Odyssea Homeri a Francisco Griffolino Aretino in Latinum translata
Mittellateinische Studien und Texte Editor
Paul G...
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Odyssea Homeri a Francisco Griffolino Aretino in Latinum translata
Mittellateinische Studien und Texte Editor
Paul Gerhard Schmidt (ob.) Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
VOLUME 43
The titles published in this series are listed at brill.nl/mits.
Odyssea Homeri a Francisco Griffolino Aretino in Latinum translata Die lateinische Odyssee-Übersetzung des Francesco Griffolini
Eingeleitet und herausgegeben von
Bernd Schneider und Christina Meckelnborg
LEIDEN • BOSTON 2011
This book is printed on acid-free paper. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Homer. [Odyssey. Latin] Odyssea Homeri a Francisco Griffolino Aretino in latinum translata : die lateinische odyssee-uebersetzung des Francesco Griffolini / Eingeleitet und herausgegeben von Bernd Schneider, Christina Meckelnborg. p. cm. – (Mittellateinische studien und texte ; 43) Includes index. ISBN 978-90-04-20348-8 (hardcover : acid-free paper) 1. Odysseus (Greek mythology)–Poetry. 2. Epic poetry, Greek–Translations into Latin. I. Schneider, Bernd, 1943- II. Meckelnborg, Christina. III. Title. IV. Series. PA4024.A4 2011 883'.01–dc23 2011016206
ISSN 0076-9754 ISBN 978 90 04 20348 8 Copyright 2011 by Koninklijke Brill NV, Leiden, The Netherlands. Koninklijke Brill NV incorporates the imprints Brill, Global Oriental, Hotei Publishing, IDC Publishers, Martinus Nijhoff Publishers and VSP. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, translated, stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording or otherwise, without prior written permission from the publisher. Authorization to photocopy items for internal or personal use is granted by Koninklijke Brill NV provided that the appropriate fees are paid directly to The Copyright Clearance Center, 222 Rosewood Drive, Suite 910, Danvers, MA 01923, USA. Fees are subject to change.
In memoriam Paul Gerhard Schmidt
INHALT
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ix Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Francesco Griffolini und seine Übersetzung der homerischen Odyssee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Der Übersetzungsstil des Francesco Griffolini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Die Überlieferung des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Editionsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 ODYSSEA HOMERI A FRANCISCO GRIFFOLINO ARETINO IN LATINUM TRANSLATA Odysse˛e Homeri Liber primus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber secundus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber tertius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber quartus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber quintus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber sextus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber septimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber octavus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber nonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber decimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber undecimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber duodecimus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber tertius decimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber quartus decimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber quintus decimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber sextus decimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber septimus decimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber duodevicesimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber undevicesimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber vicesimus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber vicesimus primus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odysse˛e Homeri Liber vicesimus secundus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59 69 79 89 105 115 123 131 143 155 167 181 191 201 213 225 235 247 257 269 277 287
viii
inhalt
Odysse˛e Homeri Liber vicesimus tertius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Odysse˛e Homeri Liber vicesimus quartus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Appendix I. Excerptum e codice P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Appendix II. Excerptum e codice F . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Index nominum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
VORWORT
Unsere im Jahre erschienene Ausgabe der Berliner Odyssea decurtata, einer Kurzfassung der homerischen Odyssee in rund Versen, die um in Italien entstanden ist, führte uns auf das Gebiet der humanistischen lateinischen Homerübersetzungen, die zum größten Teil noch nicht durch moderne Editionen erschlossen sind oder bisher – wie die Übersetzung des Leontius Pilatus – sogar nur in handschriftlicher Überlieferung vorliegen. Daher beschlossen wir, in einem ersten Schritt die lateinische Odyssee-Übersetzung des Francesco Griffolini kritisch herauszugeben. In diesem Vorhaben wurden wir von Georg Nicolaus Knauer bestärkt, der eine umfassende Darstellung der Geschichte der lateinischen Homerübersetzungen für den Catalogus Translationum et Commentariorum (CTC) vorbereitet. Er hat uns außerdem in großzügigster Weise Einblick in seine noch nicht veröffentlichten Forschungsergebnisse gewährt sowie das von ihm gesammelte Material zur handschriftlichen Überlieferung der Übersetzung des Griffolini zur Verfügung gestellt, wofür wir ihm herzlich danken. Unser Dank gilt außerdem den Bibliotheken, die uns Reproduktionen der in ihrem Besitz befindlichen Handschriften zur Verfügung stellten oder uns vor Ort die Benutzung der Originale gestatteten, wie die Biblioteca Apostolica Vaticana, die Biblioteca Casanatense in Rom, die Universitätsbibliothek Leipzig und die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart. Für Hilfe bei den Kollationen danken wir Anne Veldmann und Ursula Wellenbrock, für die verlegerische Betreuung Marcella Mulder, für die Herstellung der Druckvorlage Heleen Schoonenberg, Ivo Geradts und Johannes Rustenburg. Zu ganz besonderem Dank sind wir Paul Gerhard Schmidt verpflichtet, der die Ausgabe in die Reihe Mittellateinische Studien und Texte aufgenommen hat und das Entstehen der Edition mit regem Interesse begleitet und gefördert hat. Leider hat er das Erscheinen der Ausgabe nicht mehr erleben dürfen. In dankbarer Erinnerung an die von ihm über viele Jahre hin erfahrene Unterstützung widmen wir diesen Band seinem Andenken. Berlin im März
Christina Meckelnborg Bernd Schneider
EINLEITUNG
Francesco Griffolini und seine Übersetzung der homerischen Odyssee Ende des Jahres oder Anfang erhielt Petrarca von Nicola Sigero, dem Gesandten des byzantinischen Kaisers Johannes Kantakuzenos an der Residenz des Papstes Innozenz VI. in Avignon, einen griechischen Homer-Codex. Petrarca bedankt sich in einem Brief vom . Januar bei Nicola Sigero für dieses großzügige Geschenk. Aber die Freude, die er über den Homer empfindet, wird etwas getrübt; denn Homerus tuus apud me mutus, immo vero ego apud illum surdus sum. Gaudeo tamen vel aspectu solo, et sepe illum amplexus ac suspirans dico: O magne vir, quam cupide te audirem!1 Dein Homer bleibt bei mir stumm, oder vielmehr: ich bin bei ihm taub. Trotzdem freue ich mich allein an seinem Anblick und nehme ihn oft in die Hand und sage unter Seufzern: Ach, großer Mann, wie gern würde ich dich hören!
Petrarca erging es wie den meisten seiner Zeitgenossen; sie verstanden kein Griechisch und konnten darum Homer nicht lesen.2 Aber Petrarca war offenbar der erste, der sich mit diesem Zustand nicht abfinden wollte und den Plan faßte, Homer ins Lateinische übersetzen zu lassen.3 Er hat dieses Projekt einer lateinischen Homerübersetzung wahrscheinlich im Jahr mit Giovanni Boccaccio besprochen4 und ihm dabei eine Übersetzung der ersten fünf Bücher der Ilias gezeigt, die der Kalabrese Leontius Pilatus schon für ihn in Padua angefertigt hatte. Boccaccio holte daraufhin diesen Leontius Pilatus nach Florenz, wo er wohl im Herbst einen Lehrstuhl für Griechisch antrat und die Arbeit an der 1
Fam. ,,. Aufgrund fehlender Griechischkenntnisse war Homer im westlichen Europa das ganze Mittelalter hindurch im wesentlichen nur durch die Ilias Latina, die Ephemeris belli Troiani des Dictys Cretensis, die Historia de excidio Troiae des Dares Phrygius und die unter dem Namen des Ausonius laufenden Periochae Homeri Iliados et Odyssiae bekannt. 3 Agostino Pertusi: Leonzio Pilato fra Petrarca e Boccaccio. Le sue versioni omeriche negli autografi di Venezia e la cultura greca del primo Umanesimo. Venedig u.a. (Civiltà veneziana; Studi ), S. . 4 Pertusi (wie Anm. ), S. . 2
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Übersetzung der homerischen Epen begann.5 Das Unternehmen wurde offensichtlich sowohl von Petrarca als auch von Boccaccio finanziell gefördert.6 Das Ergebnis der Arbeit des Leontius Pilatus war allerdings in sprachlicher und stilistischer Hinsicht nicht befriedigend. Denn Leontius Pilatus war bei seiner Übersetzung der mittelalterlichen Methode verbum de verbo gefolgt, wie sie z. B. auch bei den mittelalterlichen lateinischen Übersetzungen des Aristoteles angewendet worden war. Genauso wie die Aristotelesübersetzer hat er unter Beibehaltung der Wortstellung Zeile für Zeile für jedes griechische Wort, selbst für die Partikeln,7 ein lateinisches gesetzt, wobei sich oft ein Text ergab, der mit den syntaktischen Regeln der lateinischen Sprache nur schwer oder gar nicht zu vereinbaren ist. Petrarca war sich der Problematik der Übersetzungsmethode ad verbum durchaus bewußt, aber er nahm die absonderliche sprachliche Form der Übersetzung des Leontius Pilatus gern in Kauf, wenn er nur endlich durch sie Homer genauer kennenlernen konnte.8 Auch Boccaccio schätzte offenbar diese erste lateinische Homerübersetzung; jedenfalls unterstützte er die Arbeit des Leontius Pilatus9 und nahm ihn zeitweilig sogar in sein eigenes Haus auf.10 5
Pertusi (wie Anm. ), S. –. Pertusi (wie Anm. ), S. –. 7 So übersetzt er z.B. μν in der Regel durch certe, was dieser Partikel allerdings eine viel zu starke Bedeutung verleiht. 8 In einem Brief an Boccaccio (Var. [F. Petrarcae Epistolae de rebus familiaribus et variae. Ed. Giuseppe Fracassetti. Vol. . Florenz , S. ]), in dem er den Plan einer lateinischen Homerübersetzung erörtert, erklärt er, daß er sich durchaus bewußt ist, daß durch eine wörtliche Prosaübersetzung das Original, vor allem seine sprachlichen Schönheiten, nur äußerst unvollkommen wiedergegeben werden könne, und zitiert dafür Hieronymus als Autorität für Übersetzungen aus dem Griechischen ins Lateinische (Hier. chron. epist. p. , –): Si cui … non videtur lingue gratiam interpretatione mutari, Homerum ad verbum exprimat in latinum; plus aliquid dicam, eundem in sua lingua prose verbis interpretetur: videbit ordinem ridiculum, et poetam eloquentissimum vix loquentem (Wenn einer nicht glaubt, daß die Anmut der Sprache durch eine [wörtliche] Übersetzung verändert wird, dann soll er den Homer wortwörtlich ins Lateinische übersetzen; ja mehr noch, er soll ihn in seiner eigenen Sprache in Prosa wiedergeben: Er wird eine Wortstellung sehen, die lächerlich ist, und erleben, wie der redegewaltigste Dichter kaum noch der Sprache mächtig ist). 9 Vgl. Boccaccio, geneal. deor. gent. , ipse … fui qui primus meis sumptibus Omeri libros et alios quosdam grecos in Etruriam revocavi. … Ipse ego fui qui primus ex Latinis a Leontio in privato Iliadem audivi; ipse insuper fui qui ut legerentur publice Omeri libri operatus sum (Ich selbst war es …, der als erster auf eigene Kosten Homers Bücher und einige andere griechische Bücher nach Etrurien geholt hat. … Ich selbst war es, der als erster der Lateiner privat von Leontius die Ilias gehört hat; ich selbst war es außerdem, der dafür gesorgt hat, daß Homers Bücher allgemein gelesen werden). 10 Ibid. qui illum in propriam domum suscepi et diu hospitem habui (der ich jenen in 6
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Die Wertschätzung des Leontius Pilatus mußte allerdings in dem Maß zurückgehen, in dem sich die humanistischen Kreise vom Latein des Mittelalters, das ihnen nun als barbarisch erschien, abwandten und die Sprache in ihrer klassischen Reinheit wiederherstellen wollten. Vor den Maßstäben der klassischen Latinität konnten die Übersetzungen des Leontius Pilatus nicht mehr bestehen, und so ist es nicht verwunderlich, daß in der Folgezeit, in der auch die Griechischstudien in Italien ihren Aufschwung nahmen, eine Reihe neuer Homerübersetzungen entstand,11 wobei man sich durchaus noch vielfach an Leontius Pilatus orientierte. Dabei trugen diese Übersetzungen – wie überhaupt die Übersetzungen griechischer Literaturwerke – nicht nur dazu bei, die Kenntnis der griechischen Literatur zumindest mittelbar zu verbreiten, sondern boten den Humanisten auch eine erwünschte Gelegenheit, ihre sprachlichen und stilistischen Fähigkeiten auf dem Gebiet der von den mittelalterlichen Auswüchsen gereinigten Latinität zu erproben und unter Beweis zu stellen.12 Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht verwunderlich, daß sich auch Lorenzo Valla (–), der sich besonders um die
mein eigenes Haus aufgenommen habe und ihn lange Zeit als Gast bei mir hatte); vgl. Pertusi (wie Anm. ), S. . 11 Pertusi (wie Anm. ), S. –, verzeichnet die lateinischen Homerübersetzungen bis zum Jahr , darunter allein für das . Jh. Vgl. ferner Robin Sowerby: The Homeric Versio Latina, in: Illinois Classical Studies , , S. –; Philip Ford: De Troie à Ithaque. Réception des épopées homériques à la Renaissance. Genève (Travaux d’Humanisme et Renaissance ), der vor allem die Homerrezeption in der Renaissance in Frankreich untersucht; die Bibliographie Homérique auf S. – verzeichnet die griechischen Homerausgaben sowie die lateinischen und französischen Übersetzungen für den Zeitraum von bis . – Eine umfassende Darstellung der Geschichte der lateinischen Homerübersetzungen ist von Georg Nicolaus Knauer in seinem Homerbeitrag im Catalogus Translationum et Commentariorum (CTC) zu erwarten. Wie dringend diese benötigt wird, zeigen z.B. der unzureichende Artikel „Homeros“ von Volker Dallmann im Supplementband des Neuen Pauly (Geschichte der antiken Texte. Autoren- und Werklexikon. Stuttgart u.a. , S. –, darin S. ) oder die fehlerhaften Ausführungen Klaus Reicherts im Aufsatzband der ersten Jahrestagung des Berliner SFB „Transformation der Antike“ (Klaus Reichert: Das Fremde als das Eigene. Übersetzung als Transformation und Selbstsetzung, in: Übersetzung und Transformation. Hrsg. von Hartmut Böhme u.a. Berlin u.a. , S. –, darin S. –). 12 Vgl. Johannes Vahlen: Laurentii Vallae opuscula tria. I., in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Phil.-hist. Classe , , S. –, darin S. . – Bekanntlich hat schon Quintilian (inst. ,,–) die Übersetzung aus dem Griechischen als eine der besten Übungsmethoden zur Aneignung eines guten lateinischen Stils empfohlen, wofür er sich vor allem auch auf Cicero (de orat. ,) beruft; vgl. auch Astrid Seele: Römische Übersetzer. Nöte, Freiheiten, Absichten. Verfahren des literarischen Übersetzens in der griechisch-römischen Antike. Darmstadt , S. –.
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Wiederherstellung der Reinheit der lateinischen Sprache verdient gemacht und die Ergebnisse seiner intensiven Studien hierzu um unter dem Titel Elegantiae Latinae linguae in sechs Büchern veröffentlicht hat, an einer Übersetzung der homerischen Ilias versucht hat. Er ließ es allerdings bei der Übertragung der Bücher – bewenden, die Ende abgeschlossen war. Im Gegensatz zu Leontius Pilatus bediente er sich nicht mehr der mittelalterlichen Methode verbum de verbo bzw. ad verbum, sondern übertrug Homer ad characterem oratorium, wie er es in einem Brief an seinen Freund Giovanni Torelli aus dem Jahr formuliert hat.13 Er bezieht sich damit auf die antike Art der Übersetzung, die Cicero in De optimo genere oratorum14 folgendermaßen beschreibt: converti enim ex Atticis duorum eloquentissimorum nobilissimas orationes inter seque contrarias, Aeschini et Demosthenis; nec converti ut interpres, sed ut orator, sententiis isdem et earum formis tamquam figuris, verbis ad nostram consuetudinem aptis, in quibus non verbum de verbo necesse habui reddere, sed genus omne verborum vimque servavi.15 Ich habe nämlich die berühmtesten und untereinander gegensätzlichen Reden der beiden redegewandtesten Attiker, des Aischines und des Demosthenes, übersetzt; aber ich habe sie nicht wie ein Dolmetscher, sondern wie ein Redner übersetzt, mit denselben Gedanken und ihren Ausformungen, gleichsam mit Redefiguren, aber mit Worten, die ich unserem Sprachgebrauch angepaßt habe. Dabei habe ich es nicht für erforderlich gehalten, Wort für Wort zu übersetzen, sondern ich habe nur die ganze Art der Worte und ihre Bedeutung bewahrt.
13 Epist. ,– (Laurentii Valle epistole. Ed. Ottavio Besomi, Mariangela Regoliosi. Padua [Thesaurus mundi ], S. –). 14 Auch wenn die Echtheit dieser Schrift inzwischen angezweifelt wird (vgl. Albrecht Dihle: Ein Spurium unter den rhetorischen Werken Ciceros, in: Hermes , , S. – ; Klaus Bringmann: Untersuchungen zum späten Cicero. Göttingen [Hypomnemata ], S. –), galt sie den Humanisten zweifellos noch als echte Schrift Ciceros. 15 Auf diese Stelle bezieht sich auch Hieronymus epist. ,: ego enim non solum fateor, sed libera voce profiteor me in interpretatione Graecorum absque scripturis sanctis, ubi et verborum ordo mysterium est, non verbum e verbo sed sensum exprimere de sensu. Habeoque huius rei magistrum Tullium, qui Protagoram Platonis et Oeconomicum Xenofontis et Aeschini et Demosthenis duas contra se orationes pulcherrimas transtulit (Ich gebe es nicht nur zu, sondern bekenne frei und offen, daß ich bei der Übersetzung griechischer Werke mit Ausnahme der Heiligen Schrift, wo sogar die Wortstellung ein Mysterium ist, nicht wortwörtlich, sondern sinngemäß übersetze. Und dafür habe ich Cicero als Lehrmeister, der Platons Protagoras, Xenophons Oikonomikos und die beiden herrlichen gegeneinander gerichteten Reden des Aischines und Demosthenes übersetzt hat). – Zur Cicero-Stelle vgl. auch Seele (wie Anm. ), S. – und –.
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Es fehlen genaue Indizien, warum Valla seine Ilias-Übersetzung nicht bis zum Ende geführt hat; möglicherweise verlor er das Interesse an dieser Arbeit. Die letzten acht Bücher wurden jedenfalls erst nach Vallas Tod von seinem Schüler Francesco Griffolini ins Lateinische übertragen. Zusammen mit den von Griffolini ergänzten Büchern – wurde Vallas Ilias-Übersetzung ab 16 mehrfach gedruckt. Griffolinis Name wird in den Drucken aber ebensowenig erwähnt wie in fast allen Handschriften, die die Ilias-Übersetzung überliefern. Allein der Codex Vat. lat. nennt in der Subscriptio auf f. r neben Valla auch den zweiten Übersetzer: Hanc Homeri Iliadem, partim á Laurentio Valla, partim á Francisco Arretino traductam exemplari deprauatissimo transcripsit P. Hippolytus Lunensis. Griffolini trägt hier den Beinamen Aretinus nach seiner Heimatstadt Arezzo. Dieser Beiname hat immer wieder zu Verwechslungen mit dem ebenfalls aus Arezzo stammenden berühmten Juristen Francesco Aretino aus der Familie der Accolti (–) geführt. Für die nötige Klarheit bei der Unterscheidung des Homerübersetzers Francesco Griffolini vom Juristen Francesco Accolti hat Johannes Vahlen gesorgt.17 Auf Vahlens Ergebnissen basierend hat Girolamo Mancini alle biographischen Daten zu Francesco Griffolini zusammengetragen, auf dessen Untersuchungen der folgende biographische Abriß im wesentlichen beruht.18 Danach wurde Francesco Griffolini in Arezzo geboren. Mit elf Jahren verlor er seinen Vater, den Conte Mariotto di Biagio Griffolini, der wegen seiner Beteiligung an einer Verschwörung gegen Florenz im März hingerichtet wurde. Das Vermögen der Familie wurde konfisziert, die Familie, Francesco, seine Mutter und seine Geschwister, wurde verbannt und ging ins Exil nach Ferrara.19 Trotz dieser widrigen Umstände konnte Francescos Mutter ihrem Sohn in Ferrara eine gute Ausbildung
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Editio princeps: Brescia: Statius Gallicus und Henricus Coloniensis, .. (GW ). 17 Johannes Vahlen: Laurentii Vallae opuscula tria. II., in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Phil.-hist. Classe , , S. –, darin S. –. – Offenbar hatte aber schon vor Vahlen Jacopo Morelli zwei verschiedene „Franceschi Aretini“ angenommen; vgl. Renata Fabbri: Ancora su Francesco Griffolini e sugli esperimenti di traduzione da Omero, in: Studi Latini in ricordo di Rita Cappelletto. Urbino (Ludus philologiae ), S. –, darin S. , Anm. . 18 Girolamo Mancini: Francesco Griffolini cognominato Francesco Aretino. Florenz . – Zu Griffolini vgl. ferner Stefano Benedetti: Griffolini, Francesco, in: Dizionario Biografico degli Italiani , , S. –. 19 Mancini (wie Anm. ), S. –; Benedetti (wie Anm. ), S. .
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ermöglichen. Er besuchte hier die Schule des Guarino Veronese, eines der Begründer des sogenannten Ciceronianismo. Griechisch lernte er bei Theodoros Gazes,20 der – an der Universität von Ferrara lehrte. Später ging Francesco Griffolini nach Rom, wo er Lorenzo Vallas Vorlesungen über die lateinische Sprache besuchte.21 Er war somit durch den Unterricht bei einem der führenden griechischen Gelehrten seiner Zeit und den bedeutendsten Lehrern des antiken Latein bestens gerüstet für die Tätigkeit, der er sich in der Folgezeit widmete, nämlich für die Übersetzung griechischer literarischer Texte in ein den neuen humanistischen Ansprüchen genügendes Latein. Seine erste Übersetzung war die der Phalarisbriefe, die er Domenico Malatesta Novello, dem Fürsten von Cesena, widmete und die vor entstanden sein dürfte.22 Im Jahr reiste Francesco Griffolini wahrscheinlich im Gefolge des päpstlichen Gesandten, des Kardinals Isidorus Ruthenus von Kiew, nach Konstantinopel, falls Griffolini mit jenem Franciscus Aretinus identisch ist, der als comes des Kardinals Isidorus auf dieser Reise bezeugt ist.23 Nach der Rückkehr nach Italien entstand die Übertragung zahlreicher Homelien des Johannes Chrysostomos.24 Die ebenfalls zu dieser Zeit angefertigte Übersetzung der Briefe des Kynikers Diogenes widmete Griffolini Papst Pius II.,25 der sein Pontifikat antrat. Im Jahr begleitete Griffolini den neuen Papst auf dessen Reise nach Mantua. In Florenz soll er dabei Cosimo de’ Medici begegnet sein.26 Pius II. wollte Griffolini die Pieve von Castiglion Fiorentino als Pfründe zuweisen, wogegen allerdings die Signoria von Florenz in Erinnerung an die Beteiligung des
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Mancini (wie Anm. ), S. ; Benedetti (wie Anm. ), S. . Mancini (wie Anm. ), S. ; Benedetti (wie Anm. ), S. . 22 Zur Übersetzung der Phalarisbriefe vgl. Vinko Hinz: Nunc Phalaris doctum protulit ecce caput. Antike Phalarislegende und Nachleben der Phalarisbriefe. München u.a. (Beiträge zur Altertumskunde ), S. –; s. auch Vahlen (wie Anm. ), S. – ; Mancini (wie Anm. ), S. ; Benedetti (wie Anm. ), S. . 23 Giovanni Mercati: Francesco Aretino in oriente col Legato Cardinale Ruteno, Appendice V, in: Scritti d’Isidoro il Cardinale Ruteno e codici a lui appartenuti che si conservano nella Biblioteca Apostolica Vaticana. Rom (Studi e Testi ), S. – ; Benedetti (wie Anm. ), S. –. 24 Vahlen (wie Anm. ), S. –; Mancini (wie Anm. ), S. –; Benedetti (wie Anm. ), S. . 25 Vahlen (wie Anm. ), S. –; Mancini (wie Anm. ), S. ; Benedetti (wie Anm. ), S. . – Griffolini hat außerdem noch Lukians Calumnia (Περ το μ αδως πιστεειν Διαβολ) übersetzt; vgl. Vahlen (wie Anm. ), S. –; Mancini (wie Anm. ), S. ; Benedetti (wie Anm. ), S. . 26 Mancini (wie Anm. ), S. ; Benedetti (wie Anm. ), S. . 21
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Mariotto di Biagio Griffolini mit Erfolg protestierte,27 so daß Griffolinis finanzielle Situation weiterhin schwierig blieb. Unter Pius II., wahrscheinlich im Jahr oder , erhielt er aber immerhin eine Anstellung an der Kurie im Kollegium der abbreviatori pontificii,28 wodurch der Unterhalt für ihn sowie für seine Mutter und Schwester gesichert war, allerdings nur für kurze Zeit; denn der Nachfolger Pius’ II., Paul II., löste, bald nachdem er den Papstthron bestiegen hatte, das Kollegium der Abbreviatoren auf, so daß Griffolini wieder in materielle Schwierigkeiten geriet. Er ging daraufhin nach Neapel, wo er am Hofe König Ferdinands Erzieher („precettore“) dessen Sohnes Alfonso, Herzogs von Kalabrien, wurde,29 dem er die Übersetzung der Heroica des Philostrat widmete.30 In Neapel scheint Griffolini den Rest seines Lebens verbracht zu haben. In der Umgebung dieser Stadt soll er durch einen Sturz vom Pferd gestorben sein, wobei allerdings genaue Daten über seinen Tod fehlen.31 Griffolinis Übersetzung der Bücher – der homerischen Ilias, mit der er Vallas Homerübertragung vervollständigte,32 und seine Übersetzung der homerischen Odyssee sind im Auftrag von Papst Pius II. entstanden.33 Dies geht aus der Vorrede zur Odyssee-Übersetzung hervor, mit der er dieses Werk dem Papst widmete.34 Griffolini schreibt zu Beginn dieser Vorrede:
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Mancini (wie Anm. ), S. –; Benedetti (wie Anm. ), S. . Das Register der abbreviatori pontificii verzeichnet für einen Franciscus aretinus; vgl. Mancini (wie Anm. ), S. ; Benedetti (wie Anm. ), S. . 29 Mancini (wie Anm. ), S. –; Benedetti (wie Anm. ), S. . 30 Vahlen (wie Anm. ), S. –; Benedetti (wie Anm. ), S. . 31 Mancini (wie Anm. ), S. – – In einigen Bibliothekskatalogen und Datenbanken (z.B. WorldCat, PND) wird das Jahr als Griffolinis Todesjahr genannt. Dieses Datum kann jedoch nirgends belegt werden. Möglicherweise handelt es sich um einen Fehler aufgrund einer Verwechslung mit dem Juristen Francesco Accolti aus Arezzo, für den beispielsweise im National Union Catalogue (NUC), Pre- Imprints, Vol. , , S. – die Lebensdaten mit „ca. – ca. “ angegeben werden, ebenso Vol. , , S. im Verweis von Franciscus Aretinus auf Francesco Accolti. Auf jeden Fall gibt auch Benedetti (wie Anm. ) in dem neuesten biographischen Artikel zu Griffolini kein Todesdatum an. 32 Griffolini hat offenbar auch für die Ausgabe der Übersetzung von Aelians Taktika durch Theodoros Gazes (Editio princeps: Rom: Eucharius Silber, .. [GW ]) die hexametrische Übertragung der Zitate aus Homers Ilias übernommen; vgl. Fabbri (wie Anm. ), S. –. 33 Beide Homerübersetzungen sind also nach , dem Jahr, in dem Enea Silvio Piccolomini als Pius II. den Papstthron bestieg, anzusetzen. 34 Der vollständige Text der Widmungsepistel findet sich unten S. –. Den Text hat zum ersten Mal Vahlen (wie Anm. ), S. – gedruckt. 28
einleitung Iussu et auspicio tuo, Pie secunde pontifex maxime, et Iliados Homeri traductionis quam Laurentius Vallensis, praeceptor meus, vir nostra memoria elegantissimus, imperfectam reliquerat pro virium mearum facultate octo ultimos libros superiore anno et nunc eiusdem Odysseam unius anni labore converti. Auf deinen Befehl und deinen Wunsch hin, Papst Pius II., habe ich im vergangenen Jahr die letzten acht Bücher der Übersetzung von Homers Ilias, die Lorenzo Valla, mein Lehrer, der gebildetste Mann unserer Zeit, unvollendet hinterlassen hatte, so gut, wie es meine Kräfte erlaubten, ergänzt und nun die Odyssee Homers innerhalb eines Jahres übersetzt.
Die Widmungsepistel, die sich nur in den Codices Vatikan, BAV, Barb. lat. und Neapel, BN, V B findet, in den übrigen Handschriften der Odyssee-Übersetzung aber fehlt,35 nennt allerdings weder den Namen ihres Verfassers noch ein Datum, und auch der auf die Vorrede folgende Text der lateinischen Odyssee-Übersetzung in diesen beiden Handschriften enthält weder zu Beginn noch am Ende einen Hinweis auf den Übersetzer. Von den übrigen sieben Handschriften, die den Text der Übersetzung ganz oder zum Teil enthalten,36 überliefern drei den Text anonym.37 Zwei Handschriften, Forlì, Bibl. Com., VII und Paris, BN, lat. , weisen ihn Leonardus Aretinus zu.38 In der Pariser Handschrift erscheint allerdings im Explicit des dritten (f. v), vierten (f. v), achten (f. r) und neunten (f. v) Buches der Name Franciscus Aretinus. So heißt es am Schluß von Buch z. B. Homeri Odissea per franciscum aretinum liber tercius finit eiusdem quartus fœliciter Incipit.39 Die
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Sie fehlt auch in den Drucken Straßburg: Johann Schott (VD H ) und Venedig: Bernardinus de Vitalibus (EDIT CNCE ), s. unten S. –. 36 Zu den Handschriften der Odyssee-Übersetzung s. unten S. –. 37 In der Handschrift Rom, Bibl. Casanatense ist von einer jüngeren Hand auf f. r der Titel Homeri Odissea à Laurentio Valla traducta nachgetragen; dabei ist Odissea aus Ilias korrigiert. 38 In der Handschrift Forlì, Bibl. Com., VII wurde die Zuweisung Homeri Odyssea per Leonardum Aretinum auf f. r von anderer Hand hinzugefügt. – Hier wird der Homerübersetzer Francesco Griffolini offensichtlich mit dem ebenfalls aus Arezzo stammenden Humanisten und Staatskanzler von Florenz Leonardo Bruni (ca. –) verwechselt. Dieser hat drei Reden aus Homers Ilias (,–) als Beispiele für die drei genera dicendi in lateinische Prosa übersetzt; Edition: Peter Thiermann: Die Orationes Homeri des Leonardo Bruni Aretino. Kritische Edition der lateinischen und kastilianischen Übersetzung mit Prolegomena und Kommentar. Leiden u.a. (Mnemosyne Suppl. ), S. –. 39 Im Explicit von Buch , – und – wird jedoch Leonardus Aretinus als Übersetzer genannt, ebenso am Schluß der Odyssee (f. v): Homeri Odyssea per Leonardum Aretinum Liber XXIIII et Ultimus fœliciter finit Τελοσ.
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Handschrift Siena, Bibl. Com., J IX nennt im Incipit auf f. r ebenfalls Franciscus Aretinus als Übersetzer: FRAncisci Aretini domini clarissimi atque prestantissimi Odyssearum Homeri traductio incipit. Wahrscheinlich stand auch im Incipit der Handschrift Ms der Leipziger Universitätsbibliothek der Name des Franciscus Aretinus, doch ist dieses Incipit aufgrund der starken Beschädigung dieser Handschrift heute nicht mehr zu lesen.40 Trotz der unterschiedlichen Zuweisung der Übersetzung in den handschriftlichen Zeugen darf es jedoch als sicher gelten, daß es sich beim Übersetzer der Odyssee um Francesco Griffolini handelt. Dies ergibt sich aus der Kombination der Angaben in der Widmungsepistel zur Odyssee-Übersetzung mit der bereits erwähnten Subscriptio im Codex Vat. lat. .41 Der Widmungsepistel läßt sich ja entnehmen, daß der Odyssee-Übersetzer zuvor die Ilias-Übersetzung, die Lorenzo Valla unvollendet hinterlassen hatte, als sein Schüler vollendet hat. Die Subscriptio des Codex Vat. lat. , der die vollständige lateinische Ilias-Übersetzung enthält, nennt aber neben Lorenzo Valla als Übersetzer Franciscus Aretinus, der somit auch als Übersetzer der Odyssee identifiziert werden kann. Die Frage, wann Griffolini die Odyssee übersetzt hat, läßt sich nur vermutungsweise beantworten. Auf jeden Fall muß die Odyssee-Übersetzung vor Mitte August entstanden sein, da Griffolini sie mit der Widmungsepistel Pius II. überreicht, der am . August starb. Diese Widmung ermöglicht zumindest eine relative Chronologie zwischen der Fortführung der Ilias-Übersetzung des Lorenzo Valla durch Griffolini und seiner Odyssee-Übertragung. Danach sind die letzten Ilias-Bücher ein Jahr vor der Odyssee entstanden. Für den Abschluß der Arbeiten an der Ilias läßt sich ein terminus ante quem durch die Widmungsepistel der Editio princeps der vollständigen lateinischen Ilias-Übersetzung durch Valla und Griffolini, die am . November in Brescia erschien,42
40 Siehe hierzu unten S. –. – Nach Vahlen (wie Anm. ), S. lautete das Incipit: Francisci Aretini … Odyssearum Homeri traductio incipit. Vahlen (ebd.) gibt auch noch die heute ebenfalls nicht mehr lesbare Subscriptio an: Odyssearum Homeri traductio finit. Novem primi libri a Laurentio Valla editi, ceteri vero a Francisso (!) Aretino perfecti. Tuus Silverius. Die Zuweisung der Odyssee-Übersetzung an Valla erklärt sich wohl daher, daß Ms ursprünglich mit der Ausgabe von Vallas Ilias-Übersetzung von (jetzt: Poet. gr. ) zusammengebunden war; vgl. Vahlen, der diesen Irrtum ebenda richtiggestellt hat. 41 Siehe oben S. . 42 Brescia: Heinrich von Köln und Statius Gallicus, .. (GW ). Es existiert eine weitere Ausgabe der Ilias-Übersetzung, die allerdings kein Kolophon hat (GW
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gewinnen. Diesem Brief ist zu entnehmen, daß der sonst unbekannte Herausgeber Iustinianus Luzagus als Vorlage für diesen Druck ein Manuskript herangezogen hat, das Bernardo Giustiniani von einem von ihm in Frankreich entdeckten Exemplar hatte abschreiben lassen. Iustinianus Luzagus schreibt nämlich folgendes (ff. v–r): Ego Homeri Iliadem Latinam: ut iam pridem noras per Laurentium Vallensem factam: ita ut uides imprimendam propagandamque: ut mecum s¸epe egeras: curaui. Hoc sane iandiu pr¸estaturus: si cui id operis obeundum Brixi¸e Idoneum nactus fuissem artificem. & siquunde fideliora exemplaria comperissem. … Te uero pr¸ecipuum oratorum decus: singulareque litteratorum pr¸esidium: cui hoc: qualecumque est munus: inscriberem dignissimum duxi. Quod cum uir sis optimus mihique beniuolentissimus: tum is certe es: qui in utraque lingua ita polleas: ut solus Gr¸ecorum ubertatem: | (f. r) Latinorumque proprietatem consecutus videare. Accedit ad hoc: quod Ilias ipsa qu¸e ut ignota antea in puluere et tenebris: nunquam fortasse aliter lucem uisura: tinearum esui relinqueretur: per te Italic¸e claritati celebranda exhibetur. Quam: cum in gallis legationis munere fungerere: apud gentes eas tam neglectam incultamque miseratus: iussu et impensa tua transcriptam in Italiam: Vnde nescio quo fato ablata fuerat: rettulisti. Ich habe Homers Ilias, die, wie du ja schon seit langer Zeit weißt, von Lorenzo Valla ins Lateinische übertragen worden ist, so, wie du siehst, drucken und verbreiten lassen, wie du es ja oft mit mir besprochen hattest. Das hätte ich schon längst getan, wenn ich in Brescia einen Drucker gefunden hätte, der geeignet gewesen wäre, sich an diese Arbeit zu machen, und ich mir irgendwoher zuverlässigere Exemplare hätte beschaffen können. … Du aber, du besondere Zierde der Redner und einzigartiger Schutz der Gelehrten, verdienst es, wie ich meine, am meisten, daß ich dir dieses bescheidene Werk widme. Denn du bist ein vortrefflicher und mir besonders wohlgesonnener Mann, vor allem aber auf jeden Fall jemand, der in beiden Sprachen soviel vermag, daß nur du die Fülle der Griechen und die Eigentümlichkeit der Lateiner erreicht zu haben scheinst. Hinzu kommt, daß gerade die Ilias, die ja zuvor unbekannt in Staub und Finsternis vielleicht niemals sonst das Licht erblickt hätte und dem Mottenfraß überlassen würde, durch dich dem strahlenden Licht Italiens gezeigt wird und nun gefeiert werden kann. Denn du hast dich, als du in Frankreich in einer diplomatischen Mission tätig warst, ihrer erbarmt, weil sie bei diesen Leuten unbeachtet und vernachlässigt war, und hast sie auf dein Geheiß und auf deine Kosten abschreiben und nach Italien zurückbringen lassen, von wo sie durch irgendein Geschick entführt worden war.
). Da die Lagen a–p mit Buch – jedoch im gleichen Satz wie GW gedruckt sind, ist davon auszugehen, daß die Ausgabe in derselben Werkstatt und in enger zeitlicher Nähe zu der vom .. entstanden ist. Der Bearbeiter des Katalogisats von GW datiert diesen Druck „vor (?)“.
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Der venezianische Historiker Bernardo Giustiniani (–)43 war im Jahr auf diplomatischer Mission in Frankreich und kehrte im Frühjahr über Paris, wo er an der Universität ehrenvoll empfangen wurde, nach Venedig zurück.44 Die Kopie der Ilias-Übersetzung des Lorenzo Valla, die er von dieser Reise nach Ausweis der Dedikationsepistel mitbrachte,45 bildete die Vorlage für die Editio princeps von . Da diese Editio princeps nicht nur die von Valla selbst übersetzten IliasBücher, sondern auch die von Francesco Griffolini ergänzten Bücher – enthält, muß also auch das Pariser Exemplar die vollständige lateinische Ilias enthalten haben. Griffolini hat also spätestens Vallas IliasÜbersetzung vervollständigt, wenn dieser Text im Herbst oder im Frühjahr bereits in Frankreich verfügbar war. Nimmt man Griffolinis Angabe in der Widmungsepistel der Odyssee-Übersetzung, er habe ein Jahr nach der Ilias-Übersetzung die Odyssee übersetzt, wörtlich, müßte die Odyssee-Übersetzung spätestens im Jahr entstanden sein. Der Übersetzungsstil des Francesco Griffolini Am Schluß der Widmungsepistel zur Odyssee-Übersetzung erwähnt Griffolini noch einmal, daß er von Pius II. mit der Übersetzung der Odyssee beauftragt worden ist, und kommt dann auf seine Vorgänger auf dem Gebiet der Homerübersetzung zu sprechen:
43
Vgl. zu ihm Gino Pistilli: Giustiniani, Bernardo, in: Dizionario Biografico degli Italiani , , S. –. 44 Vahlen (wie Anm. ), S. ; Pistilli (wie Anm. ), S. . 45 Daß Bernardo Giustiniani die Ilias-Übersetzung aus Frankreich nach Italien zurückgebracht hat, bezeugt auch ein Epigramm, das in der Editio princeps unmittelbar nach dem Ende des Textes der Übersetzung steht (f. v): En Graiis tantum quondam celebratus Homerus:/Nunc quoque & Ausonio grammate notus erit./Primus honor Vall¸e (nanque is traduxit) at alter/Bernardus posthæc Iustinianus erit./Nanque hic occiduas Orator missus ad oras/E Gallis Latias rettulit ipse domos./Quanque prius puluis: quam blattre ac tinia pressit:/Ilias in lucem cultior ecce redit (Sieh, der Homer, der einst nur von den Griechen gefeiert wurde, wird jetzt auch in ausonischer Schrift bekannt sein. Die erste Ehre gebührt Valla – denn der hat ihn übersetzt –, aber danach wird Bernardo Giustiniani der zweite sein. Denn der war in diplomatischer Mission in die westlichen Gefilde geschickt worden und brachte ihn von den Franzosen nach Italien mit. Sieh, die Ilias, der früher Staub, Motten und Bücherwürmer zusetzten, sie kehrt jetzt um so schöner ans Licht zurück).
einleitung Homericum hunc Ulyxem tuo, ut dixi, iussu pro ingenioli mei viribus prosa oratione interpretatum, si non omnino Latinum at saltem, qui a Latinis satis intelligi possit, solita tua clementia accipias, beatissime pater Pie, in quo si quid offenderit, non Homero, quo nemo clarior, nemo constanti omnium supra duo milia annorum in hunc usque diem fama atque consensu laudatior habitus est, sed partim difficultati, partim imbecillitati meae tribuatur. Quo et aliquanto me excusatiorem arbitror, quod per tot saecula, qui aliqua cum elegantia eum traduxerit, quique poetam eloquentissimum non paene infantem reddiderit, puto adhuc inventum neminem, aut si inventus est, non extat. Nimm, seligster Vater Pius, in deiner gewohnten Güte diesen Odysseus des Homer entgegen, den ich, wie gesagt, auf deinen Befehl hin so gut, wie es die Kräfte meines bescheidenen Talentes vermochten, in Prosa übersetzt habe, vielleicht nicht in ganz korrektes Latein, aber wenigstens doch so, daß ihn die Lateiner verstehen können. Falls an ihm irgend etwas Anstoß erregen sollte, darf man es nicht Homer anlasten, der als der berühmteste und nach der mehr als zweitausend Jahre hindurch beständigen, bis auf den heutigen Tag andauernden Meinung und Übereinstimmung aller als der gefeiertste Dichter galt und gilt, sondern soll es teils der Schwierigkeit der Aufgabe, teils meinem schwachen Talent zuschreiben. Doch meine ich, auch einige Nachsicht zu verdienen, weil sich in so vielen Jahrhunderten, soweit ich weiß, noch niemand gefunden hat, der ihn einigermaßen elegant übersetzt und der dem redegewandtesten Dichter nicht beinahe die Fähigkeit zu sprechen genommen hat, oder weil, falls sich doch einer gefunden hat, sein Werk nicht mehr existiert.
Auch wenn Griffolini hier nicht den Namen des Leontius Pilatus nennt, ist die Bemerkung, daß es bislang noch niemanden gegeben habe, der die homerische Odyssee mit einiger Eleganz übersetzt und nicht etwa dem redegewandtesten Dichter beinahe die Fähigkeit zu sprechen genommen habe,46 wohl als Kritik an dessen Übersetzung zu verstehen. Im Gegensatz zu Valla47 hat Griffolini die Version des Leontius Pilatus für seine Arbeit aber nicht benutzt, wie aus dem Vergleich jeder beliebigen Textpartie deutlich hervorgeht. Als Beispiele werden hier das Proöm und der Beginn von Buch der Odyssee in beiden Versionen gegenüberge-
46 Griffolini bezieht sich mit den Worten qui … poetam eloquentissimum non paene infantem reddiderit auf die bereits oben S. , Anm. zitierte Hieronymusstelle in der Vorrede zu dessen Übersetzung der Chronik des Eusebios videbit … poetam eloquentissimum vix loquentem. 47 Valla mußte sich gegen den Vorwurf verteidigen, er habe sich für seine IliasÜbersetzung einer älteren Version bedient, womit die des Leontius Pilatus gemeint sein muß, da Valla sie selbst als tralationem Homeri ad verbum eamque barbaram bezeichnet; vgl. Vahlen (wie Anm. ), S. –.
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stellt. Dabei werden zunächst der griechische Homertext48 und der Text des Leontius Pilatus49 Zeile für Zeile ausgeschrieben, im Anschluß daran wird die Version des Griffolini zitiert. Hom. Od. ,– Ανδρα μοι ννεπε, Μο σα, πολτροπον, !ς μ"λα πολλ#
Virum mihi pande, Musa, multimodum, qui ualde multum πλ"γχ&η, (πε Τροης )ερ*ν πτολε&ρον περσε+
Errauit, ex quo Troie sacram ciuitatem depredatus fuit; πολλ,ν δ’ -ν&ρ.πων /δεν 0στεα κα ν2ον γνω, Multorum hominum uidit urbes et intellectum nouit, πολλ# δ’ 3 γ’ (ν π2ντ4ω π"&εν 0λγεα !ν κατ# &υμ2ν, Multas autem hic in ponto passus fuit angustias proprio in animo, -ρνμενος 6ν τε ψυχν κα ν2στον 8ταρων.
Redimens propriam animam et reditum sociorum. -λλ’ ο9δ’ :ς 8τ"ρους (ρρσατο, )μεν2ς περ+
Sed non sic socios saluauit desiderans licet; α9τ,ν γ#ρ σφετρησιν -τασ&αλησιν κατ# βο ς ?Υπερονος AΗελοιο
Stolidi, qui per boues Hyperionis solis Cσ&ιον+ α9τ#ρ D τοEσιν -φελετο ν2στιμον Fμαρ.
Commederunt; nam hic istis abstulit reditus diem. τ,ν Gμ2&εν γε, &ε", &γατερ Δι2ς, εHπI κα JμEν. Hec undecumque, dea, filia Iouis, dic et nobis.
Dic mihi Musa virum perquam exercitum, qui post sacram urbem Ilium dirutam longis erroribus et civitates multas vidit et hominum mentes cognovit diuque mari iactatus, ut se et socios in patriam reduceret, multos anxius labores perpessus est. Non tamen in illis liberandis suo satisfecit desiderio; suis enim illi in deos periere flagitiis, quippe qui stulti desuper currentis Solis boves comederunt. Hinc ille reditum eis abstulit. Horum tu, dea, Iovis filia, causam et nobis refer.
48 Der griechische Text wird hier und im folgenden nach der Odyssee-Ausgabe von Allen gegeben: Homeri opera recogn. brevique adnot. crit. instrux. Thomas W. Allen. T. III. Odysseae libros I–XII continens. T. IV. Odysseae libros XIII–XXIV continens. Oxford 2 (mehrfach nachgedruckt). 49 Text nach den Handschriften Stuttgart, WLB, Cod. poet. et phil. ° und Vatikan, BAV, lat. .
einleitung Hom. Od. ,– ΑHολην δ’ (ς νσον -φικ2με&’+ ν&α δ’ ναιεν
Eoliam autem ad insulam venimus. inhabitabat Α/ολος ?Ιπποτ"δης, φλος -&αν"τοισι &εοEσι,
Eolus Hippotades, amicus immortalibus diis, πλωτ (ν ν=σ4ω+ πLσαν δ τ μιν πρι τεEχος
Ploti insula; per totam autem circum murus χ"λκεον 0ρρηκτον, λισσ δ’ -ναδδρομε πτρη.
Fortis infrangibilis planaque percurrit petra. το κα δ.δεκα παEδες (ν μεγ"ροις γεγ"ασιν,
Huius et xii filii in atriis nati sunt, Mξ μIν &υγατρες, Mξ δ’ υ)ες Jβ.οντες. vi certe fili¸e vique filii adolescentes, ν&’ 3 γε &υγατρας π2ρεν υ)"σιν εOναι -κοτις.
Ibique hic filias dedit filiis esse uxores. Sic Aeoliam insulam appulimus. Hanc navigantibus opportunam valido muro et quadratis lapidibus munitam Aeolus, Hippotæ filius et diis immortalibus amicissimus, habitabat. Huic duodecim domi liberi, sex virgines, virilis sexus totidem puberes, quibus illas uxores desponderat.
Schon diese zwei kurzen Partien lassen den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Übersetzung des Leontius Pilatus und der des Griffolini erkennen und machen zugleich deutlich, daß Griffolini seinen Vorgänger nicht benutzt hat. Während sich Leontius Pilatus noch ganz nach der mittelalterlichen Methode des verbum de verbo ohne jegliche stilistische Ambitionen am griechischen Text entlang bewegt, so daß man seine Version Wort für Wort und Zeile für Zeile mit dem griechischen Original in Parallele setzen kann,50 kommt es Griffolini überhaupt nicht darauf an, alle Einzelheiten und Eigenarten der Vorlage möglichst vollständig wiederzugeben, sondern er versucht, einen an den Normen der klassischen Latinität orientierten Text zu verfassen, wobei die charakteristischen Ausdrucksformen Homers weitgehend eliminiert werden. Einige Merkmale seines Übersetzungsstils51 kann z. B. der folgende Vergleich seiner Version von Od. ,– mit Homers Original veranschaulichen: 50 Dementsprechend ist in den zweisprachigen Handschriften (z.B. Stuttgart, WLB, Cod. poet. et phil. ° ) und Drucken (zuerst Basel: Nikolaus Brylinger und Bartholomaeus Stähelin, [VD H ]) des Leontius Pilatus der Text so präsentiert, daß jeweils griechische und lateinische Zeilen genau gegenüber (e regione) bzw. übereinander stehen. 51 Eine ausführlichere Analyse des Übersetzungsstils des Griffolini findet sich bei
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PΗμος δ’ Qριγνεια φ"νη οδοδ"κτυλος AΗ.ς, νσον &αυμ"ζοντες (δινε2με&α κατ’ α9τ=ν. Sρσαν δI νμφαι, κο ραι Δι*ς αHγι2χοιο, αOγας Tρεσκ4.ους, Uνα δειπν=σειαν 8ταEροι. α9τκα καμπλα τ2ξα κα αHγανας δολιχαλους ε)λ2με&’ (κ νη,ν, δι# δI τρχα κοσμη&ντες β"λλομεν+ αOψα δ’ δωκε &ε*ς μενοεικα &=ρην. νες μν μοι Vποντο δυ.δεκα, (ς δI 8κ"στην (ννα λ"γχανον αOγες+ (μο δI δκ’ ξελον ο/4ω. :ς τ2τε μIν πρ2παν Fμαρ (ς Qλιον καταδντα 6με&α δαινμενοι κρα τ’ 0σπετα κα μ&υ Jδ. ο9 γ"ρ πω νη,ν (ξφ&ιτο οOνος (ρυ&ρ2ς, -λλ’ (νην+ πολλ*ν γ#ρ (ν -μφιφορε σιν Vκαστοι Qφσαμεν Κικ2νων )ερ*ν πτολε&ρον 8λ2ντες. Κυκλ.πων δ’ (ς γαEαν (λεσσομεν (γγXς (2ντων, καπν2ν τ’ α9τ,ν τε φ&ογγν Tων τε κα αHγ,ν. Fμος δ’ Qλιος κατδυ κα (π κνφας Fλ&ε, δ τ2τε κοιμ=&ημεν (π ηγμEνι &αλ"σσης. Fμος δ’ Qριγνεια φ"νη οδοδ"κτυλος AΗ.ς, κα τ2τ’ (γYν -γορν &μενος μετ# πLσιν ειπον+ „Αλλοι μIν ν ν μμνετ’, (μο (ρηρες 8ταEροι+“
Illucescente aurora insulam admirati lustravimus obambulantes. At nymphæ, Iovis puellæ, montanas exciverunt capras, ut socii vescerentur. Continuo nos et curvis arcubus et longis e navibus telis arreptis triplici ordine dispositi iacula in eas dirigimus multasque dei munere brevi confectas ad naves referimus. Duodecim me navium sequebatur classis, quarum singulis noven¸e contigerunt capræ, soli autem mihi una. Inde reliquum diei in curandis carne et nigro vino corporibus occupamur. Adhuc enim multum ex direpta Ciconum civitate in amphoris supererat. Ex propinqua autem Cyclopum terra et fumum videbamus et gregum audiebamus balatus. Occaso sole in maris littore dormituri componimur. Mane accita omnium contione: „Socii“, inquam, „optimi, omnes hic expectetis velim.“
Bereits die Wiedergabe des ersten Verses dieser Partie läßt eine wesentliche Eigenart der Übersetzungsmethode des Griffolini erkennen: Homers epische Sprache wird auf die Mitteilung des rein Faktischen reduziert. Von dem homerischen Formelvers für den Tagesanbruch mit dem poetischen Bild vom Erscheinen der frühgeborenen, rosenfingrigen Eos bleibt
Bernd Schneider und Christina Meckelnborg: Dic mihi Musa virum perquam exercitum. Bemerkungen zum Stil der Odyssee-Übersetzung des Francesco Griffolini, in: Axel E. Walter (Hg.): Regionaler Kulturraum und intellektuelle Kommunikation vom Humanismus bis ins Zeitalter des Internet. Festschrift für Klaus Garber. Amsterdam u.a. (Chloe. Beihefte zum Daphnis ), S. –.
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bei ihm die bloße Mitteilung, daß die Morgenröte sich zeigt. Bei der Wiederholung dieses Verses () ist die Verkürzung mit dem lapidaren mane („frühmorgens“) noch radikaler. Dieselbe Beschränkung auf das rein Faktische zeigt sich auch bei der Übersetzung des formelhaften Verses : Aus Homers Fμος δ’ Qλιος κατδυ κα (π κνφας Fλ&ε („Als die Sonne unterging und die Dunkelheit heraufzog“) wird bei Griffolini bloßes occaso sole52 („bei“ bzw. „nach Sonnenuntergang“).53 In Vers bleibt αHγι2χοιο unübersetzt. Das entspricht der Tendenz des Griffolini, diese typisch epische Ausdrucksform des Epitheton ornans zu eliminieren.54 Allerdings werden die Epitheta ornantia nicht grund-
52
Nur auf den ersten Blick ist occaso sole (in Griffolinis Übersetzung auch noch ,; , und ,) befremdlich; dieser aktive Gebrauch des Partizipiums ist altlateinisch (vgl. Anton Szantyr: Lateinische Syntax und Stilistik. München [Handbuch der Altertumswissenschaft II ,], S. f.) und durch Gellius (,,; ,,f.) und Priscian (GLK ,,f.) für Q. Claudius Quadrigarius, Varro und Lucilius belegt. Griffolini dürfte ihn wohl am ehesten durch Gellius kennengelernt haben. 53 Ebenso wie Griffolini hier mit den Formelversen zur Angabe der Tageszeit umgeht, verfährt er in der Regel auch mit den formelhaften Redeeinleitungen Homers. So reduziert er z.B. in Od. , Homers Τν δ’ -παμειβ2μενος προσφη νεφεληγερτα Ζες auf cui nebularum auctor … inquit (,); in Od. , schreibt er für [Ως φατ’, α9τ#ρ (γ. μιν -μειβ2μενος προσειπον nur cui ego … inquam (,), in Od. , tum ille quam primum (,) für das homerische [Ως (φ"μην, D δ μ’ α9τκ’ -μειβ2μενος προσειπε. In Od. , reduziert er den ganzen Vers κα μιν φων=σας πεα πτερ2εντα προσηδα auf ein einfaches inquit (,), wobei die homerischen „geflügelten Worte“ aufgrund von Griffolinis Abneigung gegen epische Formeln wegfallen. Od. , unterdrückt er bei der Wiedergabe von ποE2ν σε πος φγεν Vρκος Tδ2ντων mit Quod verbum … tibi excidit (,) das homerische Bild von dem (geflügelten) Wort, das dem Gehege der Zähne entflieht, indem er Vρκος Tδ2ντων unübersetzt läßt, wie auch sonst regelmäßig, wenn dieser Formelvers begegnet. 54 Die Epitheta hat ebenso wie Griffolini auch Raphael Maffeius Volaterranus (– ) in seiner Odyssee-Übertragung, die , also in demselben Jahr wie die Editio princeps der Odyssee-Übersetzung des Griffolini, in Rom zum ersten Mal gedruckt wurde (Rom: Jacobus Mazochius, .. [EDIT CNCE ]), weggelassen. Dazu bekennt er sich ausdrücklich in seiner Vorrede f. (A2)v der Ausgabe Rom : Breuior etiam sum illo (sc. Homero) quod epitheta pæne innumerabilia & apud eum sæpe repetita & quasi perpetua omiserim/quæ adposita ut ei decori sunt: sic fastidium nostris pariunt & flocidam reddere uidentur orationem (Ich bin auch kürzer als jener, weil ich die unzähligen Epitheta, die bei ihm oft wiederholt werden und gewissermaßen überall vorkommen, weggelassen habe. Wenn er sie setzt, sind sie zwar ein Schmuck seiner Rede, aber bei unseren Lesern erregen sie Überdruß und scheinen seinen Stil zu verderben). – Zur Behandlung der Epitheta bei der Übersetzung in lateinische Prosa hat sich schon Leonardo Bruni in der Einleitung zu seiner Übertragung der drei Reden aus dem neunten Buch der Ilias geäußert (zitiert nach Thiermann [wie Anm. ], S. ): Nam poete quidem multa conceduntur, quo in re ficta delectet et quod pedes numerique facilius impleantur;
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sätzlich weggelassen. So behält z. B. Athena in Griffolinis Übersetzung von Od. , (,) einmal das schöne Epitheton γλαυκ,πις (cesiis oculis), während es etwa Od. , (,) oder , (,), , (,) und , (,) nicht übersetzt wird. Griffolinis Abneigung gegen diese Epitheta ist freilich unverkennbar. Ein besonders deutliches Beispiel findet sich z. B. in seiner Version von Od. , (,), wo er die formelhafte Anrede διογενIς Λαερτι"δη, πολυμ=χαν’ AΟδυσσε auf das bloße Vlixe verkürzt. Griffolinis Version der folgenden Verse Od. ,– macht deutlich, wie wenig es ihm auf eine getreue Wiedergabe aller Details seiner Vorlage ankam. Zwar werden die Einzelheiten der Verse –a noch weitgehend beibehalten, auch wenn die griechische Parataxe in einen Ablativus absolutus umgewandelt wird, was gutem lateinischen Prosastil entspricht, aber für Vers gibt Griffolini eher eine interpretierende Paraphrase des Inhalts als eine eigentliche Übersetzung: β"λλομεν („wir schießen“ bzw. „schossen“) wird zu iacula in eas dirigimus erweitert, und aus dem folgenden αOψα δ’ δωκε &ε*ς μενοεικα &=ρην („schnell aber gab ein Gott eine dem Verlangen entsprechende Jagd“) macht Griffolini ein Objekt (multas [sc. capras] dei munere brevi confectas) zu dem interpretierenden Zusatz ad naves referimus („wir brachten sie zu den Schiffen“), wofür es bei Homer keinerlei Entsprechung gibt. Während Griffolini in den beiden folgenden Versen relativ genau der homerischen Vorlage folgt,55 verkürzt er in den Versen – die breite epische Erzählung stark: πρ2παν Fμαρ (ς Qλιον καταδντα („den ganzen Tag lang bis zum Sonnenuntergang“) wird zu reliquum diei verkürzt, das epische 6με&α δαινμενοι κρα τ’ 0σπετα κα μ&υ Jδ („wir saßen und schmausten unendlich viel Fleisch und süßen Wein“) mit einem Zeugma, wie es bei Homer in ähnlichem Kontext auch sonst begegnet,56 wird prosaisches in curandis carne et nigro vino corporibus
oratori autem, qui est veritatis actor, hec superflua verborum adiunctio, et fidem rebus et auctoritatem persone minueret ac puerile quiddam in re seria redoleret (Denn einem Dichter wird zwar vieles erlaubt, damit er bei seiner fiktiven Erzählung erfreut und weil sich die Versfüße und Metren so leichter füllen lassen, bei einem Redner aber, der ja Anwalt der Wahrheit ist, würde diese Hinzufügung überflüssiger Wörter den Dingen die Glaubwürdigkeit und der Person die Autorität nehmen und würde in einer ernsten Angelegenheit reichlich kindisch wirken). 55 Warum allerdings in V. aus den zehn (δκ’) Ziegen, die Odysseus erhält, bei ihm nur eine (una) wird, bleibt rätselhaft, es sei denn, ein Überlieferungsfehler in der griechischen Vorlage oder innerhalb der lateinischen Tradition ist hierfür verantwortlich. 56 Vgl. Il. ,– δουσ τε πονα μλα / οOν2ν τ’ ξαιτον.
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occupamur („wir waren damit beschäftigt, unsere Körper mit Fleisch und dunklem Wein zu pflegen“). Merkwürdigerweise wird dabei aus dem Epitheton des Weins Jδ („süß“) bei Griffolini nigro („schwarz, dunkel“). Noch stärker kürzt Griffolini bei der Wiedergabe der nächsten drei Verse: Während Homer in epischer Breite ausführt, daß den Schiffen noch nicht der rote Wein ausgegangen, sondern drinnen noch vorhanden war, denn jeder einzelne habe viel davon in Krügen geschöpft, als sie die heilige Stadt der Kikonen eingenommen hätten, stellt Griffolini lediglich fest, daß noch viel Wein aus der eroberten Stadt der Kikonen in den Krügen übrig war. Er gibt also nur die Fakten wieder, Homers sprachliche Ausformung bringt er jedoch nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck. Diese Tendenz, die epische Erzählung Homers auf die Mitteilung der die Handlung voranbringenden Tatsachen zu reduzieren, hat sich offenbar im Verlauf der Übersetzungsarbeit Griffolinis verstärkt; sie ist jedenfalls in den letzten Bücher der Odyssee deutlich stärker ausgeprägt als am Anfang des Werkes, wie z. B. Griffolinis stark verkürzende Version von Od. ,– belegt: ο` τ σε λωβεω, τκνον φλον, -λλ’ τυμ2ν τοι Fλ&’ AΟδυσεXς κα οOκον )κ"νεται, aς -γορεω, D ξεEνος, τ*ν π"ντες -τμων (ν μεγ"ροισι. Τηλμαχος δ’ 0ρα μιν π"λαι C δεεν νδον (2ντα, -λλ# σαοφροσνησι νο=ματα πατρ*ς κευ&εν,