glaube und der freiheitlich-demokratische Verfassungsstaat, in: ders., Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1997 (Jus Eccl. 57), 423–447; Erstveröffentlichung in T. Rendtorff (Hrsg.), Charisma und Institution, Gütersloh 1985, 175–198 Schlaich, Klaus: Staatskirchenrecht im Umbruch? Evangelische Theologie 1994, 119– 134 Schmidt, Thomas M.: Religionsfreiheit in pluralistischen Gesellschaften – Ausschluß des Religiösen aus der politischen Öffentlichkeit? RSG 2000, 323–337 (zur Begründung des liberalen Rechtsstaats) Schmidt-Eichstaedt, Gerd: Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts? Köln u. a. 1975 (wichtige Kritik an der h. M., aber eigenwilliges Ergebnis zu Art. 137 V WRV) Schmidt-Jortzig, Edzard: Systematische Bedingungen der Garantie unbedingten Schutzes der Menschenwürde in Art. 1 GG – unter besonderer Berücksichtigung der Probleme am Anfang des menschlichen Lebens, DÖV 2001, 925–932 Schoch, Friedrich: Die Grundrechtsdogmatik vor den Herausforderungen einer multikonfessionellen Gesellschaft, in: Verfassung, Philosophie, Kirche. FS für Alexander Hollerbach zum 70. Geburtstag, Berlin 2001, 149–167 Schuck, Martin: Religion, Recht und Staat. Ernst-Wolfgang Böckenfördes Staatslehre zwischen Rechts- und Religionsphilosophie, MdKI 2000, 83–89
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LitV – B 2: Themenübergreifendes, Dogmatik, korporatives Religionsrecht
– Simon, Helmut: Freie Kirche im demokratischen Staat. Betrachtungen zur Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat aus Anlaß der Kruzifix–Entscheidung, ZevKR 42 (1997), 155–168 – Simon, Helmut: Katholisierung des Rechtes? Zum Einfluss katholischen Rechtsdenkens auf die gegenwärtige Gesetzgebung und Rechtsprechung, Göttingen 1962 (Bensheimer Hefte 16) – Spielbauer, Bernhard: Der öffentlich–rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland. Wesen und aktuelle Legitimation. Hamburg 2005, 252 S. – Starck, Christian: Staat und Religion, JZ 2000, 1 ff. – Stolleis, Michael: Eine neue Bilanz des Staatskirchenrechts. Zugleich Besprechung des Ersten Bandes der Zweiten Auflage des Handbuchs des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, in: ZevKR 1996, 435–442 – Strätz, Hans-Wolfgang: „Die Religionen Müsen alle Tollerieret werden“. Religion als Gesetzesbegriff, in: Staat – Kirche – Verwaltung. Maurer-FS 2001, 445–467 (Untersuchung des bundesrechtlichen Normenbestands) – Tiedemann, Paul: Gewissensfreiheit und Demokratie, Der Staat 26 (1987), 371–396 – Tiedemann, Paul: Der Gewissensbegriff in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, DÖV 1984, 61–67 – v. Tiling, Peter: Die Kirche in der pluralistischen Gesellschaft, ZevKR 14 (1968/69), 259–277 (Schwerpunkt: institutionalisierte Mitwirkungsfälle) – Tillmanns, Reiner: Die Religionsfreiheit (Art. 4 I, II GG), Jura 2004, 619–627 – Uhle, Arnd: Staat, Kirche, Kultur, Berlin 2004, 203 S. (SKA) – Walter, Christian: Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive, Tübingen 2006, 664 S. (Jus Publicum 150; Deutschland, Frankreich, USA) – Wasmuth, Johannes: Verfassungsrechtliche Grenzen der institutionellen Kooperation von Staat und Religionsgesellschaften, in: Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart. FS für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, München 2002, 607–629 – Weber, Hermann: Kontroverses zum Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Amtsrecht, NJW 2003, 2067–2070 – Weber, Hermann: Neuralgische Punkte in den Grundsatzfragen des Staatskirchenrechts, in: Staat – Kirche – Verwaltung. Festschrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, München 2001, 469–492 – Weber, Hermann: Der Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland nach dem „Zeugen-Jehovas-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts, Religion – Staat – Gesellschaft 2001, 47–77 – Weber, Hermann: Die Religionsfreiheit im nationalen und internationalen Verständnis, in: ZevKR 45 (2000), 109–156. – Weber, Hermann: Theologische Fakultäten und Professuren im weltanschaulich neutralen Staat. Staatskirchenrechtliche und rechtspolitische Aspekte, NVwZ 2000, 848– 857 – Weber, Hermann: Minderheitenreligionen in der staatlichen Rechtsordnung, in: Besier, G./Scheuch, E. K. (Hrsg.), Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid. Bd. 1 S. 174–210, 517–519, 1999 – Weber, Hermann: Grundrechtsbindung der Kirchen und Religionsgemeinschaften. HdbStKirchR Bd.1, 2. A. 1994, 573–587 – Weber, Hermann: Die rechtliche Stellung der christlichen Kirchen im modernen demokratischen Staat – Staatskirchenrechtliche Aspekte, ZevKR 36 (1991), 253–275 – Weber, Hermann: Gelöste und ungelöste Probleme des Staatskirchenrechts, NJW 1983, 2541–2554
LitV – B 3: Schulrecht und Elternrecht
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– Weber, Hermann: Grundprobleme des Staatskirchenrechts, Bad Homburg v. d. H. u. a. 1970, 74 S. (immer noch wertvolle Einstiegslektüre) – Weber, Hermann: Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, Berlin 1966 – Weiß, Wolfgang: Gleichheit oder Privilegien? Zur Stellung öffentlich–rechtlicher Religionsgemeinschaften, KritV 2000, 104–141 – Wengenroth, David: Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, Berlin 2001, 325 S. – Wieland, Joachim: Die Angelegenheiten der Religionsgesellschaften, Der Staat 25 (1986), 321–350 – Wilms, Heinrich: Staatliche Freiheitsbeschränkungen gegen Minderheitskirchen. Die Fortsetzung des mittelalterlichen Glaubenskampfes auf der Ebene des parlamentarischen Rechtsstaates, in: Besier, G./Scheuch, E. K. (Hrsg.), Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid, Bd. 1 S. 211–227, 519–521, 1999 – Winkler, Markus: Kollisionen verfassungsrechtlicher Schutznormen. Zur Dogmatik der „verfassungsimmanenten“ Grundrechtsschranken. Berlin 2000, 425 S. (auch eingehend zu Art. 4) – Winkler, Markus: Toleranz als Verfassungsprinzip? in: Frieden und Recht, Hrsg. I. Erberich/A. Hörster u. a., Stuttgart u. a. 1998, 53–83 – Wittreck, Fabian: Religionsfreiheit als Rationalisierungsverbot. Anmerkungen zur Schächtentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: Der Staat 42 (2003), S. 519– 555 – Zacher, Hans: Grundrechte und katholische Kirche, in: Obermayer-FS (1986), 325–336 – Zippelius, Reinhold: Weltanschauung und Rechtsgestaltung, JuS 1993, 889–894
3. Schulrecht und Elternrecht – Anger, Thorsten: Islam in der Schule. Rechtliche Wirkungen der Religionsfreiheit und der Gewissensfreiheit sowie des Staatskirchenrechts im öffentlichen Schulwesen, Berlin 2003, 446 S. – Baer, Susanne/Wrase, Michael: Staatliche Neutralität und Toleranz in der „christlichabendländischen Wertewelt.“ Zur aktuellen Entwicklung im Streit um das islamische Kopftuch, DÖV 2005, 243–252 – Bock, Wolfgang: Verfassungsrechtliche Probleme der Einführung islamischen Religionsunterrichts, RdJB 2001, 330 ff. – Brugger, Winfried/Huster, Stefan (Hrsg.): Der Streit um das Kreuz in der Schule. Zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, Baden-Baden 1998, 307 S. (15 Beiträge, interdisziplinär) – Czermak, Gerhard: Das islamische Kopftuch im rechtlichen und politischgesellschaftlichen Zusammenhang. Hinweise zu deutschen Paradoxien, in: http://www.fowid.de/, dort Textarchiv TA–2007–3 (16 S.; der 2005 erstellte Beitrag sollte in einem interdisziplinären und internationalen Sammelband erscheinen, der dann nicht zustande kam) – Czermak, Gerhard: Kopftuch, Neutralität und Ideologie. Das Kopftuch–Urteil des BVerfG im ideologischen Streit, NVwZ 2004, 943–946 – Czermak, Gerhard: Öffentliche Schule, Religion und Weltanschauung in Geschichte und Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland. Eine Rückschau unter dem Aspekt der individuellen Religionsfreiheit und Neutralität, in: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat. Rüfner-FS 2003, 79–109
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LitV – B 3: Schulrecht und Elternrecht
– Czermak, Gerhard: Zur Ethikunterricht-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. 6. 1998, DÖV 1999, 725-730 – Czermak, Gerhard: Zur Unzulässigkeit des Kreuzes in der Schule aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Brugger, W./Huster, S. (Hrsg.): Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, 13–40 – Czermak, Gerhard: Das bayerische Kruzifix–Gesetz und die Entscheidung des BayVerfGH vom 1. 8. 1997. Religionsverfassungsrecht im Spannungsverhältnis von Bundesrecht, Landesrecht und Verfassungskultur, DÖV 1998, 107–114 – Czermak, Gerhard: Der Kruzifix-Beschluß zwischen Neutralität und Glaubensförderung sowie als Spielball der Emotionen, ZRP 1996, 201–205 (zu Reis, ZRP 1996, 56) – Czermak, Gerhard: Das Pflicht-Ersatzfach Ethikunterricht als Problem der Religionsfreiheit, des Elternrechts und der Gleichheitsrechte, NVwZ 1996, 450–455 – Czermak, Gerhard: Der Kruzifix-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, seine Ursachen und seine Bedeutung, NJW 1995, 3348–3353 – Czermak, Gerhard: Verfassungsbruch als Erziehungsmittel? Zur schulischen Zwangsmission in Bayern, KritJ 1992, 46–63 – Debus, Anne: Machen Kleider wirklich Leute? Warum der „Kopftuch–Streit“ so „spannend“ ist, NVwZ 2001, 1355–1360 – Debus, Anne: Der Kopftuchstreit in Baden-Württemberg – Gedanken zu Neutralität, Toleranz und Glaubwürdigkeit, KritJ 1999, 430–448 – Depenheuer, Otto: Zwischen Neutralität und Selbstbehauptung. Das Kopftuch als Herausforderung des modernen Staates, in: Die politische Meinung Nr. 415 (2004), S. 25– 32 – Detterbeck, Steffen: Gelten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auch in Bayern? Zur prozessualen Bedeutung der Kruzifix–Entscheidung vom 16. 5. 1995 und zur Deutung von § 31 I BVerfGG, NJW 1996, 426–432) – Fahrenhorst, I.: Sorgerecht und Religion, EuGRZ 1996, 633 ff. – Galas, Dieter: Konkordatsschulen – Eine niedersächsische Besonderheit, NdsVBl 2004, 177–180 – Geis, Max-Emanuel: Geheime Offenbarung oder Offenbarungseid? Anmerkungen zum „Kruzifix–Beschluß“ des Bundesverfassungsgerichts, RdJB 1995, 373–386 – Gericke, Cornelia: Elterliches Erziehungsrecht und die Religion des Kindes. Eine Untersuchung der Bedeutung und Auswirkungen der grundrechtlich geschützten religiösen Einstellungen und Weltanschauungen der Eltern im Rahmen der §§ 1666 und 1671 BGB im 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. u. a., 2001, 226 S. – Göbel, Gerald: Der Kampf um die Schule. Religiöse Präsenz an staatlichen Schulen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Verfassung, Philosophie, Kirche. FS für Alexander Hollerbach zum 70. Geburtstag, Berlin 2001, 771–790 – Göztepe, Ece: Die Kopftuchdebatte in der Türkei. Eine kritische Bestandsaufnahme für die deutsche Diskussion, APuZ 2004, B 33/34, S. 32–38 – Groß, Engelbert/Weiß, Andreas: Religion und Schule in der Rechtsprechung. Sammlung relevanter Gerichtsurteile. Münster 2005, 568 S. (Arbeitsbücher für Schule und Bildungsarbeit 8) – Gusy, Christoph: Kopftuch – Laizismus – Neutralität, KritV 2004, 153 ff. – Häußler, Ulf: Islamische Inhalte im deutschen Schulwesen. Verfassungsrechtlicher Anspruch und schulische Wirklichkeit, ZAR 2000, 159 ff. – Hannemann, Anika/Münder, Johannes: Schulpflichtverletzung der Erziehungsberechtigen und Einschränkung der elterlichen Sorge, RdJB 2006, 244–255 – Hebeler, Timo/Schmidt, Julia: Schulpflicht und elterliches Erziehungsrecht – Neue Aspekte eines alten Themas? NVwZ 2005, 1368–1371
LitV – B 3: Schulrecht und Elternrecht
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– Heckel, Martin: Das Kreuz im öffentlichen Raum. Zum „Kruzifix–Beschluß“ des Bundesverfassungsgerichts, DVBl 1996, 453–482 – Heimann, Hans Markus: Inhaltliche Grenzen islamischen Religionsunterrichts, NVwZ 2002, 935 ff. – Heimann, Hans Markus: Materielle Anforderungen an Religionsgemeinschaften für die Erteilung schulischen Religionsunterrichts, in: Haratsch, A./Janz, N. u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, Stuttgart u. a. 2001, 81–100 – Hsu, Yue–dian: Selbstverwirklichunsrecht im pluralistischen Kulturstaat. Zum Grundrecht auf Bildung im Grundgesetz, Berlin 2000, 421 S. – Huster, Stefan: Warum die Lehrerin (k)ein Kopftuch tragen darf. Zum Verhältnis von gesellschaftspolitischen Zielen und verfassungsrechtlicher Argumentation, in: Peter Häberle/Martin Morlok/Vassilios Skouris (Hrsg.), Festschrift für Dimitris Th. Tsatsos, Baden-Baden 2003, S. 215–230 – Huster, Stefan: Die ethische Neutralität des Staates. Eine liberale Interpretation der Verfassung, Tübingen 2002, 764 S. (Jus Publicum 90, S. 250–435 zur schulischen Erziehung) – Huster, Stefan: Staatliche Neutralität und schulische Erziehung. Einige Anmerkungen aus verfassungsrechtlicher und sozialphilosophischer Sicht, in: Neue Sammlung (Vierteljahres-Zeitschrift für Erziehung und Gesellschaft) 41 (2001), 399–424 – Huster, Stefan: Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates. Das Kreuz in der Schule aus liberaler Sicht, in: Brugger, W./Huster, S. (Hrsg.): Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, 69–108 (hauptsächlich zum Neutralitätsliberalismus) – Isensee, Josef: Bildersturm durch Grundrechtsinterpretation. Der Kruzifix–Beschluß des BVerfG, ZRP 1996, 10–15 – Jestaedt, Matthias: Das elterliche Erziehungsrecht im Hinblick auf Religion, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 371–414 (auch eingehend zum RelKEG) – Jochum, Heike: Islam in der staatlichen Schule, in: Haratsch, A./Janz, N. u. a. (Hrsg.): Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, Stuttgart u. a. 2001, 101–125 – Keim, Wolfgang: Schule und Religion, 2. A. 1969 – Kloepfer, Michael: Der Islam in Deutschland als Verfassungsfrage, DÖV 2006, 45–55 – Korioth, Stefan: Islamischer Religionsunterricht und Art. 7 III GG. Zu den Voraussetzungen religiöser Vielfalt in der öffentlichen Pflichtschule, NVwZ 1997, 1041–1049 – Krenzer, Michael: „Welch eine triste Epoche, in der es leichter ist, ein Atom zu spalten als ein Vorurteil“. Religiöse Minderheiten in deutschen Lehrplänen und Schulbüchern, RSG 2005, 177 ff. – Kuhn-Zuber, Gabriele: Die Werteerziehung in der öffentlichen Schule. Religions– und Ethikunterricht im säkularen Staat, Hamburg 2006, 436 S. – Lamprecht Rolf: Zur Demontage des Bundesverfassungsgerichts. Beweissicherung und Bestandsaufnahme, Baden–Baden 1996, 229 S. (39–51; 77–108: zum Kampf ums Kreuz) – Langenfeld, Christine: Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten: Eine Herausforderung für das deutsche Schulwesen. Einführung in einige grundrechtliche Fragestellungen, AöR 1998, 375–407 – Link, Christoph: „Bekenntnisfreie“ Schulen, in: Staat – Kirche – Verwaltung. Festschrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, München 2001, 397–407 – Link Christoph: Religionsunterricht, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 439–509 – Loschelder, Wolfgang: Grenzen staatlicher Wertevermittlung in der Schule, ZBR 2001, 6 ff. (auch in Listl-FS 1999, 349) – Mager, Ute: Der Kopftuchstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, in: RSG 2004, 275– 303
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LitV – B 3: Schulrecht und Elternrecht
– Muckel, Stefan: Islamischer Religionsunterricht und Islamkunde an öffentlichen Schulen in Deutschland, JZ 2001, 58–64 – Mückl, Stefan: Religionsfreiheit und Sonderstatusverhältnisse – Kopftuchverbot für Lehrerinnen? Der Staat 2001, 96–127 – Niehues, Norbert/Rux, Johannes: Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 4. A. 2006 – Nolte, Achim: Der richtige Weg von der „versorgenden“ zur „vorsorgenden“ Neutralität. Die bayerischen Schulkreuze auf dem Prüfstand des BVerwG, NVwZ 2000, 891 ff. – Nolte, Achim: Das Kreuz mit dem Kreuz. Hintergründe und Kritik am Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 1999, JöR 48 (2000), 87–116 – Oebbecke, Janbernd: Reichweite und Voraussetzungen der grundgesetzlichen Garantie des Religionsunterrichts, DVBl 1996, 336–344 – Otto, Gert: Das Ende des konfessionellen Religionsunterrichts. Auswege aus einer Sackgasse, in: Pädagogik 1997, H. 10, 48–53 (Ausgangspunkt ist die Behauptung des prot. Religionspädagogen, rein tatsächlich sei die Konfessionalität des RU mindestens weitgehend eine Fiktion.) – Pappert Peter (Hrsg.): Den Nerv getroffen. Engagierte Stimmen zum Kruzifix–Urteil von Karlsruhe, Aachen 1995, 255 S. (Einführung 7–20; Leserbriefe 22–131; Pressespiegel 133–224) – Pieroth, Bodo: Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, DVBl 1994, 949–961 – Poscher, Ralf: Entscheidungs-, aber nicht ergebnislos: Das verfassungsgerichtliche Verfahren um das Lehrfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER)“, in: RdJB 2002, 380–388. – Rademacher, Sonja: das Kreuz mit dem Kopftuch. Wieviel religiöse Symbolik verträgt der neutrale Staat? Baden-Baden 2005, 32 S. – Rathke, Carola: Öffentliches Schulwesen und religiöse Vielfalt. Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 7 Abs. 1 GG und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich–religiöser Neutralität, Berlin 2005, 387 S. – (SÖR 1005) – Renck, Ludwig: Öffentliche Schule und kirchliches Erziehungsrecht, BayVBl 2006, 713–719 – Renck, Ludwig: Bekenntnisfreie Schule als Regelschule, SächsVBl 2004, 25 ff. – Renck, Ludwig: Schule und religiöse Erziehungshilfe, BayVBl 2003, 134–139 – Renck, Ludwig: Agnostizismus in der staatlichen Schule, ThürVBl 2001, 145–150 – Renck, Ludwig: Bekenntnisfreiheit in der öffentlichen Schule, SächsVBl 2000, 257–262 – Renck, Ludwig: Die Wahl zwischen Bekenntnis– oder Ethikunterricht in den neuen Bundesländern, ThürVBl 2000, 79 ff. – Renck, Ludwig: Zur Auslegung von Art. 137 Abs. 2 BV, BayVBl 2000, 305 f. (GG– Problematik eines Ersatzunterrichts über die „allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit“) – Renck, Ludwig: Staatliche Grundrechtsvorsorge und Bekenntnisunterricht, ZRP 1999, 137–139 – Renck, Ludwig: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof und das Schulkreuz–Gesetz, NJW 1999, 994–999 – Renck, Ludwig: Zum rechtlichen Gehalt der Kruzifix-Debatte, ZRP 1996, 16–20 – Renck, Ludwig: Staatlicher und kirchlicher Erziehungsauftrag im öffentlichen Schulwesen, ThürVBl 1997, 221 ff. – Renck, Ludwig: Die Rechtsstellung der Bekenntnisgemeinschaften im Schulrecht, BayVBl 1994, 39–41 (Vgl. hierzu die aufschlussreiche Erwiderung von Helmut Lecheler in BayVBl 1994, 41–43 mit Duplik Renck, BayVBl 1994, 713–716) – Renck, Ludwig: Über positive und negative Bekenntnisfreiheit, NVwZ 1994, 544–547
LitV – B 3: Schulrecht und Elternrecht
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– Renck, Ludwig: Aktuelle Probleme der christlichen Gemeinschaftsschule – dargestellt am Beispiel des bayerischen Schulrechts, KJ 1994, 488–500 (thematisch umfassend) – Renck, Ludwig: Rechtsfragen des Religionsunterrichts im bekenntnisneutralen Staat, DÖV 1994, 27–32 – Renck, Ludwig: Verfassungsprobleme des Ethikunterrichts, BayVBl 1992, 519–522 (Initialaufsatz) – Richter, Ingo: Verfassungsfragen einer Werteerziehung. Die doppelte Ohnmacht, in: Religion, Ethik, Schule. Bildungspolitische Perspektiven in der pluralen Gesellschaft. Münster u. a. 1998, 39–58 – Robbers, Gerhard: Religion in der öffentlichen Schule, in: RdJB 2003, 11–22 – Rozek, Jochen: [Anm. zum Kruzifix–Beschluss des BVerfG von 1995] BayVBl 1996, 22–25 – Rupp, Hans Heinrich: Die staatskirchenrechtliche Problematik der „Gemeinschaftsschule auf christlicher Grundlage“, in: Anstöße. Berichte aus der Arbeit der evangelischen Akademie Hofgeismar H. 1/2 (1969), 9–14 – Rux, Johannes: Die pädagogische Freiheit des Lehrers. Eine Untersuchung zur Reichweite und zu den Grenzen der Fachaufsicht im demokratischen Rechtsstaat, Berlin 2002, 264 S. – Rux, Johannes: Ethik und Religion – Kein Ende der Diskussion, bildung & wissenschaft Jan. 2000, 12 f. – Rux, Johannes: [Krit. Anm. zur EU–Entscheidung des BVerwG von 1998] VBlBW 1999, 58 ff. – Schmitt-Kammler, Arnulf: In hoc signo – Zum „Schulkreuz–Erkenntnis“ des Bundesverfassungsgerichts, in: Staat, Wirtschaft, Steuern. FS für Karl Heinrich Friauf zum 65. Geburtstag, Heidelberg 1996, 343–360 – Schmitt-Kammler, Arnulf: Elternrecht und schulisches Erziehungsrecht nach dem Grundgesetz. Berlin u. a. 1983, 84 S. – Stock, Martin: Einige Schwierigkeiten mit islamischem Religionsunterricht, NVwZ 2004, 1399–1405 (die Situation in den verschiedenen Bundesländern sei chaotisch) – Stolleis, Michael: Überkreuz. Anmerkungen zum Kruzifix-Beschluß (BVerfGE 93, 1– 37) und seiner Rezeption. KritV 2000, 376–387 – Tangermann, Christoph: Die Bremer Klausel (Art. 141 GG) angesichts neuer Fragestellungen. Zugleich ein Beitrag zur Zukunft des Religionsunterrichts in der multireligiösen Gesellschaft, in: ZevKR 2005, 184 ff. – Thielking, Kai Oliver: Die Kirche als politischer Akteur. Kirchlicher Einfluss auf die Schul- und Bildungspolitik in Deutschland. Baden-Baden 2005, 352 S. (Geschichte, BRD ab 1949, Kampf um LER) – Umbach, Dieter C.: Grundrechts- und Religionsmündigkeit im Spannungsfeld zwischen Kindes- und Elternrecht, in: Verantwortlichkeit und Freiheit, FS für Willi Geiger zum 80. Geburtstag, Tübingen 1989, 359–377 – Weber, Hermann: Schule, Staat und Religion, Der Staat 8 (1969), 493–512 – v. Zezschwitz, Friedrich: Glaubensfreiheit und schulische Erziehung. Staat oder Eltern? JZ 1971, 11–16 – Zinell, Herbert O./Kammerer, Tanja: Schulverweigerung als gesellschaftliches und juristisches Problem, VBlBW 2006, 99–102
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LitV – B 4: Kirchenfinanzen und Religionsförderung
4. Kirchenfinanzen und Religionsförderung – Anke, Hans Ulrich: Vom Besonderen Kirchgeld in Württemberg und andernorts, ZevKR 2001, 191–194 – Anke, Hans Ulrich/Zacharias, Diana: Das Kirchenlohnsteuereinzugsverfahren aus der Sicht des Verfassungsrechts, DÖV 2003, 140–147 – Axer, Peter: Die Steuervergünstigungen für die Kirchen im Staat des Grundgesetzes. Bestandsaufnahme und Legitimation, in: AfkKR 156 (1987), 460–485 – Blaschke, Klaus: Die Kirchenfinanzierung in Deutschland, ZevKR 2002, 395–416 – Brauns, Hans-Jochen: Staatsleistungen an die Kirchen und ihre Ablösung, Inhalt – Grenzen – Aktualität. Berlin 1970, 148 S. (krit. Standardwerk). – Budde, Petra: Kirchenaustritt als Kündigungsgrund? Diskriminierung durch kirchliche Arbeitgeber vor dem Hintergrund der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, AuR 2005, 353 ff. – v. Campenhausen, Axel: Die staatskirchenrechtliche Bedeutung des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts. HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 755–775 – v. Campenhausen, Axel: Der Austritt aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften. HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 777–785 – Clement, Wolfgang: Politische Dimension und Praxis der staatlichen Förderung der Kirche, in: Essener Gespräche 28 (1994), 41–57 – Czermak, Gerhard: Kirchensteuerrecht in kritischer Sicht. Hauptgesichtspunkte einer ideologisch heiklen Materie, KritJ 2006, 418–429 – Czermak, Gerhard: Zur Ablösung der historischen Staatsleistungen an die Kirchen. Hinweise zu einem vergessenen Verfassungspostulat und zur religiös-weltanschaulichen Gleichberechtigung, DÖV 2004, 110–116 – Damkowski, Wulf: Kirchensteuer in glaubensverschiedenen Ehen, DÖV 1987, 705–714 – Droege, Michael: Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften im säkularen Kulturund Sozialstaat. Berlin 2004 (SÖR 945; Standardwerk; zit.: Staatsleistungen) – Ehlers, Dirk: Der Bedeutungswandel im Staatskirchenrecht, in: B. Pieroth (Hrsg.), Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung, Berlin 2000, 85–112 – Ehlers, Dirk: Die Lage des Staatskirchenrechts in der Bundesrepublik Deutschland, ZevKR 2000, 201–220 – Frerk, Carsten: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, Aschaffenburg 2002, 357 S. (umfassende Darstellung mit über 150 Graphiken und Schaubildern) – Gehm, M.: Aktuelle Rechtsprechung des BFH zur Kirchensteuer, NVwZ 2007, 56 – Hammer, Felix: Rechtsfragen der Kirchensteuer, Tübingen 2002, 574 S. (Jus Eccl. 66) – Heimerl, Hans/Pree, Helmuth: Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, Regensburg 1993, 944 S. – Herrmann, Horst: Kirche, Klerus, Kapital, Münster 2003, 151 S. – Herrmann, Horst: Die Caritas-Legende. Wie die Kirchen die Nächstenliebe vermarkten. Hamburg 1993, 320 S. – Herrmann, Horst: Die Kirche und unser Geld. Daten, Tatsachen, Hintergründe. Hamburg 1990, 272 S.; 1992 als TB (erste größere Dokumentation, Schwerpunkt katholische Kirche) – Kästner, Karl-Hermann: Die zweite Eigentumsgarantie im Grundgesetz, JuS 1995, 784– 787 – Kewenig, Wilhelm: Das Grundgesetz und die staatliche Förderung der Religionsgemeinschaften, in: Essener Gespräche 6 (1972), 9–35 = Mikat, Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, (1980), 139–173
LitV – B 5: Verwaltungsrecht, Religionsdelikte, Zivilrecht
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– Lienemann, Wolfgang: Gesellschaftliche, rechtliche und theologische Probleme der Kirchenzugehörigkeit, in: Schweizer. Jahrbuch für Kirchenrecht, Bd. 1 (1996), 1997, 67– 106 – Lienemann, Wolfgang (Hrsg.): Die Finanzen der Kirche. Studien zu Struktur, Geschichte und Legitimation kirchlicher Ökonomie, München 1989, 995 S. – Martin, Karl (Hrsg.): Abschied von der Kirchensteuer. Plädoyer für ein demokratisches Zukunftsmodell, Oberursel 2002, 176 S. (Publik Forum) – Pagels, Carsten: Schutz– und förderpflichtrechtliche Aspekte der Religionsfreiheit, 1999 – Patt, Christopher: Finanzielle Zuwendungen an Religionsgemeinschaften sowie deren Untergliederungen und EG–Beihilferecht, Europarecht 2006, 577 – Pirson, Dietrich: Die Förderung der Kirchen als Aufgabe des säkularen Staates, in: Essener Gespräche 28 (1994), 83–102 – Renck, Ludwig: Der sogenannte Andersgläubigenzuschlag im Friedhofsrecht, NWVBl 2006, 454 – Renck, Ludwig: Die Garantie der Staatsleistungen an die Kirchen und die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, BayVBl 2006, 135–138 – Renck, Ludwig: Kirchensteuer und Kirchenaustritt, BayVBl 2004, 132–136 – Renck, Ludwig: Kommunale Kirchenbaulastverträge und Wegfall der cura religionis, DÖV 2001, 103–109 – Renck, Ludwig: Grundlagen des kirchlichen Gebührenrechts, DÖV 1999, 458–463 – Richardi, Reinhard: Die öffentliche Förderung der Katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen in Bayern (BayVerfGH NJW 2006, 1050), NJW 2006, 1036 – Robbers, Gerhard: Förderung der Kirchen durch den Staat. HdbStKirchR Bd. 1, 2. A. 1994, 867–890 – Rüfner, Wolfgang: Die staatliche Förderung von Schwangerenberatungsstellen, DÖV 2004, 698 ff. – Sailer, Christian: Die staatliche Finanzierung der Kirchen und das Grundgesetz, ZRP 2001, 80–87 – Schwarz, Kyrill-Alexander: die Verteilung der Finanzmittel aus dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland geschlossenen Staatsvertrag, RSG 2005, 122 – Seer, Roman/Kämper, Burkhard (Hrsg.): Bochumer Kirchensteuertag. Grundlagen, Gestaltung und Zukunft der Kirchensteuer, Frankfurt a. M. 2004 – Wasmuth, Johannes/Schiller, Gernot: Verfassungsrechtliche Problematik der Inpflichtnahme von Arbeitnehmern und Arbeitgebern beim Kirchenlohnsteuereinzug, NVwZ 2001, 852–859 – Weber, Hermann: Kirchenfinanzierung im religionsneutralen Staat. Staatskirchenrechtliche und rechtspolitische Probleme der Kirchensteuer, NVwZ 2002, 1443–1455 – Weiß, Wolfgang: Gleichheit oder Privilegien? Zur Stellung öffentlich–rechtlicher Religionsgemeinschaften, KritV 2000, 104–141 (S. 130 ff. auch krit. zu gleichheitswidrigen Subventionen)
5. Verwaltungsrecht (mit res sacra und Theolog. Fakultäten), Religionsdelikte, Zivilrecht (sehr stark verkürzte Hinweise; s. ergänzend die Rechtsprechungsberichte von Ralf B. Abel, oben B 2) – Albert, Hans: Theologie als Wissenschaft, in: Gottesbilder heute (Hrsg. S. Moser/E. Pilick), 1979
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LitV – B 5: Verwaltungsrecht, Religionsdelikte, Zivilrecht
– Babke, Hans-Georg: Theologie in der Universität aus rechtlicher, theologischer und wissenschaftstheoretischer Perspektive, 2. A. Frankfurt a. M. u. a. 2000, 282 S. – Brauser-Jung, Gerrit: Religionsgewerbe und Religionsunternehmerfreiheit. Zum Spannungsverhältnis zwischen Religion und Wirtschaft aus wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Perspektive. Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 WRV in ökonomischer Hinsicht, Köln u. a. 2002, 459 S. – v. Campenhausen, Axel: Konfessionsgebundene Wissenschaft im religiös neutralen Staat, in: Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung, Beiheft 10, Tübingen 1993, 1–17 – Caspar, Johannes: Freiheit des Gewissens oder Freiheit der Lehre? Zur Tierversuchsproblematik im Studium, NVwZ 1998, 814–816 – Deinert, Horst: Kirchenaustritt und Betreuung, FamRZ 2006, 243 – Eser, Albin: Schutz von Religion und Kirchen im Strafrecht und im Verfahrensrecht, HdbStKirchR Bd. 2, 2. A. 1995, 1019–1045 – Elgeti, Axel: Rechtsprobleme bei Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft, ZevKR 34 (1989), 144–168 – Fischer, Thomas: Die Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören. Zur Beseitigung eines „restriktiven“ Phantoms, NStZ 1988, 159–165 – Fischer, Thomas: Das Verhältnis der Bekenntnisbeschimpfung (§ 166 StGB) zur Volksverhetzung (§ 130 StGB), GA 1989, 445–468 – Gethmann-Siefert, Annemarie/Huster, Stefan (Hrsg.): Recht und Ethik in der Präimplantationsdiagnostik, 2005. – Guntau, Burkhard: Der Ruf des Muezzin in Deutschland – Ausdruck der Religionsfreiheit? ZevKR 1998, 369 ff. – Häberle, Peter: Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 2. A. Berlin 2006, 120 S. – Hassemer, Winfried: Religionsdelikte in der säkularisierten Rechtsordnung, in: Vallauri L./Dilcher G. (Hrsg.), Christentum, Säkularisation und modernes Recht, 2 Bde., BadenBaden/Mailand 1981, Bd. 2, 1309–1330 – Heckel, Martin: Organisationsstrukturen der Theologie in der Universität, Berlin 1987, 96 S. – Heckel, Martin: Öffentliches Recht: Das Geistlichenprivileg im Wehrrecht, JuS 1976, 450–457 – Heiliger Stuhl: Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen (24. 5. 1990), Hrsg. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn, 26 S. – Heiliger Stuhl: Apostolische Konstitution „Ex corde ecclesiae“ vom 15. 8. 1990 über die katholischen Universitäten = AAS 82/1990, 1475 ff.; Deutsche Übersetzung in: ÖAKR 1990, 435–452 – Hempelmann, Heinzpeter: Kritischer Rationalismus und Theologie als Wissenschaft. Zur Frage nach dem Wirklichkeitsbezug des christlichen Glaubens, 2. A. 1987, 336 S. – Hessler, Gerhard: Die Berücksichtigung der Zugehörigkeit eines Elternteils zu den Zeugen Jehovas im Sorgerechtsverfahren, NJW 1997, 2930–2932 – Hoerster, Norbert: Abtreibungsverbot – Religiöse Voraussetzungen und rechtspolitische Konsequenzen, JuS 1991, S. 190–194 und S. 879 – Huber, Wolfgang: Die Struktur der evangelischen Militärseelsorge, in: ders., Kirche und Öffentlichkeit, Stuttgart 1973, 220–294 – Hübner, Hans-Peter: Pfarrer in der Sozialversicherung. Die Inanspruchnahme der gesetzlichen Rentenversicherung für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung von evangelischen Pfarrern, Kirchenbeamten und Diakonen, Tübingen 1992, 234 S. – Kämper, Burkhard/Tönnes, Hans Werner (Hrsg.): Denkmalschutz und Denkmalpflege im kirchlichen Bereich, Münster 2007, 188 S. (Essener Gespräche 41)
LitV – B 5: Verwaltungsrecht, Religionsdelikte, Zivilrecht
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– Kästner, Karl-Hermann: Sonn- und Feiertage zwischen Kultus, Kultur und Kommerz. Rechtsgrundlagen des geltenden Schutzes von Sonn- und Feiertagen, in: DÖV 1994, 464–472 – Kremer, Bernd Mathias: Der Vorrang kirchlicher Belange im Urheber- und Denkmalrecht, ZevKR 2006, 49 ff. – Kruk, Volkmar: Die rechtlichen Probleme der Militärseelsorge, NZWehrR 1997, 1–24 – Kutzer, Klaus: Strafrechtliche Grenzen der Sterbehilfe, NStZ 1994, 110–115 (guter Überblick) – Lienemann, Wolfgang: Probleme der Stellung der theologischen Fakultäten im modernen Staat. Ekklesiologische und rechtspolitische Aspekte, SJKR 8 (2003), 11 ff. – Loschelder, Wolfgang: Staatliche und kirchliche Kulturverantwortung auf dem Gebiet des Denkmalschutzes, in: Mikat-FS 1989, 611–621 – Lotter, Konrad: Die Konkordatslehrstühle an den bayerischen Universitäten. Überformung und Verdrängung der Philosophie durch die katholische Religion, in: Widerspruch. Münchner Zeitschrift für Philosophie 45 (2007), 53–66 – Mainusch, Rainer: Das kirchliche öffentliche Sachenrecht, ZevKR 38 (1993), 26–84 – Merkel, Reinhard: Ärztliche Entscheidung über Leben und Tod in der Neonatalmedizin. Ethische und strafrechtliche Probleme, JZ 1996, 1145–1155 – Merkel, Reinhard: Forschungsobjekt Embryo. Verfassungsrechtliche und ethische Grundlagen der Forschung an embryonalen Stammzellen, 2002, 304 S. (dtv–TB; Bespr. Jörn Ipsen, JZ 2004, 241) – Möller, Kai: Selbstmordverhinderung im freiheitlichen Staat, KritV 2005, 230 – Müller-Volbehr, Jörg: Körperschaftsstatus und Sachenrecht der Kirchen. Körperschaftsstatus und Rechtsformen des kirchlichen Handelns. Die kirchlichen Sachen im System des öffentlichen Sachenrechts, in: ZevKR 33 (1988), 153–183 – Müller-Volbehr, Jörg: Res sacra und Sachgebrauch. Erwiderung auf Ludwig Renck, NVwZ 1990, 38, in: NVwZ 1991, 142–145 – v. Münch, Ingo: „Kirchenasyl“: ehrenwert, aber kein Recht, in: NJW 1995, 565–566 – Pirson, Dietrich: Religiöse Neutralität in der staatlichen Sozialhilfe, in: Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. FS für Hans Zacher zum 70. Geburtstag, Heidelberg 1998, 743 – Renck, Ludwig: Sonn– und Feiertagsschutz im bekenntnisneutralen Staat, ThürVBl 2002, 173 ff. – Renck, Ludwig: Bekenntnisfreiheit und Kirchenasyl, NJW 1997, 2089–2092 (krit. Auseinandersetzung insb. mit Geis, JZ 1997, 60) – Renck, Ludwig: Verfassungsprobleme der theologischen Fakultäten, NVwZ 1996, 333– 339 – Renck, Ludwig: Überlegungen zum Rechtsgrund der res sacrae, BayVBl 1996, 264–268 – Renck, Ludwig: Staatliche und kirchliche Eheschließung, NJW 1996, 907 f. – Renck, Ludwig: Rechtsprobleme der Benutzung kirchlicher Friedhöfe, DÖV 1993, 517– 523 – Renck, Ludwig: Bekenntnisfreiheit und kirchliche Friedhöfe, DÖV 1992, 485–488 – Renck, Ludwig: Res sacra und Sachgebrauch, NVwZ 1990, 38–40 (hierzu Erwiderung Müller-Volbehr NVwZ 1991, 142–145) – Renck, Ludwig: Grundfragen des Rechts der res sacra, DÖV 1990, 333–336 – Schlink, Bernhard: Neuere Entwicklungen im Recht der kirchlichen öffentlichen Sachen und der res sacrae, NVwZ 1987, 633–640 – Stollmann, Frank: Staatlich anerkannte Feiertage – einfachgesetzlicher Spielball oder änderungsfestes Rechtsinstitut? DÖV 2004, 471 ff.
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LitV – B 6: Arbeitsrecht
– Weber, Hermann: Theologische Fakultäten und Professuren im weltanschaulich neutralen Staat. Staatskirchenrechtliche und rechtspolitische Aspekte, NVwZ 2000, 848– 857 – Wieshaider, Wolfgang: Von Moscheenbau und Muezzinruf. Bau- und Immissionsschutzrecht als Schranken der Religionsausübung, in: Haratsch, A./Janz, N./ Rademacher, S./Schmahl, S./Weiß, N. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, Stuttgart u. a. 2001, 155–180 – Zacharias, Diana: islamisches und deutsches Bestattungsrecht im Widerstreit, ZevKR 2003, 149 ff.
6. Arbeitsrecht – Beck, Roger: Gewissenskonflikt und Arbeitsverhältnis, Diss. Darmstadt 1995, 188 S. – Belling, Detlev W.: Kirchliches Arbeitsrecht und kirchliche Arbeitsgerichtsbarkeit, NZA 2006, 1132 – Belling, Detlev W.: Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie im Hinblick auf das kirchliche Arbeitsrecht, NZA 2004, 885 ff. – Budde, Petra: Kirchenaustritt als Kündigungsgrund? Diskriminierung durch kirchliche Arbeitgeber vor dem Hintergrund der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, AuR 2005, 353 – Czermak, Gerhard: Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen unter besonderer Berücksichtigung und kritischer Würdigung des Kündigungsschutzrechts, PersR 1995, 455–463 – Deinert, Olaf: Neugestaltung der Arbeitsvertragsgrundlagen in Einrichtungen der evangelischen Kirchen über den 3. Weg, ZTR 2005, 461 – Droege, Michael: Der religionsverfassungsrechtliche Tendenzschutz im Arbeitsrecht, in: Klinkhammer/Frick (Hrsg.): Religionen und Recht, Marburg 2002, 203–232 – Dütz, Wilhelm: Rechtsschutz für kirchliche Bedienstete im individuellen Arbeitsrecht, insbesondere Kündigungsschutzverfahren. Rückblick und aktueller Stand, NZA 2006, 65 – Eder, Joachim: Kirchengerichtliche arbeitsrechtliche Verfahren gegen Diözesanbischöfe im Bereich des Dritten Weges, KuR 1999 Nr. 610, S. 21–45 – Hammer, Ulrich: Kirchliches Arbeitsrecht. Handbuch, Frankfurt a. M. 2002, 592 S. – Hammer, Ulrich: Die Bewährungsprobe des kirchlichen Arbeitsrechts, ZMV 1999, 19 ff. (Teil 2) – Hammer, Ulrich: Die Bewährungsprobe des kirchlichen Arbeitsrechts, ZMV 1998, 266– 270 (Teil 1) – Hanau, P./Thüsing, G.: Europarecht und kirchliches Arbeitsrecht, 2001 – Hansen, Arfst Hinrichs: Die rechtliche Behandlung von Glaubens– und Gewissenskonflikten im Arbeitsverhältnis, Frankfurt a. M. u. a. 2000, 173 S. – Häusele, H.: Weisung und Gewissen im Arbeitsrecht, 1989 – Heinig, Hans Michael: Art. 13 EGV und die korporative Religionsfreiheit nach dem Grundgesetz. Zugleich ein Beitrag zu den Perspektiven eines Europäischen Religions(verfassungs)rechts, in: Haratsch, A./Janz, N./Rademacher, S./Schmahl, S./Weiß, N. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, Stuttgart u. a. 2001, 215–254 – Hirschfeld, Matthias: Die Dienstgemeinschaft im Arbeitsrecht der evangelischen Kirche. Zur Legitimitätsproblematik eines Rechtsbegriffs, Frankfurt a. M. 1999, 251 S. – Keßler, Rainer: Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer und Kündigungsschutz, FS für Wolfgang Gitter, Wiesbaden 1995, 461–480
LitV – B 6: Arbeitsrecht
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– Keßler, Rainer: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen am Beispiel der Kontroverse um die Geltung des staatlichen Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich, in: Die Kirchen und die Politik (Hrsg. H. Abromeit/G. Wewer), Opladen 1989, 136–157 – Keßler, Rainer: Die Kirchen und das Arbeitsrecht, Darmstadt 1986, 377 S. (wenig beachtetes fundamentalkritisches Standardwerk) – Konzen, Horst/Rupp, Hans H.: Gewissenskonflikte im Arbeitsverhältnis, Köln 1990 – Kraushaar, Bernhard: Die Glaubens– und Gewissensfreiheit der Arbeitnehmer nach Art. 4 GG, ZTR 2001, 208–212 – Link, Christoph: Antidiskriminierung und kirchliches Recht, ZevKR 2005, 403 – Müller-Volbehr, Gerd: Europa und das Arbeitsrecht der Kirchen, Heidelberg 1999, 146 S. – Naendrup, Peter–Hubert: Tarifverträge mit kirchlichen Einrichtungen – Betrachtungen zu einem arbeitsverfassungsrechtlichen Werturteilsstreit, in: BlStSozArbR 1979, 353– 368 (tiefschürfende Grundsatzkritik am „Dritten Weg“) – v. Nell-Breuning, Oswald: Die Kirche als Arbeitgeber, in: M. Pilters/K. Walf (Hrsg.), Menschenrechte in der Kirche, Düsseldorf 1980, 70–90 – Neumann, Volker: Individuelle Religionsfreiheit und kirchliches Selbstbestimmungsrecht – am Beispiel der karitativen Tätigkeit, in: Rechtstheorie und Rechtsdogmatik im Austausch. GS für Bernd Jeand’Heur, Berlin 1999, 247–264 – Reichegger, Heidi: Die Auswirkungen der Richtlinie 2000/78/EG auf das kirchliche Arbeitsrecht unter Berücksichtigung von Gemeinschaftsgrundrechten als Auslegungsmaxime, Frankfurt a. M. 2005, 276 S. – Reichold, Hermann: Selbstbestimmung der Kirche oder (nur) Tendenzschutz? Europa und das deutsche kirchliche Arbeitsrecht, in: Kreß (Hrsg.), Religionsfreiheit als Leitbild – Staatskirchenrecht in Deutschland und Europa im Prozess der Reform, Münster 2004, S. 105–118 – Reichold, Hermann: Europa und das deutsche kirchliche Arbeitsrecht. Auswirkungen der Antidiskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG auf kirchliche Arbeitsverhältnisse. NZA 2001, 1054–1060 – Richardi, Reinhard: Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung für die Bistümer der katholischen Kirche, NJW 2005, 2744–2747 – Richardi, Reinhard: Arbeitsrecht in der Kirche. Staatliches Arbeitsrecht und kirchliches Dienstrecht, 4. A. München 2003, 398 S. – Richardi, Reinhard/Wlotzke, Otfried (Hrsg.): Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3 Bde, 2. A. München 2000 (ausführliche Darstellung von Richardi in mehreren §§ in Bd. 2) – Rüfner, Wolfgang: Gewissensentscheidung im Arbeitsverhältnis, Recht der Arbeit 1992, 1–6 – Schlaich, Klaus: Der „Dritte Weg“ – eine kirchliche Alternative zum Tarifvertragssystem? JZ 1980, 209–218 – Struck, Gerhard: Entwicklung und Kritik des Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich, NZA 1991, 249–256 – Thüsing, Gregor: Kirchliches Arbeitsrecht. Rechtsprechung und Diskussionsstand im Schnittpunkt von staatlichem Arbeitsrecht und kirchlichem Dienstrecht. Tübingen 2006, 378 S. – Thüsing, Gregor: Das kirchliche Arbeitsrecht vor neuen Herausforderungen, ZTR 2006, 230 – Thüsing, Gregor: Der Dritte Weg – seine Grundlagen und seine Zukunft, ZTR 1999, 298 ff. – v. Tiling, Christian: Die Regelungen des Dritten Weges im System des weltlichen Arbeitsrechts, NZA 2007, 78
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LitV – B 7: Supranationales Recht
– Wieland, Joachim: Die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen als Arbeitgeber, DB 1987, 1633–1638 (Rspr.–Kritik) – Wege, Donat: Religion im Arbeitsverhältnis. Freiheitsgarantien und Diskriminierungsschutz in Kooperation, Berlin 2007 – Wieland, Joachim: Die Angelegenheiten der Religionsgesellschaften, Der Staat 25 (1986), 321–350 (fundamentale Kritik an der Rspr. des BVerfG zu Art. 137 III WRV/140 GG, speziell im Bereich des Arbeitsrechts.)
7. Supranationales Recht (europäische und rechtsvergleichende Perspektive; EMRK; s. auch oben B 6 Arbeitsrecht) – Conring, Hans-Tjabert: Korporative Religionsfreiheit in Europa: eine rechtsvergleichende Betrachtung. Zugleich ein Beitrag zu Art. 9 EMRK, Frankfurt a. M. 1998, 468 S. – Ehlers, Dirk (Hrsg.): Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, Berlin 2003, 509 S. – Frowein, Jochen Abr.: Religionsschutz und internationaler Menschenrechtsschutz, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, Berlin u. a. 2001, S. 73–88 – Grabenwarter, Christoph: Europäische Menschenrechtskonvention, 2. A. München/Wien 2005 – Grabenwarter, Christoph: Die korporative Religionsfreiheit nach der EMRK, in: Rüfner-FS, 2003, 147–157 – Grzeszick, B.: Die Kirchenerklärung zur Schlußakte des Vertrags von Amsterdam, ZevKR 2003, 284–300 – Grote, R./Marauhn, Th. (Hrsg.): Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht. Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, Berlin u. a. 2001, 632 S. – Hammer, Felix: Das Verhältnis von Staat und Kirchen in Europa zwischen staatskirchlichen Privilegien und weltanschaulich neutraler Distanz, DÖV 2006, 542–549 – Heinig, Hans Michael: Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften. Studien zur Rechtsstellung der nach Art. 137 Abs. 5 WRV korporierten Religionsgesellschaften in Deutschland und der Europäischen Union, Berlin 2003, 578 S. – Heinig, Hans Michael: Art. 13 EGV und die korporative Religionsfreiheit nach dem Grundgesetz, in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 215–254. – Kämper, Burkhard/Thönnes, Hans-Werner (Hrsg.): Die Trennung von Staat und Kirche. Modelle und Wirklichkeit in Europa, Münster 2007, 188 S. (Essener Gespräche 40) – Kehlen, Detlef: Europäische Antidiskriminierung und kirchliches Selbstbestimmungsrecht. Zur Auslegung von Art. 13 EG und Art. 4 der Richtlinie 2000/78/EG Frankfurt a. M. 2003, 274 S. – Kreß, Hartmut (Hrsg.): Religionsfreiheit als Leitbild. Staatskirchenrecht in Deutschland und Europa im Prozess der Reform (Reihe Ethik interdisziplinär Bd. 5), 2004, 352 S. – Marauhn, Thilo/Grote, Rainer: EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, Tübingen 2006, 1922 S. – Muckel, Stefan: Die Rechtsstellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, DÖV 2005, 191–200 – Mückl, Stefan: Europäisierung des Staatskirchenrechts, Baden-Baden 2005, 631 S. – Mückl, Stefan: Die Rechtsstellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, DÖV 2005, 191–200 – Rengeling, Hans-Werner/Szczekalla, Peter: Grundrechte in der Europäischen Union, Köln 2005, 1271 S.
LitV – B 7: Supranationales Recht
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– Robbers, Gerhard (Hrsg.): Staat und Kirche in der Europäischen Union, 2. A., BadenBaden 2005, 641 S. – Söbbeke-Krajewski, Markus: Der religionsrechtliche Acquis Communautaire der Europäischen Union. Ansätze eines systematischen Religionsrechts der EU unter EUVertrag, EG-Vertrag und EU-Verfassungsvertrag, Berlin 2006 – Sucker, Franziska: Europäisches Staatskirchenrecht, Leipzig 2001 – Triebel, Matthias: Das europäische Religionsrecht am Beispiel der arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, Frankfurt a. M. 2005, 341 S. – Vachek, Marcel: Das Religionsrecht der Europäischen Union im Spannungsfeld zwischen mitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten und Art. 9 EMRK, Frankfurt u. a. 2000. – de Wall, Heinrich: Das Religionsrecht der EU – Grundstrukturen und Spannungen, ZevKR 2005, 383 – Walter, Christian: Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive, Tübingen 2006, 664 S. (Jus Publicum 150; Deutschland, Frankreich, USA) – Walter, Christian: Der Schutz religiöser Minderheiten im Recht der Europäischen Gemeinschaften und nach der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), in: Staat und Kirche im werdenden Europa – Schriftenreihe der Freien Akademie e. V., 2003, 93–125 – Weber, Hermann: die Kirchen und das europäische Subventionsrecht, ZevKR 2005, 419 – Weber, Hermann: Die individuelle und kollektive Religionsfreiheit im europäischen Recht, ZevKR 2002, 265–302 – Winkler, Roland: Die Grundrechte der Europäischen Union. System und allgemeine Grundrechtslehren, Wien, New York 2006, 596 S. – Winter, Jörg: Das Verhältnis von Staat und Kirche als Ausdruck der kulturellen Identität der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Festschrift Alexander Hollerbach, hrsg. v. J. Bohnert u. a., Berlin 2001, S. 893–905. – Zimmermann, Andreas: Religion und Internationales Recht, Berlin 2006, 227 S.
Sachverzeichnis
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 424; 451 Ämter, kirchliche 10; 13; 54; 150; 153; 184; 191; 216; 325; 329; 415; 417 Anknüpfungsverbot 173; 370 f. Anstaltsseelsorge 55; 59; 151; 230; 325; 347; 407 f.; 417 Arbeitsrecht 94; 106; 140; 189; 194; 380 ff. christliche Dienstgemeinschaft 384; 386 Dritter Weg 383 f. Grundrechte 378 f.; 389 ff. Individualarbeitsrecht 385 ff. kirchliches Arbeitsrecht 380 ff. kollektives Arbeitsrecht 382 ff. Kündigungsrecht 385 ff. Loyalitätspflichten 388 ff. Sonderstellung 382 ff. Tendenzbetriebe 385 Vorrang der Freien Träger 377 ziviles Arbeitsrecht 451 Zwangskonfessionalisierung 391 Atheismus 80; 260 Augsburger Religionsfriede 4; 145 Bahá’í 218 Baurecht 130; 210 Beamtenrecht 311; 401; 429 ff. Beeinflussungsfreiheit 119 ff.; 166 Beschimpfen 464 f. Besonderes Kirchgeld 238; 246 Bioethik 70; 74; 392 Böckenförde-Dilemma 71; 170 Bundesrecht 423 ff. Christliche Gemeinschaftsschule s. Schule und Religion Christlicher Staat 12; 16; 18 Datenschutz 346; 439; 510; 512
DDR 20 ff. Denkmalschutz 444 Dritter Weg 383 f. Drittwirkung 140; 451 Ehrenmord 454 Eignungsklausel (§ 166 StGB) 460; 471; 477 Elternrecht 89; 92; 125; 220; 250; 262; 452 Enquête-Kommission 51; 207 Europäische Entwicklung 498 ff. Diskriminierungsverbot 513 ff. Europäische Menschenrechtskonvention 509 Grundrechtsschutz der EU 516 f. Grundsysteme der Religionsverfassung 499 ff. Religionsrecht in der EU 510 ff. statistische Hinweise 498 FDP-Kirchenpapier 104 f. Förderung s. Religionsförderung Frankreich 14; 206; 287; 501; 503 Friedhöfe 418 ff. Gebühren 50; 181; 195; 351; 419 Gemeinsame Angelegenheiten 148; 379 Geschichte der Religionsfreiheit 1 ff. Gewerbeausübung 116; 127 Gewissen 132 Gewissensfreiheit 131 ff. Bluttransfusion 138; 494 f. Eidesverweigerung 139 Funktion 133 Gewissensbildung 137 Kirchenasyl 450 Privatrecht 140 Schranken 138 Schulpflicht 139
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Sachverzeichnis
Schutzbereich 134 ff. Tierversuche 139 Zeugeneid 139 Gewissenstäter 491 ff. Glaubensfreiheit 119 ff. Glockenläuten 205; 441 f. Gottesklausel 59; 164 Gotteslästerung 456 Grundkonsens 76; 80; 161; 168; 170 Grundrechtsbindung 162; 192 Grundrechtskollision 118; 157; 276; Grundversorgung 49; 283; 374; 377; 436 Humanismus 399; 404 Ideologie 31 ff.; 73 f.; 77; 156; 163; 168; 171; 257 ff.; 406 Immissionsschutz 130; 210; 441 ff. Integration 48; 68 ff.; 82; 85; 135; 170; 210; 256; 265 Islam 196; 200; 210; 290; 399; 404; 437; 454; 476 Bestattungswesen 210 Koordinierungsrat der Muslime 437 Kopftuch 310 ff. Muezzinruf 443 Schächten 210 Schule und Religion 262 ff.; 309 ff. Islamwissenschaften 404 Judaistik 48; 399; 404 Justizgewährleistung 213 ff. Kirchenasyl 450 Kirchenaufsicht 5; 13; 93; 147; 179; 194 Kirchenaustritt 20; 40; 225 ff.; 229 ff.; 392 CIC 1983 226 ff. Kirchenaustrittszahlen 234 Modifizierte Austrittserklärungen 231 Neue Bundesländer 233 Rasterfahndung 233 sogenannter Kirchenaustritt 229 ff. Kirchenglocken s. Glockenläuten Kirchenhoheit 5; 8; 146 Kirchenmitgliedschaft 218 ff. CIC 1983 222; 226 f.
Kindertaufe 220 ff. Kirchenmitgliedschaftsgesetz 224 Taufe 222 Territorialprinzip 224 Zuzug aus dem Ausland 245 Kirchensteuer 235 ff. Arbeitgeber 242 Ausländerzuzug 245 Besonderes Kirchgeld 238; 246 DDR-Kirchensteuergesetz 240 Einzelheiten des Systems 236 ff. glaubens- und konfessionsverschiedene Ehen 245 Kircheneinkommensteuer 240 Kirchensteuerämter 241; 247 Kirchensteuerpflicht 237 Lohnkirchensteuer, Kirchenlohnsteuer 242 ff. Lohnsteuerkarte 243 Pauschalisierung der Kirchenlohnsteuer 244 Reformfragen 247 Religionsmündigkeit 237 Schweigerecht 243 Staatlicher Kirchensteuereinzug 241 Verfassungsrechtliches Ergebnis 247 Kirchenfinanzierung 351; 365 Kirchengutsgarantie 352 f. Kirchenvermögen 351 ff. Kirchliches Arbeitsrecht s. Arbeitsrecht kirchliches Sozialwesen s. Sozialwesen Klerikalismus 99 Körperschaftsstatus 56; 59; 104 f.; 165; 180 f.; 193 ff. Anerkennung 198 Dienstherrenfähigkeit 194 Einzelbefugnisse 194 Erforderlichkeit 202 Friedhöfe, kirchliche 194 Konkursunfähigkeit 194 Parochialrecht 194 Privilegienbündel 195 f. Rechtsetzungsbefugnis 194 Rechtstreue 198 Res sacrae 194; 203 ff. Staatsaufsicht 194 Staatsloyalität 198 Widmung 194 Kommunitarismus 82
Sachverzeichnis konfessionsgebundenes Staatsamt 396; 431 Konfessionsschule s. Schule und Religion Konkordate 316 ff.; 334 s. auch Vertragsrecht Konkordatslehrstühle 325, 405 f. Konkordatsurteil 252; 328 Konkursunfähigkeit 194 Konvergenz der Systeme 506 Kooperation 60 f.; 93; 316; 413; 448; 503 Koordinationstheorie 93 f. Kopftuch 160; 256; 310 ff. Kreuz, Kruzifix 49 im Klassenzimmer 254; 268 ff. in Gerichtssälen 167; 177 in kommunalen Sitzungssälen 167; 177 Kreuz und Kopftuch 310 Kruzifix-Gesetz 271; 277 ff. Lehrer und Kreuz 282 Kulturkampf 12 ff. Laizismus 152 Landesrecht 28; 165; 275; 282; 295; 317; 428 Landesverfassungen 62; 165 Lebenskundlicher Unterricht 414 Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde s. Schule und Religion Liberale Rechtstheorie 73 ff.; 179 f. Meinungsfreiheit und Religionsschutz 466 Melderecht 438 Menschenrechte 6; 44; 83; 437; 498; 509 Menschenwürde 6; 74; 80; 154; 476 Militärseelsorge 48; 60; 104; 153; 175; 178; 191; 347; 365; 407 ff.; 412 f. Gesamtbeurteilung 415 Lebenskundlicher Unterricht 414 Militärgeistliche 408; 415 Militärseelsorgevertrag 409 ff. Minderheiten 7; 10; 51; 73; 99 f.; 155; 168; 170; 206 ff.; 252 f.; 342; 437; 449 Missionierung 124; 160; 253 f.; 269; 414
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Moral 66 f.; 70 ff.; 74; 77; 82 f.; 89; 135; 157; 168; 220; 228; 453 Muezzinruf 443 Naturrecht 83; 96 ff. Neue Bundesländer 200; 233; 286; 288; 322; 328 ff; 363; 375; 391; 402 f.; 410 Neue religiöse Bewegungen s. Religionsgemeinschaften, kleine Neutralität 56; 60; 63; 104; 120; 141 ff.; 159 ff.; 172 f.; 232; 274 ff.; 280 f.; 348; 354; 364; 371 ff.; 406; 414; 431; 435; 449 Anknüpfungsverbot 173 Aspekte 166 Begriffsfragen 159 f. Begründung, normative 161 f. Begründungsneutralität 170 distanzierende Neutralität 177 Einwendungen 163 ff. Gesetzgebung 171 Kopftuch 310 ff. Liberale Rechtstheorie 73 ff.; 168 f. Modifizierung, Modifikation 172 f. objektives Verfassungsrecht 167 offene Neutralität 174 f. Staatsrepräsentation 177 Toleranz und N. 145; 156 Trennungsgebot und N. 142 ff. Verfassungssystem und N. 165 Wirkungsneutralität 170 Nihil obstat 402; 405 Nominatio Dei 59; 164 Öffentlicher Friede 460 Öffentliches Recht 421 ff. Orden 13; 21; 160; 199; 212; 259; 314; 351; 381 Parität 4; 10; 16; 99; 141; 155; 166; 320; 360; 399; 434 dreistufige 94; 181 Statusgleichheit 179 ff. Paulskirchenverfassung 8; 11; 146; 182 Personenstandsrecht 440 Polizeiseelsorge s. Anstaltsseelsorge Präambel 59; 81; 164; 177; 326; 340; 348; 498 Preußen 7 ff.; 10; 12 f.
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Sachverzeichnis
Privatrecht 140, 421 ff. Privilegien 23; 46 ff.; 166; 181; 358; 362 Privilegienbündel 195 ff. Rasterfahndung 233 Rechtsquellen 28 ff. Rechtsschutz der Kirchen 217 Rechtsschutz gegen die Kirchen 212 ff. Rechtstreue 198; 210 Reformation 4; 357 Reichsdeputationshauptschluss 10; 357 Reichskonkordat 49; 92; 249; 252; 322 f.; 328; 411 Religion 114 als Integrationsfaktor 68 ff.; 85 Religion und Recht 68 ff. Religionsausübungsfreiheit 123 f.; 125 ff.; 178; 378; 420; 447; 450 Religionsbeschimpfung 458 ff. Religionsförderung 364 ff. Anknüpfungsverbot 370 f. Differenzierungen 367 Kirchensubventionen 365 Kulturverantwortung 367 Privatschulen 367; 369 f. Rechtsprechung 368 ff. Religionspolitik 367 Sozialeinrichtungen 374 soziale Nützlichkeit 367 Theorie d. Religionsförderung 371 f. Zuschussvergabe 371; 372 Religionsfreiheit 108 ff.; 178 ff. Beeinflussung 166; 119 ff. Begriff 108; 116 f. Bekenntnisfreiheit 123 f. Einheitsgrundrecht oder Einzelgrundrechte 109 ff. Flankierende Bestimmungen 122 Geschichte 1 ff. Glaubensfreiheit 119 ff. Grundrechtskollisionen 118; 157; 276 Grundrechtsträger 113 Individuelle R. 108 ff. Körperschaftsstatus 193 ff. s. auch eigenes Stichwort kollektive 108 korporative 108; 178 ff. neuralgische Punkte 37 f. positive und negative 118; 276
Privatreligion 117 Religionsausübungsfreiheit 125 ff. s. auch eigenes Stichwort Religion und Weltanschauung 114 f. Schranken 121; 128 f. Schweigerecht 122; 243; 438 Selbstbestimmungsrecht 182 ff. s. auch eigenes Stichwort Selbstverständnis 111; 116; 126; 184 f.; 378 Verhältnis zwischen Art. 4 und 140 GG 130 Warnungen 119; 209 Religionsgemeinschaften 113; 114 f.; 178 ff. s. auch Religionsfreiheit; Selbstbestimmungsrecht Grundrechtsbindung 192 kleine 206 ff. Religionsprivileg 211 Scientology 208 Sekten 51; 206 f.; 445; 503 Verbot 211 Warnungen 119; 209 Zeugen Jehovas 131; 198 Religionsmündigkeit 113; 237; 265; 295; 452 Religionspolitik 166; 179; 367; 510 Religionsprivileg 211 Religionsrecht 25 ff. Begriff 25 ff. Besonderheiten 31 ff. Dynamik 34 f. neuralgische Punkte 37 f. Staatskirchenrecht 25 Religionssoziologische Situation 39 ff. Religionsunterricht 287 ff. s. auch Schule und Religion Religionsverfassung Bundesrepublik 24; 52 ff. Grundsysteme 499 ff. Religionsverfassungsrecht s. Religionsrecht religiöse Kindererziehung 452 s. auch Schule und Religion res mixtae s. gemeinsame Angelegenheiten res sacrae 203 f. Rundfunkrecht 437
Sachverzeichnis Säkularisation 10; 352; 357 f. Schächten 210 Schule und Religion 248 ff. Beeinflussung, ideologische 257 ff.; 302 Befreiung vom Unterricht 262 ff. Bekenntnisfreie Schulen 284 ff. Christliche Gemeinschaftsschulen 253 ff. Christliche Schulpolitik 254; 261; 452 Ehrfurcht vor Gott 261 Erziehungsziele 81; 248; 257 ff. Ethikunterricht 298 ff.; 308 Geschichte 249 ff. Heimunterricht 267 Islam 262 ff.; 290; 309 ff. s. auch eigenes Stichwort Klassenfahrten 265 Konfessionsschulen 249 ff. Konfessionsschulzwang 100; 252 Konkordatsurteil 252 Kopftuch 310 ff. Kreuz, Kruzifix 268 ff. Kruzifix-Gesetz 271; 277 ff. Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde 296; 303 ff. Lebenskunde 296; 307 Lehrer und Grundrechte 253; 260; 282; 292; 429 ff. Lehrerausbildung 252; 302 Privatschulen 291; 367; 369 f. Rechristianisierung 89 Regelschulen 283 ff. religiöse Bekleidung 259; 263 Religionsmündigkeit 113; 237; 265; 295; 452 Religionsunterricht 287 ff. Schulbuchzulassung 168 Schulgebet 255 f. Schulgottesdienst 254; 452 Sexualkunde 258; 264 Sportunterricht, kodedukativer 263 Toleranz 141; 145; 154 ff.; 252; 276; 305 Weltanschauungsschulen 285; 296; 307 Schwangerschaftsabbruch 298 Schweigerecht 122; 243; 438 Scientology 208 Sekten 51; 206 f.; 445; 503
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Selbstbestimmungsrecht 182 ff. Ämterhoheit 191 s. auch Ämter, kirchliche Begriff 182 ff.; 379 Grundrechte 192 Rechtsschutz 212 ff. Schranken 187 ff. Träger 185 Verhältnis zu Art. 4 I, II GG 186 Selbstverständnis 111; 116; 126; 184 f.; 378 Sonderstatusverhältnisse 429 ff. Sonderurlaub 432 Sonn- und Feiertagsrecht 448 f. Sozialwesen 375 ff. Staatsaufsicht s. Kirchenaufsicht Staatsideologie 77 ff. Staatskirche 5; 11; 17; 146 f.; 500 Staatskirchenrecht s. Religionsrecht Staatsleistungen, historische 104; 150; 325; 329; 348; 354 ff. Ablösungsmöglichkeiten 355; 362 Besoldung von Geistlichen 355 Erlöschen 360 Gegenstand und Rechtsgrund 359 Geldrente 355; 363 Institutsliquidation 362 f. Kirchenbaulasten 359 f. Legitimation 358 Negative (mittelbare) SL 361 Neubegründung 363 neue Bundesländer 363 Sperrwirkung 355; 362 Überblick 354 ff. Weimarer Regelung 357 f. Staatsphilosophie 72 ff. Grundkonsens 76; 80; 161; 168; 170 Heimstatt aller Bürger 72 f. Ideologie des GG 77 ff. Integration 68 ff.; 71; 85 Kommunitarismus 82 Naturrecht 83; 96 ff. Neutralitätsliberalismus 73 ff. Zivilreligion 80 f. Störung der Religionsausübung 478 ff. Störung der Totenruhe 484 Störung einer Bestattungsfeier 483 Strafrecht 453 ff. Straßen- und Wegerecht 445
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Sachverzeichnis
Straßenverkehrsrecht 446 St. Salvator 204 Subsidiaritätsprinzip 49; 377 Subventionen s. Religionsförderung Summepiskopat 17; 320 Syllabus errorum 14 Tabu 80 Theologische Fakultäten 393 ff. Doppelfunktion 396 evangelische theologische Fakultäten 403 Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen 400 katholische theologische Fakultät 402 Lehrbeanstandung 403 Nihil obstat 402 Tatsächliche Bedeutung der theologischen Fakultäten 404 Trennungsgebot 397 Treueid 400 Verfassungsrechtliche Zulässigkeit 394 f.; 397 ff. Wissenschaftsbegriff 397 Toleranz, Toleranzprinzip 6 f.; 141; 145; 154 ff.; 252; 276; 305; 473 f. Trennung, Trennungsgebot 141 ff. Einordnung, rechtsdogmatische 141 Einzelprobleme 191; 241 f.; 286, 288 f.; 347; 371; 397; 406; 415 Geschichte 1 ff.; 8; 11; 16 f.; 23; 48; 57 f. Grundgesetz und Trennung 148 Institutionelle Trennung 150 Kooperation und Trennung 151 ff. Neutralität und Trennung 142 ff. Problembereiche 153 Weimarer Zeit 146 f.; 341 Trennungssysteme 501 ff. Treueid 48; 153; 191; 323; 330; 400 USA 502 Verbot von Religionsgemeinschaften 211 Vereinsrecht 184; 192; 211; 217; 512 Verfassungsbeschwerde 130; 186 Verfassungspatriotismus 80 Verfassungswirklichkeit 46 ff.
Vertragsrecht 95; 316 ff. Begriff „Staatskirchenverträge“ 325 Bayernkonkordat von 1817 317 Bayernkonkordat von 1924 320 Diktaturen 321 ff.; 342 Franco-Spanien 324 Geschichte bis 1945 317 ff. Heiliger Stuhl 334 Innerstaatliche Verträge 337 f. Kategorien 346 ff. Kirchenverträge, evangelische 335 f. Konkordate 316 ff.; 325; 334 Konkordatsurteil 252; 328 Kritische Neuansätze 336 ff. Lateranverträge 321 Legitimation 339 ff.; 343 f. Loccumer Vertrag 326 Militärseelsorgevertrag 409 ff. Neutralitätsgebot 348 Rechtsbindung 335; 344 Rechtsebene 337 Rechtsnatur 332 ff. Reichskonkordat 322 f.; 328 Selbstentmachtung des Parlaments 345 Staat-Kirche-Verträge in der Bundesrepublik bis 1990 325 ff. Staat-Kirche-Verträge in der Bundesrepublik nach 1990 329 ff. Staatsverträge 337 Transformation 332 f.; 336 Vertragsgesetze 332 Vertragsmotive 340 f. Völkerrechtssubjektivität des Hl. Stuhls 334 Zustandekommen 345 Vertragsstaatskirchenrecht s. Vertragsrecht Warnungen 119; 209 Wehr- und Zivildienstrecht 433 s. auch Militärseelsorge Geistlichenprivileg 434 Großer Zapfenstreich 435 Lebenskundlicher Unterricht 414 Weimarer Zeit, Weimarer Reichsverfassung 17 f.; 24; 55; 93; 130; 147; 162; 186; 193 f.; 320; 357 Weltanschauung 114
Sachverzeichnis Weltanschauungsgemeinschaften 38; 55 f.; 59; 93; 115; 178; 180 f.; 195; 208; 350; 356; 371; 422; 440 Widmung 194; 203 Wissenschaftsbegriff 397
Zeugen Jehovas 131; 198 Zivilrecht 421 ff. Zivilreligion 80 f.
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