Horst G. Kaltenbach Persönliches Karrieremanagement
Horst G. Kaltenbach
Persönliches Karrieremanagement Wie Karriere heute funktioniert Einsichten und Tipps vom Karriere-Doc
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1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Irene Buttkus Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Irene Buttkus, Wiesbaden Bildnachweis: mwimmerdesign Satz: N & N GdbR | Business & Communication, Mainz Druck und buchbinderische Verarbeitung: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1113-1
Anmerkung des Autors
In diesem Buch will ich eine enge Beziehung zu den Lesern herstellen, die für ihre eigene Karriere profitieren wollen. Denn nur wenn meine Leser, gleichsam wie meine Klienten, offen und ehrlich für ihr Inneres, für ihr Denken und Verhalten sind, werden sie von den dargestellten Erkenntnissen, Empfehlungen und Anweisungen wirklich profitieren. Es geht um Distance Coaching. Ich schreibe deshalb im Du-Stil, spreche DICH als Leser/in persönlich direkt an. Du sollst dich echt getroffen fühlen. Das hat auch damit zu tun, dass Karriereerfolg im privaten wie im beruflichen Leben Beziehungsfähigkeit in deinem Inneren voraussetzt. Das heißt Freude und Lust, sich mit Menschen tatsächlich zu befassen, wenn sie dir wichtig sind. Meine Ansprache ist quasi ein Stück Training für die zentrale Erfolgsformel, auf die so genannte Beziehungsebene als Metaebene der Kommunikation gehen zu können. Freilich setzt das im Beruf nicht das Du voraus. Es ist eine innere Lebenseinstellung. Diese spiegelt sich aber auch im Umgang mit der Ansprache. Menschen, die selbst im engen Kollegen- und Freundeskreis ein Problem damit haben, andere mit dem Vornamen anzusprechen, bewegen sich hauptsächlich auf der Sachebene, haben auch eine sehr distanzierte Einstellung zu ihrer Umgebung, neigen zum Eigenbrödlertum. Dich als Leser beziehe ich in meinen Freundeskreis ein wie die Mitglieder in meinem Talentpool und meine Klienten. Damit differenziere, ja polarisiere ich durchaus, setze Unterschiede zu den vornehmeren Berufskollegen und hebe mich von den Menschen ab, die sich nur auf der diplomatischen, sachlichen, emotionsarmen Ebene sicher fühlen. Bei ihnen steckt meistens Angst dahinter. Nämlich Angst, im Du Schwächen zu offenbaren. Und: Das weibliche Geschlecht möge mir verzeihen, wenn ich bei vermännlichten Umgangswörtern nicht immer auch die weibliche Form mit aufführe. So wie „liebe Leser und Leserinnen“. Das ist mir zu umständlich, um das durchgehend im Buch aufrecht zu erhalten. Das gilt auch für
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Anmerkung des Autors
Begriffe wie „Top Manager“. Sie beziehen beide Geschlechter mit ein, auch wenn ich sie in der männlichen Form lasse. Alle Namen in Fallgeschichten etc. sind Fantasienamen. Sollte einmal ein Bezug zu einer Person hergestellt werden können, ist es eine rein zufällige Namensgleichheit. So weit meine Anmerkungen. Und nun beginnt der Autor seine Sprechstunde als Karriere-Doc mit seinen Diagnosen und Rezepten.
Statt Vorwort – Karriereweg heute
Roadmap für die Karriere Die meisten Talente neigen zur Einstellung „ich kann was, also wird sich die Karriere schon ergeben“ – ein fataler Irrtum. Ohne persönliche Planung und Umsetzung der Karriereabsichten wirst du zum Spielball Anderer. Nur wenn du dich kennst und genau weißt, welcher Beruf und welcher Job dir liegt und was du deshalb lernen musst, kannst du in Verantwortungen hineinsteuern, die dir auch persönliche Lebenserfüllung bringen. Die abgebildete Grafik Roadmap für die Karriere gibt eine Orientierung für das persönliche Karrieremanagement in allen beruflichen Entwicklungsphasen. Entscheider und Professionals aus der Industrie bestätigen die in der Grafik dargestellten Meilensteine als absolut zutreffend für das gegenwärtige und zukünftige Jobszenario. In Kaltenbachs Homepage www.kaltenbachconsulting.de kann die Darstellung als Download vergrößert werden.
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Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach, 2007
Statt Vorwort – Karriereweg heute
Statt Vorwort – Karriereweg heute
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Roadmap – die entscheidenden Stationen 1. Start – die wesentlichen Unterschiede beim Grundtalent Bei Ausbildung und Berufsstart, wie in der gesamten Berufsrennbahn, musst du bewusst auf diejenigen Begabungen im Denken und Verhalten setzen, welche du bei dir als dominant erkennst. So sollte beispielsweise der Entschluss, sich eher in operativen, umsetzenden Aufgaben (z. B. Ingenieur in der Fertigung) als in strategischen, entwicklungsorientierten Aufgaben (z. B. Kaufmann in der Planungsabteilung) zu engagieren aus dem persönlichen Grundtalent ableiten. Diese Selbsterkenntnis ist das Fundament, auf dem du dein ganzes Karrierehaus aufbaust. Du solltest dir also diese Erkenntnis mit Priorität verschaffen. Was prägt dich? Eher logische, rationale oder eher intuitive, emotionale Fähigkeiten? Gehirnwissenschaftlich ausgedrückt: Wirst du eher von der linken Gehirnhälfte (LGH) oder eher von der rechten Gehirnhälfte (RGH) gesteuert? Oder sind deine Begabungen gleich verteilt? Dann liegen dir Aufgaben, die ganzheitlich orientiert sind und Flexibilität verlangen (z. B. als idealer Geschäftsleitungsassistent).
2. YP – Erste Praxis-Pluspunkte für Young Professionals Wenn du als Berufseinsteiger deine Karriere optimal vorbereiten willst, solltest du in den ersten drei bis sechs Berufsjahren, als so genannter YP, nach bestimmten Erfahrungen streben und spezielle Fähigkeiten trainieren. Bringen wir es in eine Kurzformel:
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Statt Vorwort – Karriereweg heute
! Internationale Erfahrungen (Arbeit im Ausland …) + Projektmanagement-Aufgaben (Arbeit und Zusammenarbeit nach geplanten Ergebnissen im Zeitstrahl …) + Erfahrungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation (Teamarbeit, Managementkonferenz …) = beste Karrierevoraussetzungen
3. Entscheidung: Mittelmanagement-Karriere oder Top-Karriere? Auf dem Weg zum Senior Profi solltest du deine „Lust auf Mehr“ gut prüfen! Schweben dir Mittelmanagement-Verantwortung, quasi ein Standardjob (Abteilungsleitung, Projektgruppenverantwortung, Referent in einem Expertengebiet etc.) oder ein Top Job (Vice President, Bereichsleitung, Geschäftsführung, Vorstand, Leitung internationales Business Development etc.) als Karriereziel vor? Für diese Frage ist es wichtig, die Lebenskarriere mit der Berufskarriere zu verbinden! Eine leidenschaftliche Familienorientierung passt nicht zum Zwölf-Stundentag eines Vorstandes.
4. Initiative Initiative ist die Schleuse zum Aufstieg. Du musst dich für Prioritätsprojekte stark machen, und zwar eigeninitiativ, proaktiv statt reaktiv. Wenn du Probleme von unternehmensweiter Bedeutung in deinem Job feststellst, solltest du nicht nur die Problemlösung vorschlagen, sondern auch gleich selbst die Umsetzung in die Hand nehmen. Wenn für Prioritätsprojekte (z. B. Geschäftsaufbau im Ausland, Restrukturierung eines Bereiches, Zukunftstechnologien …) Projektleiter gesucht werden, solltest du sofort zur Stelle sein. „Unternehmer brauchen Unternehmer“. Initiative ist heute ein zentraler Bewertungspunkt bei der Beurteilung von Führungskräften – je weiter oben, desto mehr.
Statt Vorwort – Karriereweg heute
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5. Fähigkeiten für die „Senior Executive Karriere“ Die unverzichtbaren Qualitäten für die „oberen Etagen“ können wir wieder in eine Kurzformel bringen: ! Führungsqualitäten (Menschen stehen hinter einem, ziehen an einem Strang …) + die Fähigkeit Unterschiedliches in einem Bereich zu integrieren (Zielkonsens, Arbeitsteilung …) + persönliche Ausstrahlung, „Personality“ (Motivator, „guter Typ“ …) = beste Voraussetzungen für den Top Job
6. Top Job – Funktion oder General Management? Für die Funktionsleitung (Produktionsleitung, Vertriebsleitung, Logistikleitung …) musst du heute neben dem eigentlich selbstverständlichen Expertentum für die Funktion außerordentlich exzellente Kompetenz zur Steuerung vernetzter Prozesse mitbringen. Denn davon hängt die Effizienz des „Mensch-Maschinen-Systems“ ab. In der General Management Verantwortung (Geschäftsführungsvorsitz, Leitung Geschäftssparte, Leitung Unit …) brauchst du einen guten Schuss Intuition für die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit im komplexen Gesamtsystem. Dazu gehört auch ein sehr gutes Gespür dafür, welche Menschen du für dein näheres Umfeld auswählst (Top Talentscouting). Denn nur mit vertrauensvoller Delegation kannst du die Komplexität der Ereignisse exzellent bewältigen Ideal in jeder Top-Verantwortung ist ein Gehirn, in dem die Talente für Logik wie für Intuition gleich gut ausgeprägt sind. Doch das ist nur etwa 20 Prozent der Menschheit vergönnt.
Inhaltsverzeichnis
Anmerkung des Autors ____________________________________ 5 Statt Vorwort – Karriereweg heute ___________________________ 7 Roadmap für die Karriere _________________________________ 7 Roadmap – die entscheidenden Stationen _____________________ 8 1. Karriere – was ist das? _________________________________ 17 Vorwärtsbewegung _____________________________________ 17 Die gewagte Top-Alternative______________________________ 18 Ernüchternde Zahlen ____________________________________ 22 Schweinezyklus ________________________________________ 24 2. Werde der, der du bist__________________________________ 27 Werde dein eigener Talentscout____________________________ 28 Was Talent ist_______________________________________ Typologien für Talente________________________________ Logik der Talentanalyse_______________________________ Ermittlung des persönlichen Talenttypus__________________
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Dein Talent in der Managementrealität ______________________ 42 Die Sache mit den Schwächen ____________________________ 46 3. Die richtige Startposition _______________________________ 49 Welche Berufe passen am besten?__________________________ 50 Berufsbeispiele nach der Talent-Typologie ________________ 50 Schnellanalyse der Berufsbegabung – populäre Berufe ______ 54
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Inhaltsverzeichnis
Karrierechancen – Trends ________________________________ 57 Berufe – Funktionen _________________________________ 57 Ökonomische und Management-orientierte Berufe__________ 58 Streiflicht Studiengänge_______________________________ 61 4. Jobscouting – Jobhunting _______________________________ 65 Scouting für den richtigen Job_____________________________ 65 Projekt Jobsuche – Schritte ____________________________ 66 Bewerben wie ein Gewinner ______________________________ 70 Grundregeln ________________________________________ Der Lebenslauf _____________________________________ Anonymisierung ____________________________________ Kurzprofil _________________________________________ Bewerbungskommunikation ___________________________ Vorstellungsgespräch – rede nicht zu viel! ________________ Vorstellungsgespräch – Fragen an dich ___________________ Vorstellungsgespräch – deine Fragen ____________________ Das ersehnte zweite Gespräch __________________________ Bewertung von Jobalternativen _________________________
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5. Karrierebeschleuniger _________________________________ 97 Klassische Laufbahnen und Personalentwicklungskonzepte _____ 97 Trends ____________________________________________ 98 Projektmanagement ____________________________________ 101 Grundsätzliches ____________________________________ 101 Projektleitung – Blitzunterweisung _____________________ 102 Persönliche Kommunikationsstrategie _____________________ 106 Landkarte der Kommunikation ________________________ 106 Konstellationen ____________________________________ 109 Networking __________________________________________ 112
Inhaltsverzeichnis
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6. Top-Management-Fähigkeiten __________________________ 119 Leadership-Fähigkeiten _________________________________ 120 Integrationsfähigkeit ___________________________________ 125 Entscheidende Metafähigkeiten___________________________ 126 Intuition __________________________________________ 126 Wachsamkeit für das Umfeld__________________________ 127 7. Personality toppt _____________________________________ 131 Unterschiede setzen____________________________________ 132 Erscheinungsbild ______________________________________ 134 Anziehungskraft ______________________________________ 140 Das magische Dreieck _______________________________ 141 Persönliches Marketing gehört dazu ____________________ 143 8. Wie du Top bleibst ____________________________________ 147 Glücksgefühl bei Top Leistung ___________________________ 148 Verhaltensgefahren abstellen _____________________________ 152 9. Verändere dich, wenn es eng wird _______________________ 157 Unternehmenscheck ___________________________________ 157 Jobcheck ____________________________________________ 160 Anhang – Tools zur Selbstfindung__________________________ 165 Ermittlung deines Grundtalents___________________________ 165 Anleitung zum Fragebogen der persönlichen Denk- und Verhaltensvorlieben ________________________ 165 Profil ____________________________________________ 167 Erklärung Talentprofil – Auswertung ___________________ 168 Berufsbegabung – vertiefende Übersichten__________________ 168 Talentkompass ________________________________________ 172
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Inhaltsverzeichnis
Der operative Aspekt ________________________________ 172 Der strategische Aspekt ______________________________ 174 Was will ich wirklich? __________________________________ 175 Persönliche Werte leben______________________________ 175 Ermittlung meiner höchsten Werte _____________________ 176 Berufs-Identität ____________________________________ 179
1.
Karriere – was ist das?
Wenn du dir Karrierewege heraussuchst, setzt das voraus, dass du dir Gedanken darüber gemacht hast, was du persönlich unter deiner Karriere verstehst. In den Medien werden nur Spitzenkarrieren vorgestellt. Doch das erfolgreiche Bestehen als Fachexperte oder Führungskraft im mittleren Management ist eine gleichermaßen lobenswerte Karriere. Zudem ist Karriere Lebenskarriere. Wenn der Top Manager ausgebrannt und schließlich hoch neurotisch ist, möchte ich das nicht Karriere nennen. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Empfehlung an alle Talente und deren Erzieher, Begabungen zu erkennen und das Beste aus den vorhandenen Anlagen herauszuholen. Inwieweit dann jemand Ehrgeiz dafür entwickelt, über das Normale im Leben hinaus etwas Überdurchschnittliches zu erreichen und auf einem bestimmten Gebiet zur Spitze zu werden, ist eine individuelle Lebensentscheidung. Du, lieber Leser, solltest auf diesem Weg kontinuierlich Bilanz machen, ob ein Lebensgewinn für dich herausspringt, ob du dir deine persönlichen Werte dabei erfüllst. Denn nur dann tankst du dauerhaft genügend Energie, um im Karrierewettbewerb bestehen zu können.
Vorwärtsbewegung Das Wort Karriere bedeutet der Wortabstammung nach Rennbahn, Laufbahn (früher frz. carrière) in Zusammenhang mit der Ursprungsbedeutung „Wagen“ (gall.-lat. carrus) und „rennen, laufen“ (lat. currere), wie man im Duden Herkunftswörterbuch nachlesen kann.
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Karriere – was ist das?
Karriere meint das „Rennen in einer Bahn“, eben erfolgreich, ohne dass du mit deinem Karren aus der Bahn geworfen wirst. Daher kommt auch der Begriff Laufbahn für das Berufsleben.
Die meisten Menschen im Gesellschaftssystem westlicher kapitalistischer Prägung denken beim Wort Karriere an eine berufliche Spitzenposition mit einem Spitzengehalt: Direktor im Wirtschaftsleben. Oder Fußball-Führungsspieler in der ersten Bundesliga. Wir denken also eher an Endpunkte als an den Weg dorthin. Das ist zunächst eine verbreitete Fehlinterpretation der Wortbedeutung. „Er hat Karriere gemacht“, sagt man. Aber was ist, wenn jemand vom Sockel fällt und im Wettbewerb nicht mehr mitmischt? Wenn ein Spitzensportler plötzlich keinen Wettkampf mehr gewinnt, sondern zu den Letzten gehört und schließlich aus dem Rennen ausscheidet? Wenn eine berühmte Schauspielerin keine tragende Rolle mehr bekommt? Wenn ein Abteilungsdirektor abserviert wird und im Bewerbervolk landet? Hat er nun Karriere gemacht? Macht er Karriere? Du merkst: Karriere bedeutet das Vorankommen in einer Laufbahn, in einem Wettbewerb. In jungen Jahren bedeutet das Hineinkommen in eine Bahn schon Karriere. Dann ist das Mithalten, das „Dabeibleiben“ Karriere. Und zum Vorankommen gehören natürlich auch Stationen, Abschnitte. Am Ende der Berufskarriere sollten die Stationen insgesamt eine vorwärts verlaufende Reise verzeichnen. Dann können wir im Resümee urteilen: „Er oder sie hat Karriere gemacht“.
Die gewagte Top-Alternative Freilich gibt es Talente, die über eine normale, gute Karriere hinaus zur Spitze, Elite vorstoßen wollen und dies auch mit aller Macht anstreben. Dies macht sich meistens schon in der Jugend bemerkbar. Eine solcher Ehrgeiz ist weder mit gut noch mit schlecht zu bewerten. Es kommt auf die Verhaltensweisen an. Doch grundsätzlich, liebe Leserin, lieber Leser, überlege dir genau, ob du wirklich die Top-Leader-Karriere verfolgen willst und ob du das auch leisten kannst.
Die gewagte Top-Alternative
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Der Begriff Top im Beruf, vor allem in Verbindung mit Elite, enthält für mich eine große Verantwortung. Das muss nicht an eine Hierarchiestufe in einem Unternehmen gebunden sein. So möchte ich einen Führungsspieler in den Weltligen des Spitzensports zu den Tops zählen. Denn er trägt mit seinem Können wesentlich und ursächlich zu Aufstieg und Niedergang seines Vereins bei. Nicht nur sein erster Vorstand. Freilich beziehen sich die Interpretationen von Top meistens auf die Top-Manager, auf die Führungsetagen in der Wirtschaft oder in Institutionen. Und dieses Buch bezieht sich auch hauptsächlich auf die Jobs und das Management von Unternehmen. Weniger auf Kultur- oder Sportkarrieren, obwohl die persönlichen Erfolgsgesetze die gleichen wie in Managementkarrieren sind. Unter Top im Management verstehe ich allerdings nicht nur die Vorsitzenden der Geschäftsleitung, sondern erstens alle Geschäftsleitungsmitglieder, seien es Vorstände oder Geschäftsführer, die für bestimmte Funktionsbereiche verantwortlich zeichnen. Zweitens beziehe ich auch die Leiter bestimmter Funktions- oder Geschäftsbereiche unterhalb der Geschäftsleitung in größeren Unternehmen in den Sinnbegriff Top oder Top-Management mit ein. Wenn zum Beispiel jemand als Produktionschef für 500 Mitarbeiter in der Produktion eines 3 000- MitarbeiterIndustrieunternehmens Verantwortung trägt, ist er für mich sinngemäß eher ein Top als der Geschäftsführer eines produzierenden Unternehmens mit 20 Mitarbeitern. Ich denke aber grundsätzlich, dass „Top“ nicht immer mit „Karriere“ gleich gesetzt werden kann. Wenn du eine Top-Stellung erreicht hast und dafür in deinem Werdegang alle Kollegen rücksichtslos ausbooten musstest, möchte ich das nicht als Karriere bezeichnen – höchstens als Kriegsführung. Deine psychische Situation ist dann mit Sicherheit stark angeschlagen. Denn wenn du das Selbstwertgefühl anderer konstant ankratzt, leidet zunehmend auch dein eigenes – das ist eine unausweichliche psychologische Gesetzmäßigkeit.
Das kann zu erheblichen neurotischen Verhaltensauffälligkeiten führen. Je nachdem beobachtet man bei solchen „Karrieristen“ extreme Depressionen, Hysterie, übersteigerten Narzissmus, Schizophrenie oder Zwanghaftigkeit größten Ausmaßes. Als beneidenswert kann man das kaum bezeichnen und nicht als Erfolg. Leider gibt es dazu nicht wenige Beispiele unter den so genannten Top-Managern. Woran erfahrene Psycho-
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Karriere – was ist das?
logen und Berater es am ehesten erkennen, sind die Augen als Spiegel der Seele. Denn wenn die Seele eines Menschen ausgetrocknet ist, leuchten seine Augen nicht mehr, der Blick wirkt meist trocken, ausdruckslos, vielleicht sogar stechend, selbst wenn er lacht. So wirkt auch sein Lachen aufgesetzt, gekünstelt. Im Grunde kann man diese Menschen bedauern. Sie stellen das Gegenteil einer Karriere im Sinne von Lebenserfolg dar, auch wenn sie ein paar Millionen € im Jahr als Vergütung ihrer Leistung erhalten. Die positive Variante ehrgeizigen Verhaltens ist der kämpferische Lauf im Wettbewerb, in dem du dein eigenes Talent ausschöpfst, ohne andere Menschen in ihrer eigenen Entwicklung zu behindern. Du bist einfach besser. Das heißt, du bist möglicherweise merklich einfallsreicher, fachkundiger, schneller, zuverlässiger oder mitreißender als deine Mitstreiter.
Was Leute, die Top sein wollen und es auch erreichen, gemeinhin auszeichnet ist ein mutiger, unternehmerischer Geist, mit dem sie all ihre Begabungen ins Rennen werfen. Sie zeigen vor allem Initiative. Bis vor einigen Jahren gab es ja noch die berühmte Karriere durch Ausharren, Aussitzen oder durch einfaches Nichtstun außer „Folgen“. Diese Zeit ist endgültig vorbei, zumindest in der freien Wirtschaft. Denn Leistung ist in den modernen Systemen prüfbar geworden. So kann es sich kein Chef mehr erlauben, selbst keine Leistung zu erbringen. Und deshalb kann er logischerweise Mitarbeiter ohne Leistung nicht mehr schützen. Ohne deren Leistung gäbe es keine Leistung bei ihm selbst. Das war in Zeiten der „klassischen Direktoren“ anders. Rein durch Beziehungen nach oben geschleudert, kapselten sich manche „Herren Direktoren“ oder „Herren Generalbevollmächtigte“ in ihren riesigen Büros ab. Gruppensitzungen waren ein Fremdwort. Das einzige Meeting war die Postbesprechung mit Untergebenen. Ansonsten fanden einige Getreue Zugang in den heiligen Raum des Chefs. Sie schützten ihren Chef und fanden Schutz durch ihn. Produktivität wurde von der Masse der unteren Angestellten und Arbeiter erbracht. Karriere war nur möglich durch besondere Beziehungen oder durch Warten und Dulden – das ist vorbei. Selbst in der öffentlichen Administration, in Parteiapparaten und Ministerialbürokratien ist die Welt transparenter geworden. Untalentierte, die durch Beziehungen hochgezogen wurden, werden erkannt und öffentlich von den Medien zerfetzt.
Die gewagte Top-Alternative
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! Top kannst du heute nie mehr werden, wenn du nur in die Fußstapfen anderer trittst. Du musst selbst neue Wege gehen können, also eigene erste Fußstapfen setzen. Warum? Die Märkte, der Wettbewerb sind so ausgereizt, dass Unterschiede in Produkten und Dienstleistungen, in Preisen und Qualitäten nur möglich werden, wenn sich jemand etwas Neues einfallen lässt. Das mag ein geändertes Verfahren betreffen, mit dem billiger produziert wird, oder neue Eigenschaften eines Produktes, welche zur Nachfragesteigerung führen. Wenn du also in einem Unternehmen Erfolg haben willst, musst du zwangsläufig ein schöpferischer Geist sein. Aber nicht nur das, sondern auch ein Unternehmergeist, der seine Einfälle mit all seiner Energie durchsetzt, Kollegen dafür begeistert, Chefs gefügig macht und schließlich auch das Geld für seine Initiativen genehmigt bekommt. Alles in allem musst du Erfinder und Kommunikationskünstler sein. Erstens, um in den Teams Verbesserungsideen zu generieren. Zweitens, um diese dann in allen Etagen und Bereichen zu verkaufen. Wenn du dann auf solche Weise eine natürliche Autorität und schließlich Top geworden bist, kannst du nur durch Kommunikation das Vertrauen deiner Teams und so deine Macht erhalten – in der Rennbahn bleiben. Das gilt auch für den Fall, in dem du als Inhaber Unternehmer im engeren Sinne bist. Doch wie oben ausgeführt ist Top nicht die natürliche Karriere und auch nicht die familienfreundliche. Ganz nach oben zu streben erfordert, fast täglich 100 Prozent zu bringen. Das gelingt dir nicht ein ganzes Berufsleben lang. Somit ist das Top-Sein ganz schön „gefährlich“. Denn wenn du nur 80 Prozent bringst, ziehen plötzlich andere mit 100 Prozent vorbei. Wenn du zu diesem Zeitpunkt materiell abgesichert bist, kannst du ruhig zusehen. Wenn nicht, kannst du in bedrohliche finanzielle und soziale Schieflagen geraten.
Die Top-Chance ist selten und bleibt meist Illusion. Die Karrierewirklichkeit vollzieht sich in den breiteren Hierarchieebenen. Das ist anstrengend genug und reicht vollkommen aus, um ausgebrannt zu werden. „Burn-out“ ist allerdings meistens eine Folge von Fremdbestimmung. Wenn du beispielsweise in deiner Arbeit nicht dein eigenes, dominantes Talent einsetzt, sondern Eigenschaften brauchst, die dir persönlich weni-
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Karriere – was ist das?
ger liegen, dann arbeitest du bereits für absolut durchschnittliche Ergebnisse an der Grenze deiner Energie. Kannst du dagegen in deinem Job dein „Selbst“, dein Grundtalent einsetzen, bist du bei normaler Anstrengung bereits überdurchschnittlich produktiv. Die erfolgreichsten Führungspersönlichkeiten sind nachweislich ein Beispiel für dieses Gesetz. Sie haben ganz oben noch Atem, weil sie mit ihren persönlichen Stärken arbeiten – und stets sie selbst bleiben, niemandem nachäffen. ! Das Ausspielen deines Talentes ist die magische Kraft in deiner Karriere. Deshalb musst du dich damit als erstes und in erster Linie beschäftigen.
Ernüchternde Zahlen Die Assoziation von Karriere mit hoch bezahlten Top-Managern ist recht naiv. Es gibt in Deutschland rund 57.000 Unternehmen mit 50 und mehr Beschäftigten. Davon 10.200 Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten. Erst in mittleren und größeren Unternehmen, also ab ca. 250 Mitarbeitenden, werden solche Positionen normalerweise mit über 200.000 Euro im Jahr dotiert, was als Spitzengehalt gilt (Blickpunkt 2007). Die Zahl der Tops, im Sinne von Vorsitzenden der Geschäftsleitung mit einem Spitzengehalt, beschränkt sich somit auf 10.200 Personen inklusive Unternehmer als Vorsitzende.
Dies gegenüber rund 39 Millionen Erwerbstätigen – darunter 5,4 Millionen mit Hochschulabschluss (Fachhochschule und Universität). Also gibt es die „Traumkarriere“ des Unternehmenschefs potenziell nur für 0,19 Prozent der dafür vermeintlich Prädestinierten.
In Wirklichkeit aber für wesentlich weniger. Denn wir müssen die NichtAkademiker in solchen Top-Positionen mit einbeziehen – deren Anteil ist zwar sinkend, doch immer noch erheblich.
Ernüchternde Zahlen
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Beziehen wir alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden in die Betrachtung ein, so kommen wir auf 57.000 Unternehmensführer. Das wäre theoretisch ein Prozent der Akademiker.
Von anderer Seite beleuchtet: Die durchschnittlichen Jahres-Einstiegsgehälter der Hochschulabsolventen in der Wirtschaft betrugen 2007 rund 40.000 Euro (IG Metall). Mit 40 Jahren erreichen die Akademiker – dann meist Führungskräfte oder Experten – mehrheitlich um die 80.000 Euro im Jahr, wenn sie in der Rennbahn bestehen. Knapp die Hälfte aller Führungskräfte bewegt sich zwischen 50.000 Euro und 100.000 Euro, befindet Kienbaum 2006, Seniors ebenso wie Young Professionals. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst der gewerblich Angestellten beträgt rund 3.500 Euro (Blickpunkt 2006). Von Deutschlands rund 39 Millionen Haushalten verzeichnen rund 28 Millionen, also 71,5 Prozent, ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 2.600 Euro. 12,3 Millionen Haushalte erreichen tatsächlich nicht einmal 1.300 Euro!
Der Mensch bzw. unser Gehirn kann nur über Vergleiche lernen. Bei solchen Zahlen der Realität relativierst du deine Karrierevorstellung schnell. Die Karriere-Klischees in den Medien wie die überflotten Figuren im dunklen Anzug, die mit Managerkoffer bewaffnet die Karrieretreppe mit Riesenschritten hinaufeilen, trüben den Blick für die globale Wirklichkeit. Lieber Leser, mach dich also frei von zwanghaften Karrierevorstellungen. Es muss weder das Riesengehalt noch die höchste Hierarchiestufe sein. Wichtig ist der dauerhafte berufliche Erfolg gepaart mit Selbstverwirklichung. So kann der 60-jährige Fachexperte mit einem Brutto-Jahresgehalt von 100.000 Euro eine prima Karriere darstellen. Er tat stets das, was ihm lag. Die Frau ist ihm noch nicht davongelaufen. Und über Hobbys, vor allem für seinen Ruhestand, kann er sich auch nicht beklagen.
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Karriere – was ist das?
! Die Lebenserfüllung, die Lebensfreude macht die echte Karriere aus. Natürlich gehört das Geld dazu. Aber nur so viel, dass du dich dafür nicht verbiegen musst.
Schweinezyklus Die Jobchancen sind für jeden qualifiziert ausgebildeten Menschen zurzeit brillant. Firmen, die vor geraumer Zeit zig tausend Mitarbeiter abgebaut haben, stellen plötzlich wieder hektisch ein. Die Vakanzen schnellen in die Höhe. Drastisch vor allem im Ingenieurerbereich. Ca. 70.000 Stellen waren 2007 unbesetzt. 100.000 Vakanzen werden für 2008 erwartet (VDI). Aber auch Nichtakademiker mit guter Ausbildung, beispielsweise gelernte Kaufleute oder Techniker, haben wieder gute Chancen. In Vertriebs-Jobs, sei es im Innen- oder Außendienst, gibt es eine Inflation von Offerten. Genauso wie im produzierenden Gewerbe für Gesellen und Meister. Die meisten Einsteiger oder Umsteiger lassen sich so recht schnell auf attraktive Angebote ein. Vordergründigen Fakten wie gutes Gehalt, der Firma geht es sehr gut usw. holen das Talent in das Unternehmen. Und wer der vielen Bewerber ist schon gelernter Ökonom, sodass er ein paar ökonomische Takte weiter denkt? Deshalb möchte ich euch, werte Leser, hier gleich auf ein fundamentales Gesetz aufmerksam machen. Der Mitbegründer der modernen Volkswirtschaftslehre Paul A. Samuelson hat das u. a. am Beispiel der Schweinezüchtung erklärt. Dies ist eine Metapher für die Konjunkturzyklen in den Märkten: Wenn aus irgendeinem Grund die Nachfrage nach Schweinefleisch (man denke nur an den „Rinderwahnsinn“) steigt und somit größer als das Angebot wird, weil die Züchter keine Schweine mehr verfügbar haben, so steigt der Preis für Schweine und Schweinefleisch. Unsere pfiffigen Schweinezüchter denken „klasse“ und züchten zunehmend mehr Tiere. Sie wollen mit den attraktiven Preisen ihre „Kohle“ machen. Wenn aber die Regale in der Fleischabteilung der Supermärkte mit Schweinefleischprodukten vollgestopft sind und die Speisekarte in den Wirtshäusern nur noch aus Schweinefleisch besteht, vergeht den Verbrauchern allmählich
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der Appetit. Die Nachfrage nach Schweinefleisch lässt nach. Das schlägt zurück bis zum Züchter. Der bekommt seine Schweinchen nicht mehr los. Also geht er mit den Preisen zurück, um wenigstens noch ein bisschen Geschäft zu machen. Und er drosselt natürlich seinen Schweinebestand, um den Verlust zu begrenzen. Wenn das Angebot zu knapp wird, steigen wieder die Preise und unser Züchter legt sich wieder ins Zeug, bis es wieder zu einem Überangebot kommt usw. Wenn du jetzt denkst: „Und was hat das mit meinem Job zu tun?“, denkst du nicht weit genug. Auf die industrielle Wirtschaft übertragen entspricht der Schweinezüchter zum Beispiel dem Hersteller von Maschinen zur Autoproduktion. Wenn die Nachfrage nach Autos steigt, brummt schließlich der Maschinenbau. Diese Unternehmer verkürzen ihre Produktionszeiten, erhöhen ihre Kapazitäten, setzen die Preise hoch, um den möglichen Reibach mitzunehmen. Sättigt sich der Autoabsatz wieder, bleiben die Maschinenbauer auf ihren Fertigungskapazitäten sitzen. Sie machen zunächst einiges über Preissenkungen wett. Aber dann schränken sie die Produktionskapazitäten wieder ein. Dieser Zyklus wirkt sich in einen Zyklus des Einstellens und Abbaus von tausenden von Mitarbeitern aus. Das konntest du in den vergangenen Jahren gut verfolgen. Gegenwärtig wandern wir auf die nächste Spitze zu. Was aber kannst du tun, um deinem eigenen Abbau vorzubeugen? Wenn du einen Job suchst, solltest du a) dir Branchen heraussuchen, die weniger anfällig für Verbrauchsschwankungen und Moden sind und b) Branchen meiden, die sich gerade am Höhepunkt oder schon im Rückgang ihrer Geschäfte befinden.
Sehr zyklusempfindlich sind Massenmärkte, Märkte für Standardprodukte in großen Stückzahlen, zum Beispiel Nahrungs- und Genussmittel, Modeartikel, Gastronomie, Kosmetik, Massenmedien, Geräte für den täglichen Bedarf …, also alles, was am persönlichen täglichen Konsum hängt.
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Karriere – was ist das?
Weniger zyklusempfindlich sind Märkte, die mit Intelligenz, Gesundheit und Fortschritt zu tun haben. Zum Beispiel Informationstechnologie, Fitness, Hightech-Elektrotechnik für Innovation, erneuerbare Energien … ! Königsweg: Such dir Jobs in Branchen, die wenig zyklusempfindlich sind und langfristig eher wachsen als schrumpfen.
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Werde der, der du bist
Ein geflügeltes Wort unter Managementprofis lautet: ! Was ich nicht bin, kann ich nicht zum Geschäft machen. Dein Job ist dein Geschäft, dein „Business“. Wenn du einen Job ausübst, zu dem deine persönlichen Stärken und deine persönlichen Werthaltungen nicht passen, kannst du nur schlechte Geschäfte machen. Es ist schon manchmal unglaublich, wie sich Talente in ihren Bewerbungsabsichten verhauen. Zwei Beispiele Job-Suchender Young Professionals, denen ich helfen sollte, weil sie keinen Erfolg mit ihren Bewerbungen hatten: So Diplom-Ingenieur Hans, ein ausgesprochener Kopfmensch, absolut ernster, distanzierter Typ. Ein Ass für Problemlösungen in der Auftragskonstruktion. Er ließ sich nach einer vierjährigen Startkarriere als Werkzeugmaschinen-Projektingenieur auf Vorstellungsgespräche für leitende Jobs im Verkauf von technischen Markenprodukten ein. Das hielt er für spannender als Maschinenbau. Und er meinte, seine Erfahrung als Projektingenieur mit Kunden befähige ihn für „sales“. Wieso er sich für Verkauf bewerbe, wenn er keinerlei Emotionen zeige, fragten ihn die Interviewer im Bewerbungsgespräch. Das konnte Hans aber überhaupt nicht verstehen. „Verkauf kann man doch auch mit sauberer Planung managen“, meinte er bei der Nachlese des Gespräches. Nur mit Hardcore-Enttrübungsarbeit konnte ich ihn davor bewahren, sich wieder für einen Verkaufs-Job zu bewerben. In seinem Weltbild gibt es nur Fakten. Er begriff letztlich, dass im Verkauf, also in der Gestaltung von Kundenbeziehungen, selbst wenn es um technische Güter geht, andere Talente – zwischenmenschliche – zählen als die Begabung für Analyse und Logik. Er sah ein, dass er da nie exzellent werden kann. Er übernahm schließlich eine Projektleiter-Stelle in seinem Unternehmen – eine gute Fortsetzung seiner Karriere.
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Werde der, der du bist
Umgekehrt der Bauchmensch und „Hands-on-Typ“ Armin. Ein rühriger Diplom-Kaufmann mit hervorragendem Abschluss und sehr gutem Zeugnis für seine ersten beiden Berufsjahre als Geschäftsführungsassistent. Eine seiner Hauptaufgaben war die Betreuung von Prioritätskunden für seinen Chef. Das liegt Armin, da er für den zwischenmenschlichen Umgang sehr talentiert ist. Doch Armin bewarb sich nun für einen Teamführungs-Job im Controlling um des schnellen Aufstiegs willen. Zahlen und deren Interpretation sind in einem solchen Job sehr wichtig. Die Fähigkeit, mit menschlichen Beziehungen umzugehen, dagegen weniger. Natürlich verlief sein Vorstellungsgespräch erfolglos. Als ich mit ihm in der Aufarbeitung schließlich den Film seiner Jugend ablaufen ließ, gewann er ein gewisses Einsehen. Sein Vater, Jurist, ist ein knallharter Faktenmensch. In der Erziehung von Armin dominierte der Vater mit seiner rationalen Weltanschauung. Armin übernahm dieses Verhaltensmuster in der fälschlichen Annahme, dass dies auch sein Erfolgsweg sei. Seine Begabung, Sympathien von Menschen zu gewinnen, hatte er nie wahrgenommen und auch nicht für wichtig gehalten. Erst in der Talentanalyse wurde ihm dies als außerordentliche Fähigkeit bewusst. Er nahm schließlich einen Job als Key Account Manager an. Da passen seine Erfahrung als „GFAssi“ und sein Beziehungstalent zusammen.
Werde dein eigener Talentscout Die ganze Welt redet von Talenten. Die internationale Managementwelt diskutiert den „War for Talents“, da exzellente Qualitäten in der Wirtschaft rar geworden sind – allen voran fehlen talentierte Ingenieure. Aber Aufklärung, Schulung und auch Wissenschaften zum Thema Talent bleiben bislang Stiefkinder der Bildungsanstrengungen. Eine der Ursachen liegt darin, dass lange Zeit in den Sozialwissenschaften an die Entstehung von Talent als Produkt des Sozialisationsprozesses geglaubt wurde. Familie, Erziehung, Kindergarten, Schule, berufliches Umfeld würden uns prägen. So kam es zu dem noch heute weit verbreiteten Irrtum, Talent entwickle sich halt so im Laufe des Werdegangs. Heute kennen wir naturwissenschaftliche Tatsachen, Ergebnisse medizinischer, genetischer, biopsychologischer Forschungen besser: unsere Talentstruktur ist nach
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heutiger Erkenntnis überwiegend genetisch bedingt. So wie unsere 100 Milliarden Neuronen nach der Geburt in ihrer Vernetzung ticken. Und das hat weder mit Erziehung noch mit Wissen zu tun. Nur die Nutzung oder Verkümmerung der Begabungen unterliegen äußeren Einflüssen.
Was Talent ist Talent ist unsere angeborene Grundstärke, unsere individuelle Veranlagung für Denken, Verhalten und körperliche Leistung. Das Talent des individuellen Menschen bleibt in seinem gesamten Leben stets das gleiche Talent, egal womit er sich beschäftigt. Wenn wir alles vergessen würden, was wir gelernt haben, bliebe uns unser Talent. Talent als Veranlagung hat man, wie man kurze oder lange Beine hat. Wir können unser Talent, so wie wir es kennen, nutzen und trainieren – oder verkümmern lassen.
In diesem Sinne hatte Marcus Buckingham als führende Persönlichkeit der Gallup Organisation das Wesen von Talent erstmals auch management-empirisch begründet und definiert (Langzeitstudie des Instituts, Interviews mit mehr als 80.000 Managern – Buch: „FIRST, BREAK ALL THE RULES“, Simon & Schusters UK Ltd., 1999 – deutsch 2001 bei Campus: „Entdecken Sie Ihre Stärken Jetzt!“): !
„Talent ist jedes nachhaltige Denk-, Gefühls- oder Verhaltensmuster, das produktiv eingesetzt werden kann.“
Du fragst dich vielleicht, „… und was hat das jetzt mit dem talentierten Ingenieur oder Verkäufer zu tun?“ Wenn ein Mensch nicht gerne rechnet, taugt er kaum zum Ingenieur. Rechnen, in Zahlen denken, ist eine Denkart. Der Ingenieur braucht das Talent zum Rechnen, Prüfen, Konstruieren etc. Wenn ein Mensch eher in sich gekehrt ist und nicht gerne kommuniziert, taugt er kaum zum Verkäufer. Man spricht nicht umsonst vom „geborenen Verkäufer“. Dieser hat das Talent, auf andere Leute einzugehen. Das ist ein bestimmtes Verhaltensmuster, das zum Grundcharakter einer Person gehört.
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Selbstverständlich? Dann schau dich um, wie viele den Ingenieurs- oder Verkaufsberuf ausüben – und zwar schlecht, sodass sie in unteren Aufgaben hängen bleiben und unglücklich sind. Oder sie schaffen sogar eine gewisse Karriere, aber auf Kosten ihrer Gesundheit, weil sie sich ständig überfordern. Der schlechte Verkäufer wäre vielleicht ein exzellenter Ingenieur und umgekehrt.
Typologien für Talente C. G. Jung Bereits der international anerkannte Mentor der Typologie von Menschen, Carl Gustav Jung („Analytische Psychologie“, 1875 in der Schweiz geboren, gestorben 1961) hatte Talent gemäß obiger Definition verstanden. Jung ist bekanntlich neben Sigmund Freud („Psychoanalyse“) und Alfred Adler („Individualpsychologie“) Begründer der Psychiatrie. Seine Lehre von den „Psychologischen Typen“ legt bis heute die Basis für eine signifikante, grundlegende Charakterisierung der vier Grundtypen, analog Talenttypen, auf die wir noch intensiv eingehen werden. Denn Talent ist der alles bestimmende Faktor für eine lebenswerte Karriere. Es handelt sich um eine abgrenzbare Veranlagung im Denken und Verhalten, mit feststellbaren und beobachtbaren Merkmalen. Menschen führen laut Jung ihre psychologische Energie hauptsächlich den ihnen eigenen Veranlagungen zu, ziehen sie also von den weniger ausgeprägten Talentbereichen ab – ein unbewusster Vorgang. Jung unterscheidet vier psychologische Grundfunktionen:
Das Denken – Orientierung an objektiven Daten Das Empfinden – sinnliche Bindung an Objekte Das Fühlen – Stimmungen oder Gefühlslagen herstellen Die Intuition – unbewusste Wahrnehmung
Wenn bei einem Menschen bestimmte Grundfunktionen dominieren, macht sich das in typischen Denk- und Verhaltensweisen bemerkbar. Somit gelangen wir zur psychologischen Typologie der Menschen. Entsprechend beschreibt Jung vier Typen. Es folgt eine eigenes Resümee aus C. G. Jungs Werken zur menschlichen Typologie:
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Der Denktypus – bringt seine gesamten Lebensleistungen in die Ab-
hängigkeit von intellektuellen Schlüssen. Der Empfindungstypus – extremer Realist mit hoch entwickeltem
Tatsachensinn, sucht Erfahrung am konkreten Objekt. Der Fühltypus – lebt nach der Richtschnur seines Gefühls und be-
wertet danach. Der intuitive Typus – immer auf der Suche nach neuen Möglichkei-
ten, für die er Visionen aufbaut. Jungs Bezeichnung „Empfindungstypus“ ist in unserem heutigen allgemeinen Sprachgebrauch missverständlich. Der feine Unterschied, den Therapeuten zwischen Empfinden und Fühlen machen, entzieht sich dem Wortverständnis der Nicht-Psychologen. Deshalb verwende ich für die Talentanalyse den Begriff Empfinden nicht. Und es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die vier Typen nie in Reinkultur vorkommen. Jeder Mensch hat von allen etwas. Aber nicht selten begegnen uns Menschen, die in Bezug auf eine der Grundfunktionen erstaunlich typisch sind. Laut meinen eigenen Untersuchungen sind in der überwiegenden Mehrheit der Fälle immer zwei Hauptrichtungen vertreten. Zwei Denk- und Verhaltensrichtungen (analog der Jung’schen Funktionen), in denen Menschen teils bewusst, teils unbewusst leben. Ich nenne das Welten, in denen sich bestimmte Typen oder Talente bewegen. C. G. Jungs Interpretation von typischen Talentgruppierungen (zusammengefasst siehe C. G. Jung, Psychologische Typen, Walter, 1995) findet sich in allen gegenwärtig praktizierten seriösen und verbreiteten Modellen wieder bzw. wird dort bestätigt – teils mit Angabe der Quelle C. G. Jung, teils als Plagiat. Ned Herrmann – HDI Ned Herrmann entwickelte das Herrmann Dominanz Instrument, HDI bzw. aktuell HBDI (Herrmann Brain Dominanz Instrument) genannt. Er verprobte mit seinen Teams gehirnphysiologische Testergebnisse mit Befragungs- und Beobachtungsergebnissen sowie Workshop-Experimenten. So kam er auf eine Einteilung und Strukturierung von unterscheidbaren Persönlichkeitsmerkmalen im Denken und Verhalten. Analog zu den wissenschaftlich unterscheidbaren Gehirnhemisphären (Großhirn, limbisches System, rechte und linke Gehirnhälfte) entstand eine Typologie, die heute als Wirklichkeit gelten kann. Sie ist nachweisbar repräsentativ
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für die globale Bevölkerung. Und nicht zufällig ist diese Typologie nahezu identisch mit der von C. G. Jung, obwohl auf ganz anderen Wegen erarbeitet. Ned Herrmann hat sein Konzept einschließlich seines AnalyseFragebogens zur Ermittlung des persönlichen Profils in den 80er-Jahren zur Reife gebracht. In Deutschland hatte Roland Spinola dieses Konzept und seine Anwendung verbreitet. Das „Herrmann Konzept“ wird heute international vom Herrmann International Institut (www.hbdi.com) weitergeführt. MBTI Das „Konkurrenzmodell“ zu Ned Herrmanns Schöpfung ist der MyersBriggs-Type-Indicator, kurz MBTI, von Katherine Cook Briggs und Isabel Myers nach C. G. Jungs Werk in Zeiten des zweiten Weltkriegs entwickelt. Der MBIT ist relativ komplex in seinen Fragekriterien und ohne Coaching-Hilfe für die Selbsteinschätzung des eigenen Talents und die Konsequenzen für das Selbstmanagement praktisch nicht anwendbar. Außerdem lässt sich eine Unterscheidung von 16 Typen nicht im Langzeitgedächtnis speichern und darum auch nicht zu Rate ziehen, wenn man einmal in einer bestimmten Situation darauf zugreifen will. DISG Gegenwärtig wird für Talentanalysen in der Trainer- und Personalentwicklungsszene oft das DISG-Modell verwendet (William Marston und John Geier). Auch dieses Analysemodell lässt sich in der Substanz auf die Typologie von C. G. Jung reduzieren. Inflation von Analysen und Tests Über die genannten verbreiteten Modelle hinaus gibt es heute eine wahre Inflation von Analysemodellen, mit welchen man angeblich das Profil der „Persönlichkeit“, der „Soft Skills“, der „Stärken“, der „Talente“ etc. ermitteln kann – meist unsinniger- und fälschlicherweise „Persönlichkeitstests“ genannt. Das geht von Online-Fragebatterien, für die man bald eine Stunde zum Ausfüllen braucht, bis hin zu Computerspielen für Online-Assessments von Bewerbern. Bestimmt keine nachvollziehbare Methode, mit der ein normaler, intelligenter Mensch sich etwas mehr
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Bewusstsein über seine Talente verschaffen kann. Vor allem ist bedenklich, dass die wissenschaftlich-logische Erklärung für die Fragenkomplexe der meisten Tests fehlt bzw. nicht gegeben wird. Viele Möchtegern-Coaches konstruieren Profilanalysen, stellen diese mit fantasievollen Markennamen in ihre Website und gehen damit in der Akquisition für Managementtrainings hausieren. Es ist keine Kunst, Charaktereigenschaften von Menschen kreativ zu formulieren und aufzulisten, um dieselben dann zu befragen, was ihrer Meinung nach wohl am ehesten auf sie zutrifft. Es ist auch keine Kunst, solche Eigenschaften danach zu bündeln, wie sie am besten zusammenpassen, um daraus einen Typ von Menschen zu schneidern. „Ah, ja ich bin der Kämpfer“ oder „Genau, ich bin der Unternehmertyp“ oder „Stimmt, ich bin eine kreative Natur“ … bestätigen dann die Befragten nach der Auswertung und finden diese Analyse sehr zutreffend. Kein Wunder, da der überwiegende Teil der Berufstätigen im Leben nie mit Psychologie konfrontiert wurde und eine Beschreibung seines vermeintlich eigenen Typs meist als sehr wohltuend empfindet. Schließlich kommt ja das heraus, was als eigene Sichtweise hineingelegt worden ist. So eine Bestätigung tut jedem erstmal gut. Die Frage bleibt jeweils, was du aus der Einstufung machst. Und spätestens hier versagen fast alle diese pfiffig konstruierten Profilmodelle. Denn Konsequenzen kann man nur ableiten, wenn eine Profilanalyse auf der wissenschaftlich bestätigten Psychologie des Menschen basiert. Unser Denken und Verhalten steht in einem Gesamtzusammenhang unserer Natur. Dieser enthält eine bestimmte Logik, mit der wir uns im Folgenden näher befassen.
Logik der Talentanalyse Mein eigenes typologisches Konzept, die Grundlage für das Kaltenbach Talent-Labor, basiert auf C. G. Jung und Ned Herrmann. Ich verzichte wie auch Ned Herrmann auf die Jung’schen Metakategorien „extrovertiert“ und „introvertiert“. Denn diese Kategorien sind auch lebenssituationsabhängig und somit als Typ-Kriterien nicht stabil. So hat es C. G. Jung in seinen späteren Veröffentlichungen vermerkt, hat extro und intro als therapeutische Erkenntnisobjekte gegenüber seinen vier Grundtypen als neutral bzw. eigenständig benannt.
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Zusammengefasst unterscheide ich wie Jung und Herrmann vier Grundtalente, man könnte auch sagen Stärken. Das sind Gruppierungen von feststellbaren menschlichen Fähigkeiten im Denken und Verhalten. Herrmann war der Erste, der diese Fähigkeiten in eine Analogie zu unserem Gehirn gebracht und daraus ein Modell zur Talentanalyse entwickelt hat. Die Grundlage dazu bilden die vier folgenden Tatsachen: 1. Denken können wir der Leistung unseres Großhirns zurechnen, dem Neokortex. Dort spielen sich die Prozesse ab, wenn wir rechnen, analysieren, vorausdenken, Konzepte entwickeln und uns Gedanken für die Zukunft machen etc. Volkstümlich, nennen wir Menschen, die vom Großhirn dominiert werden, Kopfmenschen. 2. Verhalten wird eher vom Stamm- und Zwischenhirn, vom Limbischen System gesteuert. Dort treten unsere Synapsen hauptsächlich in Aktion, wenn wir emotional berührt werden, Natur empfinden, uns in traditionellen Bräuchen ergehen, Sympathien oder Antipathien unter Menschen spüren etc. Menschen, die davon dominiert werden, nennen wir Bauchmenschen. Eine weitere harte Erkenntnis der Hirnforschung ist die Unterscheidung von linker und rechter Gehirnhälfte – das Gehirn von hinten betrachtet. Dort laufen jeweils typische Funktionen ab: 3. Die rechte Gehirnhälfte verleiht uns die Fähigkeit zur Intuition, zur Fantasie, zum Fühlen etc. Dort sind im Prinzip die Fähigkeiten außerhalb des rationalen Bereiches angesiedelt. 4. In der linken Gehirnhälfte entspringen hauptsächlich die Energien für das Rationale. Dort untersuchen wir Tatsachen, bringen die Dinge in Ordnung, gehen wir wissenschaftlich vor etc. Mit diesen vier Tatsachen kommt Herrmann zu einem Quadrantenmodell als Metapher von vier Gehirnbereichen, in die jeweils typische Fähigkeiten eingeordnet werden:
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A Großhirn links
D Großhirn rechts
B Limbisches System links
C Limbisches System rechts
Herrmann ordnet diesen Quadranten Eigenschaften zu wie: A Faktenbetonung logisch, analytisch, rational
D Fantasiebetonung einfallsreich, intuitiv, bildhaftes Denken
B Formbetonung organisiert, strukturiert, kontrolliert
C Gefühlsbetonung zwischenmenschlich, emotional, mitteilsam
Die Jung’sche Typologie lässt sich entsprechend einordnen (wobei, wie oben erwähnt, der Originalbegriff Empfindungstypus im heutigen Sprachgebrauch missverständlich ist): A Der Denktypus – bringt seine gesamten Lebensleistungen in die Abhängigkeit von intellektuellen Schlüssen.
D Der intuitive Typus – immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, für die er Visionen aufbaut.
B Der Empfindungstypus – extremer Realist, hoch entwickelter Tatsachensinn, sucht Erfahrung am konkreten Objekt.
C Der Fühltypus – lebt nach der Richtschnur seines Gefühls und bewertet danach.
Mit meinem eigenen Modell zur Ermittlung des persönlichen Talenttypus (nächster Abschnitt) schließe ich mich an die beschriebene Logik und Typologie an.
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A Ich bin die Logik Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt
D Ich bin die Fantasie Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt
Ermittlung des persönlichen Talenttypus Wichtig ist nun, dass wir uns als Individuen einschätzen können, dass wir ermitteln können, welcher der vier Aspekte bei unserem Denken und Verhalten wie weit bestimmend ist bzw. von uns bevorzugt wird. Die metrische Skala im nachstehenden Schema dient dem Eintrag des entsprechenden Profils. Danach folgt gleich ein Anschauungsbeispiel, wie schließlich ein Talentprofil nach der Auswertung eines Fragebogens (siehe Anhang) aus dem Kaltenbach Talent-Labor aussehen kann.
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Talentprofilschema aus dem Kaltenbach Talent-Labor
Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12
9
6
3
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
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Kaltenbach Talent-Labor Modul 02
NN 0607 Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12
9 Eigenbild Stärken
6
3
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
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Seite 38 zeigt das Profil eines meiner Ingenieur-Klienten. Sein gesamtes Denken und Verhalten ist streng logisch ausgerichtet, was der starke Trend des Profils in Richtung A = „Ich bin die Logik“ wiedergibt. Eine Neigung, eine Dominanz, die übrigens bei den meisten talentierten Ingenieuren festzustellen ist. Wenn du die Eigenschaften in den jeweiligen Quadranten liest, bekommst du wahrscheinlich schon ein Gefühl für die Richtungen, in die deine Begabungen zielen: Denke dir die Zone 3 bis unter 6 als „weniger meine Welt“, die Zone 6 bis unter 9 als „kann ich mich wiederfinden“ und die Zone 9 bis 12 als „echt meine Welt“. Markiere die ungefähren Ausprägungen als Punkte auf den Diagonalen und verbinde diese zu deinem „mal so empfundenen“ Profil. Zur objektiveren Ermittlung dieser individuellen Dominanzen habe ich Fragebatterien entwickelt, die seit Jahren absolut signifikant zu Talentprofilen meiner Talentpoolmitglieder führen. Signifikant deshalb, weil die Klienten sich darin in ihrer bisherigen Vita erkennen und auch von ihren Partnern so erkannt werden. Liebe Leser, im Anhang gebe ich euch Gelegenheit, diese Profilermittlung grob – aber stimmig – nachzuvollziehen. Grob deshalb, weil ich in den persönlichen Analysen noch Kriterien zu Rate ziehe, deren Anwendung sich nicht ohne persönliche Beratung vertreten lässt. Eine gewisse Annäherung vorab ist durch die nachstehende „überschlägige Selbstanalyse“ möglich. Du brauchst nur in jeder Eigenschaftszeile die Bewertungssymbole trifft absolut zu: ++ / trifft schon zu: + / trifft weniger zu: 0 mit 3 / 2 / 1 zu quantifizieren und kannst dann durch Addition der Summen von A / B / C / D = 100 Prozent zu den Prozentsätzen gelangen, mit denen du als Typ in A / B / C / D vertreten bist. Geh in dich. Überlege, wie weit du dich in Bezug auf das Ergebnis bislang selbst verwirklicht hast, inwieweit es zu deinen Berufsplänen passt. Die folgenden Seiten und Kapitel 3 mit konkreten Berufsangaben helfen dir dabei.
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Überschlägige Selbstanalyse I Typ
Selbsteinschätzung – Merkmale
Ausprägung ++
A Ich bin die Logik
+
% Verteilung (ca.)
?
1. Logisch 2. Analytisch 3. Faktenorientiert 4. Wissenschaftlich 5. Kritisch 6. Technisches Verständnis 7. Finanzielles Verständnis 8. Rational 9. Quantitativ 10. Mathematisch 11. Konzentriert % A:
B Ich bin die Zuverlässigkeit
1. Kontrolliert 2. Ordnungsbetont 3. Zuverlässig 4. Korrekt 5. Sicherheitsorientiert 6. Organisiert 7. Traditionsliebend 8. Planvoll 9. Praktisch 10. Verfahrensorientiert 11. Detailliert % B:
C Ich bin das Gefühl
1. Zwischenmenschlich orientiert 2. Kommunikativ 3. Harmonieliebend 4. Hilfsbereit 5. Gefühlsstark 6. Vermittelnd 7. Empathisch 8. Gemeinschaftsbetont 9. Mitteilsam 10. Musisch 11. Spirituell % C:
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I Typ D Ich bin die Fantasie
Selbsteinschätzung – Merkmale
Ausprägung
% Verteilung (ca.)
1. Ideenreich 2. Kreativ-schöpferisch 3. Intuitiv 4. Innovativ 5. Konzeptionell begabt 6. Ganzheitlich 7. Risikobereit 8. Aufgeschlossen für Neues 9. Designbewusst 10. Visionär 11. Künstlerisch A+B+C+D=
% D: 100 %
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Dein Talent in der Managementrealität Um die existenzielle Wichtigkeit der Talenterfüllung im Beruf noch einmal zu unterstreichen, folgt ein Zitat von Reinhard K. Sprenger, dem renommierten Managementwissenschaftler und -Coach sowie Verfasser des Bestsellers „Mythos Motivation“: SPIEGEL ONLINE, 11.09.06 – Interview mit Reinhard K. Sprenger – Auszug: SPIEGEL ONLINE: Wer kann denn etwas für die Motivation tun? Sprenger: Nur Sie selbst! Nicht Ihr Chef oder sonst irgendjemand. Fragen Sie sich: Lebe ich mein Talent? Tue ich das, wo ich am besten bin? Tue ich das, was mir leicht fällt? Talent ist etwas, womit ich freiwillig gern meine Zeit verbringe. Wenn irgendwo Blut, Schweiß und Tränen fließen müssen, bis tolle Ergebnisse rauskommen, dann ist das sicher kein Talent von mir. Außerdem müssen Sie herausfinden: Ist mein Talent in dem Unternehmen, in der Abteilung, bei meiner Aufgabe auch wirklich gewollt? Wenn Sie überzeugt sagen können: Ja, ich lebe mein Talent und bin auf dem richtigen Spielfeld, dann sollte es keine Motivationsprobleme geben. SPIEGEL ONLINE: Ein Motivationsloch bedeutet also: Ich bin im falschen Job? Sprenger: Exakt. Oder in einem Unternehmen, in dem das, was ich gut kann, gar nicht gewollt ist. Quelle: www.spiegel.de, 11.09.2006
Wie machen sich nun unterschiedliche Talente in der Job- und Managementwelt bemerkbar? Der Mentor der Verbreitung des HerrmannDominanz-Konzeptes in Deutschland, Roland Spinola, hatte die Beschreibung der unterschiedlichen Talenttypen in der Managementwelt signifikant auf die wesentlichen Punkte gebracht. Ich habe dieses plausible Resümee aus seinem H.D.I.-Spiel entlehnt, mit dem ich in den 90er-Jahren in Managementtrainings gearbeitet hatte. Diese Kurzbeschreibung ist bis heute die signifikanteste Beschreibung typischer Denk- und Verhaltensweisen im Management, die ich kenne. Mit leichten Änderungen:
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Interpretationshilfen für die individuellen Denk- und Verhaltensstile – für das persönliche Präferenzprofil. FAKTEN (A) Menschen mit dieser Stärke analysieren gern komplexe Situationen und sind gut im Lösen technischer und mathematischer Aufgaben. Probleme werden logisch und rational angegangen. Die wissenschaftliche Analyse gefällt ihnen. Die emotionalen und zwischenmenschlichen Aspekte einer Situation ignorieren oder übersehen sie leicht. „Eisbrecher“ und das „Miteinander-warm-werden“ bei Meetings betrachten sie oft als Zeitverschwendung. Haben sie mit Leuten zu tun, die sich nicht genug um Fakten kümmern, Probleme nicht sorgfältig durchdenken und die nicht schnell zur Sache kommen, werden sie leicht ungeduldig. Diesen Menschen fällt es leicht
Fakten zu sammeln Streitfragen zu analysieren Probleme logisch zu lösen rational zu argumentieren finanzielle Aspekte in Betracht zu ziehen Berechnungen präzise durchzuführen technische Details zu verstehen FORM (B)
Menschen mit dieser Stärke organisieren und planen gern und stecken viel Mühe ins Detail. Sie sind gut in der Umsetzung von Ideen und der Durchführung von Plänen. Probleme werden kontrolliert, Schritt für Schritt angegangen. In einer geordneten, sicheren Welt fühlen sie sich wohl. Es ist ihnen unangenehm, Aufgaben unabgeschlossen liegen zu lassen. Sie könnten Schwierigkeiten haben, die großen Zusammenhänge zu erkennen, „ins Blaue hinein“ zu denken und innovative Ideen zu akzeptieren. Sie werden leicht frustriert, wenn andere nicht schrittweise arbeiten und Regeln, Anleitungen und Organisationsabläufe missachten.
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Diesen Menschen fällt es leicht
Aufgaben zu planen und zu organisieren Probleme praktisch anzugehen Meinungen oder Vorhaben durchzusetzen Termine zu überwachen und einzuhalten anzuleiten und zu überwachen in Dokumenten und Verträgen das Kleingedruckte zu lesen die Buchhaltung ordentlich zu führen FÜHLEN (C)
Menschen mit dieser Stärke schätzen die zwischenmenschlichen Aspekte ihrer Arbeit. Sie sind gut im Vermitteln von Ideen und haben ein Gespür für das zwischenmenschliche Klima in Arbeitsgruppen und Organisationen. Sie legen Wert auf gemeinschaftliche Aktivitäten und den persönlichen Umgang der Gruppenmitglieder miteinander. Probleme gehen sie mit Empathie für andere an, wobei sie Entscheidungen eher aufgrund von Gefühlen als mit Hilfe von Faktenwissen treffen. Diese Gruppe ist leicht frustriert, wenn andere die menschlichen Elemente eines Problems außer Acht lassen und Logik vor Gefühle setzen. Diesen Menschen fällt es leicht
zwischenmenschliche Schwierigkeiten zu erkennen die Gefühle anderer in Betracht zu ziehen intuitiv zu verstehen, wie sich andere fühlen Begeisterung zu wecken zu überzeugen zu lehren zu vermitteln und auszusöhnen FANTASIE (D)
Menschen mit dieser Stärke entwickeln gerne neue Ideen und Konzepte. Sie haben eine starke Vorstellungskraft, denken gerne in Visionen. Sie sind gut im Aufspüren von Chancen und bereit, Risiken einzugehen.
Dein Talent in der Managementrealität
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Wegen ihrer Vorliebe für Neues und Ungewohntes langweilen sie „gewöhnliche“ Gedanken, in Routinemeetings werden sie unruhig. Vor ein Problem gestellt, sind sie experimentierfreudig und intuitiv. Details und Leute, die schrittweise, konservativ und auf Sicherheit bedacht vorgehen, können diese Gruppe leicht frustrieren. Diesen Menschen fällt es leicht
die Zeichen bevorstehender Veränderung zu erkennen die großen Zusammenhänge zu sehen bildhaft und visionär zu denken neue Ideen und Konzepte zu entwickeln Vorgaben und eingefahrene Vorgehensweisen in Frage zu stellen und zu ignorieren ungleiche Elemente zu einem neuen Ganzen zusammenzusetzen Probleme intuitiv zu lösen
Quelle: Roland Spinola, aus „Das H.D.I. Spiel“, Herrmann Institut Deutschland.
Die Sache mit den Schwächen Eine häufige Frage in Bewerbergesprächen lautet: „Und Herr Müller, was meinen Sie, welche Schwächen Sie haben?“ Ein Mensch kann ohne Fluggerät nicht fliegen. Ein Vogel schon. Ist das jetzt eine Schwäche des Menschen? Ein studierter Physiker kennt sich in menschlichen Verhaltensweisen weniger gut aus als ein Diplom-Psychologe. Ist das eine Schwäche des Physikers? Und denke nun an die Ausführungen oben zu den Talenttypen. Wenn ein durch und durch rational, logisch veranlagter, faktenorientierter Mensch nicht gleichzeitig mit Gefühlen überschwappt, ist das dann eine Schwäche von ihm? Du kannst praktisch alle Stärken als Schwächen bis hin zu Beschimpfungen umformulieren, indem du die Kehrseite hervorhebst. Probieren wir das mit unserem Talentschema von vorhin – nur jetzt mit spiegelbildlich negativ ausgedrückten Eigenschaften:
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Die Sache mit den Schwächen
Talentprofilschema aus dem Kaltenbach Talent-Labor – negative Variante
Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
A Ich bin ein unnahbarer Eisberg
D Ich bin ein armer Träumer 12
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6
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B Ich bin ein Erbsenzähler Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
C Ich bin ein Softie Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
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Was steckt hinter der Umkehrung? Ein empathisch starker, einfühlsamer Mitarbeiter hat grundsätzlich eine Begabung für zwischenmenschliche Aufgaben wie Kundenkontakt oder Mitarbeiterführung (C in unserem Schema). Wenn er das übertreibt, trinkt er mit jedem Bier, umarmt Gott und die Welt, spricht stundenlang über Schicksale … dann ist seine Gefühlsstärke zu einer Schwäche geworden. Analog der scharfe Denker (A). Er seziert gnadenlos die Realität und glaubt einem Kollegen erst, wenn er Tatsachen vorweisen kann – durchaus eine Stärke in der Unternehmensführung. Wenn er aber so in seinem eigenen Kopf stecken bleibt, dass er jeder Gemeinschaft aus dem Weg geht, nie jemanden fragt, wie es ihm geht, Teams als lästig empfindet, dann macht er seine Neigung und Stärke zur ausgesprochenen Schwäche, zum Defizit im menschlichen Umgang. Das gilt auch für den Sicherheitstyp (B), wenn er sich ständig im Detail verliert, aus Furcht, etwas zu übersehen oder die Kontrolle zu verlieren. Der fantasievolle, kreative Mensch (D) wird ebenfalls zur Last, wenn er seine Ideenkraft übertreibt. Ihm schreibt man dann Realitätsverlust zu. Merke dir also in der Umsetzung deiner Talentstruktur gut: ! Übertreibung deiner Stärken führen zu Schwächen – oder: Schwächen sind Übertreibungen deiner Stärken! Dies hatte einst auch Rolf W. Schirm proklamiert, der mit seinem „Struktogramm“ das erste Analyseinstrument für das persönliche Profil in Deutschland einführte (erste Auflage 1977). Das Schirm’sche Struktogramm war ein hervorragender erster Anstoß für die Selbstanalyse. Es hat die Personalentwicklung und die Führungskunst in Richtung mitarbeiterindividuelles Vorgehen gebracht, was heute als Selbstverständlichkeit praktiziert wird. Das Schirm’sche Modell ist allerdings wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Denn es übergeht die Erkenntnis, dass uns linke und rechte Gehirnhälfte deutlich mit unterschiedlichen Funktionen steuern.
3.
Die richtige Startposition
Junge Menschen können sich mit der Art und Weise ihrer Ausbildung und ihren Freizeitaktivitäten bereits Vorteile für ihre Berufskarriere verschaffen. Sie können Fähigkeiten trainieren, ihre Stärken ausprobieren und schon eine gute Ausgangsposition für die Berufskarriere einnehmen. Die Erzieher können hierzu viel beitragen. Sie müssen allerdings ein Gefühl für das Grundtalent ihrer Schützlinge haben. Das ist alles andere als selbstverständlich. Meistens sehen Väter oder Mütter sich selbst in ihren Kindern. Ein repräsentatives Beispiel: Da ist der Ingenieur, der seinen „Buben“ in die gleiche Laufbahn schubsen will. Spätestens in den Leistungskursen der höheren Schulen müsste Papi spitz kriegen, ob der Filius dazu taugt. Wenn er sich in Mathematik, Chemie und Physik schwer tut, ist er als künftiger Ingenieur falsch platziert. Vielen Eltern fehlt hier die nötige Einsicht. Sie wollen ihr Wunschebenbild trimmen, bezahlen Nachhilfelehrer und drohen mit Sanktionen, wenn die Noten nicht besser werden. Wenn unser Junge dann doch einen ordentlichen Schulabschluss schafft, befindet er sich in der falschen Startposition für Studium und Job. Glück, wenn Sohnemann das spürt, gegen den Vater aufbegehrt und noch rechtzeitig die Kurve zu seinen Begabungen schafft. Papi ist zwar erstmal beleidigt, aber Mutti atmet auf. Das junge Talent verwirklicht sich in der kreativen Richtung, macht ein duales Studium. Eine Ausbildung als Werbekaufmann, parallel zum Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing. Und fühlt sich dabei pudelwohl.
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Die richtige Startposition
Welche Berufe passen am besten? Berufsbeispiele nach der Talent-Typologie In Anknüpfung an das vorhergehende Kapitel 2 sind in der folgenden Grafik Berufsbeispiele in der jeweils passenden Position im Talentspektrum angeführt. Hier erhältst du, lieber Leser, Denkanstöße, welche Ausbildung und Jobs am besten zu deinem Grundtalent oder dem deiner Schützlinge passen. Beste Voraussetzung ist die Ermittlung des Grundtalents, des persönlichen Profils. Mit der Übung im Anhang (siehe Seite 165 ff.) geht das recht schnell. Sieh dir dein Profil an und ordne dich in die Berufsbeispiele ein. Die Berufe, die jeweils in der Mitte bzw. zwischen zwei Typen stehen, erfordern die Fähigkeiten beider Typen.
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Welche Berufe passen am besten?
Typ A
Typ D
LOGIK
FANTASIE
analytische Welt
Unternehmer, Theaterintendant, Designer, Autor …
Entwickler, Programmierer, Architekt …
Marketingmanager, Werbefachmann, Moderator …
Bankkaufmann, Betriebsleiter, Controller …
Ingenieur, Marktforscher, Wissenschaftler, Informatiker …
kreative Welt
Buchhalter, Einkäufer, Planer, Organisator …
Krankenpfleger, Sozialarbeiter, Verkäufer, Musiker …
Personalfachmann, Gastronom, Sekretärin …
sichere Welt
ZUVERLÄSSIGKEIT
zwischenmenschliche Welt
GEFÜHL
Typ B
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
Nehmen wir uns zum besseren Verständnis zwei Beispiele vor:
Typ C
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Die richtige Startposition
Beispiel Personalfachleute – Talente mit Vorlieben B und C tun sich am leichtesten. Personalwirte/kaufleute, Personalreferenten, Personalleiter etc., im Managementslogan „Personaler“ (Spitzname für diese Berufsgruppe) genannt, brauchen plausiblerweise ein gutes Einfühlungsvermögen für Menschen, müssen sich in der Nähe zu Menschen wohl fühlen. Sie betreuen schließlich Menschen (vgl. C). Wichtig ist auch, dass sie ein gutes Empfinden für die Organisation von Menschen in einer Firma haben sowie in Strukturen, Laufbahnordnungen (z. B. Entlohnungssystemen) denken können. Sie sind sozusagen für die Zuverlässigkeit des Mitarbeitergeschehens verantwortlich (vgl. B). Sollte jemand über eine Ausbildung zum Personalwirt hinaus – oder stattdessen – studieren wollen, so sollte sich dieses Talent Studienrichtungen und Schwerpunkte heraussuchen, die eher zu einer „Bodenhaftung“ (B-C)) als zu intellektuellen Herausforderungen (A-D) passen. Gut denkbar: Psychologie mit betriebswirtschaftlichen Schwerpunkten (Betriebspsychologie) oder Betriebswirtschaft mit psychologischen und personalwirtschaftlichen Schwerpunkten. Beispiel Entwicklungsingenieure – Talente mit Vorlieben A und D tun sich am leichtesten Diese Talente stehen für die zukunftssichernde Entwicklung von – hauptsächlich industriellen – Produkten oder Technologien. Sie brauchen natürlich einen guten Schuss analytische, wissenschaftliche Begabung, um das Machbare und die Möglichkeiten für Verbesserungen und Erfindungen beurteilen zu können (vgl. A). Darüber hinaus muss ein Entwickler auch eine gehörige Portion Kreativität, Vorstellungskraft haben, um sich in die Zukunft seiner Produkte hineinversetzen zu können. Sodann sind seine Handwerkszeuge hauptsächlich informationstechnologischer Art wie Imaging-Software (CAD etc.) zur einfallsreichen Variierung der Objekte (vgl. D). Mit dem Fragebogen und der Ermittlung des Talentprofils im Anhang kannst du dich positionieren. Natürlich braucht es eine gewisse Vorstellung, welche Eigenschaften unterschiedliche Berufe verlangen. Dazu können junge Talente eventuell von Erziehern Informationen bekommen und/oder sich Aufklärung im Internet verschaffen.
Welche Berufe passen am besten?
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Beispiel Allrounder – Menschen mit ausgeglichener Talentstruktur Etwa 20 Prozent der Bevölkerung hat eine tendenziell gleich verteilte, flexible Begabung für unterschiedlichste Aufgaben. Das zeigt sich meistens schon in der Schule. Alle Fächer liegen auf etwa gleichem Notenniveau. Im Beruf sind das sehr flexible Menschen. Sie erledigen willig sowohl menschenorientierte wie auch rational orientierte Aufgaben. Sie taugen zu unterschiedlichsten Berufen. Das sind die geborenen Allrounder. In welchen Jobs ist das gefragt? Zum Beispiel als Assistent/in der Geschäftsleitung. Da musst du dich heute mit Menschen befassen (vgl. C), morgen Marktanalysen vorbereiten (vgl. A) und übermorgen vielleicht Protokolle von Vertriebsleuten kontrollieren (vgl. B). Und wenn der Chef einen Vortrag halten muss, gilt es, recht lebendige Folien zu gestalten (vgl. D). Auch Projektmanager tun sich relativ leicht, wenn sie nicht zu einseitig talentiert sind. Die Phasen und Aufgaben für ein Projekt kreisen um alle Denk- und Verhaltenseigenschaften herum. Zum Beispiel: x
Idee für eine Problemlösung (D)
x
Prüfung der Machbarkeit (A)
x
Planung der Durchführung (B)
x
Motivation der Projektgruppe (C)
Und letztlich braucht ein General Manager wie der Vorsitzende der Geschäftsleitung ein gewisses Talent für unterschiedlichste Aufgaben. Er verantwortet schließlich das Geschick in allen Talentbereichen seiner Organisation. Er muss es mit Menschen genau so gut können wie mit Finanzen … Wenn die flexiblen Talente studieren wollen, empfehlen sich Inhalte, die weniger in die Tiefe, sondern mehr in die Breite gehen. Der „Management Master“ als Ergänzung von Fachrichtungen bringt optimale Voraussetzungen für die Karriere solcher Allrounder.
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Die richtige Startposition
! Strategieempfehlung für Menschen mit ausgeglichener Talentstruktur: Du wirst nur sehr schwer auf einem Gebiet „Spitze“ und solltest also eher umfassende Aufgaben anstreben als ein Spezialistentum.
Schnellanalyse der Berufsbegabung – populäre Berufe Das Verständnis der Talenttypologien und ihre Anwendung auf konkrete Berufe mag nun manch jüngeren Lesern schwer fallen. Ihr seid vielleicht noch Schüler oder Studenten und habt kein oder wenig Wissen über das Karrieregeschehen und die Berufswelt. Dafür habe ich einen Fragebogen ohne jeglichen akademischen Anspruch entwickelt. Damit können Begabungstendenzen für unterschiedliche Berufe einfach und relativ schnell ermittelt werden. Das nützt vielleicht auch Lesern, die in der Erzieherverantwortung ihren Schützlingen helfen wollen, sich in der komplexen Berufswelt zu orientieren. Ich habe für dieses Instrument nur die Erkenntnisse über unsere beiden Gehirnhälften herangezogen, also auf das Quadrantenmodell zugunsten der Einfachheit verzichtet. Die typischen Funktionen der Gehirnhälften sind inzwischen wissenschaftliches Allgemeingut – zumindest unter Leuten, die sich mit Persönlichkeitspsychologie beschäftigen. Man spricht von „linkshemisphärischen“ und „rechtshemisphärischen“ Menschen – neben den Ausgeglichenen. Meine Zuordnung zu Berufen resultiert aus dem Vergleich der Gehirndominanzen mit den Grundanforderungen in den Berufen. Nachfolgend das Ermittlungsschema, ein Instrument aus dem Kaltenbach Talent-Labor:
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Welche Berufe passen am besten?
Schnellanalyse der Berufsbegabung 1. Fragen
Du musst entweder links oder rechts ankreuzen, darfst keine Antwort auslassen: Diese Aussage
trifft eher zu?
Oder diese Aussage
Malen mag ich nicht so gerne, bin eher jemand, der schreibt.
Ich male gerne – auch oft auf einen Zettel, während ich telefoniere.
Erinnere dich an eine Situation: Ich höre Stimmen oder Geräusche.
Erinnere dich an eine Situation: Ich sehe ein Bild der Situation.
Ich kleide mich meist so wie es zur Situation passt. Wenig auffällig.
Ich kleide mich individuell, extravagant oder einfach bequem.
Ich halte mich an erprobte Dinge. Das gibt mir Sicherheit.
Ich probiere gerne Neues aus. Habe Ideen für Veränderungen.
Ich traue nur jemandem, wenn er sachlich rational argumentiert.
Außergewöhnliche, fantasievolle Menschen reißen mich mit.
Vorhersehbarkeit und materielle Sicherheit sind für mein Leben wichtig.
Ich mag mich frei entfalten. Mag mich nicht in bestehende Ordnungen einzwängen.
Ich möchte die Details von Dingen oder Vorgängen wissen und verstehen.
Ich möchte die großen Zusammenhänge von Geschehnissen verstehen.
Ich beschäftige mich gerne alleine, muss nicht so oft in Gesellschaft sein.
Ich bin sehr gerne unter Menschen und habe schnell Gesprächspartner.
Vergleiche nun die Reihen (links und rechts). Wie viele Aussagen treffen zu? 7-8 Kreuze = absolute Dominanz, damit kannst du dich sicher einordnen 6 Kreuze = Dominanz, damit kannst du dich tendenziell einordnen 4-5 Kreuze = eher Gleichverteilung, damit ordnest du dich in der Mitte ein Ordne dich nun in die Berufsbilder ein – nächste Darstellung
trifft eher zu?
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Die richtige Startposition
Schnellanalyse der Berufsbegabung 2. Auswahl der Berufsbilder
Diese Berufe würden dir zum Beispiel liegen, entsprechend deinem Grundtalent: Dominanz linke Reihe Techniker/in Konstrukteur/in Marktforscher/in Bankkaufmann/frau Einkäufer/in Planer/in Organisator/in Handwerker/in Produktionsleiter/in Apotheker/in Arzt/Ärztin Pilot/in Koch/Köchin Landwirt/in Buchhalter/in Sportler/in im Einzelkampf
Gleich verteilt Entwickler/in Programmierer/in Architekt/in Personalfachkraft Gastronom/in Sekretär/in Unternehmensberater/in Grundschullehrer/in Vertriebsleiter/in Redakteur/in Detektiv/in Kellner/in Informatiker/in Anwalt/Anwältin Sportpädagoge/in Mannschaftssportler/in
Dominanz rechte Reihe Gründer-Unternehmer/in Designer/in Theaterintendant/in Schriftsteller/in Marketingfachkraft Verkäufer/in Musiker/in Moderator/in Public Relations Modemacher/in Friseur/in Model Fotograf/in Kunstmaler/in Sozialarbeiter/in Tänzer/in
Entsprechend folgenden Grundtypen: Eher rationale, logische, forschende, analytische, organisierende, erdgebundene Talente
Eher flexible, sehr anpassungsfähige, universale Talente
Eher intuitive, kreative, gesellige, visionäre, gefühlsstarke Talente
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach, Gröbenzell, Januar 2008
Karrierechancen – Trends
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Solltest du dich schon für einen Beruf entschieden haben und bist du gemäß deinen Begabungen im falschen Beruf, so gibt es eine Möglichkeit, im Beruf trotzdem Freude zu haben. Suche dir Aufgaben in deinem Job, die deiner Begabung entsprechen. Angenommen, du bist Bankkaufmann (linke Seite) und hast dich in der Auswertung deiner Fragen rechts eingeordnet. Dann liegt es dir beispielsweise, über Verbesserung der Kundenbeziehungen nachzudenken oder Kundenberater (rechte Seite, analog Verkäufer) zu werden.
Karrierechancen – Trends Berufe – Funktionen Ingenieure – wo sind sie? Es pfeifen die Spatzen von den Dächern: Ingenieure sind die Mangelware des Jahrhunderts.
Die Lücken in der Ausbildung und zusätzlich in der Demografie der Bevölkerung führen zu einer Angebots-/Bedarfsschere bei Ingenieuren, die sich zunehmend öffnet. Wer heute Ingenieur ist oder wird, hat grundsätzlich die besten Chancen für Jobs und Karriere – und Einkommen. Freilich schlägt die Konjunktur 2006 bis 2008 nochmals drauf. Doch selbst bei zurückgehender Konjunktur wird diese Ausbildungsgruppe kaum Jobprobleme haben. Denn Technologie- und Produktentwicklung sind die Mussfunktionen eines jeden Unternehmens, wenn es weiter im Markt bleiben will. Dazu braucht man halt die Ingenieurkompetenzen, die rar geworden sind. So kommt es auch, dass ein 22-jähriger Ingenieurabsolvent mit Softwarekompetenz für die Maschinenbau-Entwicklung Anfang 2008 ein Gehalt von 47.000 Euro in Festanstellung einstreichen kann – ein keineswegs exotisches Beispiel aus meinem Talentpool. Er wählte den Vertrag mit einem Entwicklungsdienstleistungsunternehmen. Allerdings absolvierte er eine duale Ausbildung (Berufsakademie). Diese gestattet, nach kurzer Zeit in jüngsten Jahren zu einem begehrten Kompetenzträger mit praktischer Erfahrung zu werden (siehe auch Streiflicht Studiengänge, Seite 61 ff.).
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Die richtige Startposition
Die viel zitierte Personallücke betrifft vor allem die Ingenieure mit Maschinenbau- und Elektrotechnik-Kompetenz. Das kommt u. a. daher, dass Deutschland dafür das klassische Land ist und mit seinen Maschinen im Export brummt. Weniger stark sind wir bekanntlich in Sachen digitale Welten und Software-Industrien. „Ingenieur“ ist eine Art Überbegriff für Studienabschlüsse mit technischem Bezug. Dazu gehören auch Wirtschaftsingenieure sowie Informatiker und Naturwissenschaftler mit Technikbezug. IT-Kompetenz, egal aus welcher Ausbildung bezogen, bildet die nächste Lücke im Talentmarkt gleich nach den Ingenieuren. Über 40 Prozent der IT- und Telekommunikationsunternehmen hatten 2006 Probleme, geeignetes Personal zu finden. Man muss sich vorstellen, dass die Studenten der Informatik von ehemals rund 38.000 im Jahre 2000 auf rund 28.000 im Jahre 2006 abgenommen haben. Da hat offensichtlich der Schreck der IT- und Internetblase 2000/2002 das Fürchten gelehrt. Doch keine Frage: IT-Kompetenz ist parallel zur Ingenieurkompetenz für jede industrielle Zukunft Voraussetzung. Welche Unternehmensprozesse sind in Zukunft ohne IT denkbar? Wohl keine. Hier gibt es laut BITKOM eine seltsame Bewusstseinstrübung bei den Deutschen und in der deutschen Politik. Beschämend, dass Deutschland mit 8,9 Computern pro 100 Schüler das Schlusslicht in Europa ist! Zum Vergleich: Dänemark 27,3 – Großbritannien 19,8 – EU im Durchschnitt 11,3 PCs. Die Industrie und die aktuelle Politik tun nun alles Denkbare, um den Mangel an IT-Kompetenz zu beseitigen. Eine große Chance für jeden, der in dieser Richtung seinen Beruf sieht.
Ökonomische und Management-orientierte Berufe Kaufleute, Betriebswirte, Volkswirte, Ökonomen etc. brauchen aus den dargestellten Chancen für Techniker keine Komplexe bezüglich ihres Wertes auf dem Arbeitsmarkt abzuleiten. Nur ist der Mangelzustand in der Wirtschaft nicht so eklatant. Freilich ist rein logisch das Produkt die erste Voraussetzung für jedes Geschäft. Doch nahezu gleichermaßen spielen die Finanzen und nicht zuletzt die Organisation der Menschen, der Humanressourcen sowie der Geschäftsprozesse eine tragende Rolle.
Karrierechancen – Trends
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Für alle Zukunft lässt sich zwar keine Regel aufstellen, doch jetzt und in naher Zukunft zeichnet sich eine herausragende Nachfrage nach folgenden Talenten ab: Finanzmanagement: Ökonomen, die sich in Finanzfragen und Cont-
rolling auskennen. Die Finanzen sind die Luft zum Atmen in allen Organisationen weltweit. Selbst mit vorbildlichsten Produkten und mit bestem Vetriebsmanagement sind Firmen konkurs gegangen, weil sie finanzwirtschaftliche Fehler gemacht haben, ob Fehlspekulation, Devisenfehlplanung, Kapitalbeschaffungs-Flops, falsche Budgetplanung etc. Deshalb sind der „Finance Officer“ und seine gesamte Abteilung zum höchsten Stellenwert neben dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung avanciert. Nahe daran schließt sich das Controlling an, das oft in den Finanzbereich integriert ist. Die Controller liefern die strategischen und operativen Daten für die Entscheidungen des Managements. Unternehmensentwicklung: Talente unterschiedlichster Ausbildung,
die Geschäfte beurteilen und entwickeln können, inklusive M & A (Merger & Akquisition, Fusion und Akquisition von Geschäften). Hier geben sich die Finanz- und die Marketing-/Vertriebsleute die Hand. Business Development: Der Begriff ist als Job-/Berufsbezeichnung
in, ein Renner. Ich möchte fast sagen, eine Mode. Ist Unternehmensentwicklung meist corporate, d. h. auf das Gesamtunternehmen bezogen, so setzt man Business Developer eher für Produktbereiche, Unternehmenseinheiten (Units) oder auch regionale Einheiten ein. Diese Talente sollen Geschäftschancen riechen, bestehende und neue Geschäfte in die Märkte bringen und daraus ein profitables Geschäftsfeld machen. Vormals spielten diese Rolle Vertriebs-Manager, Produkt-Manager, Markt-Manager, Programm-Manager etc. Es wurde zunehmend ein Defizit in der Koordination über die Funktionen hinweg festgestellt. Diese Lücke füllt jetzt der Business Development Manager aus. In den USA ist das meist eine so genannte Vice President Position.
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Die richtige Startposition
Personalmanagement – Human Resource Development: Personal-
und Organisationsverständige, welche die gesamte Organisation in Effizienz zusammenhalten. Dazu gehört in Hochkonjunkturen besonders auch die Rekrutierung und Entwicklung von Mitarbeitern. In schwierigen Zeiten sind die HR-Künste eher von Personalabbau geprägt. Doch die realen Geschehnisse, bei denen die Motivation der Mitarbeiter einfach die Produktivität bestimmt, führen zwangsweise zu einem „Relaunch“ der Personaler. Wenn auch grummelnd geben Vorstandsvorsitzende wieder erhöhte Budgets für die Personalarbeit frei. Zurzeit und in nächster Zukunft der häufigste Bedarf: Kompe-
tenz im Projektmanagement: Talente, die sich auf die Planung, Durchführung und Kontrolle von Projekten verstehen (siehe auch Projektmanagement, Seite 101 ff.). Diese Kunst braucht es heute in allen Funktionen eines Unternehmens sowie übergeordnet für unternehmensweite Projekte. Am häufigsten ist Projektverantwortung plausibler Weise in der Technik, im Engineering und dort besonders in der Entwicklung angesiedelt. Nicht nur die Industrie benötigt diese Kunst. Staatliche Institutionen, internationale Förderinstitutionen bis hin zu internationalen Wohlfahrtsverbänden und Hilfeorganisationen sind auf funktionierendes Projektmanagement angewiesen. Für Projektmanagement kommt es weniger auf die technischen oder wirtschaftlichen Fachinhalte der Projekte, als vielmahr auf die methodische und menschliche Kompetenz (Teamleitung, Koordination) an. Somit bieten sich hier für fast alle Ausbildungsrichtungen inklusive Sozial- und Geisteswissenschaften gute Chancen, wenn diese Kompetenz gelernt wird.
Selbstverständlich sind Jobs im Vertrieb nach wie vor Dauerläufer. Wobei die Mannschaften des persönlichen Verkaufs an der Front zunehmend schrumpfen. Denn der Vertrieb über das Internet, der OnlineHandel und die Call Center nehmen den Platz vieler ehemaliger Außendienstler ein. Zunehmende Karrierechancen eröffnen sich im internationalen Vertrieb. Exportmanager, in Großunternehmen mit enger Anbindung an die Auslandstochtergesellschaften, sind gesucht. Hier sind
Karrierechancen – Trends
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natürlich auch Fremdsprachen dienlich. Englisch ist so selbstverständlich wie die Muttersprache. Daneben sind Spanisch, Portugiesisch und osteuropäische Sprachen besonders gefragt, in Zusammenhang mit der Geschäftsexpansion in Südamerika und in Osteuropa. In Asien kann man gut in Englisch verhandeln. Ein relativer Rückgang der Beschäftigten ist in eher administrativen Jobs zu verzeichnen. Klassisches Sekretariat, Verkaufsinnendienst, Abwicklung, Rechnungswesen, Buchhaltung, Marktforschung, Einkauf, Versand, Abteilungs-EDV etc. haben im Zuge der Digitalisierung und der Automatisierung (IT) der Unternehmensprozesse sowie des Outsourcings an personellem Gewicht verloren. In der Technik sind es die ehemaligen Maschinenprogrammierer, Produktionsplaner, Kalkulatoren, Maschinenmeister etc., die aufgrund der integrierten, automatisierten und digital gesteuerten Fertigungsprozesse weniger werden. Doch alle Talente in Startposition können sich freuen. Ungeachtet einzelner Sonderbedarfe für spezielle Kompetenzen steht fest, dass der gesamte qualifizierte Arbeitsmarkt spätestens 2010 (nun sagen manche Experten sogar „noch früher“) kippt – beispielsweise der häufig zitierte Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Talente müssen nicht mehr Klinken putzen gehen. Die Unternehmen müssen das bei den Talenten. Jedoch: ! Selbst die Besten stehen im Wettbewerb – eben im Wettbewerb der Besten untereinander. Wenn du eine ordentliche Pole-Position gewinnen willst, musst du schon in deiner Ausbildung darauf hinarbeiten. Das ist harte Arbeit. Mit einem lockeren „mal gucken“ fährst du erst mal an die Sandsackbande. Welche Art von Arbeit dafür anfällt, kannst du besonders in Kapitel 4 ab Seite 65 im Abschnitt „Scouting für den richtigen Job“ nachlesen.
Streiflicht Studiengänge Gegenwärtig erleben wir den Zusammenbruch der altehrwürdigen, klassischen deutschen Hochschulstudiengänge mit Diplom. Leser dieses Buches im Jahre 2009 kennen wahrscheinlich nur die moderne Form der „Education“.
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Die richtige Startposition
In nahezu allen Disziplinen gibt es den Bachelor und sein Upgrade, den Master. Wie die Abschlüsse genau heißen, darüber wird zurzeit in den Gremien noch diskutiert. Der Master liefert Vertiefung und Aufbau nach dem Bachelor. Den Master of Business Administration, kurz MBA genannt, müssen wir vom Master als Abschluss eines Fachstudiengang trennen. Der MBA, angeboten für alle Akademiker und teils Nichtakademiker, ist eher eine fachlich unabhängige Weiterbildung – oft nicht mehr als ein Kurs (Näheres dazu siehe ab Seite 64). Für eine Promotion ist der Master Voraussetzung. Zunehmend werden dabei von Unternehmen Doktorandenprogramme angeboten. Die ausgewählten Doktoranden erhalten ein Doktorat mit einem Promotionsthema in Anstellung. Sie erhalten einen bezahlten Job (1.500 bis 2.000 Euro im Monat) und dürfen bzw. sollen berufsbegleitend, vom Unternehmen unterstützt, promovieren. Auf der Bachelor-Ebene gibt es einen starken Trend zum berufsbegleitenden, dualen Studium, in der so genannten Berufsakademie (BA). 43.000 solcher Studierenden haben wir derzeit in Deutschland (FTD, 05.09.07), Tendenz erheblich steigend. Ein Ausbildungsberuf wird mit dem Studium kombiniert. Das Gehalt liegt über dem, was Auszubildende sonst erhalten, da die Kosten für ein Studium doch sehr ins Geld gehen. Am erfolgreichen Ende liegen zwei Abschlüsse vor, beispielsweise ein Gesellenbrief und ein Ingenieur-Abschluss. Wer sollte was studieren? Der duale Studiengang Wenn du als Schulabgänger nicht gleich die Karriere bis zum Top im Kopf hast, realitätsnah, umsetzungsnah und einigermaßen praktisch veranlagt bist, solltest du einen dualen Studiengang wählen. Er kombiniert das Studium an einer Berufsakademie (BA) mit einer Ausbildung in einem Partnerunternehmen und bietet sich besonders für Ingenieurwesen und Betriebswirtschaft an. Dieses relativ kurze Studium wird in der Wirtschaft sehr begrüßt, weil schon Praxis- bzw. Job-Erfahrung besteht – nahezu einem Young Professional vergleichbar. Diese Praxis geht über die im klassischen Studium vorgeschriebenen Praktika hinaus. Vor allem musste sich der Kandidat schon drei Jahre beweisen, ohne dass er zwi-
Karrierechancen – Trends
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schendurch die Verantwortung wechselte. Ein weiterer Vorteil besteht im „doppelten Boden“. Sollte nämlich mit dem Studium etwas schief gehen, hast du einen Fachabschluss als Geselle, Kaufmann o.Ä. in der Tasche. Außerdem gibt es auch gutes Geld beim Einstieg als BA-Bachelor. Universitätsabsolventen erhalten nicht unbedingt mehr. Fachhochschule Wenn du dich in sachorientierten Studienfächern auf dein wissenschaftliches Fach konzentrieren und trotzdem relativ praxisnah studieren willst, bietet sich die Fachhochschule an. Die Akzeptanz der Fachhochschulen hat an die Universitäten angeschlossen. Gehaltstechnisch ist beim Einstieg kaum mehr ein Unterschied. Allerdings sind Praktika mit guten Zeugnissen, möglichst mit Auslandserfahrung, Voraussetzung für ein Gleichziehen mit dem Universitätsabschluss. Für technisch begabte Talente, die sich zum Management hingezogen fühlen, bringt der Wirtschaftsingenieur am schnellsten die berufliche Verwirklichung bzw. sogar einen Vorsprung vor den reinen IngenieurDiplomen. Denn der klassische Ingenieur braucht später erst eine ökonomische Weiterbildung, bevor er Chancen für den Top-ManagementWeg bekommt. Studium an der Universität Wenn es dir gefällt, im Wissen und Verstehen der Zusammenhänge in die Tiefe zu steigen, solltest du den Uni-Weg gehen. Für Sozial- und Geisteswissenschaften sowieso, damit dir die Promotion offen bleibt. Denn diese zahlt sich dort beruflich eher aus, als in Fächern wie Ökonomie oder Ingenieurwesen. Bestimmte elitär ausgerichtete Unternehmen bevorzugen Universitätsabschlüsse und den Doktor-Titel für den Führungskräftenachwuchs. Auch für die höhere Laufbahn in öffentlich-rechtlichen Institutionen bringt die Promotion heute noch erhebliche Vorteile. Auch die Universität bietet heute und vermehrt in der Zukunft Möglichkeiten für die schnelle Ausbildung, eben mit dem Bachelor. Wenn du diesen Abschluss hast und die Lust auf Praxis spürst, gehst du gleich in die Jobwelt. Später kannst du ja den Master anhängen – eventuell sogar besser den MBA, den Master of Business Administration, wenn deine Karriere ökonomisches Know-how erfordert.
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Die richtige Startposition
MBA – Master of Business Administration Nach meiner persönlichen Erfahrung als „Karriere-Doc“ empfehle ich den MBA in zwei Fällen: 1. Wenn du diplomiert und ehrgeizig in Richtung Top-Karriere steuerst, solltest du in ein echtes MBA-Studium (vor-Ort-Präsenz, ca. zwei Jahre) in einer der weltweit besten Business-Schulen investieren. Aber erst, wenn du einige Jahre Job-Praxis hinter dir hast und bereits eine gewisse Führungs-/Managementverantwortung nachweisen kannst. Die besten Schools weltweit waren 2007 (unter den besten 100 im jährlichen Ranking der FTD vom 02.02.07):
University of Pennsylvania, Wharton Columbia Business School Harvard BS Stanford University GSB London BS
2. Wenn dir eine hervorstechende Weiterbildung für die Qualifikation einer Mittelmanagement-Führungskraft genügt und du das berufsbegleitend machen willst, kannst du dir einen der unzähligen MBALehrgänge heraussuchen, welche ein Mix aus Fernstudium und Präsenzveranstaltungen sind. Aber Warnung: die Master-Schulen sind inflationär geworden. Alle möglichen Spielarten gibt es. Sie nennen sich alle MBA oder MasterStudiengänge, egal, ob sie zwei Monate oder ein Jahr dauern. Die vielen Weiterbildungsinstitutionen und mittlerweile zunehmend auch Hochschulen wollen an dem „schnellen Geld“ partizipieren. Es gibt zum Abschluss ein Master-Diplom. Aber viele davon werden bei Insidern nur belächelt. Für die Karriere sind sie nicht förderlich. Ich führe zu Punkt 2. keine Empfehlung an. Denn die Szene ändert sich im Gegensatz zu Punkt 1. laufend und schnell. Du musst also bei einem berufsbegleitenden MBA-Vorhaben gut recherchieren, Referenzen einholen und auswählen. Im Zweifel würde ich einen Schmalspur-MBA unterlassen und lieber eine spezielle Fortbildung machen, wie beispielsweise einen „Projektmanagement-Master“ (siehe Kapitel 5). Zumindest muss ein Studiengang akkreditiert sein, Ausführliche Informationen zum MBA und zur Akkreditierung gibt es im Internet unter www.mba.de, www.mba-channel.com und www.fibaa.de.
4.
Jobscouting – Jobhunting
Selbst bei bester Qualifikation stehst du in intensivem Wettbewerb mit gleich Guten. Wenn du einen zu deinen Plänen passenden Job willst, musst du alle Register professioneller Jobsuche, Jobwahl und Bewerbung ziehen, gezielt Jobhunting betreiben. Damit befassen wir uns in diesem Kapitel. Du kennst jetzt dein Grundtalent im Denken und Verhalten (Kapitel 2) und hast dich für den Start positioniert (Kapitel 3). Das bestimmt, welcher Job dir wirklich liegt und passt. Jetzt musst du systematisch alle Recherchemöglichkeiten, besonders via Internet nutzen, um passende Angebote und Unternehmen zu finden. Und worauf es schließlich bei der Bewerbung, direkt oder initiativ, und dann im Vorstellungsgespräch ankommt, das kannst du dir im Abschnitt „Bewerben wie ein Gewinner“ ab Seite 70 aneignen.
Scouting für den richtigen Job Die Suche nach dem Job ist für Einsteiger pro Woche mindestens ein 28Stunden-Unterfangen – drei Stunden pro Tag inklusive Wochenende. Am besten nimmst du dir dazu zunächst zwei Wochen Urlaub und machst nichts anderes als Jobscouting in Vollzeit. Es ist unglaublich, wie lässig die meisten jungen Talente die Suche nach dem ersten Job betreiben. Ich weiß das aus der Kommunikation mit Absolventen meines Talentpools und aus Diskussionen in Foren wie zum Beispiel im XING Business Club. Und leider scheitern viele Talente im ersten Vollzeitengagement ihrer Berufspraxis, also im ersten Job. Das wird ihnen erst im Ablauf von ein, zwei Jahren bewusst. Was ist da passiert?
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Jobscouting – Jobhunting
Beispielsweise erkennen sie zu spät, dass ihre in der Ausbildung und in vielen Praktika erworbene Kompetenz und ihr Talent keinen Vorteil für den gewählten Job bringen. Im Karrierewettbewerb starten sie so de facto ohne Format. Das aber hätten sie vor der Annahme des Arbeitsvertrages gut recherchieren können. Doch sie waren froh, dass sie ohne große Mühe gleich einen Job bekommen haben. „Cool, gleich der erste Versuch führte zum Vertrag!“ Da sind die Freundin, der Freundeskreis, das Hobby und das gute Examen. „Was soll’s, der Job wird schon auch kommen“. Was kam, war die karrieretödliche Unterforderung. Auch Profis verschätzen sich gerne, wenn sie „umsteigen“ wollen. Sie haben zwar ihre Netzwerke in der Branche. Doch der Neustart erfordert anfangs ebenso wie beim Einsteiger viele Stunden pro Woche, bestimmt 14, zwei pro Tag. Darauf gehen wir anschließend näher ein. ! Von der Suche und Auswahl deines Jobs hängt die Qualität deines Lebens ab. Mit der Zeit, die du dir für dieses Projekt nimmst, bestimmst du den Wert deines Lebens.
Projekt Jobsuche – Schritte Egal, ob ein Talent einen Job für den Einstieg in die Berufskarriere sucht oder ein reiferer Professional dies tun muss, weil er die Firma wechseln will, es sind im Prinzip die gleichen Schritte fällig. Mit der folgenden Aufzählung wird auch der angegebene Zeitbedarf für so ein Projekt plausibel: 1. Chancen und grundsätzliche Ziele Du gehst in dich und überlegst, wie du deine Chancen nach deinem bisherigen Werdegang einschätzt. Was folgt aus all dem für die Art deines nächsten oder ersten Jobs? a. Welche Fehler sind dir unterlaufen? b. Wo hast du dir besonders leicht getan? c. Wo warst du besonders motiviert?
Scouting für den richtigen Job
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Memo: Wenn du gemäß deiner Talentpräferenzen arbeitest, erreichst du maximale Produktivität bzw. exzellente Leistung mit normalem Engagement.
d. Was bedeutet das für deinen Job? Mit welchen Aufgaben solltest du dich hauptsächlich befassen? e. Welche Lebensziele verfolgst du und wie willst du diese in deinem Job unterbringen? D. h. welche Werte verfolgst du? Willst du Familie und was bedeutet das für deine Arbeitszeit? Welche Regionen kommen für den Job in Betracht? Welche Hobbys willst du auch künftig betreiben? 2. Kernkompetenz Du definierst deine Kernkompetenz hinsichtlich Wissen und Know-how (Memo: unterscheide Talent von Kompetenz. Kompetenz kann man sich aneignen – Talent nicht. Wenn beides zusammenpasst – gewonnen). Also worin kennst du dich am besten aus? a. Fachliche Techniken, Methoden? b. Sachgebiete bzw. Anwendungsgebiete wie Produkte, Branchen? c. Management-Fähigkeiten wie Team- oder Führungskompetenz? 3. Änderungsbedarf Inwieweit solltest du deine Kompetenz vorsichtig umlenken, damit sie besser zu deinen wirklichen Interessen und Talenten passt? Aber aufpassen: Kompetenz bestimmt deine Auswahl der Unternehmen und Jobs maßgeblich. Kompetenz prägt deinen „Produktvorteil“ im Talentwettbewerb. Radikaler Kompetenzwechsel bedeutet Vernichtung deines Produktvorteils! 4. Suchfelder Für die Zeit raubende Arbeit der Jobsuche, „Jobscouting“, musst du Bereiche eingrenzen, damit du nicht wirr und unsystematisch, zufallsabhängig in eine Jobfalle rennst. D. h. die beginnende Recherche in all den Medien musst du mit einer Art Filter angehen. Nach deinen Überlegungen bisher zu den Punkten 1. bis 4.: Was passt prinzipiell? Definiere:
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Jobscouting – Jobhunting
a. b. c. d.
Regionen? Branchen, Produktfelder, Leistungsbereiche, Märkte? Betriebliche Funktionen, Verantwortungen, Aufgaben? Status hinsichtlich Einkommen und Management Level?
5. Informationsquellen Du musst zwischen Direktbewerbungen auf Job-Offerten und Initiativbewerbungen ohne Bezug auf eine Jobofferte unterscheiden. Du kannst jeweils die gleichen Quellen nutzen. Wenn du beispielsweise in einer Jobbörse auf eine Job-Offerte stößt, sei es eine Anzeige oder eine Antwort auf deinen Lebenslauf, den du in die Börse gestellt hast, so kannst du unabhängig davon die Website der Firma durchschauen, was dort sonst noch angeboten wird. Wenn dir die Jobangebote nicht zusagen, käme eine Initiativbewerbung in Betracht. Für deine Recherchen sind folgende Quellen gut verfügbar: a. Zeitungen, Wirtschaftsteil, Managementreports: Welche Unternehmen fallen dir positiv auf? Schau in deren Homepages, was dort gesucht wird. b. Internet, Verbände, Informationen – Branchen- und Berufsverbände findest du einfach via Google Stichworteingabe. c. Internet, Branchen, Firmen – Google Stichworte d. Internet, Jobbörsen wie zum Beispiel „monster.de“, dort: - Suchfunktionen, Eingrenzung Jobsuche – Offerten - Auflistung Firmen von A-Z und Job-Offerten, dort: - Platzierung deiner Vita und Antworten von Firmen e. Brachenmessen, Firmenstände, Beobachtung und InitiativGespräche f. Karrieremessen, Firmenstände, Beobachtungen, Gespräche, ggf. CV Übergabe g. Internet Business Netzwerke wie XING – Foren, Nachrichtenaustausch … h. Wenn du schon berufstätig bist: Lieferantenfirmen, Kundenfirmen, Wettbewerber – deren Websites i. Persönliche Beziehungsnetze: Was hörst du an Empfehlungen von Kollegen, Freunden, Vereinsmitgliedern …?
Scouting für den richtigen Job
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6. Welche Unternehmen/Jobs? Alle Unternehmen und ggf. Jobs, auf die du stößt, solltest du sorgfältig in einer To-do-Tabelle auflisten und gemäß Punkt 4 bewerten, damit du Prioritäten setzt. Denn du kannst im Bewerbungsprozess nicht alle gefundenen Chancen gleichzeitig, sondern nur nacheinander angehen. Bewerte also jeweils mit ++ (passt super), + (passt), ? (weiß nicht so recht), – (passt nicht): a. zunächst das Unternehmen, b. dann ausgewiesene Jobs, sofern das Unternehmen ++ oder + bekommen hat 7. Zielpersonen Bei den nach Punkt 6 selektierten Unternehmen oder Jobausschreibungen solltest du dich nicht – vor allem nicht, wenn du Profi bist – bei Sammel-E-Mail-Adressen (info@...) bewerben. Versuche die Ansprechpersonen herauszubekommen, am besten deren Telefonnummer und persönliche E-Mail-Adresse. Für Absolventen gibt es oft spezielle Talent-Recruiter. Für Professionals gibt es fachlich zuständige Personalreferent/inn/en. Ideal: Ein Telefonat zur Interessenklärung vorab und darauf ggf. eine persönliche E-Mail mit dem CV im Anhang. Für Executives und besonders für Senior Executives rentiert sich der Einsatz eines Vermittlers bzw. Karriereberaters, der im ersten Schritt im Unternehmen vorsondiert. 8. Kommunikation Nun folgen deine Bewerbungsaktivitäten analog dem nächsten Abschnitt. Unterschätze die Zeit pro Firma nicht! a. Ansprechpartner recherchieren (siehe Punkt 7) b. Telefonat c. Bewerbungs-E-Mail mit CV etc. d. ggf. Telefoninterview/Klärungen e. ggf. erstes Gespräch oder Assessment, Terminvereinbarung, dann intensive Vorbereitung dazu (unbedingt: Studium der Website der Firma: Auf was wird Wert gelegt? Kultur? Märkte? Geschäftsmodell? Produkte? …)
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Jobscouting – Jobhunting
f. Sorgfältige Nachlese des Gesprächs und Goodwill-E-Mail als erstes Feedback g. ggf. zweites Gespräch inklusive Unternehmensbesichtigung h. Vertragsverhandlung i. ggf. persönliches Meeting zur Unterschrift und Besprechung des Starts Da gibt es die Superdynamiker, die nehmen im Bewerbungsprozess zu 30 Unternehmen Kontakt auf (Initiativ- und Direktbewerbungen) und wenden sich zudem an Headhunter. Was machen unsere Künstler, wenn sie zehn positive Reaktionen erhalten? Kalkuliere einmal den Zeitaufwand für die Punkte a bis i. Bei erheblicher Reisezeit sind drei Tage pro Unternehmen noch knapp gerechnet. Also: ! Starke Selektion und konzentrierter Tiefgang statt großflächigem Vorgehen im Bewerbungsprozess!
Bewerben wie ein Gewinner Grundregeln Als Karriere-Doc von heute rede bzw. schreibe ich hier nur über E-MailBewerbungen, das heißt E-Mails mit Text und Bewerbungsunterlagen im Anhang. Papierbewerbungen im ersten Kontakt gehören der Geschichte an. Ausnahme: manche Kleinunternehmen. Damit eine Bewerbung heute überhaupt die Chance hat, von den Rekrutierern im ersten Durchgang interessiert überflogen zu werden, sollten einige Gebote unbedingt eingehalten werden. Worauf bewirbst du dich? Dein Arbeitsangebot, deine Bewerbung muss zur Nachfrage, zur JobOfferte passen! Unglaublich, wie viele Bewerbungen an den Forderungen der Job-Offerte vorbeigehen – so nach dem Motto: „Ich erfülle zwar Ihr Anforderungsprofil nicht ganz, aber ich denke, ich kann die Aufgabe gut bewältigen …“ Vergiss so eine Bewerbung. Damit fällst du einfach durch.
Bewerben wie ein Gewinner
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Foto Trotz Antidiskriminierungsgesetz ist ein nettes, natürliches Foto unerlässlich. Verwende bitte keine sterilen Studioaufnahmen. Lächle gelöst. Du kannst dich heute durchaus in privater Umgebung zeigen. CV – Curriculum Vitae Umfang
Der „CV“, der Lebenslauf von Young Professionals umfasst maximal zwei Seiten – bei erfahrenen Profis auch drei. Alles weitere wie Projektlisten gehört in die nächste Seite, als „Anhang“ ausgewiesen. Keine Deckseite!
Verzichte um Gottes Willen auf die Image-Deckseite mit Riesen-Foto und groß-dick-fett gedrucktem Namen. Foto und Identität bitte in den Kopf der ersten CV-Seite setzen! Recruiter mögen nicht erst umblättern bzw. runterscrollen, sondern wollen auf einen Blick die Ausgangslage sichten. Eine Deckseite bietet sich allenfalls bei Künstlerbewerbungen an. Berufsstationen mit der Gegenwart beginnen!
Beginne die Berufspraxis nach der Liste der Ausbildung (bei guten Abschlüssen die Noten anführen!) mit der Gegenwart! Recruiter hassen es, wenn sie erst nach hinten blättern müssen, um den Status zu sehen. Keine Kommentare zur eigenen Person!
Verzichte auf alles „Ich kann …ich bin …ich möchte…“. Der Beurteiler macht sich aus den Fakten sein Bild selbst. Alles andere erkundet er im Telefonat oder Gespräch, wenn für ihn die Fakten stimmen. CV als PDF-Anhang!
Sende den CV als E-Mail-Anhang im PDF-Format oder ggf. als Anhang im Online-System der Firma. Erstens werden andere Formate heute von den Firewalls der Unternehmen aus Virenschutzgründen oft geblockt. Zweitens kann in einem geschlossenen PDF-Dokument niemand deinen CV verändern.
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Jobscouting – Jobhunting
Kurzer E-Mail-Text In der E-Mail für eine Bewerbung auf eine Ausschreibung genügen eigentlich drei Sätze. Beispielsweise nach Betreffzeile: „Ihre Offerte NN“: „Ich denke, die Anforderung passt gut zu mir. Ihr Unternehmen würde mir gefallen. Für ein baldiges Feedback auf meinen CV im Anhang danke ich Ihnen. Beste Grüße – Hans Meier.“ Tödlich: Wenn im E-Mail-Anschreiben Fakten aus dem CV wiederholt werden oder Bewerber ihre vermeintliche Großartigkeit beschreiben. Oder Überhöflichkeiten wie: „Ich würde mich sehr freuen, wenn ich in einem persönlichen Gespräch beweisen könnte, dass ich für die Stelle sehr gut geeignet bin ...“ Das strahlt Unsicherheit aus. Halte dein Anschreiben auf alle Fälle kurz. Wenn erst Prosa gelesen werden muss, fegen die Beurteiler die Bewerbung schon aus emotionaler Reaktion weg. Denn: Schau mal auf die Uhr, wie lange eine halbe Minute ist! Das reicht um Foto, Abschluss und Berufsstatus zu erfassen. Dann ab in den Abfallkorb oder in die Datei für näheres Hingucken. Dafür wiederum nehmen sich im Durchschnitt die Beurteiler auch nur vier Minuten Zeit (Studie 2007). Verbliebene, vielleicht zehn Bewerber, werden dann etwas genauer beurteilt. Und: Wenn es um eine Online-Bewerbung mit elektronischem Matching-Verfahren geht, haben Prosa und großartige Botschaften sowieso keinen Sinn. Denn das erste Ranking erfolgt aus den Hard Facts. ! Die Maxime lautet: „Kurz – kurz – kurz!“ Die erste Durchsicht der Bewerbungen bei den Beurteilern geschieht im Blitzverfahren.
Der Lebenslauf Lebenslauf ist an sich das falsche Wort für die üblichen Darstellungen. Denn es wird ja nur der Bildungs- und Berufslauf dargestellt. Doch fügen wir uns dem Üblichen des Curriculum Vitae.
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Bewerben wie ein Gewinner
Die folgenden Muster bedürfen keiner großen Erklärung. Lies vielleicht nochmals die obigen Grundregeln durch. Das Foto Hier erhältst du ein paar wichtige Hinweise zur Bedeutung des Fotos, da dieses von den meisten Kandidat/inn/en sträflich vernachlässigt wird. Anordnung
Titel, Name
Adresse Kommunikationsdaten
Lebenslauf Warum empfehle ich, das Foto links zu platzieren? Es entspricht bei 90 Prozent der Menschen (Rechtshänder) der Gehirnsteuerung. Das linke Auge ist mit der rechten Gehirnhälfte stärker „verdrahtet“ als das rechte. Und die rechte Gehirnhälfte ist das Bildgehirn. Bei Linkshändern ist es anders herum. Mach dazu ein Experiment. Guck dir ein Bild abwechselnd mit dem linken und mit dem rechten Auge an. Das andere hältst du jeweils zu. Du merkst: Mit dem linken Auge hast du bei der Betrachtung ein besseres Gefühl. Umgekehrt ist es beim Lesen von Text.
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Jobscouting – Jobhunting
Größe und Darstellung Prinzipiell darf das Foto nicht zu klein sein. Denn bei einem kleinen Bild von dir kommt es zu keiner Beziehung des Betrachters zu dir. Das hat etwas mit Assoziation zu tun. Die Beurteiler möchten sich ein Bild von dir machen können. Wenn du nun meinst: „Ja, aber ich schau doch nicht gut aus.“, so merke dir: Es gibt keine hässlichen Gesichter, sondern nur hässliche Fotos. Am wichtigsten ist, dass das Bild mir als Recruiter vermittelt, wer mich da anschaut. Ein gutmütiger Mensch? Ein Kämpfer? Ein nachdenklicher Mensch? Ein Gewinnertyp? Ein gelöster Mensch? Dazu musst du authentisch, d. h. wirklichkeitsnah schauen. Der Gesichtsausdruck und vor allem die Augen prägen blitzartig die Vorstellung von einem Menschen. Wenn du meinst, dein Wesen passt nicht zum Job, so solltest du dich gar nicht darum bewerben. Den Lebenslauf erstellen Die folgenden Seiten bieten dir verwendbare Muster für den Lebenslauf bzw. das Curriculum Vitae/CV (mit Empfehlungen für die Schriftgröße).
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Bewerben wie ein Gewinner
Name (12 Punkt, fett)
Foto, nicht zu klein, gelöst – ungezwungen
Titel (z. B. Diplom-Wirtschaftsingenieur) – 10 P Straße (11 Punkt) D-0000 Ort Tel.: Fax: Mobil: E-Mail:
LEBENSLAUF (12 ) Persönliche Daten (10) (10) Geburtsdatum Geburtsort Familienstand Nationalität Eltern
...
Schulbildung 00.0000 – 00.0000
...
Berufsausbildung 00.0000 – 00.0000
…
Wehrdienst 00.0000 – 00.0000
...
Akademische Bildung 00.0000 – 00.0000
Universität NN – Studiengang: Schwerpunkte: Abschluss:
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Jobscouting – Jobhunting
Berufliche Entwicklung Seit 00.0000 (mit Gegenwart beginnen)
Firma/Unternehmen/Ort (z. B. „Schmidt Electra AG, Bereich Telekommunikation, München“) Positionsbezeichnung (z. B. „Leiter Logistik, Gesamtprokura“) Aufgaben/Funktionen (z. B.:) Auftragsabwicklung Disposition Einkauf Lager/Versand Erfolgsbeispiele (ggf.) …
00.0000 – 00.0000
...
…
Praktika
Nur bei Einsteigern oder Young Professionals anführen
Berufliche Beispiel: Fortbildung/besondere Vier Wochen E-Commerce-Kurs im NN Institut Qualifikation Lehrgang Projektmanagment in drei 2-Tagesblöcken im Institut NN) Zertifikat QM Auditor, …
Fremdsprachen
... (perfekt, fortgeschritten, Grundkenntnisse)
Fertigkeiten
... (z. B. SW-Programme)
Hobbys
...
Gez. Name, Ort, Datum
Bewerben wie ein Gewinner
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Empfehlung dazu: Schrifttyp: individuelles, modernes, gut lesbares Design, zum Bei-
spiel „Georgia“. Schrift nicht kleiner als 10 Punkt. MS Word, Tabellenformat (keine Tabs!), zwei Spalten. Vor dem
Versenden Umwandlung in PDF. Nach neuen Themen oder Zeitabschnitten neue Tabellen-Zeilen einfügen, damit der Seitenumbruch flexibel bleibt! Innerhalb der Themenblöcke (Vorspaltenthemen wie z. B. „Berufliche Entwicklung“) blinde Zeilen, damit man sie beim Druck oder im PDF-Format nicht sieht. Obere Führungskräfte oder Senior Manager können nach den persönlichen Daten auf Seite 1 mit der beruflichen Entwicklung beginnen und die Ausbildungsthemen danach anschließen. Du solltest mit drei Seiten auskommen. Projektlisten gehören in den Anhang, d. h. nach dem mit Name, Ort und Datum unterzeichneten Lebenslauf mit neuer Seite und neuer Überschrift fortfahren. Den Lebenslauf unbedingt als PDF mailen, damit niemand die Tabellenkonstruktion nachvollziehen oder hineinpfuschen kann.
Erstelle am besten nach vorliegendem Muster eine Word-Tabelle und schreibe analog hinein. Ergänzend folgt eine englische Variante für die globale Managementwelt, besonders für Bewerbungen in die USA oder internationale Konzerne mit dem Headquarter im Ausland geeignet:
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Jobscouting – Jobhunting
Vor- und Zuname – Curriculum Vitae FOTO
EDUCATION
PERSONAL INFORMATION
PERSONAL ADDRESS
Date of Birth: Nationality:
Straße: Ort: Tel.: Mobil: E-Mail:
(Nur die akademischen Stationen!)
00.0000 – 00.0000 LMU Universität München, Business and Administration Diploma (Dipl.-Kfm., 1,5), Majors: Marketing … 00.0000 – 00.0000 NN Business School, Full-time-MBA (Master in Business Administration, 1,4), Majors: ….
WORK EXPERIENCE … since 00.0000
00.0000 – 00.0000 …
00.0000 – 00.0000 …
…
…
Bewerben wie ein Gewinner
LANGUAGE SKILLS
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GERMAN (Native), English (Fluent, secure in presentation and negotiations), … (Basic)
ADDITIONAL SKILLS … 00.0000 – 00.0000 … 00.0000 – 00.0000
Munich, October 2…
Anonymisierung Warum Anonymisierung? Talente, die einen regulären Job in einer Firma haben, sei es als Young oder Senior Professional, und sich verändern, also bewerben wollen, senden ihren CV oft ungeschützt in alle Welt – ähnlich wie beim Berufseinstieg. Doch das ist nicht empfehlenswert. Denn wenn du das machst, liegt dein CV auf zig Schreibtischen. Die Welt ist klein. Vielleicht erfährt dein Arbeitgeber davon. Wenn du ein in der Branche bekannter Experte oder eine bekannte Führungskraft bist, besteht die Gefahr, dass deine Gesprächspartner, z. B. Personalreferenten, dich im Gehalt drücken. Sie haben untereinander Kontakt, erfahren, dass du im Markt bist und interpretieren Zugzwang für dich („ach ja, der Herr NN von der NN AG“). Es ist also insgesamt besser, wenn du in der ersten Bewerbungskontaktaufnahme erst das Interesse an dir klärst, bevor du deinen CV mit Angabe deines aktuellen Arbeitgebers offen auf den Tisch legst. Du bleibst interessant, weil du noch nicht „inflationiert“ bist. Wenn du abgelehnt wirst, weiß die kontaktierte Firma nicht, von welcher Firma du dich entfernen willst. Das lässt sich natürlich recherchieren, aber dafür haben die Kontaktierten in der Regel keine Zeit.
80
Jobscouting – Jobhunting
Anonymisierte Interessenvorklärung Wie funktioniert Anonymisierung, obwohl du dich bewirbst und Informationen so liefern musst, dass sie grundsätzlich Interesse an dir wecken? 1. Kurze E-Mail-Schilderung Du beschreibst dich kurz und charmant in einem E-Mail-Text und sendest die E-Mail an eine Person im Unternehmen, die du als verantwortlich ausgemacht hast. Du schreibst natürlich, dass bei Interesse CV und vertiefte Informationen folgen. 2. Anonymisierung des aktuellen Arbeitgebers Du führst im CV bei deinem aktuellen Job deinen Arbeitgeber, also dein Unternehmen, nicht auf. Nur deinen Status, die Jobbezeichnung, deine Aufgaben etc. Vielleicht noch die Branche, wenn der Rückschluss nicht zu einfach ist. 3. Kurzprofil mit Anonymisierung der Laufbahn Du fertigst einen „Steckbrief“ von dir an, ein einseitiges Kurzprofil – nicht mehr als eine Seite! Die Berufsstationen führst du nur nach Jobbezeichnung, Art der Unternehmen und Branche an, d. h. du definierst die Unternehmen nicht. Ein Muster für ein solches Profil findest du auf Seite 82. 4. Kurzprofil mit Anonymisierung des aktuellen Unternehmens Du definierst die Unternehmen deiner Berufsstationen, mit Ausnahme des aktuellen Unternehmens. 5. Kurzprofil mit Anonymisierung des Bewerbers und seines Unternehmens – via Vermittler In sensiblen Fällen sollte bei der Interessenvorklärung im ersten Schritt der Kandidat zwar beschrieben, aber noch anonym bleiben. Das geht natürlich nur über Vermittler oder vermittlungsaktive Karriereberater. Erst bei Interessenbekundung eines kontaktierten Unternehmens wird die Identität aufgedeckt.
Bewerben wie ein Gewinner
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Kurzprofil Doppelnutzen eines Kurzprofils Den Sinn einer gewissen Anonymisierung anhand des Kurzprofils haben wir im Vorhergehenden beschrieben. In einem größeren Unternehmen kommt nun ein ganz entscheidender Zusatznutzen des Kurzprofils dazu: Wenn normale Bewerbungen beim verantwortlichen Vorentscheider (normalerweise beim „Personaler“) eingehen, und dieser bestimmte Bewerbungen, also Lebensläufe auswählt, so muss er sich schließlich mit den Fachchefs der vakanten Positionen abstimmen. Diese Kollegen müssen das Interesse ihrerseits deklarieren. Bei der bekannten minimalen Zeit der Führungskräfte kommen diese nun nicht oder nur flüchtig dazu, Lebensläufe zu lesen. Erhalten die Fachchefs aber prägnante, einseitige Kurzprofile, die sie quasi auf einen Blick beurteilen können, so klappt das Feedback viel schneller. Das wiederum heißt, die Personal-Recruiter sind froh, wenn sie Kurzprofile erhalten. Je nachdem, erst ohne CV oder zusätzlich zum CV. Diese Personalleute begrüßen es sogar, wenn das Kurzprofil anonymisiert ist. Denn sie sind zur Vertraulichkeit verpflichtet. Und wenn sie nun das anonymisierte Kurzprofil in ihre Organisation eingeben, manchmal ja als Anfrage an mehrere potenziell interessierte Fachabteilungen, so können diese ihr Interesse einschätzen ohne das Unternehmen des potenziellen Kollegen zu erfahren. Gestaltung eines Kurzprofils – Muster Du solltest dein Kurzprofil in Sachen Bewerbung wie einen Produktprospekt erstellen. Deine „Produktvorteile“ sollten klar und prägnant rüberkommen. Das wichtigste gehört in die „Headline“ – wie in der Werbung. Dann folgt ein kurzer Überblick über deine Entwicklung bzw. Stationen. Gleich danach sollten Kernaussagen zu deiner Kompetenz folgen – auf den Punkt gebracht. Ggf. auch Erfolge, wenn du schon ein Professional bist. Das texten dieser Botschaften ist natürlich alles andere als einfach. Da muss ich manche Klienten richtiggehend quälen, bis sie die Dinge auf den Punkt gebracht haben. Aber es lohnt sich immer. Im Folgenden zwei Beispiele: Das Kurzprofil eines Projektingenieurs im mittleren Management, der sich selbst bewirbt, und das Kandidatenkurzprofil eines Business-Managers im oberen Management/Unit-Manager, der sich zunächst über mich als Vermittler bewirbt.
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Jobscouting – Jobhunting
Adresse Telefon E-Mail Homepage
NN Diplom-Ingenieur
Herrn NN NN AG
12. August 2008
Initiative Mein anonymisiertes Kurzprofil zur Interessenvorklärung:
FOTO
Projekt- und Entwicklungsingenieur Packaging / Maschinenbau, Jg. 19..
Stationen
Diplom-Ingenieur FH (2,0) Industriemechaniker Fachauditor
Ab 01. 09. 2006 : Projektmanager mit internationaler technischer Kundenverantwortung, mittelständische internationale GmbH Verpackungsmaschinenbau 2000: Entwicklungs- und Projektverantwortung eines Programmes Verpackungsmaschinen, Sparte eines marktführenden Konzerns 1997: Konstrukteur, gleiches Unternehmen
Kernkompetenz
Projektmanagement von Vertragserstellung bis Installation und Garantiebetreuung – Projektleitung kompletter Maschinenlinien incl. Q-Kontrolle des Teams – Qualitätsmanagement – Engineering Verpackungs-/Papiertechnologie, Maschinen- und Systemtechnik
Erfolge Fertigkeiten
Persönliche Daten
Jahrgang 19.., ledig, mobil
Fremdsprachen
Englisch verhandlungssicher, Französisch fortgeschritten
Patente Module Verpackungsmaschinen, einwandfreie Zeugnisse Beherrschung aktueller CAD- und ….-Systeme SAP Kompetenz Fachauditor ISO …
Veränderungsmotiv Der Firmenwechsel 20.. hat sich trotz erweiterter Verantwortung als Sackgasse und -ziel erwiesen. Suche bessere Entwicklungsmöglichkeiten. Angestrebte Aufgabe: Team/Gruppenleitung Projektmanagement mit Entwicklungs- und internationalem Kundenbezug. Maschinenbau / Anlagenbau. Anmerkung: Bei Interesse können umfassende Unterlagen und ggf. Gespräch schnell folgen. Feedback bitte per E-Mail.
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Bewerben wie ein Gewinner
Bereich Karrieremanagement Kontakt: Dr. Horst G. Kaltenbach Gröbenbachstr. 34 82194 Gröbenzell Tel. 08142 52136 Tel./Fax: 08142 540290 mobil: 0171 7743942 eMail:
[email protected] www.kaltenbachconsulting.de
Initiative für einen Klienten
HK_GM_Unit_07
Anonymisiertes Kandidatenkurzprofil zur Interessenvorklärung
FOTO
Leitender Manager im Bereich Halbleiter und Sicherheitselektronik Gesamtleitung Programmbereich (Unit) mit einem Volumen von 140 Mio. €, direkt berichtend an VP & General Manager des Geschäftsbereiches eines Elektronik-Konzerns Diplom-Wirtschafts-Ingenieur (Univ. 1,2), Executive MBA (Spanien), Jg. 19..
Stationen
Seit 04. 2003: Status siehe oben, verantwortlich für Etablieren und Wachstum des Segmentes 02. 2001: Geschäftsführer der US-Gesellschaft der Venture Capital Tochter des Konzerns; Schwerpunkt Mikroelektronik 02. 1998: Investment Manager Venture Capital vorher Unternehmensberatung
Kompetenzspektrum
Identifikation und Entwicklung von Hochwachstums-Geschäften im Technologie–Bereich; Geschäftsführung inkl. F&E, Operations, ProduktManagement und Marketing; Strategische Partnerschaften; Internationale Geschäfts-Praxis; Organisations- und Mitarbeiterentwicklung / Managemententwicklung; Finanzierung von Hochwachstums-Unternehmen;
Erfolgsbeispiele
Entwickeln eines Geschäfts-Segments von €25 Mio Umsatz auf € 140 Mio Umsatz und 15% EBIT Marge; weiter stark wachsend; Business Line Team mit Segment-Führungskräften etabliert Umsetzung zweier strategischer Partnerschaften in China und Spanien (€65 Mio Umsatz p.a.) Erfolgreiche VC Investments inklusive 2 Exits über IPOs und mehrere Unternehmensverkäufe
Pers. Daten
Jahrgang 19.., Deutsch, verheiratet, 2 Kinder
Fremdsprachen
Verhandlungssicher: Englisch, Deutsch (Muttersprache) Fließend: Französisch
Veränderungsmotiv
Ziele für das Segment erreicht; lange Firmenzugehörigkeit; strebt größere Verantwortung an.
Anmerkung: Bei Interesse kann nach Klärung der Optionen die Vita folgen. Der Kandidat ist Klient von Kaltenbach Consulting Karrieremanagement. Wir sind auf Führungskräfte und Experten in Tech-Branchen (Industrie und Dienste) spezialisiert.
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Jobscouting – Jobhunting
Bewerbungskommunikation Anschreiben – weniger ist mehr Anschreiben auf Papier sind von gestern. Nur die E-Mail-Kommunikation bei der Bewerbung hat zu Beginn Chancen auf Wirkung. Die Fragen meiner Klienten und die diversen Ratschläge in den Presse- und Online-Karriereratgebern bringen mich immer wieder zu der dringenden Empfehlung an alle Job-Suchenden: Bitte kein „Anschreiben“, wie das vielleicht früher mal üblich war! Ein paar kurze Sätze in der E-Mail, so kurz und knackig wie möglich – und ansonsten das CV sprechen lassen!
Ein verbreitetes Argument für kunstvolle, ausführliche Anschreiben lautet: „Die Beurteiler möchten wissen, inwieweit die Bewerber gut formulieren können …“ Das gilt vielleicht für Hauptschulabsolventen. Wenn im CV ein anspruchsvoller Abschluss oder gar schon ein anspruchsvoller Job nachgewiesen ist, kann der Kandidat anspruchsvoll kommunizieren. Ein weiteres Argument: „Die Beurteiler möchten sich ein Bild von der Person machen können. Deshalb sollte man ein paar Takte zu sich selbst schreiben …“. Das Bild machen sie sich aus dem Werdegang, sodann ggf. im telefonischen Interview und schließlich im Vorstellungsgespräch. Die Recruiter bekommen „Schüttelfrost“, wenn sie erst lange lesen müssen, wie kompetent der Bewerber sich für das Angebot findet, was er möchte und nicht möchte. Die prüfenden Personaler (wenn sie Profis sind) möchten auf einen Blick den beruflichen Werdegang überfliegen können, wenn sie den PDF-Anhang öffnen. Die Devise „kurz und knackig“ gilt übrigens auch für Initiativbewerbungen. Dienlicher als ein großartiges Anschreiben ist ein Kurzprofil, das du separat vom CV als zweites Dokument anhängst. Denn dann erleichterst du den Verantwortlichen im Unternehmen die innerbetriebliche Abstimmung bzw. Interessenvorklärung. Die Fachchefs haben nicht die Zeit, Lebensläufe von vorne bis hinten durchzulesen.
Bewerben wie ein Gewinner
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! Du musst davon ausgehen, dass die Zielpersonen deiner Bewerbung weniger als keine Zeit haben. Jedes Wort „mehr“ von dir erzeugt „weniger“ Wahrscheinlichkeit, dass deine Botschaft genau gelesen wird! Du musst dir folgende Situation vorstellen: Ein Personaler bekommt auf eine Ausschreibung am Freitag am darauf folgenden Montag 100 Bewerbungen und muss nun 100 Mal einen langatmigen Brief in der E-Mail durchlesen. Am Dienstag dasselbe. Der Frust kocht in ihm hoch. Wenn du stattdessen einen Dreizeiler schickst, machst du den guten Mann/die gute Frau glücklich. Dein CV wird garantiert registriert. Im Folgenden ein paar Beispiele für kurze E-Mail-Texte: Direktbewerbung – E-Mail-Textbeispiel Betr. Bewerbung für E 1001 Dortmund Sehr geehrte Frau Schmidt, die Offerte passt zu meinen erworbenen Kompetenzen und Ihr Unternehmen gefällt mir gut. Für ein baldiges Feedback auf meinen CV im Anhang danke ich Ihnen mit besten Grüßen - NN, 12.05.07 Absenderdaten
Initiativbewerbung mit Kurzprofil – E-Mail-Textbeispiel Bei Initiativen sollten die wichtigsten Merkmale des Bewerbers in der EMail aufgeführt sein. Denn die Empfänger müssen sich sofort ein Bild machen können, ob dafür und ggf. wo im Unternehmen ein Interesse besteht, bevor sie einen Anhang öffnen. Nach Möglichkeit sollte vorher ein Ansprechpartner ausfindig gemacht worden sein, an den die E-Mail persönlich gesendet wird. Formulierungsbeispiel:
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Jobscouting – Jobhunting
Betr. NN, Dipl.-Ing., Kurzprofil zur Interessenvorklärung Initiative Hallo Frau Schmidt, als Dipl.-Ing (FH, 1.6), Jg. 1981, mit drei Jahren Praxis, Fokus auf Projektingenieur im Maschinenbau, kann ich mir eine Aufgabe in Ihrem renommierten Unternehmen gut vorstellen. Der Bereich Automotive Test-Systeme würde mich besonders reizen. Verfügbar bin ich ab 01.09.2008. Zur Interessenvorklärung und zur Erleichterung Ihrer internen Sondierung anbei mein anonymisiertes Kurzprofil. Wenn mir Interesse signalisiert wird, können unmittelbar vertiefte Unterlagen und ggf. Gespräche folgen. Mit Dank für ein baldiges Feedback und mit besten Grüßen – NN, 12.05.08 Absenderdaten
Vorstellungsgespräch – rede nicht zu viel! Auch bei bester Jobsituation, bei bestem Arbeitsmarkt für Bewerber gibt es einen Wettbewerb der Talente. Und bei gleichwertigen Lebensläufen entscheidet natürlich das Gesprächserlebnis der Entscheider und Personaler, sei es im Vorstellungsgespräch oder vorher im Telefoninterview. Ich möchte dich von einer bestimmten Coaching-Erkenntnis profitieren lassen, weil es sich um eine so entscheidende, aber schnell lernbare Sache handelt: Rede nie länger als maximal eine halbe Minute selbst. Guck mal auf den Sekundenzeiger deiner Uhr und warte 15 Sekunden. Das empfindest du dann schon als lange, oder? Und stell dir vor, du müsstest dem Monolog von jemandem 30 Sekunden zuhören – das kann schon quälen.
Unser exzellentes Talent wird beispielsweise nach einer bestimmten Kompetenz gefragt, redet sich in eigene Begeisterung und erzählt und erzählt. Wenn das öfter im Gespräch vorkommt, wird der Bewerber höflich verabschiedet und das war es dann. Empfehlenswert: Auf eine Frage
Bewerben wie ein Gewinner
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eine kernige Antwort geben und dann die Rede beenden, die anderen lächelnd angucken oder zurückfragen: „Inwieweit entspricht das jetzt Ihrem Interesse?“. Manchmal auch eine Rückfrage stellen, statt gleich antworten: „Was interessiert Sie besonders?“ So beispielsweise auch, wenn die berühmte Aufforderung kommt, den Werdegang zu erzählen (der ja von den Beurteilern schon gelesen sein müsste). Und: Immer wieder eigene Fragen stellen. „Wie ist das in Ihrer Abteilung genau …?“ „Worauf legen Sie besonders Wert, wenn …?“ Dann stellst du nämlich eine Beziehung zwischen dir und den Firmenvertretern her. Monologe führen zu keiner Beziehung. Zu viele Talente, Young Professionals wie Erfahrene, machen zunächst den Fehler, sich in die eigene Rede drängen zu lassen. Die Jungen, weil sie meinen, sie müssten alles vorzeigen, was sie zu bieten haben. Die Älteren, weil sie das „selbst Reden“ aus ihren Konferenzen gewöhnt sind. Aber Bewerbergespräche sind kein Vortrag, sondern eben ein Gespräch. Wenn die Bewerber sich kurz fassen, zurückfragen, laufen die Bewerbungsgespräche plötzlich super. So berichten es mir meine Klienten. So erlebe ich es auch, wenn ich selbst rekrutiere. Es quält, wenn Bewerber endlos reden. Fragen sind angenehm. Ein Vorstellungsgespräch sollte – wie jedes Gespräch – eine Interaktion sein. Wenn nur einer Fragen stellt und nur der andere antwortet, kann sich kein persönliches Verhältnis aufbauen. ! Werde im Vorstellungsgespräch mit vielen Fragen aktiv. Nur so entsteht eine Beziehung. Wenn keine Beziehung entsteht, wird eher eine Absage folgen.
Vorstellungsgespräch – Fragen an dich Im Folgenden stelle ich den Lesern zwei Fragentabellen zur Verfügung. Die erste enthält Fragen, die Bewerbern gestellt werden, die zweite gute Fragen für Bewerber. Diese Fragen sind eine signifikante Selektion aus Informationen, die ich laufend bei Personalreferenten einerseits und bei meinen Klienten andererseits erhebe. Es handelt sich um typische Fragen aus der täglichen Praxis.
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Jobscouting – Jobhunting
Wenn du in der Bewerbungssituation bist, solltest du diese Fragen speziell für das jeweilige Unternehmen vorbereiten. Ein genaues Studium der Unternehmens-Website ist dazu unerlässlich. Und denke immer daran: Lass dich nicht zu Monologen verführen. Bewerbungsgespräch Fach-/Führungskraft Fragen an Bewerber – eher erstes (I) oder zweites (II) Gespräch.
I
II
1. Warum bewerben Sie sich bei uns?
X
2. Was zählen Sie zu Ihren besonderen Stärken?
X
3. Welche Schwächen haben Sie?
X
4. Wie beschreiben Sie sich selbst als Mensch?
X
5. Welche Aufgaben reizen Sie am meisten?
X
6. Warum wechseln Sie die Firma?
X
7. Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
X
8. Was sind Ihre wichtigsten Erfolge?
X
X
9. Was sind Ihre persönlichen Lebensziele?
X
X
10. Was können Sie für uns besser tun als andere?
X
X
11. Welche Einkommenserwartung haben Sie?
X
12. Was ist Ihnen in der Mitarbeiter-Führung wichtig?
X
X
13. Wie gehen Sie mit Konflikten – z. B. in der Arbeitsgruppe – um?
X
14. Was ist Ihnen für die Teamarbeit wichtig?
X
X
15. Was sind für Sie die Erfolgsfaktoren in unserem Geschäft (unseres Unternehmens)?
X
16. Was halten Sie bei uns für verbesserungswürdig?
X
17. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
X
X
18. Welchen Arbeitsstil verfolgen Sie?
X
X
19. Wie sollte Ihr Gehalt strukturiert sein? (Fix/variabel …)?
X
Bewerben wie ein Gewinner
89
Eine der gefährlichsten Fangfragen ist die Frage 17. Vergegenwärtige dir: Der beurteilende Personalmensch hat nur ein einziges Problem – er muss einen Job besetzen. Alles, was davon wegführt, löst sein Problem nicht. Wenn du nun deine Aufstiegshoffnung für die nächsten Jahre proklamierst, bist du schon durch das Raster gefallen. Dein Gesprächspartner denkt dann nämlich, dass du in dem Job gar nicht aufgehst, ihn nur als Überbrückungsstation betrachtest. Selbst wenn es so sein sollte, lass dir das nie anmerken!
Viele Bewerber denken, wenn sie sich mit dem aktuell angebotenen Job zufrieden zeigen, wird es ihnen als zu wenig ehrgeizig, zu wenig dynamisch ausgelegt. Irrtum! Es wird ihnen gut geschrieben, wenn sie sich auf dieses aktuelle Problem der Firma konzentrieren und sich als diese, und nur als diese eine Problemlösung anbieten. „Mir gefällt diese Aufgabe und ich möchte zeigen, dass ich das Beste daraus mache. Was sich in den nächsten Jahren ergibt, wird sich zeigen. Darüber denke ich jetzt noch nicht nach.“ So ungefähr kannst du dich dem Dilemma entziehen. Klärung des Lebenslaufes ist in der Fragentabelle vorausgesetzt (Verständnisfragen, Lücken, häufige Wechsel …). Der exzellente Personalreferent klärt dies im Vorfeld des Vorstellungsgespräches telefonisch. Oft werden die Bewerber zu Beginn des Gespräches gebeten: „Erzählen Sie uns kurz Ihren Werdegang“. Gründe: Der Personalreferent ist schlecht vorbereitet. Oder: Die Beurteiler sind in der Gesprächsführung unsicher und machen es sich dadurch bequem. Oder, im professionellen Fall: Die Beurteiler nutzen diese Situation, um Bewerber in Verhalten und Rhetorik (Mimik, Gestik, Tonart, Sprache, Vortragstechnik, Authentizität) in Ruhe studieren zu können. Du solltest dich deshalb auf eine kurzweilige Schilderung deiner Vita vorbereiten.
Vorstellungsgespräch – deine Fragen Wie schon besprochen, steuere das Gespräch auch selbst mit Fragen. Dadurch zeigst du Führungspotenzial und Initiative. Das sind wichtige Auslesekriterien. Außerdem solltest du ohne gewisse Erkenntnisse nicht den Raum verlassen. Denn ansonst wundert man sich, wieso du wichtige Fragen nicht gestellt hast. Außerdem bleibst du für deine Entscheidung
90
Jobscouting – Jobhunting
unsicher, solltest du einen Vertrag angeboten bekommen. Das wäre mehr als grob fahrlässig. Der Job ist dein Leben. Je nach Vorwissen und Situation solltest du deshalb einige Fragen aus der nächsten Tabelle stellen – die fett gedruckten auf alle Fälle. Scheue dich nicht, rechtzeitig über dein Gehalt zu sprechen. Die Hemmung davor ist typisch, aber gefährlich. Denn es gibt immer Verhandlungsspielraum. Wenn du das nicht aktiv nutzt, versuchen die Arbeitgeber dich am unteren Ende des Spielraumes einzustellen. Dann nachzuverhandeln, ist mühsam. Gib dich nie mit halbseidenen Antworten zufrieden. Hake so lange nach, bis die Antwort nachvollziehbar ist. Ein gutes, erfolgreiches Management legt darauf in der Kommunikationskultur auch Wert. Wenn deinen Fragen ausgewichen wird, ist der Job sehr fragwürdig – und du solltest Abstand nehmen, wenn du Alternativen hast. Bewerbungsgespräch Fach-/Führungskraft Fragen des Bewerbers – eher erstes (I) oder zweites (II) Gespräch
I
1. Welche Fähigkeiten müsste Ihr idealer Kandidat mitbringen?
X
2. Was sind die übergeordneten Ziele für diese Position?
X
3. Wie begreifen Sie die Hauptverantwortung in dieser Position? 4. Welche Hauptaufgaben schreiben Sie dem Stelleninhaber zu? Sind diese in einer Funktionsbeschreibung festgehalten?
II
X X
X
X
5. Was sind Ihre persönlichen fachlichen Erwartungen an mich?
X
6. Was sind Ihre persönlichen Erwartungen an mein Verhalten?
X
7. Wie sieht die Organisationsstruktur um meinen Job herum aus?
X
X
8. Wie finden Entscheidungen statt?
X
X
9. Gibt es Arbeitsprinzipien für Methoden, Zeitstruktur, Dokumentation …?
X
X
10. Wie beschreiben Sie meinen unmittelbaren Chef als Mensch? Was kennzeichnet ihn?
X
X
11. Wie läuft die Kommunikation im Bereich und über Bereichsgrenzen hinweg?
X
X
12. Gibt es Gremien, in denen ich Mitglied sein werde, welche?
91
Bewerben wie ein Gewinner
Bewerbungsgespräch Fach-/Führungskraft Fragen des Bewerbers – eher erstes (I) oder zweites (II) Gespräch
I
II
13. Gibt es besondere Team- und Projektmanagementverfahren?
X
14. Auf welche Mitarbeiter kann ich zählen?
X
15. Gehaltskomponenten?
X
16. Eigentümerverhältnisse?
X
17. Wie kann ich meine Kollegen oder das Team kennen lernen (vor Vertragsabschluss)?
X
X
…
Die genaue Jobdefinition ist in der Tabelle vorausgesetzt. Sollte diese nicht klar vorhanden sein, ist das deine Hauptfrage! Bitte spätestens vor dem zweiten Gespräch um eine Betriebsbesichtigung. Normalerweise kommt die Einladung dazu von den Entscheidern. Wenn das abgelehnt wird, ist das ehrliche Interesse an dir in Frage zu stellen. Manchmal dienen Vorstellungsgespräche der „Konkurrenzforschung“ oder man möchte anderweitig interessante Informationen einholen. Dreh den Spieß einfach um. Wenn dir dann unwillig oder nicht geantwortet wird, so verabschiede dich bald.
Das ersehnte zweite Gespräch Du bist jetzt im finalen Bewerbungsprozess, sozusagen im Halbfinale – gratuliere, das ist schon ein Sieg! Aber du kannst dich nicht ausruhen, denn für das Finale brauchst du noch mehr Kraft. Was du für den entscheidenden Kampf, d. h. für das zweite Gespräch mindestens und unbedingt befolgen solltest: Sei gelöst, ruhig – somit konzentriert auf die Gesprächspartner.
Wenn du Lampenfieber hast, hol dir ein Bild aus deinem Gedächtnis, das dich einmal in Hochstimmung versetzt hat. Konzentriere dich auf
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Jobscouting – Jobhunting
die Teilnehmer (schau sie an, geh auf sie ein, hinterfrage ihre Ausführungen …) und nicht auf dich! Damit führst du automatisch eine optimale Kommunikation herbei (Memo: die Gefühlsebene dominiert die Sachebene!). Stelle initiativ die für dich wichtigsten Fragen (siehe Tabelle).
Führe nie länger als maximal eine halbe Minute einen Monolog. Mit Fragen kommst du aus dem Monolog. Sorge energisch für Klärung u. a. folgender Punkte – und zwar
genau, lass kein „ungefähr“ zu: Tätigkeit: Worauf kommt es besonders an, wie ist er nach Aufga-
ben strukturiert, wer beurteilt dich, wer ist dein Mentor, mit wem arbeitest du zusammen …? Einkommen: Welches Gehalt fix und variabel kannst du erwarten? Sei unternehmerisch in der Akzeptanz eines erheblichen variablen Teiles. Lass dir ein Vertragsangebot definieren, verhandle ggf. Teile und poche auf schnelle Zusendung – mit vereinbartem Termin – nachdem die Beurteiler sich ggf. nochmals besprochen haben. Den Entscheidern gefällt das. Alles andere wird in Richtung schwach, labil etc. interpretiert. Lass dir dein Arbeitsumfeld zeigen (falls das noch nicht im ersten
Gespräch geschah). Guck dir die Gesichter deiner potenziellen Kollegen an. Falls die alle lustlos gucken, lehne den Vertrag ab (nach Erhalt, mit diplomatischer Ausrede).
Bewertung von Jobalternativen Ich denke, die folgende Tabelle spricht für sich selbst. Die Antworten können mit einem vernünftigen Recherche-Mix aus Sekundärinformationen und persönlichen Primärinformationen gegeben werden. Die Spalte Gewicht ist kein Muss. Aber vielleicht sind dir manche Kriterien besonders wichtig. Dann multipliziere die Note mit dem Gewicht (vielleicht x 2). Ansonst bilde einfach die Durchschnittsnote aus deinen Bewertungen.
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Bewerben wie ein Gewinner
Anzeige arvato
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Jobscouting – Jobhunting
Oft lässt sich die Entscheidung nicht rational herbeiführen. Dein Gefühl sollte dann entscheiden. Bewertung von alternativen Jobs/Vertragsangeboten Kriterien
Anmerkung
Image/Qualität der Firma
Internetrecherche. Mindestens Studium der Website: Sympathie? Funktionalität? Management? Programm?
Vorteil meiner fachlichen Kompetenzen
Inwieweit passen meine Fähigkeiten, in Ausbildung und bisheriger Praxis erlernt, zu den Aufgaben des Jobs?
Vorteil meiner Denk- und Verhaltenstalente
Inwieweit passen mein Denk- und Verhaltensstil zu den Aufgaben des Jobs?
Entwicklungsaussichten für mich
Ist der Job eine Sackgasse oder ergeben sich Aufstiegschancen im Unternehmen?
Personalmarktwert des Jobs – Trend
Inwieweit werden solche Fähigkeiten in Zukunft gesucht?
Gehaltsniveau relativ
Überdurchschnittlich (3), üblich (2) oder unterdurchschnittlich (1)?
Mein Einkommen ist mit variablen Teilen steuerbar
Inwieweit lohnt sich überdurchschnittliches Engagement?
Mentalität meines direkten Chefs passt zu mir
Rationales, überlegtes Vorgehen gegenüber emotionaler Stärke? Totale Gegensätzlichkeiten = 1
Punkte super = 3 o. k. =2 fraglich = 1
Gewicht
Wert
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Bewerben wie ein Gewinner
Bewertung von alternativen Jobs/Vertragsangeboten Kriterien
Anmerkung
Mentalität meiner direkten Kollegen passt zu mir
dito
Werde ich Spaß an meinen Aufgaben haben?
Inwieweit gefallen mir Produkt-/Leistungswelt und Kultur des Unternehmens?
Welches Klima schnupperte ich beim Besuch in der Firma?
fröhliche Menschen = 3 ernst, konzentriert = 2 frustrierte Gesichter = 1
Lebensqualität der Region
Wie gerne lebe ich dort, angesichts meiner Neigungen und familiären Situation?
Punkte super = 3 o. k. =2 fraglich = 1
Gewicht
Wert
Durchschnittsnote oder Wert gesamt:
Das Recruitingverhalten sagt viel Ohne große Analyse lässt sich ein Jobangebot meist schon alleine durch die Art und Weise des Personalmarketings/Recruitings des Unternehmens bewerten: Hebt sich die Anzeige, Jobofferte von den anderen Anzeigen ab?
Drückt die Firma aus, warum sich ein Talent ausgerechnet bei ihr bewerben sollte? Wenn nur das Logo den Unterschied macht, ist das herzlich wenig. Drückt die persönliche Kommunikation der Unternehmensrepräsentanten Begeisterung, Initiative für das eigene Unternehmen aus, wenn beispielsweise ein Telefonat geführt wird? Oder wie ist das auf Karrieremessen? Stehen da engagierte Mitarbeiter oder nur Funktionspuppen? Wenn du Fragen stellst, kommen dann kompetente, interessierte Antworten oder nur Anmerkungen wie von einem Schalterbeamten?
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Jobscouting – Jobhunting
Wenn du zum Gespräch eingeladen wirst, drückt man dir Freude an
deiner Bewerbung aus? Motiviert man dich? Oder gibt es nur die sterile Form wie „Danke für Ihre Bewerbung. Wir laden Sie zu einem Gespräch am … in … ein. Melden Sie sich an der Pforte. Teilen Sie uns bitte mit, ob Sie den Termin wahrnehmen können. Mit freundlichen Grüßen …“ Da laden Maschinen, aber keine Menschen ein. Sind deine Gesprächspartner im Vorstellungsgespräch ehrlich zu dir? Gehen Sie auf kritische Fragen ein? Oder werden die Gesprächspartner gar ungehalten, wenn du mit Fragen zum Unternehmen und zum Job in die Tiefe gehst? Oft wird so getan, als ob es Schwachstellen in der Firma nicht gäbe. Bei dir sollte dann Misstrauen erwachen.
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Eine gewisse fachliche und menschliche Qualität setzt die Jobwelt heute für alle Talente voraus, die einen Job in einer Organisation ausüben bzw. in einen solchen einsteigen. Darüber hinaus gibt es bestimmte Fähigkeiten, deren Ausprägung darüber entscheidet, wie schnell und wie steil eine Karriere verläuft. In der Roadmap für die Karriere (vor dem ersten Kapitel) habe ich diese Pluspunkte bereits skizziert. Im Folgenden geht es um Talente, die schon im Beruf stecken, also nicht um Neueinsteiger bzw. Absolventen. Denn beschleunigen kannst du ja nur, wenn du schon fährst.
Klassische Laufbahnen und Personalentwicklungskonzepte Bislang wurden in den größeren Unternehmen, in ihrer Personalentwicklung oder Mitarbeiterförderung, bestimmte Laufbahnen unterstellt. Es wurden Zielgruppen unterschieden, je nachdem, welche Persönlichkeitsstruktur und Interessen vorhanden sind. So unterscheidet man grob zwischen Fachlaufbahnen und Führungslaufbahnen. In Ersteren fördert man eher das Expertentum. In Letzteren eher die Führungskunst und das generelle Management. In manchen Unternehmen schuf man eine dritte Ausrichtung, nämlich die Entwicklung zum Projektmanagement bzw. Projektmanager. Da gibt es fachneutrale Kompetenzen, für die man durchaus eine spezielle Fortbildung benötigt, welche das Unternehmen dann bietet. Grundsätzlich stimmt es natürlicherweise, dass bestimmte Talente eher für Führungsrollen geeignet sind als andere. Wenn jemand beispielsweise sehr introvertiert, also sehr in sich gerichtet ist, hat er ein Problem, wenn er andere Leute oder Teams führen soll. Er klebt an seinem Können in
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der fachlichen Expertise. Er ist Fachmann durch und durch. Die Beziehung zu anderen spielt bei ihm keine so große Rolle. So ein Talent ist der ausgewiesene Experte. Und er ist stolz darauf. Wenn aber jemand zehn Leute direkt führt und für 100 Leute Verantwortung trägt, beispielsweise ein Fertigungsleiter, so kann er das nicht alleine mit Fachwissen bewältigen. Dazu braucht er ein Gefühl für den Umgang mit Menschen. Die Projektmanagementlaufbahn hat sich in der modernen Organisationsentwicklung ergeben. Verantwortungen und Aufgaben vollziehen sich heute zunehmend in Projekten über mehrere Fachabteilungen hinweg. Wenn zum Beispiel ein neuer Unternehmensstandort, vielleicht im Ausland, errichtet werden soll, muss jemand koordinieren und steuern, bis alles läuft. Leute aus Kalkulation, Controlling, Unternehmensplanung, Fertigung, Instandhaltung, Logistik, Vertrieb usw. müssen zusammenarbeiten und im Projekt geführt werden. Dafür ist mindestens eine Grundausbildung in Sachen Projektmanagement notwendig. Auch schon wegen der Software-Tools, ohne die heute ein Projekt nicht mehr kontrolliert ablaufen kann. Das Mindeste dazu ist die souveräne Beherrschung der Möglichkeiten, die Microsoft Excel bietet.
Trends Laufbahnkonzepte sind in ihrem Nutzen heute recht fraglich geworden. Die Anforderungen des Jobs sind entscheidend. Und welche Jobs gibt es heute noch, in denen nicht kommuniziert werden muss oder in denen nicht ein gewisses Spezialwissen angebracht ist? In denen nicht auch Projektarbeit stattfindet? In Wirklichkeit müsste heute Personalentwicklung Jobentwicklung sein. Welche Fähigkeiten brauche ich genau in diesem meinem vorhandenen oder angepeilten Job? Die Personaler tun sich damit noch schwer. Denn Seminarprogramme sind zu allgemein. Und die nötige Individualisierung und Personalisierung überfordert den Personalentwickler, soweit es ihn überhaupt noch gibt. Dennoch, die berühmten Führungskräfteentwicklungsprogramme haben weitgehend an Standards verloren. Sie sind modular aufgebaut. Auf jedem Management-Level und in jedem Fachbereich kombiniert man spezielle Module. Generell lässt sich heute feststellen:
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De facto kann ein Experte nicht mehr nur Experte bleiben, wenn er im globalen Unternehmensnetzwerk vorankommen will.
Er wird auch zwangsläufig Projektaufgaben bekommen und muss mit unterschiedlichsten Typen im Firmenverbund und in Teams zurechtkommen. Dazu wiederum braucht er Kommunikations- und Teamführungskompetenzen. Das heißt also, ein eigensinniger Mensch hat heute keine Chancen auf Erfolg und somit auf Karriere. Zumindest muss er sich in Teams zur Zusammenarbeit einfügen können. Das geht nicht ohne Beziehungsfähigkeit. Führungskräfte, auch „obere“, müssen sich fachlich einmischen können, da die Hierarchien flacher als früher und Sach-/Fach-Knowhow für schnelle Entscheidungen wichtig ist.
Die Einteilung der Organisation nach Geschäftsbereichen, „Business Units“, die horizontale Zellteilung, hat sich breit gemacht. Units sind meist nach unterschiedlichen Produktgruppen und/oder Kundengruppen, Regionen etc. gegliedert. Der Leiter einer solchen Unit kann nicht nur mit abstrakten Führungskünsten führen oder nur koordinieren. Er muss sich einmischen und auch als Führungskraft initiativ werden. Ohne Kenntnis seines Produktbereiches und der Kundenerwartungen geht das nicht. Sonst verliert er schnell Akzeptanz bei seinen Mitarbeitern. Vormals, in den hierarchisch, vertikal organisierten Unternehmen, hatte ein leitender Angestellter, ein „Direktor“, mehrere persönliche Stabsmitarbeiter, Assistenten und Hauptabteilungsleiter, welche die Abteilungen leiteten. Der Chef hatte also ein riesiges Gebilde von Menschen und Maschinen unter sich. Um dieses zu steuern, war die Fachexpertise beinahe hinderlich. Der „Frühstücksdirektor“ hatte tatsächlich seine Berechtigung. Er musste Meister der gepflegten Unterhaltung sein und eine gewisse Autorität ausstrahlen. Das genügte. Seine Offiziere und Soldaten machten die Schlacht. Er gab nur die Richtung vor. Richtungsentscheider sind heute nur noch Vorstandsvorsitzende, „CEOs“ und Geschäftsführungsvorsitzende. Und selbst diese kommen heute nicht darum herum, sich persönlich in wichtige Projekte einzuschalten oder sogar ein Projekt zu leiten. Die berühmte Akquisition eines Unternehmens sowie die anschließende Integration ist ein typisches Beispiel.
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Der leitende Angestellte, Managing Director etc., hat heute vielleicht einen einzigen operativen Assistenten. Hauptabteilungsleiter unter ihm gibt es zunehmend nicht mehr. Der Chef muss Gruppen, Abteilungen operativ führen und ist für die Wertschöpfung selbst verantwortlich (Profit & Loss). Projektmanagement-Fähigkeiten brauchen alle Talente, die Karriere machen wollen. Ob Fachmann, Gruppenleiter, leitender Angestellter – oder sogar Vorstand – jeder wird heute einmal in Projektverantwortungen kommen. Projektmanagement ist eine gefragte Meta-Fähigkeit geworden. Unverzichtbar, wenn du weiterkommen willst.
Ein Laufbahnkonzept dafür scheint allerdings gekünstelt. Denn Projektmanager ist einerseits eine Rolle, in die heute jeder auf allen Managementebenen gerät. Andererseits ist der Begriff „Projektmanager“ als Standard-Jobbeschreibung eingeführt. Beispielsweise für jemanden, der Verantwortungen für bestimmte Entwicklungs- oder Kundenprojekte hat, wie etwa der Projektmanager von Sonderanfertigungen für Fertigungsmaschinen. Er koordiniert die Kundenwünsche mit seiner Entwicklungsabteilung und kontrolliert anschließend die zuverlässige Fertigung sowie Auslieferung und Installation seiner Maschine. Ich möchte das aber nicht als Laufbahn bezeichnen. Die Laufbahn führt weiter in Richtung Programmleiter, Geschäftsbereichsleiter, Business Manager, Unit Manager etc. Da führt er seine PMs, aber gleichzeitig alle anderen Funktionen, vom Key Accounting bis zum Engineering. Allerdings gibt es Verantwortungen im Großanlagengeschäft, da ist Projektleiter oder Projektmanager durchaus ein Top-Job. Wenn es um viele Millionen, manchmal Milliarden Euro geht, ist der gesamtverantwortliche Leiter eines solchen Projektes mit einem Top-Manager zu vergleichen. Man denke an Flugzeugbau, Schiffe, Fabriken. Sodann hat sich der Job-Begriff Projektmanager für die interne Leitung von Veränderungsprojekten breit gemacht (Change Management). Wenn zum Beispiel zwei Unternehmensbereiche zusammengelegt oder Produktionssysteme umgestellt werden, dann treten die internen Projektmanager in Aktion und fördern solche Prozesse, oft in Zusammenarbeit mit externen Beratern. Ich möchte hier auch nicht von Laufbahn sprechen. Das ist eher eine – manchmal attraktive – Zwischenstation auf dem Weg zu einer
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Führungsposition. Energischen Temperamenten rate ich persönlich zu einem frühzeitigen Job in der Linie. Denn die Projektmanager in Beratungsfunktionen geraten leicht in eine Karrieresackgasse. Zunehmend liest man auch den Job-Begriff „Prozessmanager“. Dieser ist verantwortlich für die kontinuierliche Optimierung bestimmter Abläufe und Verfahren. Ehemalige Gruppenleiter in der Produktion beispielsweise heißen in Stellenanzeigen plötzlich Prozessingenieure. Da fragt sich, was eigentlich kein Prozess ist. Struktur und Prozess sind die zwei Determinanten einer jeden Organisation, eines jeden Systems. ! Schiele nicht auf Laufbahnkonzepte oder Personalförderung. Du kannst dich nur selbst fördern, indem du den konkreten Job anstrebst, der deinem Talent entspricht und du das trainierst oder lernst, was dazu nötig ist. Manage dir deine Laufbahn in deinem Unternehmen selbst. Zeichne dich durch selbstbewusste Eigeninitiative aus.
Projektmanagement Grundsätzliches Die Fähigkeit zum Projektmanagement ist bei Professionals mittlerweile schon eine Karrierevoraussetzung. Natürlich in abgestufter Fertigkeit, je nach Job. Deshalb ist es sehr wichtig, so bald wie möglich in Projekten mitzuarbeiten und die Tools zu lernen. Denn wenn du als reiferes Talent erstmalig in einem Projekt arbeitest oder gar eines leiten musst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du im Kollegenkreis an Akzeptanz verlierst. Im Projektteam zu arbeiten und ein Projekt zu leiten, erfordert wesentlich andere Disziplinen und Erfolgsfaktoren, als einem normalen Arbeitsteam einer Abteilung anzugehören. Da musst du mit Erfahrung hineinwachsen, beispielsweise bei der Entwicklung eines neuen Produktes oder Modells oder der Umorganisation eines Vertriebsbereiches, der Änderung der IT-Struktur, der Neuausrichtung eines Internetauftritts, der Durchführung einer Messe usw.
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Projektarbeit und damit Projektmanagement durchdringen alle Unternehmen, breiten sich mit voller Kraft und Geschwindigkeit aus und sind zu Metafähigkeiten geworden. Führungspositionen enthalten zusehends mehr Projektverantwortung anstelle des Managements bestehender Einrichtungen. Selbst früher als administrativ bezeichnete Funktionen vollziehen sich heute hochgradig in Form von Projektmanagement. Beispiel Personalmanagement: Denke nur an die Änderung von Entlohnungsstrukturen bei einigen tausend Mitarbeitern. Beispiel Innendienst/Service: Umstellung auf eine Call-Center-Organisation. Beispiel Finanzen: Umstellung auf internationale Bilanzierungssysteme usw. Da werden jeweils viele Menschen unterschiedlicher Abteilungen zusammengebracht und in Bewegung gesetzt.
Projektleitung – Blitzunterweisung Mit einigen zentralen Punkten kannst du den Erfolg eines Projektes – und somit auch deinen Erfolg – sicherstellen. Bringen wir das Szenario auf den einfachen Punkt: Ein Projekt ist ein nach Zeit und Ergebnis geplantes Vorhaben. Als Projektleiter musst du das Ziel, also den Zustand, der als Ergebnis herbeigeführt werden soll, verinnerlicht haben. Du hast weiterhin Klarheit über die Fähigkeiten der Gruppe von Menschen, die mit dir den Zustand herstellen sollen. Und du kommunizierst aktiv mit Demjenigen, dem du Rechenschaft schuldig bist, inwieweit das Ganze gelingt. Die Knackpunkte 1. Zielklarheit Zielklarheit ist das Wichtigste überhaupt. Dazu gehört, dass du so lange bei deinem Chef intervenierst, bis dir das Ziel absolut klar ist, bis er es dir absolut klar gemacht hat. ! Ein Projektziel ist erst dann klar, wenn das angepeilte Ergebnis glasklar in deiner Vorstellung vor dir steht, zu greifen ist. Und wenn definiert ist, wann es stehen soll und was es kosten darf.
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Du merkst, die Arbeit der Zielbeschreibung ist schon das halbe Projektmanagement. Die größte Krankheit im Management ist das Bekunden von verschwommenen Zielen in oberen Etagen. Dahinter steckt Selbstschutz. Denn klare Ziele sind eine Verpflichtung. Bei unklaren Zielen kann der Chef oder die Chefin am Ende sagen, „Da habe ich mir aber etwas anderes vorgestellt“ und am Ergebnis herumkritisieren. Sodann muss auch deine Mannschaft das Ziel verstehen. Dazu gehört natürlich die Begründung. Ohne Begründung kann man ein Ziel nicht verstehen. Aus der Begründung folgt schließlich der Sinn. Prüfe, ob dein Projektteam das Ziel wirklich verstanden hat. Lass dir von jedem Einzelnen dieses bestätigen. Sonst sind spätere Blockaden vorprogrammiert. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn eine Gruppe von Menschen aus Lust am Losmarschieren losstürmt, ohne vorher eine genaue Peilung vorgenommen zu haben. Das Projekt geht schief. Also ihr berühmten „Hand-on“-Typen, Umsetzer, Durchsetzer, Dynamiker …, lasst eure logischen, analytischen, rationalen Talentteilchen zu Wort kommen, auch wenn es nicht eure Favoriten sind. Die anderen Talente kommen später zum Einsatz. 2. Verteilte Stärken der Teammitglieder nutzen Wenn das Ziel klar ist, kannst du mit deiner Mannschaft, mit deinem Projektteam darauf los marschieren. Dazu musst du deine Damen und Herren gut kennen/lernen (vgl. Kapitel 2). Nutze die Talente deiner Teammitglieder: Den Kreativen (D), den Motivator (C), den Prüfer (B), den Analysten (A) solltest du jeweils dann besonders ins Spiel bringen, wenn dessen Talent gefordert ist. Beispiel: Den Kreativen setzt du ein, wenn man eine Problemlösung in einem wesentlichen Projektschritt sucht. Den Analysten nutzt du, wenn der Vorschlag gecheckt werden muss. Der Prüfer soll die Revision der Planung machen. Der Motivator kann das Team wieder in Laune bringen, wenn sich Depression breit macht. Du selbst setzt deine Interventionen nach deinen eigenen Stärken. Du bist gleichzeitig Führer zum Ziel und Kurskontrolleur. Du hast darauf zu achten, dass deine Mannschaft nicht ins Schlingern gerät.
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3. Kommunikation Kommunikation im Projektmanagement ist nahezu identisch mit Feedback. Wie geht es? Was bremst? Was dient der Verbesserung? Was bringt uns wieder auf den Weg? Als Projektleiter musst du kontinuierlich die Reaktionen im Arbeits- und Zusammenarbeitsprozess auf den Tisch bringen und natürlich auch deine Beobachtungen, Bedenken und Änderungswünsche dem Team mitteilen. Einem Professional dürfte man nicht sagen müssen, dass bezüglich des kontinuierlichen Feedbacks Offenheit in der Gruppe dazugehört. Das sollte in den ersten Berufsjahren gelernt sein. Wenn dich ein Teammitglied im Einzelgespräch „vertraulich“ für ein Projekt- oder Teamthema auf die Seite nehmen will, lehne es ab und empfiehl ihm, das im TeamMeeting anzubringen. Es sei denn, es geht um ganz persönliche Probleme des Teamkollegen selbst. Dann musst du – quasi als Mentor – ein Ohr für dieses Teammitglied haben. Kommunikation im Projektmanagement heißt aber auch, den Faden zur Chefetage nicht abtrennen. Was erlebt der Chef bezüglich des Projektes, was begrüßt er, was beanstandet er? Und nicht zuletzt gehört zur Kommunikation die Einbeziehung der Kollegen, die nicht am Projekt mitwirken. Du brauchst ständig die Hilfe von anderen Ressorts und bestimmten Experten. Das Projekt ist keine Insel. Es ist Teil des Unternehmensnetzwerkes. 4. Kontrolle auf dem Weg Selbstverständlich sind für ein Projekt die berühmten „Meilensteine“ geplant, die Zwischenziele vor Erreichen des Endzieles. Von Etappe zu Etappe kommt es erfahrungsgemäß zu Änderungen und Störungen, welche dich ein Stück vom Weg abbringen. Deshalb sind die Zwischenchecks mit dem Team, inwieweit das Projektziel noch in Sicht ist, enorm wichtig. Bei Abweichungen vom Ziel solltest du klare Vereinbarungen herbeiführen, wer was unternimmt, um wieder in die Spur zu kommen. Hier hast du eine Möglichkeit, dich in deiner Karriere zu profilieren. Nichts macht heute mehr Eindruck, als ein Projekt plangemäß realisiert zu haben. Das sind Erfolgspunkte, die deinen CV verschönern und auch in Zeugnissen stehen. Diesen Erfolg kannst du nur durch kontinuierliches Projektcontrolling mit Konsequenzen bei erkannten Abweichungen sichern.
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Dazu eine Story: Wie schnell schert ein Teammitglied aus, weil ein Hindernis auftaucht? Da kommt beispielsweise ein Einkäufer mit der Meldung, dass er ein geplantes Material nicht rechtzeitig beschaffen kann (z. B. Produktentwicklungsprojekt). Sein Gesprächspartner in deinem Team will hinsichtlich Timing gleich das Handtuch werfen und das Zeitziel nach hinten verlagern. Jetzt bist du dran. Wenn du nicht mit vollem unternehmerischem und energischem Einsatz all deiner Teampartner alles tust, damit dieses Material oder ein gleichwertiger Ersatz beschafft wird, wirst du ständig das Ziel verrücken müssen. Das kann bis zum Konfliktmanagement auf oberer Ebene gehen. Du bringst deinen Chef mit dem Einkaufschef zusammen und moderierst die Eskalation. Ergebnis muss sein, dass unser Einkäufer um sein Leben rennt, bis er eine Beschaffungslösung gefunden hat! Ein Lob folgt und beim nächsten Mal bleiben müde „Wenn und Abers“ aus. Du bist der Unternehmer für dein Projekt und das Vorbild für dein Team. Deine Zähigkeit wird sich in der Zähigkeit des Teams spiegeln. Gibst du angeblichem „Geht nicht“ nach, wird auch dein Team die Zügel locker lassen. ! Als Projektleiter musst du als kämpferisches Vorbild deine Mitstreiter dazu bringen, dass sie im Kampf um Zielerreichung an Ihre Kraftgrenzen gehen. Ein Ergebnisziel zu verschieben, hat stets negative Imagefolgen für alle Projektmitarbeiter und besonders für dich als Projektleiter. Auch dann, wenn du die Änderungen nicht ursächlich zu vertreten hast.
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Persönliche Kommunikationsstrategie Landkarte der Kommunikation Die Grundregel für die Karriere, sich nicht zu verbiegen, sein persönliches Talent, seine Stärken auszuspielen, gilt natürlich in allererster Linie für die Kommunikation mit anderen im Beruf. In falsch verstandener Anpassung an Situationen oder Vorgesetzte schießen zu viele jüngere Talente Eigentore. Anstatt, dass sie sich so verhalten und reden, wie es ihnen nach ihrem Talentprofil liegt, schlüpfen sie in eine fremde Rolle. Man merkt es ihnen an. Sie wirken nicht authentisch, nicht echt. Doch auch nicht wenige Seniors haben trotz vieler Trainings in ihrem Berufsleben verlernt, ihre Stärken einzusetzen. Besonders peinlich wirkt es, wenn sie aufgesetzt lachen, obwohl die Augen ernst schauen. Wenn sie Witze machen, obwohl man merkt, dass ihnen gar nicht danach ist. Warum verstellen sich Menschen im Prozess der Kommunikation? Weil sie häufig meinen, sie müssten ihr Verhalten dem von Autoritätspersonen wie zum Beispiel Vorgesetzten angleichen. Das ist ein völlig falsch verstandener Rapport. Und der Schuss geht nach hinten los. Denn ein souveräner Chef interpretiert dir das als Schwäche, als Mangel an eigener Persönlichkeit. Er wird dich nur ausnutzen und für anspruchsvolle Aufgaben andere, selbstbewusste Kollegen heranziehen. Wahrscheinlich haben sich bei solch angepassten Mitarbeitern Einprägungen aus der Erziehung festgesetzt. Nämlich: „Achtung, Anpassung, Demut vor Autoritäten“. Mutter: „Da kommt Doktor Schmidt, verhalte dich brav!“ Für die Karriere bietet sich folgende Therapie an: Erinnere dich an ein Erfolgserlebnis, in dem du ganz du selbst warst. Probier es aus, wenn du das nächste Mal mit deinem Chef sprichst. Aber übertreibe nicht. Du kannst dich taktisch und trotzdem authentisch verhalten. Auch hier gilt: Im Zweifel stellst du einfach Fragen.
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! Deine Persönlichkeit kannst du nur per Kommunikation mitteilen. Wenn du nicht mittels deiner höchst persönlichen Talente kommunizierst, bleibt deine Persönlichkeit auf der Strecke – und mit dem Durchstarten ist’s vorbei. Denke dich nun mit deinem Typ, mit deinen Begabungen in die nachstehende Grafik hinein. Dann hast du automatisch die Elemente, die dir liegen. Kombiniere im Gespräch diejenigen deiner Stärken, welche beim Gesprächspartner am ehesten ankommen. Bei gleichen Typen ist die Voraussetzung natürlich optimal. Wenn dein Profil in etwa gleich verteilt ist, also keine deutliche Ausprägung hat, so nimm hauptsächlich die Metaformel in Anspruch. Ansonsten kannst du dich als flexibles Talent hervorragend auf alle Typen einstellen, ohne dabei an Gesicht zu verlieren. In Kapitel 2 haben wir uns mit der Interpretation unterschiedlicher Typen tiefer gehend befasst. Aber nutze das Tableau nur als strategische Hilfe! Übertreibe deinen Stil nicht. Lass auch deinen Gesprächspartner zu seinem Stil kommen. Dann wirst du gute Gespräche haben. Denn dann fühlen sich beide im Gespräch wohl, nicht nur einer. Dieses Sich-Wohlfühlen ist überaus wichtig. Wenn dein Gesprächspartner sich nicht wohl fühlt, dann baut sich auch bei noch so guten Argumenten keine Beziehung auf – du kannst von ihm dann nichts erwarten. Die Psychologen wissen, dass die Beziehungsebene die Sachebene dominiert. Mit anderen Worten, nicht die Inhalte entscheiden über eine Beziehung, sondern die so genannte Chemie. Deshalb, egal ob du ein Vorstellungsgespräch oder ein Chefgespräch führst, im Team oder in einer Konferenz kommunizierst, versuche zu allererst eine gute Beziehung, ein gutes Klima herzustellen. Die Landkarte der Stile hilft dir dabei:
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Strategische Kommunikation mit eigenen Stärken Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12
• Fragen und hinterfragen • Wissen beisteuern • Argumente liefern und einfordern • Diskussion in logische Bahnen bringen
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• Visionen bildhaft aufbauen • Chancen aufzeigen • Abwechslung und Spaß einbringen • Metaphern erzählen
6 Metastrategie, die immer passt: 3 Gespräch Mit Fragen das führen
• Praktische Schritte aufzeigen • auf Gefahren aufmerksam machen • Erfahrungen einbringen • für organisierten Ablauf sorgen (Meeting)
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
• Stärken der anderen loben • Gefühle zeigen und ansprechen • Motivation vermitteln • auf andere zugehen
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
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Konstellationen Versetze dich in die unterschiedlichen Welten der Typen. Dir ist sicher plausibel, dass die parallelen Konstellationen im Gespräch wenig Konfliktpotenzial haben. A-D haben ihre intellektuelle Tendenz gemeinsam. A-B fühlen sich beide in der rationalen Welt der Fakten gut aufgehoben. B-C möchten beide fest auf dem Boden stehen. C-D finden sich gemeinsam im guten Gespür für Situationen wieder. Die berühmten Dramen, Konflikte, spielen sich bei den gegensätzlichen Konstellationen ab, zwischen gegensätzlichen Typen. A-C Gespräche haben ein relativ großes Konfliktpotenzial. A mag das Harmoniestreben des C nicht. Dem C ist die kalte Art des A zu wieder. Die schwierigste Konstellation ist die des B-D Gespräches. Der sicherheitsbedürftige B bekämpft die gewagten Visionen des D. Der D empfindet B als ständiges Hemmnis für Fortschritt. Wie kannst du in schwierigen Konstellationen Gewinn bringend kommunizieren? Ein ethisch vertretbares Instrument der Manipulation ist die bewusste Orientierung deines Verhaltens am Typ deines Gesprächspartners. Diese Strategie wird oft im Verkaufsgespräch angewendet. Nach den Lehren des NLP (eingeführte Kurzform für Neurolinguistisches Programmieren) stellst du damit Rapport her. Rapport besteht, wenn zwei Menschen sozusagen miteinander schwingen wie beim gemeinsamen Tanz. Der eine zieht im Gefühlsgleichklang den anderen mit. Es ist eine Vertrauenssituation hergestellt. Du kannst daraufhin den Partner eher für bestimmte Dinge gewinnen, als wenn du nicht auf seine Person eingehst und konsequent bei der Sache bleibst. Ja, das grenzt natürlich an Manipulation. In der negativen Auslegung könnte man sagen, „du kochst den anderen milde weich, damit er dann tut, was du von ihm willst“. In positiver Interpretation tust du nichts anderes, als den anderen Menschen anzunehmen, auf ihn einzugehen und ihn bei seinem Wesen abzuholen. Üben wir das ein bisschen:
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Beispiel in der C-A-Konstellation. Du bist C: Du lobst zunächst das Wissen oder die Leistung deines Gesprächspartners A. Du fragst ihn um Rat, was denn seiner Meinung nach hinter dem Problem steckt. Redest selbst wenig, hörst ihm freundlich anerkennend zu. Das liegt dir. Vielleicht tauscht du ein paar logische Überlegungen aus. Ihm gefällt die logische Auseinandersetzung. Du lobst ihn ob seiner Sachkenntnis und gehst auf seine Argumente ein. Ihm tut das gut, auch wenn er sich als distanzierter A das nicht anmerken lässt. Wenn du spürst, dass du ihn gewonnen hast, bring deine Bitte vor. „Klare Sache, mache ich“ sagt er – du hast ihn gewonnen! Mit dieser bewussten Taktik musst du dich als C nicht verbiegen und kannst andere für dich erobern. Schlecht wäre es, wenn du gleich Schulter klopfend auf ihn zueilst und ihm begeistert deine Idee darstellst. Da würde er zumachen, sich verschließen. Denn als distanzierter Kopfmensch empfindet er einen schnellen Schulterschluss als unangenehm. A-Typen vertragen nur die langsame, behutsame menschliche Annäherung. C-Typen dagegen sind mit dem „auf die Schulter klopfen“ recht spontan. Beispiel in der B-D-Konstellation. Du bist D: Du hast als Vertriebsmann eine super Geschäftsidee und möchtest den Abteilungsleiter B im Controlling dafür gewinnen, damit er in der Konferenz dafür stimmt. Du fragst ihn, welche Gefahren er dabei sehen könnte. B macht nichts lieber als vor Gefahren warnen. Schon ist er in seinem Element. Dann fragst du ihn, welche Schritte man in so ein Projekt einbauen müsste, um nicht in solche Gefahren hineinzulaufen. Da zückt er sofort seine bewährten Systematiken. Wenn du ihn nun fragst, wie er denn die Erfolgschance beurteilt, wird er mit schlauem Gesicht das Projekt befürworten, „wenn ….“ Nun fragst du weiter, ob er denn die ersten Projektschritte organisieren könnte – „Aber klar D, das ist ja unsere Routine“ – du hast ihn gewonnen! Du musst dich so nicht entpersönlichen. Du arbeitest klug für deine Idee. Kommst seinem extremen Sicherheitsbedürfnis entgegen. Nimmst ihm Ängste. Wenn du ihm aber gleich begeistert Erfolgsvisionen vorbringst, geht er sofort in den Widerstand.
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Ich habe in den Fallbeispielen C und D als die handelnden Personen gewählt, weil sie geringere Schwierigkeiten haben, auf jemanden zuzugehen als die A- und B-Typen. Denn der Typ C harmonisiert von Natur aus. Er hat kein Problem damit, wenn A ihn mit kritischen Fragen zerlegt. Und bei D entsteht auch kein Drama, wenn B ihm ein Planungspapier vorlegt. D wird es vielleicht anschließend wegwerfen. Oder anders ausgedrückt, C- und D-Typen sind etwas „cooler“, großzügiger und verständnisvoller veranlagt als die A- und B-Typen. Die Erfolgsaussichten bei unterschiedlichen Konstellationen: Kommunikation zwischen …
Voraussetzungen +++
A-A / B-B / C-C / D-D
Gleich und Gleich verstehen sich blendend, können sich stundenlang in ihren gemeinsamen Welten austauschen. ++
A-B
Die rationalen Welten haben miteinander kein Problem. Der B ist dem A vielleicht zu langsam. ++
A-D
Beide fühlen sich im Nachdenken über die Dinge wohl. Dem A geht vielleicht die Fantasie des D zu weit. +
B-C
Die geordnete Welt mögen beide. Aber C ist dem B viel zu wenig konsequent. B ist dem C zu hart. +
C-D
Gelöst und abwechslungsreich mögen es beide. D ist dem C vielleicht zu abgehoben, zu ferne von den Mitmenschen, wenn der D seine Ideen durchboxen will. -
A-C
Hohes Konfliktpotential. Kalter Fisch contra nach Harmonie strebendem Menschenfreund. --
B-D
Extrem hohes Konfliktpotenzial. Visionär contra Bewahrer, Gesetzesbrecher contra Polizist.
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Da du in deinem Berufsleben gut vorwärts kommen willst, solltest du dir ein geheimes Konzept machen, wie du mit deiner Veranlagung in den Wettbewerb schreitest. Wie du in Gesprächen oder Meetings am besten manipulieren kannst, um es einmal auf den ehrlichen Punkt zu bringen. Schließlich handelt es sich um Wettbewerb, um Konkurrenzkampf. Die Kommunikationslandkarte solltest du als alltägliches Werkzeug einsetzen. Natürlich brauchst du dabei ein Gefühl dafür, mit welchen Typen du es zu tun hast. Doch das hast du dir vielleicht nach der Lektüre dieses Buches angeeignet.
Networking Jobs bzw. Mitarbeiter stecken in einer komplexen Vernetzung mit anderen Menschen, Jobs oder Aufgaben. Das Netz fängt im eigenen Team an und geht bis zum Zusammenspiel interner und externer internationaler Organisationsteile. So etwa die Zusammenarbeit mit Kunden oder Lieferanten im Ausland. Ein Entwicklungs- oder Projektingenieur beispielsweise ist aufgeschmissen, wenn er die Vernetzungen nicht kennt oder nicht im Griff hat. Die Qualität seiner Ergebnisse hängt wesentlich davon ab, wie er mit den Beziehungen und Abhängigkeiten in seinem Netz umgeht – also „Networking“ betreibt. Das Problem der „Neuen“, der Einsteiger ist, dass sie das Netzwerk des Jobs noch nicht kennen. So müssen sie mit Volldampf alles daran setzen, zunächst ihr Primärnetz, ihre Kolleg/inn/en, d. h. deren Fähigkeiten, Aufgaben, Zuständigkeiten zu verstehen. Nicht minder wichtig sind die Arbeitspartner in angrenzenden Abteilungen. Nun ist das Thema Networking nicht neu. Es bekommt nur eine neue Dimension. Die Netze sind globaler und um deinen unmittelbaren Job herum gibt es viel mehr Verflechtungen und Schnittstellen als früher. Denke nur an das besagte Projektmanagement. Oder an die Transparenz mit den neuen Informations- und Telekommunikationstechnologien. Oder an den Trend zum „Lifecycle-Management“.
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Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Du arbeitest als Junior Produktmanager an der Werbung für ein Modell X einer Produktreihe. Wenn du dich darin bescheidest, dich mit deinem Senior PM sowie mit dem Agenturbetreuer und der Werbemitteleinkäuferin auszutauschen, lebst du nicht lange in diesem Job. Auch wenn das Briefing für dich noch so gut ist. Da gibt es beispielsweise die Kollegen für die Website. Wenn du mit denen keine Beziehung eingehst, erscheint dein Modell stiefmütterlich im Hintergrund. Da gibt es zum Beispiel den Techniker, der dein Produkt fertigungsreif machen soll. Wenn du zu spät mitbekommst, dass ein Teilchen deines Modells nur in einem anderen Material hergestellt werden kann, sind deine sämtlichen schnellen Fotos für den Papierkorb. Würdest du öfter mit ihm reden, hättest du das rechtzeitig erfahren. Nicht zuletzt gibt es den Vertrieb für deine Produktreihe. Wenn du keine Beziehungen zum Vertrieb eingehst, erfährst du ziemlich spät, dass der Absatzweg sich ändern soll, nämlich verstärkt über den Großhandel. Hättest du einen Freund im Vertrieb, so hätte er dir das schon längst mitgeteilt. Aber so ist dein gesamter Werbe-Mix falsch angelegt … Das könnten wir jetzt so weiter beschreiben. Deine Vernetzung geht noch viel weiter, als gerade angeführt. Denke nur an die Auslandskollegen. Deine PM-Kollegin in den USA teilt deinem Chef plötzlich schriftlich mit, dass dein Modell in den USA nicht mehr eingeplant wird. Wenn du eine „telefonische Beziehung“ mit ihr hast, sagt sie dir das unaufgefordert lange vorher. Dann kannst du dir die Übersetzungen deiner Werbetexte ins Englische sparen. Die Networking-Schritte für die Karriere: 1. Wissen, mit wem man direkt und indirekt für den Job vernetzt ist (Netzforschung!). 2. Diese Personen kennen lernen. Ihre Persönlichkeit und ihre Sachkompetenz einschätzen können. 3. Im Job die Stärken und das Know-how dieser Personen bewusst anzapfen, also nutzen.
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Deine Networking-Anstrengungen können sich in etwa so vollziehen (jeweils international, wenn relevant): 1. Pflege mit deinem Chef, deiner Chefin, intensive, offene Kommunikation. Gib Feedback und hole Feedback ein. Bemühe dich um ein gutes informelles Verständnis. Chefs sind oft einsam. Je weiter oben, desto eher. Wenn du nur sachlich, faktenbezogen auf sie zugehst, empfinden sie das im Grunde als Abwertung. „Für ihn bin ich kein Mensch“. Also bau eine Beziehung auf, indem du auch „persönlich“ wirst. Hol dir auch bewusst Feedback, d. h. frage deinen Vorgesetzten, wie er dich empfindet. Das ist schwer, aber heilsam. Und zwar letztlich für beide. 2. Nimm mit deinen unmittelbaren Abteilungsmitstreitern eine echte, persönliche Beziehung auf. Dosiere das nach dem jeweiligen Profil. Zusammenarbeit mit einem echten „Wir-Gefühl“ öffnet Informationen. Keiner verschließt sich. Und du wirst von den Netzen deiner Teamkollegen profitieren. Die falsch verstandenen Sprichwörter wie „Geschäft ist Geschäft und Schnaps ist Schnaps“ führen zum Bruch im Netzwerk – zu beziehungslosem Nebeneinander. 3. Pflicht: Nimm alle Beteiligten in einem Projekt deiner Mitwirkung in Kommunikation. Kür: Frage alle weiteren Personen, die auf dieses Projekt Einfluss haben, zumindest einmal nach ihrer Meinung. Wenn du als Projektmitarbeiter unter mehreren vor dich hin arbeitest, wirst du bald von Störungen überrascht werden. Wenn du mit allen Beteiligten, auch wenn sie nicht direkt mit dir zusammenarbeiten müssen, in die Beziehung gehst, spürst du rechtzeitig, wenn eine Schieflage droht. Sodann ist es gut, wenn du auch mit Leuten in anderen Funktionsbereichen kommunizierst. Als Techniker beispielsweise solltest du bei einem Entwicklungsprojekt auch einmal mit den „Vertrieblern“ über dein Projekt reden. Denn sie können erheblich stören, wenn sie nicht mit ins Boot genommen werden. „Die Kunden akzeptieren das nicht“, moniert der Vertrieb dann. Also, unternimm öfter einmal eine Good-Will-Tour durch andere Funktionsbereiche. Stell Leuten in anderen Kompetenzbereichen Fragen. Damit gewinnst du sie.
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4. Gewinne Freunde in Nachbarabteilungen (Flüsterkampagnen). In Steigerung zu 3. geht es hier um Freunde. Sie werden dir Informationen „flüstern“, sodass du gut über Trends in deinem Unternehmen informiert bist. Das grenzt an Tratsch, o. k., aber warum nicht? In der Kantine erzählt dir eine Kollegin beispielsweise vertraulich, „mein Chef, der Marketingleiter verlässt uns – hat einen Job in der Firma NN angenommen“. Als Produktmanager weißt du nun: „Schnell noch mein Budget für XX sichern, bevor ein Neuer da ist!“ 5. Bau ausgewählte persönliche Beziehungen in über- und untergeordneten Bereichen auf. Wenn du in deinem Unternehmen Karriere machen willst, geht das nur über „Köpfe“. Das System sagt nicht: „Da sollte Frau NN befördert werden“. Das können nur Menschen sagen. Wenn es also in deiner Abteilung für dich auf absehbare Zeit nicht weitergehen kann, brauchst du einen „Chefkopf“ in einer anderen Abteilung, der dir einen höherwertigen Job mit deiner Kompetenz anbietet. Du brauchst für deine Karriere aber auch Befürworter, „Fanclubs“ in unteren Etagen. „Frau oder Herr NN ist super“ – wenn sich so eine Meinung breit macht, steigt die Wahrscheinlichkeit deines Aufstiegs. Denn die Entscheider wissen, da entstehen keine Probleme. Also zeige dich, kommuniziere auch in den Linien unter dir. 6. Betreibe Kommunikation mit Beeinflussern in der Unternehmensaußenwelt, wie Kunden, Lieferanten, Berater etc. Ein Unternehmensberater beispielsweise kann dein Image bei deiner Geschäftsleitung erheblich beeinflussen. Selbst wenn du nicht in seinem Projekt mitwirkst, lernt er dich vielleicht kennen. „Habe neulich ihren Herrn NN kennen gelernt, ein sehr kompetenter Bursche“, lässt er im Geschäftsleitungstreffen einfließen. Das wirkt. Das kannst du aktiv beeinflussen, indem du dich für das Beratungsprojekt interessierst, und den Berater einfach einmal fragst: „Sagen Sie, inwieweit können wir Sie in unserem Aufgabenbereich unterstützen, das Projekt ist ja eine sehr wichtige Sache“. Dann hast du einen Freund. Natürlich nur, wenn es nicht gelogen ist. Sonst verbiegst du dich. 7. Kommuniziere mit Medienleuten, zum Beispiel mit FachmedienRedakteuren – und veröffentliche ab und zu selbst etwas in ihren Medien. Für dein persönliches Marketing sind Meinungsführer in deiner Branche außerordentlich wichtig. Wenn du eine persönliche Beziehung, zum Beispiel zu einer Redakteurin in deinem Fachgebiet aufbaust, kannst du auch ab und zu einen Artikel landen. Dies wie-
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Karrierebeschleuniger
derum kann zu positiven Kettenreaktionen führen. Du tauchst öfter in „Google“ auf. Andere Journalisten werden aufmerksam und kommen auf dich zu. Die Leute in deinem Unternehmen registrieren dich. Und nicht zuletzt hast du Material, dass du bei einem Unternehmenswechsel gut zur Bewerbung nutzen kannst. 8. Kommuniziere mit Vertretern in Fachverbänden (persönliche Info-Geber). Wenn du Freunde in Verbänden gewinnst, hast du exzellente Informationsquellen. „Lieber Horst, sag mal, welche unserer Wettbewerber investieren gerade in China?“ Horst ist Chefmarktforscher dort. Du willst dich als Exportmanager für die Region schlau machen. 9. Kollegen und Tops anderer Unternehmen der Branche kontaktieren – beispielsweise auf Benchmarking-Konferenzen. Ich verstehe es persönlich zwar nicht, aber das ganz offizielle Austauschen von Informationen, die eigentlich Firmengeheimnisse darstellen, ist Mode geworden. Stichwort „Benchmarking“. Da sitzen die Marketingleiter der Branchenunternehmen zusammen und tragen sich gegenseitig Marketingkonzepte sowie Marktforschungserkenntnisse vor. Wenn du dadurch in den Wettbewerbsunternehmen bekannt wirst, hast du bei der nächsten Jobsuche leichtes Spiel. Andererseits gibt es dann Pressenotizen, in denen du erwähnt wirst (vgl. Punkt 7). Und: Das Networking privater Art sollte selbstverständlich sein: Austausch in den Internet Netzwerken (z. B. XING). Austausch in Freizeit-Clubs. Get-together-Veranstaltungen am Rande von Seminaren oder auf
speziellen Partys (Letztere sind in den USA stark verbreitet). Beziehungsnetz mit ehemaligen Freunden der Ausbildung, die später
alle einmal potenzielle Arbeitgeber sind. Das gesamte Networking geht in Richtung persönliches Beziehungsmanagement für die Karriere. Wir könnten auch sagen, persönliches Marketing. Letzteres ist allerdings weiter gefasst. Auftreten in Meetings, Erscheinungsbild etc. gehören dazu. Was aus den Schilderungen aber auch klar wird: Der besagte eigensinnige Eigenbrödler hat heute keine Chance mehr auf Karriere. Er ist kommunikationsunfähig und damit beziehungsunfähig. Er wird eher ausgenutzt, als dass ihm andere einen Nutzen bringen.
Networking
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! Kommunikationsfähigkeit ist die Voraussetzung für Networking. Das heißt Beziehungen eingehen und pflegen können und Andersartigkeit zu verstehen, statt sie anzufeinden. Kein noch so introvertierter Fachmann, auch nicht der forschende Experte im Labor, kann heute ohne bewusste Nutzung seiner Netze vorankommen – dort nennt man es vielleicht „Wissensmanagement“.
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Karrierebeschleuniger
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6.
Top-Management-Fähigkeiten
Wie in unserer Roadmap schon aufgeführt, gehören zu Top-Management-Fähigkeiten über eine gewisse Sachkompetenz hinaus hauptsächlich Leadership-Fähigkeiten Integrationsfähigkeit Personality
Der neudeutsche Management-Begriff „Leadership“ hat sich inflationsartig ausgebreitet. Dieser Begriff ist auch schwer direkt zu übersetzen. „Führerschaft“ würde wohl zu falschen Assoziationen führen. Auch „Führungspersönlichkeit“ trifft es nur halb. Denn Leadership umfasst viele Inhalte, die in Richtung gewisser Managementroutinen führen. Und: Leadership ist eigentlich nicht an hierarchische Ebenen gebunden. Ein Maschinenmeister, der eine Gruppe von Produktionsleuten leitet, kann genauso ein Leader sein wie der Produktionschef, der Vorstand oder ein Politiker. Aber für Top-Manager sind Leadership-Fähigkeiten ein Muss. Es sei denn, sie sind allein kraft Macht bzw. Kapital TopManager. „A leader is someone who has followers“ lautet eine der unendlich vielen Definitionen von Leadership (Drucker Foundation). Ich denke, darin steckt Logik. Du solltest als Leader andere mitziehen können. Dazu brauchst du erstens eine gewisse Persönlichkeit – Personality. Zweitens brauchst du bestimmte Fähigkeiten, um Gefolgschaft zu gewinnen. Mit der Persönlichkeit beschäftigen wir uns näher im Kapitel 7. Für die Leadership-Fähigkeiten habe ich im Folgenden eine Checkliste aus meinem Werkzeugkasten aufbereitet.
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Top-Management-Fähigkeiten
Leadership-Fähigkeiten Leadership-Fähigkeiten Beurteilungsliste
Erfolgsfaktoren
1.
Wichtiges, Anmerkung
Menschenkenntnis
Voraussetzung für alle weiteren Punkte
Menschen (kennen, erkennen, verstehen, einschätzen): 1. Mich selbst 2. Kollegen – Mitarbeiter – Teammitglieder 3. Chefs 4. Kunden
2.
Kommunizieren
2.1
Dialog
2.2
In der Gruppe (Meeting, Arbeit)
Denk- und Verhaltensweisen der anderen einschätzen (vgl. Kapitel 2) Persönliche Ziele/ Wertvorstellungen Sach-/FachKompetenzen Äußeres/körperlich Typisches
Zuhören, fragen, argumentieren Keine Monologe! dito 2.1 Sich initiativ einbringen, beitragen Offenheit Emotionale Intelligenz Feedback geben und holen
Notiz Beurteilung: ++/+/?/a) Eigenbild b) Mitarbeiter/Kollege/Chef
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Leadership-Fähigkeiten
Erfolgsfaktoren
2.3
Vortrag – Präsentation
Wichtiges, Anmerkung
Auf den Punkt, verständlich, plastisch Teilnehmer aktivierender Medieneinsatz Unterschiedliche Lerntypen berücksichtigen (A-B-C-D) Merkbares Resümee
3.
Moderieren (Meeting, Workshop)
Vgl. auch 2.
3.1
Inhalte steuern
3.2
Kommunikation steuern (auch intervenieren)
4.
Führen
4.1
Mitarbeiter abholen, Vertrauen schaffen
Programmpunkte erfüllen Bei Nebenkriegsschauplätzen intervenieren Eingebrachte Ideen/Infos dokumentieren – jede Idee, die nicht dokumentiert wird, ist weg! Wo sitzt die Energie? Die Energie muss bei den Teilnehmern sitzen! Disput fördern Emotionen zulassen, aber auf Inhaltsebene zurückführen
Rapport herstellen (die Personen abholen)
Notiz Beurteilung: ++/+/?/a) Eigenbild b) Mitarbeiter/Kollege/Chef
122
Top-Management-Fähigkeiten
Erfolgsfaktoren
4.2
Ziele vermitteln
Wichtiges, Anmerkung
4.3
Zum Ziel führen
4.4
Feedback geben und holen
4.5
Prozess kontrollieren
4.6
Unterstützen
Ziele aufzeigen und erklären Wichtigkeit der Ziele aus Zusammenhang mit übergeordneten Zielen ableiten Ziele als kontrollierbaren, erlebbaren „Zustand“ definieren Klären, auf was verzichtet wird Gewinn, Chancen aufzeigen (persönlicher und Unternehmensgewinn) Drive auslösen Erfolge und kritische Punkte thematisieren Feedbackregeln einhalten Auf persönliche Betroffenheit eingehen Zwischenschritte checken Ergebnisse analysieren und Feedback zum Verbesserungsprozess durchsetzen Erfahrungslernen fördern (z. B. Lessons Learned) Zusatzwissen/ Fortbildung fördern Informationstransfer
Notiz Beurteilung: ++/+/?/a) Eigenbild b) Mitarbeiter/Kollege/Chef
123
Leadership-Fähigkeiten
Erfolgsfaktoren
5.
Team-Management
5.1
Zielklarheit bei allen Team-Mitgliedern
Wichtiges, Anmerkung
5.2
Vorteil Team klären
Gleiches Zielverständnis bei allen Akzeptanz bei allen Zielkonflikte klären Bringt Team für das Ziel mehr als Einzelarbeit? Vorteile für die Personen? Vorteile für das Unternehmen?
5.3
Teamstruktur optimieren (Stärkensynergien)
5.31
Verteiltes Wissen (inhaltliche Synergien)
Ergänzung der Fachkompetenzen auf dem Weg zum Ziel, statt Anhäufung vom Gleichen
5.32
Verteilte Talente (Denk- und Verhaltenssynergien)
Ergänzung der Talente – Unterschiede, statt Gleich und Gleich (Schlagkraft!)
5.4
Rückhalt in der Organisation
5.41
Umfeld informieren
Anliegen und Informationswünsche bekannt machen
5.42
Team Verkaufen
Netzwerk sichern Marketing des Teams Erfolge im Unternehmen bekannt machen
Notiz Beurteilung: ++/+/?/a) Eigenbild b) Mitarbeiter/Kollege/Chef
124
Top-Management-Fähigkeiten
Erfolgsfaktoren
5.43
Feedback der GL
Wichtiges, Anmerkung
5.5
Teamkultur
5.51
Produktives Klima
5.52
Team Feeling
5.53
Feedback-Kultur / Stroke-Kultur
6.
Team Leader Anerkannte Persönlichkeit, „Anführer“
Rollierendes Zielmonitoring mit GL Ergebnisse besprechen
Verständnis, sich gut kennen (vgl. 1.) Unterschiede für Zusammenarbeit nutzen Sich gegenseitig stützen statt konkurrieren Teamidentität – Family Team-Visionen Informelle Beziehungen
Offenes Feedback Positive Zuwendung Konflikte konstruktiv auflösen
Vertrauensperson Motivator wie Antreiber Kompetenzführer Visionsgeber „Unternehmer des Teams“
Notiz Beurteilung: ++/+/?/a) Eigenbild b) Mitarbeiter/Kollege/Chef
Integrationsfähigkeit
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Integrationsfähigkeit Plausibel: Je höher du in der Verantwortung im Management hochkletterst, desto größere und mehr Teile in der Organisation hast du unter einen Hut zu bringen. Das beinhaltet zwei Anforderungen gleichzeitig: Erstens: Die Fähigkeit, unterschiedliche Interessen und Formatio-
nen auf ein gemeinsames Ziel hin einzustimmen. Das umfasst organisatorische wie empathische Fähigkeiten. Zweitens: Du musst auch die innere Bereitschaft haben, dich mit An-
dersartigkeit auseinander zu setzen, andere Typen als du selbst darstellst, zu integrieren, ihre Stärken als willkommene Ergänzung zu begreifen. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Angenommen, du bist ein begeisterter Anhänger klassischer, ernster Musen, von Musik bis zum Theater. Du begegnest einem Talent vom entgegengesetzten Pol. Die Person ist begeisterter Hörer von Rockmusik und schwelgt in Comedy. Wenn du jetzt nur Abneigung verspürst, hast du schlechte Karten in puncto Integration. Wenn du interessiert herausbekommen möchtest, was genau dem anderen an dieser Kunst gefällt, bist du bereits ein Talent für Integration. So auch bei Managementthemen: Angenommen, zwei Geschäftseinheiten werden zusammengelegt. Du sollst sie fusionieren und führen. Das eine Management ist voll auf Wachstum aus gewesen, fast neurotisch auf Gigantomanie und entsprechende Investitionen gepolt. Das andere Management pflegte mit seinen Produkten einen ruhigen Tiefgang mit konstanten Gewinnen. Nun kommst du. Die Findung eines gemeinsamen Zieles steht an. Das setzt voraus, dass du beide Truppen verstehen lernst. Dazu solltest du deine eigene Meinung erst einmal zurücknehmen und eine Win-Win-Situation herstellen. Also aus Unterschiedlichkeiten einen gemeinsamen Gewinn erzielen.
126
Top-Management-Fähigkeiten
Eines ist faktisch klar: Integrator und Einzelgänger schließen sich als Persönlichkeit aus. Solltest du bislang relativ sach- und fachspezifisch gearbeitet und geführt haben, nicht mit und in Teams, dann dürfte der weitere Weg nach oben für dich zu Ende sein. Dann musst du erst einmal trainieren, Synergien mit Menschen herzustellen. Sollte dir das gegen den Strich gehen, so bescheide dich lieber mit einem Fachjob, in dem du dein Spezialwissen umsetzt. In unserer Talentsprache ausgedrückt ist der beste Integrator der Flexible, Gleichverteilte. Sodann tun sich Talente mit D-C-Dominanzen relativ leicht. D wegen der ganzheitlichen Sicht, C wegen des guten Verständnisses für andere Menschen.
Entscheidende Metafähigkeiten Intuition ! Ein General Manager oder ein Unternehmensbereichsleiter braucht ein Gespür dafür, um welche Knotenpunkte in dem komplexen internationalen Netz seines Business er sich besonders kümmern muss. Das reduziert sich letztlich darauf, auf welche Menschen, sprich Talente, in seiner Organisation er setzt und welche Aufgaben er ihnen für die Steuerung im Netz überträgt. Diese Fähigkeit geht weit über die Analyse von Fakten hinaus. Man nennt sie Intuition. Stell dir vor, ein Vorstandsvorsitzender einer Milliarden-Firma will nur mit den berühmten Hard Facts führen. Das ist keine Seltenheit. Da brennt es in einem Unternehmensbereich. Er will erst haargenau analysiert haben, was die Ursachen sind. Genau so verfährt er mit den auftauchenden Chancen eines anderen Bereiches. Dort ist ein Produkt erfunden worden. Bevor es vermarktet wird, gibt er eine Marktstudie nach der anderen in Auftrag. Die Ergebnisse lässt er sich persönlich vortragen. Dieser Mann wird als Cheflenker seines Lebens nicht mehr froh. Denn er ist noch nicht mit der Analyse eines Problems fertig, da brennt es bereits
Entscheidende Metafähigkeiten
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in einem anderen Bereich. Das ist der typische Burn-outKandidat mit der Neigung zur Zwanghaftigkeit, Einzelheiten unbedingt selbst unter Kontrolle haben zu müssen. Die Alternative wäre, dass er auf die Künste seines Führungsteams vertraut und die unterschiedlichen Prioritätsaufgaben delegiert. Aus seiner Intuition heraus entscheidet er dann, wenn ihm das Team Vorschläge unterbreitet. Alle ernst zu nehmenden Studien, was die erfolgreichsten Unternehmen und Manager international auszeichnet (vor allem Gallup), ergeben eine Gemeinsamkeit: Diese Manager/innen suchen sich persönlich die besten Talente für ihr engstes Umfeld heraus und delegieren vertrauensvoll. Analog sorgen diese Führer dafür, dass dies auch auf den nachfolgenden Ebenen geschieht. Dabei geht es ihnen ausschließlich darum, Stärken zu ermitteln. Die erfolgreichsten Manager lehnen es ab, Mitarbeiter zu Stärken, die gebraucht werden, hin zu entwickeln. Das dauert zu lange, ist zu mühsam. Das war der große Fehler der Führungskräfteentwicklung früherer Jahre. Mittlerweile ist die Stärken-Philosophie Bestandteil moderner Führungskräfteentwicklung – eben die vorhandenen Stärken der Leute zu finden und mit einem Job zu verbinden, der dafür prädestiniert ist. Diese Fähigkeit, die Talente anderer „zu spüren und aufzuspüren“, ist ein Teil der persönlichen Intuition. Intuition verleiht ein vorausschauendes Gespür für Geschehnisse und ein Gespür für Menschen. Welchen Typ habe ich vor mir? In wie weit kann ich ihm vertrauen? Nun kannst du Intuition, wenn diese nicht zu deinen Talenten zählt, auch nicht lernen. Als Top kannst du dir aber jemanden an deine Seite stellen, der eine gute Intuition hat. Das tun erfolgreiche Unternehmensführer, wenn sie aus ihrer fachlichen Laufbahn herausgewachsen sind.
Wachsamkeit für das Umfeld Viele Menschen haben „Tunnelsinne“. Sie sehen und hören nur das, womit sie sich unmittelbar beschäftigen. Oder schlimmer, sie sind total nach innen gekehrt und beschäftigen sich nur mit dem, was ihnen ihre innere Gefühlswelt sagt oder zulässt. Es ist, wie wenn du in einem Tunnel fährst und nur geradeaus wahrnehmen kannst, am Ende ein Licht siehst und darauf los fährst. „So bin ich nicht“, meinst du?
128
Top-Management-Fähigkeiten
Teste dich: Du sitzt in einer Gaststätte vor deinem Bier, liest vielleicht eine Zeitung. Links und rechts von dir, an anderen Tischen, nehmen Leute Platz. Du nickst abwesend mit dem Kopf, weil jemand „Grüß Gott“ sagt, nimmst aber gar nicht wahr, was das für Menschen sind, die da Platz nehmen. Weil dich das nicht interessiert. Du bist höflich, gebildet, intelligent – aber ein typischer Tunnelmensch. Und damit bist du für Top-ManagementAufgaben kaum brauchbar. Interesse für das Umfeld ist lebenswichtig für Chefs. Legen wir das Beispiel um in die Berufswelt. Du führst als Projektleiter ein Meeting mit einer Fachgruppe von acht Kollegen. Du trägst eine Präsentation vor. Argumente hörst du und du antwortest klug. Flipchart und Notizen in deinem Notebook füllen deine Konzentration aus. Während ein Kollege etwas vorträgt, das dich langweilt, stöberst du in deiner Postmappe und schaust auf die E-Mails, die dir dein Blackberry meldet. Das Meeting ist vorbei. Man verabschiedet sich mit einer weiteren Terminvereinbarung. Du hastest sofort in dein Büro zurück und hackst deine Erkenntnisse in dein Notebook. Wenn das auf dich zutrifft, liegt deine Führungsbegabung bei Null. Du hast versäumt, in den Gesichtern zu lesen. Was weckt auf, was interessiert? Was lähmt, frustriert? Du hast versäumt, Warum- und WiesoFragen zu stellen. Du hast versäumt, diese Gelegenheit zur Einschätzung der Talente deiner Projektmitarbeiter zu nutzen. Du hast versäumt, einen Kollegen zu fragen, warum er so bedrückt schaut usw. Wie willst du je die besten Talente für deine Aufgaben erkennen? Irgendwann wird der Karriere-Gau für dich eintreten. Spätestens dann, wenn sich die negativen Äußerungen der Kollegen bei deinen Chefs häufen. Spätestens dann, wenn sich der Groll bezüglich deiner Distanziertheit in den Meetings entlädt und du nicht in der Lage bist, mit dem Konflikt umzugehen. Ich habe ausnahmsweise einmal ein drastisches Negativbeispiel gebracht, um die Bedeutung der Wachsamkeit in Bezug auf das Umfeld zu erklären. Kehre die Beispiele ins Positive um, so weißt du, was auf dem Top-Weg existenziell wichtig ist.
Entscheidende Metafähigkeiten
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Kann sich nun ein typischer Eigenbrödler, ein eigensinniger, introvertierter „Tunnelblickmensch“ ändern? Vielleicht, wenn es sich um einen therapeutischen Fall handelt, wenn also diese Umfelddistanziertheit auf Erlebnisse der Vergangenheit zurückzuführen ist. Doch wenn es sich, positiv ausgedrückt, um eine Stärke handelt, kann eine Änderung kontraproduktiv sein. Denn diese „In-sich-Gekehrtheit“ bedeutet auch eine enorme Fähigkeit zur Konzentration auf eine Sache. Solltest du so eine Veranlagung haben, kannst du sicher in einem absoluten Spezialjob erfolgreich sein, also Fachkarriere machen, Meister der Meister in einer Spezialität werden. Da fällt mir beispielsweise der Software-Entwickler ein, der in seiner Begabung, unermüdlich Lösungen auszutüfteln, alle Kollegen aussticht. Er lebt in dieser Welt, Tag und Nacht. Doch einen Führungsjob sollte er nicht anstreben. Für diese Qualitäten müsste er sich gehörig verbiegen – der beste Weg zum Misserfolg. ! Wenn du tatsächlich den Top-Weg anstrebst, brauchst du Empathie für dein Umfeld. Das bedeutet, du hast Interesse und deshalb Augen und Ohren für all das, was sich um dich herum bewegt. Die Bewertung kommt erst in zweiter Linie, wenn du ergründet hast, was es für dich bedeutet.
7.
Personality toppt
Der Begriff Persönlichkeit in Zusammenhang mit Persönlichkeitspsychologie bildet ein weites Forschungsfeld. Das Typische an einem Menschen, also die Frage, was einen Menschen kennzeichnet, gehört auf alle Fälle dazu (vgl. Kapitel 2). Zur Persönlichkeit gehört im Allgemeinverständnis auch etwas, das mit Wirkung oder mit Ausstrahlung zu tun hat. Wenn wir von einem „guten Typ“ sprechen, so setzt das voraus, dass sich bei dieser Person etwas Typisches bemerkbar macht und dass dies auf uns eine sehr positive Wirkung hat. Der Begriff Persönlichkeit hat allerdings nicht das Positive gepachtet. Er ist hinsichtlich seiner Ausprägung neutral. Es gibt Persönlichkeiten, die sind für ihre unsympathischen Züge berühmt. Der englische Begriff „Personality“ hat nun in der Management- und Medienpraxis eine Bedeutung erlangt, die über das Wort Persönlichkeit hinausgeht. Mit Personality verbinden wir positiv beeindruckende Dinge. Auch die „Show“ gehört ein wenig dazu. Konstruieren wir für unseren Karriere-Aspekt ein Personality-Bühnenstück. Erster Akt: Wer kommt denn da zur Tür herein? Gibt es da eine Ausstrahlung? Welcher Art? Verbreitet diese Person eine sympathische Aura? Erscheint da etwas attraktiv? Interpretiert man das als geschmackvoll oder stilvoll? Ein markantes Gesicht, das man sich merkt? Eine markante Kleidung, Gestalt? Schwingt die Stimme? Kommt das Gefühl einer Beziehung auf? Ist der Mensch wirklich hier – oder ist es, als ob gar niemand da wäre? Zweiter Akt: Man lernt die Person kennen. Wirkt sie souverän, eindrucksvoll im Verhalten? Ist sie kurzweilig im Gespräch? Erzielt man einen Gewinn aus dem Gespräch? Möchte man diese Person öfter treffen?
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Personality toppt
Dritter Akt: Man erlebt diese Person häufiger. Ist es eine immer wieder beeindruckende Persönlichkeit mit einer merkbaren, typischen Ausprägung und Ausstrahlung? Oder ändert sich der Eindruck jedes Mal, sodass man eigentlich nicht weiß, mit wem man es zu tun hat? Entwickelt sich eine einhellige Meinung im Kollegium zu dieser Person? Gibt es da eine Linie? Wird mit dieser Person Leistung verbunden?
Unterschiede setzen Der Archetypus der Personality sind berühmte Persönlichkeiten, Stars, VIPs, Promis, die einen Meilenstein in die Landschaft, sprich Öffentlichkeit gesetzt haben. Denken wir an Sportpersönlichkeiten wie „Klinsi“ oder Boris Becker, an Manager-Persönlichkeiten wie Wendelin Wedeking, Josef Ackermann, an Filmgrößen wie Sean Connery, an Politiker wie die „eiserne Lady“ Margaret Thatcher. Gemeinsam ist allen, dass sie etwas Einzigartiges, Eigenes, Auffallendes, um nicht zu sagen Attraktives, Markantes, Unterscheidbares an sich haben. Und sie sind für eine großartige Leistung in unserer Welt bekannt. Personality greift nun auch in der Welt dieses Buches, in den Abteilungen und Etagen der Unternehmen. Vom Teamchef angefangen über den Abteilungsleiter bis hin zum Geschäftsführer können wir Persönlichkeiten ausmachen, die einfach Personality ausstrahlen und markante Typen darstellen. Der gemeinsame Nenner heißt auch hier: Diese Personen setzen Unterschiede im Vergleich zur Masse in der Organisation. Den Abteilungsleiter kennt die Öffentlichkeit nicht. Aber seine Leute sind sein Fanclub – oder zumindest Anhänger, die zu seiner Person stehen. „Unser Schmidt!“ Analog zur Fangemeinschaft von Profi-Fußballer Klinsmann – „unser Klinsi“.
Unterschiede setzen
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Wie setzt du Unterschiede? 1. Unterschiede fangen im Denken an. Wenn du denkst: ‚Ich bin eine/r wie alle, will nicht auffallen’, so handelst du auch wie alle, kleidest dich wie alle, bleibst eine graue Maus. Wenn du denkst: ‚Ich will etwas Eigenes schaffen, mich im Wettbewerb nach oben absetzen, mich, meinen Typ verwirklichen’, dann beginnst du von selbst, griffig zu werden. 2. Unterschiede leben vom Typ. Denke an dein Profil im Denken und Verhalten. „Lebst du es auch?“ Wenn du deinen Typ auslebst – wie gesagt, das ist die Voraussetzung für Motivation zur Leistung – so dringt auch etwas Markantes in das Langzeitgedächtnis deiner Mitmenschen. Und erinnere dich: Auch die Flexibilität, die Ausgeglichenheit ist etwas Typisches. Du unterscheidest dich von den Menschen, die markant in einer Richtung gepolt sind. Meine Lieblingsfrage im Karriere-Coaching ist: „Peter, wenn die Leute ‚typisch der Peter’ sagen, was ist das dann?“ Nach der Antwort ist meine nächste Frage: „Und wie setzt du das in deinem Job ein?“ „Äh …“, dann wird es schon schwierig für Peter. ! Du musst dein Typ-Profil im Job als Stärke so einsetzen wie im Privatleben. Nur dann bist du ein ganzer Mensch und eine greifbare Persönlichkeit. 3. Das Erscheinungsbild signalisiert Unterschiede. Das alte Sprichwort „Kleider machen Leute“ stimmt natürlich. Es kommt nur darauf an, wie du das realisierst. Zur Personality gehört ein unterscheidbarer Stil. Dieser drückt sich auch im „Outfit“ aus. Wenn du keinen Stil einhältst, stets wechselst, wird es nichts Typisches und nichts Unterscheidbares geben. Bei manchen Promis gibt es einen absolut typischen, unterscheidbaren Stil. Beispielsweise die barocken Kleider des Showmasters Thomas Gottschalk oder die typisch hoch gezogenen Button-Down-Krägen des Fernsehmoderators Theo Koll. Wie kannst du nun zu einem Stil finden, der deinem Typ entspricht? Das behandeln wir im nächsten Abschnitt.
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Personality toppt
Erscheinungsbild Die Bekleidungsfrage ist für die meisten Talente eine sehr unbequeme Frage. Vor allem die Vertreter der logischen und faktenorientierten Welten empfinden es eher als Mühe oder Last, darüber nachzudenken, wie sie sich kleiden, geschweige denn, wie sie sich einen Bekleidungsstil aneignen sollten. Andererseits ist es keine Frage, dass auf dem Weg zum Top-Management Äußerlichkeiten eine erhebliche Rolle spielen. Personality drückt sich auch im Outfit aus. Höhere Führungskräfte haben heute ihre Auftritte in Medien und auf Veranstaltungen. Dadurch prägen sie sowohl das Image ihres Unternehmens wie auch ihr eigenes. Headhunter werden kaum auf Manager zugehen, die geschmacklos auftreten. Nun ist „geschmacklos“ zwar eine subjektive Sache. Aber objektiv wird die Angelegenheit, wenn eine Mehrheit von Betrachtern zur gleichen Ansicht kommt. Eines meiner Archiv-Schreckensbeispiele in Bezug auf Stil ist ein Pressefoto von referierenden Managern einer AG auf einer Pressekonferenz. Darin hebt sich stilistisch einer der Männer besonders hervor: Es zeigt sich eine korpulente Gestalt, die in ein braungrau kariertes Sakko gezwängt ist. Das Hemd ist längs blauweiß gestreift und die Krawatte schräg grünbraun gestreift. Die wenigen Kopfhaare sind vom tief liegenden Scheitel aus quer über die Glatze gekämmt. Der Herr ist technischer Leiter, Vice President unter dem CTO (chief technical officer) in einem globalen Maschinenbaukonzern und macht sich Hoffnung auf die CTO-Nachfolge in den Vorstand. In der Presse ist zu lesen, dass sich der Vorstandsvorsitzende für einen Anderen zur CTO-Nachfolge stark macht. Ich kenne den „geschmackvollen Herrn“. Ein begnadeter Ingenieur, der seinem Unternehmen unglaublich viele Patente verschafft hat. Für Äußerlichkeiten hat er überhaupt kein Gefühl. Als Mitt-Vierziger hat er noch Karrieregelüste. Da sein Unternehmen 90 % des Umsatzes mit dem Ausland macht, sind die Vorstandsmitglieder so viel auf Reisen wie ein Außenminister. Präsentationen und Konferenzen für Investoren und
Erscheinungsbild
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Kunden gehören zum Tagesgeschäft. Der Vorstandsvorsitzende möchte deshalb schon ein gewisses Äußeres gewahrt wissen. Nun sagt er unserem Kandidaten nicht, dass er ihn nicht als Vorzeigefigur einsetzen möchte. Er lässt ihn in der – immerhin beachtlichen – zweiten Reihe. Man kann Menschen ohne Empfinden für ihr Äußeres und das anderer nicht zu Designkünstlern machen. Mit gewissen grundsätzlichen Hilfen lernen sie vielleicht, was zu ihrem Typ passt. Die folgende Abbildung ist eine solche Hilfe. Du kannst dich stilistisch einordnen, wenn du dein persönliches Typ-Profil kennst. Im Anhang im Anschluss an Kapitel 9 hast du die Möglichkeit, über die Erkenntnisse aus Kapitel 2 hinaus dein Talentprofil zu erstellen („Ermittlung deines Grundtalentes“).
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Personality toppt
Typ-spezifische Bekleidungsstilmerkmale Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12
Kühl ... praktisch • klare unauffällige Designs und Farben • dunkles Blau, anthrazit, weiß ... • für Situationen die in etwa passende Kleidung ohne Aufwand • „stilfaul“ im Alltag
Individualistisch ... mutig
9
6
• interessante Farbkombinationen • ungewöhnliche, gewagte Designs, Stile • extravagant bis schockierend • flaschengrün, violett, schwarz, türkis, lila ... bunt • sehr individualistisch
3
Brav ... korrekt • korrekt, konservativ, klassisch • für jede Situation die angemessene Kleidung • alles sitzt korrekt, auch die Krawatte • braun, ocker, rost, grau, bordeaux ...
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
Bequem ... nett, lebendig • bequem, salopp bis flippig • emotionale und weiche Farben, Designs - auch verspielt • rot, himmelblau, gelb, hellgrün, beige, weiß, orange ... bunt
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
Erscheinungsbild
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Es handelt sich in der Abbildung nicht um Empfehlungen, sondern um Feststellungen, welche Bekleidungsgewohnheiten bei den einzelnen Typen zu bemerken sind. Die Farbzuordnung geht auf eine Studie zurück, in der 2.000 Leute nach ihren Assoziationen zu Farben gefragt wurden. Diese Assoziationen habe ich den Talenttypen zugeordnet und somit auch die Farben. Natürlich lassen sich daraus Anregungen ableiten, was zu welchem Typ passt. Wenn ein Typ sich entgegen seines typischen Stils kleidet, so wirkt er wahrscheinlich nicht authentisch. Er lenkt von seinem Wesen ab. Es folgen ein paar kritische Kommentare zu den charakteristischen Eigenarten der unterschiedlichen Typen: Der A-Typ, kühl … praktisch: Dem kühlen, distanzierten Logiker, sind Kleiderfragen ein Greuel. Funktionalität ist für ihn alles. „Anziehen, ausziehen – basta. Kalt, warm, o. k., aber sonst interessiert mich nichts“, denkt er. Wenn es einmal etwas Besonderes sein soll, dann spielt für diesen Typ der Preis keine Rolle. Aber er zieht das „Ding“ dann jeden Tag an. Er passt sich schon Situationen an, kleidet sich sportlich in sportlicher Umgebung und korrekt bei Geschäftsanlässen. Er investiert aber keine Mühe in die Auswahl von Alternativen. Was gerade daliegt, das wird angezogen. ! Empfehlung an A: Suche dir trotzdem einen klaren Stil heraus, der dir am meisten zusagt – und bleib dabei. Tritt auf keinen Fall plötzlich verschnörkelt auf, nur weil dir vielleicht der Partner so etwas zum Geburtstag geschenkt hat. Bleibe klar in Farbe und Design. Der B-Typ, brav … korrekt: Der Sicherheitsgeleitete, absolut Genaue und Zuverlässige trägt Sakkos, in denen er wie hineingesteckt wirkt, aber Hauptsache Sakko. Die Dame ebenfalls – oder strenges Kostüm. Der Mann bringt es dabei fertig, ein Streifensakko mit einer gestreiften Krawatte und einem gestreiften Hemd zu kombinieren (unser Beispiel oben). Im Hochsommer lässt er den Binder um den Hals, lockert ihn ein bisschen, wenn der Schweiß zu sehr ausbricht. Bei Festen kreuzt er auf wie ein gestelzter Hahn: Vereinswappen aufgestickt – goldene Manschettenknöpfe – glänzende Schuhe. Alles muss recht eng sitzen, damit er nicht zu locker erscheint.
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Personality toppt
! Empfehlung an B: Vermeide bewusst, was auf andere zwanghaft wirkt. Das macht zu viele Abstriche an deiner Souveränität. Hab den Mut zu ein bisschen Großzügigkeit. Muss ja nicht flippig sein. Ein gewisser konservativer Eindruck passt zu deinem Typ. Der C-Typ, bequem … nett, lebendig: Diese liebevollen, rücksichtsvollen, nach Harmonie strebenden Menschen ziehen am liebsten Kleider an, die zur Einstellung „Nur keinem weh tun!“ passen. Sie bevorzugen absolut Bequemes, auch wenn es geschmacklos ist. Manchmal muss es aber auch ein Gefühlsknaller sein, bunt, verspielt wie ein Kinderspielplatz – beim Mann vielleicht kleine Tierchen auf der Krawatte. Aber in der Regel kleidet sich der C-Typ zurückhaltend. Also lieber unauffällig, stillos, als jemanden herausfordern zu wollen. ! Empfehlung an C: Bequem, lässig ist o. k. Aber gestalte die Sache nicht zu lieblich oder schüchtern. Das kann leicht depressiv, schwach wirken. Zieh deinen bequemen oder verspielten Stil deutlich durch, vielleicht mit einigen geschmackvollen, netten farbigen Elementen. Aber achte darauf, dass du nicht in das Schlampige abgleitest. Der D-Typ, individualistisch … mutig: Die kreativen, abwechslungssüchtigen „Daniel Düsentriebe“ wollen abstechen, sich individuell aus der Masse herausheben. Mal modernste, ausgeflippte Mode – mal mutige Hässlichkeit, um zu schocken. Sie lagern Modebücher zu Hause. Auf Partys kreuzen sie so auf, dass nicht Auffallen unmöglich ist. Damen hängen sich dazu gerne Glitzersachen um. Viele dieser Vertreter bevorzugen auch ein absolut edles Outfit. Seide beispielsweise. Der Herr, Seidenanzug Ton in Ton einschließlich Hemd, ohne Krawatte versteht sich. Die Dame ähnlich. ! Empfehlung an D: Die Sucht nach Stil ist grundsätzlich eine gute Voraussetzung. Ringe dich aber zu einer zwar extravaganten, aber gewissen einheitlichen Linie in Farbe und Design durch. Wechsle nicht radikal. Es wird dir stehen und du entwickelst in deiner Umgebung eine Attraktivität, die man sich merkt.
Erscheinungsbild
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Aber Memo: Der reine Typ ist selten. Du musst all deine Dominanzen betrachten und aus dem passenden Stiltopf schöpfen. Der Flexible, gleich Verteilte, tut sich relativ schwer. Er sollte sich ein allgemein verträgliches Stilmittel auswählen und sollte prinzipiell unaufdringlich erscheinen. Aber bitte nicht die Stile ABCD abwechselnd zur Schau tragen! Das führt zum absoluten Stilchaos bzw. „Unstil“. Noch schwerer tut sich eine Person mit dissonanten Talenten wie eine Paarung von B mit D, Ordnung mit Kreativität. Wenn du heute ordentlich, absolut korrekt und morgen ausgeflippt daher kommst, wirkst du unglaubwürdig, fragwürdig. Solltest du tatsächlich zu B und D mit gleicher Vorliebe neigen, dann steht die Frage an: „Wo bin ich echt und was ist mir eher anerzogen?“ Psychologisch gebildete Management- oder Karriere-Coaches können dir helfen, diese Frage zu beantworten. Nicht ganz so schwierig ist die Kombination A mit C. Du kannst kühl, praktisch (A) durchaus mit lässig, bequem (C) verbinden. An die Unverbesserlichen Liebe Leser, ich weiß, dass nach diesen Zeilen immer noch viele von euch keine Einstellung zu ihrem Bekleidungsstil als Erfolgsfaktor für die Karriere gewonnen haben. „Nun, ich leiste etwas, und gut, ich sehe auch ein, dass ich Aufgaben übernehme, die mir liegen, die zu meinem Talent passen – aber das mit den Klamotten – nein, das ist mir nicht wichtig“. Du musst dir darüber klar werden, dass du stets eine Wirkung hinterlässt, egal wie du dein Äußeres gestaltest. Wenn dir dein Äußeres nicht wichtig ist, so ist dir auch deine Wirkung auf andere nicht wichtig. Wenn doch, so solltest du konsequent werden. Es bleiben Eindrücke bei den Menschen, die dir begegnen – genau wie auch durch deinen Kommunikationsstil Eindrücke entstehen. „Nobody“, „fürchterlicher Typ“, „attraktive Person“ können beispielsweise als Image hängen bleiben. Es ist dein Image, das du selbst erzeugst. Wissenschaftlich ausgedrückt: Du erzeugst dein „Fremdbild“ – ob du willst oder nicht. Und das hat gravierende Folgen für deine Karriere. Dazu ein klassisches Zitat von dem renommierten Kommunikationspsychologen Paul Watzlawick: ! Du kannst nicht nicht kommunizieren!
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Personality toppt
Anziehungskraft Wenn du im Wettbewerb der Talente eine beachtliche Position erreichen willst, muss von dir eine überdurchschnittliche Anziehungskraft auf die Personen in deinem Umfeld ausgehen. All die bisher behandelten Erfolgsfaktoren müssen zu diesem Ziel führen, sonst bleiben sie für deine Karriere nutzloser Selbstzweck. Personality setzt Anziehungskraft voraus. Anziehungskraft hat im Wesentlichen zwei Komponenten. Zum einen musst du Aufmerksamkeit erregen. Wenn du dich versteckt hältst, kannst du niemanden für dich gewinnen. Zum anderen muss das, was Aufmerksamkeit erregt, auf Sympathie stoßen oder imponieren, zumindest bei den Personen, die für deine Karriere eine Rolle spielen. Wenn sie dich als spektakulären Typ empfinden, du sie aber mit deinen Meinungäußerungen abstößt, kommt es zu keiner Anziehungskraft. Machen wir zum Verständnis eine Anleihe aus dem Marketing der Markenwelt. Ein Porsche erzielt mit seinem Design und seiner SpitzenLeistungskraft im Markt überdurchschnittliche Aufmerksamkeit. Er ragt im Wettbewerb der Automarken heraus. Für die Fans dieses starken Boliden ist die Anziehungskraft enorm. Doch viele Leute, die sich einen Porsche leisten können, verbinden mit 400 PS keinen persönlichen Wert. Auf diese Leute übt der Porsche keine Anziehungskraft aus. Sie kaufen ihn nicht. Die Firma Porsche wiederum richtet sich in Marketing und Werbung bewusst auf die Zielgruppe aus, die auf Porschequalitäten Wert legt. Nun, du musst für deine Person auch eine Marke im übertragenen Sinne etablieren, wenn du „Größeres“ in deiner Karriere vorhast. Du musst lernen, deine Persönlichkeit und deine Fähigkeiten möglichst einzigartig zu formen und mit deinen Botschaften zielgruppenbewusst umzugehen. Um das für dich operabel zu machen, ziehe ich ein Denkmodell des Sozialpsychologen und Klassikers der Marktpsychologie Bernt Spiegel zu Rate. Ich nenne das Modell „Das magische Dreieck“.
Anziehungskraft
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Das magische Dreieck Stell dir vor: Im großen Feld deines beruflichen Wirkens hast du eine gewisse Aufmerksamkeit erreicht. Du arbeitest mit all deinen Möglichkeiten daran, dass du deine Leistung steigerst, deine Kompetenz bekannt wird und du als attraktiver Rhetoriker zu Vorträgen eingeladen wirst. Du arbeitest auch daran, aus deinem Typ äußerlich das Beste zu machen – imponierst mit deinem Stil. Zusammenfassend hast du eine bestimmte Aufforderungshöhe erreicht, wie ich das nenne. Du ragst mit all deinen Eigenschaften aus der Masse deiner Mitwettberber im betriebsinternen und externen Talentmarkt heraus. Du baust dich sozusagen im Talentmarkt auf, was de facto einer Aufforderung gleich kommt, mit dir als Kollege oder Mitarbeiter zu arbeiten. Der Politiker im Wahlkampf passt als Bild ganz gut. Er baut sich im wahrsten Sinne des Wortes auf, „schraubt sich in die Höhe“, damit er registriert wird und fordert auf, ihn zu wählen. Stell dir nun auch vor: Dir gelingt es, eine beträchtliche Aufforderungshöhe zu erreichen, aber deine Meinungsäußerungen stoßen viele der Menschen, die du als Anhänger bräuchtest, vor den Kopf. Ihre Werthaltungen vertragen sich nicht mit den Werten, die sie aus deinen Botschaften heraushören. Deine potenziellen Anhänger gehen auf Distanz zu dir, weil ihre Werte von deinen Werten zu weit entfernt sind. Du imponierst ihnen zwar mit Leistung, Kompetenz, Verhalten und Erscheinung. Du verschreckst sie aber mit deinem Denken, mit deiner Einstellung. Du schaffst dir eine unglückliche Distanz zu den Werthaltungen der Beziehungspartner – kurz Wertedistanz. Gewonnen hast du, wenn deine Aufforderungshöhe hoch und die Wertedistanz klein ist. Als Metapher lässt sich das mit einem Dreieck (siehe Abbildung auf S. 142) ausdrücken. Deine Anziehungskraft auf bestimmte Leute deines Interesses gewinnt durch deine Aufforderungshöhe und durch die Nähe deiner Werte zu den Werten dieser Leute. Die senkrechte Seite des Dreiecks sei die Aufforderungshöhe. Die waagerechte Seite des Dreiecks sei die Wertedistanz. Der Tangens des von beiden gebildeten Winkels bestimmt somit deine Anziehungskraft auf diese Leute. Je größer die Aufforderungshöhe, desto größer der Tangens bei gleicher Distanz. Je geringer die Distanz, desto größer der Tangens bei gleicher Aufforderungshöhe:
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Personality toppt
Personality?
Aufforderungshöhe
Das magische Dreieck der Anziehungskraft
Distanz zu den Werthaltungen der Beziehungspartner
Anziehungskraft = Aufforderungshöhe : Distanz (= der Tangens des Dreiecks)
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach, 2007
So mag beispielsweise ein Superdynamiker, der stets rasant auftritt, dem Effizienz alles bedeutet, der arbeitswütig und höchst ehrgeizig ist, in einem bestimmten Produktbereich seines Unternehmens hohe Akzeptanz haben und auf die Chefs eine starke Anziehungskraft ausüben. Diese Leute wollen im Wettbewerb heiß laufen, kämpfen. Er wird entsprechend gefördert. Der Tangens des Dreiecks bzw. die Anziehungskraft ist groß.
Anziehungskraft
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Doch in einem anderen Produktbereich stößt der gute Mann auf Ablehnung. Dort bevorzugt man eher Bedächtigkeit, Besonnenheit, Kooperation. Die Chefs dort würden ihn nicht fördern. Man bewundert zwar auch die Dynamik des Kollegen. Aber seine Einstellung zur Arbeitsweise passt überhaupt nicht mit der Kultur dieses Bereiches zusammen. Der Tangens ist relativ klein, weil die Wertedistanz sehr groß gerät. Auf die Kollegen in diesem Bereich übt unser Mann keine Anziehungskraft aus. Du musst dich also in deiner Karriere stets bewusst positionieren. Auf wen kannst du mit deinem Typ, deinem Stil, deinen Leistungen und deinen Werten Anziehungskraft ausüben? Dabei ist die Aufforderungshöhe eher eine objektive und die Wertedistanz eher eine subjektive Größe. 400 PS eines Porsche stellen eine objektive Größe dar. Die Bewunderung dafür ist rein subjektiv. Das Arbeitspensum eines „Workaholic“ ist eine messbare Größe, die Bewunderung dafür subjektiv bedingt. An der subjektiven Komponente zu schrauben, das fällt im Allgemeinen recht schwer. Im Beruf an den Werten der Anderen zu drehen, ist fast unmöglich. Deshalb beschäftigen wir uns im Folgenden damit, wie du deine Aufforderungshöhe, als eher objektive Größe hochschrauben kannst.
Persönliches Marketing gehört dazu Deine Aufforderungshöhe kannst du mit deinem persönlichen Marketing erheblich hochschrauben. Die Mittel, um zu Bekanntheit und positivem Ruf zu kommen, sind in unserer Medienwelt fast unübersichtlich zahlreich und vielfältig. Greifen wir nahe liegende Beispiele heraus: Präsentationen in abteilungsübergreifenden Veranstaltungen oder
Workshops deines Unternehmens. Beiträge in Firmenmedien wie Hauszeitschriften, Intranet-Portalen. E-Mails für dein internationales Firmennetzwerk. Dosierte
Ratschläge, Infos, Erfolgsmeldungen etc. Richte dir frühzeitig einen Verteiler ein. Der beginnt vielleicht mit deinen unmittelbaren Arbeitsgruppen und wächst im Laufe der Zeit zu einer persönlichen Netzwerk-Community mit all den internationalen Töchtern und Partnern (vgl. „Networking“ in Kapitel 5). Artikel in Branchenzeitschriften und -internetmedien, mit denen du deine Kompetenz zeigst.
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Personality toppt
Eigene Homepage. Da kannst du dein Profil gestalten und somit
auch besser in Google erscheinen. Beiträge in Medien verstärken das. Networking bei Fachkonferenzen und Seminaren sowie in Business-
Clubs, zum Beispiel auch in Internet-Foren wie XING. Vorträge auf Branchen- oder Fachveranstaltungen, auch auf Messen. Ideen, Vorschläge. Starte Initiativen für Innovationen in deinem Un-
ternehmen. Ggf. in Teams, in Fachbereichmeetings – oder gelegentlich auch vertraulich in Richtung Geschäftsleitung. Bewerbung, Initiative für unternehmensweite Projekte. Die werden in größeren Unternehmen oft intern ausgeschrieben. Dann wird das Team rekrutiert. Oder die Sache läuft persönlich über deinen Mentor, der von deinem Interesse weiß. Fachbuch als Autor oder Co-Autor verfassen. Aktive Teilnahme bei Firmen-Events. Du übernimmst eine Rolle in der Organisation, Moderation, Gruppenbetreuung etc. Nicht zuletzt gehört zu deinem Marketing natürlich dein gesamtes Auftreten, also dein Verhalten, deine Kommunikation, deine geäußerten Botschaften, dein Erscheinungsbild. Du bewegst dich damit hauptsächlich auf der Beziehungsebene, vergleichbar mit dem Thema der Wertedistanz oder -nähe. Jedem karrierewilligen Talent, ob Young Professional oder Professional, ist anzuraten, in Abständen Trainings zu absolvieren. Je eher, desto besser. Es geht hauptsächlich um Fremdbildbestimmung. Jeder Mensch kommt einmal im Laufe seines Lebens zu einer falschen Meinung von sich selbst. Er irrt sich in der Wirkung seines Verhaltens auf andere. Wenn du nun mit falscher Selbsteinschätzung an deiner Anziehungskraft arbeitest, arbeitest du praktisch gegen sie. Ein typisches Beispiel ist ein falsches Eigenbild bezüglich des Gesichtsausdrucks. Der Gesichtsausdruck spielt in fast allen Situationen der Karriere eine dominante Rolle. So mag sich ein Mensch ungemein geschliffen ausdrücken können, doch wenn er dabei ständig ein starres und emotionsloses Verhalten zeigt, erntet er im besten Fall höflichen Beifall. Die Teilnehmer empfinden ihn als trocken und langweilig. Er meint aber, er würde während seiner Vorträge recht freundlich gucken. Er wundert sich, warum die Zuhörer so verhalten reagieren.
Anziehungskraft
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Er besucht ein Kommunikationstraining. In der Trainingssituation, beispielsweise in einer Gruppe von zwölf Teilnehmern, sagen ihm elf die Wahrheit. Der Trainer konfrontiert ihn zudem mit der Filmaufnahme des ewig starren Gesichtsausdruckes. Der Kandidat ist sehr geknickt, aber einsichtig. Im Training lernt er, wie er mit kleinen natürlichen Mitteln während seines Vortrages Sympathien ernten kann. Ihm gelingt es, seinen Vortrag mit einem natürlichen Lächeln und mit gewinnenden Gesten zu begleiten. Eigenbild und Fremdbild sind wieder im Einklang.
8.
Wie du Top bleibst
Du hast deine größten Investitionen in den Aufbau deiner Karriere hinter dir und möchtest jetzt, dass sich das alles auszahlt. Du bist in einer höchst verantwortungsvollen Position, besitzt Macht, Einfluss und ein sehr gutes Gehalt. Doch das alles zählt nichts, wenn du dich nicht gleichzeitig auch glücklich fühlst. Der Erfolgsdruck steigt unerbittlich, je größer der Machtspielraum ist. Wenn du diese Verantwortung nur unter größter täglicher Anstrengung, die an deine Grenze geht, tragen kannst, wirst du kaum ein glücklicher Mensch werden können. Damit verlierst du auch die Ausstrahlung, die dich bislang vorwärts brachte. Dein berufliches und privates Umfeld merkt, dass du ständig überarbeitet bist. Kein seltener Fall: Der Lebenspartner läuft davon. Denn er möchte noch leben. Das kann er mit dir nicht, wenn du deine gesamte Energie im Job verbrauchst und zu Hause nur noch erschöpft bist – ausgebrannt. Ein weiteres häufiges Phänomen solcher erschöpfter Chefs ist das letzte Aufbäumen vor dem Absturz. Sie werden größenwahnsinnig, taumeln zwischen schnellen Autos, Schampus, Sex und Korruption hin und her (aktuelle Beispiele gibt es leider mehr als genug). Der Grund ist rein tiefenpsychologisch zu erklären. Solche Menschen verloren mit dem Aufstieg jegliche Bodenhaftung. Sie kompensieren ihre Burn-outErscheinungen mit dem Aberglauben, sie könnten mit der Macht spielen und unterlägen nicht mehr normalen menschlichen Maßstäben. Das schlimme daran ist weniger, dass sie schließlich gefeuert werden, sondern ihr Persönlichkeitsverfall. Ohne intensive therapeutische Hilfe geht ihr Selbstwertgefühl den Bach hinunter. Es gibt eigentlich keinen stichhaltigen Grund, dass du so einen KarriereGau erlebst. Wenn du auf deine Leadership-Kompetenzen im weiteren Karrierelauf mit Jobs aufsetzt, die dir liegen und dir täglich Freude machen, wirst du auch Top bleiben oder schnell wieder Top werden, falls du aus externen Zwängen heraus deinen Job verlierst. Das kann den Besten passieren: Fusion, Umstrukturierung, Konkurs etc.
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Wie du Top bleibst
Glücksgefühl bei Top Leistung Es ist schon manchmal unglaublich, zumindest für mich, wie viele meiner Klienten, ob jung oder reif, zunächst von der Erfolgsgrundregel Nr. 1 nichts wissen oder dagegen handeln: ! Produktivität und Arbeitszufriedenheit können sich auf Dauer nur halten, wenn du in deinem Job mit deinen Talenten arbeitest. Vergegenwärtige dir die Talentkonstellationen, die wir im zweiten Kapitel behandelten. Talent hat nichts mit Wissen oder Fleiß zu tun. Es sind deine Grundstärken, die in dir verankert sind. Du kannst dich mit ultimativer Power ins Zeug legen, arbeiten wie ein Tier, dir bestes Know-how verschaffen, dich überall zur Stelle melden, wenn es brennt, ohne Ende Beziehungen knüpfen usw., und trotzdem blockt deine Karriere, wenn du an deinen Talenten vorbeiarbeitest. Logisch, auch du kannst nur aus 100 Prozent deiner Energie schöpfen – wie jeder Mensch. Du hast nicht plötzlich mehr zur Verfügung, wenn du meinst, du müsstest noch mehr Gas geben. Wenn du nun mit deinem Energietopf Dinge tust, welche dir weniger oder keinen Spaß machen und du trotzdem Höchstleistungen bringst, ist dein Topf bald leer. Wenn du dann den energischen Einsatz fortführen willst, mangelt es dir an Energie und deine Leistung ist bestenfalls nur noch durchschnittlich – sie sackt ab. Du brauchst auch ziemlich lange Zeit, um deinen Energietopf wieder zu füllen, da du ihn gänzlich leer gemacht hast. Anders, wenn du genüsslich in deinem Talentbereich arbeitest. Du bringst die gleiche Leistung, aber dein Topf wird nie leer. Du tust Dinge, die dir Spaß machen und die dich im Grunde nicht anstrengen. Das bringt dir Reserven für viele weitere Aufgaben. Deine Energie bleibt stets auf beachtlichem Niveau. Man merkt es dir an. Du bleibst gelöst, gut gelaunt, wirkst nie erschöpft. Mit solch einer Performance kommst du schneller voran und weiter, als wenn du meinst, mit masochistischer Arbeitswut – egal für welche Aufgabe – deine Karriere fortführen zu können.
Glücksgefühl bei Top Leistung
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Fallbeispiel: Da ist der absolut rational gestrickte Ingenieur, Herr „Kopfmensch“, der an jeder Gefühlswelt vorbeigeht, der stolz auf sein Prädikatsexamen, sein technisches Wissen und Know-how ist, einen Software-Kurs nach dem anderen absolviert, Patente generiert, sich energisch als fleißiger, führender Projektleiter in der Automobilzulieferindustrie hoch gearbeitet und Achtung verschafft hat. Er ist happy. Seine Leistung ist nicht nur Spitze, sie macht ihm auch Freude. Mit seiner überdurchschnittlichen Ingenieurintelligenz empfindet er den Job allmählich als zu wenig herausfordernd. Er steht vor dem entscheidenden Sprung in höhere Führungsverantwortung. Die Geschäftsleitung würde ihm die Entwicklungsleitung seines Produktbereiches übertragen. An sich eine optimale Beförderung. Denn die technisch-wissenschaftlichen Anforderungen und die Prüfung von Entwicklungsalternativen liegen genau in seinem Talentzentrum. Doch Herr Kopfmensch möchte eine spannendere Aufgabe. Da er als führender Projektleiter auch mit Kunden zu hatte, schwebt ihm eine Vertriebsverantwortung vor. Finanziell entwicklungsfähiger und abwechslungsreicher, meint er. Er bewirbt sich um die frei gewordene internationale Leitung der größten Kunden-Accounts im Halbleiterprogramm. Er wird Kundenbereichsleiter („Customer Unit Manager“). Das ist im Unternehmen Hauptabteilungs- oder Direktorenebene. Nun verantwortlich für den Absatz der Serienprodukte, muss er einerseits seine Vertriebsingenieure führen und andererseits mit einer bunten Schar von entscheidenden Leuten beim Kunden zurecht kommen. Mit Einkaufschefs, Produktmanagern, Betriebsleitern etc. Diese Anforderungen benötigen nun zu mehr als 50 Prozent Talente, die überhaupt nicht zu seinen Präferenzen gehören: Geselligkeit, emotional geschickter Umgang mit Leuten, spontane Kreativität in der Diskussion bei den Kunden, Motivation der Mitarbeiter, pfiffiges Verhandeln etc. Das Unheil nimmt seinen Lauf. Seine Kundenberater lachen ihn mit seiner Vorstellung aus, man müsste die technischen Informationen verbessern, um mehr Aufträge zu holen. Bei seinen Good-WillKundenbesuchen auf Geschäftsleitungsebene fragt niemand nach seinem technischen Wissen. Die Marktproblematik wird ihm darge-
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Wie du Top bleibst
legt. Er erhält auch charmante Hinweise, dass seine Wettbewerber günstigere Konditionen anbieten. Seine sorgfältig ausgearbeiteten technischen Präsentationen sind nicht gefragt. Und in der Niederlassung in China wird er ermahnt, mit den Kunden beim ersten Treffen belanglos, aber freundlich zu reden, statt gleich über die geschäftlichen Fakten zu informieren. Bei Chinesen sei es wichtig, zuerst die Herzen der Menschen aufzumachen, bevor man mit Geschäftsdaten wedelt. Unser Herr Kopfmensch versteht die Welt nicht mehr. Vorher, unter seinen Ingenieuren, war Logik noch Logik. „Was soll ich jetzt schwätzen, statt Fakten zu bringen – und die ganze Organisation ist übrigens viel zu langsam …“ Von Dienstreisen kommt er total erschöpft zurück. Sein innerbetrieblicher Mentor weißt ihn darauf hin, dass er mehr auf informelles Beziehungsmanagement im internen und externen Netzwerk achten sollte. Nun belegt der gute Herr Kopfmensch ein Kommunikationsseminar. Dort wird er halb verrückt. Er soll in der Gruppe über seine Gefühle sprechen. Er bricht das Seminar ab. „Das bringt mir überhaupt nichts“. Nachdem sich seine Außendienstler bei der Geschäftsleitung beschweren, was für ein eiskalter Fisch er bei ihnen und beim Kunden sei, ständig neue nutzlose technische Präsentationen verlange, statt auf die Menschen einzugehen, erhält er eine drastische Ermahnung. Die Geschäftszahlen werden schließlich auch schlechter, da seine Leute an Motivation verlieren. Ihm geht es schlecht. Er schläft kaum mehr eine Nacht durch. Trotzig erhöht er die Zahl der Meetings mit seiner Truppe, zeigt dort Analysen und Umsatzziele. Die Konflikte nehmen natürlich zu. Herr Kopfmensch wird schließlich mit einem Aufhebungsvertrag abserviert. Damit es dir nicht auch so geht, verinnerliche das Talentgesetz. Deine Produktivität, Leistung und Arbeitsfreude korrelieren mit dem Maß, in dem du mit deinen Talenten arbeitest. Als Führungskraft vergisst man das leicht. Man fühlt sich zu allem fähig und generell zuständig. Freilich kann man als Führungskraft – und erst recht als Top – die Mittel, mit denen man führt und arbeitet, eher auswählen als in den unteren Ebenen. Aber wenn die Aufgaben grundsätzlich an deinen Grundstärken vorbeigehen, kannst du dich den Burnt-out-Genossen anschließen. Die folgende Grafik verdeutlicht das:
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Glücksgefühl bei Top Leistung
Talent und Arbeitszufriedenheit
Arbeitszufriedenheit Glücksgefühl bei Top Leistung
Immer gleich mühsam
Depression, Burn out
0%
100 % Arbeiten im Talentbereich
„Talent ist jedes nachhaltige Denk-, Gefühls- oder Verhaltensmuster, das produktiv eingesetzt werden kann.“
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach, 2007
Nach diesem Gesetz hätte unser Herr Kopfmensch das Angebot der Entwicklungsleitung einer Produktgruppe unbedingt annehmen sollen. Da hätte er seine Talente voll nutzen können. Seine emotionalen Defizite
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Wie du Top bleibst
wären wenig ins Gewicht gefallen. Seine Teams, ebenfalls meist Kopfmenschen, hätten sich mit ihm über Technik und Ideen zur Technik motiviert ausgetauscht. Führungsprobleme hätte er keine bekommen. Er wäre in seinem Job glücklich gewesen. In höchster Verdichtung lautet das absolute Erfolgsprinzip für die Karriere: ! „Stärken stärken!“ Das sollte nach den bisherigen Ausführungen plausibel sein. Dieses Erfolgsprinzip enthält allerdings auch Gefahren. Damit befassen wir uns nun.
Verhaltensgefahren abstellen Erinnere dich daran, dass aus Übertreibungen deiner Stärken Schwächen resultieren. Sehe dir dazu nochmals die Negativbezeichnung der Talente an („Die Sache mit den Schwächen“, in Kapitel 2). Je weiter jemand die Karriereleiter hochklettert, desto mehr läuft er Gefahr, dass seine Denk- und Verhaltensvorlieben, seine Präferenzen übertrieben werden und neurotische Züge annehmen. Er hat mittlerweile viele Kopfnicker unter sich. Da verliert er das Gefühl für seine Verhaltensweisen. Korrektives Feedback erhält er nicht – nur noch manchmal aus dem Kreis seiner oberen Führungskollegen. Doch da ist man „höflich“, weniger ehrlich. Er verstärkt somit seine Übertreibungen, ohne dass ihm dieses bewusst ist. C. G. Jung hatte sich in Zusammengang mit seiner Typologie tiefgehend mit Neurosen befasst. Seine zentrale Erkenntnis im Resümee, in für Nicht-Psychologen verständliche Begriffe übersetzt: Wenn wir Präferenzen für bestimmte Fähigkeiten oder Eigenschaften im Denken und Verhalten haben (was unseren Typ prägt), so neigen wir dazu, diesen Präferenzen Energie zuzuführen und Energie dort abzuziehen, wo wir keine Präferenzen, Vorlieben verspüren. Dadurch verdrängen wir solche Fähigkeiten in das Unbewusste. Wenn dieser Prozess nicht gestoppt wird, verkümmern solche Fähigkeiten. Sie können für das tägliche Leben nicht mehr genutzt werden. Die Präferenz dagegen wird zunehmend überdeutlich. Jung lässt dazu Alfred Binet sprechen:
Verhaltensgefahren abstellen
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Die Neurose hebt einfach die typischen Charakterzüge einer Persönlichkeit in ein überdurchschnittliches Relief.
Was Neurosen, deren Hintergrund und deren Erscheinungsformen in der Berufswelt anbetrifft, hatten 1994 Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader ein recht praxisnahes Werk veröffentlicht („Die Neurosen der Chefs“). Sie stellen eine Typologie dar, die spiegelbildlich zu den in Kapitel 2 dargestellten Typologieansätzen von C. G. Jung und Ned Herrmann passt. Daraus habe ich in der nächsten Abbildung Anleihen genommen. Neurotische Tendenzen, potenzielle Krankheitsbilder sind Talenttypen zugeordnet – ein Spiegel der Gefahren, wenn Menschen zu einseitig werden.
154
Wie du Top bleibst
Kaltenbach Talent-Labor
Typologische Denk- und Verhaltensgefahren (= Schatten der Stärken) – potenzielle Krankheitsbilder Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12
hartnäckig, eigensinnig, Gefühlsunterdrückung … POTENZIELL SCHIZOID
aggressiv, autoritär, zurückweisend
9
verzetteln, triebhaft, maßlos, respektlos … POTENZIELL HYSTERISCH; NARZISTISCH
Moralapostel, „Man tut“-bestimmt … POTENZIELL ZWANGHAFT
paranoid, süchtig
rigide, psychosomatische Gefahren
6
3
phobisch, ängstlich
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
sentimentale Eigenliebe, Subjektive Werteerteilung … POTENZIELL DEPRESSIV
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
Verhaltensgefahren abstellen
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Ich denke, du kannst einige Menschen in deinem Umfeld mit den aufgezeigten Verhaltensgefahren in Verbindung bringen. Geh in dich und kämpfe rechtzeitig gegen deine Neigung, deine eigenen Präferenzen zu übertreiben. Dann bleibst du souverän. ! Kleiner Trick: Schau dir die Stärken an, die du weniger zu deinen Stärken zählst. Überlege, was du für Vorteile hättest, wenn genau diese Stärken auch deine wären. In welcher Situation hättest du dir damit leichter getan? Du wirst Geschmack an diesen Fähigkeiten bekommen und nimmst deine eigene Kernstärke nicht mehr so überaus wichtig. Du gehst mit ihr normal um. Die relativ flexiblen Leser mit in etwa gleich verteilten Stärken fragen sich jetzt, ja was wären denn meine neurotischen Gefahren? Genau diese Stärke der Flexibilität ist die Gefahr. Wenn du ständig von einem Verhaltensmerkmal zum anderen wanderst und dieses Wandern übertreibst, wird man dich als wirr, unfassbar, Leichtgewicht, „Hansdampf in allen Gassen“ empfinden. Das würde sich in der Steigerung als Angst, als Rückzug, als Scheu offenbaren. Es gibt Manager, die genau solchen Übertreibungen der flexiblen Universaltalente erliegen. „Bloß nicht zu scharf argumentieren (A), bloß nicht zu kleinlich werden (B), nicht zu freundlich erscheinen (C), sich auf keinen Fall als Fantast erweisen (D)!“ Diese gute Frau oder dieser gute Mann wird als Vorstandsvorsitzender eine rabenschwarze Presse erhalten. „Kein Konzept, führungsschwach, unsicher, wird die Probleme nicht lösen…“ werden die Analysten sagen. Dringende Empfehlung: Mit dieser Talentstruktur rechtzeitig einmal an einer Stelle verweilen und in die Tiefe bohren.
9.
Verändere dich, wenn es eng wird
Wie vormals schon öfters erwähnt, wenn du in einer Organisation darauf wartest und hoffst, es möge dich jemand in deiner Karriere fördern, wartest du lange. Versetze dich selbst in die Lage potenzieller Förderer. Sie ersticken in Arbeit. Sie sind froh, wenn du mit deinen Fähigkeiten ein Stück ihrer Probleme löst. Sie haben mit sich und ihrer Karriere psychisch und physisch mehr als genug am Hals. Und wenn es deiner Firma einmal weniger rosig geht, wird nie ein Vorgesetzter oder ein so genannter Mentor dir raten, den Schauplatz zu wechseln. Selbst im größten Strudel reden sich die Führungskräfte ihr Unternehmen schön – irgendwie verständlich. Deshalb sei auf der Hut. Ganz besonders Young Professionals sollten kontinuierlich in ihrer Firma Monitoring machen, inwieweit sie noch richtig liegen, im Unternehmen und im Job. Dazu zwei Tools:
Unternehmenscheck „Young“ und „Senior Professionals“ sollten kontinuierlich die Situation in Ihrem Unternehmen checken, wenn ihnen an ihrer Karriere etwas liegt. Bin ich noch im richtigen Unternehmen? Hier die wichtigsten Checkpunkte. Gib deinem Unternehmen jeweils Noten: ++ (super), + (o. k.), ? (fraglich), - (negativ): Frage 1: Position in der Entwicklungs-/Lebenskurve der Branche? Sind die Branche oder der Markt, für den du arbeitest, im Aufschwung (++), noch wachsend, aber gesättigt (+), in der Stagnation (?) oder gar im Abschwung (-)?
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Verändere dich, wenn es eng wird
Frage 2: Kurzfristig zu erwartende Firmenkonjunktur? Das Geschäftsvolumen, der Auftragseingang der Firma, kann sich entsprechend der Gesamtbranchenentwicklung oder gegenläufig darstellen. Das hängt von den Firmenteilen, den Geschäftsfeldern (ProduktKundenkombinationen) und der Innovationspower ab. Wenn deine Firma in einem stagnierenden Gesamtmarkt aufgrund einer besonderen Modelloder Exportpolitik Marktanteile erobert, ergeben sich für deinen Job natürlich bessere Aussichten als in einer Firma, die Marktanteile verliert. Letztere wird gerne aufgekauft und ausgeschlachtet – Jobs sind bedroht. Frage 3: Lebenszyklus des Unternehmens? Wir stellen symptomatische Veränderungen der Unternehmenskultur im Zeitverlauf fest. Nehmen wir ein neues Unternehmen in der „Start-up“Situation. Es herrscht Aufbruchstimmung. Der kreative Kick der Leute führt zu geschäftlichem Aufschwung (Expansionsphase). Dann allmählich machen sich Routinen breit. Die Veränderungsenergien werden von Absicherungsmentalität, Kostenmanagement und Überorganisation abgelöst. Neues stört. Das Arbeitsklima vereist. Die Menschen darin begegnen sich dann nur noch verbissen, innerlich auf den Feierabend konzentriert. Wenn dir an deiner Karriere etwas liegt, solltest du das Weite suchen, falls du bemerkst, dass alle nur noch mit angezogener Handbremse fahren. Frage 4: Firmenimage im Markt? Bei der Beurteilung dieser wesentlichen Frage solltest du dich in die Rolle der Kunden versetzen oder gar diese einmal fragen, wie sie das Unternehmen empfinden. Auch dein eigenes, persönliches Gefühl, deine Empfindung als Mitarbeiter trifft das Image meist schon gut. Gehe nicht in Einzelheiten. Alles – Produkte, Kollegenauftreten, Werbung, Organisation etc. hinterlässt insgesamt eine Empfindung. Wenn es deinem Herzen dabei gut geht, heißt das super (++). Wenn du einen Druck in der Magengrube verspürst, hat sich ein negatives Bild eingeprägt (-). Frage 5: Geschäftsentwicklung bisher? Wenn dein Unternehmen bisher profitable Ergebnisse erzielte, ist eine kurzfristig prekäre Situation gut zu überstehen. Denn das Eigenkapital stimmt wahrscheinlich und Bankkredite stehen zur Verfügung bzw. sind
Unternehmenscheck
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nicht gefährdet. Deshalb ist der Rückblick nicht ganz unwichtig. Entwicklung der letzten drei Jahre?: 1. Umsatzvolumen (Revenues/Sales)? 2. Gewinn (Income/Profit)? 3. Mitarbeiterproduktivität = Umsatz dividiert durch Mitarbeiterzahl (Productivity)? Lass diese Daten überschlägig in eine Gesamtnote eingehen. Normalerweise kannst du solche Daten im Jahresbericht deiner Firma lesen. Aktiengesellschaften veröffentlichen solche Daten in den Medien. Solltest du diese Informationen von deinem Unternehmen nicht bekommen, so sitzt du wahrscheinlich in einem recht autoritären Inhaberunternehmen oder in einem sehr kleinen Unternehmen. Frage die Geschäftsführer nach solchen Informationen. Frage 6: Angebots-/Produktinnovation Was hat dein Unternehmen Neues zu bieten? Neue Produkte, Dienste, Systeme? Preise hin, Marketing her – letztlich lebt das Unternehmen von Produkten, von der Attraktivität seines Angebots. Wenn es diesbezüglich veraltet oder mager ausschaut, schaut auch deine Zukunft in diesem Unternehmen alt aus. Lass dich vom Controlling informieren, wie viel Prozent zum Umsatz neue Produkte (oder erheblich verbesserte) beitragen und wie sich das in den letzten drei Jahren entwickelte. Tendenz ca. 50 Prozent und mehr: super (++), ein Drittel: o. k. (+), 20 Prozent: fraglich (?), weniger oder nichts Neues: die Katastrophe bahnt sich an (-). Frage 7: Motivation der Belegschaft? Würden sich die Mitarbeiter ins Zeug legen, wenn es darauf ankommt? In guten wie in schlechten Zeiten (den berühmten Karren wieder aus dem Dreck ziehen)? Bewerte: Das Unternehmen als hoch motiviertes Team mit effektiver Eigeninitiative (++), überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft (+), normal fleißig arbeitende Leute (?), Menschen, die ihren Job relativ fantasielos, brav „abarbeiten“ (-). Ein bestens ausgestattetes Unternehmen mag freilich eine Weile von der Substanz leben. Doch ohne kreative Manpower geht es schnell bergab.
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Verändere dich, wenn es eng wird
Frage 8: Qualität der Leitung? Mache mit der Bewertung gleich einen Schnellkurs in Sachen Führungskräftebeurteilung: Gib eine Gesamtnote dafür, inwieweit deine Geschäftsleitung insgesamt den Eindruck macht, dass sie zumindest zielstrebig, geradlinig auf Ergebnisse ausgerichtet ist. Mitarbeiter und Kunden versteht, ein gewisses Einfühlungsvermögen
in andere und Verständnis für andere hat. weiß, wovon sie spricht, sich auskennt, ein sachkompetentes Funda-
ment hat. Frage 9: Klarheit der Unternehmensstrategie? Wenn du in einer Mußestunde in dich gehst und alle Verlautbarungen deines Unternehmens Revue passieren lässt, wie greifbar ist für dich der Zustand deines Unternehmens in den nächsten Jahren? Die Produktcharakteristik, die Art der Vermarktung, die Absatzregionen und die Art der Kunden, das Geschäftsvolumen und nicht zuletzt die Organisation und das Miteinander darin? Welches Bild macht sich bei dir auf? Bewerte: absolut klar, eindeutig (++), man kann sich einen Reim machen (+), sich widersprechende Bilder (?), gar kein Bild (-).
Jobcheck Die Qualität deines Jobs muss mit dem Erfolg des Unternehmens nicht in Einklang stehen, vor allem nicht in größeren Organisationen. Du solltest die Situation in deinem Job gut checken, auch wenn die Firma brummt. Hier die wichtigsten Checkpunkte. Gib jeweils Noten: ++ (super), + (o. k.), ? (fraglich), - (negativ): Frage 1: Persönliche Denk- und Verhaltensweisen – Talent – umsetzbar? Denke an das wichtige Kapitel 2! Unterscheide zumindest, ob du eher ein rational gesteuerter, analytischer Mensch oder eher ein intuitiv gesteuerter, kreativer Mensch bist.
Jobcheck
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Wie steht es nun damit in deinem Job? Inwieweit liegt dir der Arbeitsstil, der dir abverlangt wird? Memo: Wenn du nach deinen Talenten arbeiten kannst, hast du mit normalem Energieaufwand schon super Ergebnisse (++). Musst du ab und zu Arbeitsweisen praktizieren, die nicht unbedingt zu deinen Favoriten zählen, ist das noch o. k. (+). Arbeitest du zu oft gegen deine persönlichen Vorlieben, verbrauchst du sehr viel Energie für durchschnittliche Ergebnisse (?). ! Zwingt dich das Arbeitssystem konstant zu einem Verhalten, das dir gegen den Strich geht, so bist du in einem Burn-out-Job: (-). Ändern – aber schnell! Ordne dich im Portfolio ein:
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Verändere dich, wenn es eng wird
Talent-Jobportfolio
Attraktivität des Jobs
hoch Aufgaben anpassen oder Wechsel vorbereiten
aussteigen, wechseln
Volles Engagement, Investition
Gehalt ausreizen, Ausschau halten
niedrig keiner
sehr groß
Mein Talentvorteil im Job Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach, 2007
Frage 2: Besondere Fachkenntnisse von Vorteil? Spezialkönnen bedeutet riesige Energien, die man zur Entwicklung
einer besonderen Kompetenz bereits investiert hat. Diese Energien sollten sich bezahlt machen. Mit besonderen Fachkompetenzen lassen sich Konkurrenten, die diese nicht aufweisen, in der „Karriererennbahn“ distanzieren oder abhängen.
Jobcheck
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Erst wenn du als Senior Manager deine Spezialitäten ausgeschöpft
hast, ist ein Karrieresprung in die etwas mehr fachneutrale Richtung des globalen Managements glaubwürdig und akzeptiert. Spezialkompetenz ist wie ein Produktvorteil. Nur dieser verkauft sich im Wettbewerb, nicht das Produkt als solches. Wie steht es damit in deinem Job? Bewerte unter Berücksichtigung deines Management-Levels. Frage 3: Sinn für mich? Wenn etwas, ein Denken, ein Tun, eine Sache für dich persönlich Sinn macht, hast du ein Glücksgefühl bei der Verwirklichung dieser Dinge. Du kannst den Sinn oft nicht definieren, du spürst einfach eine Befriedigung. Für berufliche Aufgaben ist das existenziell wichtig. Ein Job mit für dich fraglichem Sinn macht dich energiearm, auf Dauer lustlos und innerlich krank. Wie steht es um Sinnerfüllung in deinem Aufgabenspektrum? Bewerte nach deinem Gefühl. Frage 4: Hat mein Wert in der Firma Zukunft? Indizien für die Wertentwicklung von Professionals:
Überdurchschnittliche Steigerung der Vergütung, Zuwachs an Verantwortung (Budget und/oder zu führende Mitarbeiter), Entscheidende Leute sprechen mit dir, Dein Team will dich nicht vermissen, Du kannst Alternativen, Optionen für die weitere Zukunft verhandeln, Du wirst bei Problemen nach deiner Meinung gefragt.
Wie haben sich diese Wertschätzungsfaktoren entwickelt? Checke das einmal wirklich selbstkritisch und schonungslos. Ein klares Chefgespräch ist bei negativer Einschätzung unbedingt notwendig. Wenn du dich unter Wert fühlst, dann auf in den Personalmarkt! Frage 5: Einkommenssteuerung durch Erfolg? Je größer der Anteil des erfolgsabhängigen Einkommens ist, desto mehr rentiert sich überdurchschnittlicher Einsatz. Denkbare Erfolgskriterien: Provisionssätze für erzielte Umsätze Erreichung/Übererfüllung von Umsatz-/Gewinn-/Produktivitäts-/Kos-
tenzielen
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Verändere dich, wenn es eng wird
Arbeitszufriedenheit in deinem Verantwortungsbereich (lässt sich
kontinuierlich durch Befragungen messen) Kundenzufriedenheit (lässt sich ebenfalls durch Befragung messen) Reklamationsquoten Akzeptierte Innovationsvorschläge Erzielte Einsparungen Fehlerquoten
Wie steht es mit den vertraglich vereinbarten Steigerungsmöglichkeiten durch deinen Arbeitserfolg? Ich kann mein Einkommen ganz erheblich damit steuern (++), Erfolg lohnt sich schon (+), na ja, meine Erfolgsprämien sind ein besseres Weihnachtsgeld (?), nur Fixgehalt (-). Frage 6: Spaß im Job? Die Frage ist, inwieweit Arbeit wirklich Freude, Vergnügen und manchmal auch richtig Spaß macht. Dazu zählt auch der Umgang der Kollegen untereinander. Dominiert Humor oder distanzierter, emotionsloser Ernst? Die Arbeits- und Lernpsychologie lehrt uns eindeutig, dass Spaßfaktoren die Arbeitsbereitschaft, Produktivität und den Lernerfolg erheblich fördern. Das kann man im Mannschaftssport gut verfolgen. Erfolgreiche Teams strahlen Optimismus und Fröhlichkeit aus. Verbissene Teams steigen ab. Bewerte deine „Spaßfaktoren“ in deinem Job – nach deinem Gefühl. Frage 7: Berufliche Qualität meines Kollegenumfeldes? Wenn du ständig unterfordert arbeitest, von Chefs und Kollegen nichts lernen kannst, ist das auf längere Sicht Karriere vernichtend. Suche nach einem Arbeitsumfeld, in dem du extrem viel dazulernst und extrem gefordert wirst. Karrieren solltest du mit Leistungssport vergleichen. Nur bei gutem Training kannst du mithalten. Mit „Normalmaß“ kann man heute in keinem erfolgreichen Unternehmen eine beachtliche Karriere machen. Bewerte, inwieweit du dich durch die berufliche Qualität der Kollegen (der Chef gehört übrigens dazu) in deiner eigenen Qualität gefördert empfindest. Wenn du dich für einen Job- und Unternehmenswechsel entscheidest, so gehst du am besten nach den Empfehlungen in Kapitel 4 „Jobscouting – Jobhunting“ vor.
Anhang – Tools zur Selbstfindung
Ermittlung deines Grundtalents Anleitung zum Fragebogen der persönlichen Denk- und Verhaltensvorlieben 1. Die Zahlen deines Rankings von 1 bis 12 (mittlere Spalte) erhalten in der rechten Spalte ein Gewicht. Schreibe neben die Buchstaben das Gewicht entsprechend dem oben rechts angeführten Code. Beispiel: Wenn die erste Aussage „Fakten …“ mit dem Stellenwert 1 versehen wird, dann schreibe rechts neben dem Buchstaben A die Zahl 4 (Rank 1-3 = 4). 2. Alle Zahlen hinter den Buchstaben der rechten Spalte addierst du pro A B C D und trägst diese Summen unten in die Summenzeile bei A B C D ein. Kontrolle: Die Gesamtsumme muss immer 30 sein. 3. Die Summenwerte von je A B C D überträgst du als Punkte in dem darauf folgenden Profilschema auf den Pfeil-Diagonalen (die Metrik von 3 bis 12 ist senkrecht aufgeführt). Nun verbindest du die Punkte mit einer Linie und du hast dein „Talentprofil“. Es zeigt dir den Trend deiner Stärken bzw. deiner Präferenzen (=Talent) für die jeweiligen Richtungen A B C D. Die Bedeutung der Zonen wird nach dem Profilschema erklärt.
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Anhang – Tools zur Selbstfindung
Kaltenbach Talent-Labor Modul 01
Fragebogen zur Schnellermittlung deiner persönlichen Denk- und Verhaltensvorlieben = tendenziell dein Talentprofil Bringe die folgenden Aussagen für dein Leben in eine Reihenfolge von 1 (= am wichtigsten) bis 12 (= am wenigsten wichtig) – auch wenn alles für dich wichtig ist. Du musst also jede Rangzahl von 1 bis 12 einmal vergeben bzw. zuordnen.
Code für Auswertung
Für mein Leben ist mir wichtig ...
Zuteilung
Rank 1-3=4 Du sollst und kannst dabei nicht zwischen Privat- und Berufsleben trennen. 4-6=3 7-9=2 Lese die Aussagen erst besinnlich durch und ordne dann deine Rangzahl zu, 10-12=1 d. h. schreibe die Nummern in die mittlere Spalte neben die Aussagen: Dies hat den Stellenwert (1-12):
Fakten und Wissen
A
Tradition und Erfahrung zwischenmenschliche Gespräche
B
Abwechslung und Spannung bildhafte Vorstellungen von den Dingen
D
Gelöstheit und Entspannung Kontrolle und Sicherheit in den Geschehnissen alles ist klar, logisch durchdacht Konzentration auf das Wesentliche Ordnung und Korrektheit der Dinge
C
Harmonie und Herzlichkeit
C
Ideen, Einfallsreichtum
D
Summen:
A:
C
D
B A A B
B:
C:
D:
Übertrag in das Profilschema, Kaltenbach Talent-Labor Modul 02
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach, Gröbenzell 2003 - nach den Typologien von C. G. Jung und Ned Herrmann (Herrmann Dominanz Instrument)
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Ermittlung deines Grundtalents
Profil Kaltenbach Talent-Labor Modul 02
Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12
9
6
3
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
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Anhang – Tools zur Selbstfindung
Erklärung Talentprofil – Auswertung Linie: Selbsteinschätzung der Präferenzen = Stärken, Denk- und Verhaltensstil. Werte ca. 10-12: Präferenzbereich. Das sind Eigenschaften, die dir sehr liegen – eine starke Dominanz. Dort erzielst du gute Ergebnisse mit relativ geringem Energieaufwand. Werte ca. 7-9: Kompetenzbereich: Mit diesen Eigenschaften kannst du gut mithalten, bist dafür kompetent. Dort brauchst du für gute Ergebnisse entsprechenden Energieeinsatz. Werte ca. 3-6: Vermeidungsbereich: Diese Eigenschaften liegen dir weniger. Dort brauchst du für gute Ergebnisse ein Übermaß an Energieeinsatz. Solltest du eine Gleichverteilung aufweisen (Profiltendenz Quadrat), sodass für dich also alle Bereiche o. k. sind, so bist du ein sehr flexibler Mensch. Flexibilität ist dann deine Grundstärke. Kann ein Vorteil für die Karriere sein, da du unterschiedlichste Aufgaben gut packst. Der Nachteil: Du wirst nur unter immensem Energieeinsatz auf einem einzigen, bestimmten Gebiet Spezialist sein können. Und wenn du das anstrebst, ist es mit dem Durchhalten ein Problem. Zur detaillierten Interpretation deines Profils siehe Kapitel 2.
Berufsbegabung – vertiefende Übersichten Nach der Ermittlung deines Talentprofils kannst du dich in die folgenden drei Abbildungen recht schnell hineindenken. In Anlehnung an Kapitel 3 werden typische Funktionen bzw. Berufe oder Jobs in unser Talentschema eingeordnet, positioniert. Es geht um Unternehmens-Funktionen Marketing-Funktionen Technik-Funktionen
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Berufsbegabung – vertiefende Übersichten
Welche Unternehmens-Funktionen passen am besten? Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12
Konstruktion, Engineering, Finanzen, Research, …
Entwicklung, Strategische Planung, Business Development, 9 … m&a,
Unternehmer, Design, Zukunftsentwicklung, …
Logistig, Controlling, QM, … Produktion, Prüfungswesen, Projektplanung, Einkauf, Rechnungswesen, …
Marketing, Kommunikation, …
6
3
Coaching, Persönlicher Verkauf, PR, Recruiting, PE, FKE, …
Kundenmanagement, Personalwirtschaft, Call Center, …
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
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Anhang – Tools zur Selbstfindung
Welche Marketing-Funktionen passen am besten? - Beispiele Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12 Strategische Planung
6 Kommunikation
Planung, Org., Budgeting, Operative Planung
Innovationen, New Business, Design, Werbe-/ Komm-Konzepte
9
Absatz-Logistig, V-/Marketing-Controlling
Marketing-Research (Mafo), Media, Testing
3
PR, Sales, CRM, Events
Kundenmanagement, Service Management
B Ich bin die Zuverlässigkeit ä Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt …
C Ich bin das ühl Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
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Berufsbegabung – vertiefende Übersichten
Welche Technik-Funktionen passen am besten? Fakten, Technik, Wissen, rationale, analytische Welt ...
Neues, Ideenreichtum, Intuition, spannende und kreative Welt ...
A Ich bin die Logik
D Ich bin die Fantasie 12
Konstruktion, Engineering, Research, SW-Entwicklung, Versuch, …
Produktentwicklung, Technologieentwicklung, Business Development, 9…
Unit-Leitung, Design, Zukunftsentwicklung, …
Produktion, Prüfstand, Projektplanung, techn. Einkauf …
techn. Präsentationen, Anleitungen verfassen, …
Logistig, QM, Projektcontrolling …
6
3
Key Account Management, Produkttraining, …
Technischer Vertrieb, techn. Service, …
B Ich bin die Zuverlässigkeit Kontrollierte Ordnung, Tradition, organisierte, planvolle, sichere Welt ...
C Ich bin das Gefühl Hilfsbereitschaft, Gespräche, Harmonie, zwischenmenschliche Welt ...
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach (nach H. D. I., C. G. Jung)
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Talentkompass
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach, 2005
Anhang – Tools zur Selbstfindung
Talentkompass
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Der operative Aspekt Nach der bisherigen Lektüre kannst du anhand des Talentkompasses dein eigenes Talentmanagement gedanklich üben. Der Kompass enthält eine zusammenfassende Übersicht der Denk- und Verhaltensvorlieben einzelner Talenttypen in Anwendung auf wichtige Erfolgsfaktoren der Karriere. Wo findest du dich wieder? Was möchtest du vielleicht ändern? In welche Welten möchtest du für bestimmte Zwecke mehr als bisher hineingehen? Doch pass auf, dass deine Bilanz stimmt. Wenn du in einem Bereich zulegen willst, musst du entsprechend deinem Profil eventuell in einem anderen Bereich Abstriche machen. Zum Beispiel: Kommunikationsstärke: Du bist bisher in Teamsitzungen positiv damit aufgefallen, dass du deine Erfahrungen eingebracht und Schritte aufgezeigt hast, wie man eine Sache zum Funktionieren bringt (links unten). Du bekommst nun den Ehrgeiz, mehr in die Zukunft zu denken, dem Team Visionen und Chancen aufzuzeigen, wenn bestimmte Dinge geändert werden (rechts oben). Das erfordert praktisch die gegenteilige Begabung, als die für dein bisheriges Wirken in den Meetings. Kannst du es vereinen? Entspricht es wirklich deinem Talent? Der Kompass eignet sich auch vorzüglich als „Spickzettel“ in Entscheidungssituationen, in denen dir wenig Zeit bleibt. Auch hierzu ein Beispiel: Angenommen, die „logische, wissenschaftliche Welt“ (links oben) ist deutlich deine Welt. Du arbeitest schon einige Jahre erfolgreich in deinem Unternehmen. Dir wird nun überraschend die Mitarbeit in einem großen, wichtigen, abteilungsübergreifenden Projekt angeboten. Und es wird dir gleichzeitig eine Beförderung in Aussicht gestellt, wenn du dich in dem Projektteam bewährst. Guck in den Kompass. Gehe die Kreise von außen links oben nach innen durch. Möglicherweise sieht dein Check folgendermaßen aus: Passt zu meiner Karrierestrategie – Leistung machbar, Nutzen
groß – also nehme ich den Job an. In der Arbeitsteilung setze ich auf die Analyse der Machbarkeit
der Schritte. Zugunsten der Effizienz nehme die Rolle des Antreibers ein – liegt mir. Die Aufgaben entsprechen ohnehin meiner Kompetenz.
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Anhang – Tools zur Selbstfindung
In den Meetings werde ich mich mit unbequemen Hinterfragen
und faktengestützten Argumenten profilieren. Ich werde meinen kühlen, pragmatischen Stil aufrechterhalten.
Das passt zu mir. Deine Projektbeteiligung dürfte so recht erfolgreich werden.
Der strategische Aspekt Wenn wir die im Talentkompass aufgeführten „Welten“ jeweils parallel betrachten, ergeben sich sozusagen „strategische Partnerschaften“. In der nächsten Darstellung – quasi eine Zusammenfassung des Talentkompasses – sind dafür metaphorisch Himmelsrichtungen angeführt. Logik lässt sich gut mit Zukunftsplanung vereinbaren – „Nord“. Da
herrscht das Denken, „der Kopf“. Es geht um Einsichten gewinnen – hier sind eher die „Intellektuellen“ zu Hause. Logik passt auch zur sicheren, organisierten Welt – „West“. Hier herrschen die Fakten. Rationale Menschen bewegen sich in dieser Hemisphäre. Die sichere Welt lässt sich gut mit der gefühlvollen und kommunikativen Welt verbinden – „Süd“. Dort hat man festen Boden unter sich, fühlt sich gut aufgehoben. Und schließlich kann auch die Gefühlswelt mit der Welt der Fantasie, der Ideen, relativ gut zusammenspielen – „Ost“. In diesen Welten finden wir Menschen mit gutem Gespür und intuitiver Begabung. Wenn also deine Talente sich auf diese Parallelwelten verteilen, so kannst du damit hervorragend leben. Schwieriger ist es, wenn deine Vorlieben im Denken und Verhalten sich in schräg gegenüberliegenden Welten bewegen (Nordost–Südwest und Südost–Nordwest). Diese Welten lassen sich natürlich ergänzen. Aber ihre Kombination weist ein hohes Konfliktpotenzial auf. Da können wir weniger von strategischen Partnerschaften sprechen. Wenn dein Talentprofil diese Kombinationen repräsentiert, gestaltest du den Einsatz deiner Talente am besten situationsgemäß, je nachdem, in welcher Welt sich die Situation gerade abspielt. Denn du kannst nur schwer in deinem Gefühl leben, wenn du gerade über Logikproblemen grübelst. Noch weniger gelingt es dir, Ideen für Neues zu haben und gleichzeitig die Welt auf Sicherheit prüfen zu wollen.
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Was will ich wirklich?
Nach der bisherigen Buchlektüre kannst du diese resümierenden Gedanken gut für dein Denken und Verhalten für deinen Beruf umsetzen. Du betrachtest deine Schritte von einer höheren Ebene aus, um mit besserer Übersicht durch deine beruflichen Welten zu schreiten. Strategielandkarte für die Lebenskarriere
Nord Intellektuelle Tendenz – Kopfmensch
Sichere, organisierte Welt
Innovative, bunte Welt
Gefühlvolle, kommunikative Welt
Intuitive Tendenz – Gespürmensch
Rationale Tendenz – Faktenmensch
West
Logische, wissenschaftliche Welt
Ost
Bodenständige Tendenz – Bauchmensch Süd
Was will ich wirklich? Persönliche Werte leben Deine Persönlichkeit wird stark von deinem Selbstwertgefühl geprägt. Wenn es in deinem Inneren nicht stimmt, wirst du nie eine positive Ausstrahlung bekommen. Wenn du das lebst, was du willst, was sozusagen
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Anhang – Tools zur Selbstfindung
„Deines“ ist, empfinden dich die Leute o. k., rund, als Persönlichkeit. Wie wir im Buch ausführlich behandelt haben, hängt das stark davon ab, inwieweit du deine Talente lebst. Nun kommt noch eine ideologische Dimension dazu, nämlich die Frage, von welchen Werten – in der Persönlichkeitspsychologie „höhere Werte“ genannt – du geleitet wirst oder welche Werte du dir für dein Leben auswählst. Der nachfolgende Fragebogen ist eine Hilfe, deine höheren Werte zu finden. Du wirst sehen, sie hängen natürlich auch mit deinen Stärken, mit deinem Talentprofil zusammen. Die entscheidende Frage ist nun, was du in deinem Job tust, um dir deine Werte zu erfüllen – zumindest deine drei höchsten Werte (vgl. deine Auswertung des Fragebogens).
Ermittlung meiner höchsten Werte Persönliche höhere Werte, von denen ich geleitet werde. Was empfinde ich als zutreffend? : 1. Ich brauche Abwechslungsreichtum, Vielfalt im Leben, kurzweilig soll es sein. 2. Anerkennung von anderen Menschen tut mir außerordentlich gut und ich gebe sie auch anderen. 3. Begeisterungsfähigkeit ist für mich außerordentlich wichtig, Leidenschaft, sich absolut freuen zu können. 4. Ich bevorzuge Einfachheit, Natürlichkeit, eine gewisse Ursprünglichkeit und Ungezwungenheit. 5. Mir liegt an Einfluss und Macht, ich will an den Schalthebeln sitzen. 6. Ich möchte Einsichtigkeit der Dinge, lege großen Wert auf Logik, Klugheit, Vernunft – eben Intelligenz. 7. Ich mag Erfindungsreichtum; Ideenvielfalt und Phantasie sollen in meinem Leben eine große Rolle spielen. 8. Flexibilität, geistige Beweglichkeit, Aufgeschlossenheit gehört in mein Leben. 9. Freude und Fröhlichkeit, Wonne, Lust und Vergnügen brauche ich. 10. Mir liegt sehr viel an Gemeinsamkeit, d. h. Geselligkeit, unter Menschen sein – eben Gemeinschaft.
++ ja, absolut
+ ja
? weiß nicht recht
eher nein
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Was will ich wirklich?
Persönliche höhere Werte, von denen ich geleitet werde. Was empfinde ich als zutreffend? : 11. Ich will in der Welt Gerechtigkeit, Fairness, gleiches Recht für alle. 12. Ganz wichtig ist mir die Gesundheit, die Widerstandskraft – eine gewisse Fitness und Belastbarkeit, körperliches und psychisches Wohlbefinden. 13. Ich möchte in Harmonie leben, in Übereinstimmung mit anderen Menschen, in einem gewissen Gleichklang, im Konsens mit anderen. 14. Ich möchte aus der inneren Ruhe heraus leben, Zufriedenheit, Gelassenheit und Gelöstheit spüren. 15. Ganz wichtig für mich sind Klarheit und Ordnung der Dinge, ich brauche die Geschehnisse deutlich und geordnet. 16. Ich lege Wert auf Leistungsstärke im Sinne von Kondition, Effizienz, Ausdauer und Stressstabilität – darauf setze ich. 17. Ich will Liebe unter den Menschen, Zuneigung, ich möchte, dass die Menschen sich gegenseitig als wertvoll empfinden. 18. Die materielle Sicherheit ist mir sehr wichtig, d. h. Wohlstand und ein gutes Einkommen, das zum Besitzstand führt. 19. Ich will Menschlichkeit, Nächstenliebe, ein Sozialempfinden in unserer Gesellschaft und eine Herzlichkeit. 20. Natur und Umwelt, d. h. die Lebensbedingungen gegenwärtig und für die Zukunft sind mir von unschätzbarem Wert. 21. Ich brauche Offenheit, Aufgeschlossenheit, ein direktes freimütiges Verhalten unter Menschen. 22. Ich hänge an Religion, einem bestimmten Glauben bzw. einem Bekenntnis zu einer bestimmten Sinnverfolgung im Leben. 23. Wenn ich Ruhm, Ansehen oder eine gewisse Bekanntheit erlange, fühle ich mich wohl. 24. Zu meinem Leben gehören Schönheit, Ästhetik, geschmackvolle Dinge, Leben in Wohlgestalt. 25. Ich brauche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und Eigenständigkeit in unserer Gesellschaft. 26. Mich bestimmt Selbstvertrauen und Mut, mein Selbstbewusstsein und zuversichtliche Beherztheit möchte ich nicht verlieren.
++ ja, absolut
+ ja
? weiß nicht recht
eher nein
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Anhang – Tools zur Selbstfindung
Persönliche höhere Werte, von denen ich geleitet werde. Was empfinde ich als zutreffend? :
++ ja, absolut
+ ja
? weiß nicht recht
eher nein
27. Sehr wichtig für mich ist Sinnlichkeit im Leben, Leben empfinden und genießen, Lust verspüren. 28. Sehr wichtig sind mir verlässliche Menschen, Zuverlässigkeit, damit die Dinge planbar sind. 29. Ich möchte, dass die Menschen sich verstehen, Verständnis füreinander entwickeln, tolerant sind und in Freundschaft leben. 30. Ganz wichtig ist für mich das Wachstum, persönliche Entwicklung, Entfaltung und Zunahme an Fähigkeiten. 31. Ich brauche wahrhaftige, ehrliche Menschen um mich herum, ich will Aufrichtigkeit. 32. Ich hänge der Weisheit nach, die Kenntnis und die Philosophie der Dinge im Leben beschäftigen mich sehr. 33. Für mich bedeutet Wille und Willenskraft sehr viel, ich brauche Tatkraft. 34. Das Wissen ist für mich von großem Wert, ein gewisses Expertentum, Bildung und Kompetenz für die Dinge, die ich tue.
Auswertung: 1. Lies erst alle Wertebezeichnungen einmal durch. 2. Mache neben allen Werten ein Kreuz in der zutreffenden Spalte. 3. Wähle aus ++ / + die sechs Werte aus, die dir am wichtigsten sind. 4. Bringe diese Werte in eine Hierarchie von 1. (am wichtigsten) bis 6. (am wenigsten wichtig). 5. Schreibe deine drei höchsten Werte in der Rangfolge 1-3 mit dem fettgedruckten Stichwort auf: Meine drei höchsten Werte 1. 2. 3.
Quelle: Dr. Horst G. Kaltenbach, Gröbenzell 2007
Was will ich wirklich?
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Berufs-Identität Wir verlieren in unserem Berufsleben – wie überhaupt im Leben – öfter das Bewusstsein dafür, wer wir wirklich sind, was wir wollen, wo unsere Vorteile liegen etc. Es kommt Stress auf, unvorhergesehene Dinge passieren, und schon sind wir „von der Rolle“. In solchen Situationen brauchen wir eine Art Memo für unsere Identität, einen „Pass“, um nicht in Jobs oder Aufgaben zu geraten, in denen wir statt Gehalt ein Schmerzensgeld bekommen müssten. Dieses Memo kannst du dir wie folgt erstellen: 1. Vergegenwärtige dir deine Talentstruktur. Welches Denken und Verhalten prägt dich, macht deinen Typ aus? Notiere: …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… ………………………. 2. Was sind deine drei höchsten Werte (siehe vorhergehende Übung)? Notiere: …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… ………………………. 3. Wenn du 1. und 2. resümierst, was ist es, das dich im Kern antreibt, motiviert? Notiere: „Ich will …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… ……………………………“
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Anhang – Tools zur Selbstfindung
4. Auf welcher Kernkompetenz kannst du bisher aufbauen? Notiere zusammenfassend bezüglich 4.1 Aus- und Weiterbildung: …………………………………………………………………………… ………..………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… …………………………. 4.2 Branche – auf welchem Sach-/Fachgebiet hast du die größten Erfahrungen? …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… ……………………… 4.3 Tätigkeit / Jobs – bei welchen Verantwortungen/Aufgaben/Funktionen kannst du am besten mitreden? …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………… ……………………… Mit dieser Hilfe für deinen „Identitätspass“ beendet der Karriere-Doc seine Sprechstunde und entlässt euch, liebe Leserinnen und liebe Leser, mit den besten Wünschen für euer Karriereleben. Rezepte und Dosierungsanweisungen habe ich euch mitgegeben.