de Gruyter Lehrbuch Münster · Quantentheorie
Gernot Münster
Quantentheorie
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Walter de Gruyter Berlin · New York
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de Gruyter Lehrbuch Münster · Quantentheorie
Gernot Münster
Quantentheorie
≥
Walter de Gruyter Berlin · New York
Gernot Münster Institut für Theoretische Physik Westfälische Wilhelms-Universität Wilhelm-Klemm-Straße 9 48149 Münster
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. 앪
ISBN-13: 978-3-11-018928-5 ISBN-10: 3-11-018928-3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
쑔 Copyright 2006 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Umschlaggestaltung: ⫹malsy, kommunikation und gestaltung, Willich. Druck und Bindung: Druckhaus »Thomas Müntzer«, Bad Langensalza.
Vorwort Dieses Buch enth¨alt den Stoff einer zweisemestrigen Vorlesung. Es ist f¨ ur Studierende der Physik zum Lernen und Nachschlagen gedacht. Als ich zum ersten Mal die Vorlesung Quantentheorie“ vorbereitete, besorgte ich mir ” mehr als 20 Lehrb¨ ucher aus der Bibliothek, um Anregungen zu sammeln. Es gibt eine Reihe sehr ausf¨ uhrlicher Werke, die eine gewisse Vollst¨ andigkeit anstreben und zum Nachschlagen und Vertiefen spezieller Themen sehr gut geeignet sind, als Lehrbuch f¨ ur Anf¨ anger aber zu umfangreich sind. Andere B¨ ucher konzentrieren sich auf die wesentlichen Sachverhalte und sparen an Beispielen und Erl¨ auterungen. Nachdem alle B¨ ucher mehr oder weniger gr¨ undlich durchgesehen waren, musste ich feststellen, dass keines darunter war, dessen Inhalt dem entsprach, was ich mir f¨ ur die Vorlesung vorgenommen hatte. So entstand die Idee zu diesem Lehrbuch. Bei der inhaltlichen Konzeption spielten folgende Gesichtspunkte eine Rolle. Das Buch soll in etwa den Stoff enthalten, mit dem der Physikstudent im Studium konfrontiert wird. Es soll also dazu geeignet sein, die Vorlesung zu begleiten und als Grundlage f¨ ur Pr¨ ufungsvorbereitungen zu dienen. Es soll nicht zu trocken sein: außer den theoretischen Sachverhalten sollen Beispiele, Anwendungen und illustrierende Gedankeng¨ ange pr¨ asentiert werden. Die begrifflichen Grundlagen der Quantentheorie, auch hinsichtlich des Messprozesses, sollen nicht zu kurz kommen. Dazu z¨ ahlt auch eine Diskussion der bellschen Ungleichungen. Weiterhin soll es eine Einf¨ uhrung in die feynmanschen Pfadintegrale enthalten. Ein Thema, das bei Lehrb¨ uchern der Quantentheorie immer kontrovers ist, betrifft das Ausmaß der mathematischen Strenge. Die meisten f¨ ur Physiker bestimmten B¨ uchern nehmen es nicht so genau mit der mathematischen Korrektheit. Gerne werden dann die Verh¨ altnisse der Matrizenrechnung bedenkenlos auf Operatoren im Hilbertraum u ¨ bertragen, so dass sich Mathematiker die Haare raufen. Andererseits wird in den mathematisch anspruchsvollen B¨ uchern der Theorie der linearen Operatoren im Hilbertraum großer Umfang einger¨aumt, so dass Studierende der Physik abgeschreckt werden. Ich habe hier versucht, einen Kompromiss zu finden, der den Anspr¨ uchen der Physikstudenten gen¨ ugt, aber den mathematisch orientierten unter ihnen nicht die Zornesr¨ ote ins Gesicht treibt. F¨ ur die große Hilfe bei der Umsetzung des Buches in LATEX danke ich Herrn Daniel Ebbeler herzlich. M¨ unster, im Januar 2006
Gernot M¨ unster
Inhaltsverzeichnis Vorwort
v
1 Materiewellen 1.1 Welleneigenschaften der Materie . . . . 1.2 Freie Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Wellenpakete . . . . . . . . . . . 1.2.2 Zerfließen der Wellenpakete . . . 1.2.3 Wellengleichung . . . . . . . . . 1.2.4 Kontinuit¨atsgleichung . . . . . . 1.3 Deutung der Materiewellen . . . . . . . 1.3.1 Wahrscheinlichkeitsinterpretation 1.3.2 Welle-Teilchen-Dualismus . . . . 1.4 Impulsraum . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Impulsoperator, Ortsoperator . . . . . . 1.6 Heisenbergsche Unsch¨ arferelation . . . .
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1 1 4 6 7 9 10 11 14 16 18 21 23
2 Schr¨ odingergleichung 2.1 Zeitabh¨angige Schr¨odingergleichung . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zeitunabh¨angige Schr¨ odingergleichung . . . . . . . . . . . .
29 29 30
3 Wellenmechanik in einer Dimension 3.1 Teilchen im Kasten: unendlich hoher Potenzialtopf 3.1.1 Dreidimensionaler Kasten . . . . . . . . . . 3.2 Endlicher Potenzialtopf . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Gebundene Zust¨ ande . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Streuzust¨ande . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Streuung von Wellenpaketen . . . . . . . . 3.3 Potenzialbarriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 α-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Kalte Emission . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Allgemeine eindimensionale Potenziale . . . . . . .
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33 34 37 39 40 46 53 58 60 61 63 64
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67 67 71 72 77
4 Formalismus der Quantenmechanik 4.1 Hilbertraum . . . . . . . . . . . 4.2 Physikalischer Zustandsraum . 4.3 Lineare Operatoren . . . . . . . 4.4 Diracnotation . . . . . . . . . .
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viii
Inhaltsverzeichnis
4.5
4.6 4.7
Observable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Observable und Messwerte . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Vertr¨agliche Observable . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Parit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.4 Unsch¨arferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Postulate der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . Wahrscheinlichkeitsdeutung der Entwicklungskoeffizienten
5 Harmonischer Oszillator 5.1 Spektrum . . . . . . . . . . . . 5.2 Eigenfunktionen . . . . . . . . 5.3 Unsch¨arfen . . . . . . . . . . . 5.4 Oszillierendes Wellenpaket . . . 5.4.1 Koh¨arente Zust¨ ande . . 5.5 Dreidimensionaler harmonischer
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78 78 79 81 83 84 84
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87 87 91 95 96 98 100
6 Das Spektrum selbstadjungierter Operatoren 6.1 Diskretes Spektrum . . . . . . . . . . . . . 6.2 Kontinuierliches Spektrum . . . . . . . . . 6.2.1 Impulsoperator . . . . . . . . . . . 6.2.2 Ortsoperator . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Teilchen im Topf . . . . . . . . . . 6.2.4 Uneigentliche Eigenvektoren . . . . 6.3 Spektralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Wahrscheinlichkeitsinterpretation . . . . .
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103 103 103 103 105 106 108 110 112
7 Darstellungen 7.1 Vektoren und Basen . . . . . . . . . 7.2 Ortsdarstellung . . . . . . . . . . . . 7.3 Impulsdarstellung . . . . . . . . . . . 7.4 Darstellungen der Quantenmechanik 7.5 Energiedarstellung . . . . . . . . . . 7.6 Basiswechsel . . . . . . . . . . . . . .
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113 113 115 115 116 117 118
8 Zeitliche Entwicklung 8.1 Schr¨odingerbild . . . . . . . . 8.1.1 Neutrino-Oszillationen 8.2 Heisenbergbild . . . . . . . . 8.3 Ehrenfestsche Theoreme . . .
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121 121 123 125 127
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Inhaltsverzeichnis
ix
9 Drehimpuls 9.1 Drehimpulsoperator . . . . . . . . . . . . 9.2 Teilchen im Zentralpotenzial . . . . . . . . 9.2.1 Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . 9.3 Eigenwerte des Drehimpulses . . . . . . . 9.3.1 Allgemeine Drehimpulseigenwerte . 9.3.2 Eigenwerte des Bahndrehimpulses 2 und L3 . . . . . . 9.4 Eigenfunktionen zu L 9.4.1 Darstellung im Ortsraum . . . . . 9.5 Radialgleichung . . . . . . . . . . . . . . .
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129 129 131 133 136 136 139 141 141 145
10 Rotation und Schwingung zweiatomiger Molek¨ ule 147 10.1 Zweik¨orperproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 10.2 Rotations-Vibrations-Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . 150 11 Kugelf¨ ormiger Kasten
153
12 Vollst¨ andige S¨ atze kommutierender Observablen
159
13 Das Wasserstoffatom, Teil I 13.1 Spektrum und Eigenfunktionen 13.2 Runge-Lenz-Pauli-Vektor . . . 13.2.1 Klassische Mechanik . . 13.2.2 Quantenmechanik . . .
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14 Teilchen im elektromagnetischen Feld 14.1 Hamiltonoperator . . . . . . . . . . . . . 14.2 Konstantes Magnetfeld . . . . . . . . . . 14.3 Bewegung eines Teilchens im konstanten 14.4 Normaler Zeemaneffekt . . . . . . . . . 15 Spin 15.1 15.2 15.3 15.4
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161 162 169 169 170
. . . . . . . . . . . . . . Magnetfeld . . . . . . .
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175 175 177 178 181
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183 183 183 186 187 189 190 194 194 195
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Experimentelle Hinweise . . . . . . . . . . . . . Spin 1/2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wellenfunktionen mit Spin . . . . . . . . . . . . Pauligleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.1 Spinpr¨azession . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Stern-Gerlach-Versuch . . . . . . . . . . . . . . 15.6 Drehung von Spinoren . . . . . . . . . . . . . . 15.6.1 Eigenspinoren zu beliebigen Richtungen 15.6.2 Drehungen . . . . . . . . . . . . . . . .
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x
Inhaltsverzeichnis
15.7 Der Messprozess, illustriert am Beispiel des Spins . . . . . . 198 16 Addition von Drehimpulsen 207 16.1 Addition zweier Drehimpulse . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 16.2 Zwei Spins 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 16.3 Bahndrehimpuls und Spin 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 17 Zeitunabh¨ angige St¨ orungstheorie 17.1 Korrekturen zum Hamiltonoperator des Wasserstoffatoms 17.2 Rayleigh-Schr¨odinger-St¨ orungstheorie . . . . . . . . . . . 17.2.1 Nicht entartete St¨ orungstheorie . . . . . . . . . . . 17.2.2 St¨orungstheorie f¨ ur entartete Zust¨ ande . . . . . . . 17.3 Das Wasserstoffatom, Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.1 Feinstruktur des Spektrums . . . . . . . . . . . . . 17.4 Anormaler Zeemaneffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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213 213 214 214 216 218 218 222
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen 18.1 Mehrteilchen-Schr¨odingergleichung . 18.2 Pauliprinzip . . . . . . . . . . . . . . 18.2.1 Ununterscheidbare Teilchen . 18.2.2 Pauliprinzip . . . . . . . . . . 18.3 Bosonen und Fermionen . . . . . . . 18.4 Das Heliumatom . . . . . . . . . . . 18.4.1 Ortho- und Parahelium . . . 18.4.2 St¨orungstheorie . . . . . . . . 18.4.3 Ritzsches Variationsverfahren 18.5 Atombau . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.1 Zentralfeldmodell . . . . . . . 18.5.2 Hartree-Fock-Approximation 18.6 Austauschwechselwirkung . . . . . . ul . . . . . . . 18.7 Das Wasserstoffmolek¨
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225 225 226 226 228 231 232 232 233 237 239 239 242 246 248
19 Zeitabh¨ angige St¨ orungen 19.1 Zeitabh¨angige St¨orungstheorie . . . . . . 19.2 Fermi’s Goldene Regel . . . . . . . . . . 19.2.1 Zeitunabh¨angige St¨ orungen . . . 19.2.2 Periodische St¨ orungen . . . . . . 19.3 Absorption und Emission von Strahlung 19.4 Spontane Emission . . . . . . . . . . . .
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253 253 258 258 260 262 265
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Inhaltsverzeichnis
xi
20 Statistischer Operator 267 20.1 Gemische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 20.2 Unterschied zwischen reinen und gemischten Zust¨ anden . . 270 21 Messprozess und Bellsche Ungleichungen 273 21.1 Messprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 21.2 EPR-Paradoxon und Bellsche Ungleichungen . . . . . . . . 278 22 Station¨ are Streutheorie 285 22.1 Das station¨are Streuproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 22.2 Partialwellenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 22.3 Bornsche N¨aherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik 23.1 Grundkurs Pfadintegrale . . . . . . . . . . . 23.1.1 Einf¨ uhrung . . . . . . . . . . . . . . ¨ 23.1.2 Ubergangsamplitude . . . . . . . . . 23.1.3 Harmonischer Oszillator . . . . . . . 23.1.4 Aharonov-Bohm-Effekt . . . . . . . 23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale . . . . . . . . . . 23.2.1 Euklidisches Pfadintegral . . . . . . 23.2.2 Greensche Funktionen . . . . . . . . 23.2.3 Erzeugende Funktionale . . . . . . . 23.2.4 Harmonischer Oszillator II . . . . . . 23.2.5 Systeme mit quadratischer Wirkung 23.2.6 Beispiel: Energieaufspaltung . . . . . A Diracsche δ-Funktion
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307 307 307 309 315 319 323 323 326 328 329 334 337 345
B Fouriertransformation 351 B.1 Fourierreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 B.2 Fourierintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 C Formelsammlung
355
Literaturhinweise
361
Index
363
1 Materiewellen Das Geburtsjahr der Quantentheorie ist das Jahr 1900, in dem Max Planck die nach ihm benannte Strahlungsformel aufstellte. Er konnte sie theoretisch begr¨ unden, indem er postulierte, dass Lichtstrahlung nur in diskreten Portionen quantisiert“ emittiert und absorbiert wird. Deren Energie E ist ” mit der Frequenz ν der Strahlung durch die plancksche Beziehung E = hν verkn¨ upft, in welcher das plancksche Wirkungsquantum h auftaucht. Einstein ging im Jahre 1905 noch einen Schritt weiter. Er behauptete, dass das Licht selbst aus Teilchen, den Lichtquanten“ besteht, welche Energie ” und Impuls tragen. Auf diese Weise konnte er den lichtelektrischen Effekt erkl¨aren. Weitere Experimente, z.B. der Comptoneffekt, unterst¨ utzten die Lichtquantenhypothese. Nachdem die Welleneigenschaften des Lichtes experimentell wohlbekannt waren und die maxwellsche Theorie das Licht erfolgreich als Wellen des elektromagnetischen Feldes beschreiben konnte, stand man nun vor einer merkw¨ urdigen Situation. Das Licht besitzt offenbar eine Doppelnatur. In bestimmten Situationen zeigt es Welleneigenschaften, in anderen Situationen zeigt es Teilcheneigenschaften. Dieser Dualismus von Welle und Teilchen zeigte sich als Eigenschaft der Natur, war aber weit davon entfernt, verstanden zu sein.
1.1 Welleneigenschaften der Materie Prinz Louis de Broglie (15.8.1892 – 19.3.1987) studierte zun¨ achst Geschichte, bevor er sich der Physik zuwandte. Er ver¨ offentlichte 1923 einen Artikel, in welchem er eine u ¨ berraschende Hypothese vertrat: Materieteilchen, wie z.B. Elektronen, sollten auch Welleneigenschaften besitzen. Der Artikel wurde Teil seiner Dissertation, die er 1924 an der Sorbonne in Paris einreichte. W¨ahrend der Dualismus beim Licht noch keineswegs verstanden war, kehrte de Broglie also den Spieß um und behauptete, dass auch bei Materie der Welle-Teilchen-Dualismus vorliege. Seine These wurde außerordentlich skeptisch aufgenommen und seine Dissertation drohte zu scheitern. Sein Doktorvater P. Langevin wandte sich an Einstein, der eine Stellungnahme
2
1 Materiewellen
verfasste. Darin schrieb er: Wenn es auch verr¨ uckt aussieht, so ist es doch ” durchaus gediegen.“ Am 25.11.1924 konnte de Broglie seine Dissertation verteidigen. Die Fakult¨at hatte sich eine große Blamage erspart, denn 1929 wurde de Broglie f¨ ur seine Arbeit der Nobelpreis verliehen. Um die Welleneigenschaften zu besprechen, kehren wir zu den Lichtquanten, den Photonen“, zur¨ uck. F¨ ur sie gilt ” E = hν = h ¯ω mit h= ¯
h . 2π
Ihr Impuls ist ν h E =h = =h ¯k , c c λ wobei λ die Wellenl¨ange und k = 2π/λ die Wellenzahl ist. p=
Nach de Broglie ist Teilchen mit scharfem Impuls p und Energie E eine ebene Wellen mit Wellenzahlvektor k und Kreisfrequenz ω zugeordnet, f¨ ur welche die de Broglie-Beziehungen p = h ¯k ,
E=h ¯ω
gelten. Die de Broglie-Wellenl¨ ange betr¨ agt also λ=
h . p
Beispiele: 1. Elektronen, die durch eine Spannung U beschleunigt worden sind. p2 = eU 2me U = 1000V U = 100V
→
λ= √
h 1,226 nm = 2eU me U/1V
→ λ = 3,9 · 10−11 m ontgenstrahlung → λ = 1,2 · 10−10 m ∼ = weiche R¨
1.1 Welleneigenschaften der Materie
3
2. Staubkorn, m = 10−6 g, v = 10 m s−1 . →
λ = 6,6 · 10−26 m ,
nicht messbar
Experimente zur Wellennatur von Teilchen: 1. Elektronenbeugung an Kristallen C.J. Davisson, L.H. Germer, 1927 Im Davisson-Germer-Experiment wurden Elektronen senkrecht auf die Oberfl¨ache eines Nickelkristalls geschossen und die Intensit¨ at der reflektierten Elektronen als Funktion des Streuwinkels gemessen. Es handelt sich um Beugung an der Oberfl¨ achenschicht und nicht um Braggreflexion.
U
d
e
φ
φ
Ni
d sin φ = n λ ,
n = 1, 2, 3, ...
Die Gitterkonstante der Ni 1-1-1 Oberfl¨ ache, d = 2,15 · 10−10 m, wurde durch R¨ontgenbeugung bestimmt. Aus dem Auftreten eines Beugungsmaximums unter dem Winkel φ kann die Wellenl¨ ange λ der Elektronen ermittelt werden. Man fand φ = 50◦
→
λ = 1,65 · 10−10 m
Mit der Spannung U = 54 V lautet die Vorhersage λ = 1,67 · 10−10 m, ¨ was eine gute Ubereinstimmung darstellt. 2. Elektronenbeugung an polykristallinen Metallfolien G.P. Thomson, 1927
4
1 Materiewellen
Analog zur R¨ontgenstreuung an Kristallpulver (Debye-Scherrer-Verfahren) treten bei der Beugung von Elektronen an polykristallinen Metallfolien Beugungsringe auf, welche die Wellennatur best¨ atigen. 3. Beugung am Spalt bzw. Doppelspalt Hierbei treten Interferenzstreifen wie bei der Beugung von Licht auf. 4. Neutronenbeugung Bei Neutronen mit thermischen Geschwindigkeiten k¨ onnen Beugungserscheinungen nachgewiesen werden. Diese finden Anwendung bei der Oberfl¨achenanalyse von Festk¨ orpern. 5. Atom- und Molek¨ ulbeugung O. Stern, 1929 Auch f¨ ur ganze Atome und Molek¨ ule, wie z.B. H2 und He, konnten schon wenige Jahre nach de Broglies Arbeit Beugungserscheinungen nachgewiesen werden.
1.2 Freie Teilchen Wir betrachten Teilchen, die sich ohne ¨ außere Kr¨ afte bewegen, z.B. einen Elektronenstrahl im Vakuum. Einerseits gelten die de Broglie-Beziehungen, p = h ¯k ,
E=h ¯ω ,
andererseits sind Energie und Impuls durch E=
2 p 2m
verkn¨ upft. Hieraus folgt die Dispersionsbeziehung ω=
¯ 2 h k . 2m
Diese ist quadratisch im Gegensatz zu derjenigen f¨ ur Licht, wo ω = c · k gilt. Zur mathematischen Beschreibung der Materiewellen wollen wir eine Wellenfunktion ψ(r, t) einf¨ uhren. Ebene Wellen sind von der Form
ψ(r, t) = A ei(k·r−ωt) .
1.2 Freie Teilchen
5
Die Wellenfronten k · r − ωt = const. sind Ebenen, die senkrecht auf dem Wellenvektor k stehen und sich in dessen Richtung fortbewegen. Die Phasengeschwindigkeit betr¨agt ω E = . k p
vp = Nichtrelativistisch gilt E = gerechnet ist hingegen
m 2 2v ,
p = mv und daher vp = 12 v. Relativistisch
m0 c2 , E= 2 1 − vc2
m0 v p= 2 1 − vc2
und es folgt c2 > c. v Bedeutet dies einen Konflikt mit der Relativit¨ atstheorie? Welche der beiden Formeln gilt? vp =
Die Antwort hierauf lautet atere Kapitel). Beide Definitio• vp ist nicht messbar (siehe auch sp¨ nen sind m¨oglich, ihr Unterschied entspricht im Wesentlichen der Ber¨ ucksichtigung der Ruheenergie. • Physikalisch relevant und messbar ist die Gruppengeschwindigkeit vG = F¨ ur Materiewellen ist vG =
dω . dk
dE . dp
Nichtrelativistisch finden wir E=
p2 2m
⇒
vG =
p = v, m
wobei v die klassische Teilchengeschwindigkeit ist. Relativistisch ist E = p2 c2 + m20 c4
⇒
vG =
pc2 = v. E
6
1 Materiewellen
In jedem Fall ist also vG = v . Dies bedeutet, dass sich ein Wellenpaket mit der Geschwindigkeit v des klassischen Teilchens bewegt.
v
1.2.1 Wellenpakete ¨ Ein allgemeines Wellenpaket ist eine Uberlagerung ebener Wellen gem¨ aß ψ(r, t) =
d3 k ϕ(k ) ei(k·r−ωt) 3 (2π)
mit
h 2 ¯ k . 2m Betrachte eine enge Impulsverteilung: ω=
ϕ
k0
k
F¨ ur kleine |k − k0 | entwickeln wir ω(k ) = ω0 + vG · (k − k0 ) + . . .
1.2 Freie Teilchen
7
mit ¯ 2 h k , ω0 = ω(k0 ) = 2m 0 und erhalten i(k0 · vG −ω0 ·t)
ψ(r, t) ≈ e
vG = ∇ω(k0 ) =
¯k0 h , m
d3 k ϕ(k ) eik·(r−vG t) = eiω0 t ψ(r − vG t, 0) . 3 (2π)
In dieser N¨aherung bewegt sich das Wellenpaket ohne Form¨ anderung mit der Geschwindigkeit vG :
ψ t=0 x ψ
vG
t = t1 x
Die Gruppengeschwindigkeit vG =
0 p = v0 m
entspricht der zu k0 geh¨origen Teilchengeschwindigkeit. 1.2.2 Zerfließen der Wellenpakete Bei genauerer Betrachtung bleibt die Form der Wellenpakete nicht unge¨andert. Wir wollen dies jetzt am Beispiel eines eindimensionalen gaußschen Wellenpaketes studieren: h ¯ 2 dk ϕ(k) ei(kx− 2m k t) ψ(x, t) = 2π
8
1 Materiewellen
mit
2 d2
ϕ(k) = A e−(k−k0 )
.
ϕ
k
k0 1 d
Die Wellenfunktion ψ(x, t) k¨ onnen wir exakt ausrechnen. Dazu benutzen wir ∞ π −αk 2 dk e = α −∞ und erhalten ⎫
⎧ 2 k0 ¯ h x 2k ⎨ ⎬ − + id t x − 0 4 2m A π exp . ψ(x, t) = ht ¯ ht ¯ ⎩ ⎭ 2π d2 + i 2m d2 + i 2m Betrachten wir das Betragsquadrat dieser Funktion: ⎧
2 ⎫ h ¯ k ⎪ 0 ⎨ x− m t ⎪ ⎬ A2 2 exp − . |ψ(x, t)| = 2 2 2 2 h t ⎪ ¯ ⎪ ⎩ 2d2 + 2m 2 d2 ⎭ 4π d4 + ¯h4mt2 Dies ist ein gaußsches Paket von der Form (x − x)2 exp − 2(Δx)2 mit dem Schwerpunkt bei x = v0 t =
¯ k0 h t m
und der Breite Δx, die durch ¯ 2 t2 h 4m2 d2 gegeben ist. Wir erkennen, dass die Breite mit der Zeit zunimmt und das Wellenpaket zerfließt. (Δx)2 = d2 +
1.2 Freie Teilchen
9
t0
t1
t2
Die Zeitdauer f¨ ur das Zerfließen soll an zwei Beispielen illustriert werden: 1. Ein makroskopisches Teilchen mit m = 0,1 g, d = 2 mm.
Hier ist 2
2
(Δx) = d
1+
t
2
1025 sec
und das Zerfließen braucht 3 · 1017 Jahre. 2. Ein α-Teilchen mit d = 10−11 cm. oßer geworden: F¨ ur t = 10−18 sec ist die Breite bereits deutlich gr¨ (Δx)2 = 2d2 . 1.2.3 Wellengleichung F¨ ur eine ebene Welle h ¯ 2 ψ(x, t) = C ei(kx− 2m k t)
gilt h 2 ¯ ∂ ψ(x, t) = −i k ψ(x, t) ∂t 2m ∂ ψ(x, t) = ikψ(x, t) , ∂x
∂2 ψ(x, t) = −k2 ψ(x, t) . ∂x2
10
1 Materiewellen
Daher gen¨ ugt sie der Differenzialgleichung i¯ h
h2 ∂ 2 ¯ ∂ ψ(x, t) = − ψ(x, t) . ∂t 2m ∂x2
Diese entspricht der Beziehung Eψ(x, t) = Ein allgemeines Wellenpaket ψ(x, t) =
p2 ψ(x, t) . 2m
h ¯ 2 dk ϕ(k) ei(kx− 2m k t) 2π
¨ ist eine lineare Uberlagerung ebener Wellen und gen¨ ugt daher ebenfalls der Wellengleichung
i¯ h
h2 ∂ 2 ¯ ∂ ψ(x, t) = − ψ(x, t) . ∂t 2m ∂x2
Diese Differenzialgleichung ist von erster Ordnung in der Zeit. Durch Vorgabe der Anfangsbedingungen ψ(x, 0) ist die L¨ osung f¨ ur alle Zeiten festgelegt. Es handelt sich um eine lineare partielle homogene Differenzialgleichung. Ihre allgemeine L¨osung ist das obige Wellenpaket. In drei r¨aumlichen Dimensionen gilt entsprechend
i¯ h
h2 ¯ ∂ ψ(r, t) = − Δψ(r, t) . ∂t 2m
Dies ist die Schr¨odingergleichung f¨ ur freie Teilchen. 1.2.4 Kontinuit¨ atsgleichung ¨ Die zeitliche Anderung des Betragsquadrates der Wellenfunktion ist ∂ ∂ |ψ|2 = (ψ ∗ ψ) = ψ˙ ∗ ψ + ψ ∗ ψ˙ . ∂t ∂t Durch Einsetzen der Wellengleichung ¯ h ψ , ψ˙ = i 2m
¯ ∗ h ψ ψ˙ ∗ = −i 2m
1.3 Deutung der Materiewellen
11
finden wir h ¯ ∂ ∗ (ψ ψ) = −i (ψ ∗ ψ − ψ ∗ ψ ) ∂t 2m
= −i
¯ ∂ h (ψ ∗ ψ − ψ ∗ ψ ) . 2m ∂x
Entsprechend in drei Dimensionen ¯ h ∂ ∗ (ψ ψ) + ∇ · (ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ) = 0 . ∂t 2mi Dies ist eine Kontinuit¨atsgleichung von der Form ∂ ρ(r, t) + ∇ · j(r, t) = 0 ∂t mit
¯ h h ¯ (ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ) = Im(ψ ∗ ∇ψ) . 2m i m Wie aus der Elektrodynamik bekannt, impliziert die Kontinuit¨ atsgleichung, dass ∂ d 3 d r ρ(r, t) = d3 r ρ(r, t) dt ∂t = − d3 r ∇ · j(r, t) = − lim df · j(r, t) = 0 , ρ = ψ∗ ψ ,
j =
R→∞
R
falls j → 0 hinreichend stark f¨ ur |r| → ∞, so dass das Integral d3 r ψ ∗ ψ = const. sich zeitlich nicht ¨andert.
1.3 Deutung der Materiewellen Elektronen zeigen Teilcheneigenschaften, z.B. wenn ein Kathodenstrahl auf einen Schirm auftrifft und dort punktf¨ ormige Spuren hinterl¨ asst. Elektronen zeigen aber auch Welleneigenschaften, die sich durch Beugung und Interferenz bemerkbar machen. Wie passt das zusammen? Was ist ein Elektron wirklich?
12
1 Materiewellen
Weitere Fragen stehen im Raum: Was ist die Bedeutung der Wellenfunktion? Verteilt sich das Elektron in einem Beugungsexperiment auf dem Schirm? Wie sollen wir das Zerfließen des Wellenpaketes deuten? Zerfließt das Elektron? Um uns mehr Klarheit zu verschaffen, wollen wir das Doppelspalt-Experiment betrachten. Die Versuchsanordnung sieht schematisch so aus:
Ein Strahl fast monochromatischer Elektronen tritt durch eine Blende mit einem Doppelspalt und wird auf einem dahinter befindlichen Schirm aufgefangen. Die de Broglie-Wellenl¨ ange sei vergleichbar mit dem Spaltabstand, so dass Interferenz beobachtet werden kann. Nun betrachten wir verschiedene Situationen. a) Ein Spalt ist ge¨offnet. Die H¨aufigkeitsverteilung der Elektronen auf dem Schirm ist am gr¨ oßten hinter dem offenen Spalt und hat schematisch folgende Gestalt:
1.3 Deutung der Materiewellen
13
Die Verteilung ist aus vielen Punkten zusammengesetzt. Die Sachlage ist ¨ahnlich wie bei Schrotkugeln, die durch einen Zaun geschossen werden. Die Elektronen verhalten sich wie Teilchen. b) Beide Spalte sind ge¨offnet. Im Teilchenbild w¨ urden wir erwarten, dass auf dem Schirm im Wesentlichen zwei Streifen zu sehen sind. Die Intensit¨ at sollte die Summe derjenigen Intensit¨aten sein, bei denen jeweils nur der linke oder nur der rechte Spalt offen ist.
Teilchen
Wenn es sich aber um Wellen handelt, w¨ urden wir ein Interferenzmuster erwarten, dass schematisch diese Form hat:
Welle
14
1 Materiewellen
Was sagt das Experiment? Es ist tats¨ achlich ein Interferenzmuster zu beobachten, was die Welleneigenschaften der Elektronen best¨ atigt. Wie entsteht dieses Muster? Wenn die Intensit¨ at des Elektronenstrahls so weit verringert wird, dass immer nur einzelne Elektronen die Anordnung durchlaufen, kann man beobachten, dass das Interferenzmuster im Laufe der Zeit aus einzelnen Punkten aufgebaut wird. Jeder Punkt stammt von einem Elektron. Wir stellen fest: • Einzelne Elektronen geben Anlass zu Interferenz. Interferenz beruht nicht auf der Wechselwirkung zwischen mehreren Elektronen. • Auf dem Schirm erscheinen sie nicht wellenartig ausgeschmiert, sondern punktf¨ormig“ lokalisiert. Die Ladung eines Elektrons verteilt ” ” sich nicht im Raum“. Wie geht das? Kann sich ein Elektron manchmal als Welle und manchmal als Teilchen zeigen? Die Beantwortung dieser Frage f¨ uhrt zur Wahrscheinlichkeitsinterpretation.
1.3.1 Wahrscheinlichkeitsinterpretation An den Stellen auf dem Schirm, wo die Intensit¨ at der Welle gr¨ oßer ist, befinden sich mehr Schw¨arzungspunkte. Jeder Punkt stammt von einem einzelnen Elektron. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Auftreffen eines Elektrons durch die Welle bestimmt ist. Sie muss durch die Wellenfunktion ψ(r, t) gegeben sein. Die Wellenfunktion ψ(r, t) besitzt also eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation bzw. statistische Deutung. Ihre genaue Formulierung fassen wir in zwei Aussagen zusammen:
1. |ψ(r, t)|2 ist die Wahrscheinlichkeitsdichte daf¨ ur, das Teilchen bei einer Ortsbestimmung am Punkt r zu finden,
1.3 Deutung der Materiewellen
15
d.h. die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen in einem Gebiet G zu finden, ist gegeben durch |ψ(r, t)|2 d3 r . p(G) = G
Mit der gewohnten Saloppheit des Physikers k¨ onnen wir auch sagen, die 2 3 ur, das Teilchen im VoluGr¨oße |ψ(r, t)| d r ist die Wahrscheinlichkeit daf¨ menelement d3 r am Orte r zu finden. 2.
Wellenfunktionen werden linear superponiert: ψ(r, t) = ψ1 (r, t) + ψ2 (r, t) .
Die gesamte Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur eine Superposition, |ψ(r, t)|2 = |ψ1 (r, t)|2 + |ψ2 (r, t)|2 + ψ1∗ (r, t)ψ2 (r, t) + ψ1 (r, t)ψ2∗ (r, t) , setzt sich zusammen aus der Summe der Einzelwahrscheinlichkeiten, wie f¨ ur klassische Teilchen, und dem Interferenzterm. Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Materiewellen wurde 1926 von Max Born (11.12.1882 – 5.1.1970) formuliert. Er postulierte die Wahr¨ scheinlichkeitsinterpretation aufgrund von Uberlegungen zur Streuung von Materiewellen. Die Wellenfunktion ψ(r, t) beschreibt also eine Wahrscheinlichkeitswelle. Das heißt • ψ(r, t) beschreibt eine Welle, die Interferenz und Beugung zeigt. • ψ(r, t) wird nicht als reale“ Welle (wie z.B. Schallwellen) interpre” tiert, sondern |ψ|2 gibt Wahrscheinlichkeiten an. Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation hat eine Konsequenz f¨ ur die Normierung der Wellenfunktion. Wir wissen bereits, dass 3 2 d r |ψ(r, t)| = d3 r ρ(r, t) = const. ist. Dieses Integral ist aber auch die Gesamtwahrscheinlichkeit f¨ ur den Aufenthalt des Teilchens an irgendeinem Ort und daher m¨ ussen wir d3 r |ψ(r, t)|2 = 1 setzen.
16
1 Materiewellen
1.3.2 Welle-Teilchen-Dualismus Wir haben gesehen, dass die Wellenfunktion die r¨ aumlichen Wahrscheinlichkeiten f¨ ur das Auffinden eines Elektrons liefert. Was ist denn nun ein Elektron eigentlich, Welle oder Teilchen? Wie sind die Wahrscheinlichkeiten aufzufassen? Handelt es sich hier um Unkenntnis des Beobachters, die ihn n¨otigt, sich mit Wahrscheinlichkeiten zufrieden zu geben? So verh¨ alt es sich ja bei klassischen Wahrscheinlichkeiten, z.B. beim Roulette. Wir wollen dieser Frage wiederum konkret am Beispiel des Doppelspaltversuches nachgehen: Gibt es einen wirklichen Weg, den das Elektron durchl¨ auft, und den wir nur nicht kennen? K¨onnen wir es u ¨berlisten und den Weg doch ermitteln? Betrachten wir die Situation, bei der beide Spalte offen sind. Durch welchen Spalt geht das Elektron also? Wir k¨ onnen versuchen, den Spalt zu bestimmen, durch den das Elektron geht, indem wir es z.B. knapp hinter dem Doppelspalt mit Licht (γ-Strahlen) bestrahlen. Wenn das Licht hinreichend kurzwellig ist, kann man aus dem gestreuten Licht den Ort gen¨ ugend genau ermitteln und somit auch den Spalt, durch den es gegangen ist.
¨ Resultat: Jetzt erwartet uns jedoch eine b¨ ose Uberraschung. Zwar wissen wir nun jedesmal, welcher der beiden Spalte passiert wurde, aber auf dem Schirm zeigt sich, dass das Interferenzmuster verschwindet. Das Experiment wurde tats¨achlich 1995 von Chapman et al. durchgef¨ uhrt. Das Elektron kann sich nicht gleichzeitig wie Welle und Teilchen verhalten.
1.3 Deutung der Materiewellen
17
Physikalisch kann man es so erkl¨ aren: durch die Bestrahlung wird dem Elektron Impuls u andert die Welle; insbesondere wird ¨bertragen. Dies ver¨ die Phase so beeinflusst, dass es zu einer Ausl¨ oschung der Interferenzen kommt. Folgerung: Die experimentelle Situation ist wichtig f¨ ur die beobachteten Eigenschaften. Kein Ergebnis eines solchen Experiments kann dahin gedeu” tet werden, dass es Aufschluss u angige Eigenschaften ¨ ber unabh¨ der Objekte gibt; es ist vielmehr unl¨ oslich mit einer bestimmten Situation verbunden, in deren Beschreibung auch die mit den Objekten in Wechselwirkung stehenden Messger¨ ate als wesentliches Glied eingehen.“ Niels Bohr Zusammenfassung: Dualismus Welle-Teilchen Ein Elektron ist weder Welle noch Teilchen. Es ein physikalisches Objekt, welches Welleneigenschaften als auch Teilcheneigenschaften zeigen kann. In welcher Weise es sich zeigt, h¨ angt von der experimentellen Situation ab. Sein Ort ist nicht definiert, wenn keine Ortsmessung durchgef¨ uhrt wird.
Klassische Welle und klassisches Teilchen sind Modellvorstellungen, die nur in bestimmten Situationen Aspekte der Realit¨ at angemessen wiedergeben. Die hier dargestellte Auffassung ist Bestandteil der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik. Nach ihr gibt es keinen geheimen“ Weg, den ” das Elektron am Doppelspalt in Wirklichkeit durchl¨ auft. Bemerkung: die Bezeichnung Teilchen“ wird in der Quantenphysik in ei” nem allgemeineren Sinn verwendet. Man spricht bei Elektronen, Protonen etc. von Teilchen, ohne dass damit klassische Teilcheneigenschaften impliziert sind. Gem¨aß der Wahrscheinlichkeitsinterpretation k¨ onnen wir Erwartungswerte mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsdichte bilden. Der Erwartungswert f¨ ur den Aufenthaltsort ist . 3 r = d r ρ(r, t) r = d3 r |ψ(r, t)|2 r .
18
1 Materiewellen
Er ist zeitabh¨angig. Entsprechend bildet man 2 . r = r · r = d3 r |ψ(r, t)|2 r 2 und allgemein
f (r ) =
d3 r |ψ(r, t)|2 f (r ) .
Die Bedeutung dieser Erwartungswerte ist diejenige von Mittelwerten u ¨ber ein Ensemble im entsprechenden Zustand, d.h. bei wiederholter Messung erh¨alt man gestreute Messwerte, deren Mittelwert nach unendlich vielen Messungen gegen den Erwartungswert konvergiert.
1.4 Impulsraum Ein Wellenpaket in einer Dimension schreiben wir als ∞ dk ϕ(k) ei(kx−ωt) . ψ(x, t) = 2π −∞ Was ist die physikalische Bedeutung der Amplitudenfunktion ϕ(k)? Die Antwort hierauf lautet: ur Wellenzahlen k bzw. Im|ϕ(k)|2 /2π ist die Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ pulse p = h ¯ k. Das soll nun begr¨ undet werden. Wir betrachten ein zerfließendes Wellenpaket. Wie w¨are eine Wahrscheinlichkeitsdichte w(p) f¨ ur Impulse zu bestimmen? Wir wollen annehmen, dass das Teilchen anfangs gut lokalisiert ist, d.h. dass das Wellenpaket schmal ist. Eine g¨ angige Methode zur Impulsmessung ist die Laufzeitmethode. Nach hinreichend großer Zeit t wird eine Ortsmessung mit dem Ergebnis x durchgef¨ uhrt.
t =0
t>0 x
0
x 0 p ^ mt x =
1.4 Impulsraum
19
Dann w¨ urde man dem Teilchen den Impuls p = m xt zuordnen. Da die Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur x durch |ψ(x, t)|2 gegeben ist, ergibt sich p 2 p t, t d t . w(p)dp = lim ψ t→∞ m m Dies berechnen wir nun.
p dk k 2¯ ht pt t, t = ϕ(k ) exp ik −i ψ m 2π m 2m dk it¯ h 2 ϕ(k ) exp − (k − 2kk ) . = 2π 2m Mit . κ=
¯t h (k − k ) 2m
schreiben wir
p 2m p2 dκ 2m 2 t, t = ei 2m¯h t ϕ k− κ e−iκ . ψ m ¯ht 2π ht ¯
Das Integral werten wir folgendermaßen aus. Betrachte 2m dκ 2 ϕ k− κ e−zκ , z ∈ C. 2π ht ¯ ϕ falle rasch ab im Unendlichen. Dann konvergiert das Integral f¨ ur Re z ≥ 0. Wir f¨ uhren eine Sattelpunktentwicklung f¨ ur sehr große t durch. Dazu entwickeln wir ϕ in eine Taylorreihe 2m 2m m κ = ϕ(k) − κϕ (k) + κ2 ϕ (k) − . . . ϕ k− ¯ht ht ¯ ht ¯ und benutzen die Gauß-Integrale dκ 1 2 dκ −zκ2 e κ e−zκ = 0 , = √ , 2π 2 πz 2π
dκ 2 −zκ2 1 κ e = √ . 2π 4 πz 3
Dies gibt
m 1 1 2m dκ −iκ2 ϕ(k) + , ϕ k− κ e ϕ (k) + O 2 = √ 2π ¯ht 2i¯ ht t 2 πi
20
und somit
1 Materiewellen
p
p p2 m t, t ∼ ei 2m¯h t ϕ . ψ t→∞ m 2πi¯ ht h ¯
Hieraus erhalten wir endlich die Impuls-Wahrscheinlichkeitsdichte p 2 dp dk = |ϕ(k)|2 . w(p)dp = ϕ h ¯ 2π¯ h 2π In drei Dimensionen liefert die analoge Rechnung d3 k , w( p )d3 p = |ϕ(k )|2 (2π)3 was zu zeigen war. Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f¨ ur Impulse bzw. Wellenzahlen steht in engem Zusammenhang mit der Fouriertransformation. Die Formeln hierf¨ ur sind ja bekanntlich 3 d k ψ(k, t) eik·r ψ(r, t) = (2π)3 ψ(k, t) = d3 r ψ(r, t) e−ik·r . F¨ ur freie Teilchen ist also k, t) = ϕ(k ) e−iω(k )·t , ψ( d.h. ϕ(k ) ist Fouriertransformierte von ψ(r, 0). Wir kennen nun zwei Arten von Wellenfunktionen: im Ortsraum = x-Raum: im Impulsraum = k-Raum:
ψ(r, t) k, t) . ψ(
Als Anwendung der Fouriertransformation k¨ onnen wir die allgemeine L¨ osung der freien Schr¨odingergleichung mit ihrer Hilfe gewinnen. Setzen wir in h2 ¯ ∂ Δψ(r, t) i¯ h ψ(r, t) = − ∂t 2m die Fouriertransformation ein und benutzen Δeik·r = −k 2 eik·r ,
1.5 Impulsoperator, Ortsoperator
21
so erhalten wir i¯ h
∂ k, t) f¨ ψ(k, t) = h ¯ ω(k )ψ( ur alle k , ∂t
mit
¯k 2 h . ω(k ) = 2m
Die L¨osung hiervon ist k, t) = ϕ(k )e−iω(k )·t ψ( und folglich
ψ(r, t) =
d3 k ϕ(k ) ei(k·r−ω(k )·t) , (2π)3
was ja fr¨ uher behauptet wurde.
1.5 Impulsoperator, Ortsoperator Ausger¨ ustet mit der Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur Impulse k¨onnen wir den Erwartungswert des Impulses aufschreiben. Zu einer festen Zeit t ist 3 3 d k ∗ d k 2 |ψ(k )| ¯ hk = hk ψ(k ) . ψ (k )¯ p = 3 (2π) (2π)3 Um dies durch die Wellenfunktion im Ortsraum auszudr¨ ucken, wenden wir die parsevalsche Gleichung 3 d k ∗ f (k ) g(k ) = d3 r f ∗ (r ) g(r ) (2π)3 an. Dazu w¨ahlen wir k ) und somit f(k ) = ψ( und
f (r ) = ψ(r )
k ) . g(k ) = h ¯k ψ(
Dann ist g(r ) =
3 d k ik·r h ¯ h ¯ d3 k ik·r ¯ k ψ(k )e h = ∇ = ∇ψ(r ) . ψ(k ) e 3 3 (2π) i (2π) i
22
1 Materiewellen
Das Ergebnis im Ortsraum ist also h ¯ p = d3 r ψ ∗ (r, t) ∇ψ(r, t) . i Dies legt die Definition des Impulsoperators im Ortsraum ¯ . h P = ∇ i
mit den drei Komponenten Pj =
¯ ∂ h i ∂xj
nahe. Der Impulsoperator hat verschiedene Gew¨ ander, je nachdem, in welchem Raum er arbeitet: Ortsraum
Impulsraum
¯ h P ψ(r, t) = ∇ψ(r, t) i
k, t) = h k, t) . P ψ( ¯k ψ(
Die Funktionen im Definitionsbereich von P im Ortsraum m¨ ussen nat¨ urlich differenzierbar sein. Erwartungswerte des Impulsoperators oder von Funktionen des Impulsoperators werden wie u ¨blich gebildet: P = d3 r ψ ∗ (r, t)P ψ(r, t) , 2 P = d3 r ψ ∗ (r, t)P 2 ψ(r, t) , wobei h2 P 2 = P12 + P22 + P32 = −¯
∂2 ∂2 ∂2 + + ∂x2 ∂y 2 ∂z 2
= −¯ h2 ∇ 2 = −¯ h2 Δ .
Analog zum Impulsoperator l¨ asst sich der Ortsoperator einf¨ uhren. Es ist ja r = d3 r ψ ∗ (r, t) r ψ(r, t) .
1.6 Heisenbergsche Unsch¨arferelation
23
schreiben, der Wir k¨onnen dies als Erwartungswert des Ortsoperators Q durch ψ(r, t) = r ψ(r, t) Q definiert wird. Er wirkt also im Ortsraum als Multiplikations-Operator. Seine drei Komponenten werden wahlweise auch folgendermaßen bezeichnet: = (Q1 , Q2 , Q3 ) = (X, Y, Z) = (Qx , Qy , Qz ) . Q Wir schreiben nun f¨ ur die Erwartungswerte 3 ∗ 2 2 ψ(r, t) r = d r ψ (r, t) Q ψ(r, ) , r = d3 r ψ ∗ (r, t) Q etc. Analog zum Impulsoperator im Ortsraum findet man f¨ ur den Ortsoperator im Impulsraum . k, t) = k, t) = Fouriertransformierte von Qψ ψ( Q (Qψ)( ¯h k, t) . = − ∇k ψ( i Fassen wir zusammen: Ortsraum
Impulsraum
¯ h P ψ(r, t) = ∇ψ(r, t) i
k, t) = h k, t) P ψ( ¯k ψ(
ψ(r, t) = r ψ(r, t) Q
h k, t) k, t) = − ¯ ψ( ∇k ψ( Q i
1.6 Heisenbergsche Unsch¨ arferelation Wir betrachten ein Wellenpaket der Form
x Δx
24
1 Materiewellen
mit einer Breite Δx. Die zugeh¨ orige Impulsverteilung
ϕ (k)
k Δk
besitzt eine Breite Δk. Eine genauere, mathematisch pr¨ azise Definition der Breiten nimmt Bezug auf die Varianzen: (Δx)2 = Varianz von x = (x − x )2 = x2 − x 2 , (Δp)2 = p2 − p 2 . Nehmen wir als Beispiel ein gaußsches Wellenpaket. Dort ist x2
|ψ(x, 0)|2 ∼ e− 2d2 , 0)|2 ∼ e−2d |ψ(k,
2 (k−k
Δx = d , 2 0)
,
Δk =
1 2d
,
Δp =
h ¯ 2d
.
Wenn das Paket im Ortsraum eng lokalisiert ist, so ist es breit im Impulsraum und umgekehrt:
ψ ( x)
~ ψ ( p)
1.6 Heisenbergsche Unsch¨arferelation
25
In diesem Falle gilt ¯ h . 2
Δp · Δx = F¨ ur beliebige Wellenfunktionen gilt die
Heisenbergsche Unsch¨ arferelation Δp · Δx ≥
¯ h . 2
Sie wurde von Werner Heisenberg (5.12.1901 – 1.2.1976) im Jahre 1927 gefunden. Ihren Beweis werden wir sp¨ ater nachtragen. Etwas Vergleichbares ist schon aus der Optik bekannt. Man erinnere sich an Δk · Δx ≈ 1. Sehen wir uns noch einmal das gaußsche Wellenpaket als Beispiel an. Bei der Diskussion des Zerfließens fanden wir (Δx)2 = d2 +
¯ 2 t2 h , 4m2 d2
und somit
(Δp)2 =
¯2 h 4d2
¯ h Δp · Δx = 2
1+
¯ 2 t2 h . 4m2 d4
In drei r¨aumlichen Dimensionen gibt es drei Unsch¨ arferelationen: Δpx · Δx ≥
¯ h , 2
Δpy · Δy ≥
¯ h , 2
Δpz · Δz ≥
¯ h . 2
Was ist die Bedeutung der Unsch¨ arferelation? a) Zun¨achst zum Begriff Unsch¨ arfe“. Die Unsch¨ arfen, von denen die Rede ” ist, sind Breiten von Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Das Teilchen ist also nicht selbst unscharf“ oder gar ausgeschmiert, sondern die Kenntnis u ¨ber ” seinen m¨oglichen Ort bzw. Impuls ist unscharf. Heisenberg hat es daher vorgezogen, von der Unbestimmtheitsrelation“ zu sprechen. Eine genaue ” Kenntnis des Ortes ist mit ungenauer Kenntnis des Impulses verbunden und umgekehrt. In der Quantenmechanik gibt es eine prinzipielle Grenze f¨ ur die Bestimmung von Ort und Impuls.
26
1 Materiewellen
Wolfgang Pauli (25.4.1900 – 15.12.1958) hat es in seiner charakteristischen Weise in einem Brief an Heisenberg so ausgedr¨ uckt: Man kann die Welt ” mit dem p-Auge und man kann sie mit dem q-Auge ansehen, aber wenn man beide Augen zugleich aufmachen will, dann wird man irre.“ b) Eine unmittelbare Konsequenz der Unsch¨ arferelation ist, dass der Begriff der Bahn des Teilchens seinen Sinn verliert. Es ist instruktiv, sich einmal die Gr¨ oßenordnungen von Unsch¨ arfen f¨ ur atomare und f¨ ur makroskopische Objekte zu u ¨ berlegen. i) F¨ ur ein Elektron im Atom ist Δx ≈ 10−10 m , Δp ≈ 10−24 kg m s−1 , so dass Δx · Δp ≈ ¯h. Die Unsch¨ arfe der Geschwindigkeit Δv ≈ 106 m s−1 ist schon erheblich. ii) Andererseits, f¨ ur ein Staubteilchen mit m = 10−6 kg , Δv = 10−4 m s−1 verlangt die Unsch¨arferelation Δx ≥ 10−24 m, was f¨ ur praktische Belange v¨ollig irrelevant ist. Illustration: Zur Illustration wollen wir nun in zwei physikalischen Situationen diskutieren, wie die durch die Unsch¨ arferelation auferlegten Grenzen zustande kommen. 1) Ortsmessung mit einem Mikroskop Im Mikroskop wird Licht der Wellenl¨ ange λ am Teilchen gestreut und tritt ¨ innerhalb eines Offnungswinkels ϕ in das Okular.
ϕ Licht
x
Der Ort des Teilchens kann nur innerhalb einer Genauigkeit bestimmt werden, die durch das Aufl¨ osungsverm¨ ogen des Mikroskops begrenzt ist. Hierf¨ ur gilt bekanntlich λ . Δx ≈ sin ϕ
1.6 Heisenbergsche Unsch¨arferelation
27
Andererseits wird dem Teilchen durch das gestreute Photon ein Impuls¨ uberhν h trag p ≈ c = λ verliehen. p ist nicht genau bekannt, da die Richtung des ¨ Lichtquants innerhalb des Offnungswinkels ϕ unbekannt ist. Es ist Δpx = p sin ϕ und folglich Δx · Δpx ≈ h. Dieses Beispiel stammt von Heisenberg selbst. Mir gef¨ allt es nicht so gut, denn es wird darin mit klassischen Begriffen operiert. Es wird vom Ort des Teilchens und vom Impuls des Photons so geredet, als g¨ abe es sie eigentlich, nur k¨onnten wir sie prinzipiell nicht genauer bestimmen, als durch die Unsch¨arferelation erlaubt ist. Dies klingt ein bisschen nach verborgenen ” Werten“, was Heisenberg aber sicher nicht so gemeint hat. 2) Beugung am Spalt
x
e
2θ
In der Spaltebene ist die Ortsunsch¨ arfe durch die Spaltbreite gegeben: Δx = ¨ d. Das zentrale B¨ undel im Beugungsmuster hat einen Offnungswinkel θ, der sin θ ∼ λ/d erf¨ ullt. Hierin ist λ = h/p. Dies zieht eine Unsch¨ arfe der Impulskomponente Δpx ≈ p · sin θ nach sich.
θ
2 Δ px
p Daraus ergibt sich Δx · Δpx ≈ h. Diskussion: Wir wollen diesen Abschnitt mit einer Diskussion der Unsch¨ arferelation abschließen.
28
a) Die Ungleichung Δx · Δp ≥
1 Materiewellen
¯ h 2
gilt f¨ ur die Breiten in einem Zustand.
Wenn eine Ortsmessung zu einer Zeit t1 und eine nachfolgende Impulsmesuhrt wird, so ist es durchaus m¨ oglich, sung zu einer Zeit t2 > t1 durchgef¨ dass h ¯ Δx|t=t1 · Δp|t=t2 < . 2 Dies ist aber kein Widerspruch zur Unsch¨ arferelation, denn nach der Ortsande messung bei t1 und der Impulsmessung bei t2 liegen verschiedene Zust¨ vor. b) Kausalit¨at und Determinismus Das klassische Kausalit¨atsprinzip sagt aus, dass bei bekannten Werten von ur alle Zeiten t > t0 bekannt r und p zum Zeitpunkt t0 das Verhalten f¨ ist. Aus der Unsch¨arferelation folgt, dass das klassische Kausalit¨ atsprinzip nicht anwendbar ist, da die Voraussetzung nicht erf¨ ullbar ist. Etwas anders verh¨alt es sich mit dem Determinismus. Dieser behauptet, dass die k¨ unftige Entwicklung physikalischer Systeme vorherbestimmt sei. W¨ahrend das Kausalit¨atsprinzip zwar nicht anwendbar, aber dennoch nicht notwendig falsch ist, gilt der Determinismus in der Quantenmechanik nicht.
2 Schr¨ odingergleichung 2.1 Zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung Erinnern wir uns an die Begr¨ undung der Wellengleichung f¨ ur freie Teilchen. Aus der Energie-Impuls-Beziehung folgt die Beziehung zwischen Kreisfrequenz und Wellenzahl und hieraus wiederum die Wellengleichung: E=
2 p 2m
=⇒
¯hω =
¯ 2k 2 h 2m
=⇒
i¯ h
∂ h2 2 ¯ ψ(r, t) = − ∇ ψ(r, t) . ∂t 2m
Mit dem Impulsoperator k¨onnen wir sie in der Form i¯ h
P 2 ∂ ψ(r, t) = ψ(r, t) ∂t 2m
schreiben. F¨ ur ein Teilchen, das sich in einem Potenzial V (r ) bewegt, ist die Energie E=
2 p + V (r ) . 2m
Der Ausdruck auf der rechten Seite, also die Energie als Funktion von Impuls und Ort, heißt in der Mechanik Hamiltonfunktion: H( p, r ) =
2 p + V (r ) . 2m
¨ In Verallgemeinerung der obigen Uberlegungen zur Wellengleichung stellte Erwin Schr¨odinger (12.8.1887 – 4.1.1961) im Jahre 1926 eine Wellengleichung f¨ ur Teilchen in einem ¨ außeren Potenzial auf, die Schr¨ odingergleichung ∂ i¯ h ψ(r, t) = ∂t
bzw. ∂ i¯ h ψ(r, t) = ∂t
P 2 + V (r ) ψ(r, t) 2m
¯2 h − Δ + V (r ) ψ(r, t) . 2m
30
2 Schr¨odingergleichung
Die rechte Seite der Schr¨odingergleichung enth¨ alt den Hamiltonoperator H=
P 2 , + V (Q) 2m
mit dem wir sie in der Form i¯ h
∂ ψ(r, t) = Hψ(r, t) ∂t
schreiben k¨onnen. Die Schr¨odingergleichung beschreibt die Zeitentwicklung der Wellenfunktion. Sie ist eine partielle Differenzialgleichung von erster Ordnung in t, so osung ψ(r, t) f¨ u r t > t0 dass bei gegebenen Anfangswerten ψ(r, t0 ) die L¨ festgelegt ist. Es gilt wiederum die Kontinuit¨ atsgleichung ∂ρ + ∇ · j = 0 ∂t mit
¯ j = h (ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ) , 2mi deren Beweis genauso wie im Falle des freien Teilchens gef¨ uhrt wird. Aus ihr folgt ρ = |ψ|2 ,
d3 r |ψ(r, t)|2 = const.
2.2 Zeitunabh¨ angige Schr¨ odingergleichung Der Hamiltonoperator H h¨ange nicht von t ab. Gibt es L¨ osungen der Schr¨ o2 dingergleichung, f¨ ur welche die Wahrscheinlichkeitsdichte |ψ(r, t)| zeitunabh¨angig ist? Betrachte den Ansatz ψ(r, t) = f (t)ψ(r ) . Einsetzen in die Schr¨odingergleichung liefert i¯ h
∂f · ψ(r ) = f (t) Hψ(r ) , ∂t
woraus i¯ h
∂f = E f (t) , ∂t
Hψ(r ) = E ψ(r )
mit E = const.
2.2 Zeitunabh¨angige Schr¨odingergleichung
31
folgt. Die L¨osung f¨ ur f (t) lautet Et
f (t) = e−i h¯ . Behauptung: E ist reell. Dies zeigt man wie folgt. Sei E = Er + i Ei ∈ C mit reellen Er , Ei . Dann ist |ψ(r, t)|2 = |ψ(r )|2 e und folglich
2Ei t h ¯
|ψ(r, t)| d r = 2 3
|ψ(r )|2 d3 r e
2Ei t h ¯
.
Wir wissen aber, dass dies konstant sein muss, woraus Ei = 0, also E ∈ R folgt. Wir haben also gefunden:
ψ(r, t) = e−i h¯ ψ(r ) : station¨ arer Zustand Et
Hψ(r ) = E ψ(r )
: zeitunabh¨ angige Schr¨ odingergleichung
Zust¨ande, f¨ ur welche die Zeitabh¨ angigkeit der Wellenfunktion durch obigen Phasenfaktor gegeben sind, heißen station¨ ar. Sie gen¨ ugen der zeitunabh¨ angigen Schro dingergleichung. In station¨ a ren Zust¨ anden sind ρ und ¨ j zeitunabh¨angig. Die zeitunabh¨angige Schr¨odingergleichung Hψ(r ) = E ψ(r ) sagt aus, dass ψ(r ) Eigenfunktion zum Hamiltonoperator mit Eigenwert E ist. E ist die Energie“ des Zustandes. Sie ist gleich dem Erwartungswert des ” Hamiltonoperators: H = d3 r ψ ∗ (r, t) H ψ(r, t) = d3 r ψ ∗ (r ) H ψ(r ) = E d3 r ψ ∗ (r )ψ(r ) = E . Die Breite bzw. Varianz ΔE, gegeben durch (ΔE)2 = (H − E)2 = H 2 − aren Zustand: ΔE = 0, d.h. die Energie E 2 , verschwindet in einem station¨ ist scharf.
32
2 Schr¨odingergleichung
Um die m¨oglichen Energiewerte zu finden, ist also folgende Gleichung zu l¨ osen:
¯2 h Δ + V (r ) ψ(r ) = E ψ(r ) , − 2m wobei d3 r ψ ∗ (r )ψ(r ) = 1 .
3 Wellenmechanik in einer Dimension In diesem Kapitel werden wir wellenmechanische Probleme in einer Raumdimension untersuchen. Diese sind einfacher zu handhaben als dreidimensionale Probleme und daher gut zur Einf¨ uhrung geeignet. Die eindimensionale Wellenmechanik ist aber keineswegs eine rein akademische Spielwiese, denn es gibt viele eindimensionale Probleme, die physikalisch relevant sind. Die zeitunabh¨angige Schr¨odingergleichung in einer Dimension lautet −
¯ 2 ∂2 h ψ(x) + V (x)ψ(x) = E ψ(x) 2m ∂x2
und wir verlangen
dx |ψ(x)|2 = 1 .
Wir wollen Potenziale V (x) zulassen, bei denen auch Stufen und Knicks, d.h. Unstetigkeiten der Ableitungen erlaubt sind, es soll aber u ¨ berall gelten |V (x)| < ∞, falls nichts anderes gesagt wird. Wie verh¨alt sich ψ(x) an Unstetigkeiten von V (x)? Falls ψ(x) selbst unstetig an einer Stelle x0 ist, z.B. ψ(x) = a θ(x − x0 ) + ϕ(x), gilt
ψ (x) = a δ(x − x0 ) + ϕ (x)
ψ (x) = a δ (x − x0 ) + ϕ (x) . Dies ist nicht im Einklang mit der obigen Schr¨ odingergleichung und wir k¨onnen notieren a) ψ(x) ist stetig.
Falls ψ (x) unstetig bei x0 ist, gilt
ψ (x) = a δ(x − x0 ) + . . . , was sich wiederum nicht mit der Schr¨ odingergleichung vertr¨ agt, so dass wir schließen: b) ψ (x) ist stetig. Es sei daran erinnert, dass wir |V (x)| < ∞ u ¨berall voraussetzen.
34
3 Wellenmechanik in einer Dimension
3.1 Teilchen im Kasten: unendlich hoher Potenzialtopf
Das Potenzial V (x) =
0 , 0<x 0.
Außerhalb des Kastens ist V (x) = ∞, woraus ψa (x) = 0 folgt. Man kann dies durch vor¨ ubergehende Betrachtung des endlichen Potenzialtopfes 0 , 0<x E V0 , sonst, begr¨ unden. Dann gilt
ψa =
2m 2 2 (V0 − E)ψa (x) ≡ κ ψa (x) . ¯h
Die L¨osung f¨ ur x > L ist ψa = Ae−κx + Beκx . Die Wellenfunktion kann nur normierbar sein, wenn B = 0 ist und lautet also ψa (x) = Ae−κx . Jetzt gehen wir zum Limes V0 → ∞ u ¨ber, bei dem κ → ∞ geht und deshalb ψa = 0, was zu zeigen war.
3.1 Teilchen im Kasten: unendlich hoher Potenzialtopf
35
¨ An den W¨anden gelten die Ubergangsbedingungen ψ(x) ist stetig bei x = 0, L , die man auch durch Betrachtung des Limes V0 → ∞ herleiten kann. Zu l¨osen ist also im Inneren des Kastens die Gleichung
ψ (x) = −
2mE ψ(x) h2 ¯
mit den Randbedingungen ψ(0) = ψ(L) = 0 . Man kann dieses Problem numerisch angehen. Dazu integriert man die Differenzialgleichung beginnend bei x = 0 mit ψ(0) = 0 und nichtverschwindender Steigung ψ (0) nach rechts bis zu x = L. Das wiederholt man und variiert den Parameter E dabei so lange, bis ψ(L) = 0 erf¨ ullt ist. F¨ ur dieses einfache System gibt es aber auch eine analytische L¨ osung. Mit . 2mE >0 k2 = h2 ¯ haben wir
ψ (x) = −k2 ψ(x)
f¨ ur 0 ≤ x ≤ L ,
ψ(0) = ψ(L) = 0 . Die L¨osung ist klar: ψ(x) = A sin kx + B cos kx . Aus ψ(0) = 0 folgt B = 0 und somit ψ(x) = A sin kx. Die zweite Randbedingung ψ(L) = 0 erfordert sin kL = 0. Dies ist erf¨ ullt, falls kL = nπ , n ∈ Z. Die negativen n entfallen, da die zugeh¨ origen L¨ osungen proportional zu denen mit positivem n sind. Es verbleiben somit die L¨ osungen
nπ x , n = 1, 2, 3, . . . ψn (x) = A sin L Die m¨oglichen Energiewerte sind ¯ 2 nπ 2 h h2 π 2 ¯ En = = · n2 . 2m L 2mL2
36
3 Wellenmechanik in einer Dimension
Nicht alle positiven Energien sind erlaubt, wie im klassischen Falle, sondern es gibt ein diskretes Energiespektrum. Wir begegnen hier dem Ph¨anomen der Quantisierung“ der Energie. ” Weiterhin k¨onnen wir das Auftreten einer Nullpunktsenergie E1 > 0 feststellen. Zuletzt wollen wir die L¨osungen noch normieren, wie es sich geh¨ ort: L 1 2 |ψn (x)|2 dx = A2 L ⇒ A = . 2 L 0 Eines bleibt noch nachzutragen. Oben haben wir stillschweigend angenommen, dass E ≥ 0 ist. K¨onnen negative Energien E < 0 m¨ oglich sein? Angenommen, E w¨are negativ. Dann h¨ atten wir im Innenraum
ψ (x) = −
2mE ψ(x) ≡ κ2 ψ(x) , h2 ¯
κ>0
zu l¨osen. Die L¨osung w¨are ψ(x) = A sinh κx + B cosh κx , und aus der linken Randbedingung folgt B = 0 und ψ(x) = A sinh κx. Die rechte Randbedingung sinh κL = 0 besitzt aber keine L¨ osung, so dass es zu negativer Energie keine Eigenfunktion gibt. Die gefundenen L¨osungen der zeitunabh¨ angigen Schr¨ odingergleichung haben zwei wichtige Eigenschaften, die uns auch bei anderen Systemen begegnen werden und sehr n¨ utzlich sind: Orthogonalit¨ at: Betrachte das Integral L
mπx 2 L nπx ∗ · sin dx . ψn (x)ψm (x)dx = sin L 0 L L 0 Eine elementare Rechnung liefert 0
L
ψn∗ (x)ψm (x)dx = δn,m .
at“. Diese Eigenschaft der Funktionen ψn heißt Orthogonalit¨ ”
3.1 Teilchen im Kasten: unendlich hoher Potenzialtopf
37
Vollst¨ andigkeit: Sei eine Funktion f (x) gegeben mit f (x) = 0 f¨ ur x ≤ 0 und x ≥ L. Wir erweitern sie auf das doppelte Intervall durch f (x) , 0 ≤ x ≤ L . F (x) = −f (−x) , −L ≤ x ≤ 0 F
x -L
L
F ist periodisch auf dem Intervall [−L, L], d.h. F (L) = F (−L), und F ist antisymmetrisch“: F (x) = −F (−x). Die Fourierreihe f¨ ur F (x) lautet ” ∞ πnx πnx a0
+ + bn sin . an cos F (x) = 2 L L n=1 Aus der Antisymmetrie folgt a0 = 0 , an = 0, so dass ∞ ∞ πnx L bn sin = bn ψn (x) . F (x) = L 2 n=1
Insbesondere gilt f (x) =
∞ n=1
n=1
L bn ψn (x) 2
f¨ ur 0 ≤ x ≤ L .
Jedes“ f (x) mit den obigen Randbedingungen l¨ asst sich also nach den ” andiges Funktionensystem. ψn (x) entwickeln, d.h. die ψn (x) bilden ein vollst¨ 3.1.1 Dreidimensionaler Kasten Unsere Ergebnisse f¨ ur den eindimensionalen Kasten lassen sich leicht auf den Fall dreier Raumdimensionen verallgemeinern. Das Kastenpotenzial ist 0 , 0 ≤ x ≤ L1 , 0 ≤ y ≤ L2 , 0 ≤ z ≤ L3 V (r ) = ∞ , sonst .
38
3 Wellenmechanik in einer Dimension
Dies stellt einen Quader dar. Wiederum gilt im Außenraum ψa (r ) = 0 und im Inneren ist 2mE ∂2ψ ∂2ψ ∂2ψ + + = − 2 ψ ≡ −k2 ψ . 2 2 2 ∂x ∂y ∂z h ¯ Die Gleichung l¨asst sich durch ψ(r ) = ψ1 (x) · ψ2 (y) · ψ3 (z) separieren: ∂ 2 ψi = −ki2 ψi , ∂x2i
i = 1, 2, 3 ,
k12 + k22 + k32 = k2 .
Die L¨osungen der drei separierten Gleichungen kennen wir: ni π xi , ni ∈ N . ψi (xi ) = Ai sin Li . Mit der Notation n = (n1 , n2 , n3 ) schreiben wir ψn (r ) = A sin
n1 π n2 π n3 π x sin y sin z L1 L2 L3
mit
A=
8 , L1 L2 L3
und die zugeh¨origen Energien sind ¯ 2π2 h En = 2m
n21 n22 n23 + + L21 L22 L23
.
Im Spezialfall des W¨ urfels ist L1 = L2 = L3 = L. Mit ¯ 2 π2 . h ε= 2mL2 sind die Energien gegeben durch En = ε n 2 .
3.2 Endlicher Potenzialtopf
E/ε 3 6 9 11 12 14
39
n (1, 1, 1) (2, 1, 1), (1, 2, 1), (1, 1, 2) (2, 2, 1), (2, 1, 2), (1, 2, 2) (3, 1, 1), (1, 3, 1), (1, 1, 3) (2, 2, 2) (3, 2, 1), . . .
# 1 3 3 3 1 6
F¨ ur den symmetrischen Fall des W¨ urfels tritt das Ph¨ anomen der Entartung auf: es gibt i.A. mehrere Eigenzust¨ ande zum gleichen Eigenwert. Wenn die Kantenl¨angen nicht exakt, aber n¨ aherungsweise gleich sind, L1 ≈ L2 ≈ L3 , liegt n¨aherungsweise Entartung vor und die Energien bilden Energieschalen:
E
9
6 1 3 3
6
3
3
1
12
0
3.2 Endlicher Potenzialtopf Jetzt betrachten wir den Fall eines Potenzialtopfes von endlicher Tiefe: V (x) =
L L <x< 2 2 , sonst
−V0 , − 0
40
3 Wellenmechanik in einer Dimension
V
- L 2
L 2
0
A
B
x C
-V0
Ein solches Potenzial findet z.B. Verwendung in vereinfachten Modellen f¨ ur das Deuteron oder die Bewegung von Elektronen bei Anwesenheit von St¨orstellen. Das zu l¨osende Problem lautet −
1.
¯ 2 ∂ 2 ψ(x) h + V (x)ψ(x) = E ψ(x) 2m ∂x2
∞ |ψ(x)|2 dx = 1
2. −∞
ψ stetig , ψ stetig.
3.
3.2.1 Gebundene Zust¨ ande Sei E < 0. In den drei Gebieten A,B und C haben wir
A, C : ψ = κ2 ψ , B:
κ2 = −
ψ = −k2 ψ , k2 =
2m E > 0, h2 ¯
κ>0
2m (E + V0 ) . h2 ¯
are k2 < 0. An Stellen, wo ψ(x) > 0 ist, w¨ are Kann E < −V0 sein? Dann w¨ ψ (x) > 0, d.h. ψ w¨are konvex.
3.2 Endlicher Potenzialtopf
41
x Auf einer der beiden Seiten von x m¨ usste ψ dann u ¨berall konvex sein und w¨are nicht normierbar.Wir schließen daher −V0 < E < 0 . Betrachten wir die Gebiete einzeln. A:
ψ = κ2 ψ ψA (x) = α+ eκx + α− e−κx −→ 0 ψ(x) x→−∞
C:
entsprechend,
B:
ψ = −k2 ψ ,
⇒
α− = 0
⇒
ψA (x) = α+ eκx
ψC (x) = γ− e−κx ψB (x) = β+ eikx + β− e−ikx
Anschlussbedingungen: 1. Stetigkeit von ψ(x) x=−
L 2
L 2
x=
:
α+ e−κ 2 = β+ e−ik 2 + β− eik 2
:
γ− e−κ 2 = β− e−ik 2 + β+ eik 2
L
L
L
L
L
L
2. Stetigkeit von ψ (x) x=− x=
L 2
L 2
:
L L L κα+ e−κ 2 = ik β+ e−ik 2 − β− eik 2
:
L L L κγ− e−κ 2 = ik β− e−ik 2 − β+ eik 2
42
3 Wellenmechanik in einer Dimension
Dies sind 4 Gleichungen f¨ ur α+ , γ− , β+ und β− . Sie wissen sicher, wie man damit zu Werke geht, aber es gibt noch eine Vereinfachung. Wir betrachten zun¨achst eine symmetrische L¨ osung:
ψ(x) = ψ(−x) .
Dann erhalten wir α+ = γ− ≡ α ,
β+ = β− ≡ β ,
α e−κ 2 = 2β cos k L
L , 2
L . 2 F¨ ur dieses lineare homogene System aus zwei Gleichungen lautet die L¨ osbarkeitsbedingung L . κ = k tan k 2 κα e−κ 2 = 2βk sin k L
Die L¨osungen dieser Gleichung liefern κ und k und damit die m¨ oglichen Energien E. Diese werden wir weiter unten betrachten. Wenn κ und k bekannt sind, ist die L¨osung f¨ ur die Koeffizienten exp(−κ L2 ) L 1 κ2 α= 1 + 2 e−κ 2 α . β= L 2 k 2 cos k 2 Die Normierung f¨ uhrt zu L 1 = e−κ 2 α
1+
κ2 k2
L 1 + 2 κ
.
In gleicher Weise behandeln wir den Fall einer ψ(x) = −ψ(−x) .
antisymmetrischen L¨ osung: α+ = −γ− ≡ a , L
β+ = −β− ≡ b ,
a e−κ 2 = −2ib sin k L
L , 2
κa e−κ 2 = 2ibk cos k
L . 2
3.2 Endlicher Potenzialtopf
43
Die L¨osbarkeitsbedingung ist L κ = −k cot k 2 und f¨ ur die Koeffizienten gilt b=i L 1 = e−κ 2 a
exp(−κ L2 )
2 sin k L2 κ2 1+ 2 k
a,
L 1 + 2 κ
.
Eines gilt es noch zu kl¨aren: warum kann man ψ(x) als symmetrisch oder antisymmetrisch annehmen? Das Potenzial V (x) ist symmetrisch. In diesem Falle gilt: falls ψ(x) eine L¨osung ist, so ist auch χ(x) = ψ(−x) eine L¨ osung zur gleichen Energie. Hieraus k¨onnen wir zwei L¨ osungen mit den gew¨ unschten SymmetrieEigenschaften bilden: ψ(x) + χ(x) ist symmetrisch, ψ(x) − χ(x) ist antisymmetrisch. Um die m¨oglichen Energien zu bestimmen, m¨ ussen wir uns nun den L¨ osbarkeitsbedingungen zuwenden. Wir definieren . L η=κ , 2
. L ξ=k , 2
die durch
2 2mV0 L ≡ R2 ξ +η = 2 h2 ¯ verkn¨ upft sind. Die L¨osbarkeitsbedingungen lauten nun 2
2
η = ξ tan ξ
bzw.
η = −ξ cot ξ .
Dies sind transzendente Gleichungen, die wir nicht explizit l¨ osen k¨ onnen. Die L¨osungen lassen sich aber numerisch bestimmen. Alternativ gibt es die M¨oglichkeit der graphischen L¨ osung, die bessere Einsichten in die Natur der L¨osungen vermittelt. In der Graphik ist das Beispiel R = 3,4 dargestellt. Die Schnittpunkte des Viertelkreises mit den anderen Kurven liefern die m¨ oglichen Paare (ξ, η). Hier sind es 3 L¨osungen.
44
3 Wellenmechanik in einer Dimension
R
η
ξ tanξ
- ξ cotξ π/2
ξ tanξ π
R
3π/2
ξ
Der Graphik entnehmen wir folgende allgemeine Feststellungen:
a) Es gibt mindestens eine symmetrische L¨ osung. b) F¨ ur R < ∞ gibt es nur endlich viele L¨ osungen im Bereich E < 0. Die Energie erhalten wir letztendlich aus E=−
η2 ¯2 2 h κ = −V0 2 . 2m R
In unserem Beispiel sehen die Wellenfunktionen und das Spektrum so aus:
3.2 Endlicher Potenzialtopf
45
ψ(x)
E2
E1
E0 x
klassisch erlaubter Bereich
klassisch verbotener Bereich
klassisch verbotener Bereich
Zum Zwecke der besseren Sichtbarkeit sind die Wellenfunktionen auf die H¨ohe ihrer jeweiligen Energie verschoben. Beim endlichen Potenzialtopf ist die Wellenfunktion nicht Null im klassisch verbotenen Bereich. Sie f¨allt aber exponentiell rasch ab. Die Eindringtiefe d, gegeben durch x ψ ∼ e−κx = e− d ,
hat den Wert d=
1 = κ
¯2 h . 2m|E|
Solche Zust¨ande, deren Aufenthaltswahrscheinlichkeit nach außen exponentiell abf¨allt, heißen gebundene Zust¨ ande. Das Teilchen h¨ alt sich mit großer Wahrscheinlichkeit in einem endlichen Bereich auf und kann nicht entweichen. In dem klassischen Gegenst¨ uck kann das Teilchen nicht in den Bereich E < V (x) eindringen und ist ebenfalls gebunden. Erw¨ahnt sei noch der Knotensatz, der hier nicht bewiesen werden soll: die Wellenfunktion ψn (x) besitzt n Knoten (Nullstellen), wenn wir aufsteigend bei Null beginnend durchnummerieren (n = 0, 1, 2, . . .). F¨ ur E < 0 haben wir endlich viele diskrete Energiewerte En gefunden. Die zeitunabh¨angige Schr¨odingergleichung ist als Differenzialgleichung aber
46
3 Wellenmechanik in einer Dimension
f¨ ur beliebige E l¨osbar. Was geht schief, wenn man E = En w¨ ahlt, z.B. osungsfunktion, die f¨ ur E0 < E < E1 ? In diesem Falle findet man eine L¨ x → ∞ oder x → −∞ exponentiell anw¨ achst und nicht normierbar ist. Zum unendlich tiefen Potenzialtopf, der im vorigen Abschnitt behandelt wurde, gelangen wir im Grenzfall h2 2 2 ¯ . R1 ⇐⇒ V0 2m L Dann ist En ≈ −V0 +
¯ 2π2 h (n + 1)2 2mL2
f¨ ur n R .
3.2.2 Streuzust¨ ande Sei nun E > 0. Die gesamte x-Achse stellt jetzt ein klassisch erlaubtes Gebiet dar. In der klassischen Mechanik kann sich das Teilchen u ¨berall bewegen und wird im Laufe der Zeit ins Unendliche entweichen, so dass kein gebundener Zustand vorliegt. In der Quantenmechanik m¨ ussen wir A, C:
ψ = −k02 ψ ,
k02 =
2m E h2 ¯
2m (E + V0 ) h2 ¯ l¨osen. Die Wellenfunktion ist u ¨ berall oszillatorisch, d.h. wir finden ebene Wellen. Daher k¨onnen wir wie im Falle des freien Teilchens keine normierbare L¨osung der zeitunabh¨ angigen Schr¨ odingergleichung erwarten. Die normierbaren Zust¨ande sind als Wellenpakete zu bilden und sind nicht station¨ar. Dennoch spielen die L¨ osungen der station¨ aren Schr¨ odingergleichung als Bausteine der Wellenpakete eine sehr wichtige Rolle. Sie heißen Streuzust¨ ande.
ψ = −k2 ψ ,
B:
k2 =
Die L¨osung der obigen Gleichung lautet A:
ψA (x) = α+ eik0 x + α− e−ik0 x
B:
ψB (x) = β+ eikx + β− e−ikx
C:
ψC (x) = γ+ eik0 x + γ− e−ik0 x .
3.2 Endlicher Potenzialtopf
47
Ist ψ(x) L¨osung, so auch ψ(−x). Physikalisch wollen wir die Situation betrachten, bei der ein Teilchen von links einl¨auft und dann reflektiert und transmittiert wird.
Im Gebiet C soll also nur eine nach rechts laufende Welle vorhanden sein und folglich setzen wir γ− = 0 . Dies ist ohne Einschr¨ankung der Allgemeinheit m¨ oglich, denn ausgehend von obiger L¨osung k¨onnen wir die Linearkombination α+ ψ(x) − γ− ψ(−x) betrachten, welche den Fall γ− = 0 darstellt. Weiterhin w¨ahlen wir die Normierung so, dass α+ = 1, und schreiben ψA (x) = eik0 x + α− e−ik0 x ψC (x) = S eik0 x . F¨ ur die Diskussion der Anschlussbedingungen lassen wir zun¨ achst die Koeffizienten allgemein und kehren sp¨ ater zu unserem obigen Spezialfall zur¨ uck. Stetigkeitsbedingungen bei x = − L2 : L
L
L
L
α+ e−ik0 2 + α− eik0 2 = β+ e−ik 2 + β− eik 2
L L L L ik0 α+ e−ik0 2 − α− eik0 2 = ik β+ e−ik 2 − β− eik 2 . In Matrixform lautet dies L L L e−ik 2 eik0 2 α+ e−ik0 2 = L L k −ik L α− 2 e−ik0 2 −eik0 2 k0 e Dies liefert
L
eik 2 L − kk0 eik 2
L β+ α+ = M k0 , k, − α− β 2 −
β+ . β−
48
3 Wellenmechanik in einer Dimension
mit M k0 , k, −
Bei x =
L 2
L 2
⎛
1+ . 1⎜ = ⎜ 2⎝
1−
k k0 k k0
ei(k0 −k) 2
1−
e−i(k0 +k) 2
1+
L
L
k k0 k k0
L
⎞
L
⎟ ⎟. ⎠
e+i(k0 +k) 2 e−i(k0 −k) 2
finden wir entsprechend L γ+ β+ = M k, k0 , . β− γ− 2
Zusammengesetzt geben beide Gleichungen L L γ+ α+ M k, k0 , = M k0 , k, − α− γ− 2 2 # ik L ⎞ ⎛" ε+ 0 −i ε2− sin kL cos kL − i 2 sin kL e ⎠ γ+ , =⎝ " # γ− i ε2− sin kL cos kL + i ε2+ sin kL e−ik0 L mit
k k0 k k0 , ε− = . + − k0 k k0 k Wir k¨onnen bei gegebenen γ+ , γ− gem¨ aß obigen linearen Gleichungen eine L¨osung f¨ ur jedes E > 0 konstruieren. Der L¨ osungsraum ist also zweidimensional. ε+ =
Nun betrachten wir unsere spezielle Wahl γ− = 0 ,
γ+ ≡ S ,
α+ = 1 .
Dann folgt
ε+ sin kL eik0 L S , 1 = cos kL − i 2 ε− sin(kL) S . α− = i 2 Der Koeffizient S lautet −1
ε+ sin kL S = e−ik0 L cos kL − i 2 ε+ cos kL + i 2 sin kL . = e−ik0 L ε2− 1 + 4 sin2 kL
3.2 Endlicher Potenzialtopf
49
Die Koeffizienten S und α− haben eine physikalische Bedeutung, die wir uns nun klarmachen werden. Betrachten wir den Teilchenstrom j=
¯ h (ψ ∗ ψ − ψψ ∗ ) . 2mi
F¨ ur die drei vorkommenden ebenen Wellen in den Gebieten A und C finden wir: k0 jein = ¯hm A: eik0 x , einlaufende Welle , α− e−ik0 x , reflektierte Welle , C:
k0 jR = − ¯hm |α− |2
Seik0 x , transmittierte Welle , jT =
¯ k0 h 2 m |S| .
Die Wahrscheinlichkeiten f¨ ur Transmission und Reflexion sind durch die folgenden Gr¨oßen gegeben: jT Transmissionskoeffizient: T = j = |S|2 ein
Reflexionskoeffizient:
R = jjR = |α− |2 . ein
Die Erhaltung der Teilchenzahl verlangt T + R = 1. Mit den obigen expliziten Ausdr¨ ucken l¨asst sich das best¨ atigen. Wir k¨ onnen aber auch zeigen, dass dies generell f¨ ur Streuzust¨ ande zutrifft, und zwar mit Hilfe der Kon∂j ∂j + ∂ρ = 0. Da ρ zeitunabh¨ angig ist, gilt ∂x = 0, was tinuit¨atsgleichung ∂x ∂t nichts anderes heißt als j = const. Nun berechnen wir die totalen Str¨ ome in den Gebieten A und C: A:
ψ(x) = ψein (x) + ψR (x) = e+ik0 x + α− e−ik0 x j = =
C:
¯h (ψ ∗ ψ − ψψ ∗ ) 2mi ¯h ∗ ∗ ∗ + ψR ψR − ψR ψR ) = jein + jR (ψ ∗ ψ − ψein ψein 2mi ein ein
j = jT ,
wobei sich die gemischten Terme in A fortheben. Aus der Konstanz des Stromes folgt nun jein + jR = jT und daher
jT jR jR jT = T +R, − = + 1= jein jein jein jein
50
3 Wellenmechanik in einer Dimension
was zu zeigen war. Der Transmissionskoeffizient f¨ ur den Potenzialtopf lautet explizit T =
ε2 1 + − sin2 kL 4
−1 ,
wobei ε2− =
V02 . E(E + V0 )
Offensichtlich ist 0 ≤ T ≤ 1, wie es ja sein muss. Betrachten wir einmal die Abh¨ angigkeit von der Energie des Teilchens. Die ¯ 2. folgende Graphik zeigt T (E) f¨ ur einen Potenzialtopf mit 2mV0 L2 = h
1
2
2mV0L = --h
T
0
0
0.5
2
1
1.5
E/V0
T (E) steigt mit wachsender Energie und n¨ ahert sich dem Wert 1 an. Das ist plausibel, denn hochenergetische Teilchen werden durch das Potenzial kaum gest¨ort. Ansonsten ist die Kurve recht unauff¨ allig. h2 . Nun w¨ahlen wir ein Potenzial mit 2mV0 L2 = 64¯
3.2 Endlicher Potenzialtopf
51
1
2
2mV0L = 64 --h
T
0
0
1
2 E/V0
2
3
4
Wir beobachten ausgepr¨agte Maxima, an denen T (E) den Wert 1 erreicht. Der obige Ausdruck lehrt, dass dies bei kL = nπ passiert. Die entsprechenden Energien sind E = ER =
¯ 2 k2 h h2 π 2 2 ¯ − V0 = n − V0 , 2m 2mL2
ande wobei n gen¨ ugend groß sein muss, damit ER > 0 ist. Die Streuzust¨ mit diesen Energien heißen Resonanzen. Ihr Zustandekommen k¨ onnen wir anschaulich damit erkl¨aren, dass die bei x = L2 und bei x = − L2 reflektierten Wellen destruktiv interferieren, falls 2kL = 2πn ist. Wir betrachten das Verhalten in der N¨ ahe einer Resonanz einmal genauer. F¨ ur den Koeffizienten S(E) gilt (S eik0 L )−1 = cos kL − i
ε+ sin kL . 2
n ur eine TaylorentBei k = kR = nπ L ist cos kR L = (−1) und sin kR L = 0. F¨ wicklung um die Resonanzstelle bis zur ersten Ordnung ben¨ otigen wir die Ableitung ε+ ε+ dk d
= −i cos kL − i sin kL cos(kL) · L dE 2 2 dE E=ER E=ER
52
3 Wellenmechanik in einer Dimension √ mL 2ER + V0 = cos(kR L) −i √ √ 2 2¯ h ER (ER + V0 ) 2 . ≡ cos(kR L) · −i Γ
Die Taylorreihe beginnt mit ik0 L −1
(S e
)
n
= (−1)
2 1 − i (E − ER ) + . . . , Γ
so dass wir in der N¨ahe der Resonanz schreiben k¨ onnen S eik0 L ≈ (−1)n
i Γ2 E − ER + i Γ2
.
Diese Form ist nicht nur f¨ ur das hier betrachtete Kastenpotenzial sondern auch allgemeiner g¨ ultig. Aus ihr folgt " Γ #2 T ≈
2
(E − ER )2 +
" Γ #2 . 2
Diese Funktion heißt Lorentzkurve oder Breit-Wigner-Funktion und hat folgende Gestalt: T
1
0.5
Γ
ER
E
3.2 Endlicher Potenzialtopf
53
Zusammenfassung: F¨ ur E > 0 gibt es station¨are Streul¨ osungen ik x e 0 + α− e−ik0 x , x < − L2 ψk0 (x) = S eik0 x , x > L2 wobei k0 > 0. • Sie sind nicht normierbar, • der L¨osungsraum ist zweidimensional, eine Basis bilden z.B. ψk0 , ψ−k0 . 3.2.3 Streuung von Wellenpaketen Physikalische Zust¨ande werden durch normierbare Wellenfunktionen beschrieben. F¨ ur E > 0 erfordert das die Bildung von Wellenpaketen. Diese sind im Unterschied zu den oben betrachteten Streul¨ osungen nicht station¨ar. Sie geben den zeitlichen Ablauf des Streuvorganges wieder, den wir uns intuitiv so vorstellen:
t > 0
Zu fr¨ uhen Zeiten t 0 liegt ein von links einlaufendes Wellenpaket vor. Nach dem Streuvorgang, zu sp¨ aten Zeiten t 0, existieren ein reflektiertes Paket, das sich nach links bewegt, und ein transmittiertes nach rechts laufendes Paket. Die L¨osung der zeitabh¨angigen Schr¨ odingergleichung sollte dieses Verhalten zeigen. Davon wollen wir uns u ¨berzeugen und studieren jetzt die zeitliche Entwicklung von Wellenpaketen. Zun¨achst betrachten wir noch einmal ein freies Teilchen mit einem Wellenpaket dk ϕ(k) eikx−iωt , χ(x, t) = 2π
54
3 Wellenmechanik in einer Dimension
wobei ω=
¯ k2 h . 2m
Die Impulsraum-Wellenfunktion ϕ(k) sei um k = k0 konzentriert und sie sei reell gew¨ahlt.
ϕ (k)
k
k0
Wir k¨onnen annehmen, dass ϕ(k) = 0 f¨ ur k < 0 ist. Zum Zeitpunkt 0 setzen wir t = 0 : χ(x, 0) ≡ χ0 (x) , mit x = 0 . F¨ ur die jetzigen Betrachtungen vernachl¨ assigen wir das Zerfließen des Paketes. Dann ist nach Abschnitt 1.2.1 f¨ ur andere Zeiten t = 0 :
χ(x, t) ≈ eiω0 t χ0 (x − v0 t)
mit v0 =
¯ k0 h , m
ω0 =
¯ k02 h . 2m
Nun betrachten wir die Situation mit Kastenpotenzial. Wir bilden ein Wellenpaket mit der gleichen Impulsverteilung ϕ(k), jedoch sind jetzt anstelle der ebenen Wellen die Streul¨ osungen ψk (x) einzusetzen: dk ϕ(k) ψk (x) e−iωt . ψ(x, t) = 2π F¨ ur die in der Streul¨osung enthaltenen Anteile ebener Wellen k¨ onnen wir das obige Resultat f¨ ur das freie Teilchen benutzen. Links vom Potenzialtopf
3.2 Endlicher Potenzialtopf
55
finden wir L x : 2
dk ϕ(k) S(k) ei(kx−ωt) 2π ≈ S(k0 ) χ(x, t) .
ψ(x, t) =
Zu fr¨ uhen Zeiten t 0, genauer: v0 t −Δx, ist daher x < − L2 x>
L 2
: ψ(x, t) ≈ χ(x, t) : ψ(x, t) = 0.
- L 2
0
L 2
Zu sp¨aten Zeiten t 0 nach dem Streuvorgang finden wir x < − L2 x>
L 2
: ψ(x, t) ≈ α− (k0 ) χ(−x, t) : ψ(x, t) ≈ S(k0 ) χ(x, t).
- L 2
0
L 2
Dies ist tats¨achlich das Ergebnis, das wir intuitiv erwartet haben. Es rechtfertigt unsere Interpretation der Anteile der Streul¨ osung, die wir reflektierten bzw. transmittierten Teilchen zugeordnet haben.
56
3 Wellenmechanik in einer Dimension
An dieser Stelle ist es wichtig, sich an die Interpretation der Wellenfunktion zu erinnern. Die Wellenpakete d¨ urfen nicht mit Teilchen identifiziert werden, denn das hieße ja, dass ein Teilchen sich durch den Streuvorgang in einen reflektierten und einen transmittierten Teil aufspaltet. Dies entspricht aber nicht der Wirklichkeit. Bei einer Ortsmessung w¨ urde man das Teilchen entweder links oder rechts vom Potenzialtopf finden, aber nicht Teile davon auf beiden Seiten. Die Wellenpakete geben die Wahrscheinlichkeiten daf¨ ur an, dass ein Teilchen reflektiert bzw. transmittiert wird. Verweilzeit im Resonanzfall: Das zeitliche Verhalten der Wellenpakete weist im Falle der Resonanz eine Besonderheit auf. Der transmittierte Teil des Wellenpaketes erleidet eine zeitliche Verz¨ogerung durch die Streuung. Diese Verweilzeit im Potenzialtopf wollen wir berechnen. Wir nehmen also an, dass die Energie nahe einer Resonanzenergie ist, ¯ 2 k02 h ≈ ER , 2m und rechnen etwas genauer als oben. Betrachte dk L ϕ(k) S(k) ei(kx−ωt) und t 0. f¨ ur x > ψT (x, t) = 2π 2 E0 =
Wir schreiben S(k) = |S(k)| ei arg S(k) mit arg S(k) = −i ln
S(k) , |S(k)|
und entwickeln f¨ ur k ≈ k0 :
d · k + ... arg S(k) dk k=k0 −1 dS = const. + Im S · k ≡ const. + d · k . dk
arg S(k) = const. +
k=k0
Damit gilt
dk ϕ(k) |S(k0 )| eik(x+d)−iωt 2π ≈ |S(k0 )| χ(x + d, t) = |S(k0 )| eiω0 t χ0 (x + d − v0 t) d iω0 t χ0 x − v0 t − . = |S(k0 )| e v0
ψT (x, t) ≈
3.2 Endlicher Potenzialtopf
57
Inklusive der Laufzeit L/v0 , die auch ohne Streuung zum Durchqueren des Topfes n¨otig ist, betr¨agt die Verweildauer im Topf L d + . v0 v0
τ=
Es bleibt noch der Faktor d zu berechnen. In der N¨ ahe einer Resonanz ist S = (−1)n e−ikL
1 , 2 1 − i Γ (E − ER )
mit E =
¯ 2 k2 h . 2m
Dies gibt arg S = −kL + arctan d = −L + τ= 1+
&2
1+
&2
2 (E − ER ) , Γ
¯ 2 k0 2h Γ m
Γ (E0
'2 , − ER )
2 h Γ¯
'2 . (E − E ) 0 R Γ
Direkt auf der Resonanzenergie E0 = ER ist τR =
2 h. ¯ Γ
Schmale Resonanzen haben also eine hohe Verweilzeit. Resonanzen bei Streuvorg¨angen treten in allen Bereichen der Physik auf, u.a. bei Kernreaktionen oder der Streuung von Elementarteilchen. Z.B. beobachtet man bei der Streuung von Pionen an Nukleonen (π-N-Streuung) im Wirkungsquerschnitt σ eine Resonanz mit den Parametern
σ
E ∗ = 1236 MeV Γ = 120 MeV τ
E E*
= 10−23 sec .
58
3 Wellenmechanik in einer Dimension
Bemerkung: Die in der Teilchenphysik verwendete Lebensdauer τ ist etwas anders definiert und betr¨agt τ = h ¯ /Γ.
3.3 Potenzialbarriere Wir wenden uns nun der Potenzialbarriere zu, die sich vom Potenzialtopf dadurch unterscheidet, dass das Potenzial im Inneren positiv ist. V ( x)
V0 > 0 V0
x L 2
- L 2
Die Besch¨aftigung mit der Potenzialbarriere entspringt nicht der akademischen Lust an der Vollst¨andigkeit unserer Betrachtungen, sondern soll uns ein neues, typisch quantenphysikalisches Ph¨ anomen zeigen. Zun¨achst einmal stellen wir fest, dass es f¨ ur dieses Potenzial wie in der klassischen Mechanik keine gebundenen Zust¨ ande gibt. Wir beschr¨anken die Betrachtungen auf Energien unterhalb der H¨ ohe der Barriere, 0 < E < V0 . In der klassischen Physik wird ein Teilchen, das sich auf die Barriere zubewegt, total reflektiert. Es kann nicht in das Innere der Barriere eindringen. Sehen wir nun, was in der Quantenphysik die Streul¨osungen anzusetzen sind: ⎧ ik0 x e + α− e−ik0 x ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ ψk0 (x) = β+ e−κx + β− eκx ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ S eik0 x
passiert. Wir wissen schon, wie , x < − L2 , − L2 < x < ,
L 2
<x
L 2
3.3 Potenzialbarriere
59
wobei E=
¯2 2 h k , 2m 0
V0 − E =
¯2 2 h κ . 2m
Dies entspricht formal der Situation von Abschnitt 3.2.2, wenn wir die Substitution k = iκ durchf¨ uhren. Daher k¨ onnen wir uns die erneute Untersuchung der Anschlussbedingungen ersparen, denn die weitere Rechnung erfolgt wie dort mit dem Ergebnis T = Hierbei gilt
1 1+ 4
κ k0 + k0 κ
k0 κ + k0 κ
2 =
−1
2 2
sinh κL
.
V02 . E(V0 − E)
Die Transmissionswahrscheinlichkeit T ist nicht Null. Die Teilchen k¨ onnen also die Barriere durchdringen. Dies ist ein spezifisch quantenphysikalischer Effekt, der in der klassischen Mechanik keine Entsprechung hat. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit hat folgende Gestalt:
|ψ(x)|
2
Das Durchdringen der klassisch verbotenen Barriere heißt Tunneleffekt und die entsprechende Wahrscheinlichkeit daf¨ ur ist die Tunnelwahrscheinlichkeit T (E). Wenn die Barriere groß ist, d.h. κL 1, gilt sinh2 κL ≈ T ≈
1 4
exp(2κL) und
2 16E(V0 − E) exp − 2m(V − E) L . 0 ¯ h V02
60
3 Wellenmechanik in einer Dimension
3.4 Tunneleffekt F¨ ur die Barriere konnten wir die Tunnelwahrscheinlichkeit exakt berechnen. Dies ist f¨ ur einen allgemeinen Potenzialberg V
E
a
b
x
nicht m¨oglich, aber es gibt eine N¨ aherungsformel. Zwischen den klassischen Umkehrpunkten a und b zerlegen wir den Berg in N rechteckige Schwellen der Breite Δx. Nach dem Ergebnis des vorigen Abschnittes setzen wir f¨ ur jede Schwelle 2 2m(V (xi ) − E) Δx Ti ≈ exp − h ¯ und f¨ ugen die Faktoren zusammen zu ) N N ( 2 Ti = exp − 2m(V (xi ) − E) Δx . T = h ¯ i=1
i=1
F¨ ur Δx → 0 geht die Summe in ein Integral u ¨ ber und wir erhalten den Gamowfaktor 2 b T ≈ exp − 2m(V (x) − E) dx . h a ¯ Die Approximation ist gut, wenn der Potenzialberg so groß ist, dass T 1 ist.
3.4 Tunneleffekt
61
3.4.1 α-Zerfall
Eine der ersten und prominentesten Anwendungen dieser Formel ist der α-Zerfall von Kernen. Die Situation wird dadurch modelliert, dass man die Bewegung eines α-Teilchens im Potenzial der restlichen Nukleonen betrachtet. Das Potenzial besteht aus einem anziehenden Potenzialtopf, der aus den Kernkr¨aften resultiert, und einem abstoßenden Coulombterm γ/r mit γ ≡ 2Ze2 /4πε0 , wobei Z die Ladungszahl des Restkernes ist.
V(r)
γ r
E R
rc
r
-V0
Die klassischen Umkehrpunkte sind bei r = R und r = rc , wobei rc =
γ , E
R ≈ R0 Z 1/3
mit
R0 ≈ 1,6 · 10−15 m.
62
3 Wellenmechanik in einer Dimension
Der Exponent des Gamowfaktors ist
γ − E dr 2m r R R R 2rc √ π R − arcsin = 2mE − 1− . ¯h 2 rc rc rc
2 G= ¯h
rc
Mit R rc ist G ≈
=
2rc √ 2mE ¯h
R π −2 2 rc
√ √ e2 Z 8 mR0 2π 2m e2 Z ·√ − Z 2/3 ≡ β 1 √ − β 2 Z 2/3 . ¯h 4πε0 h ¯ 4πε0 E E
Die mittlere Lebensdauer des Zustandes ist τ ≈ t0 /T = t0 exp G, wobei t0 = 2R/v = 2R m/2E die Zeit zum Durchqueren des Kerns ist. Dies gibt Z ln τ ≈ β 1 √ − β 2 Z 2/3 + ln t0 . E Der letzte Term variiert nur sehr schwach mit der Energie und kann durch eine Konstante approximiert werden. Nach Einsetzen der Konstanten erh¨ alt man
τ Z − 1,63 Z 2/3 − const. . = 1,72 log10 1 Jahr E/1MeV Die tats¨achlichen Lebensdauern lassen sich gut beschreiben durch die Formel von Taagepera und Nurmia:
log10
τ = 1,61 1 Jahr
Z E/1MeV
− Z 2/3
− 28,9 .
¨ Wir sehen, dass das einfache Modell schon eine recht gute Ubereinstimmung mit der Realit¨at zeigt. Experimentell trat der Zusammenhang von τ und E erstmals in der Regel von Geiger und Nuttall in Erscheinung.
3.4 Tunneleffekt
63
log τ
-
1 E
3.4.2 Kalte Emission F¨ ur viele Fragen lassen sich Elektronen in einem Metall n¨ aherungsweise als freie Teilchen betrachten. Um ein Elektron der Energie E aus dem Metall otig, die vom lichtelektrischen herauszul¨osen, ist die Austrittsarbeit V0 −E n¨ Effekt (Photoeffekt) her bekannt ist. Wird an das Metall ein a ¨ußeres elektrisches Feld E angelegt, so hat das Potenzial eines Elektrons als Funktion des Abstandes von der Metalloberfl¨ ache n¨ aherungsweise die Form 0, x < 0, V (x) = V0 − e0 Ex, x ≥ 0 .
V V0 E
0
x1
x
Die Leitungselektronen bewegen sich mit der Fermienergie E < V0 im Metall. In der klassischen Physik k¨ onnten sie den Potenzialwall nur
64
3 Wellenmechanik in einer Dimension
u ¨ berwinden, wenn Ihnen durch Erhitzen des Metalles oder auf andere Weise Energie zugef¨ uhrt wird. In der Quantenphysik k¨ onnen Elektronen aufgrund des Tunneleffektes bei angelegtem ¨ außeren Feld aus dem kalten Metall austreten. Daher spricht man von kalter Emission bzw. Feldemission. Der Gamowfaktor lautet 2 mit G = h ¯
−G
T =e
x1
dx
2me (V (x) − E) ,
0
wobei der klassische Umkehrpunkt x1 durch E = V0 − eEx1 festgelegt ist. Die Integration liefert die Formel von Oppenheimer bzw. Fowler und Nordheim: √ E0 4 2me (V0 − E)3/2 ≡ . G= 3¯ heE E Sie erlaubt die Berechnung des Tunnelstromes I = I0 exp(−E0 /E) in Abh¨angigkeit vom elektrischen Feld. Die Formel kann durch Ber¨ ucksichtigung der Spiegelladung und der Geometrie der Metalloberfl¨ ache und der Anode noch verbessert werden. Die kalte Emission ist ein wichtiges physikalisches Ph¨ anomen. Sie bildet die Grundlage f¨ ur die Rastertunnelmikroskopie.
3.5 Allgemeine eindimensionale Potenziale Nachdem wir einige spezielle Potenziale im Detail studiert haben, wollen wir noch ein paar allgemeine Tatsachen festhalten. Wir betrachten die station¨are Schr¨odingergleichung in einer Dimension
ψ (x) +
2m (E − V (x))ψ(x) = 0 . h2 ¯
Sei V (x) u ¨berall stetig oder besitze nur endlich viele Sprungstellen endlicher H¨ohe. Aus der fr¨ uheren Diskussion wissen wir, dass ψ(x) und ψ (x) stetig sind. Wir unterscheiden folgende Gebiete: a) klassisch erlaubt: E > V (x)
3.5 Allgemeine eindimensionale Potenziale
65
⇒ ψ (x) und ψ(x) haben entgegengesetztes Vorzeichen, ψ ist oszillatorisch:
b) klassisch verboten: E < V (x)
⇒ ψ (x) und ψ(x) haben gleiches Vorzeichen, ψ ist von der Achse weggekr¨ ummt:
speziell: exponentielles Abklingen
c) klassische Umkehrpunkte: E = V (x),
ψ (x) = 0 .
Typische F¨alle: 1.
−→ ∞ V (x) |x|→∞
V
x diskretes Spektrum: E0 < E1 < E2 < . . . ψn hat n Knoten, gebundene Zust¨ande: ψ0 , ψ1 , ψ2 , . . . , keine Entartung.
66
3 Wellenmechanik in einer Dimension
2.
V
x
x0 −→ ∞ V (x) x→∞ −→ ∞ V (x) x→x 0 f¨ ur x ≤ x0 ,
ψ(x0 ) = 0 , ψ(x) = 0 Spektrum wie oben. 3.
V
V− V+ x
−→ V+ V (x) x→∞ −→ V− V (x) x→−∞ V+ ≤ V− Vmin < E ≤ V+ : diskretes Spektrum, wie oben. V+ < E ≤ V− : kontinuierliches Spektrum, zu jedem E gibt es eine Streul¨osung, sie ist nicht normierbar. oV− < E: kontinuierliches Spektrum, zu jedem E gibt es zwei Streul¨ sungen.
4 Formalismus der Quantenmechanik 4.1 Hilbertraum In der Quantenmechanik verlangen wir von den Wellenfunktionen, die physikalische Zust¨ande beschreiben, dass sie normiert sind: dx |ψ(x)|2 = 1. Wir betrachten jetzt allgemeiner den Raum normierbarer Funktionen H = ψ : R → C dx |ψ(x)|2 < ∞ .
H ist komplexer Vektorraum. Die Addition ist gegeben durch ψ1 + ψ2 = ψ
⇔
ψ(x) = ψ1 (x) + ψ2 (x) .
Die Summe ist wieder Element von H wegen 2 2 |ψ(x)| dx ≤ 2 |ψ1 (x)| dx + 2 |ψ2 (x)|2 dx < ∞ . Die Skalarmultiplikation ist gegeben durch (αψ) (x) = αψ(x) , α ∈ C, wobei αψ ∈ H . Es gelten die Vektorraum-Axiome: a) Assoziativit¨at:
ψ1 + (ψ2 + ψ3 ) = (ψ1 + ψ2 ) + ψ3
b) ∃ Nullelement:
ψ+0 = ψ,
c) ∃ Inverse:
(−ψ)(x) = −ψ(x)
d) Distributivgesetz:
α(ψ1 + ψ2 ) = αψ1 + αψ2
e)
(α + β)ψ = αψ + βψ
f)
(αβ)ψ = α(βψ)
g)
1·ψ =ψ
mit 0(x) = 0
68
4 Formalismus der Quantenmechanik
Nun wollen wir schauen, ob es auf diesem Raum ein Skalarprodukt gibt, d.h. eine positiv definite hermitesche Form. Wir versuchen es mit . (ψ1 , ψ2 ) = dx ψ1∗ (x)ψ2 (x) . Sie erf¨ ullt a)
(ψ3 , ψ1 + ψ2 ) = (ψ3 , ψ1 ) + (ψ3 , ψ2 )
b)
(ψ1 , αψ2 ) = α(ψ1 , ψ2 )
c)
(ψ1 , ψ2 ) = (ψ2 , ψ1 )∗
d)
(ψ, ψ) ≥ 0.
Gilt auch e)
(ψ, ψ) = 0
⇔
ψ=0?
Nein, denn es existieren Nullfunktionen 2 N = f ∈ H |f | dx = 0 , n¨amlich solche Funktionen, f¨ ur die f (x) = 0 nur f¨ ur x aus einer Menge vom Maß Null. Also ist die Form nicht positiv definit. Was tun? Wir bilden den Faktorraum . H = H /N , ¨ d.h. wir betrachten Aquivalenzklassen von Funktionen gem¨ aß ψ1 ∼ ψ2 , wenn ψ1 = ψ2 + f mit f ∈ N . H ist ein komplexer Vektorraum und besitzt ein Skalarprodukt, das durch obige Definition gegeben ist. Insbesondere gilt nun e)
(ψ, ψ) = 0
⇔
ψ = 0.
Eine Norm ist definiert durch . ψ = (ψ, ψ) . Sie erf¨ ullt die schwarzsche Ungleichung: |(ψ1 , ψ2 )| ≤ ψ1 · ψ2 . Beweis:
(ψ2 , ψ1 ) , ψ1 − ψ2 (ψ2 , ψ2 )
(ψ2 , ψ1 ) ψ1 − ψ2 (ψ2 , ψ2 )
≥ 0.
4.1 Hilbertraum
69
Die linke Seite ist (ψ1 , ψ1 ) − 2
|(ψ2 , ψ1 )|2 |(ψ2 , ψ1 )|2 |(ψ2 , ψ1 )|2 + = (ψ1 , ψ1 ) − , |(ψ2 , ψ2 )| |ψ2 , ψ2 )| |(ψ2 , ψ2 )|
woraus die Behauptung folgt. Weiterhin gilt die Dreiecksungleichung: ψ1 + ψ2 ≤ ψ1 + ψ2 . Beweis: ψ1 +ψ2 2 = (ψ1 , ψ1 +ψ2 )+(ψ2 , ψ1 +ψ2 ) ≤ ψ1 ·ψ1 +ψ2 +ψ2 ·ψ1 +ψ2 , woraus die Behauptung folgt. Definition: ψ1 und ψ2 sind orthogonal zueinander, ψ1 ⊥ψ2 ⇔ (ψ1 , ψ2 ) = 0. Wir definieren die Konvergenz von Funktionen in H durch ψn → ψ (stark)
⇐⇒
lim ψn − ψ = 0 .
n→∞
Diese Konvergenz heißt Konvergenz im quadratischen Mittel, sie beinhaltet keine punktweise Konvergenz. Satz (Riesz - Fischer): H ist vollst¨ andig, d.h. jede Cauchyfolge in H konvergiert zu einem Limesvektor in H. Ein Raum mit solchen Eigenschaften heißt Hilbertraum, so benannt nach David Hilbert (23.1.1862 – 14.2.1943). Der von uns betrachtete Raum der quadratintegrablen Funktionen wird als H = L2 (R) bezeichnet. In der Physik werden meistens nur Hilbertr¨ aume mit endlich oder abz¨ ahlbar unendlich vielen Dimensionen betrachtet. Diese heißen separabel. Die Verallgemeinerung auf drei r¨ aumliche Dimensionen ist klar und liefert 3 den Hilbertraum L2 (R ), in dem d3 r |ψ(r )|2 < ∞
70
4 Formalismus der Quantenmechanik
gilt. Das Skalarprodukt ist
d3 r ψ1∗ (r )ψ2 (r ) .
(ψ1 , ψ2 ) =
Vollst¨ andige Funktionensysteme: Geeignete Mengen von Vektoren bilden eine Basis des Hilbertraumes. Sei {un ∈ H} ein Orthonormalsystem: (un , um ) = δnm . Dieses System ist eine Basis, falls cn un (Vollst¨ andigkeit) ∀ψ ∈ H gilt ψ = n
mit geeigneten Koeffizienten cn . In diesem Falle ist cn = (un , ψ). Die Entwicklung ψ=
un (un , ψ)
n
lautet ausgeschrieben ψ(x) =
un (x) dy u∗n (y) ψ(y) = dy un (x) u∗n (y) ψ(y) .
n
n
Diese Gleichung, die f¨ ur jede Funktion ψ ∈ H gelten soll, muss von der Form ψ(x) = dy δ(x − y) ψ(y) sein. Die Vollst¨andigkeit der un ist also gleichwertig mit der Vollst¨andigkeitsrelation:
un (x) u∗n (y) = δ(x − y) .
n
In drei Dimensionen lautet sie un (r1 ) u∗n (r2 ) = δ(r1 − r2 ) . n
Betrachten wir die Fouriertransformation im Lichte des Hilbertraumes. F¨ ur ˜ jedes Element ψ ∈ L2 (R) existiert die Fouriertransformierte ψ, die ebenfalls Element des Hilbertraumes ist: ψ˜ ∈ L2 (R). Es gilt ψ = ψ.
4.2 Physikalischer Zustandsraum
71
Wir k¨onnen also f¨ ur jede Funktion aus L2 (R) schreiben dk ˜ dk ˜ ikx ψ(k)e ≡ ψ(k)uk (x) . ψ(x) = 2π 2π Dies sieht aus wie die Entwicklung nach einer Basis. Bilden die {uk }k∈R tats¨achlich eine Basis? Nein, denn sie sind nicht normierbar, d.h. uk ∈ / L2 (R). Dennoch ist diese Funktionenmenge, nach der sich alle Elemente entwickeln lassen, sehr n¨ utzlich. Sie bildet eine sogenannte uneigentliche Basis. Darauf werden wir sp¨ ater noch eingehen.
4.2 Physikalischer Zustandsraum In einer r¨aumlichen Dimension werden physikalische Zust¨ ande zu einer festen Zeit t durch quadratintegrable Wellenfunktionen ψ(x, t) beschrieben. Entsprechend haben wir es in drei Dimensionen mit Wellenfunktionen ψ(r, t) zu tun. Wir abstrahieren hiervon und formulieren das Postulat: Physikalische (reine) Zust¨ ande werden beschrieben durch Vektoren in einem Hilbertraum H. H = L2 (R)
d = 1 : ψ(x, t), t fest,
ψ(·, t) ∈ L2 (R) ,
d = 3 : ψ(r, t),
ψ(·, t) ∈ L2 (R3 ) , H = L2 (R3 ) .
t fest,
¨ Die M¨oglichkeit der Uberlagerung von Wellen, die sich in Interferenzerscheinungen manifestiert, findet ihren Ausdruck im Superpositionsprinzip: F¨ ur Zust¨ ande ψ1 , ψ2 ist αψ1 + βψ2 (α, β ∈ C) wieder ein physikalischer Zustand, d.h. jeder Vektor in H entspricht einem m¨oglichen Zustand. Im Hilbertraum H haben wir ein Skalarprodukt, das f¨ ur den dreidimensionalen Fall gegeben ist durch (ψ1 , ψ2 ) = d3 r ψ1∗ (r )ψ2 (r ). Nun ist zu beachten, dass physikalische Zust¨ ande normiert sein sollen: ψ = 1.
72
4 Formalismus der Quantenmechanik
Dies scheint mit dem Superpositionsprinzip in Konflikt zu stehen. Die Angelegenheit wird jedoch gerettet durch eine Verfeinerung des Zustandsbe¨ griffes. Wir f¨ uhren f¨ ur physikalische Zust¨ ande die Aquivalenz ψ1 ∼ ψ2
⇔
ψ1 = λψ2 ,
λ ∈ C, λ = 0
¨ ein. Jede Aquivalenzklasse bildet einen Strahl ψ* = {φ|φ ∼ ψ}. ¨ Die Aquivalenz von Vektoren, die sich um einen reellen Faktor λ = 0 unter¨ scheiden, leuchtet leicht ein. Interessant ist die Aquivalenz von Vektoren, die sich um einen komplexen Phasenfaktor exp(iα) vom Betrag 1 unterscheiden. In der Tat a¨ndert ein solcher Phasenfaktor die Wahrscheinlichkeitsdichte, den Wahrscheinlichkeitsstrom und Erwartungswerte nicht. Zusammenfassend gilt also: Zust¨ ande werden beschrieben durch Strahlen in H. Den Hut u ¨ ber ψ* werden wir im Folgenden fortlassen und mit normierten Repr¨asentanten ψ, ψ = 1, arbeiten.
4.3 Lineare Operatoren Gegeben sei ein Hilbertraum H. Ein Operator A ist eine Abbildung A : DA −→ H,
DA ⊂ H
von einem Teilraum DA in den Raum H. DA ist der Definitionsbereich von A. F¨ ur die Abbildung schreiben wir ψ −→ Aψ . A ist linear, wenn A(αψ1 + βψ2 ) = αAψ1 + βAψ2 . Beispiel: Q, P, H sind lineare Operatoren. Auch der Operator A, der durch Aψ(x) =
* y) ψ(y) dy A(x,
4.3 Lineare Operatoren
73
* y) eine geeignete Funktion ist, ist linear. Die Funkdefiniert ist, wobei A(x, * * y) tion A(x, y) heißt Kern des Operators A. Allgemeiner k¨ onnen f¨ ur A(x, * y) = δ(x−y), auch Distributionen zugelassen werden. Nimmt man z.B. A(x, so ist Aψ(x) = dy δ(x − y) ψ(y) = ψ(x) und wir erkennen, dass A = 1 ist, d.h. der Kern des Eins-Operators ist die Delta-Funktion: * y) = δ(x − y) . 1(x, Sei DA dicht in H. Der zu A adjungierte Operator A† ist definiert durch (χ, Aψ) = (A† χ, ψ) Regel:
∀ψ ∈ DA , χ ∈ DA† .
(AB)† = B † A† .
A heißt hermitesch, wenn (χ, Aψ) = (Aχ, ψ) A heißt selbstadjungiert, wenn A† = A ,
∀ψ, χ ∈ DA und DA† ⊆ DA .
DA† = DA .
Ein selbstadjungierter Operator ist insbesondere auch hermitesch. Beispiel: Pj , Qj sind selbstadjungiert. Wir zeigen hier nur Hermitezit¨ at. F¨ ur die Selbstadjungiertheit muss man etwas mehr tun. Die Hermitezit¨at von Qj ist trivial. Betrachten wir Pj : h ∂ψ(r ) ¯ h ∂χ∗ (r ) ¯ 3 ∗ d r χ (r ) = − d3 r ψ(r ) (χ, Pj ψ) = i ∂xj i ∂xj h ∂χ(r ) ∗ ¯ 3 ψ(r ) = (Pj χ, ψ). = d r i ∂xj Eigenwerte: Sei A Operator auf einem Hilbertraum H. Definition: Wenn f¨ ur eine Zahl a ∈ C ein Vektor ψ ∈ H, ψ = 0, existiert, so dass die Gleichung Aψ = aψ gilt, so heißt a Eigenwert und ψ Eigenvektor von A. Satz 1: Eigenwerte hermitescher Operatoren sind reell.
74
4 Formalismus der Quantenmechanik
Beweis: Aψ = aψ
⇒
(ψ, Aψ) = a(ψ, ψ) .
Andererseits ist (ψ, Aψ) = (Aψ, ψ) = (aψ, ψ) = a∗ (ψ, ψ) a = a∗ .
⇒
Satz 2: Eigenvektoren hermitescher Operatoren zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal. Beweis: a2 . Sei Aψ1 = a1 ψ1 , Aψ2 = a2 ψ2 , a1 = (ψ2 , Aψ1 ) = a1 (ψ2 , ψ1 ) ⇒ (a2 − a1 )(ψ2 , ψ1 ) = 0 ⇒ (ψ2 , ψ1 ) = 0. (Aψ2 , ψ1 ) = a2 (ψ2 , ψ1 ) Beispiel: Teilchen im Kasten, hier haben wir die Orthogonalit¨ at explizit nachgerechnet. F¨ ur das Teilchen im endlichen Topf ist es ebenfalls m¨ oglich, die Orthogonalit¨at nachzurechnen, jedoch ist es um Einiges schwieriger. Der Satz 2 erspart uns diese Arbeit. Entartung: Eigenvektoren eines hermiteschen Operators A zum gleichen Eigenwert a spannen einen Teilraum, den Eigenraum zu a, auf: Aψ1 = aψ1 , Aψ2 = aψ2
⇒
A(c1 ψ1 + c2 ψ2 ) = a(c1 ψ1 + c2 ψ2 ) .
Im Eigenraum kann man eine orthogonale Basis w¨ ahlen (schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren). Satz 3: Die Anzahl der Eigenwerte eines hermiteschen Operators ist h¨ ochstens abz¨ahlbar unendlich. Beweis: In H gibt es nicht mehr als abz¨ ahlbar viele zueinander orthogonale Vektoren (Separabilit¨at). Definition: Die Menge der Eigenwerte heißt diskretes Spektrum. Bemerkung: In der Mathematik bezeichnet man die Menge der Eigenwerte als Punktspektrum. Dieses kann auch H¨ aufungspunkte haben. Die Menge der isolierten, endlich entarteten Eigenwerte heißt dann diskretes Spektrum. Satz 4: Vollst¨ andigkeit Sei A selbstadjungiert und besitze ein rein diskretes Spektrum. Dann spannen die Eigenvektoren von A den gesamten Hilbertraum H auf.
4.3 Lineare Operatoren
75
Den Beweis gebe ich hier nicht an. F¨ ur Operatoren auf dem Raum Cn ist er aus der linearen Algebra bekannt. Der Fall von Operatoren, die nicht nur ein rein diskretes, sondern auch ein kontinuierliches Spektrum besitzen, wird sp¨ater behandelt. Aus der Vollst¨andigkeit folgt insbesondere, dass es eine Basis {ψn } gibt, die aus Eigenvektoren von A besteht. F¨ ur Cn ist dieser Sachverhalt aus der linearen Algebra bekannt. Ein Operator wird dort repr¨asentiert durch eine Matrix ⎞ ⎛ A11 · · · A1n ⎟ ⎜ A = ⎝ ... ⎠ An1 · · ·
Ann
und der adjungierte Operator wird repr¨ asentiert durch A† = At∗ . Wenn A selbstadjungiert (= hermitesch) ist, so gibt es n Eigenwerte λi und Eigenvektoren ei mit Aei = λi ei . In der Basis {ei } sieht A diagonal aus: ⎛ λ1 0 0 · · · ⎜ 0 λ2 0 · · · ⎜ ⎜ A = ⎜ 0 0 λ3 · · · ⎜ .. ⎝ .
0 0 0
···
λn
0
0
0
⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟. ⎟ ⎠
Daher bezeichnet man mit dem Begriff Diagonalisierung die Bestimmung aller Eigenvektoren und Eigenwerte eines selbstadjungierten Operators. Beispiel: Teilchen im unendlich hohen Potenzialtopf Der Hilbertraum besteht hier aus den quadratintegrablen Funktionen auf dem Intervall [0, L], die am Rand verschwinden. F¨ ur dieses System haben wir den Hamiltonoperator H explizit diagonalisiert, indem wir alle Eigenfunktionen ψn und Eigenwerte En ermittelt haben. Wir haben nachgerechnet, dass die Eigenfunktionen orthogonal zueinander sind, und wir haben festgestellt, dass sie ein vollst¨ andiges Funktionensystem im Hilbertraum bilden.
76
4 Formalismus der Quantenmechanik
Projektionsoperatoren: Sei ψ ∈ H, ψ = 1. Wir definieren einen Operator Pψ durch Pψ χ = (ψ, χ) ψ . Dieser Operator liefert die Projektion des Vektors χ auf die durch ψ festgelegte Achse im Hilbertraum.
χ
ψ
.
Pψ χ
Pψ ist linear und selbstadjungiert und es gilt Pψ2 = Pψ . Wir k¨onnen noch verallgemeinern. Sei {ψ1 , . . . , ψn } Orthonormalbasis in einem Teilraum V. Dann definieren wir PV = Pψi . i
P V ist linear und selbstadjungiert und es gilt P V2 = P V . F¨ ur einen Vektor χ ist PV χ ∈ V , d.h. P V projiziert auf den Teilraum V. Ermutigt durch diese Feststellungen treffen wir folgende Definition: Ein linearer, selbstadjungierter Operator P heißt Projektionsoperator (Projektor), wenn P2 = P .
4.4 Diracnotation
77
4.4 Diracnotation Der Physiker P.A.M. Dirac (8.8.1902 – 20.10.1984) hat eine Notation f¨ ur Vektoren und Operatoren eingef¨ uhrt, die sehr suggestiv ist und in der Quantenmechanik gerne benutzt wird. Folgende Bezeichnungsweisen werden verwendet: Vektoren aus H : |ψ , |α , . . . Skalarprodukte:
(ψ1 , ψ2 ) = ψ1 |ψ2
Matrixelemente:
(χ, Aψ) = χ|A|ψ .
Die Vektoren |ψ etc. werden als ket-Vektoren bezeichnet, da sie den zweiten Teil einer spitzen Klammer ( bracket“) bilden. ” Weiterhin schreibt man f¨ ur Pψ = |ψ ψ| ,
Projektoren: denn es ist ja
Pψ χ = (ψ, χ) ψ = ψ|χ |ψ = |ψ ψ|χ , also Pψ |χ = |ψ ψ|χ . Eine Basis in Form eines vollst¨ andigen Orthonormalsystems sei gegeben durch die Vektoren |n , n ∈ N. Dann schreiben sich Orthonormiertheit:
m|n = δmn
Vollst¨andigkeit:
|ψ =
+
n cn |n ,
und es gilt f¨ ur die Entwicklungskoeffizienten cn = n|ψ ∈ C . Wir k¨onnen die Vollst¨andigkeit also in der Form |n n|ψ
|ψ = n
schreiben. Hierin steckt die Vollst¨ andigkeitsrelation |n n| = 1 . n
78
4 Formalismus der Quantenmechanik
Schreibt man diese Gleichung in Form der Operatorkerne, so lautet sie un (x) u∗n (y) = δ(x − y) , n
was mit der fr¨ uheren Version der Vollst¨ andigkeitsrelation u ¨bereinstimmt.
4.5 Observable 4.5.1 Observable und Messwerte Observable sind Messgr¨oßen. Dies sind physikalische Gr¨ oßen, die an einem Zustand gemessen werden k¨onnen. In der klassischen Physik kennen wir z.B. die Observablen Ort, Impuls, Energie, Drehimpuls und andere. Sie k¨ onnen zu einer Zeit t beliebig genau gemessen werden. In der Quantenmechanik sind f¨ ur einen gegebenen Zustand |ψ die Messwerte einer Observablen statistisch verteilt. Observable, die wir schon kennengelernt haben, sind Impuls P , Ort Q und Energie H. Sie besitzen Erwartungswerte, z.B. P = ψ|P |ψ , und Streuungen, z.B. (Δp)2 = (P − P )2 . Die obigen Observablen wirken als Operatoren auf Wellenfunktionen. Allgemein trifft man in der Quantenmechanik die Zuordnung −→
Observable
lineare Operatoren.
Der Erwartungswert der Observablen A im Zustand |ψ ist gegeben durch A = ψ|A|ψ . Messwerte sind reell. Hieraus resultiert die Forderung, dass Observable A selbstadjungiert sein m¨ ussen, denn ψ|A|ψ = ψ|A|ψ ∗
⇒
ψ|A|ψ = ψ|A† |ψ
Die Streuung ΔA der Messwerte ist gegeben durch (ΔA)2 = (A − A )2 = A2 − A 2 .
∀ψ .
4.5 Observable
79
Betrachten wir jetzt Eigenwerte a einer Observablen A. Sei ψ|ψ = 1.
A|ψ = a|ψ , Dann ist ψ|A|ψ = a
und ΔA = 0,
d.h. die Observable ist scharf und a ist der Messwert. Zusammenfassung: Observable ←→ Messwerte
selbstadjungierte Operatoren
←→
Eigenwerte
Erwartungswert von A im Zustand |ψ = ψ|A|ψ .
4.5.2 Vertr¨ agliche Observable Sei |α Eigenzustand zur Observablen A: A|α = a|α . Nun sei B eine andere Observable. Im Allgemeinen f¨ uhrt deren Messung am Zustand |α zu einer Zustands¨ anderung. Betrachten wir den Spezialfall, dass bei Messung von B der Zustand |α erhalten bleibt. |α sei auch Eigenzustand zur Observablen B. A und B heißen vertr¨ aglich oder kommensurabel, wenn alle Eigenzust¨ ande von A auch Eigenzust¨ande von B sind: A|α = a|α ,
B|α = b|α .
A und B sind dann gleichzeitig scharf messbar. Es gilt der Zusammenhang
A und B sind vertr¨ aglich
⇔
AB − BA = 0.
80
4 Formalismus der Quantenmechanik
Beweis: Zur Vereinfachung wollen wir annehmen, dass ein rein diskretes Spektrum vorliegt. Es ist AB|α = Ab|α = bA|α = ba|α
BA|α = Ba|α = aB|α = ab|α , so dass (AB − BA)|α = 0 f¨ ur alle Eigenvektoren |α . Es gibt eine Basis {|i } aus Eigenvektoren von A, d.h. A|i = ai |i . Dann ist (AB − BA)|i = 0 ∀i und folglich AB − BA = 0. Wir definieren den Kommutator
. [A, B] = AB − BA .
Ein fundamentaler und besonders wichtiger Kommutator ist derjenige zwischen Ort und Impuls. Sei Px =
¯ ∂ h , i ∂x
X = Qx .
Der Kommutator ist
, h ∂ ¯ ∂ ¯ ∂ h ,X = X −X . [Px , X] = i ∂x i ∂x ∂x
Um diesen zu berechnen, lassen wir ihn auf eine Funktion ψ(x) wirken. ∂ ∂ ∂ ∂ X −X ψ(x) = xψ(x) − x ψ(x) = ψ(x) ∂x ∂x ∂x ∂x ⇒
∂ ∂ X −X = 1. ∂x ∂x
Hieraus erhalten wir
¯ h 1. i Die zusammengeh¨origen Komponenten des Impulses und des Ortes sind also nicht vertr¨aglich. [Px , X] =
F¨ ur die anderen Kommutatoren findet man leicht [Px , Y ] = 0 ,
[Px , Z] = 0 .
4.5 Observable
81
Die Kommutatoren zwischen den Komponenten des Impuls- und des Ortsoperators fassen wir zusammen in der Form [Pj , Qk ] =
¯ h δjk 1. i
Dies sind die Born-Jordan’schen Vertauschungsrelationen. Sie wurden von Max Born und seinem jungen Assistenten Pascual Jordan (18.10.1902 – 31.7.1980) in der zweiten Arbeit zur Quantenmechanik 1925 gefunden. 4.5.3 Parit¨ at Wir betrachten ein Potenzial V (x) in einer Dimension. Sei V (x) gerade: V (x) = V (−x) . Behauptung: Die Eigenfunktionen von H sind gerade (symmetrisch): ψ(x) = ψ(−x) , oder ungerade (antisymmetrisch): ψ(x) = −ψ(−x) , bzw. k¨onnen so gew¨ahlt werden. Der Beweis folgt weiter unten. Zun¨ achst definieren wir den Parit¨ ats-Operator Π durch Πψ(x) = ψ(−x) . Er bewirkt also eine Raumspiegelung“. ” Es gilt: a) Π† = Π b) Π2 = 1 . Hierdurch sind seine m¨oglichen Eigenwerte festgelegt: Πψ = λψ ⇒
λ2 = 1
⇒ ⇒
ψ = Π2 ψ = λΠψ = λ2 ψ λ = +1 oder λ = −1 .
82
4 Formalismus der Quantenmechanik
Der Eigenwert λ heißt Parit¨at. Es gibt also zwei M¨ oglichkeiten: λ=1:
Πψ = ψ
⇒ ψ(−x) = ψ(x)
: gerade Funktion,
λ = −1 : Πψ = −ψ ⇒ ψ(−x) = −ψ(x) : ungerade Funktion. Nun sei
P2 + V (Q) mit V (x) = V (−x) 2m der Hamiltonoperator eines Teilchens in dem geraden Potenzial V (x). H=
Behauptung:
HΠ = ΠH.
Beweis:
HΠψ(x) = Hψ(−x) =
¯ 2 ∂2 h + V (x) ψ(−x) − 2m ∂x2
¯ 2 h ψ (−x) + V (x)ψ(−x) 2m h2 ¯ ¯h2 ψ (x) + V (x)ψ(x) = − ψ (−x)+V (−x)ψ(−x) . ΠHψ(x) = Π − 2m 2m Aus der Tatsache, dass H und Π kommutieren, [H, Π] = 0, folgt, dass sie gleichzeitig diagonalisierbar sind, d.h. es existiert eine Basis aus gemeinsamen Eigenfunktionen: =−
Πψi = ±ψi .
Hψi = Ei ψi ,
Hieraus folgt die anfangs gemachte Behauptung. Im dreidimensionalen Fall setzen wir V (r ) = V (−r ) ¨ voraus. Die weiteren Uberlegungen verlaufen dann analog zum eindimensionalen Fall. Der Parit¨ats-Operator ist definiert durch Πψ(r ) = ψ(−r ) . Wieder gibt es die beiden F¨ alle Parit¨at +1:
ψ(−r ) = ψ(r )
Parit¨at −1:
ψ(−r ) = −ψ(r )
und es gilt [H, Π] = 0 .
4.5 Observable
83
4.5.4 Unsch¨ arferelation Nehmen wir an, A und B seien zwei Observable, die nicht miteinander kommutieren, [A, B] = 0 . Dann sind A und B nicht vertr¨ aglich, d.h. sie sind im Allgemeinen nicht gleichzeitig scharf messbar. Es gibt in diesem Falle eine allgemeine Unsch¨ arferelation 1 | [A, B] | . 2
ΔA · ΔB ≥ Beweis:
[A, B] =: iC , C selbstadjungiert, . . A = A − A , B = B − B , [A , B ] = iC ,
(ΔA)2 = A 2 ,
(ΔB)2 = B 2
Betrachte die Funktion . F (α) = (αA − iB )ψ2 ≥ 0 ,
α ∈ R.
F (α) = (αA − iB )ψ , (αA − iB )ψ = ψ , (αA + iB )(αA − iB )ψ
= ψ , (α2 A 2 + α C + B 2 )ψ = α2 (ΔA)2 + (ΔB)2 + α C ≥ 0 Setze jetzt α=− C 2 ≥0 4(ΔA)2 Ein spezieller Fall ist ⇒
(ΔB)2 −
∀α ∈ R .
C
. 2(ΔA)2 1 (ΔA)2 (ΔB)2 ≥ C 2 . 4
⇒
A = Q, B = P , C = h ¯1 . Die allgemeine Unsch¨arferelation liefert dann wieder die uns schon vertraute heisenbergsche Unsch¨arferelation Δx · Δp ≥
¯ h . 2
84
4 Formalismus der Quantenmechanik
4.6 Die Postulate der Quantenmechanik Was wir bisher u ¨ ber die Quantenmechanik und ihren mathematischen Formalismus gelernt haben, erlaubt es, die Postulate der Quantenmechanik zu formulieren. Diese fassen die fundamentalen Grundlagen der Quantenmechanik zusammen. Zur Betrachtung spezieller Systeme muss der Hilbertraum und der Hamiltonoperator nat¨ urlich weiter spezifiziert werden. I. Reine Zust¨ande werden durch normierte Vektoren (bzw. Strahlen) eines komplexen Hilbertraumes repr¨ asentiert. Superpositionsprinzip: Jeder Vektor entspricht einem m¨ oglichen reinen Zustand. II. Den Observablen eines Systems entsprechen selbstadjungierte Operatoren. Die m¨oglichen Messwerte sind die Eigenwerte des Operators. III. Der Erwartungswert der Observablen A im Zustand |ψ ist gegeben durch A = ψ|A|ψ . IV. Die zeitliche Entwicklung von Zust¨ anden wird durch die Schr¨ odingergleichung bestimmt: ∂ i¯ h |ψ = H|ψ , ∂t wobei H der Hamiltonoperator ist. V. Wird an einem System im Zustand |ψ die Observable A gemessen, und wird der Messwert a gefunden, so geht das System bei der Messung in den zugeh¨origen Eigenzustand |a u ¨ ber (Zustandsreduktion).
4.7 Wahrscheinlichkeitsdeutung der Entwicklungskoeffizienten Die Observable A besitze die Eigenwerte an : A|n = an |n . Beispielsweise ist im Falle der Energie die Observable gleich dem Hamiltonoperator H und die Eigenwertgleichung ist H|n = En |n .
4.7 Wahrscheinlichkeitsdeutung der Entwicklungskoeffizienten
85
Bei einer Energiemessung sind die m¨ oglichen Messwerte die Eigenwerte En . Ein beliebiger Zustand |ψ muss nicht einer der Eigenzust¨ ande |n sein, sondern ist im Allgemeinen eine Linearkombination der Form |n n|ψ = cn |n
|ψ = n
n
mit Koeffizienten cn = n|ψ . Was ist die physikalische Interpretation dieser Koeffizienten? Betrachten wir den Erwartungswert von A: A = ψ|A|ψ . Ist dies der Wert von A im Zustand |ψ ? Nein! Die Messung von A im Zustand |ψ liefert als Messwert einen der Eigenwerte an . Bei einer Serie von Messungen sind die Messwerte statisch verteilt.
a1
a2
a4
a3
a5
a
Sei pn die Wahrscheinlichkeit,+ bei der Messung der Observablen A den Eigenwert an zu finden. Es ist n pn = 1. Behauptung: |cn |2 = pn . Beweis: A = ψ|A|ψ =
ψ|m m|A|n n|ψ . m,n
Einsetzen von m|A|n = an δmn gibt A =
n
ψ|n an n|ψ =
n
|cn |2 an .
86
4 Formalismus der Quantenmechanik
In gleicher Weise erh¨alt man Ak =
|cn |2 (an )k
n
und speziell 1 = 1 =
|cn |2 .
n
Aus den beiden letzten Gleichungen liest man ab, dass |cn |2 die zum Wert an geh¨orige Wahrscheinlichkeit ist. Wir haben also gefunden pn = | n|ψ |2 . Noch allgemeiner formulieren wir: Die Wahrscheinlichkeit p(α → β), dass bei einer Messung am Zustand |α
dieser in den Zustand |β u ¨bergeht, ist gegeben durch p(α → β) = | β|α |2 . Das Matrixelement heißt daher ¨ Ubergangsamplitude β|α .
5 Harmonischer Oszillator 5.1 Spektrum Der harmonische Oszillator ist ein System, f¨ ur das bei Auslenkungen aus der Ruhelage das hookesche Gesetz gilt, nach dem die r¨ ucktreibende Kraft proportional zur Auslenkung ist. Im eindimensionalen Fall heißt das F = −kx . Das zugeh¨orige Potenzial ist V (x) =
k 2 1 x = mω 2 x2 2 2
mit ω=
k . m
Der harmonische Oszillator ist ein prominentes physikalisches System, dass sowohl typisch als auch untypisch ist. Das Kraftgesetz des harmonischen Oszillators ist linear. Er stellt den Prototyp eines Modells f¨ ur lineare Physik“ dar. Sowohl in der klassischen Physik ” als auch in der Quantenphysik sind die Gleichungen zur Beschreibung von beliebig vielen gekoppelten harmonischen Oszillatoren exakt l¨ osbar. Dies macht sie als theoretisches Objekt sehr beliebt. Aber auch das Anwendungsfeld ist groß. Zahlreiche Systeme lassen sich gut durch harmonische Oszillatoren beschreiben. Dies ist insbesondere f¨ ur Systeme der Fall, die kleine Schwingungen ausf¨ uhren. Die Photonen des elektromagnetischen Feldes, die Phononen in Festk¨orpern, Molek¨ ulschwingungen und viele andere Ph¨anomene werden durch Systeme harmonischer Oszillatoren beschrieben. Untypisch ist der harmonische Oszillator insofern, als er ein exakt l¨ osbares System darstellt. Exakte L¨osbarkeit trifft man nur bei wenigen Ausnahmesystemen an. Die interessanten Erscheinungen der nichtlinearen Physik“ ” sind in der Regel nicht durch exakt l¨ osbare Modelle zu beschreiben. Der quantenmechanische Hamiltonoperator des eindimensionalen harmonischen Oszillators lautet H=
1 2 mω 2 2 P + Q . 2m 2
88
5 Harmonischer Oszillator
Aus den allgemeinen Ergebnissen fr¨ uherer Abschnitte wissen wir, dass das Energiespektrum diskret ist. Dieses wollen wir jetzt berechnen. Dabei beschreiten wir methodisch einen neuen Weg, indem wir die zeitunabh¨ angige Schr¨odingergleichung nicht in Form einer Differenzialgleichung l¨ osen, sondern die Eigenwerte des Hamiltonoperators auf algebraischem Wege ermitteln. Mit der Variablen . y=
mω x h ¯
schreibt sich der Hamiltonoperator in der Form 1 2 1 1 ∂2 ˜ 2 )ψ , + ψ≡¯ hω (P˜ 2 + Q y Hψ = h ¯ω − 2 ∂y 2 2 2
wobei 1 ∂ P, =√ P˜ = −i ∂y mω¯ h Der Kommutator dieser Operatoren ist
˜= Q
mω Q. h ¯
˜ = −i . [P˜ , Q] Nun definieren wir den Operator 1 1 ˜ + iP˜ ) = √ a = √ (Q 2 2
y+
∂ ∂y
mit seinem Adjungierten 1 1 ˜ − iP˜ ) = √ a = √ (Q 2 2 †
∂ y− ∂y
.
Ausgedr¨ uckt durch a und a† lautet der Hamiltonoperator 1 † . H =h ¯ω a a + 2 Der Kommutator von a und a† ist [a, a† ] = 1 ,
d.h. aa† = a† a + 1 ,
und es gilt ˜ = √1 (a + a† ) , Q 2
1 P˜ = √ (a − a† ) . i 2
5.1 Spektrum
89
Die Eigenwerte von H ergeben sich sofort aus denen von a† a, die wir jetzt bestimmen werden. Die Eigenwertgleichung ist a† a|λ = λ|λ . In mehreren Schritten n¨ahern wir uns nun dem Ziel. 1. Die Eigenwerte sind nicht negativ: λ ≥ 0, denn λ = λ|a† a|λ = a|λ 2 ≥ 0 . 2. Ist λ Eigenwert, so auch λ + 1 . Beweis: Betrachte a† |λ . a† a(a† |λ ) = a† (aa† )|λ = a† (a† a + 1)|λ = a† (λ + 1)|λ
= (λ + 1)a† |λ . Wir haben also einen Eigenwert λ + 1, wenn der Vektor a† |λ nicht der Nullvektor ist. Seine Norm ist a† |λ 2 = λ|aa† |λ = λ|a† a + 1|λ = λ + 1 ≥ 1 ⇒
a† |λ = 0 .
3. Ist λ > 0 Eigenwert, so auch λ − 1 . Beweis: Betrachte a|λ . (a† a)(a|λ ) = (aa† − 1)a|λ = a(a† a − 1)|λ = a(λ − 1)|λ
= (λ − 1)a|λ . Wir haben also einen Eigenwert λ − 1, wenn der Vektor a|λ nicht der Nullvektor ist. Seine Norm ist a|λ 2 = λ|a† a|λ = λ > 0 ⇒
a|λ = 0 .
Wir sehen also, dass ausgehend von λ eine ganze Leiter von Eigenwerten erzeugt wird, die nach oben nicht endet.
90
5 Harmonischer Oszillator
λ+ 1 λ λ-1 ...... 4. λ ∈ N0 = {0, 1, 2, 3, . . . }. Beweis: Ist λ > 0 Eigenwert, so erhalten wir die absteigende Folge von Eigenwerten λ − 1, λ − 2, . . . , solange diese positiv bleiben. Diese Folge muss nach endlich vielen Schritten abbrechen ⇒ ∃ n ∈ N mit: λ − n ist Eigenwert, aber a|λ − n = 0. ⇒ a† a|λ − n = (λ − n)|λ − n = 0 ⇒ λ − n = 0 ⇒ λ = n ∈ N . 5. λ = 0 ist einfacher Eigenwert. Beweis: Sei a|0 = 0. Dann ist auch a† a|0 = 0. Gibt es einen solchen Vektor? Zum Zustand |0 geh¨ ort eine Wellenfunktion ϕ0 (y). Die Gleichung a|0 = 0 lautet dann ∂ ϕ0 = 0. y+ ∂y Sie besitzt eine (bis auf Normierung) eindeutige L¨ osung 1
1 2
ϕ0 (y) = π − 4 e− 2 y ,
(ϕ0 , ϕ0 ) = 1 .
6. Die Eigenvektoren erhalten wir wie folgt: |0 ,
λ0 = 0
|1 = a† |0 ,
λ1 = 1
5.2 Eigenfunktionen
91
und so weiter. Nach n Schritten hat man 1 1 |n = √ a† |n − 1 = √ (a† )n |0 , n n!
λn = n .
Mit den Eigenwerten und von a† a kennen wir sofort auch " † Eigenvektoren # 1 diejenigen von H = h ¯ω a a + 2 . Zusammenfassung
1 En = h ¯ω n + 2 a|n =
√
,
n ∈ N0
a† |n =
n|n − 1 ,
√
n + 1|n + 1
Die Energie des Grundzustandes heißt Nullpunktsenergie E0 =
¯ω h 2
unden Leiterund die Operatoren a und a† werden aus offensichtlichen Gr¨ operatoren genannt. Speziell heißt a a†
Vernichtungs- bzw. Absteigeoperator, Erzeugungs- bzw. Aufsteigeoperator.
5.2 Eigenfunktionen Zu den Eigenzust¨anden geh¨ oren Wellenfunktionen |n
∼ =
ϕn (y) ,
die ein Orthonormalsystem bilden: m|n = (ϕm , ϕn ) = δmn . Bez¨ uglich der urspr¨ unglichen Koordinaten x muss man umskalieren mit
mω 1/4 mω ϕn x . ψn (x) = h ¯ h ¯
92
5 Harmonischer Oszillator
Aus den Resultaten des vorigen Abschnittes entnehmen wir eine Formel f¨ ur die Eigenfunktionen: 1 ∂ n − 1 y2 1 π− 4 y − e 2 . ϕn (y) = √ ∂y 2n n! Die n-fache Anwendung des Operators produziert ein Polynom in y und wir schreiben ϕn (y) ≡
1
1 2
− y √ Hn (y) e 2 2n n! π
∂ n − 1 y2 . 12 y2 y− Hn (y) = e e 2 . ∂y
mit
Die ersten Polynome sind H0 (y) = 1 ,
H1 (y) = 2y ,
H2 (y) = 4y 2 − 2 ,
H3 (y) = 8y 3 − 12y .
Die Funktionen Hn (y) heißen Hermitepolynome. Mit 1 2 ∂ 1 2 ∂ y− f (y) = − e 2 y e− 2 y f (y) ∂y ∂y folgt ein anderer Ausdruck f¨ ur sie: Hn (y) = (−1)n ey
2
∂ n −y2 e . ∂y n
Rekursionsgleichung: √ ∂ 1 y− ϕn = n + 1 ϕn+1 a ϕn = √ ∂y 2 √ ∂ 1 y+ ϕn = n ϕn−1 aϕn = √ ∂y 2 √ √ √ ⇒ 2 y ϕn (y) = n + 1 ϕn+1 (y) + n ϕn−1 (y) †
⇒
Hn+1 (y) = 2y Hn (y) − 2nHn−1 (y)
Diese Gleichung erlaubt eine rekursive Berechnung der Hermitepolynome.
5.2 Eigenfunktionen
93
Differenzialgleichung: In der Variablen y geschrieben lautet die zeitunabh¨ angige Schr¨ odingergleichung 1 2 1 1 ∂2 + (y) = n + ϕ y ϕn (y) . − n 2 ∂y 2 2 2 Einsetzen des Ausdruckes f¨ ur ϕn (y) liefert die hermitesche Differenzialgleichung:
d d2 + 2n Hn (y) = 0. − 2y dy 2 dy
Aufenthaltswahrscheinlichkeit: Die Graphiken zeigen die Wellenfunktionen und Aufenthaltswahrscheinlich¨ keiten f¨ ur kleine n. Die verschiedenen Funktionen sind der Ubersicht halber vertikal auf die H¨ohe ihres jeweiligen Energieniveaus verschoben.
ϕn
En
7
6
5
4
3
2
1
0
-4
-2
0 y
2
4
94
5 Harmonischer Oszillator
2
|ϕn|
En
7
6
5
4
3
2
1
0
-4
-2
0
2
4
y
Auch in der klassischen Mechanik l¨ asst sich eine Aufenthaltswahrscheinange des Zeitinlichkeitsdichte wk (x) berechnen. Sie ist proportional zur L¨ tervalles, in dem sich das Teilchen bei x aufh¨ alt, und zwar ist wk (x)dx =
ω 2dt = dt T π
ω 1 ω = √ . π x˙ π x˙ 2
⇒
wk (x) =
x˙ 2 =
2E − ω 2 x2 = ω 2 (x20 − x2 ) m
Man benutzt nun m 2 m 2 2 x˙ + ω x = E 2 2
⇒
und erh¨alt wk (x) =
1 2 (x − x2 )−1/2 . π 0
In der Graphik sind die quantenmechanische Wahrscheinlichkeitsdichte |ϕ20 (y)|2 und die klassische Wahrscheinlichkeitsdichte wk (y) aufgetragen. F¨ ur große n n¨ahert sich der Mittelwert der quantenmechanischen Verteilung der klassischen an, wie man an der Graphik erkennen kann.
5.3 Unsch¨arfen
95
0.3 2
|ϕ20| 0.25
0.2
0.15
0.1
0.05
0
-8
-6
-4
-2
0 y
2
4
6
8
5.3 Unsch¨ arfen Die Unsch¨arfen von Ort und Impuls lassen sich ermitteln, ohne dass ein Integral berechnet werden muss. Dies geschieht wiederum auf algebraischem Wege. Dazu benutzen wir Q=
2mω ¯h
− 1 2
†
(a + a ) ,
P =
mω¯ h 2
1 2
1 (a − a† ) . i
Dies gibt 1 2mω − 2 n|a + a† |n = 0 , x n = n|Q|n = ¯h ¯h h ¯ n|a2 + a†2 + aa† + a† a|n = n|2a† a + 1|n
x2 n = n|Q2 |n = 2mω 2mω ¯h (2n + 1) , = 2mω
⇒
Δx =
¯ h mω
n+
1 , 2
96
5 Harmonischer Oszillator
und ebenso p n = 0 , mω¯h mω¯ h n|aa† + a† a − a2 − a†2 |n = (2n + 1) , p2 n = 2 2 ⇒
Δp =
√
mω¯ h
1 . 2
n+
F¨ ur das Unsch¨arfenprodukt finden wir
1 Δx · Δp = h ¯ n+ 2
.
Im Grundzustand ist n = 0 und das Unsch¨ arfenprodukt nimmt den kleinstm¨oglichen Wert an, den die heisenbergsche Unsch¨ arferelation erlaubt: Δx · Δp = h ¯ /2. W¨ahrend in der klassischen Mechanik der Grundzustand einem ruhenden Oszillator mit den scharfen Werten x = 0 und p = 0 entspricht, finden wir in der Quantenmechanik eine Verteilung f¨ ur Ort und Impuls. Daher spricht man auch von einer Nullpunktsbewegung“. Diese gibt Anlass zur ” Nullpunktsenergie E0 > 0. Beispiele: i) Pendel mit ω = 1 s−1 , m = 10−3 kg. Im Grundzustand ist (Δx)0 = 2 · 10−16 m = 0,2 fm und E0 = 5 · 10−35 J. Diese Gr¨oßen sind so klein, dass sie im Vergleich zu den Dimensionen des Pendels vernachl¨assigbar sind. ii) Ein Atom in einem Molek¨ ul mit m = 10−26 kg, ω = 1016 s−1 . Im Grundzustand ist E0 = 5 · 10−19 J = 3,1 eV, (Δx)0 = 7 · 10−13 m = A. Sowohl die Ortsunsch¨ arfe als auch die Nullpunktsenergie sind 7 · 10−3 ˚ vergleichbar mit typischen atomaren Gr¨ oßenordnungen.
5.4 Oszillierendes Wellenpaket Bisher haben wir station¨are Zust¨ ande des harmonischen Oszillators betrachtet. Diese entsprechen allerdings nicht dem, was man sich unter einem Oszillator vorstellt, n¨amlich ein sich periodisch bewegendes Objekt.
5.4 Oszillierendes Wellenpaket
97
Wir wollen nun Zust¨ande untersuchen, die am ehesten die Schwingung eines physikalischen Systems darstellen. Dazu m¨ ussen Wellenpakete gebildet werden. Ein Wellenpaket des harmonischen Oszillators hat die Form |ϕ(t) =
∞
|n n|ϕ(t) ≡
n=0
∞
cn (t)|n .
n=0
Aus der Schr¨odingergleichung i¯ h
∂ |ϕ(t) = H|ϕ(t)
∂t
folgt f¨ ur die Koeffizienten ∂ ∂ h |ϕ(t) = n|H|ϕ(t) = En n|ϕ(t) = En cn (t) . cn (t) = n|i¯ ∂t ∂t Die L¨osung dieser Differenzialgleichung ist i¯ h
cn (t) = e−i
En t h ¯
1
cn (0) = cn (0) e−i(n+ 2 )ωt .
F¨ ur das Wellenpaket ist die Zeitabh¨ angigkeit somit gegeben durch |ϕ(t) =
∞
1
cn (0) |n e−i(n+ 2 )ωt .
n=0
Die klassische Schwingungsperiode ist 2π . T = ω Nach Ablauf der Zeit T finden wir |ϕ(t + T ) = −|ϕ(t)
|ϕ(y, t + T )|2 = |ϕ(y, t)|2 . Die Wahrscheinlichkeitsdichte ¨ andert sich also periodisch in der Zeit mit Periode T . Wie verh¨alt sich der Erwartungswert des Ortes? Rechnen wir: x(t) = ϕ(t)|Q|ϕ(t) = c∗n (0)cm (0) n|Q|m e−i(m−n)ωt n,m
∞ # ¯ √ " ∗ h n cn−1 (0)cn (0) e−iωt + c∗n (0)cn−1 (0) eiωt 2mω n=1 ∞ √ ¯h ∗ −iωt Re n cn−1 (0)cn (0) e = 2mω
=
n=1
≡ x0 cos(ωt − δ) .
98
5 Harmonischer Oszillator
Er f¨ uhrt also eine harmonische Schwingung durch, so wie es der Ort x(t) in der klassischen Mechanik macht.
5.4.1 Koh¨ arente Zust¨ ande Um die speziellen Wellenpakete zu erhalten, die am ehesten der klassischen Bewegung entsprechen, konstruieren wir Pakete, bei denen das Unsch¨arfenprodukt Δx·Δp minimal ist, so wie es f¨ ur den Grundzustand ϕ0 der Fall ist. Diese heißen koh¨ arente Zust¨ ande“ und spielen z.B. in der Op” tik eine Rolle. Dazu nehmen wir die Wellenfunktion des Grundzustandes, ϕ0 (y), und lenken sie um y0 aus der Ruhelage aus: 1
2
ϕ(y, 0) = ϕ0 (y − y0 ) = π −1/4 e− 2 (y−y0 ) ∞ = cn (0)ϕn (y) . n=0
Die Entwicklungskoeffizienten lassen sich berechnen zu y0 n − 1 y02 1 √ e 4 . cn (0) = n|ϕ(0) = √ 2 n! Die Rechnung geht so: 1
1 2 1 2 − 4 y0
2
e− 2 (y−y0 ) = e 2 y −(y−
e
y0 2 2
) =
⇒
2
y0 e−(y− 2 )
∞ ∞ 1 y0 n ∂ n −y2 1 y0 n 2 − e = Hn (y) e−y n! 2 ∂y n! 2 n=0 n=0 1
2
e− 2 (y−y0 ) =
Mit Hilfe von
∞ 1 2 1 y0 − 1 y02 e 4 Hn (y) e− 2 y . n! 2 n=0
1 2
Hn (y) e− 2 y = folgt 1
2
π −1/4 e− 2 (y−y0 ) =
2n n!π 1/2 ϕn (y)
∞ 1 y n − 1 y02 √ √0 e 4 ϕn (y) , 2 n! n=0
woraus wir die Koeffizienten ablesen.
5.4 Oszillierendes Wellenpaket
99
Da wir die Zeitabh¨angigkeit der Entwicklungskoeffizienten kennen, k¨ onnen wir diejenige des Paketes berechnen: ∞ 1 y0 n − 1 y02 −i(n+ 1 )ωt 2 √ √ e 4 e ϕn (y) ϕ(y, t) = 2 n! n=0 ∞ 1 y0 −iωt n − 2i ωt − 14 y02 √ √ e e ϕn (y) = e 2 n! n=0 i
1
1 2
− 2i ωt −1/4
= e
π
) ϕ "y − y e−iωt # 0 0
−iωt 2
= e− 2 ωt e− 4 y0 e 4 (y0 e
# # 1" 1 2" −iωt 2 −2iωt . exp − y − y0 e − y0 1 − e 2 4
F¨ ur die Wahrscheinlichkeitsdichte folgt . / |ϕ(y, t)|2 = π −1/2 exp −(y − y0 cos ωt)2 . Dies ist ein oszillierendes Wellenpaket, das seine Form beh¨ alt und dessen Schwerpunkt y(t) = y0 cos ωt eine harmonische Schwingung ausf¨ uhrt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Breite Δy konstant ist und kein Zerfließen stattfindet. Der Energie-Erwartungswert des Wellenpaketes betr¨ agt E = ϕ(t)|H|ϕ(t)
n ∞ 1 2 1 1 y02 1 =h ¯ω |cn |2 ¯hω n + e− 2 y0 n + 2 n! 2 2 n=0 n=0 2 1 1 1 y0 + = mω 2 x20 + hω ¯ = h ¯ω 2 2 2 0123 02 12 3 =
∞
klassisch
Nullpunktsenergie
und setzt sich also aus der klassischen Schwingungsenergie mω 2 x20 /2 und der quantenmechanischen Nullpunktsenergie h ¯ ω/2 zusammen. Die Energie ist nat¨ urlich nicht scharf. Die Energieverteilung n 1 2 1 y02 2 e− 2 y0 wn = |cn | = n! 2
100
5 Harmonischer Oszillator
ist eine Poissonverteilung mit dem Maximum bei n0 ≈
y02 − 1 . 2
F¨ ur große y0 wird die Verteilung sehr scharf. Die relative Breite der Energie ist √ ΔE Δn 8π ≈ . ≈ E
n0 y0
5.5 Dreidimensionaler harmonischer Oszillator Ein harmonischer Oszillator in drei Dimensionen kann drei verschiedene Eigenfrequenzen besitzen. In geeigneten Koordinaten lautet das Potenzial m 2 2 ωi xi . 2 3
V (r ) =
i=1
Der Hamiltonoperator 3 P 2 Hi + V (Q ) = H= 2m i=1
ist die Summe dreier eindimensionaler Hamiltonoperatoren Hi =
m Pi2 + ωi2 Q2i . 2m 2
Wir k¨onnen eine Separation wie im Abschnitt 3.3 vornehmen: ψ(r ) = ψ (1) (x1 ) ψ (2) (x2 ) ψ (3) (x3 ) , derzurfolge die station¨are Schr¨ odingergleichung Hψ = Eψ zerf¨allt in Hi ψ (i) = Ei ψ (i) ,
mit
E = E1 + E2 + E3 .
Diese Energien und die zugeh¨ origen Eigenfunktionen sind aus der Behandlung des eindimensionalen harmonischen Oszillators bekannt: 1 ¯ ωi ni + , Ei = h 2
5.5 Dreidimensionaler harmonischer Oszillator
101
ψ (i) (xi ) = ψni (xi ) . Die Energie-Eigenwerte sind also E=
3
hωi ¯
i=1
1 ni + 2
und die Eigenfunktionen ψn (r ) = ψn1 (x1 )ψn2 (x2 )ψn3 (x3 ) . Beim isotropen Oszillator sind die Frequenzen gleich, ω1 = ω2 = ω3 = ω, und er besitzt die Eigenwerte 3 , n = n1 + n2 + n3 . E=h ¯ω n + 2 Diese sind entartet. Der Entartungsgrad betr¨ agt 12 (n + 1)(n + 2).
E
#
9 2
10
7 2
6
5 2
3
3 2
1
6 Das Spektrum selbstadjungierter Operatoren 6.1 Diskretes Spektrum Im Abschnitt 4.3 haben wir schon einige Tatsachen u ¨ ber selbstadjungierte Operatoren und ihre Eigenwerte kennengelernt. Die Eigenwertgleichung lautet A|ψ = a|ψ , wobei der Eigenvektor |ψ ∈ H im Hilbertraum liegen muss. Die Eigenwerte bilden das diskrete Spektrum. Wenn A hermitesch ist, sind seine Eigenwerte a s¨amtlich reell. Die Eigenvektoren hermitescher Operatoren zu verschiedenen Eigenwerten sind zueinander orthogonal.
6.2 Kontinuierliches Spektrum Beim Teilchen im Kasten und beim harmonischen Oszillator haben wir gefunden, dass der Hamiltonoperator ein rein diskretes Spektrum besitzt. Beim Teilchen im endlich tiefen Topf hingegen trat außerdem auch ein kontinuierliches Spektrum auf. Die zugeh¨ origen Wellenfunktionen geh¨ oren zu Streuzust¨anden, die nicht normierbar sind und somit nicht im Hilbertraum liegen. Warum besch¨aftigen wir uns mit ihnen? Diese Funktionen haben einiges gemeinsam mit den ebenen Wellen des freien Teilchens. Sie sind n¨ utzliche Bausteine f¨ ur beliebige Wellenfunktionen und erf¨ ullen gewisse Orthogonalit¨ats- und Vollst¨andigkeits-Eigenschaften, die wir nun ansehen wollen.
6.2.1 Impulsoperator Der Impulsoperator in einer Dimension P =
¯ ∂ h , i ∂x
der auf differenzierbare Funktionen aus H = L2 (R) wirkt, ist selbstadjungiert, wie wir schon wissen. Die Eigenwertgleichung ¯ ∂ψ h = p ψ(x) i ∂x
104
6 Das Spektrum selbstadjungierter Operatoren
hat (bis auf Normierung N ) eine L¨ osung, n¨ amlich die ebene Welle p
ψ(x) = N ei h¯ x = N eikx = N uk (x) , diese ist jedoch nicht normierbar: (uk , uk ) =
∞
dx 1 = ∞ .
−∞
uk liegt daher nicht im Hilbertraum und ist somit auch kein Eigenvektor. ¯k Die Funktion uk heißt stattdessen uneigentlicher Eigenvektor und p = h ist uneigentlicher Eigenwert. Wir definieren: das kontinuierliche Spektrum ist die Menge der uneigentlichen Eigenwerte. Das Spektrum von P ist rein kontinuierlich. Jede reelle Zahl ist uneigentlicher Eigenwert von P . Bemerkung: da das kontinuierliche Spektrum nicht abz¨ ahlbar ist, k¨ onnen nach Satz 3 keine zugeh¨origen (eigentlichen) Eigenvektoren existieren. Die ebenen Wellen erf¨ ullen eine Kontinuums-Orthonormalit¨atsbeziehung, die aus der Theorie der Fouriertransformation bekannt ist: (uk , ul ) = 2πδ(k − l) . Weiterhin gilt die Vollst¨andigkeitsrelation dk uk (x) u∗k (y) = δ(x − y) . 2π Diese Relationen sind analog zu den entsprechenden Beziehungen un (x)u∗n (y) = δ(x − y) , m, n ∈ N (um , un ) = δmn , n
f¨ ur ein diskretes Spektrum. In der Diracnotation bezeichnen wir uk durch das Symbol |k , das in diesem Falle also keinen Vektor aus H darstellt. Es ist P |k = h ¯ k|k . Die Orthonormalit¨ats- und Vollst¨ andigkeitsrelationen schreiben sich als k|k = 2πδ(k − k ) dk |k k| = 1 . 2π
6.2 Kontinuierliches Spektrum
105
6.2.2 Ortsoperator In einer Dimension ist der Ortsoperator Q definiert durch seine Wirkung als Multiplikationsoperator auf Wellenfunktionen: . Qψ(x) = xψ(x) . Achtung: es ist ein beliebter Fehler, dies f¨ ur eine Eigenwertgleichung zu halten. Welches sind die Eigenwerte und -funktionen? Wenn wir die Eigenfunktion zu einem Eigenwert q mit χq bezeichnen, so sollte gelten Qχq (x) = qχq (x) . Das heißt xχq (x) = qχq (x) ⇒
(x − q)χq = 0
⇒
∀x ∈ R
χq (x) = 0
f¨ ur x = q .
Wir sehen hieraus, dass χq (x) keine Funktion sein kann. Stattdessen setzen wir χq (x) = δ(x − q). Insbesondere ist χq kein Eigenvektor im Hilbertraum. asentiert, soweit In der Diracnotation wird χq durch den ket-Vektor |q repr¨ eine Verwechslung mit den uneigentlichen Impulseigenvektoren |k ausgeschlossen ist. Es ist also Q|q = q|q . Wenn wir versuchen, die Norm von |q zu berechnen: 2 q|q = dx |χq (x)| = dx δ(x − q)δ(x − q) = δ(q − q) = δ(0) = ∞ , so kommt nichts Endliches heraus, was noch einmal best¨ atigt, dass χq kein Vektor im Hilbertraum, |q ∈ / H, und damit auch kein Eigenvektor ist. Wie im Falle der Eigenfunktionen des Impulsoperators konstatieren wir hier: q
ist uneigentlicher Eigenwert,
|q ist uneigentlicher Eigenvektor.
106
6 Das Spektrum selbstadjungierter Operatoren
Das Spektrum von Q ist rein kontinuierlich und besteht aus R. Analog zu den ebenen Wellen des vorigen Abschnittes k¨ onnen wir auch hier die Orthonormalit¨ats- und Vollst¨ andigkeitsrelation aufschreiben in der Form: 4 Orthonormalit¨at: q|q = dx δ(x − q)δ(x − q ) = δ(q − q ) Vollst¨andigkeit: bzw.
4 4
4 dq χq (x)χ∗q (y) = dq δ(x − q)δ(y − q) = δ(x − y) dq |q q| = 1.
Die Vollst¨andigkeitsrelation besagt ja, dass sich jede Funktion im Hilberasst. traum nach den χq (x) entwickeln l¨ 4 Sei f (x) eine beliebige Funktion. Wenn wir die Entwicklung als f (x) = dq c(q)χq (x) schreiben, finden wir f (x) = dq c(q)χq (x) = dq c(q)δ(x − q) = c(x) ⇒
c(q) = f (q)
und die Vollst¨andigkeit gilt in der Tat. 6.2.3 Teilchen im Topf Nachdem wir beim Impuls- und beim Ortsoperator ein rein kontinuierliches Spektrum gefunden haben, sehen wir uns noch einmal das Teilchen im endlichen Topf an. Der Hamiltonoperator ist H=
P2 + V (Q) 2m
mit einem Potenzial der Form: V ( x)
x
6.2 Kontinuierliches Spektrum
107
Nun gibt es beide Arten des Spektrums: a) diskretes Spektrum: E0 < E1 < . . . < EN , |0 , |1 , . . . , |N ∈ H ,
i|j = δij
f¨ ur i, j ∈ {0, . . . , N },
b) kontinuierliches Spektrum: Streuzust¨ande ψk (x) ∼ = |k ,
E=
¯2 2 h k , 2m
k ∈ R \ {0} ,
|k ∈ / H,
zweifach entartet.
F¨ ur die Normierung der Zust¨ ande gilt k1 |k2 = 2πδ(k1 − k2 ) n|k
(ohne Beweis),
n ∈ {0, . . . , N },
= 0,
wobei |k f¨ ur k ∈ R einen uneigentlichen und |n f¨ ur n ∈ N einen eigentlichen Eigenvektor bezeichnet. F¨ ur das gesamte System der Eigenvektoren, bestehend aus den eigentlichen und den uneigentlichen, gilt die Vollst¨ andigkeit: jede Funktion f (x) im Hilbertraum l¨asst sich entwickeln in der Form f (x) =
N
cn ψn (x) +
n=0
∞
dk c(k) ψk (x) . −∞2π
Hierf¨ ur f¨ uhren wir die Bezeichnung cα ψα (x) f (x) = α
ein. Der Index α durchl¨auft die diskreten Werte n ∈ {0, . . . , N } und die kontinuierlichen Werte k ∈ R \ {0}. Die Vollst¨ andigkeitsrelation enth¨ alt in diesem Falle einen diskreten und einen kontinuierlichen Anteil: N n=0
ψn (x)ψn∗ (y)
+∞
+ −∞
dk ψk (x)ψk∗ (y) = δ(x − y) . 2π
108
6 Das Spektrum selbstadjungierter Operatoren
In der Diracnotation nimmt sie die sch¨ one Form N
|n n| +
n=0
bzw.
dk |k k| = 1 2π
|α α| = 1
α
an.
6.2.4 Uneigentliche Eigenvektoren Jetzt sind uns schon dreimal uneigentliche Eigenvektoren begegnet und es ist an der Zeit, diesen Begriff allgemein zu fassen. Sei A ein linearer hermitescher Operator. F¨ ur ψ ∈ H definieren wir den Erwartungswert von A . (ψ, Aψ) A ψ = (ψ, ψ) und die Varianz von A (ψ, (A − A ψ )2 ψ) (ψ, ψ)
(ΔA)2ψ = wie fr¨ uher. Der Zusammenhang (ΔA)ψ = 0
⇔
ψ ist eigentlicher Eigenvektor :
Aψ = A ψ ψ
ist offensichtlich. Sei nun ϕn ∈ H eine Folge von Vektoren mit lim A ϕn = a,
n→∞
lim (ΔA)ϕn = 0.
n→∞
Dann gibt es zwei M¨oglichkeiten. Falls lim ϕn ≡ ϕ ∈ H existiert, ist ϕ eigentlicher Eigenvektor mit n→∞
Aϕ = aϕ .
6.2 Kontinuierliches Spektrum
109
Falls lim ϕn nicht existiert in H, so definiert die Folge (ϕn ) einen unein→∞ gentlichen Eigenvektor ϕ zum uneigentlichen Eigenwert a. Diese Definition ist ganz ¨ahnlich zur Definition der reellen Zahlen u ¨ber Folgen rationaler Zahlen, deren Grenzwert nicht rational ist. Beispiel:
Sei
ϕn (x) =
dk gn (k) eikx 2π
mit einer geeigneten Folge von Funktionen gn , f¨ ur die gn (k) −→ 2πδ(k − k0 ) n→∞
gilt. Dann ist der Limes lim ϕn = eik0 x
n→∞
nicht normierbar und liegt nicht im Hilbertraum. Es gilt aber 4 dk hk gn∗ (k) gn (k) ¯ 4 dk −→ ¯ hk0 , P ϕn = 2π ∗ 2π gn (k)gn (k) (ΔP )ϕn
−→
0.
Somit definiert die Folge ϕn einen uneigentlichen Eigenvektor des Impulsoperators P . Jetzt definiert man allgemein: Die uneigentlichen Eigenwerte bilden das kontinuierliche Spektrum. Aber wozu braucht man denn u ¨berhaupt diese uneigentlichen Eigenvektoren, die ja gar nicht im Hilbertraum liegen? In der Physik sind es haupts¨achlich die folgenden beiden Tatsachen, welche die Verwendung von uneigentlichen Eigenvektoren n¨ utzlich machen. a) Wenn wir einen beliebigen Vektor aus H vollst¨ andig zerlegen m¨ ochten nach den Eigenvektoren eines selbstadjungierten Operators, treten auch die uneigentlichen Eigenvektoren auf. b) Physikalische Streuzust¨ande k¨ onnen idealisiert in bequemer Weise durch uneigentliche Eigenvektoren beschrieben werden. Das einfachste Beispiel sind die ebenen Wellen beim freien Teilchen.
110
6 Das Spektrum selbstadjungierter Operatoren
6.3 Spektralsatz Die oben behauptete Aussage (a) u ¨ber die Zerlegung von Vektoren ist der Inhalt des folgenden Satzes, der auf David Hilbert und John von Neumann zur¨ uckgeht. Spektralsatz: Sei A ein selbstadjungierter Operator. Mit ψa sei ein eigentlicher bzw. uneigentlicher Eigenvektor zum Eigenwert a bezeichnet. Es gilt a) das Spektrum von A ist rein reell, b) Orthogonalit¨at: seine eigentlichen und uneigentlichen Eigenvektoren stehen alle aufeinander senkrecht: (ψa , ψb ) = 0
f¨ ur a = b ,
c) Vollst¨andigkeit: die eigentlichen und uneigentlichen Eigenvektoren spannen den ganzen Hilbertraum auf. Die vollst¨andige Zerlegung eines Vektors |ψ schreiben wir als |n n|ψ + da |a a|ψ , |ψ = n
was gleichbedeutend mit der Vollst¨ andigkeitsrelation |n n| + da |a a| = 1 n
ist. Beispiele: i) Impulsoperator P |k = h ¯ k|k ,
k|k = 2πδ(k − k ) , k|ψ =
˜ dx e−ikx ψ(x) = ψ(k).
dk |k k| = 1, 2π
6.3 Spektralsatz
111
ii) Ortsoperator Q|x = x|x ,
x|x = δ(x − x ) ,
dx χ∗x (x )ψ(x ) =
x|ψ =
dx |x x| = 1,
dx δ(x − x)ψ(x ) = ψ(x),
also x|ψ = ψ(x) , |ψ =
dx |x x|ψ =
dx ψ(x)|x .
Falls das Spektrum sowohl einen diskreten als auch einen kontinuierlichen Teil besitzt, verwenden wir die Schreibweise |n n| + da |a a| = |α α| . n
α
Spektraldarstellung von Operatoren: Wenn der selbstadjungierte Operator A ein rein diskretes Spektrum besitzt, A|n = an |n , k¨onnen wir ihn gem¨aß A=A
|n n| =
n
an |n n|
n
in Projektoren zerlegen. Dies ist die Spektraldarstellung von A. F¨ ur endliche Matrizen ist das wohlbekannt. In der Basis, die aus den Eigenvektoren |n besteht, nimmt A die Gestalt ⎛ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝
⎞
a1
⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ = a1 ⎜ ⎠ ⎝
a2 ..
. aN
an.
⎛
⎞
1
⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟+· · ·+aN ⎜ ⎠ ⎝
0 ..
⎛
. 0
⎞
0
⎟ ⎟ ⎟ ⎠
0 ..
. 1
112
6 Das Spektrum selbstadjungierter Operatoren
Die Spektraldarstellung gestattet es, Operatorfunktionen f (A) zu definieren durch f (an ) |n n| . f (A) = n
F¨ ur das obige Beispiel der endlichen Matrix heißt das ⎛ f (a1 ) ⎜ f (a2 ) ⎜ f (A) = ⎜ .. ⎝ . f (aN )
⎞ ⎟ ⎟ ⎟. ⎠
F¨ ur ein allgemeines Spektrum schreiben wir entsprechend an |n n| + da a |a a| = α |α α| , A= n
f (A) =
f (an ) |n n| +
α
da f (a) |a a| = f (α) |α α| .
n
α
Dies ist die Spektraldarstellung von Operatoren und Operatorfunktionen.
6.4 Wahrscheinlichkeitsinterpretation F¨ ur den Fall eines rein diskreten Spektrums haben wir uns im Abschnitt 4.7 davon u ¨berzeugt, dass die Entwicklungskoeffizienten eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation | n|ψ |2 = pn besitzen. Wie ist diese auf den Fall des kontinuierlichen Spektrums zu verallgemeinern? Dort gilt l l A ψ = ψ|A |ψ = da da ψ|a a|Al |a a |ψ
l = da da ψ|a a δ(a − a ) a |ψ = da | a|ψ |2 al . Hieraus lesen wir die Wahrscheinlichkeitsinterpretation ab: ur den Messwert a. | a|ψ |2 = Wahrscheinlichkeitsdichte p(a) f¨ Beispiele: | x|ψ |2 = 1 2 2π | k|ψ |
=
|ψ(x)|2
= Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur x,
1 ˜ 2 2π |ψ(k)|
= Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur k.
7 Darstellungen 7.1 Vektoren und Basen Bisher haben wir einen Zustand ψ ∈ H konkret aufgefasst als eine Funktion im Ortsraum mit Werten ψ(x). Seit neuestem wissen wir aber auch, dass ψ(x) = x|ψ , d.h. ψ(x) ist die Komponente von |ψ bez¨ uglich der uneigentlichen Basis {|x | x ∈ R}. Im Lichte dieser Einsicht k¨ onnen wir dazu u ¨bergehen, den Vektor |ψ als ein basisunabh¨ angiges Objekt zu betrachten. Die Situation ist v¨ollig analog zu derjenigen in der linearen Algebra, wo man von Vektoren als mit Zahlen gef¨ ullten Spalten abstrahiert zu basisunabh¨angigen Objekten. Zur Erinnerung: sei v ∈ H ein Vektor und H ein n-dimensionaler Vektorraum mit einer Orthonormalbasis, bestehend aus den Vektoren e(i) , i = 1, . . . , n. Die Zerlegung v=
vi e(i)
i
bewirkt die eineindeutige, basisabh¨ angige Zuordnung ⎛ ⎜ ⎜ v ←→ ⎜ ⎝
v1 v2 .. .
⎞ ⎟ ⎟ ⎟, ⎠
vn wobei die Komponenten von v gegeben sind durch vi = (e(i) , v). Die Darstellung von Vektoren v in Form von Spaltenvektoren mit den Einahlte Basis tr¨agen vi bezeichnen wir als die e-Darstellung, wobei e die gew¨ ist. Sei A ein linearer Operator und Av = w.
114
7 Darstellungen
F¨ ur die Komponenten gilt dann wi = (e(i) , w) = (e(i) , Av) = ≡
(e(i) , Ae(j) )vj j
Aij vj .
j
Die aus den so definierten Komponenten Aij = (e(i) , Ae(j) ) gebildete Matrix ⎛
⎞ A11 A12 . . . * = (Aij ) = ⎝ A21 A22 . . . ⎠ A ... ist die Matrixdarstellung von A bez¨ uglich der Basis e. Die Hintereinanderausf¨ uhrung von Operatoren AB wird bekanntlich durch die Matrixmulti*·B * dargestellt. plikation A ¨ Ein Basiswechsel ist der Ubergang zu einer anderen Orthonormalbasis e . (i) lassen sich nat¨ urlich als Linearkombination der alten Deren Elemente e Basisvektoren schreiben: e(j) Sji , mit SS † = 1, e(i) = j
wobei
Sji = (e(j) , e(i) ). F¨ ur einen Vektor v gilt vi e(i) = vi Sji e(j) = vj e(j) , v= i
i,j
j
woraus f¨ ur die Komponenten das Transformationsgesetz Sji vi , vi = (S † )ij vj vj = i
j
folgt. F¨ ur die Matrixdarstellung von Operatoren findet man entsprechend (S † )ki Aij Sjl . Akl = i,j
7.2 Ortsdarstellung
115
7.2 Ortsdarstellung Die im vorigen Abschnitt in Erinnerung gerufenen Sachverhalte aus der linearen Algebra wenden wir nun auf die Quantenmechanik an. Die Ortsdarstellung ist diejenige, bei der die Zust¨ ande durch Funktionen im Ortsraum dargestellt werden, so wie wir es bisher gewohnt sind. Die Funktionswerte ψ(x) k¨onnen wir aufgrund der Beziehung ψ(x) = x|ψ
als die Komponenten des Vektors ψ in der Ortsdarstellung betrachten. Die zugrunde liegende Basis besteht offensichtlich aus den Ortseigenvektoren |x . F¨ ur lineare Operatoren A schreiben wir (Aψ)(x) = x|A|ψ = dy x|A|y y|ψ
* y) ψ(y), = dy A(x, * y) als Matrixdarstellung von A mit kontinuierwobei der Operatorkern A(x, lichen Indizes x und y aufgefasst werden kann. Speziell f¨ ur den Ortsoperator finden wir * y) = x|Q|y = x|y|y = y x|y = y δ(x − y) = x δ(x − y). Q(x, Wir sehen, dass der Ortsoperator in der Ortsdarstellung diagonal ist, wie es sich geh¨ort. Der Kern des Impulsoperators ist h ¯ h ∂ ¯ δ(ξ − y) = δ (x − y). P*(x, y) = x|P |y = dξ δ(ξ − x) i ∂ξ i Dies ist nat¨ urlich konsistent mit der u ¨ blichen Wirkung von P im Ortsraum: h ∂ ¯ h ¯ * dy δ (x − y) ψ(y) = ψ(x). (P ψ)(x) = dy P (x, y) ψ(y) = i i ∂x
7.3 Impulsdarstellung In der Impulsdarstellung gilt P |p = p|p .
116
7 Darstellungen
Die Eigenzust¨ande zu P sind orthogonal: h δ(p − p). p |p = 2π¯ Die Impulsraum-Wellenfunktion ist durch ˜ ψ(p) = p|ψ
gegeben. Der Impulsoperator in der Impulsdarstellung ist diagonal: P* (p, q) = p|P |q = q 2π¯ h δ(p − q). F¨ ur den Ortsoperator in der Impulsdarstellung ergibt sich * q) = p|Q|q = dx exp(− i px) x exp( i qx) Q(p, h ¯ h ¯ h ∂ ¯ ¯h ∂ dx exp( ¯hi (q − p)x) = − 2π¯ h δ(p − q) =− i ∂p i ∂p ¯h = − 2π¯h δ (p − q). i Die Wirkung des Ortsoperators auf eine Impulsraum-Wellenfunktion ist also von der Form dq p|Q|q q|ψ
(Qψ)(p) = p|Q|ψ = 2π¯ h h ¯ dq * ˜ ˜ Q(p, q) ψ(q) =− dq δ (p − q) ψ(q) = 2π¯h i ¯h ∂ ˜ ψ(p). =− i ∂p ¨ Dies sollte nicht wirklich eine Uberraschung sein.
7.4 Darstellungen der Quantenmechanik Allgemein setzen sich Basen eines unendlichdimensionalen Hilbertraumes aus diskreten und kontinuierlichen Anteilen zusammen: {|α } = {|n }n∈I⊂Z ∪ {|a }a∈S⊂R . Die Vollst¨andigkeitsrelation schreibt sich in einer solchen Basis wie folgt: . |α α| = |n n| + da |a a| = 1. α
n∈I
S
7.5 Energiedarstellung
117
F¨ ur die Komponenten“ eines Vektors hat man: ” |n n|ψ + da |a a|ψ . |ψ = 0 12 3 0 12 3 S n∈I =: ψn =: ψ(a) Die Matrixelemente“ eines linearen Operators erh¨ alt man als ” * β) = α|A|β , A(α, wobei die F¨alle *m,n = m|A|n , A *a,n = a|A|n , A * b) = a|A|b
A(a, auftreten k¨onnen. F¨ ur die |α -Komponente“ des Vektors A|ψ hat man ” den Ausdruck α|A|ψ = α|A|β β|ψ . β
Man erkennt hierin eine Verallgemeinerung der Matrixmultiplikation: Aij vj . (Av)i = j
7.5 Energiedarstellung Als letztes Beispiel f¨ ur eine Basis betrachten wir noch die Energiedarstellung. Es sei H der Hamiltonoperator mit den (der Einfachheit halber) diskreten Eigenzust¨anden |n : H|n = En |n . F¨ ur die Komponenten“ eines Zustandes |ψ hat man also ” ψn = n|ψ . Der Zustand |ψ kann somit in der Form ⎛ ψ0 ⎜ ψ1 ⎜ |ψ = ⎜ ψ ⎝ 2 .. .
⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠
118
7 Darstellungen
bez¨ uglich der Eigenbasis des Hamiltonoperators geschrieben werden. Der Hamiltonoperator selbst besitzt in dieser Darstellung die Matrixelemente * m,n = m|H|n = En m|n = En δm,n , H und seine Matrixdarstellung ⎛ ⎜ * =⎜ H ⎜ ⎝
0 E0 0 0 E1 0 . . . 0 0 E2 .. .. . .
⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠
ist also diagonal in seiner Eigenbasis. Aus diesem Grund spricht man auch gelegentlich vom Diagonalisieren des Hamiltonoperators anstatt vom L¨ osen der Schr¨odingergleichung.
7.6 Basiswechsel Wie in der linearen Algebra kann man auch in unendlichdimensionalen Hilbertr¨aumen Orthonormalbasen durch geeignete Abbildungen ineinander u uhren. Wir betrachten zun¨ achst den Wechsel zwischen der Orts¨berf¨ und der Energiedarstellung (der einfacheren Notation halber hier rein diskret). Es seien {|x }x∈R und {|n }n∈N die entsprechenden Basen. Aus der Vollst¨andigkeit ergibt sich: |n = dx |x x|n , R
ande in der wobei x|n = ϕn (x) die Komponenten“ der Energie-Eigenzust¨ ” Ortsbasis sind, also die Eigenfunktionen. Wir definieren die Matrix S wie folgt: . Sx,n = x|n = ϕn (x). ¨ Die Matrix S vermittelt den Ubergang von der Energiedarstellung zur Ortsdarstellung: Sx,n ψn . ψ(x) = n
uhrt entsprechend von der Ortsdarstellung in Die adjungierte Matrix S † f¨ die Energiedarstellung. Es ist " †# ∗ = ϕ∗n (x) = n|x . S n,x = Sx,n
7.6 Basiswechsel
119
F¨ ur das Produkt SS † haben wir "
# Sx,n (S † )n,y SS † (x, y) = n
=
∗ Sx,n Sy,n =
n
=
n ∗
x|n y|n =
n
ϕn (x)ϕ∗n (y)
x|n n|y
n
= x|y = δ(x − y). Wir sehen somit: SS † = 1. Aus der Rechnung aquivalent zur Vollst¨ an+ sehen wir desweiteren, dass dies ¨ digkeitsrelation n ϕn (x)ϕ∗n (y) = δ(x − y) ist. Betrachten wir nun die Abbildung S † S, die von der Energiedarstellung in die Energiedarstellung abbildet: "
†
S S
# n,m
= = =
†
dx (S )n,x Sx,m = dx ϕ∗n (x)ϕm (x) =
∗ dx Sx,n Sx,m
dx x|n ∗ x|m
dx n|x x|m = δn,m .
Es gilt also auch S † S = 1. In der oben4 durchgef¨ uhrten Rechnung finden wir die Orthogonalit¨atsrelation dx ϕ∗n (x)ϕm (x) = δn,m wieder. Wir haben insgesamt gezeigt, dass der Basiswechsel durch eine unit¨ are Abbildung vermittelt wird. Betrachten wir zuletzt noch den Wechsel zwischen der Orts- und der Impulsdarstellung. Die Matrix“ f¨ ur den Basiswechsel ist in diesem Fall ein ” Kern: . S(x, p) = x|p = exp( ¯hi px).
120
7 Darstellungen
Somit gilt ˜ ψ(p) = p|ψ = dx p|x x|ψ
† = dx S (p, x) ψ(x) = dx exp(− ¯hi px) ψ(x), was nichts anderes als die Fouriertransformation ist. Dementsprechend ergibt sich ψ(x) als R¨ ucktransformation: dp dp ˜ ˜ S(x, p) ψ(p) = exp( ¯hi px) ψ(p). ψ(x) = 2π¯h 2π¯ h
8 Zeitliche Entwicklung 8.1 Schr¨ odingerbild Die zeitliche Entwicklung eines quantenmechanischen Zustandes wird durch die Schr¨odingergleichung gegeben: i¯ h
∂
|ψ(t) =H|ψ(t)
∂t |ψ(0) −−− −−−−−−−−−→ |ψ(t) .
Die lineare Abbildung, welche |ψ(0) auf |ψ(t) abbildet, ist unit¨ ar. Dies ∂ folgt aus der Tatsache, dass ∂t ψ1 (t)|ψ2 (t) verschwindet, ψ1 (t)|ψ2 (t) also zeitunabh¨angig ist. Dies wiederum ist eine Folge der Selbstadjungiertheit des Hamiltonoperators. F¨ ur einen zeitunabh¨ angigen Hamiltonoperator l¨ ost man die Schr¨ odingergleichung zun¨achst formal durch den Ansatz |ψ(t) = exp(− ¯hi Ht)|ψ(0) . Durch Differenzieren nach t zeigt man sofort, dass das so gebildete |ψ(t)
die Schr¨odingergleichung erf¨ ullt. Wir definieren uns den Zeitentwicklungsoperator . U (t) = exp(− ¯hi Ht) .
Wie ist diese Definition zu verstehen? Man k¨ onnte zun¨ achst daran denken, U (t) u ber die Potenzreihe zu definieren: ¨ U (t) = 1 − ¯hi tH −
1 t2 H2 2¯ h2
+ ···
Um der Frage nach der Konvergenz dieser Reihe und damit verbundener Rechnerei mit Operatornormen auszuweichen, verwenden wir die Spektraldarstellung. Es sei |n das vollst¨andige Orthonormalsystem zum hermiteschen Operator + andigkeitsrelation n |n n| = 1. Damit H: H|n = En |n . Es gilt die Vollst¨ haben wir: H|n n| = En |n n|. H= n
n
122
8 Zeitliche Entwicklung
Eine Operatorfunktion von H definieren wir via . f (En )|n n|. f (H) = n
Die Verallgemeinerung zu Hamiltonoperatoren mit nicht rein diskreten Spektren ist kanonisch. F¨ ur den Zeitentwicklungsoperator gilt somit: U (t) =
exp(− ¯hi En t)|n n|.
n
. F¨ ur die Zeitentwicklung eines quantenmechanischen Zustandes |ψ(0) = + n cn |n gilt dann: |ψ(t) = U (t)|ψ(0) =
m,n
=
n
exp(− ¯hi Em t)|m m|n cn 0 12 3
exp(− ¯hi En t)cn |n
0
12
3
=
=δm,n
cn (t)|n .
n
=:cn (t)
Diese Zeitentwicklung der Koeffizienten“ ” cn (t) = cn (0) exp(− ¯hi En t) kann man sich auch herleiten, wenn man den Ansatz f¨ ur |ψ(0) in die Schr¨ odingergleichung einsetzt und die gew¨ ohnliche Differenzialgleichung 1. Ordnung in t f¨ ur die einzelnen Komponenten |n mit den Anfangsbedingungen cn (0) = cn l¨ost. Die wichtigsten Eigenschaften des Zeitentwicklungsoperators sind:
• U (t) ist unit¨ar:
H=H † t∈R † U (t)U (t) =
• U † (t) = U (−t) d U (t) = HU (t) = U (t)H. • i¯ h dt
exp( ¯hi Ht) exp(− ¯hi Ht) = 1
8.1 Schr¨odingerbild
123
8.1.1 Neutrino-Oszillationen Zur Illustration wenden wir uns einem aktuellen Beispiel zu: den NeutrinoOszillationen. Neutrinos sind sehr leichte neutrale Teilchen, die an der schwachen Wechselwirkung teilnehmen. Es sind drei Sorten von Neutrinos bekannt: das Elektron-Neutrino νe , das Myon-Neutrino νμ und das Tau-Neutrino ντ plus ihre jeweiligen Antiteilchen. Eine wichtige Frage der Elementarteilchenphysik ist diejenige nach den Massen der Neutrinos. Lange Zeit nahm man an, dass Neutrinos masselos sind. Falls sie aber doch eine nichtverschwindende Masse besitzen, kann es Neutrino-Oszillationen geben. Dies sind Umwandlungen der Neutrinosorten ineinander. m = 0
←→
Neutrino-Oszillationen
Durch Neutrino-Oszillationen kann das Problem der fehlenden Sonnenneutrinos gel¨ost werden. Der Einfachheit halber betrachten wir nur die beiden Sorten νe und νμ . Wenn wir die Bewegung im Ortsraum separieren, k¨ onnen wir die beiden Zust¨ande im Hilbertraum H = C2 durch 1 0 , |νe = |νμ = 0 1 beschreiben. Wenn die Wechselwirkung abgeschaltet wird, sind diese Zust¨ande Energie-Eigenzust¨ande, H0 |νA = EA |νA ,
mit H0 =
Eμ 0 0 Ee
A = μ, e .
Die relativistischen Energien zum Impuls p sind dabei EA =
p2 c2 + m2νA c4 ≈ pc +
m2νA c4 2pc
f¨ ur m2νA c2 pc.
Nun nehmen wir an, dass es eine Wechselwirkung zwischen den Neutrinospezies gibt, die durch Eμ g , g∈R H= g Ee
124
8 Zeitliche Entwicklung
beschrieben wird, wobei g ein kleiner Parameter ist. Die Diagonalisierung von H liefert die Energie-Eigenwerte 1 (Eμ + Ee ) + 2 1 (Eμ + Ee ) − 2
E1 = E2 =
1 (Eμ − Ee )2 + 4g2 2 1 (Eμ − Ee )2 + 4g2 2
und die Eigenzust¨ande |ν1 =
cos θ |νμ + sin θ |νe =
|ν2 = − sin θ |νμ + cos θ |νe =
cos θ sin θ
− sin θ cos θ
,
so dass H|νj = Ej |νj ist. Der Mischungswinkel θ ist gegeben durch sin 2θ =
2g , E1 − E2
bzw.
cos 2θ =
Eμ − Ee . E1 − E2
ande mit defiDie |νj beschreiben freie Teilchen und diese sind die Zust¨ nierter Masse: m2j c4 . Ej = p2 c2 + m2j c4 ≈ pc + 2pc Die in Reaktionen erzeugten Myon- oder Elektronneutrinos sind Mischungen hiervon: |νμ = cos θ |ν1 − sin θ |ν2
|νe = sin θ |ν1 + cos θ |ν2 . Die Zeitentwicklung wird vermittelt durch U (t) = exp(− ¯hi Ht). In unserem Falle gilt i
i
U (t) = e− h¯ E1 t |ν1 ν1 | + e− h¯ E2 t |ν2 ν2 | i −h E t ¯ 1
= e
i −h E t ¯ 2
+ e
cos θ sin θ cos2 θ cos θ sin θ sin2 θ
− cos θ sin θ sin2 θ − cos θ sin θ cos2 θ
.
8.2 Heisenbergbild
125
Nehmen wir einmal an, zum Zeitpunkt t = 0 werde ein Myonneutrino erzeugt: 1 . |ν(0) = |νμ = 0 Zu einem sp¨ateren Zeitpunkt t > 0 hat sich dieses entwickelt zu i
i
|ν(t) = U (t)|ν(0) = e− h¯ E1 t cos θ |ν1 − e− h¯ E2 t sin θ |ν2 . Die Wahrscheinlichkeit, zu diesem Zeitpunkt ein Elektronneutrino νe zu detektieren, ist p(t) = | νe |ν(t) |2 . Wir finden
i i i νe |ν(t) = νe |e− h¯ Ht |νμ = sin θ cos θ e− h¯ E1 t − e− h¯ E2 t und damit p(t) = sin2 2θ · sin2 mit ΔE = E1 − E2 =
ΔE t 2¯ h
Δm2 c4 . 2pc
Man sieht, dass eine Messung der Oszillationen Auskunft u ¨ber die Differenz der Massenquadrate geben kann. Das Super-Kamiokande-Experiment in Japan hat im Jahre 2001 Anzeichen f¨ ur Oszillationen zwischen μ- und τ Neutrinos gefunden mit den Schranken 5 · 10−4 eV2 < Δm2 c4 < 6 · 10−3 eV2 .
8.2 Heisenbergbild Wir wechseln nun die Basis des Hilbertraumes durch folgende zeitabh¨angige unit¨are Transformation: . |ψ(t) −→ |ψH = U † (t)|ψ(t) = |ψ(0)
. A −→ AH (t) = U † (t)AU (t).
126
8 Zeitliche Entwicklung
Hierdurch gelangen wir zum Heisenbergbild, in dem die Zust¨ ande |ψH zeiangig sind. tunabh¨angig, stattdessen jedoch die Operatoren AH (t) zeitabh¨ Insbesondere gilt f¨ ur die Matrixelemente in der Energiedarstellung m|AH (t)|n = m|A|n exp( ¯hi (Em − En )t). F¨ ur Erwartungswerte finden wir A H = ψH |AH (t)|ψH = ψ(t)|U (t)U † (t)AU (t)U † (t)|ψ(t)
= ψ(t)|A|ψ(t) = A , so dass sie im Schr¨odinger- und im Heisenbergbild gleich sind. Die Bewegungsgleichung im Schr¨ odingerbild ist die Schr¨ odingergleichung. Im Heisenbergbild gibt es stattdessen eine Bewegungsgleichung f¨ ur Operatoren. Sei A = A(t) im Schr¨ odingerbild explizit zeitabh¨ angig, z.B. A(t) = P + Q sin ωt. Dann ist AH (t) = U † (t)A(t)U (t) = exp( ¯hi Ht)A(t) exp(− ¯hi Ht), d.h. f¨ ur obiges Beispiel AH (t) = PH (t) + QH (t) sin ωt. F¨ ur die zeitliche ¨ Anderung gilt ∂ d † A(t) U (t). hU (t) i¯ h AH (t) = [AH (t), H] + i¯ dt ∂t Mit der Definition
∂A(t) ∂ . AH (t) = U † (t) U (t) ∂t ∂t lautet die Bewegungsgleichung f¨ ur Operatoren im Heisenbergbild i¯ h
d ∂ AH (t) = [AH (t), H] + i¯ h AH (t) . dt ∂t
Wenn der Hamiltonoperator im Schr¨ odingerbild nicht von der Zeit abh¨ angt, gilt u ¨ brigens HH (t) = H. Was sind Erhaltungsgr¨oßen in der Quantenmechanik? Die Observable A sei ∂ A = 0. A heißt Erhaltungsgr¨ oße, wenn nicht explizit zeitabh¨angig, d.h. ∂t d aquivalent zu [AH , H] = 0 bzw. dt AH (t) = 0. Dies ist ¨ A ist Erhaltungsgr¨ oße ⇐⇒ [A, H] = 0 . Dann ist A zeitunabh¨angig.
8.3 Ehrenfestsche Theoreme
127
8.3 Ehrenfestsche Theoreme Mit der Bewegungsgleichung im Heisenbergbild gilt i¯ h
d d d h AH (t)|ψH
A = i¯ h A H = ψH |i¯ dt dt dt ∂ h AH (t)|ψH
= ψH | [AH (t), H] + i¯ ∂t
und somit das ehrenfestsche Theorem i¯ h
∂A d A = [A, H] + i¯ h
. dt ∂t
haben wir F¨ ur den u ¨blichen Fall H = P 2 /2m + V (Q) 6 5 Pj P 2 = i¯ h [Qj , H] = Qj , 2m m , 7 8 ¯ h ∂ h ¯ , V (Q) = ∇j V (Q) [Pj , H] = Pj , V (Q) = i ∂xj i und das ehrenfestsche Theorem liefert 1 d r = p
dt m d p = − ∇V (r ) , dt woraus das spezielle ehrenfestsche Theorem
m
d2 r = − ∇V (r )
dt2
folgt. Nun sollte man aber nicht denken, dass f¨ ur r die klassische Bewegungsgleichung gilt, denn im Allgemeinen ist ∇V (r ) = ∇V ( r ). F¨ ur den harmonischen Oszillator mit V (x) = m
m 2 2 2ω x
allerdings gilt
d2 x = −mω 2 x , dt2
welches die klassische Bewegungsgleichung f¨ ur x ist.
9 Drehimpuls 9.1 Drehimpulsoperator
= Analog zum Drehimpuls eines Teilchens in der klassischen Mechanik, L r × p, definieren wir den Drehimpulsoperator =Q × P , L
d.h. in Komponenten Li = εijk Qj Pk . Die Komponenten sind selbstadjungiert Lj = L†j . Sie sind nicht kommensurabel, denn es gelten die Vertauschungsrelationen [Li , Lj ] = i¯ hεijk Lk , explizit: [L1 , L2 ] = i¯ h L3 [L2 , L3 ] = i¯ h L1 [L3 , L1 ] = i¯ h L2 . In der Quantenmechanik hat der Drehimpuls eine unmittelbare Beziehung zu r¨ aumlichen Drehungen: erzeugt Drehungen im Raum. L Dies sieht man folgendermaßen. Eine Rotation ist bestimmt durch ihre . Achse n, mit n2 = 1, und den Drehwinkel α. Wir f¨ uhren den Vektor α = α n ein, der die Drehung ebenfalls eindeutig charakterisiert.
130
9 Drehimpuls
Den Ortsvektor k¨onnen wir zerlegen in einen zu n parallelen und einen dazu senkrechten Teil: r = (r · n)n + {r − (r · n)n}.
Der gedrehte Vektor r ist
α) r = (r · n)n + {r − (r · n)n} cos α + n × r sin α , r ≡ R( wobei die lineare Abbildung R( α) die Rotation kennzeichnet. F¨ ur einen infinitesimalen Winkel δα finden wir # " # " α × r + O (δα)2 . r = r + δα n × r + O (δα)2 ≡ r + δ Die Wellenfunktion eines rotierten Zustandes ist gegeben durch α)r ), ψ (r ) = ψ(R(− oder anders ausgedr¨ uckt
ψ (r ) = ψ(r ).
ψ'
ψ
r'
r α
F¨ ur infinitesimale Rotationen ist α × r ) ψ (r ) = ψ(r − δ = ψ(r ) − (δ α × r ) · ∇ψ(r ) i α × r ) · P ψ(r ) = ψ(r ) − (δ ¯ h i α h δ ¯
· (r × P )ψ(r ) = ψ(r ) − % $ ψ(r ). α·L = 1 − ¯hi δ
9.2 Teilchen im Zentralpotenzial
131
Drehungen erzeugt. Man kann zeigen, Diese letzte Gleichung besagt, dass L dass f¨ ur endliche Drehungen die Formel
ψ(r ) ·L ψ (r ) = exp − ¯hi α gilt. Durch die unit¨aren Operatoren
. α) = exp − ¯hi α ·L UR ( wird die Drehgruppe SO(3) unit¨ ar auf dem Hilbertraum H dargestellt. F¨ ur Observable gilt das Transformationsgesetz α)AUR† ( α), A = UR ( bzw. infinitesimal
A = A −
i h ¯
7
8 A . δ α · L,
Hieraus lesen wir sofort ab: A ist drehinvariant ⇐⇒ [Lj , A] = 0 f¨ ur j = 1, 2, 3. Beispiele: [P 2 , Lj ] = 0,
2 , Lj ] = 0, [Q
2 , Lj ] = 0. [L
9.2 Teilchen im Zentralpotenzial Sei V (r) ein Zentralpotenzial, wobei r 2 = r 2 . Die station¨ are Schr¨ odingergleichung ist P 2 + V (r) ψ(r ) = E ψ(r ). 2m Wir schreiben den Hamiltonoperator als H=
P 2 + V (R), 2m
2 definiert ist. Im Ortsraum ist R mit dem Operator R, der durch R2 = Q nichts anderes als der Multiplikationsoperator, der die Wellenfunktion mit r multipliziert. H ist drehinvariant: [H, Lj ] = 0. Diese Gleichung bedeutet aber auch:
132
9 Drehimpuls
ist Erhaltungsgr¨ L oße. 2 2 eine Erhaltungsgr¨ oße. Wir k¨ onnen folglich H und L Damit ist auch L gleichzeitig diagonalisieren. In der klassischen Mechanik geht man so vor: es ist 2 = r 2 p 2 − (r · p)2 = r 2 p 2 − r 2 p2r , L wobei der Radialimpuls pr durch . rpr = r · p definiert wird. Damit zerlegt man in der kinetischen Energie das Impulsquadrat als 1 2 . p 2 = p2r + 2 L r 2 erh¨ alt man einen Ausdruck f¨ ur die Unter Ausnutzung der Konstanz von L Energie, der nur noch von r abh¨ angt. In der Quantenmechanik werden wir nun eine analoge Zerlegung durchf¨ uhren. Eine kurze Rechnung mit Kommutatoren liefert · P )2 − ¯h (Q · P ). 2 = R2 P 2 − (Q L i Wie ist nun der Radialimpuls Pr zu definieren? Betrachten wir den Ansatz . · P, RP˜r = Q der in der Ortsdarstellung zu ¯ ∂ h P˜r = i ∂r f¨ uhrt. Leider ist das ein Fehlschuss, denn P˜r ist nicht hermitesch: h1 ¯ . P˜r† = P˜r + 2 iR Also w¨ahlen wir . Pr = 12 (P˜r + P˜r† ) h1 ¯ , = P˜r + iR
9.2 Teilchen im Zentralpotenzial
was in der Ortsdarstellung ¯ h Pr = i
133
∂ 1 + ∂r r
lautet. Dieser Operator ist hermitesch und ist kanonisch konjugiert zu R: [Pr , R] =
¯ h 1. i
2 und finden Damit ausger¨ ustet machen wir uns an die Zerlegung von L 2 = R2 P 2 − R2 P 2 , L r analog zum klassischen Ausdruck. Somit ist 1 2 P 2 = Pr2 + 2 L R und wir k¨onnen den Hamiltonoperator schreiben als H=
1 2 1 2 L + V (R) . Pr + 2m 2mR2
2 sind gleichzeitig diagonalisierbar: H und L H|E, λ = E|E, λ
L2 |E, λ = λ|E, λ . Somit erhalten wir die radiale Schr¨odingergleichung λ 1 2 + V (R) |E, λ = E|E, λ . P + 2m r 2mR2 9.2.1 Kugelkoordinaten F¨ ur den Fall eines Zentralpotenzials ist es angemessen, Kugelkoordinaten (r, ϑ, ϕ) in der Ortsdarstellung zu verwenden. Der Radialimpuls und sein Quadrat lauten 1 h1 ∂ ¯ ¯h ∂ + = r Pr = i ∂r r i r ∂r 2 2 2 ∂ ∂ 2 21 ∂ 2 r = −¯ h + . Pr = −¯h r ∂r 2 ∂r 2 r ∂r
134
9 Drehimpuls
2 in Kugelkoordinaten? Wegen [L 2 , R] = 0 kann L 2 keine DifWie wirkt L ferenziation nach r enthalten. Sei z.B. ψ(r ) = f (r) Y (ϑ, ϕ). Dann ist . / Pr2 ψ = Pr2 f (r) · Y (ϑ, ϕ) 2 Y (ϑ, ϕ). 2 ψ = f (r) L L Wir wollen das explizit u ufen. Der Laplaceoperator lautet in Kugel¨ berpr¨ koordinaten (siehe Elektrodynamik) Δ=
∂2 1 ∂2 2 ∂ + 2 Δϑ,ϕ = + 2 2 ∂r r ∂r r ∂xi i
mit Δϑ,ϕ
1 ∂ = sin ϑ ∂ϑ
∂ sin ϑ ∂ϑ
+
∂2 1 . sin2 ϑ ∂ϕ2
Andererseits ist
1 2 h2 Δ = Pr2 + 2 L . P 2 = −¯ R Durch Vergleich entdecken wir 2 = −¯ h2 Δϑ,ϕ . L k¨ F¨ ur die Komponenten von L onnen wir ebenfalls Ausdr¨ ucke in Kugelkoordinaten finden. Mit r = rer ∂ ∂ 1 ∂ 1 + eϑ + eϕ ∇ = er ∂r r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ
berechnet man
∂ ∂ ¯ h − sin ϕ − cos ϕ cot ϑ L1 = i ∂ϑ ∂ϕ ∂ ∂ ¯h cos ϕ − sin ϕ cot ϑ L2 = i ∂ϑ ∂ϕ ¯h ∂ . L3 = i ∂ϕ
9.2 Teilchen im Zentralpotenzial
135
Am Ausdruck f¨ ur L3 kann man noch einmal direkt ablesen, dass L3 Dre¨ hungen um die z-Achse, d.h. Anderungen des Winkels ϕ erzeugt. Betrachten wir nun die radiale Schr¨ odingergleichung in Kugelkoordinaten. Nehmen wir an, die Wellenfunktion separiert in Radial- und Winkelanteil: ψ(r ) = f (r) Y (ϑ, ϕ). 2 den Eigenwert λ besitzt, Wenn L 2 ψ = λψ, L so reduziert sich die radiale Schr¨ odingergleichung auf eine Differenzialgleichung einer Variablen, n¨amlich r: λ ¯h2 1 ∂ 2 r+ + V (r) f (r) = Ef (r). − 2m r ∂r 2 2mr 2 Diese vereinfacht sich noch durch die Definition . u(r) = rf (r) zu ¯ 2 ∂2 h λ − + + V (r) u(r) = E u(r) . 2m ∂r 2 2mr 2
Sie ist formal analog zur eindimensionalen Schr¨ odingergleichung mit einem effektiven Potenzial λ , Veff (r) = V (r) + 2mr 2 allerdings ist zu beachten, dass sie nur auf dem Halbraum r ≥ 0 gilt. F¨ ur u(r) sind bestimmte Randbedingungen zu fordern. • F¨ ur Bindungszust¨ande muss die Wellenfunktion quadratintegrabel sein: ∞ 3 2 2 dr |u(r)|2 < ∞. d r |ψ(r )| = dΩ |Y (ϑ, ϕ)| · 0
Das erfordert
√ |u(r)| r −→ 0
f¨ ur r → ∞.
• Wenn V (r) keinen singul¨ aren Anteil ∼ δ(3) (r ) besitzt, muss u(0) = 0 sein, denn anderenfalls w¨ are f (r) ∼ 1/r und folglich Δψ(r ) ∼ δ(3) (r ).
136
9 Drehimpuls
9.3 Eigenwerte des Drehimpulses Der Drehimpuls hat die Dimension einer Wirkung. Durch die Definition des gem¨ dimensionslosen Operators M aß ≡¯ L hM vermeiden wir das Auftreten zahlreicher Faktoren h ¯ in den nachfolgenden Formeln. Die Vertauschungsrelationen sind [M1 , M2 ] = iM3
und zyklisch.
k¨ Die drei Komponenten von M onnen nicht gleichzeitig diagonalisiert werden. Wegen 2 , Mk ] = 0 [M 2 und M3 k¨onnen wir uns aber die Aufgabe stellen, die Eigenwerte von M zu finden.
9.3.1 Allgemeine Drehimpulseigenwerte Wir werden nun die m¨oglichen Eigenwerte algebraisch bestimmen, d.h. es werden nur die Vertauschungsrelationen [Mj , Mk ] = i εjkl Ml benutzt. Diese bilden die sogenannte Lie-Algebra der Gruppen SO(3) und SU(2). Die Eigenwertgleichungen seien 2 |λ, m = λ|λ, m
M M3 |λ, m = m|λ, m
und die Eigenvektoren seien orthonormal: λ, m|λ , m = δλ,λ δm,m . Der Eigenwert λ kann nicht negativ sein wegen 2 |λ, m ≥ 0 λ, m|M
=⇒
λ ≥ 0.
9.3 Eigenwerte des Drehimpulses
137
Um die Eigenwerte zu finden, wenden wir nun ein allgemeines Verfahren an, das wir schon vom harmonischen Oszillator kennen, n¨ amlich die Benutzung von Leiteroperatoren. Wir definieren M− = M1 − iM2
M+ = M1 + iM2 , mit
(M+ )† = M− .
Es gelten folgende Beziehungen: a) [M3 , M± ] = ±M± b) [M+ , M− ] = 2M3 2 = M+ M− + M 2 − M3 = M− M+ + M 2 + M3 . c) M 3 3 Wie wirkt M± auf die Eigenvektoren? Betrachten wir den Vektor M± |λ, m . Wegen 2 , M± ] = 0 [M ist 2 (M± |λ, m ) = λM± |λ, m , M 2 ¨andert sich nicht. Jedoch ¨ andert sich der Eigend.h. der Eigenwert von M wert von M3 : M3 M± |λ, m = (M± M3 ± M± ) |λ, m
= (m ± 1)M± |λ, m . Der Eigenwert m ist um ± 1 verschoben. Es handelt sich also tats¨ achlich um Leiteroperatoren. M−
M+
←− t
···
|λ, m − 1
−→ t
t
|λ, m
|λ, m + 1
Wir m¨ ussen noch die Norm von M± |λ, m bestimmen. M± |λ, m 2 = λ, m|M∓ M± |λ, m
2 − M 2 ∓ M3 |λ, m
= λ, m|M 3
= λ − m ∓ m ≥ 0. 2
···
138
9 Drehimpuls
Hieraus folgt f¨ ur m > 0: λ ≥ m2 + m und f¨ ur m < 0: λ ≥ m2 − m, zusammen: λ ≥ |m|(|m| + 1). Folglich ist f¨ ur festes λ der Bereich m¨ oglicher Werte f¨ ur m beschr¨ ankt. Der gr¨oßte vorkommende Wert sei l = mmax . In der Theorie der Lie-Algebren nennt man ihn h¨ochstes Gewicht“. Dann ist ” M+ |λ, l = 0 ⇒
0 = M+ |λ, l 2 = λ − l2 − l
⇒
λ = l(l + 1).
F¨ ur mmin erhalten wir ebenso: 0 = λ − m2min + mmin ⇒
λ = mmin (mmin − 1)
⇒
mmin = −l.
Die m¨oglichen Werte f¨ ur m sind also: t
−l
t
−l+1
l, l − 1, . . . , −l.
t
−l+2
t
......
l−1
t
l
Hieraus folgt, dass 2l ganzzahlig ist, d.h. l ∈ {0, 12 , 1, 32 , 2, . . . }. F¨ ur festes λ = l(l + 1) kann es keine weiteren Werte f¨ ur m als die obigen geben, denn die aus ihnen erzeugte Leiter von m-Werten muss einen ma¨ ximalen Wert besitzen, der gem¨ aß obiger Uberlegungen wiederum gleich l w¨are. Die f¨ ur festes l vorkommenden Werte von m heißen in der Mathematik Gewichte“. ” Wir wechseln nun unsere Bezeichnung f¨ ur die Eigenvektoren, indem wir sie nicht mehr durch den Eigenwert λ = l(l + 1), sondern stattdessen durch die Zahl l kennzeichnen. Unser Resultat lautet zusammengefasst:
9.3 Eigenwerte des Drehimpulses
139
2 |l, m = l(l + 1)|l, m , M M3 |l, m = m|l, m
mit l ∈ {0, 12 , 1, 32 , 2, . . . } , m ∈ {l, l − 1, . . . , −l + 1, −l} .
9.3.2 Eigenwerte des Bahndrehimpulses Die obigen Resultate folgen allein aus den Kommutatoren [Mj , Mk ] = i εjkl Ml . Der Bahndrehimpuls erf¨ ullt noch weitere Relationen aufgrund seiner Definition =Q × P , L ·L = 0, P · L = 0. F¨ z.B. Q ur ihn ergeben sich weitere Einschr¨ ankungen f¨ ur das Spektrum: 2 und M3 Satz: F¨ ur den Bahndrehimpuls sind die Eigenwerte von M gegeben durch
2 |l, m = l(l + 1)|l, m , M M3 |l, m = m|l, m
mit l ∈ {0, 1, 2, 3, . . . } , m ∈ {l, l − 1, . . . , −l + 1, −l} .
140
9 Drehimpuls
Die halbzahligen Werte f¨ ur l treten beim Bahndrehimpuls also nicht auf. Da der u ur diesen Sachverhalt falsch ist, geben wir ¨bliche Lehrbuchbeweis f¨ hier einen anderen an. Beweis:
1 mω . Pi Qi , P˜i = √ h ¯ mω¯ h
. 1 † . 1 ˜ ˜ ˜ ˜ √ √ Qj + iPj , aj = Qj − iPj aj = 2 2 Dies sind Auf- und Absteigeoperatoren eines dreidimensionalen harmonischen Oszillators. def.:
. ˜i = Q
. 1 a+ = √ (a1 + ia2 ), 2 . 1 a− = √ (a1 − ia2 ), 2
1 a†+ = √ (a†1 − ia†2 ) 2 1 a†− = √ (a†1 + ia†2 ) 2
vernichten bzw. erzeugen Zust¨ ande mit zirkularer Polarisation: 8 7 8 7 a− , a†− = 1. a+ , a†+ = 1, onnen Alle gemischten Kommutatoren wie [a+ , a− ] = 0 verschwinden. M3 k¨ wir in folgender Form schreiben: 1 ˜ 1 P˜2 − Q ˜ 2 P˜1 (Q1 P2 − Q2 P1 ) = Q ¯ h
% 1 $
a1 + a†1 a2 − a†2 − a2 + a†2 a1 − a†1 = 2i 1 † = {a1 a2 − a1 a†2 } i = a†− a− − a†+ a+ ≡ N− − N+ .
M3 =
Die Eigenwerte von N+ , N− sind ganzzahlig. Folglich sind auch die m¨oglichen Eigenwerte von M3 ganzzahlig. Man beachte, dass der harmonische Oszillator hier nur als Hilfsvehikel fungiert. Das Ergebnis f¨ ur M3 ist allgemeing¨ ultig. Man verwendet gerne eine halbklassische Veranschaulichung f¨ ur die gewonnenen Ergebnisse u man den Drehim¨ber den Bahndrehimpuls. Dabei stellt als einen Vektor dar, dessen L¨ puls L ange den Wert ¯h l(l + 1) besitzt und dessen dritte Komponente L3 einen der diskreten Werte ¯hm annimmt. Die Werte von L1 und L2 bleiben unbestimmt.
2 und L3 9.4 Eigenfunktionen zu L
141
L3 h √ l ( l +1)
{
2 und L3 9.4 Eigenfunktionen zu L Die Eigenfunktionen k¨onnen mit Hilfe von M− (oder M+ ) analog zur Vorgehensweise beim harmonischen Oszillator konstruiert werden. Sei l gegeben. Ausgangspunkt ist der Zustand mit maximalem mmax = l, also |l, l . Dann ist M− |l, l ∼ |l, l − 1 , M− |l, l − 1 ∼ |l, l − 2 , . . . Den Betrag des Proportionalit¨ atsfaktors erhalten wir aus M− |l, m 2 = l(l + 1) − m(m − 1). Dementsprechend legen wir fest: |l, m − 1 = [l(l + 1) − m(m − 1)]−1/2 M− |l, m . Diese Wahl der Phase ist die verbreitete Condon-Shortley-Konvention“. ” F¨ ur den Aufstieg auf der Leiter finden wir ebenso |l, m + 1 = [l(l + 1) − m(m + 1)]−1/2 M+ |l, m . 9.4.1 Darstellung im Ortsraum asentiert. Diese Im Ortsraum ist |l, m durch eine Funktion Ylm (ϑ, ϕ) repr¨ wollen wir jetzt berechnen. Die Eigenwertgleichung M3 |l, m = m|l, m geht u ¨ ber in ∂ −i Ylm = mYlm ∂ϕ mit der L¨osung Ylm (ϑ, ϕ) = Θlm (ϑ) eimϕ .
142
9 Drehimpuls
Die Funktion Θlm (ϑ) erhalten wir folgendermaßen. Wir beginnen mit |l, l , ullt. Dabei ist das M+ |l, l = 0 erf¨ ∂ ∂ ±iϕ ± + i cot ϑ M± = e ∂ϑ ∂ϕ und somit
eiϕ
∂ ∂ + i cot ϑ Θll (ϑ) eilϕ = 0 ∂ϑ ∂ϕ ∂ i(l+1)ϕ − l cot ϑ Θll (ϑ) = 0 e ∂ϑ
mit der L¨osung Θll (ϑ) = Cl (sin ϑ)l . Der Normierungsfaktor Cl folgt aus 2π π dϑ sin ϑ dϕ |Ylm (ϑ, ϕ)|2 = 1 0
0
2l + 1 1 2l . |Cl | = 4π 4l l
zu
2
Nun steigen wir ab mit M− . Aus ∂ ilϕ + l cot ϑ f (ϑ) ei(l−1)ϕ M− f (ϑ)e = − ∂ϑ ∂ = −(sin ϑ)−l (sin ϑ)l f (ϑ) ei(l−1)ϕ ∂ϑ d (sin ϑ)l f (ϑ) ei(l−1)ϕ = (sin ϑ)−(l−1) d cos ϑ erhalten wir M−l−m f (ϑ) eilϕ
−m
= (sin ϑ)
d d cos ϑ
l−m (sin ϑ)l f (ϑ) eimϕ .
Dies wenden wir an auf Yl,m ∼ M−l−m Yll ∼ (sin ϑ)−m
d d cos ϑ
l−m
Mit der Abk¨ urzung t = cos ϑ,
sin2 ϑ = 1 − t2
(sin ϑ)2l eimϕ .
2 und L3 9.4 Eigenfunktionen zu L
143
ergibt die Rechnung Ylm = Θlm (ϑ) eimϕ = Clm Plm (t) eimϕ mit den Polynomen Plm (t) ≡ (−1)l+m
# m (l + m)! 1 " 2 −2 1 − t (l − m)! 2l l!
Es gilt auch Pl−m (t) = (−1)m und damit Plm (t)
#m 1 " = l 1 − t2 2 2 l!
d dt
l−m
"
#l 1 − t2 .
(l − m)! m P (t) (l + m)! l
d dt
l+m
#l "2 t −1 .
Der Normierungsfaktor ist , m
Cl,m = (−1)
2l + 1 (l − m)! 4π (l + m)!
-1/2 .
Die Funktionen Plm (t) heißen zugeordnete Legendrepolynome“ und die Ei” achenfunktionen“. Wir notieren einige genfunktionen Ylm sind die Kugelfl¨ ” explizite Ausdr¨ ucke f¨ ur kleine Werte von l und m: 1 Y00 = √ 4π
3 sin ϑ eiϕ Y1,1 = − 8π 3 cos ϑ Y1,0 = 4π 15 sin2 ϑ e2iϕ Y2,2 = 32π 15 sin ϑ cos ϑ eiϕ Y2,1 = − 8π 5 (3 cos2 ϑ − 1). Y2,0 = 16π Es gilt: ∗ (ϑ, ϕ). Yl,−m (ϑ, ϕ) = (−1)m Yl,m
144
9 Drehimpuls
Die Kugelfl¨achenfunktionen sind orthonormiert: dΩ Yl∗1 ,m1 (ϑ, ϕ)Yl2 ,m2 (ϑ, ϕ) = δl1 ,l2 δm1 ,m2 . Sie bilden ein vollst¨andiges Funktionensystem auf der Einheitskugel, d.h. jede Funktion f (ϑ, ϕ) kann nach ihnen entwickelt werden: f (ϑ, ϕ) =
l ∞
flm Ylm (ϑ, ϕ).
l=0 m=−l
ur l = Die folgende Abbildung zeigt Polardiagramme von |Yl,m (ϑ, ϕ)|2 f¨ 0, 1, 2, 3. Sie vermitteln einen Eindruck von der Winkelabh¨ angigkeit der Wahrscheinlichkeitsdichten. Da sie von ϕ unabh¨ angig sind, kann man sie sich rotationssymmetrisch um die z-Achse vorstellen. Die Figuren sind zwecks besserer Sichtbarkeit unterschiedlich skaliert.
Polardarstellung von |Ylm(ϑ,ϕ)|
2
z
z
z
l=0 m=0
l=1 m=1
l=1 m=0
z
z
z
l=2 m=2
l=2 m=1
l=2 m=0
z
z
z
z
l=3 m=3
l=3 m=2
l=3 m=1
l=3 m=0
9.5 Radialgleichung
145
Parit¨ at: Zwischen der Parit¨at von Wellenfunktionen und der Quantenzahl l gibt es einen wichtigen Zusammenhang. Der Parit¨ atsoperator ist ja definiert durch Πψ(r ) = ψ(−r ) . F¨ ur ψ(r ) = f (r) Ylm (ϑ, ϕ) ist ψ(−r ) = f (r) Ylm (π − ϑ, ϕ + π) . Hier setzen wir die Beziehungen cos(π − ϑ) = − cos(ϑ) ,
Plm (− cos ϑ) = (−1)l+m Plm (cos ϑ)
eim(ϕ+π) = (−1)m eimϕ ein und finden Ylm (π − ϑ, ϕ + π) = (−1)l Ylm (ϑ, ϕ) . Das Ergebnis lautet somit: Parit¨ at von ψ = (−1)l .
9.5 Radialgleichung 2 und L3 haben wir die WinDurch Auffinden der Eigenfunktionen von L kelabh¨angigkeit der Wellenfunktion vollst¨ andig bestimmt. F¨ ur vorgegebene l und m ist die Wellenfunktion von der Form ψ(r ) = f (r) Yl,m (ϑ, ϕ) und f¨ ur u(r) = rf (r),
r≥0
gilt die schon bekannte Radialgleichung ¯h2 l(l + 1) ¯h2 ∂ 2 + + V (r) u(r) = Eu(r) − 2m ∂r 2 2mr 2
146
9 Drehimpuls
mit den Randbedingungen u(0) = 0
∞
dr |u(r)|2 = 1.
0
¨ Uber das Verhalten f¨ ur r → 0 k¨ onnen wir noch mehr aussagen. Dazu nehmen wir an, dass das Potenzial V (r) f¨ ur kleine r nicht so rasch wie 1/r 2 divergiert: lim r 2 V (r) = 0 , r→0
was in der Praxis meistens erf¨ ullt ist. Dann dominiert f¨ ur kleine r der vom Drehimpuls stammende Term: r→0:
d2 u l(l + 1) − u ≈ 0. dr 2 r2
Die Differenzialgleichung u =
l(l + 1) u r2
hat die regul¨ are L¨ osung: sowie die irregul¨are L¨osung
u ∼ r −l ,
die physikalisch nicht sinnvoll ist.
u ∼ r l+1
10 Rotation und Schwingung zweiatomiger Molek¨ ule Als erstes Beispiel f¨ ur quantenmechanische Systeme mit einem Zentralpotenzial betrachten wir zweiatomige Molek¨ ule, wie z.B. HCl oder CO. Aus den Molek¨ ulspektren ermittelt man die Energieniveaus der Molek¨ ule, wobei man typischerweise drei Arten unterscheidet: a) elektronische Energieniveaus: Der Molek¨ uldurchmesser a betr¨ agt einige ˚ A (10−10 m). > h/a, Energie Ee ≈ F¨ ur Valenzelektronen sch¨ atzen wir grob ab: Δp ∼ ¯ 2 2 ¯h /(me a ) mit der Elektronenmasse me . Das Spektrum liegt im sichtbaren bis UV-Licht mit Wellenl¨ angen um ˚ 4000 A. b) Schwingungsniveaus, c) Rotationsniveaus. Zun¨achst eine grobe Absch¨atzung der Energien. b) Schwingungen: F¨ ur kleine Schwingungen gilt das hookesche Gesetz und V (r) ≈ mω 2 r 2 /2, wobei m die Atommasse ist. Da die Kraft auf einer ¨ Anderung der Energie der Valenzelektronen beruht, erhalten wir die Ee , d.h. ω 2 ≈ Gr¨oßenordnung der Federkonstanten durch mω 2 a2 ≈ 2 4 hω ≈ me /m Ee ≈ ¯h /(me ma ). Die Schwingungsenergie ist Es ∼ ¯ 1 angen λ = (2 − 3) · 100 Ee . Das Spektrum liegt im Infrarot bei Wellenl¨ 10−3 cm. c) Rotationen: h2 /(ma2 ) ∼ (me /m)Ee , Die Energie der Rotation ist ungef¨ ahr ER ∼ ¯ 1 2 Es . Das Spekwobei ma das Tr¨agheitsmoment ist. Also ist ER ∼ 100 trum liegt im fernen Infrarot bei λ = 0,1 − 1 cm. Eine systematische Behandlung des Spektrums ist m¨ o glich mit der Bornme /m entwickelt Oppenheimer-Methode, bei der nach Potenzen von wird. Wir finden also, dass die elektronischen Energien, die Schwingungsenergien und oßenordnung die Rotationsenergien sich jeweils um einen Faktor der Gr¨ me /m ≈ 1/100 unterscheiden.
148
10 Rotation und Schwingung zweiatomiger Molek¨ ule
Schwingung und Rotation k¨onnen daher unter Vernachl¨ assigung der Anregungen der Elektronenh¨ ulle behandelt werden, indem das Molek¨ ul idealisiert als Zweiteilchensystem betrachtet wird.
r
m1
m2
V (r) Hierbei sind m1,2 die Massen der beiden Atome und V (r) ist das Potenzial der zwischen ihnen wirkenden Kraft. Im Allgemeinen hat es die in der Abbildung gezeigte Gestalt.
V (r)
r0
r
Wir wollen im Folgenden Schwingung und Rotation betrachten. In der oben genannten Idealisierung handelt es sich um ein Zweik¨ orperproblem.
10.1 Zweik¨ orperproblem Man hat es mit zwei K¨orpern der Massen m1 und m2 zu tun, die sich an den Orten r1 und r2 befinden. Der Hamiltonoperator lautet H=−
¯2 h ¯2 h Δ1 − Δ2 + V (|r2 − r1 |). 2m1 2m2
10.1 Zweik¨orperproblem
149
Wie in der klassischen Mechanik f¨ uhren wir Relativ- und Schwerpunktkoordinaten ein durch r = r1 − r2 ,
rs =
m1 r1 + m 2 r2 . m1 + m2
Gesamtmasse M und reduzierte Masse m sind gegeben durch M = m1 + m2 ,
m=
m1 m2 . m1 + m2
uhrt auf Die Transformation der Variablen von r1 und r2 nach rs und r f¨ H =−
¯2 h ¯2 h Δs − Δ + V (r) 2M 2m
wobei Δs =
∂2 , ∂x2si i
Δ=
mit r = |r |, ∂2 . ∂x2i i
Offensichtlich separiert H in einen Schwerpunkts- und einen Relativanteil: H = Hs + Hr . Die gesamte Schr¨odingergleichung HΨ = EΨ l¨asst sich durch Ψ(r1 , r2 ) = χ(rs )ψ(r ) in zwei separate Schr¨odingergleichungen u uhren. Die Gleichung f¨ ur den ¨berf¨ Schwerpunkt h2 ¯ Δs χ = Es χ − 2M ist die Schr¨odingergleichung f¨ ur eine freie Bewegung. Die Gleichung f¨ ur die Relativbewegung lautet ¯h2 Δ + V (r) ψ(r ) = Er ψ(r ) − 2m und ist identisch mit der Schr¨ odingergleichung f¨ ur ein Teilchen mit der Masse m im Potenzial V (r). Die gesamte Energie setzt sich aus beiden Anteilen zusammen: E = Es + Er .
150
10 Rotation und Schwingung zweiatomiger Molek¨ ule
Die Gleichung f¨ ur die Relativbewegung k¨ onnen wir nun so behandeln wie im letzten Kapitel besprochen. F¨ ur einen Zustand mit Drehimpulsquantenzahlen l und m lautet die Wellenfunktion u(r) Ylm (ϑ, ϕ) ψ(r ) = r und die Radialgleichung ist ¯h2 ∂ 2 ¯h2 l(l + 1) − + + V (r) u(r) = Er u(r). 2m ∂r 2 2mr 2
10.2 Rotations-Vibrations-Spektrum Wie sieht das Potenzial V (r) im Fall zweiatomiger Molek¨ ule aus? Qualitativ hat es die in der weiter oben gezeigten Abbildung gezeigte Gestalt. Ein in der Praxis verwandtes Beispiel ist das Morsepotenzial
r−r0 2 . V (r) = V0 1 − e− a Das effektive Potenzial ¯ 2 l(l + 1) h 2mr 2 hat f¨ ur kleine l eine ¨ahnliche Gestalt, wobei das Minimum verschoben ist und bei einem von l abh¨angigen Wert rl liegt. Veff (r) = V (r) +
Veff
r0 r5
r
l=5 l=0
10.2 Rotations-Vibrations-Spektrum
151
F¨ ur kleine Schwingungen entwickeln wir um rl in eine Taylorreihe:
Veff (r) = V (rl ) +
¯ 2 l(l + 1) m 2 h + ωl (r − rl )2 + . . . 2 2 2mrl
mit . (rl ). mωl2 = Veff Dies stellt einen verschobenen harmonischen Oszillator dar. Seine EnergieEigenwerte sind folglich
Er ≈ V (rl ) +
¯ 2 l(l + 1) h +h ¯ ωl (n + 12 ) . 2mrl2
2 /2I geh¨ Der zweite Term ist die Rotationsenergie, die zum Operator L ort, 2 wobei I = mrl das Tr¨agheitsmoment ist. Der dritte Term ist die Vibrationsenergie. Die Abh¨angigkeit der Koeffizienten rl und ωl von l ist nicht sehr groß und wir k¨onnen approximativ rl ≈ r0 und ωl ≈ ω0 setzen. Wir k¨onnen Aussagen u ¨ber das Spektrum machen, wenn wir die er¨ laubten Uberg¨ ange kennen. F¨ ur elektrische Dipolstrahlung gelten die ¨ Ubergangsregeln n → n−1 l → l ± 1, wie wir in einem sp¨ateren Kapitel noch diskutieren werden. Es gibt dann ¨ folgende Energie-Anderungen
ΔE ≈
¯hω0 + ¯hω0 −
h2 ¯ mro2 l h2 ¯ (l mr02
+ 1)
,
(l → l − 1), l ≥ 1
,
(l → l + 1), l ≥ 0.
Die entsprechenden Frequenzen des abgestrahlten Lichtes bilden sogenannte Rotationsbanden:
152
10 Rotation und Schwingung zweiatomiger Molek¨ ule
3 2 1 0 negativer Zweig
ω0
1 2 3 positiver Zweig
ω= Δ E h
11 Kugelf¨ ormiger Kasten Das Zentralpotenzial
0, r a
V (r) =
ormigen Hohlraum. Es kann als beschreibt im Limes V0 → ∞ einen kugelf¨ grobe N¨aherung f¨ ur das Potenzial der auf ein einzelnes Nukleon wirkenden Kernkraft im Inneren eines Kerns betrachtet werden. Die Radialgleichung lautet ¯h2 l(l + 1) ¯h2 ∂ 2 + u(r) = E u(r) , r < a − 2m ∂r 2 2mr 2 im Inneren des Hohlraumes, und die Randbedingungen sind u(0) = 0 , Mit der Abk¨ urzung . κ= gilt
u(a) = 0.
2mE h2 ¯
l(l + 1) ∂2 2 − + κ u(r) = 0, ∂r 2 r2
und die Einf¨ uhrung der Variablen ρ ≡ κr und Umbenennung u(ρ/κ) → u(ρ) f¨ uhrt auf die Gleichung
l(l + 1) ∂2 − + 1 u(ρ) = 0. ∂ρ2 ρ2
F¨ ur l = 0 k¨onnen wir sie sofort l¨ osen: 2 ∂ +1 u=0 l=0: ∂ρ2
⇒
u ∼ sin ρ.
F¨ ur allgemeines l ist ul (ρ) = Cl ρ
l+1
1 d ρ dρ
l
1 sin ρ ρ
154
11 Kugelf¨ormiger Kasten
L¨ osung der Gleichung, wie man rekursiv nachrechnen kann. Da wir es mit einer gew¨ohnlichen Differenzialgleichung 2. Ordnung zu tun haben, existiert eine zweite L¨osung, n¨amlich l 1 l+1 1 d cos ρ. ρ ρ dρ ρ Diese erf¨ ullt aber nicht die Randbedingung bei ρ = 0, da sie dort nicht verschwindet. Die obigen Funktionen heißen sph¨arische Besselfunktionen der ersten Art: π 1 d l sin ρ . = J 1 (ρ). jl (ρ) = (−ρ)l ρ dρ ρ 2ρ l+ 2 Im deutschen Sprachraum werden die Besselfunktionen auch Zylinderfunktionen genannt. (Zylinder heißt aber auf englisch nicht Bessel.) Wir schreiben die L¨osung somit als ul (ρ) = C ρ jl (ρ) bzw. f¨ ur die radiale Wellenfunktion fl (ρ) = C jl (ρ). F¨ ur l = 1, 2, 3 ist ρ j0 (ρ) = sin ρ 1 ρ j1 (ρ) = sin ρ − cos ρ ρ 3 3 ρ j2 (ρ) = − 1 sin ρ − cos ρ. 2 ρ ρ Das Verhalten im Ursprung ist folgendermaßen: ρ jl (ρ)
∼
ρ→0
ρl+1 . 1 · 3 · 5 · . . . · (2l + 1)
Inzwischen haben wir ganz die andere Randbedingung vergessen: ul (κa) = 0. Wir m¨ ussen κ so w¨ahlen, dass dies erf¨ ullt ist. Dazu brauchen wir die Nullstellen ρn,l von jl (ρ): jl (ρn,l ) = 0. Diese findet man tabelliert in guten B¨ uchern:
155
n\l 1 2 3
0 3,14 6,28 9,42
1 4,49 7,73 10,90
2 5,76 9,10 12,32
3 6,99 10,42 13,70
4 8,18 11,70 15,04
5 9,36 12,97 16,35
Zur Illustration sind j0 , j1 und j2 in einer Figur gezeigt.
1
j0
0.8 0.6
j1 0.4
j2
0.2 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
–0.2 –0.4
Wir finden die erlaubten Werte f¨ ur κ also aus κn,l a = ρn,l mit den tabellierten Nullstellen ρn,l . Die zugeh¨ origen Energien
En,l = sind in der Tabelle aufgef¨ uhrt.
¯2 2 h ρ 2ma2 n,l
12
13
ρ
156
11 Kugelf¨ormiger Kasten
2
n
l
h ¯ E/ 2ma 2
Bezeichnung
Multiplizit¨ at
1 1 1 2 1 2 1 2 1 3 2
0 1 2 0 3 1 4 2 5 0 3
9,9 20,2 33,2 39,5 48,9 59,8 66,9 82,8 87,6 88,8 108,6
1S 1P 1D 2S 1F 2P 1G 2D 1H 3S 2F
1 3 5 1 7 3 9 5 11 1 7
2
+
Mult.
2 8 18 20 34 40 58 68 90 92 106
In der letzten Spalte stehen die magischen Zahlen f¨ ur dieses Potenzial. Es sind die Anzahlen von Nukleonen, die man in dem Hohlraum unterbringen kann, wenn die Energieniveaus von unten her sukzessive vollst¨andig gef¨ ullt werden. Der Faktor 2 ber¨ ucksichtigt, dass wegen des Spins immer 2 Nukleonen in einen Zustand passen.
E
...
22
...
18
157
Das obige Modell ist der einfachste Ansatz f¨ ur das Schalenmodell der Atomkerne. Realistischere Versionen verwenden bessere Potenziale und ber¨ ucksichtigen die Spin-Bahn-Kopplung. Die resultierenden magischen Zahlen, die besser zu den experimentellen Ergebnissen passen, sind: magische Zahlen:
2, 8, 20, 28, 50, 82, 126.
Besonders stabil sind die doppelt-magischen Kerne, wie z.B. 42 He, 168 O, 40 20 Ca, 208 Pb . 126 82
12 Vollst¨ andige S¨ atze kommutierender Observablen Wir wissen schon: wenn zwei Observable kommutieren, [A, B] = 0, so sind sie gleichzeitig diagonalisierbar. Dies war z.B. der Fall f¨ ur einen Hamiltonoperator mit Zentralpotenzial und das Drehimpulsquadrat: H=
P 2 + V (R) , 2m
2. L
Oftmals sind die Eigenwerte von H entartet. Zur eindeutigen Kennzeichnung der Zust¨ande k¨onnen wir nach weiteren, mit H kommutierenden Obur ihre gemeinsamen Eigenwerte servablen Ai , [H, Ai ] = 0, suchen, so dass f¨ die Entartung aufgehoben ist. In den F¨ allen der vorigen Kapitel waren die 2 noch immer entartet. Durch Hingemeinsamen Eigenwerte von H und L 2 , L3 , deren zunahme von L3 erhalten wir den Satz von Operatoren H, L gemeinsame Eigenvektoren nicht mehr entartet sind und eine eindeutige Kennzeichnung der Zust¨ande erlauben. Allgemein definieren wir: Eine Menge von Observablen A1 , . . . , An heißt vollst¨andiger Satz von kommutierenden Observablen, wenn 1. [Aj , Ak ] = 0
f¨ ur alle j, k,
2. die gemeinsamen Eigenvektoren |a1 , . . . , an , mit Aj |a1 , . . . , an = aj |a1 , . . . , an , nicht entartet sind. oßtm¨ ogliche Information Der Satz von Operatoren A1 , . . . , An liefert die gr¨ u ¨ ber das betrachtete System. Jeder weitere Operator B, der mit allen Aj kommutiert, ist eine Funktion von A1 , . . . , An . Bemerkung: Im Allgemeinen weiß man nicht vorher, welche S¨ atze vollst¨ andig sind. Beispiele f¨ ur vollst¨andige S¨atze kommutierender Observablen sind die drei Komponenten des Ortsoperators {Qj } oder die drei Komponenten des Imur ein Teilchen ohne Spin. Der Spin wird sp¨ ater bepulsoperators {Pj } f¨ handelt.
13 Das Wasserstoffatom, Teil I Wir wollen das Wasserstoffatom zun¨ achst als nichtrelativistisches Coulombproblem behandeln, d.h. wir betrachten ein Proton der Masse mP und ein Elektron der Masse me , ⊗ ⊗ me mp zwischen denen die Coulombkraft wirkt: V (r) = −
γ e20 1 ≡− , 4πε0 r r
wobei e0 = 1,60219 · 10−19 C mp = 1,67261 · 10−27 kg me = 9,10956 · 10−31 kg C ε0 = 8,85419 · 10−12 Vm π = 3,14159265358979323846264 . . . Das vorliegende Zweik¨orperproblem wird wie zuvor auf ein Eink¨ orperproblem im Zentralfeld reduziert. Die reduzierte Masse ist me −1 ≈ me , m = me 1 + mp wegen
mp = 1836,11. me
Vernachl¨assigt werden in dieser Behandlung des H-Atoms: • relativistische Effekte • Spin • Struktur des Kerns • Wechselwirkung mit dem quantisierten elektromagnetischen Feld (QED, Lambshift).
162
13 Das Wasserstoffatom, Teil I
Das effektive Potenzial hat f¨ ur l > 0 folgende Gestalt:
Veff (r) l>0 r
und wir erwarten die Existenz von gebundenen Zust¨ anden f¨ ur E < 0 und von Streuzust¨anden f¨ ur E > 0. Folgende L¨osungswege f¨ ur das quantenmechanische Coulombproblem sind am popul¨arsten: 1. L¨osung der Radialgleichung. Dies ist ein Standardverfahren, das in den meisten B¨ uchern gew¨ ahlt wird. 2. Algebraische Bestimmung der Eigenwerte mit Hilfe des Runge-LenzVektors. So hat W. Pauli es bereits 1926 gemacht. Der Runge-LenzPauli-Vektor stellt eine weitere Erhaltungsgr¨ oße f¨ ur das Coulombproblem dar! Wir werden zun¨achst die Radialgleichung betrachten.
13.1 Spektrum und Eigenfunktionen Wir wollen die gebundenen Zust¨ ande finden. Mit ρ = κr ,
κ2 =
2m|E| , h2 ¯
ρ0 =
2mγ h2 κ ¯
13.1 Spektrum und Eigenfunktionen
163
lautet die Radialgleichung 2 l(l + 1) ρ0 d − 1 u(ρ) = 0. − + dρ2 ρ2 ρ Das asymptotische Verhalten der Radialfunktion ist folgendermaßen: ρ→0 :
u ∼ ρl+1 ,
d2 u −u≈0 dρ2
ρ→∞ :
⇒ u ∼ e−ρ .
Daher machen wir den Ansatz u(ρ) = ρl+1 e−ρ w(ρ) und finden f¨ ur w(ρ) die Differenzialgleichung ρw (ρ) + 2(l + 1 − ρ)w (ρ) + (ρ0 − 2(l + 1))w(ρ) = 0. Als L¨osung probieren wir einen Potenzreihenansatz: w(ρ) =
∞
ak ρk ,
k=0
uhrt: der auf eine Rekursionsgleichung f¨ ur die Koeffizienten ak f¨ ak+1 =
2(k + l + 1) − ρ0 ak . (k + 1)(k + 2l + 2)
Falls die Reihe nicht abbricht, ist asymptotisch f¨ ur große k 2 ak+1 ∼ ak k und demzufolge 2k , w(ρ) ∼ e2ρ , k→∞ k! was zu falschem asymptotischen Verhalten f¨ uhren w¨ urde. Also muss die Reihe abbrechen: N ak ρk w(ρ) = ak ∼
k=0
und w ist ein Polynom vom Grad N . Wegen aN +1 = 0
164
13 Das Wasserstoffatom, Teil I
muss ρ0 = 2(N + l + 1) ≡ 2n eine gerade nat¨ urliche Zahl sein. F¨ ur die Energie E=−
2mγ 2 h2 ρ20 ¯
finden wir damit die m¨oglichen Werte
En = −
me40 1 2 n2 . 2 2(4πε0 ) ¯ h
Dies ist die ber¨ uhmte Balmerformel. Die Zahl n = 1, 2, 3, . . . heißt Hauptquantenzahl und die Zahl N = 0, 1, 2, . . . heißt radiale Quantenzahl. Die Zust¨ande charakterisiert man u ¨blicherweise durch die Hauptquantenzahl n und die Drehimpulsquantenzahlen l und m: |n l m , wobei zu beachten ist, dass wegen n = N + l + 1 l ≤ n−1 und nat¨ urlich auch |m| ≤ l gelten muss. F¨ ur das Wasserstoffatom heißt l Nebenquantenzahl und m magnetische Quantenzahl. Die niedrigsten Energie-Eigenwerte und ihre Entartungen sind die Folgenden: |1 0 0
} 1 ⎫ |2 0 0
|2 1 − 1
⎬ |2 1 0
4 ⎭ |2 1 1
13.1 Spektrum und Eigenfunktionen
|3 0 0
|3 1 − 1
|3 1 0
|3 1 1
165
|3 |3 |3 |3 |3
2 2 2 2 2
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
− 2
− 1
0
1
2
9
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Allgemein ist der Entartungsgrad der Energie En gleich n−1
(2l + 1) = n2 .
l=0
angen, Die Tatsache, dass die Energien En nicht von der Quantenzahl l abh¨ stellt gegen¨ uber den anderen betrachteten Systemen eine zus¨ atzliche Ent artung dar. Sie beruht auf der Existenz des Runge-Lenz-Pauli-Vektors A als zus¨atzlicher Erhaltungsgr¨ oße und ist eine spezielle Eigenschaft des 1/rPotenzials. Die diskreten Energien der gebundenen Zust¨ ande entsprechen dem nachfolgend gezeigten Termschema.
l 0
1
2
4s 3s
4p 3p
-1 4
2s
2p
-1
1s
-1 9
3 4d 3d
4f
166
13 Das Wasserstoffatom, Teil I
Mit der Rydbergkonstanten ˜H = R
me40 = 13,6 eV 2¯ h2 (4πε0 )2
lauten die Energien ˜H R . n2 In der Spektroskopie spricht man auch von den Spektraltermen En = −
RH . En Tn = =− 2 hc n mit
˜H R = 1,1 · 107 m−1 . hc Wenn wir uns erinnern, dass m die reduzierte Masse ist, k¨ onnen wir schreiben me −1 ˜ ˜ RH = R∞ 1 + mp RH =
mit ˜∞ = R
me e40 = 13,606 eV. 2¯ h (4πε0 )2 2
Wir betrachten nun die Radialfunktionen noch etwas genauer. Setzen wir ur w(ρ) ein und f¨ uhren das Resultat ρ0 = 2n in die Differenzialgleichung f¨ die Variable t ≡ 2ρ ein, so lautet sie t
dw d2 w + ((2l + 1) + 1 − t) + ((n + l) − (2l + 1))w = 0. 2 dt dt
Diese Differenzialgleichung ist als laguerresche Differenzialgleichung bekannt. Ihre L¨osungen, die wir oben mit dem Potenzreihenansatz konstruiert haben, heißen zugeordnete Laguerrepolynome L2l+1 n+l (t). Man kann eine geschlossene Formel angeben: d s t d r −t r s e e t . Lr (t) = − dt dt Also lautet die komplette radiale Wellenfunktion ψnlm (r, ϑ, ϕ) = fnl (r) Ylm (ϑ, ϕ)
13.1 Spektrum und Eigenfunktionen
167
mit fnl (r) = Nnl (2κr)l e−κr L2l+1 n+l (2κr). Der Normierungsfaktor ist gegeben durch 2 = Nnl
(n − l − 1)!(2κ)3 . 2n((n + l)!)3
Der Koeffizient κ h¨angt von n ab und lautet κ=
1 mγ 2 ≡ an . h n ¯
Wir haben hier den bohrschen Radius a=
¯ 2 (4πε0 ) h ¯2 h = 0,529 · 10−10 m = mγ me20
eingef¨ uhrt. Die radiale Wellenfunktion fnl (r) hat N = n − l − 1 Knoten (Nullstellen). Dies erkl¨art den Namen radiale Quantenzahl“ f¨ ur N . ” Die Wahrscheinlichkeitsdichte im Raum ist bekanntlich |ψnlm (r )|2 . Die radiale Wahrscheinlichkeitsdichte p(r) ist die Wahrscheinlichkeitsdichte daf¨ ur, dass |r | sich zwischen r und r + dr befindet. Sie ist gleich p(r) = r 2 |fnl (r)|2 . Die niedrigsten radialen Wellenfunktionen lauten n=1: n=2:
n=3:
f10 (r) = 2a−3/2 e− a
r −r e 2a f20 (r) = 2(2a)−3/2 1 − 2a r r 1 f21 (r) = √ (2a)−3/2 e− 2a a 3 , r 2r 2 2r −3/2 + f30 (r) = 2(3a) 1− e− 3a 3a 27a2 √ r −r 4 2 r
(3a)−3/2 1− e 3a f31 (r) = 9√ a 6a
r 2 r 2 2 f32 (r) = √ (3a)−3/2 e− 3a . a 27 5 r
168
13 Das Wasserstoffatom, Teil I
Die folgenden Abbildungen zeigen die radiale Wellenfunktion fnl (r) und die radiale Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur einige kleine Werte von n und l. Die Funktionen sind zwecks besserer Sichtbarkeit unterschiedlich skaliert. Man erkennt, dass die Wahrscheinlichkeitsdichten mit zunehmender Hauptquantenzahl n nach außen wandern, und dass die Anzahl der Knoten mit wachsendem l bei festem n abnimmt. Die Zust¨ ande mit maximalem l = n−1 kommen Kreisbahnen noch am n¨ achsten.
Radiale Wellenfunktion für das Coulomb−Potenzial
Radiale Wahrscheinlichkeitsdichte für das Coulomb−Potenzial
n = 1, l = 0 n = 2, l = 0 n = 3, l = 0
n = 1, l = 0 n = 2, l = 0 n = 3, l = 0
n = 2, l = 1 n = 3, l = 1
n = 2, l = 1 n = 3, l = 1
n = 3, l = 2
n = 3, l = 2 0
4
8
r/a
12
16
20 0
4
8
r/a
12
16
20
In einem sp¨ateren Kapitel und in atomphysikalischen Anwendungen ben¨ otigt man Erwartungswerte von einigen Potenzen von r. Diese lassen sich mit Hilfe der obigen Formeln durch Integration berechnen. Folgende Resultate wollen wir uns vormerken: 1 r nl ≡ nlm|R|nlm = a (3n2 − l(l + 1)) 2 2 21 2 2 r nl = a n (5n + 1 − 3l(l + 1)) 2 1 1 nl = r an2 1 1 2 nl = 2 3 r a n (l + 12 )
13.2 Runge-Lenz-Pauli-Vektor
169
1 2 ,
nl = 3 3 3 r a n l(l + 1)(2l + 1)
l = 0.
13.2 Runge-Lenz-Pauli-Vektor Wolfgang Pauli hat 1926, kurz nach der Formulierung der Quantenmechanik durch Heisenberg, Born und Jordan, das Spektrum des Wasserstoffatoms auf algebraischem Wege hergeleitet. Dazu verwendete er den schon Laplace bekannten Runge-Lenz-Vektor. Dieses Verfahren ist sch¨ on und liefert neue Einsichten.
13.2.1 Klassische Mechanik Das Keplerproblem beinhaltet die L¨ osung der Bewegungsgleichung f¨ ur ein Teilchen im Potenzial V (r) = −γ/r. Die Bewegungsgleichung ist mr¨ = −γ
r . r3
= r × p = mr × r˙ erhalten. Man Außer der Energie ist der Drehimpuls L definiert den Runge-Lenz-Vektor, auch kurz Lenz-Vektor genannt, durch − γ r . = r˙ × L − γ r = 1 p×L A r m r F¨ ur ihn gilt:
1.
d A=0 dt
·A =0 2. L 2 + γ 2, 2 = 2E L 3. A m wie man unter Benutzung der Bewegungsgleichung leicht nachrechnet. Der Lenzvektor ist also eine weitere Erhaltungsgr¨ oße des Keplerproblems. Der Lenzvektor zeigt vom Ursprung des Kraftfeldes zum Pericenter der Bahn, wie in der Abbildung f¨ ur den Fall einer Ellipsenbahn gezeigt ist.
170
13 Das Wasserstoffatom, Teil I
A
Seine zeitliche Konstanz beinhaltet die Tatsache, dass es keine Pericenterdrehung der Bahn gibt. 13.2.2 Quantenmechanik Wir wollen nur gebundene Zust¨ ande mit E < 0 im 1/r-Potenzial betrach Erhaltungsgr¨ ten. Wir wissen schon, dass E und L oßen sind. Pauli hat als quantenmechanische Version des Lenzvektors definiert:
1 . 1 = P × L − L × P − γ Q. A 2m R Es gilt ist Erhaltungsgr¨oße, d.h. [H, A] =0 1. A ·A =A ·L =0 2. L
2+h 2 = 2 H L ¯ 2 + γ2. 3. A m Der Beweis dieser Gleichungen erfordert eine etwas l¨ angere Gymnastik mit Kommutatoren. 2 und 2 eine Funktion von H und L Gem¨aß der dritten Eigenschaft ist A kann daher gleichzeitig mit ihnen diagonalisiert werden. Die Eigenwerte von 2 festgelegt. Welches sind die 2 und A H sind durch die Eigenwerte von L 2? Eigenwerte von A Folgende Vertauschungsrelationen gelten (bitte nachrechnen): h εjkl Al [Lj , Ak ] = i¯ 2i¯ h Hεjkl Ll . [Aj , Ak ] = − m
13.2 Runge-Lenz-Pauli-Vektor
171
zum Ausdruck. Diese gemischDie erste bringt den Vektorcharakter von A ten Kommutatoren k¨onnen wir folgendermaßen entkoppeln. Zun¨ achst normieren wir den Lenzvektor um: m . A, A = − 2H was nat¨ urlich nur auf Zust¨anden mit E < 0 definiert ist. Die Kommutatoren sind dann 7 8 Lj , Ak = i¯ h εjkl Al 7 8 Aj , Ak = i¯ h εjkl Ll . Dies ist die Lie-Algebra der Gruppe SO(4). Wir sehen, dass f¨ ur das 1/rPotenzial die gew¨ohnliche Rotationssymmetrie SO(3) zu der gr¨ oßeren Symmetriegruppe SO(4) erweitert ist. Durch die Definitionen 1 L+A I = 2
1 L−A K= 2 gelangen wir zu den Kommutatoren h εjkl Il [Ij , Ik ] = i¯ [Kj , Kk ] = i¯ h εjkl Kl [Ij , Kk ] = 0. Auf diese Weise haben wir zwei entkoppelte S¨ atze von Kommutatoren erhal erf¨ ten, die jeweils die Lie-Algebra von SO(3) bilden. I und K ullen jeweils die Vertauschungsrelationen des Drehimpulses und kommutieren unterein¨ ander. Nach unseren fr¨ uheren Uberlegungen u ¨ ber den Drehimpuls wissen wir: h2 , die Eigenwerte von I 2 sind i(i + 1)¯ 2 sind k(k + 1)¯ die Eigenwerte von K h2 , Nun ist aber 1 2 2 L +A I 2 = 4
2+A 2 2=1 L K 4
i = 0, 12 , 1, . . . , k = 0, 12 , 1, . . . .
172
13 Das Wasserstoffatom, Teil I
·A = A ·L = 0, also wegen L 2 I 2 = K und dementsprechend i = k. 2 ein, so finden wir Setzen wir den weiter oben stehenden Ausdruck f¨ ur A
2− m A 2 2=1 L K 4 2H m 2 1 2 h + γ . =− ¯ 4 2H Aufl¨osen nach H liefert H=−
mγ 2 . 2+h 2(4K ¯ 2)
2 kennen, haben wir somit auch die Eigenwerte Da wir die Eigenwerte von K von H gefunden: E=−
mγ 2 , 2¯h2 (2k + 1)2
k = 0, 12 , 1, . . .
Mit der Definition der Hauptquantenzahl n = 2k + 1 = 1, 2, 3, . . . erkennen wir wieder die Balmerformel mγ 2 2¯ h2 n2 1 me40 =− . 2(4πε0 )2 ¯ h 2 n2
En = −
Die Entartung der Energiewerte beruht auf der Entartung der Eigenwerte 2 : f¨ ur K3 und I3 existieren n¨ amlich jeweils die (2k + 1) Eigenvon I 2 = K werte k3 = −k, . . . , k und i3 = −k, . . . , k, so dass die Entartung insgesamt (2k + 1)2 = n2 betr¨agt. Auch die Tatsache, dass die Quantenzahl l im Ausdruck h ¯ 2 l(l + 1) f¨ ur die 2 ganzzahlig ist, k¨ onnen wir Eigenwerte des Bahndrehimpulsquadrates L ur die zugeh¨ origen Eigenwerte sofort einsehen: wegen L3 = I3 + K3 gilt f¨ m = i3 + k3 , was immer ganzzahlig sein muss.
13.2 Runge-Lenz-Pauli-Vektor
173
Zuletzt finden wir auch noch die Ungleichung zwischen der Nebenquantenzahl l und der Hauptquantenzahl n. Aus 2 2+ m A 2 = 4K L 2H folgt mit E < 0 l(l + 1) ≤ 4k(k + 1) = n2 − 1 und somit l ≤ n − 1. Wir haben gesehen, dass im Falle des 1/r-Potenzials eine spezielle gr¨ oßere Symmetrie vorliegt, die sich in der Erhaltung des Lenzvektors und in der zus¨atzlichen Entartung der Energien niederschl¨ agt. Mit ihrer Hilfe lassen sich nicht nur die Energiewerte bestimmen, sondern man kann auch die Zust¨ande mittels geeigneter Leiteroperatoren konstruieren, was wir hier aber nicht besprechen wollen.
14 Teilchen im elektromagnetischen Feld Bislang haben wir die Quantenmechanik eines Teilchens in einem ¨ außeren Potenzial einigermaßen verstanden. Ein geladenes Teilchen, das sich in einem Magnetfeld bewegt, versp¨ urt jedoch die Lorentzkraft, zu der es kein Potenzial gibt. Wenn wir Ph¨ anomene wie den Diamagnetismus oder den Zeemaneffekt verstehen wollen, m¨ ussen wir unseren Formalismus erweitern. Die wichtigste Rolle spielt der Hamiltonoperator. Wir wollen uns nun den Hamiltonoperator f¨ ur ein Teilchen im elektromagnetischen Feld beschaffen.
14.1 Hamiltonoperator In der Elektrodynamik k¨onnen wir die Feldst¨ arken aus dem Vektorpotenzial und dem skalaren Potenzial Φ gem¨ A aß − ∇Φ =−∂A E ∂t =∇×A B ableiten. In der klassischen Theorie lautet die Lorentzkraft auf ein Teilchen
+ r˙ × B , FL = e E wobei e die Ladung des Teilchens ist. Die Bewegungsgleichung ist
+ e r˙ × ∇ × A + r˙ × B = −e∇Φ − e ∂ A m r¨ = e E ∂t oder in Komponenten ∂Φ ∂Aj + ex˙ k −e mx ¨j = −e ∂xj ∂t
∂Aj ∂Ak − ∂xj ∂xk
.
Diese kann man aus der Lagrangefunktion L(r, r˙, t) =
m˙2 − Φ) r + e(r˙ · A 2
erhalten. Hierzu rechnen wir die Euler-Lagrange-Gleichungen ∂L d ∂L = dt ∂ x˙ j ∂xj
176
14 Teilchen im elektromagnetischen Feld
aus: ∂L = m x˙ j + eAj ∂ x˙ j ∂Φ ∂L ∂Ak = −e + ex˙ k ∂xj ∂xj ∂xj pj ≡
d ∂ dxk ∂Aj d pj = m x ¨j + e Aj = m x ¨j + e Aj + e dt dt ∂t dt ∂xk und durch Gleichsetzen der beiden letzten Ausdr¨ ucke erhalten wir die obigen Bewegungsgleichungen. Die Hamiltonfunktion geht aus der Lagrangefunktion durch eine Legendretransformation hervor: H( p, r, t) = p · r˙ − L. Wir benutzen p = m r˙ + eA und erhalten
2 1
+ eΦ. p − eA 2m Wir pr¨ ufen das, indem wir die Hamiltongleichungen ausrechnen. H=
∂H , x˙ j = ∂p ⏐ j :
1 p − eA r˙ = m
∂H p˙j = − ∂x ⏐ j :
p˙ = −e∇Φ +
e m (pk
− eAk )∇Ak
∂ , mr¨ = −e∇Φ − e ∂t A + e r˙ × ∇ × A
was die korrekten Gleichungen sind. In der Quantenmechanik machen wir den Ansatz 2 1 + eΦ. P − eA H= 2m Die Wirkung von H auf eine Wellenfunktion ist 6 5 2 ¯h 1 + eΦ ψ(r, t) ∇ − eA Hψ(r, t) = 2m i ¯h2 Δ + eΦ(r, t) ψ(r, t) ←− wie vorher = − 2m 2 ¯he
+A · ∇ ψ(r, t) + e A 2 (r, t)ψ(r, t). ∇·A − 2im 2m
14.2 Konstantes Magnetfeld
177
Achtung, hier steht wieder eine Falle bereit: es ist
r , t) = divA( r , t) ψ(r, t) + A · ∇ψ(r, t). ∇ · Aψ( In der Coulombeichung, = 0, divA verschwindet ein Term und wir halten fest: Hψ = −
¯2 h he ¯ e2 2 Δψ + eΦψ + i A · ∇ψ + A ψ. 2m m 2m
14.2 Konstantes Magnetfeld Betrachten wir zun¨achst den Fall eines konstanten homogenen Magnetfeldes Man kann w¨ahlen B. = − 1 r × B. A 2 ist, lautet Der Term in Hψ, der linear in A i¯ he he i¯ he ) · ∇ψ = i¯ A · ∇ψ = − (r × B (r × ∇) · Bψ m 2m 2m e L · Bψ =− 2m , = ˆ −m · Bψ und entspricht der Energie eines magnetischen Momentes m =
e L 2m
im ¨außeren Magnetfeld. In der Tat ist f¨ ur ein System von Punktteilchen e 1 d3 r r × je = L. m = 2 2m Der obige Term liefert einen Beitrag zum Paramagnetismus von Atomen. quadratische Beitrag ist Der in A 2
e2 e2 2 )2 ψ = e )2 ψ. A ψ= (r × B r 2 B 2 − (r · B 2m 8m 8m
178
14 Teilchen im elektromagnetischen Feld
W¨ahlen wir speziell = (0, 0, B), B so lautet er
e2 B 2 2 e2 2 A ψ= (x + y 2 )ψ. 2m 8m Dieser Term, der quadratisch in B ist, beschreibt ein induziertes magnetisches Moment und liefert einen Beitrag zum Diamagnetismus. Sehen wir uns die Gr¨oßenordnungen an: ¯ und r 2 ≈ a2 (bohrscher 1. F¨ ur Elektronen in Atomen mit Lz = h Radius) ist 2 2 2;
e a2 B e0 B e0 B a 0 Lz B = = 1,1 · 10−6 V sec . 8m 2m 4¯ h 1 m2 Im Labor ist typischerweise B ≤ 1 Vmsec 2 = 1 Tesla
(=10 ˆ 4 Gauß)
assigbar. und daher ist der B 2 -Term normalerweise vernachl¨ 2. Der B-Term ist von der Gr¨ oßenordnung e0 e0 ˜∞ · B Lz B ≈ hB = 4 · 10−6 R ¯ 2m 2m 1 Vmsec 2 und kann als kleine St¨ orung betrachtet werden.
14.3 Bewegung eines Teilchens im konstanten Magnetfeld In diesem Abschnitt untersuchen wir die Bewegung eines geladenen Teilchens in einem konstanten Magnetfeld. Eine Anwendung betrifft das Verhalten von Metallelektronen. Die Leitungselektronen in Metallen lassen sich in guter N¨aherung als Gas von freien Teilchen beschreiben. Das Magnetfeld sei = (0, 0, B). B Wir k¨onnen die elektromagnetischen Potenziale als = B(0, x, 0) , A
Φ=0
14.3 Bewegung eines Teilchens im konstanten Magnetfeld
179
w¨ahlen. Der Hamiltonoperator lautet 2 1 P − eA 2m 8 1 7 2 P2 P1 + (P2 − eBX)2 = 3 + 2m 2m = H + H⊥ ,
H=
wobei H⊥ =
2 1 2m (P1
+ P22 − 2eBP2 X + e2 B 2 X 2 ).
Wegen [H , H⊥ ] = 0 k¨onnen wir die Wellenfunktion separieren ψ(r ) = ψ (z)ψ⊥ (x, y) und es gilt f¨ ur station¨are Zust¨ ande H ψ = E ψ ,
p2 E = 3 , 2m
p z 3 ψ = exp i . h ¯
In z-Richtung haben wir also eine freie Bewegung. ist hingegen nichttrivial. Wir Die Bewegung in der Ebene senkrecht zu B erinnern uns, dass klassisch eine Kreisbewegung stattfindet mit dem Radius p Lz = . r0 = |e|B |e|B Die zugeh¨orige Kreisfrequenz ωc =
|e| B m
heißt Zyklotronfrequenz . Was sagt die Quantenmechanik? Die station¨ are Schr¨ odingergleichung H⊥ ψ⊥ (x, y) = E⊥ ψ⊥ (x, y) l¨asst sich mit dem Ansatz ψ⊥ = eik2 y ϕ(x) ,
p2 ≡ ¯ hk2
180
14 Teilchen im elektromagnetischen Feld
l¨ osen. Es folgt ,
1 p2 2 2 2 2 P +e B x− ϕ(x)eik2 y H⊥ ψ⊥ = 2m 1 eB = E⊥ ϕ(x)eik2 y , woraus wir f¨ ur ϕ(x) die Gleichung 1 2 m 2 2 P + ωc (x − x0 ) ϕ(x) = E⊥ ϕ(x) 2m 1 2 mit
p2 eB erhalten. Dies ist die Schr¨odingergleichung eines harmonischen Oszillators. Die L¨osungen sind uns bekannt: " # ¯ ωc n + 12 , E⊥ = h x0 =
ϕ(x) = ϕn (x − x0 ). Die kompletten Ausdr¨ ucke f¨ ur Energie und Wellenfunktion sind somit
E=
" # p23 +h ¯ ωc n + 12 2m
ψ(r ) = eik3 z eik2 y ϕn x −
¯ k2 h eB
.
Diese Zust¨ande heißen Landauniveaus nach dem sowjetischen Physiker L.D. Landau. Sie sind nicht in der Koordinaten y lokalisiert. Die Energie E h¨angt nicht von k2 ab, so dass eine unendlichfache Entartung vorliegt. Die allgemeine Eigenfunktion ist eine Superposition dieser L¨ osungen bez¨ uglich k2 :
dk2 ˜ ik3 z k2 ψ(r ) = e . f (k2 )eik2 y ϕn x − ¯heB 2π Wenn wir die gefundene Energie E⊥ in der Form E⊥ = −mz B schreiben, so ist das magnetische Moment mz = −
|e|¯ h (2n + 1). 2m
14.4 Normaler Zeemaneffekt
181
F¨ ur Elektronen mit e = −e0 ist mz = −
h e0 ¯ (2n + 1) = −μB (2n + 1) 2m
atzmit dem bohrschen Magneton μB . Wir stellen somit fest, dass ein zus¨ liches magnetisches Moment in Richtung von −B auftritt. Dieses f¨ uhrt zum sogenannten landauschen Diamagnetismus, der in der Festk¨ orperphysik behandelt wird.
14.4 Normaler Zeemaneffekt Wie wirkt sich ein Magnetfeld auf das Spektrum des Wasserstoffatoms aus? = (0, 0, B). F¨ Wir w¨ahlen B ur nicht zu starke Magnetfelder k¨ onnen wir den in B quadratischen Term vernachl¨ assigen und haben den Hamiltonoperator e BLz , H = H0 − 2m wobei
1 2 γ P − 2m R der Hamiltonoperator ohne Magnetfeld ist. Die Eigenvektoren |nlml von H0 sind Eigenvektoren von Lz und damit auch von H: ˜H R eB hml |nlml . ¯ H|nlml = − 2 − n 2m H0 =
Die Energie lautet daher E = En +
e0 B h · ml = En + h ¯ ¯ ω L · ml , 2m
wobei wir e = −e0 gesetzt haben und ωL =
e0 B 2m
die Larmorfrequenz ist. Wir erkennen, dass das Magnetfeld eine (2l + 1)fache Aufspaltung der Energieniveaus bewirkt. Es ist ˜∞ · ¯hωL = 4 · 10−6 · R
B 1 Vsec m2
und f¨ ur typische Laborfeldst¨arken ist die Aufspaltung klein.
182
14 Teilchen im elektromagnetischen Feld
l=1
3 Niveaus
l=2
5 Niveaus
2 l + 1 Niveaus
Der experimentelle Befund ist allerdings ein anderer. F¨ ur das H-Atom beobachtet man zwar eine Aufspaltung der Terme im Magnetfeld, diese ist aber anders als oben vorhergesagt. Die Ursache daf¨ ur ist der Spin, den wir im Folgenden behandeln werden. Das oben beschriebene Ph¨anomen heißt normaler Zeemaneffekt und ist nach seinem Entdecker P. Zeeman (1896) benannt. Es tritt bei einigen Ato ist men ohne resultierenden Gesamtspin auf. Der relevante Drehimpuls L dann der Gesamtbahndrehimpuls. Beispiele sind die 2-Elektronen-Systeme: He, Erdalkalien, Hg, Cd, Zn. F¨ ur die Strahlung dieser Atome gilt die Auswahlregel Δml = 0, ± 1. Die Spektrallinien spalten daher im Magnetfeld in 3 Linien auf, die das Zeemantriplett bilden.
15 Spin 15.1 Experimentelle Hinweise Der Spin ist eine Eigenschaft von Elektronen und anderen Teilchen, die im Rahmen der bisher betrachteten Schr¨ odingergleichung nicht beschrieben werden kann. Mehrere experimentelle Tatsachen haben schon im ersten Viertel dieses Jahrhunderts auf die Existenz des Spins hingewiesen. a) Dublettcharakter von Atomspektren Bei Atomen mit ungerader Ordnungszahl Z, z.B. bei Alkaliatomen oder beim H-Atom, beobachtet man beim Zeemaneffekt eine Aufspaltung der Linien, die einer Aufspaltung der Spektralterme in eine gerade Anzahl von Niveaus entspricht. Dies w¨ urde formal eine halbzahlige Quantenzahl m3 bedeuten. Auf dieser Grundlage formulierten Uhlenbeck und Goudsmit 1925 die Spinhypothese. b) Stern-Gerlach-Experiment Otto Stern und Walter Gerlach f¨ uhrten 1921 den ber¨ uhmten Versuch (Nobelpreis 1943) durch, bei dem ein aus Silberatomen bestehender Atomstrahl durch ein inhomogenes Magnetfeld geschickt wurde. Das Magnetfeld war so beschaffen, dass eine Ablenkung der Atome proportional zur z-Komponente ihres magnetischen Momentes stattfand. Es zeigte sich eine Aufspaltung des Strahls in 2 Teilstrahlen. Unter der Annahme, dass das magnetische Moment proportional zum Drehimpuls ist, kann die z-Komponente des Drehimpulses in dem Experiment also nur 2 m¨ogliche Werte zeigen. Dies deutet auf einen Drehimpuls mit l = 1/2 hin. c) Einstein-de Haas-Effekt Die durch eine Ummagnetisierung eines Magneten bewirkte Drehimpuls¨anderung ist mit dem Spin verkn¨ upft.
15.2 Spin 1/2 Wir wollen nun die Hinweise auf einen halbzahligen Drehimpuls ernst nehmen und untersuchen, wie er theoretisch zu beschreiben w¨ are. Zum Bahndrehimpuls geh¨oren bekanntlich nur ganzzahlige Quantenzahlen. Ein halbzahliger Drehimpuls muss daher eine neuartige Eigenschaft von Teilchen sein.
184
15 Spin
ein Drehimpulsoperator, d.h. seine Komponenten sollen die VertauSei S schungsrelationen h εjkl Sl [Sj , Sk ] = i¯ erf¨ ullen. Aus unserer allgemeinen Untersuchung dieser Algebra in Kapitel 2 und S3 finden 9 wissen wir, dass sich gemeinsame Eigenzust¨ ande von S lassen mit 2 | = s(s + 1)¯ h2 |
S h| . S 3 | = ms ¯ Sei nun
1 s= , 2
so dass f¨ ur ms die beiden Werte ms = ±
1 2
m¨oglich sind. Wir schreiben S3 |+ = ¯h2 |+ ,
S3 |− = − ¯h2 |−
und es sei +|− = 0 ,
+|+ = −|− = 1.
Die beiden Eigenvektoren spannen einen zweidimensionalen komplexen Vektorraum H2 auf. Ein Vektor |χ kann zerlegt werden als χσ |σ , |χ = χ+ |+ + χ− |− = σ=±
wobei |χ+ |2 + |χ− |2 = 1. In der Komponentendarstellung schreiben wir die Vektoren in der Form χ+ 1 0 |χ = , |+ = , |− = . χ− 0 1 Zweikomponentige komplexe Vektoren dieser Art heißen Spinoren. Die Observable S3 wurde als diagonal vorausgesetzt und hat in der Komponentendarstellung die Gestalt h 1 ¯ 0 . S3 = 0 −1 2
15.2 Spin 1/2
185
Wie sehen S1 und S2 aus? Dazu betrachten wir wieder die Leiteroperatoren S± = S1 ± i S2 , deren Wirkung auf die Basisvektoren die Folgende ist: 1 0 0 1 S+ = , S+ =h ¯ 0 0 1 0 0 0 1 0 = , S− =h ¯ . S− 1 0 0 1 In Matrixform gilt somit
¯ S+ = h
0 1 0 0
,
und hieraus erhalten wir ¯h 0 1 , S1 = 1 0 2
S− = h ¯
¯ h S2 = 2
0 0 1 0
0 −i i 0
.
Die drei Matrizen S1 , S2 und S3 fassen wir zusammen zu dem Vektor ¯ =h S σ 2 mit den drei Paulimatrizen 0 1 0 −i , σ2 = , σ1 = 1 0 i 0
σ3 =
1 0 0 −1
.
Die Paulimatrizen erf¨ ullen folgende Beziehungen, die man sich merken soll: a)
[σj , σk ] = 2 i εjkl σl , also
b)
σj2 = 1
c)
σj σk + σk σj = 2δkj .
[σ1 , σ2 ] = 2 i σ3
Aus ihnen erhalten wir 1 σ1 σ2 = (σ1 σ2 − σ2 σ1 ) = i σ3 , 2
σ2 σ3 = i σ1 ,
was wir zusammenfassen in der Gleichung σj σk = δjk + i εjkl σl .
etc.
σ3 σ1 = i σ2 ,
186
15 Spin
15.3 Wellenfunktionen mit Spin Die Freiheitsgrade der r¨aumlichen Bewegung werden beschrieben durch Funktionen r → ψ(r ), die den Hilbertraum HR bilden. Da der Spin kein Bahndrehimpuls ist, muss er ein innerer Freiheitsgrad sein, der unabh¨angig von den r¨aumlichen Freiheitsgraden ist. Wir beschreiben ihn durch Spinoren χσ , die den Raum H2 bilden. Der gesamte Raum der Zust¨ande ist das Tensorprodukt dieser beiden R¨ aume: H = HR ⊗ H2 . Eine Basis ist gegeben durch die Elemente |r |σ ≡ |r ⊗ |σ . Die Zerlegung eines beliebigen Zustandes in dieser Basis wird in der Form d3 r ψσ (r ) |r |σ
|ψ = σ
geschrieben. Hier treten zwei Wellenfunktionen ψσ (r ) ,
σ=±
auf, die wir zur Spinorwellenfunktion ψ+ (r ) ψ(r ) = ψ− (r ) zusammenfassen. Diese tritt nun an die Stelle der bisherigen schr¨ odingerschen Wellenfunktion. Wir definieren " ∗ # ∗ (r ), ψ− (r ) . ψ † (r ) = ψ+ Das innere Produkt von Spinorwellenfunktionen wird wie folgt gebildet: 3 † d3 r ψσ∗ (r )χσ (r ) ψ|χ = d r ψ (r )χ(r ) = =
"
σ
# ∗ ∗ χ+ + ψ− χ− . d3 r ψ+
Die Norm eines Zustandes lautet entsprechend # " 3 2 d r |ψσ (r )| = d3 r |ψ+ |2 + |ψ− |2 ≡ 1. ψ|ψ = σ
15.4 Pauligleichung
187
F¨ ur die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte gilt also ρ(r ) = ψ † (r )ψ(r ) = |ψ+ |2 + |ψ− |2 . Die Erwartungswerte f¨ ur die Komponenten des Spins berechnet man gem¨ aß ψ(r ) ψ|S|ψ = d3 r ψ † (r )S " ∗ # ψ+ (r ) 3 ∗ = d r ψ+ (r ), ψ− (r ) S ψ− (r )
ψσ (r ), d3 r ψσ∗ (r ) S = σσ
σ,σ
z. B. ψ|S3 |ψ =
d3 r
¯ h 2
"
# |ψ+ |2 − |ψ− |2 .
Wir erkennen, wie die Komponenten der Spinorwellenfunktionen zu interpretieren sind: ψσ (r ) = σ| r |ψ
ist eine Wahrscheinlichkeitsamplitude, und das zugeh¨ orige |ψσ (r )|2 ist die Wahrscheinlichkeitsdichte daf¨ ur, dass das Teilchen am Ort r mit Spin σ gefunden wird.
15.4 Pauligleichung Wie lautet der Hamiltonoperator f¨ ur ein Teilchen mit Spin 1/2, z.B. ein Elektron? F¨ ur ein freies Teilchen ist H=
1 2 P . 2m
Nun betrachten wir den Fall, dass das Teilchen sich im elektromagnetischen mit einem Feld bewegt. Wir wissen schon, dass der Bahndrehimpuls L e upft ist und es einen zugeh¨ origen magnetischen Moment m = 2m L verkn¨ Term ·B =− e L ·B H m = −m 2m
188
15 Spin
im Hamiltonoperator gibt. Wir k¨ onnen erwarten, dass zum Spin ebenfalls ein magnetisches Moment geh¨ ort, und schreiben dieses als m Spin = g
e S. 2m
Der hier eingef¨ uhrte Proportionalit¨ atsfaktor g heißt gyromagnetischer Fak¨ tor bzw. Land´efaktor . Sein Wert kann im Rahmen unserer Uberlegungen nicht vorhergesagt werden, denn der Spin ist keine klassische Eigenschaft. Er wurde experimentell mittels des Zeemaneffektes und des Einstein– de Haas–Versuches bestimmt und man fand den anormalen g-Faktor“ ” g = 2. Der magnetische Beitrag des Spins zum Hamiltonoperator ist somit HSpin = −g
e ¯ h e = μB σ · B S·B =− σ · B 2m m2
lautet und der gesamte Beitrag proportional zu B e ·B . L + 2S H1 = − 2m Der Wert von g ist nicht exakt gleich 2, sondern wurde experimentell und theoretisch in der Quantenelektrodynamik zu g = 2,002 319 304 386 (20) bestimmt. Noch eine Bemerkung zum Land´efaktor: die relativistische Wellengleichung f¨ ur das Elektron, die Diracgleichung, liefert im nichtrelativistischen Grenzfall den Hamiltonoperator 82 1 7 · σ + eΦ. P − eA H= 2m Hierin ist 2
7
82
+ i σ · P − eA × P − eA · σ = P − eA P − eA 7 8
2 +A × P . − i e σ · P × A = P − eA Mit
¯ ¯ )= h +A × P = h (rot A B P × A i i
15.4 Pauligleichung
189
folgt
2 h 1 − e¯ + eΦ P − eA σ · B 2m 2m und dies bedeutet g = 2. H=
Das Analogon zur zeitabh¨angigen Schr¨ odingergleichung mit obigem Hamiltonoperator ist die Pauligleichung ∂ ψ+ (r, t) ih ¯ = ∂t ψ− (r, t) 2 e¯ h 1 ( r , t) ψ + r , t) + eΦ(r, t) − r , t) . P − eA( σ · B( ψ− (r, t) 2m 2m
In dem speziellen Fall eines konstanten kleinen Magnetfeldes finden wir quadratischen Terms unter Vernachl¨assigung des in B e 1 2 . P + eΦ − L+h ¯ σ · B H= 2m 2m 15.4.1 Spinpr¨ azession Als Beispiel f¨ ur die Dynamik des Spins betrachten wir ein Teilchen mit Spin 1/2 in einem konstanten homogenen Magnetfeld. Wir nehmen das Teilchen als ruhend an und beschr¨ anken uns auf die Diskussion des Spinfreiheitsgrades, d.h. die Abh¨ angigkeit der Wellenfunktion vom Ort wird ¨ nicht betrachtet. Die zeitliche Anderung des Spinors ψ+ (t) ψ(t) = ψ− (t) ist bestimmt durch i¯ h
d ψ(t) = Hψ(t) dt
mit
Mit der speziellen Wahl = (0, 0, B) B
H =−
e¯ h σ · B. 2m
190
15 Spin
lautet dies explizit d i¯ h dt
ψ+ (t) ψ− (t)
e¯ hB =− 2m
ψ+ (t) −ψ− (t)
.
Diese Gleichung l¨asst sich leicht l¨ osen. Mit der Larmorfrequenz ωL = eB/2m schreiben wir die L¨osung als
ψ+ (t) ψ− (t)
i −h Ht ¯
=e
F¨ ur
ψ(0) =
ψ+ (0) ψ− (0) a b
=
eiωL t ψ+ (0) e−iωL t ψ− (0)
.
,
a, b ∈ R
h¨angt der Erwartungswert des Spins = ψ † (t) h¯ σ ψ(t) S 2
z
folgendermaßen von der Zeit ab: S1 = ab¯h cos(2ωL t) S2 = −ab¯h sin(2ωL t) h ¯ S3 = (a2 − b2 ) . 2
Er f¨ uhrt also eine Pr¨azessionsbewegung um die Achse des Magnetfeldes mit azession ist identisch mit der Frequenz 2ωL aus. Diese sogenannte Larmorpr¨ h/2m in der klassischen derjenigen, die ein magnetisches Moment μB = e¯ Elektrodynamik vollf¨ uhrt.
15.5 Stern-Gerlach-Versuch Wir werden jetzt den Stern-Gerlach-Versuch mit Hilfe der Pauligleichung beschreiben. Statt der Silberatome betrachten wir der Einfachheit halber Elektronen und setzen e = −e0 . Die Geometrie des Versuches ist in der nachfolgenden Abbildung skizziert.
15.5 Stern-Gerlach-Versuch
191
z
Strahl
y
x Das inhomogene Magnetfeld sei r ) = (−B1 x, 0, B1 z) B( und als Vektorpotenzial w¨ahlen wir = (0, B1 xz, 0). A Unter Vernachl¨assigung des A2 -Terms lautet der Hamiltonoperator H=
e 1 2 P − XZ Py − μB σ1 B1 X + μB σ3 B1 Z. 2m m
Den zweiten Term k¨onnen wir ebenfalls vernachl¨ assigen, wenn das Wellenpaket in der N¨ahe der y-Achse konzentriert ist. Dann separiert der Hauglich der zmiltonoperator in drei Teile: H = Hx + Hy + Hz , und bez¨ Komponente erhalten wir den Hamiltonoperator Hz =
1 2 P + μB σ3 B(Z) 2m 3
ur ψ(z, t) lautet mit B(z) = B1 z. Die Pauligleichung f¨ 1 2 ∂ ψ+ (z, t) 1 0 ψ+ (z, t) P + μB B(z) = ih ¯ 0 −1 ψ− (z, t) ∂t ψ− (z, t) 2m 3 oder in Spinorkomponenten ∂ ih ¯ ψ± = ∂t
1 2 P ± μB B(z) ψ± . 2m 3
192
15 Spin
Diese Gleichungen sind identisch mit der Schr¨ odingergleichung f¨ ur den freien Fall mit der Beschleunigung ∓μB B1 /m in z-Richtung: ∂ ih ¯ ψ± = ∂t
¯ 2 ∂2 h − ± μB B1 z ψ± . 2m ∂z 2
Der Anfangszustand zur Zeit t = 0 sei ein Eigenvektor von Sx und werde beschrieben durch ψ± (z, 0) = f (z), wobei f (z) um z = 0 konzentriert sei. Es ist dann Sx ψ =
¯ h ψ. 2
z t=0 ψ−
ψ+
Zu einer Zeit t > 0 hat der freie Fall“ auf die Komponenten ψ+ und ψ− ” gewirkt mit dem Resultat
μB B1 2 t ψ+ (z, t) ≈ f z + 2m μB B1 2 t . ψ− (z, t) ≈ f z − 2m Durch die Funktionen ψ± (z) werden die beiden in z-Richtung auseinander laufenden Teilstrahlen dargestellt.
15.5 Stern-Gerlach-Versuch
193
z t>0 ψ−
ψ+
Betrachte den lokalen z-abh¨angigen Erwartungswert von Sz , der proportional ist zu ψ † (z)σ3 ψ(z) = |ψ+ |2 − |ψ− |2 . F¨ ur t = 0 ist er u ahrend er zu sp¨ ateren Zeiten den folgen¨berall gleich 0, w¨ den Verlauf hat:
| ψ+ | - | ψ− | 2 2
t>0
z
F¨ ur Zeiten t > 0 sehen wir: ¯ h 2 h ¯ f¨ ur z < 0 : wahrscheinlicher Messwert Sz = + . 2 f¨ ur z > 0 : wahrscheinlicher Messwert Sz = −
194
15 Spin
Die Spinorwellenfunktion beschreibt also die Aufspaltung in zwei Teilstrahlen, die in die positive bzw. negative z-Richtung laufen und zu entgegenoren, wie es der Beobachtung entspricht. gesetzten Eigenwerten von Sz geh¨
15.6 Drehung von Spinoren 15.6.1 Eigenspinoren zu beliebigen Richtungen amlich |+ ( Spin up“) und Wir haben die Eigenvektoren von Sz , n¨ ” |− ( Spin down“), kennengelernt. Wenn nun die Messapparatur die x” Komponente Sx des Spins misst, sind wir an den Eigenvektoren von h ¯ h 0 1 ¯ S x = σx = 1 0 2 2 interessiert. Die Eigenwerte sind ± ¯h2 . Wir schreiben die Eigenwertgleichung als Sx |X± = ± ¯h2 |X± ,
bzw. σx
χ+ χ−
=±
χ+ χ−
,
|χ+ |2 + |χ− |2 = 1.
Die L¨osung ist (bis auf einen konstanten Faktor vom Betrag 1) 1 1 1 1 √ √ , |X− = . |X+ = 2 1 2 −1 Noch mutiger fragen wir nun nach den Eigenvektoren f¨ ur eine beliebige Spinkomponente. Eine beliebige Richtung sei spezifiziert durch den Vektor e , |e| = 1: e = (sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ). Wir definieren die zugeh¨orige Spinkomponente −iϕ h ¯ h ¯ cos ϑ sin ϑ e = e · σ = . Se = e · S sin ϑ eiϕ − cos ϑ 2 2 Die Eigenwertgleichung ist Se |e± = ± ¯h2 |e±
15.6 Drehung von Spinoren
195
und hat die L¨osungen
cos ϑ2 sin ϑ2 eiϕ
|e+ =
− sin ϑ2 e−iϕ + cos ϑ2
|e− =
,
die bis auf einen Phasenfaktor eiγ eindeutig sind. Jetzt stellen wir die umgekehrte Frage. Es sei ein beliebiger Spinor gegeben: χ+ . χ= χ− Ist χ Eigenvektor zu einer geeigneten Spinkomponente? Wegen |χ+ |2 + |χ− |2 = 1 k¨onnen wir schreiben χ+ = cos
ϑ iα+ e , 2
χ− = sin
ϑ iα− e 2
und folglich χ∼
cos ϑ2 sin ϑ2 eiϕ
,
mit ϕ = α− − α+ .
Durch Vergleich mit obigem Ausdruck f¨ ur |e+ sehen wir, dass χ Eigenvek tor zu einer Spinkomponente Se = e · S ist, wobei die Richtung durch e = χ†σ χ gegeben ist. Salopp gesagt: Ein Spinor ist die Quadratwurzel aus einem ” Vektor“. Zusammengefasst: zu jedem Zustand in H2 , d.h zu jedem Spinor χ modulo Phasenfaktor, geh¨ort eineindeutig ein Einheitsvektor e, so dass χ einen Spin beschreibt, der in Richtung von e zeigt. 15.6.2 Drehungen Ein Spinor ist ein zweikomponentiger komplexer Vektor aus H2 . Das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit. Nicht jeder zweikomponentige komplexe Vektor hat die Ehre, sich Spinor nennen zu d¨ urfen. Er muss sich
196
15 Spin
auch richtig unter Drehungen transformieren. Was das heißt, wollen wir nun betrachten. Eine r¨aumliche Drehung wird beschrieben durch
α) · r . r → r = R( Wie transformiert sich ein Spinor χ → χ unter der Drehung? Auf jeden Fall muss f¨ ur den Spinor χ = |e+ die Drehung zu χ = |e+ f¨ uhren, wobei α) · e ist. e = R( Behauptung:
erzeugt Drehungen von Spinoren, S i
α)χ. χ = e− h¯ α ·S χ ≡ US (
d.h. Beweis: Sei
χ†σ χ = e,
dann ist zu zeigen
χ +σ χ = e ,
was dasselbe ist wie i
i
α)χ†σ χ. χ† e+ h¯ α ·S σ e− h¯ α ·S χ = R( Es gen¨ ugt also zu zeigen: i
i
α) · σ . e 2 α ·σ σ e− 2 α ·σ = R( F¨ ur infinitesimale Drehungen lautet dies / . / . × σ α · σ σ 1 − 2i δ α · σ = σ + δα 1 + 2i δ bzw. α · σ , σ ] = σ + δ α × σ σ + 2i [δ und folgt aus der Algebra der Paulimatrizen: i 2
[δαj σj , σk ] = 2i δαj 2i εjkl σl = εkjl δαj σl .
F¨ ur endliche Drehungen mit α = α·n folgt unter Benutzung von (n ·σ )2 = 1 die Beziehung i
α) = e− 2 α ·σ = cos α2 · 1 − i sin α2 n · σ , US ( mit deren Hilfe man den Beweis f¨ ur endliche Drehungen f¨ uhren kann.
15.6 Drehung von Spinoren
197
Die spezielle Drehung mit α = ϑ, n = (− sin ϕ, cos ϕ, 0) dreht e3 = (0, 0, 1) nach e = (sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ). F¨ ur diese Drehung ist ⎞ ⎛ cos ϑ2 − sin ϑ2 e−iϕ ⎠ α) = cos ϑ2 1 + i sin ϑ2 (sin ϕ σ1 − cos ϕ σ2 ) = ⎝ US ( ϑ iϕ ϑ sin 2 e cos 2 ¨ in Ubereinstimmung mit
α) US ( α) US (
1 0 0 1
= |e+
= |e− .
Bei der Drehung von Spinoren tritt die H¨ alfte des Drehwinkels auf. ( Ein ” Spinor ist die Quadratwurzel aus einem Vektor“.) Dies f¨ uhrt zu einer bemerkenswerten Tatsache: bei Drehungen um den Winkel 2π ist US (2πn ) = −1 und folglich χ = −χ, so dass der Spinor sein Vorzeichen wechselt. Eine vollst¨ andige Drehung f¨ uhrt also bei Teilchen mit Spin 1/2 nicht zum gleichen Vektor im Hilbertraum. Diese merkw¨ urdige Eigenschaft wurde im Falle von Neutronen durch Experimente mit einem Neutroneninterferometer best¨ atigt. Wir haben soweit die Transformation von Spinoren unter Drehungen betrachtet. Wie transformiert sich die gesamte Spinorwellenfunktion? F¨ ur schr¨odingersche Wellenfunktionen haben wir fr¨ uher gefunden α)ψ(r ) ψ (r ) = UL ( = ψ(R(− α )r ). F¨ ur die zweikomponentige Spinorwellenfunktion m¨ ussen wir sowohl die einzelnen Komponenten bez¨ uglich ihrer Ortsabh¨ angigkeit nach diesem Gesetz transformieren als auch den Spinor gem¨ aß der oben gefundenen Regel: ψ+ (r ) ψ(r ) = ψ− (r ) geht u ¨ber in
α) ψ (r ) = US (
UL ( α)ψ+ (r ) α)ψ− (r ) UL (
i
α)UL ( α)ψ(r ) = e− h¯ α ·(L+S ) ψ(r ). = US ( Hier lesen wir ab:
198
15 Spin
+S erzeugt r¨ Der Gesamtdrehimpuls J = L aumliche Drehungen.
15.7 Der Messprozess, illustriert am Beispiel des Spins, oder: Die Mysterien der Quantenwelt“ ” Die Eigent¨ umlichkeiten der Quantenphysik und des quantenphysikalischen Messprozesses lassen sich sehr gut am Beispiel des Spins verdeutlichen. Wir betrachten dazu Teilchen mit Spin 1/2, die einen Stern-Gerlach-Apparat durchlaufen. In den Abbildungen symbolisieren wir den Apparat durch einen Kasten. Die Aufschrift Z“ zeigt an, dass der Apparat in z-Richtung ” orientiert ist, d.h. er trennt die Teilchen nach der z-Komponente des Spins. Ein in y-Richtung eintretender Strahl von Teilchen wird durch den Apparat in zwei Teilstrahlen aufgespalten. Die Eigenschaft der Teilchen, zum oberen bzw. unteren Teilstrahl zu geh¨ oren, bezeichnen wir mit Z± . Wir wissen, dass sie zum Wert der Spinkomponente S3 korrespondiert.
z Z y x
Z + : spin down,
Z+ Z− oberer Teilstrahl
Z − : spin down, unterer Teilstrahl
15.7 Der Messprozess, illustriert am Beispiel des Spins
199
a) Pr¨ aparation Mit dem Stern-Gerlach-Apparat k¨ onnen wir einen Zustand pr¨ aparieren, indem wir einen Teilstrahl herausfiltern. Dazu wird einfach der andere Teilstrahl durch einen Verschluss zur¨ uckgehalten.
Z+
Z
Vom Vorliegen der Eigenschaft Z+ u ¨ berzeugen wir uns durch eine Kontrollmessung:
Z+ Z
Z
Z+
Ergebnis: der herausgefilterte Teilstrahl hat die Eigenschaft Z+ . Wir sprechen auch vom Zustand Z+“. In der Notation der vorigen Abschnitte: ” 1 Zustand Z+ ≡ |+ = . 0 Wir wollen aber in diesem Abschnitt zun¨ achst die quantenmechanische Zustandsbeschreibung noch nicht voraussetzen, sondern das Augenmerk auf die Ph¨anomene richten.
b) Zwei zueinander verdrehte Apparate Die Teilchen im pr¨aparierten Zustand Z+ schicken wir nun durch einen zweiten Apparat, der um 90◦ verdreht ist und in x-Richtung orientiert ist.
Z+ Z
X
X+ X−
200
15 Spin
Resultat: eine erneute Aufspaltung in X+ und X− mit gleichen Wahrscheinlichkeiten. In der quantenmechanischen Beschreibung sind dies die Zust¨ande 1 1 1 1 , |X− = √ . |X+ = √ 2 1 2 −1 Dies nur zur Erg¨anzung. Wir wollen, wie gesagt, zun¨ achst nicht auf die quantenmechanische Beschreibung zur¨ uckgreifen. Da die beiden Teilstrahlen aus Z+ hervorgegangen sind, stellen wir uns die Frage: Haben die Elektronen in X+ (oder in X− ) auch immer noch die Eigenschaft Z+ ? Die Antwort kann uns ein weiteres Experiment geben.
c) Reihe von Apparaten In Erweiterung des vorigen Experimentes filtern wir den Zustand X+ heraus und schicken ihn durch einen Apparat, der in z-Richtung orientiert ist. X+
Z+
Z
X
Z
Z+ Z−
Resultat: eine Aufspaltung in Z+ und Z− mit gleichen Wahrscheinlichkeiten. Die Elektronen in X+ , und ebenso in X− , erinnern sich nicht daran, dass sie vorher in Z+ waren. Verallgemeinerung: Statt des pr¨ aparierten Z+ -Zustandes schicken wir von links Teilchen in beliebigen Zust¨ anden in den X-Apparat.
X+ X
z.B. Z+ , Z− , Y+ , ...
Z
Z+ Z−
15.7 Der Messprozess, illustriert am Beispiel des Spins
201
Resultat: die relativen H¨aufigkeiten sind unabh¨ angig davon, was vor dem Apparat X geschieht. Wir bezeichnen X+ als reinen Zustand“. Damit ist Folgendes gemeint: das ” Verhalten eines Systems in einem reinen Zustand h¨ angt nur davon ab, um welchen reinen Zustand es sich handelt, und nicht von der Vorgeschichte oder sonstigen unbekannten Eigenschaften.
Messung Durch einen Stern-Gerlach-Apparat vom Typ X kann an einem Teilchen die Eigenschaft X+ oder X− gemessen werden.
Z+
X
X+ X− Schirm
Durch eine Abschw¨achung des Strahls k¨ onnen wir erreichen, dass immer nur einzelne Elektronen durch den Apparat laufen. Diese kommen jeweils mit X+ oder X− heraus. Es handelt sich also um eine Eigenschaft der einzelnen Teilchen. Die vorher betrachteten Situationen erlauben uns, am vorliegenden Beispiel einige Merkmale des quantenmechanischen Messprozesses festzustellen. Die Elektronen werden durch die Messung mit der Apparatur X in den Zustand X+ oder X− gebracht, die Eigenschaft Z+ geht dabei verloren. Durch die Messung wird der Zustand des Systems im Allgemeinen ge¨andert. ¨ Die Anderung folgt Wahrscheinlichkeitsgesetzen. Nach der Messung hat das System Eigenschaften, die man ihm vorher weder zu- noch absprechen kann.
202
15 Spin
Mathematische Beschreibung Um den Anschluss an den formalen Apparat der Quantenmechanik herzustellen, betrachten wir nun die mathematische Beschreibung der beiden diskutierten Funktionen des Stern-Gerlach-Apparates, n¨ amlich Pr¨ aparation und Messung. 1. Pr¨ aparation
α
Z+
Z
Bei dieser Pr¨aparation wird ein beliebiger Zustand, der nicht orthogonal zu uhrt: Z+ ist, in den Zustand Z+ , bzw. ein Vielfaches davon, u ¨bergef¨
a+ a−
|α −→ eiδ |Z+
1 a+ a+ 1 −→ = eiδ −→ . 0 0 0 |a+ |
Den Zustand vor der Normierung erhalten wir aus dem Ausgangszustand |α durch Projektion auf |Z+ . 1 0 ∼ Projektor P(Z+ ) = |Z+ Z+ | = 0 0 |α → P(Z+ ) |α = |Z+ Z+ |α ∼ =
a+ 0
Fazit: die Pr¨aparation wird durch einen Projektor beschrieben. 2. Messung Fungiert der Apparat Z als Messger¨ at, so wird an einem Teilchen das Vorliegen der Eigenschaft Z+ bzw. Z− registriert. Der vor der Messung vorliegende Zustand sei a+ . |α = a−
15.7 Der Messprozess, illustriert am Beispiel des Spins
203
Z+ α
Z Z− −1
S
+1
Durch die Messung von Z wird das Teilchen in den zugeh¨ origen Zustand Z− oder Z+ u uhrt. Dies geschieht mit den Wahrscheinlichkeiten p− = ¨bergef¨ |a− |2 bzw. p+ = |a+ |2 .
Vorher
Nachher a−
() 0 1
a− oder
a−
p− = | a− |2
a+
() 1 0
a+
,
,
p+ = | a + |2
a+
Die Observable σz habe den Wert +1 im Zustand Z+ und −1 im Zustand Z− . Ihr Erwartungswert ist σz α = p+ · 1 + p− · (−1) = |a+ |2 − |a− |2 = (a∗+ , a∗− )
1 0 0 −1
a+ a−
= α|σz |α .
204
15 Spin
Fazit: die zur Eigenschaft orige Observable σz wird durch die hermi Z geh¨ 1 0 tesche Matrix dargestellt. 0 −1
Interferenz und Superposition Wir haben Charakteristika des quantenmechanischen Messprozesses festgehalten. Jedoch sind wir noch nicht zur eigentlich quantenphysikalischen Natur des Systems vorgestoßen, denn man kann sich auch klassische Systeme und Apparate vorstellen, die so funktionieren. (Auf die Erl¨ auterung eines Beispiels m¨ochte ich hier verzichten.) Im Folgenden wollen wir uns einem Ph¨ anomen zuwenden, das typisch quantenhaft ist und aus dem Rahmen der klassischen Physik f¨ allt. Dazu betrachten wir noch einmal einen Strahl von Teilchen im Zustand Z+ , der durch einen X-Apparat in zwei Teilstrahlen X+ und X− aufgespalten wird.
Z+
X+
X
X−
Frage: K¨onnte es sein, dass die Elektronen im Zustand Z+ durch den X-Apparat sortiert werden, und zwar in eine H¨ alfte mit der Eigenschaft X+ und die andere H¨alfte mit der Eigenschaft X− ? Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir folgendes Arrangement. Zun¨achst wird der Teilstrahl X+ bzw. X− herausgefiltert, durch einen geeigneten Magneten wieder in die Mitte gebracht und anschließend durch einen Z-Apparat geschickt. Das Ergebnis kennen wir schon.
X+
Z+ d1)
X
GesamtAnteil X+
Z
Z+ Z−
0,25 0,25
Z
Z+ Z−
0,25 0,25
Z+ d2)
X X−
X−
15.7 Der Messprozess, illustriert am Beispiel des Spins
205
Durch die Filterung wird die Intensit¨ at halbiert und durch die nachfolgende Aufspaltung nochmals halbiert, so dass jeder Teilstrahl einen Anteil von einem Viertel der Teilchen enth¨ alt. Nun werden bei gleicher Anordnung beide Klappen des X-Apparates ge¨offnet. Wenn die Antwort auf die obige Frage ja“ w¨ are, m¨ ussten sich ” die Intensit¨aten zu jeweils 0,5 addieren, wenn beide Klappen ge¨ offnet sind. urde dann bereits durch die Aufspaltung im Apparat Die Eigenschaft Z+ w¨ X vernichtet werden. Das Ergebnis ist aber ein anderes!
X+
Z+ d3)
Z
X
Z+
1,0 0
X−
¨ Es tritt Interferenz auf: durch das Offnen einer Klappe verringert sich der Anteil der Teilchen im Teilstrahl Z− auf Null. Man beachte, dass immer nur einzelne Teilchen durch den Apparat laufen und somit kein Effekt irgendeiner Strahlwechselwirkung vorliegt. Die Antwort auf obige Frage lautet also: nein“. Wenn die einzelnen Teil” chen jeweils entweder oben oder unten durchgingen, k¨ onnte es keine Interferenz geben. Die Situation ist analog zu derjenigen beim Doppelspaltexperiment. Weiterhin stellen wir fest, dass nicht die Aufspaltung im Apparat X, sondern die Filterung den Zustand ver¨ andert. Ohne Filterung k¨ onnen wir den urspr¨ unglichen Zustand durch Superposition wiederherstellen. Die M¨oglichkeit der Superposition von Teilchenzust¨ anden, die zu Interferenzerscheinungen f¨ uhren kann, ist eine typisch quantenphysikalische Eigenschaft. Die oben vorliegende Superposition von Zust¨ anden lautet im Formalismus so: 1 1 1 1 1 1 1 + = √ |X+ + √ |X−
= |Z+ = 1 −1 0 2 2 2 2
206
¨ und die drei Anordnungen entsprechen folgenden Uberg¨ angen: 1 1 1 d1) −→ 0 2 1 1 1 1 d2) −→ 0 2 −1 1 1 1 1 1 = 1 = + −→ −→ . d3) 0 0 2 1 2 −1
15 Spin
16 Addition von Drehimpulsen 16.1 Addition zweier Drehimpulse Wenn in einem System zwei unabh¨ angige Drehimpulse vorkommen, k¨ onnen sie zu einem Gesamtdrehimpuls zusammengef¨ ugt werden. Beispiele sind: +S i) J = L Bahndrehimpuls plus Spin (2) =S (1) + S ii) S Gesamtspin zweier Elektronen Allgemein betrachten wir zwei Drehimpulse J(1) , J(2) mit den Kommutatoren 8 7 (a) (a) (a) ¯ εjkl Jl Jj , Jk = i h 7 8 (1) (2) Ji , Jk = 0. Die Eigenzust¨ande zum ersten Drehimpuls seien ¯ 2 j1 (j1 + 1)|j1 , m1
(J (1) )2 |j1 , m1 = h (1) J3 |j1 , m1 = h ¯ m1 |j1 , m1
) H(1) = Hj1
und entsprechend f¨ ur J (2) . Die Dimensionen der jeweiligen Vektorr¨ aume sind dim H(1) = 2j1 + 1, dim H(2) = 2j2 + 1. Die Ber¨ ucksichtigung beider Drehimpulse f¨ uhrt zum gesamten Vektorraum H, der als Tensorprodukt der einzelnen Hji gebildet wird: Hj 1 ⊗ Hj 2 ≡ H ,
dim H = (2j1 + 1)(2j2 + 1).
Er besitzt eine Basis bestehend aus den Vektoren |j1 , m1 ; j2 , m2 ≡ |j1 , m1 ⊗ |j2 , m2 . Hierbei sind j1 und j2 fest und −j1 ≤ m1 ≤ j1 −j2 ≤ m2 ≤ j2 .
208
16 Addition von Drehimpulsen
Der Gesamtdrehimpuls J = J (1) + J (2) erf¨ ullt ebenfalls die Drehimpulsalgebra ¯ εjkl Jl . [Jj , Jk ] = i h Welches sind die Eigenwerte und Eigenvektoren von J 2 und J3 in H? (1) (2) Die obige Basis diagonalisiert die Operatoren (J (1) )2 , J3 , (J (2) )2 , J3 .
Gesucht ist die Basis |j, m; j1 ; j2 , die J 2 , J3 , (J (1) )2 , (J (2) )2 diagonalisiert. Insbesondere soll also gelten ¯ 2 j(j + 1)|j, m; j1 ; j2 , J 2 |j, m; j1 ; j2 = h
j ∈ {0, 12 , 1, . . . }
¯ m|j, m; j1 ; j2 , J3 |j, m; j1 ; j2 = h
−j ≤ m ≤ j.
a) Wir betrachten zun¨achst die dritte Komponente (1)
(2)
J3 = J3 + J3 . Wegen ¯ (m1 + m2 )|j1 , m1 ; j2 , m2
J3 |j1 , m1 ; j2 , m2 = h gilt m = m1 + m2 . b) Nun wenden wir uns dem Quadrat des Gesamtdrehimpulses zu. Aufgrund von 8 7 (a) = 0 J 2 , J3 m¨ ussen wir feststellen: |j1 , m1 ; j2 , m2 ist im Allgemeinen kein Eigenvektor von
J 2 .
Daher m¨ ussen wir geeignete Linearkombinationen mit verschiedenen Werten von m1 und m2 bei festem m = m1 + m2 bilden. In der Figur sind f¨ ur das Beispiel j1 = 4 und j2 = 2 alle Wertepaare (m1 , m2 ) eingetragen. Auf den Diagonalen liegen die Punkte mit konstantem m.
16.1 Addition zweier Drehimpulse
209
m2
2 1 m=6
0
5
-1
4
-2 m1 -4
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
Das gr¨oßte m ist mmax = j1 + j2 . Der zugeh¨ orige Zustand ist eindeutig und lautet |j1 , j1 ; j2 , j2 . Daraus folgt: der gr¨oßtm¨ogliche Wert f¨ ur j ist j = j1 + j2 und es gilt | j1 + j2 , j1 + j2 ; j1 ; j2 = |j1 , j1 ; j2 , j2 . 0 12 3 0 12 3 j
m
Das gesamte hierzu geh¨orige Multiplett ist j = j1 + j2 m = −(j1 + j2 ), . . . , j1 + j2 − 1, j1 + j2
Hj1+j2 .
Im restlichen Raum ist das verbleibende gr¨ oßte m gleich j1 + j2 − 1. Im gesamten Raum ist es zweifach entartet. In diesem zweidimensionalen Unterraum geh¨ort ein Vektor zu Hj1 +j2 . Der dazu orthogonale verbleibende Vektor liegt in Hj1 +j2 −1 . Dieses Verfahren kann in gleicher Weise fortgesetzt werden. In der Figur ist die entsprechende Abz¨ahlung der Zust¨ ande durch die Einrahmungen symbolisiert. Hierbei ist zu beachten, dass die eingerahmten Zust¨ ande nicht die gesuchten Linearkombinationen sind, sondern lediglich zur Z¨ ahlung der Dimensionen dienen.
210
16 Addition von Drehimpulsen
Dieses Verfahren endet bei j = |j1 − j2 |. Ergebnis: Bei der Addition zweier Drehimpulse vom Betrag j1 und j2 kann der Gesamtdrehimpuls die Betr¨ age j1 + j2 ,
j1 + j2 − 1, . . . , |j1 − j2 |
annehmen.
Das heißt
j 1 +j2
Hj 1 ⊗ Hj 2 =
Hj .
j=|j1 −j2 |
Die Dimensionsz¨ahlung (2j1 + 1)(2j2 + 1) =
j 1 +j2
(2j + 1)
j=|j1 −j2 |
stimmt. Basistransformation: Die zu bestimmten Werten von j und m geh¨ origen Vektoren sind Linearkombinationen mit verschiedenen m1 und m2 : |j1 , m1 ; j2 , m2 j1 , m1 ; j2 , m2 |j, m; j1 ; j2 . |j, m; j1 ; j2 = m1 +m2 =m
Die auftretenden Koeffizienten heißen Clebsch-Gordan-Koeffizienten. Sie k¨onnen mit Hilfe der Leiteroperatoren berechnet werden. F¨ ur konkrete Werte pflegt man allerdings geeignete Tabellen zu konsultieren. Beispiel: j1 , j1 ; j2 , j2 |j1 + j2 , j1 + j2 ; j1 ; j2 = 1.
16.2 Zwei Spins
1 2
Als wichtiges Beispiel betrachten wir die Addition zweier Spins. j1 = 12 , j2 = 12 ,
dim H = 4.
16.2 Zwei Spins
Notation:
1 2
211
| 12 , 12 ; 12 , 12
| 12 , − 12 ; 12 , 12
| 12 , 12 ; 12 , − 12
| 12 , − 12 ; 12 , − 12
= = = =
| + + = | − + = | + − = | − − =
| ↑↑
| ↓↑
| ↑↓
| ↓↓ .
F¨ ur das Quadrat des Gesamtspins gilt J 2 = (J (1) )2 + (J (2) )2 + 2J (1) · J (2) (1) (2)
(1) (2)
(1) (2)
= 32 h ¯ 2 + 2J3 J3 + J+ J− + J− J+ , und folglich # " 2 h2 | + +
h + 2 ¯h2 ¯h2 | + + = 2¯ J 2 | + + = 32 ¯ " # h2 + 2 ¯h ¯h | − − = 2¯ J 2 | − − = 3 ¯ h2 | − − . 2
22
Mit j(j + 1) = 2 erhalten wir f¨ ur diese beiden Zust¨ ande j = 1,
m = ±1.
Die beiden verbleibenden Zust¨ ande erf¨ ullen " 2 # h − 2 ¯h2 ¯h2 | + − + h ¯ 2 | − +
J 2 | + − = 32 ¯ =h ¯ 2 (| + − + | − + ) , ¯ 2 (| − + + | + − ). J 2 | − + = h Hieraus folgt sofort h2 (| + − + | − + ). J 2 (| + − + | − + ) = 2¯ Dies ist der j = 1, m = 0 Zustand. Damit ist das erste Multiplett vollst¨ andig: j=1 :
|1, 1 = | + +
1 |1, 0 = √ (| + − + | − + ) 2 |1, −1 = | − − .
Die verbleibende Linearkombination erf¨ ullt J 2 (| + − − | − + ) = 0
212
16 Addition von Drehimpulsen
und bildet das Multiplett 1 |0, 0 = √ (| + − − | − + ). 2
j=0: Merke:
antisymmetrisch ←→ Gesamtspin 0 . Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten 12 , m1 ; obigen Formeln leicht abgelesen werden.
16.3 Bahndrehimpuls und Spin
1 2 , m1 |j, m;
1 2;
1 2
k¨ onnen aus
1 2
Das zweite wichtige Beispiel ist die Addition von Bahndrehimpuls und Spin eines Teilchens zum Gesamtdrehimpuls. Hier gilt j1 = l ≥ 1, j2 =
⇒
1 2
j ∈ {l + 12 , l − 12 }.
Eine einfache Rechnung mit Leiteroperatoren liefert l + mj + 2l + 1
1 2
|l ± 12 , mj ; l; |l, mj ∓ 12 ;
1 1 2, ±2 ±
1 2
=
l − mj + 2l + 1
1 2
|l, mj ± 12 ;
1 1 2 , ∓ 2 .
Die Ausnahme hiervon ist der Fall j1 = l = 0,
j2 =
1 2
=⇒
j = 12 ,
f¨ ur den einfach gilt | 12 , ± 12 ; 0;
1 2
= |0, 0;
1 1 2 , ± 2 .
Ausgedr¨ uckt durch Spinorwellenfunktionen lautet die obige Additionsregel ⎞ ⎛ l+mj + 12 ψ ( r ) 1 2l+1 ⎟ ⎜ l,mj − 2 ⎟ ⎜ Ψl+ 1 ,mj ;l (r ) = ⎜ ⎟ 2 ⎠ ⎝ l−mj + 12 ψl,mj + 1 (r ) 2l+1 2
und analog f¨ ur das andere Vorzeichen.
17 Zeitunabh¨ angige St¨ orungstheorie 17.1 Korrekturen zum Hamiltonoperator des Wasserstoffatoms Das wahre Spektrum des Wasserstoffatoms stimmt nicht exakt mit der Vorhersage der Schr¨odingergleichung (Kap. 13) u ¨berein. Einige der Abweichungen lassen sich theoretisch durch Korrekturterme zum Hamiltonoperator beschreiben. Im Rahmen einer relativistischen Behandlung folgen diese aus der Diracgleichung. a) Relativistische kinetische Energie
1 (p2 )2 p2 − + ... 2m 8 m3 c2 Die erste relativistische Korrektur zur kinetischen Energie ber¨ ucksichtigen wir durch einen zus¨ atzlichen Term Ha : E=
m2 c4 + p2 c2 = mc2 +
1 2 γ P − −→ H = H0 + Ha 2m R 1 2 1
γ 2 Ha = − 3 2 P 2 = − + . H 0 8m c 2mc2 R ur atomare Verh¨ altnisse als klein gegen¨ uber H0 betrachtet Ha kann f¨ werden. H0 =
b) Spin-Bahn-Kopplung Die Diracgleichung liefert einen Term, welcher Spin und Bahndrehimpuls koppelt: 1 ·L 1 V (R) S 2 2 2m c R 1 ·L γ . S = 2 2 2m c R3 Man kann diesen Term heuristisch dadurch erkl¨ aren, dass im Ruhesystem des Elektrons der Kern ein Magnetfeld erzeugt, welches durch ·B an den Spin des Elektrons koppelt. den Pauliterm S Hb =
c) Darwinterm Ebenfalls aus der Diracgleichung folgt der Darwinterm (nicht von dem Darwin) Hc =
¯2 h π¯ h2 γ (3) 2 ∇ V (R) = δ (Q ). 8m2 c2 2m2 c2
214
17 Zeitunabh¨angige St¨orungstheorie
Gesucht sind nun die Eigenwerte von H = H0 + Ha + Hb + Hc . uber H0 sind, erwarten wir, dass die EnergieDa Ha , Hb und Hc klein gegen¨ Eigenwerte ungef¨ahr so groß wie diejenigen von H0 sind: E ≈ E (0) . Zur Berechnung der Abweichungen gibt es die Methode der St¨ orungstheorie.
17.2 Rayleigh-Schr¨ odinger-St¨ orungstheorie Der gesamte Hamiltonoperator sei zusammengesetzt aus einem ungest¨orten uhren wir noch einen reellen ParaTeil H0 und einer St¨orung λH1 . Dabei f¨ meter λ ein. H = H0 + λH1 . Das Spektrum von H0 sei uns bekannt. Wir wollen nur die diskreten Eigenwerte betrachten: H0 |n0 = En0 |n0 . (Die hochgestellte Zahl ist hier keine Potenz sondern ein Index.) Gesucht sind die diskreten Eigenwerte und zugeh¨ origen Eigenvektoren von H: H|n = En |n . Annahme: |n und En k¨onnen nach Potenzen von λ entwickelt werden: En = En0 + λEn1 + λ2 En2 + . . . |n = |n0 + λ|n1 + λ2 |n2 + . . .
(unnormiert).
17.2.1 Nicht entartete St¨ orungstheorie osende Die ungest¨orten Eigenzust¨ande |n0 seien nicht entartet. Die zu l¨ Eigenwertgleichung ist (H0 + λH1 )(|n0 + λ|n1 + . . . ) = (En0 + λEn1 + . . . )(|n0 + λ|n1 + . . . ). Geordnet nach Potenzen von λ lautet das " # " # H0 |n0 + λ H0 |n1 + H1 |n0 + · · · = En0 |n0 + λ En0 |n1 + En1 |n0 + . . .
17.2 Rayleigh-Schr¨odinger-St¨orungstheorie
215
Da die Gleichung f¨ ur alle λ erf¨ ullt sein soll, m¨ ussen die Koeffizienten jeder Potenz von λ f¨ ur sich schon Null ergeben. In niedrigster Ordnung folgt daraus (I) H0 |n0 = En0 |n0 , was wir ja schon voraussetzen. In den n¨ achsten beiden Ordnungen finden wir H0 |n1 + H1 |n0 = En0 |n1 + En1 |n0 , H0 |n2 + H1 |n1 = En0 |n2 + En1 |n1 + En2 |n0 , was wir umschreiben als (H0 − En0 )|n1 = −H1 |n0 + En1 |n0 , (H0 − En0 )|n2 = −H1 |n1 + En1 |n1 + En2 |n0 .
(II) (III)
Wenn wir Gleichung (II) von links mit m0 | multiplizieren, erhalten wir m0 |H0 − En0 |n1 = − m0 |H1 |n0 + En1 m0 |n0
=⇒
0 − En0 ) m0 |n1 = − m0 |H1 |n0 + En1 δmn . (Em
F¨ ur m = n liefert das die erste Korrektur zur Energie: En1 = n0 |H1 |n0 . F¨ ur m = n erhalten wir m0 |n1 =
m0 |H1 |n0
. 0 En0 − Em
ur m = n in der Basis der Dies sind die Entwicklungskoeffizienten von |n1 f¨ ungest¨orten Eigenzust¨ande. Es fehlt aber noch ein Koeffizient: wie groß ist n0 |n1 ? Ist |n1 L¨osung zu (II), so auch |n1 + α|n0 . Das bedeutet, dass n0 |n1
unbestimmt ist. Wir verf¨ ugen dar¨ uber derart, dass wir n0 |n1 = 0 w¨ahlen. Entsprechendes gilt f¨ ur die nachfolgenden Gleichungen (III), . . . f¨ ur die h¨oheren Ordnungen. Wir k¨ onnen n0 |nk = 0
f¨ ur k ≥ 1
216
17 Zeitunabh¨angige St¨orungstheorie
festlegen. Damit liegt die erste Korrektur zum Eigenvektor fest und lautet |n1 =
0 −1 |m0 m0 |H1 |n0 (En0 − Em ) .
m =n
Wir wollen uns noch der Gleichung (III) zuwenden. Aus ihr folgt n0 |H0 − En0 |n2 = − n0 |H1 |n1 + En1 n0 |n1 +En2 n0 |n0 , 0 12 3 0 12 3 0 12 3 0
0
1
woraus wir die Korrektur zweiter Ordnung zur Energie erhalten: En2 = n0 |H1 |n1 =
| m0 |H1 |n0 |2 . 0 En0 − Em
m =n
Dieses Verfahren l¨asst sich mit gen¨ ugend Geduld zu beliebig h¨ oheren Ordnungen fortsetzen. Wir wollen uns aber mit den obigen Ergebnissen begn¨ ugen. 17.2.2 St¨ orungstheorie f¨ ur entartete Zust¨ ande Oben haben wir vorausgesetzt, dass die ungest¨ orte Energie nicht entartet ist. Falls dies aber doch so ist, m¨ ussen wir ein bisschen mehr tun. Sei also En0 entartet: H0 |n0α = En0 |n0α ,
α = 1, . . . , k.
Die mit dem griechischen Index gekennzeichneten Eigenvektoren seien so gew¨ahlt, dass sie eine Orthonormalbasis in dem k-dimensionalen Eigenraum bilden: n0α |n0β = δαβ . Zu niedrigster Ordnung in λ haben wir nat¨ urlich H0 |n0 = En0 |n0
mit der allgemeinen L¨osung |n0 =
α
|n0α cα ,
17.2 Rayleigh-Schr¨odinger-St¨orungstheorie
217
wobei die Koeffizienten cα noch nicht festgelegt sind. Multiplizieren wir die Gleichung II von links mit n0β |, so finden wir n0β |H0 − En0 |n1 = − n0β |H1 − En1 |n0
0 12 3 0
und folglich das Gleichungssystem n0β |H1 |n0α cα = En1 cβ . α
Mit
. H1 βα = n0β |H1 |n0α
lautet es
H1 βα cα = En1 cβ ,
α
* 1 . Wie aus der linearen ist Eigenwert der k × k-Matrix (H1 βα ) ≡ H d.h. 1 akulargleichung Algebra bekannt, findet man die L¨ osungen f¨ ur En aus der S¨ En1
* 1 − En1 ) = 0. det(H 1 , γ = 1, . . . , k. Diese sind im Allgemeinen Es existieren k L¨osungen Enγ nicht gleich. Die k-fache Entartung zu nullter Ordnung wird somit durch die St¨orung in erster Ordnung aufgehoben oder teilweise aufgehoben:
En
k -fache Entartung wird (teilweise) aufgehoben
λ 0
218
17 Zeitunabh¨angige St¨orungstheorie
(γ)
Die L¨osungsvektoren cα des linearen Gleichungssystems liefern die richtigen Linearkombinationen f¨ ur |n0 . Analog zum nichtentarteten Fall l¨ asst sich das Verfahren beliebig weit zu h¨oheren Ordnungen fortsetzen.
17.3 Das Wasserstoffatom, Teil II 17.3.1 Feinstruktur des Spektrums Jetzt haben wir das Werkzeug zur Hand, um Korrekturen zum Spektrum des Wasserstoffatoms zu berechnen. Wir gehen aus vom oben diskutierten Hamiltonoperator H = H0 + Ha + Hb + Hc , 0 12 3 kleine St¨ orung
wobei die Konstante γ im Potenzial gegeben ist durch γ=
e20 . 4πε0
In Hb kommt der Spin vor, so dass Wellenfunktionen mit Spin zu verwenden sind. Wir wenden nun die St¨orungstheorie bis zur ersten Ordnung an. Die Eigenwertgleichung nullter Ordnung H0 |n0 = En0 |n0
haben wir im Kapitel 13 gel¨ ost mit dem Ergebnis ˜H En0 = −R
me40 mc2 α2 1 1 1 = − = − , 2 n2 2 n2 2¯ h (4πε0 )2 n2
wobei α=
1 e20 ≈ hc(4πε0 ) ¯ 137,036
die sommerfeldsche Feinstrukturkonstante ist. Die ungest¨ orten Energien sind entartet. Die zugeh¨origen ungest¨ orten Eigenzust¨ ande sind |n0 = |n; l, m; ms
17.3 Das Wasserstoffatom, Teil II
219
oder Linearkombinationen davon. In den ket-Vektoren lassen wir den Eintrag s f¨ ur den Spin, der immer gleich 1/2 ist, fort. Die Spinquantenzahl ms kann die Werte ms = ± 12 annehmen. Durch Addition von Bahndrehimpuls und Spin gelangt man zu Eigenzust¨anden des Gesamtdrehimpulses. Diese Zust¨ ande |n; j, mj ; l ,
j =l±
1 2
bilden eine andere geeignete Basis, die wir im Folgenden verwenden. 1
γ 2 + H 0 2mc2 R ist in der gew¨ahlten Basis bereits diagonal wegen Ha = −
2 ] = [Ha , J 2 ] = [Ha , J3 ] = 0. [Ha , L Das ben¨otigte Matrixelement ist n; j , mj ; l | H02 + 2γH0 R1 + γ 2 R12 |n; j, mj ; l
= (En0 )2 δjj δmj mj δll + 2γEn0 1r nl δjj δmj mj δll + γ 2 r12 nl δjj δmj mj δll . Die Erwartungswerte 1 1 , nl = r an2
1 1
nl = 2 3 2 r a n (l + 12 )
entnehmen wir dem Kapitel 13 und finden Ha = n; j, mj ; l| Ha |n; j, mj ; l =
En0
α2 n2
Kommen wir zum zweiten Term: Hb =
1 γ S · L 3. 2m2 c2 R
Aufgrund von +S )2 = L 2+S 2 + 2L ·S J 2 = (L
3 n − 4 l + 12
.
220
17 Zeitunabh¨angige St¨orungstheorie
k¨onnen wir das Vektorprodukt umschreiben als 2−S 2) ·L = 1 (J 2 − L S 2 und finden damit # ¯2 " h · L|n; j(j + 1) − l(l + 1) − 34 |n; j, mj ; l . S j, mj ; l = 2 Hb ist also ebenfalls bereits diagonal und es ist Hb =
' ¯2 & 1 h 1 j(j + 1) − l(l + 1) − 34 γ 3 nl . 2 2 2m c 2 r
F¨ ur l ≥ 1 gilt
2 1
nl = 3 3 3 r a n l(l + 1)(2l + 1)
und in diesem Falle ergeben die ersten beiden Terme zusammen 2 n 3 α − , l ≥ 1. Ha + Hb = −En0 2 n 4 j + 12 Im Falle l = 0 gilt · L|n; S
1 2 , mj ;
0 = 0
und somit Hb = 0 , Der dritte Term Hc =
l = 0.
π¯ h2 γ (3) δ (Q ) 2m2 c2
ist auch diagonal und wir haben Hc =
π¯ h2 γ mc2 α4 2 |f (0)| = δl,0 . nl 2m2 c2 2n3
ur j = 12 , l = 0. Wir fassen Dies ist identisch mit dem Ausdruck f¨ ur Hb f¨ nun alles zusammen und erhalten die gesamte Korrektur 2 n 3 α − . Ha + Hb + Hc = −En0 2 n 4 j + 12
17.3 Das Wasserstoffatom, Teil II
221
Die Energien lauten somit α2 = −mc2 2 2n
Enj
α2 1− 2 n
n 3 − 4 j+
) 1 2
in der St¨orungstheorie bis zur ersten Ordnung. Die Korrekturen zur Balmerformel verursachen die Feinstruktur des Spektrums. Diskussion: a) Die Korrekturen sind gegen¨ uber dem ungest¨ orten Term um einen uckt. Faktor α2 = 5,3 · 10−5 unterdr¨ b) Die Diracgleichung liefert exakt 2
Enj = mc
, 2
1+α
n−j−
1 2
-−2 )−1/2 " # 1 2 2 + − mc2 . j+ 2 −α
Die Entwicklung nach Potenzen von α ergibt wieder unseren obigen Ausdruck. c) Das Termschema hat folgende Gestalt. Die Niveaus werden durch die Hauptquantenzahl n, den Bahndrehimpulsnamen L = s, p, d, f, . . . und den Gesamtdrehimpuls j in der Form nLj bezeichnet.
3d5/2 3p3/2 , 3d 3/2 3s 1/2 , 3p 1/2 2 p3/2 2 s 1/2 , 2 p1/2
~ 4,5 . 10 -5 eV
10,2 eV 1s1/2
d) 2s1/2 und 2p1/2 sind entartet in jeder Ordnung in α.
222
17 Zeitunabh¨angige St¨orungstheorie
e) Es gibt weitere Korrekturen zu den Energien, die wir nicht erfasst haben. • Lambshift: wird durch die Quantenelektrodynamik erkl¨ art, produziert eine Aufspaltung zwischen 2s1/2 und 2p1/2 von 4,3 · 10−6 eV. • Hyperfeinstruktur: entsteht durch die Wechselwirkung mit dem magnetischen Moment des Kerns, betrifft im Wesentlichen nur die s-Terme und bewirkt eine Aufspaltung ∼ 1/n3 . F¨ ur 1s1/2 betr¨agt sie 5,8 · 10−6 eV. • endliche Kernabmessung: modifiziert das elektrostatische Potenzial, betrifft im Wesentlichen nur die s-Terme, verursacht eine Verschiebung ∼ 1/n3 . F¨ ur 1s1/2 betr¨agt sie ∼ 4 · 10−9 eV. • Isotopie-Effekt.
17.4 Anormaler Zeemaneffekt In unserer fr¨ uheren Diskussion des Einflusses eines Magnetfeldes auf atomare Energieniveaus haben wir den Spin unber¨ ucksichtigt gelassen (normaler Zeemaneffekt). F¨ ur ein H-Atom in einem ¨ außeren Magnetfeld ist auch die Kopplung des Spins an das Magnetfeld zu ber¨ ucksichtigen. Der Hamilton operator f¨ ur den Fall B = (0, 0, B) lautet H = HH + Hz , außeres Feld ist und wobei HH der Hamiltonoperator des H-Atoms ohne ¨ e (L3 + 2S3 )B Hz = − 2m e (J3 + S3 )B. = − 2m
Wenn das Feld schwach ist, k¨ onnen wir die St¨ orungstheorie erster Ordnung verwenden. Die ungest¨orten Energien seien gegeben durch HH |n; j, mj ; l = Enj |n; j, mj ; l ,
j = l ± 12 .
17.4 Anormaler Zeemaneffekt
223
Die Korrekturen aufgrund von Hz sind in erster Ordnung ΔE
1 n,l± 2
= n; l ± 12 , mj ; l| Hz |n; l ± 12 , mj ; l .
Aus Kapitel 16.3 u ¨ ber die Addition von Bahndrehimpuls und Spin wissen wir, dass |n; l± 12 , mj ; l =
1 l+mj + 2 2l+1
|l, mj ∓ 12 ;
1 1 2 , ± 2 ±
1 l−mj + 2 2l+1
|l, mj ± 12 ;
1 1 2 , ∓ 2 .
Damit k¨onnen wir die Matrixelemente berechnen und erhalten ¯ mj J3 = h h mj ¯ S3 = ± . 2l + 1 Das Ergebnis f¨ ur die Korrektur ist ΔE
1 n,l± 2
= μB Bmj
1 1± 2l + 1
.
Zur Erinnerung: μB = −e¯h/2m. Die Gr¨oße der Aufspaltung der entarteten Niveaus h¨ angt von l ab. Daher wird dieses Ph¨anomen als anormal bezeichnet. μB B (1 +
1 2l + 1 )
μB B (1 −
1 2l + 1 )
j= l+ −12
j= l − −12
Feinstruktur
Im Spektrum beobachtet man demzufolge im Allgemeinen mehr als 3 Linien.
224
17 Zeitunabh¨angige St¨orungstheorie
Bemerkung: Im allgemeinen Fall eines Atoms mit mehreren Leuchtelektronen mit Gesamtspin S, Gesamtbahndrehimpuls L und Gesamtdrehimpuls J findet man ΔE = μB BmJ · g mit dem Land´efaktor g =1+
J(J + 1) − L(L + 1) + S(S + 1) . 2J(J + 1)
In dem von uns betrachteten Spezialfall ist S = 12 , L = l, J = j.
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen 18.1 Mehrteilchen-Schr¨ odingergleichung Die meisten Systeme, die wir bisher quantenmechanisch behandelt haben, bestehen aus nur einem Teilchen. Wir wollen uns nun den Systemen aus mehreren Teilchen zuwenden. Interessante Beispiele f¨ ur Mehrteilchensysteme sind: 2 Teilchen: H-Atom; haben wir schon behandelt. Jedes Zwei-TeilchenSystem l¨asst sich reduzieren auf ein Ein-Teilchen-Problem. 3 Teilchen: He-Atom, 3 He-Kern ul, 4 He-Kern 4 Teilchen: H2 -Molek¨ etc. Betrachten wir also ein System aus N Teilchen, die wir mit i = 1, . . . , N nummerieren. Zu den Freiheitsgraden der einzelnen Teilchen geh¨ oren Hilur spinlose Teilchen haben wir beispielsweise Hi = L2 (R3 ). bertr¨aume Hi . F¨ Der quantenmechanische Hilbertraum des Gesamtsystems ist das Tensorprodukt dieser R¨aume: H = H 1 ⊗ H 2 ⊗ · · · ⊗ HN . Die Tensorprodukte |n1 ⊗ · · · ⊗ |nN
der Basisvektoren der einzelnen Hilbertr¨ aume bilden eine Basis des gesamten Hilbertraumes H. Z.B. ist in der Ortsdarstellung |r1 ⊗ · · · ⊗ |rN ≡ |r1 , . . . , rN
eine Basis und ein beliebiger Zustand l¨ asst sich zerlegen als |ψ = d3 r1 . . . d3 rN |r1 , . . . , rN r1 , . . . , rN |ψ
= d3 r1 . . . d3 rN ψ(r1 , . . . , rN ) |r1 , . . . , rN . Wir werden das Mehrteilchensystem folglich durch eine Wellenfunktion ψ(r1 , . . . , rN )
226
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
beschreiben. Nehmen wir den Spin hinzu, so ist die N -Teilchen-Wellenfunktion von der Gestalt ψ(r1 , σ1 , r2 , σ2 , . . . , rN , σN ),
σi = ±1.
Der Hamiltonoperator hat in vielen physikalisch interessanten F¨ allen die Form N 1 (i)2 1, . . . , Q N) P + V (Q H= 2mi i=1
mit (j)
Pk
=
¯ ∂ h , i ∂xjk
k = 1, 2, 3,
j = 1, . . . , N.
H¨aufig l¨asst sich das N -Teilchen-Potenzial zerlegen als Vij (|ri − rj |), V (r1 , . . . , rN ) = i<j
d.h. es wirken Zwei-Teilchen-Kr¨ afte zwischen allen beteiligten Teilchen. Die Schr¨odingergleichung mit obigem Hamiltonoperator lautet ∂ i¯ h ψ(r1 , . . . , rN , t) = ∂t ) N ¯h2 Δi ψ(r1 , . . . , rN , t) + V (r1 , . . . , rN )ψ(r1 , . . . , rN , t) . − 2mi i=1
Das Betragsquadrat der Wellenfunktion, |ψ(r1 , . . . , rN )|2 , ist die Wahrscheinlichkeitsdichte daf¨ ur, dass sich das erste Teilchen bei r1 , das zweite Teilchen bei r2 , etc. aufh¨alt. Die Normierungsbedingung ist d3 r1 . . . d3 rN |ψ(r1 , . . . , rN )|2 = 1.
18.2 Pauliprinzip 18.2.1 Ununterscheidbare Teilchen In der klassischen Mechanik sind einzelne Teilchen anhand ihrer Bahn identifizierbar und unterscheidbar.
18.2 Pauliprinzip
227
In der Quantenmechanik ist die Lage anders: wenn die Wellenfunktionen mehrerer Teilchen u ¨berlappen und alle Eigenschaften (Masse, Ladung, . . . ) gleich sind, sind die Teilchen nicht mehr identifizierbar. Beispiel: e − e-Streuung
Es lassen sich hier keine Bahnen der Elektronen verfolgen und es ist nach dem Streuvorgang nicht m¨oglich, ein herauskommendes Elektron eindeutig einem der beiden hereinlaufenden Elektronen zuzuordnen. Wir wollen diesen Sachverhalt pr¨ azisieren. Dazu betrachten wir zwei Teilchen, die durch die Wellenfunktion ψ(r1 , r2 ) beschrieben werden. Eine Vertauschung der Teilchen wird bewirkt durch den Permutationsoperator (P ψ)(r1 , r2 ) = ψ(r2 , r1 ). Dieser erf¨ ullt P = P −1 . Eine Observable A transformiert sich unter dieser Transformation gem¨aß A → P AP . F¨ ur den Kern des Operators in der Ortsdarstellung heißt das r1 , r2 |A|r1 , r2
→
r2 , r1 |A|r2 , r1
→
2 , P1 , Q 1 ). H(P2 , Q
z.B. f¨ ur den Hamiltonoperator 1 , P2 , Q 2) H(P1 , Q
ur alle ObserDie Teilchen heißen ununterscheidbar, wenn P −1 AP = A f¨ vablen des Gesamtsystems, d.h. die Observablen sind symmetrisch in den Freiheitsgraden beider Teilchen. In diesem Falle gibt es keine M¨ oglichkeit, durch physikalische Beobachtungen eine Vertauschung der Teilchen festzustellen.
228
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
F¨ ur N Teilchen haben wir die Paarvertauschungen (Pij ψ)(. . . , ri , . . . , rj , . . . ) = ψ(. . . , rj , . . . , ri , . . . ). Jede Permutation P der N Teilchen ist Produkt solcher Vertauschungen. ur alle Die Teilchen sind ununterscheidbar genau dann, wenn P −1 AP = A f¨ Observablen A und alle Permutationen P . Dann sind die Zust¨ ande ψ und P ψ physikalisch ununterscheidbar. Nehmen wir an, der Hamiltonoperator sei symmetrisch unter Permutationen. Es gilt dann ur alle i, j. [H, Pij ] = 0 f¨ Folglich k¨onnen H und Pij gleichzeitig diagonalisiert werden. Wegen Pij2 = 1 sind die Eigenwerte von Pij gegeben durch ηij = ±1. Speziell: Sei ψ Eigenvektor zu allen Pij . ur alle Paare i, j. Dann sind alle Eigenwerte ηij gleich: ηij = η f¨ Beweis: Pij = P1i P2j P12 P1i P2j 2 2 ⇒ ηij = η1i η2j η12 = η12 .
Wir unterscheiden jetzt zwei F¨ alle: η=1:
total symmetrische Zust¨ ande
η = −1 :
total antisymmetrische Zust¨ ande.
18.2.2 Pauliprinzip Wir betrachten nun Atome mit mehreren Elektronen. Unter Vernachl¨ assigung der Elektron-Elektron-Wechselwirkung ist H=
N i=1
H(i) ,
H(i) =
1 (i)2 i ), P + V (Q 2m
18.2 Pauliprinzip
229
i, S (i) ) verwenden. Da H in N unwobei wir die Notation i ≡ (P (i) , Q abh¨angige Summanden separiert, k¨ onnen wir die Eigenzust¨ ande separieren: Hψ(1, . . . , N ) = Eψ(1, . . . , N ) ,
ψ(1, . . . , N ) =
N (
ϕαi (i)
i=1
H(i)ϕαi (i) = Eαi ϕαi (i) ,
E=
N
Eαi .
i=1
ur die Kollektion aller Quantenzahlen eines ElekDabei steht der Index αi f¨ trons: αi = (ni , li , mi , msi ). Der niedrigste Zustand geh¨ ort zu αi = α = (1, 0, 0, ± 12 ). (Die ElektronElektron-Wechselwirkung liefert zwar Korrekturen zur Energie, aber das grobe Schema der Terme sollte sich nicht ¨ andern.) Die Erfahrung spricht jedoch dagegen. Insbesondere das periodische System der Elemente zeigt an, dass im Grundzustand die Elektronen nicht alle approximativ im Zuande besetzen. stand (1, 0, 0, ± 12 ) sitzen, sondern unterschiedliche Zust¨ Dies wird ausgedr¨ uckt im Ausschließungsprinzip (Pauliverbot): ochstens von einem Elektron besetzt Jeder Ein-Teilchen-Zustand ϕα kann h¨ werden. F¨ ur die Postulierung dieses Prinzips (1925), das sich als fundamental bedeutend f¨ ur die Quantenphysik herausgestellt hat, und die Einf¨ uhrung der vierten Quantenzahl ms vor der Entdeckung des Spins bekam Wolfgang Pauli 1945 den Nobelpreis f¨ ur Physik zugesprochen. Die Formulierung des Ausschließungsprinzips nimmt auf Zust¨ ande Bezug, die Produkte von Ein-Teilchen-Zust¨ anden oder Linearkombinationen von Permutationen davon sind. Das sind spezielle Mehrteilchenzust¨ ande. Es w¨are daher w¨ unschenswert, eine allgemeineres Prinzip zu haben. Dieses wurde von Heisenberg und Dirac gefunden. Es ist das Pauliprinzip: Die Wellenfunktion eines Systems von Elektronen ist total antisymmetrisch.
230
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
Die totale Antisymmetrie der Wellenfunktion bedeutet, dass sie bei der Vertauschung zweier beliebiger Teilchen ihr Vorzeichen wechselt. Jede beliebige Wellenfunktion kann folgendermaßen antisymmetrisiert werden. Die Permutationen von N Elementen bilden die Permutationsgruppe ur P ∈ SN das Signum einer Permutation. Ein SN . Sei σ(P ) = sig(P ) f¨ Antisymmetrisierungsoperator ist definiert durch 1 σ(P )P. A= N! P ∈SN
F¨ ur eine beliebige Wellenfunktion ψ ist 1 (Aψ)(r1 , . . . , rN ) = σ(P )ψ(rP (1) , . . . , rP (N ) ) N! P
total antisymmetrisch. F¨ ur N = 2 ist beispielsweise 1 (Aψ)(r1 , r2 ) = (ψ(r1 , r2 ) − ψ(r2 , r1 )). 2 Es gilt A2 = A,
A† = A,
d.h. A ist Projektionsoperator. Das Pauliverbot l¨asst sich als Spezialfall aus dem Pauliprinzip ableiten. Dazu betrachten wir Produktwellenfunktionen ψ(1, . . . , N ) =
N (
ϕαi (i).
i=1
Diejenige Linearkombination solcher Wellenfunktionen, die dem Pauliprinzip gehorcht, erhalten wir durch Anwendung des Operators A: ⎛ ⎞ ϕα1 (1) · · · ϕα1 (N ) 1 ⎜ ⎟ .. .. det ⎝ Aψ(1, . . . , N ) = ⎠. . . N! ϕαN (1) · · · ϕαN (N ) Diese Wellenfunktion ist nur dann nicht identisch Null, wenn alle αi verschieden sind. Dies ist das Pauliverbot. Der Zustand Aψ ist nicht richtig normiert. Der korrekt normierte Zustand ist ⎞ ⎛ ϕα1 (1) · · · ϕα1 (N ) 1 ⎟ ⎜ .. .. ψα1 ,...,αN (1, . . . , N ) = √ det ⎝ ⎠. . . N! ϕαN (1) · · · ϕαN (N )
18.3 Bosonen und Fermionen
231
Derartige Wellenfunktionen, die in der Quantenmechanik von Vielteilchensystemen eine wichtige Rolle spielen, heißen Slaterdeterminanten. Beispiel: N = 2, αi = (ni , li , mi , msi ). 1 ψα1 α2 (r1 , σ1 , r2 , σ2 ) = √ det 2
ϕα1 (r1 , σ1 ) ϕα1 (r2 , σ2 ) ϕα2 (r1 , σ1 ) ϕα2 (r2 , σ2 )
1 = √ (ϕα1 (r1 , σ1 )ϕα2 (r2 , σ2 ) − ϕα2 (r1 , σ1 )ϕα1 (r2 , σ2 )) . 2 Man beachte jedoch: eine allgemeine antisymmetrische Wellenfunktion braucht nat¨ urlich nicht eine Slaterdeterminante zu sein.
18.3 Bosonen und Fermionen Elektronen gen¨ ugen dem Pauliprinzip. Teilchensorten, die dem Pauliprinzip gehorchen, heißen allgemein Fermionen. Der Grund daf¨ ur liegt darin, dass solche Teilchen in der Quantenstatistik der Fermi-Dirac-Statistik gen¨ ugen. Es gibt in der Natur auch Teilchensorten, die nicht dem Pauliprinzip gehorchen, sondern bei denen die Wellenfunktion total symmetrisch sein muss. F¨ ur diese gilt nicht das Ausschließungsprinzip. Sie heißen Bosonen, da sie der Bose-Einstein-Statistik gen¨ ugen. Prominentestes Beispiel sind die Photonen. Es gibt eine h¨ochst bemerkenswerte Beziehung zwischen der Statistik von Teilchen und ihrem Spin: Spin-Statistik-Zusammenhang Bosonen
←→ ganzzahliger Spin
Fermionen ←→ halbzahliger Spin
Dieser Zusammenhang kann im Rahmen der relativistischen Quantentheorie als Theorem bewiesen werden. Der erste Beweis stammt wiederum von Pauli (1940).
232
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
18.4 Das Heliumatom 18.4.1 Ortho- und Parahelium Einiges vom Gelernten werden wir jetzt auf die quantenmechanische Behandlung des Heliumatoms anwenden. Dazu betrachten wir zwei Elektronen im Feld eines Kerns mit der Ladungszahl Z = 2. Es handelt sich um ein Dreik¨orperproblem. Unter Vernachl¨ assigung der Bewegung des 8000mal schwereren Kerns lautet der Hamiltonoperator f¨ ur die Elektronen ) Ze2 1 1 (1)2 − H(1) P H= 2m 4πε0 R1 ) Ze2 1 1 (2)2 − P H(2) + 2m 4πε0 R2 ) 1 e2 V. + 1 − Q 2| 4πε0 |Q Dieser wirkt auf Wellenfunktionen der Form Ψ(r1 , σ1 , r2 , σ2 ) ,
σi = ±1.
Der Gesamtspin (2) =S (1) + S S 2 , S3 kommutiert mit H, so dass wir gleichzeitig mit H die Operatoren S diagonalisieren k¨onnen. Die Kopplung zweier Spins 1/2 zu einem Gesamtspin haben wir im Kapitel 16.2 behandelt. Es gibt zwei F¨ alle: Gesamtspin 1: |1, 1
= | + + , |1, 0
= √12 (| + − + | − + ), |1, −1 = | − − . Die Spinfunktion ist symmetrisch. Gesamtspin 0: 1 |0, 0 = √ (| + − − | − + ). 2 Die Spinfunktion ist antisymmetrisch. F¨ ur die Gesamtwellenfunktion Ψ(r1 , σ1 , r2 , σ2 ) = ψ(r1 , r2 )χ(σ1 , σ2 )
18.4 Das Heliumatom
233
bedeuten diese beiden F¨alle: 1. Fall χ = χ1,ms ,
Gesamtspin 1,
1 χ1,0 = √ (χ(+) χ(−) + χ(−) χ(+) ) 2 ist symmetrisch, so dass nach dem Pauliprinzip die Ortsfunktion ψ(r1 , r2 ) antisymmetrisch sein muss. Dieser Fall heißt Orthohelium. Zu ihm geh¨ oren Spintripletts. z.B.
2. Fall 1 χ = χ0,0 = √ (χ(+) χ(−) − χ(−) χ(+) ) , 2
Gesamtspin 0,
ist antisymmetrisch und die Ortsfunktion ψ(r1 , r2 ) muss symmetrisch sein. Dies ist das Parahelium mit Spinsinguletts. 18.4.2 St¨ orungstheorie Wir werden nun versuchen, das Spektrum st¨ orungstheoretisch zu berechnen, wobei die elektrostatische Elektron-Elektron-Wechselwirkung als St¨orung betrachtet wird. In nullter Ordnung vernachl¨ assigen wir V : H0 = H(1) + H(2), und das Spektrum von H(1) und H(2) ist das gute alte Wasserstoffspektrum: H(1)ψn1 l1 m1 (r ) = En1 ψn1 l1 m1 (r ) ,
˜ He En = −Z 2 R
1 n2
und entsprechend f¨ ur H(2). Dabei ist
−1 ˜ ∞ 1 + me ˜ He = R = 13,604 eV. R mHe Der Hamiltonoperator H0 wird diagonalisiert durch Separation mit 1 1 (0) 2˜ + . En1 n2 = En1 + En2 = −Z RHe n21 n22 F¨ ur Parahelium ist ψ(r1 , r2 ) = N (ψn1 l1 m1 (r1 )ψn2 l2 m2 (r2 ) + ψn2 l2 m2 (r1 )ψn1 l1 m1 (r2 )) .
234
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
Der Grundzustand liegt vor f¨ ur n1 = n2 = 1: ψ(r1 , r2 ) = ψ100 (r1 )ψ100 (r2 ), (0) ˜ He = −8R ˜ He = −108,8 eV. E11 = −2Z 2 R
F¨ ur Orthohelium andererseits gilt 1 ψ(r1 , r2 ) = √ (ψn1 l1 m1 (r1 )ψn2 l2 m2 (r2 ) − ψn2 l2 m2 (r1 )ψn1 l1 m1 (r2 )) . 2 Daher k¨onnen die beiden Zust¨ ande nicht gleich sein: (n1 , l1 , m1 ) = (n2 , l2 , m2 ). Der niedrigste Zustand ist in diesem Falle gegeben durch n1 = 1, n2 = 2: 1 ψ = √ (ψ100 ψ2lm − ψ2lm ψ100 ), 2 5 (0) ˜ He = −68,0 eV. ˜ He = −5R E12 = − Z 2 R 4 Durch das Pauliverbot liegt der niedrigste Zustand jetzt h¨ oher. Jetzt berechnen wir die erste st¨ orungstheoretische Korrektur (1)
ΔE1n = E1n . F¨ ur den Grundzustand betr¨agt sie ΔE11 = 100; 100|V |100; 100
= d3 r1 d3 r2 |ψ100 (r1 )|2 |ψ100 (r2 )|2
γ . |r1 − r2 |
Dieser Ausdruck entspricht der Coulombenergie der Elektronen (Abstoßung). Mit 3/2 Zr 1 Z √ e− a ψ100 (r ) = π a findet man ΔE11 =
5 mc2 α2 5 ˜ 5 Ze2 = Z = ZR He = 34 eV, 4 2a(4πε0 ) 4 2 4
E11 = −108,8 eV + 34 eV = −74,8 eV.
18.4 Das Heliumatom
235
Der experimentelle Wert ist E11 = −78,975 eV. Die Abweichung zeigt, dass die erste Korrektur f¨ ur hohe Anspr¨ uche an die Genauigkeit ungen¨ ugend ist. Jedoch liefert die St¨orungstheorie ein erstes qualitatives Verst¨ andnis. F¨ ur Zust¨ande mit n1 = 1, n2 = n, mit n ≥ 2, 1 ψ = √ (ψ100 ψnlm ± ψnlm ψ100 ) , 2 ist die st¨orungstheoretische Korrektur diagonal in l und m und betr¨ agt 1 γ d3 r1 d3 r2 |ψ100 (r1 )ψnlm (r2 ) ± ψnlm (r1 )ψ100 (r2 )|2 ΔE1n = 2 |r1 − r2 | 1 =γ d3 r1 d3 r2 |ψ100 (r1 )ψnlm (r2 )|2 |r1 − r2 | ) 1 3 3 ∗ ∗ ± d r1 d r2 ψ100 (r1 )ψnlm (r2 )ψ100 (r2 )ψnlm (r1 ) |r1 − r2 | ≡Knl ± Anl , wobei Knl die Coulombenergie und Anl die Austauschenergie ist. Die Austauschenergie ist ein rein quantenmechanischer Effekt, der vom Pauliprinzip angen von n und herr¨ uhrt und klassisch nicht erkl¨ arbar ist. Knl und Anl h¨ ur n2 = 2 ist l ab und es ist Knl ≥ 0, Anl ≥ 0. Speziell f¨ + : Parahelium, (0) E12 = E12 + K2l ± A2l , − : Orthohelium. Die Wechselwirkung hebt die Entartung auf. Die Berechnung ergibt ˜ He · 118 = 13,2 eV, K21 = Z R 243 ˜ He · A21 = Z R
7 = 15,9 eV, 12
˜ He · A20 = Z R
32 = 0,60 eV. 729
236
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
Das experimentell bestimmte He-Termschema sieht schematisch so aus:
2 S +1
LJ :
1
S0
(1s ) (3s )
Parahelium
Orthohelium
Singuletts
Tripletts
1
P1
(1s ) (3p)
1
3
D2 ...
S1
3
P
(1s ) (3d) (1s ) (3s )
(1s ) (2p)
(1s ) (3p)
3
D
(1s ) (3d)
(1s ) (2p)
(1s ) (2s )
(1s ) (2s ) metastabil
(1s ) (1s )
Bemerkung: Der niedrigste Orthoheliumzustand ist metastabil, d.h. die Wahrscheinlichkeit f¨ ur ein Umklappen des Spins ist sehr klein. Die Lebensdauer betr¨agt τ = 104 sec. Die St¨orungstheorie zu erster Ordnung liefert noch keine sehr genauen Ergebnisse. Eine M¨oglichkeit, die Genauigkeit zu verbessern, besteht darin, h¨ohere Ordnungen zu berechnen. Fleißige Physiker haben die St¨orungstheorie f¨ ur das Heliumatom zu sehr hohen Ordnungen getrieben. F¨ ur die Grundzustandsenergie lauten die ersten f¨ unf Ordnungen ˜ He E0 = −2Z 2 R
∞ n=0
en Z −n
18.4 Das Heliumatom
237
mit den Koeffizienten e0 =
1 5 e1 = − 8 0,157 666 428 e2 = e3 = − 0,008 699 029 e4 =
0,000 888 705
e5 =
0,001 036 374.
Setzt man Z = 2 ein, erh¨alt man schon ein recht genaues Ergebnis. Alternative, sehr effiziente Verfahren, die auch in vielen anderen Bereichen der theoretischen Physik erfolgreich angewandt werden, sind die Variationsverfahren. 18.4.3 Ritzsches Variationsverfahren Der Hamiltonoperator H sei nach unten beschr¨ ankt und es sei E0 der kleinste Eigenwert. Dann gilt ψ|H|ψ ≥ E0 ψ 2 . Beweis:
ψ|H|ψ = ψ|n En n|ψ ≥ E0 ψ|n n|ψ = E0 ψ|ψ = E0 ψ2 . n
n
Insbesondere ist E0 = inf ψ
ψ|H|ψ
. ψ|ψ
Dieser Sachverhalt ist die Grundlage des ritzschen Verfahrens. Man w¨ ahle eine Schar von Probefunktionen ψ(α1 , . . . , αp ), die von Parametern αi abh¨angen, und berechne . ψ(α1 , . . . , αp )|H|ψ(α1 , . . . , αp )
. E(α1 , . . . , αp ) = ψ(α1 , . . . , αp )|ψ(α1 , . . . , αp )
Durch Variation der Parameter bestimme man EV = min E(α1 , . . . , αp ) ≥ E0 . {αi }
238
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
EV ist obere Schranke f¨ ur E0 . Bei geeignet gew¨ ahlten Probefunktionen ur E0 . In der Praxis kann man mit geschickt liefert EV eine Approximation f¨ gew¨ahlten Probefunktionen ziemlich gute N¨ aherungen erhalten. Anwendung auf das Heliumatom: Da wir den Spinanteil der Wellenfunktion f¨ ur den Grundzustand schon ahlen. kennen, m¨ ussen wir eine Probefunktion f¨ ur den Ortsanteil ψ(r1 , r2 ) w¨ Diese muss symmetrisch sein. Wir nehmen den einparametrigen Ansatz ψ(r1 , r2 , Z ∗ ) = ψ100 (r1 , Z ∗ )ψ100 (r2 , Z ∗ ) mit den Wellenfunktionen des Wasserstoffgrundzustandes 1 ψ100 (r, Z ) = √ π ∗
Z∗ a
3/2
e−
Z∗ r a
,
¨ wobei Z ∗ der Parameter ist. Der Ansatz ist motiviert durch die Uberlegung, dass die Elektronen sich grob betrachtet im Coulombfeld des Kerns bewegen, dessen Ladung Z durch das jeweilige andere Elektron abgeschirmt ist. Der Parameter Z ∗ ist die effektive Ladungszahl. Wenn wir H zerlegen in der Form (Z − Z ∗ )e2 1 1 (1)2 Z ∗ e2 1 P − − 2m 4πε0 R1 4πε0 R1 ∗ 2 ∗ 2 1 (2)2 Z e 1 (Z − Z )e 1 P + − − 2m 4πε0 R2 4πε0 R2 2 e 1 + 1 − Q 2| 4πε0 |Q
H=
V,
wobei Z = 2 ist, finden wir ψ|H|ψ = 2E0 (Z ∗ ) − 2
(Z − Z ∗ )e2 1 10 + ψ|V |ψ . 4πε0 r
Einsetzen von 2 ˜ He , E0 (Z ∗ ) = −Z ∗ R
liefert
1 Z∗ 10 = , r a
ψ|V |ψ =
˜ He (2Z ∗2 − 4ZZ ∗ + 5 Z ∗ ). ψ|H|ψ = R 4
5 ∗˜ Z RHe 4
18.5 Atombau
239
Diese Funktion besitzt ihr Minimum bei 27 5 = = 1,6875 Z∗ = Z − 16 16 und dort ist 5 2 ˜ He = − 729 R ˜ He = −77,5 eV. ) 2R EV = −(Z − 16 128 Dieses Resultat ist schon recht gut f¨ ur eine Probefunktion mit nur einem Parameter. Durch mehrparametrige Funktionen kann man die Genauigkeit erh¨ ohen. Nimmt man zum Beispiel die Probefunktion ' Z ∗ (r1 +r2 ) & a 1 + ac |r1 − r2 | ψ(r1 , r2 , Z ∗ , c) = e− mit den beiden Parametern Z ∗ und c, so findet man ein Minimum bei Z ∗ = 1,8497,
c = 0,3658
und ˜He = −78,6 eV. EV = −5,7822 R Hylleraas hat 1930 mit bis zu 8 Parametern gearbeitet. Nachdem elektronische Rechner verf¨ ugbar waren, hat Pekeris 1962 die Rechnungen auf bis zu ca. 1000 Parametern ausgedehnt und ˜He = −79,005 eV E0 = −5,8074488 R gefunden. Diese Zahl liegt tiefer als der experimentelle Wert. Das widerspricht aber nicht der obigen Ungleichung, sondern zeigt an, dass man bessere Hamiltonoperatoren verwenden muss, die z.B. auch die Spin-BahnKopplung ber¨ ucksichtigen. Auch das ist nat¨ urlich gemacht worden.
18.5 Atombau 18.5.1 Zentralfeldmodell Wenn man den Atombau quantenmechanisch behandeln m¨ ochte, steht man vor einem schwierigen Problem. Das gesamte System, bestehend aus dem Kern und der H¨ ulle aus Z Elektronen, ist viel zu kompliziert, um gel¨ ost werden zu k¨onnen. Daher ist man gezwungen, auf eine Reihe von Approximationen zur¨ uckzugreifen. In diesem Abschnitt sollen ein paar grobe Approximationen skizziert werden, die zum Zentralfeldmodell f¨ uhren. Da dieses Thema auch in der Atomphysik behandelt wird, bleibt die Skizze knapp.
240
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
1. statischer Kern: das Problem wird reduziert auf Z Elektronen im 2 Zentralpotenzial V (r) = − Zγ r mit γ = e /4πε0 . 2. Vernachl¨assigung von spinabh¨ angigen Kr¨ aften: H=
Z
H(i) +
i=1
Vij
i<j
mit 1 (i)2 + V (Ri ) P 2m e2 1 Vij = + . i − Q j| 4πε0 |Q
H(i) =
3. + Zentralfeldapproximation: die Elektron-Elektron-Wechselwirkungen i<j Vij werden ersetzt durch Zentralfelder. Hierbei macht man zwei N¨aherungen: i ) der a) Elektron i bewegt sich im gemittelten Potenzial Vi (Q u ¨brigen Elektronen und des Kerns: 1 2 i) , P (i) + Vi (Q H0 = 2m i
ahlen ist. wobei Vi geeignet zu w¨ b) Man betrachtet Zentralpotenziale Vi (ri ) = W (ri ). Dies ist eine gute N¨ aherung f¨ ur den Fall, dass das Atom aus vollen Schalen und wenigen Leuchtelektronen besteht. Die Spezifikation der Potenziale lassen wir hier offen. Mit diesen Approximationen separiert H0 in Z Zentralpotenzialprobleme 1 (i)2 P + W (Ri ) ϕ(i) (ri ) = E (i) ϕ(i) (ri ) 2m und die L¨osung kann geschrieben werden in der Form ϕ(r ) =
1 unl (r) Ylm (ϑ, ϕ) χms . r
18.5 Atombau
241
Auf diese Weise ordnen wir den Elektronen wie beim Wasserstoffatom die (i) Quantenzahlen (ni , li , mi , msi ) zu. Die diskreten Energien seien Eni ,li . Diese werden wie beim H-Atom mit ni > li nummeriert. Die Gesamtenergie ist E=
E (i) .
i
Das Pauliprinzip verlangt nun, dass keine zwei Elektronen im gleichen Zustand sind, und die Gesamtwellenfunktion ist eine Slaterdeterminante. Die Besetzung der Niveaus ist dadurch stark eingeschr¨ ankt: Enl kann maximal 2 · (2l + 1)-fach besetzt sein. Die tiefsten Niveaus geh¨oren zu l = 0, n = 1 : 1s, 2 Elektronen l = 0, n = 2 : 2s, 2 Elektronen l = 1, n = 2 : 2p, 6 Elektronen.
F¨ ur die weitere Abfolge der Besetzungen gibt es heuristische und empirische Regeln:
1s 2s, 2p 3s, 3p 4s, 3d, 4p 5s, 4d, 5p 6s, 4f, 5d, 6p
2 8 8 18 18 32
Summe 2 10 18 36 54 86
He Ne Ar Kr Xe Rn
Die obigen Zeilen, die jeweils mit s-Elektronen beginnen, nennt man Schalen. Sie sind besonders stabil. Die Bezeichnung der Elektronenkonfigurationen erfolgt durch Angabe der besetzten Niveaus mit hochgestellter Anzahl der Elektronen, z.B. Cl (Chlor), Z = 17:
(1s)2 (2s)2 (2p)6 (3s)2 (3p)5
242
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
18.5.2 Hartree-Fock-Approximation Eine systematischere Methode zur approximativen Behandlung quantenmechanischer Vielteilchenprobleme ist die Hartree-Fock-Approximation. Es sei H(i) + Vij H= i
i<j
der Hamiltonoperator eines Systems aus Fermionen. Gesucht ist der Grundzustand. Die unbekannte exakte L¨ osung sei ψ0 : Hψ0 = E0 ψ0 . Aus der Diskussion des ritzschen Variationsverfahrens wissen wir E0 = min ψ|H|ψ . ψ|ψ =1
Eine approximative L¨osung ist nun dadurch definiert, dass man verlangt, ψ sei eine Slaterdeterminante. Das heißt
E0 = min ψ|H|ψ , ψ∈SD
wobei SD = {ψ | ψ ist Slaterdeterminante}. Dies wollen wir genauer betrachten. Sei also ⎛ ϕ1 (1) · · · 1 ⎜ .. ψ(1, . . . , N ) = √ det ⎝ . N! ϕN (1) · · ·
⎞ ϕ1 (N ) ⎟ .. ⎠ . ϕN (N )
mit ϕi (j) = ϕi (rj )χi (σj ). Als Nebenbedingungen k¨onnen wir verlangen ϕi |ϕj = δij . Begr¨ undung: 1. Orthogonalit¨at
+ andert die DeterAddition einer Linearkombination i =j cj ϕj zu ϕi ¨ minante nicht (= * Addition von Zeilen). Deshalb kann man o.E.d.A. die ϕi orthogonal w¨ahlen.
18.5 Atombau
243
2. Normierung 1 = ψ|ψ =
N ( ϕi |ϕi . i=1
< Eine Skalierung ϕi → λi ϕi mit i λi = 1 ¨ andert die Determinante ahlen. nicht. Deshalb kann man o.E.d.A. ϕi |ϕi = 1 w¨ Die zu minimierende Gr¨oße ψ|H|ψ muss jetzt berechnet werden. ψ|H|ψ =
N ϕi |H(i)|ϕi
i=1
ϕi | ⊗ ϕj |Vij |ϕj ⊗ |ϕi − ϕi | ⊗ ϕj |Vij |ϕi ⊗ |ϕj
+ i<j
=
i<j
d3 ri ϕ∗i (ri )H(i)ϕi (ri )
i
+
d3 ri d3 rj |ϕi (ri )|2 |ϕj (rj )|2 Vij
i<j
−
d3 ri d3 rj ϕ∗i (ri )ϕ∗j (rj ) Vij ϕi (rj )ϕj (ri )δmsi ,msj .
i<j
Die Minimierung mit Nebenbedingungen ϕi |ϕj = δij wird mit Hilfe von uhrt: Lagrangemultiplikatoren λij durchgef¨ , λij ( ϕi |ϕj − δij ) = 0. δ ψ|H|ψ − i,j
Der Imagin¨arteil dieser Gleichung (λij − λ∗ji )δ ϕi |ϕj = 0 δ[ ] − δ[ ]∗ = − i,j
zeigt uns, dass
λij = λ∗ji
gilt. Wir betrachten eine Variation ϕi → ϕi + δϕi ,
δϕi komplex.
Die Variation des ersten Terms in ψ|H|ψ ist dann 3 ∗ δ d ri ϕi (ri )H(i)ϕi (ri ) = d3 ri {δϕ∗i (ri )H(i)ϕi (ri )+δϕi (ri )[H(i)ϕi (ri )]∗ }.
244
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
Insgesamt erhalten wir einen Ausdruck der Form ⎛ ⎞ N λij ϕj (ri )⎠ + komplex konj. = 0. d3 ri δϕ∗i (ri ) ⎝M ϕi (ri ) − δ[ ] = i
j=1
ullt sein soll, folgt als Bestimmungsgleichung Da dies f¨ ur beliebige δϕ(ri ) erf¨ f¨ ur die ϕi N M ϕi (ri ) = λij ϕj (ri ). j=1
Hierbei ist M ϕi (ri ) = H(i)ϕi (ri ) + −
d3 rj |ϕj (rj )|2 Vji ϕi (ri )
j =i
d3 rj ϕ∗j (rj )ϕj (ri ) Vji ϕi (rj )δmsi ,msj
j =i
≡ (H(i) + Ci − Ai )ϕi (ri ) mit dem Coulomb-Energie-Operator Ci und dem Austausch-Energie-Operator Ai . Die hermitesche Matrix λ = (λij ) kann diagonalisiert werden: ⎛ ⎞ ε1 ⎜ ⎟ .. ε=⎝ λ = uεu† , ⎠. . εN Die Transformation ϕj ≡
uji ϕi
i
ist ein Basiswechsel und ¨andert nicht die Slaterdeterminante. Die Bestimmungsgleichungen f¨ ur die ϕi lauten unter Fortlassung der Striche:
Hartree-Fock-Gleichungen (H(i) + Ci − Ai )ϕi (ri ) = εi ϕi (ri ) , ϕi |ϕj = δij .
18.5 Atombau
245
Man kann zeigen, dass Ci − Ai f¨ ur alle i gleich ist. Bemerkungen: < 1. Der Produktansatz ψ = N i=1 ϕi anstelle einer Slaterdeterminanten w¨ urde zu den Hartreegleichungen (H(i) + Ci )ϕi = εi ϕi f¨ uhren. Diese entsprechen dem H0 in der Zentralfeldapproximation. 2. Interpretation der Hartree-Fock-Gleichungen: das Elektron i bewegt sich im Feld des Kerns und der restlichen Elektronen, deren Einfluss durch den Coulomb- und Austauschterm repr¨ asentiert sind. angt selbst wiederum von den Funktionen 3. Das Potenzial (Ci − Ai ) h¨ osung der Gleichungen. Man ϕi ab und ergibt sich somit aus der L¨ spricht daher vom selbstkonsistenten Feld. 4. L¨osungsverfahren: Iteration der Hartree-Fock-Gleichungen. Man be(0) (0) (0) ginnt mit geeigneten Funktionen ϕi und berechnet damit Ci , Ai . Damit l¨ost man (0)
(H(i) + Ci
(0)
(1)
− Ai )ϕi
(1)
(1) (1)
= εi ϕi . (1)
(1)
Aus den L¨osungen ϕi berechnet man Ci , Ai etc. Dieses Verfah(n) (n+1) (n) (n+1) ren iteriert man so lange, bis Ci ≈ Ci , Ai ≈ Ai . Die Genauigkeit liegt typischerweise im Bereich von 5 %. 5. Die Hartree-Fock-Approximation und verbesserte Varianten davon werden erfolgreich angewandt auf Atome und Atomkerne. Die Hartree-Fock-Gleichungen liefern eine approximative Wellenfunktion f¨ ur den Grundzustand. F¨ ur die zugeh¨ orige Energie ergibt sich N N 1 ϕi |H(i)|ϕi + ϕi |(Ci − Ai )|ϕi
E0 = ψ|H|ψ = 2
i=1
=
N i=1
1 εi − ϕi |(Ci − Ai )|ϕi . 2 N
i=1
i=1
246
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
Dabei ist d3 ri d3 rj |ϕi (ri )|2 |ϕj (rj )|2 Vij ϕi |Ci |ϕi = i
i =j
i
i =j
ϕi |Ai |ϕi = d3 ri d3 rj ϕ∗i (ri )ϕ∗j (rj ) Vij ϕi (rj )ϕj (ri )δmsi ,msj .
18.6 Austauschwechselwirkung Beim Heliumatom haben wir in der St¨ orungstheorie f¨ ur die Energien (0)
E1n = E1n + Knl ± Anl gefunden, wobei Anl die Austauschenergie ist. Ihr Vorzeichen korrespondiert zu den F¨allen +: −:
Parahelium, ↑↓, Orthohelium, ↑↑,
ψ(r1 , r2 ) symmetrisch, ψ(r1 , r2 ) antisymmetrisch.
Das Auftreten der Austauschenergie ist ein rein quantenmechanischer Effekt. Er l¨asst sich aber auch halbanschaulich deuten. Dazu betrachten wir der Einfachheit halber zwei Teilchen in einer r¨ aumlichen Dimension. Die Teilchen befinden sich in zwei Zust¨ anden, die durch die normierten Wellenfunktionen ψa (x) und ψb (x) beschrieben werden. Diese seien orthogonal zueinander. Wir wollen nun drei F¨ alle betrachten: 1. unterscheidbare Teilchen: Teilchen 1 sei in a und Teilchen 2 in b: ψ(x1 , x2 ) = ψa (x1 )ψb (x2 ), 2. Bosonen: 1 ψ(x1 , x2 ) = √ (ψa (x1 )ψb (x2 ) + ψb (x1 )ψa (x2 )) , 2 3. Fermionen: 1 ψ(x1 , x2 ) = √ (ψa (x1 )ψb (x2 ) − ψb (x1 )ψa (x2 )) . 2
18.6 Austauschwechselwirkung
247
Nun wollen wir das mittlere Abstandsquadrat der Teilchen . d2 = (x1 − x2 )2 = x21 + x22 − 2 x1 x2
einmal untersuchen. F¨ ur unterscheidbare Teilchen ist 2 2 2 2 2 x1 = dx1 dx2 |ψ(x1 , x2 )| x1 = dx1 |ψa (x1 )| x1 dx2 |ψb (x2 )|2 = a|x2 |a
und ebenso x22 = b|x2 |b . Weiterhin x1 x2 = dx1 dx2 |ψa (x1 )|2 |ψb (x2 )|2 x1 x2 = a|x|a b|x|b , und wir erhalten d2c = a|x2 |a + b|x2 |b − 2 a|x|a b|x|b . F¨ ur Bosonen bzw. Fermionen erhalten wir . 1 2 dx1 dx2 x21 |ψa (x1 )|2 |ψb (x2 )|2 + |ψb (x1 )|2 |ψa (x2 )|2 x1 = 2 ± ψa∗ (x1 )ψb (x1 ) ψb∗ (x2 )ψa (x2 ) ±ψb∗ (x1 )ψa (x1 ) ψa∗ (x2 )ψb (x2 )} / 1. a|x2 |a + b|x2 |b
= 2 und ebenso / 1. b|x2 |b + a|x2 |a
2 1 x1 x2 = { a|x|a b|x|b + b|x|b a|x|a ± 2 a|x|b b|x|a } 2 x22 =
mit a|x|b =
dx ψa∗ (x)ψb (x) x = b|x|a ∗ .
Zusammen gibt das d2 = a|x2 |a + b|x2 |b − 2 a|x|a b|x|b ∓ 2| a|x|b |2 = d2c ∓ 2| a|x|b |2 . Wir stellen fest:
248
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
• Bosonen tendieren dazu, n¨ aher zusammen zu sein, • Fermionen tendieren dazu, weiter voneinander entfernt zu sein. Bei diesem Effekt spricht man auch von der Austauschkraft“ bzw. Aus” ” tauschwechselwirkung“. Hierbei gilt es zu beachten, dass keine wirkliche Kraft im u ¨ blichen Sinne am wirken ist, sondern dass es sich um einen Effekt der Symmetrie der Wellenfunktion handelt. ¨ Bemerkung: a|x|b = 0, falls ψa und ψb eine nichtverschwindende Uberlappung haben. F¨ ur weit voneinander entfernte Teilchen ist a|x|b praktisch Null und die Teilchen k¨onnen als unterscheidbar betrachtet werden. Nach dieser eindimensionalen Betrachtung kehren wir in den dreidimensionalen Raum zur¨ uck und betrachten Elektronen, deren Spin wir mit ber¨ ucksichtigen. In den beiden m¨ oglichen F¨ allen mit definiertem Gesamtspin haben wir: Triplett, ↑↑, Singulett, ↑↓,
ψ(r1 , r2 ) antisymmetrisch, ψ(r1 , r2 ) symmetrisch,
d2 > d2c d2 < d2c .
Im Heliumatom stoßen sich die Elektronen elektrisch ab. Daher ist ihre Energie geringer bei gr¨oßerem Abstand und wir erwarten Orthohelium, ↑↑, Parahelium, ↑↓,
d gr¨ oßer : d kleiner :
E niedriger, E gr¨ oßer,
was ja auch tats¨achlich zutrifft.
18.7 Das Wasserstoffmolek¨ ul Das H2 -Molek¨ ul besteht aus zwei Protonen und zwei Elektronen, die insgesamt gebunden sind. Die chemische Bindung zwischen Atomen kann klassisch nicht erkl¨art werden, sondern ist ein quantenphysikalisches Ph¨ anomen. In diesem Abschnitt sollen die Grundz¨ uge der Theorie der chemischen Bindung exemplarisch vorgestellt werden. Wir betrachten die beiden Atomkerne wiederum als statisch. Ihr Abstand R kann dabei noch variiert werden. Die beiden Elektronen befinden sich im Coulombfeld der beiden Kerne. Sie bilden ein Zwei-Teilchen-System, dessen Grundzustand gesucht ist.
18.7 Das Wasserstoffmolek¨ ul
249
¨ Zun¨achst stellen wir eine heuristische Uberlegung an. Falls die Kerne nicht zu nahe beieinander sind, nehmen wir an, dass sich ein Elektron n¨aherungsweise im atomaren Grundzustand beim ersten Kern und das andere Elektron n¨aherungsweise im atomaren Grundzustand beim zweiten Kern befindet. Die bekannten F¨ alle f¨ ur den Gesamtspin sind: a) Singulett, ↑↓, ψ(r1 , r2 ) symmetrisch, Abstand d kleiner.
Die vermehrte negative Ladung zwischen den Kernen bewirkt eine Anziehung der Kerne. Dies f¨ uhrt zur kovalenten chemischen Bindung. oßer. b) Triplett, ↑↑, ψ(r1 , r2 ) antisymmetrisch, Abstand d gr¨
Die negative Ladung der Elektronen befindet sich jetzt mehr außen und bewirkt eine Abstoßung der Kerne. Es gibt keine chemische Bindung. Um zu sehen, ob dieses halbanschauliche Bild zutrifft, wollen wir das System mehr quantitativ untersuchen. b und es sei Rab ≡ R = |R a − R b |. Die a und R Die Orte der Kerne seien R Ortsoperatoren der Elektronen sind wie u ¨blich mit Q1 und Q2 bezeichnet und wir benutzen die Abk¨ urzungen 1 − R a |, R1b = |Q 1 − R b |, R1a = |Q 2 − R a |, R2b = |Q 2 − R b |, R12 = |Q 1 − Q 2 |. R2a = |Q
250
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
Der gesamte Hamiltonoperator lautet e2 1 1 (1)2 P − H= 2m 4πε0 R1a
) H(1)
) e2 1 1 (2)2 − P H(2) + 2m 4πε0 R2b 1 1 1 1 e2 − . − + + + 4πε0 R1b R2a R12 Rab
Der Anteil H0 = H(1) + H(2) beschreibt zwei nichtwechselwirkende Atome. Die zugeh¨ orige Schr¨ odingergleichung separiert in die beiden Gleichungen H(1)ψa (r ) = Ea ψa (r ),
H(2)ψb (r ) = Eb ψb (r ),
wobei ψa (r ) und ψb (r ) Wasserstoffwellenfunktionen sind. Heitler-London-Verfahren: Zur Beschreibung der Gesamtwellenfunktion haben Heitler und London den Ansatz 1 [ψa (r1 )ψb (r2 ) ± ψb (r1 )ψa (r2 )] ψ± (r1 , r2 ) = N± gemacht. Es handelt sich um eine Linearkombination atomarer Orbits und wird mit LCAO bezeichnet. Das Pauliprinzip ist durch die Symmetrisierung bzw. Antisymmetrisierung ber¨ ucksichtigt. Der Normierungsfaktor ist gegeben durch (N± )2 = 2(1 ± |S|2 ) ¨ mit dem Uberlappintegral S=
d3 r ψa∗ (r )ψb (r ).
F¨ ur die obigen Zust¨ande ist nun der Erwartungswert der Energie E± = ψ± |H|ψ±
als Funktion von R zu berechnen. Nach dem ritzschen Variationsprinzip ur die Grundzustandsenergie dar. Außerdem stellt E± eine obere Schranke f¨
18.7 Das Wasserstoffmolek¨ ul
251
ist E± gleich der Energie in der ersten Ordnung der St¨ orungstheorie. Es ist 4 E± = (1 ± |S|2 )−1 { d3 r1 d3 r2 ψa∗ (r1 )ψb∗ (r2 ) H ψa (r1 )ψb (r2 ) / 4 ± d3 r1 d3 r2 ψa∗ (r1 )ψb∗ (r2 ) H ψb (r1 )ψa (r2 ) / = (1 ± |S|2 )−1 { Ea + Eb + Kab ± [ |S|2 (Ea + Eb ) + Aab ] = Ea + Eb + Kab ± A2ab . 1 ± |S| Hierbei tritt die Coulombenergie Kab
e2 = 4πε0 +
1 − R
1 d r1 |ψa (r1 )| − r1b 3
2
1 d r1 d r2 |ψa (r1 )| |ψb (r2 )| r12 3
3
2
1 d r2 |ψb (r2 )| r2a 3
2
2
auf, die als elektrostatische Energie interpretiert werden kann. Dazu kommt die Austauschenergie 1 e2 |S|2 Aab = 4πε0 R , 1 1 ∗ 3 ∗ 3 ∗ − Re S d r1 ψa (r1 )ψb (r1 ) + S d r2 ψb (r2 )ψa (r2 ) r1b r2a - , 1 . + Re d3 r1 d3 r2 ψa∗ (r1 )ψb (r1 )ψb∗ (r2 )ψa (r2 ) r12 Kab (R) und Aab (R) sind Funktionen des Kernabstandes R. Nun betrachten wir speziell den Fall, dass ψa und ψb die Wellenfunktion des Grundzustandes des Wasserstoffatoms ist. Die Integrale Kab (R), Aab (R) und S(R) k¨onnen analytisch oder aber auch numerisch berechnet ¨ werden. Es stellt sich heraus, dass das Uberlappintegral |S| 1 sehr klein ist und dass Aab < 0, solange R nicht allzu klein ist. Daraus folgt, dass der Singulettzustand niedriger liegt als der Triplettzustand: E+ < E− . Weiterhin zeigt sich, dass Kab > 0 klein ist. Qualitativ haben E+ und E− als Funktion von R folgenden Verlauf:
252
18 Quantentheorie mehrerer Teilchen
E - 2 Ea
E−
R0
R E+
Man liest ab, dass es f¨ ur den Singulettzustand ein Minimum gibt und eine chemische Bindung m¨oglich ist. F¨ ur den zugeh¨ origen Abstand R0 und die Bindungsenergie findet man R0 Heitler-London: 0,869 · 10−10 m Experiment: 0,74 · 10−10 m
E+ − 2Ea −3,14 eV −4,73 eV
Angesichts der doch recht groben N¨ aherung ist das Ergebnis des HeitlerLondon-Verfahrens schon beachtlich genau.
19 Zeitabh¨ angige St¨ orungen 19.1 Zeitabh¨ angige St¨ orungstheorie Es gibt physikalisch sehr wichtige Systeme, bei denen eine ¨ außere zeitabh¨ angige St¨orung zu ber¨ ucksichtigen ist. Bei atomaren Strahlungsvorg¨ angen z.B. k¨ onnen wir das Atom als System betrachten, auf welches das eingestrahlte Licht als zeitabh¨angige St¨orung wirkt.
¨ Diese St¨orung bewirkt induzierte Emission und Absorption, d.h. Uberg¨ ange des Atoms in andere Zust¨ande. Betrachten wir also allgemein ein ungest¨ ortes System mit Hamiltonoperator H0 . Das System befinde sich in einem Anfangszustand, dessen Zeitentwicklung z.B. durch |ψ(t) = |n e−iωn t
mit ¯hωn = En
gegeben ist. Eine zeitabh¨angige St¨ orung erfolge nun durch einen St¨ orterm H1 (t): H(t) = H0 + H1 (t), und wir wollen annehmen, dass H1 (t) = 0
f¨ u r ta ≤ t ≤ te .
¨ Die zeitliche Anderung des Zustandes folgt der Schr¨ odingergleichung i¯ h
∂ |ψ(t) = H(t)|ψ(t)
∂t
und f¨ uhrt zu einem Endzustand ck (t)|k e−iωk t |ψ(t) = k
f¨ u r t > te .
254
19 Zeitabh¨angige St¨orungen
¨ Die Ubergangswahrscheinlichkeiten vom Zustand |n in den Zustand |k
sind pnk = |ck (t)|2 . Um diese zu berechnen, studieren wir nun die Zeitentwicklung genauer. F¨ ur das ungest¨orte System wissen wir, dass die L¨ osung von i¯ h
∂ |ψ = H0 |ψ
∂t
gegeben ist durch i . |ψ(t) = e− h¯ H0 (t−t0 ) |ψ(t0 ) = U0 (t − t0 )|ψ(t0 ) .
Das gest¨orte System gen¨ ugt i¯ h
∂ |ψ = (H0 + H1 (t))|ψ . ∂t
Die Zeitentwicklung |ψ(t0 )
→
|ψ(t)
ist unit¨ar und wir schreiben sie als |ψ(t) = U (t, t0 )|ψ(t0 ) . orung. Der Unterschied zwischen U (t, t0 ) und U0 (t − t0 ) stammt von der St¨ Betrachte jetzt i
|ψW (t) = U0−1 (t − t0 )|ψ(t) = e h¯ H0 (t−t0 ) |ψ(t) . Hierdurch ist das Wechselwirkungsbild definiert. F¨ ur H1 = 0 ist |ψW (t) = angt nicht von der Zeit ab. F¨ ur |ψH der Zustand im Heisenbergbild und h¨ H1 = 0 gilt jedoch i¯ h
i i ∂ ∂ |ψW (t) = e h¯ H0 (t−t0 ) (−H0 )|ψ(t) + e h¯ H0 (t−t0 ) i¯ h |ψ(t)
∂t ∂t i i i H (t−t ) H (t−t ) 0 0 0 0 = e h¯ H1 (t)|ψ(t) = e h¯ H1 (t)e− h¯ H0 (t−t0 ) |ψW (t) ,
bzw. i¯ h
∂ (W ) |ψW (t) = H1 (t)|ψW (t) . ∂t
19.1 Zeitabh¨angige St¨orungstheorie
255
Explizit in einer diskreten Basis sieht das folgendermaßen aus. ck (t)|k e−iωk (t−t0 ) (Schr¨ odingerbild), |ψ(t) = k
|ψW (t) =
ck (t)|k
k
ck (t) = k|ψW (t)
∂ ∂ h k| ψW (t)
i¯ h ck (t) = i¯ ∂t ∂t (W ) = k|H1 (t)|ψW (t)
(W ) k|H1 (t)|m m|ψW (t)
= m
=
k|H1 (t)|m e−i(ωm −ωk )(t−t0 ) cm (t).
m
Dieses System von gekoppelten Differenzialgleichungen ist mit den Anfangsbedingungen ck (t0 ) = k|ψ(t0 ) = δkn zu l¨osen. F¨ ur kleine St¨orungen H1 (t) kann es ausreichen, nur die erste Ordnung in ur den Zustand lautet H1 zu kennen. Diese k¨onnen wir sofort angeben. F¨ sie i t (W ) dt H1 (t )|ψ(t0 )
|ψW (t) = |ψ(t0 ) − h t0 ¯ und f¨ ur die Entwicklungskoeffizienten entsprechend i t dt k|H1 (t )|m e−i(ωm −ωk )(t −t0 ) cm (t0 ). ck (t) = ck (t0 ) − ¯h m t0 F¨ ur t0 = 0 und cm (0) = δmn vereinfacht es sich zu i ck (t) = δkn − h ¯
t
dt k|H1 (t )|n e−i(ωn −ωk )t .
0
Man kann auch eine geschlossene L¨ osung der Zeitentwicklung im Wechselare Zeitentwirkungsbild zu allen Ordnungen in H1 angegeben. Der unit¨ wicklungsoperator W (t, t0 ) im Wechselwirkungsbild ist definiert durch |ψW (t) = U0−1 (t − t0 )U (t, t0 )|ψ(t0 ) ≡ W (t, t0 )|ψ(t0 )
256
19 Zeitabh¨angige St¨orungen
und erf¨ ullt
∂ (W ) W (t, t0 ) = H1 (t)W (t, t0 ) , ∂t mit der Anfangsbedingung i¯ h
t > t0
W (t0 , t0 ) = 1. Dies ist ¨aquivalent zur Integralgleichung i t (W ) dt H1 (t )W (t , t0 ). W (t, t0 ) = 1 − h t0 ¯ Diese l¨ost man durch Iteration W0 (t, t0 ) = 1, i Wn (t, t0 ) = 1 − h ¯ i ¯ h
W1 (t, t0 ) = 1 −
z.B.
Die Iteration konvergiert, falls
t
dt H1
(t )Wn−1 (t , t0 ),
dt H1
(t ).
(W )
t0 t
(W )
t0
4∞
(W ) (t) −∞dtH1
< ∞.
Die formale L¨osung der Iteration ist W (t, t0 ) = ∞ " i #n t dtn − ¯h 1+ n=1
t0
tn
t2
dtn−1 . . . t0
t0
(W )
dt1 H1
(W )
(tn )H1
(W )
(tn−1 ) . . . H1
(t1 ).
onnen Im Integranden gilt f¨ ur die Zeiten t0 ≤ t1 ≤ t2 ≤ . . . ≤ tn ≤ t. Wir k¨ den Ausdruck auch in der Form W (t, t0 ) = t t ∞ " i #n 1 t (W ) (W ) dtn dtn−1 . . . dt1 T H1 (tn ) . . . H1 (t1 ) − ¯h 1+ n! t0 t0 t0 n=1 schreiben. Dabei wird der Zeitordnungsoperator T eingef¨ uhrt, der die Ope(W ) ratoren H1 (ti ) so anordnet, dass die Zeiten in absteigender Reihenfolge stehen: T A(t1 ) . . . A(tn ) = A(tπ(1) ) . . . A(tπ(n) ) mit π ∈ Sn ,
tπ(n) < · · · < tπ(2) < tπ(1) .
19.1 Zeitabh¨angige St¨orungstheorie
257
F¨ ur n = 2 gilt z.B. T A(t1 )A(t2 ) =
A(t1 )A(t2 ), A(t2 )A(t1 ),
t1 ≥ t2 t2 ≥ t1 . (W )
Die Zeitordnung ist n¨otig, da die Operatoren H1 Zeiten nicht miteinander kommutieren.
(ti ) zu verschiedenen
t2 ( )
( )
W W H1 ( t2) H1 ( t1 )
t ( )
( )
W W H1 ( t1 ) H1 ( t2)
t1
t
Obige L¨osung k¨onnen wir kompakt zusammenfassen in der Dysonreihe i t (W ) W (t, t0 ) = T exp − dt H1 (t ) . h t0 ¯ Bis zur ersten Ordnung in H1 ist i W1 (t, t0 ) = 1 − h ¯
t
dt H1
(W )
(t ),
t0
woraus wieder unsere obigen Formeln f¨ ur |ψW (t) und ck (t) in erster Ordnung folgen. ¨ Die gesuchten Ubergangswahrscheinlichkeiten sind nun gem¨ aß pnk (t) = |ck (t)|2 zu berechnen.
258
19 Zeitabh¨angige St¨orungen
19.2 Fermi’s Goldene Regel 19.2.1 Zeitunabh¨ angige St¨ orungen angige St¨ orung, die bei t = 0 eingeschalSei H1 (t) = θ(t)H1 eine zeitunabh¨ tet wird. F¨ ur m = n folgt in erster Ordnung 2 1 t i(ωm −ωn )t 2 pnm (t) = 2 dt e | m|H1 |n | ¯h 0 4 sin2 ( 12 (ωm − ωn )t) = 2 | m|H1 |n |2 . (ωm − ωn )2 ¯h ur Der hier auftretende Faktor 4 sin2 ( ω2 t)/ω 2 vor dem Matrixelement hat f¨ agtes Maximum große Zeiten t als Funktion von ω = ωm − ωn ein ausgepr¨ bei 0, wie die Abbildung zeigt.
t
0
2
2π t
ω
Die Breite der Funktion ist proportional zu 1/t und das Maximum w¨ achst 2 proportional zu t . Das bedeutet, dass mit u ¨berwiegender Wahrscheinlich¨ keit nur Uberg¨ ange zu Zust¨ anden |m stattfinden, f¨ ur die ωm ≈ ωn ist. Das Verhalten der Funktion f¨ ur sehr große t l¨ asst sich durch die Relation 4 sin2 ( ω2 t) = 2πδ(ω) lim t→∞ ω2t
19.2 Fermi’s Goldene Regel
259
quantifizieren. Im Folgenden wollen wir annehmen, dass der Endzustand |m im kontinuierlichen Spektrum liegt. Zur besseren Unterscheidung werden wir ihn ab jetzt |α nennen, wobei α kontinuierlich variiert. Dann ist pnα (t) die ¨ Ubergangswahrscheinlichkeitsdichte in der Energiedarstellung. Die gesam4 ¨ te Ubergangswahrscheinlichkeit ins Kontinuum ist pnα (t)dα. (Gegebenenfalls wird zus¨atzlich u ¨ber diskrete Quantenzahlen summiert). Wir wissen, dass f¨ ur große Zeiten nur Zust¨ ande α beitragen, deren Energie Eα dicht bei En liegt. 4 ¨ Die Ubergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit Wn→α = dα pnα (t)/t im Limes großer Zeiten berechnet sich mit Hilfe der obigen Relation zu 2π 2π δ(Eα − En ) | α|H1 |n |2 . Wn→α = dα 2 δ(ωα − ωn ) | α|H1 |n |2 = dα h ¯ ¯h Durch die δ-Funktion wird Eα = En erzwungen. Aus einer zeitunabh¨angigen St¨orung kann das System also keine Energie aufnehmen. Nun f¨ uhren wir noch die Zustandsdichte ρ(E) = δ(Eα − E)dα ein. Sie gibt die Zahl der Zust¨ ande dα = ρ(E)dE in einem infinitesimalen Energie-Intervall dE an. ur alle Zust¨ ande zur Energie Eα konUnter der Annahme, dass α|H1 |n f¨ stant ist, erhalten wir Fermi’s goldene Regel“ ” Wn→α =
2π ρ(En )| α|H1 |n |2 , h ¯
die aber nicht von Fermi sondern von Pauli stammt. Wenn m im diskreten Spektrum liegt, verschwindet pnm (t)/t im Limes oße. großer Zeiten f¨ ur Em = En und liefert keine sehr interessante Gr¨ Zum G¨ ultigkeitsbereich der goldenen Regel seien noch folgende Hinweise gegeben. F¨ ur (ωα − ωn )t 1 und große t kann in dem Ausdruck zu Beginn dieses Abschnittes pnα (t) > 1 werden. Dann wird die Approximation ung¨ ultig. F¨ ur den G¨ ultigkeitsbereich der goldenen Regel gilt:
260
19 Zeitabh¨angige St¨orungen
• Die Breite ΔE der Verteilung der Endzust¨ ande muss gr¨ oßer sein als 2 1 2 die Breite von (sin 2 (ωα − ωn )t)/(ωα − ωn ) und somit ΔE
h . t
Außerdem muss ρ(E) in der Umgebung von En glatt auf der Skala 2π¯h/t sein. • t muss klein genug sein, damit die erste Ordnung g¨ ultig bleibt; insbesondere muss p < 1 bleiben. Daraus folgt Wn→α t 1 als Kriterium. 19.2.2 Periodische St¨ orungen F¨ ur die Wechselwirkung von Atomen mit elektromagnetischer Strahlung ist der Fall wichtig, dass die St¨ orung periodisch von der Zeit abh¨ angt. Wir betrachten also eine periodische St¨ orung H1 (t) = Hω e−iωt + Hω† eiωt ,
ω > 0,
die ab t = 0 wirken soll. Dann ist % i t $ dt m|Hω |n ei(ωm −ωn −ω)t + m|Hω† |n ei(ωm −ωn +ω)t cm (t) − δmn = − ¯h 0 sin 12 (ωm − ωn − ω)t i (ωm −ωn −ω)t i e2 m|Hω |n 1 =− ¯h (ω − ω − ω) m n 2 ) 1 sin (ω − ω + ω)t i m n e 2 (ωm −ωn +ω)t . + m|Hω† |n 1 2 (ω − ω + ω) m n 2 Mit der Abk¨ urzung ωmn ≡ ωm − ωn ist |cm (t) − δmn |2 = 2 2 1 1 (ω − ω)t (ω + ω)t sin sin 1 mn mn 2 2 | m|Hω |n |2 + | m|Hω† |n |2 1 1 (ω − ω) (ω ¯h2 mn mn + ω) 2 2 + gemischte Terme . Dieser Ausdruck hat folgende Gestalt als Funktion von ωm :
19.2 Fermi’s Goldene Regel
261
2π t
ωn − ω
ωn + ω
ωm
F¨ ur ω > 2π age t sind die gemischten Terme sehr klein. Wesentliche Beitr¨ treten nur auf f¨ ur |ωmn + ω| ≤
2π t
und |ωmn − ω| ≤
2π . t
F¨ ur wachsendes t werden die Maxima immer sch¨ arfer. ¨ Die Interpretation der dominanten Uberg¨ ange ist klar: a)
ωm = ωn + ω,
Em = En + h ¯ ω : Absorption
b)
ωm = ωn − ω,
Em = En − ¯ hω : Emission
Durch die ¨außere St¨orung mit der Kreisfrequenz ω werden Energie¨ Anderungen um ±¯hω hervorgerufen. ¨ ¨ F¨ ur Uberg¨ ange ins kontinuierliche Spektrum gelten die Uberlegungen des ¨ vorigen Abschnittes analog mit folgenden Anderungen: a) Absorption, Wn→m =
2π ρ(En + h ¯ ω)| m|Hω |n |2 , ¯h
Em = En + h ¯ω ,
2π hω)| m|Hω† |n |2 , ρ(En − ¯ ¯h
Em = En − ¯ hω .
b) Emission, Wn→m =
Dies sind die goldenen Regeln f¨ ur den Fall einer periodischen St¨ orung.
262
19 Zeitabh¨angige St¨orungen
19.3 Absorption und Emission von Strahlung Mit den uns nun zur Verf¨ ugung stehenden Formeln k¨ onnen wir die Emission und Absorption von Strahlung betrachten. Die Situation ist diese:
Atom
Ein Atom steht in Wechselwirkung mit dem ¨ außerem Strahlungsfeld. Dieses stellt eine periodische St¨ orung dar. Noch realistischer ist es, eine in¨ koh¨arente Uberlagerung von St¨ orungen verschiedener Frequenzen anzunehmen. ¨ Gesucht sind die Ubergangsraten Wn→m im diskreten Spektrum des Atoms. ¨ Im vorigen Abschnitt haben wir die Ubergangswahrscheinlichkeiten orungstheorie f¨ ur periodische St¨ opn→m (t) in der ersten Ordnung der St¨ ¨ rungen berechnet. Wenn wir eine inkoh¨ arente Uberlagerung von kontinuierlichen Frequenzen in der St¨ orung mit einer Spektralverteilung ρˆ(ω) an¨ nehmen, ist die Ubergangsrate gegeben durch ∞ 1 dω ρˆ(ω)pn→m (t) Wn→m = t −∞ 2π ρˆ(ωmn )| m|Hωmn |n |2 −→ t→∞ h2 ¯ f¨ ur ωm > ωn , d.h. Absorption. F¨ ur ωm < ωn finden wir 2π ρˆ(ωnm )| m|Hω† nm |n |2 ¯h2 2π = 2 ρˆ(ωnm )| n|Hωnm |m |2 = Wm→n . ¯h ¨ Diese durch das ¨außere Feld angeregten Uberg¨ ange mit Energieverlust bezeichnet man als induzierte Emission. Wn→m =
F¨ ur das Atom im elektromagnetischen Feld wollen wir den speziellen Fall betrachten, dass ein Valenzelektron vorliegt, also z.B. das H-Atom. Der Wechselwirkungsterm ist e r , t) · P H1 = − A( me
19.3 Absorption und Emission von Strahlung
263
= 0). Eine ebene Welle lautet in der Coulombeichung (divA r , t) = ae eik·r−iωt + a∗e e−ik·r+iωt A(
mit k =
ω , |e| = 1. c
Nach den Regeln der Elektrodynamik ist die Intensit¨ at der Welle gegeben durch I = |S|,
= |S|
1 1 2 E =⇒ I = 2ε0 cω 2 |a|2 |E||B| = μ0 μ0 c
und die Energiedichte durch 1 = 2ε0 ω 2 |a|2 . u = |S| c Mit Hω = −
e ik·r e a e · P me
finden wir | m|Hω |n |2 = =
e me
2
|a|2 | m|eik·re · P |n |2
e2 u | m|eik·re · P |n |2 . 2 2 2me ω ε0
¨ F¨ ur eine inkoh¨arente Uberlagerung ersetzen wir die Energiedichte u durch eine Verteilung u(ω) und erhalten Wn→m =
πe2 u(ωmn ) | m|eik·re · P |n |2 . 2 2 2 me ωmn ¯ h ε0
Jetzt gilt es noch, das Matrixelement zu berechnen. F¨ ur Wellenl¨ angen, die groß gegen den Durchmesser des Atoms sind, λ=
2π ø(Atom), k
gen¨ ugt es, in dem Matrixelement die Dipoln¨ aherung
eik·r ≈ 1 zu verwenden. Dieses reduziert sich dadurch auf m|e · P |n = iωmn me m|e · Q|n
264
19 Zeitabh¨angige St¨orungen
wegen ¯ P =h . [H0 , Q] i me Mit dem Dipoloperator
. d = eQ
erhalten wir das Endergebnis
Wn→m =
4π 2 2. u(ωmn ) | m|e · d|n | ¯h2 (4πε0 )
¨ Das maßgebliche Matrixelement f¨ ur die Uberg¨ ange ist m|e · d|n . Die Bedingung, dass es nicht Null ist, f¨ uhrt zu den verschiedenen Auswahlregeln, z.B. Δl = ±1, Δm = 0, ±1 (elektrische Dipolstrahlung). Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass wir Absorption und induzierte Emission behandeln. Die spontane Emission, bei der kein Licht von außen einstrahlt, wird durch den obigen Formalismus nicht erfasst. Zu seiner korrekten Beschreibung muss das elektromagnetische Feld ebenfalls quantisiert werden. Das obige Resultat verallgemeinern wir jetzt noch auf den Fall einer in¨ koh¨arenten Uberlagerung von Wellenvektoren k und Polarisationen e⊥k. Das Quadrat des Matrixelements m|e · d|n
ist zu ersetzen durch 1 = 1 n|d|m m| dΩe n|d · e|m m|e · d|n
d|n
4π 3 wegen 1 1 dΩe ei ej = δij . 4π 3 Das ergibt 4π 2 2 | n|d|m | u(ωmn ) 3¯ h2 (4πε0 ) ≡Bnm u(ωmn ),
Wn→m =
wobei der Einsteinkoeffizient Bnm = Bmn eingef¨ uhrt wurde. Diese Formel ¨ ist das gesuchte Ergebnis f¨ ur die Ubergangsraten bei Absorption und induzierter Emission von Licht.
19.4 Spontane Emission
265
19.4 Spontane Emission Die spontane Emission, bei der ein Atom, Molek¨ ul, Kern etc. von einem angeregten Zustand in einen niedrigeren Zustand u ¨ bergeht unter gleichzeitiger Emission von Strahlung, ist nat¨ urlich von sehr großem Interesse. Die ¨ ur k¨ onnen wir mit den bisherigen Methoden nicht Ubergangsrate Anm daf¨ berechnen. F¨ ur die quantentheoretische Beschreibung der spontanen Emission ist die Quantisierung des elektromagnetischen Feldes, z.B. im Rahmen der Quantenelektrodynamik, erforderlich. ¨ Dennoch kann man schon aus allgemeinen Uberlegungen eine Beziehung ¨ zwischen der Ubergangsrate f¨ ur spontane Emission und derjenigen f¨ ur induzierte Emission bzw. Absorption herleiten. Diese Beziehung stammt von Einstein, der mit einer schlauen Gedankenf¨ uhrung das plancksche Strahlungsgesetz hergeleitet hat. Einsteins Ableitung des planckschen Strahlungsgesetzes geht folgendermaßen. ¨ f¨ ur spontane Emission bei einem Es sei Wn→m = Anm die Ubergangsrate ¨ Ubergang von n nach m. Die Besetzungsh¨ aufigkeiten der beiden betrachteten Zust¨ande seien Nn und Nm .
En
Nn
A nm
B nm
E n − E m = h− ω
B mn
Em
Nm
Die Leistung W (Energie/Zeit) der verschiedenen Prozesse lautet • spontane Emission:
hω, WSE = Nn Anm ¯
• induzierte Emission:
hω, WIE = Nn u(ω)Bnm ¯
• induzierte Absorption:
hω. WIA = Nm u(ω)Bmn ¯
266
19 Zeitabh¨angige St¨orungen
Nun betrachtet man den Fall des Gleichgewichts, wie er beim schwarzen K¨orper mit Temperatur T vorliegt. Die Leistungsbilanz erfordert Nn Anm + Nn u(ω)Bnm = Nm u(ω)Bmn . Die Besetzungswahrscheinlichkeiten gehorchen der Maxwellverteilung: Nn = Ce−βEn ,
Nm = Ce−βEm ,
mit β =
1 . kT
Daraus folgt Anm e−βEn + u(ω)Bnm e−βEn = u(ω)Bmn e−βEm und weiterhin u(ω) =
Anm Bnm eβ¯hω
Bmn Bnm
−1
.
Es ist aber Bmn = Bnm , wie wir vorher gefunden haben, und daher u(ω) =
Anm Bnm
h ¯ω
e kT − 1
.
Dies ist das plancksche Strahlungsgesetz, wobei der Quotient Anm /Bnm noch nicht bestimmt ist. Andererseits ist aus der planckschen Herleitung das Gesetz in der Form u(ω) =
¯ ω3 h π 2 c3
1 ¯ω h e kT
−1
bekannt. Durch Vergleich lesen wir ab hω 3 ¯ Anm = 2 3. Bnm π c Mit dem oben berechneten Wert von Bnm finden wir damit den gesuchten Einsteinkoeffizienten f¨ ur spontane Emission:
Anm =
ω3 4 2 | n|d|m | . 3¯ hc3 (4πε0 )
20 Statistischer Operator 20.1 Gemische Die bisher betrachteten quantenmechanischen Zust¨ ande sind sogenannte reine Zust¨ande, die durch Vektoren im Hilbertraum beschrieben werden. Reine Zust¨ande repr¨asentieren die maximale Kenntnis u ¨ ber das System. Sie lassen sich z.B. festlegen durch Messung aller Observablen eines vollst¨andigen Satzes vertauschbarer Observabler. Wir stellen uns vor, dass die Streuung von Messwerten in einem reinen Zustand eine intrinsische quantenmechanische Eigenschaft ist, die sich nicht durch zus¨ atzliche Information reduzieren l¨asst. Außer den reinen Zust¨anden gibt es aber auch statistische Gemische. Ein statistisches Gemisch ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung u ¨ber den reinen Zust¨anden. Das bedeutet, dass wir nicht genau wissen, welcher reine Zustand vorliegt, sondern nur gewisse Wahrscheinlichkeiten daf¨ ur angeben k¨ onnen. Beispiel: Stern-Gerlach-Apparat Wenn wir den aus dem Ofen kommenden Strahl durch einen Filter schicken, uglich welcher die Elektronen im Zustand Z+ herausfiltert, so haben wir bez¨ der Spinfreiheitsgrade einen reinen Zustand pr¨ apariert. Ohne den Filter finden wir ein Gemisch aus Z+ und Z− vor.
Z
Z+ reiner Zustand
Gemisch von Z + und Z −
Ein statistisches Gemisch entspricht einer unvollst¨ andigen Kenntnis u ¨ber den Zustand des Systems. Die Situation ist v¨ ollig analog zu derjenigen in der statistischen Mechanik, wo die Wahrscheinlichkeiten unsere Unkenntnis
268
20 Statistischer Operator
u ¨ ber den genauen Zustand widerspiegeln. Die hier vorkommenden Wahrscheinlichkeiten sind also keine quantenmechanischen sondern klassische Wahrscheinlichkeiten. Wir beschreiben reine Zust¨ande durch Vektoren in einem Hilbertraum H. Wodurch sind Gemische zu beschreiben? Ein System S sei in einem statistischen Gemisch. Die Menge von m¨ oglichen Zust¨anden sei {|α }. Sie muss im Allgemeinen keine Basis sein, sondern es d¨ urfen auch linear abh¨angige Vektoren enthalten sein. S sei mit Wahrscheinlichkeit pα im Zustand |α , wobei pα = 1. 0 ≤ pα ≤ 1 , α
Der Erwartungswert einer Observablen A ist dann zu berechnen gem¨ aß A= pα α|A|α . α
In ihn gehen sowohl die quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen in den Zust¨anden |α als auch die klassischen“ Wahrscheinlichkei” ten pα ein. Wir werden die Notation A ≡ A
verwenden. Mit dem Projektor Pα = |α α| gilt α|A|α = Sp(Pα A). Beweis: Sei {|n } Basis. n|Pα A|n = n|α α|A|n = α|A|n n|α
Sp(Pα A) = n
n
n
= α|A|α . Sp(Pα A) ist unabh¨angig von der Basis. Wir schreiben den Erwartungswert nun folgendermaßen um: pα Sp(Pα A) = Sp pα Pα A . A = α
α
20.1 Gemische
269
Mit der Definition des statistischen Operators pα Pα ρ= α
gilt somit f¨ ur jede Observable A A = Sp(ρA) .
Der statistische Operator ρ beschreibt den gemischten Zustand eindeutig. Die reinen Zust¨ande stellen einen Spezialfall dar. Zum reinen Zustand |β
geh¨ort ρ = Pβ , A = β|A|β . pα = δαβ , Eigenschaften des statistischen Operators: 1.
ρ† = ρ
2.
Sp(ρ) = 1, + denn Sp(ρ) = α pα = 1
3.
0 ≤ ψ|ρ|ψ , + denn ψ|ρ|ψ = α pα | ψ|α |2 ≥ 0
4.
Sp(ρ2 ) ≤ 1, Sp(ρ2 ) = 1 ⇔
ρ ist reiner Zustand.
Beispiel: Stern-Gerlach-Versuch Angenommen, die Zust¨ande |Z+ und |Z− liegen vor mit den Wahrscheinlichkeiten p+ und p− , wobei p+ + p− = 1. In der Basis {|Z+ , |Z− } ist 1 0 0 0 , P− = , P+ = 0 0 0 1 ρ=
p+ 0 0 p−
¯ h ¯ h Sz = Sp(ρ · σz ) = Sp 2 2
,
Sp(ρ) = 1, p+ 0 0 −p−
=
¯ h (p+ − p− ). 2
270
20 Statistischer Operator
Im speziellen Fall p+ = p− = 12 ,
ρ=
1 2
1
liegt ein isotropes Gemisch vor, in dem Sk =
¯ 1 h 2 2
Sp(Sk ) = 0
gilt.
20.2 Unterschied zwischen reinen und gemischten Zust¨ anden Den Unterschied zwischen reinen und gemischten Zust¨ anden wollen wir noch genauer studieren. Wir bleiben im Beispiel des Stern-Gerlach-Versuches und betrachten folgende Superposition: 1 1 |ϕ = √ (|Z+ + eiϕ |Z− ) = √ 2 2
1 eiϕ
.
Sie ist Eigenvektor zur Spinkomponente Se mit e = (cos ϕ, sin ϕ, 0). Zu diesem reinen Zustand geh¨ort der statistische Operator 1 2
ρϕ = Pϕ = |ϕ ϕ| =
1 e−iϕ eiϕ 1
.
Er erf¨ ullt ρ2ϕ = ρϕ ,
Sp(ρ2ϕ ) = 1.
Wenn wir einen Strahl von Elektronen, die sich im Zustand |ϕ befinden, durch eine Stern-Gerlach-Apparatur schicken, so produziert sie zwei Teilstrahlen in den Zust¨anden |Z+ und eiϕ |Z− . Bringen wir diese zur Interferenz, so wird der Zustand |ϕ wiederhergestellt.
ϕ
Z+
e iϕ Z−
ϕ Interferenz
20.2 Unterschied zwischen reinen und gemischten Zust¨anden
271
Sehen wir uns nun ein gleichgewichtiges Gemisch der beiden betrachteten Zust¨ande an. Der Phasenfaktor exp(iϕ) f¨ allt heraus und der statistische Operator lautet 1 1 1 0 . ρG = (|Z+ Z+ | + |Z− Z− |) = 2 2 0 1 Er erf¨ ullt ρ2G
1 = 4
1 0 0 1
Sp(ρ2G ) =
,
1 = 1. 2
Der Unterschied zu ρϕ besteht darin, dass die gemischten Terme außerhalb der Diagonalen fehlen. Diese sind wichtig f¨ ur Interferenz, z.B. h ¯ h 0 1 ¯ 1 1 e−iϕ = cos ϕ, Sx ϕ = Sp(ρϕ Sx ) = Sp iϕ 1 0 1 2 e 2 2 h 0 1 1 1 0 ¯ = 0. Sx G = Sp(ρG Sx ) = Sp 1 0 2 0 1 2 Das Gemisch kann dadurch hergestellt werden, dass vor dem Zusammenbringen der Teilstrahlen die Phasenbeziehung zerst¨ ort wird, was ohne besondere experimentelle Vorkehrungen ohnehin leicht geschieht.
ϕ
Z+ G e iϕ Z−
Zerstörung der Phasenbeziehung
M¨oglich w¨are z.B., dass durch a usse die relative Phase ϕ stati¨ußere Einfl¨ stisch schwankt. Durch die statistische Mittelung u ¨ber die Phasen wird das Gemisch erzeugt: 2π 1 dϕ ρϕ . ρG = 2π 0 Allgemein k¨onnen wir folgende Beziehung zwischen reinen Zust¨ anden und Gemischen feststellen. F¨ ur einen reinen Zustand cn |n
|ψ = n
272
20 Statistischer Operator
enth¨alt der statistische Operator Diagonalterme und Interferenzterme“: ” cn c∗m |m n| ρψ = |ψ ψ| = =
n,m
|cn | |n n| + 2
n
cn c∗m |m n|.
m =n
0 12 3 Interferenzterme“ ”
In dem Gemisch mit pn = |cn |2 : ρG =
n
fehlen die Interferenzterme.
|cn |2 |n n|
21 Messprozess und Bellsche Ungleichungen 21.1 Messprozess In diesem Kapitel werden wir uns den Vorg¨ angen, die mit dem quantenmechanischen Messprozess verbunden sind, eingehender zuwenden. Angenommen, es liegt ein pr¨aparierter Zustand |ψ eines Systems S vor und wir wollen an diesem Zustand die Observable A messen. Der Einfachheit halber nehmen wir an, das Spektrum von A sei diskret: A|n = an |n . Der Zustand kann nach den Eigenvektoren entwickelt werden: cn |n . |ψ = n
Nun erfolge eine Messung von A durch eine Messapparatur M .
ψ
M
Wir haben schon gelernt, dass die m¨ oglichen Messergebnisse f¨ ur A die Eigenwerte an sind und dass sie mit den Wahrscheinlichkeiten pn = |cn |2 auftreten. Betrachten wir nun die Zust¨ ande, die in den Messvorgang involviert sind. Vor der Messung soll der reine Zustand |ψ vorliegen, zu dem der statistische Operator ρ0 = |ψ ψ| geh¨ort. W¨ahrend der Messung tritt das betrachtete System S mit der Messapparatur M in Wechselwirkung. Wenn dieser Vorgang beendet ist, wir das Messergebnis aber noch nicht an der Apparatur abgelesen haben, wissen wir nur, dass das System sich in irgendeinem der Zust¨ ande |n befindet, und
274
21 Messprozess und Bellsche Ungleichungen
zwar mit Wahrscheinlichkeit pn . Diesen Zustand vor der Ablesung beschreiben wir, wie wir es im vorigen Kapitel + gelernt haben, durch das Gemisch uckt unsere Unmit dem statistischen Operator ρI = n |cn |2 |n n|. Er dr¨ ¨ kenntnis des Messergebnisses aus. Den Ubergang von ρ0 nach ρI bezeichnet man auch als Zustandsreduktion. Wenn wir schließlich das Messergebnis abgelesen haben, z.B. den Wert an , wissen wir, dass das System im reinen Zustand |n ist, zu dem der statistische Operator ρII = |n n| geh¨ ort. Zust¨ ande
vor der Messung
|ψ =
+ n
nach der Messung ohne Ablesen
cn |n
ρ0 = |ψ ψ| rein
Ablesung
|n
ρI =
−→ ? Reduktion ” des Zustandes“
+ n
|cn |2 |n n|
Gemisch
ρII = |n n|
−→ rein Kenntnisnahme wie in der klass. Statistik
¨ Der Ubergang von ρI nach ρII beschreibt unseren Informationsgewinn durch das Ansehen des Messergebnisses. Dies ist wie in der klassischen Statistik und stellt nichts Ungew¨ ohnliches dar. ¨ Der Ubergang von ρ0 nach ρI ist jedoch problematischer. Wie kann er physikalisch beschrieben werden? Gehorcht er der Schr¨ odingergleichung? Behauptung: Die unit¨are Zeitentwicklung gem¨ aß der Schr¨ odingergleichung wandelt reine Zust¨ande in reine Zust¨ande und Gemische in Gemische. Beweis: F¨ ur einen reinen Zustand ist |ψ(t) = U (t)|ψ(0) und ρψ(t) = |ψ(t) ψ(t)| ist ein reiner Zustand f¨ ur alle t.
21.1 Messprozess
275
F¨ ur ein Gemisch ρG =
pk |k k|
k
lautet die Zeitentwicklung pk U (t)|k k|U † (t) = U (t) ρG (0) U † (t) ρG (t) = k
und es ist Sp(ρG (t)2 ) = Sp(U (t)ρG (0)ρG (0)U † (t)) = Sp(ρG (0)2 ) < 1, so dass es ein Gemisch bleibt f¨ ur alle t. ¨ Der fragliche Ubergang, die Zustandsreduktion, kann also nicht durch eine Schr¨odingergleichung f¨ ur das System S beschrieben werden. ¨ Aufgrund dieser Beobachtung hat J. v. Neumann zwei Arten zeitlicher Anderung postuliert: 1. unit¨ar, gem¨aß der Schr¨ odingergleichung, 2. Zustandsreduktion, nicht-unit¨ ar. Gen¨ ugt der Messprozess nicht der Schr¨ odingergleichung? Ist sie nicht immer g¨ ultig? ¨ Wir m¨ ussen beachten, dass wir nur die zeitliche Anderung des Zustandes von S betrachtet haben. Das System S ist aber mit der Messapparatur M in Wechselwirkung getreten. Wir m¨ ussen also M mit einbeziehen. Die Messapparatur befinde sich vorher in einem Zustand |M0 . Dann erfolgt die Wechselwirkung mit dem System S. Diese wollen wir idealisiert beschreiben. Der Gesamtzustand von System und Apparat sei vorher |ψ ⊗ |M0 ≡ |ψ, M0 . Wenn M wirklich ein Messapparat f¨ ur die Observable A ist, verlangen wir Folgendes: Falls S vorher im Zustand |k ist, soll es darin bleiben und gleichzeitig soll M in den Zustand u ¨ bergehen, der das Messergebnis k korrekt anzeigt. Diesen Zustand mit der Zeigerstellung k“ nennen wir Mk . ” |k, Mk = |k ⊗ |Mk
|k, M0 −→ ↑ Zeigerstellung
276
21 Messprozess und Bellsche Ungleichungen
F¨ ur eine st¨orungsfreie Messung fordern wir ur k = l. Mk |Ml = 0 f¨ F¨ ur das Gesamtsystem resultiert aufgrund des Superpositionsprinzips folgende Entwicklung: Messprozess cn |n, M0 −−−−−−−→ cn |n, Mn . |ψ, M0 = n
0n
12
3
faktorisiert nicht mehr
W¨ahrend der Anfangszustand bez¨ uglich System und Messapparat faktorisiert, ist dies nach dem Messvorgang nicht mehr der Fall. F¨ ur die zu¨ geh¨origen statistischen Operatoren haben wir den Ubergang c∗m cn |m, Mm n, Mn | ρ˜0 −→ ρ˜R = m,n
=
|cn |2 |n, Mn n, Mn |
+
Interferenzterme.
n
Der resultierende Zustand ist aber nach wie vor ein reiner Zustand und enth¨alt die Interferenzterme. Unsere Frage ist also immer noch offen: Wie kommt man zum Gemisch |cn |2 |n, Mn n, Mn | ? ρ˜I = n
Oder liegt vielleicht gar kein Gemisch vor? Dann w¨ urde eine Superposition von makroskopisch verschiedenen Zust¨ anden des Gesamtsystems vorliegen. Der Apparat w¨are in einer Superposition von Zust¨ anden mit verschiedenen Zeigerstellungen. Das w¨are einigermaßen merkw¨ urdig. Erwin Schr¨odinger hat das Paradoxe an der Vorstellung, es liege eine Superposition der verschiedenen m¨ oglichen Ergebnisse anstelle eines Gemisches vor, mit seinem ber¨ uhmten Beispiel der Katze illustriert, die mit gleicher Wahrscheinlichkeit tot und lebendig ist. W¨ urde das Gesamtsystem aus Katze und H¨ollenmaschine sich zeitlich gem¨ aß der Schr¨ odingergleichung entwickeln, m¨ usste sich die Katze nach einer Stunde in einem Zustand befinden, der eine Superposition von tot“ und lebendig“ ist. Das erscheint ” ” absurd. Entscheidend f¨ ur die Diskussion sind offenbar die Interferenzterme. Da wir das System aus S und M betrachten, haben wir es mit einem makroskopischen Gesamtsystem zu tun. Eine Betrachtung der Interferenzterme f¨ uhrt zu folgenden Ergebnissen:
21.1 Messprozess
277
a) Die Interferenzterme sind sehr klein, wenn M makroskopisch ist. Interferenz makroskopischer K¨ orper ist kaum beobachtbar: Mk |B|Ml ≈ 0
f¨ ur gew¨ ohnliche Messgr¨ oßen B, falls k = l.
K¨onnte man Interferenz verschiedener Zust¨ ande des Messapparates erzeugen, so k¨onnte man die Aufzeichnung der Messapparatur wieder r¨ uckg¨angig machen (siehe Stern-Gerlach-Apparatur). Dies w¨ are ein Umgehen der Irreversibilit¨ at“ der Aufzeichnung. ” Aber: die Interferenzterme sind im Prinzip da, wenn das Gesamtsystem S + M abgeschlossen ist und die Schr¨ odingergleichung gilt. b) In der Realit¨at ist das Gesamtsystem S + M nicht abgeschlossen. Die Wechselwirkung mit der Umgebung (Strahlungsfeld, . . . ), so klein sie auch sei, vernichtet die Interferenzterme (Phasenmittelung). Wir halten also fest: nur f¨ ur v¨ ollig abgeschlossene Systeme sind die Interferenzterme vorhanden. Das ist in diesem Zusammenhang aber eine unpassende Annahme, denn der Beobachter ist immer außerhalb des Systems. Dies ist der heisenbergsche Schnitt: System / Beobachter. Die Beschreibung des Messprozesses erfordert, dass irgendwo die Trennlinie zwischen beobachtetem System und Beobachter gezogen wird. Der Schnitt ist allerdings verschiebbar. Zum Beispiel k¨ onnen wir den Apparat M durch einen Robo ter M ablesen lassen und dessen Aufzeichnungen ansehen. Es darf dann in der Praxis keinen Unterschied machen, ob wir M zum Beobachter oder zum System hinzuz¨ahlen: S+M
/ M + B
∼ =
S + M + M
/ B.
Kann man den Beobachter nicht doch mit in die quantenmechanische Beschreibung einbeziehen und auf diese Weise die Zustandsreduktion umgehen? Dann m¨ ussten wir die gesamte Welt inklusive Beobachter durch Zustandsvektoren beschreiben. Ist das sinnvoll? Was w¨ are dann die Bedeutung der Wellenfunktion des gesamten Universums? Wie lautete ihre Wahrscheinlichkeitsinterpretation, wenn es keinen externen Beobachter g¨ abe? Eine derartige realistische“ Interpretation von |ψ erscheint sehr problematisch und ” fragw¨ urdig. Dennoch gibt es Versuche in dieser Richtung. Dazu geh¨ ort die Viel-Welten-Interpretation, in welcher der Gesamtzustand cn |n, Mn , Gehirnn , . . .
|ψtotal = n
278
21 Messprozess und Bellsche Ungleichungen
alle m¨oglichen Historien nebeneinander enth¨ alt. Die Wellenfunktion des Universums ist eine Superposition aller Zust¨ ande, die aus der Geschichte h¨atten resultieren k¨onnen. Diese verschiedenen Zweige“ der Wellenfunk” tion k¨onnen in der Praxis nicht miteinander in Kontakt treten oder sich beeinflussen. Weiterhin gibt es Versuche mit verborgenen Parametern (Bohm, . . . ), welche den Ausgang der Messung in deterministischer Weise bestimmen sollen. Wenn die Vorhersagen solcher Modelle mit den Vorhersagen der Quantenmechanik u ¨ bereinstimmen sollen, geht es jedoch nur mit nichtlokalen Wechselwirkungen, wie J. Bell mit seinen ber¨ uhmten Ungleichungen gezeigt hat.
21.2 EPR-Paradoxon und Bellsche Ungleichungen Im Jahre 1935 ver¨offentlichten Einstein, Podolski und Rosen (EPR) eine Arbeit, in der sie die Frage untersuchten, ob die Quantenmechanik vollst¨andig sein kann? Die Quantenmechanik macht ja statistische Aussagen. Man kann sich fragen, ob die quantenmechanische Statistik nicht vielleicht auf klassische Statistik zur¨ uckgef¨ uhrt werden k¨ onnte. Das w¨ urde heißen, dass der Ausgang einer Messung durch weitere, verborgene Parameter bestimmt w¨are. Die Situation w¨ are dann ¨ ahnlich zur Statistischen Mechanik, wo die Anwendung statistischer Gesetze auf unserer Unkenntnis der genauen Werte aller mikroskopischen physikalischen Gr¨ oßen beruht. ¨ Einsteins Uberzeugung, dass es keinen fundamentalen Zufall gebe, kommt in dem oft zitierten Spruch Gott w¨ urfelt nicht“ zum Ausdruck. Durch ” verborgene Parameter ließe sich eventuell der Determinismus retten. In der genannten Arbeit versuchten EPR anhand eines Gedankenexperimentes zu zeigen, dass die Quantenmechanik nicht vollst¨ andig sein k¨ onne und durch weitere Elemente erg¨ anzt werden m¨ usse. Ich werde hier eine Version des Argumentes diskutieren, die auf D. Bohm zur¨ uckgeht. Im Labor zerfalle ein ruhendes Teilchen mit Spin 0 in zwei Teilchen A und B mit Spin 1/2. Die Zerfallsprodukte befinden sich aufgrund der Drehimpulserhaltung in einem Singulettzustand. A
Spin 12
B
Spin 0
Spin 12
21.2 EPR-Paradoxon und Bellsche Ungleichungen
279
Nach dem eine Weile vergangen ist und die Teilchen gen¨ ugend weit voneinander entfernt sind, werden Messungen von Spinkomponenten vorgenomurde beispielsweise in der H¨ alfte der men. Eine Messung von Sz bei A w¨ F¨alle das Ergebnis spin up“ = +1 in Einheiten von ¯h/2 und das Ergebnis ” spin down“ = −1 in der anderen H¨ alfte der F¨ alle liefern. Das Gleiche gilt ” f¨ ur die anderen Komponenten. Nun betrachten wir Korrelationen. Falls bei A und B die gleiche Komponente gemessen wird, so sind die Ergebnisse entgegengesetzt, z.B. Sz(A) = +1
⇐⇒
Sz(B) = −1
Sz(A) = −1
⇐⇒
Sz(B) = +1 ,
da der Gesamtspin 0 ist. Das Gleiche gilt f¨ ur Sx und Sy . (A)
Bei A werde nun Sz = +1 zur Zeit t1 gemessen. Dann wissen wir mit (B) Sicherheit: falls bei B die Komponente Sz gemessen wird zur Zeit t = t1 + , so kommt das Ergebnis −1 heraus. (B)
Das Ergebnis der Messung von Sz (A) dem Sz gemessen wurde.
kann also vorhergesagt werden, nach-
In ihrer Arbeit haben EPR einen physikalischen Realit¨ atsbegriff folgendermaßen eingef¨ uhrt: Kann man den Wert einer physikalischen Gr¨ oße mit ” Sicherheit vorhersagen, ohne ein System zu st¨ oren, dann gibt es ein Element der physikalischen Realit¨ at, das dieser Gr¨ oße entspricht.“ Dieser Realit¨atsbegriff ist mit großem Bedacht gew¨ ahlt. Er ist operational, frei von metaphysischem Ballast, und setzt so wenig voraus, dass er wohl von den meisten Physikern akzeptiert werden w¨ urde. Nach diesem Kriterium m¨ ussen wir f¨ ur obiges Experiment folgern: B hat (B) die Eigenschaft Sz , denn es wurde durch die weit entfernte Messung an A nicht gest¨ort. Hierbei wird angenommen, dass die Entfernung so groß ist, dass keine Signale ausgetauscht werden k¨ onnen: Δt < cΔx. (A)
Falls andererseits bei A die Komponente Sx gemessen wird, gilt die ent(B) ¨ sprechende Uberlegung mit dem Resultat: die Eigenschaft Sx liegt bei B vor. In der Quantenmechanik gilt [Sx , Sz ] = 0 und folglich haben Sx und Sz nicht gleichzeitig einen scharfen Wert.
280
21 Messprozess und Bellsche Ungleichungen
Nach dem obigen Argument von EPR aber haben Sx und Sz gleichzeitig einen bestimmten Wert. Daraus folgern sie, dass die Quantenmechanik unvollst¨andig ist. Jetzt stellt sich also die Frage: ist es m¨ oglich, die Quantenmechanik durch Hinzunahme weiterer, verborgener Variablen zu vervollst¨ andigen? Darunter w¨ urde man Gr¨oßen verstehen, die mit den Systemen A und B verkn¨ upft sind und den Ausgang der Messungen festlegen. Es ist an dieser Stelle auf die von EPR gemachte Voraussetzung hinzuwei¨ sen, dass es keine Beeinflussung gibt, die sich mit Uberlichtgeschwindigkeit ausbreitet. Dies ist die Annahme der Lokalit¨ at: Die Messergebnisse am System A h¨ angen nur von den Parametern des Systems A ab, und die Messergebnisse am System B h¨ angen nur von den Parametern des Systems B ab. Welche Konsequenzen haben diese Annahmen? Dies wurde von J. Bell untersucht und er fand 1964 seine ber¨ uhmten Ungleichungen, die wir nun kennenlernen werden. Es sei betont, dass dazu die Quantenmechanik nicht vorausgesetzt wird. Bellsche Ungleichungen: Wir betrachten die gleiche experimentelle Situation wie oben. Es werden Messungen von Spinkomponenten vorgenommen, und zwar in Richtung a am Teilchen A und in Richtung b am Teilchen B. A
B →
→
a
b
Im Geiste der Idee der verborgenen Parameter machen wir nun die Annahme: Die Messergebnisse stehen unmittelbar vor der Messung schon f¨ ur alle m¨oglichen Richtungen a, b fest. Die Messergebnisse bezeichnen wir mit MA (a ) = ±1,
MB (b ) = ±1.
F¨ ur den Fall gleicher Messrichtungen setzen wir wie oben voraus: MA (a ) = −MB (a ) ,
21.2 EPR-Paradoxon und Bellsche Ungleichungen
281
was experimentell pr¨ ufbar ist. Es werde eine Messreihe durchgef¨ uhrt. Die Richtungen der beiden Messapparaturen werden jeweils aus insgesamt drei M¨ oglichkeiten ausgew¨ ahlt. Die ur die jeweils gew¨ ahlten Richtungen Messergebnisse MA (a ) und MB (b ) f¨ werden protokolliert. Aus dem Protokoll wird dann die Korrelationsfunktion . P (a, b ) = MA (a ) MB (b )
ermittelt, die den Erwartungswert des Produktes der Messergebnisse f¨ ur ein bestimmtes Paar von Richtungen a, b angibt. Aufgrund obiger Voraussetzung k¨ onnen wir schreiben P (a, b ) = − MA (a ) MA (b ) . Behauptung: es gilt die bellsche Ungleichung |P (a, b ) − P (a, c )| ≤ 1 + P (b, c ) .
Beweis: Sei n(α, β, γ) der relative Anteil der F¨ alle, bei denen MA (a ) = α, MA (b ) = β und MA (c ) = γ ist, wobei α, β, γ = ±1 und n(α, β, γ) = 1. α,β,γ
Damit gilt P (a, b ) = −
n(α, β, γ) α · β ,
etc.
α,β,γ
und weiterhin P (a, b )−P (a, c ) = −
n(α, β, γ) α(β−γ) = −
α,β,γ
wegen
β2
= 1. Folglich
|P (a, b ) − P (a, c )| ≤
n(α, β, γ) αβ(1−βγ)
α,β,γ
n(α, β, γ) (1 − βγ) = 1 + P (b, c ).
α,β,γ
Diese Ungleichung muss gelten, wenn die Ergebnisse der Messungen f¨ ur beliebige Richtungen a, b, c
282
21 Messprozess und Bellsche Ungleichungen
1. vorher feststehen (Realismus), 2. von der Messung am anderen Teilchen nicht beeinflusst werden (Lokalit¨at). Die Quantenmechanik wird nicht vorausgesetzt. Betrachte nun folgende spezielle Wahl: a = (1, 0, 0),
b = (0, 1, 0),
1 c = √ (1, 1, 0), 2
so dass a und b senkrecht aufeinander stehen und c im Winkel von 45◦ dazwischen liegt. F¨ ur diese Anordnung sagt die Quantenmechanik vorher > 4 = (A) (B) · b) · a)(S = −a · b . P (a, b ) = 2 (S Singulett ¯h F¨ ur die obige Wahl der Richtungen ist damit √ P (a, b ) = 0,
P (a, c ) = P (b, c ) = −
|P (a, b ) − P (a, c )| = 0,707
2 = −0,707 2
und 1 + P (b, c ) = 0,293 .
Die quantenmechanische Vorhersage ist nicht vertr¨ aglich mit der bellschen Ungleichung! Was stimmt nun? Das letzte Wort hat wie immer das Experiment. In optischen Experimenten wurden von Alain Aspect und Mitarbeitern (1982) und anderen Gruppen andere Versionen der bellschen Ungleichung u uft. ¨berpr¨ Das Ergebnis ist • die bellsche Ungleichung ist verletzt, • die Resultate sind vertr¨ aglich mit der Quantenmechanik. Schlussfolgerung: Keine lokale realistische Theorie ist mit dem Experiment vertr¨ aglich.
21.2 EPR-Paradoxon und Bellsche Ungleichungen
283
Die Auffassung von Einstein, Podolski und Rosen ist also nicht haltbar. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass die Argumentation nicht die Quantentheorie voraussetzt. Die Verletzung der bellschen Ungleichung bedeutet, dass es langreichweitige Korrelationen gibt, die nicht lokal und realistisch interpretiert werden k¨onnen. Sie werden EPR-Korrelationen“ genannt. Die Quantenmechanik ” sagt solche Korrelationen vorher. Nat¨ urlich gibt es auch Korrelationen in der klassischen Physik. Wenn Sie einen T¨ urschl¨ ussel und zwei M¨ antel besitzen, so ist die Anwesenheit des Schl¨ ussels in dem einen Mantel antikorreliert zur Anwesenheit in dem anderen Mantel. Klassische Korrelationen gen¨ ugen aber bellschen Ungleichungen. Die EPR-Korrelationen unterscheiden sich davon. Einstein sprach in diesem Zusammenhang von spukhaften Fernwirkungen“. ” ¨ Einige Leute sind auf die Idee gekommen, EPR-Korrelationen zur Ubertra¨ gung von Signalen mit Uberlichtgeschwindigkeit zu verwenden. Dies geht aber nicht, wie sich zeigen l¨asst. Die einzelnen Messreihen bei A oder bei B lassen keine R¨ uckschl¨ usse auf das Geschehen am anderen Ort zu. Erst die nachtr¨agliche Bestimmung von P (a, b ) aus beiden Messprotokollen zeigt die EPR-Korrelationen. Es gilt also zu unterscheiden: Es gibt instantane Korrelationen, aber keine instantanen Wechselwirkungen.
22 Station¨ are Streutheorie 22.1 Das station¨ are Streuproblem Ein sehr wichtiges Instrument der Physik sind Streuexperimente und ihre theoretische Auswertung. Mit Hilfe von Streuexperimenten bekommt man Aufschl¨ usse u ¨ ber • Teilchenwechselwirkungen, z.B. Kernkr¨ afte, Kr¨ afte zwischen Molek¨ ulen etc., • elementare Wechselwirkungspotenziale, • den Aufbau der Materie, z.B. Kristallstrukturen, • etc.
Bisher haben wir uns haupts¨ achlich mit gebundenen Zust¨ anden besch¨ aftigt. Ihre Energien liegen im diskreten Spektrum. Bei den Streuzust¨anden, denen wir uns jetzt zuwenden, liegen Anfangs- und Endzustand im kontinuierlichen Spektrum. Klassische Streuung: Zun¨achst betrachten wir die Streuung von Teilchen in der klassischen Physik. Ein Strahl von Teilchen bewege sich auf einen Streuer zu. Jedes einzelne Teilchen wird vom Kraftfeld des Streuers abgelenkt. Wir k¨ onnen den Streuvorgang in Relativkoordinaten betrachten. Dies entspricht dem Fall eines unendlich schweren Streuers. F¨ ur sehr fr¨ uhe und f¨ ur sehr sp¨ ate Zeiten ist das Teilchen weit vom Streuer entfernt und seine Bewegung geht asymptotisch in eine freie Bewegung u angt vom Stoßparameter b ¨ ber. Der asymptotische Ablenkungswinkel ϑ h¨ ab.
286
22 Station¨are Streutheorie
Detektor
ϑ
Teilchenstrahl b
Stoßparameter
z Streuer
Der einlaufende Teilchenstrahl besitzt eine Stromdichte jein . F¨ ur diejenigen, die es vergessen haben: die Stromdichte ist so definiert, dass die Anzahl dN von Teilchen, die pro Zeitintervall dt durch ein Fl¨ achenelement dF hindurchstr¨omen, gegeben ist durch
dN = j · dF dt .
j
dF
F¨ ur einen homogenen Strom von Punktteilchen ist j = ρv mit der Teilchendichte ρ und der Geschwindigkeit v .
Die gestreuten Teilchen bewegen sich vom Streuzentrum fort. Ihre Stromdichte f¨allt asymptotisch proportional zu 1/r 2 mit der Entfernung ab. Daher ist es sinnvoll, die Anzahl dN der gestreuten Teilchen pro Raumwinkelelement dΩ und Zeit dt zu betrachten.
22.1 Das station¨are Streuproblem
287
dF = r 2 d Ω
ϑ z
Diese Anzahl ist nat¨ urlich proportional zu jein . Der differenzielle Wirkungsquerschnitt oder Streuquerschnitt ist definiert durch 1 dN dσ = dΩ jein dΩ dt
f¨ ur gen¨ ugend große r .
Diese Gr¨oße ist experimentell direkt zug¨ anglich. Der differenzielle Wirkungsquerschnitt ist eine Funktion der Winkel ϑ und ϕ und h¨ angt nicht von r ab. Wegen dF = r 2 dΩ ist r 2 jaus (r, ϑ, ϕ) dσ = , dΩ jein ur gen¨ ugend große r. wobei jaus ∝ 1/r 2 f¨ Beispiel: f¨ ur die Rutherfordstreuung am Coulombpotenzial (α-Teilchen auf Goldatome, 1911) ist 1 dσ ∝ . dΩ sin4 ϑ2 Der totale Wirkungsquerschnitt ist gegeben durch σ=
dΩ
dσ . dΩ
Er besitzt die Dimension einer Fl¨ ache. Seine Bedeutung kann am Beispiel eines kurzreichweitigen Potenzials illustriert werden, das der Streuung an einer Scheibe A entspricht.
288
22 Station¨are Streutheorie
A
Hier ist 1 dN = · (Anzahl gestreuter Teilchen pro Zeit) jein dt jein 1 · (jein · A) = A . = jein
σ=
Der totale Wirkungsquerschnitt gibt in diesem Falle also den geometrischen Streuquerschnitt an, was seinen Namen erkl¨ art. Quantenmechanische Streuung: In der Quantenmechanik tritt an die Stelle des Teilchenstromes der Wahrscheinlichkeitsstrom j. Ein gestreutes Teilchen k¨ onnen wir uns durch ein Wellenpaket ψ(r, t) repr¨asentiert denken. Seine Zeitentwicklung wird geregelt durch die Schr¨odingergleichung i¯ h
∂ ψ(r, t) = Hψ(r, t) . ∂t
Wir wollen annehmen, dass ein Streupotenzial mit Reichweite R < ∞ vorliegt. Vor der Streuung sieht die Situation so aus: vG
z R
Das Wellenpaket ist fern vom Streuzentrum und verh¨ alt sich nahezu frei. Wir zerlegen es in der Form 3 d k A(k ) ei(k·r−ω(k )t) ψ(r, t) = 3 (2π)
22.1 Das station¨are Streuproblem
289
mit
¯k2 h . ω(k ) = 2m Die Breite des Paketes sollte deutlich gr¨ oßer als die mittlere de BroglieWellenl¨ange λ sein, aber andererseits nicht zu groß, damit es einigermaßen gut lokalisiert ist. Wenn das Wellenpaket den Bereich des Potenzials erreicht, erfolgt der eigentliche Streuakt, w¨ahrend dessen die Wellenfunktion mannigfache ¨ Anderungen erleidet. Nach hinreichend langer Zeit werden die Wellen den Bereich der Streuung verlassen haben. Wir haben dann folgende Situation: Streuwellen Kugelwellen
durchgehendes Paket z
Das gestreute Paket entfernt sich in Form von Kugelwellen vom Streuzentrum. Dazu muss der Abstand r hinreichend groß gegen R und λ sein, damit die gestreuten Wellen aus der Wechselwirkungszone heraus sind. Daneben gibt es noch ein durchgehendes Paket, das nicht gestreut wurde. In den folgenden Betrachtungen wollen wir annehmen, dass • es sich um elastische Streuung handelt, die sich in einem Streupotenzial V (r ) abspielt,
290
22 Station¨are Streutheorie
• das Kugelsymmetrie vorliegt, so dass wir das Potenzial als V (r) schreiben k¨onnen. Der eben mit Hilfe eines Wellenpaketes beschriebene Streuvorgang entspricht zwar eher dem physikalischen Ablauf, ist aber schwierig durchzurechnen. Oben haben wir das einlaufende Paket als Superposition ebener Wellen dargestellt. Aufgrund des Linearit¨ at der Schr¨ odingergleichung ist das gestreute Paket f¨ ur große Zeiten t von der Form 3 d k A(k ) ϕs (r, k ) e−iω(k )t . ψs (r, t) = (2π)3 Statt des gesamten Paketes betrachten wir nun die einzelnen Beitr¨ age, d.h. wir stellen den einfallenden Strahl durch eine ebene Welle und den gestreuten Strahl durch eine Streuwelle dar:
einfallender Strahl −→ ϕ0 (r ) = eik0 ·r gestreuter Strahl −→ ϕs (r ) . Diese Wellen sind zeitunabh¨angig. Wir haben es mit einem station¨ aren Problem zu tun, das einfacher handzuhaben ist als das zeitabh¨ angige Streuproblem. In Gedanken stellen wir uns immer vor, dass durch geeignete Superposition die Wellenpakete herzustellen sind. Dies wurde auch schon im Kapitel 3.2.3 f¨ ur die Streuung in einer Dimension diskutiert. Der einfallende Strahl ist also
ϕ0 (r ) = eik0 ·r = eik0 z mit Impuls und Energie ¯ 2 k2 h , k ≡ k0 . 2m Er gen¨ ugt der freien station¨aren Schr¨ odingergleichung ¯ kez , p = h ¯k0 = h
−
E=
¯2 h Δϕ0 (r ) = Eϕ0 (r ) . 2m
Die Wahrscheinlichkeitsdichte ρ0 = |ϕ0 |2 = 1 ist auf 1 normiert. Die phyugt werden. Die sikalische Teilchendichte sei n0 und muss als Faktor angef¨ Wahrscheinlichkeitsstromdichte betr¨ agt hk0 j0 = 1 (ψ ∗ P ψ − ψ P ψ ∗ ) = ¯ , 2m m
22.1 Das station¨are Streuproblem
291
und der physikalische Teilchenstrom ist n0 ¯ hk0 /m. Die gesamte Welle ist zusammengesetzt aus der einfallenden Welle und der Streuwelle: ϕ(r ) = ϕ0 (r ) + ϕs (r ) . Gesucht ist die Streuwelle ϕs (r ), denn in ihr steckt die Information u ¨ber die Streuung. Zu l¨osen ist somit das station¨ are Streuproblem
Hϕ(r ) = Eϕ(r ) , H=
E=
¯ 2 k2 h 2m
> 0,
P 2 + V (r) , 2m
ϕ(r ) = eikz + ϕs (r ) . F¨ ur r → ∞ liegt eine kr¨aftefreie Bewegung vor und die Streuwelle ϕs (r ) geht asymptotisch in eine auslaufende Kugelwelle u ¨ ber. Einlaufende Kugelwellen entsprechen nicht der physikalischen Problemstellung und werden daher ausgeschlossen. Wir schreiben also ϕs (r )
∼
r→∞
f (ϑ)
eikr . r
Die rechte Seite ist unabh¨angig vom Winkel ϕ aufgrund der Symmetrie um die z-Achse. Es ist n¨amlich Lz ϕ0 = 0 und folglich Lz ϕs = 0. Die Funktion f (ϑ) heißt Streuamplitude. Die Stromdichte in der auslaufenden Kugelwelle betr¨ agt ¯ k |f (ϑ)|2 js = h eˆr + O m r2
1 r3
.
F¨ ur den differenziellen Wirkungsquerschnitt dσ/dΩ = r 2 js /j0 finden wir damit die wichtige Formel
292
22 Station¨are Streutheorie
dσ = |f (ϑ)|2 . dΩ
Der totale Wirkungsquerschnitt ist gegeben durch π dσ dϑ sin ϑ |f (ϑ)|2 . = 2π σ = dΩ dΩ 0 In der Streuamplitude steckt also die gesuchte Information und daher ist es die zentrale Aufgabe der station¨ aren Streutheorie, f (ϑ) zu berechnen. Hier noch eine Warnungsmeldung: die asymptotische Form ϕ(r ) ∼
r→∞
eikz + f (ϑ)
eikr r
erf¨ ullt die Schr¨odingergleichung unter der Voraussetzung lim r V (r) = 0 ,
r→∞
die wir im Folgenden immer machen wollen. F¨ ur das Coulombpotenzial ist sie nicht erf¨ ullt, so dass wir dort ein Problem haben.
22.2 Partialwellenentwicklung 2 ] = [H, Lz ] = 0. Es ist deshalb Aufgrund der Kugelsymmetrie ist [H, L 2 , Lz zu betrachten. Bekanntlich ist angebracht, Eigenfunktionen zu L Lz =
¯ ∂ h . i ∂ϕ
In unserem Falle haben wir keine Abh¨ angigkeit vom Winkel ϕ und somit Lz ϕ(r, ϑ) = 0. Die Eigenfunktionen kennen wir schon, es sind die Kugelfl¨ achenfunktionen Ylm (ϑ, ϕ). Da der Eigenwert m von Lz Null ist, verbleiben die Funktionen 2l + 1 Pl (cos ϑ) . Yl0 (ϑ) = 4π Die Wellenfunktion wird somit zerlegt als ϕ(r ) =
∞ ul (r) l=0
r
Pl (cos ϑ) ,
22.2 Partialwellenentwicklung
293
mit den Radialfunktionen ul (r) wie in Kapitel 9.5. Die radiale Schr¨ odingergleichung lautet
¯ 2 l(l + 1) h ¯ 2 ∂2 h + + V (r) ul (r) = E ul (r) − 2m ∂r 2 2mr 2
bzw. ul
l(l + 1) 2m + k − − 2 V (r) ul = 0 , r2 ¯ h 2
und die Radialfunktion muss die Randbedingung ul (0) = 0 erf¨ ullen. ahlt werden. F¨ ur die L¨osung gilt: ul (r) kann reell gew¨ Begr¨ undung: Die Differenzialgleichung ist linear und besitzt reelle Koeffiosung und damit auch zienten. F¨ ur eine L¨osung u(r) ist auch u∗ (r) eine L¨ die reellen Funktionen Re u(r) und Im u(r). Die Randbedingung u(0) = 0 legt die L¨osung bis auf einen komplexen Normierungsfaktor eindeutig fest. ¨ Nach obiger Uberlegung kann dann u(r) reell gew¨ ahlt werden. Betrachten wir zun¨achst einmal ein freies Teilchen, d.h. V (r) = 0. Dies entspricht der einlaufenden ebenen Welle
ϕ0 (r ) = eik0 ·r = eikz = eikr cos ϑ . Wir schreiben die Zerlegung nach Kugelfl¨ achenfunktionen als ϕ0 (r ) =
∞ (0) u (r) l
l=0
r
Pl (cos ϑ) .
(0)
onnen mit Hilfe der Orthogonalit¨ at der Pl , Die Radialfunktionen ul (r) k¨
1
dt Pl (t) Pn (t) =
−1
2 δln , 2l + 1
bestimmt werden:
(0)
1
ikrt
dt e −1
2 ul (r) . Pl (t) = 2l + 1 r
294
22 Station¨are Streutheorie
Wir ben¨otigen das Verhalten f¨ ur große r, um daraus den Wirkungsquerschnitt zu berechnen. Durch partielle Integration erhalten wir
1
ikrt
dt e −1
1 8+1 1 7 ikrt 1 Pl (t) = − dt eikrtPl (t) . e Pl (t) ikr ikr −1 −1
Das letzte Integral ist von der Ordnung 1/r, wie man durch nochmalige partielle Integration sieht. Mit Pl (1) = 1 und Pl (−1) = (−1)l folgt
1
ikrt
dt e −1
1 ikr 1 l −ikr e − (−1) e +O ikr r2 1 1 l i(kr−l π ) −i(kr−l π ) 2 2 +O i e −e ikr r2
Pl (t) = =
und damit (0)
ul (r)
∼
(2l + 1) il
r→∞
1 i(kr−l π ) −i(kr−l π ) 2 − e 2 e . 2ik
Unser Resultat lautet also ikz
e
∼
r→∞
∞ (2l + 1) il l=0
1 i(kr−l π ) −i(kr−l π ) 2 − e 2 e Pl (cos ϑ) . 2ikr
Auf diese Weise haben wir die ebene Welle asymptotisch als Summe einlaufender und auslaufender Kugelwellen dargestellt. Bemerkung: Es gilt exakt (0)
ul (r) = il (2l + 1) r jl (kr) . Beweis: Die Radialgleichung (0)
ul
l(l + 1) (0) ul = 0 + k2 − r2
wurde bereits in Kapitel 11 gel¨ ost zu (0)
ul
= Cl r jl (kr)
mit
l
jl (ρ) = (−ρ)
1 d ρ dρ
l
sin ρ . ρ
22.2 Partialwellenentwicklung
295
Das asymptotische Verhalten der sph¨ arischen Besselfunktionen erh¨ alt man aus l (−1)l π 1 d 1 d l sin ρ sin ρ = sin(ρ − l ) , ∼ l+1 l+1 ρ dρ ρ ρ→∞ ρ dρ ρ 2 woraus sich jl (ρ) ∼
ρ→∞
π 1 i(ρ−l π ) 1 −i(ρ−l π2 ) 2 − e sin(ρ − l ) = e ρ 2 2iρ
ergibt. Der Vergleich mit der asymptotischen Entwicklung von eikz liefert Cl = il (2l + 1). Jetzt wenden wir uns der gestreuten Welle ϕs (r ) des vollen Streuproblems zu. F¨ ur große r besteht sie nur aus auslaufenden Kugelwellen ∝ 1r eikr . Das asymptotische Verhalten der gesamten L¨ osung k¨ onnen wir daher schreiben als ϕ(r )
= ∼
r→∞
eikz + ϕs (r) ∞ l=0
(2l + 1) il
π π 1
Sl ei(kr−l 2 ) − e−i(kr−l 2 ) Pl (cos ϑ) , 2ikr
denn der Anteil der einlaufenden Kugelwellen kommt nur von der ebenen Welle. Die Vorfaktoren Sl der auslaufenden Kugelwellen setzen sich zusammen aus den Beitr¨agen der ebenen Welle und der Streuwelle: Sl = 1 + Beitrag der gestreuten Welle. Wichtig ist folgende Beobachtung: es gilt |Sl | = 1 . Begr¨ undung: F¨ ur die gesamte Welle soll ul (r) ∼ Sl ei(kr−l 2 ) − e−i(kr−l 2 ) π
π
u ¨ berall reell sein. Mit einer kleinen Nebenrechnung folgt daraus die Behauptung. Sl h¨angt von der Wellenzahl k ab. Wir k¨ onnen schreiben Sl (k) = e2iδl (k)
296
22 Station¨are Streutheorie
mit den Streuphasen δl (k). Damit lautet das asymptotische Verhalten unserer Wellenfunktion ϕ(r ) ∼
r→∞
∞ π 1 iδl e sin(kr − l + δl ) Pl (cos ϑ) . (2l + 1) il kr 2 l=0
Durch die Streuung wird also eine Phasenverschiebung um δl bewirkt. Der Anteil der gestreuten Welle ist ϕs (r )
∼
r→∞
=
∞
(2l + 1) il
l=0 ∞
(2l + 1)
l=0
π 1 iδl e sin δl ei(kr−l 2 ) Pl (cos ϑ) kr
1 iδl e sin δl eikr Pl (cos ϑ) . kr
Hieraus lesen wir endlich die gesuchte Streuamplitude ab: ∞ 1 f (ϑ) = (2l + 1) eiδl sin δl Pl (cos ϑ) . k l=0
Den totalen Wirkungsquerschnitt 1 σ = 2π |f (ϑ)|2 d(cos ϑ) −1
berechnet man mit Hilfe der Orthogonalit¨ atsrelation der Pl zu σ=
∞ 4π (2l + 1) sin2 δl . k2 l=0
Wenn man die letzten Formeln scharf ansieht, erkennt man das sogenannte optische Theorem:
σ=
4π Im f (0) . k
Wir haben gesehen, dass die Information u ¨ ber die Streuung in den Streuphasen enthalten ist. Muss man in der Praxis alle Streuphasen δl (k) be¨ rechnen? Hierzu stellen wir eine Uberlegung im Rahmen der klassischen Streuung an. Wenn das Potenzial die Reichweite R besitzt, so findet f¨ ur Werte des Stoßparameters b R praktisch keine Streuung statt.
22.2 Partialwellenentwicklung
297
b
R
Der Drehimpuls betr¨agt √ = |r × |L| p | = b · p0 = b 2mE und somit gilt f¨ ur Teilchen, die gestreut werden, √ ≤ R 2mE . b ≤ R ⇔ |L| In der Quantenmechanik wird dies ersetzt durch l≤
l(l + 1) ≤
1 √ R 2mE = kR , h ¯
d.h. nur die l-Werte bis l ≈ kR tragen wesentlich bei. Dieses grobe Argument kann unter geeigneten Voraussetzungen mathematisch untermauert werden. F¨ ur den Fall l = 0 spricht man von s-Wellen-Streuung. F¨ ur sie ist 1 dσ ≈ 2 sin2 δ0 (k) . dΩ k Analog gibt es f¨ ur l = 1 die p-Wellen-Streuung etc. Beispiel: Streuung an der harten Kugel Das Potenzial der harten Kugel ist ∞, r ≤ R V (r) = 0, r > R und die Wellenfunktion erf¨ ullt ϕ(r ) ≡ 0
f¨ ur r ≤ R .
Wir schreiben die Partialwellenentwicklung als ϕ(r ) =
∞ l=0
Rl (r) Pl (cos ϑ) .
298
22 Station¨are Streutheorie
Die allgemeine L¨osung f¨ ur V = 0 lautet Rl (r) = al jl (kr) + bl nl (kr) mit den schon bekannten sph¨ arischen Besselfunktionen l sin ρ l 1 d jl (ρ) = (−ρ) ρ dρ ρ und den sph¨arischen Neumannfunktionen l cos ρ l 1 d . nl (ρ) = (−ρ) ρ dρ ρ Die Asymptotik dieser Funktionen ist ∼
jl (ρ)
ρ→∞
∼
nl (ρ)
ρ→∞
π 1 sin ρ − l ρ 2
π 1 . − cos ρ − l ρ 2
Die einlaufende ebene Welle enth¨ alt die jl (kr). Die Streuwelle ist eine auslaufende Kugelwelle und verh¨ alt sich wie 1r eikr . Dies entspricht der Linearkombination 1 i(ρ−l π ) 2 . e ∼ h+ l (ρ) = jl (ρ) + i nl (ρ) ρ→∞ iρ Wir finden daher f¨ ur die gesamte L¨ osung die Form ϕ(r ) =
∞ (2l + 1) il [jl (kr) + γl h+ l (kr)] Pl (cos ϑ) . l=0
Jetzt gilt es, die Koeffizienten γl zu bestimmen. Daf¨ ur muss die Randbedingung ϕ(r ) = 0 f¨ ur r = R herhalten. Sie liefert γl = −
jl (kR) . h+ l (kR)
Die Streuamplitude ist f (ϑ) =
π 1 (2l + 1) il γl e−i l 2 Pl (cos ϑ) ik l
=
1 (2l + 1)(−i)γl Pl (cos ϑ) . k l
22.2 Partialwellenentwicklung
299
Andererseits ist allgemein f (ϑ) =
1 (2l + 1) eiδl sin δl Pl (cos ϑ) . k l
Durch Vergleich dieser Ausdr¨ ucke lesen wir ab 1 γl = (e2iδl − 1) . 2 Durch Umformung kann man dies aufl¨ osen in die Form tan δl =
jl (kR) . nl (kR)
ullt nicht δl → 0 f¨ ur R → (Die zweite L¨osung tan δl = −nl (kR)/jl (kR) erf¨ 0.) Somit haben wir einen exakten Ausdruck f¨ ur die Streuphasen. Hieraus ergibt sich der totale Wirkungsquerschnitt σ=
∞ jl2 (kR) 4π . (2l + 1) k2 n2l (kR) + jl2 (kR) l=0
Wir wollen noch die beiden Grenzf¨ alle betrachten. 1. kR 1 tan δl ≈ −
(kR)2l+1 , (2l − 1)!!(2l + 1)!!
speziell tan δ0 ≈ −kR ≈ sin δ0 . ur l > 0 sind noch viel kleiner. Daher handelt es sich Die u ¨brigen tan δl f¨ praktisch um reine s-Wellen-Streuung und es ist σ ≈ 4πR2 . Der totale Wirkungsquerschnitt ist gleich dem vierfachen geometrischen Kugelquerschnitt. 2) kR 1
π . tan δl ≈ − tan kR − l 2 Es gibt nennenswerte Beitr¨ age bis l ≈ kR. F¨ ur den Wirkungsquerschnitt erh¨alt man nach einer etwas trickreichen Rechnung 1 2 . σ ≈ 2πR 1 + O (kR)2/3
300
22 Station¨are Streutheorie
F¨ ur sehr kleine Wellenl¨angen sollte die Streuung der klassischen Streuung an einer undurchdringlichen Kugel entsprechen. Der Wirkungsquerschnitt ist aber doppelt so groß wie klassisch erwartet. Wie kommt das? Der Wirkungsquerschnitt enth¨alt zwei Anteile. Der erste entspricht der echten Streuung und liefert den klassischen Querschnitt πR2 . Es gibt aber noch einen zweiten Anteil, denn der Schatten hinter der Kugel muss durch Interferenz der durchgehenden Welle mit der in Vorw¨ artsrichtung gestreuten Welle zustande kommen. Dieser Anteil der Vorw¨ artsstreuung liefert einen weiteren Beitrag πR2 und beide zusammen ergeben 2πR2 . Resonanzen: Der Beitrag sin2 δl (k) einer Streuphase zum Wirkungsquerschnitt wird maximal, wenn 1 δl = (n + )π f¨ ur n ∈ Z. 2 Der Betrag von i
1 1 (Sl − 1) = eiδl sin δl = 2i cot δl − i
2 δl
wird dort maximal und es ist dann cot δl = 0. Eine Energie ER , bei der dies auftritt, heißt Resonanz . Es ist also cot δl (ER ) = 0 . ahe der Resonanz schreiben wir die ersten F¨ ur Energien E ≈ ER in der N¨ Terme der Taylorreihe als cot δl (E) ≈ −
2 (E − ER ) . Γ
Damit ist eiδl (E) sin δl (E) ≈
− Γ2 E − ER + i Γ2
und der Beitrag zum Wirkungsquerschnitt σ ist " Γ #2 4π 2 σl (E) ≈ 2 (2l + 1) " #2 . k (E − ER )2 + Γ 2
22.3 Bornsche N¨aherung
301
Dies ist die Breit-Wigner-Funktion, die uns schon im Kapitel 3.2.2 begegnet ist.
22.3 Bornsche N¨ aherung Die Schr¨odingergleichung des station¨ aren Streuproblems ¯ 2 k2 h ¯h2 Δ + V (r ) ϕ(r ) = E ϕ(r ) , E= − 2m 2m schreiben wir in der Form (Δ + k2 )ϕ(r ) =
2m V (r ) ϕ(r ) . h2 ¯
Dies ist eine inhomogene Differenzialgleichung, deren zugeh¨ orige homogene (freie) Gleichung (Δ + k2 )ϕ0 (r ) = 0 lautet. In ihr kommt der Helmholtzoperator Δ + k2 vor. Seine greensche ullt Funktion G(r − r ) erf¨
(Δ + k2 )G(r − r ) = δ(r − r ) . Entsprechend bezeichnen wir den inversen Operator mit G = (Δ + k 2 )−1 . Mit Hilfe der greenschen Funktion k¨ onnen wir f¨ ur die L¨ osung der Schr¨ odingergleichung schreiben 2m ϕ(r ) = ϕ0 (r ) + d3 r G(r − r ) 2 V (r ) ϕ(r ) . h ¯ Dies ist eine exakte Integralgleichung f¨ ur das station¨ are Streuproblem. Die greensche Funktion kann mittels Fouriertransformation bestimmt werden. 3 d q iq·r q) = 1, q), (k2 − q 2 )G( e G( G(r ) = (2π)3 3 eiq·r d q . G(r ) = (2π)3 k2 − q 2
302
22 Station¨are Streutheorie
Die Integration u ¨ber den Pol mit Hilfe des Residuensatzes kann man auf verschiedene Weise ausf¨ uhren, so dass es zwei linear unabh¨ angige L¨ osungen gibt: 1 e±ikr . G(±) (r ) = − 4π r unschte Asymptotik auslaufender Wir w¨ahlen G(+) , denn es besitzt die gew¨ Wellen. Somit gilt ik| r− r | m e ikz 3 r ). ϕ(r ) = e − d r V (r ) ϕ( 2 |r − r | 2π¯ h Die L¨osung dieser Integralgleichung gehen wir folgendermaßen an. In Operatorform schreiben wir 2m ϕ = ϕ0 + 2 G V ϕ h ¯ bzw. 2m 1 − 2 G V ϕ = ϕ0 h ¯ mit der L¨osung −1 2m ϕ0 . ϕ = 1 − 2 GV h ¯ Der inverse Operator wird nun entwickelt und man erh¨ alt die bornsche Reihe n ∞ 2m 2m 2 2m GV ϕ0 = ϕ0 + 2 G V ϕ0 + G V G V ϕ0 + · · · ϕ= ¯h2 h ¯ h2 ¯ n=0 Die ersten beiden Terme dieser Reihe bilden die bornsche N¨aherung ϕ ≈ ϕ0 + ϕ(1) = ϕ0 +
2m G V ϕ0 . h2 ¯
Ausgeschrieben lautet sie ϕ(r ) ≈ e
ikz
m − 2π¯ h2
eik|r−r | ikz . d r V (r ) e |r − r |
3
Die Streuamplitude erhalten wir ja aus dem asymptotischen Verhalten der Wellenfunktion f¨ ur große r. Also entwickeln wir
1
|r − r | = (r 2 + r 2 − 2r · r ) 2 1 r · r 2 r · r = r − er · r . ≈ r 1−2 2 ≈r− r r
22.3 Bornsche N¨aherung
303
Damit erhalten wir ϕ(r ) ∼
ikz
e
r→∞
eikr m − r 2π¯ h2
d3 r V (r ) eik(ez −er )·r .
Mit dem Impuls¨ ubertrag
→
→
k
= k(er − ez ) ≡ k − k0 K
K
ϑ → k0
ergibt sich daraus die bornsche N¨ aherung fu ¨ r f (ϑ, ϕ)
f
(1)
m (ϑ, ϕ) = − 2π¯ h2
d3 r V (r ) e−iK·r .
In Kurzform k¨onnen wir auch schreiben f (1) (ϑ, ϕ) = −
m k|V |k0 . 2π¯ h2
Die bornsche N¨aherung f¨ ur die Streuamplitude ist also die Fouriertransformierte des Potenzials V (r ). Im Falle der Kugelsymmetrie, V (r ) = V (r), benutzen wir = 2k sin ϑ K = |K| 2 und finden
3
r −iK·
d r V (r ) e
∞
= 2π
dr r
=
4π K
0
V (r )
1
∞
dt e−iKr t
−1
0
2
dr r V (r ) sin(Kr )
304
22 Station¨are Streutheorie
und somit f
(1)
1 2m (ϑ) = − 2 ¯h 2k sin ϑ2
∞
dr r V (r ) sin(Kr ) .
0
aherung verletzt also das optische Theorem. f (1) (ϑ) ist reell. Die bornsche N¨ Zum G¨ ultigkeitsbereich der bornschen N¨ aherung seien noch folgende Angaben ohne Begr¨ undung gemacht: • a) hohe Energien, kR 1: die N¨aherung ist g¨ ultig f¨ ur
¯ 2k h dr V (r) , m 0 d.h. f¨ ur gen¨ ugend schwaches Potenzial. ∞
• b) niedrige Energien, kR 1: ∞ ¯2 h , dr r V (r) die N¨aherung ist g¨ ultig f¨ ur 2m 0 insbesondere muss V viel kleiner als E sein, was sehr einschr¨ ankend ist. Wir merken uns also: die bornsche N¨ aherung ist eher bei hohen Energien g¨ ultig. Anwendungsbeispiel: Yukawapotenzial V (r) = g
e−μr , r
Reichweite R =
1 . μ
Die bornsche N¨aherung f¨ ur die Streuamplitude ist ∞ m 1 ϑ (1) dr r V (r ) sin 2kr sin f (ϑ) = − 2 2 ¯h k sin ϑ2 0 2mg 1 . = − 2 2 2 ¯h 4k sin ϑ2 + μ2 Im Grenzfall μ → 0 geht das Yukawapotenzial u ¨ber in das Coulombpotenzial: g V (r) → . r Hier setzen wir h2 k 2 ¯ Z1 Z2 e2 , E= g= 4π0 2m
22.3 Bornsche N¨aherung
305
und erhalten dσ = dΩ
Z1 Z2 e2 (4π0 )4E
2
1 sin4
ϑ 2
.
Das ist genau der rutherfordsche Streuquerschnitt. Da haben wir aber Gl¨ uck gehabt, denn das Coulombpotenzial erf¨ ullt gar nicht die Voraussetzung f¨ ur die Anwendbarkeit der station¨ aren Streutheorie: lim r V (r) < ∞ .
r→∞
Die exakte Coulombstreuamplitude l¨ asst sich mit anderen Methoden berechnen. Sie lautet fc (ϑ) = −
γ 2k sin2
mit γ=
ϑ 2
2 ϑ e(2iσ0 −iγ ln(sin 2 ))
Z1 Z2 e2 m (4π0 )¯ h2 k
und unterscheidet sich von der bornschen N¨ aherung nur um einen Phasenfaktor. Bornsche N¨ aherung fu ¨ r Streuphasen: aherung f¨ ur die Streuphasen δl . Dazu verAus f (1) (ϑ) erhalten wir eine N¨ wenden wir
eik0 ·r =
∞
4π(2l + 1) il jl (kr ) Yl0 (ϑ , ϕ )
l=0
e−ik·r = 4π
∗ (−i)l jl (kr ) Ylm (ϑ, ϕ) Ylm (ϑ , ϕ ) l,m
⇒
−i(k−k0 )· r
dΩ e
∞ " #2 = 4π (2l + 1) jl (kr ) Pl (cos ϑ) l=0
⇒
f
(1)
2m (ϑ) = − 2 ¯h
∞
∞
" #2 dr r 2 V (r ) jl (kr ) .
(2l + 1) Pl (cos ϑ) 0
l=0
Durch Vergleich mit f
(1)
∞ 1 (ϑ) = (2l + 1) eiδl sin δl Pl (cos ϑ) k l=0
306
22 Station¨are Streutheorie
k¨onnen wir die Streuphasen ablesen. Die bornsche N¨ aherung setzt eine kleiiδ l ne Streuamplitude voraus, d.h. e sin δl ≈ δl . Damit erhalten wir 2m 1 ∞ dr V (r) [kr jl (kr)]2 . δl ≈ − 2 ¯h k 0
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik 23.1 Grundkurs Pfadintegrale 23.1.1 Einf¨ uhrung Bisher haben wir die Quantenmechanik in der u ¨ blichen Formulierung kennen gelernt,die mit Wellenfunktionen, Vektoren im Hilbertraum, und Operatoren arbeitet. In diesem Kapitel werden wir eine Formulierung der Quantenmechanik betrachten, die von Feynman 1948 gefunden wurde und v¨ ollig andersartig ist. In ihrem Zentrum stehen die sogenannten Pfadintegrale. Operatoren und Hilbertr¨aume k¨ onnen in diesem Formalismus v¨ ollig vermieden werden, so dass nur noch kommutierende Gr¨ oßen auftreten, also gew¨ohnliche Zahlen und Funktionen wie in der klassischen Physik. Das hat nat¨ urlich seinen Preis. Die unendlich vielen Dimensionen des Hilbertraumes kommen durch die Hintert¨ ur wieder herein, denn die Pfadintegrale, die auch als Funktionalintegrale bezeichnet werden, sind unendlichdimensional. Warum sollen wir die Pfadintegrale kennen lernen. Zun¨ achst einmal ist es sicherlich ein intellektuelles Erlebnis, zu sehen, dass ein und dieselbe Quantenmechanik auf so unterschiedliche Weise dargestellt werden kann. Dar¨ uber hinaus gibt es aber auch Situationen, in denen die Verwendung von Pfadintegralen vorteilhaft sein kann: • einige Rechnungen der Quantenmechanik, insbesondere zu Tunnelprozessen, lassen sich mit Hilfe von Pfadintegralen durchsichtiger und systematischer gestalten. • Pfadintegrale sind sehr vorteilhaft bzw. unerl¨ asslich bei der Quantisierung komplizierterer Feldtheorien, z. B. Eichtheorien, insbesondere im Zusammenhang mit – – – –
der manifest lorentzkovarianten Quantisierung, der u ¨bersichtlichen Herleitung der Feynmanregeln, der halbklassischen Approximation, nichtst¨orungstheoretischen Methoden.
Die Grundidee der Pfadintegrale ist Folgende. Erinnern Sie sich an die Diskussion des Doppelspaltexperimentes. Zur Entstehung des Interferenzmusters tragen f¨ ur jedes einzelne Elektron beide M¨ oglichkeiten des Durchganges durch den Schirm bei. Diese k¨ onnen wir mit den beiden Arten von
308
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Pfaden assoziieren, bei denen ein klassisches Teilchen entweder durch den einen oder durch den anderen Spalt hindurch tritt.
F¨ ugen wir einen weiteren Doppelspalt zwischen Quelle und Schirm so gibt es entsprechend vier Arten von Wegen. Auch die Zahl der Spalte k¨ onnen wir erh¨ohen. Wir denken uns nun Blenden mit sehr vielen Spalten, die durch sehr d¨ unne Stege getrennt sind, und weiterhin eine sehr große Zahl von Blenden, die sehr dicht hintereinander gestapelt sind. Auf diese Weise approximieren wir alle denkbaren Pfade von der Quelle zum Schirm. Im Grenzfall unendlich vieler Blenden und Spalte gelangen wir zu einer Verallgemeinerung, die das Prinzip des Pfadintegrals wiedergibt: Die quantenmechanische Amplitude f¨ ur das Elektron, vom Ort y zur Zeit t0 zum Ort x zur Zeit t1 zu gelangen, entsteht durch Aufsummation aller Beitr¨age von allen m¨oglichen Pfaden zwischen y und x.
y x
Symbolisch schreiben wir daf¨ ur x, t1 |y, t0 =
D[x(t)] A[x(t)] .
23.1 Grundkurs Pfadintegrale
309
Hierbei ist A[x(t)] ein noch unbekannter Integrand, der vom jeweiligen Pfad x(t) abh¨angt, d.h. ein Funktional des Pfades x(t) ist. ¨ Die obigen Uberlegungen stellen nat¨ urlich keine Herleitung des Pfadintegrals dar, sondern dienen lediglich dazu, seine Konstruktion zu motivieren. Auch wurde die Rolle der Zeit t als Parameter nicht richtig ber¨ ucksichtigt. Im n¨achsten Abschnitt werden wir es besser machen und eine ordentliche Begr¨ undung des Pfadintegrals betrachten. ¨ 23.1.2 Ubergangsamplitude ateren Ein Teilchen befinde sich zur Zeit t0 = 0 am Ort y und werde zur sp¨ Zeit t1 = t am Ort x gemessen.
y
x
¨ Die quantenmechanische Ubergangsamplitude f¨ ur diese Situation ist gegeben durch x|U (t)|y = x|e−iHt |y = H x, t|y, 0 H , wobei die ersten beiden Ausdr¨ ucke im Schr¨ odingerbild geschrieben sind und der letzte Ausdruck im Heisenbergbild, wie die Indizes H“ anzeigen. ” Zur Vereinfachung der Formeln ist hier und im Folgenden h=1 ¯ gesetzt. ¨ Die Ubergangsamplitude l¨asst sich in geschlossener Form ausrechnen f¨ ur ein freies Teilchen. Sein Hamiltonoperator lautet H ≡ H0 =
p2 2m
und es ist 2
p −i 2m t
x|e
|y =
2
p −i 2m t
dp x|p e
p|y =
dp ip(x−y) −i p2 t e 2m . e 2π
310
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Dies ist ein gaußsches Integral, allerdings mit imagin¨ arem Exponenten. Das klassische gaußsche Integral ∞ √ x2 dx e− 2 = 2π −∞
wissen Sie ja auswendig. Durch einfache Variablentransformation erhalten wir ∞ 2π − a2 x2 dx e = , a>0 a −∞ f¨ ur positives a. Dies kann analytisch fortgesetzt werden in das Gebiet a ∈ C, Re a > 0. Der Randwert mit a = iA ist ∞ 2π −i A x2 2 , A ∈ R. dx e = iA −∞ Ein zus¨atzlicher linearer Term im Exponenten wird mittels quadratischer Erg¨anzung behandelt. ∞ ∞ ∞ 2 2 b2 2π b2 − a2 (x− ab ) + 2a − a2 x2 +bx − a2 y 2 b2a e 2a . dx e = dx e = dy e e = a −∞ −∞ −∞ ¨ Dies ist genau, was wir f¨ ur die Ubergangsamplitude des freien Teilchens ben¨otigen. Einsetzen liefert m i m (x−y)2 −iH0 t e 2t |y = . x|e 2πi t Nun werden wir mutiger und betrachten das Teilchen in einem Potenzial V: H = H0 + V (x). Die Amplitude x|e−iHt |y kann nun leider im Allgemeinen nicht geschlossen berechnet werden. Jedoch f¨ ur kleine Zeiten t = ε gilt die Approximation ε ε . . Uε = e−iHε = e−i(H0 +V )ε = e−iV 2 e−iH0 ε e−iV 2 + O(ε3 ) = Wε + O(ε3 ).
amlich Der Vorteil von Wε ist, dass x|Wε |y berechnet werden kann, n¨ x|Wε |y = e−iV (x) 2 x|e−iH0 ε |y e−iV (y) 2 $ m % ε m = exp i (x − y)2 − i [V (x) + V (y)] . 2πiε 2ε 2 ε
ε
23.1 Grundkurs Pfadintegrale
311
Dieses Ergebnis machen wir uns im Sinne der Salamitaktik zunutze, indem wir das t-Intervall in kleine St¨ ucke ε = gilt
t N
teilen:
ε
t
0
. Dann
#N " = Wε N + O(ε2 ) e−iHt = e−iHε
und insbesondere e−iHt = lim Wε N . N →∞
F¨ ur den Fall, dass Sie vor mathematischen Kommilitonen gl¨ anzen wollen, sei erw¨ahnt, dass dies die Lie-Kato-Trotter-Produktformel ist. (Der Beweis ist kurz, aber ich lasse ihn dennoch aus.) Durch Einf¨ ugen von dx|x x| = 1 erhalten wir x|e−iHt |y = x|(e−iHε )N |y
dx1 . . . dxN −1 x|e−iHε |x1 x1 |e−iHε |x2 . . . xN −1 |e−iHε |y
= lim dx1 . . . dxN −1 x|Wε |x1 x1 |Wε |x2 . . . xN −1 |Wε |y
N →∞ 5
m N m 2 (x − x1 )2 + (x1 − x2 )2 dx1 . . . dxN −1 exp i = lim N →∞ 2πiε 2ε 6 -) , 1 1 + · · · + (xN −1 − y)2 − iε V (x) + V (x1 ) + · · · + V (xN −1 ) + V (y) . 2 2 =
Im Exponenten finden wir den Ausdruck N . ε Sε = k=1
m 2
xk − xk−1 ε
2
V (xk ) + V (xk−1 ) − 2
)
mit x0 = x, xN = y. Im Limes N → ∞, ε = t/N → 0 geht er u ¨ber in S= 0
t
dt
$m 2
% x˙ 2 − V (x(t )) .
Dies ist eine alte Bekannte, n¨ amlich die klassische Wirkung f¨ ur einen Weg x(t ), wobei wir xk = x(tk ) identifizieren.
312
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
x
x y t' t
0
Da die Wirkung ein Funktional des Weges x ist, schreiben wir S ≡ S[x]. Das obige Ergebnis fassen wir in der Formel
−iHt
x|e
|y =
Dx eiS[x]
zusammen. Dabei gelten die Randbedingung x(0) = y, x(t) = x, und Dx steht symbolisch f¨ ur
m N 2 dx(t1 ) · . . . · dx(tN −1 ) . N →∞ 2πiε
Dx ≡ D[x(t)] = lim
Es ist zu beachten, dass der Limes N → ∞ so gemeint ist, dass er immer erst nach Ausf¨ uhrung der Integrationen zu bilden ist. Das obige Integral geht u ¨ ber alle Wege von y nach x und ist das gesuchte Pfadintegral. Es ist offensichtlich unendlichdimensional. Man spricht auch von einem Funktionalintegral, da u ¨ber eine Menge von Funktionen integriert wird. Das besondere an dieser Darstellung der quantenmechanischen Amplitude ist, dass in ihr keine Operatoren vorkommen. Der Integrand enth¨alt die klassische Wirkung f¨ ur den jeweiligen Pfad. Zur Erinnerung sei ein Exkurs zur klassischen Mechanik eingeschoben. Generell ist die Wirkung als Integral u ¨ber die Lagrangefunktion gegeben: ˙ )) . S[x] = dt L((x(t ), x(t
23.1 Grundkurs Pfadintegrale
In unserem Fall ist L=
313
m 2 x˙ − V (x) . 2
Die tats¨achlich durchlaufene klassische Bahn gen¨ ugt dem hamiltonschen Prinzip: S ist station¨ar bei vorgegebenem x(0) und x(t): δS[x] = 0 . Zur Auswertung des Prinzips betrachten wir eine Variation x(s) → x(s) + δx(s)
mit
δx(0) = δx(t) = 0 .
Die daraus resultierende Variation der Wirkung ist ∂L ∂L δx(s) + δx(s) ˙ δS[x] = ds ∂x ∂ x˙ 0 t d ∂L ∂L δx(s) − δx(s) = ds ∂x dt ∂ x˙ 0 t ∂L d ∂L + δx(s) . = ds − dt ∂ x˙ ∂x 0
t
Der letzte Ausdruck verschwindet f¨ ur alle Variationen δx(s), wenn der Faktor davor verschwindet. Also gilt d ∂L ∂L − = 0, dt ∂ x˙ ∂x was wir als Euler-Lagrange-Gleichung wiedererkennen. F¨ ur das Teilchen im Potenzial lautet sie ∂V = 0. m¨ x+ ∂x Den Unterschied zwischen klassischer Mechanik und Quantenmechanik k¨onnen wir in folgender Weise charakterisieren: • In der klassischen Mechanik gilt: der Weg, der tats¨ achlich durchlaufen wird, erf¨ ullt δS = 0. • Quantenmechanisch hingegen spielen alle Wege eine Rolle, indem sie ¨ zur Ubergangsamplitude beitragen.
314
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
klassisch x
y
In diesem Zusammenhang ist es n¨ utzlich, den Begriff der Funktionalableitung δF/δx(s) einzuf¨ uhren, die das Gegenst¨ uck zur Funktionalintegration ist. Gegeben sei ein Funktional F [x], welches von Funktionen x(s) abh¨ angt. Dann ist die Funktionalableitung definiert durch die Beziehung δF δx(s) . δF [x] = ds δx(s) Dies ist analog zum Differenzial df =
∂f dxi ∂xi i
in der endlichdimensionalen Analysis. Alternativ kann man die Definition 1 δF lim {F [x + εh] − F [x]} = ds h(s) ε→0 ε δx(s) w¨ahlen. Mit der Definition der Funktionalableitung gilt f¨ ur die Wirkung d ∂L(x(s), x(s)) ∂L(x(s), x(s)) ˙ ˙ δS =− + = −m¨ x(s) + V (x(s)) δx(s) dt ∂ x˙ ∂x und das hamiltonsche Prinzip kann als δS =0 δx(s) geschrieben werden. ¨ Zum Uben der funktionalen Differenziation noch ein paar typische Beispiele: δF = f (s) F [x] = ds f (s) x(s) ⇒ δx(s) δF = du x(u) {f (s, u) + f (u, s)} F [x] = ds du f (s, u) x(s) x(u) ⇒ δx(s) δF = δ(s − a) . F [x] = x(a) ⇒ δx(s)
23.1 Grundkurs Pfadintegrale
315
23.1.3 Harmonischer Oszillator Was bei den Eissorten die Vanille“ ist, ist bei den Modellen der theoreti” schen Physik der harmonische Oszillator. Man greift immer gerne auf ihn zur¨ uck. Der Grund daf¨ ur liegt einerseits darin, dass er h¨ aufig in N¨ aherungen auftritt, und andererseits in seiner exakten L¨ osbarkeit. Wir wollen nun die Bildung von Pfadintegralen am harmonischen Oszillator erproben. F¨ ur den harmonischen Oszillator lautet die Lagrangefunktion L=
m 2 mω 2 2 x˙ − x 2 2
und ihr Integral liefert die Wirkung S=
L dt .
Wie wir gerade gelernt haben, folgt die Bewegungsgleichung durch Funktionaldifferenziation der Wirkung: −
δS = m¨ x(t) + mω 2 x(t) = 0 . δx(t)
Sei xc (t) L¨osung der Bewegungsgleichung mit Randbedingungen xc (ta ) = xa ,
xc (tb ) = xb .
Wir zerlegen einen beliebigen Pfad x(t) in der Form x(t) = xc (t) + y(t) , wobei die Funktion y(t) die Randbedingungen y(ta ) = y(tb ) = 0 erf¨ ullt. Die Wirkung f¨ ur den Pfad x(t) l¨ asst sich nun ausdr¨ ucken als tb δ2 S[xc ] 1 tb tb δS[xc ] y(t) + y(t) y(t ) . dt dt dt S[x] = S[xc ] + ) δx(t) 2 δx(t) δx(t ta ta ta ullt, verschwindet die erste funktionale Da xc (t) die Bewegungsgleichung erf¨ Ableitung δS[xc ] = 0. δx(t)
316
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
F¨ ur die zweite funktionale Ableitung gilt d2 δ2 S = −m δ(t − t ) − mω 2 δ(t − t ) = −m δx(t) δx(t ) dt2
d2 2 + ω δ(t − t ) dt2
und wir erhalten m S[x] = S[xc ] + 2
tb
dt (y˙ 2 − ω 2 y 2 ) = S[xc ] + S[y] .
ta
¨ Dieses sch¨one Zwischenergebnis nutzen wir f¨ ur die Berechnung der Ubergangsamplitude . Dy eiS[y] . K(xb , tb ; xa , ta ) = Dx eiS[x] = eiS[xc ] y(ta ) = 0 y(tb ) = 0
Die Abh¨angigkeit der Amplitude von den Randpunkten xa und xb steckt osung xc (t). Um sie zu bealleine in der Wirkung S[xc ] der klassischen L¨ rechnen, ben¨otigen wir die L¨ osung explizit. Die L¨ osung der Schwingungsgleichung lautet ja allgemein xc (t) = A sin ωt + B cos ωt und durch Anpassen der Randbedingungen erhalten wir die Koeffizienten A und B mit dem Resultat xc (t) =
1 [(xb cos ωta −xa cos ωtb ) sin ωt+(xa sin ωtb −xb sin ωta ) cos ωt] sin ωT
mit T = tb − ta . Einsetzen in die Lagrangefunktion und Integration liefert S[xc ] =
mω [(xb 2 + xa2 ) cos ωT − 2xa xb ] . 2 sin ωT
F¨ ur die vollst¨andige Berechnung der Amplitude ist noch das verbleibende Funktionalintegral F (T ) = Dy eiS[y] = K(0, T ; 0, 0) zu bestimmen. Durch partielle Integration formen wir die Wirkung um zu d2 m T 2 dt y(t) − 2 − ω y(t) . S[y] = 2 0 dt
23.1 Grundkurs Pfadintegrale
317
Dies ist eine quadratische Form in y und das Funktionalintegral ist also ein gaußsches Integral. Wir werden es jetzt mit Hilfe der Fouriertransformation berechnen. 2
d 2 Die Eigenfunktionen des Operators − dt 2 − ω auf Funktionen mit Randbedingungen y(0) = y(T ) = 0 lauten 2 nπt sin , n = 1, 2, 3 . . . yn (t) = T T
Sie bilden ein vollst¨andiges Orthonormalsystem: T dt yn (t) ym (t) = δn,m . 0
Die Eigenwerte λn lesen wir ab aus 2 2 n π d2 2 2 − ω yn (t) ≡ λn yn (t) . − 2 − ω yn (t) = dt T2 Zerlegen wir die Funktion y(t) nach den yn (t), y(t) =
∞
an yn (t) ,
n=1
so folgt f¨ ur die Wirkung ∞
m λn an2 . S[y] = 2 n=1
uckt Das Integrationsmaß lautet in den Variablen an ausgedr¨ Dy = J
∞ (
dan ,
n=1
wobei J eine Konstante ist, die wir hier nicht berechnen. Jetzt nimmt das Funktionalintegral die Gestalt eines Produktes vieler eindimensionaler Gaußintegrale an, die wir ausf¨ uhren k¨ onnen: ( ∞ ∞ P ( m 2 iS[y] im λn a2n n 2 =J dan e =J dan ei 2 λn an Dy e n=1
∞ 7 ( m 8− 12 λn =J . 2πi n=1
n=1
318
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Um uns mit der Konstanten J nicht weiter herumschlagen zu m¨ ussen, greifen wir zu einem billigen Trick. F¨ ur ω = 0 geht der harmonische Oszillator n¨amlich in das freie Teilchen u ¨ber. Dessen Amplitude kennen wir aber schon:
m 1 2 . F0 (T ) = 2πiT Die zugeh¨origen Eigenwerte sind λ(0) n =
n2 π 2 . T2
Das Verh¨altnis F (T )/F0 (T ) k¨ onnen wir berechnen: 5 6− 1 1 − 12 ∞ ∞ 2 ( ( ω2T 2 sin ωT − 2 λn F (T ) = 1− 2 2 = = . F0 (T ) n=1 λ(0) n π ωT n n=1 Damit ist
1 mω 2 2πi sin ωT ¨ und wir k¨onnen das Endergebnis f¨ ur die Ubergangsamplitude hinschreiben:
F (T ) =
K(xb , tb ; xa , ta ) = 1 $ mω %
mω 2 [(x2b + x2a ) cos ωT − 2xa xb ] . exp i 2πi sin ωT 2 sin ωT Dies ist die sogenannte Mehlerformel. Aus ihr kann man u.a. auch das Spektrum des Hamiltonoperators erhalten. Dazu betrachten wir Sp(e−iHT ) =
∞
−∞
=
∞
e−i 2 T 1 = ω 2i sin 2 T 1 − e−iωT ω
dx K(x, T ; x, 0) = 1
e−iω(n+ 2 )T .
n=0
Da nun aber Sp(e−iHT ) =
e−iEn T
n
ist, folgt durch Vergleich
1 En = ω n + 2
.
23.1 Grundkurs Pfadintegrale
319
F¨ ur diejenigen, die sich jetzt wundern, sei daran erinnert, dass wir h ¯ = 1 gesetzt haben. Mit mehr Aufwand bekommt man auch die Wellenfunktionen aus der Mehlerformel aufgrund von xb |n n|xa e−iEn T , K(xb , T ; xa , 0) = n
das will ich Ihnen jedoch ersparen. 23.1.4 Aharonov-Bohm-Effekt Den Aharonov-Bohm-Effekt sollten Sie unbedingt kennen lernen, denn in ihm manifestiert sich ein recht eigenartiger Unterschied zwischen klassischer Physik und Quantenphysik. Es geht dabei um die Bewegung geladener Teilchen in der N¨ahe eines ¨ außeren Magnetfeldes. Der Effekt wurde von D. Bohm und Y. Aharonov 1959 vorhergesagt. Die Diskussion des Aharonov-Bohm-Effektes l¨asst sich vorteilhaft mit Hilfe von Pfadintegralen f¨ uhren, weshalb sie gut in dieses Kapitel passt. Warum habe ich oben in der N¨ ahe eines Magnetfeldes“ gesagt und nicht ” in einem Magnetfeld“? Die Antwort ergibt sich aus dem Versuchsaufbau, ” den wir uns jetzt ansehen.
B=0
B=0
Elektronen werden von einer Quelle ausgesandt und durch einen Doppelspalt auf einen dahinter befindlichen Schirm geschickt, so wie Sie es schon
320
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
kennen. Auf der R¨ uckseite des Doppelspaltes wird zwischen den beiden Spalten und parallel zu ihnen eine Spule angebracht. Diese soll im Vergleich zum Spaltabstand so d¨ unn sein, dass die Wellenfunktion der Elektronen nicht in das Innere der Spule eindringt. Dies ist nat¨ urlich eine Idealisierung, aber einerseits kann sie im tats¨ achlichen Experiment recht gut angen¨ahert werden, andererseits spielt es f¨ ur das Verst¨ andnis des Effektes keine zentrale Rolle, wenn sie nicht v¨ ollig erf¨ ullt ist. Zun¨achst fließe kein Strom durch die Spule. F¨ uhrt man den Doppelspaltversuch aus, so erzeugen die Elektronen auf dem Schirm ein Interferenzmuster. Nun werde der Spulenstrom eingeschaltet, so dass im Inneren der Spule = 0 parallel zur Spule herrscht, w¨ ein Magnetfeld B ahrend der Außenraum feldfrei bleibt. Wiederholt man jetzt den Doppelspaltversuch, so zeigt sich wiederum ein Interferenzmuster, das sich jedoch gegen¨ uber dem vorigen ge¨andert hat. Das ist sehr u berraschend, denn die Elektronen bewegen sich ¨ nur in Bereichen, in denen das Magnetfeld B = 0 verschwindet. Dies ist der Aharonov-Bohm-Effekt. Im Rahmen der klassischen Physik kann das Magnetfeld im Inneren der Spule keinen Einfluss auf Teilchen haben, die sich nur im Außenraum bewegen. Dies folgt aus der klassischen Bewegungsgleichung . m r¨ = e r˙ × B Was ist anders in der Quantenphysik? Gibt es hier eine Fernwirkung des Magnetfeldes? Wodurch wird die Wellenfunktion beeinflusst? durch ein Vektorpotenzial A in der Wie Sie wissen, kann die Feldst¨ arke B Form =∇×A B im Außenraum Null, dargestellt werden. F¨ ur die Spule ist zwar das Feld B jedoch verschwindet das Vektorpotenzial A dort nicht, beispielsweise kann man r ) = Φ (−y, x) A( 2π x2 + y 2 einen Einfluss auf die Elekw¨ahlen. K¨onnte vielleicht das Vektorpotenzial A tronen im Außenraum aus¨ uben? Dagegen kann man einwenden, dass das Vektorpotenzial ja von der gew¨ ahlten Eichung abh¨ angt und daher unphysikalisch ist.
23.1 Grundkurs Pfadintegrale
321
¨ Um diese Frage zu kl¨aren, betrachten wir die Ubergangsamplitude x, t1 |y , t0 des Elektrons von der Quelle bei y zu einem Ort x auf 4 t dem Schirm. In das entsprechende Pfadintegral geht die Wirkung S = t01L dt ein. Die Lagrangefunktion lautet m ˙2 r ) = L0 + e r˙ · A( r) r + e r˙ · A( L= 2 und f¨ ur die Wirkung folgt t1 x ˙ r ) · dr . A(r(t)) · r(t) dt = S0 + e A( S = S0 + e y
t0
Es seien Ca und Cb zwei Wege von y nach x, die links an der Spule vorbei gehen. Wir wollen sie vom Typ 1 nennen.
Cb F1 Ca x
y F¨ ur sie gilt · dr = A · dr − A Ca
Ca −Cb
Cb
· df = 0 , B
· df = (∇ × A)
· dr = A F1
F1
wobei F1 eine Fl¨ache zwischen Ca und Cb im feldfreien Raum 4 ist. Daraus . · dr = folgt, dass f¨ ur alle Wege C1 vom Typ 1 das Linienintegral C1 A α1 4 . den gleichen Wert α1 besitzt. Ebenso ist C2 A · dr = α2 konstant f¨ ur alle Wege vom Typ 2, die rechts an der Spule vorbei gehen.
(1)
x
y (2)
322
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
¨ Das Pfadintegral f¨ ur die Ubergangsamplitude zerlegen wir in die Beitr¨ age der Wege vom Typ 1 und vom Typ 2: (1) (2) Dx eiS + Dx eiS . x, t1 |y , t0 = Dx eiS = Dabei gilt
(1)
Dx e
iS
(2)
(1)
(2)
=
Dx eiS =
. Dx eiS0 eieα1 = K1 eieα1 , . Dx eiS0 eieα2 = K2 eieα2 ,
und demzufolge x, t1 |y , t0 = K1 eieα1 + K2 eieα2 = eieα1 (K1 + K2 eie(α2 −α1 ) ) . F¨ ur das Interferenzmuster ist der Betrag der Amplitude maßgeblich. Dieser h¨angt nach der vorigen Formel ab von · df = Φ . A · dr = B α2 − α1 = A · dr − A · dr = C2
C2 −C1
C1
F
− C1
x
y C2
Φ ist gleich dem magnetischen Fluss durch die Spule. Es gilt also | x, t1 |y , t0 | = |K1 + K2 eieΦ | . Wir haben somit gefunden, dass das Interferenzmuster vom magnetischen ? Fluss Φ = A · dr abh¨angt. Dieser Ausdruck kann zwar mit dem eichabh¨angigen Vektorpotenzial im feldfreien Raum gebildet werden, ist als
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
323
geschlossenes Linienintegral aber eichinvariant und hat eine physikalische Bedeutung. Wenn Sie aufmerksam waren, werden Sie bemerkt haben, dass es noch andere Typen von Wegen gibt, n¨ amlich solche, die mehrfach um die Spule herum laufen. Ihr Beitrag ist klein, aber wenn man sie mit ber¨ ucksichtigt, ¨ wird der obige Ausdruck f¨ ur die Ubergangsamplitude verallgemeinert zu ineΦ Kn e | x, t1 |y , t0 | = . n∈Z
¨ Ubrigens, wenn der Fluss so eingestellt wird, dass (e/¯ h)Φ = 2kπ , k ∈ Z, gilt, ist das Interferenzmuster gleich demjenigen bei ausgeschaltetem Magnetfeld. Die Vorhersagen der Quantentheorie f¨ ur den Aharonov-Bohm-Effekt sind experimentell best¨atigt worden. Die Schlussfolgerung dieses Abschnitts k¨ onnen wir so formulieren: Das Elektron wird auch dann beeinflusst, wenn es sich im feldfreien Raum bewegt. r ), aber nur u Es sp¨ urt das ?Vektorpotenzial A( ¨ber die eichinvarianten Li · dr. nienintegrale A
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale Im Folgenden werden ein paar weiterf¨ uhrende Themen behandelt, die f¨ ur Sie interessant sein k¨onnen, wenn Sie sich vertieft mit Pfadintegralen und deren Berechnung und Anwendung besch¨ aftigen m¨ ochten. 23.2.1 Euklidisches Pfadintegral Wir wenden uns nun einem Formalismus zu, mit dem es m¨ oglich ist, Erwartungswerte im Grundzustand, d.h. Gr¨ oßen der Art 0|A|0 zu berechnen. Warum ist man daran interessiert? • Sie liefern Informationen u ¨ber Eigenschaften des Grundzustandes. • F¨ ur den harmonischen Oszillator kann man alle Erwartungswerte durch Umformulierung in Grundzustands-Erwartungswerte berechnen: n|B|m ∼ 0|an B(a+ )m |0 .
324
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
• In der Quantenfeldtheorie liefern die Erwartungswerte 0| . . . |0 im Grundzustand (dem Vakuum) die S-Matrix, das Spektrum und im Prinzip u ¨ berhaupt alles. ¨ Der Trick, den man benutzt, besteht in einem Ubergang zu imagin¨ aren Zeiten, der Wickrotation: t = e−iα τ ,
τ ∈ R,
0 0, denn dann ist e−Hτ ein wohldefinierter, positiver, beschr¨ankter Operator. Das Pfadintegral ist entsprechend zu modifizieren. Wenn man unsere fr¨ uhere Rechnung zur Herleitung des Pfadintegrals wiederholt, aber diesmal
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
325
mit e−Hτ anstelle von e−iHt , erh¨ alt man auf ganz a ¨hnliche Weise
m N 2 dx1 . . . dxN −1 x|e−Hτ |y = lim N →∞ 2πε 5 6 x − x1 2 m xN −1 − y 2 exp −ε + ··· + 2 ε ε -) , 1 1 V (x) + V (x1 ) + · · · + V (xN −1 ) + V (y) . −ε 2 2 Dieses euklidische Pfadintegral schreiben wir als
x|e−Hτ |y =
wobei
τ
dτ
SE = 0
m 2
Dx e−SE [x] ,
x˙ 2 + V (x(τ ))
die sogenannte euklidische Wirkung ist. Sie h¨ angt mit der urspr¨ unglichen Wirkung durch SE = −iS t=−iτ
zusammen. Das euklidische Pfadintegral erfreut sich folgender Vorz¨ uge: • Das Pfadintegral ist reell! uckt stark oszillierende Wege. • Der Faktor e−SE unterdr¨ • Damit h¨angt zusammen, dass das euklidische Pfadintegral mathematisch besser unter Kontrolle ist; f¨ ur V = 0 entspricht es dem wohldefinierten Wienermaß“. ” Wie man der obigen Formel mit diskretisierter Zeit ε ansehen kann, ist das √ ur ε → 0, d. h. die Wege Maß konzentriert auf Wegen mit |xk+1 −xk | ∼ ε f¨ sind stetig, aber nicht notwendig differenzierbar. Sie besitzen die fraktale Dimension 12 .
326
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Wenden wir uns nun den Erwartungswerten zu. Die Amplitude τ τ τ τ x, |A|y, − = x|e−H 2 A e−H 2 |y
2 2 τ τ x|n n|A|m m|y e−En 2 e−Em 2 =
n,m
geht im Limes τ → ∞ u ¨ ber in x|0 0|y e−E0 τ 0|A|0 {1 + O(e−cτ )} und in analoger Weise f¨ ur A = 1 τ τ x, |y, −
2 2
∼
τ →∞
x|0 0|y e−E0 τ {1 + O(e−cτ )} .
Dividieren wir diese Ausdr¨ ucke durcheinander, so erhalten wir x, τ2 |A|y, − τ2
. τ →∞ x, τ |y, − τ
2 2
0|A|0 = lim
Bemerkung: Alternativ kann man auch y = x setzen und dann u ¨ ber x integrieren mit dem Ergebnis Sp(e−Hτ A) = e−E0 τ 0|A|0 {1 + O(e−cτ )} , so dass man
Sp(e−Hτ A) ) τ →∞ Sp(e−Hτ )
0|A|0 = lim
erh¨alt. Dies zeigt, dass die Randbedingungen unwesentlich sind; ihr Einfluss k¨ urzt sich heraus. Die Formel f¨ ur den Grundzustands-Erwartungswert schreiben wir nun in Form eines euklidischen Pfadintegrals. Dabei beginnen wir mit einem konkreten Fall f¨ ur die Observable, n¨ amlich dem Produkt zweier Ortsoperatoren.
23.2.2 Greensche Funktionen Die Funktion 0|Q(t1 ) Q(t2 )|0 ,
mit
t1 > t2 ,
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
327
wird als greensche Funktion bezeichnet. Mit Q(t) = eiHt Q e−iHt k¨onnen wir sie als 0|eiE0 t1 Q e−iH(t1 −t2 ) Q e−iE0 t2 |0
umschreiben. Die Fortsetzung ins Euklidische, t = −iτ , τ ∈ R, τ1 > τ2 , macht daraus 0|eE0 τ1 Q e−H(τ1 −τ2 ) Q e−E0 τ2 |0
= lim
τ →∞
τ τ 1 x|e−H( 2 −τ1 ) Q e−H(τ1 −τ2 ) Q e−H(τ2 + 2 ) |y
Z(τ )
mit Z(τ ) = x|e−Hτ |y . F¨ ur das Matrixelement leiten wir wie fr¨ uher eine Pfadintegraldarstellung her, wobei wir beachten m¨ ussen, dass bei den Zeiten τ1 und τ2 jeweils ein Faktor Q steht, der im Pfadintegral zu einem zugeh¨ origen Faktor x(τ ) Anlass gibt.
- τ 2
Q
Q
τ2
τ1
τ 2
Auf diese Weise resultiert x|e−H ( 2 −τ1 ) Q e−H(τ1 −τ2 ) Q e−H (τ2 + 2 ) |y = τ
τ
Dx x(τ1 ) x(τ2 ) e−SE [x] ,
& ' wobei u ¨ ber Pfade x(τ ) mit τ ∈ − τ2 , τ2 integriert wird. Bis hier hin lautet das Ergebnis: 1 0|Q(τ1 ) Q(τ2 )|0 = lim τ →∞ Z(τ )
Dx x(τ1 ) x(τ2 ) e−SE [x]
f¨ u r τ1 ≥ τ2 .
328
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Die rechte Seite ist offensichtlich symmetrisch unter der Vertauschung τ1 ↔ τ2 , die linke Seite aber nicht, denn dort muss τ1 ≥ τ2 sein. Wir beheben diesen Sch¨onheitsfehler durch Einf¨ uhrung der Zeitordnung Q(τ1 ) Q(τ2 ) , τ1 ≥ τ2 . T Q(τ1 ) Q(τ2 ) = Q(τ2 ) Q(τ1 ) , τ2 ≥ τ1 . Damit k¨onnen wir unser Ergebnis schreiben als 1 0|T Q(τ1 ) Q(τ2 )|0 = lim τ →∞ Z(τ )
wobei Z(τ ) =
Dx x(τ1 ) x(τ2 ) e−SE [x] ,
Dx e−SE [x] .
Wie oben schon bemerkt, ist die Wahl der Randbedingungen x, y f¨ ur die Pfade im Limes τ → ∞ irrelevant. Durch analytische Fortsetzung zur¨ uck zur reellen Zeiten, t = e−iα τ , α → 0,
t
kann man die greensche Funktion 0|T Q(t1 ) Q(t2 )|0 und entsprechend die h¨oheren Funktionen 0|T Q(t1 ) . . . Q(tn )|0 gewinnen. 23.2.3 Erzeugende Funktionale Die Handhabung der greenschen Funktionen und ihre Berechnung wird durch Benutzung von erzeugenden Funktionalen erleichtert. Dieses n¨ utzliche Instrument wird auch in der Feldtheorie ¨ außerst Gewinn bringend eingesetzt.
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
329
Wir definieren das erzeugende Funktional der euklidischen greenschen Funktionen durch ∞ 1 dτ1 . . . dτn 0|T Q(τ1 ) . . . Q(τn )|0 j(τ1 ) . . . j(τn ) ZE [j] = n! n=0 = 1 + dτ 0|Q(τ )|0 j(τ ) 1 dτ1 dτ2 0|T Q(τ1 ) Q(τ2 )|0 j(τ1 ) j(τ2 ) + . . . + 2 = 0|T exp dτ Q(τ ) j(τ ) |0 . In ihm sind die greenschen Funktionen als Koeffizienten der Quellen j(τi ) enthalten. Sie k¨onnen durch funktionale Ableitung wieder zur¨ uckgewonnen werden: δn ZE [j] 0|T Q(τ1 ) . . . Q(τn )|0 = . δj(τ1 ) . . . δj(τn ) j=0
Dies erkl¨art den Namen erzeugendes Funktional“. Ausgedr¨ uckt durch ” Pfadintegrale schreibt es sich R 4 Dx e−SE + dτ j(τ ) x(τ ) 4 . ZE [j] = Dx e−SE Erg¨anzend seien noch die entsprechenden Formeln f¨ ur reelle Zeiten angegeben: R 4 R Dx eiS+i dt j(t) x(t) i dt Q(t) j(t) 4 |0 = Z[j] = 0|T e Dx eiS δn Z[j] 1 0|T Q(t1 ) . . . Q(t2 )|0 = n . i δj(t1 ) . . . δj(tn ) j=0
23.2.4 Harmonischer Oszillator II Am konkreten Beispiel des harmonischen Oszillators soll nun die Berechnung der erzeugenden Funktionale ZE [j] bzw. Z[j] durch Pfadintegrale vorgef¨ uhrt werden. Zur euklidischen Wirkung m 2 mω 2 2 m d2 2 x˙ + x = dτ x(τ ) − 2 + ω x(τ ) SE = dτ 2 2 2 dτ
330
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
addieren wir den Quellenterm und erhalten d2 m 2 dτ x(τ ) − 2 + ω x(τ ) − dτ j(τ ) x(τ ) . SE [x, j] = 2 dτ Das zu berechnende Pfadintegral Dx e−SE [x,j] ist ein gaußsches Integral. Wir berechnen es durch eine Entwicklung der Pfade um die klassische L¨osung. Als erstes bestimmen wir die klassische L¨ osung mit ¨außerer Quelle. Die zu l¨ osende Bewegungsgleichung lautet d2 δSE 2 = m − 2 + ω x(τ ) − j(τ ) . 0= δx(τ ) dτ Gesucht ist die L¨osung mit der Randbedingung x(τ ) → 0 f¨ ur τ → ±∞. Mit der Definition des Operators d2 . A = − 2 + ω2 dτ lautet die Bewegungsgleichung A·x=
1 j m
mit der offensichtlichen L¨osung x=
1 −1 A ·j. m
. Wir wollen es aber schon etwas mehr explizit. Dazu muss DE = −A−1 berechnet werden. Hier hilft uns wiederum die Fouriertransformation aus. Mit ∞ ∞ dν dν −iντ x ˜(ν) e j(ν) e−iντ und j(τ ) = x(τ ) = −∞ 2π −∞ 2π geht die Bewegungsgleichung u ¨ber in ˜(ν) = (ν 2 + ω 2 ) x
1 j(ν) m
und folglich ist x ˜(ν) =
1 1 j(ν) . m ν 2 + ω2
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
331
Jetzt ist es Zeit zur R¨ ucktransformation: 1 dν e−iν(τ −τ ) 1 dν e−iντ j(τ ) j(ν) = dτ x(τ ) = m 2π ν 2 + ω 2 m 2π ν 2 + ω2 1 . dτ DE (τ − τ ) j(τ ) =− m mit
dν e−iντ . 2π ν 2 + ω 2 DE ist die greensche Funktion zum Operator A und erf¨ ullt d2 − 2 + ω 2 DE (τ ) = −δ(τ ) dτ DE (τ ) = −
bzw. in Operatorschreibweise A · DE = −1 . Die L¨osung x(τ ) ist eindeutig, da die homogene Gleichung nur die L¨ osung x(τ ) = 0 hat, wenn die obigen Randbedingungen gefordert werden. Durch Ausf¨ uhren des Fourierintegrals erhalten wir einen expliziten Ausdruck f¨ ur DE . Hierzu greifen wir tief in unseren komplexen Werkzeugkasten und bringen den Residuensatz zum Einsatz. Der Integrand des zu berechnenden Integrals ∞ e−iντ dν −∞ 2π (ν + iω)(ν − iω) besitzt zwei komplexe Pole. Je nach dem Vorzeichen von τ kann das Integral in ein Kurvenintegral in der komplexen Ebene deformiert werden, das einen der beiden Pole einschließt, wie in der Zeichnung gezeigt.
ν iω
- iω
332
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Dies liefert
∞
e−iντ e−ωτ e ωτ dν = θ(τ ) + θ(−τ ) 2ω 2ω −∞ 2π (ν + iω)(ν − iω)
und somit DE (τ ) = −
1 −ω|τ | e . 2ω
Wenden wir uns wieder dem Pfadintegral R Dx e−SE [x]+ dτ j(τ ) x(τ ) zu. Die Pfade werden zerlegt gem¨ aß x(τ ) = xc (τ ) + y(τ )
mit
xc (τ ) = −
1 DE · j(τ ) . m
F¨ ur die Wirkung zieht das die Zerlegung d2 m 2 dτ y(τ ) − 2 + ω y(τ ) SE [x, j] = SE [xc , j] + 2 dτ nach sich, mit 1 SE [xc , j] = 2m
dτ dσ j(τ ) DE (τ − σ) j(σ) .
Eingesetzt in das Pfadintegral liefert dies R R m Dx e− 2 dτ x·Ax + dτ j(τ ) x(τ ) = R R m 1 Dy e− 2 dτ y·Ay e− 2m dτ dσ j(τ ) DE (τ −σ) j(σ) und damit das Endergebnis f¨ ur das erzeugende Funktional 1 dτ dσ j(τ ) DE (τ − σ) j(σ) . ZE [j] = exp − 2m Aus dem erzeugenden Funktional, das wir nun explizit kennen, folgen die greenschen Funktionen durch Differenziation. Insbesondere finden wir 1 DE (τ1 − τ2 ) , m was die Bezeichnung greensche Funktion rechtfertigt. 0|T Q(τ1 ) Q(τ2 )|0 = −
Zu guter Letzt gehen wir wieder zur¨ uck zu reellen Zeiten t = −i τ , und zwar durch Rotation in der komplexen t-Ebene im Gegenuhrzeigersinn.
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
333
t
Die entsprechende greensche Funktion besitzt die Fourierdarstellung ∞ dν e−iνt . , D(t) = −i DE (it) = − 2 2 −∞ 2π ν − ω wobei die Frequenz durch ν = iνE ∈ R entsprechend fortgesetzt wurde. Das Integral ist allerdings nicht eindeutig, denn es muss u ¨ber die Pole bei ±ω auf der reellen Achse integriert werden, und dies kann auf verschiedene Weisen geschehen. Anders ausgedr¨ uckt besitzt die definierende Differenzialgleichung f¨ ur D(t) d2 2 − 2 − ω D(t) = −δ(t) dt mehrere L¨osungen. Genau eine von diesen wird jedoch durch den Vorgang der analytischen Fortsetzung ausgew¨ ahlt. Diese kann so durchgef¨ uhrt werden, dass bei der Rotation von t im Gegenuhrzeigersinn gleichzeitig ν im Uhrzeigersinn rotiert wird, so dass νt immer reell bleibt. Dadurch ist festgelegt, dass an den Polen so vorbei integriert werden muss, wie in der Abbildung gezeigt ist.
ν -ω
ω
Diese Vorschrift ist ¨aquivalent zur Hinzuf¨ ugung eines kleinen Imagin¨ arteils zum Integranden gem¨aß e−iνt dν − 2π ν 2 − ω 2 + iε
334
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
und anschließender Bildung des Limes ε → 0. F¨ ur t > 0 z. B. sieht der Integrationsweg so aus:
ν ω -ω
Erneute Benutzung des Residuensatzes mit sorgf¨ altiger Beachtung der soeben gefundenen iε-Vorschrift f¨ uhrt zu D(t) =
' i −iω|t| i & θ(t) e−iωt + θ(−t) eiωt = e . 2ω 2ω
Das erzeugende Funktional der greenschen Funktionen bei reellen Zeiten ist i dt ds j(t) D(t − s) j(s) Z[j] = exp 2m und speziell gilt 0|T Q(t1 ) Q(t2 )|0 = −
i D(t1 − t2 ) . m
Damit genug vom einfachen harmonischen Oszillator. 23.2.5 Systeme mit quadratischer Wirkung Die Ergebnisse des vorigen Abschnittes werden wir jetzt verallgemeinern auf beliebige Systeme, deren Wirkung S quadratisch in den Koordinaten q ist. Dazu geh¨oren u.a. der harmonischer Oszillator, Systeme harmonischer Oszillatoren, also gekoppelte Schwingungen, Gitterschwingungen und das freie elektromagnetische Feld. Insbesondere geh¨ oren dazu auch die harmonischen N¨aherungen komplizierter Systeme, bei denen die Wirkung in der
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
335
Umgebung bestimmter Konfigurationen bis zu quadratischen Termen entwickelt wird. Die Systeme mit quadratischer Wirkung sind von besonderem Interesse. Einerseits sind sie geschlossen und exakt l¨ osbar. Andererseits sind sie relevant in zahlreichen physikalischen Zusammenh¨ angen. Systeme mit quadratischer Wirkung sind auch bei der Approximation von Pfadintegralen von zentraler Bedeutung, denn sie treten bei der semiklassischen Approximation und in der St¨ orungstheorie auf. Eine euklidische Wirkung, die quadratisch in ihren Koordinaten ist, schreiben wir in der Form 1 SE = (x, Ax) . 2 Speziell gilt 1 dτ dσ x(τ ) A(τ, σ) x(σ) SE = 2 f¨ ur quantenmechanische Systeme in einer Dimension. In dem schon behandelten Beispiel des harmonischen Oszillators ist d2 d2 2 2 A(τ, σ) = m − 2 + ω δ(τ − σ) . A=m − 2 +ω , dτ dτ F¨ ur die betrachteten Systeme ist das erzeugende Funktional der greenschen Funktionen 1 1 Dx e− 2 (x,Ax)+(j,x) ZE [j] = Z mit . (j, x) =
und Z=
dτ j(τ ) x(τ ) 1
Dx e− 2 (x,Ax) .
Dies sind gaußsche Integrale, die wir berechnen k¨ onnen. Dazu rekapitulieren wir einmal die endlichdimensionalen gaußschen Integrale. Zur Erinnerung: u ¨ ber R haben wir ∞
a
dx e− 2 x
−∞
2 +bx
=
2π b2 e 2a a
f¨ ur a > 0 .
336
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Gehen wir zum Rn u ¨ber. Es sei x ∈ Rn , A = (Aij ) , i, j = 1, . . . , n, und es sei A reell, symmetrisch und positiv. Die quadratische Form im Exponenten der Gaußfunktion sei xi Aij xj . (x, Ax) = i,j
Dann gilt . Z=
1
1
dn x e− 2 (x,A,x) = (2π) 2 (det A)− 2 . n
Beweis: diagonalisiere A durch eine orthogonale Transformation ⎛ ⎞ λ1 0 ⎜ ⎟ .. SAS t = D = ⎝ ⎠. . 0
λn
amtlich positiv. Mit der VariablentransformaDie Eigenwerte λi > 0 sind s¨ tion . y = S · x, dn x = | det S|−1 dn y = dn y folgt Z=
n
− 12
d ye
P
n ( 2π 2 1
2 i λi yi
=
i=1
λi
1
= (2π) 2 (det A)− 2 . n
F¨ ur das endlichdimensionale Pendant zum erzeugenden Funktional gilt 1 1 −1 . 1 dn x e− 2 (x,Ax)+(j,x) = e 2 (j,A j). Z(j) = Z Beweis: definiere
xc = A−1 j ,
x = xc + y
wie beim harmonischen Oszillator und finde 1 1 1 − (x, Ax) + (j, x) = − (y, A, y) + (j, A−1 j) 2 2 2 1 1 1 1 −1 −1 dn x e− 2 (x,Ax)+(j,x) = dn y e− 2 (y,Ay) e 2 (j,A j) = Z e 2 (j,A j) . Nun betrachten wir das Pfadintegral. Angesichts der Tatsache, dass es sich um ein unendlichdimensionales Integral handelt, u ¨berkommt uns ein wenig Furcht hinsichtlich der Determinanten des Operators A. Gehen wir daher
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
337
noch einmal zur¨ uck zur Herleitung des Pfadintegrals mittels Diskretisierung der Zeit. In der diskretisierten Form haben wir endlichdimensionale Integrale vom soeben betrachteten Typ und k¨ onnen die Formel f¨ ur Z(j) anwenden. Hierin hat sich die Determinante det A gl¨ ucklicherweise herausgek¨ urzt. Wir k¨onnen daher f¨ ur diese Gr¨oße den Limes ε → 0 ohne Schwierigkeiten bilden und erhalten ZE [j] = exp
1 −1 (j, A j) . 2
F¨ uhren wir wieder DE = −A−1 und die greensche Funktion DE (τ, σ) ein, so liest sich das Ergebnis im Fall eines Freiheitsgrades 1 dτ dσ j(τ ) DE (τ, σ) j(σ) . ZE [j] = exp − 2 23.2.6 Beispiel: Energieaufspaltung Bevor wir uns im Formelverhau verirren, wollen wir ein physikalisches Anwendungsbeispiel f¨ ur die euklidischen Pfadintegrale betrachten. Das System besitze einen Freiheitsgrad und bewege sich in einem Doppelmuldenpotenzial. Als Beispiel w¨ahlen wir V (x) = λ(x2 − a2 )2 .
V
-a
a
x
Wir wollen annehmen, dass die Barriere hoch, d.h. λ groß ist. Dann entspricht das System approximativ zwei nichtgekoppelten Mulden.
338
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
V
x
Der Grundzustand |0 besitzt eine symmetrische Wellenfunktion, die folgende Gestalt hat:
ψ
-a
a
x
Der erste angeregte Zustand |1 ist antisymmetrisch und seine Wellenfunktion sieht ungef¨ahr so aus:
ψ
-a a
x
Die Energien dieser Zust¨ande sind fast entartet, E0 ≈ E1 , und sind ungef¨ ahr so groß, wie die Grundzustandsenergie der Einzelmulde. Wir definieren den Zustand 1 |+ = √ (|0 + |1 ) , 2
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
339
dessen Wellenfunktion die Gestalt
ψ
a
x
besitzt, und entsprechend 1 |− = √ (|0 − |1 ) . 2
ψ
-a
x
Die Energien E0 und E1 sind nicht exakt gleich. Der Tunneleffekt f¨ uhrt bei einer endlichen Barriere zu einer Energieaufspaltung ΔE = E1 − E0 > 0 . ¨ Sie ist gleich dem Ubergangsmatrixelement ΔE = −2 +|H|− . Diese Energieaufspaltung ist eine physikalisch interessante Gr¨ oße. Zum Beispiel existiert eine solche kleine Energiedifferenz zwischen den niedrigsten Eigenzust¨anden des Ammoniakmolek¨ uls, welches zwischen zwei verschiedenen Formen hin- und hertunneln kann. Diese Energieaufspaltung bildet die Grundlage f¨ ur den Ammoniakmaser.
340
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Die Energieaufspaltung l¨asst sich elegant mit Hilfe von euklidischen Pfadintegralen berechnen. Den Ausgangspunkt daf¨ ur bildet die Formel ΔE ≈ 2 Dx e−SE [x] , wobei die euklidische Wirkung die u ¨ bliche $m % x˙ 2 + V (x(τ )) SE = dτ 2 ist, und u ¨ ber alle Pfade integriert wird, welche die Randbedingungen T T = −a , x =a x − 2 2 erf¨ ullen und einen Nulldurchgang besitzen.
x -T
a
2
τ -a
T 2
Am Schluss ist der Limes T → ∞ zu bilden. Den Beweis der Formel gebe ich hier nicht an, erw¨ahne aber, dass die Randbedingungen von den ¨ Zust¨anden |+ und |− im Ubergangsmatrixelement stammen. Außerdem unterschlage ich eine genaue Diskussion der Details, z. B. der G¨ ultigkeit der Approximation. Stattdessen wollen wir uns der Berechnung des Pfadintegrals zuwenden. Semiklassische N¨ aherung: Das Pfadintegral ist nicht von gaußscher Natur und wir k¨ onnen es nicht exakt berechnen. Wir werden daher eine semiklassische N¨ aherung durchf¨ uhren, die uns auf ein gaußsches Integral f¨ uhrt. Die semiklassische N¨aherung besteht darin, dass ein Minimum von SE in Form einer klassischen L¨osung gesucht wird und f¨ ur die Abweichungen daullen von die quadratische N¨aherung gemacht wird. Minima von SE erf¨ δSE = 0, δx(τ )
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
341
was nichts anderes ist als die klassische Bewegungsgleichung. Allerdings handelt es sich jetzt um die euklidische Bewegungsgleichung m¨ x = V (x) . Man beachte, dass sie sich von der u ¨ blichen Bewegungsgleichung durch das Vorzeichen auf der rechten Seite unterscheidet. Sie entspricht daher der Bewegung eines Massenpunktes in dem umgekehrten Potenzial −V (x). Die gesuchte L¨osung muss die Randbedingungen x(−∞) = −a , x(∞) = a erf¨ ullen. Der Massenpunkt soll also vom Maximum bei −a zu dem anderen Maximum bei +a gelangen und dabei genau einmal durch das Minimum bei x = 0 laufen. Die L¨osung kann z. B. durch Trennung der Variablen gefunden werden. Sie hat die in der Abbildung gezeigte Gestalt und tr¨ agt wegen ihres Aussehens die Bezeichnung Kink, auf Deutsch: Knick.
τ
-a
a
x
F¨ ur das Potenzial in unserem obigen Beispiel lautet die Kinkl¨ osung 7ω 8 (τ − τ0 ) . xc (τ ) = a tanh 2
342
23 Pfadintegrale in der Quantenmechanik
Hierin ist ω die Kreisfrequenz kleiner Schwingungen um eine der beiden Potenzialmulden und ist durch
mω 2 = V (a) = 8λa2 gegeben. Der freie Parameter τ0 gibt den Nulldurchgang an. F¨ ur den Kink ist m 2 x˙ − V (x) = 0 . 2 Das ist die euklidische Version des Energiesatzes. Die euklidische Wirkung des Kinks k¨onnen wir unter Benutzung dieser Beziehung in der Form a a $m % 2 2 x˙ + V = dτ mx˙ = dx mx˙ = dx 2m V (x) SE [xc ] = dτ 2 −a −a ausdr¨ ucken. F¨ ur das Beispielpotenzial gibt das Integral SE [xc ] =
4√ m2 ω 3 = 2mλ a3 . 12λ 3
F¨ ur einen beliebigen Pfad x(τ ) = xc (τ ) + y(τ ) ist die Wirkung von der Form 1 SE [x] = SE [xc ] + 2
dτ y(τ )A y(τ ) + O(y 3 )
mit einem Operator A. In der quadratischen N¨ aherung werden die h¨ oheren Potenzen von y(τ ) vernachl¨assigt und das Pfadintegral durch das entsprechende Gaußintegral 1 Dx e−SE = e−SE [xc ] (det A)− 2 · N approximiert, wobei N ein Normierungsfaktor ist, den ich hier nicht weiter diskutieren will. F¨ ur die Energieaufspaltung folgt daraus die sch¨ one Formel √ Ra ΔE = 2K e− −a dx 2m V (x) 1
mit einem Vorfaktor K = 2N (det A)− 2 . Der Ausdruck f¨ ur ΔE kommt uns bekannt vor. In der Tat, auf der rechten Seite steht der Gamowfaktor f¨ ur den Tunneleffekt durch die Potenzialbarriere zwischen −a und a, was
23.2 Aufbaukurs Pfadintegrale
343
unsere Intuition u ¨ber den Zusammenhang zwischen der Energieaufspaltung und dem Tunneleffekt best¨atigt. Man kann den Faktor auch durch eine quantenmechanische Rechnung in der WKB-Approximation erhalten, aber die Rechnung ist nach meinem Geschmack komplizierter und l¨ angst nicht so elegant. Eine genauere Rechnung, welche die Bestimmung der Determinanten von A einschließt, liefert den Vorfaktor m2 ω 5 . K= 2πλ Auch l¨asst sich der G¨ ultigkeitsbereich der Approximation untersuchen. Sie ist anwendbar, wenn ΔE hinreichend klein, bzw. SE [xc ] hinreichend groß ist. Details beschaffe sich der Neugierige selbst. Mit dem Tunneleffekt verkn¨ upfte Ph¨ anomene sind ein beliebtes Anwendungsfeld der euklidischen Pfadintegrale. Mit ihrer Hilfe lassen sich in u uhren. F¨ ur weiter ¨ bersichtlicher Weise systematische Rechnungen durchf¨ gehende Interessen verweise ich auf die einschl¨ agige Literatur.
A Diracsche δ-Funktion Das Kronecker-δ-Symbol ist definiert durch 1, i = k δik = 0, i = k
i, k ∈ Z.
F¨ ur beliebige Folgen (fi ) ist
fi δik = fk .
i∈Z
Das Kroneckersymbol h¨angt nur von der Differenz i − k ab: δik = δi−k,0 . Gehen wir nun von den Folgen zu Funktionen f (x) mit x ∈ R u ¨ ber. f (x) sei stetig. In Analogie zum Kroneckersymbol suchen wir ein Objekt δ(x) mit der Eigenschaft, dass ∞ f (x) δ(x − y)dx = f (y) −∞
f¨ ur alle f gelten soll. Gibt es eine solche Funktion δ(x)? Wegen ∞ f (x) δ(x)dx = f (0) −∞
ist i) ii)
δ(x) = 0 f¨ ur x = 0, δ(x)dx = 1.
Eine solche Funktion gibt es nicht. F¨ ur sie w¨ are δ(0) = ∞. Dennoch hat Dirac diese Funktion“ δ(x) eingef¨ uhrt. In der Physik und auch in der Ma” thematik wird vielf¨altig n¨ utzlicher Gebrauch von ihr gemacht. Die Rechtfertigung ihrer Existenz lieferte die Theorie der Distributionen. Distributionen: Distributionen sind lineare Funktionale auf Funktionen, d.h. eine Distribution G ist eine Abbildung:
f Funktion
−→ G[f ] ∈ C ,
346
A Diracsche δ-Funktion
die linear ist:
Beispiel:
α, β ∈ C. G[αf1 + βf2 ] = α G[f1 ] + β G[f2 ], G[f ] = g(x)f (x)dx heißt regul¨ are Distribution.
Jetzt definieren wir die δ-Distribution durch δy [f ] = f (y). Dies ist keine regul¨are Distribution. Wir f¨ uhren dennoch die Schreibweise δy [f ] ≡ δ(x − y) f (x)dx ein und beachten dabei, dass das Symbol δ(x) keine Funktion bezeichnet, sondern nur unter dem Integral in obigem Sinne definiert ist. Anders gesagt ist durch δ(x − y) · · · dx ein lineares Funktional eingef¨ uhrt worden. Das Symbol δ(x) wird dessenungeachtet als δ-Funktion bezeichnet. Bemerkung: als zul¨assige Funktionen f¨ ur f (x) nimmt man h¨ aufig . S = {f |∞ -oft differenzierbar, schnell abfallend} oder
. ager}. D l = {f |l -mal differenzierbar, mit kompaktem Tr¨
δ-Funktion als Limes von Funktionsfolgen: Die Funktionsschar 1 x2 . √ exp − 2 δ (x) = 2 2π2 besteht aus Gaußfunktionen der Breite . Sie erf¨ ullen δ (x) −→ 0 →0
f¨ ur x = 0,
δ (x)dx = 1.
347
Es gilt
lim
→0
f (x) δ (x)dx = f (0).
Die linke Seite liefert also die δ-Distribution. Wir schreiben lim δ (x) = δ(x)
→0
und beachten dabei, dass der Limes immer außerhalb eines Integrals zu nehmen ist. Es gibt viele andere Folgen, die in analoger Weise die δ-Funktion liefern, z.B. 1 1 1 sin x 2 oder die Lorentzkurven . x π π 1 + x22 Rechenregeln: 1.
xδ(x) = 0
2.
δ(ax) =
insbesondere ist δ eine gerade Funktion. 3.
δ(g(x)) =
1 δ(x), |a|
1 |g (x
i
a ∈ R,
i )|
δ(x − xi ),
wobei die Summe u ¨ber die Nullstellen xi von g(x) geht, und wir voraussetzen, dass es nur einfache Nullstellen gibt. Beweis: F¨ ur hinreichend kleines > 0 ist g(x) in allen Intervallen [xi − , xi + ] um die Nullstellen herum invertierbar. Es ist δ(g(x)) f (x)dx =
i
xi +
δ(g(x)) f (x)dx . xi −
Mit der Substitution x = g−1 (y),
y = g(x),
dy = g (x) dx
folgt
xi +
g(xi +)
δ(g(x)) f (x)dx = xi −
δ(y) f (x) g(xi −)
dy 1 = f (xi ) . g (x) |g (xi )|
348
A Diracsche δ-Funktion
δ(x2 − x20 ) =
Beispiel:
4. mit der Stufenfunktion
1 {δ(x − x0 ) + δ(x + x0 )} 2|x0 |
δ(x) = Θ(x) =
0, 1,
d Θ(x) dx x 0.
Der Wert Θ(0) ist unbestimmt. Eine verbreitete Konvention ist Θ(0) = 12 .
Beweis: i) f¨ ur a > 0 ist
a
f (x) Θ (x)dx =
−a
= f (a) −
[f (x) Θ(x)]a−a
−
a
f (x) Θ(x)dx
−a
a
f (x)dx = f (a) − {f (a) − f (0)} = f (0).
0
oder ii) es gilt
ur x = 0 , Θ (x) = 0 f¨
5.
1 δ(x) = 2π
∞
Θ (x)dx = 1.
−∞
dk eikx ,
siehe den Anhang u ¨ber Fouriertransformation. Ableitungen: Die Ableitung der δ-Funktion kann dadurch definiert werden, dass man die G¨ ultigkeit der partiellen Integration verlangt, d.h. δ (x)f (x)dx = − δ(x)f (x)dx = −f (0), wobei die Randterme der partiellen Integration verschwinden. . dn Entsprechend gilt f¨ ur die n-te Ableitung δ(n) (x) = n δ(x) dx δ(n) (x)f (x)dx = (−1)n f (n) (0) . δ(x) ist beliebig oft differenzierbar. δ (x) ist ungerade, δ (x) ist gerade, etc.
349
Dreidimensionale δ-Funktion: Mit der Definition (die hochgestellte (3) kennzeichnet hier die drei r¨ aumlichen Dimensionen und nicht die dritte Ableitung) δ(3) (r ) = δ(x)δ(y)δ(z) gilt
δ(3) (r − r0 )f (r )d3 r = f (r0 ).
In der Physik wird die dreidimensionale δ-Funktion zur Beschreibung einer punktf¨ormigen Verteilung einer Masse oder Ladung verwendet: ρ(r ) = Q δ(3) (r − r0 ),
f¨ ur r = r0 ,
ρ(r ) = 0 ρ(r )d3 r = Q .
In der Elektrostatik wird gezeigt, dass das Potenzial einer Punktladung ϕ(r ) =
Q 1 4πε0 r
lautet. Es erf¨ ullt die Poissongleichung Δϕ(r ) = −
1 ρ(r ). ε0
Also muss gelten 1 Δ = −4πδ(3) (r ). r 1 r 1 i) f¨ ur r = 0 : Δ = ∇ · ∇ = −∇ 3 = 0 r r r 1 1 3 1 3 r ∇ · df = − Δ d r= ∇·∇ d r = · df ii) 3 r r r V V ∂V ∂V r 1 2 r dΩ = −4π. =− 2 ∂V r Beweis:
350
A Diracsche δ-Funktion
Distributionsformel: Es gilt 1 1 = P ∓ iπδ(x) f¨ ur → 0, x ± i x wobei P die Hauptwertvorschrift f¨ ur Integrale bezeichnet: − b b f (x) f (x) f (x) . P dx = lim dx + dx . →0 x x x a a 1 1 1 1 1 1 1 = − + + . Beweis: x + i 2 x + i x − i 2 x + i x − i Erste Klammer:
1 1 − = −2 i 2 −→ −2πi δ(x). x + i x − i x + 2 →0
F¨ ur die zweite Klammer erhalten wir im Integral ∞ ∞ f (x) f (x) f (z) f (z) dx + dx = dz + dz −∞ x + i −∞ x − i C1 z C2 z mit folgenden Integrationswegen in der komplexen Ebene:
C1 C2
Die Integrale u ogen heben sich gegenseitig auf, denn mit ¨ber die Kreisb¨ z = r eiφ ,
dz = ir eiφ dφ = iz dφ
ist der Beitrag der Kreisb¨ogen 2π π iφ f (re )dφ + i f (reiφ )dφ −→ if (0)(−π + π) = 0. −i 0
π
r→0
Die restlichen Wegintegrale geben gerade den Hauptwert.
B Fouriertransformation B.1 Fourierreihen Zun¨achst beginnen wir zur Erinnerung mit Fourierreihen. Es sei eine periodische Funktion f (x) mit Periode L gegeben: f (x) = f (x + L).
f (x )
x L
0
2L
Dann sagt die Theorie der Fourierreihen, dass (unter gewissen Voraussetzungen an die Funktion f ) eine Entwicklung nach harmonischen Funktionen existiert: x cn e2πin L = cn eikn x f (x) = n
n∈Z
mit kn =
2πn . L
Die Fourierreihe ist im Sinne einer Konvergenz im Mittel zu verstehen. F¨ ur die Koeffizienten gilt 1 cn = L
L 2
dx f (x) e−ikn x .
−L 2
352
B Fouriertransformation
Wir k¨onnen die Beziehung zwischen der Funktion f (x) und der Folge cn als Hin- und R¨ uckweg einer Fouriertransformation auffassen: Fouriertransformation {cn }
−→
f (x)
−→
f (x).
Das System der Funktionen eikn x ≡ un (x) bildet somit eine Basis im Raum der L-periodischen Funktionen (die gewisse ¨ mathematische Einschr¨ankungen erf¨ u onnen wir 'Aquivalenterweise k¨ & llen). L L sie als Funktionen auf dem Intervall − 2 , 2 betrachten. Orthonormiertheit: Setzen wir die Formel f¨ ur die Hintransformation in diejenige f¨ ur die R¨ ucktransformation ein, erhalten wir L ) L 2 2 1 1 dx e−ikn x cm eikm x = cm dx e−i(kn −km )x cn = L L −L L − m m 2
1 L
⇒
2
L 2
dx e−ikn x eikm x = δn,m
−L 2
oder 1 L
L 2
dx u∗n (x) um (x) = δn,m .
−L 2
Dies ist die Orthonormalit¨at der Funktionen un (x). Vollst¨ andigkeit: Wenn wir die Formel f¨ ur die R¨ ucktransformation in diejenige f¨ ur die Hintransformation einsetzen, folgt in entsprechender Weise ) L L 2 2 1 1 eikn x dy f (y) e−ikn y = dy f (y) eikn x e−ikn y f (x) = L L L L − − n n 2
⇒
1 un (x) u∗n (y) = δ(x − y) L n
2
f¨ ur
−
L L < x, y < . 2 2
Dies ist die Vollst¨andigkeitsrelation. Sie sagt nach der gerade vollzogenen Rechnung aus, dass jedes f (x) nach den Funktionen un (x) entwickelt werden kann.
B.2 Fourierintegrale
353
B.2 Fourierintegrale & ' Statt des Intervalles − L2 , L2 soll nun die gesamte reelle Achse betrachtet werden. Wir werden dazu den Limes L → ∞ in heuristischer Weise vollziehen. Mit der Schreibweise f˜n = L cn ,
Δk =
2π L
lauten die obigen Transformationen Δk
f (x) =
n
2π
f˜n eikn x
L
2 f˜n =
dx f (x) e−ikn x .
−L 2
Der Limes L → ∞ f¨ uhrt auf die Fouriertransformation ∞ f (x) = −∞
dk ˜ f (k) eikx , 2π
∞ dx f (x) e−ikx .
f˜(k) =
−∞
Die Funktionen uk (x) = eikx bilden also eine Basis“. Allerdings sind f¨ ur f (x) nicht alle Funktionen ” zugelassen. Die pr¨azisen Bedingungen sollen hier nicht er¨ ortert werden. Es sei aber soviel gesagt, dass f (x) h¨ ochstens endlich wie Unstetigkeitsstellen besitzen darf, und dass ∞
−∞
|f (x)|dx < ∞
354
B Fouriertransformation
sein muss. Folglich muss insbesondere gelten f (x)
−→
x→±∞
0.
Genauso wie zuvor erh¨alt man die Orthonormalit¨ ats- und Vollst¨ andigkeitsRelationen. Orthonormalit¨at:
∞
dx u∗k (x)ul (x) = 2πδ(k − l)
−∞
Vollst¨andigkeit:
∞
dk uk (x)u∗k (y) = δ(x − y) 2π −∞ Die beiden Relationen sind sogar ¨ aquivalent, wie man durch Vertauschen von x, y mit k, l sieht. Parsevalsche Gleichung:
Sei f (x) =
dk ˜ f (k) eikx , 2π
g(x) =
dk g˜(k) eikx . 2π
Dann finden wir dk ˜∗ dk ˜∗ ∗ −ikx f (k) e f (k) dx g(x) e−ikx g(x) = dx f (x) g(x) = dx 2π 2π dk ˜∗ ∗ f (k) g˜(k) . ⇒ dx f (x) g(x) = 2π Diese Beziehung heißt parsevalsche Gleichung. 3 Dimensionen: In drei Dimensionen lauten die Formeln f¨ ur die Fouriertransformation und die Orthonormalit¨ats- und Vollst¨ andigkeits-Relationen 3 d k ˜ ik·r f (k ) e f (r ) = (2π)3 f˜(k ) = d3 r f (r ) e−ik·r
d3 r e−ik·r eik ·r = (2π)3 δ(3) (k − k )
d3 k ik·r −ik·r e e (2π)3
= δ(3) (r − r ) .
C Formelsammlung Die Formelsammlung ist dazu gedacht, das rasche Nachschlagen von einigen der wichtigsten Formeln und Sachverhalte zu erleichtern. Sie kann auch als Ausgangspunkt f¨ ur Pr¨ ufungsvorbereitungen dienen, soll aber keineswegs dem verbreiteten Irrtum Vorschub leisten, Lernen sei mit dem Pauken von Formeln identisch. Grundlagen p=h ¯k , E = h ¯ ω , p = h/λ
Freie Materiewellen, de Broglie-Beziehungen:
ψ(r, t) = A ei(k·r−ωt)
ebene Wellen:
Wellenpakete:
ψ(r, t) =
mit
ω=
¯ 2 h k 2m
d3 k ϕ(k ) ei(k·r−ωt) , zerfließen mit der Zeit 3 (2π)
Wahrscheinlichkeitsinterpretation: |ψ(r, t)|2 ist die Wahrscheinlichkeitsdichte daf¨ ur, das Teilchen bei einer Ortsbestimmung am Punkt r zu finden. 4 Normierung: d3 r |ψ(r, t)|2 = 1 4 Erwartungswerte: A = d3 r ψ ∗ (r, t) A ψ(r , t) 3 d k ψ(k, t) eik·r Impulsraum: ψ(r, t) = 3 (2π) Impulsoperator: P = ¯hi ∇, Breiten:
ψ(r ) = r ψ(r ) Ortsoperator: Q
(Δx)2 = x2 − x 2 ,
Heisenbergsche Unsch¨arferelation:
(Δp)2 = p2 − p 2 Δp · Δx ≥
¯ h 2
Schr¨odingergleichung allgemein:
i¯ h
∂ ψ(r, t) = Hψ(r, t) ∂t
Teilchen im Potenzial:
Hamiltonoperator
∂ i¯h ψ(r, t) = ∂t
H=
Kontinuit¨atsgleichung:
P 2 + V (r ) ψ(r, t) 2m
P 2 + V (Q) 2m ∂ ρ(r, t) + ∇ · j(r, t) = 0 ∂t
356
C Formelsammlung
¯h (ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ) 2m i Superpositionsprinzip: f¨ ur Zust¨ ande ψ1 , ψ2 ist αψ1 + βψ2 wieder ein physikalischer Zustand. mit
ρ = ψ∗ ψ ,
j =
Station¨are Zust¨ande: ψ(r, t) = e−i h¯ ψ(r ) Et
Hψ(r ) = E ψ(r )
Zeitunabh¨angige (station¨are) Schr¨ odingergleichung: Wellenmechanik in einer Dimension Rand-/Anschluss-Bedingungen: |V (x)| < ∞
ψ(x) ist stetig.
ψ (x) ist stetig, wenn
Teilchen im Kasten, unendlich hoher Potenzialtopf: 2 2 nπ ¯h π 2 2 sin x , n = 1, 2, 3, . . . · n , ψ (x) = En = n 2mL2 L L Endlicher Potenzialtopf: diskretes Spektrum: endlich viele gebundene Zust¨ ande kontinuierliches Spektrum: Streuzust¨ ande jT Transmissionskoeffizient: T = j , Reflexionskoeffizient: ein T +R=1 " Γ #2 Resonanzen:
Breit-Wigner-Funktion T ≈
2
(E − ER )2 +
jR R = j ,
" Γ #2 2
Potenzialbarriere, Tunneleffekt: ⎫ ⎧ ⎬ ⎨ 2 b 2m(V (x) − E) dx Gamowfaktor T ≈ exp − ⎭ ⎩ ¯ h a
Allgemeine eindimensionale Potenziale: a) klassisch erlaubt: E > V (x), ψ ist oszillatorisch b) klassisch verboten: E < V (x), ψ ist von der Achse weggekr¨ ummt, speziell: exponenzielles Abklingen c) klassische Umkehrpunkte: E = V (x), ψ (x) = 0 Harmonischer Oszillator:
1 1 2 mω 2 2 † P + Q =h , ¯ω a a + H= 2m 2 2 √ 1 ¯ω n + , a|n = n|n − 1 , En = h 2
[a, a† ] = 1 a† |n =
√
n + 1 |n + 1
ein
357
ϕn (y) =
1
1 2
− y √ Hn (y) e 2 n 2 n! π
Mathematischer Formalismus Hilbertraum H = L2 (R) bzw. L2 (R3 ) 4 ψ1 |ψ2 = d3 r ψ1∗ (r )ψ2 (r ), ψ2 = ψ|ψ < ∞ Orthonormalbasis: m|n = δmn , mit cn = n|ψ
Vollst¨andigkeitsrelation:
+
n |n n|
Vollst¨ andigkeit:
+
|ψ =
n
cn |n
=1
Observable ↔ selbstadjungierte Operatoren A† = A Messwerte = Eigenwerte sind reell Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal Vollst¨andigkeit: die eigentlichen und uneigentlichen Eigenvektoren spannen den ganzen Hilbertraum auf. Erwartungswerte: ψ|A|ψ
⇔
A und B sind vertr¨aglich (kommensurabel) Kommutator
[A, B] = AB − BA,
AB − BA = 0
Born-Jordan:
Allgemeine Unsch¨arferelation: ΔA · ΔB ≥
1 2
[Pj , Qk ] =
¯ h δjk 1 i
| [A, B] |
Uneigentliche Impulseigenvektoren: |k ↔ eikx Uneigentliche Ortseigenvektoren: |q ↔ δ(x − q),
ψ(x) = x|ψ
Zeitliche Entwicklung Zeitentwicklungsoperator
U (t) = exp(− ¯hi Ht)
Schr¨odingerbild: |ψ(t) = U (t)|ψ(0) , Heisenbergbild:
i¯ h
∂ |ψ(t) = H|ψ(t)
∂t
|ψH = U † (t)|ψ(t) = |ψ(0) ,
AH (t) = U † (t)AU (t)
∂ d AH (t) = [AH (t), H] + i¯ h AH (t) dt ∂t A ist Erhaltungsgr¨oße ⇐⇒ [A, H] = 0.
i¯ h
Drehimpuls =Q × P , Drehimpulsoperator: L
hεijk Lk [Li , Lj ] = i¯
358
C Formelsammlung
2 |l, m = h L ¯ 2 l(l + 1)|l, m , mit l ∈ {0, 12 , 1, . . . },
L3 |l, m = h ¯ m|l, m
m ∈ {l, l − 1, . . . , −l}
l ∈ {0, 1, 2, 3, . . . }
Bahndrehimpuls:
Teilchen im Zentralpotenzial:
ψ(r ) = f (r) Yl,m (ϑ, ϕ)
Radiale Schr¨odingergleichung: ¯h2 l(l + 1) ¯h2 ∂ 2 + + V (r) u(r) = Eu(r) − 2m ∂r 2 2mr 2 wobei u(r) = rf (r) ,
ur r → 0 u ∼ r l+1 f¨
Zweiatomige Molek¨ ule:
E ≈ V (rl ) +
¯ 2 l(l + 1) h +h ¯ ωl (n + 12 ) 2mrl2
Wasserstoffatom V (r) = −
e20 1 , 4πε0 r
l ≤ n − 1,
H|n l m = En |n l m ,
En = −
me40 1 2 n2 2 2(4πε0 ) ¯ h
|m| ≤ l
Teilchen im elektromagnetischen Feld 2 1 + eΦ P − eA H= 2m Normaler Zeemaneffekt: Spin ¯ =h σ , S 2
σ1 =
0 1 1 0
¯ ω L · ml , E = En + h
,
σ2 =
0 −i i 0
ωL =
e0 B 2m
,
σ3 =
1 0 0 −1
Pauligleichung: ∂ ψ+ (r, t) ih ¯ ∂t ψ− (r, t) 2 e¯ h 1 ψ+ (r, t) P − eA(r, t) + eΦ(r, t) − σ · B(r, t) = ψ− (r, t) 2m 2m Addition von Drehimpulsen:
|j1 − j2 | ≤ j ≤ j1 + j2
Zeitunabh¨ angige nichtentartete St¨ orungstheorie H = H0 + λH1 ,
En = En0 + λEn1 + λ2 En2 + . . .
359
En1 = n0 |H1 |n0 ,
En2 =
| m0 |H1 |n0 |2 0 En0 − Em
m =n
Feinstruktur des Wasserstoffspektrums: 1 2 1 h2 γ (3) e20 ·L γ + π¯ H1 = − 3 2 P 2 + δ ( Q ) , γ = S 8m c 2m2 c2 R3 2m2 c2 4πε0 ) n α2 3 e20 α2 − mit α = Enj = −mc2 2 1 − 2 2n n 4 j + 12 hc(4πε0 ) ¯ Mehrere Teilchen Ausschließungsprinzip (Pauliverbot): Jeder Ein-Teilchen-Zustand kann h¨ochstens von einem Elektron besetzt werden. Pauliprinzip: Die Wellenfunktion eines Systems von Elektronen ist total antisymmetrisch. Orthohelium: Gesamtspin 1, Ortsfunktion antisymmetrisch Parahelium: Gesamtspin 0, Ortsfunktion symmetrisch, Grundzustand Ritzsches Variationsverfahren:
E0 = inf ψ
ψ|H|ψ
ψ|ψ
Zeitabh¨ angige St¨ orungstheorie H(t) = H0 + H1 (t) , |ψ(t) = ck (t)|k e−iωk t ck (t) = δkn −
i ¯h
k
t
dt k|H1 (t )|n e−i(ωn −ωk )t
0
2π ρ(En )| α|H1 |n |2 h ¯ Absorption und induzierte Emission: Fermi’s goldene Regel:
Wn→m =
Wn→α =
4π 2 2 u(ωmn ) | m|e · d|n | ¯h2 (4πε0 )
Statistischer Operator A = Sp(ρA) , Sp(ρ) = 1 , Sp(ρ2 ) ≤ 1 , Sp(ρ2 ) = 1 ⇔ ρ ist reiner Zustand.
360
C Formelsammlung
Station¨ are Streutheorie ϕ(r ) −→ eikz + f (ϑ) f (ϑ) =
eikr , r
∞ 1 (2l + 1) eiδl k l=0
σ=
¯ 2 k2 h , 2m
dσ = |f (ϑ)|2 dΩ ∞ 4π sin δl Pl (cos ϑ) , σ = 2 (2l + 1) sin2 δl , k E=
l=0
4π Im f (0) k
Bornsche N¨aherung:
f
(1)
m (ϑ, ϕ) = − 2π¯ h2
Pfadintegrale x|e−iHt |y = Dx eiS[x] 1 ZE [j] = Z
− 12 (x,Ax)+(j,x)
Dx e
= exp
d3 r V (r ) e−i(k−k0 )·r
1 −1 (j, A j) 2
Literaturhinweise Lehrbu ¨ cher: • F. Schwabl, Quantenmechanik, Springer, Berlin, 2004 • S. Gasiorowicz, Quantenphysik, Oldenbourg, M¨ unchen, 2005 • W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik, B¨ ande 5/1 und 5/2: Quantenmechanik, Springer, Berlin, 2003 • D.J. Griffiths, Introduction to Quantum Mechanics, Prentice Hall, New Jersey, 2004 • G. Grawert, Quantenmechanik, Studientext, Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden, 1977 • W.R. Theis, Grundz¨ uge der Quantentheorie, Teubner, Stuttgart, 1997 • A. Messiah, Quantenmechanik I, de Gruyter, Berlin, 1991 • P.C.W. Davies, D.S. Betts, Quantum Mechanics, Chapman & Hall, London, 1994 • A.I.M. Rae, Quantum Mechanics, IOP Publishing, Bristol, 1992 Allgemeinverst¨ andliche Bu ¨ cher zur Interpretation der Quantenmechanik: • A.I.M. Rae, Quantenphysik: Illusion oder Realit¨at?, Reclam, Ditzingen, 1996 • F.A. Wolf, Der Quantensprung ist keine Hexerei, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt, 1990 • F. Selleri, Die Debatte um die Quantentheorie, Vieweg, Wiesbaden, 1990 Anwendung von Pfadintegralen: • L.S. Schulman, Techniques and Applications of Path Intergals, John Wiley & Sons, New York, 1981 • A. Das, Field Theory, a Path Integral Approach, World Scientific, Singapore, 1993, Chaps. 7, 8 • V.G. Kiselev, Ya.M. Shnir, A.Ya. Tregubovich, Introduction to Quantum Field Theory, Gordon and Breach, Amsterdam, 2000
Index Absorption, 253, 262, 264, 265 Aharonov-Bohm-Effekt, 319–323 Austauschenergie, 235, 246, 251 Balmerformel, 164, 172, 221 Besselfunktionen sph¨arische, 154, 295, 298 Bohr, Niels, 17 Born, Max, 15, 81, 147, 169, 301, 305 Bosonen, 231, 246–248 Breit-Wigner-Funktion, 52, 301 Coulombenergie, 234, 235, 251 Davisson-Germer-Experiment, 3 de Broglie, Louis, 1, 2 de Broglie-Beziehungen, 2, 4 Dirac, Paul, 77, 229, 231, 345 Diracnotation, 77, 104, 105, 108 Dispersionsbeziehung, 4 Doppelspalt-Experiment, 12, 16, 205, 307, 319 Drehimpuls, 129–146, 169, 171, 182, 183, 198, 207–213, 219, 223, 224, 297 Dualismus, 1, 16–18 Dysonreihe, 257 Ehrenfest, Paul, 127 Eigenvektor, 73–75, 80, 103, 107, 110, 111, 136, 138, 159, 181, 192, 194, 195, 208, 214, 216, 270, 273 uneigentlicher, 104, 106, 108– 110 Eigenwert, 31, 39, 73–75, 79, 84, 85, 88, 89, 101, 103, 110,
124, 135–137, 139, 151, 159, 164, 170–172, 194, 208, 214, 217, 237, 273, 317, 318, 336 uneigentlicher, 104, 106, 109 Einstein, Albert, 1, 183, 188, 231, 265, 278, 283 Einsteinkoeffizient, 264, 266 Elektronenbeugung, 3 Emission induzierte, 253, 262, 264, 265 spontane, 264–266 Energiedarstellung, 117–119, 126, 259 Entartung, 39, 65, 74, 101, 159, 164, 165, 172, 173, 180, 217, 235 EPR-Paradoxon, 278 Feinstruktur, 218–222 Feinstrukturkonstante, 218 Fermionen, 231, 242, 246–248 Gamowfaktor, 60, 62, 64, 342 Gemisch, 267–272, 274–276 Gruppengeschwindigkeit, 5, 7 Hamiltonoperator, 30, 31, 75, 82, 84, 87, 88, 100, 103, 106, 117, 121, 122, 126, 131, 133, 148, 159, 175, 179, 181, 187, 188, 191, 213, 214, 218, 222, 226–228, 233, 237, 242, 250, 253, 309 Hauptquantenzahl, 164, 168, 172, 173, 221
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Heisenberg, Werner, 25, 27, 169, 229 Heisenbergbild, 125–127, 254, 309 Heitler-London-Verfahren, 250– 252 Hermitepolynome, 92 Hilbertraum, 67–75, 84, 103–107, 109, 110, 116, 118, 123, 125, 131, 186, 225, 267, 268, 307 Impulsdarstellung, 115–116, 119 Impulsoperator, 21–23, 29, 103– 104, 109, 110, 115, 116, 159 Impulsraum, 18–24, 116 Jordan, Pascual, 81, 169 Kontinuit¨atsgleichung, 10, 30, 49 Kugelfl¨achenfunktionen, 143, 144, 292, 293 Laguerrepolynome, 166 Land´efaktor, 188, 224 Landauniveaus, 180 Larmorfrequenz, 181, 190 Larmorpr¨azession, 190 Legendrepolynome, 143 Lie-Algebra, 136, 171 Mehlerformel, 318, 319 N¨aherung bornsche, 302–306 semiklassische, 335, 340 Operator selbstadjungierter, 73–76, 78, 84, 103–112, 121, 129 statistischer, 267–272
Index
Orthogonalit¨ at, 36, 69, 74, 103, 110, 116, 119, 242, 293 Orthohelium, 233–236, 246, 248 Orthonormalit¨ at, 77, 104, 106, 352, 354 Ortsdarstellung, 115, 118, 119, 132, 133, 225, 227 Ortsoperator, 21–23, 81, 105–106, 111, 115, 116, 159, 249, 326 Ortsraum, 20–24, 113, 115, 123, 131, 141 Parahelium, 233, 235, 246, 248 Parit¨ at, 81–82, 145 Pauli, Wolfgang, 26, 162, 169, 170, 229, 231, 259 Pauligleichung, 187, 189–191 Paulimatrizen, 185, 196 Pauliprinzip, 226, 228–231, 233, 235, 241, 250 Pauliverbot, 229, 230, 234 Phasengeschwindigkeit, 5 Planck, Max, 1 Potenzial effektives, 135, 150, 162 Projektionsoperator, 76, 77, 111, 202, 230, 268 Radialfunktion, 163, 166, 293 Radialgleichung, 145–146, 150, 153, 162, 163, 294 Radialimpuls, 132, 133 Radius bohrscher, 167, 178 Resonanz, 51, 52, 56, 57, 300 Rydbergkonstante, 166 S¨ akulargleichung, 217 Schr¨ odinger, Erwin, 29, 276 Schr¨ odingerbild, 121–126, 309
Index
Schr¨odingergleichung radiale, 133, 135, 293 zeitabh¨angige, 29, 53, 84, 97, 121, 126, 189, 192, 226, 253, 274–276, 288, 290 zeitunabh¨angige, 30, 33, 36, 45, 46, 64, 88, 93, 100, 131, 149, 179, 301 Slaterdeterminante, 231, 241, 242, 244, 245 Spektraldarstellung, 111, 112, 121 Spektrum, 44, 111, 112, 139, 147, 151, 162, 214, 218, 233, 318, 324 diskretes, 65, 74, 103, 259, 262, 273, 285 kontinuierliches, 66, 103–109, 259, 261, 285 Spin, 156, 183–206, 210–212, 218, 219, 222–224, 226, 229, 231, 232, 236, 248, 249, 278 Spin-Bahn-Kopplung, 157, 213, 239 Spinor, 184, 186, 189, 195, 197 Spinorwellenfunktion, 186, 187, 194, 197, 212 Stern-Gerlach-Versuch, 183, 190– 194, 198, 199, 201, 202, 267, 269, 270 Strahlungsgesetz plancksches, 265, 266 Streuamplitude, 291, 292, 296, 298, 302–306 Streuphasen, 296, 299, 300, 305, 306 Streuzustand, 46, 49, 51, 53, 58, 103, 107, 109, 162, 285 Superpositionsprinzip, 71, 84, 276
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Theorem optisches, 296, 304 Tunneleffekt, 59–64, 307, 339, 342, 343 Unsch¨ arferelation, 23–28, 83, 96 Vertauschungsrelationen, 81, 129, 136, 170, 171, 184 Vollst¨ andigkeit, 37, 69, 70, 74, 75, 77, 104, 106, 107, 110, 116, 118, 119, 121, 144, 352, 354 Wahrscheinlichkeitsinterpretation, 14–15, 17, 84–86, 112, 277 Wechselwirkungsbild, 254, 255 Wellenfunktion radiale, 154, 166–168 Wellenpaket, 6, 7, 10, 12, 18, 23, 25, 46, 53, 54, 56, 97–99, 191, 288 Wickrotation, 324 Wirkungsquerschnitt, 57, 287, 291, 296, 299 Yukawapotenzial, 304 Zeemaneffekt, 175, 181–183, 188, 222–224 Zentralfeldmodell, 239–241 Zustand gebundener, 40, 45, 65, 162, 165, 170, 285 reiner, 71, 84, 201, 267–274, 276 Zustandsdichte, 259 Zustandsreduktion, 84, 274, 275, 277 Zyklotronfrequenz, 179