Molekulare Virologie
Susanne Modrow, Dietrich Falke, Uwe Truyen, Hermann Schätzl
Molekulare Virologie 3. Auflage
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Molekulare Virologie
Susanne Modrow, Dietrich Falke, Uwe Truyen, Hermann Schätzl
Molekulare Virologie 3. Auflage
Prof. Dr. Susanne Modrow Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Universität Regensburg Prof. Dr. Dietrich Falke Institut für Virologie Universität Mainz Prof. Dr. Uwe Truyen Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen Universität Leipzig Prof. Dr. Hermann Schätzl Institut für Virologie Universität München
Wichtiger Hinweis für den Benutzer Der Verlag, der Herausgeber und die Autoren haben alle Sorgfalt walten lassen, um vollständige und akkurate Informationen in diesem Buch zu publizieren. Der Verlag übernimmt weder Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für die Nutzung dieser Informationen, für deren Wirtschaftlichkeit oder fehlerfreie Funktion für einen bestimmten Zweck. Der Verlag übernimmt keine Gewähr dafür, dass die beschriebenen Verfahren, Programme usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag hat sich bemüht, sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln. Sollte dem Verlag gegenüber dennoch der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar gezahlt.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de 3. Auflage 2010 © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2010 Spektrum Akademischer Verlag ist ein Imprint von Springer 10 11 12 13 14
5 4 3 2 1
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Planung und Lektorat: Frank Wigger, Martina Mechler, Heidemarie Wolter Redaktion: Annette Vogel Index: Bärbel Häcker Satz: klartext, Heidelberg Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelbild: © Jean-Yves Sgro (Norwalkvirus)
ISBN 978-3-8274-1833-3
Vorwort zur dritten Auflage „Pandemie durch neuen Influenzavirus-Subtyp“, „Neues Killervirus entdeckt!“ „Norovirusseuche in Seniorenresidenz“, „Virus legt Fussballverein flach“ – Schlagzeilen wie diese sorgten während der vergangenen Monate und Jahre dafür, dass Viren und die von ihnen verursachten Infektionen regelmäßig im Gespräch waren. Entsprechende Aufmacher auf der Titelseite von Tageszeitungen und in Nachrichtensendungen belegen, dass Virusinfektionen Teil unseres täglichen Lebens sind und dass kaum ein anderer Bereich der naturwissenschaftlich-medizinischen Forschung eine ähnlich große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Für molekularbiologisch tätige Wissenschaftler bringen Viren als Forschungsobjekte zudem viele Überraschungen, sind sie doch eine Spielwiese der Evolution: Ständig entstehen neue Varianten und Virustypen, passen sich an neue Wirte an und verlangen somit eine genauere Betrachtung und Erforschung. Ähnlich wie nach der ersten Auflage der Molekularen Virologie zogen auch gleich nach dem Erscheinen der zweiten Auflage neue Virusinfektionen die Welt in ihren Bann: Die SARS-Infektion tauchte in Südostasien auf und verschwand glücklicherweise so schnell, wie sie gekommen war, die Blauzungenkrankheit der Schafe, Ziegen und Rinder schlägt nun auch in Mitteleuropa große Wellen, die Hühner- oder Vogelgrippe hält uns bis heute auf Trab und wurde nur jüngst und vermutlich auch nur vorübergehend von den Problemen der „Schweinegrippe“ überlagert, und mit dem MerkelzellPolyomavirus wurde ein weiteres humanes Tumorvirus entdeckt. All dies ereignete sich vor dem Hintergrund einer nun fast drei Jahrzehnte andauernden AIDS-Pandemie und den ungeklärten Fragen, die sich um die übertragbaren spongiformen Encephalopathien ranken. Die Virusforschung hat jedoch auch große Erfolge zu verzeichnen: So versteht man durch konsequenten Einsatz der modernen Techniken der Molekularbiologie und Biotechnologie zunehmend die pathogenetischen Prozesse, die bei Virusinfektionen in der Zelle ablaufen, kann diese mit den Erkrankungsanzeichen verbinden und sowohl therapeutische Eingriffsmöglichkeiten wie Impfstoffe – auch kurzfristig – entwickeln. Die rasanten Entwicklungen trugen schon bald nach dem Erscheinen der zweiten Auflage zu der Einschätzung bei, dass eine Ergänzung oder eine Neuauflage der Molekularen Virologie notwendig ist. Diese Erkenntnis
setzte sich mit Verzögerung auch bei uns Autoren durch und wir gingen – verstärkt durch Hermann Schätzl als einen klinisch orientierten Virologen und Prionenexperten – ans Werk. Auch wenn sich die Schreibarbeit aufgrund all der Aufgaben und Pflichten, die uns an den jeweiligen Universitäten und Instituten in Anspruch genommen haben, mitunter mühsam und langwierig gestaltete: Nun liegt sie vor, die dritte Auflage der Molekularen Virologie. Alle Kapitel wurden überarbeitet, ergänzt und auf den neuesten Stand gebracht – auch wenn dieser sich beim Erscheinungstermin an einigen Punkten schon wieder als überholt erweisen dürfte. Der Verlag hat sich für ein neues attraktives Layout entschieden, Herrn Frank Wigger, Frau Martina Mechler, Frau Heidemarie Wolter und Frau Annette Vogel sei in diesem Zusammenhang für ihre Geduld, Hilfe und den Zuspruch in den vielen Telefongesprächen gedankt, wenn wir angesichts der Datenfülle, die integriert werden musste, etliche Male an Aufgabe dachten. Frau Doris Mühlbauer vom Sekretariat des Instituts für medizinische Mikrobiologie der Universität Regenburg half uns, viele Rechtschreib- und Grammatikfehler in den Umbrüchen aufzuspüren, die uns erst nach Jahren aufgefallen wären. Unser Dank gilt auch Herrn Dr. rer. nat. Juha Lindner, der – parallel zu seiner inzwischen erfolgreich abgeschlossenen Promotion – über 60 Abbildungen neu gezeichnet oder modifiziert hat. Wir danken auch den vielen Kolleginnen und Kollegen, die wir mit Nachfragen und Telefonanrufen bezüglich der neuesten Details ihrer Forschungstätigkeit belästigten und die geduldig die ihnen vorgelegten Abschnitte korrigierten und verbesserten. Sie alle einzeln zu nennen, würde den Rahmen dieses Vorworts bei weitem sprengen. Größter Dank gilt jedoch Herrn Dr. Hans Gelderblom, dessen elektronenmikroskopische Virusportraits nun jedes Kapitel schmücken und die dritte Auflage der Molekularen Virologie adeln. Er unterbrach seinen wohlverdienten Ruhestand am Seddiner See, stieg in die Tiefen seines Archivs am Robert-Koch-Institut, suchte und wählte kompetent die besten Aufnahmen aus, die ihm zur Verfügung standen. In den Fällen, in denen die eigenen Bilder seinem hohen Anspruch nicht genügten, scheute er weder Zeit noch Mühe, sondern alarmierte weltweit alle seine Kollegen, die ihm besseres Material zur Verfügung stellen sollten. Dieser Bitte kamen viele bereitwillig nach, sie sind in den Quellenangaben aufge-
VI
Vorwort zur dritten Auflage
führt; auch ihnen allen gilt unser besonderer Dank. Hans Gelderblom versorgte uns schließlich noch mit einem Textabschnitt, der eine äußerst lesenswerte Einführung in die unterschiedlichen Methoden der Elektronenmikroskopie darstellt. Nicht zuletzt gilt unser Dank aber auch unseren Familienangehörigen, Freunden, Kollegen und allen, die Anteil an unserem Leben haben und die wir in den ver-
gangenen Monaten in sträflicher Weise vernachlässigt haben.
Dezember 2009
Susanne Modrow, Regensburg Dietrich Falke, Mainz Uwe Truyen, Leipzig Hermann Schätzl, München und Wyoming
Inhalt A
Allgemeiner Teil .
1
Geschichtlicher Überblick
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.1 1.2
3
1.4.3 1.5 1.6 1.7
Seit wann kennen wir Viren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche technischen Fortschritte haben die Entwicklung der modernen Virologie bestimmt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tierexperimente lieferten wichtige Erkenntnisse zur Pathogenese von Viruserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zellkultur stellt eine unverzichtbare Grundlage für die Virusforschung dar . . . . . . . Die moderne Molekularbiologie ist auch ein Kind der Virusforschung . . . . . . . . . . . . Worin besteht die Bedeutung der Henle-Kochschen Postulate? . . . . . . . . . . . . . . In welcher Wechselbeziehung steht die Virusforschung mit Krebsforschung, Neurobiologie und Immunologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viren können Zellen transformieren und Krebs verursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . Als Spätfolge von Slow-Virus-Infektionen treten Erkrankungen des zentralen Nervensystems auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interferone stimulieren die Immunabwehr von Virusinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . Welche Strategien liegen der Entwicklung antiviraler Chemotherapeutika zugrunde? . Welchen Herausforderungen der Zukunft muss sich die moderne Virologie stellen? . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Viren: Definition, Aufbau, Einteilung .
2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.4
Wie lassen sich Viren definieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie sind Viren aufgebaut und wie unterscheiden sie sich von Virusoiden, Viroiden und Prionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusoide (Satellitenviren), Viroide, Mimiviren und Virophagen . . . . . . . . . . . . . . Prionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Kriterien bestimmen die Einteilung der Virusfamilien? . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Virusvermehrung und Replikation.
3.1 3.2 3.3 3.4
Womit beginnt die Infektion einer Zelle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie gelangt ein Virus in das Innere der Zelle? . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie wird das Genom des aufgenommenen Virus in der Zelle freigesetzt? . Welche verschiedenen Strategien verfolgen Viren bei Genexpression und Genomvermehrung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was versteht man unter Morphogenese? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2
3.5
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
4 4 5 6 7 8 8
9 9 9 10 11 13
.
13
. . . .
13 13 16 16
.
17
.
21
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
. . . . . . .
23
. . . . . . .
23
. . . . . . .
24
. . . . . . .
24
. . . . . . .
26
VIII
Inhalt
3.6 3.7
Wie erfolgt die Freisetzung der Nachkommenviren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
4
Pathogenese .
29
4.1 4.1.1 4.1.2 4.2
Wie breiten sich Viren im Organismus aus? . Eintrittspforten und initiale Replikation . . . . Formen der Virusausbreitung im Körper . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . .
5
Zellschädigung
5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.4 5.5
Zelltod: Was ist eine Nekrose und wie erkennt man die Apoptose? . . . . . . . . . . . Welche Konsequenzen haben produktive Virusinfektionen für die betroffenen Zellen? Veränderungen der Zellmorphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Riesenzellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inwiefern können auch Viren im Latenzzustand Zellen schädigen? . . . . . . . . . . . . Auf welche Weise verändern Viren das Wirtsgenom? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Transformation und Tumorbildung
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.4 6.5
Wodurch sind transformierte Zellen gekennzeichnet? . . . . . . . . . . . Morphologische Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen des Zellwachstums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autokrine Stimulation des Zellwachstums durch Viren . . . . . . . . . . . . Welche Wirkung hat die Inaktivierung von Tumorsuppressorproteinen? . Die p53-Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Retinoblastomproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Wege der Proliferationsinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie können Tumorzellen der Immunantwort entgehen? . . . . . . . . . . Sind Viren auch fähig, die Apoptose zu unterdrücken? . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
Immunologie .
7.1
Welche zellulären und molekularen Komponenten des Immunsystems bilden die „erste Front“ gegen eindringende Erreger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dendritische Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Granulocyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monocyten und Makrophagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Natürliche Killerzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die toll-like-Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akutphaseproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Komplementsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche „Waffen“ stehen der spezifischen Immunabwehr zur Verfügung? . . . T-Lymphocyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B-Lymphocyten und Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.1.6 7.1.7 7.2 7.2.1 7.2.2
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 31
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 38 38 41 42 43 43 45
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
46 46 47 47
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
48 49 50 51
. . . . . . . .
51
. . . . . . . .
51
. . . . . . . .
52
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
54 54 54 55 56 56 59 59
. . . . . . . . . . . . . . .
61 61 68
IX
Inhalt
7.3 7.4 7.5
Wie kann die Abwehr von Viren Autoimmunkrankheiten hervorrufen? . . . . . . . . . . Auf welche Weise können Viren dem Immunsystem entgehen? . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
8
Cytokine, Chemokine und Interferone .
75
8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.2 8.3 8.4
Welche Gruppen von Cytokinen unterscheidet man und welche Funktionen erfüllen sie im Verband der immunologischen Effektorsysteme? . . . . . . . Interferone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interleukine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumornekrosefaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemokine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Cytokine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie wirken sich Virusinfektionen auf die Cytokinsynthese aus? . . . . . . . Lassen sich Cytokine zur Therapie von Viruserkrankungen einsetzen? . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Chemotherapie .
9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.2 9.3 9.4
Welche molekularen Angriffspunkte haben antivirale Wirkstoffe? . . . . . . . Hemmstoffe der Virusreplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmstoffe der Virusaufnahme und des Uncoatings . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige antivirale Chemotherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wodurch können Viren gegen antivirale Hemmstoffe resistent werden? . . . Welche therapeutischen Hoffnungen setzt man in Ribozyme, Antisense-RNA und RNAi/siRNA? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
Impfstoffe .
10.1 10.1.1 10.1.2 10.2
10.4 10.5
Wie wirken Lebendimpfstoffe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Attenuierte Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rekombinante Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie aktivieren Totimpfstoffe das Immunsystem und welche Typen sind in Gebrauch oder Erprobung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgetötete Erreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatz ausgewählter Proteine eines Erregers . . . . . . . . . . . . . . . . . Peptidimpfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DNA-Impfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Methoden der Reversed Genetics – eine Neuheit bei der Impfstoffentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markerimpfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Epidemiologie .
11.1 11.2
10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.3
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
76 76 83 83 85 85
. . . . . .
88
. . . . . .
88
. . . . . .
89
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
. . . .
. . . . . .
. . . .
. . . . . .
74
. . . . . .
. . . .
. . . . . .
73
. . . .
. . . .
94 95 102 102
. . . . .
103
. . . . .
104
. . . . .
104
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108 108 111
. . . . .
. . . . .
112 112 112 113 113
. . . . . . . .
113
. . . . . . . .
114
. . . . . . . .
114
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115
Welche Übertragungswege existieren für virale Infektionen? . . . . . . . . . . . . . . . Wo überdauern humanpathogene Viren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
117
X
11.3 11.4
Inhalt
11.5
Inwiefern sind die meisten Viren optimal an ihre Wirte angepasst? . . . . . . . . . . . Welcher Methoden bedient sich die Epidemiologie bei der Untersuchung von Viruskrankheiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120
12
Die Evolution der Viren
121
12.1 12.2 12.3 12.4
Wie führen Mutationen zur Entstehung neuer Viren? . . . . . Wie erhalten Viren neue Gene und Funktionen? . . . . . . . Welche Infektionserreger sind erst jüngst neu entstanden? . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen .
13.1 13.1.1 13.1.2 13.2
13.4
Wie lassen sich virale Erreger direkt nachweisen? . . . . . . . . . . . . . . . Viruszüchtung, Virusisolierung und davon ausgehende Nachweissysteme . . . Direkter Nachweis der Viren in Patientenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf welche Weise nutzt man spezifische Immunreaktionen zum indirekten Nachweis von Virusinfektionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche wichtigen neuen Methoden zum Virusnachweis sind in den letzten Jahren entwickelt worden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B
Spezieller Teil .
14
Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung . . . . . . . . . .
13.3
14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.1.4 14.1.5
14.1.6 14.1.7 14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4 14.2.5
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 119
. . . . . . . . . . . . . . .
121
. . . . . . . . . . . . . . .
122
. . . . . . . . . . . . . . .
123
. . . . . . . . . . . . . . .
125
. . . . . . . . . . .
127
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
127 127 132
. . . . . .
138
. . . . . .
141
. . . . . .
142
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143
Picornaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Picornaviren . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
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145 146 147 151 155 162 162 165 167 169 170 171 173
. . . . . . Die humanen Astroviren . . . . . . . . . . . . .
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175 175 175 176 176 178 178
Das Poliovirus . . . . . . . . . . . . . Die humanen Entero- und Parechoviren Das Hepatitis-A-Virus . . . . . . . . . Die Rhinoviren . . . . . . . . . . . . . Tierpathogene Picornaviren . . . . . Das Maul-und-Klauenseuche-Virus . . . Weiterführende Literatur . . . . . .
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Astroviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Astroviren . . . . . . . .
XI
Inhalt
14.2.6 Tierpathogene Astroviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Astroviren des Geflügels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.7 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179 179 180
14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5
Caliciviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Caliciviren . . . . . . . .
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181 181 182 184 185 185 185 187 187 188 189
14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.3 14.4.4 14.4.5
Hepeviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Human- und tierpathogene Vertreter der Hepeviren
14.5 14.5.1 14.5.2 14.5.3 14.5.4 14.5.5
Flaviviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Flaviviren . . . . . . . .
Togaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Togaviren . . . . . . . .
. . . . . . Die Hepatitis-E-Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.7 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . .
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190 190 191 192 193 193 193 195
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196 196 197 199 204 207 207 210 212 213 217 217 218 218 221 223
14.6 14.6.1 14.6.2 14.6.3 14.6.4 14.6.5
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225 225 226 227 231 232 232 235 235 238
Das Rötelnvirus . . . . . . . . . . . . . . . .
14.6.6 Tierpathogene Togaviren . . . . . . . . . . Die verschiedenen equinen Encephalitisviren .
14.6.7 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . .
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XII
14.7 14.7.1 14.7.2 14.7.3 14.7.4 14.7.5
Inhalt
Arteriviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tierpathogene Arteriviren . . . . . . . . . .
14.7.6
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das equine Arteritisvirus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Virus des seuchenhaften Spätaborts der Schweine (PRRSV) . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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239 239 239 240 242 244 244 245 246
14.8 14.8.1 14.8.2 14.8.3 14.8.4 14.8.5
Coronaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Coronaviren . . . . . . .
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246 247 247 248 254 255 255 256 259 259 260 261 261
15
Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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263
15.1 15.1.1 15.1.2 15.1.3 15.1.4 15.1.5
Rhabdoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Human- und tierpathogene Rhabdoviren . .
15.1.6
Tierpathogene Rhabdoviren . . . . . . . . .
Das Tollwutvirus (Rabiesvirus) . . . . . . . . . Das Vesicular-Stomatitis-Virus . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . .
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263 263 264 267 268 270 270 275 276 276
15.1.7 15.2 15.2.1 15.2.2 15.2.3 15.2.4 15.2.5
Bornaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tierpathogene Bornaviren . . . . . . . . . .
. . . . . . Das Bornavirus. . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.6 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . .
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277 278 278 279 281 281 281 283
15.3 15.3.1 15.3.2 15.3.3 15.3.4
Paramyxoviren. . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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284 285 286 290 294
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XIII
Inhalt
15.3.5 Humanpathogene Paramyxoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die humanen Parainfluenzaviren . . . . . . . . . Das Mumpsvirus . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Masernvirus . . . . . . . . . . . . . . . . . Das respiratorische Syncytialvirus . . . . . . . . Das humane Metapneumovirus . . . . . . . . . 15.3.6 Tierpathogene Paramyxoviren. . . . . . . . . Das Newcastle-Disease-Virus . . . . . . . . . . Das Rinderpestvirus . . . . . . . . . . . . . . . Das Hundestaupevirus (Canine-Distemper-Virus) . Das bovine respiratorische Syncytialvirus . . . . 15.3.7 Human- und tierpathogene Paramyxoviren . Die Henipaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.8 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . .
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298 298 299 300 304 306 306 307 307 308 310 310 310 312
15.4 15.4.1 15.4.2 15.4.3 15.4.4 15.4.5
Filoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Human- und tierpathogene Filoviren . . . .
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313 313 314 314 318 319 319 322
16
Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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325
16.1 16.1.1 16.1.2 16.1.3 16.1.4 16.1.5
Arenaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Human- und tierpathogene Arenaviren . . .
16.1.6 16.2 16.2.1 16.2.2 16.2.3 16.2.4 16.2.5
. . . . . . Das Virus der lymphocytären Choriomeningitis. . Die Erreger des hämorrhagischen Fiebers . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . .
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325 326 327 328 331 332 332 335 337
Bunyaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Bunyaviren . . . . . . . .
Das Rift-Valley-Fieber-Virus . . . . . . . . . . Das Nairobi-Sheep-Disease-Virus . . . . . . . 16.2.7 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . .
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338 338 339 344 347 348 348 351 352 353 354
16.3 16.3.1 16.3.2 16.3.3
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355 356 356 358
. . . . . . Die Marburg- und Ebolaviren . . . . . . . . . . . 15.4.6 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . .
Die Hantaviren . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.2.6 Tier- und humanpathogene Bunyaviren. . .
Orthomyxoviren . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIV
Inhalt
16.3.4 Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.5 Human- und tierpathogene Orthomyxoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.6 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
368 371 371 382
17
Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom .
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385
17.1 17.1.1 17.1.2 17.1.3 17.1.4 17.1.5
Birnaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tierpathogene Birnaviren . . . . . . . . . .
17.1.6 17.2 17.2.1 17.2.2 17.2.3 17.2.4 17.2.5
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gumborovirus (Virus der infektiösen Bursitis der Hühner, IBDV) Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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385 385 386 386 388 388 388 390
Reoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Reoviren . . . . . . . . .
17.2.6
Tierpathogene Reoviren . . . . . . . . . . .
17.2.7
Die Rotaviren . . . . . . . . . . . . . Das Bluetonguevirus . . . . . . . . . . Das Virus der afrikanischen Pferdepest Weiterführende Literatur . . . . . .
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390 391 391 393 397 399 399 402 402 403 405 406
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409
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409 410 412 418 430 440 440 450 451 451 452 454 455 456 457 458
Die Influenzaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Rotaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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18
Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.1 18.1.1 18.1.2 18.1.3 18.1.4 18.1.5
Retroviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Retroviren . . . . . . . .
18.1.6
18.1.7
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XV
Inhalt
19
Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
461
19.1 19.1.1 19.1.2 19.1.3 19.1.4 19.1.5
Hepadnaviren . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Hepadnaviren . . . . . .
19.1.6
. . . . . . Das humane Hepatitis-B-Virus . . . . . . . . . . Die Hepatitis-D-Viren . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . .
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461 461 462 466 469 472 472 479 482
19.2 19.2.1 19.2.2 19.2.3 19.2.4 19.2.5
Polyomaviren . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Polyomaviren . . . . . .
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484 484 485 488 491 492 492 496 496 498
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499 499 501 503 509 512 512 517 517 518
Adenoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adenovirusassoziierte RNA (VA-RNA I und II) . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Adenoviren. . . . . . . . . .
Die caninen Adenoviren . . . . . . . . . . . . . . Die Adenoviren des Geflügels . . . . . . . . . . . 19.4.8 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . .
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520 520 521 525 535 535 538 538 542 542 542 543
19.5 19.5.1 19.5.2 19.5.3 19.5.4
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544 545 545 558 572
Die BK- und JC-Polyomaviren . . . 19.2.6 Tierpathogene Polyomaviren . Das SV40-Virus . . . . . . . . . 19.2.7 Weiterführende Literatur . . .
19.3 19.3.1 19.3.2 19.3.3 19.3.4 19.3.5
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Papillomaviren . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Papillomaviren . . . . . . Die Papilloma- oder Warzenviren . . . . . . . .
19.3.6 Tierpathogene Papillomaviren . . . . . . . Die tierischen Papilloma- oder Warzenviren . .
19.3.7 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . 19.4 19.4.1 19.4.2 19.4.3 19.4.4 19.4.5 19.4.6
Das humane Adenovirus . . . . . . . . . . . . . .
19.4.7 Tierpathogene Adenoviren . . . . . . . . . . .
Herpesviren . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine des lytischen Zyklus . . . . . RNA-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVI
Inhalt
19.5.5 Proteine der Latenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epstein-Barr-Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanes Herpesvirus 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.6 Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.7 Humanpathogene Herpesviren . . . . . . . . . . . . Die Herpes-simplex-Viren . . . . . . . . . . . . . . . . Das Varicella-Zoster-Virus . . . . . . . . . . . . . . . . Das humane Cytomegalovirus . . . . . . . . . . . . . . Die humanen Herpesviren 6 und 7 . . . . . . . . . . . . Das Epstein-Barr-Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das humane Herpesvirus 8 . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.8 Tierpathogene Herpesviren . . . . . . . . . . . . . . Das bovine Herpesvirus Typ 1 . . . . . . . . . . . . . . Das porcine Herpesvirus 1 (Suid herpesvirus 1) . . . . . Die equinen Herpesviren Typ 1 und 4 (EHV-1 und EHV-4) Das canine Herpesvirus Typ 1 . . . . . . . . . . . . . . Das galline Herpesvirus Typ 2 . . . . . . . . . . . . . . 19.5.9 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . .
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572 572 577 579 585 585 588 590 593 595 600 601 602 604 605 606 607 608
19.6 19.6.1 19.6.2 19.6.3 19.6.4 19.6.5
Pockenviren . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Pockenviren . . . . . . .
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610 610 611 614 620 623 623 626 627 627 628 628 629 630
19.7 19.7.1 19.7.2 19.7.3 19.7.4 19.7.5
Asfarviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tierpathogene Asfarviren . . . . . . . . . .
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631 631 631 632 632 633 633 634
19.7.6
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20
Viren mit einzelsträngigem DNA-Genom
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
635
20.1 20.1.1 20.1.2 20.1.3 20.1.4
Parvoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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635 635 637 639 644 644 645
. . . . . Parvovirus B19 und andere autonome Parvoviren Adenoassoziierte Viren . . . . . . . . . . . . .
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XVII
Inhalt
20.1.5 Humanpathogene Parvoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.1.6
20.1.7 20.2 20.2.1 20.2.2 20.2.3 20.2.4 20.2.5
Das Parvovirus B19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das humane Bocavirus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die adenoassoziierten Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tierpathogene Parvoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die felinen und caninen Parvoviren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das porcine Parvovirus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Virus der Aleutenkrankheit der Nerze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die animalen Bocaviren: Das bovine Parvovirus (BPV) und das Canine-Minute-Virus (CnMV) Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Circoviren und Anelloviren . . . . . . . . . Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Virusproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Humanpathogene Anelloviren . . . . . . . .
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659 659 659 660 662 663 663 664 664 664 665
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Das TT-Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.2.6 Tierpathogene Circoviren . . . . . . . . . . Das Chicken-Anaemia-Virus (CAV) . . . . . . . Die porcinen Circoviren . . . . . . . . . . . . 20.2.7 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . .
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21
Prionen
21.1 21.2 21.3 21.4 21.5
Einteilung und charakteristische Vertreter . Aufbau des Prionprotein-Gens (PRNP/Prnp) . Aufbau des Prionproteins (PrP) . . . . . . . . Vermehrung von Prionen/PrPSc . . . . . . . . Humane Prionerkrankungen . . . . . . . . . .
21.6
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kuru, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) und ähnliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
674 674
Prionerkrankungen in Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
677 677 679 680 681
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Scrapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronic Wasting Disease (CWD) . . . . . . . . . Transmissible Encephalopathie des Nerzes (TME) Bovine spongiforme Encephalopathie (BSE) . . .
21.7
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Anhang 1 Transmissionselektronenmikroskopie in der Virologie: Prinzipien, Präparationsmethoden und Schnelldiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang 2 Informationen zu den „prototypischen elektronenmikroskopischen Portraits“ der einzelnen Virusfamilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691
Glossar
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695
Index
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707
A Allgemeiner Teil
1 Geschichtlicher Überblick 1.1 Seit wann kennen wir Viren? Für die Krankheiten, die wir heute als Viruserkrankungen kennen, sah man ursprünglich „Gifte“ als Ursache an. Mit den damals üblichen Methoden ließen sich keine (krankheitserzeugenden) pathogenen Organismen wie Bakterien oder Protozoen in den „giftigen Materialien“ nachweisen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts legten Tierversuche, die von Louis Pasteur durchgeführt wurden und bei denen sich auch nach mehreren Passagen keine Ausverdünnung der giftigen Eigenschaften einstellte, nahe, dass das krankheitsauslösende Agens in der Lage war, sich im Organismus zu vermehren. Man sprach deshalb von einem in lebenden Organismen, später auch von einem in Zellen vermehrungsfähigen „Virus“ (lateinisch für „Gift“ oder „Schleim“). Im Jahre 1892 konnte Dimitri I. Iwanowski in St. Petersburg zeigen, dass die Mosaikkrankheit der Tabakpflanzen durch ein „ultrafiltrierbares“ und damit deutlich unter Bakteriengröße liegendes Agens verursacht wird: das Tabakmosaikvirus. (Bakterienfilter weisen eine Porenweite von etwa 0,2 Mikrometern auf, die meisten Viren messen dagegen weniger als 0,1 Mikrometer.) Martinus Willem Beijerinck kam bald darauf zu dem gleichen Schluss: Er entwickelte erstmals das Konzept eines selbst replizierenden, „flüssigen“ Agens („contagium vivum fluidum“). Der erste Nachweis eines tierpathogenen Virus gelang dann 1898 Friedrich Loeffler und Paul Frosch in Greifswald mit der Entdeckung des Maul-und-Klauenseuche-Virus. Rückblickend lässt sich allerdings belegen, dass bereits vor etwa 3 000 Jahren – ohne nähere Kenntnis des Erregers – Vorgehensweisen praktiziert wurden, die man heute als Impfungen gegen Viruserkrankungen bezeichnen würde. Im alten China, in Indien und auch in Ägypten müssen immer wieder verheerende Pockenepidemien aufgetreten sein; Pharao Ramses V. ist – wie seine Totenmaske zeigt – sehr wahrscheinlich an einer Infektion durch Pockenviren gestorben. Wie man damals
beobachtete, blieben Personen, welche die Krankheit einmal überstanden hatten, bei weiteren Epidemien verschont; in ihnen musste sich also bedingt durch die erste Erkrankung eine Art Schutz entwickelt haben – sie waren immun. Dieser Schutzzustand ließ sich auch künstlich herbeiführen: Übertrug man den getrockneten Schorf von Pocken auf noch nicht erkrankte Personen, dann waren diese zumindest teilweise vor den Pocken geschützt – eine Maßnahme, die wir heute als Variolation bezeichnen (die Pocken tragen fachsprachlich die Bezeichnung Variola; 䉴 Abschnitt 19.6). Historische Beschreibungen weisen darauf hin, dass man die Pocken bereits damals als biologische Waffen eingesetzt hatte. Im 18. Jahrhundert stellte man in England und Deutschland fest, dass auch die Überwindung der Melkerknotenkrankheit, die durch einen mit dem Pockenvirus verwandten Erreger ausgelöst wird, Schutz vor den echten Pocken verleiht. Diese Beobachtungen müssen Edward Jenner 1796 bekannt gewesen sein, als er Schweine- und Kuhpockenmaterial als eine Art Impfstoff zunächst auf seinen erstgeborenen Sohn und dann auf James Phipps, einen jungen Kuhhüter, übertrug. Bei beiden Jungen blieben nachfolgende Expositionen mit dem humanpathogenen Pockenvirus durch Verimpfung von Pockeneiter ohne Reaktion; tatsächlich war also durch dieses erste „virologische Experiment“ ein Schutz erzeugt worden. Von England breitete sich die Kenntnis dieser Vakzination – der Begriff ist vom lateinischen vacca für „Kuh“ abgeleitet – sehr rasch auf den europäischen Kontinent und in die USA aus. Mit den bald darauf folgenden gesetzlich vorgeschriebenen Impfungen – im damaligen Deutschen Reich wurde 1874 ein erstes Impfgesetz erlassen – gelang es, die gefürchtete Seuche allmählich einzudämmen. Es dauerte allerdings noch etwa 100 Jahre, bis sich 1977 in Somalia zum letzten Mal ein Mensch, Ali Maov Maalin, auf natürlichem Weg mit den Pocken infizierte, nachdem die WHO ein weltweites Impfprogramm durchgeführt hatte. Heute gilt die Krankheit als ausgerottet. Auf einer ähnlichen Basis, also ohne genaue Kenntnis der Natur des Erregers, entwickelte Louis Pasteur 1885
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1 Geschichtlicher Überblick
in Paris einen Impfstoff gegen die Tollwut (䉴 Abschnitt 15.1.5). Er hatte 1882 die Erkrankung, deren Ursache er in unbekannten und unsichtbaren Mikroben sah, erstmals intracerebral auf Kaninchen übertragen. Wie er zeigen konnte, verlor der Erreger durch fortlaufende Übertragung in den Tieren seine krankheitserzeugenden Eigenschaften. Pasteur gewann hierdurch die Basis für ein Impfvirus (virus fixe), das sich im Gegensatz zu dem Wildtyperreger (virus de rue) durch eine konstante Inkubationsperiode auszeichnete. Verriebenes und getrocknetes Rückenmark von mit dem virus fixe inokulierten Kaninchen war nicht mehr infektiös, erzeugte aber (zunächst in Hunden) Schutz vor der Tollwut. 1885 verimpfte Pasteur dieses Material erstmals an einen neunjährigen elsässischen Jungen namens Joseph Meister, der zwei Tage vorher von einem tollwütigen Hund gebissen worden war und dank der Impfung überlebte.
1.2 Welche technischen Fortschritte haben die Entwicklung der modernen Virologie bestimmt? Viren sind dem Menschen aufgrund ihrer geringen Größe lange verborgen geblieben. Die Auflösung der um 1900 von Ernst Abbé konstruierten Lichtmikroskope reichte nicht aus, um diese Krankheitserreger sichtbar zu machen; dies gelang erst mit dem 1940 von Helmut und Ernst Ruska entwickelten Elektronenmikroskop. Mit seiner Hilfe wurde erstmals die Struktur eines Virus, nämlich die des Tabakmosaikvirus, geklärt. Auch der (indirekte) Nachweis solcher sehr kleiner, auf künstlichem Nährboden nichtzüchtbarer Agenzien blieb so lange unmöglich, bis bakteriendichte Ultrafilter zur Verfügung standen. Diese erlaubten es schließlich, die Existenz vieler Viren zu zeigen: Walter Reed wies im Jahre 1900 das Gelbfiebervirus als erstes humanpathogenes Virus nach, 1903 folgten die Kaninchenmyxom- und Tollwutviren. 1908 entdeckten Vilhelm Ellermann und Oluf Bang die Geflügelleukämie-, 1909 Karl Landsteiner und Emil Popper die Poliomyelitisviren, und 1911 fand Peyton Rous das nach ihm benannte Rous-SarkomVirus und damit das erste Virus, das in der Lage war, Tumorerkrankungen (in diesem Falle im Bindegewebe von Geflügel) zu induzieren. Dass Viren dazu fähig sind, hatte der französische Bakteriologe Amédée Borrel bereits 1903 vermutet.
Auch Bakterien können von ultrafiltrierbaren, übertragbaren Erregern befallen werden, wie Frederick Twort und Felix d’Herelle in den Jahren 1916 und 1917 entdeckten. Ihnen fiel vor allem die Fähigkeit dieser Agenzien auf, Bakterien zu lysieren; sie nannten sie deshalb Bakteriophagen – nach dem griechischen Wort phagein für „essen“. Die Erforschung der Natur der Bakteriophagen hat der Virologie in methodischer wie konzeptioneller Hinsicht wichtige Befunde und Anregungen geliefert. Viele der Schritte, die eine Virusinfektion charakterisieren – wie Adsorption und Penetration, die regulierte Genexpression mit früh und spät im Zyklus produzierten Proteinen sowie die Lysogenie mit der Existenz von Prophagen – wurden erstmals bei Untersuchungen an diesen Bakterienviren entdeckt.
1.2.1 Tierexperimente lieferten wichtige Erkenntnisse zur Pathogenese von Viruserkrankungen Die Untersuchung der Viren und ihrer Eigenschaften war vor allem dadurch erschwert, dass sie sich anders als Bakterien nicht in künstlichen Nährmedien vermehren ließen. Man stellte jedoch fest, dass einige der aus erkrankten Personen isolierten Erreger auf Tiere übertragbar waren und sich in ihnen vermehrten. So war Wilhelm Grüter in Marburg schon im Jahre 1911 die Übertragung des Herpes-simplex-Virus von den Hautbläschen des Menschen auf die Cornea (Hornhaut) des Kaninchenauges gelungen. Die außerordentliche Empfänglichkeit von Frettchen ermöglichte 1933 erstmals die Isolierung des Influenza-A-Virus aus Nasen-/Rachenflüssigkeit eines Erkrankten durch Christopher Andrews, Wilson Smith und Patrick P. Laidlaw. Tierexperimente erbrachten aber auch aus anderer Sicht viele Erkenntnisse zur Pathogenese von Virusinfektionen. Richard E. Shope entdeckte 1935 das Papillomavirus des Kaninchens und damit das erste Tumorvirus, das – wie sich später zeigte – ein DNA-Genom enthielt. Er vermutete, ein solches Virus könne als Provirus in einer latenten Form im Organismus vorkommen. Darüber hinaus ist ihm die Entdeckung zu verdanken, dass Karzinome der Haut aus gutartigen Papillomen hervorgehen können. Bösartige Tumoren entstehen also in zwei oder mehreren Schritten – eine heute allgemein akzeptierte Vorstellung. Shope hatte ferner beobachtet, dass die Karzinomhäufigkeit bei verschiedenen Kaninchenrassen variiert und genetische Eigenschaften des Wirtes die Krebsentstehung demnach beeinflussen. Im Rahmen von Tierversuchen machte Erich Traub 1935 in Princeton beim Studium des Virus der lympho-
1.2 Welche technischen Fortschritte haben die Entwicklung der modernen Virologie bestimmt?
cytären Choriomeningitis eine wichtige Beobachtung: Wurden trächtige Mäuse mit dem Virus infiziert, erfolgte eine Übertragung auf die Embryonen; die Muttertiere erkrankten an einer Hirnhautentzündung (Meningitis) und bildeten im weiteren Verlauf schützende Antikörper. Die neugeborenen Mäuse blieben dagegen gesund, schieden aber lebenslang große Virusmengen aus, ohne eine spezifische Immunantwort gegen die Erreger zu entwickeln. Damit hatte man das erste Beispiel für eine durch ein Virus ausgelöste Immuntoleranz entdeckt, allerdings ohne die allgemeine Bedeutung dieses Phänomens zu erkennen und den heute gängigen Begriff zu prägen (䉴 Abschnitt 16.1.5). Die lymphocytäre Choriomeningitis erwies sich später als immunologisch bedingte Erkrankung. Rolf M. Zinkernagel und Peter C. Doherty haben 1974 an diesem Modell erstmals die Restriktion von cytotoxischen T-Lymphocyten für einen bestimmten, genetisch verankerten Typ von MHC-Proteinen gezeigt. Durch die oben erwähnten Experimente von Traub war aber auch zum ersten Mal die intrauterine Übertragung eines Virus gezeigt worden. Dies warf die Frage nach ähnlichen Infektionswegen beim Menschen auf. Tatsächlich beobachtete dann 1941 Sir Norman Gregg in Australien nach einer schweren Rötelnepidemie Embryopathien, wenn Schwangere von der Infektion betroffen waren. Wie man später nachwies, waren diese Fehlbildungen die Folge intrauteriner Übertragungen des Rötelnvirus. 1947 erfolgte die Entdeckung der Coxsackieviren, nachdem man virushaltige Stuhlextrakte auf neugeborene Mäuse übertragen hatte (Coxsackie ist ein Ort im US-Bundesstaat New York). Wenig später gelang Ludwik Grosz in New York aus Blutzellen die Isolierung und der Nachweis der Leukämieviren der Maus. Neben der Wichtigkeit für die Tumorvirusforschung weckten diese Beobachtungen auch das Interesse an der Frage, worin die Basis der hohen Empfänglichkeit neugeborener Tiere für Virusinfektionen liegen könnte, und regten Untersuchungen zur angeborenen Resistenz eines Organismus gegenüber Infektionen sowie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung und zu ihren Ursachen an.
1.2.2 Die Zellkultur stellt eine unverzichtbare Grundlage für die Virusforschung dar Umständliche und zeitraubende Tierversuche waren anfangs die einzige Möglichkeit, die Existenz von Viren nachzuweisen. Man suchte deshalb schon früh nach einfacheren Methoden. Einen Weg wies die Beobachtung so genannter Einschlusskörperchen in virusinfizierten Ge-
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weben, die bald als Hinweis für eine Vermehrung der Erreger gewertet wurden; wie man heute weiß, handelt es sich hierbei um Ansammlungen von Virusproteinen und -partikeln im Cytoplasma oder im Zellkern. Die ersten Einschlusskörperchen fand Dimitri I. Iwanowski. Zur gleichen Zeit entdeckte Guiseppe Guarnieri ähnliche Ablagerungen in mit Pockenviren infizierten Zellen, 1903 dann Adelchi Negri die später nach ihm benannten Einschlusskörperchen in Ganglienzellen tollwutkranker Tiere. Damit standen zumindest für einige Viruskrankheiten einfache färberische Nachweisverfahren zur Verfügung. Methoden zur Züchtung der Viren hatte man jedoch erst später zur Hand. In den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts fand man heraus, dass sich bebrütete Hühnereier für die Vermehrung mancher Virusspezies eignen. Zwischen 1918 und 1920 forderte eine pandemisch auftretende Viruserkrankung, die Spanische Grippe (Influenza), weltweit mehr als 20 Millionen Todesopfer – mehr als der Erste Weltkrieg. Nach der Züchtung der verantwortlichen Viren in bebrüteten Hühnereiern im Jahre 1933 wurden 1941 ihre hämagglutinierenden Fähigkeiten (also ihr Vermögen, rote Blutkörperchen zu verklumpen) entdeckt und damit der Grundstein für die Entwicklung von Hämagglutinationstests zum Virusnachweis gelegt. Als weiterer wichtiger Schritt in der Geschichte der modernen Virologie erwiesen sich die ersten Ultrazentrifugen, die etwa zur gleichen Zeit zur Verfügung standen; durch sie wurden die Sedimentation der kleinen Viruspartikel und ihre Konzentrierung möglich. Den Durchbruch bei der Aufklärung des pathogenetischen Wirkmechanismus der Influenzaviren brachten jedoch erst molekularbiologische Verfahren, die es erlaubten, das genetische Material dieser Erreger zu untersuchen, das in Form einzelsträngiger RNA-Segmente vorliegt. Ihre Sequenzierung offenbarte die genetischen Ursachen für die bis dahin unverstandene Fähigkeit der Influenzaviren, ihre antigenen Eigenschaften in periodischen Abständen zu verändern (䉴 Abschnitt 16.3.5). Vor allem war es aber die in erster Linie aus Spendenmitteln geförderte Erforschung der Kinderlähmung (Poliomyelitis; 䉴 Abschnitt 14.1.5), welche entscheidende neue Erkenntnisse erbrachte. Sie stellt rückblickend den eigentlichen Übergang zur molekularbiologischen Untersuchung von Virusinfektionen dar. Die starke Zunahme der an Kinderlähmung Erkrankten und Gestorbenen – eine Folge des gesteigerten Hygienestandards und der damit einhergehenden Verschiebung der Durchseuchung in spätere Lebensjahre – bewirkte in den USA zu Beginn der Dreißigerjahre die Gründung der National Polio Foundation durch Franklin D. Roosevelt, der selbst ein Opfer dieser Krankheit war. Mit den eingeworbenen Mitteln konnte ein großes Forschungs-
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1 Geschichtlicher Überblick
programm initiiert werden, dessen Krönung 1949 die Entdeckung des cytopathischen Effekts (CPE) durch John F. Enders, Thomas H. Weller und Frederick C. Robbins war. Hugh B. und Mary C. Maitland hatten bereits 1928 die Methode der Gewebekultur eingeführt, bei der sie die Zellen kleiner Gewebestückchen in serumhaltigen Flüssigkeiten kultivierten und mit Vacciniaviren infizierten. Die erfolgte Replikation der Viren wurde dann im Tierversuch oder durch das Vorhandensein von Einschlusskörperchen nachgewiesen. Als in den Vierzigerjahren Antibiotika zur Verfügung standen, konnte man bakterielle Kontaminationen in den Kulturen weitgehend vermeiden; dies führte zu einer deutlich einfacheren Handhabung dieser Methode. Das Poliovirus wurde in embryonalen menschlichen Zellen von festsitzenden Nierengewebestückchen gezüchtet, und dabei stellten sich leicht erkennbare Zellveränderungen ein. Dieser zunächst nur diagnostisch wertvolle cytopathische Effekt trieb die Entwicklung der Virologie weiter voran. Er war die Grundlage für den Plaque-Test, den Renato Dulbecco und Margarete Vogt im Jahre 1952 entwickelten; hierdurch war erstmals die quantitative Bestimmung der Zahl der infektiösen Partikel in der Zellkultur möglich. Mit der Fähigkeit, Polioviren unter kontrollierbaren Bedingungen in vitro zu züchten, war auch die Basis für die Entwicklung der beiden Polioimpfstoffe gelegt: Der von Jonas E. Salk entwickelte Totimpfstoff und die Lebendvakzine mit attenuierten, das heißt abgeschwächten Polioviren, die Albert B. Sabin etablierte, sind noch heute in Gebrauch. Nach dem von Sabin angewandten Prinzip wurden später auch die Impfstoffe gegen Masern, Röteln, Windpocken und Mumps hergestellt. Durch die Methode der Zellkultur gelang es, auch Gelbfieber-, Vaccinia- und Tollwutviren in vitro zu züchten. 1953 isolierte Wallace P. Rowe aus Kulturen von menschlichem Tonsillengewebe nach längerer Kultivierungsdauer die Adenoviren. Eine Fortentwicklung zur Viruszüchtung in vitro bot die Methode der Kokultivierung, das heißt die Zugabe von Indikatorzellen zu den Gewebekulturen, die durch Auftreten eines cytopathischen Effekts die erfolgte Replikation eines Virus anzeigen. Auf diese Weise gelang 1971 der Nachweis des Herpes-simplex-Virus in latent infizierten Spinalganglien des Menschen; der direkte Virusnachweis war hingegen damals noch nicht möglich. Bis dahin hatte man allgemein angenommen, dass im Verlauf einer Virusinfektion der Erreger durch die entstehenden Antikörper völlig aus dem Organismus eliminiert wird. Das Auftreten von Herpesbläschen als Rezidivkrankheit bei Personen mit Antikörpern – bekannt als immunologisches HerpesParadoxon – brachte diese Vorstellungen zu Fall (䉴 Abschnitt 19.5). Bereits vorher hatte Ernest W. Good-
pasture vermutet, dass die Trigeminusganglien eine „latente“ Form des Virus enthalten müssten. Nachdem dann durch Kokultivierung ein solches Virus nachgewiesen worden war, erkannte man, dass es bei etlichen Infektionen latente oder persistierende Viren geben muss, die – oft unabhängig von Krankheitsanzeichen – intermittierend (beispielsweise die Herpes-simplex-Viren) oder permanent (wie das Epstein-Barr-Virus; EBV) ausgeschieden werden. Durch Kokultivierung mit geeigneten T-Lymphocyten gelang auch die Erstisolierung des humanen Immundefizienzvirus (HIV-1) aus der Lymphknotenbiopsie eines AIDS-Erkrankten.
1.2.3 Die moderne Molekularbiologie ist auch ein Kind der Virusforschung Parallel zu den eher vom praktischen Nutzen geprägten Entwicklungen zur Züchtbarkeit der Viren gewann das Interesse an allgemein biologischen Fragen zunehmend an Bedeutung. 1935 war Wendell Stanley in Kalifornien die Kristallisierung des Tabakmosaikvirus aus flüssigen Medien gelungen; diese Ergebnisse regten Diskussionen darüber an, ob es sich bei den Viren um tote oder lebendige Materie handelt. Die Hauptfrage betraf aber die Natur und Struktur des genetischen Materials, das sich 1944 durch die Experimente von Oswald T. Avery, Maclyn McCarty und Colin McLeod an Pneumococcen als Nucleinsäure herausstellte. Alfred D. Hershey und Martha Chase gelang 1952 der Nachweis, dass bei Infektionen mit T4-Phagen nur die DNA, nicht aber die Proteinhülle der Viren in die Bakterienzelle eindringt. Damit war bewiesen, dass Nucleinsäuren die Träger der genetischen Information sind. Einige Jahre später, nämlich 1955, zeigten Gerhard Schramm und Heinz Fraenkel-Conrat unabhängig voneinander am System des Tabakmosaikvirus, dass auch RNA infektiös sein kann. Schramm hatte mit seinen Mitarbeitern bereits 1944 in Deutschland beschrieben, dass das Tabakmosaikvirus aus RNA und Proteinen besteht – diese Daten fanden zuerst aber nur wenig Beachtung. Die von Edwin Chargaff erarbeiteten Daten über die Basenverhältnisse in DNA-Molekülen (T = A und G = C) ermöglichten 1953 James D. Watson und Francis H. Crick in Verbindung mit den Röntgenstrukturanalysen Rosalind Franklins, ihr Modell der DNA-Doppelhelix zu entwickeln. Matthew Meselson und Franklin W. Stahl zeigten 1958, dass die DNA bei der Zellteilung semikonservativ verdoppelt wird. Mit diesen fundamentalen Erkenntnissen war die Möglichkeit für die Aufklärung der molekularbiologischen Prozesse geschaffen, die heute allgemein geläufig
1.3 Worin besteht die Bedeutung der Henle-Kochschen Postulate?
sind. Die inzwischen gebräuchlichen molekulargenetischen, biochemischen und immunologischen Methoden ermöglichen den Virusnachweis in den Organen und das Studium der Ausbreitung im Organismus. Die Funktion und Wirkung viraler Gene lässt sich isoliert und im Zusammenspiel mit anderen Virus- oder Zellkomponenten erforschen. Viele Viren kann man heute in vitro in großen Mengen züchten, um ihre Morphologie und den Partikelaufbau aufzuklären und die Basenfolgen ihrer Erbinformation zu entschlüsseln. Für nicht anzüchtbare Viren stehen moderne molekularbiologische Methoden zur Verfügung, mittels derer auch diese Erreger analysiert werden können. Virus-Zell-Wechselwirkungen können untersucht werden und ermöglichen wichtige Einblicke in die viralen Replikationsmechanismen. Andererseits sind auch viele der molekularen Prozesse in eukaryotischen Zellen durch den Einsatz von Viren als Werkzeuge der Zellforschung aufgeklärt worden. So hat man bei den Adenoviren erstmals den Vorgang des RNA-Spleißens beschrieben, über den weit auseinander liegende Genabschnitte nach der Transkription in unterschiedlicher Weise zu mRNA-Molekülen zusammengesetzt werden. Dass die DNA im Zellkern zusammen mit Histonproteinen in Nucleosomenstrukturen angeordnet ist, wurde ebenfalls erstmals bei einem Virus entdeckt, dem SV40. Auch Enhancer – bestimmte DNA-Abschnitte, die orientierungs- und lokalisationsunabhängig die Expression bestimmter Gene verstärken – wurden ursprünglich im Virussystem beschrieben. Etliche dieser viralen Regulationselemente wurden für alternative Zwecke eingesetzt: So ist die heute wohl am häufigsten in kommerziell erhältlichen Vektoren zur Kontrolle der Fremdgenexpression verwendete Promoter-/Enhancersequenz vom Cytomegalievirus abgeleitet; dieser immediate early-Promotor/-Enhancer kontrolliert eigentlich die Expression der sehr frühen Gene des Virus (䉴 Abschnitt 19.5). Auch der Transfer von Nucleinsäuresequenzen und Fremdgenen mittels viraler Transduktion, beispielsweise unter Einsatz von Vektorsystemen, die auf den Funktionen der Adeno- oder Retroviren basieren, ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil der Molekular- und Zellbiologie sowie auch bei der Entwicklung gentherapeutischer Verfahren.
1.3 Worin besteht die Bedeutung der Henle-Kochschen Postulate? Bei der Beschäftigung mit der Epidemiologie und Pathogenese von Infektionskrankheiten stellt sich die
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grundlegende Frage, wie man beweisen kann, dass eine Erkrankung durch eine Infektion mit einem Bakterium oder einem Virus verursacht wird. Robert Koch hatte aus seinen 1882 bis 1890 durchgeführten Arbeiten mit Milzbrandbakterien vier Postulate abgeleitet, die zuvor sein Lehrer Jacob Henle aus dem Studium der sogenannten Miasmen und Kontagien, das heißt der belebten oder unbelebten Krankheits- und Ansteckungsstoffe, als Hypothese entwickelt hatte: 1. Ein Krankheitserreger muss sich in allen Fällen bei einer bestimmten Krankheit nachweisen lassen, wohingegen er beim Gesunden immer fehlen muss. 2. Der Krankheitserreger muss sich auf Nährböden oder in geeigneten Zellkulturen züchten lassen und zwar in Form von Reinkulturen. 3. Gesunde Tiere müssen nach der Inokulierung des Erregers die gleiche Krankheit entwickeln. 4. Außerdem muss die Reisolierung des Erregers aus den Tieren gelingen. Bereits Koch hatte festgestellt, dass sich nicht in jedem Fall alle Postulate erfüllen lassen; er erkannte, dass es gesunde Träger und Dauerausscheider gibt und dass eine Normalflora von Bakterien existiert, die nur fakultativ pathogen ist. Im Bereich der Virologie erfüllen nicht alle Erreger diese Postulate. Positive Beispiele stellen die Masernviren (䉴 Abschnitt 15.3.5), die Pockenviren der Menschen (䉴 Abschnitt 19.6.5) beziehungsweise die Parvoviren von Hund und Katze (䉴 Abschnitt 20.1.6) oder das Virus der klassischen Schweinepest (䉴 Abschnitt 14.5.6) dar. In Bezug auf Viruserkrankungen hat Charles Rivers 1937 Modifikationen der Postulate vorgeschlagen. Die vorgesehenen Ausnahmen betreffen vorzugsweise latente oder persistierende Virusinfektionen sowie die Tatsache, dass sich Gewebe- und Organzerstörungen oder Tumorbildungen als Infektionsfolgen nicht immer reproduzieren lassen. Aus der Epidemiologie übernommen stellen die von Alfred S. Evans 1976 formulierten „Evans-Postulate“ eine wertvolle Ergänzung dar (䉴 Tabelle 11.1). Sie zeigen die ätiologische Bedeutung eines Erregers für ein Krankheitsbild, wenn unter anderem der Erreger in einem exponierten Kollektiv signifikant häufiger nachgewiesen wird und das Krankheitsbild in diesem Kollektiv häufiger auftritt als in einem nichtexponierten. Ebenso sollte eine Immunantwort in den betroffenen Kollektiven regelmäßig nachweisbar sein. Die Evans-Postulate erweisen sich vor allem bei multifaktoriellen Infektionskrankheiten als wertvoll, wie beispielsweise dem Zwingerhusten der Hunde oder der Infektion der Schweine mit dem porcinen Circovirus (䉴 Abschnitt 20.2.6). Die Weiterentwicklung virologischer und immunchemischer Nachweisverfahren in den letzten Jahren hat
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1 Geschichtlicher Überblick
es ermöglicht, für die kausale Beziehung zwischen einem Virus und einer Krankheit zusätzliche Kriterien heranzuziehen. Hierzu gehören der Nachweis einer spezifischen humoralen oder zellulären Immunantwort gegen den Erreger, also von IgM- oder IgG-Antikörpern und spezifisch stimulierbaren Lymphocyten, der Nachweis von viralen Proteinen, Enzymaktivitäten, DNA oder RNA durch in vitro- und in situ-Methoden. Vor allem für die ätiologische Verknüpfung von persistierenden Virusinfektionen mit Tumorerkrankungen ist der spezifische Nachweis von viralen Nucleinsäuren in Geweben essenziell. Die Erfüllung der Kochschen Postulate beziehungweise ihrer Modifikationen ist nach wie vor unabdingbar für die Erstellung ätiologischer Beziehungen zwischen Erreger und Wirt.
1.4 In welcher Wechselbeziehung steht die Virusforschung mit Krebsforschung, Neurobiologie und Immunologie? 1.4.1 Viren können Zellen transformieren und Krebs verursachen Bereits 1911 war für das Rous-Sarkom-Virus bewiesen worden, dass Viren Tumorerkrankungen verursachen können. 1959 beobachteten Margarete Vogt und Renato Dulbecco sowie Leo Sachs und Ernest Winocour bei in vitro-Untersuchungen die Transformation von gutartigen zu malignen Zellen bei einer Infektion mit dem Polyomavirus der Maus. Nach der Inokulation in Tiere erzeugten diese Zellen wiederum Tumoren. Kurze Zeit danach entdeckte man, dass auch das Rous-SarkomVirus Zellen in vitro transformieren kann. So wurde die Tumorvirusforschung zu einem treibenden Element der Virologie. Auch der Erforschung der Krebsentstehung gab und gibt sie in gedanklicher und methodischer Hinsicht entscheidende Impulse. Die Experimente mit dem tumorerzeugenden Polyomavirus hatten außerdem ergeben, dass man seine Verbreitung in Mauspopulationen durch serologische Verfahren verfolgen kann. Dies weckte die Hoffnung, mit den klassischen Methoden der Epidemiologie wie Virusisolierung und Antikörpernachweis die Krebsentstehung auf virale Agenzien
zurückführen und studieren zu können. Im Tiersystem erbrachte vor allem die Erforschung der onkogenen Retroviren wichtige Erkenntnisse zum Verständnis der molekularen Vorgänge, die zur Entstehung von Tumoren führen (䉴 Abschnitt 18.1). Howard Temin und David Baltimore entdeckten 1970 beim Studium der onkogenen Retroviren die reverse Transkriptase – ein Enzym, das die einzelsträngige RNA der Retroviren in doppelsträngige DNA umschreibt. Nach der Integration der viralen Erbinformation in das Wirtsgenom verlieren diese Viren ihre Individualexistenz. Bereits einige Jahre zuvor hatte Temin beschrieben, dass ein Hemmstoff der DNA-Synthese die Replikation des Rous-Sarkom-Virus verhindert, was bei einem typischen RNA-Virus nicht der Fall sein sollte. Die Integration eines Virusgenoms, das dann als Provirus vorliegt, wurde mit der Entstehung von Tumoren in Verbindung gebracht. Dieses Ereignis unterbricht die Kontinuität des Genoms der Zelle; zelluläre und virale Gene können amplifiziert, zerstört oder ihre Expression kann durch Neukombination mit viralen Promotoren aktiviert werden. Bereits Richard E. Shope hatte – wie oben erwähnt – beschrieben, dass Karzinome durch einen zwei- oder mehrstufigen Prozess aus Papillomen entstehen. Die Entwicklung des durch humane Papillomaviren verursachten Cervixkarzinoms sowie diejenige der primären Leberkarzinome, die durch Hepatitis-C- oder HepatitisB-Viren hervorgerufen werden, verläuft ähnlich. Auch das Epstein-Barr-Virus entfaltet seine tumorerzeugende Wirkung auf komplexe Weise: In den Tumorzellen des Nasopharynxkarzinoms und zahlreicher Lymphome (afrikanisches Burkitt-Lymphom) ist die DNA des Virus nachweisbar. Die Zellen sind infiziert und immortalisiert, produzieren jedoch keine infektiösen Viruspartikel. In den B-Zell-Lymphomen findet man außerdem Translokationen von Chromosomenteilen (䉴 Abschnitt 19.5). Zu einer malignen Entartung kommt es jedoch erst in einem Vielschritt-Prozess durch das Zusammenwirken mit anderen Faktoren wie der Malariaerkrankung, die zu einer chronischen Stimulierung von Zellen beiträgt. Die Erforschung der molekularen Vorgänge, die bei Infektionen mit Papilloma-, Hepatitis-B- und Retroviren ablaufen, hat dazu geführt, dass heute Impfstoffe zur Verfügung stehen. Diese bewirken einen Schutz vor der jeweiligen Infektion und sind somit in der Lage, auch die Langzeitfolgen, also die Krebserkrankung zu verhindern. Einen signifikanten Rückgang des durch Hepatitis-B-Virusinfektionen verursachten primären Leberkarzinoms zeigt die von der WHO geförderte Impfstrategie in Südostasien, die vor 25 Jahren eingeleitet wurde (䉴 Abschnitt 19.1). In der Tiermedizin zeigten Impfstoffe gegen die felinen Leukämieviren, dass Katzen vor
1.5 Welche Strategien liegen der Entwicklung antiviraler Chemotherapeutika zugrunde?
Infektionen durch diese exogenen Retroviren geschützt und die Tumorbildung so verhindert werden kann (䉴 Abschnitt 18.1). Die detaillierte Erforschung der Molekularbiologie und Pathogenese der Infektionen durch humane Papillomaviren durch die Arbeitsgruppe um Harald zur Hausen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ermöglichte es, entsprechende Impfstoffe zu entwickeln. Diese sind seit einigen Jahren verfügbar und schützen vor Infektionen mit den hoch onkogenen Papillomavirustypen: Sie verhindern damit zukünftig die Ausbildung des Cervixkarzinoms – eine der häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen (䉴 Kapitel 10 und Abschnitt 19.3). Im Oktober 2008 wurde Harald zur Hausen für diese Arbeiten der Nobelpreis für Medizin verliehen.
1.4.2 Als Spätfolge von Slow-VirusInfektionen treten Erkrankungen des zentralen Nervensystems auf Der Begriff der langsamen oder Slow-Virus-Infektionen wurde erstmals 1954 von Björn Sigurdsson für die Maedi-Erkrankung der Schafe in Island geprägt. Das Maedi-Visna-Virus verursacht nach sehr langen Inkubations- und Latenzperioden in einem langsamen, aber progressiven Krankheitsverlauf respiratorische Symptome. Das Maedi-Visna-Virus stand dabei Modell für eine Reihe von Erregern, die Krankheiten mit einem ähnlich protrahierten Verlauf verursachen (䉴 Kapitel 18.1.6). Die Erforschung ihrer Pathogenese zeigte, dass die Mehrheit der Slow-Virus-Infektionen durch Erreger ausgelöst wird, die üblicherweise mit anderen Erkrankungen verbunden sind. Slow-Virus-Infektionen wirken sich überwiegend im zentralen Nervensystem aus und werden beispielsweise von Masern- und JC-Viren verursacht. Die subakute sklerosierende Panencephalitis (SSPE) ist vermutlich durch Mutationen in Genen des Masernvirus bedingt, die zur Entstehung von defekten Viruspartikeln führen (䉴 Abschnitt 15.3.5). Bei der durch das JC-Virus ausgelösten progressiven multifokalen Leukoencephalopathie (PML) gelangt das Virus anscheinend sehr früh in das Gehirn und persistiert dort lange, ehe die Krankheit bedingt durch eine Schädigung des Immunsystems (beispielsweise durch Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus) ausbricht (䉴 Abschnitt 19.2.5). Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) können ebenfalls als SlowVirus-Erkrankung betrachtet werden. Desgleichen verlaufen die Prionerkrankungen nach dem Muster einer Slow-Virus-Infektion, jedoch sind sie durch einen nicht-
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viralen Erreger verursacht und haben einen grundsätzlich anderen Pathogenitätsmechanismus (䉴 Kapitel 21).
1.4.3 Interferone stimulieren die Immunabwehr von Virusinfektionen Bei Arbeiten über das Gelbfiebervirus entdeckten M. Hoskins, G. M. Findlay und F. O. MacCallum 1935 das Phänomen der Interferenz: Wurde ein avirulentes Virus in ein Versuchstier injiziert, war das Tier vor den Folgen der Infektion durch einen virulenten Stamm geschützt, wenn diese innerhalb der nächsten 24 Stunden, also noch vor dem Einsetzen einer Immunreaktion, erfolgte. 1957 zeigten Alick Isaacs und Jean Lindenmann in London, dass Interferon für die Interferenz verantwortlich ist. Es ist artspezifisch, induzierbar und gehört zu einer Substanzgruppe, die man heute als Cytokine zusammenfasst. Interferone spielen bei der primären, unspezifischen Abwehr von Virusinfektionen und bei der Stimulierung des Immunsystems eine große Rolle. Überraschung löste die Beobachtung aus, dass antiviral wirkende Interferonpräparate tumorhemmend wirken. Allgemein entstehen Cytokine dann, wenn sich ein geeigneter Induktor als Ligand an seinen Rezeptor auf der Zellmembran bindet und so in der Zelle bestimmte Signalübertragungen auslöst (䉴 Kapitel 8).
1.5 Welche Strategien liegen der Entwicklung antiviraler Chemotherapeutika zugrunde? Seit etwa 1960 versucht man, antiviral wirkende Chemotherapeutika zu entwickeln. Im Rückblick lässt sich diese Suche bis heute in drei Stadien einteilen: Die ersten erfolgreichen Experimente zur Therapie einer Virusinfektion führten Josef Wollensak und Herbert E. Kaufman um 1960 bei der Keratitis herpetica durch. Sie verwendeten Substanzen, welche die Virusreplikation in vitro hemmen und die man aus der experimentellen Tumortherapie kannte. Die Selektivität dieser Stoffe, das heißt ihre Fähigkeit, spezifisch die viralen, nicht aber die zellulären Prozesse zu beeinflussen, war jedoch nur gering, die Substanzen also sehr zelltoxisch. Nachdem man viruscodierte Enzyme wie Thymidinkinasen, DNA-Polymerasen und Proteasen entdeckt hatte, konnte man die Entwicklung spezifischer Hemmstoffe
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angehen. Durch gezielte Empirie – das heißt, man versuchte unter vielen wirkungsähnlichen Substanzen eine zu finden, die mit hoher Selektivität die Virusvermehrung beeinflusst – fand man antivirale Wirkstoffe wie Amantadin gegen Influenza-A-Viren (䉴 Abschnitt 16.3) sowie Aciclovir und Acycloguanosin (ACG) gegen Herpes-simplex-Viren (䉴 Abschnitt 19.5). Die von Gertrude Elion und ihren Mitarbeitern entwickelte Möglichkeit, Acycloguanosin als systemisch anwendbare und selektiv antiviral wirkende Substanz bei der HerpesEncephalitis einzusetzen, war ein wichtiger Meilenstein der chemotherapeutischen Forschung. Ihre Arbeiten wurden 1988 mit der Verleihung des Nobelpreises gewürdigt. Als man DNA-Sequenzen analysieren konnte, trat die experimentelle Chemotherapie der Virusinfektionen in ihr drittes Stadium. Man entdeckte viruscodierte Enyzme wie die retrovirale Protease und die Neuraminidase der Influenzaviren und konnte durch den Vergleich mit Proteinen ähnlicher Funktion und bekannter dreidimensionaler Struktur Modelle der Enzyme konstruieren. So lassen sich potenziell aktive Zentren identifizieren und gezielt Substanzen, auch als „Designer“-Medikamente bekannt, entwickeln, die in diese hineinpassen und das Enzym hemmen. Das bedeutet ein Abweichen von der rein empirischen Forschung und ist ein erster Schritt hin zu einer rationalen Entwicklung antiviral wirkender Substanzen (䉴 Kapitel 9).
1.6 Welchen Herausforderungen der Zukunft muss sich die moderne Virologie stellen? Die molekulare Virologie verzeichnete in den letzten Jahrzehnten bedeutende Erfolge: Viele Infektionserkrankungen lassen sich durch den Einsatz von modernen Impfstoffen verhindern oder sogar ganz ausrotten (䉴 Kapitel 10). Dies ermöglichte letztendlich die weltweite Elimination von Infektionserregern wie den Variolaviren (Pocken). Die für die Kinderlähmung ursächlichen Polioviren treten zumindest auf einigen Kontinenten nicht mehr auf und sind momentan auf weniger als zehn Länder weltweit beschränkt. In den Fällen, in welchen bis heute keine vorbeugende Vakzinierung möglich ist – als Beispiele seien HIV und Vertreter der Herpesviren wie die Cytomegalie- und die Herpessimplex-Viren erwähnt – stehen eine Vielzahl von antiviralen Therapeutika zur Verfügung. Diese ermöglichen
zwar keine Heilung, jedoch eine weitgehende Beherrschung der Symptome. Diese Erfolge können zu der Annahme verleiten, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit Viren heute unnötig geworden ist. Die Einschätzung der Seuchenlage durch die WHO und die vielen reißerischen Schlagzeilen der Tageszeitungen und Medien, mit welchen wir immer wieder konfrontiert werden, besagen jedoch das Gegenteil. Aufgrund des häufigen und schnellen Mutationsgeschehens unterliegen Viren einer kontinuierlichen Wandlung und Neuentwicklung: Viren setzen sich ständig mit dem infizierten Organismus und dessen Immunsystem auseinander und versuchen, dieses zu unterlaufen. Vor allem die Viren, die im Organismus persistieren, können immunologischen Abwehrstrategien sehr geschickt ausweichen. Die weltweit zunehmende Reisetätigkeit führt nicht nur zu Kontakten mit für den einzelnen Menschen neuen Infektionserregern, sondern auch zu ihrer rasanten Verbreitung. Dies zeigen beispielsweise die Infektionen mit den SARS-Viren (䉴 Abschnitt 14.8), die Pandemie mit der neuen Variante der Influenza-A-Viren (mexikanische Grippe, „Schweinegrippe“ oder pandemische Influenza A (H1N1) 2009) oder das bedrohliche Potenzial neuer, für den Menschen hochpathogener Influenzaviren (䉴 Abschnitt 16.3). Neue und neuartige Viruserkrankungen, die ihren Ursprung aus dem Tierreich haben (Zoonosen), sind auch durch die zunehmenden ökologischen Veränderungen und ihre schwerwiegenden Folgen zu erwarten. Beispiele hierfür sind die Ausbrüche von Infektionen mit Ebola-, Nipah- und Hendraviren. Durch Abholzung der Regenwälder kam es zu veränderten Lebensbedingungen für Fledermäuse, die dann Pferde und Schweine und über diese Zwischenwirte auch Menschen infizierten. Vögel brachten das West-Nile-Virus von Afrika nach Nordamerika, das Vogelgrippe-Virus H5N1 gelangte über Zugvögel von Asien nach Europa. Letztendlich ist auch die durch das humane Immundefizienzvirus ausgelöste AIDS-Pandemie ursprünglich das Resultat einer zoonotischen Übertragung vom Affen auf den Menschen, gefolgt von einer effizienten Weiterverbreitung innerhalb der menschlichen Population. Die Bedrohung durch sowohl neue als auch schon bekannte Virusinfektionen wird auch aufgrund einer, insbesondere in den Industrieländern zunehmenden, Impfmüdigkeit nicht abnehmen – den im Bereich der molekularen Virologie forschenden Wissenschaftlern wird sich auch weiterhin ein weites Betätigungsfeld bieten.
1.7 Weiterführende Literatur
1.7 Weiterführende Literatur Behbehani, A. M. The Smallpox Story in Words and Pictures. Kansas (University of Kansas Press) 1988. Evans, A. S. Causation and Disease. The Henle-Kochschen Postulates Revisited. In: Yale Journal of Biology and Medicine 49 (1976) S. 175–195. Hopkins, D. R. Princes and Peasants. Smallpox in History. Chicago (The University of Chicago Press) 1983. Krüger, D. H.; Schneck, P.; Gelderblom, H. R. Helmut Ruska and the Visualisation of Viruses. In: Lancet 355 (2000) S. 1713– 1717.
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Kruif, P. de. Mikrobenjäger. Frankfurt, Berlin, Wien (Ullstein) 1980. Levine, A. J. Viren. Diebe, Mörder und Piraten. Heidelberg (Spektrum Akademischer Verlag) 1992. Müller, R. Medizinische Mikrobiologie. Parasiten, Bakterien, Immunität. 4. Aufl. Wien, Berlin, München (Urban und Schwarzenberg) 1950. Waterson, A. P.; Wilkinson, L. History of Virology. Cambridge (Cambridge University Press) 1978. Williams, G. Virus Hunters. New York (Alfred A. Knopf) 1967.
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2 Viren: Definition, Aufbau, Einteilung 2.1 Wie lassen sich Viren definieren? Viren sind infektiöse Einheiten mit Durchmessern von etwa 16 nm (Circoviren) bis über 300 nm (Pockenviren; 䉴 Tabelle 2.1). Ihre geringe Größe macht sie ultrafiltrierbar, das heißt, sie werden durch bakteriendichte Filter nicht zurückgehalten. Viren haben sich während der Evolution in Millionen von Jahren entwickelt und an bestimmte Organismen beziehungsweise deren Zellen angepasst. Die infektiösen Viruspartikel oder Virionen bestehen aus Proteinen und sind bei einigen Virustypen von einer Lipidmembran umgeben, die man oft als Hülle oder Envelope bezeichnet; die Partikel enthalten jeweils nur eine Art von Nucleinsäure, nämlich entweder DNA oder RNA. Viren vermehren sich nicht durch Teilung wie Bakterien, Hefen oder andere Zellen, sondern replizieren sich in lebenden Zellen, die sie infizieren. Dort entfalten sie ihre Genomaktiviät und produzieren die Komponenten, aus denen sie aufgebaut sind. Sie codieren weder für eine eigene Proteinsynthesemaschinerie (Ribosomen) noch für energiebildende Stoffwechselsysteme. Viren sind damit intrazelluläre Parasiten. Sie können zelluläre Prozesse umsteuern und für den optimalen Ablauf ihrer Vermehrung modifizieren. Sie besitzen neben der Erbinformation für ihre Strukturkomponenten Gene für verschiedene regulatorisch aktive Proteine (zum Beispiel Transaktivatoren) und für Enzyme (zum Beispiel Proteasen und Polymerasen). Viren existieren in unterschiedlichen Zustandsformen. Sie können sich aktiv in der Zelle replizieren und so viele Nachkommenviren bilden. Man spricht von einem replikationsaktiven Zustand. Einige Virustypen können nach der Infektion in der Zelle in einen Latenzzustand übergehen und hierzu ihre Erbinformation in das Wirtszellgenom integrieren oder diese in extrachromosomaler Form als Episom in der infizierten Zelle
erhalten. Bestimmte virale Gene können während dieser Zeit transkribiert werden und zur Aufrechterhaltung der Latenz beitragen (Herpesviren). In anderen Fällen ist die Expression des Virusgenoms jedoch über lange Zeiträume völlig unterdrückt (beispielsweise bei einigen tierpathogenen Retroviren). In beiden Fällen können zelluläre Prozesse oder äußere Einflüsse die latent vorliegenden Genome reaktivieren, sodass wieder infektiöse Viren gebildet werden. Abhängig vom Virustyp kann die Infektion für die Wirtszelle unterschiedliche Folgen haben: 1. Sie wird zerstört und stirbt. 2. Sie überlebt, produziert aber kontinuierlich geringe Mengen von Viren und ist damit chronisch (persistierend) infiziert. 3. Sie überlebt und das Virusgenom bleibt im latenten Zustand erhalten, ohne dass infektiöse Partikel gebildet werden. 4. Sie wird immortalisiert und erhält hierdurch die Fähigkeit zur kontinuierlichen Teilung, ein Vorgang, der mit der Transformation, das heißt der malignen Entartung zur Tumorzelle, verbunden sein kann.
2.2 Wie sind Viren aufgebaut und wie unterscheiden sie sich von Virusoiden, Viroiden und Prionen? 2.2.1 Viren Die infektiösen Viruspartikel – man bezeichnet sie auch als Virionen – bestehen aus verschiedenen Grundelementen (䉴 Abbildung 2.1): Sie enthalten im Inneren ein
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2 Viren: Definition, Aufbau, Einteilung
Genom aus RNA oder DNA. Die Nucleinsäure kann abhängig vom Virustyp einzel- oder doppelsträngig vorliegen, linear, ringförmig oder segmentiert sein. Einzelsträngige RNA- und DNA-Genome können unterschiedliche Polarität aufweisen, wodurch in bestimmten Fällen, beipsielsweise bei den Picorna- und den Flaviviren, das RNA-Genom einer mRNA entspricht. Das Einzelstranggenom, das die gleiche Orientierung wie die mRNA besitzt, wird dabei als positivsträngig bezeichnet. Das Genom ist mit zellulären Histonen (bei Papillomaund Polyomaviren) oder viralen Proteinen (unter anderem bei Rhabdoviren, Para- und Orthomyxoviren, Adenoviren und Herpesviren) komplexiert und liegt damit als Nucleocapsid vor. Dieser Nucleinsäure-ProteinKomplex kann von partikulären Proteinstrukturen, den Capsiden, umgeben sein (bei Polyoma-, Papilloma-, Adeno- und Herpesviren). In einigen Fällen (etwa bei Picorna-, Flavi-, Toga- und Parvoviren) interagiert die Nucleinsäure direkt mit den Capsiden. Bei Viren mit einer Hüllmembran kann diese Capsidschicht fehlen, die Nucleocapside sind hierbei ohne Proteinhohlkörper direkt von der Membran umhüllt (so z. B. bei Corona-, Rhabdo-, Paramyxo-, Orthomyxo-, Bunya- und Arenaviren). Die Capside sind stäbchenförmige oder kubischsphärische Gebilde aus Proteinen. Bei einigen Virustypen bestehen sie aus multimeren Einheiten nur eines Polypeptids, in anderen Fällen sind sie aus heteromeren Komplexen aufgebaut. Die Capsidproteine können zu diskreten Untereinheiten oder auch zu sogenannten Capsomeren, das heißt morphologisch unterscheidbaren Strukturkomponenten, zusammentreten. Stäbchenförmige Capside besitzen eine helikale Symmetrie. Die beiden Symmetrieebenen, also die Längs- und die Querachse, sind unterschiedlich lang (䉴 Abbildung
2.2A). Sphärische Capside haben hingegen einen ikosaedrischen Aufbau mit einer Rotationssymmetrie; ein Ikosaeder besteht aus 20 gleichseitigen Dreiecken und zwölf Ecken (䉴 Abbildung 2.2B). Die Symmetrieachsen sind etwa gleich lang: Die fünffache Symmetrieachse befindet sich an den Ecken des Ikosaeders, die dreifache Achse verläuft durch die Mitte einer Dreiecksfläche, die zweifache Achse entlang der Kanten. Die Anzahl der Untereinheiten eines Ikosaeders lässt sich nach der Formel 10(n–1)2 + 2 berechnen, wobei „n“ die Zahl der morphologisch unterscheidbaren Strukturen auf einer Dreiecksseite angibt. Dreidimensionale Strukturen der Partikel sind durch Röntgenstrukturanalyse für eine Reihe von Viren geklärt. Voraussetzung ist das Wissen um die grundsätzliche Zusammensetzung des Virus, das heißt die Kenntnis, welche Proteine das Capsid oder das Virus formen, sowie um die Beschaffenheit der viralen Erbinformation und die Sequenz der Strukturproteine. Zudem muss eine Reinigung der Viruspartikel möglich sein und diese müssen als hochkonzentrierte Virussuspension in der Größenordnung von mehreren Milligramm pro Milliliter stabil vorliegen. Schließlich müssen die gereinigten Virionen oder alternativ hierzu in Zellkultur oder gentechnisch produzierte Viruscapside zur Ausbildung von Kristallen befähigt sein. Bei einigen Virustypen sind die Capside von einer Hülle aus einer Lipiddoppelschicht umgeben, die sich von zellulären Membransystemen ableitet. In sie sind virale, aber auch zelluläre Proteine eingelagert, die häufig durch Zuckergruppen zu Glycoproteinen modifiziert sind. Die viralen Oberflächenkomponenten sind meist deutlich exponiert, sie können bis zu 20 nm aus der Partikeloberfläche hervorragen. Ist eine solche Membranhülle vorhanden, macht sie die Viren für eine Inak-
Membranhülle
Membranprotein
Capsomer Capsid
Glycoprotein
Genom (Nucleinsäure) 2.1 Aufbau eines Viruspartikels mit Membranhülle.
Nucleoprotein
Nucleocapsid
2.2 Wie sind Viren aufgebaut und wie unterscheiden sie sich von Virusoiden, Viroiden und Prionen?
tivierung durch Lösungsmittel und Detergenzien empfindlich. Zwischen der Hüllmembran und dem Capsid kann sich eine Tegumentschicht befinden (Herpesviren), die weitere virale Proteinkomponenten enthält. Die exponierten Proteine und Proteinteile auf der Virusoberfläche – entweder in der Hülle oder im Capsid – unterliegen dem Selektionsdruck durch das Immunsystem. Deshalb verändern sich bei Viren durch Mutation und Selektion bevorzugt die Aminosäuresequenzen der antikörperbindenden Regionen oder Epitope, die für die Bindung neutralisierender Immunglobuline ver-
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antwortlich sind. Bei einigen Virusarten führt die Variabilität der Oberflächenregionen zur Bildung neuer Subtypen. Neben dieser kontinuierlichen Veränderung der oberflächenexponierten Regionen durch Mutation und Selektion können bei einigen Viren auch größere Nucleinsäureabschnitte durch genetische Rekombinationsereignisse zwischen unterschiedlichen Viren ausgetauscht werden. Diese führen unter Umständen zu massiven Veränderungen der beteiligten Viren und zur Bildung neuer Virusspezies.
A Helikale Symmetrie Genom
Längsachse
Capsid (Nucleocapsid)
Querachse B Rotationssymmetrie
fünffache Symmetrieachse
zweifache Symmetrieachse
dreifache Symmetrieachse
Ikosaederfläche Ikosaederecke 2.2 Symmetrieformen von Viruscapsiden. A: Helikale Symmetrie; die Symmetrieebenen verlaufen parallel zur Längs- beziehungsweise Querachse des Partikels (Beispiele: Capsid des Tabakmosaikvirus, Nucleocapside von Para- oder Orthomyxoviren). B: Kubisch-sphärische Symmetrie; Ikosaeder mit Rotationssymmetrie, dessen Ausgangspunkte für die Symmetrieachsen sich an den Ecken des Ikosaeders (fünffache Symmetrieachse), in der Mitte der Dreiecksflächen (dreifache Symmetrieachse) und entlang der Kanten (zweifache Symmetrieachse) befinden. Beispiele für diese Capsidform liefern die Picorna-, Parvo- und Adenoviren.
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2 Viren: Definition, Aufbau, Einteilung
2.2.2 Virusoide (Satellitenviren), Viroide, Mimiviren und Virophagen Satellitenviren oder Virusoide sind kleine RNA- oder DNA-Moleküle, die für ein bis zwei Proteine codieren, mit denen sie komplexiert sind. Ihre Replikation und Verbreitung ist von der Anwesenheit eines anderen Virus abhängig. Virusoide findet man meist zusammen mit Pflanzenviren, aber auch das Hepatitis-D-Virus, das sich nur bei gleichzeitiger Infektion der Zelle mit HepatitisB-Viren vermehren kann, gehört dazu (䉴 Abschnitt 19.1.6). Viroide sind Pflanzenpathogene und bestehen aus einer ringförmigen RNA (etwa 200 bis 400 Nucleotide), die nicht für Proteine codiert und eine komplexe zweidimensionale Struktur aufweist. Eine zentrale Sequenzfolge ist hochkonserviert und für die Replikation der Nucleinsäuremoleküle essenziell. Andere Bereiche sind variabel und möglicherweise für Virulenzeigenschaften verantwortlich. Diese infektiösen RNA-Moleküle werden von zellulären Polymerasen im rolling circle-Mechanismus vermehrt (䉴 Abschnitt 3.4), wobei sich an den Übergängen Sekundärstrukturen ausbilden, die man wegen ihrer Form als hammerhead bezeichnet. Sie haben RNase-Aktivität und schneiden die nach der Replikation konkatemeren Stränge in einzelne Untereinheiten. Von den hammerhead-artigen RNA-Strukturen leiten sich die Ribozyme ab – kleine RNA-Spezies mit sequenzspezifischer RNase-Aktivität (䉴 Abschnitt 9.3). Als Mimiviren bezeichnet man eine Familie sehr großer DNA-Viren, die Didier Raoult im Jahr 2004 in der Amöbe Acanthamoeba polyphaga entdeckte. Wegen der außerordentlichen Größe der sphärischen Capside von 400 nm und der Proteinfilamente, die von der Oberfläche hervorragen und die Virionen in einer Größe von bis zu 800 nm erscheinen lassen, wurden diese Viren zuerst für Bakterien gehalten. Deswgen nannte man sie „Mimiviren“ als Abkürzung für mimicking virus. Das DNA-Genom des Mimivirus umfasst 1,2 Millionen Basenpaare und mehr als 1 200 potenzielle Gene. Inzwischen wurden in Amöben weitere, noch größere Mamaviren entdeckt, die ihrerseits auch von Parasiten befallen werden können. Diese deutlich kleineren Viren (Sputnikvirus), auch als Virophagen bezeichnet, können sich in den Amöben nur dann vermehren, wenn diese auch von Mamaviren befallen sind. Die Sputniks nutzen die Mamaviren aber nicht nur als Helfer, sondern behindern deren Vermehrung und Morphogenese – machen sie also gewissermaßen krank.
2.2.3 Prionen Prionen verursachen bei Menschen und Tieren stets tödliche neurodegenerative Erkrankungen. Sie können innerhalb einer Art und – wenn auch eingeschränkt – über die Artgrenze hinaus auf andere Lebewesen weitergegeben werden (䉴 Kapitel 21). Der verantwortliche Erreger (das Prion, proteinaceus infectious particle) kommt ohne codierende Nucleinsäure im infektiösen Agens aus. Prionen setzen sich zusammen aus der pathologischen, vor allem in β-Faltblatt-Konformation vorliegenden Isoform (PrPSc) eines nicht-pathologischen zellulären Prion-Proteins (PrPc), das überwiegend in α-helikaler Konformation vorliegt. Die Umwandlung von der α-helikalen PrPc- in die β-faltblattartige PrPsc-Konformation geht mit völlig unterschiedlichen biochemischen Eigenschaften einher, und stellt das entscheidende pathogenetische Grundprinzip der Prionenerkrankung dar. Das Zellprotein PrPc gelangt nach seiner Synthese in die Cytoplasmamembran. PrPc ist an der Zelloberfläche nur über begrenzte Zeit vorhanden und wird danach in Endosomen und Lysosomen abgebaut. In primär infizierten Zellen wird dabei ein kleiner Anteil der PrPc-Proteine kontinuierlich in die Variante PrPsc umgewandelt. Diesen Vorgang bezeichnet man als Prion-Konversion. PrPScProteine können nicht effizient abgebaut werden und reichern sich in den Zellen an. Die Funktion des PrPc ist noch nicht endgültig geklärt. Versuche mit knock-out Mäusen, in deren Genom die für PrP codierenden Sequenzen deletiert sind, zeigten, dass PrPc für die Entwicklung und das Überleben der Tiere entbehrlich zu sein scheint. Ohne PrPc können sie aber auf keinen Fall eine Prionerkrankung entwickeln. Prionenerkrankungen des Menschen sind die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD), Kuru, und die neue Variante der CJD (vCJD). Bei Tieren sind Scrapie (Schaf), die bovine spongiforme Encephalopathie (BSE, Rind) und die chronic wasting disease (CWD, Hirsch) die bekanntesten Vertreter. Die Besonderheit der Prionerkrankungen ist, dass sie in drei Manifestationsformen vorkommen: infektiös erworben (exogen), sporadisch (endogen) und genetisch (endogen) bedingt. Weil Prionen begrenzt im zentralen Nervensystem vorkommen, ist ihre infektiöse Weitergabe in aller Regel limitiert.
2.3 Welche Kriterien bestimmen die Einteilung der Virusfamilien?
2.3 Welche Kriterien bestimmen die Einteilung der Virusfamilien? Die taxonomische Einteilung der Viren in die unterschiedlichen Familien wird von einer internationalen Kommission von Virologen vorgenommen und den aktuellen Erkenntnissen angepasst. Sie erfolgt anhand der folgenden Hauptkriterien: 1. der Art des Genoms aus RNA oder DNA sowie der Form, in der es vorliegt, also als Einzel- oder Doppelstrang, in Positiv- (Plus-) oder Negativstrangorientierung, linear oder zirkulär, segmentiert oder
2. 3. 4. 5.
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kontinuierlich; auch die Anordnung der Gene auf der Nucleinsäure ist für die Definition einzelner Familien wichtig; der Symmetrieform der Capside; dem Vorhandensein einer Membranhülle; der Größe des Virions; dem Ort der Virusvermehrung im Cytoplasma oder Kern der infizierten Zelle.
Die weitere Unterteilung der Virusfamilien in Genera und Virustypen erfolgt überwiegend nach serologischen Kriterien und der Ähnlichkeit der Genomsequenzen. In 䉴 Tabelle 2.1 sind die verschiedenen Virusfamilien mit wichtigen human- und tierpathogenen Vertretern zusammengefasst.
Tabelle 2.1 Molekularbiologische Charakteristika der verschiedenen Virusfamilien mit Angabe einiger typischer Vertreter Virusfamilie (Abschnitt im Buch)
Genus/ Unterfamilie
Beispiel
Membranhülle
Partikelgröße/Form des Capsids oder Nucleocapsids
Genom: Art und Größe
Picornaviridae (14.1)
Enterovirus Rhinovirus Cardiovirus
Poliovirus, Coxsackievirus humane Rhinoviren Encephalomyocarditisvirus, Mengovirus, Theilovirus Maul-und-KlauenseucheVirus humanes Parechovirus Hepatitis-A-Virus equines Rhinitis-B-Virus Aichi-Virus Teschoviren der Schweine
nein
28–30 nm/ Ikosaeder
ssRNA; linear; Positivstrang; 7 200–8 400 Basen
humane Astroviren, Astroviren der Rinder, Astroviren der Katze Geflügelastroviren
nein
27–30 nm/ Ikosaeder
ssRNA; linear; Positivstrang; 6 800–7 900 Basen
Aphthovirus Parechovirus Hepatovirus Erbovirus Kobuvirus Teschovirus Astroviridae (14.2)
Mamastrovirus
Avastrovirus Caliciviridae (14.3)
Norovirus Sapovirus Vesivirus Lagovirus
Norwalkvirus Sapporovirus felines Calicivirus Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche
nein
27–34 nm/ Ikosaeder
ssRNA; linear; Positivstrang; 7 500–8 000 Basen
Hepeviridae (14.4)
Hepevirus
Hepatitis-E-Virus
nein
27–34 nm/ Ikosaeder
ssRNA; linear; Positivstrang; 7 200 Basen
Flaviviridae (14.5)
Flavivirus
Gelbfiebervirus, Denguevirus, West-Nile-Virus, TBE-Virus
ja
40–50 nm/ Ikosaeder
ssRNA; linear; Positivstrang; 10 000 Basen
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2 Viren: Definition, Aufbau, Einteilung
Tabelle 2.1 (Fortsetzung) Virusfamilie (Abschnitt im Buch)
Genus/ Unterfamilie
Beispiel
Flaviviridae (14.5) (Fortsetzung)
Pestivirus
Virus der klassischen Schweinepest, Virus der bovinen Virusdiarrhoe Hepatitis-C-Virus
Hepacivirus Togaviridae (14.6)
Alphavirus
Rubivirus
Membranhülle
Partikelgröße/Form des Capsids oder Nucleocapsids
Genom: Art und Größe
Sindbisvirus, Semliki-Forest-Virus, equine Encephalitisviren Rötelnvirus
ja
60–70 nm/ Ikosaeder
ssRNA; linear; Positivstrang; 12 000 Basen
ja
40–60 nm/ Ikosaeder
ssRNA; linear; Positivstrang; 12 000–16 000 Basen
120–160 nm/ Helix
ssRNA; linear; Positivstrang; 25 000–35 000 Basen
Arteriviridae (14.7)
Arterivirus
Equine-Arteritis-Virus, PRRS-Virus
Coronaviridae (14.8)
Coronavirus
humane Coronaviren, ja SARS-Coronavirus, felines Coronavirus (FIP), Virus der transmissiblen Gastroenteritis der Schwein Toroviren der Rinder und Pferde
Torovirus Rhabdoviridae (15.1
Vesiculovirus Lyssavirus Ephemerovirus
Vesicular-Stomatitis-Virus Tollwutvirus Ephemeral-Fieber-Virus der Rinder Novirhabdovirus Infectious hematopoetic necrosis virus (IHN), Viral hemorrhagic septicemia virus (VHS)
ja
65 nm zu 180 nm/ Helix
ssRNA; linear; Negativstrang; 12 000 Basen
Bornaviridae (15.2)
Bornavirus
ja
90 nm/ Helix
ssRNA; linear; Negativstrang; 9 000 Basen
Parainfluenzavirus ja Mumpsvirus Newcastle-Disease-Virus Masernvirus, Hundestaupevirus, Rinderpestvirus Hendravirus, Nipahvirus respiratorisches Syncytialvirus (RSV) humanes Metapneumovirus
150–250 nm/ Helix
ssRNA; linear; Negativstrang; 16 000–20 000 Basen
Paramyxoviridae Respirovirus (15.3) Rubulavirus Avulavirus Morbillivirus
Henipavirus Pneumovirus Metapneumovirus
Borna-Disease-Virus
Filoviridae (15.4)
Marburgvirus Ebolavirus
Lake-Victoria-Marburgvirus Zaire-Ebolavirus, Restonvirus
ja
80 nm zu 700 nm/ Helix
ssRNA; linear; Negativstrang; 19 000 Basen
Arenaviridae (16.1)
Arenavirus
Virus der lymphocytären Choriomeningitis, Lassavirus, Juninvirus
ja
50–300 nm/ Helix
ssRNA; linear; 2 Segmente; Ambisensestränge; 10 000–12 000 Basen
2.3 Welche Kriterien bestimmen die Einteilung der Virusfamilien?
19
Tabelle 2.1 (Fortsetzung) Virusfamilie (Abschnitt im Buch)
Genus/ Unterfamilie
Beispiel
Bunyaviridae (16.2)
Orthobunyavirus Phlebovirus
California-Encephalitis-Virus ja
Nairovirus Hantavirus Topsovirus Orthomyxoviridae (16.3)
Birnaviridae (17.1)
Influenza-AVirus Influenza-BVirus Influenza-CVirus Thogotovirus Isavirus Avibirnavirus Aquabirnavirus Entomobirnavirus
Reoviridae (17.2)
Orthoreovirus Orbivirus Rotavirus Coltivirus Aquareovirus
Retroviridae (18.1)
a-Retrovirus b-Retrovirus
g-Retrovirus d-Retrovirus
e-Retrovirus Lentivirus Spumaviren Hepadnaviridae (19.1)
Orthohepadnavirus Avihepadnavirus
Membranhülle
Partikelgröße/Form des Capsids oder Nucleocapsids
Genom: Art und Größe
100–120 nm/ Helix
ssRNA; linear; 3 Segmente; Negativstrang (Ambisense bei Phlebovirus); 12 000 Basen
ja
120 nm/ Helix
ssRNA; linear; 7 oder 8 Segmente; Negativstrang; 13 000–14 000 Basen
Gumborovirus Virus der infektiösen Pankreasnekrose Drosophila-X-Virus
nein
60 nm/ Ikosaeder
dsRNA; linear; 2 Segmente; 5 800–6 400 Basenpaare
Reoviren Bluetonguevirus, Virus der afrikanischen Pferdepest Rotaviren Colorado-Tick-Fiebervirus Golden-Shiner-Virus
nein
70–80 nm/ Ikosaeder
dsRNA; linear; 10/11/12 Segmente; 18 000–19 000 Basenpaare
Rous-Sarkomvirus ja Maus-Mammatumor-Virus, Lungenadenomatose-Virus der Schafe felines Leukämievirus, Moloney-Mausleukämievirus humane T-Zell-LeukämieViren (HTLV-I/II), bovines Leukosevirus diverse Fischretroviren humane ImmundefizienzViren Simian foamy virus
100 nm/ Ikosaeder oder Konus
ssRNA; linear; Positivstrang; Umschreibung in dsDNA, Integration, 7 000–12 000 Basen
Hepatitis-B-Virus
42 nm
DNA; teilweise doppelsträngig; zirkulär; 3 000–3 300 Basenpaare
Rift-Valley-Fieber-Virus, Sandfliegenfiebervirus Krim-Kongo-Fieber-Virus, Nairobi-Sheep-Disease-Virus Hantaanvirus, Puumalavirus, Sin-Nombre-Virus Tomato spotted wilt virus (Pflanzenbunyaviren) Influenza-A-Viren Influenza-B-Viren Influenza-C-Viren Thogotovirus, Dhorivirus Virus der infektösen Anämie der Lachse
Enten-Hepatitis-B-Virus
ja
2
2
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2 Viren: Definition, Aufbau, Einteilung
Tabelle 2.1 (Fortsetzung) Virusfamilie (Abschnitt im Buch)
Genus/ Unterfamilie
Hepadnaviridae (19.1) (Fortsetzung)
Deltavirus Hepatitis-D-Virus (Virusoid); Infektion zusammen mit Hepatitis-B-Virus als Helfervirus Polyomavirus BK-, JC-Viren (BKV/JCV), SV40-Virus
Polyomaviridae (19.2)
Papillomaviridae a-Papilloma(19.3) virus b-Papillomavirus g-Papillomavirus d-Papillomavirus l-Papillomavirus
Beispiel
humane Papillomaviren, Typen 6, 10, 16, 18, 32 (Schleimhaut, oral/genital) humane Papillomaviren, Typen 5, 9, 49 (Haut) humane Papillomaviren, Typen 4, 48, 50 (Haut) Papillomaviren der Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Hirsche) Papillomaviren der Hunde und Katzen
Membranhülle
Partikelgröße/Form des Capsids oder Nucleocapsids
ja, entspricht in Zusammensetzung der Hüllmembran des Hepatitis-BVirus nein 45 nm/ Ikosaeder nein
Genom: Art und Größe ssRNA; zirkulär; 1900 Basen
dsDNA; zirkulär; 5 000 Basenpaare
55 nm/ Ikosaeder
dsDNA; zirkulär; 8 000 Basenpaare
Adenoviridae (19.4)
Mastadenovirus humane, canine Adenoviren nein Aviadenovirus Geflügeladenoviren Siadenovirus Virus der hämorrhagischen Enteritis der Pute Atadenovirus Virus des Egg-Drop-Syndrom der Hühner
70–80 nm/ Ikosaeder
dsDNA; linear; 36 000–38 000 Basenpaare
Herpesviridae (19.5)
a-Herpesviren
b-Herpesviren g-Herpesviren
Poxviridae (19.6)
Orthopoxvirus
Parapoxvirus Avipoxvirus Molluscipoxvirus Suipoxvirus Yatapoxvirus
Herpes-simplex-Viren, Varicella-Zoster-Virus, bovine Herpesviren, equine Herpesviren, porcines Herpesvirus, canines Herpesvirus, felines Herpesvirus, galline Herpesviren Cytomegalovirus, humanes Herpesvirus 6 Epstein-Barr-Virus, humanes Herpesvirus 8, alcelaphines Herpesvirus 1 (BKF-Virus)
ja
250–300 nm/ Ikosaeder
dsDNA; linear; 150 000–250 000 Basenpaare
Variolavirus, Vacciniavirus, Kuhpockenvirus, Affenpockenviren Orfvirus Canary-Pox-Virus Molluscum-contagiosiumVirus Schweinepockenviren Tabavirus, Yaba monkey tumor virus
ja
350–450 nm/ komplex
dsDNA; linear; 130 000–350 000 Basenpaare
2.4 Weiterführende Literatur
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Tabelle 2.1 (Fortsetzung) Virusfamilie (Abschnitt im Buch)
Genus/ Unterfamilie
Beispiel
Membranhülle
Partikelgröße/Form des Capsids oder Nucleocapsids
Genom: Art und Größe
Asfarviridae (19.7)
Asfivirus
Virus der afrikanischen Schweinepest
ja
200 nm/ komplex
dsDNA; linear; 180 000 Basenpaare
Parvoviridae (20.1)
Parvovirus
felines Panleukopenievirus, canines Parvovirus, porcines Parvovirus Parvovirus B19 humanes Bocavirus, bovines Parvovirus, Minute virus of canine Aleutian mink disease virus adenoassoziierte Viren
nein
20–25 nm/ Ikosaeder
ssDNA; linear; 5 000 Basen
Chicken-Anaemia-Virus porcines Circovirus, Beak and feather disease virus TT-Virus
nein
16–24 nm/ Ikosaeder
ssDNA; zirkulär; 1700–2 000Basen
Erythrovirus Bocavirus
Amdovirus Dependovirus Circoviridae (20.2)
Gyrovirus Circovirus
Anellovirus
ss: single-strand, einzelsträngiges Genom, ds: double-strand, doppelsträngiges Genom.
2.4 Weiterführende Literatur Chiu, W.; Burnett, R. M.; Garcea, R. L. Structural Biology of Viruses. New York, Oxford (Oxford University Press) 1997. Fraenkel-Conrat, H. The Viruses. Catalogue, Characterization, and Classification. New York, London (Plenum Press) 1985. Indexes of Viruses Frames: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ ICTVdb/Ictv/index.htm
Knipe, D. N.; Howley, P. M. (Hrsg.) Fields Virology. 5. Aufl. New York (Lippincott Raven Press) 2006. Fauquet, C. M.; Mayo, M. A.; Maniloff, J.; Desselberger, U.; Ball, L. A. Virus Taxonomy. VIIIth Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses. San Diego ( Academic Press, Elsevier) 2005. Nermuth, M. V.; Steven, A. C. Animal Virus Structure. Amsterdam, New York, Oxford (Elsevier) 1987. Richman, D. D.; Whitley, R. J.; Hayden, F. G. Clinical Virology. 2. Aufl. Washington (ASM Press) 2002.
2
3 Virusvermehrung und Replikation 3.1 Womit beginnt die Infektion einer Zelle? Als obligate Zellschmarotzer haben Viren keinen eigenen Stoffwechsel. Sie müssen daher für ihre Vermehrung Zellen infizieren. Die Viruspartikel müssen in der Lage sein, bestimmte Rezeptormoleküle auf der Cytoplasmamembran der Wirtszelle zu erkennen und sich an diese anzuheften. Diesen Prozess bezeichnet man als Adsorption. Bei den umhüllten Viren wird diese Wechselwirkung durch Proteine vermittelt, welche in die Membranhülle der Virionen eingelagert sind. Das ist unter anderem bei Retro-, Influenza- und Herpesviren der Fall. Die Bindung der viralen Membranproteine an zelluläre Oberflächenstrukturen ist zum Teil sehr spezifisch; dies gilt beispielsweise für die Interaktion zwischen dem Oberflächenprotein gp120 der humanen Immundefizienzviren (HIV) und dem CD4-Rezeptor, einem Polypeptid, das fast ausschließlich in der Cytoplasmamembran von T-Helferzellen und Makrophagen vorkommt (䉴 Abschnitt 18.1.5). In anderen Fällen binden sich die Virusproteine an zelluläre Strukturen, die auf vielen Zelltypen zu finden sind. Ein Beispiel hierfür ist die Bindung des Hämagglutinins der Influenzaviren (䉴 Abschnitt 16.3) an endständige N-Acetyl-Neuraminsäurereste komplexer Oligosaccharide, die als Protein- und Lipidmodifikationen auf der Membranoberfläche unterschiedlichster Zellen vorkommen. Bei denjenigen Virustypen, die nicht von einer Membran umgeben sind, befinden sich auf der Capsidoberfläche die Strukturen, die für die mehr oder weniger spezifische Bindung der Partikel an bestimmte Zellen verantwortlich sind. Beispiele sind die Picornaviren, die Adenoviren und die Parvoviren. Polioviren etwa nehmen über einen Canyon – eine einem Graben ähnliche Struktur, die durch die Faltung bestimmter Aminosäurebereiche der Capsidproteine auf der Partikeloberfäche
entsteht – Kontakt mit einer Domäne des CD155 auf, einem auf der Zelloberfläche lokalisierten Protein der Immunglobulinsuperfamilie. Der Großteil der Rhinoviren, die ebenfalls zur Picornavirusfamilie zählen, nutzt das zelluläre Oberflächenprotein ICAM-1 für die spezifische Adsorption, andere binden sich an Mitglieder der LDL-Rezeptorfamilie (䉴 Abschnitt 14.1.4). Adenoviren binden sich über die Köpfchen am Ende der Fiberproteine, die an den Ecken der ikosaedrischen Capside verankert sind. Diese Bindung wird zu Proteinen auf Zelloberflächen ausgebildet, welche hinsichtlich ihrer Funktion nicht charakterisiert sind: die Coxsackie- und Adenovirusrezeptoren (CAR-Rezeptoren). Die CARRezeptoren werden so bezeichnet, weil sich beide Virusarten an sie binden (䉴 Abschnitte 14.1.4 und 19.4.4). Für die erfolgreiche Adsorption muss bei den Adenoviren gleichzeitig die Wechselwirkung der Pentonbasisproteine, ebenfalls Komponenten der Partikeloberfläche, mit den Integrinen αvβ3 oder αvβ5 erfolgen (䉴 Abschnitt 19.4.4). Diese Notwendigkeit, sich für eine erfolgreiche Infektion der Zielzellen an zwei verschiedene Rezeptortypen zu binden, findet man auch bei anderen Viren, so bei den humanen Immundefizienzviren und den Herpesviren (䉴 Abschnitte 18.1 und 19.5).
3.2 Wie gelangt ein Virus in das Innere der Zelle? Nach der Adsorption wird das an die Zelloberfläche gebundene Viruspartikel in das Innere der Zelle aufgenommen; diesen Vorgang bezeichnet man als Penetration. Bei Viren, die nicht von einer Membran umgeben sind, geschieht das in der Regel durch rezeptorvermittelte Endocytose. Dieser Vorgang wird generell von Zellen genutzt, um Moleküle von außen in das Cytoplasma aufzunehmen: Die Capsid-Rezeptor-Komplexe treten in
3
24
3 Virusvermehrung und Replikation
Wechselwirkung mit Clathrin-reichen Membranstellen, an denen sich die Cytoplasmamembran um das gebundene Virus stülpt und es umschließt. Das entstehende Vesikel bezeichnet man als Endosom. Es schnürt sich nach innen ab und gelangt so in das Cytoplasma der Zelle. Alternative Aufnahmewege führen über die Caveolae und die Caveosomen. Für die weiteren Schritte des Infektionszyklus müssen die Viruspartikel relativ schnell aus den Endosomen entlassen werden, da diese reich an Proteasen und anderen abbauenden Enzymen sind und das Virus letztendlich zerstören würden. Viren verfügen daher über Mechanismen, die es ihnen erlauben, die Vesikel zu verlassen und den weiteren Endocytose- und Abbauprozess zu umgehen. Parvoviren (䉴 Abschnitt 20.1) verfügen hierzu über Phospholipase A2-ähnliche Enzymaktivitäten, die als Teil eines Capsidproteins (VP1-Protein) für die Entlassung der Viren aus dem Endosom verantwortlich sind. Auch die von einer Membran umhüllten Viren – sie werden ebenfalls zum Teil durch Endocytose als Membranvesikel von der Zelle aufgenommen – haben Möglichkeiten entwickelt, der Zerstörung in den Endosomen zu entgehen. Wenn zum Beispiel Influenzaviren (䉴 Abschnitt 16.3) aufgenommen werden, sind die Nucleocapsidsegmente im Vesikel von zwei Membranen umgeben, nämlich der Virusmembran und der von der Cytoplasmamembran abgeleiteten Vesikelhülle. Eine fusionsaktive Sequenz des viralen Hämagglutinins löst nun das Verschmelzen der beiden Membranen aus – mit der Folge, dass die viralen Nucleocapside aus dem Vesikel entlassen werden. Dieser Vorgang ist in ähnlicher Weise bei vielen anderen membranumhüllten Viren zu finden, zum Beispiel bei den Flaviviren (䉴 Abschnitt 14.5). Das Verschmelzen der beiden Membranen ist pHabhängig; daher muss zunächst eine Ansäuerung des Vesikelinneren erfolgen. Im Unterschied zu diesem Aufnahmemechanismus haben Paramyxoviren (䉴 Abschnitt 15.3) in ihrer Hüllmembran ein spezielles Fusionsprotein eingelagert, welches in einem pH-unabhängigen Vorgang das Verschmelzen der viralen mit der zellulären Membran bereits bei der Bindung des Partikels an die Zelle ermöglicht; in diesem Fall wird das Capsid nach der Fusion beider Membranen direkt in das Cytoplasma entlassen. In ähnlicher Weise erfolgt auch bei den Herpesviren (䉴 Abschnitt 19.5) und beim humanen Immundefizienzvirus (䉴 Abschnitt 18.1) die Fusion der Virushülle mit der Zellmembran.
3.3 Wie wird das Genom des aufgenommenen Virus in der Zelle freigesetzt? Die Freisetzung der viralen Nucleinsäure aus dem Capsid ist das Ergebnis eines noch weitgehend ungeklärten Prozesses, den man als Uncoating bezeichnet. Das Genom der DNA-Viren – bei Herpesviren zusätzlich auch das Tegument – wird im Zuge dieses Vorgangs mittels unterschiedlicher intrazellulärer Transportsysteme durch die Kernporen in den Zellkern transportiert. Eine Ausnahme stellen die Pockenviren (䉴 Abschnitt 19.6) dar, die sich als DNA-Viren im Cytoplasma der infizierten Zelle replizieren. Das Genom der RNA-Viren verbleibt nach dem Uncoating als Ribonucleinsäure-ProteinKomplex im Cytoplasma, wo die weiteren Schritte des Infektionszyklus ablaufen. Diese Regel wird lediglich von den Influenza- und Bornaviren durchbrochen, die sich als Vertreter der RNA-Viren im Zellkern replizieren (䉴 Abschnitte 15.2 und 16.3).
3.4 Welche verschiedenen Strategien verfolgen Viren bei Genexpression und Genomvermehrung? Die Replikation umschreibt die sehr komplexen Vorgänge der viralen Genexpression und Genomvermehrung, die bei allen Virustypen unterschiedlich verlaufen und an deren Ende vielfache Kopien der viralen Strukturen in der infizierten Zelle vorliegen. Auch wenn das Virus einen Großteil der für seine Genexpression und Genomreplikation nötigen Informationen mit in die Zelle einbringt, sind zellspezifische Proteine für die Expression der Virusgene oft unerlässlich. Diese Polypeptide wirken meist als Transaktivatoren für die Transkription der viralen Gene. Fehlen sie, kann der Infektionszyklus nicht ablaufen; dann werden keine oder nur ein Teil der viralen Genprodukte synthetisiert, die Bildung infektiöser Partikel unterbleibt. Diese Form der Infektion, bei der das Virus zwar in der Lage ist, an die Oberfläche bestimmter Zellen zu adsorbieren und auch in sie einzudringen, jedoch aufgrund der vorliegenden intrazellulären Bedingungen den Vermehrungszyklus nicht oder nur teilweise einleiten kann, wird auch als abortive Infektion bezeichnet. Die Abhängigkeit der Replikation
3.4 Welche verschiedenen Strategien verfolgen Viren bei Genexpression und Genomvermehrung?
vom zellulären Milieu ist ein weiterer Grund für die Zellspezifität von Virusinfektionen. Abhängig von der Art und dem Aufbau des viralen Genoms findet man bei den verschiedenen Viren folgende Replikationsstrategien (die Kapitel im speziellen Teil folgen dieser Einteilung): (+)-Strang-RNA-Viren Das RNA-Genom solcher Viren (䉴 Kapitel 14) besitzt die Polarität einer mRNA, kann also unter Verwendung der zellulären Translationsmaschinerie direkt in Proteine übersetzt werden. Dadurch entsteht bei den Picornaviren und den Flaviviren ein großes Vorläuferpolyprotein, bei den Astro-, Calici-, Hepe-, Toga-, Arteri- und Coronaviren findet man zwei beziehungsweise mehrere unterschiedliche Formen dieser Proteinvorläufer. Sie werden proteolytisch in die viralen Strukturproteine und Enzyme gespalten. Von letzteren ist eines für die Genomreplikation sehr wichtig: nämlich die RNA-abhängige RNA-Polymerase. Da dieses Enzym in eukaryotischen Zellen nicht vorkommt, muss das Virus für die entsprechende Information selbst codieren. Diese Polymerase katalysiert unter Verwendung des (+)-Strang-RNA-Genoms die Synthese eines hierzu komplementären (–)-RNA-Stranges, der als Matrize für die Produktion einer Vielzahl neuer RNAGenome in Plus- oder Positivstrangorientierung dient. Wichtige Vertreter der (+)-Strang-RNA-Viren sind beispielsweise die Picorna-, Calici-, Flavi-, Toga- und Coronaviren (䉴 Abschnitte 14.1, 14.5, 14.6 und 14.8). (–)-Strang-RNA-Viren Das RNA-Genom dieser Viren (䉴 Kapitel 15 und 16) hat im Gegensatz zu dem der gerade beschriebenen nicht die Polarität einer mRNA. Es kann also nicht direkt in Proteine übersetzt werden. Hierzu bedarf es der Umschreibung des Genomstranges in die komplementäre RNA – ein Vorgang, der auf das Vorhandensein einer RNA-abhängigen RNA-Polymerase angewiesen ist. Da vom Genom aufgrund der Negativstrangorientierung nicht direkt Proteine gebildet werden können, müssen die (–)-Strang-RNA-Viren diese Polymerase als Teil des Viruspartikels mit in die Zelle einbringen. Das Enzym synthetisiert zum Genom komplementäre mRNA-Moleküle, die in die viralen Struktur- und Nichtstrukturproteine übersetzt werden. Im folgenden Schritt ist die RNA-abhängige RNA-Polymerase auch für die Bildung eines durchgehenden, zum Genom komplementären Stranges verantwortlich, der als Matrize für die Produktion von RNA-Genomen in Negativstrangorientierung dient. Wichtige Vertreter der (–)-Strang-RNA-Viren sind die Rhabdo- und Paramyxoviren (䉴 Abschnitte 15.1 und 15.3) sowie die Orthomyxoviren, die sich von den vorgenannten durch ein in Segmenten vorliegendes (–)-Strang-RNA-Genom
25
unterscheiden (䉴 Abschnitt 16.3). Einige Virustypen, die zu den Familien der Bunya- und Arenaviren (䉴 Abschnitte 16.1 und 16.2) gehören, können Teile ihres ebenfalls segmentierten Genoms sowohl in Plus- als auch in Negativstrangorientierung verwenden. Sie codieren in ihrem einzelsträngigen RNA-Genom also in beiden Richtungen für Proteine. Diese äußerst effiziente Nutzung der Codierungskapazität bezeichnet man auch als Ambisense-Orientierung. Man findet sie auch bei den porcinen Circoviren, die über ein einzelsträngiges, zirkuläres DNA-Genom verfügen (䉴 Abschnitt 20.2). Doppelsträngige RNA-Viren Die Reo- und Birnaviren (䉴 Kapitel 17) besitzen ein doppelsträngiges, in Segmenten vorliegendes RNA-Genom. Als Teil der Viruspartikel findet man auch hier eine RNA-abhängige RNAPolymerase, die bei der Infektion mit in die Zelle gelangt. Sie schreibt die (–)-Stränge der Genomfragmente in gecappte, translatierbare mRNA-Moleküle um. Diese dienen zugleich auch als Matrizen für die Synthese neuer Doppelstränge. Nur die Reo- und Birnaviren verfolgen dieses Prinzip einer konservativen Replikation, bei der keiner der Elternstränge in den neusynthetisierten RNA-Doppelstrangmolekülen vorhanden ist. Retroviren Diese RNA-Viren (䉴 Kapitel 18) besitzen zwar ein Genom in Plusstrangorientierung, ihr Replikationszyklus unterscheidet sich jedoch völlig von dem der zuvor erwähnten Virusfamilien. Retroviren enthalten in ihren Virionen das Enzym reverse Transkriptase, das mit in die Zelle eingebracht wird. Die RNA-abhängige DNAPolymeraseaktivität der reversen Transkriptase katalysiert unter Verwendung des RNA-Genoms als Matrize die Umschreibung in eine doppelsträngige DNA, die in das Zellgenom integriert wird. Dieses so genannte Provirus verhält sich wie ein zellulärer Chromosomenabschnitt; es wird bei Teilungen mit dem zellulären Genom vermehrt und an die Tochterzellen weitergegeben. Transkription und Translation finden nur von der integrierten viralen DNA statt. Dabei entstehen gespleißte und ungespleißte mRNA-Moleküle, die in die viralen Strukturproteine und Enzyme übersetzt werden. Die ungespleißte, die gesamte Sequenz des Provirus überspannende mRNA dient auch als virales Genom, das in die Partikel verpackt wird. Doppelsträngige DNA-Viren Das Genom dieser Viren (䉴 Kapitel 19) wird nach dem Transport in den Zellkern unter Verwendung der zellulären Enzyme transkribiert. Die entstandenen RNA-Moleküle werden anschließend in die viralen Nichtstruktur- und Strukturproteine übersetzt. Hepadnaviren (䉴 Abschnitt 19.1) besitzen ein nur teilweise doppelsträngiges DNA-Genom, das in den
3
3
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3 Virusvermehrung und Replikation
infizierten Zellen vervollständigt wird und im Kern als zirkuläres Molekül vorliegt. Die Hepadnaviren verfügen über eine reverse Transkriptase, die zusammen mit einigen weiteren Eigenschaften ihre Verwandtschaft zu den Retroviren deutlich macht. Dieses virale Enzym schreibt während des Vermehrungszyklus eine das Genom umspannende mRNA in DNA um. Die kleineren DNAViren wie die Polyoma- und Papillomaviren (䉴 Abschnitte 19.2 und 19.3) codieren nicht für eine eigene DNA-Polymerase, sondern für Polypeptide, die mit den zellulären DNA-Polymerasen interagieren und diese in ihrer Funktion so modifizieren, dass bevorzugt die viralen DNA-Sequenzen repliziert werden. Dieser Prozess beginnt an einem Replikationsursprung und verläuft bidirektional und semikonservativ; er ist der δ- oder Plasmidreplikation sehr ähnlich, die man bei der Vermehrung der zirkulären Bakterienchromosomen oder episomal vorliegender DNA-Moleküle findet. Die komplexeren DNA-Viren wie die Adeno- und Herpesviren (䉴 Abschnitte 19.4 und 19.5) weisen eine streng regulierte Form der Genexpression auf, die sich in eine frühe und späte Phase gliedert; auch diese Viren verwenden die zelluläre Transkriptions- und Translationsmaschinerie. Dabei werden früh verschiedene regulatorisch und enzymatisch aktive Polypeptide gebildet, unter anderem auch die viralen DNA-Polymerasen und einige im Nucleinsäurestoffwechsel aktive Enzyme, welche die Replikation der doppelsträngigen DNAGenome ermöglichen. Die linearen Genome der Adenoviren werden in einem semikonservativen Modus vermehrt, das heißt, jeweils ein Elternstrang wird als Matrize verwendet und bleibt Teil der neu gebildeten DNA-Moleküle. Die Replikationsursprünge befinden sich an den Enden der doppelsträngigen DNA. Die linearen DNA-Genome der Herpesviren werden in der Zelle zirkularisiert. Die Viren können zwei unterschiedliche Vermehrungszyklen verfolgen: Während der Latenz liegt die virale DNA als Episom vor und wird von den zellulären DNA-Polymerasen repliziert. Im lytischen Infektionszyklus, der zur Produktion von Nachkommenviren führt, erfolgt die Replikation dagegen nach dem Prinzip der σ-Replikation, die auch bei einigen Bakteriophagen vorkommt und als rolling circle bezeichnet wird. Hier wird ein Strang des zirkulären DNA-Moleküls am Replikationsursprung geschnitten, und am so entstandenen 3’-OH-Ende werden durch die virale DNA-Polymerase Nucleotide anpolymerisiert, wobei der intakte DNAStrang als Matrize dient. Das 5’-Ende löst sich so kontinuierlich von dem Matrizenstrang, es wird gleichsam abgerollt. Auf diese Weise entsteht ein DNA-Einzelstrang, der viele Einheiten des Herpesvirusgenoms in konkatemerer, das heißt wiederholter Form umfasst. Er wird durch Okazaki-Fragmente zum Doppelstrang
ergänzt und durch Endonucleasen in einzelne Virusgenome geschnitten. Sowohl bei den Adeno- als auch bei den Herpesviren wird die Synthese der viralen Strukturproteine erst in der späten Phase der Genexpression im Anschluss an die DNA-Replikation induziert. Die Pockenviren sind ebenfalls doppelsträngige DNA-Viren, sie verfolgen jedoch einen völlig anderen Replikationsmodus. Sie vollziehen alle Syntheseleistungen im Cytoplasma der infizierten Zelle. Viele Enzymaktivitäten, die normalerweise im Zellkern lokalisiert sind, können von den Pockenviren daher nicht genutzt werden. Hierzu zählen die der RNA-Polymerasen, Cappingund RNA-Modifikationsenzyme. Die Pockenviren besitzen neben einer eigenen DNA-Polymerase deshalb auch die genetische Information für diese Funktionen. Die Genexpression und die Genomvermehrung sind auch bei Pockenviren (䉴 Abschnitt 19.6) streng reguliert. Die Familie der Asfarviren umfasst bisher ausschließlich einen tierpathogenen Vertreter, das Virus der afrikanischen Schweinepest (䉴 Abschnitt 19.7). Die Asfarviren verfügen über ein doppelsträngiges DNA-Genom und sind in vielerlei Hinsicht den pflanzenpathogenen Iridoviren ähnlich. Die Replikation verläuft im Kern der infizierten Zelle. Einzelsträngige DNA-Viren Die Familien der Parvound der Circoviren umfassen Viren mit einem einzelsträngigen DNA-Genom (䉴 Kapitel 20). Beide codieren nicht für eine virale DNA-Polymerase; ähnlich wie die Polyoma- und Papillomaviren verwenden sie zur Genomreplikation zelluläre Enzyme, die in ihrer Funktion modifiziert werden. Auf diese Weise entstehen komplementäre doppelsträngige DNA-Intermediate, die anschließend wieder in Einzelstranggenome umgeschrieben werden (䉴 Abschnitte 20.1 und 20.2).
3.5 Was versteht man unter Morphogenese? Nach dem Replikationsprozess liegen in der Zelle sowohl die viralen Strukturproteine als auch das jeweilige Genom in vielfachen Kopien vor. Der Vorgang der Virusmorphogenese beschreibt den geordneten Zusammenbau der verschiedenen Komponenten zu partikulären Strukturen, Capsiden und letztlich infektiösen Viruspartikeln. Der Zusammenbau erfolgt weitgehend ohne Inanspruchnahme zellulärer Enzyme und anderer Aktivitäten durch Wechselwirkung zwischen den einzelnen Bestandteilen und wird daher auch als Self-Assembly bezeichnet. In jüngster Zeit mehren sich jedoch die Hin-
3.7 Weiterführende Literatur
weise, dass die Virusmorphogenese nicht gänzlich ohne Beteiligung zellulärer Funktionen ablaufen kann. So beeinflussen in einigen Fälle virale, vor allem jedoch zelluläre Proteinfaltungskatalysatoren (Chaperone) den Self-Assembly-Prozess. Die Morphogenese von membranumhüllten Viren ist häufig mit zellulären Membranstrukturen assoziiert. Bei Retroviren findet sie zum Beispiel an der Cytoplasmamembran statt, bei Herpesviren dagegen zuerst an der inneren Kernmembran, später während der Morphogenese an den Membranen des trans-Golgi-Netzwerkes, bei Flaviviren wiederum an der Membran des endoplasmatischen Reticulums (䉴 Abschnitte 14.5, 18.1 und 19.5).
3.6 Wie erfolgt die Freisetzung der Nachkommenviren? Ein möglicher Weg der Freisetzung der infektiösen Partikel ist die Knospung (Budding). Hierbei lagern sich die vorgebildeten Capside an bestimmten Stellen der Cytoplasmamembran, den lipid rafts an. In diesen Membraninseln sammeln sich die viralen Oberflächenproteine nach ihrem Transport. Die angelagerten Capside werden dann mit der die Proteine enthaltenden Membran umgeben und abgeschnürt. Es ist vom Ort des Assembly-Prozess abhängig, ob die virale Membran der Cytoplasmamembran, der Kernmembran, der Membran des endoplasmatischen Reticulums oder der Membran des trans-Golgi-Netzwerkes entspricht. Handelt es sich um die Cytoplasmamembran, werden die Viren direkt in die Umgebung abgegeben. Bei einer Morphogenese an der Kernmembran oder derjenigen des endoplasmatischen Reticulums erfolgt die Freisetzung über den Transport durch den Golgi-Apparat an die Zelloberfläche und Exocytose. Bei einigen Viren, beispielsweise beim huma-
27
nen Immundefizienzvirus, können im von der Zelle abgegebenen Partikel noch Reifungsvorgänge mit strukturellen Umlagerungen stattfinden. Die Freisetzung von Viren, die nicht von einer Hüllmembran umgeben sind, geschieht überwiegend durch die Lyse der infizierten Zelle. Ob diese ein aktiver, durch das Virus induzierter Vorgang ist oder ob die Zelle durch die Virusvermehrung und die damit verbundene Störung der zelleigenen Syntheseleistungen so weit erschöpft wird, dass sie den Prozess des programmierten Zelltodes, der Apoptose, einleitet und in der Folge abstirbt und zerfällt, ist weitgehend ungeklärt und verläuft möglicherweise auch bei den verschiedenen Virussystemen sehr unterschiedlich. Die Replikation der Viren, ihre Morphogenese und Freisetzung sind mit sehr vielen Fehlermöglichkeiten behaftet, die zur Entstehung von nichtinfektiösen, defekten Viruspartikeln führen können. Oft entstehen die defekten Viren in einem großen Überschuss. In vielen Fällen enthalten sie ein unvollständig repliziertes Genom; in anderen Fällen beruht der Verlust der Infektiosität auf unkorrekten Vorgängen beim Assembly und der sich anschließenden Virusreifung.
3.7 Weiterführende Literatur Cann, A. J. Principles of Molecular Virology. 4. Aufl. Burlington, San Diego, London (Academic Press, Elsevier) 2005. Doerfler, W.; Böhm, P. Virus Strategies. Molecular Biology and Pathogenesis. Weinheim (VCH) 1993. Flint, S. J.; Enquist, L. W.; Krug, R. M.; Racaniello, V. R.; Skalka, A. M. Principles of Virology. Molecular Biology, Pathogenesis, and Control. 2. Aufl. Washington D.C. (ASM Press) 2004. Lewin, B. Genes IX. Sudbury (Jones & Bartlett Publishers) 2007. [Deutsche Übersetzung einer vorherigen Ausgabe: Molekularbiologie der Gene. Spektrum Akademischer Verlag 2002.] Knippers, R. Molekulare Genetik. 9. Aufl. Stuttgart, New York (Thieme) 2006.
3
4 Pathogenese Die Pathogenese beschreibt die Ausbreitung eines Virus im Organismus und die wechselseitige Beziehung zwischen dem Erreger und seinem Wirt während der Infektion. Diese Prozesse kann man histologisch, virologisch und immunologisch mit unterschiedlichen Methoden untersuchen. Virusinfektionen können mit oder ohne Krankheitssymptome verlaufen (man spricht von apparenten beziehungsweise inapparenten Infektionsverläufen). In beiden Fällen reagiert der Wirtsorganismus mit immunologischen Abwehrreaktionen, die meist zur Überwindung der primären Krankheitssymptome und zur Eliminierung des Erregers führen. Die Immunabwehr kann aber auch im Rahmen der Immunpathogenese zu spezifischen Krankheitssymptomen und zur vorübergehenden oder andauernden Schädigung des Wirts beitragen. Der typische Verlauf einer akuten Virusinfektion äußert sich zumeist in einem Krankheitsstadium mit uncharakteristischen, grippeartigen Symptomen, in vielen Fällen heilt die Erkrankung direkt danach aus. Oft folgt dieser Erkrankungsphase aber nur ein symptomfreies Intervall von einigen Tagen, dem sich ein zweites, spezifisches Krankheitsstadium mit den typischen Organsymptomen anschließt (䉴 Abbildung 4.1). In beiden Fällen kann es der Immunabwehr gelingen, die Erreger zu eliminieren. Gelegentlich etablieren Viren aber trotz der eingeleiteten immunologischen Abwehr persistierende Infektionen und verbleiben lebenslang im Organismus. Einige Viren bilden dann andauernd Nachkommen, die von den Wirten ausgeschieden und auf andere, noch nicht infizierte Lebewesen übertragen werden, wie es beispielsweise bei den chronisch-persistierenden Infektionen mit Hepatitis-B- oder HepatitisC-Viren oder den humanen Immundefizienviren der Fall ist (䉴 Abschnitte 14.5, 18.1 und 19.1). In anderen Fällen wird zwar die Vermehrung der Erreger kontrolliert, ihre Erbinformation bleibt aber in den Zellen bestimmter Gewebe latent erhalten. Sie können bei bestimmten Gelegenheiten reaktiviert werden, um während dieser aktiven Phasen erneut Nachkommen zu pro-
duzieren und Krankheitssymptome zu verursachen. Als Beispiele hierfür seien die Varicella-Zoster- und die Herpes-simplex-Viren als Mitglieder der Herpesvirusfamilie erwähnt (䉴 Abschnitte 19.5). Der Begriff der Pathogenität eines Virus umschreibt sein Potenzial, in einer bestimmten Wirtsspezies Krankheiten zu erzeugen. Sie basiert auf den Aktivitäten der viralen Genprodukte; diese bestimmen in ihrer Gesamtheit sowie in ihrer Wechselwirkung untereinander und mit zellulären Komponenten die krank machenden Eigenschaften. Oft ist ein Erreger nur für eine Wirtsspezies pathogen. So verursacht das humane Immundefizienzvirus ausschließlich bei Menschen die Krankheit der erworbenen Immunschwäche AIDS (䉴 Kapitel 18), wohingegen beispielsweise das Virus der klassischen Schweinepest nur Schweine infiziert und bei ihnen die Schweinepest verursacht (䉴 Abschnitt 14.5). Der Begriff Virulenz bezieht sich auf den Ausprägungsgrad der viralen Infektion. Es handelt sich hierbei um das pathogene Potenzial eines Virus und die unterschiedlich stark ausgeprägten pathogenen Eigenschaften innerhalb einer Virusspezies. Verantwortlich hierfür sind die in den Virulenzgenen verankerten Eigenschaften, die durch Mutationen abgeschwächt oder verstärkt werden können. Andererseits beeinflussen auch genetische Unterschiede der Wirtsspezies die Ausprägung der pathogenen Eigenschaften eines Virus, was ebenfalls zu verstärkten oder zu abgeschwächten Symptomen bis hin zur Resistenz gegenüber bestimmten Infektionen führen kann. Verantwortlich hierfür sind Wirtsgene, welche beispielsweise die Adsorption der Viren an bestimmte Zellen verhindern oder ihre Ausbreitung im Organismus kontrollieren. Wenn bei Kontakt mit den Viren in den Organismen bereits eine spezifische Immunantwort durch eine vorhergehende Infektion mit dem gleichen oder einem verwandten Virus – etwa einem Impfvirus – vorliegt, kann auch dadurch die Infektion beziehungsweise eine Erkrankung verhindert oder abgeschwächt werden.
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4 Pathogenese
A einphasige Infektionserkrankung Ausprägung der Klinik unspezifische Immunantwort
Virämie
Kontakt
IgG spez. T-Zellen
IgM
Erkrankung grippeähnliche Symptome, Fieber 0
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B zweiphasige Infektionserkrankung
unspezifische Immunantwort
Virämie
Erkrankung
Virusverbreitung in Organe
Haut Leber Lunge HNO-Raum Nervensystem
IgM
symptomfrei Organmanifestation
grippeähnliche Symptome, Fieber 0
Woche
IgG spez. T-Zellen
Ausprägung der Klinik
Kontakt
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Woche
4.1 Der zeitliche Erkrankungsverlauf bei akuten Virusinfektionen. A: Infektion mit einphasigem Erkrankungsverlauf mit grippeähnlichen Symptomen und immunologischer Kontrolle des Virus. B: Infektion mit zweiphasigem Erkrankungsverlauf; zwischen der Erkrankungsphase I (grippeähnliche Symptome) und der Erkrankungsphase II (Organmanifestation) liegt ein symptomfreies Intervall von einigen Tagen.
4.1 Wie breiten sich Viren im Organismus aus? 4.1.1 Eintrittspforten und initiale Replikation Viele Viren gelangen durch Tröpfcheninfektionen auf die Schleimhäute von Mund, Nase und Rachen (unter
anderem die Corona-, Paramyxo-, Orthomyxo- und Adenoviren; 䉴 Abschnitte 14.8, 15.3, 16.3 und 19.4). Für andere stellt die Genitalschleimhaut die Eintrittsstelle dar, so zum Beispiel für etliche der Papillomaviren oder das Herpes-simplex-Virus Typ 2 (䉴 Abschnitte 19.3 und 19.5). Viele Picornaviren wie die Polio- und HepatitisA-Viren, aber auch die Noro- und Rotaviren als Vertreter der Calici- und der Reovirusfamilien gelangen über kontaminierte Lebensmittel oder Futter in den Magen und Darm und nehmen mit den Zellen dieser Schleimhautregionen Kontakt auf (䉴 Abschnitte 14.1, 14.3 und
4.1 Wie breiten sich Viren im Organismus aus?
17.2). In anderen Fällen, beispielsweise bei den Flavioder Bunyaviren, gelangen die Erreger durch Stiche oder Bisse infizierter Arthropoden in die Blutbahn und können so die Endothelzellen der Gefäße oder direkt bestimmte Blutzellen infizieren. Ähnlich wie mit den Speichelsekreten von Mücken und Zecken gelangen Viren parenteral in die Blutbahn eines Organismus, wenn sie als Kontamination in Bluttransfusionen und Blutprodukten oder an Spritzenkanülen beziehungsweise an medizinischem Operationsbesteck vorhanden sind. Kanülen, die mit humanen Immundefizienzviren aber auch mit Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren verunreinigt sind und bei intravenösem Drogenmissbrauch häufig von etlichen Personen gemeinsam benutzt werden, vermitteln diesen Infektionserregern den Eintritt direkt in die Blutbahn; dort haben sie Kontakt zu Monocyten und T-Helferzellen, in denen sie sich vermehren (䉴 Abschnitte 14.5, 18.1 und 19.1). Das Tollwutvirus gelangt dagegen durch den Biss infizierter Wirbeltiere in die Wunde und repliziert sich anfangs in den hier vorhandenen Zellen (䉴 Abschnitt 15.1). Auch kleine Hautverletzungen können ideale Eintrittsstellen für Viren bieten, so unter anderem für Papilloma- und Herpesviren (䉴 Abschnitte 19.3 und 19.5). Bereits an den Eintrittstellen finden die Viren Zellen, in welchen sie sich lokal vermehren können. In all den Geweben hat der Organismus im Verlauf der Evolution jedoch auch Zellen etabliert, die als aktive Komponenten des angeborenen oder erworbenen Immunsystems dem Eindringen von Erregern und ihrer Ausbreitung entgegenwirken. Hierzu gehören die neutrophilen Granulocyten sowie bestimmte Gewebe, beispielsweise die mit den Schleimhäuten assoziierten lymphatischen Gewebe, die man auch als GALT (gut-associated lymphatic tissue) und BALT (bronchialassociated lymphatic tissue) bezeichnet. Die Peyerschen Platten oder Plaques (Peyer’s patches) der Darmschleimhaut haben eine analoge Funktion, und im Rachen fällt dem Waldeyerschen Rachenring einschließlich der Tonsillen als lymphatischem Gewebe diese Aufgabe zu. In der Epidermis der Haut befinden sich Langerhans-Zellen, das heißt gewebespezifische dendritische Zellen, welche die Funktion haben, Erreger zu erkennen, sie aufzunehmen und zu den nächstgelegenen Lymphknoten zu transportieren, wo sie weitere Reaktionen der immunologischen Abwehr auslösen. Neben diesen dendritischen Zellen haben auch die Makrophagen in der frühen Infektionsphase wichtige Aufgaben bei der Infektabwehr. Sie wandern gezielt in die infizierten Gewebe ein und können Viren oder ihre Proteine phagocytieren und die gebildeten Peptide über MHCKlasse-II-Antigene auf ihrer Oberfläche präsentieren (䉴 Kapitel 7). Die Makrophagen werden dadurch aktiviert, sie sezernieren – ähnlich wie die virusinfizierten
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Epithel- oder Endothelzellen – Cytokine und Interferone, die weitere immunologisch aktive Zellen stimulieren, aber auch zum Entstehen von lokalen Entzündungsreaktionen beitragen (䉴 Kapitel 8). Geschieht dies beispielsweise im Schleimhautbereich des Rachens, kann solch eine Reaktion die bekannten Erkältungssymptome hervorrufen.
4.1.2 Formen der Virusausbreitung im Körper Lokal begrenzte Infektionsformen In einigen Fällen bleiben die Virusvermehrung und damit die Symptome lokal auf den Eintrittsort beschränkt. Dies gilt zum Beispiel für die humanen Papillomaviren, die von außen auf die Hautoberfläche übertragen werden, durch kleine Verletzungen die äußeren Hautschichten überwinden und sich an der Kontaktstelle vermehren, dabei Zellproliferationen induzieren und so zu Warzenbildung führen (䉴 Abschnitt 19.3). Die Viren durchbrechen die Basalmembran der Haut nicht. Die Verbreitung erfolgt durch Freisetzung von infektiösen Papillomaviruspartikeln aus der Warze, die dann weitere Hautregionen befallen und Replikationsherde bilden können. In die Hautbereiche wandern cytotoxische T-Zellen ein, welche die infizierten Zellen an Antigenpeptiden viraler Proteine erkennen, die diese über MHC-Klasse-I-Antigene präsentieren. Durch die Lyse der virusproduzierenden Zellen bleibt der Infektionsherd begrenzt. Bei der durch Adenoviren verursachten Konjunktivitis gelangt der Erreger von außen in das Auge, und die Infektion bleibt auf die Augenbindehaut beschränkt (䉴 Abschnitt 19.4). Immunologisch aktive Zellen wandern in das Auge ein und verursachen eine Entzündung. Infektionen mit den humanen Rhinoviren betreffen die oberen Bereiche des Atemtrakts und bleiben auf diesen Schleimhautbereich begrenzt (䉴 Abschnitt 14.1). Viren, die zuerst die Schleimhaut von Mund und Rachen infizieren, können sich nach den ersten Vermehrungszyklen an der Kontaktstelle kontinuierlich über den gesamten Schleimhautbereich des Respirationstraktes ausbreiten und auch das Mittelohr oder tiefere Bereiche der Atemwege besiedeln, ohne dass eine Verbreitung über das Blut erfolgt. Das gilt überwiegend auch für die humanpathogenen Parainfluenzaund Influenzaviren (䉴 Abschnitte 15.3 und 16.3). Eine ähnliche kontinuierliche Ausbreitung, allerdings in der Darmschleimhaut, findet man bei vielen Enteroviren, den Calici-, und den Rotaviren (䉴 Abschnitte 14.1, 14.3 und 17.2).
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4 Pathogenese
Lymphohämatogene Ausbreitung Antigenpräsentierende Zellen wie Langerhans-Zellen, weitere dendritische Zellen und Makrophagen können am Eintrittsort Viren beziehungsweise einzelne virale Proteinkomponenten erkennen und aufnehmen. Die mit den Viruspartikeln und -proteinen beladenen Zellen wandern zu den immunologisch aktiven Zentren der nächstgelegenen Lymphknoten und finden hier weitere Immunzellen wie CD4+- und CD8+-T-Lymphocyten, BLymphocyten und Makrophagen vor, die durch den Kontakt mit den Erregerproteinen beziehungsweise mit MHC-Peptidkomplexen sowie durch den Einfluss der von den aktivierten Immunzellen sezernierten Cytokinen zu proliferieren beginnen (䉴 Kapitel 7 und 8). Das ist die Ursache der Lymphknotenschwellungen, die man bei vielen Virusinfektionen beobachtet. In den Lymphknoten existieren aber auch Zellen, die von vielen Viren infiziert werden können. Die neu gebildeten Viren verlassen den Lymphknoten und werden in die Lymphflüssigkeit und in das Blut abgegeben, es entsteht eine primäre Virämie, die sich jedoch nur schwer nachweisen lässt, da sie meist nur vorübergehend auftritt. Folgen der Verbreitung im Organismus sind generalisierte Infektionen. In anderen Fällen werden die Erreger selbst nicht freigesetzt. Sie bleiben vielmehr zellgebunden und werden durch infizierte Zellen im Körper verbreitet – beispielsweise das humane Immundefizienzvirus in CD4+-T-Lymphocyten und Makrophagen oder das Cytomegalovirus in Granulocyten und Monocyten (䉴 Abschnitte 18.1 und 19.5). Die freien oder zellgebundenen Erreger erreichen das reticulohistiocytäre System,
das aus verschiedenen Zelltypen besteht, die zur Phagocytose oder Speicherung von Stoffen und Partikeln, so auch von Viren befähigt sind (䉴 Tabelle 4.1). In ihnen vermehren sie sich und führen zu einer meist ausgeprägten sekundären Virämie, die eine effiziente Verbreitung der Viren im Organismus ermöglicht. Erst dann gelingt es den jeweiligen Viren, ihre Endreplikationsorte zu erreichen und in den betroffenen Organen die typischen Symptome zu verursachen.
Neurogene Ausbreitung Einige Viren können bei ihrer Verbreitung im Organismus Nervenzellen infizieren. Neben dem Tollwutvirus haben verschiedene Herpesviren (beispielsweise das Herpes-simplex- und das Varicella-Zoster-Virus) diese Eigenschaft entwickelt, die ihnen eine Ausbreitung entlang der Nervenfasern ermöglicht. Tollwutviren (䉴 Abschnitt 15.1) treten bereits in der Frühphase der Infektion von den an der Bissstelle infizierten Muskelzellen in die freien Nervenendigungen über. In diesem Fall wird das Virus weder im Blutstrom noch in der Lymphflüssigkeit im Körper verbreitet. Es wandert vielmehr entlang der Nervenfasern im Axon vom peripheren Nervensystem über das Rückenmark zum Gehirn. Erst in der Spätphase der Infektion kommt es zu einer „zentrifugalen“ Ausbreitung vom Gehirn über die Nervenstränge zurück in die Peripherie. Die Tollwutviren gelangen dabei in die verschiedenen Organe; so auch in die Speicheldrüsen, durch die es auch ausgeschieden wird. Dagegen infizieren die Herpes-simplex-Viren
Tabelle 4.1 Zur Phagocytose befähigte Zellen, die für die Verbreitung von Viren im Organismus wichtig sind
mononucleäre Phagocyten
reticuloendocytäres System
Zellen
Organ
neutro- und eosinophile Granulocyten
Blut, Bindegewebe
Makrophagen, dendritische Zellen
Bindegewebe
Monocyten
Blut
Reticulumzellen
reticuläres Bindegewebe, lymphoreticuläres Gewebe in Milz, Lymphknoten, Knochenmark, Thymus, Tonsillen
Sinuswandzellen
Milz, Leber, Lymphknoten, Knochenmark
Endothelzellen
Blutgefäße
Histiocyten (von Monocyten abstammende Fresszellen unterschiedlicher Gewebe)
Mesoglia, Microglia (zentrales Nervensystem) Kupffersche Sternzellen (Leber) Alveolarmakrophagen (Lunge) Osteoklasten (Knorpel, Knochen) Langerhans-Zellen (Haut)
4.1 Wie breiten sich Viren im Organismus aus?
(䉴 Abschnitt 19.5), die bevorzugt durch direkten Kontakt übertragen werden, zuerst die Epithelzellen der Haut. Die Besiedelung des peripheren Nervensystems erfolgt anschließend, ausgehend von den ersten Vermehrungsorten in der Haut. Die Viren infizieren dort die freien Nervenendigungen und gelangen über die Nervenschienen retrograd zu den Ganglien, in denen sie lebenslang überdauern. Bei einer Reaktivierung erfolgt die Wanderung der Viren zurück in die Haut; hier entsteht das Rezidiv. Bei Herpes-simplex-Virus-Infektionen der Konjunktiven (Bindehäute) und der Cornea wandern die Erreger nach ihrer Reaktivierung aus den Ganglien über die Nervenfasern in das Auge, breiten sich im Epithel der Cornea aus und verursachen dort Entzündungen.
Manifestation der Infektion in den Organen Durch die lymphohämatogene Verbreitung gelangen Viren zu ihren Zielorganen. Sie vermehren sich dort zuerst in den jeweiligen Endothelien, die als einschichtiger Zellverband die Innenseiten aller Blut- und Lymphgefäße auskleiden. In das Parenchym, das heißt in das spezifische Gewebe eines Organs, gelangen sie durch die Räume zwischen den Endothelzellen (frei oder gebunden an Makrophagen, CD4+-T-Zellen oder Granulocyten). Als Folge der Virusvermehrung liegen die Fremdproteine in hoher Konzentration vor. Dadurch werden immunologisch aktive Zellen in die infizierten Organbereiche gelockt und reagieren dort mit Ausschüttung verschiedener Cytokine und Chemokine. Die Folge können massive Entzündungsreaktionen sein, die immunpathogenetische Ursachen haben und durch die Eigenart des jeweils infizierenden Virus und den Ansiedelungsort im Gewebe festgelegt werden. Auf Details der Pathogenese und der damit verbundenen Manifestation der Erkrankungen in den verschiedenen Organen wird bei der Besprechung der verschiedenen Viren in den entsprechenden Abschnitten eingegangen. Hier sollen nur einige grundlegende Mechanismen beschrieben werden. Haut und Schleimhaut Viren, die Erkältungskrankheiten verursachen, infizieren die Mund- und Rachenschleimhaut. Häufig breiten sie sich kontinuierlich in der Schleimhaut des Respirationstraktes aus, ohne in das Blut überzutreten und sich hämatogen zu verbreiten. Das gilt beispielsweise für die Rhinoviren, die respiratorischen Syncytial- oder die Parainfluenzaviren (䉴 Abschnitte 14.1 und 15.3). Bei anderen Virusinfektionen findet man parallel hierzu eine lymphohämatogene Verbreitung im Organismus, in deren Verlauf die Schleimhaut des Respirationstraktes sekundär erneut infiziert
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wird. Das gilt unter anderem für das Masernvirus (䉴 Abschnitt 15.3). Immer werden jedoch die in der Schleimhaut vorhandenen immunologisch aktiven Zellen, wie beispielsweise die Makrophagen und Granulocyten durch Aufnahme von Viruspartikeln oder -proteinen aktiviert; sie reagieren mit der Abgabe von verschiedenen Chemokinen und Cytokinen, während durch die Aufnahme viraler Proteine aktivierte dendritische Zellen in die nächstgelegenen Lymphknoten wandern und dort B- und T-Lymphocyten aktivieren können. Bei den Chemokinen und Cytokinen handelt es sich meist um Proteine von geringer Molekülmasse, welche durch die Basalmembran zu Gefäßen diffundieren und in den Endothelzellen eine erhöhte Synthese von Adhäsionsproteinen wie ICAM, VCAM und ELAM induzieren, an die sich die im peripheren Blut zirkulierenden Lymphocyten anlagern. So wird die Einwanderung weiterer Makrophagen, Granulocyten und aktivierter Lymphocyten eingeleitet, welche sich aus den Gefäßen hin zum Infektionsort bewegen. Parallel verstärkt die Aktivität der Cytokine in den infizierten Zellen die Synthese von MHC-Klasse-I- und -IIAntigenen, die die Peptidfragmente der Virusproteine präsentieren und so die Bildung spezifischer cytotoxischer T-Zellen und T-Helferzellen bewirken. Da die Letzteren selbst wiederum Cytokine sezernieren, wird die Cytokininduktionsschleife noch weiter verstärkt (䉴 Kapitel 8). Alle diese Vorgänge sollen dazu beitragen, die Virusvermehrung einzudämmen und möglichst lokal zu begrenzen. Bei einigen Viruserkrankungen kann – insbesondere bei immunsupprimierten Patienten – diese immunologische Schutzbarriere durchbrochen sein. Dann sind auch nach einer hämatogenen Ausbreitung sekundär bedingte Infektionen in der Schleimhaut des Verdauungstraktes möglich. Dies gilt beispielsweise für das Cytomegalovirus, das bei immunsupprimierten Patienten schwere Epitheldefekte und Geschwürbildungen (Ulzerationen) in der Darmschleimhaut verursacht. Bei den mit Exanthemen einhergehenden Viruskrankheiten wie beispielsweise Masern oder Windpocken (䉴 Abschnitte 15.3 und 19.5) infizieren die Erreger nach einer hämatogenen Ausbreitung im Organismus die Endothelzellen der Kapillargefäße und – unter Umständen von hier aus – die Zellen der Haut. Die durch die Virusreplikation in den Hautzellen und die Immunabwehr verursachte Entzündung äußert sich als Ausschlag. Dabei kann zwischen zwei Exanthemformen unterschieden werden: 1. Exantheme, bei denen sich die Erreger aktiv in den Hautzellen vermehren, wie Herpes simplex- und Varicella-Zostervirus (䉴 Abschnitt 19.5), Pockenviren (䉴 Abschnitt 19.6), Papillomaviren (䉴 Abschnitt
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4 Pathogenese
19.3) und einige Vertreter der Coxsackie-A-Viren (䉴 Abschnitt 14.1). 2. Exantheme, bei denen die Viren sich nicht aktiv in den Hautzellen vermehren, aber komplexiert mit Antikörpern in den Kapillargefäßen deponiert werden. Dies löst die Immunabwehr und somit die Entzündungsreaktionen aus. Derartige Versionen des Hautauschlags findet man bei Infektionen mit Röteln- und Masernviren (䉴 Abschnitte 14.6 und 15.3), dem humanen Herpesvirus 6 (䉴 Abschnitt 19.5) und dem Parvovirus B19 (䉴 Abschnitt 20.1).
tis, also eine Entzündung der Ohrspeicheldrüsen. Neben den Speicheldrüsen erreichen Mumpsviren hämatogen auch die Hoden und die Bauchspeicheldrüse – Organe, in denen sich die Erreger vermehren und Entzündungen bewirken. Entzündungen der Bauchspeicheldrüse werden gelegentlich auch durch Coxsackieviren verursacht, die das Organparenchym und die Inselzellen infizieren (䉴 Abschnitt 14.1). Beide Virusarten werden als Auslöser eines Diabetes mellitus vom Typ 1 diskutiert. Hantaviren infizieren nach einer hämatogenen Verbreitung im Organismus die Nieren und können sie schädigen (䉴 Abschnitt 16.2).
Lunge Infektionen der Lunge manifestieren sich überwiegend als Entzündung der Bronchien und Bronchiolen oder als Pneumonie; mit am häufigsten werden sie durch das respiratorische Syncytialvirus und durch Influenza-, Parainfluenza, Adeno-, aber auch Masernviren verursacht (䉴 Abschnitt 15.3). Die Viruspartikel gelangen durch ihre kontinuierliche Verbreitung in der Bronchialschleimhaut in die feinsten Verzweigungen des Bronchialbaumes und infizieren die Bronchial- und Alveolarepithelzellen. Diese schwellen an, versperren die Alveolen und werden schließlich abgestoßen. Bakterielle Überinfektionen des durch die Virusinfektion geschädigten Bronchialepithels können die Krankheit verschlimmern und sekundäre bakterielle Bronchopneumonien und interstitielle Lungenentzündungen verursachen.
Der Fetus als Manifestationsort Der Kreislauf des werdenden Kindes ist von dem der Mutter durch die Placentaschranke getrennt. Sie verhindert, dass mütterliche Zellen in den fetalen Organismus gelangen. Manche Proteine und andere niedermolekulare Stoffe können diese Schranke jedoch passieren. Bei Schwangeren werden hämatogen verbreitete Viren wie beispielsweise die Röteln-, die Cytomegaloviren und das Parvovirus B19 über das Blut in die Placenta transportiert und infizieren dort die Endothelzellen. Durch die Infektion der Placenta können die Erreger auf das ungeborene Kind übertragen werden und etablieren dort eine kindliche Infektion. Als Folge kommt es zu bleibenden Embryooder Fetopathien, aber auch zum Tod des Feten (䉴 Abschnitte 14.6, 19.5 und 20.1).
Weitere Organe als Manifestationsorte nach einer lymphohämatogenen Verbreitung Die Formen der Konjunktivitis, die man bei Masernvirusinfektionen beobachtet, entstehen wahrscheinlich nach einer hämatogen Verbreitung des Virus im Organismus und nicht durch eine exogene Übertragung auf das Auge, wie man sie bei Adenoviren beobachtet (䉴 Abschnitte 15.3 und 19.4). Vor allem Coxsackieviren infizieren im Verlauf ihrer virämischen, hämatogenen Ausbreitung Herzmuskel und -beutel und verursachen in diesen Organen Entzündungen (䉴 Abschnitt 14.1). Beide Krankheitsformen heilen gewöhnlich aus, die Myokarditis kann aber chronische Formen annehmen. Die Leber wird von den verschiedenen Hepatitis verursachenden Viren nach einer hämatogenen Verbreitung infiziert. Das HepatitisB-Virus gelangt dabei beispielsweise in der Leber durch Spalten im Endothel in die perivasculären Räume, die sogenannten Disseschen Räume, und auf diesem Wege zu den Hepatocyten. Dort bindet es sich an spezifische Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, wird von den Zellen aufgenommen und kann sich in ihnen replizieren (䉴 Abschnitt 19.1). Die Speicheldrüsen werden offenbar hämatogen durch das Mumpsvirus (䉴 Abschnitt 15.3) infiziert. Die Folge ist eine ein- oder beidseitige Paroti-
Infektionen des Gehirns Zwischen dem Blut und dem zentralen Nervensystem, das aus Gehirn und Rückenmark besteht, befinden sich im Körper spezielle Barrieren, die das zentrale Nervensystem vom Immunsystem des Körpers abgrenzen, nämlich die Blut-Hirn- und die Blut-Liquor-Schranke. Die Blut-Hirn-Schranke ist besonders stark ausgeprägt. Sie besteht aus einer Schicht eng miteinander verbundener Endothelzellen und einer Basalmembran, die das Gehirn durchziehenden Kapillaren auskleiden (tight junctions). Die Ausläufer der Mikroglia – diese Zellen stammen von Makrophagen ab – und der Astrocyten sitzen dem Endothel mit Fortsätzen auf und umgeben so die Gefäße. Die interstitielle oder Gewebeflüssigkeit wird durch die Schlingen des zottenreichen Adergeflechts sezerniert, das bis in den Subarachnoidalraum hineinragt. Der Liquor, das heißt die Cerebrospinalflüssigkeit, wird vom Plexus chorioideus abgesondert und kommuniziert seinerseits mit der interstitiellen Flüssigkeit. Die Blut-Liquor-Schranke ist für Proteine, Viren und andere nichtlipidlösliche Stoffe normalerweise undurchdringlich. Manche Viren, beispielsweise die Tollwut- und die Bornaviren, können diese Schranke durch neurogene Ausbreitung entlang der Nervenfasern umgehen und so in das Rückenmark
4.2 Weiterführende Literatur
und das Gehirn gelangen, wo sie Entzündungen der Hirnhaut (Menigitis) oder des Gehirns (Encephalitis) verursachen (䉴 Abschnitte 15.1 und 15.2). Andere Erreger, wie die Polio- oder die FSME-Viren, überwinden die Barrieren vermutlich ähnlich wie beim Eintritt in andere Organe durch eine Infektion der Endothelzellen (䉴 Abschnitte 14.1 und 14.5). Aktivierte Makrophagen werden von der Blut-Hirn-Schranke nicht aufgehalten. Sie lagern sich mittels der Adhäsionsmoleküle auf ihren Oberflächen (ICAM, VCAM) an die entsprechenden Rezeptoren auf den Endothelzellen an, die während des Infektions- und Entzündungsprozesses induziert werden und gelangen über Spalten in den Kapillarwänden in das Gehirn. Treffen sie dort auf infizierte Zellen, Viruspartikel oder Fremdproteine, so sezernieren sie Cytokine, welche die Expression von MHC-Klasse-Iund -II-Peptidkomplexe auf den normalerweise immunologisch nichterkennbaren Gehirnzellen induzieren. Dadurch werden infizierte Gliazellen und Neuronen für cytotoxische T-Zellen angreifbar. Manche Viren, unter anderem Coxsackie-, FSME- und Mumpsviren, erzeugen Entzündungen der weichen Hirnhaut, die auf die Hirnrinde übergreifen können (Meningoencephalitis; 䉴 Abschnitte 14.1, 14.5 und 15.3). Andere, beispielsweise das Poliovirus, können zusätzlich Encephalitiden beziehungsweise Poliomyelitiden (Entzündungen der grauen Zellen der Vorderhörner des Rückenmarks) hervorrufen (䉴 Abschnitt 14.1). Zu Entmarkungen kommt es vor allem bei Infektionen der weißen Substanz, die überwiegend myelinhaltige Nervenfasern enthält. Sie entstehen auch aufgrund autoimmuner Prozesse als Folge von Virusinfektionen, etwa bei der durch das Masernvirus beim Menschen oder das Staupevirus beim Hund verursachten postinfektiösen Encephalitis (䉴 Abschnitt 15.3). Die Makrophagen lösen im virusinfizierten Gehirn immunologische Abwehrreaktionen aus, die mit Entzündungen einhergehen. Sind die Makrophagen selbst mit Viren infiziert, stellen sie für die Erreger einen
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weiteren Weg zur Überwindung der Barrieren dar. Häufig transportieren daher infizierte Makrophagen die Viren in das Gehirn und setzen sie hier frei. In der Folge können die Viren weitere Zellen infizieren und so die oben beschriebenen Symptome auslösen. Dieser Vorgang ist vor allem für Infektionen des Gehirns durch die humanen Immundefizienzviren beschrieben (䉴 Abschnitt 18.1).
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5 Zellschädigung Die mit Infektionen verbundenen Erkrankungssymptome beruhen auf virusbedingten Schädigungen der infizierten Zellen und Gewebe. Man unterscheidet die direkte Zellzerstörung als Folge der Virusreplikation, wie man sie bei den Vertretern der Picornaviren (䉴 Abschnitt 14.1) findet, von indirekten, meist immunpathologisch verursachten Schäden. Bei letzteren handelt es sich um schädigende Auswirkungen der Immunant-
5.1 Zelltod: Was ist eine Nekrose und wie erkennt man die Apoptose? In Folge einer Virusinfektion findet man meist Nekrosen, das sind pathologische Zellschädigungen, die auf einer Kombination der direkten, virusverursachten und indirekten, immunologisch verursachten Schäden beruhen können. Dabei schwellen die Zellen an, es kommt zum Verlust der Membranintegrität und – relativ spät – zum Abbau der DNA. In der Umgebung der nekrotischen Zellen werden immunologische, entzündliche Reaktionen ausgelöst, die zusätzlich zum Krankheitsbild beitragen. Von der Nekrose zu unterscheiden sind die Vorgänge des programmierten Zelltodes, der Apoptose, die in virusinfizierten Zellen eingeleitet werden. Diese nach einem festgelegten Programm erfolgenden physiologischen Zelleliminierungen finden in allen vielzelligen Organismen statt, beispielsweise bei der Organdifferenzierung, bei der Zerstörung funktionslos gewordener Neurone oder der Entfernung einer Vielzahl autoreaktiver T-Lymphocyten während der Embryonalentwicklung. Morphologisch sterben dabei immer nur einzelne Zellen in einem ansonsten gesunden Zellverbund oder Organ ab. Die Apoptose kann durch verschiedene Pro-
wort, die vom Organismus eigentlich zur Eliminierung der Erreger entwickelt wurde (䉴 Kapitel 7 und 8). So werden beispielsweise im Verlauf einer Hepatitis-BInfektion die Leberzellen durch cytotoxische T-Zellen angegriffen und lysiert, das Immunsystem trägt also entscheidend selbst zur Entstehung der Symptome bei (䉴 Abschnitt 19.1).
zesse ausgelöst werden (䉴 Abbildung 5.1) und beginnt mit einer Schrumpfung des Zellkernes; erst relativ spät kommt es zum Zerfall der Plasmamembran und so zur Auflösung der Zelle. Dabei bilden sich viele apoptotische Vesikel. Diese Membranvesikel schließen alle Bestandteile der absterbenden Zelle ein und werden rasch von Makrophagen aufgenommen, die sich in der Umgebung befinden. Entzündliche oder immunologische Reaktionen werden nicht induziert. Im Unterschied zur Nekrose wird die DNA der apoptotischen Zellen rasch abgebaut und es entstehen charakteristische Bruchstücke, die den nucleosomenassoziierten DNA-Abschnitten von 180 bis 200 Basenpaaren entsprechen. Biochemisch ist die Apoptose – und darin unterscheidet sie sich wiederum von der Nekrose – ein induzierbarer, energieabhängiger Vorgang mit gesteigerter RNA- und Proteinbiosynthese. Wird die Apoptose in virusinfizierten Zellen spät während des Replikationszyklus eingeleitet, dann werden in ihrem Verlauf meist auch die Nachkommenviren freigesetzt. Man vermutet, dass diese Vorgänge unter anderem bei der Pathogenese von mit Parvo- und Circoviren assoziierten Erkrankungen eine entscheidende Rolle spielen (䉴 Abschnitte 20.1 und 20.2). Die früh während des Replikationszyklus induzierte Apoptose der infizierten Zelle stellt hingegen einen Abwehrvorgang dar, der die effiziente Virusvermehrung zu verhindern strebt. Daraus kann geschlossen werden, dass die Apoptose sowohl positive als auch
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5 Zellschädigung
äußere Signale
Zellmembran
TNFα TNFαRezeptor
cytotoxische T-Zellen
Fas
Mangel an WachstumsGlucocorticoide Wachstums- Virusinfektion faktoren faktoren Glucocorticoidrezeptor virale Proteine p53
Cytoplasma
DNASchäden
Signal virales bcl-2-Gen (Epstein-Barr-Virus)
Signal
Endonuclease
Zellkern
zelluläres bcl-2-Gen
DNA-Fragmentierung
Zelltod 5.1 Apoptose induzierende Mechanismen. Dargestellt sind verschiedene Signale und Vorgänge, welche die Apoptose, den programmierten Zelltod, auslösen (+) beziehungsweise hemmen (–) können. Unterschiedliche virale Genprodukte sind hierbei in der Lage, die Apoptose zu fördern oder zu behindern. Die intrazellulären Signalkaskaden, die zum Zelltod führen, sind in diesem Schema nicht im Detail dargestellt.
negative Auswirkungen auf den Lebenszyklus des jeweiligen Virus ausüben kann. Dementsprechend haben Viren eine große Vielzahl von molekularen Mechanismen entwickelt, um sich der Apoptose entweder zu entziehen, oder um diese geschickt zur eigenen Vermehrung zu nutzen.
5.2 Welche Konsequenzen haben produktive Virusinfektionen für die betroffenen Zellen? Mit den ersten Schritten der Replikation, das heißt der Adsorption der Viren an die Zelloberfläche und ihrer Aufnahme, beginnt die Einflussnahme der Erreger auf die Zelle. Entscheidend hierfür sind die spezifischen Eigenschaften sowohl des Virus als auch des Wirtsorganismus. Die Auswirkungen dieses Zusammenspiels auf die Zelle werden mit dem Begriff der Cytopathogenität umschrieben.
5.2.1 Veränderungen der Zellmorphologie Die wichtigste Form des in vitro erkennbaren Zellschadens manifestiert sich als Abkugelung der Zellen, der meist die Lyse folgt. Diese Veränderung der Morphologie lässt sich in idealer Weise bei Epithel- oder Fibroblastenkulturen beobachten, die in einschichtigen Zellverbänden als sogenannte Zellrasen (Monolayer) wachsen und sich bei der virusbedingten Abkugelung von den Nachbarzellen lösen. Diese Art des Zellschadens, der das Sterben der Zelle anzeigt, stellt die klassische Form des cytopathischen Effekts dar (䉴 Abbildung 5.2). Er spiegelt den Einfluss viruscodierter Funktionen auf zelluläre Prozesse wider, die den Bedürfnissen des Erregers angepasst werden. So wird der Zellstoffwechsel bei vielen Virusinfektionen selektiv abgeschaltet. Picornaviren (䉴 Abschnitt 14.1) können beispielsweise ihr mRNAGenom unabhängig von der Anwesenheit des Cap-Binding-Komplexes translatieren. Dies gestattet es ihnen, mithilfe einer viruscodierten Protease einzelne Komponenten dieses Komplexes abzubauen und die Synthese zellulärer Polypeptide zu unterbinden. Herpes-simplex-
5.2 Welche Konsequenzen haben produktive Virusinfektionen für die betroffenen Zellen?
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5.2 Ausbildung eines cytopathischen Effekts mit Zellabkugelung am Beispiel einer Zellkultur, die mit Polioimpfviren infiziert ist. Links oben: uninfizierte Zellkultur (HeLa-Zellen). Rechts oben: 24 Stunden nach der Infektion mit Polioimpfviren runden sich einzelne Zellen ab und lösen sich aus dem Zellrasen, der am Boden der Kulturflasche festgewachsen ist. Links unten: 48 Stunden nach der Infektion haben die Polioimpfviren vom initialen Infektionsherd aus die Nachbarzellen infiziert, die ebenfalls mit der Abkugelung beginnen. Es bildet sich ein sogenannter Plaque aus infizierten, abgekugelten Zellen. Die umgebenden Zellen sind in diesem Stadium noch weitgehend ungeschädigt. Rechts unten: 72 Stunden nach der Infektion sind alle Zellen in der Kultur infiziert. Fast alle haben sich von der Unterlage gelöst, sodass man nur noch wenige am Boden der Zellkulturflasche haftende Zellen findet. Der dichte Zellrasen ist verschwunden.
Viren (䉴 Abschnitt 19.5) enthalten als Teil der Partikel einen vhs-Faktor (virus-host-shutoff-Faktor), der bei der Infektion mit in die Zelle eingebracht wird. Er hemmt die zelluläre DNA-, RNA- und Proteinsynthese. Adenoviren (䉴 Abschnitt 19.4) regulieren durch das Zusammenwirken zweier viraler Proteine, des E1B- und des E4/34 kD-Proteins, den Export der mRNA aus dem Zellkern in das Cytoplasma. Dabei werden zellspezifische Transkripte im Kern zurückgehalten. Exportiert und somit translatiert werden ausschließlich die viralen Produkte. Auch dies leitet den Zusammenbruch des Zellstoffwechsels ein.
Während der Virusreplikation ändern sich meist die Zusammensetzung und Integrität der Zellkomponenten: In die Cytoplasmamembran werden virale Glycoproteine eingelagert, die MHC-Antigene präsentieren Peptide, welche wiederum von viralen Proteinen abgeleitet sind, die Expressionsrate zellulärer Stressfaktoren (Chaperone wie Hsp60, Hsp70, Hsp90, früher Hitzeschockproteine genannt) wird erhöht und Differenzierungsantigene und andere Zellkomponenten werden vermehrt oder vermindert produziert und verleihen so der infizierten Zelle ein neues Erscheinungsbild. Daran schließen sich Schädigungen an, die den Ionengehalt in
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5 Zellschädigung
A
5.3 Einschlusskörperchen. A: Nucleäre Einschlusskörperchen in HeLa-Zellen, die mit Herpes-simplex-Virus Typ 1 infiziert sind. Diese hier mit Pfeilen gekennzeichneten Strukturen bestehen aus Virusproteinen, die sich im Kern anreichern und abgelagert werden. Sie sind von einem weißen Hof umgeben, an dem man sie auch erkennen kann. B: Cytoplasmatische Einschlusskörperchen in HeLa-Zellen, die mit Vacciniaviren infiziert sind. Auch diese aus Virusproteinen bestehenden Einschlusskörperchen (schwarze Pfeile) sind von einem hellen Hof umgeben. Die Zellkerne sind in dieser Abbildung durch die offenen Pfeilspitzen gekennzeichnet. C: Negrische Einschlusskörperchen (Pfeile) im Tupfpräparat von einem tollwutinfizierten Tier. Es handelt sich um cytoplasmatische Einschlusskörperchen aus Virusproteinen und Lipiden, die nach der Methode von van Gieson violett anfärbbar sind.
B
C
5.2 Welche Konsequenzen haben produktive Virusinfektionen für die betroffenen Zellen?
den Zellkompartimenten verändern. Aus den Lysosomen werden Enzyme überwiegend proteolytischer Natur freigesetzt, die den Zellschaden verstärken. Sie sind vermutlich an der Zerstörung der Mikrofilamente, der Mikrotubuli und des Cytokeratingerüstes der Zellen beteiligt, was zur Abkugelung führt. Auch verändert sich die Struktur der Kontaktstellen, durch die sich die Zellen aneinander binden oder an ihre Unterlage (in vitro der Boden der Kulturflasche) heften, sodass die Kontakte verloren gehen. Auch dies trägt zu der beobachteten Abkugelung bei. Neben dem Auftreten des cytopathischen Effektes deutete man bereits frühzeitig Einschlusskörperchen als Anzeichen dafür, dass Organismen oder Zellen einer Kultur mit Viren infiziert sind (䉴 Abbildung 5.3). Dabei handelt es sich um in der Zelle abgelagerte Virusproteine oder -partikel, die sich durch Anfärben nachweisen lassen. Bei Viren mit RNA-Genomen sind die Einschlusskörperchen in der Regel im Cytoplasma, bei Viren mit DNA-Genomen hingegen im Zellkern vorhanden. Ausnahmen sind Pockenviren (DNA-Viren) mit cytoplasmatischen Einschlusskörperchen und Influenza- und Bornaviren – beide verfügen über ein RNA-Genom – mit nucleären Einschlusskörperchen.
5.2.2 Riesenzellbildung Die Ausbildung von Riesenzellen, auch als Polykaryocyten oder Syncytien bezeichnet, wurde schon früh sowohl in vivo als auch in vitro beobachtet (䉴 Abbildung 5.4).
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Man fand diese vielkernigen Zellen erstmals in Rachenabstrichen von Patienten, die mit Masernviren infiziert waren, und beschrieb sie als Warthin-Finkeldeysche Riesenzellen. Namensgebend und besonders stark ausgeprägt ist diese Eigenschaft auch beim respiratorischen Syncytialvirus. Ähnliche Syncytien hat man in Ausstrichen von durch Herpes-simplex-Viren verursachten Hautbläschen nachgewiesen. Die Polykaryocyten entstehen durch die Fusion von Einzelzellen, die die Viren auf unterschiedliche Weise einleiten. Paramyxoviren (䉴 Abschnitt 15.3) haben die Eigenschaft, nach der Adsorption der Partikel an die Zelloberfläche durch die Aktivität des in der Virushüllmenbran verankerten FProteins die Fusion der eigenen mit der Cytoplasmamembran zu vermitteln – ein Vorgang, über den die Aufnahme des Nucleocapsids in die Zelle erfolgt. Dieser Prozess ist unabhängig von der Anwesenheit des Virusgenoms, er kann also auch durch die Virushülle allein – auch als Virosom bezeichnet – eingeleitet werden. Im weiteren Verlauf der Virusreplikation kommt es in der Zelle zur Neusynthese von Virusproteinen, die in die Cytoplasmamembran eingelagert werden und die Fusion mit den Membranen der Nachbarzellen bewirken. Diese Membranverschmelzung virusinfizierter Zellen mit solchen, die bis zu diesem Zeitpunkt frei von den jeweiligen Erregern waren, kann zur Verbreitung infektiöser Viren im Organismus beitragen. Außer bei den Paramyxo- und bei Herpesviren findet man diese Art der Fusion beispielsweise beim humanen Immundefizienzvirus und bei den Pockenviren (䉴 Abschnitte 18.1 und 19.6).
5.4 Riesenzellbildung in einer Kultur, die mit dem respiratorischen Syncytialvirus infiziert ist. Die Abbildung zeigt mehrere vielkernige Syncytien (Pfeile), die durch Fusion vieler Zellen entstanden sind. In der Umgebung findet man durch die Infektion abgekugelte Zellen.
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5 Zellschädigung
5.3 Inwiefern können auch Viren im Latenzzustand Zellen schädigen? Von den produktiven Virusinfektionen, die mit der Freisetzung meist großer Mengen an Nachkommenviren einhergehen, kann man solche abgrenzen, bei denen sich das Virus mit der Zelle, beziehungsweise dem befallenen Organismus, in einem Gleichgewichtszustand befindet. Dabei kommt es weder zur Eliminierung des Virus noch zur offensichtlichen Schädigung der Zellen. Viren, die latente oder chronisch-persistierende Infektionsformen entwickeln können, verursachen in bestimmten Fällen eine Transformation der Zellen (䉴 Kapitel 6). Während der Latenz liegen nur das Virusgenom und eventuell einige wenige virale Genprodukte in der Zelle vor; der produktive Zyklus ist unterbrochen. Bei den Retroviren wird die virale Erbinformation in das Genom der Wirtszelle integriert. Zu einer Schädigung der Zelle kann es unter Umständen schon durch die Integration des Virus in das Genom kommen, wenn dabei essenzielle Wirtsgene unterbrochen oder in veränderter Form reguliert werden (Integrationsmutagenese). Überwiegend treten die Infektionsfolgen jedoch erst nach der Aktivierung des integrierten Virusgenoms auf und werden dann durch die jeweiligen gebildeten Virusproteine verursacht. Die Expression der Virusgene kann nur durch bestimmte Faktoren eingeleitet werden, die beispielsweise im Verlauf von Differenzierungsprozessen von der Zelle synthetisiert werden. So wird die Expression des Genoms des humanen Immundefizienzvirus erst durch den Kernfaktor NFκB ermöglicht, der in seiner aktiven Form in immunologisch stimulierten TZellen vorliegt (䉴 Abschnitt 18.1). Bei den onkogenen α-, β- und γ-Retroviren wird neben der Synthese der Strukturproteine und Enzyme auch die Expression der viralen Onkogene eingeleitet, welche die Zellen transformieren und die Tumorbildung einleiten können. Bei den α-Herpesviren wie den Herpes-simplexViren kennt man eine andere Art der Latenz: In den Nervenzellen liegt ihr Genom episomal, das heißt als zirkuläres DNA-Molekül im Kernplasma vor. Es erfolgt zwar keine Virus- oder Proteinsynthese, jedoch findet eine Minimalexpression von bestimmten RNA-Spezies statt, die über den Mechanismus der RNA-Interferenz den Abbau der viralen mRNAs bewirken und zur Aufrechterhaltung der Latenz beitragen (䉴 Abschnitt 19.5). Der Zellschaden tritt auch in diesem Fall erst nach der Reaktivierung auf, die durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden kann. Andere Herpesviren benötigen für
die Einleitung und Aufrechterhaltung der Latenz die funktionelle Aktivität viraler Proteine, die den Übergang in die produktive Infektionsphase verhindern, zugleich aber die Zelle immortalisieren. So haben latent mit dem Epstein-Barr-Virus infizierte B-Zellen die Fähigkeit, sich unendlich zu teilen. Das Virus leitet hier – in Verbindung mit zusätzlichen Einflüssen – unter Umständen die Transformation der Zelle ein. Bei Papillomaviren (䉴 Abschnitt 19.3) ist der Übergang von der latenten Infektionsform in den basalen Zellschichten der Haut in die produktive vom Zelldifferenzierungzustand abhängig: Die produktive Infektionsform ist mit dem Absterben der Zelle verknüpft und wird durch bestimmte Zellfaktoren eingeleitet, die nur in den Keratinocyten, also in den obersten Hautschichten, vorkommen. Die in den vergangenen Jahren entwickelten hochsensitiven Methoden zum Nachweis von Nucleinsäuren mittels der Polymerasekettenreaktion (䉴 Kapitel 13) haben jedoch gezeigt, dass Virusgenome gelegentlich über längere Zeit im Organismus erhalten bleiben. Im Fall des humanen Parvovirus B19 findet man auch Jahrzehnte nach der Infektion Virusgenome in den Zellen vieler Gewebe (䉴 Abschnitt 20.1). Ob die Persistenz der Nucleinsäuren mit gelegentlichen Reaktivierungen der Erreger verbunden ist oder ob sie durch Einleitung unspezifischer Immunreaktionen, beispielsweise durch Aktivierung der durch toll-like-Rezeptoren vermittelten Abwehr zu chronischen Entzündungen beiträgt, ist unklar (䉴 Kapitel 7). Außer dieser Form der klassischen Latenz, bei der keine oder nur eine Minimalexpression des Virusgenoms erfolgt, kennt man persistierende oder chronische Infektionsformen, bei denen eine kontinuierliche, geringe Vermehrung und Freisetzung der Erreger erfolgt. Es entsteht ein ideales Gleichgewicht zwischen der Virusvermehrung und dem Überleben der Zelle. Diese chronischen Infektionsformen findet man beispielsweise beim Hepatitis-B-Virus, beim Epstein-Barr-Virus und bei einigen Vertretern der Adenoviren; diese verfügen über Mechanismen, die es ihnen erlauben, der Eliminierung durch das Immunsystem zu entgehen (䉴 Abschnitte 19.1, 19.4 und 19.5). Aber auch bei anderen, sich üblicherweise lytisch vermehrenden Virusarten scheinen sie große Bedeutung zu haben: Beim Masernvirus werden persistierende Verläufe mit der Entstehung der subakuten sklerotisierenden Panencephalitis (SSPE) in Verbindung gebracht (䉴 Abschnitt 15.3). Zunehmend mehren sich auch die Hinweise, dass Viren die Einleitung der Apoptose gezielt verhindern, um auch dieser Abwehrstrategie zu entgehen. So finden sich bei einigen Picornaviren lang andauernde Verläufe (䉴 Abschnitt 14.1). Bei chronisch-persistierenden Infektionen entstehen häufig Virusmutanten. Inwieweit diese oft defekten
5.5 Weiterführende Literatur
Viren für Zellschädigung und chronische Verläufe verantwortlich sind, ist unklar.
5.4 Auf welche Weise verändern Viren das Wirtsgenom? Einige Virusarten können im weitesten Sinn als mutagene Agenzien gelten, da sie im Verlauf der Replikation ihr Genom als Ganzes oder in Teilen in die DNA der Wirtszelle integrieren. Hierdurch können zelluläre Gene zerstört werden, oder es gelangen genetisch ruhige, das heißt wenig transkribierte Gene unter den Einfluss viraler Promotoren – mit der Folge, dass die Genprodukte dann in hohen Konzentrationen vorliegen und in der Zelle aktiv werden. Als Folge von Integrationsvorgängen sind sowohl der Tod der Zelle als auch ihre Transformation zur potenziellen Tumorzelle denkbar (䉴 Kapitel 6). Bei einigen Virusinfektionen bewirken nekrotische oder apoptotische Prozesse die Zerstörung oder Fragmentierung des Wirtsgenoms. Erholt sich die Zelle hiervon, kann es bei der folgenden Reparatur zu Translokationen, Deletionen und Amplifikationen von Chromosomenabschnitten kommen. Verleihen diese der betroffenen Zelle einen Wachstumsvorteil, so wird sie im weiteren Verlauf selektiert. Translokationen des kurzen Armes des Chromosoms 14 auf die Chromosomen 2, 8 oder 22 treten bei Burkitt-Lymphomen auf, die durch das EpsteinBarr-Virus verursacht werden. Hierdurch wird das zelluläre myc-Gen überexprimiert. Ob es sich um spezifische, durch das Virus induzierte Translokationen
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handelt oder um einen Selektionsprozess nach einer allgemeinen Genomschädigung, ist unklar (䉴 Abschnitt 19.5).
5.5 Weiterführende Literatur Flint, S. J.; Enquist, L. W.; Krug, R. M.; Racaniello, V. R.; Skalka, A. M. Principles of Virology. Molecular Biology, Pathogenesis, and Control. 2. Aufl. Washington (ASM Press) 2004. Jacobson, M.; McCarthy, N. Apoptosis. Oxford (Oxford University Press) 2002. Jindal, S.; Malkovsky, M. Stress Responses to Viral Infections. In: Trends in Microbiol. 2 (1994) S. 89–91. Krammer, P. H. Apoptose. In: Deutsches Ärzteblatt 97 (2000) S. 1315–1322. Luftig, R. B.; Lupo, L. D. Viral Interactions with the Host Cell Cytoskeleton: The Role of Retroviral Proteases. In: Trends in Microbiol. 2 (1994) S. 179–182. Mims, C. A.; Nash, A.; Stephen, J. The Pathogenesis of Infectious Diseases. San Diego, Boston, New York (Academic Press) 2001. Nathanson, N.; Ahmed, R.; Brinton, M. A.; Gonzales-Scarano, F.; Biron C. A.; Griffin, D. E.; Holmes, K. V.; Murphy, F. A.; Overbaugh, J.; Richman D. D.; Robertson, E., S.; Robinson, H. L. Viral Pathogenesis and Immunity. 2. Aufl. London, Burlington, San Diego (Academic Press, Elsevier) 2007. Riede, U.-N.; Werner M.; Schaefer H.-E. Allgemeine und spezielle Pathologie. 5. Aufl. Stuttgart (Georg Thieme) 2004. Smith, G. L. Virus Strategies for Evasion of the Host Response to Infection. In: Trends in Microbiol. 2 (1994) S. 81–88. Tomei, L. D.; Cape, F. O. Apoptosis II: The Molecular Basis of Apoptosis in Disease. New York (Cold Spring Harbor Laboratory Press) 1994. Underwood, J. C. E. General and systematic pathology. 4. Aufl. Edinburgh (Churchill Livingstone) 2004.
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6 Transformation und Tumorbildung Schon früh erkannte man, dass Viren bei Tieren Tumorerkrankungen hervorrufen können. Bereits 1911 beschrieb Peyton Rous, dass Viren bei Geflügel Sarkome verursachen. Das verantwortliche tumorauslösende Virus wurde später nach ihm Rous-Sarkomvirus benannt. In den folgenden Jahrzehnten entdeckte man eine Vielzahl von Viren, die bei Geflügel und Nagetieren unterschiedliche Krebserkrankungen wie Lymphome, Sarkome und Karzinome auslösen können. Viele von ihnen gehören zur Familie der Retroviridae und wurden den Gattungen der α-, β- und γ-Retroviren zugeordnet. Die Mehrzahl dieser Erreger wurde aus Inzuchtstämmen der jeweiligen Tierarten oder aus Zellkulturen isoliert; unter natürlichen Bedingungen sind sie als Verursacher von Tumorerkrankungen der jeweiligen Tierarten wahrscheinlich ohne Bedeutung. Eine Ausnahme sind die Leukoseviren der Katze (FeLV; 䉴 Abschnitt 18.1). Das tumorerzeugende Potenzial der onkogenen Retroviren beruht auf transformationsaktiven Proteinen (v-Onc). Sie ähneln zellulären Produkten (c-Onc, auch Protooncogen genannt), die gewöhnlich an der geregelten Zellteilung beteiligt sind. Die viralen Onc-Proteine sind gegenüber zellulären Produkten durch Mutationen derart verändert, dass sie im Gegensatz zu diesen keiner Kontrolle mehr unterliegen, also konstitutiv aktiv sind. Tatsächlich war die Entdeckung der viralen Onkogene wegweisend für die Entschlüsselung der zellulären Onkogene und somit für das Verständnis der molekularen Grundlagen der Regulation der Zellteilung und der Krebsentstehung. Hinweise, dass es auch Retroviren gibt, die beim Menschen Tumorerkrankungen verursachen, fand man erst 1982, als Robert Gallo die humanen T-Zell-Leukämieviren (HTLV) entdeckte (䉴 Abschnitt 18.1). Die meisten Viren, die mit Tumorerkrankungen beim Menschen korreliert sind, besitzten jedoch ein DNA-Genom. Deren wichtigste Vertreter sind die Papillomaviren, die Karzinome vor allem in der Genital-
schleimhaut und verschiedene maligne Hauttumoren verursachen (䉴 Abschnitt 19.3), das Hepatitis-B-Virus, das an der Entstehung des primären Leberkarzinoms des Menschen beteiligt ist (䉴 Abschnitt 19.1), sowie das Epstein-Barr-Virus und das humane Herpesvirus Typ 8, die als Vertreter der Herpesviren in engen kausalen Beziehungen zu Burkitt-Lymphomen und Nasopharynxkarzinomen beziehungsweise zu Kaposi-Sarkomen stehen (䉴 Abschnitt 19.5). Das Hepatitis-C-Virus, das als Flavivirus (䉴 Abschnitt 14.5) ein einzelsträngiges RNA-Genom besitzt, ist – ähnlich wie das Hepatitis-BVirus – mit Leberkarzinomen assoziiert. Kürzlich wurde das Merkelzell-Polyomavirus als ein weiterer Erreger entdeckt, der kausal mit einer Tumorerkrankung des Menschen, nämlich dem Merkel-Zell-Karzinom, assoziiert ist (䉴 Abschnitt 19.2). Man schätzt, dass etwa 15 bis 20 Prozent aller humanen Krebserkrankungen ätiologisch durch Virusinfektionen ausgelöst werden. Adenoviren, deren Infektionen beim Menschen bisher nicht eindeutig mit malignen Erkrankungen assoziiert werden konnten, können hingegen bei neugeborenen Nagetieren Tumoren induzieren (䉴 Abschnitt 19.4). Ihre Untersuchung trug viel zur Klärung der Mechanismen bei, die an der Zelltransformation und Tumorbildung beteiligt sind. Die Erkenntnisse ließen sich auf etliche der anderen menschlichen Krebserkrankungen übertragen. Das gilt in ähnlicher Weise auch für das Virus SV40, das unter natürlichen Bedingungen Affen infiziert, bei neugeborenen Hamstern und Mäusen aber maligne Erkrankungen verursacht (䉴 Abschnitt 19.2). Die DNATumorviren und auch das Hepatitis-C-Virus besitzen keine klassischen v-onc-Gene, wie man sie bei den Retroviren findet. Heute weiß man, dass sie durch bestimmte virale Regulatorproteine vor allem die Funktion der zellulären Tumorsuppressoren ausschalten und so die maligne Entartung der Zellen einleiten beziehungsweise unterhalten.
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6 Transformation und Tumorbildung
6.1 Wodurch sind transformierte Zellen gekennzeichnet? Die malignen Eigenschaften der verschiedenen Viren äußern sich in erster Linie durch ihre Fähigkeit, in vivo Tumoren zu erzeugen. Häufig kann man diesen Prozess auch in experimentellen Tiersystemen induzieren, sodass in vielen Fällen für die Untersuchung der zugrunde liegenden molekularen Mechanismen Tiermodelle zur Verfügung stehen. Entscheidend für die Klärung der malignen Wirkungsweise waren und sind jedoch in vitro-Systeme: Tumorviren können in vitro bestimmte Gewebekulturzellen immortalisieren und auch transformieren. Dies ermöglicht detaillierte experimentelle Untersuchungen und die Klärung der mit der Tumorbildung einhergehenden molekularen Prozesse. Während immortalisierte Zellen durch die viralen Aktivitäten die Fähigkeit zu unendlicher Teilung erlangen, zeichnen sich transformierte Zellen zusätzlich dadurch aus, dass sie bei Übertragung auf geeignete Tiere Tumoren erzeugen. Abgesehen von diesem grundlegenden Unterschied haben beide Zellsysteme viele gemeinsame Charakteristika, die sie von normalen Zellen unterscheiden.
6.1.1 Morphologische Veränderungen Beim Übergang in den transformierten Zustand verändert sich die Form der Zellen: Sie verlieren ihren normalen epitheloiden oder fibroblastenartigen Charakter und nehmen eine überwiegend kugelähnliche Gestalt an. Verantwortlich hierfür ist die mit der Transformation einhergehende Veränderung des Cytoskeletts, welches den Eukaryotenzellen ihre Form verleiht und an der Zellteilung, Zellmotilität und Zellpolarität beteiligt ist. Im Vordergrund steht der Zusammenbruch der intrazellulären Mikrofilamente. Diese bestehen in Nichtmuskelzellen aus den globulären Komponenten β- und γActin, die normalerweise in langen Kabeln mit einem Durchmesser von sieben Nanometer organisiert und durch das Protein Fimbrin quervernetzt sind. Die Actinkabel bilden netzartige Strukturen unterhalb der Cytoplasmamembran, stabilisieren so die äußere Form der Zelle und sind an der korrekten Positionierung der Membranproteine beteiligt. Dabei sind sie mit weiteren Proteinen wie Myosin und Tropomyosin verbunden, welche die Actinfilamente verspannen. Sie sorgen für
den intrazellulären Kurzstreckentransport, zum Beispiel von Vesikeln zur Plasmamembran. An den Stellen der Cytoplasmamembran, wo die Kabel münden, bilden die Zellen Kontakte zu den Nachbarzellen aus oder sind an der Unterlage (in vitro an der Zellkulturschale) festgewachsen. Diese Regionen bezeichnet man als focal contacts. In den Zellen besteht ein dynamisches Gleichgewicht aus monomerem und polymerem Actin. In Gegenwart von Mg2+- und K+-Ionen und unter Bindung von ATP assoziieren die globulären Actinmonomere zu Filamenten, die mit den Polypeptiden α-Actinin, Filamin oder Fimbrin stabilisiert werden. Beim Übergang in den transformierten Zustand geht die kabelähnliche Anordnung der Filamente verloren, und die Actinmonomere verteilen sich diffus über die ganze Zelle. Dies fördert die für die Tumorbildung notwendige Motilität der Zelle. Destabilisierend auf den Polymerisierungsgrad wirkt dabei die Bindung der Proteinkomponenten Profilin, Gelsolin, Vinculin oder Vilin; das actingebundene ATP wird während dieses Vorgangs hydrolysiert. Wodurch die Veränderung der Mikrofilamente auf molekularer Ebene reguliert wird, ist unklar. Man vermutet, dass ein erhöhter Phosphorylierungsgrad des Actins und des Vinculins, wie er in den transformierten Zellen auftritt, daran beteiligt ist. Gleichzeitig mit der Veränderung der Actinfilamente beobachtet man auf den Oberflächen der transformierten Zellen eine Umverteilung der Transmembranproteine. Diese stehen an den Innenseiten der Cytoplasmamembran mit den Actinkabeln in Verbindung und verlieren durch deren Zusammenbruch ihre Anordnung in definierten Gruppen. Damit verändert sich unter anderem der Gehalt an Integrinen und deren Verteilung. Integrine sind membranverankerte Proteine und über ihren cytoplasmatischen Anteil mit den Actinkabeln verbunden. Ihre extrazellulären Domänen sind mit Fibronectin assoziiert, das seinerseits mit Kollagen und Laminin interagiert. Sie bilden zusammen die extrazelluläre Matrix. Diese vermittelt die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Zellen und ist für deren Organisation und Wachstum in Verbänden verantwortlich; sie sorgt dafür, dass Zellen in vitro als einschichtiger Rasen wachsen und mit einer Unterlage, zum Beispiel der Zellkulturschale, verbunden sind (Monolayer). Transformierte Zellen haben aufgrund ihres niedrigen Gehalts an Integrinen deutlich geringere Mengen an Fibronectin auf der Oberfläche und wachsen in Zellhaufen (Foci). Die Konzentrationen verschiedener Ionen-, Zucker- und Aminosäuretransportproteine sind auf den Oberflächen transformierter Zellen erhöht. Damit verbunden ist eine im Vergleich zu normalen Zellen bis auf das Zehnfache gesteigerte Stoffwechselaktivität. Auch die Konzentration weiterer Membranproteine ändert
6.1 Wodurch sind transformierte Zellen gekennzeichnet?
sich: So ist der Gehalt an MHC-Klasse-I-Proteinen meist reduziert, Proteinasen (Metallo-, Cystein- und Serinproteinasen) und Kollagenasen (Typ IV-Kollagenasen, Transin/Stromelin) findet man dagegen vermehrt auf der Zelloberfläche. Diese werden außerdem in die Umgebung abgegeben, was das Potenzial transformierter Zellen zur Invasion in Lymphgefäße und -kapillaren und zur Bildung von Metastasen verstärkt. Als Voraussetzung hierfür müssen die Zellen eines Primärtumors diesen verlassen, die Basalmembran überwinden und in das örtliche Stroma eindringen können, wie dies beispielsweise bei der Metastasierung der durch Papillomaviren induzierten Cervixkarzinome geschieht (䉴 Abschnitt 19.3). Um Anschluss an die Zirkulation zu finden, als sekundäre Kolonie in das neue Zielorgan einzuwandern und hier zu proliferieren, muss der Vorgang der Angiogenese einsetzen, also eine Neubildung von Gefäßen, die den Tumor mit Blut und den darin enthaltenden Nährstoffen versorgen.
6.1.2 Veränderungen des Zellwachstums In vitro transformierte Zellen unterscheiden sich von normalen Zellen in ihrem Wachstumsverhalten. Gewöhnlich heften sich Fibroblasten oder Epithelzellen, die man in eine Zellkulturflasche gibt, an der Plastikoder Glasfläche an. Anschließend teilen sie sich so lange, bis ein einschichtiger, konfluenter Monolayer ausgebildet ist und die Zellen die ihnen zur Verfügung stehende Fläche ausgenutzt haben. Dann stellen sie die Teilungen ein. Transformierte Zellen wachsen im Unterschied hierzu in mehrschichtigen, dreidimensionalen Verbänden und erreichen fünf- bis zehnmal höhere Konzentrationen (Foci). Sie unterliegen also nicht der sogenannten Kontaktinhibition. Lässt man sie weiter in der Kulturflasche, so stellt sich ein Gleichgewicht zwischen dem Absterben eines Teiles der Zellen und der fortgesetzten Teilung der anderen Subpopulation ein. Die transformierten Zellen wachsen in Kultur unabhängig von Kontakten zu Plastik- oder Glasflächen, die für die Proliferation von Fibroblasten oder Epithelzellen üblicherweise notwendig sind. Diese Eigenschaft ist ein wichtiges Merkmal transformierter Zellen. Einzelne solcher Zellen können daher auch in halbflüssigen Medien wie Weichagar zu größeren Verbänden, sogenannten Zellklonen, heranwachsen. Das Wachstum in Weichagar ist sehr gut mit der Fähigkeit der transformierten Zellen korreliert, im Tiersystem Tumoren zu bilden. Dieses Verhalten beruht vermutlich auf den höheren Mengen an TGF-β, die diese Zellen bilden. TGF-β ist ein Wachstumsfaktor, der
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unter anderem die Synthese von Fibronectin und Kollagen stimuliert (䉴 Kapitel 8). Den Zellen wird so lokal begrenzt eine extrazelluläre Matrix zur Verfügung gestellt, die ihr Anheften aneinander und ihr Wachstum zu traubenähnlichen Verbänden ermöglicht. Zellen wachsen in vitro normalerweise nur dann, wenn ihnen in der Kulturflüssigkeit ausreichende Mengen von Wachstumsfaktoren zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund setzt man den Medien durchschnittlich zehn bis 15 Prozent fötales Kälberserum zu, das alle essenziellen Komponenten ergänzt. Wichtig für die Zellproliferation sind vor allem der epidermal growth factor (EGF), der platelet-derived growth factor (PDGF), die verschiedenen Fibroblastenwachstumsfaktoren (FGF) und einige Hormone. Sie binden sich an ihre jeweiligen Rezeptoren an der Zelloberfläche und induzieren über unterschiedliche Signalübertragungswege die Aktivierung von Proteinkinasen, die in einem streng regulierten, kaskadenartigen Prozess verschiedene Zellproteine und schließlich Transaktivatoren phosphorylieren. Diese binden sich an die serum response elements (SRE) in den Promotorbereichen der wachstumsfaktorabhängigen Gene und ermöglichen deren Expression. Die neu gebildeten Produkte leiten die Zellteilung ein. Transformierte Zellen teilen sich dagegen unabhängig von der Anwesenheit von Wachstumsfaktoren im Kulturmedium. Sie wachsen auch in Medien, die kein oder nur sehr wenig Serum enthalten. Transformierte Zellen produzieren viele der notwendigen Faktoren selbst und stimulieren so ihre Proliferation autokrin. Außerdem sezernieren sie häufig tumor growth factor (TGF-α und -β), die ebenfalls autokrin das Zellwachstum anregen (䉴 Kapitel 8). Bei einigen transformierten Zellen sind auch die Wachstumsfaktorrezeptoren so verändert, dass sie in Abwesenheit des jeweiligen Faktors einen aktiven Zustand simulieren und Signale andauernd in das Zellinnere weiterleiten.
6.1.3 Autokrine Stimulation des Zellwachstums durch Viren An der Entstehung der HTLV-vermittelten T-ZellLeukämie des Menschen sind wahrscheinlich autokrine Stimulationsmechanismen beteiligt. Das HTLV codiert ein Tax-Protein, das indirekt transaktivierend wirkt, indem es mit den Faktoren der CREB-Proteinfamilie und NFκB interagiert. Diese werden hierdurch aktiv, binden sich sequenzspezifisch an die TRE-Elemente im viralen LTR-Promotor und leiten so die Transkription der integrierten Virusgenome ein (䉴 Abschnitt 18.1). Außerdem kommt es zur Expression von zellulären
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6 Transformation und Tumorbildung
Genen, deren Promotoren CREB- beziehungsweise NFκB-abhängige DNA-Elemente enthalten: Hierzu gehören unter anderem die Gene für den GranulocytenMakrophagen-stimulierenden Wachstumsfaktor (GMCSF), für das IL-2 und für die α-Kette des IL-2-Rezeptors (䉴 Kapitel 8). Die erhöhte Expression dieser Cytokine sowie der entsprechenden Rezeptoren induziert in einem autokrinen Stimulationszyklus die Proliferation der Zellen. Sie ist folglich die erste Stufe im Entstehungsprozess der HTLV-vermittelten T-Zell-Leukämie. Auch das Epstein-Barr-Virus, das B-Lymphocyten latent infiziert und immortalisiert, kann die Proliferation dieser Zellen autokrin stimulieren (䉴 Abschnitt 19.5). Das latente Protein EBNA2 transaktiviert die Promotoren, welche die Expression der latenten Virusgene kontrollieren. Daneben induziert EBNA2 die Synthese verschiedener zellulärer Proteine, unter anderem die der CD23-Genprodukte. Auch LMP1, ein weiteres während der Latenz gebildetes virales Polypeptid, ist hierzu befähigt. Die CD23-Proteine findet man in zwei Versionen: Das membranständige CD23 ist ein schwach affiner IgERezeptor, die sezernierte Form des Proteins dient dagegen als B-Zellwachstumsfaktor und fördert die Proliferation der infizierten B-Lymphocyten. Das für das Epstein-Barr-Virus spezifische LMP1-Genprodukt hat außerdem noch eine Reihe weiterer Funktionen, die für die Transformation der latent infizierten Zellen essenziell sind. Es gibt Hinweise darauf, dass dieses Membranprotein ähnlich wie einige der klassischen Onkogene der Retroviren wirkt und selbst ein konstitutiv aktiver Wachstumsfaktorrezeptor ist, der kontinuierlich eine Signalkaskade auslöst und unterhält. Offenbar ähnelt es Mitgliedern der Familie der Nervenwachstumsfaktor-(NGF-)Rezeptoren, zu denen unter anderem der TNF-Rezeptor gehört. Sie leiten kontinuierlich Signale in den infizierten Zellen weiter, die unter anderem bewirken, dass die Expression der NFκB-abhängigen Gene induziert wird. Als Folge findet man eine Hemmung der Apoptose sowie erhöhte Konzentrationen von Adhäsionsmolekülen, des Transferrinrezeptors und der CD23-Proteine.
6.2 Welche Wirkung hat die Inaktivierung von Tumorsuppressorproteinen? Tumorsuppressoren – auch Antionkogene genannt – sind Regulatorproteine, welche die Zellteilung kontrollieren. Sie regulieren in proliferierenden Zellen den Übergang
von der G1- beziehungsweise in ruhenden Zellen von der G0- in die S-Phase, in der das Genom verdoppelt wird und viele andere Syntheseleistungen vollzogen werden (䉴 Abbildung 6.1). Der zeitliche Ablauf des Zellzyklus wird durch die Synthese und den Abbau der Cycline bestimmt, deren Konzentration in einer Phase des Zellzyklus ansteigt und in der folgenden wieder abfällt. Die Cycline regulieren wiederum die Aktivität der cyclinabhängigen Proteinkinasen, die den Phosphorylierungsgrad und somit die Aktivität verschiedener zellzyklusspezifischer Transkriptionsfaktoren beeinflussen. Viele Viren können sich nur in sich teilenden Zellen replizieren. In ihnen durchlaufen sie produktive, mit der Bildung von Nachkommenviren einhergehende Infektionsformen. Während einige Viren – beispielsweise die autonomen Parvoviren (䉴 Abschnitt 20.1) – aus diesem Grund einen ausgeprägten Tropismus für sich teilende Zellen haben, können andere in den infizierten Zellen den Teilungszyklus beschleunigen, indem sie die SPhase einleiten. Sie codieren für Proteine, die eben jene Faktoren hemmen, welche den Eintritt der Zelle in die S-Phase kontrollieren, verzögern oder unterbinden. Alle Viren, die bekannterweise beim Menschen Tumorerkrankungen verursachen, verfügen über derartige Eigenschaften und exprimieren die entsprechenden Gene früh im Infektionszyklus. So inaktivieren sie die Zellteilungsregulatoren und leiten den Übergang aus der G1- oder G0- in die S-Phase ein. Bei den DNA-Tumorviren ist die Virusvermehrung üblicherweise mit dem Zelltod verbunden, der spät im Verlauf der Infektion durch Apoptosemechanismen eingeleitet wird. Wenn die lytische Infektionsform unterbrochen ist, wird die virale Genexpression in einem frühen Stadium arretiert, und es kommt nicht zur Virusmehrung. Verantwortlich für diese abortiven Infektionen ist meist das zelluläre Milieu. So läuft bei den Papillomaviren (䉴 Abschnitt 19.3) der lytische Infektionszyklus nur in Hautkeratinocyten ab, nicht dagegen in den wenig differenzierten Zellen der basalen Schichten. Zellproteine, die nur in einem bestimmten Differenzierungstadium gebildet werden, ermöglichen dem Virus den Eintritt in die späte Vermehrungsphase. Bei anderen Viren, beispielsweise den onkogenen Adenoviren oder beim SV40, erfolgt eine abortive Infektion, wenn die Erreger Zellen von nichtnatürlichen Wirten – in diesen Fällen von Nagetieren – befallen (䉴 Abschnitte 19.2 und 19.4). Zusätzlich wird hier, ähnlich wie beim Hepatitis-B-Virus und auch bei den Papillomaviren, das Virusgenom gelegentlich ganz oder teilweise in die Wirtszell-DNA integriert. Dieser Vorgang unterbricht die Kontinuität einzelner Gene; als Folge findet man häufig eine unkontrollierte Überexpression jener Virusgene, deren Produkte mit den
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6.2 Welche Wirkung hat die Inaktivierung von Tumorsuppressorproteinen?
Neusynthese CDK2
+
D
B
Pr op
P CDK1
M
ha se et ap h as An e ap ha Te se lop ha se
CDK4 E2F DP1
Rb105 D
M G2
D
Phosphorylierung von Rb105
CDK2
P
CDK4 P
G1
E2F DP1
Rb105 P
S
Dissoziation E
CDK2
P E
B CDK1 inaktiv
P
+
P
CDK2
E2F P
P
Rb105
P
Neusynthese
DP1 P
P
Neusynthese
B
+
CDK1
+ Transkriptionsfaktoren
P P
6.1 Phasen des Zellzyklus (Mitose M, präsynthetische Phase G1, Synthesephase S, postsynthetische Phase G2) und die Faktoren, die an der Regulation der Übergänge beteiligt sind. (Die Quadrate kennzeichnen Cycline, die Dreiecke verschiedene cyclinabhängige Kinasen. Aktive Komponenten sind rot dargestellt, inaktive grau.) Cyclin D wird zu Beginn der G1-Phase synthetisiert, bindet sich an die cyclinabhängigen Kinasen 2 und 4 (CDK2, CDK4; als Dreiecke dargestellt) und aktiviert sie. Die Kinasen bewirken unter anderem die Phosphorylierung des Retinoblastomproteins Rb105, welches im Komplex mit den Faktoren E2F und DP1 vorliegt. Im späteren Abschnitt der G1-Phase wird Cyclin E gebildet; es interagiert mit der CDK2. Diese vollzieht die vollständige Phosphorylierung des Rb105. Die Faktoren E2F und DP1 werden aus dem Komplex gelöst und können als Transaktivatoren verschiedener Promotoren von zellulären Genen wirken. Diese Gene wiederum codieren für Proteine, die den Übergang von der G1- in die S-Phase des Zellzyklus regulieren. Zu Beginn der S-Phase erfolgt die Synthese von Cyclin B, welches mit der phosphorylierten Form der CDK1 wechselwirkt. Im Verlauf der S- und G2-Phase wird die CDK1 dephosphoryliert und reguliert in der monophosphorylierten Form im Komplex mit Cyclin B den Eintritt der Zellen in die Mitose.
zellulären Tumorsuppressorproteinen interagieren und – da der lytische Vermehrungszyklus gleichzeitig unterbunden ist – eine kontinuierliche Zellteilung induzieren. Dies kann schließlich zur Tumorentstehung führen. Auch wenn man heute immer mehr Tumorsuppressorgene kennt, beeinflussen die viralen Genprodukte vor allem zwei Gruppen dieser Proteinfamilien in ihrer Aktivität: einerseits das Antionkogen p53, andererseits die Familie der Retinoblastomproteine (Rb105/107). Die folgenden Abschnitte geben einen kurzen Überblick über die Funktion dieser beiden Proteinklassen.
6.2.1 Die p53-Proteine Die p53-Gene sind bei allen Säugetierarten hoch konserviert. Beim Menschen findet man das p53-Gen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 17. Sie codieren für Proteine von etwa 390 Aminosäuren Länge. Das Protein hat normalerweise eine geringe Halbwertszeit von sechs bis 15 Minuten, ist phosphoryliert und im Zellkern lokalisiert, wo es sich zu tetrameren Komplexen zusammenlagert. Erhöhte Konzentrationen von p53 findet man in Zellen, die vermehrt UV- oder γ-Strahlen ausgesetzt waren oder mit radioaktiven Substanzen oder Che-
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6 Transformation und Tumorbildung
motherapeutika inkubiert wurden. Alle diese Agenzien können Mutationen, also Veränderungen in der DNASequenz, verursachen. Die p53-Proteine kann man in drei Domänen unterteilen: Eine aminoterminale Region von etwa 75 überwiegend sauren Aminosäuren wirkt als Transaktivator. Die zentrale Domäne ist reich an Prolinen und hydrophoben Aminosäuren und lässt sich in fünf konservierte, miteinander homologe Abschnitte unterteilen; dieser zentrale Bereich ist für die korrekte Faltung des p53 und somit auch für seine Aktivität verantwortlich. Die carboxyterminale Region von circa 115 Aminosäuren ist basisch und für die sequenzspezifische Bindung des tetrameren p53-Komplexes an die DNA verantwortlich. p53 interagiert mit bestimmten Promotoren beziehungsweise den dort gebundenen Transkriptionsfaktoren und transaktiviert sie. Das induziert die Synthese von Proteinen, welche die Zelle in der G1-Phase arretieren und den Übergang in die S-Phase verzögern. So wird beispielsweise das Protein p21 vermehrt gebildet, das mit den cyclinabhängigen Kinasen 2 und 4 (CDK2 und 4, cyclin-dependant kinase) wechselwirkt und diese hemmt. CDK2 und 4 haben die Aufgabe, verschiedene Proteine wie das RB105 zu phosphorylieren. Wird Rb105 nicht phosphoryliert, bleibt es mit den E2Fund DP1-Transkriptionsfaktoren verbunden, die deswegen ihre Transaktivatorfunktionen nicht ausüben können. Das verhindert, dass die Zelle von der G1- in die S-Phase des Zellzyklus eintritt und verschafft ihr Zeit, entstandene DNA-Schäden zu reparieren (䉴 Abbildung 6.1). Wenn die Reparatur nicht erfolgreich ist, induziert p53 in eukaryotischen Zellen die Apoptose (den programmierten Zelltod) und verhindert auch dadurch die Entstehung von Tumoren. Die Funktion von p53 ist mit der SOS-Antwort vergleichbar, die unter ähnlich DNA-schädigenden Bedingungen in Bakterien induziert wird. Sie verzögert die Verdoppelung des Bakterienchromosoms, sodass den Reparatursystemen mehr Zeit zur Verfügung steht, um die DNA-Schäden zu korrigieren, bevor sich diese bei der nachfolgenden Replikation in den DNA-Tochtermolekülen manifestieren. In Tumorzellen führen Veränderungen im p53-Gen selbst zur Synthese von p53-Varianten, die nicht korrekt gefaltet sind, nicht mehr zu Tetrameren assoziieren und so ihre Fähigkeit zur sequenzspezifischen DNA-Bindung und Transaktivierung verloren haben. Oft sind hierfür Mutationen in einem Allel der p53-Gene ausreichend, da sich dann inaktive Heterooligomere aus Wildtyp- und Mutantenproteinen ausbilden. In den von den p53-Genveränderungen betroffenen Zellen kommt es wegen der eingeschränkten Aktivität von p53 zu weiteren Mutationen, die das ganze Genom betreffen und zur Transformation und malignen Entartung in einem
Mehrschritt-Prozess beitragen können. Viren haben vielfältige Mechanismen entwickelt, um die zellzykluskontrollierende Wirkung der p53-Proteine zu inaktivieren und so Bedingungen zu schaffen, die für ihre eigene Vermehrung nötig sind: Das T-Antigen von SV40 (䉴 Abschnitt 19.2), das 55 kD/E1B-Protein der Adenoviren (䉴 Abschnitt 19.4) und das X-Protein des Hepatitis-B-Virus (䉴 Abschnitt 19.1) binden an p53 und hemmen die Ausbildung der funktionell aktiven Tetramere. Bei den Papillomaviren (䉴 Abschnitt 19.3) komplexiert das virale E6-Protein mit p53 und leitet dessen ubiquitinabhängigen proteolytischen Abbau ein, wodurch die Zellen an p53 verarmen.
6.2.2 Die Retinoblastomproteine Das Retinoblastomgen wurde erstmals bei Kindern beschrieben, die an Augentumoren erkrankt waren. Bei diesen Patienten sind beide Allele eines Gens defekt, das auf dem langen Arm des Chromosoms 13 für ein Protein mit einem Molekulargewicht von etwa 105 kD (Rb105) codiert. Später wurden veränderte Formen dieses Proteins auch bei Osteo- und Weichgewebesarkomen sowie Brust-, Lungen- und Blasenkarzinomen entdeckt. Das Rb105 und das ihm ähnelnde Protein Rb107 werden abhängig von der Zellzyklusphase phosphoryliert. Verantwortlich sind dafür die bereits erwähnten Kinasen CDK2 und CDK4 (䉴 Abbildung 6.1). Aktiv, das heißt proliferationshemmend, sind sie im dephosphorylierten Zustand: In dieser Form binden sie sich an die Gruppe der sogenannten E2F- und DP1-Faktoren, die ihrerseits in ihrer freien Form als Transaktivatoren sequenzspezifisch mit DNA-Elementen in den Promotoren bestimmter Gene interagieren – beispielsweise der Gene für die zelluläre Thymidinkinase, die Dihydrofolatreduktase, die DNA-Polymerase-α oder die cyclinabhängige Kinase CDK2. Alle diese Proteine werden während der S-Phase des Zellzyklus benötigt. Im Komplex mit Rb105 sind die transaktivierenden Funktionen der E2F- und DP1-Faktoren gehemmt. Daher unterbleibt der Eintritt der Zellen in die S-Phase. Werden die RbProteine phosphoryliert, löst sich der Komplex mit den Transkriptionsfaktoren. Letztere können sich an die entsprechenden Promotoren binden und die Expression der von ihnen kontrollierten Gene einleiten. Viren, die sich ausschließlich in proliferierenden Zellen vermehren, verfügen über Faktoren, welche die Funktionen der Rb-Proteine beeinflussen: Die E7-Proteine der Papillomaviren binden sich ebenso wie das T-Antigen von SV40, das NS5B-Protein von Hepatitis-C-Virus und die E1A-Proteine von Adenoviren an Rb105/107. Dies hebt
6.4 Sind Viren auch fähig, die Apoptose zu unterdrücken?
die Komplexbildung mit den E2F- und DP1-Faktoren auf, die dadurch aktiv werden und ihre transaktivierenden Eigenschaften entfalten (䉴 Abschnitte 14.5, 19.1, 19.2, 19.3 und 19.4).
6.2.3 Andere Wege der Proliferationsinduktion Das Epstein-Barr-Virus hat vermutlich andere Wege entwickelt, um die latent infizierten Zellen zur Proliferation anzuregen: Eines der Genprodukte (EBNA-LP), das während des latenten Infektionszyklus in B-Zellen gebildet wird, kann zwar mit den Tumorsuppressorproteinen p53 und Rb105 interagieren, beeinflusst jedoch offensichtlich ihre Regulatorfunktion nicht (䉴 Abschnitt 19.5). EBNA-LP aktiviert jedoch zusammen mit dem EBNA2-Protein die Expression des Cyclin-D2-Gens. Die kooperative Wirkung der beiden latenten Virusproteine leitet in ruhenden B-Zellen zusammen mit der antiapoptotischen Wirkung der EBER-RNA den Übergang von der G0- in die G1-Phase ein.
6.3 Wie können Tumorzellen der Immunantwort entgehen? Tumoren können sich in vivo nur dann bilden, wenn die transformierten Zellen für das immunologische Abwehrsystem unkenntlich sind und ihm entgehen können. Dies gilt auch für Tumoren, die durch Viren verursacht werden. Zellen, die mit Adenoviren oder dem Epstein-Barr-Virus infiziert sind, können durch die in ihnen gebildeten, viruscodierten VA- beziehungsweise EBER-RNA-Moleküle der antiviralen Interferonwirkung entkommen. Beide Virusarten reduzieren außerdem die Konzentration der MHC-Klasse-I-Proteine auf der Zelloberfläche. Dies macht es den cytotoxischen TLymphocyten unmöglich, die infizierten Zellen zu erkennen und zu eliminieren (䉴 Kapitel 7 und Abschnitte 19.4 und 19.5). Auch das EBNA1-Protein des Epstein-Barr-Virus hat hier eine wichtige Funktion: Dieses Protein wird in allen latent infizierten Zellen gebildet, wirkt als Transaktivator und erhöht so seine eigene Expression. Zugleich bindet es sich an den viralen Replikationsstartpunkt oriP, an dem während der Viruslatenz die episomale Replikation des Virusgenoms beginnt. EBNA1 ist daher für die Aufrechterhaltung des immortalisierten Zustands verantwortlich. Trotz dieser andauernden Produktion eines Virusproteins werden
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die Zellen nicht als fremd erkannt: Eine Domäne im EBNA1, die aus wiederholten Glycin-Alanin-Resten besteht, verhindert den Abbau durch die Proteasomen, also jenen Vorgang, der für die Bildung der mit MHCAntigenen komplexierenden Peptide essenziell ist (䉴 Abschnitt 19.5). Auch andere humane Tumorviren können der körpereigenen Abwehr entgehen. Die Papillomaviren (䉴 Abschnitt 19.3) entziehen sich den meisten Immunreaktionen dadurch, dass sie bevorzugt die äußeren Hautschichten infizieren und somit eine ökologische Nische besiedeln, die für viele immunologisch aktive Komponenten nicht zugänglich ist. Das Hepatitis-BVirus produziert und sezerniert große Mengen seines Oberflächenproteins HBsAg; virusspezifische, neutralisierende Immunglobuline werden dadurch abgefangen und können ihre Wirkung nicht mehr entfalten (䉴 Abschnitt 19.1).
6.4 Sind Viren auch fähig, die Apoptose zu unterdrücken? Apoptotische Vorgänge stehen vermutlich mit dem gelegentlich zu beobachtenden Phänomen der spontanen Rückbildung von Tumoren in Verbindung. Obwohl über diese Vorgänge nur wenig bekannt ist, mehren sich die Hinweise, dass Transformation und Tumorbildung nur dann erfolgreich ablaufen, wenn die Viren nicht nur die Zellproliferation induzieren und über Mechanismen zur Umgehung der Immunabwehr verfügen, sondern auch die Einleitung der Apoptose verhindern können. Mit am besten untersucht sind diese Prozesse beim Epstein-Barr-Virus, das über komplexe Mechanismen zur Immortalisierung und Transformation verfügt. Das latente Protein LMP1 induziert die Expression des zellulären Protoonkogens c-bcl2 (䉴 Abbildung 5.1). Dieses verhindert, dass in der Zelle durch Induktion der FasSignalkette die Apoptose ausgelöst wird. Den gleichen Effekt haben auch ein Protein des Epstein-Barr-Virus, das im Leserahmen BHRF1 codiert und das 19 kD/E1BProtein der Adenoviren. Sie besitzen sequenzielle und funktionelle Homologie zum Bcl2-Protein und wirken ebenfalls der Induktion der Apoptose entgegen (䉴 Abschnitte 19.4 und 19.5). Außer den Tumorviren haben aber auch verschiedene andere Viren, die persistierende Infektionen etablieren können, Mechanismen zur Unterdrückung der Apoptose entwickelt. Hierzu zählen beispielsweise die Pockenviren (䉴 Abschnitt 19.6). Andererseits scheinen auch Viren, die akute Infektionen
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6 Transformation und Tumorbildung
hervorrufen, über Funktionen zu verfügen, die Apoptose gewebsspezifisch zu unterdrücken, beispielsweise das SARS-Virus (䉴 Abschnitt 14.8).
6.5 Weiterführende Literatur Chiarugi, V.; Meguelli, L.; Cinelli, M.; Basi, G. Apoptosis and the Cell Cycle. In: Cell. Mol. Biol. Res. 40 (1994) S. 603–612. Cuff, S.; Ruby, J. Evasion of apoptosis by DNA viruses. In: Immunol. Cell Biol. 74 (1996) S. 527–537. Diller, L.; Kassel, J.; Nelson, C. E.; Cryka, M. A.; Litwak, G.; Gebhardt, M.; Bressac, B.; Ozturk, M.; Baker, S. J.; Vogelstein, B. p53 Functions as a Cell Cycle Control Protein in Osteosarcoma. In: Mol. Cell. Biol. 10 (1990) S. 5772–5781. Hinds, P. W.; Weinberg, R. A. Tumor Suppressor Genes. In: Curr. Opin. Genet. Dev. 4 (1994) S. 135–141. Knudson, A. G. Antioncogenes and Human Cancer. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 90 (1993) S. 10914–10921. Kouzarides, T. Transcriptional Control by the Retinoblastoma Protein. In: Semin. Cancer Biol. 6 (1995) S. 91–98.
Liu, X.; Miller, C. W.; Koeffler, P. H.; Ber, A. J. The p53 Activation Domain Binds the TATA box-Binding Polypeptide in HoloTFIID, a Neighboring p53 Domain Inhibits Transcription. In: Mol. Cell. Biol. 13 (1993) S. 3291–3300. Lowe, S. W. Activation of p53 by oncogenes. In: EndocrineRelated Cancer 6 (1999) S. 45–48. Ludlow, J. W.; Skuse, G. R. Viral Oncoprotein Binding to pRB, p107, p130, p300. In: Virus Res. 35 (1995) S. 113–121. Mahr, J. A.; Gooding, L. R. Immunoevasion by adenoviruses. In: Immunol. Rev. 168 (1999) S. 121–130. Marcel, M. M.; Roy, F. M. van; Bracke, M. E. How and When do Tumor Cells Metastasize? In: Crit. Rev. Oncog. 4 (1993) S. 559–594. Mercer, W. E. Cell Cycle Regulation and the p53 Tumor Suppressor Protein. In: Crit. Rev. Eukaryot. Gene Expr. 2 (1992) S. 251–263. Truyen, U.; Löchelt, M., Review of viral oncogenesis in animals and relevant oncogenes in Veterinary Medicine. In: T. Dittmar, A. Schmidt, K.S. Zänker (Hrsg.) Contributions to Microbiology, vol. 13 Infection and inflammation: Impacts on Oncogenesis. Karger AG, Basel, Schweiz, 13 (2006) S. 101– 117.
7 Immunologie Die Mechanismen der Immunabwehr, mit denen ein Organismus Virusinfektionen bekämpft, können in zwei Gruppen eingeteilt werden. Zum einen gibt es die unspezifischen, nichtadaptativen Immunreaktionen, die eindringende Erreger als fremd erkennen und eliminieren. Diese sogenannte natürliche oder angeborene Immunabwehr wird als erste aktiv, nachdem ein Virus die äußeren physikalischen Schutzschranken des Körpers (Haut, Schleimhaut) überwunden hat. Sie besteht aus bestimmten Zellen, nämlich aus den dendritischen Zellen, den Granulocyten, den Monocyten und Makrophagen sowie den natürlichen Killerzellen. Diese verfügen über Proteine, die als Rezeptoren (beispielsweise toll-likeRezeptoren, Komplementrezeptoren) für bestimmte Erregerstrukturen und für die löslichen Produkte des unspezifischen Immunsystems (Akutphaseproteine, die Faktoren des Komplementsystems, Cytokine, Chemokine und Interferone) dienen. Auf die Wirkung und Funktion der Cytokine, Chemokine und Interferone wird in 䉴 Kapitel 8 gesondert eingegangen. Die zweite Verteidigungslinie ist die spezifische, adaptive Immunabwehr, die sich erst im Laufe beziehungsweise nach der Etablierung einer Infektion entwickelt. Sie umfasst die antikörperproduzierenden B-Zellen – das humorale Im-
munsystem – sowie die T-Helferzellen und die cytotoxischen T-Lymphocyten, welche gemeinsam das zelluläre Abwehrsystem repräsentieren. Die adaptiven Immunreaktionen können bestimmte Erregertypen oder -subtypen gezielt erkennen, diese bei einer Reinfektion wieder erkennen und eliminieren. Sie sind langanhaltend, und im Verlauf ihrer Entwicklung wandelt sich ein Teil der stimulierten Lymphocyten in Gedächtniszellen um, die dem Organismus eine schützende Immunität gegen Infektionen mit dem gleichen Erregertyp verleihen. Die Systeme der spezifischen und unspezifischen Immunantwort stehen vor allem über die Cytokine, Chemokine und Interferone in engem Kontakt miteinander. Eine Immunantwort wird im Allgemeinen durch Antigene ausgelöst. Hierbei kann es sich um die infektiösen Erreger selbst, einzelne Proteinkomponenten oder Zuckerstrukturen handeln. Das Immunsystem erkennt diese als fremd, kann also zwischen körpereigenen und -fremden Komponenten unterscheiden. Die Antigene müssen allerdings eine bestimmte Größe aufweisen, um die verschiedenen Immunreaktionen auszulösen. Man weiß, dass Moleküle mit einer Molekularmasse von weniger als 3–4 kD hierzu meist nicht in der Lage sind.
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7 Immunologie
7.1 Welche zellulären und molekularen Komponenten des Immunsystems bilden die „erste Front“ gegen eindringende Erreger? 7.1.1 Dendritische Zellen Dendritische Zellen sind weiße Blutzellen, die durch stark verzweigte Ausstülpungen (lat. dendriticus: verzweigt) der Zellmembran charakterisiert sind. Plasmacytoide (lymphoide) dendritische (pDC) und myeloide dendritische Zellen (mDC) entstehen aus haematopoietischen Vorläuferzellen im Knochenmark, mDCs differenzieren sich vermutlich alternativ zu Makrophagen direkt aus Monocyten. Sie wandern als unreife dendritische Zellen aus dem Blut in nahezu alle Gewebe des Körpers ein und bilden dort ein dichtes Netzwerk von Wächterzellen, die – ähnlich wie die neutrophilen Granulocyten und die Makrophagen – extrazelluläre Bestandteile durch Phago- und Endocytose aufnehmen. Zu diesen dendritischen Zellen der Gewebe zählt man die Langerhans-Zellen der Haut und Schleimhaut, die Kupfferschen Sternzellen der Leber, die interdigitierenden Zellen der Milz und der Lymphknoten, die interstitiellen dendritischen Zellen und die M-Zellen des MALT (Mukosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe). Sie kontrollieren ihre Umgebung ständig auf das Eindringen und die Anwesenheit von Pathogenen (Viren, Bakterien, Pilze), welche sie durch Wechselwirkung mit Rezeptoren der PRR-Familie (pattern recognition receptors) erkennen. Zu diesen zählen die toll-like-Rezeptoren (TLRs), welche erregerspezifische Strukturen erkennen und sich daran binden (䉴 Abschnitt 7.1.5). Durch diese Kontakte wird in den dendritischen Zellen die Synthese und Sekretion großer Mengen von IFN-a und -b sowie proinflammatorisch wirkender Cytokine eingeleitet; dies bewirkt, dass Granulocyten und Makrophagen aktiviert werden und sich zum Infektionsort bewegen. Die dendritischen Zellen selbst reifen dabei und phagocytieren die Erreger. Wie die Makrophagen können sie Peptide, welche durch den Abbau der Erregerproteine entstehen, im Komplex mit MHC-Klasse-II-Proteinen auf der Oberfläche präsentieren und als antigenpräsentierende Zellen die Abwehrreaktionen des spezifischen Immunsystems einleiten. Im Unterschied zu den Makrophagen können die dendritischen Zellen jedoch die Gewebe, in die sie eingewandert sind, auch wieder verlassen und gelangen aktiviert über die abfließende Lymphflüssig-
keit zur Milz und den Lymphknoten, den lokalen Organisationszentren der immunologischen Abwehr. Hier nehmen sie als antigenpräsentierende Zellen Kontakt mit B- und T-Lymphocyten auf und sind somit entscheidend an der Einleitung der spezifischen Immunantwort beteiligt: Sie aktivieren T-Helfer-Lymphocyten und Makrophagen, steuern das Cytokinmuster der entstehenden T-Helfer-Lymphocyten zu IFN-γ produzierenden TH1-Zellen beziehungsweise IL-4 produzierenden TH2-Zellen, sie leiten die Bildung von cytotoxischen T-Lymphocyten ein und induzieren mittels der T-Zellhilfe die Differenzierung der Plasmazellen zu Antikörper-produzierenden B-Lymphocyten. Plasmacytoide und myeloide dendritische Zellen sind damit hoch spezialisiert zur Stimulation der spezifischen Immunantworten und ein wichtiges Bindeglied zwischen der unspezifischen und der spezifischen Abwehr. Die follikulär-dendritischen Zellen ähneln zwar morphologisch den plasmacytoiden und myeloiden dendritischen Zellen, haben jedoch völlig andere Funktionen. Sie befinden sich als residente und nicht mobile Zellen in den Keimzentren der Lymphknoten und der anderen sekundären Lymphorgane (beispielsweise Milz, Tonsillen, Peyer’sche Plaques). Sie stammen vermutlich nicht von Vorläuferzellen aus dem Knochenmark ab und können Pathogene oder Proteinkomponenten der Erreger nicht phagocytieren und abbauen. Auf ihrer Oberfläche verfügen sie hingegen über Fc-Immunglobulin- und C3-Komplement-Rezeptoren, mittels derer sie sich an Antigen-Antikörperkomplexe binden. Diese Komplexe präsentieren sie den B-Lymphocyten und bewirken deren Proliferation und Reifung. Dabei erfolgt beispielsweise der Wechsel der schweren Immunglobulinketten (Immunglobulinklassen-switch; 䉴 Abschnitt 7.2.2).
7.1.2 Granulocyten Beim Menschen sind etwa 60 bis 70 Prozent der zirkulierenden weißen Blutzellen Granulocyten, die einen polymorphen, in drei bis vier Segmente unterteilten Zellkern und im Cytoplasma eine Vielzahl von Lysosomen besitzen. Letztere bezeichnet man wegen ihrer Erscheinung im mikroskopischen Bild auch als Granula. Die Zellen werden im Knochenmark gebildet und gelangen von dort ins Blut. Sie haben eine relativ kurze Halbwertszeit von zwei bis drei Tagen. Aufgrund der unterschiedlichen Anfärbbarkeit ihrer Granula, die vor allem Proteasen und andere abbauende Enzyme enthalten, kann man sie in die Untergruppen der neutrophilen, eosinophilen und basophilen Granulocyten einteilen.
7.1 Zelluläre und molekulare Komponenten des Immunsystems
Vor allem die neutrophilen Granulocyten, die mit etwa 90 Prozent die größte Subpopulation darstellen, sind an den ersten Abwehrmaßnahmen gegen virale Infektionen beteiligt; pro Tag bildet der Mensch etwa 1011 neutrophile Granulocyten. Während der ersten Stunden nach ihrer Bildung haben sie noch keinen segmentierten Kern, weshalb man sie als stabkernig bezeichnet. Um infiziertes Gewebe zu erreichen, verlassen die neutrophilen Granulocyten in einem durch Adhäsionsmoleküle und Chemokine (chemotaktisch wirkende, lösliche, als Lockstoffe wirkende Proteine, die unter anderen von den durch Erregerkontakte aktivierten dendritischen Zellen freigesetzt werden) vermittelten, mehrstufigen Prozess den Blutstrom und dessen Gefäße. Dabei lagern sie sich mittels Adhäsionsmolekülen auf ihren Zelloberflächen, wie L-Selectin, VCAM-1 und ICAM-1 (vascular beziehungsweise intracellular adhesion molecule 1) an die Endothelzellen an, die ihrerseits – ebenfalls chemokinvermittelt – die entsprechenden Liganden (E- und P-Selectin, Integrine) produzieren. Das ermöglicht den Granulocyten eine schnelle Passage durch die Interzellularräume des Endothels, welches die Blutkapillaren auskleidet. Im weiteren Verlauf gelangen sie entlang eines Konzentrationsgradienten von Chemokinen, die sie anhand der zugehörigen Chemokinrezeptoren auf ihrer Oberfläche binden zum Entzündungs- beziehungsweise Infektionsort. Sie sind damit die ersten Immunzellen, die dort eintreffen. Die neutrophilen Granulocyten schütten bei Kontakt mit den Erregern den Inhalt ihrer Granula in die Umgebung aus, oder sie phagocytieren die Erreger. Diese sind danach von Membranvesikeln, den Phagosomen, umgeben, die mit den intrazellulären Granula zu Phagolysosomen verschmelzen. Hierdurch kommen die Erreger mit degradierenden Enzymen (unter anderem Proteasen, Lysozym, Myeloperoxidasen Hydrolasen, Muraminidasen) in Kontakt und werden abgetötet. Die Granulocyten werden durch die Interaktion mit den Erregern stimuliert. Als Folge bilden sie eine Vielzahl von entzündungsfördernden Faktoren wie IL-8, IL-1, IL-6 (IL = Interleukin), TNF-α (Tumornekrosefaktor) sowie Leukotriene und Prostaglandine. Vor allem das IL-8 wirkt chemotaktisch und lockt weitere Granulocyten und auch T-Lymphocyten an den Infektionsort. Die freigesetzten Stoffe wirken nicht nur immunregulatorisch. Einige – beispielsweise das IL-1 – sind auch an der Entstehung von Fieber und der Steigerung der Schmerzempfindung beteiligt. Die Phagocytose wird noch effektiver, wenn die Oberflächen der Erreger mit Antikörpern komplexiert sind, die zu einem späteren Zeitpunkt der Infektion entstehen. Sie stellt dann einen Teil der antikörperabhängigen zellvermittelten Cytotoxizität (ADCC, antibody dependent cell cytotoxicity) dar. Sollten die neutrophilen Granulocyten wäh-
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rend der ersten sechs Stunden nach ihrer Entstehung nicht aktiviert werden, also nicht mit Infektionserregern und/oder Entzündungsreaktionen in Kontakt kommen, dann wird in ihnen natürlicherweise die Apoptose eingeleitet; die abgestorbenen Granulocyten werden in der Leber durch die dort angesiedelten Makrophagen abgebaut. Die eosinophilen und basophilen Granulocyten repräsentieren nur etwa zwei bis fünf beziehungsweise 0,2 Prozent der weißen Blutzellen. Mastzellen sind Gewebezellen der Schleimhäute oder des Bindegewebes. Ihre Aufgabe ist derjenigen der basophilen Granulocyten sehr ähnlich. Die Hauptfunktion der eosinophilen Granulocyten ist die Abwehr von extrazellulären Parasiten, die infolge ihrer Größe nicht phagozytiert werden können, zum Beispiel von Würmern (Helminthen). Sie werden durch chemotaktische Stoffe angelockt, lagern sich an die Parasiten an und geben darauf den Inhalt ihrer Granula, also Enzyme, Sauerstoffradikale und cytotoxisch wirkende Proteine wie beispielsweise das major basic protein MBP, an die Umgebung ab; das MBP stellt eine Gruppe von kleinen, argininreichen Proteinen dar, die für Helminthen, aber auch für Säugetierzellen, vor allem für die Zellen des Bronchialepithels, toxisch sind. Die eosinophilen Granulocyten sind aber auch zur Phagocytose von kleineren Erregern oder IgE-haltigen Immunkomplexen befähigt. Die basophilen Granulocyten und die Mastzellen sind an der Entstehung allergischer Immunreaktionen beteiligt, da sie auf ihrer Oberfläche IgE-Rezeptoren besitzen und bei Anlagerung von IgE-haltigen Antigen-Antikörper-Komplexen Histamine, Heparine, Proteasen und Leukotriene freisetzen. Histamine werden auch bei Kontakt der Mastzellen mit dem MBP der eosinophilen Granulocyten ausgeschüttet. Die eosinophilen Granulocyten reagieren dann ihrerseits mit der Abgabe von Histaminasen und Arylsulfatasen, wirken also der Histaminausschüttung entgegen. Störungen dieser Prozesse können zu allergischen Reaktionen führen.
7.1.3 Monocyten und Makrophagen Monocyten und Makrophagen bilden zusammen mit den Granulocyten und den dendritischen Zellen die mononucleären Phagocyten, die zu den wichtigsten Zellen des unspezifischen Immunsystems gehören. Etwa zwei bis acht Prozent der Blutzellen sind Monocyten. Sie sind groß und enthalten in ihrem Cytoplasma viele Lysosomen sowie einen gut ausprägten Golgi-Apparat. In ihrer Zellmembran sind sowohl MHC-Klasse-I- als auch MHC-Klasse-II-Proteine verankert. Die Monocyten
7
7
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7 Immunologie
entwickeln sich im Knochenmark aus den myeloischen Stammzellen, die sich unter dem Einfluss von Wachstumsfaktoren wie GM-CSF und M-CSF (granulocytemonocyte und monocyte colony-stimulating factor) zu Monoblasten entwickeln. Diese differenzieren sich weiter zu Monocyten, welche das Knochenmark verlassen und zwischen 20 und 30 Stunden im Blut zirkulieren, bevor sie als Makrophagen in verschiedene Gewebe- und Organsysteme einwandern. Ähnlich wie die neutrophilen Granulocyten folgen auch die Makrophagen den durch Adhäsionsmoleküle und Chemokine vermittelten Wegen, verlassen den Blutstrom und gelangen früh an den Infektionsort. Sie können körperfremdes Material, das heißt die Erreger selbst oder von ihnen abgeleitete Proteinkomponenten, durch Phagocytose aufnehmen und abbauen. Während dieses Vorgangs entstehen aus den abgebauten Proteinen Peptide, die durch den proteolytischen Abbauprozess mit den MHC-Klasse-IIProteinen interagieren und auf der Zelloberfläche der Monocyten und Makrophagen präsentiert werden können. So werden diese zu antigenpräsentierenden Zellen, die das spezifische Immunsystem, nämlich die T-Helferlymphocyten, aktivieren (䉴 Abschnitt 7.2.1). Des Weiteren produzieren aktivierte Makrophagen bestimmte Oberflächenproteine wie CD14, CD16 und CD86 (CD steht für cluster of differentiation) sowie die toll-like-Rezeptoren (TLR) 2 und 4. CD14 interagiert wie auch TLR2 und TLR4 mit Lipopolysacchariden (Endotoxinen) gramnegativer Bakterien. Wenn diese Rezeptoren mit Lipopolysacchariden in Berührung kommen, veranlassen sie die Makrophagen zur Phagocytose und zur Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie TNF-α, IL-1β und IL-6.
7.1.4 Natürliche Killerzellen Die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) entwickeln sich aus den Vorläuferzellen im Knochenmark. Im Unterschied zu den T-Lymphocyten verbleiben die natürlichen Killerzellen im peripheren lymphatischen Gewebe, wo sie sich zu großen, granulären Lymphocyten entwickeln, die charakteristische Oberflächenmarker besitzen. Eine ihrer Hauptfunktionen ist die Eliminierung virusinfizierter Zellen und Tumorzellen. NK-Zellen bewirken in Zellen, die auf ihrer Oberfläche besonders geringe Konzentrationen an MHC-Molekülen aufweisen, die Einleitung des programmierten Zelltods (Apoptose). Diese Art des Erkennens und Eliminierens virusinfizierter und transformierter Zellen ist von entscheidender Bedeutung. Die Anzahl der MHC-Proteine ist auf der Oberfläche solcher Zellen häufig redu-
ziert, um so den MHC-abhängigen spezifischen Immunreaktionen zu entgehen. Grundsätzlich sind NKZellen auf die Zerstörung aller kernhaltigen Zellen programmiert. MHC-I-Moleküle auf der Zelloberfläche hemmen jedoch diese Aktivität. Daher leiten die NKZellen die Apoptose selektiv in denjenigen Zellen ein, die keine MHC-I-Expression zeigen. Dafür besitzen die NK-Zellen auf ihrer Oberfläche KIR-Rezeptoren (killer cell immunoglobulin-like receptors), die MHC-Moleküle erkennen und sich daran binden. Die KIR-/MHCInteraktion führt zu einem inhibitorischen Signal, das die Killer-Aktivität der NK-Zelle unterdrückt. Fehlt diese Wechselwirkung, dann veranlassen die KARRezeptoren (killing activatory receptors), die ebenfalls in der Zellmembran der NK-Zellen verankert sind, die Ausschüttung von toxisch wirkenden Botenstoffen, welche in den als MHC-verarmt erkannten Zellen die Apoptose veranlassen. NK-Zellen sind immer funktionell aktiv, sie müssen nicht wie die Granulocyten und Makrophagen durch Bindung bestimmter Cytokine in einen aktivierten Zustand überführt werden. Ihre Aktivität kann aber durch IL-12 oder IFN-α und -β gesteigert werden; diese Botenstoffe werden beispielsweise von aktivierten dendritischen Zellen, Monocyten und Makrophagen sezerniert. Die NK-Zellen produzieren dann selbst große Mengen an IFN-γ und anderer Cytokine (IL-1, TNF-α), die weitere immunologische Aktivierungsschritte zur Folge haben (䉴 Kapitel 8). Daher haben NK-Kellen neben ihrer cytotoxischen Wirkung auch eine immunregulatorische Bedeutung.
7.1.5 Die toll-like-Rezeptoren Toll-like-Rezeptoren (TLRs) sind Mitglieder einer Proteinfamilie, die dem unspezifischen, angeborenen Immunsystem zugerechnet wird. TLRs finden sich in allen Vertebraten, also auch Fischen und Reptilien. Ihr Name leitet sich vom TOLL-Gen ab, welches bei Drosophila melanogaster entdeckt wurde: Es zeigte Homologie zu dem Gen, welches für den IL-1 Rezeptor codiert. Dies legt nahe, dass die TLRs Mitglieder eines evolutionär sehr alten Systems sind. Bei den meisten Tierarten und auch beim Menschen hat man bisher mehr als zehn verschiedene TLRs entdeckt, manche kommen aber nur in bestimmten Spezies, beispielsweise in der Maus, jedoch nicht im Menschen vor. TLRs werden vor allem in dendritischen Zellen, Monocyten und Makrophagen gebildet und gehören zur Gruppe der pattern recognition receptors (PRR). Sie sind in der Cytoplasmamembran (TLR1, 2, 4, 5, 6, 11) oder in der Membran des Endosomen (TLR3, 7, 8, 9) verankert und dienen der Erken-
7.1 Zelluläre und molekulare Komponenten des Immunsystems
nung von pathogen-associated molecular patterns (PAMPs). Dabei handelt es sich um Strukturen, welche ausschließlich auf oder in Krankheitserregern (Bakterien, Viren, Pilzen) vorkommen. Die TLRs verleihen dem angeborenen Abwehrsystem damit die Fähigkeit, zwischen „selbst“ und „nicht selbst“ zu unterscheiden: TLR1 interagiert spezifisch mit Peptidoglycan-Komponenten grampositiver Bakterien, wohingegen TLR4 sich an die Lipopolysaccharide der gramnegativen Bakterien bindet und TLR5 Flagellin erkennt – ein Protein der Bakteriengeißeln (䉴 Tabelle 7.1). Die spezifische Erkennung viraler Erregerstrukturen erfolgt vor allem durch die in der Endosomenmembran verankerten TLRs 3, 7, 8 und 9: TLR3 bindet doppelsträngige RNA-Moleküle, TLR7 und TLR8 interagieren mit einzelsträngiger RNA und TLR9 mit unmethylierten CpG-Motiven in einzelund doppelsträngiger DNA. Doppelsträngige RNAs sind charakteristische Moleküle, die als Genomkomponenten oder Intermediate der Replikation von RNA-Viren vorkommen; in einer uninfizierten Zelle existieren sie nicht. Entsprechendes gilt für einzelsträngige DNA oder unmethylierte CpG-Motive. In Kontakt mit den tolllike-Rezeptoren kommen diese virusspezifischen Komponenten, nachdem sie von den dendritischen Zellen phagocytiert wurden und im Endosom vorhanden sind
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(䉴 Abbildung 7.1). Indem die verschiedenen toll-likeRezeptoren über ihre extrazellulären beziehungsweise in das Endosomenlumen orientierten, leucinreichen Domänen mit den unterschiedlichen erregerspezifischen Ligandenstrukturen wechselwirken, werden intrazelluläre Signalkaskaden induziert. Einige der toll-like-Rezeptoren können auch heterodimere Komplexe bilden, die dann in ihrer Ligandenbindung modifiziert sind oder miteinander überlappen. Als Folge der Ligandenbindung können sich an die ins Cytoplasma orientierten, konservierten TIR-Domänen (Toll/IL-1R-Domäne) der TLRs unterschiedliche, als Adaptoren wirkende TIRDomänenproteine wie MyD88 (myeloid differentiation response gene 88) oder hierzu ähnliche Faktoren anlagern. Dadurch werden in einem mehrstufigen Vorgang unter Beteiligung der IRAK-Kinasen (IL-1R associated kinase) einerseits die Mitglieder der Proteinkinasefamilie IKK (IκB-Kinase) aktiviert, welche den Inhibitor IκB des NFκB phosphorylieren. Als Folge kann der als Transkriptionsaktivator wirkende Faktor NFκB in den Zellkern gelangen und dort die Expression verschiedener proinflammatorisch wirkender Cytokine und Adhäsionsproteine einleiten. Einige der IKK-Kinasen phosphorylieren jedoch auch IRF-3 und IRF-7 (interferonregulatory factor), welche dadurch ihre Aktivität als
Tabelle 7.1 Die toll-like-Rezeptoren des Menschen, ihrer Liganden und Erregertypen, von welchen sie aktiviert werden toll-like-Rezeptor
Lokalisation
Liganden
Erreger
TLR1/2
Cytoplasmamembran
triacylierte Lipopeptide
Bakterien, Mycoplasma
TLR2
Cytoplasmamembran
Peptidoglycan Lipoarabinomannan Modulin Zymosan Glycosylphosphatidyl-Inositol Hämagglutinin
grampositive Bakterien Mycobakterien Staphylococus aureus Pilze Trypanosoma cruzi Masernvirus
TLR2/6
Cytoplasmamembran
diacylierte Lipopeptide
Mycoplasma
TLR3
Endosomenmembran
dsRNA
Viren
TLR4
Cytoplasmamembran
Lipopolysaccharide virale Membranproteine
gramnegative Bakterien respiratorisches Syncytialvirus Maus-Mamma-Tumor-Virus
TLR5
Cytoplasmamembran
Flagellin
Bakterien
TLR7
Endosomenmembran
ssRNA Guasinanalaga
Viren
TLR8
Endosomenmembran
ssRNA
Viren
TLR9
Endosomenmembran
unmethylierte CpG-Motive in DNA
Bakterien, Viren
TLR11
Cytoplasmamembran
profilinähnliche Strukturen Proteinkomponenten
Toxoplasma gondii uropathogene E.coli
7
58
7 Immunologie
Erkennungsstrukturen: Bakterien, Pilze, Protozoen, Viren
TLR11 Cytoplasmamembran TIR TIR
TIR TIR
DD TIR TIR TIR TIR TIR TIR
TIRAP
TLR5
DD
DD
DD
DD TIR TIR TIR TIR TIR
TRAM
TLR6/2
DD
Erkennungsstrukturen: Virus TLR3 TLR9 TLR7
IRAK 1, 2, 4
TI TIR R
MyD88
DD
TIR
DD
TRIF
Endosom
TIR TIR
TIR
TIR TIR
DD
TLR1/2
TIR TIR
TLR4
DD TIR TIR TIR TIR
TLR2
DD TIR TIR TIR
7
TRAF-6 TRAF3 TAK1
DD TBK1, IKK-i
TIR
IRAK1, 4
MyD88
IKK-α, IKK-β IκB NFκB
IκB
P + NFκB
IκB
IRF3, IRF7
Phosphorylierung Dissoziation
IKK-β
NFκB Phosphorylierung Dimerisierung
IRF-7 Phosphorylierung Dimerisierung
IκB P
IRF3 IRF3
P
P
IRF7 IRF7
P
P + NFκB
Phosphorylierung Dissoziation
IRF7 IRF7
P
P
ern
llk Ze
proinflammatorische Cytokine
NFκB
P
Promotor Zellgenom
IFN-α P IRF3/7 IRF3/7 P IFN-β ISRE Zellgenom Makrophage, dendritische Zelle
NFκB
IRF7 IRF7 ISRE
P
IFN-α
Zellgenom
proinflammatorische Cytokine
Promotor Zellgenom plasmacytoide dendritische Zelle
7.1 Zelluläre und molekulare Komponenten des Immunsystems
59
7.1 Die durch die toll-like-Rezeptoren vermittelten Aktivierungswege (vereinfachte schematische Darstellung). Die toll-likeRezeptoren sind in der Cytoplasmamembran (TLR1/2, TLR2, TLR4, TLR6/2, TLR5, TLR11) oder in der Endosomenmembran (TLR3, TLR7, TLR9) von dendritischen Zellen und Makrophagen/Monocyten verankert. Die TLRs wechselwirken mit erregerspezifischen Strukturen (PAMPs). Dadurch verändert sich die Struktur der cytoplasmatischen TIR-Domänen der TLRs, was die Anlagerung DD(death-domain)-haltiger TIR-Domänenproteine (beispielsweise MyD88, TRIF) bewirkt. Dies induziert Signalkaskaden, die an diesen verschiedenen Kinasen (IRAK, IKK, TRAF, TBK) beteiligt sind und bewirkt die Aktivierung von NFkB oder IRF3/IRF7. Diese aktiven Transaktivatoren werden in den Zellkern transportiert und leiten die Expression von proinflammatrischen Cytokinen und Klasse-IInterferonen ein.
transaktive Proteine entfalten und die Expression der für IFN-α und IFN-β codierenden Gene veranlassen. Andererseits kann die Weiterleitung der Signale auch MyD88-unabhängig durch Anlagerung von TRIF (TIRdomain containing adaptor inducing IFN-b) an die TIR-Domänen der toll-like-Rezeptoren unter Beteiligung der Phosphatidylinositol-3-Kinase erfolgen. Die unterschiedlichen Wege münden aber alle in die Aktivierung der Synthese von entzündlich wirkenden Cytokinen und Adhäsionsfaktoren sowie von Klasse I-Interferonen. Die toll-like-Rezeptoren stehen somit in der vordersten Linie der Immunabwehr. Sie werden nach dem Eindringen eines Virus oder eines anderen Infektionserregers als erste aktiv und leiten die weiteren Schritte sowohl der unspezifischen wie spezifischen Immunreaktionen ein.
7.1.6 Akutphaseproteine Diese große Gruppe unterschiedlicher Proteine ist ein Teil der systemischen Reaktion des Körpers auf Infektionen, Entzündungen oder Gewebeverletzungen. Sie werden von Hepatocyten gebildet, und bei Stimulierung durch IL-1 und/oder IL-6 erhöht sich ihre Synthese um ein Vielfaches. Diese Cytokine werden von aktivierten Granulocyten und Makrophagen sezerniert und gelangen über den Blutstrom in die Leber. Zu den Akutphaseproteinen zählt als ein unspezifischer Entzündungsmarker, das C-reaktive Protein (CRP); es erhielt seinen Namen, da es zusammen mit Ca2+-Ionen mit dem CPolysaccharid der Pneumokokken reagiert. CRP wird innerhalb weniger Stunden nach einem immunologischen Stimulus im Blut nachweisbar. Es bindet sich an Phosphocholin und erkennt so Phospholipid-Bestandteile in Membrankomponenten von Viren, Bakterien und zerstörten körpereigenen Zellen. Das mit Phosphocholin komplexierte CRP aktiviert das Komplementsystem; es hat opsonisierende Wirkung und wird von neutrophilen Granulocyten und Makrophagen phago-
cytiert. Dadurch aktiviert es weitere immunolgische Abwehrreaktionen. Weitere Mitglieder der Akutphaseproteine sind Kontrollfaktoren der Blutgerinnung wie das Fibrinogen, das die Vorstufe des Fibrins darstellt, das α1-Glycoprotein und Proteinaseinhibitoren wie das α2-Haptoglobulin, das α2-Makroglobulin, α2-Anti-Chymotrypsin, das α1Anti-Trypsin und der C1-Esterase-Inhibitor; diese regulieren die Gerinnungs- und Kininkaskaden. Auch verschiedene Komponenten wie die C3-Komponente des Komplementsystems sind Bestandteile der Akutphaseproteine.
7.1.7 Das Komplementsystem Das Komplement ist einer der wichtigsten Mediatoren von Entzündungsreaktionen. Entzündungen sind eine Folge von Infektionen und ursächlich mit den Prozessen verbunden, die durch die unspezifische Immunantwort eingeleitet werden. Das Komplement wird über zwei unterschiedliche Wege aktiviert: den sogenannten klassischen und den alternativen Aktivierungsweg. Beide münden jedoch in den gleichen Mechanismus zur Lyse virusinfizierter Zellen, Bakterien, Parasiten oder Tumorzellen. Antikörper-Antigen-Komplexe induzieren den klassischen Weg. Dagegen wird der alternative Weg unabhängig von der Anwesenheit von Immunglobulinen aktiviert. Im Komplementsystem verbinden sich damit der spezifische und der unspezifische Teil des Immunsystems, es stellt aber auch ein Bindeglied zwischen dem zellulären und dem humoralen Ast der Immunantwort dar. Die beiden Wege der Komplementaktivierung basieren auf mehreren Faktoren, die sich in einem kaskadenartigen Vorgang gegenseitig aktivieren. Die zentrale Reaktion, in der sich die beiden Wege treffen, ist die proteolytische Spaltung der Komplementkomponente C3 in C3a und C3b durch die C3-Konvertase. Beim alternativen Weg wird diese Umwandlung spontan durch bestimmte Zuckerstrukturen auf der Oberfläche von Bakterien, Viren, Pilzen, Protozoen sowie von
7
60
7.2 Aktivierung des klassischen Weges der Komplementkaskade durch eine virusinfizierte Zelle, an deren Zelloberfläche Virusproteine vorhanden sind. An diese Proteine können sich Antikörper spezifisch binden. Je zwei benachbarte IgG-Antikörper oder ein gebundener IgM-Antikörper können die Anlagerung der Komplementkomponenten C1q, C1r und C1s zu C1 bewirken. C1 ist eine Protease, sie spaltet die Komponente C4 zu C4a und C4b sowie C2 zu C2a und C2b. C4b und C2a bilden einen Komplex, der sich an die Cytoplasmamembran anlagert und seinerseits die Komponente C3 spaltet. C3b wird kovalent an die Strukturen der Zelloberfläche gebunden. Der Komplex von C4b, C2a und C3b prozessiert die Komponente C5 zu C5a und C5b. Letzteres interagiert wiederum mit der Zelloberfläche und bewirkt die Anlagerung des Membranangriffskomplexes aus C6, C7, C8 und C9, der durch Porenbildung die Zerstörung der infizierten Zelle einleitet. Die während des Prozesses abgespaltenen Proteine C4a, C3a und C5a wirken als Anaphylatoxine. In der Abbildung sind die aktiven Komponenten der Komplementkaskade jeweils rot dargestellt, ihre inaktiven Vorläufer dagegen schwarz.
7 7 Immunologie
7.2 Welche „Waffen“ stehen der spezifischen Immunabwehr zur Verfügung?
tumor- oder virusinfizierten Zellen eingeleitet. Beim klassischen Weg wird sie indirekt durch Antikörper ausgelöst, die an die Oberflächen der jeweiligen Erreger oder Zellen gebunden sind. An den Fc-Teil der Immunglobuline lagern sich die drei Subkomponenten C1q, C1r und C1s an und bilden die aktive Einheit (䉴 Abbildung 7.2). Diese wirkt als Protease und prozessiert die Komponenten C4 und anschließend C2, woraufhin sich die Spaltprodukte C4b und C2a an die Membranoberfläche der Zielstruktur, also die infizierte oder transformierte Zelle, das Virus oder Bakterium, den Pilz oder Einzeller anlagern. Sie bilden als Komplex die oben erwähnte C3-Konvertase des klassischen Weges. Bei der Spaltung von C3 wird die Konformation der Untereinheit C3b so verändert, dass eine reaktive Thioesterbindung exponiert wird. Diese reagiert mit funktionellen Seitengruppen der Aminosäuren, die an der Oberfläche der Erreger, Zellen oder auch der Antigen-AntikörperKomplexe zugänglich sind. Dadurch wird die C3bUntereinheit kovalent gebunden. Das C3b markiert die Strukturen als fremd und gibt damit ein Signal, das die Phagocytose durch Granulocyten, Makrophagen und Monocyten einleitet. Durch die Bindung der C3b-Komponente an Zielstrukturen auf Membranen wird zugleich der lytische Weg des Komplementsystems aktiviert. An seinem Beginn steht die Bildung der C5-Konvertase, die beim klassischen Weg aus dem Komplex von C4b, C2a und C3b besteht. Beim alternativen Weg kommt es unabhängig von C4b und C2a zur Spaltung der C5-Komponente in C5a und C5b. C5b bindet sich an das oberflächenassoziierte C3b und bewirkt die Anlagerung der Faktoren C6, C7, C8 und C9, die zusammen den Membranangriffskomplex bilden. Dieser lagert sich in die Zellmembranen ein und durchsetzt sie mit Poren; der Erreger oder die Zelle wird durch Lyse zerstört. Die kleinen Komponenten C4a, C3a und C5a, die während der Komplementaktiverung als lösliche Produkte von C4, C3 beziehungsweise C5 abgespalten werden, bilden die Anaphylatoxine. Sie sind immunregulatorisch von großer Bedeutung, denn sie induzieren die Ausschüttung des histaminhaltigen Granulainhaltes der basophilen Granulocyten und der Mastzellen in die Umgebung. So erhöhen sie die Durchlässigkeit der Gefäßwände und bewirken eine Kontraktion der glatten Muskulatur. C5a wirkt chemotaktisch auf Makrophagen und neutrophile Granulocyten, die in der Folge an den Infektionsort wandern und hier die weiteren Mechanismen der Immunabwehr induzieren.
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7.2 Welche „Waffen“ stehen der spezifischen Immunabwehr zur Verfügung? 7.2.1 T-Lymphocyten Die T-Lymphocyten haben eine zentrale Bedeutung für die Regulation der Immunantwort und für die Erkennung und Eliminierung von virusinfizierten Zellen oder Tumorzellen aus dem Organismus. Die spezifische Erkennung veränderter Zellen erfolgt über den T-ZellRezeptor (TCR), einen Proteinkomplex, der in der Cytoplasmamembran der T-Lymphocyten verankert ist. Bei 95 Prozent der T-Lymphocyten handelt es sich dabei um ein Heterodimer aus einer α- und einer β-Kette. Selten findet man Zellen mit γδ-T-Zell-Rezeptoren auf der Zelloberfläche, die ein Heterodimer aus einer γ- und einer δ-Kette besitzen. Ein großer Teil dieser T-Lymphocyten davon trägt weder CD4- noch CD8-Rezeptoren. Die Funktion der γδ-T-Zellen ist nicht endgültig geklärt; sie haben vermutlich regulatorische Aufgaben und sind als regulatorische T-Zellen an der Unterdrückung der zellulären Immunantwort im Anschluss an eine Infektion beteiligt. Zudem können sie lösliche Proteine wie Phosphatderivate und MHC-Klasse-I-ähnliche Moleküle binden und sind wohl auch an der Elimination epithelialer Infektionen beteiligt. Alle Proteinketten der T-ZellRezeptoren sind über eine carboxyterminale, hydrophobe Aminosäurefolge in der Cytoplasmamembran der T-Zellen verankert. Ihr oberflächenexponierter Teil verfügt jeweils über eine konstante und eine variable Domäne, die über Disulfidbrücken stabilisiert sind. Die variablen Domänen sind für die Spezifität der verschiedenen T-Lymphocyten verantwortlich. Mit ihnen erkennen sie fremde Strukturen auf den Oberflächen ihrer Zielzellen. Die Vielfalt der T-Zell-Rezeptoren kommt dadurch zustande, dass im Verlauf der Differenzierung der unreifen Thymocyten zu T-Lymphocyten – ein Vorgang, der noch während der Embryogenese im Thymus stattfindet – die genetische Information von 50 bis 100 verschiedenen V-Genabschnitten über somatische Rekombination und alternative Spleißprozesse in unterschiedlicher Weise mit einigen wenigen D- und J- sowie den C-Segmenten kombiniert wird. Ähnliche Vorgänge findet man auch bei der Generierung der variablen Regionen der Immunglobuline (䉴 Abschnitt 7.2.2). Mit dem TCR ist der CD3-Proteinkomplex verbunden. Dieses Heterotrimer besteht aus je einer membranverankerten γ-, δ- und ε-Kette, die nach der Bindung des TCR an Fremdstrukturen ein Signal an die ζ-Unterein-
7
7
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7 Immunologie
A
γ δ ε ζ ζ β
β
α
β
α α
α2
α1
α3
β2
β 2−
7.3 Die wichtigsten Komponenten der Wechselwirkung von T-Lymphocyten mit antigenpräsentierenden Zellen. A: Erkennung von virusinfizierten Zellen durch cytotoxische T-Lymphocyten. Der Komplex aus MHC-Klasse-I-Antigen und β2-Mikroglobulin lagert in seine antigenbindende Grube ein Peptid (rot) ein, das aus dem Abbau von Virusproteinen stammt, die in der infizierten Zelle selbst synthetisiert werden (produktive Virusinfektion, intern). Dieser Komplex wird spezifisch vom T-Zell-Rezeptor (TCR) erkannt, der über die variablen Domänen seiner α- und β-Kette damit in Wechselwirkung tritt. Unabhängig hiervon bindet sich das CD8-Rezeptorprotein (grau schattiert) der cytotoxischen T-Zelle an eine konservierte Domäne im MHC-Klasse-I-Antigen. Die Proteininteraktionen induzieren in ihrer Gesamtheit strukturelle Umlagerungen im T-Zell-Rezeptor, die über den CD3-Komplex in das Zellinnere weitergegeben werden. Der T-Lymphocyt gibt cytotoxisch wirkende Proteine und Perforine ab, welche die infizierte Zelle lysieren und so töten.
heiten und so in das Zellinnere weiterleiten (䉴 Abbildung 7.3). Als weitere Proteine sind mit dem TCR – außer bei γδ-T-Zellen – entweder CD4- oder CD8Rezeptoren assoziiert: Ihr Vorhandensein gliedert die TLymphocyten in die Untergruppen der CD4+-THelferzellen und der CD8+-cytotoxischen-T-Zellen. Sie vermitteln bei der spezifischen Fremderkennung die
Interaktion der T-Zellen entweder mit MHC-Klasse-IIoder mit MHC-Klasse-I-Antigenen. Für die Aktivierung einer T-Zelle ist neben der Wechselwirkung des T-Zell-Rezeptors mit einem MHC-/Peptid-Komplex auf Seite der antigenpräsentierenden Zellen noch ein costimulatorisches Signal notwendig: Dieses wird meist durch die Interaktion der B7-Proteine (B7.1
7.2 Welche „Waffen“ stehen der spezifischen Immunabwehr zur Verfügung?
63
B
γ δ ε ζ ζ β
β
α
β
α α α
β
β1
α1
β2
α2
7.3 (Fortsetzung) B: Erkennung von antigenpräsentierenden Zellen durch T-Helferzellen. Das MHC-Klasse-II-Antigen, das aus einer α- und einer β-Kette besteht, lagert in seine antigenbindende Grube ein Peptid (rot) ein, das aus dem Abbau von Virusproteinen von anderen Zellen stammt (extern), die von einer Zelle, beispielsweise von einem Makrophagen, durch Endocytose aktiv aufgenommen wurden. Dieser Komplex wird spezifisch vom T-Zell-Rezeptor (TCR) erkannt, der über die variablen Domänen seiner α- und β-Kette damit in Wechselwirkung tritt. Unabhängig hiervon bindet sich das CD4-Rezeptorprotein (grau schattiert) der T-Helferzelle an eine konservierte Domäne im MHC-Klasse-II-Antigen. Die Proteininteraktionen induzieren in ihrer Gesamtheit strukturelle Umlagerungen im T-Zell-Rezeptor, die über den CD3-Komplex schließlich in das Zellinnere weitergegeben werden. Die T-Helferzelle reagiert mit der Freisetzung von Cytokinen.
oder B7.2) oder der CD40-Proteine auf den antigenpräsentierenden Zellen mit ihren Liganden, dem CD28Protein (CTLA-4, cytotoxic T-lymphocyte antigen 4) beziehungsweise dem CD40-Liganden auf den T-Zellen vermittelt. Erst durch die costimulatorisch wirkende Wechselwirkung kommt es zur IL-2 vermittelten Proliferation der T-Lymphocyten. Bleiben diese costimulato-
rischen Signale aus oder werden sie durch bestimmte virusspezifische Eigenschaften unterdrückt, können die T-Zellen in Anergie, ein Stadium der funktionellen Ruhestellung, eintreten oder durch Einleitung der Apoptose zugrunde gehen. T-Zellen, die CD4+ und eine große Menge an CD25 exprimieren, wurden als wichtige regulatorische T-Zellen (Treg) erkannt, welche die
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7 Immunologie
Immunantwort gegenüber Selbst-Antigenen und somit Selbst-Toleranz und Autoimmunität entscheidend beeinflussen.
Cytotoxische T-Zellen Die CD8+-cytotoxischen-T-Lymphocyten erkennen virusinfizierte Zellen, lysieren diese und tragen so entscheidend zur Begrenzung der Infektion im Organismus bei. Sie lagern sich dabei über den TCR-Komplex und den CD8-Rezeptor an MHC-Klasse-I-Proteine an, die Peptidabschnitte viraler Proteine als Fremdkomponenten präsentieren. MHC-Klasse-I-Proteine oder Antigene befinden sich auf allen Zellen eines Organismus mit Ausnahme der Zellen im Gehirn (䉴 Abschnitt 4.1.2). Es handelt sich dabei um Heterodimere aus einer membranverankerten α-Kette und einem β2-Mikroglobulin (䉴 Abbildung 7.3A). Der oberflächenexponierte Teil der α-Kette ist in drei Domänen gegliedert, wobei die α1und α2-Domänen so gefaltet sind, dass ein antiparalleles Faltblatt entsteht, dem zwei α-Helices aufliegen. Die Struktur gleicht einer Grube: Das β-Faltblatt bildet den Boden, die α-Helices die Ränder (䉴 Abbildung 7.4). In diese Grube können sich Peptide mit einer Länge von etwa neun Aminosäuren einpassen. Sie werden durch eine Kombination aus hydrophoben und ionischen
A
Wechselwirkungen gebunden. Handelt es sich hierbei um Abschnitte von Virusproteinen, dann erkennt der TZell-Rezeptor der cytotoxischen T-Zelle den Komplex als „fremd“ und lagert sich an. Ist die Zelle nicht infiziert, dann ist die Grube mit Peptiden belegt, die aus zelleigenen Proteinen stammen. Diese werden nicht als fremd erkannt, weil cytotoxische T-Zellen mit solchen Spezifitäten schon während der T-Zellreifung im Thymus zurückgehalten und eliminiert werden. Die Beladung der MHC-Klasse-I-Proteine mit den Peptiden erfolgt im endoplasmatischen Reticulum. Voraussetzung hierfür ist, dass eine aktive Neusynthese der viralen Proteine erfolgt – eine Situation, die nur in infizierten Zellen gegeben ist, in denen die viralen Gene im Zuge der Virusreplikation exprimiert und in Proteine übersetzt werden (䉴 Abbildung 7.5A). Ein kleiner Teil davon wird nach der Synthese dem Proteasomenkomplex im Cytosol zugeführt und abgebaut; die dabei anfallenden Peptide werden von einem Peptidtransporter (TAP, transport associated protein), der in die Membran des endoplasmatischen Reticulums eingelagert ist, in das ER-Lumen transportiert. Hier passen sie sich in die Grube der MHC-Klasse-I-Moleküle ein, die als membranverankerte Proteine am endoplasmatischen Reticulum synthetisiert werden. Dabei ragt der später an der Zelloberfläche exponierte Anteil in das Lumen; bis zur Ausbildung stabiler Komplexe mit dem β2-Microglobu-
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7.4 Struktur des oberflächenexponierten Teils des MHC-Klasse-I-Antigens (HLA-A2). (Aus Bjorkman, P. J., in: Nature; (1987) 329, S. 506–512.) A: Darstellung des Komplexes aus HLA-A2 und β2-Mikroglobulin, basierend auf den Daten der Röntgenstrukturanalyse. Die Faltung der Aminosäurekette des HLA-A2 in die drei Domänen α1, α2 und α3 führt zur Bildung der antigenbindenden Grube aus den zwei α-Helices der Domänen α1 und α2, hier dargestellt durch Spiralen. Mit C ist in der α3-Domäne das carboxyterminale Ende markiert. An dieser Stelle geht die Aminosäurekette in die Transmembranregion über. Für die Erstellung der Kristallstruktur wurde diese Region durch proteolytische Spaltung entfernt. B: Schematische Darstellung der antigenbindenden Grube des HLAA2 (Aufsicht). Den Boden bilden sechs antiparallele β-Faltblätter (durch Pfeile dargestellt), denen zwei α-Helices (dargestellt durch die Spiralen) aufliegen.
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lin und dem Peptid wird die MHC-α-Kette an Calnexin gebunden, einem mit der ER-Membran verbundenen Protein, das als Chaperon wirkt und verhindert, dass die MHC-Aminosäurekette vorzeitig ihren endgültigen Faltungszustand einnimmt. Der schließlich gebildete Komplex aus Peptid, α-Kette und β2-Mikroglobulin gelangt durch die Golgi-Vesikel und das Trans-Golgi-Netzwerk an die Zelloberfläche, wird in der Membran verankert und kann von den T-Zell-Rezeptoren der CD8+-TLymphocyten erkannt werden. Daraufhin geben die T-Lymphocyten cytotoxische Faktoren (sogenannte Grancyme), Radikale sowie Perforine ab. Letztere oligomerisieren unter dem Einfluss von Ca2+-Ionen und werden in die Membran der als fremd erkannten Zelle eingelagert, durchsetzen sie mit Poren und lysieren sie. Voraussetzung für diesen Vorgang ist, dass die entsprechenden T-Lymphocyten durch Cytokine wie IL-2 und Interferon-γ stimuliert worden sind, die von T-Helferzellen sezerniert werden. Auch Cytokine wie IL-1, TNFα und IFN-α, die von den Zellen des unspezifischen Immunsystems, zum Beispiel von aktivierten Makrophagen, abgegeben werden, erhöhen die Aktivität der cytotoxischen T-Lymphocyten. Über sie besteht also eine enge Verbindung der unspezifischen Immunreaktionen mit der spezifischen, cytotoxischen T-Zellantwort. Auch können cytotoxische T-Zellen mittels ihres Fas-Liganden über Kontakt zu Fas-Rezeptoren auf der Oberfläche der Zielzellen ein Selbsttötungsprogramm (Apoptose; Abbildung 5.1) auslösen. Neben diesen zur Abtötung der antigenpräsentierenden Zellen führenden cytotoxischen Funktionen können die CD8+-T-Lymphocyten durch Freisetzung von IFN-γ auch eine nichtcytotoxische antivirale Antwort bewirken. Jeder Mensch verfügt über die genetische Information für bis zu sechs verschiedene α-Ketten der MHCKlasse-I-Antigene, die man beim Menschen auch als HLA (human leukocyte antigen) bezeichnet: Je zwei Moleküle sind von Typ HLA-A, -B und -C. Sie werden auf dem menschlichen Chromosom 6 codiert und nach den Mendelschen Regeln vererbt. Die HLA-Moleküle lassen sich verschiedenen Haplotypen zuordnen, die sich in den Aminosäurefolgen der α-Ketten unterscheiden. Man kennt heute über 30 verschiedene Haplotypen der HLA-A-Kette, über 60 HLA-B- und 15 HLA-CTypen, die meist noch in weitere Subtypen unterteilt werden können. Diese große Vielfalt in Verbindung mit den Vererbungsregeln bedingt, dass jeder Mensch über eine eigene Zusammenstellung von HLA-Haplotypen verfügt. Jede Körperzelle eines Menschen – mit Ausnahme der Nerven-, Gehirn- und bestimmten Augenzellen – besitzt somit ein charakteristisches HLA-„makeup“. Die unterschiedliche Aminosäurezusammensetzung manifestiert sich dabei vor allem in den Resten,
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welche die antigenbindende Grube auskleiden. Deshalb können die verschiedenen HLA-Haplotypen nur ganz bestimmte Peptidabschnitte binden. Man weiß heute, dass dies der Grund für die unterschiedliche genetische Fähigkeit einzelner Individuen ist, immunologisch auf Infektionskrankheiten zu reagieren. Verfügt ein Mensch beispielsweise über einen HLA-Subtyp, der Peptide eines bestimmten Virusproteins nur schlecht binden kann, so werden die entsprechenden infizierten Zellen weder erkannt noch eliminiert. Dieser Mechanismus erklärt auch die genetisch bedingte große Empfänglichkeit der Geparden für eine Infektion mit dem felinen Coronavirus und der relativen Häufigkeit der damit verbundenen felinen infektiösen Peritonitis (FIP; 䉴 Abschnitt 14.8). Geparden haben eine sehr enge genetische Basis und sind nicht in der Lage, wichtige, protektiv wirkende Epitope des Membranproteins vom FIP-Virus auf ihren MHC-IMolekülen zu präsentieren. Die damit stark verminderte zelluläre Immunität gegenüber diesem Virus erklärt das häufige Auftreten von FIP bei Geparden – eine Erkrankung, die bei unseren Hauskatzen, welche aufgrund ihrer MHC-I-Moleküle entsprechend protektiv wirkende Viruspeptide präsentieren können, nur sporadisch vorkommt.
T-Helferzellen Die Rezeptoren der T-Helferzellen binden in Kombination mit dem CD4-Protein an MHC-Klasse-II-Antigene, die ähnlich wie die oben beschriebenen Klasse-IAntigene Peptide viralen Ursprungs enthalten. MHCKlasse-II-Antigene sind nur auf potenziell antigenpräsentierenden Zellen vorhanden, beispielsweise auf Monocyten, Makrophagen, dendritischen Zellen, Bund T-Lymphocyten. Es sind Heterodimere aus einer α- und einer β-Kette, die beide in der Membran verankert sind (䉴 Abbildung 7.3B). Die aminoterminal orientierten α1- und β1-Domänen sind zu einer antigenbindenden Grube gefaltet, in die Peptide mit einer Länge bis zu 20 Aminosäuren eingepasst werden können. Die Bindung scheint in diesem Fall nicht so spezifisch von der Aminosäurefolge der Peptide abhängig zu sein, wie man es von den MHC-Klasse-I-Antigenen kennt. Auch bei den MHC-Klasse-II-Antigenen findet man eine hohe genetische Vielfalt: Jeder Mensch verfügt über je ein DP-, DQ- und DR-Allel, von denen es ebenfalls viele verschiedene Haplotypen gibt. Sie werden ebenfalls auf dem Chromosom 6 codiert und nach Mendelschen Regeln vererbt. Jeder Mensch hat also sechs theoretisch verschiedene HLA-Klasse-II-Gene, von denen es viele Haplo- und Subtypen gibt.
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7.5 Mechanismen der Antigenprozessierung und Beladung der MHC-Antigene. A: Die Beladung von MHC-Klasse-I-Antigenen. In der virusinfizierten Zelle werden im Infektionsverlauf Virusproteine (rot) synthetisiert. Ein Teil hiervon wird durch das Proteasom im Zytosol abgebaut. Ein Transporterprotein, das sich in der Membran des endoplasmatischen Reticulums befindet, schleust die so entstandenden Peptide in das Lumen des ER zurück. Diese lagern sich in die antigenbindende Grube von MHC-Klasse-IMolekülen ein, die in die Membran des endoplasmatischen Reticulums eingelagert sind und in dessen Lumen ragen. Hier assoziiert dieser mit dem β2-Mikroglobulin (β2M). Die MHC-Klasse-I-/Peptid-Komplexe werden über den Golgi-Apparat und das TransGolgi-Netzwerk zur Zelloberfläche transportiert.
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7.5 (Fortsetzung) B: Die Beladung von MHC-Klasse-II-Antigenen. Ein Virusbestandteil, der von einer anderen Zelle stammt, wird von einem Makrophagen aufgenommen und im Endosom durch Enzyme abgebaut (degradiert). Hierbei entstehen Peptide (rot). MHC-Klasse-II-Moleküle werden am endoplasmatischen Reticulum synthetisiert und die externen Domänen in das Lumen eingeschleust. Diese bilden einen Komplex mit einem kleinen Protein, der invariant chain (grau schattiert), das sich in die antigenbindende Grube einlagert. Im Stadium des trans-Golgi fusionieren die Vesikel mit den Endosomen, die die aufgenommenen und weiter degradierten Virusbestandteile beinhalten. Die invariant chain wird abgebaut, statt ihrer lagern sich die Viruspeptide in die antigenbindende Grube ein. Die MHC-Klasse-II-/Peptid-Komplexe werden weiter zur Zelloberfläche transportiert und hier verankert.
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Die Beladung der HLA-Kasse-II-Moleküle mit Peptiden unterscheidet sich von derjenigen der HLA-KlasseI-Proteine: Die Proteine, von denen sich die Peptide ableiten, werden in den antigenpräsentierenden Zellen nicht selbst neusynthetisiert. Die HLA-Klasse-IIMoleküle binden stattdessen Fragmente von Proteinen aus anderen, zum Beispiel virusinfizierten Zellen, die von der HLA-Klasse-II tragenden Zelle phagocytiert wurden und in die Endosomen gelangen, wo sie proteolytisch weiter abgebaut werden (䉴 Abbildung 7.5B). In diesem Zellkompartiment befinden sich auch die HLAKlasse-II-Moleküle nach ihrer Translation am endoplasmatischen Reticulum. Nach der Synthese und während des Transports liegen sie im Komplex mit einem dritten, kleinen Protein vor, der sogenannten invariant chain. Dieses ist in die antigenbindende Grube des HLAKlasse-II-Heterodimers eingepasst. Erst wenn der Komplex über den Golgi-Apparat die Endosomen erreicht, wird die invariant chain in dem sauren pH-Milieu durch Proteolyse abgespalten. Dadurch wird verhindert, dass während des Transports zelleigene Peptide eingelagert werden. Im Endosom treffen also externe, internalisierte Fremdpeptide und endogene HLA-Klasse-II-Proteine zusammen. Sie bilden Komplexe und werden zur Zelloberfläche transportiert, wo sie in der Membran verankert und den CD4+-T-Helferzellen präsentiert werden. Die T-Helferlymphocyten reagieren auf die Interaktion mit den antigenpräsentierenden Zellen mit der Freisetzung vieler verschiedener Cytokine und stimulieren so die Aktivität der anderen immunologisch aktiven Zellen. Bei ihrem ersten Kontakt mit einem Antigen sezernieren die naiven T-Helferzellen (TH0-Zellen) die gesamte Palette an möglichen Faktoren. Diese Eigenschaft geht verloren, wenn sich die TH0-Zellen entweder zu TH1- oder TH2-Zellen differenzieren. TH1-Zellen fördern durch die Ausschüttung der Cytokine IL-2 und Interferon-γ vor allem die Aktivierung weiterer T-Helferzellen sowie diejenige von cytotoxischen T-Zellen und Makrophagen. TH2-Zellen geben hingegen bevorzugt IL-4, IL-5, IL-6 und IL-10 ab und stimulieren die Proliferation und Differenzierung von Prä-B-Zellen zu antikörperproduzierenden Plasmazellen. Die durch Antigenerkennung aktivierte T-Helferzelle steuert also mithilfe der Cytokine die Immunantwort (䉴 Kapitel 8).
Regulatorische T-Zellen Erst 1995 wurden CD4+-/CD25+-Lymphocyten nachgewiesen, die autoreaktive Zellen kontrollieren konnten. Heute sind einige Phänotypen dieser T-Zellen bekannt, die regulierend auf das angeborene, aber auch auf das adaptive Immunsystem wirken. Regulatorische T-Zel-
len sorgen dafür, dass aktivierte Immunzellen dem Gewebe durch ihre inflammatorische und cytotoxische Eigenschaften nicht zu viel Schaden zufügen. Gibt es zu wenig regulatorische Zellen, können Immunzellen ungehindert aktiviert werden. Handelt es sich dabei um selbstreaktive T-Zellen, dann kommt es zu Autoimmunerkrankungen und zu massiven Gewebeschäden. Gibt es zu viele regulatorische T-Zellen, wird das Immunsystem zu stark unterdrückt. In solch einem Falle können Infekte nicht adäquat bekämpft oder transformierte Zellen nicht eliminiert werden. Damit steigt das Krebsrisiko. Auch bei der immunologischen Kontrolle von viralen Infekten scheinen regulatorische T-Zellen eine Rolle zu spielen. So konnten unterschiedliche Krankheitverläufe bei Infektionen mit Herpes-Simplex-Viren oder Hepatitis-C-Viren gezeigt werden. Die Viren können vom Immunsystem eliminiert werden, wenn regulatorische T-Zellen die Immunantwort nicht einschränken. Jedoch führt dies gleichzeitig zu einer starken Gewebsschädigung, die auf Dauer letal ist.
7.2.2 B-Lymphocyten und Antikörper Die Antikörpermoleküle und ihre Aufgaben Antikörper oder Immunglobuline sind bifunktionelle Moleküle. Sie verfügen in den Fab-Teilen (fragment antigen binding) einerseits über hochvariable Domänen, die es ihnen ermöglichen, mit praktisch jedem theoretisch vorstellbaren Antigen spezifisch zu interagieren (䉴 Abbildung 7.6). Diese Wechselwirkung erlaubt in bestimmten Fällen die direkte Neutralisierung von Viren, wenn dadurch beispielsweise eine Infektion der Zellen verhindert wird. Andererseits besitzen Antikörper den bei allen Molekülen (Subklassen) identischen Fc-Teil (fragment constant oder crystalline). Zu seinen Funktionen gehört die Bindung an Fc-Rezeptoren, die sich auf den Oberflächen von Makrophagen, Monocyten und neutrophilen Granulocyten befinden; diese Bindung induziert die Phagocytose des Antigen-AntikörperKomplexes. Außerdem aktivieren Antigen-AntikörperKomplexe den klassischen Weg der Komplementkaskade, der seinerseits die Phagocytose der Komplexe erleichtert und zur Lyse infizierter Zellen führt. Auch die antikörpervermittelte Zelltoxizität (ADCC-Antwort) der neutrophilen Granulocyten ist einer der durch Immunglobuline ausgelösten Effekte. Diese Zellen binden sich über ihre Fc-Rezeptoren an Antikörper, die mit viralen
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Oberflächenproteinen auf infizierten Zellen komplexiert sind, und schädigen diese durch Ausschüttung ihres Granulainhaltes. Genereller Aufbau Antikörper sind Glycoproteine, die von den Plasmazellen in großer Menge in das Blut abgegeben werden. Sie bestehen aus je zwei leichten und zwei schweren Ketten, die in einer Y-förmigem Grundstruktur angeordnet sind (䉴 Abbildung 7.6). Die leichten Ketten bestehen aus einer aminoterminalen variablen und einer carboxyterminalen konstanten Domäne. Innerhalb der variablen Domäne existieren Regionen mit einer noch einmal deutlich erhöhten Variabilität der Aminosäuresequenz. Diese complementarity determining regions (CDR) treten mit dem jeweiligen Antigen in Wechselwirkung und bestimmen die Spezifität und Affinität der Bindung. Die einzelnen Domänen sind durch intramolekulare Disulfidbrücken stabilisiert. Beim Menschen findet man λ- und κ-Versionen der leichten Ketten, die
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durch Unterschiede in der konstanten Region gekennzeichnet sind. Anhand der schweren Ketten, die sich hinsichtlich ihrer Art und Größe unterscheiden, lassen sich die Immunglobuline in die Klassen IgM, IgG, IgA, IgD und IgE einteilen. Auch die schweren Ketten besitzen in den aminoterminalen Bereichen eine variable Domäne, der eine unterschiedliche Anzahl konstanter Domänen folgt: Bei den schweren γ-, α- und δ-Ketten der IgG-, IgA- und IgD-Moleküle sind es drei, bei der μ-Kette des IgM und der ε-Kette des IgE gibt es vier konstante Domänen. Die leichten und schweren Ketten sind im Antikörpermolekül so miteinander kombiniert, dass jeweils die variablen, aminoterminalen Bereiche und die folgenden konstanten Domänen der leichten und schweren Ketten miteinander wechselwirken. Sie bilden die beiden Arme des Ypsilons, die auch als Fab-Fragmente bezeichnet werden. Eine intermolekulare Disulfidbrücke verbindet die leichten und schweren Ketten kovalent miteinander. Die schweren Ketten dimerisieren
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7.6 Aufbau eines Antikörpermoleküls am Beispiel des IgG. Die Faltung der einzelnen Domänen und ihre Stabilisierung durch Disulfidbrücken ist schematisch angedeutet. Rot: variable Domänen, schwarz: konstante Domänen.
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ab der zweiten konstanten Domäne und bilden den Stiel des Ypsilons, der auch als Fc-Fragment bekannt ist. Auch die beiden schweren Ketten sind über eine Disulfidbindung miteinander verknüpft. IgM-Antikörper Von diesen Immunglobulinen existiert eine in der Cytoplasmamembran der Prä-B-Zellen verankerte Version, die als Antigenrezeptor dient; für das sich daran bindende Antigen bleibt die B-Zelle und in Folge auch die Plasmazelle spezifisch. Eine andere IgMVersion wird von den Zellen nach einem Antigenstimulus sezerniert und ist für die frühe Aktivierung des Komplementsystems wichtig. Das von den Zellen freigesetzte IgM liegt als Komplex von fünf Antikörpereinheiten vor, deren Fc-Anteile über kurze J-Peptide miteinander verbunden sind. IgM-Moleküle sind die ersten Antikörper, die im Verlauf einer Infektion gegen einen bestimmten Erreger gebildet werden. Ihr Anteil am Gesamtimmunglobulin im Serum beträgt etwa zehn Prozent. IgMAntikörper binden Antigene mit einer relativ geringen Affinität. IgD-Antikörper Ähnlich wie IgM wird IgD in der Frühphase der Infektion in geringen Mengen gebildet und liegt ebenfalls in einer membranständigen Version auf B-Zellen vor. Sein Anteil am Gesamtimmunglobulin beträgt weniger als ein Prozent. Seine Funktion ist nicht endgültig geklärt. Man vermutet, dass auch das IgD als Antigenrezeptor wirkt und für die antigeninduzierte Differenzierung der Prä-B-Zellen zu Plasmazellen notwendig ist. IgG-Antikörper IgG bildet mit 75 Prozent des Gesamtimmunglobulins die größte Antikörperpopulation im Serum. Es ist der wichtigste Antikörper und verleiht bei wiederholtem Kontakt mit den gleichen Erregern eine schützende Immunantwort. Im Gegensatz zum IgM besitzt das IgG eine sehr hohe Affinität, bindet die Antigene also sehr spezifisch. Es gibt insgesamt vier verschiedene IgG-Subklassen. Sie haben unterschiedliche Funktionen und werden in Abhängigkeit vom Erreger- und Antigentyp gebildet: Bei viralen Infektionen überwiegen in der frühen Phase die Subklassen IgG1 und IgG3, die als einzige zur Aktiverung des Komplementsystems befähigt sind. Bei länger zurückliegenden Infektionen findet man nur noch IgG3. IgG2 wird vor allem durch bakterielle Polysaccharidstrukturen induziert. IgG-spezifische FcRezeptoren befinden sich auf Makrophagen, Monocyten und neutrophilen Granulocyten, die durch die Bindung des Antigen-Antikörper-Komplexes zur Phagocytose veranlasst werden. Des Weiteren induziert IgG die Mechanismen der ADCC-Antwort.
IgA-Antikörper Der IgA-Anteil am Gesamtimmunglobulin im Serum beträgt nur 15 Prozent. In den Schleimhäuten und den Körpersekreten wie Speichel, Bronchialflüssigkeit und Urogenitalsekreten ist es jedoch der vorherrschende Antikörper; es wird in den Plasmazellen in der Submucosa produziert und durch einen aktiven Mechanismus zum größten Teil durch Epithelzellen hindurch auf die Schleimhäute sezerniert. Hierzu müssen sich die monomeren IgA-Moleküle mittels einer J-Kette zu Dimeren verbinden. Die IgA-Dimere lagern sich dann an einen IgA-Rezeptor auf der „Rückseite“ der Epithelzellen an, werden zusammen mit dem Rezeptor aufgenommen und zur „Vorderseite“ des Epithels transportiert. Das Rezeptorprotein bleibt dabei als sekretorische Einheit (secretory piece) mit dem IgA-Dimer assoziiert und stabilisiert den Komplex in der Schleimhaut. Das IgA spielt eine wichtige Rolle bei der lokalen Infektabwehr in Schleimhautbereichen und der Verhinderung wiederholter Infektionen mit den gleichen Erregertypen. IgE-Antikörper IgE wird vor allem bei Parasitenbefall gebildet und induziert durch die Bindung seines Fc-Teils an die entsprechenden Rezeptoren auf basophilen Granulocyten und Mastzellen die Ausschüttung von Histaminen. Bei gesunden Personen ist IgE im Serum nur in Spuren nachweisbar. Deutlich erhöht ist es dagegen bei Allergikern. Hier ist es bei wiederholtem Auftreten des gleichen Antigens für die allergischen Reaktionen und die damit einhergehende Histamin- und Prostaglandinausschüttung, zum Beispiel im Bronchialbaum, sowie für die anaphylaktische Schockreaktion mitverantwortlich.
Bildung der Antikörpervielfalt und der Subklassen B-Zellen produzieren Antikörper und sind deshalb zusammen mit den T-Lymphocyten für die Etablierung einer spezifischen Immunantwort erforderlich. Sie entwickeln sich aus den pluripotenten Stammzellen des Knochenmarks – diese sind die Vorläufer für alle hämatopoetischen Zellen – unter dem Einfluss von Cytokinen (IL-3) zu B-Vorläuferzellen. Für die weitere Differenzierung zu Prä-B-Zellen sind IL-4, IL-5 und IL-6 nötig. Während dieses Prozesses erfolgt auf DNA-Ebene über somatische Rekombinationen die Neuordnung der variablen Bereiche der Immunglobulingene. Zuerst werden die D- und J-Segmente der schweren Kette miteinander kombiniert. Dann wird ihnen nach dem Zufallsprinzip eines der über hundert V-Segmente vorgelagert, sodass in der Prä-B-Zelle eine definierte Anordnung von VDJAbschnitten vorliegt. Diese werden durch Spleißen mit
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den konstanten Regionen der μ-Kette zusammengefügt. Anschließend werden auch die V- und J-Segmente der leichten λ- und κ-Ketten neu arrangiert und bei der Transkription über Spleißen mit den C-Abschnitten verbunden. Die entsprechenden Proteinketten werden synthetisiert und gelangen an die Zelloberfläche. In dieser Phase haben die Prä-B-Zellen membranständiges IgM auf den Oberflächen und sezernieren geringe Mengen der IgM-Moleküle mit den entsprechenden Spezifitäten. Die vielen Millionen Kombinationsmöglichkeiten der VDJ-Regionen der schweren Ketten beziehungsweise der VJ-Abschnitte der leichten Ketten gewährleisten, dass praktisch für jedes mögliche Antigen ein spezifisch bindendes IgM-Molekül existiert. In niedrigen Konzentrationen sind sie kontinuierlich auf den entsprechenden Zellen und im peripheren Blut vorhanden und können die Erreger neutralisieren. Die löslichen IgMAntikörper bilden Komplexe mit den Antigenen und wirken als Induktoren der Komplementkaskade. Die membranständigen IgM-Moleküle fungieren hingegen als Antigenrezeptoren und bewirken dabei die Aufnahme des entstandenen membranständigen Antigen-Antikörper-Komplexes. Die Proteine werden im Endosom abgebaut, wo die Fremdpeptide des Antigens sich an HLAKlasse-II-Proteine binden können. Von dort gelangen sie als MHC-Komplex zurück an die Zelloberfläche. In dieser Phase werden die Prä-B-Zellen zu antigenpräsentierenden Zellen, an die sich T-Helferzellen mit den entsprechenden Spezifitäten der T-Zell-Rezeptoren binden und daraufhin eine große Anzahl verschiedener Cytokine abgeben (䉴 Kapitel 8). Die B-Zellen werden dadurch zur weiteren Proliferation und Differenzierung zu Plasmazellen angeregt. In dieser Phase erfolgt auch der Wechsel der Immunglobulinklassen (switch), das heißt, die variablen Domänen der schweren Ketten werden durch alternative Spleißereignisse mit den entsprechenden Segmenten der γ-Ketten oder – in Abhängigkeit von empfangenen Cytokinsignalen – der anderen schweren Ketten kombiniert. In den DNA-Abschnitten, die innerhalb der V-Domänen für die hochvariablen CDR-Abschnitte codieren, kommt es zu Mutationen. Durch diese Reifung mittels der somatischen Hypermutation erhalten die Antikörper ihre endgültige, hochaffine Spezifität.
Wann liegt im Organismus eine spezifische Immunantwort vor? Die unspezifischen, nichtadaptiven Immunreaktionen sind angeboren und liegen bereits im neugeborenen Lebewesen vor. Im Unterschied dazu werden die meisten spezifischen zellulären und humoralen Abwehrmecha-
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nismen erst durch Kontakt mit Infektionserregern nach der Geburt ausgebildet. Damit sich die hochaffine Bindung der T-Zell-Rezeptoren von T-Helfer- und cytotoxischen T-Zellen sowie diejenige der variablen Regionen der Antikörper entwickeln kann, muss das Immunsystem und somit der Organismus Kontakt mit den jeweiligen Viren und anderen Infektionserregern haben – diese Vorgänge finden mit Ausnahme der transplacentar übertragenen Viren erst nach der Geburt statt. Wird der Embryo dabei infiziert, dann kann er ab der 22. Schwangerschaftswoche selbst IgM- und IgG-Antikörper bilden. Beim Menschen wird den Neugeborenen jedoch ein erster spezifischer Schutz durch die mütterlichen Antikörper verliehen (Leihimmunität), die während der Schwangerschaft und auch durch das Stillen in den Blutkreislauf des Kindes gelangen und dort etwa ein halbes Jahr lang spezifische Schutzfunktionen übernehmen (Nestschutz), wobei sie nach und nach abgebaut werden. Grundlage dafür ist der menschliche Placentationstyp (Placenta haemochorialis), der auf einer weitgehenden Auflösung der Strukturen maternaler Placentaanteile beruht. Hier umspült das maternale Blut direkt die von der Chorionmembran umgebenen fetalen Kapillaren, die für Antikörper der Subklasse IgG durchlässig sind. Bei Tieren ist die Situation unterschiedlich: Bei Pferden und Schweinen liegt eine vollständige Trennung der intakten fetalen und maternalen Seite der Placenta (Placenta epitheliochorialis) vor, wohingegen bei Wiederkäuern und Fleischfressern (Hunden und Katzen) das Uterusendothel und in unterschiedlichem Ausmaß auch die Submucosa des Uterus aufgelöst ist (Placenta syndesmochorialis beim Wiederkäuer und Placenta endotheliochorialis beim Fleischfresser). Die unterschiedlichen Placentationstypen haben direkten Einfluss auf die Weitergabe von mütterlichen Immunglobulinen: Je vollständiger die maternale und fetale Seite voneinander getrennt sind, desto undurchlässiger wird die Placenta für Antikörpermoleküle. Im Unterschied zum Menschen findet die Übertragung der Immunglobuline bei Wiederkäuern und Schweinen ausschließlich und bei Hunden und Katzen überwiegend über das Kolostrum statt. Hierunter versteht man die bis wenige Tage nach der Entbindung gebildete eiweißreiche Vormilch, die neben Vitaminen und Antikörpern auch Leukocyten enthält. Die Resorption der Antikörper durch die Jungtiere erfolgt dabei nur während der ersten Lebensstunden.
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7.3 Wie kann die Abwehr von Viren Autoimmunkrankheiten hervorrufen? Der Organismus hat durch das Immunsystem die Möglichkeit, Antikörper und T-Zell-Rezeptoren mit Spezifitäten für viele Millionen Antigene zu entwickeln. Dabei muss gewährleistet sein, dass diese ausschließlich Fremdantigene erkennen und keine körpereigenen Strukturen angreifen. Wenn das Immunsystem nicht mehr zwischen „selbst“ und „fremd“ unterscheidet und gegen körpereigene Strukturen und Zellen reagiert, können sich Autoimmunreaktionen ausbilden. Im anderen Fall kommt es zur Toleranz. Normalerweise werden während der Embryogenese und auch danach im Thymus T-Zellen mit Rezeptoren ausgewählt und zurückgehalten, die körpereigene Strukturen erkennen. Sie gelangen somit nicht in das periphere Blut, sondern gehen durch Apoptose, also den programmierten Zelltod, zugrunde. Diese klonale Selektion garantiert, dass im Organismus keine T-Helferlymphocyten und cytotoxischen T-Zellen vorhanden sind, die Selbst-Spezifitäten besitzen. Da die Antikörperproduktion auf die Hilfe von T-Zellen angewiesen ist, sollten auch keine Immunglobuline mit entsprechender Selbsterkennung vorhanden sein. Virusinfektionen lösen gelegentlich Autoimmunreaktionen aus. Einige Viren codieren für Proteine, die zellulären Polypeptiden ähneln, jedoch nicht mit ihnen identisch sind. Das ist unter anderem beim Masernvirus der Fall, das für ein dem basischen Myelin des Gehirns ähnelndes Protein codiert, beim humanen Immundefizienzvirus, das mehrere Proteinabschnitte besitzt, die mit verschiedenen Zellkomponenten homolog sind, sowie beim EpsteinBarr-Virus (䉴 Abschnitte 15.3, 18.1 und 19.5). Aufgrund ihrer Ähnlichkeit induzieren diese Viren immunologische Kreuzreaktionen mit den entsprechenden Zellproteinen. Man bezeichnet das Nachahmen zellulärer Proteine als molekulare Mimikry. Nach der jeweiligen Infektion können cytotoxische T-Lymphocyten vorliegen, die körpereigene Zellen angreifen und lysieren. Kreuzreaktive T-Helferzellen können die Produktion von Immunglobulinen einleiten, die gegen Zellproteine gerichtet sind. Die so entstehenden ZellantigenAntikörper-Komplexe können alle möglichen Abwehrreaktionen auslösen, die vom Angriff der neutrophilen Granulocyten mit der Ausschüttung von entzündungsfördernden Faktoren bis hin zur Aktivierung der Komplementkaskade mit ihren zellschädigenden Effekten reichen. Lagern sich diese Komplexe in den Synovialspalten ab, dann können die induzierten Immunreak-
tionen schwere Gelenkentzündungen hervorrufen. Derartige Vorgänge sind eine mögliche Ursache der postinfektiösen reaktiven Arthritiden, wie sie beispielsweise mit Röteln- oder Parvovirusinfektionen assoziiert sind (䉴 Abschnitte 14.6 und 20.1). Es gibt jedoch noch andere Mechanismen. So induziert das Epstein-Barr-Virus im Verlauf der Primärinfektion, der infektiösen Mononucleose, eine polyklonale Aktivierung von T-Zellen, die mit einer erhöhten Cytokinausschüttung reagieren und so auch B-Zellen polyklonal stimulieren (䉴 Abschnitt 19.5). Ohne Rücksicht auf die Antigenspezifität werden viele B- und TLymphocyten stimuliert. Bei vielen Patienten mit einer akuten Epstein-Barr-Virus-Infektion findet man infolgedessen Immunreaktionen gegen verschiedene körpereigene Strukturen; die erhöhte Aktivierungsrate äußert sich in Lymphknotenschwellungen und der Lymphadenopathie. Der Organismus reagiert auf Virusinfektionen mit der Produktion von IFN-α, -β und -γ. Diese Interferone induzieren unter anderem eine erhöhte Expression von MHC-Klasse-I- und MHC-Klasse-II-Proteinen auch auf der Oberfläche nichtinfizierter Zellen. Aufgrund der MHC-Überexpression kann es zu immunologischen Nebenwirkungen kommen und die entsprechenden Zellen werden von T-Lymphocyten angegriffen; im Fall der Epstein-Barr-Virus-Infektion führt dies zur Mononucleose im Blutbild. Die unspezifische Proliferation kann in diesem Fall durch weitere, lang anhaltende stimulierende Faktoren (beispielsweise Malaria, ChromosomenTranslokationen) im Laufe der Zeit zu monoklonalen beziehungsweise polyklonalen maligne entarteten Zellen und zu Burkitt-Lymphomen führen. Auch die Wirkung von Superantigenen führt zum immunologischen Angriff auf Körperzellen. Solche Proteinmoleküle binden sich einerseits an bestimmte Vβ-Ketten der T-ZellRezeptoren, andererseits an MHC-Klasse-II-Proteine auf der Oberfläche von antigenpräsentierenden Zellen. Beide Zelltypen werden so in antigenunabhängiger Weise miteinander in Kontakt gebracht. Diese unspezifische Stimulierung führt zur oligoklonalen Expansion von T-Zellen mit bestimmten β-Ketten in den Rezeptoren, die unter anderem auch gegen zelleigene Strukturen gerichtet sind. Zusätzlich findet man die Ausschüttung der entsprechenden Cytokine. Man hat Hinweise darauf, dass das Tollwutvirus, das Maus-Mamma-Tumor-Virus und einige weitere Retroviren – möglicherweise auch das humane Immundefizienzvirus – über Superantigene verfügen (䉴 Abschnitte 15.1 und 18.1).
7.4 Auf welche Weise können Viren dem Immunsystem entgehen?
7.4 Auf welche Weise können Viren dem Immunsystem entgehen? Etliche Viren haben im Laufe ihrer Evolution Mechanismen entwickelt, die es ihnen ermöglichen, der Immunantwort ihres Wirtes auszuweichen. Häufig ist diese Fähigkeit auf die ungenau arbeitenden viralen Enzyme zurückzuführen, welche meist als RNA-Polymerasen die viralen Genome replizieren. Folglich haben insbesondere RNA-Viren eine sehr hohe Mutationsrate und variieren – wie die Hepatitis-C-, die humanen Immundefizienz- und die Influenzaviren – unter dem Selektionsdruck der Antikörper kontinuierlich die Sequenz und Struktur ihrer oberflächenexponierten Proteinregionen und entkommen damit der neutralisierenden Wirkung der Immunglobuline (Quasi-Spezies; 䉴 Abschnitte 14.5, 16.3 und 18.1). Außerdem verändert die Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus das Muster der von den Zellen produzierten Cytokine und Chemokine. Dadurch verlieren das zelluläre Immunsystem und insbesondere die cytotoxischen T-Lymphocyten ihre Wirkung (䉴 Abschnitt 18.1). Andere Viren haben ebenfalls recht einfache Wege gefunden, die Immunantwort des Wirtsorganismus zu umgehen und persistierende Infektionsformen zu entwickeln. Die Papillomaviren (䉴 Abschnitt 19.3) infizieren beispielsweise die Zellen der äußersten Hautschichten – eine ökologische Nische, die für das Immunsystem kaum zugänglich ist. Herpes-simplex-Viren produzieren während der Latenz in Nervenzellen keine Virusproteine, daher erkennt das Immunsystem die Zellen auch nicht als infiziert. Dagegen produzieren Hepatitis-B-Viren (䉴 Abschnitt 19.1) im Infektionsverlauf große Mengen ihres Oberflächenproteins HBsAg, das daraufhin in hohen Konzentrationen im Blut vorliegt und die HBsAgspezifischen neutralisierenden Antikörper abfängt. Neben diesen eher ungezielten Möglichkeiten zum Ausweichen der Immunantwort haben aber viele Viren, insbesondere die DNA-Viren, spezielle Vorgehensweisen entwickelt, mittels derer sie die Abwehrreaktionen gezielt unterdrücken können. Dies ermöglicht es ihnen, persistierende Infektionen zu etablieren. Am weitesten verbreitet ist dabei die Reduktion der MHC-Antigene auf den Oberflächen der infizierten Zellen. Der verringerte MHC-Klasse-I-Gehalt verhindert die Erkennung durch die zelluläre Immunantwort; diese Möglichkeit wird von Adenoviren, Herpesviren (Cytomegalovirus, humanes Herpesvirus 8 und Epstein-Barr-Virus), aber auch von humanen Immundefizienzviren genutzt. Die infizierten Zellen können die viralen Peptid-Antigene nicht mehr
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präsentieren, die cytotoxischen T-Lymphocyten erkennen die Zellen nicht, und das Virus entgeht der Eliminierung (䉴 Abschnitte 18.1, 19.4 und 19.5). Die molekularen Mechanismen, welche die Viren für die Reduktion der MHC-Antigene entwickelt haben, sind unterschiedlich: Adeno- und auch die Cytomegaloviren halten mit bestimmten Virusproteinen die neu gebildeten MHC-Klasse-I-Proteine im endoplasmatischen Reticulum zurück und verhindern den Transport zur Zelloberfläche. Damit die MHC-verarmten Zellen nicht von NK-Zellen angegriffen werden, codieren die Cytomegaloviren zusätzlich für ein MHC-Klasse-I-Homolog, welches mit dem KIR-Rezeptor interagiert und so verhindert, dass sich die cytotoxische Aktivität der NK-Zellen entfalten kann (䉴 Abschnitt 19.5). Die humanen Immundefizienzviren verfügen hingegen über Proteinfunktionen, welche die oberflächenexponierten MHC-Proteine destabilisieren, um danach ihre Endocytose und ihren proteolytischen Abbau zu veranlassen. De facto finden sich zu fast allen immunologischen Angriffspunkten gegenüber Viren Beispiele entsprechender gezielter Ausweich- oder Unterwanderungsstrategien im Rahmen der viralen Immunevasion. Interferone haben eine ausgeprägte antiviral wirkende Aktivität (䉴 Kapitel 8). Um dieser unspezifischen Immunabwehr zu entgehen, greifen etliche Viren in die Signalwege zur Aktivierung der Expression der IFNGene ein: Sie verhindern die Phosphorylierung der STAT-Proteine und bewirken ihren Abbau (Paramyxoviren; 䉴 Abschnitt 15.3), verfügen über Proteinkomponenten, welche die Aktivität der PKR oder der 2’-5’Oligoadenylatsynthese inhibieren, ihre Bindung an doppelsträngige RNA verhindern oder sie abbauen (Reoviren, humane Immundefizienzviren, Adenoviren, Epstein-Barr-Virus, Pockenviren; 䉴 Abschnitte 17.2, 18.1, 19.4, 19.5 und 19.6). Alternativ hierzu verfügen viele Viren über Möglichkeiten, welche die Cytokinsynthese verhindern oder ihre Wirkung einschränken. Die Asfarviren codieren für ein zum IκB-Faktor homologes Protein, welches durch das Eingreifen in den Signalweg die Aktivierung des NFκB und somit die Synthese vieler immunologisch wichtiger Genprodukte verhindert (䉴 Abschnitt 19.7). Vor allem die Pockenviren, aber auch einige Herpesviren produzieren Virusproteine, die zu verschiedenen Cytokin- oder Chemokinrezeptoren homolog sind, von den infizierten Zellen sezerniert werden und die löslichen Botenstoffe der unspezifischen Immunabwehr im Blut abfangen (䉴 Abschnitte 19.5 und 19.6). Jedoch ist insbesondere bei Herpesviren auch die Synthese von Chemokinanalogen, welche die entsprechenden Rezeptoren blockieren, eine gern genutzte Möglichkeit zur Unterdrückung der immunologischen Abwehr.
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7
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7 Immunologie
7.5 Weiterführende Literatur Abbas, A. K.; Lichtman, A. H.; Pober, J. S. Immunologie. Bern (Huber) 1996. Alcami, A.; Koszinowski, U. H. Viral mechanisms of immune evasion. In: Immunology Today 21 (2000) S. 447–455. Brostoff, J.; Scadding, G. K.; Male, D.; Roitt, I. M. Klinische Immunologie. Weinheim (VCH/Chapman & Hall) 1993. Eisenächer, K.; Steinberg, C.; Reindl, W.; Krug, A. The role of viral nucleic acid recognition in dendritic cells for innate and adaptive antiviral immunity. In: Immunobiology 212 (2007) S. 701–14. Elgert, K. D. Immunology. Understanding the Immune System. New York (Wiley Liss Inc.) 1996. Janeway, C. A.; Travers, P.; Walport, M.; Shlomchik, M. Immunologie. 6. Auflage Heidelberg (Spektrum Akademischer Verlag) 2002. Kaufmann, S. H. E.; Sher, A.; Achmed, R. Immunology of infectious diseases. Washington (ASM Press) 2002. Morgan, K. O.; Morgan P. B.; Morgan, P. Complement: Clinical Aspects and Relevance to Disease. London, San Diego, New York (Academic Press) 1990. Müller, T.; Hamm, S.; Bauer, S. TLR9-mediated recognition of DNA. In: Handb. Exp. Pharmacol. 183 (2008) S. 51–70. Paul, W. E. Fundamental Immunology. 4. Aufl. Philadelphia, New York (Lippincott-Raven) 1999.
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8 Cytokine, Chemokine und Interferone M. Hoskins sowie George M. Findlay und F. O. MacCallum entdeckten 1935 das Phänomen der Interferenz: Versuchstiere, die mit avirulenten Gelbfieberviren inokuliert wurden, erwiesen sich in den folgenden 24 Stunden vor Infektionen mit dem Wildtypvirus geschützt. Die Ursache der Interferenz blieb lange Zeit unklar, bis 1957 Alick Isaacs und Jean Lindenmann in infizierten, bebrüteten Hühnereiern die Substanz Interferon nachweisen konnten. Anfangs nahm man an, dass der durch Interferon vermittelte Abwehrmechanismus gegen „Fremdnucleinsäuren“ gerichtet sei, da sich Interferon durch die doppelsträngige RNA der Reoviren effektiv induzieren ließ. Seine Wirkungsweise war jedoch nicht sehr selektiv. Es zeigte sich bald, dass auch nichtinfizierte Zellen von Interferon beeinflusst werden und bei Verabreichung der Substanz an Tiere schwere Nebenwirkungen auftreten können. Zudem wurde klar, dass es im Organismus eine Basiskonzentration an Interferonen gibt, die physiologisch ist und durch häufige Virusinfektionen aufrechterhalten bleibt. Interferone üben in der Zelle viele Funktionen aus und erfüllen wichtige Aufgaben bei der Regulierung der Zellphysiologie. Interferon war aber nur das erste einer großen Anzahl von induzierbaren Cytokinen, die in der Folge entdeckt wurden. Bereits 1866 war berichtet worden, dass sich Tumoren nach bakteriellen Infektionen zurückbilden. 1975 zeigten dann Elizabeth Carswell und Mitarbeiter,
dass Makrophagen von Mäusen, die mit dem Tuberkulose-Impfstamm BCG (Bacillus Calmette-Guérin) infiziert und mit Lipopolysacchariden aus E. coli behandelt worden waren, einen cytotoxischen, tumorzerstörenden Faktor bilden, den man als Tumornekrosefaktor (TNF) bezeichnete. Auch die Entstehung des Fiebers als ein Symptom von zentraler medizinischer Bedeutung hatte schon früh großes Interesse erregt. Man konnte exogene und endogene fieberauslösende Stoffe (Pyrogene) unterscheiden: Als exogenes Pyrogen ließen sich gereinigte Influenzaviren verwenden; die endogene Aktivität, die durch diesen „äußeren Reiz“ induziert wurde, war im Serum nachweisbar und wurde 1971 als Interleukin1 (IL-1) bezeichnet. Diese Substanz wird unter anderem von stimulierten Makrophagen und Granulocyten gebildet und kann zusammen mit Lektinen, beispielsweise dem Phytohämagglutinin, Lymphocyten aktivieren. In den vergangenen Jahren fand man, dass die toll-like-Rezeptoren (TLRs) und ihre Fähigkeit, erregerspezifische Strukturen, sogenannte PAMPs, zu erkennen, mit ihnen in Wechselwirkung zu treten und durch Auslösen einer Signalkaskade die Expression der Interferon- und etlicher Cytokingene einzuleiten, wesentlich für die frühen immunologischen Abwehrschritte sind (䉴 Abschnitt 7.1). Diese Befunde haben entscheidend dazu beigetragen, dass man die grundlegenden Vorgänge bei der Einleitung der Immunantwort gegen Viren besser versteht.
8
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8 Cytokine, Chemokine und Interferone
8.1 Welche Gruppen von Cytokinen unterscheidet man und welche Funktionen erfüllen sie im Verband der immunologischen Effektorsysteme? Die Cytokine sind ein Teil der unspezifisch wirkenden, nichtadaptiven Immunabwehr und deshalb für die Bekämpfung von Erregern bei erstmaligen Kontakten essenziell. Sie werden zu einem Zeitpunkt der Infektion aktiv, zu dem spezifisch wirkende Antikörper oder cytotoxische T-Zellen noch nicht vorhanden sind. Sie regulieren und koordinieren das Zusammenwirken der immunologischen Effektorsysteme, also der zellulären und der humoralen Immunantwort, die beide allein nicht in der Lage sind, die Ausbreitung eines Erregers im Organismus zu kontrollieren beziehungsweise seine Eliminierung zu bewirken. Die Mehrheit der Cytokine wird in immunologisch aktiven Zellen gebildet und von ihnen sezerniert. Sie entfalten ihre biologische Aktivität durch Bindung an spezifische Rezeptoren in der Cytoplasmamembran bestimmter Zellen. Dadurch induzieren sie eine Signalkaskade, an deren Ende ein bestimmter Effekt steht. Zur Gruppe der Cytokine rechnet man heute neben den Interferonen (IFN), Interleukinen (IL) und Tumornekrosefaktoren (TNF) auch die koloniestimulierenden Faktoren, die Chemokine und die Transforming Growth Factors (TGF).
8.1.1 Interferone Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Typ-I- und Typ-II-Interferonen, außerdem kennt man Interferonähnliche Cytokine, die man auch als Typ-III-Interferone bezeichnet (䉴 Tabelle 8.1).
Typ-I-Interferone Die säurestabilen Typ-I-Interferone können in acht Untergruppen gegliedert werden: Beim Menschen sind IFN-α, IFN-β, IFN-ε, IFN-κ und IFN-ω beschrieben, sie werden alle auf dem kurzen Arm des Chromosoms 9 kodiert. IFN-δ, IFN-τ und IFN-ζ (Limitin) konnten bisher nur bei Tieren nachgewiesen werden. Mit Ausnahme von IFN-ε, IFN-δ und IFN-τ sind Typ-I-Interferone
antiviral wirkende Cytokine. Sie werden in virusinfizierten Zellen synthetisiert, in die Umgebung abgegeben und wirken in der Regel speziesspezifisch durch die Bindung an Rezeptoren in der Cytoplasmamembran anderer Zellen, in welchen sie dann einen Schutz vor der Infektion ausüben. Sie hemmen die Vermehrung von Viren, aber auch die Zellteilung und haben dadurch auch tumorhemmende Eigenschaften. Alle Typ-IInterferone werden von den Zellen sezerniert und entfalten ihre Wirkung, indem sie sich an den Interferonα-Rezeptor (IFNαR) binden, ein Heterodimer aus einer IFNαR1 und einer IFNαR2-Kette, das sich auf fast allen Zelltypen befindet (䉴 Tabelle 8.1). Molekulare Eigenschaften IFN-a und IFN-b sind am längsten bekannt und am besten untersucht. Sie weisen ein ähnliches serologisches Verhalten auf, was auf einer Sequenzhomologie von etwa 50 Prozent beruht, sind 166 Aminosäuren lang und haben ein Molekulargewicht von 20 kD. Von Interferon-a, das ursprünglich auch Leukocyten-Interferon genannt wurde, gibt es beim Menschen zwölf einander ähnelnde Subtypen, die von einer Multigenfamilie codiert werden und zu 85 bis 90 Prozent identische Aminosäuresequenzen aufweisen. Von IFN-b (Fibroblasten-Interferon) exisitiert nur ein Subtyp. Über die Funktion von IFN-e ist nur wenig bekannt. Es wurde bei Menschen und Mäusen nachgewiesen, bei letzteren wird es konstitutiv im Gewebe der Placenta und der Eierstöcke gebildet und hat vermutlich Aufgaben bei der Fortpflanzung; ob es auch antiviral wirkt, ist unklar. IFN-k wird in Keratinocyten produziert und besitzt eine – wenn auch geringe – antivirale Aktivität. IFN-w wurde bei allen untersuchten Tierspezies mit Ausnahme der Maus gefunden. Beim Menschen fand man nur einen Subtyp des IFN-ω. Es hat wie alle Typ-I-Interferone ein Molekulargewicht von etwa 20 kD und wirkt antiviral. IFN-z wurde bisher nur in Mäusen nachgewiesen; es besteht aus 161 Aminosäuren und wirkt ähnlich wie IFN-α antiviral, die antiproliferative Wirkung auf lymphocytäre und myeloide Vorläuferzellen ist jedoch deutlich geringer. IFN-d und IFN-t sind beim Rind beziehungsweise beim Schwein nachgewiesen worden und haben eine wichtige Funktion in der Aufrechterhaltung einer frühen Trächtigkeit. Sie werden im Trophoblasten gebildet, hemmen die Prostaglandinsynthese und bewirken so, dass das Corpus luteum nicht durch die Prostaglandine aufgelöst und die Trächtigkeit abgebrochen wird. Ob sie physiologischerweise auch eine antivirale Wirkung zeigen, ist nicht untersucht (䉴 Tabelle 8.1). Bildung Die Expression der IFN-α- und IFN-β-Gene wird vor allem in dendritischen Zellen, Monocyten und
8.1 Cytokingruppen und ihre Funktionen
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Tabelle 8.1 Übersicht über die heute bekannten Interferone und ihre Eigenschaften Untergruppe
Name
Spezies
Rezeptor
ausgelöste Signalkaskaden unter Beteiligung der Proteine
Typ-I-Interferon
IFN-a
Mensch Wirbeltiere
IFNaR1/IFNaR2
Jak1, Tyk2, Stat1, Stat2, Stat3, Stat4, Stat5, PI3K, Akt, NFkB, MAPK, p53, PRMTI
IFN-b
Mensch Wirbeltiere
IFNaR1/IFNaR2
IFN-d
Wiederkäuer
IFNaR1/IFNaR2
IFN-e
Mensch Maus
IFNaR1/IFNaR2
IFN-k
Mensch
IFNaR1/IFNaR2
IFN-t
Schwein
IFNaR1/IFNaR2
IFN-w
Mensch Wirbeltiere
IFNaR1/IFNaR2
IFN-z
Maus
IFNaR1/IFNaR2
Typ-II-Interferon
IFN-g
Mensch Wirbeltiere
IFNgR1/IFNgR2
Jak1, Jak2, Stat1, Stat3, Stat5, PI3K, Akt, NFkB, MAPK
Typ-III-Interferon
IL-28A/IFN-l2 IL-28B/IFN-l3 IL-29/IFN-l1
Mensch Wirbeltiere
IFNlR1/IL-10R2
Jak1, Tyk2, Stat1, Stat2, Stat3, Stat5
Makrophagen, welche die Erreger phagocytiert haben, sowie in allen Typen infizierter Zellen durch erregerspezifische Bestandteile der Viren (PAMPs) eingeleitet, die mit den unterschiedlichen toll-like-Rezeptoren interagieren. Bei Virusinfektionen sind dabei vor allem TLR3, 7, 8 und 9 wichtig. Diese TLRs sind hauptsächlich in der Membran der Endosomen verankert; sie bekommen in diesem Zellkompartiment, in dem Viren nach Aufnahme durch Phagocytose vorliegen, Kontakt mit viralen Nucleinsäuren. Diese Wechselwirkungen lösen mehrschrittige Signalkaskaden aus, an deren Ende die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB und/oder der IRFs (interferon regulatory factor), vor allem IRF3 und IRF7 steht. Diese gelangen in den Zellkern und interagieren mit den Kontrollelementen in den Promotoren verschiedener Cytokingene, so auch der IFN-αund -β-Gene, die als Folge davon exprimiert werden (䉴 Abschnitt 7.1). Daneben existieren jedoch auch andere Wege, um die Synthese von IFN-α und -β einzuleiten. Befinden sich im Cytoplasma einer virusinfizierten Zelle unnatürlich große Mengen an doppelsträngiger RNA oder ungecappten, am 5’-Ende triphosphorylierten RNAs – beides sind Molekülstrukturen, die in einer nicht infizierten Zelle kaum vorkommen – dann veranlasst dies ebenfalls die Expression der IFN-α und IFN-β codierenden Gene. Dieser Vorgang wird von einer Unterfamilie der PRRRezeptoren eingeleitet: den RIG-like Helicasen RLH
(retinoic acid-inducible gene I (RIG-I)-like helicase). Das Protein RIG-I ist ein cytoplasmatischer RNA-Detektor. Er besteht aus zwei aminoterminalen CARD-Domänen (caspase-recruitment domain), denen ein als RNA-Helicase fungierender Abschnitt folgt, der wegen eines konservierten Aminosäuremotivs auch als DExD/H-Box bezeichnet wird. Ähnliche RNA-Helicase-Domänen besitzen die Proteine MDA-5 (melanoma-differentiation-associated protein) und LGP2 – sie bilden zusammen mit RIG-I die RLH-Familie – und die Enzyme Dicer. Letztere schneiden doppelsträngige RNA in etwa 20 bis 25 Nucleotide lange Fragmente, die als siRNAs beim Prozess der RNA-Interferenz regulatorisch aktiv sind. Die RNA-Helicasen RIG-I und MDA-5 binden sich an doppelsträngige RNA, RIG-I auch an 5’-triphosphorylierte einzelsträngige RNA. Diese Bindung aktiviert ihre ATP-abhängigen Helicase-Aktivitäten und bewirkt, dass sich die CARD-Domänen an das Protein IPS-1 (IFN-b promotor stimulator I) binden; dieses besitzt ebenfalls eine aminoterminale CARD-Domäne und ist mit der Membran der Mitochondrien assoziiert. Beim IPS-1 handelt es sich um ein Adaptorprotein, das die Wechselwirkung mit TRAF3 (TNF-receptor-associated factor 3) vermittelt, wodurch die induzierbare IκBKinase IKK-ι und die TANK-bindende Kinase TBK-1 (TANK = TRAF family associated NFkB activator) aktiviert werden. Beide bewirken die Phosphorylierung von IRF3 und IRF7, die Homo- oder Heterodimere bilden,
8
8
78
8 Cytokine, Chemokine und Interferone
Infektion mit RNA-Viren Cytoplasmamembran virale Genexpression
Virusreplikation
5´ P P P
dsRNA
3´
triphosphorylierte ssRNA
CARD CARD RNA-Helicase
RIG-I
Bindung & Aktivierung
CARD CARD RNA-Helicase
RIG-I*
CARD IPS-1 Mitochondrium RNA-Helicase CARD CARD CARD IPS-1* TRAF3
CARD IPS-1* + TBK1 + IKK-ί
TRAF3
+ FADD
Aktivierung TBK1* + IRF3 + IRF7 IRF3
FADD*
IKK-ί*
Caspase 8/10 DED DED
Phosphorylierung P
P
IRF7
Prozessierung
Abspaltung
FADD* DED DED
NFκB IκB
Phosphorylierung
IκB Degradierung
kern
Zell
Zellgenom
IRF3/7 ISRE
P
P +
NFκB
IFNα-, IFNβ-, TNFα-Gene NFκB Zellgenom
Promotor
proinflammatorische Cytokine
8.1 Cytokingruppen und ihre Funktionen
79
8.1 Induktion der Cytokinsynthese vermittelt durch die Aktivierung der Helicase RIG-I durch virale RNA (vereinfachte schematische Darstellung). *: Aktivierte Versionen der jeweiligen Enzyme oder Faktoren. Die Helicase RIG-I befindet sich im Cytoplasma der Zelle und tritt in Wechselwirkung mit viralen RNA-Spezies (dsRNA; ungecappte, 5’-triphosphorylierte ssRNA) und wird aktiviert (RIG-I*). Die CARD-Domäne der RIG-I* interagiert mit der CARD-Domäne von IPS-1, das mit seiner aktivierten Form IPS-1* mit TRAF3 in Wechselwirkung tritt. Hierdurch werden unter dem Einfluss der Kinasen TBK1 und IKK-i die Transaktivatoren IRF3 und IRF7 phosphoryliert (linker Teil der Abbildung), gelangen in den Zellkern, binden sich an die Gruppe der IFN-stimulierbaren Promotoren (IRSE) und induzieren die Expression der Gene für IFN-a, IFN-b und TNF-a. IPS-1* kann in einem alternativen Stimulierungsvorgang FADD aktivieren und in weiteren Schritten die Phosphorylierung von IkB einleiten (rechter Teil der Abbildung). Dadurch wird NFkB als Transaktivator freigegeben und kann im Zellkern die Synthese proinflammatorischer Cytokine induzieren.
in den Zellkern gelangen, sich an die ISRE-Promotoren (interferon stimulated regulatory elements) der IFN-αund IFN-β-Gene sowie einer Reihe weiterer durch Interferon induzierbarer Gene binden und deren Expression veranlassen (䉴 Abbildung 8.1). Alternativ kann mittels der Bindung von IPS-1 an die CARD-Domänen der RNA-Helicasen RIG-I oder MDA-5 auch die FADDabhängige Aktivierung (FADD = Fas-associated deathdomain-containing protein) des Transkriptionsfaktors NFκB erfolgen, welcher sich im Zellkern an die NFκBabhängigen Promotoren bindet. Dadurch wird die Expression etlicher proinflammatorisch wirkender Cytokingene aktiviert. Experimentell kann man diese Vorgänge auch durch doppelsträngige RNA oder einige synthetische Substanzen wie Polyinositolcytidinsäure (Poly I:C) induzieren. Wirkung Alle Typ-I-Interferone binden sich an den IFN-α-Rezeptor. Diese Wechselwirkung löst in der Zelle Signalkaskaden aus, die vielfältige Reaktionen zur Folge haben können: den Aufbau eines antiviralen Status, die Hemmung der Zellteilung, die Erhöhung der Konzentration von MHC-Klasse-I-Antigenen sowie von
anderen Oberflächenmarkern (beispielsweise der Tumormarker) auf der Zelloberfläche, die Einleitung der Expression von proapoptotisch wirkenden Proteinen (beispielsweise Caspasen) beziehungsweise der Repression von antiapoptotisch wirkenden Faktoren (beispielsweise Bcl-2) und die Freisetzung von weiteren Cytokinen (䉴 Tabelle 8.2). An erster Stelle der Kaskade steht die Konformationsänderung des IFNα-Rezeptors. Dies aktiviert die Tyk2und die Jak1-Kinasen, die mit den cytoplasmatischen orientierten Abschnitten der IFNαR1- beziehungsweise mit der IFNαR2-Proteine assoziiert sind (䉴 Abbildung 8.2). Sie werden phosphoryliert und bewirken, dass die Faktoren Stat2 und Stat1 (Stat ist eine Abkürzung für signal transducers and activators of transcription) sich an die IFNαR2-Kette anlagern und ebenfalls phosphoryliert und aktiviert werden. In diesem Zustand lösen sich Stat1 und Stat2 von dem Rezeptorkomplex an der Innenseite der Cytoplasmamembran ab und treten in Wechselwirkung mit dem Protein p48. Die Stat1-/Stat2-/ p48-Komplexe gelangen in den Zellkern, und lagern sich – häufig zusammen mit weiteren zellspezifischen Transaktivatoren – an die ISRE-Promotoren (interferon
Tabelle 8.2 Hauptauswirkungen der wichtigsten Interferone auf die Expression zellulärer Proteine Interferon-a
Interferon-b
Interferon-w
Interferon-g
Proteinkinase PKR
+++
+++
+++
+
2’,5’-Oligoadenylatsynthetase
+++
+++
+++
+
Mx-Proteine
+++
+++
+++
–
MHC-Klasse-I
+++
+++
+++
+++
MHC-Klasse-II
+
+
+
++
Proapoptotische Faktoren (z. B. Caspasen, Bak, Bax)
+++
+++
+++
–
Antiapoptotische Faktoren (z. B. Bcl-2)
–*
–*
–*
–
* Hemmung
8
80
8 Cytokine, Chemokine und Interferone
stimulated regulatory elements) an, welche die Expression der interferon stimulated genes (ISG) regulieren. Abhängig von Zelltyp, seiner Differenzierung und weiteren Faktoren können in die Signalübertragungswege zusätzliche Faktoren wie Stat3 und Stat5 eingebunden
werden, auch werden mitunter andere Signalkaskaden genutzt, beispielsweise der Phosphatidylinositol-3-Kinase-(PI3K)-Weg oder der Mitogen-aktivierte Proteinkinase-(MAP)-Weg. Außerdem erfolgt auch die Phosphorylierung des IκB, das heißt des Inhibitors von NFκB.
Konformationsänderung
IFN-α
P
P
P
P
Jak1
Phosphorylierung
IFN-α
Tyk2
Jak1
+ IFN-α
Jak1
IFNαR2
Tyk2
IFNαR1
Tyk2
Stat1
P
P
Phosphorylierung + Anlagerung
Stat2
Stat2
P
Dissoziation
P
P
Stat1
Stat1 +
p48
P
Stat2
Anlagerung P
P
Stat1 p48
Stat1 Stat2
Zellgenom
P
Stat2
P
P
kern
Zell
P
8
p48
IFNα-induzierbare Gene
ISRE
8.2 Signalkaskade, die durch Wechselwirkung von IFN-α mit dem Rezeptor IFNαR induziert wird (vereinfachte schematische Darstellung). In der Cytoplasmamembran ist der Rezeptor IFNαR verankert. Dabei handelt es sich um ein heterodimeres Protein. Mit den ins Cytoplasma orientierten Domänen der Untereinheiten IFNαR1 und IFNαR2 sind die Kinasen Tyk2 beziehungsweise Jak1 assoziiert. Bei Bindung von IFN-α verändert der Rezeptorkomplex IFNαR seine Konformation und die Kinasen werden phosphoryliert. Dies bewirkt die Anlagerung der Proteine Stat1 und Stat2 und ihre Phosphorylierung. Die phosphorylierten Proteine Stat1 und Stat2 lösen sich aus dem Komplex, treten in Wechselwirkung mit weiteren Zellproteinen (p48) und gelangen als Komplex in den Zellkern. Hier binden sie sich an die ISRE-Promotoren und aktivieren die Expression der IFNα-induzierbaren Gene.
8.1 Cytokingruppen und ihre Funktionen
Der Inhibitor wird hierdurch inaktiv, was die Transkription aller Zellgene einleitet, die unter der Kontrolle von NF-κB stehen. Diese Gene und die ISRE sind die eigentlichen Ziele der Interferonwirkung. Durch ihre Aktivierung wird die Synthese vieler verschiedener Proteine induziert (䉴 Tabelle 8.2). Das erklärt die Vielfalt der oben erwähnten interferoninduzierten Mechanismen. Meist beeinflussen die durch Wirkung der Typ-IInterferone gebildeten Produkte die Virusvermehrung: Sie führen zur Hemmung der Proteinsynthese. Ein Weg führt über die interferonvermittelte Induktion der 2’,5’Oligoadenylatsynthetase. Liegt gleichzeitig in der Zelle doppelsträngige RNA als Teil des Virusgenoms oder als Intermediat der Virusreplikation vor, bewirkt die 2’,5’Oligoadenylatsynthetase die Veresterung von bis zu fünf ATP-Resten zu Oligoadenylaten. Diese binden sich an eine RNase und aktivieren sie. Die RNase baut einzelsträngige RNA ab und damit sowohl die zellulären als auch die viralen mRNA-Spezies und die Erbinformation von Viren, die eine einzelsträngige RNA als Genom besitzen. Dies hemmt die Proteinsynthese des Virus, aber auch diejenige der Zelle. Interferon leitet außerdem die Expression der Proteinkinase PKR (double stranded RNA-activated protein kinase) ein, die für ihre Aktivität ebenfalls die Gegenwart doppelsträngiger RNA benötigt. Sie phosphoryliert den Translationselongationsfaktor eIF2α und inaktiviert ihn so. Daraufhin bricht die Synthese der Aminosäureketten ab. Darüber hinaus induzieren Interferone die Synthese einer Reihe weiterer Zellproteine. Erwähnenswert ist hier vor allem die erhöhte Expression der MHC-Klasse-I-Antigene. Dies verstärkt die Fähigkeit der Zellen zur Präsentation viraler Proteinfragmente auf der Oberfläche, was wiederum das Erkennen und die Lyse der infizierten Zellen durch cytotoxische T-Zellen erleichtert. Wenn auch in geringerem Ausmaß leiten IFN-α und -β zusätzlich die Expression der MHC-Klasse-II-Proteine ein. Eine spezielle Gruppe von IFN-α- und IFN-β-induzierbaren Polypeptiden stellen die Mx-Proteine dar. Sie gehören zur Proteinsuperfamilie der Dynamin-ähnlichen Enzyme und besitzen GTPase-Aktivität. In den meisten Säugetieren fand man zwei durch Typ-I-Interferone induzierbare Mx-Gene, beim Menschen handelt es sich um die MxA- und MxBGene. Die MxA-Proteine akkumulieren im Cytoplasma und hemmen die Vermehrung von Influenza- wie auch von anderen Viren, etwa der Masern-, Parainfluenza-, Hanta-, Vesicular-Stomatitis-und Bunyaviren (䉴 Abschnitt 15.1, 15.3 und 16.2). Ihre Wirkungsweise ist noch nicht endgültig verstanden. Man hat Hinweise, dass sie den intrazellulären Transport von Virusproteinen beeinflussen und darüber hinaus die Replikation und die Morphogenese stören. Für die MxB-Proteine hat man bisher keine antivirale Aktivität gefunden.
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Typ-II-Interferon Das IFN-γ ist ein säurelabiles Typ-II-Interferon, das bei allen Säugetieren vorkommt und von dem nur ein Subtyp bekannt ist. Es ist ein Homodimer aus zwei glycosylierten Proteinuntereinheiten, die 146 Aminosäuren lang sind und ein Molekulargewicht von 22 kD haben. Sie weisen keinerlei Homologie mit den IFN-α und -β oder mit anderen Typ-I-Interferonen auf. Das Gen für Interferon-γ befindet sich beim Menschen auf dem Chromosom 12. Das ursprünglich auch als ImmunInterferon bezeichnete IFN-γ wurde in allen bisher untersuchten Tierspezies nachgewiesen. IFN-γ wird hauptsächlich von TH1-Zellen gebildet, die durch Antigenkontakt stimuliert sind. Aktivierte dendritische Zellen, Makrophagen sowie natürliche Killerzellen und in geringerem Ausmaß auch cytotoxische T-Zellen können diese Stimulierung bewirken. Interferon-γ leitet seine Wirkung durch die Bindung an den Interferon-γRezeptor (IFNγR) ein, einem Protein aus zwei IFNγR1Ketten. Die Bindung des IFN-γ an den Rezeptor IFNγR1 bewirkt die Komplexbildung mit zwei Ketten IFNγR2 und induziert ähnlich wie die der Typ-I-Interferone eine Signalkaskade, bei der die mit den IFNγR1- und IFNγR2-Ketten assoziierten Kinasen Jak1 und Jak2 sich zuerst gegenseitig und dann die Tyrosin-Reste an Position 457 der IFNγR1-Ketten phosphorylieren (䉴 Abbildung 8.3). Dies bewirkt die Anlagerung der Stat1-Proteine und deren Phosphorylierung. Die durch die Phosphorylierung aktivierten Stat1-Dimere werden in den Zellkern transportiert und binden sich an die entsprechenden ISRE der durch IFN-γ kontrollierten Gene. Ähnlich wie bei den Typ-I-Interferonen können zusätzliche Signalkaskadewege mit alternativen Kinasen und weiteren Transkriptionsfaktoren an der Aktivierung beteiligt sein (䉴 Tabelle 8.1). Durch die Wirkung des IFN-γ wird die Expression der MHC-Klasse-II-Proteine und die Synthese und Freisetzung weiterer Cytokine eingeleitet und die Effektorfunktion der cytotoxischen TZellen, der natürlichen Killerzellen und der mononucleären Phagocyten gesteigert; IFN-γ gilt als eines der zentralen Cytokine bei der Einleitung der spezifischen Immunantwort. IFN-α beziehungsweise -β und IFN-γ verstärken sich gegenseitig und beeinflussen die Expression und somit das Netzwerk der Cytokine.
Typ-III-Interferone Die Familie der Typ-III-Interferone wurde erst kürzlich geschaffen. Sie umfasst drei Mitglieder: IFN-λ1 (auch bekannt als IL-29), IFN-λ2 (IL-28A) und IFN-λ3 (IL28B; 䉴 Tabelle 8.1). Typ-III-Interferone werden beim
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8 Cytokine, Chemokine und Interferone
IFN-γ
IFNγR2 IFNγR1
P
P
Anlagerung + Phosphorylierung P
P
P
P
P Tyr 457
P
Jak2 Jak1
Jak2 Jak1
Konformationsänderung
Jak2 Jak1
Stat1
Phosphorylierung
Jak2 Jak1
Jak2
Jak1
Jak1
+ IFN-γ
Jak2
P
P
P Tyr 457
P Stat1 P
P Dissoziation P
P
Stat1
kern
Zell
P
P
8
Stat1 Zellgenom
IFNγ-induzierbare Gene
ISRE
8.3 Signalkaskade, die durch die Wechselwirkung von IFN-γ mit dem Rezeptorkomplex IFNγR1/2 induziert wird (vereinfachte schematische Darstellung). In der Cytoplasmamembran ist Proteinketten des Rezeptor IFNγR1 verankert. Bei Interaktion mit dem homodimeren IFN-γ assoziieren diese sowohl miteinander als auch mit zwei Ketten des IFNγR2. Mit den ins Cytoplasma orientierten Domänen von IFNγR1 und IFNγR2 sind die Kinasen Jak1 und Jak2 assoziiert. Bei Bindung von IFN-γ verändert der Rezeptorkomplex IFNγR1/2 seine Konformation und wird zusammen mit den die Jak1/2-Kinasen phosphoryliert. Dies bewirkt die Anlagerung der Proteine Stat1 und ihre Phosphorylierung. Die phosphorylierten Proteine Stat1 lösen sich aus dem Komplex, bilden Dimere und gelangen als Komplex in den Zellkern. Hier binden sie sich an die ISRE-Promotoren und aktivierten die Expression der IFNγ-induzierbaren Gene.
Menschen auf dem Chromosom 19 codiert. Sie ähneln den Typ-I-Interferonen, haben Molekulargewichte von etwa 20 kD und wirken als Monomere; IFN-λ1 ist als einziges glycosyliert. Die Synthese von IFN-λ wird ähnlich wie die der Typ-I-Interferone in plasmacytoiden dendritischen Zellen durch Aktivierung von TLR3, 7, 8 und 9 eingeleitet, welche mit virusspezifischen Erregerstrukturen, überwiegend viralen RNAs, wechselwirken (䉴 Abschnitt 7.1). Dies führt zur Phosphorylierung und Aktivierung von IRF3, welcher als Transaktivator wirkt und sich an Sequenzelemente im Promotor der IFN-λGene bindet. Die verschiedenen Subtypen von IFN-λ
binden sich an einen heterodimeren Rezeptor, der sich aus der β-Untereinheit des IL-10-Rezeptors (IL-10R2) und dem Protein IFNλR1 (auch bekannt als IL-28Rα) zusammensetzt. Die durch die Bindung an den Rezeptorkomplex ausgelöste Jak/Stat-Signalkaskade gleicht weitgehend derjenigen, die durch die Typ-I-Interferone eingeleitet wird (䉴 Tabelle 8.1 und Abbildung 8.2), zu den Details der Wirkungsweise von IFN-λ gibt es jedoch noch wenige Daten. So fand man, dass sie die Bildung von Mx-Proteinen einleiten. Typ-III-Interferone zeigen eine sehr breite antivirale Wirkung, die sich bevorzugt in epithelialen Zellen manifestiert.
8.1 Cytokingruppen und ihre Funktionen
8.1.2 Interleukine Interleukine sind Proteine mit Molekulargewichten von acht bis 70 kD. Die meisten sind glycosyliert, einige wirken als Monomere (IL-1), andere als Homodimere (IL17) oder als Heterodimere (IL-12). Von etlichen existiert eine Reihe von Subtypen, die zu Interleukinfamilien zusammengefasst werden (IL-1, IL-17). Interleukine werden von verschiedenen Zellen des Immunsystems überwiegend nach Stimulation durch Interferone, Cytokine, Mikroorganismen, Antigene, Lektine oder Lipopolysaccharide gebildet und abgegeben; sie wirken durch die Bindung an spezifische Rezeptoren auf der Oberfläche immunologisch aktiver Zellen. Auch Zellen, die nicht dem Immunsystem zugerechnet werden, verfügen über derartige Rezeptoren und werden durch Interleukinbindung beeinflusst. Die Bezeichnung Interleukine leitet sich jedoch von ihrer zuerst beschriebenen Aktivität ab, nämlich „zwischen Leukocyten zu vermitteln“. Bisher sind mehr als 35 Interleukine bekannt, die nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung durchnummeriert werden. Sie wirken regulierend auf die verschiedenen Aktivitäten des Immunsystems, die sie miteinander verbinden und kontrollieren. Wegen der zunehmenden Zahl und der Vielfalt der Interleukine wird auf eine komplette tabellarische Auflistung verzichtet. In 䉴 Tabelle 8.3 sind die Eigenschaften der am besten untersuchten Interleukine zusammengefasst. Die molekularen Charakteristika aller bekannten Interleukine, ihre Aufgaben und Wirkungsweisen sowie die Zelltypen, die für ihre Bildung verantwortlich sind, findet man unter der kostenfrei zugänglichen Adresse http://www.copewithcytokines.de im Internet.
8.1.3 Tumornekrosefaktoren Die Tumornekrosefaktoren (TNF) α und β sind die am längsten bekannten Mitglieder der TNF/TNF-RezeptorSuperfamilie und werden auf dem menschlichen Chromosom 6 im MHC-Genkomplex codiert; TNF-α ist auch unter dem älteren Namen Cachexin, TNF-β unter Lymphotoxin-α bekannt. Ihre Aminosäuresequenzen sind zu 36 Prozent homolog. TNF-α bezeichnet man heute wissenschaftlich als tumor necrosis factor ligand superfamily member 2 (TNFSF2). TNF-α ist als multifunktionell wirkendes Cytokin bei lokalen und systemischen Entzündungen beteiligt. Es wird überwiegend von aktivierten dendritischen Zellen, Makrophagen, Monocyten, B- und T-Lymphocyten gebildet und freigesetzt. TNF-β wird bevorzugt von T-Lymphocyten abgegeben.
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Die Expression des TNF-α-Gens wird hauptsächlich durch phagocytierte Mikroorganismen, durch Bindung von Lipopolysacchariden und anderen bakteriellen Produkten an toll-like-Rezeptoren (䉴 Abschnitt 7.1) und durch die Wechselwirkung von Interleukinen (IL-1β) mit ihren jeweiligen Rezeptoren auf der Zelloberfläche induziert. TNF-α wird als 26 kDa großes, membranverankertes Protein synthetisiert, welches sich zu Trimeren zusammenlagert. Die Metalloprotease TACE (TNF-a converting enzyme) spaltet von diesem membranverankerten TNF-α das lösliche, funktionell aktive TNF-α (51 kDa) ab. TNF-a und TNF-b binden an die gleichen Rezeptoren (TNF-R1 und TNF-R2), die in den Cytoplasmamembranen vieler Zellen vorhanden sind; sie haben vermutlich identische biologische Aktivitäten. Durch die Bindung an den TNF-R2 leitet TNF eine Signalkaskade ein: TRAF2 (TNF-Rezeptor-assoziierter Faktor) und schließlich NFκB werden aktiviert, wodurch die Expression der NFκB-abhängigen Gene induziert wird. Die Interaktion von TNF mit TNF-R1 bewirkt hingegen die Aktivierung der Caspasen 8 und 10 und als Folge davon die Einleitung der Apoptose. Wichtige Interaktionspartner für TNF sind die Endothelzellen, die bei Entzündungsprozessen eine Schlüsselrolle spielen. In ihnen induzieren die Tumornekrosefaktoren die Synthese und Freisetzung von proinflammatorischen Cytokinen wie IL-1, IL-6, GM-CSF und des plättchenaktivierenden Faktors. Weiterhin reagieren die Endothelzellen mit erhöhter Produktion von MHC-Klasse-I-Antigenen, von Gewebethromboplastin, von verschiedenen Adhäsionsproteinen wie ICAM-1, VCAM-1, ELAM-1 und von der induzierbaren NO-Synthase. Letztere führt zur Bildung erhöhter Mengen von Stickstoffmonoxid, welches die Gefäße erweitert und dadurch vermutlich für den TNF-vermittelten Blutdruckabfall verantwortlich ist. All das bewirkt eine verstärkte Adhäsion von Lymphocyten und eine erhöhte Durchlässigkeit der Gefäßwände. Außerdem regulieren die Tumornekrosefaktoren die Aktivität immunologisch aktiver Zellen: Makrophagen werden veranlasst, erhöhte Mengen an TNF-α und IL-1 zu produzieren und vermehrt Sauerstoffradikale abzugeben, die unmittelbar cytotoxisch wirken. Ähnlich reagieren neutrophile Granulocyten, die unter TNFEinfluss eine erhöhte Phagocytoseleistung zeigen. Desweiteren scheinen TNFs B-Lymphocyten zur Proliferation anzuregen und damit Einfluss auf die antigenspezifische Immunantwort auszuüben. Die NK-Zellen werden zur TNF-Synthese angeregt. In der Leber veranlassen TNF die Produktion von Akutphaseproteinen, und die Zellen des endokrinen Systems reagieren mit der Synthese von Glucocorticoiden und des adrenocortico-
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8 Cytokine, Chemokine und Interferone
Tabelle 8.3 Funktionen, Eigenschaften und Aktivitäten der Interleukine Interleukin
molekulare Charakteristika
Rezeptor
Produzenten
Hauptfunktion
IL-1 (IL-1a, IL-1b)
17 kDa
C121a/IL1R1 (CD121b/IL1R2)
Makrophagen Monocyten Endothelzellen
B-, T-, NK-Zellaktivierung, Induktion von Fieber über Hypothalamus
IL-2 (T-Zell-Wachstumsfaktor)
15,4 kDa, O-glycosyliert
CD25/IL2Ra CD122/IL2Rb CD132IL2Rg
T-Zellen
T-Zell-Proliferation/ Aktivierung
IL-3 (multicolony stimulating factor, M-CSF)
15–17 kDa
CD123/IL3Ra CD131/IL3Rb
B-, T-Zellen Makrophagen Endothelzellen
Wachstumsfaktor für Stammzellen, wichtig für Hämatopoese
IL-4
20 kDa, N-glycosyliert
CD124/IL4R CD132/IL2Rg
TH2-Zellen Mastzellen
B-Zellaktivierung Wechsel zu IgESynthese, antiinflammatorisch
IL-5
20 kDa, Homodimer, N-glycosyliert
CD125/IL5Ra CD131/IL3Rb
TH2-Zellen Mastzellen
Wachstum und Differenzierung von eosinophilen Granulocyten, chemotaktisch für eosinophile Granulocyten
IL-6
21,5–28 kDa, glycosyliert, phosphoryliert
CD126/IL6Ra CD130/IL6Rb
Makrophagen T-Zellen
Induktion der Synthese und Freisetzung von Akutphaseproteinen in Hepatocyten, proinflammatorisch
IL-7
17,4 kDa
CD127/IL7Ra CD132IL2Rg
Stromazellen des Knochenmarks
Proliferation von Prä-B-Zellen, Prä-T-Zellen, proinflammatorisch
IL-9 (MastzellWachstumsfaktor)
14 kDa, N-glycosyliert
CD129/IL9R
T-Helferzellen
Proliferation von Mastzellen
IL-10
30 kDa, Homodimer
CD210/IL10Ra CDw210B/IL10Rb
TH2-Zellen CD8+-T-Zellen Makrophagen Monocyten
inhibiert Makrophagen, inhibiert TH1-Zellen, antiinflammatorisch
IL-11
23 kDa
IL10Ra
Stromazellen des Knochenmarks
Induktion der Synthese und Freisetzung von Akutphaseproteinen in Hepatocyten, Induktion der Proliferation von hämatopoetischen Vorläuferzellen
IL-12
70 kDa, Heterodimer aus 40 kDa (IL12-p40) und 35 kDa (IL12-p35), glycosyliert
CD212/IL12Rb1 CD212/IL12Rb2
B-, T-Zellen Dendriten Makrophagen
Induktion der Differenzierung von CD4+-T-Zellen, Aktivierung von NK-Zellen fördert Produktion von IFN-g
IL-13
13 kDa
IL13R
TH2-Zellen Mastzellen NK-Zellen
Proliferation und Differenzierung von B-Zellen, inhibiert Synthese proinflammatorischer ILs von Makrophagen
IL-15
14 kDa, glycosyliert
IL15Ra
mononucleäre Phagocyten Makrophagen
Proliferation von Mastzellen, NK-Zellen
IL-17
30 kDa, Homodimer, glycosyliert
CDw217/ IL17Ra CDw217/ IL17Rb
CD4+-T-Zellen
Produktion proinflammatorischer Cytokine in Endothel-, Epithelzellen, Fibroblasten
IL-18
18 kDa
CDw218a/ IL18R1
Makrophagen Monocyten Dendriten
proinflammatorisch
8.1 Cytokingruppen und ihre Funktionen
tropen Hormons (ACTH). Fibroblasten setzen IL-1, IL6, Kollagenase und Prostaglandin-E2 frei. Unter dem Einfluss von Prostaglandin kommt es zu einem Anstieg der Körpertemperatur, die durch das in der Folge vermehrt gebildete IL-1 weiter erhöht wird. Schließlich induzieren TNF genau wie IL-1 unter anderem in Makrophagen und Endothelzellen die Freisetzung von Chemokinen. Die Wirkung der TNF auf eine Vielzahl von Zellen und auf das Cytokinnetzwerk erklärt ihre Beteiligung an so unterschiedlichen Vorgängen wie der Abwehr von viralen, bakteriellen und parasitären Infektionen sowie der Kontrolle von Tumoren.
8.1.4 Chemokine Die Familie der Chemokine – der Name steht für chemotaktische Cytokine – umfasst zahlreiche strukturell sehr ähnliche sekretorische Proteine mit einem Molekulargewicht von nur sechs bis 14 kD. Bis heute hat man über 50 verschiedene Chemokine identifiziert, von denen viele ein ähnliches Wirkungsspektrum zeigen; sie sind daher in ihrer Wirkung redundant. Aufgrund eines Aminosäuremotivs am aminoterminalen Ende teilt man die Chemokine in vier Untergruppen ein: CC-, CXC, XC- und CX3C-Chemokine. Ausschlaggebend sind dafür die Zahl und die Anordnung konservierter Cysteinreste in ihrer Sequenz. Die CC-Chemokine besitzen an ihren aminoterminalen Enden zwei direkt nebeneinander liegende Cysteinreste, bei den CXC-Chemokinen sind die beiden Cysteinreste durch eine, bei den CX3C-Chemokinen durch drei andere beliebige Aminosäuren voneinander getrennt. Zusätzlich werden die Chemokine durchnummeriert und – da sie als Liganden für die zugehörigen Rezeptoren fungieren – mit dem Buchstaben „L“ versehen. Die Chemokine CCL5, auch bekannt unter der alten Bezeichnung RANTES (regulated on activation, normal T-cell expressed and presumably secreted), CCL2 (MCP-1, monocyte chemoattractant protein) sowie CCL3 und CCL4 (MIP-1α, MIP1β, macrophage inflammatory protein) zählen zu den CC-Chemokinen, wohingegen IL-8 (CXCL8) ein klasssisches CXC-Chemokin ist. Bei den CX3C-Chemokinen kennt man mit Fractalkin (CX3CL1) nur einen Vertreter, zwei Isoformen von Lymphotactin zählen zu den XC-Chemokinen. Die Chemokine wirken über die Bindung an bestimmte Rezeptoren, die sich auf den Oberflächen von immunologisch aktiven Zellen befinden. Dabei handelt es sich um G-Protein gekoppelte Rezeptoren der Rhodopsinfamilie. Die Nomenklatur der Chemokin-Rezeptoren folgt derjenigen der Chemokine, die sich an sie binden. CCR1 bis CCR9 sind Rezeptoren für
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CC-Chemokine, die wiederum durchnummeriert werden (䉴 Tabelle 8.4). Häufig können sich Chemokine an mehrere unterschiedliche Rezeptoren binden, auch erkennt ein Rezeptor mitunter mehrere Chemokinliganden: Das Chemokinsystem ist daher in seiner Wirkung redundant und überlappend. Die meisten Chemokine bilden in ihrer aktiven Form homodimere, homotetramere oder homooligomere Komplexe; jedoch können auch unterschiedliche Chemokine zu heteromeren Komplexen interagieren und ihre Aktivität so modulieren. Dies verstärkt zusätzlich ihre redundante Wirkungsweise. Chemokine werden von vielen Gewebezellen und Immunzellen produziert. Sie lösen bei mobilen Zellen, die über Rezeptoren verfügen, an welche sich die Chemokine spezifisch binden, eine gerichtete Wanderungsbewegung aus. Die Zellen bewegen sich dabei entlang eines Konzentrationsgradienten zum Ort der höchsten Chemokinkonzentration. Hinsichtlich ihrer Funktion kann man die Chemokine in zwei Untergruppen teilen: Inflammatorische Chemokine sind Mediatoren der angeborenen Immunantwort, sie werden bei Infektionen und/oder Entzündungen von infizierten Endothelzellen, aber insbesondere von aktivierten Immunzellen, überwiegend von mononucleären Phagocyten (beispielsweise von Granulocyten, 䉴 Abschnitt 7.1) gebildet und in die Umgebung des Entzündungsortes ausgeschüttet. Ihre Hauptaufgabe ist es, zusätzliche Monocyten, Makrophagen und neutrophile Granulocyten aus dem Blut in das entzündete Gewebe zu locken, dabei wirken einige zusätzlich aktivierend auf die Immunzellen. Die CXC-Chemokine wirken dabei vor allem auf die neutrophilen Granulocyten, während die CC-Chemokine bevorzugt Monocyten und Makrophagen zur Einwanderung an den Entzündungsort stimulieren (䉴 Tabelle 8.4). Konstitutive (homeostatische) Chemokine werden im Unterschied zu den inflammatorischen Chemokinen kontinuierlich in den lymphatischen Organen gebildet, sie sind an der Organentwicklung, der Angiogenese und der Feinlokalisierung der Immunzellen in den Lymphknoten, im Thymus und anderen lymphatischen Organen beteiligt.
8.1.5 Weitere Cytokine Die koloniestimulierenden Faktoren GM-CSF, M-CSF, G-CSF Granulocyten lassen sich in drei Untergruppen einteilen: neutrophile, eosinophile und basophile. Vor allem die neutrophilen und eosinophilen Granulocyten sind bei der schnellen Immunabwehr von Mikroorganismen und Parasiten beteiligt. Angelockt von Chemo-
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8 Cytokine, Chemokine und Interferone
Tabelle 8.4 Funktionen, Eigenschaften und Rezeptorbindung der wichtigsten inflammatorischen Chemokine Chemokin; systematischer/ alternativer Name
Produzent
Rezeptoren
chemotaktische Wirkung
CCL1
aktivierte T-Zellen
CCR8
Monocyten, Dendriten, NK-Zellen
CCL2/MCP-1
aktivierte Monocyten, Endothelzellen
CCR2, CCR5
Monocyten, neutrophile Granulocyten
CCL3/MIP-1a
aktivierte Makrophagen
CCR1, CCR5
Monocyten, Granulocyten, T-Zellen
CCL4/MIP-1b
aktivierte Makrophagen
CCR5
Monocyten, Granulocyten, T-Zellen
CCL5/RANTES
aktivierte T-Zellen, Blutplättchen
CCR1, CCR3, CCR5
Granulocyten, T-Zellen
CCL6/C10/MRP-1
aktivierte Makrophagen, neutrophile Granulocyten
CCR1
Makrophagen
CCL7/MCP-3
aktivierte Makrophagen, einige Tumorzelllinien
CCR1, CCR2, CCR7
Monocyten, Makrophagen
CCL8/MCP-2
aktivierte Makrophagen, Osteosarcomzellinie MG63
CCR2, CCR3, CCR5
Monocyten
CCL9/MIP-1g
aktivierte Makrophagen, myeloide Zellen
CCR1
Dendriten
CCL11/Eotaxin
aktivierte Endothelzellen
CCR2, CCR3, CCR5
eosinophile Granulocyten
CCL13/MCP-4
aktivierte Makrophagen
CCR1, CCR2, CCR3
Monocyten, T-Zellen, eosinophile Granulocyten
CCL16/Monotactin-1
Leber, Milz,
CCR1, CCR2, CCR3, CCR5
Monocyten, T-Zellen
CCL19/MIP-3b
Thymus, Lymphknoten
CCR7
Dendriten, B-Zellen
CCL20/MIP-3a
Lymphocyten, Lymphknoten, CCR6 Leber
CD4+-/CD8+-T-Zellen
CXCL1/NAP-3
aktivierte Makrophagen, neutrophile Granulocyten
CXCR2
neutrophile Granulocyten
CXCL2/MIP-2a
aktivierte Monocyten, Makrophagen
CXCR2
neutrophile Granulocyten, hämatopoetische Vorläuferzellen
CXCL4/PF-4
aggregierende Blutplättchen
CXCR3
neutrophile Granulocyten, Monocyten
CXCL6/GCP-2
aktivierte Monocyten
CXCR1
neutrophile Granulocyten
CXCL8/IL-8
aktivierte Monocyten, Endothelzellen
CXCR1, CXCR2
neutrophile Granulocyten
CXCL9/MIG
IFN-g stimulierte Monocyten und Endothelzellen
CXCR3
Monocyten, T-Zellen
CXCL10/g-IP10
IFN-g stimulierte Monocyten und Endothelzellen
CXCR3
Monocyten, T-Zellen
CXCL12/SDF-1
Stromazellen des Knochenmarks
CXCR4
Monocyten, Hämatopoese
8.1 Cytokingruppen und ihre Funktionen
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Tabelle 8.4 (Fortsetzung) Chemokin; systematischer/ alternativer Name
Produzent
Rezeptoren
chemotaktische Wirkung
XCL1, XCL2/ Lymphotactin
Milz, Thymus, periphere Lymphocyten
XCR1
T-Zellen
CX3CL1/Fractalkin
Makrophagen, Endothelzellen
CX3CR1
T-Zellen, Monocyten
Abkürzungen: γ-IP: IFN-γ induziertes Protein; MCP: monocyte chemoattractant protein; MIG: Monokine induced by gamma interferon; MIP: macrophage inflammatory protein; MRP: macrophage inflammatory protein-related protein; NAP: neutrophil activating protein; PF: Plättchen aggregierender Faktor; RANTES: regulated on activation, normal T-cell expressed and presumably secreted; SDF: stroma cell derived factor.
kinen wandern sie zum Entzündungsort, können sich über die Adhäsionsmoleküle an Endothelzellen anlagern und treten dann durch die Gefäßwände hindurch. Am Ort der Infektion bekämpfen sie freie oder mit Immunglobulinen beladene Erreger durch Phagocytose. Außerdem entleeren sie den Inhalt ihrer Granula in die Umgebung und setzen hierbei eine Vielzahl von degradierend wirkenden Enzymen, cytotoxisch wirkenden Proteinen und Sauerstoffradikalen frei. Zusätzlich sezernieren diese stimulierten Granulocyten IL-1, CXC8/IL-8 und Prostaglandine. Die koloniestimulierenden Faktoren GM-CSF, G-CSF und M-CSF/IL-3 (CSF ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung colony stimulating factor) sind an der Differenzierung hämatopoetischer Vorläuferzellen zu Granulocyten beziehungsweise zu Makrophagen beteiligt. Durch Bindung an die jeweiligen Rezeptoren wirken sie auf verschiedene Zelltypen ein. Sie stimulieren in vitro die Koloniebildung von Granulocyten und Makrophagen (GM-CSF) beziehungsweise von Granulocyten (G-CSF) oder Makrophagen (M-CSF). Ihre Wirkungsweise ähnelt der von IL-3, das als Multi-CSF die Koloniebildung aller CSF-abhängigen Zelltypen induziert. Die CSF sind einkettige, glycosylierte Polypeptide (14–30 kD), die untereinander keine Homologie aufweisen. Sie werden von Monocyten, Makrophagen, Fibroblasten und Endothelzellen abgegeben, die auf die Gegenwart von Antigenen und Entzündungsmediatoren reagieren. GM-CSF wird außerdem von T-Helferzellen gebildet und freigesetzt. Die CSF bewirken nicht nur die Differenzierung hämatopoetischer Vorläuferzellen zu Granulocyten und Makrophagen. In einem autokrinen Reaktionsmechanismus, das heißt durch Bindung an die Rezeptoren der Granulocyten und Makrophagen, von denen sie abgegeben werden, verstärken sie die cytotoxische und phagocytierende Aktivität eben dieser Zellen.
Transforming Growth Factors (TGF) Die transformierenden Wachstumsfaktoren wurden aufgrund ihrer proliferationsfördernden Aktivität für Fibroblasten entdeckt. Man unterscheidet zwei Gruppen: TGF-α und TGF-β. TGF-α hat eine ähnlich zellteilungsregulierende Funktion wie die Epithelzell-Wachstumsfaktoren (EGF). TGF-β beeinflusst dagegen nicht nur das Wachstum von Tumoren, es ist auch bei Entzündungsreaktionen und der Regulation der Immunantwort aktiv. Die Wirkungsweise von TGF-β ist im Gegensatz zu derjenigen von TGF-α relativ gut untersucht: Von TGF-β existieren mehrere Subtypen (TGF-β1-5), die sowohl immunhemmende als auch immunstimulierende Funktionen haben. Sie werden von unterschiedlichen Zellen wie TLymphocyten, mononucleären Phagocyten, Blutplättchen, Endothelzellen und anderen gebildet, verbessern die Wundheilung und wirken hemmend auf die Aktivierung der Makrophagen und die Teilung der T-Lymphocyten. Außerdem unterdrücken sie die Aktivität verschiedener Cytokine. Die immunstimulierende Wirkung betrifft vor allem die Förderung des Wechsels der Immunglobulinklassen zur Bildung von IgA. TGF-β wirkt chemotaktisch auf Monocyten und fördert zusammen mit IL-1, IL-2, IL-6 sowie mit Wachstumsfaktoren wie PDGF (platelet derived growth factor), EGF und FGF (fibroblast growth factor) die Proliferation von Fibroblasten und Epithelzellen. Häufig ist das Wachstum von Tumoren von diesen Faktoren abhängig, die von in das Gewebe einwandernden Makrophagen, Monocyten und T-Zellen abgegeben werden und in einem parakrinen Mechanismus die Teilung der Krebszellen fördern. In diesem Fall binden sich die Faktoren an Rezeptoren auf der Oberfläche von Zellen, die sich in der Umgebung befinden; die Produzenten selbst werden also nicht beeinflusst. Viele Tumorzellen können die Faktoren selbst produzieren. In diesem Fall wirken sie autokrin stimulatorisch. Ein virales Beispiel dafür ist die
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8 Cytokine, Chemokine und Interferone
durch das virale Tax-Protein von HTLV-1-induzierte TZell-Leukämie, bei der sowohl die Synthese des Cytokin (IL-2) als auch des Rezeptors (Il-2R) autokrin induziert werden (䉴 Abschnitt 18.1).
8.2 Wie wirken sich Virusinfektionen auf die Cytokinsynthese aus? Virusinfektionen können die Cytokinproduktion in einzelnen Zellen und Organen oder im ganzen Organismus beeinflussen. Das Virus vermehrt sich zuerst am Eintrittsort in den Körper und kann sich von hier aus über das Blut oder die Lymphe zu den Manifestationsorten der Infektion ausbreiten (䉴 Kapitel 4). Überall wird dabei die Immunabwehr aktiviert und so die Cytokinsynthese und -freisetzung eingeleitet. Letzteres ist mit lokalen Entzündungen verbunden. Auch defekte Virusformen spielen hierbei möglicherweise eine wichtige Rolle. Preben von Magnus hatte 1951 erstmals beobachtet, dass bei Infektionen mit Influenzaviren defekte Partikel entstehen, die noch Hämagglutinationsfähigkeit besitzen, aber nicht infektiös sind (䉴 Abschnitt 16.3). Zusätzlich werden in den infizierten Zellen sowohl funktionell als Genom aktive, aber auch defekte, doppelsträngige RNA-Moleküle synthetisiert. In Kooperation mit den defekten Viren steigern sie die Bildung von Typ-I-Interferonen. Diese stören die Translation und fördern damit die Produktion weiterer defekter Partikel. Nicht selten findet man abortive Replikationszyklen ohne Freisetzung von Nachkommenviren. Da so noch mehr defekte Partikel und doppelsträngige RNA entstehen, wird die Interferonsynthese weiter verstärkt. Als Folge davon können interferonresistente Virusvarianten selektiert werden, die sich verstärkt ausbreiten und zur Etablierung persistierender, chronischer Infektionen beitragen. Etliche Viren besitzen Gene, die für Proteine codieren, welche mit Cytokinen oder Cytokinrezeptoren homolog sind. Sie gestatten den Erregern, der antiviralen oder die Immunantwort stimulierenden Wirkung der Cytokine zu entgehen. So verfügt beispielsweise das Epstein-Barr-Virus über ein Gen für ein mit IL-10 homologes Protein (BCRF1), das die Wirkung des natürlichen antiinflammatorischen IL-10 zusätzlich steigert. Das Herpes-simplex-Virus codiert hingegen für ein Protein, das als IL-8-Rezeptor wirkt (䉴 Abschnitt 19.5). Pockenviren exprimieren Rezeptoren für mehrere Cytokine wie IL-1β, TNF-α und IFN-γ und fangen somit diese entzündungsfördernden Moleküle ab
(䉴 Abschnitt 19.6). Adenoviren und Epstein-Barr-Viren bilden während des Replikationszyklus große Mengen von kleinen, nichtproteincodierenden RNA-Molekülen, die eine ausgeprägte Sekundärstruktur aufweisen. Diese VA- beziehungsweise EBER-RNA verhindert die Aktivierung der Proteinkinase PKR und der 2’5’-Oligoadenylatsynthese (OAS). Diese Enzyme, die durch Interferon induziert werden, können damit ihre Funktion nicht entfalten und die Proteinsynthese nicht hemmen (䉴 Abschnitte 19.4 und 19.5). Wie die verschiedenen Viren der Cytokinwirkung entgehen können, wird bei der Beschreibung der Pathogenese der einzelnen Erreger im Detail erläutert.
8.3 Lassen sich Cytokine zur Therapie von Viruserkrankungen einsetzen? Interferone wurden schon bald nach ihrer Entdeckung für antivirale und tumorhemmende Therapiezwecke genutzt. Die anfängliche Hoffnung, ein allgemein gegen Krebserkrankungen wirkendes Mittel in der Hand zu haben, wurde jedoch enttäuscht. Heute verwendet man IFN-α nur noch zur Behandlung der Haarzellleukämie, die zum Beispiel auch durch HTLV-II induziert sein kann. Jedoch werden etliche Cytokine immunstimulatorisch in Kombination mit Chemo- und Strahlentherapie bei Tumorbehandlungen eingesetzt. Als antivirales Mittel ist pegyliertes IFN-α (an Polyethylenglycol gebundenes IFN) in Kombination mit antiviralen Chemotherapeutika zur Behandlung von chronischen Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Infektionen zugelassen (䉴 Abschnitte 14.5.5 und 19.1.5). In Kombination mit Aciclovir wird es auch bei der durch Herpes-simplexViren verursachten Keratitis eingesetzt. Häufige Nebenwirkungen sind Fieber, grippeähnliche Beschwerden und schwere Depressionen. Imidazoquinoline (Imiquimod) aktivieren TLR7 mit der Folge einer erhöhten IFN-α Produktion (䉴 Kapitel 9). Sie werden in Cremes zur Behandlung von Hautwarzen eingesetzt, die von humanen Papillomaviren hervorgerufen werden (Abschnitt 19.3). In der Tiermedizin wird IFN-ω bei Hunden und Katzen zur Therapie der caninen Parvovirose, des Katzenschnupfens und bei Infektionen mit dem felinen Leukämievirus verwendet (䉴 Abschnitte 14.8, 18.1 und 20.1). Verschiedene Interleukine und koloniestimulierende Faktoren werden zur Behandlung von Viruserkrankungen erprobt. Seit einiger Zeit schon setzt man G-CSF bei Tumorpatienten ein, die chemo- oder strahlentherapeu-
8.4 Weiterführende Literatur
tisch behandelt wurden: Es stimuliert die neutrophilen Granulocyten und beschleunigt ihre Wanderung aus dem Knochenmark in das periphere Blut.
8.4 Weiterführende Literatur Allen, S. J.; Crown, S. E., Handel, T. M. Chemokine: receptor structure, interactions, and antagonism. In: Annu. Rev. Immunol. 25 (2007) 787–820. Bangham, C. R. M.; Kirkwood, T. B. L. Defective Interfering Particles and Virus Evolution. In: Trends in Microbiology 1 (1993) S. 260–264. Bonglee, S.; Esteban, M. The Interferon-Induced DoubleStranded RNA Activated Protein Kinase Induces Apoptosis. In: Virology 199 (1994) S. 491–496. DelPrete, G.; Romagnani, S. The Role of TH1 and TH2 Subsets in Human Infectious Diseases. In: Trends in Medical Microbiol. 2 (1994) S. 4–6. Eisenächer, K.; Steinberg, C.; Reindl, W.; Krug, A. The role of viral nucleic acid recognition in dendritic cells for innate and adaptive antiviral immunity. In: Immunobiology 212 (2007) S. 701–714. Fitzgerald, K.; O’Neill, L. A.; Gearing, A. The Cytokine Facts Book. 2. Aufl. London (Academic Press) 2001. Holland, S. (Hrsg.) Cytokine Therapeutics in Infections Diseases. Philadelphia (Lippincott Williams & Wilkins) 2001. Kobayashi, Y. The role of chemokines in neutrophil biology. In: Front. Biosci. 13 (2008) S. 2400–2407. Levy, D. E. Interferon Induction of Gene Expression Through the Jak-Stat Pathway. In: Seminars in Virology 6 (1995) S. 181– 189.
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8
9 Chemotherapie Die Entwicklung antiviral wirkender Substanzen kann rückblickend in drei Phasen unterteilt werden. Schon früh wurden Substanzen, die man ursprünglich als Tumoristatika einsetzte, daraufhin untersucht, ob sie auch die Virusvermehrung hemmen; hierzu gehörten Stoffe wie Ioddesoxyuridin oder Cytosinarabinosid. Ersteres war 1962 von Herbert E. Kaufman als eines der ersten antiviralen Therapeutika zur lokalen Behandlung der durch das Herpes-simplex-Virus induzierten Keratokonjunktivitis am Auge eingeführt worden. Mit dem fortschreitenden Wissen über die Molekularbiologie der Zelle und der Viren wurde jene überwiegend empirisch geprägte Vorgehensweise von Ansätzen abgelöst, mit denen man nur wenig selektiv wirkende Agenzien durch chemische Modifikationen zu verbessern suchte. Ergebnisse dieser „gezielten Empirie“ waren Substanzen wie Adenosinarabinosid, Bromvinyldesoxyuridin oder Acycloguanosin. Adenosinarabinosid war das erste Chemotherapeutikum, das nach systemischer, also intravenöser Applikation einen heilenden Effekt auf die durch Herpes-simplex-Viren verursachte Hirnentzündung (Encephalitis) und die Herpes-Infektion der Neugeborenen (H. neonatorum) zeigte. Das darauffolgend 1977 von Gertrude Elion entwickelte Acycloguanosin bedeutete den Durchbruch bei der Therapie von Herpesvirusinfektionen (䉴 Abschnitt 19.5). Die heute etablierten Methoden zur Sequenzierung der viralen Erbinformation und zur Strukturaufklärung viruscodierter Enzyme sowie neuere Erkenntnisse der Molekulargenetik erlauben inzwischen, die Angriffspunkte antiviraler Substanzen gezielt zu analysieren, bis hin zu sogenannten Designer-Drugs. Die damit erworbenen Kenntnisse bilden zusammen mit dem Wissen über die Pathogenese der jeweiligen Virusinfektion die Basis für die zielorientierte Entwicklung optimal angepasster, inhibitorisch wirkender Antimetabolite und somit für das Design von Viro-
statika. Zwar ist es dadurch in den letzten Jahren – nicht zuletzt unter dem Druck, Möglichkeiten zur AIDSTherapie zu finden – gelungen, eine Reihe neuer antiviral wirkender Substanzen zu entwickeln, trotzdem stehen uns heute verglichen mit der Zahl der Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionserkrankungen immer noch nur wenige wirksame Chemotherapeutika zur Verfügung (䉴 Tabelle 9.1). Die Herstellung neuer Virostatika wird natürlich durch den streng intrazellulären Vermehrungszyklus der Viren begrenzt, der die Auswahl gezielter Angriffspunkte ohne Zellschädigung erschwert. Neben der direkten Hemmung des viralen Replikationszyklus versucht man, die durch die Infektion ausgelösten Entzündungsprozesse therapeutisch zu beeinflussen und Chemotherapeutika mit Cytokinen zu kombinieren, da klar wurde, dass die Pathogenese der meisten Viruskrankheiten sowohl mit viralen als auch mit immunologischen Prozessen verbunden ist (䉴 Kapitel 8). All dies gilt nur für die antivirale Therapie beim Menschen. In der Tiermedizin spielt die chemotherapeutische Behandlung von Virusinfektionen keine große Rolle. Infektionskrankheiten bei Nutztieren, die nach dem Tierseuchengesetz der Anzeigepflicht unterliegen, dürfen nicht mit antiviralen oder anderen Substanzen behandelt werden. In diesem Fall ist in der Regel die Keulung und unschädliche Beseitigung der erkrankten Tiere vorgeschrieben. Zudem ist bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, die Rückstandsproblematik von großer Bedeutung. Bei der Behandlung von Kleintieren ist die Wirksamkeit der für den Menschen entwickelten Chemotherapeutika häufig nicht nachgewiesen. Die Substanzen haben in diesen Tieren oft ein anderes Toxizitätsspektrum oder der Preis der Medikamente ist für die häufig langwierige Behandlung zu hoch.
9
92
9 Chemotherapie
Tabelle 9.1 Übersicht der wichtigsten, heute zugelassenen antiviralen Chemotherapeutika und ihre Wirkungsweise Hemmstoff
Einsatzgebiet
Wirkungsweise
Hemmstoffe der viralen Polymerasen Acycloguanosin (Acyclovir, ACG)
Herpes-simplex-Virus, Varicella-Zoster-Virus
Guanosinanalog wird von der viralen Thymidinkinase in das Monophosphat überführt; zelluläre Kinasen bilden das Triphosphat; die virale DNAPolymerase akzeptiert das Triphosphat als bevorzugtes Substrat und baut es in die neugebildeten Virusgenome ein; es folgt der Abbruch des Polymerisationsvorgangs
Adefovir
Hepatitis B-Viren
monophosphoryliertes Adenosinanalog wird von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt; das triphosphorylierte Produkt wird von der viruseigenen reversen Transkriptase als Substrat akzeptiert und in die neu gebildete Doppelstrang-DNA eingebaut; es folgt der Abbruch der Polymerisationsreaktion
Azidothymidin (Zidovudin, AZT)
humane Immundefizienzviren
Thymidinanalog wird von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt; das triphosphorylierte Produkt wird von der viruseigenen reversen Transkriptase als Substrat akzeptiert und in die neugebildete Doppelstrang-DNA eingebaut; es folgt der Abbruch der Polymerisationsreaktion; die Integration des Provirus in die Zell-DNA unterbleibt
Brivudin (BVdU)
Herpes-simplex-Virus Typ 1, Varicella-Zoster-Virus
Uracilanalog wird von der viralen Thymidinkinase in das Monophosphat überführt; zelluläre Kinasen bilden das Triphosphat; die virale DNAPolymerase akzeptiert das Triphosphat als Substrat und baut es in die neugebildeten Virusgenome ein; es folgt der Abbruch des Polymerisationsvorgangs
Cidofovir
Cytomegalovirus
monophosphoryliertes Cytosinanalog wird von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt; die virale DNA-Polymerase akzeptiert das Triphosphat als Substrat und baut es in die neugebildeten Virusgenome ein; es folgt der Abbruch des Polymerisationsvorgangs
Didesoxy-3’-Thiacytidin (3TC, Lamivudin)
humane Immundefizienzviren, Hepatitis B-Viren
Cytosinanalog wird von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt; das triphosphorylierte Produkt wird von der viruseigenen reversen Transkriptase als Substrat akzeptiert und in die neugebildete Doppelstrang-DNA eingebaut; es folgt der Abbruch der Polymerisationsreaktion; die Integration des Provirus in die Zell-DNA unterbleibt; hemmt die Pyrophosphorylyseaktivität der viralen reversen Transkriptase
Didesoxycytidin (ddC, Zalcitabin)
humane Immundefizienzviren
Cytosinanalog wird von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt; das triphosphorylierte Produkt wird von der viruseigenen reversen Transkriptase als Substrat akzeptiert und in die neugebildete Doppelstrang-DNA eingebaut; es folgt der Abbruch der Polymerisationsreaktion; die Integration des Provirus in die Zell-DNA unterbleibt
9.1 Welche molekularen Angriffspunkte haben antivirale Wirkstoffe?
93
Tabelle 9.1 (Fortsetzung) Hemmstoff
Einsatzgebiet
Wirkungsweise
Hemmstoffe der viralen Polymerasen Didesoxyinosin (ddI, Didanosin)
humane Immundefizienzviren
Guanosinanalog wird von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt; das triphosphorylierte Produkt wird von der viruseigenen reversen Transkriptase als Substrat akzeptiert und in die neu gebildete Doppelstrang-DNA eingebaut; es folgt der Abbruch der Polymerisationsreaktion; die Integration des Provirus in die Zell-DNA unterbleibt
Famciclovir
Herpes-simplex-Virus, Varicella-Zoster-Virus
Guanosinanalog Pro-Drug mit verbesserter Bioverfügbarkeit; nach Aufnahme erfolgt Deacetylierung zu Penciclovir; wird von der viralen Thymidinkinase in das Monophosphat überführt; zelluläre Kinasen bilden das Triphosphat; die virale DNA-Polymerase akzeptiert das Triphosphat besser als Substrat und baut es in die neugebildeten Virusgenome ein; es folgt der Abbruch des Polymerisationsvorgangs
Foscarnet (Phosphonoameisensäure)
Herpesviren humane Immundefizienzviren
Pyrophosphatanalog bindet sich an die Pyrophosphatbindungsstelle der reversen Transkriptase beziehungsweise der viralen DNA-Polymerase und konkurriert mit dem natürlichen Substrat
Ganciclovir
Cytomegalovirus
Guanosinanalog wird von viralen und zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt; die virale DNA-Polymerase akzeptiert das Triphosphat als Substrat und baut es in die neugebildeten Virusgenome ein; es folgt der Abbruch des Polymerisationsvorgangs
Nevirapin, Delavirdin, Lovirid, Efavirenz
humane Immundefizienzviren
bindet sich an die große Untereinheit der reversen Transkriptase und hemmt deren Aktivität
Stavudin (d4T)
humane Immundefizienzviren
Thymidinanalog wird von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt; das triphosphorylierte Produkt wird von der viruseigenen reversen Transkriptase als Substrat akzeptiert und in die neu gebildete Doppelstrang-DNA eingebaut; es folgt der Abbruch der Polymerisationsreaktion; die Integration des Provirus in die Zell-DNA unterbleibt
Hemmstoffe viraler Proteasen Saquinavir, Nelfinavir, Ritonavir, Fortovase
humane Immundefizienzviren
Peptidomimetika peptidähnliche Hemmstoffe, welche die Aktivität der viralen Protease inhibieren und die Spaltung der Vorläuferproteine verhindern; die Ausbildung der Infektiosität der Viruspartikel unterbleibt
Hemmstoffe viraler Neuraminidasen Zanamivir/Oseltamivir
Influenza-A-Virus, Influenza-B-Virus
hemmt die Funktion der viralen Neuraminidase und bindet sich an das aktive Zentrum
9
9
94
9 Chemotherapie
Tabelle 9.1 (Fortsetzung) Hemmstoff
Einsatzgebiet
Wirkungsweise
Hemmstoffe der Virusaufnahme/des Uncoating Amantadin/Rimantadin
Influenza-A-Virus
blockiert die Funktion der Protonenpumpe des M2-Proteins; blockiert in der Folge den Uncoating-Vorgang
Pleconaril
Rhinoviren, Enteroviren
Analogon des pocket factors; stabilisiert die Viruscapside; verhindert das Uncoating der Virusgenome
T20, Enfuvirtid
humane Immundefizienzviren
peptidähnlicher Hemmstoff verhindert die Fusion von Virusund Cytoplasmamembran und somit die Aufnahme des Viruspartikels und die Adsorption
Maraviroc
humane Immundefizienzviren
wirkt bei makrophagotrophen Virusvarianten als Antagonist zum Korezeptor CCR5
Sonstige antivirale Chemotherapeutika Imiquimod
humane Papillomviren, Molluscum contagiosum
Immunstimulanz; aktiviert toll-like-Rezeptor 7 und bewirkt die IFN-α Produktion
Ribavirin
Lassavirus (systemisch) Hepatitis-C-Virus (systemisch) respiratorisches Syncytialvirus (als Aerosol)
hemmt unter anderem die zelluläre Guanylyltransferase; damit wird das Anfügen der 5’-Capgruppe an mRNA-Spezies verhindert, es kommt zur Störung der Translation; wird in der triphosphorylierten Form von der RNA-abhängigen RNA-Polymerase in neusynthetisierte RNA-Stränge eingebaut und bewirkt Mutationen
9.1 Welche molekularen Angriffspunkte haben antivirale Wirkstoffe? Viren können sich als obligate Zellparasiten nur in lebenden Zellen vermehren und nutzen viele funktionelle Aktivitäten ihrer Wirte. Antiviral wirkende Substanzen müssen deswegen möglichst selektiv auf bestimmte Virusfunktionen zielen und sollten zelluläre Prozesse dabei nicht beeinflussen. Der chemotherapeutische Index, das Verhältnis zwischen der Konzentration einer Substanz, die für die Hemmung der Virusvermehrung nötig ist, und der Konzentration, ab welcher eine zelltoxische Wirkung beobachtet werden kann, sollte möglichst hoch sein. Die meisten der heute verfügbaren Chemotherapeutika hemmen die Genomreplikation der Viren. Verwenden Viren hierfür eigene Polymerasen, dann unterscheiden sich diese meist von den zellulären Enzymen, was eine gezielte Hemmung ermöglicht. Virale Proteasen, die Vorläuferproteine spalten und zum
Beispiel bei den Retroviren (䉴 Abschnitt 18.1) eine wichtige Funktion bei der Bildung infektiöser Virionen haben, sind ebenfalls geeignete Zielstrukturen für antivirale Therapeutika. Auch ist die Hemmung virusspezifischer Prozesse wie der Adsorption, des Uncoating, des Self-Assembly oder der Freisetzung der Virionen aus der Zelle möglich. Daneben bieten andere viruscodierte, im Nucleinsäurestoffwechsel aktive Enzyme wie die Ribonucleotidreduktasen theoretische Angriffspunkte für die Entwicklung spezifisch wirkender Stoffklassen. Auf diese Weise lässt sich jedoch nur die aktive Virusvermehrung blockieren. Episomal vorliegende oder in die Wirtszell-DNA integrierte Genome von latenten Viren blieben unbeeinflusst. Vor einer Anwendung beim Menschen müssen außer dem molekularen Wirkmechanismus auch die pharmakokinetischen Eigenschaften der Substanz, wie ihre Resorption, Bioverfügbarkeit, Halbwertszeit, Ausscheidung und nicht zuletzt ihre Nebenwirkungen auf den Organismus bekannt sein. Um eine ausreichende Hemmwirkung zu erzielen, sollte die im Blut verfügbare Konzentration potenzieller antiviraler Chemotherapeu-
9.1 Welche molekularen Angriffspunkte haben antivirale Wirkstoffe?
tika zehn bis fünfzigfach über dem IC50-Wert liegen; das ist die Konzentration, die man benötigt, um in vitro 50 Prozent der infektiösen Erreger zu inhibieren.
9.1.1 Hemmstoffe der Virusreplikation Substanzen, welche die Genomvermehrung der Viren hemmen, lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Nucleosidanaloga und nichtnucleosidische Hemmstoffe (䉴 Abbildung 9.1A–C). Die Nucleosidanaloga konkurrieren mit den natürlichen Basenderivaten, binden sich an die aktiven Zentren der Polymerasen und hemmen
dort die Funktion des Enzyms. Neben dieser Form der kompetitiven Hemmung kann ein Analogon auch von dem Enzym umgesetzt, das heißt in die wachsenden viralen Nucleinsäurestränge eingebaut werden. Hier stört es die regelmäßige Struktur der DNA oder RNA, die danach nicht mehr korrekt repliziert und transkribiert werden kann, oder es bewirkt bei einem Einbau während der Replikation Kettenabbrüche.
Nucleosidanaloga Azidothymidin (3-Azido-3’-desoxythymidin, AZT), auch bekannt unter der Bezeichnung Zidovudin, ist ein Thymidinanalogon. An der 3’-Position der Desoxyribose
A Pyrimidinanaloga
CH3 O O
NH2 O
N
N
NH
HO
N
HO O
N3
O
Azidothymidin (Zidovudin)
Didesoxycytidin
O N
HO
NH2 O
O
N
N OH
S
NH2
N O
P HO
O OH Lamivudin
Cidofovir
O
H
O
H3C
N HO O
N
HO C H
H
O
HO
NH
O
N
O
C Br
Brivudin
95
Stavudin
9.1 Chemische Formeln der wichtigsten antiviralen Chemotherapeutika.
9
9
96
9 Chemotherapie
B Purinanaloga
O
N
N
NH
N
O
O
N
N
NH2
O
N
NH N
N
NH2
O
O
HO CH2OH Acycloguanosin (Acyclovir)
N
Ganciclovir
Didesoxyinosin
N
N
N
NH2 NH2
N HO
N
N
O
HO
O
N
O P
O
HO
CH2OH
O
O
Famciclovir
Adefovir
C nichtnucleosidische Hemmstoffe der Polymerasen
H ONa
O
O Na O P
O
N
O
S O N
ONa
N
H Foscarnet (Trinatriumsalz der Phosphonoameisensäure)
N
Delavirdin
H N
H 3C
H
O H N
O
N O
N
F3C
Cl C C
Nevirapin
9.1 (Fortsetzung)
Efavirenz
N
NH N
97
9.1 Welche molekularen Angriffspunkte haben antivirale Wirkstoffe?
D Hemmstoffe viraler Proteasen
H
H
N H
O HO
N
H
S
C
H O
N
N
O
O
NH O
HO N H
H2N OH
Nelfinavir
Saquinavir
H
O
N
N N
N
O
HO
S
O
N
S
H
O
H
N
Ritonavir
E Hemmstoffe viraler Neuraminidasen
CH3 OH
OH
OH O
O O
HO
O
CH3
HO HN NH OH
O
Zanamivir
9.1 (Fortsetzung)
HN
NH2 NH
O
OH
NH2
Oseltamivir
H N
H C O
N
9
9
98
9 Chemotherapie
F Hemmstoffe der Virusaufnahme / Uncoating
O
CH3
NH2-HCl
N CH3
O N F3C O
N
Amantadin
Pleconaril
G Wirkstoffe sonstiger Prozesse
O NH2 N
NH2
N
N
N N
CH3
N
O OH
CH3
HO OH
Imiquimod
Ribavirin
9.1 (Fortsetzung)
weist es statt der Hydroxy- eine Azidogruppe auf. Die zellulären Enzyme Thymidinkinase und Thymidilatkinase wandeln es in das Triphosphat um, das bevorzugt von der reversen Transkriptase der Retroviren als Substrat verwendet wird. Während des Umschreibens des einzelsträngigen RNA-Genoms dieser Viren in doppelsträngige DNA bewirkt es einen Kettenabbruch, da keine 3’-OH-Gruppe zur Bildung der Phosphodiesterbindung zur Verfügung steht (䉴 Abbildung 9.2A und Abschnitt 18.1). Hierdurch wird der retrovirale Infektionszyklus schon in einem sehr frühen Stadium, nämlich noch vor der Integration des Virusgenoms in die Wirtszell-DNA, unterbunden. Die Affinität des triphosphorylierten Azidothymidins zur reversen Transkriptase ist einhundertmal höher als die zu den zellulären DNAPolymerasen α und β. Azidothymidin ist seit 1987 für die Therapie von Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) zugelassen. Wird Azidothymidin allein eingesetzt, kann es nur die Ausbildung der AIDS-Symptome verzögern, bewirkt jedoch nicht die Eliminierung des Virus oder gar eine Heilung des Patienten. Heute setzt man Azidothymidin standardmäßig in der Kombinationstherapie (HAART, highly active
antiretroviral therapy) zusammen mit anderen nucleosidischen und nichtnucleosidischen Hemmstoffen der reversen Transkriptase sowie Inhibitoren der Protease ein (䉴 Abschnitte 9.1.3 und 18.1.5). Bei oraler Verabreichung wird es gut absorbiert, und seine Bioverfügbarkeit beträgt über 60 Prozent. Nebenwirkungen sind Magen-Darm-Beschwerden, starke Kopfschmerzen und vor allem Störungen der Blutbildung (Anämie oder Leukopenie), die auf die cytostatische Wirkung des Azidothymidins zurückgehen. Stavudin (d4T, 1-[(2R,5S)-5-(Hydroxymethyl)-2,5dihydrofuran-2-yl]-5-methylpyrimidin-2,4-dion) und Didesoxycytidin (ddC, Zalcitabin) wirken ähnlich wie Azidothymidin, letzteres ist jedoch ein Cytosinanalogon. Den Substanzen fehlen die für die Ausbildung der Phosphodiesterbindung notwendigen 3’-OH-Gruppen, wodurch es ebenfalls zum Kettenabbruch bei der reversen Transkription der Retroviren kommt. Auch Didesoxycytidin ist zur Therapie der AIDS-Erkrankung zugelassen und wirkt in vitro zehnmal besser als Azidothymidin. Seine Bioverfügbarkeit ist mit 90 Prozent sehr gut. Lamivudin (3TC) ist ebenfalls ein Cytosinanalogon, das man überwiegend zur Kombinationstherapie bei
9.1 Welche molekularen Angriffspunkte haben antivirale Wirkstoffe?
Infektionen mit den humanen Immundefizienzviren einsetzt. Beim Lamivudin ist das Kohlenstoffatom an der 3’-Position der Desoxyribose durch ein Schwefelatom ersetzt, wodurch es beim Einbau in die Nucleinsäurekette zum Abbruch der Polymerisationsreaktion kommt. Ein weiteres Therapeutikum für HIV-Infektionen mit ähnlicher Wirkungsweise wie Zalcitabin ist Didesoxyinosin (ddI, Didanosin). Es wird in der Zelle phosphoryliert und zu Didesoxyadenosin aminiert; in dieser Form wirkt es als Analogon zum Adenosin. Die orale Bioverfügbarkeit ist geringer als die von Didesoxycytidin oder Azidothymidin. Der Vorteil des Didesoxyinosin liegt in einer geringen cytostatischen Wirkung auf Knochenmarkzellen. Periphere Neuropathien treten als Nebenwirkungen jedoch häufiger auf. Lamivudin (3TC, 2’-Desoxy-3’-Thiacytidin) wird nicht nur bei der Behandlung von Infektionen mit den humanen Immundefizienzviren eingesetzt: Es bewirkt auch bei chronischen Hepatitis-B-Infektionen eine Reduktion der Virusmengen im Organismus und wird hier meist zusammen mit pegyliertem IFN-α verwendet (䉴 Abschnitte 8.1 und 19.1). Neben Lamivudin steht Adefovir, ein monophosphoryliertes Adenosinanalogon (2-(6-Aminopurin-9-yl)-ethoxymethyl-Phosphorsäure), das sich durch eine unvollständige Zuckereinheit auszeichnet, zur Therapie der chronischen Hepatitis B zur Verfügung. Es wird von der DNA-Polymerase dieser Viren, die auch reverse-Transkriptase-Aktivität hat, als Substrat akzeptiert und führt zum Abbruch der Polymerisation. Acycloguanosin oder Acyclovir (9-(2-Hydroxyethoxy)-methylguanin) ist ein Guanosinderivat mit einem azyklischen Zuckerrest. Man kann es sowohl oral als auch systemisch anwenden. Die Thymidinkinasen der Herpes-simplex- oder Varicella-Zoster-Viren verwenden es bevorzugt als Substrat und monophosphorylieren es. Zelluläre Enzyme überführen es in das Triphosphat. In dieser Form wird es ebenfalls selektiv von der herpesviralen DNA-Polymerase akzeptiert und deswegen nur in neusynthetisierte Virusgenome, nicht jedoch in die zelluläre DNA eingebaut, was den Abbruch der Polymerisation bewirkt (䉴 Abbildung 9.2B). Wegen des spezifischen Aktivierungsmechanismus ist es ausschließlich in Zellen wirksam, die mit Herpes-simplexoder Varicella-Zoster-Viren infiziert sind (䉴 Abschnitt 19.5) und wird bei Erkrankungen eingesetzt, die mit diesen beiden Infektionen in Verbindung stehen. Aufgrund des hoch selektiven Wirkungsmechanismus ist dieses Medikament nicht sehr toxisch. Aciclovir ist durch Veränderung oder Anfügen weiterer Gruppen in vielfacher Weise modifiziert worden, um so seine Bioverfügbarkeit zu erhöhen (zum Beispiel als Pro-Drugs). So erhielt man antiviral wirkende Substanzen wie Valyl-
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Aciclovir, Penciclovir, Famciclovir und Ganciclovir. Famciclovir ist ein diacetyliertes Guanosinanalogon, es wird nach seiner Aufnahme von den Zellen in Penciclovir umgewandelt. Dieses wird von der DNA-Polymerase der Herpes-simplex- und Varicella-Zoster Viren in die viralen DNA-Stränge eingebaut und führt zum Kettenabbruch. Ganciclovir (9-(1,3-Dihydroxy-2-propoxy)methylguanin) wirkt vermutlich über den gleichen molekularen Mechanismus wie Acycloguanosin. Man setzt es bei Infektionen mit Cytomegaloviren ein. Diese Viren besitzen keine Thymidinkinase; die Substanz wird von einer viralen Proteinkinase phosphoryliert, vermutlich durch die Aktivität des Genprodukts des Leserahmens UL97. Als Triphosphat kann es dann wiederum von der DNA-Polymerase der Cytomegaloviren bei der Genomreplikation verwendet werden. Aufgrund der eingeschränkten viralen Selektivität weist Ganciclovir deutlich mehr Nebenwirkungen auf, zum Beispiel Knochenmarks-Toxizität. Ebenfalls zur Therapie von Infektionen mit Cytomegaloviren, insbesondere wenn diese Resistenzen gegen Ganciclovir aufweisen, kann Cidofovir, ein monophosphoryliertes Cytosinanalogon ([1-(4Amino-2-oxo-pyrimidin-1-yl)-3-Hydroxypropan-2-yl] Oxymethylphosphosäure) verwendet werden. Auch dieses Medikament, das eine sehr lange Halbwertszeit im Körper hat, weist signifikante Nebenwirkungen auf, unter anderem eine Nieren-Toxizität. Als Reservemittel bei Cytomegalovirus-Infektionen ist nach wie vor Foscarnet im Einsatz, das allerdings auch sehr nebenwirkungsreich ist.
Nichtnucleosidische Hemmstoffe Foscarnet (das Trinatriumsalz der Phosphonoameisensäure; Abbildung 9.1C) wird systemisch bei der durch Cytomegaloviren verursachten Chorioretinitis angewendet. Es wirkt als Analogon von Pyrophosphaten und lagert sich nicht an das aktive Zentrum der viralen DNA-Polymerase an, sondern an die Pyrophosphatbindungsstelle, die sich in der Nachbarschaft befindet. So wirkt es nichtkompetitiv für die natürlichen Basen. Es ist bisher der einzige nichtnucleosidische Hemmstoff für die DNA-Polymerase der Herpesviren und inhibiert außerdem die reverse Transkriptase der Retroviren, zum Beispiel des humanen Immundefizienzvirus. Auch Nevirapin, ein Dipyridodiazepinon, hemmt die reverse Transkriptase; es bindet sich an die größere Untereinheit des heterodimeren Enzyms (䉴 Abschnitt 18.1).
9
9
100
9 Chemotherapie
A
O CH3
HN O
N
O
CH2OH
N3 Azidothymidin
zelluläre Kinasen
O CH3
HN
O N
O
O
O
O
CH2
N3 Azidothymidintriphosphat
5'
Reverse Transkriptase
O C
Kettenabbruch N3
O
A
O
T
CH2
virales RNA-Genom
O
G
komplementäre DNA
C O
O
U
A O
3'
5'
9.2 Molekulare Wirkmechanismen antiviraler Chemotherapeutika. A: Hemmung der reversen Transkriptase von Retroviren durch Azidothymidin. Das Azidothymidin (rot) wird von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt. Dieses triphosphorylierte Produkt dient der reversen Transkriptase als Substrat. Wird es beim Umschreiben der RNA in DNA in die wachsenden DNA-Stränge eingebaut, kommt es zum Kettenabbruch.
9.1 Welche molekularen Angriffspunkte haben antivirale Wirkstoffe?
B
O
H2N
O N
HN N
101
N
HN herpesvirale Thymidinkinasen
N
N
H2N
N O
O O O
HO-CH2
P
O CH2
O Acycloguanosinmonophosphat
Acycloguanosin
zelluläre Kinasen
O N
HN N
H2N O
O
O
O
N
CH2
5'
Acycloguanosintriphosphat
O
herpesvirale DNA-Polymerase
C
Kettenabbruch Herpesvirusgenom
O C
G O
Matrizenstrang
O
G
CH2
wachsender DNA-Strang
C O
O
T
A O
3'
5'
9.2 (Fortsetzung) B: Hemmung der DNA-Polymerase von Herpesviren durch Acycloguanosin. Das Acycloguanosin (rot) wird von der Thymidinkinase der Herpesviren monophosphoryliert und von zellulären Kinasen in das Triphosphat überführt. Dieses triphosphorylierte Produkt wird von der DNA-Polymerase der Herpesviren als Substrat akzeptiert. Bei der Replikation des Virusgenoms wird es in die neusynthetisierten DNA-Stränge eingebaut. Dadurch kommt es zum Kettenabbruch.
9
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102
9 Chemotherapie
9.1.2 Hemmstoffe der Virusaufnahme und des Uncoatings Amantadin (1-Aminoadamantan-HCl), das 1964 erstmals hergestellt wurde, und sein Derivat Rimantadin (αMethyl-1-Adamantanmethylamin; 䉴 Abbildung 9.1D) sind polyzyklische, aliphatische Ringsysteme. Sie wirken als Hemmstoffe der Influenza-A-Virusinfektion. Nach der Aufnahme der Viruspartikel durch die Endosomen inhibieren sie die Funktion des viralen M2-Proteins, das in die Virusmembran eingelagert ist und als Protonenkanal die Ansäuerung des Vesikelinneren bewirkt (䉴 Abschnitt 16.3). Dies verhindert die Fusion der Endosomen- mit der Virusmembran und die Freisetzung der Genomsegmente, damit findet das Uncoating nicht statt. Beide Substanzen können oral eingesetzt werden. Amantadin und Rimantadin (in Deutschland nicht zugelassen) werden vor allem bei älteren oder immunsupprimierten Patienten zur Prophylaxe und Behandlung der klassischen Virusgrippe eingesetzt, allerdings nur wenn sie durch Influenza-A-Viren verursacht wird. Es entwickeln sich sehr schnell klinische Resistenzen. Beide Wirkstoffe werden auch als Medikamente bei Parkinson Erkrankungen eingesetzt. Dies erklärt auch die beachtlichen Nebenwirkungen im psychiatrisch-neurologischen Bereich. Pleconaril (3-[3,5-Dimethyl- 4-[3-(3-Methyl-1,2Oxazol-5-yl)Propoxy]Phenyl]-5-(Trifluoromethyl)1,2,4-Oxadiazol) ist ein Analog des Pocket-Faktors, einem Sphingosin ähnlichen Molekül, das bei der Morphogenese in einen Hohlraum eingepasst wird, welcher bei der Zusammenlagerung der Strukturproteine der Picornaviren in den Capsiden entsteht (䉴 Abschnitt 14.1). Pleconaril ersetzt den Pocket-Faktor, stabilisiert die Interaktion der Capsidproteine miteinander und bewirkt, dass die Freisetzung der viralen Nucleinsäure nach Infektion der Zellen nicht erfolgreich ist. Dadurch wird der virale Infektionszyklus unterbrochen. Pleconaril könnte als Virostatikum zur Behandlung von Rhino(zum Beispiel grippaler Infekt/Schnupfen) und Enterovirusinfektionen (zum Beispiel Hirnhautentzündungen) eingesetzt werden und würde die Erkrankungsdauer auch signifikant reduzieren. Allerdings ist Pleconaril bis jetzt für diese Indikationen nicht zugelassen. T20 (Enfuvirtide, Fuzeon) ist eine peptidähnliche Substanz, die 36 Aminosäuren umfasst und der Sequenz am aminoterminalen Ende des Transmembranproteins gp41 des humanen Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1) gleicht. Enfuvirtide unterbindet die Fusion von der Virushüllmembran mit der Cytoplasmamembran der Wirtszelle und somit die Infektion der Zelle. Diese findet statt, nachdem sich das Oberfächenproteins gp120
an den CD4-Rezeptor und einen Chemokinrezeptor gebunden hat. Diese Wechselwirkung bewirkt Konformationsänderungen des Proteins, wodurch das aminoterminale Ende von gp41 mit der Cytoplasmamembran Kontakt bekommt und die Fusion vermittelt. T20 verhindert die Konformationsänderung, indem es mit seiner homologen Sequenz im gp41 interagiert und somit die Infektion blockiert.
9.1.3. Sonstige antivirale Chemotherapeutika Zanamivir (2,3-Didehydro-2,4-Dideoxy-4-GuanidinoN-Acetyl-Neuraminsäure) und Oseltamivir (4-Acetamino-5-Amino-3-(1-Ethylpropoxy)-1-Cyclohexen-1Carboxylsäure; Abbildung 9.1D) sind Hemmstoffe der Neuraminidase von Influenzaviren, die als Aerosolspray beziehungsweise oral angewandt werden. Die Neuraminidase ist als virales Enzym in der Hüllmembran der Influenzaviren verankert. Es wird in den infizierten Zellen produziert und hat die Aufgabe, endständige N-Acetyl-Neuraminsäurereste (Sialylsäuren) auf viralen und zellulären Oberflächenproteinen abzubauen, da diese von den Viren als Rezeptoren bei der Adsorption verwendet werden. Die Adsorption wird durch ein weiteres Virusmembranprotein, nämlich das Hämagglutinin, vermittelt. Indem die Neuraminidase die Rezeptoren zerstört, verhindert sie sowohl die Aggregation neu gebildeter Influenzaviren miteinander als auch die Wechselwirkung mit Sialylsäureresten an membranund oberflächenassoziierten Proteinen der infizierten Zellen. Deswegen können sich die Viren im Organismus effektiv verbreiten. Bei möglichst frühzeitiger Hemmung der Neuraminidase ist eben dieser Vorgang in den Patienten unterbunden (䉴 Abschnitt 16.3). Diese Medikamente mindern daher die Symptome und Länge der Erkrankung. Ribavirin (1-D-Ribofuranosyl-1,2,4-triazol-3-carboxamid; 䉴 Abbildung 9.1B) ist strukturell mit Guanosin verwandt. Es wird durch zelluläre Kinasen zum Mono-, Di- und Triphosphat modifiziert und hat eine breite Hemmwirkung bei verschiedenen Virusinfektionen. Ribavirinmonophosphat hemmt die Inosinmonophosphat-Dehydrogenase und verursacht so die Abnahme der intrazellulären GTP-Konzentration. Das Triphosphat, das vor allem für die antivirale Wirkungsweise verantwortlich ist, inhibiert die Guanyltransferase, welche die 5’-Cap-Gruppe an die Enden der mRNA-Moleküle anfügt. Ungecappte mRNA-Spezies können den Cap-Bindungskomplex nicht binden und werden daher nicht translatiert. Ribavirin wirkt nicht selektiv; es ver-
9.2 Wodurch können Viren gegen antivirale Hemmstoffe resistent werden?
hindert das „Capping“ sowohl der zellulären als auch der viralen Transkripte. Deswegen treten bei der Behandlung auch massive Schädigungen nichtinfizierter Zellen auf. Die triphosphorylierte Form des Ribavirin wird von den RNA-abhängigen RNA-Polymerasen der RNA-Viren als Substrat verwendet und in neu gebildete Virusgenome eingebaut. Dies bewirkt zum Teil Letalmutationen der Viren. Ribavirin wird bei schweren Fällen von Lassafieber oder bei RSV-Infektionen bei immunsupprimierten Patienten eingesetzt (䉴 Abschnitt 16.3). Zudem setzt man Ribavirin in Kombination mit den Interferonen α und β zur Behandlung chronischer Hepatitis-C-Infektionen ein (䉴 Abschnitt 14.5). Zur Therapie der AIDS-Erkrankung setzt man inzwischen – überwiegend in Kombination mit den Hemmstoffen der reversen Transkriptase – Inhibitoren der Protease des humanen Immundefizienzvirus ein. Dieses Enzym spaltet in den noch unreifen, von den infizierten Zellen freigesetzten Viren die Gag- und Gag/Pol-Vorläuferproteine und ist für die Ausbildung der Infektiosität der Virionen unerlässlich (䉴 Abschnitt 18.1). Die Hemmstoffe sind überwiegend von Peptiden abgeleitet, die Proteasespaltstellen in den Vorläuferproteinen simulieren (Peptidomimetika). Sie werden zum Beispiel unter den Bezeichnungen Saquinavir, Indinavir, Nelfinavir oder Ritonavir vertrieben. Imiquimod (1(-2)-Methylpropyl-1H-Imidazol-[4,5 c]Quinolin-4-Amin; 䉴 Abbildung 9.1E) wird lokal zur Behandlung von Warzen und Kondylomen, die durch Papillomaviren verursacht sind, angewandt (Abschnitt 19.3). Ähnlich wirkt es aber auch bei der Therapie des Molluscum contagiosum, einer Hautläsion, die durch Molluscipoxviren (䉴 Abschnitt 19.6) ausgelöst wird. Imiquimod induziert an der Injektions- oder Auftragsstelle die Produktion von Interferonen und Cytokinen, indem es toll-like-Rezeptor 7 aktiviert. Dies bewirkt eine Entzündungsreaktion, welche die Hauterkrankung abklingen lässt.
9.2 Wodurch können Viren gegen antivirale Hemmstoffe resistent werden? Antivirale Therapeutika üben auf die Erreger einen starken Selektionsdruck aus. Es werden deshalb immer mehr Virusvarianten selektiert, die gegen die verschiedenen Hemmstoffe resistent sind. Das gilt besonders für Virusarten mit einem RNA-Genom, die, wie beispielsweise die humanen Immundefizienzviren und die HepatitisC-Viren, zur Bildung von Quasispezies neigen. Polyme-
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rasen wie die RNA-abhängige RNA-Polymerase, die reverse Transkriptase, aber auch die zellulären RNAPolymerasen, die an der Genomreplikation der unterschiedlichen Viren beteiligt sind (䉴 Kapitel 3), können nicht überprüfen, ob die neusynthetisierten Sequenzen mit den Ausgangsmatrizen übereinstimmen, sie haben keine proof-reading Aktivität. Daher treten bei der Genomvermehrung mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von etwa 10–4 Mutationen auf. Das heißt, jedes Mal wenn sich ein 10 000 Basen langes Virusgenom repliziert, ist mindestens ein Fehler vorhanden. Durch Einsatz von Chemotherapeutika werden solche Virusvarianten selektiert, die sich trotz Anwesenheit der Inhibitoren replizieren können. Solche resistenten Viren hat man vor allem bei AIDS-Patienten gefunden, die mit Hemmstoffen der reversen Transkriptase behandelt wurden (䉴 Abschnitt 18.1). Aber auch bei Influenzaviren traten bereits kurze Zeit, nachdem man früher Amantadin oder heute Hemmstoffe der Neuraminidase zur Therapie von H1N1- oder H5N1-Infektionen eingesetzt hatte, erste resistente Viren auf (䉴 Abschnitt 16.3). Die Mutationen betreffen hauptsächlich diejenigen Bereiche des Enzyms, die mit den Inhibitoren wechselwirken. Sie verändern das Protein so, dass die Hemmstoffe nicht mehr als Substrate oder Bindungspartner akzeptiert werden. Da sich die Interaktionsstellen der verschiedenen Hemmstoffe der reversen Transkriptase wie Azidothymidin, Didesoxycytidin, Didesoxyinosin oder Lamivudin jedoch voneinander unterscheiden, wechselt man beim ersten Auftreten von azidothymidinresistenten Varianten der humanen Immundefizienzviren beim Patienten das Therapeutikum. Heute werden im Rahmen der HAART (highly active antiretroviral therapy) Kombinationen von mindestens drei bis vier Inhibitoren, deren molekulare Angriffsorte sich voneinander unterscheiden, schon zu Beginn der Therapie eingesetzt. Auf diese Weise soll es dem Virus unmöglich gemacht werden, alle für eine mögliche Resistenzentwicklung notwendigen Proteinregionen zu verändern. Man erwartet, dass dann die Enzymfunktion und somit die Überlebensfähigkeit und die Virulenz des Virus stark beeinträchtigt sind. Daher wird heute empfohlen, schon bei Therapiebeginn zum Beispiel eine Kombination der Hemmstoffe AZT, ddC und Saquinavir zu verwenden. Findet man trotzdem nach einiger Zeit resistente Virusmutanten, wird in der Mischung meist ddC durch ddI oder eines der anderen Nucleosidanaloga ersetzt. Bei den Influenza-A-Viren als Erregertypen mit einem RNA-Genom beobachtete man sehr bald die Ausbildung von amantadin- und rimantadinresistenten Varianten (䉴 Abschnitt 16.3). Auch aufgrund der viel schwerwiegenderen Nebenwirkungen wird deshalb heute eindeutig den Neuraminidase-Hemmern bei der Therapie der
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9
104
9 Chemotherapie
Vorzug gegeben, zumal diese auch gegen Influenza B und die hochpathogenen Influenza-A-Stämme wie H5N1 effektiv sind. Da bei letzteren unter Therapie mit Neuraminidase-Hemmstoffen aber auch bereits resistente Virusmutanten gefunden wurden, wird jetzt eine Kombination von Amantadin mit NeuraminidaseHemmern bei Fällen von Vogelgrippe im Menschen diskutiert. Aber auch bei den Herpesviren, deren DNA-Polymerase über einen Mechanismus zur Überprüfung der Lesegenauigkeit verfügt, entstehen bei Behandlung mit Acycloguanosin Varianten, die gegen den Hemmstoff resistent sind. Die Mutationen befinden sich hier vor allem in der Thymidinkinase, die den Inhibitor in das Monophosphat überführt. Weitere finden sich im Polymerase-Gen, auch bei Behandlung von Cytomegalovirus mit Ganciclovir. Inwieweit die mutierten Viren in vivo überlebensfähig sind, ist nicht endgültig geklärt: Im Tierversuch erwiesen sie sich als avirulent, konnten allerdings latente Infektionsformen induzieren (䉴 Abschnitt 19.5). Veränderungen der DNA-Polymerase treten insgesamt seltener auf, da sie wahrscheinlich die Enzymfunktion beeinträchtigen. Auch überlegt man, antivirale Chemotherapeutika gleichzeitig mit verschiedenen Cytokinen wie Interferon-α, Tumornekrosefaktoren oder koloniestimulierenden Faktoren einzusetzen. Letztere sollen vor allem die cytostatische Wirkung der Hemmstoffe auf die peripheren Blutzellen kompensieren und deren schnelle Regeneration ermöglichen (䉴 Kapitel 8).
9.3 Welche therapeutischen Hoffnungen setzt man in Ribozyme, Antisense-RNA und RNAi/siRNA? Mit verschiedenen experimentellen Ansätzen wird heutzutage versucht, neue antivirale Hemmstoffe zu entwickeln. Außer auf Stoffe, welche die Adsorption des Virus an den zellulären Rezeptor blockieren und die Infektion von Anfang an unterbinden sollen, setzte man große Hoffnungen in die sogenannten Ribozyme. Hierbei handelt es sich um kleine, in ausgeprägter Sekundärstruktur vorliegende RNA-Moleküle, die als sequenzspezifische RNasen wirken. Ribozyme sind von entsprechenden Strukturen in den RNA-Genomen der Viroide abgeleitet. Nach der Replikation schneiden derartige autokatalytisch wirkende RNA-Strukturen die neuen konkatemeren Genomstränge in die einzelnen Einheiten. Man
kann heute Ribozyme konstruieren, die bestimmte Sequenzen in viralen RNA-Genomen oder in den gebildeten mRNA-Spezies erkennen, sie spalten und so die Replikation des jeweiligen Virus beziehungsweise die Expression unterbinden. Es ist jedoch schwierig, eine ausreichende Menge an Ribozymen gezielt in die infizierten Zellen einzuschleusen. Eine andere Möglichkeit, die Virussynthese zu blockieren, bietet die Anwendung der Antisense-RNA. Diese RNA-Spezies sind komplementär zu bestimmten, viralen mRNA-Molekülen. Sie hybridisieren mit ihnen zu doppelsträngiger RNA und verhindern so die Translation der mRNA. Dieses Verfahren hat sich in vitro gut bewährt. Auch hier besteht das Problem darin, eine ausreichende Menge von Antisense-Strängen in die Zellen einzubringen. Neben topologischen Anwendungsmöglichkeiten wie am Auge könnten gentherapeutische Ansätze, bei denen man die Gene für die Ribozyme oder die Antisense-RNA als Teile von Vektoren in die infizierten Zellen einschleust, hier unter Umständen einen Ausweg darstellen. Ein erstes Präparat auf der Grundlage dieses Wirkmechanismus ist Fomivirsen, ein 21 Basen langes Phosphorothioat-Deoxyoligonucleotid, das komplementär zur mRNA der immediate early-Proteine des Cytomegalovirus ist. Es wird bei der durch dieses Virus verursachten Retinitis am Auge eingesetzt. Breite therapeutische Anwendungsmöglichkeiten verspricht man sich auch von der siRNA-Technologie (RNA-Interferenz), die noch gezielter und effektiver als Antisense-RNA einsetzbar ist. Neben den akuten Infektionen wie Influenza werden hier auch viele Versuche zu persistierenden Infektionen mit den humanen Immundefizienzviren, Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren durchgeführt. Allerdings trifft man auch hier auf die bekannten Probleme wie Bioverfügbarkeit, Transport zum Zielort und Toxizität. Außerdem haben viele Viren im Laufe der Koevolution effektive Strategien zur Vermeidung oder Unterwanderung solcher Angriffspunkte entwickelt.
9.4 Weiterführende Literatur Blair, E.; Darby, G.; Gough, G.; Littler, E.; Rowlands, D.; Tinsdale, M. Antiviral Therapy. Oxford (BIOS Scientific Publishers) 1998. Cameron, C. E.; Castro, C. The Mechanism of Action of Ribavirin: Lethal Mutagenesis of RNA Virus Genomes Mediated by the Viral RNA-Dependent RNA-Polymerase. In: Curr. Opin. Infect. Dis. 6 (2001) S. 757–764. Cantin, E. M.; Woolf, T. M. Antisense Oligonucleotides as Antiviral Agents: Prospects and Problems. In: Trends in Microbiology 1 (1993) S. 270–275.
9.4 Weiterführende Literatur
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10 Impfstoffe Impfstoffe dienen überwiegend zur Prävention, das heißt, sie sollen bei den immunisierten Personen oder Tieren einen Schutz aufbauen, der sie bei Kontakt mit dem jeweiligen Erreger möglichst vor der Infektion und einer nachfolgenden Erkrankung, wenigstens aber vor der Erkrankung schützt. Grundsätzlich kann man zwei Typen der Immunisierung unterscheiden: die aktive und die passive. Letztere beruht auf der Gabe von Immunglobulin-Präparaten, die ein bestimmtes Virus neutralisieren können. Die passive Impfung wird daher nur in besonderen Fällen angewandt, etwa dann, wenn die zu schützende Person nachweislich vor kurzer Zeit Kontakt mit einem bestimmten Virus hatte (Post-ExpositionsProphylaxe; PEP) oder wenn das Risiko der Exposition mit Erregern in den folgenden Wochen nicht auszuschließen und eine aktive Impfung nicht möglich ist, wie bei kurzfristig geplanten Reisen in Länder der Dritten Welt (Expositionsprophylaxe). Ein Beispiel ist auch die Gabe von Hepatitis-B-Virus-spezifischen Antikörpern bei Kontamination mit Blut von Personen, die eine akute oder chronisch-persistierende Infektion mit diesem Virus und daher hohe Konzentrationen von infektiösen Partikeln im Blut haben. Solche Unfälle ereignen sich vor allem bei medizinischem Personal durch Nadelstichverletzungen (䉴 Abschnitt 19.1). In bestimmten Fällen erfolgt eine solche Gabe in Kombination mit einer aktiven Impfung (aktiv-passive Impfung). Spezifische Immunglobulinpräparate werden auch verabreicht, wenn Personen von Tieren gebissen wurden, die möglicherweise mit dem Tollwutvirus infiziert sind (䉴 Abschnitt 15.1). Bei rechtzeitiger Applikation (zusammen mit einer aktiven Impfung) können die Antikörper das Virus neutralisieren und seine Ausbreitung im Körper verhindern. Da die Spanne zwischen dem Kontakt mit
dem Virus und seiner Ausbreitung im Organismus jedoch oft sehr kurz ist, beschränkt sich die passive Immunisierung auf einen Zeitraum kurz vor oder nach der Exposition mit dem Erreger (meist innerhalb vier Tage). Sie bleibt daher Fällen vorbehalten, bei denen der Kontakt mit dem potenziellen Erreger gut dokumentiert, und die Art der Infektion bekannt ist sowie ein entsprechendes Immunglobulin-Präparat zur Verfügung steht. Der Schutz durch die Antikörperpräparate hält nur wenige Wochen an, da die Immunglobuline im Körper schnell abgebaut werden. Daher weicht man immer mehr auf die post-expositionelle Gabe von aktiven Impfstoffen aus, zum Beispiel im Rahmen einer Riegelimpfung. In der Tiermedizin wendet man die passive Immunisierung gelegentlich bei Jungtieren an, die in einem Bestand mit hohem Infektionsdruck geboren werden. Diese Vorgehensweise wird beispielsweise in Hundezuchten angewandt, wenn Infektionen mit dem caninen Parvovirus auftreten (䉴 Abschnitt 20.1.6). Ihr Wert ist jedoch umstritten, da durch die verabreichten Immunglobuline die vorteilhaftere aktive Immunisierung behindert wird. Die aktive Impfung erzeugt dagegen einen lang andauernden Schutz vor der Infektion. Dabei wird im Organismus eine schützende Immunantwort induziert. Im Idealfall besteht sie aus einer Kombination von neutralisierenden Antikörpern und cytotoxischen T-Zellen (䉴 Kapitel 7). Die aktive Immunisierung kann auf zweierlei Weise erfolgen: mit Lebend- und mit Totimpfstoffen. Die verschiedenen Methoden, die man heute zur Entwicklung von Impfstoffen einsetzt beziehungsweise einzusetzen versucht, sind schematisch in der Abbildung 10.1 dargestellt.
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10 Impfstoffe
10.1 Wie wirken Lebendimpfstoffe? Lebendimpfstoffe enthalten replikationsfähige Erreger, die sich in der geimpften Person vermehren können, also in der Lage sind, bestimmte Zellen zu infizieren und die Synthese von viralen Proteinen und Partikeln einzuleiten, allerdings ohne dabei das entsprechende Krankheitsbild auszulösen. Die so gebildeten Komponenten werden vom Immunsystem des Impflings als „fremd“ erkannt, was die Bildung von spezifischen neutralisierenden Antikörpern und von cytotoxischen T-Lymphocyten einleitet (䉴 Kapitel 7). Neutralisierende Antikörper sind überwiegend gegen virale Oberflächenstrukturen gerichtet; sie können sich an die Virusoberfläche binden, die Adsorption der Partikel an bestimmte Zelltypen und so die Infektion selbst verhindern. Die Immunkomplexe aus Antikörpern und Viruspartikeln aktivieren das Komplementsystem oder werden durch Makrophagen und neutrophile Granulocyten phagocytiert. Cytotoxische T-Zellen erkennen durch den T-Zell-Rezeptor auf ihrer Oberfläche infizierte Zellen, die virale „Fremd“Proteine synthetisieren und Peptidfragmente hiervon im Komplex mit MHC-Klasse-I-Antigenen präsentieren. Die Erkennung führt zur Abtötung der infizierten Zellen und so zur Eliminierung des Virus aus dem Organismus. Mit Lebendimpfstoffen lässt sich gegen eine Reihe von viralen Erregern ein sehr wirksamer Schutz aufbauen, da sie sowohl das humorale als auch das zelluläre Immunsystem wirksam aktivieren. Insgesamt stellen Lebendimpfstoffe somit die idealen Impfstoffkandidaten dar. Problematisch ist allerdings, dass bei ihrer Anwendung eine Kühlkette aufrecht erhalten werden muss; in Entwicklungsländern kann dies schwierig sein.
10.1.1 Attenuierte Viren Attenuierte Viren ähneln den krankheitserzeugenden Erregern in Bezug auf Aufbau, Proteinzusammensetzung und Infektionsverhalten. Sie unterscheiden sich von ihnen jedoch hinsichtlich der Virulenz sehr deutlich (䉴 Kapitel 4). Im Vergleich zum Wildtypvirus verursachen sie meist eine begrenzte oder abgeschwächte Infektion, die in aller Regel keine klinischen Symptome verursacht und durch die körpereigene Immunantwort leicht kontrolliert werden kann. Die Proteine, die in ihrem Verlauf gebildet werden, sind im Idealfall identisch mit denen der virulenten Virusstämme oder ähneln ihnen zumindest sehr stark. Dadurch, dass wäh-
rend der abgeschwächten Infektion in den Zellen virale Polypeptide synthetisiert werden und virale Partikel entstehen, wird die Bildung von neutralisierenden Antikörpern und cytotoxischen T-Zellen induziert. Die Immunantwort, die diese attenuierten Viren auslösen, ist daher geeignet, einen lang anhaltenden, kompetenten Schutz vor der Infektion mit dem jeweiligen pathogenen Erreger zu induzieren. Die molekulare Basis der Attenuierung sind Mutationen im Genom der Wildtypviren. Bei den verschiedenen Impfviren können davon verschiedene Gene betroffen sein. Oft weiß man nicht, warum durch sie eine Attenuierung des Wildtyps erfolgt. Eine Möglichkeit attenuierte Virusstämme zu erhalten, ist die kontinuierliche Züchtung und Passagierung in der Zellkultur. Hierdurch werden Virusvarianten selektiert, die an die Zellkulturbedingungen optimal angepasst sind. Dabei verlieren sie gelegentlich ihre Virulenz. Diese Methode erlaubte beispielsweise die Isolierung von abgeschwächten Polio-, Masern- und Gelbfieberviren, die beim Menschen keine der Wildtypinfektion ähnliche Erkrankung mehr verursachen (䉴 Tabelle 10.1 und Abschnitte 14.1, 14.5 und 15.3). Ein weiteres Beispiel hierfür ist der Impfstoff, der erfolgreich zum Schutz der Schweine gegen Infektionen durch die Viren der klassischen Schweinepest (ClassicalSwine-Fever-Virus; 䉴 Abschnitt 14.5) eingesetzt wurde. In diesem Fall wurde das virulente Virus durch kontinuierliche Passagierung in Kaninchenzellen attenuiert. In den Schweinen lösten die „lapinisierten“ Viren dann keine Erkrankungen mehr aus. Die Anwendung dieses ursprünglich sehr erfolgreichen Impfstoffes ist inzwischen verboten. Die Begründung hierfür liegt insbesondere im Handel. Zum einen konnte durch eine Blutuntersuchung eine Infektion durch das attenuierte Impfvirus nicht von einer Infektion mit dem klassischen Schweinepest-Virus unterschieden werden, zum anderen folgt einer Impfung ein Exportverbot für einen begrenzten, sich wirtschaftlich jedoch nachteilig auswirkenden Zeitraum. Stattdessen versucht man durch Keulung der Tierbestände, in welchen die klassische Schweinepest auftritt, die Infektketten zu unterbrechen und das Virus so aus den Populationen zu eliminieren beziehungsweise fernzuhalten (䉴 Kapitel 11 und Abschnitt 14.2). Auch bei Überschreitung der Speziesbarriere kann die Infektion gelegentlich einen abgeschwächten Charakter annehmen: So induzierten die Vacciniaviren, die man ursprünglich zur Ausbildung einer schützenden Immunantwort vor der Pockenvirusinfektion einsetzte, beim Menschen lokale Infektionen, die in sehr seltenen Fällen generalisiert oder tödlich verliefen. Wegen dieser Problematik wurde durch wiederholte Passagierung in embryonalen Hühnerzellen eine weitere Attenuierung des Vacciniavirus angestrebt. Tatsächlich resultierte dar-
10.1 Verschiedene Möglichkeiten der Entwicklung von Impfstoffen.
10.1 Wie wirken Lebendimpfstoffe?
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canine Parvoviren feline Parvoviren Hundestaupevirus canines Adenovirus Typ 2 feline Caliciviren felines Herpesvirus felines Coronavirus Virus der bovinen Virusdiarrhoe Virus der infektiösen Bronchitis der Vögel bovines respiratorisches Syncytialvirus bovines Parainfluenzavirus equine Herpesviren Typ 1 und 4 porcines Respiratory-andReproductive-SyndromeVirus Newcastle-Disease-Virus
Tier
Tollwutvirus (rekombinantes Vacciniavirus, Frankreich) felines Leukämievirus (rekombinantes Kanarienpockenvirus) equines Influenzavirus (rekombinantes Kanarienpockenvirus)
rekombinante Vacciniaviren (in Erprobung)
Tollwutvirus felines Leukämievirus canine Parvoviren feline Parvoviren canines Adenovirus Typ 1 felines Herpesvirus Virus der bovinen Virusdiarrhoe Virus der infektiösen Bronchitis der Vögel bovines respiratorisches Syncytialvirus equine Herpesviren Typ 1 und 4 equine Influenzaviren porcine Influenzaviren porcines Respiratory-andReproductive-Syndrome-Virus Maul-und-Klauenseuche-Viren (Notimpfung) felines Calicivirus canines Parainfluenzavirus porcines Parvovirus Bluetonguevirus, Typ 8
Poliovirus (Salk)** Influenzavirus Hepatitis-A-Virus FSME-Virus japanisches Encephalitisvirus Tollwutvirus
abgetötete Viren
Virus der klassischen Schweinepest (Notimpfung) felines Leukämievirus
Hepatitis-B-Virus humane Papillomaviren (HPV 6, 11, 16, 18) Influenzavirus humanes Immundefizienzvirus (in Erprobung)
in Erprobung
in Erprobung
Totimpfstoffe Proteinkomponenten Peptide
in Erprobung
in Erprobung (z. B. gegen HIV)
DNA
bovines Herpesvirus (attenuiertes Virus oder Totimpfstoff) porcines Herpesvirus
Markervakzinen
* Schluckimpfung, in Europa nicht mehr empfohlen; ** in Europa empfohlen; *** die Pockenschutzimpfung wurde auf Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 1979 weltweit eingestellt.
Poliovirus (Sabin)* Gelbfiebervirus Masernvirus Mumpsvirus Rotavirus Rötelnvirus Vacciniavirus*** Varicella-Zoster-Virus
Lebendimpfstoffe rekombinante Viren
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Mensch
attenuierte Viren
Tabelle 10.1 Wichtige Impfstoffe zur Verhinderung von Virusinfektionen
10 10 Impfstoffe
10.1 Wie wirken Lebendimpfstoffe?
aus das modifizierte Vaccinia-Virus-Ankara (MVA; 䉴 Abschnitt 19.6), welches weniger Nebenwirkungen aufweist und derzeit als Vektorsystem für die Expression von rekombinanten Impfstoffen erprobt wird, die beispielsweise bei HIV-Patienten im Rahmen therapeutischer Impfungen eingesetzt werden sollen. Impfungen mit attenuierten Viren verleihen meist einen sehr guten Impfschutz, der lange erhalten bleibt. Wiederholungsimpfungen in relativ langen Zeitabständen von bis zu zehn Jahren können so einen kontinuierlichen Schutz vermitteln. Attenuierte Viren bergen jedoch das Risiko, dass sie infolge ungenügender Kühlkette ihre Vermehrungsfähigkeit und somit Effizienz verlieren oder aber im Verlauf der abgeschwächten Infektion zur Wildtypform zurückmutieren können. Deswegen achtet man heute darauf, dass die Abschwächung auf möglichst mehreren voneinander unabhängigen Veränderungen beruht, was eine Rückmutation zum pathogenen Wildtyp weitgehend ausschließt. Abgeschwächte Impfviren dürfen jedoch nur bei immunologisch gesunden Impflingen eingesetzt werden. Bei immunsupprimierten Individuen können diese Virustypen unter Umständen lange persistieren und zu symptomatischen Infektionen führen. Da attenuierte Impfviren manchmal auch von den Impflingen auf Personen in ihrer unmittelbaren Umgebung übertragen werden können (beispielsweise bei der Polio-Schluckimpfung; 䉴 Abschnitt 14.1), gilt diese Einschränkung auch für derartige immunsupprimierte Personen im familiären Umfeld und in der Umgebung. Auch in der Schwangerschaft dürfen keine Lebendimpfstoffe eingesetzt werden. Ebenso ist zu betonen, dass eine Attenuierung nur für die betroffene Wirtsspezies definiert ist, in der sie getestet wurde. Eine Anwendung eines Lebendimpfstoffes in andere Spezies als derjenigen, in welcher die Evaluierung erfolgte, ist nicht möglich. Dies ist bei der Impfung von Zoo- und Wildtieren zu berücksichtigen, die kritiklose Verwendung von Lebendimpfstoffen ist dort so weit wie möglich zu vermeiden. Insbesondere verbietet sich die Anwendung von Lebendimpfstoffen dann, wenn in einer Population Infektionen mit den pathogenen Wildtypviren nicht oder nur sehr selten auftreten. Dies ist durch erfolgreich durchgeführte Impfprogramme beispielsweise für Variola- und – in Europa und Nordamerika – auch für Polioviren erreicht worden. In diesen Fällen sind die Risiken, die mit einer Lebendimpfung einhergehen, größer als diejenigen, mit dem Wildvirus infiziert zu werden und zu erkranken. Deswegen hat man im Fall der Pockenviren die Impfung eingestellt, zum Schutz vor der Kinderlähmung setzt man heute abgetötete Viren als Impfstoff ein (䉴 Abschnitte 14.1 und 19.6). Bei jeder aktiven Impfung ist mit einer Rate von bekannten
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harmlosen Nebenwirkungen zu rechnen. Echte Impfkomplikationen (wie Lähmungen oder die Auslösung von Autoimmunreaktionen) stellen dagegen sehr seltene Ereignisse dar, die bei Erwachsenen mit einer Häufigkeit von etwa eins zu einer Million Impfungen vorkommen. Deswegen besteht bei jeder Impfung eine entsprechende ärztliche Aufklärungs- und Dokumentations-Pflicht.
10.1.2 Rekombinante Viren Rekombinante Viren stellen eine heute viel diskutierte Variante von Lebendimpfungen dar. Man versucht, gut erforschte, wenig pathogene Viren (beispielsweise Adenoviren) und in der Vergangenheit bereits erfolgreich eingesetzte Impfviren (meist Vacciniaviren) mit gentechnologischen Methoden so zu verändern, dass sie außer für ihre eigenen zur Infektion und Replikation nötigen Genprodukte auch für Proteine anderer Virustypen codieren (䉴 Abschnitte 19.4 und 19.6). Diese für die Ausgangsviren unspezifischen Fremdgene werden nach der Inokulation im Verlauf der Infektion im Organismus zusammen mit den eigenen viralen Genen exprimiert. Dies induziert eine Immunantwort sowohl gegen die Vaccinia- oder Adenovirusproteine als auch gegen die „fremden“ Polypeptide. Diese rekombinanten, replikationsfähigen Viren bieten alle Vorteile einer Lebendimpfung (Antikörper- und zellvermittelte Immunantwort) und werden daher auch vermehrt bei therapeutischen Impfungen eingesetzt, also in den Fällen, bei denen bereits eine Infektion erfolgt ist. Durch die Impfung soll die Immunabwehr stimuliert und der Krankheitsverlauf günstig beeinflusst werden. Trotz seiner Größe können aber auch in das Vacciniavirusgenom nicht beliebig große DNA-Fragmente integriert werden. Daher muss man genau wissen, welche Proteine des Virus, gegen dessen Infektion ein Impfschutz erzeugt werden soll, für die Auslösung einer schützenden Immunantwort wichtig sind. Das hierfür codierende Gen wird dann so in das Genom des Vacciniavirus eingefügt, dass es unter der Kontrolle eines frühen vacciniavirusspezifischen Promotors steht. Ein solcher Impfstoff kann nicht die gesamte Breite einer Immunantwort erzeugen, die beim Ablauf einer Infektion mit dem Wildtypvirus oder seiner attenuierten Variante entsteht. Bei rekombinanten Impfviren beschränkt sich die immunologische Reaktion auf ein ausgewähltes Protein. Eine derartige Vakzine ist in Belgien und Frankreich zum Schutz der Füchse gegen die Wildtollwut flächenhaft eingesetzt worden. Das Genom dieses rekombinanten Vacciniavirus enthält die genetische Information für die Expression des G-Proteins der Toll-
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wutviren (䉴 Abschnitt 15.1). Mit diesen rekombinanten Viren werden synthetische Köder auf Fleischbasis präpariert und für die Füchse ausgelegt. Die Tiere zerbeißen bei der Aufnahme des Köders die virushaltige Plastikkapsel, infizieren sich beim Fressen mit den Impfviren und entwickeln einen Immunschutz vor der Infektion mit den Tollwutviren. Ein Impfstoff auf der Basis rekombinanter Vaccinia- oder Adenoviren ist bisher nicht zur Anwendung beim Menschen zugelassen, wird jedoch unter anderem zur Prävention oder Behandlung von Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus diskutiert bzw. experimentell erprobt.
10.2 Wie aktivieren Totimpfstoffe das Immunsystem und welche Typen sind in Gebrauch oder Erprobung? Totimpfstoffe können sich im geimpften Organismus definitionsgemäß nicht vermehren. Sie induzieren überwiegend Antikörperreaktionen. Die Ausbildung einer cytotoxischen T-Zellantwort ist aufgrund des Ausbleibens einer aktiven Proteinsynthese selten. Bei Verwendung von Totimpfstoffen sind zur Erhaltung des Immunschutzes eine Grundimmunisierung (zwei beziehungsweise drei Impfungen) und Wiederholungsimpfungen in relativ kurzen Abständen nötig. Diese Impfstoffe müssen zur Steigerung der Immunantwort zusammen mit einem Adjuvans appliziert werden, das die Einwanderung von Makrophagen, Monocyten, Bund T-Lymphocyten an den Ort der Inokulationsstelle fördert. Für die Anwendung beim Menschen sind Aluminiumhydroxid, Aluminium-Hydroxyphosphat-Sulfat in Kombination mit deacylierten MonophosphorylLipid-A-Komponenten (MPL) und bestimmte Toxoide (beispielsweise das Tetanustoxoid) als Adjuvanzien zugelassen. Die neuen, in Europa zugelassenen Impfstoffe gegen Influenza-A-Virusinfektionen enthalten MF50 oder AS03 als Adjuvanzien, beides Öl-/Wasseremulsionen mit Squalen und Polysorbaten als aktive Bestandteile. Bei Tieren sind auch andere Adjuvanzien in Gebrauch. Ein hier weit verbreitetes Adjuvans ist Quil-A, ein Saponin, das man auch bei der Herstellung von ISCOMs (immune stimulating complexes) verwendet. Allerdings scheinen in jüngster Zeit in Katzen vermehrt Fibrosarkome an der Impfstelle beobachtet zu werden. Ob dies durch das Adjuvans in den verwendeten
Vakzinen oder durch das Trauma der Injektion hervorgerufen wird, ist nicht endgültig geklärt. Bei experimentellen Immunisierungen wird in Tieren nur noch inkomplettes Freundsches Adjuvans eingesetzt.
10.2.1 Abgetötete Erreger Die einfachste Form eines Totimpfstoffes stellt eine Präparation von Wildtypviren dar, die durch Behandlung mit Chemikalien effizient getötet wurden. Meist erfolgt diese Inaktivierung mit aldehydischen oder alkoholischen Agenzien. Häufig wird auch β-Propiolacton verwendet. Die Proteinkomponenten dürfen dabei nicht so weit denaturiert werden, dass sie ihre native Konfiguration verlieren und den viralen Strukturen nicht mehr ähneln. Da auch die virale Nucleinsäure per se in vielen Fällen infektiös ist und zur Bildung von Nachkommenviren führen kann, müssen zur Zerstörung der Infektiosität Methoden eingesetzt werden, die zum Abbau der viralen Nucleinsäure führen. Auf abgetöteten Erregern basieren beispielsweise die heute gebräuchlichen Impfstoffe gegen Infektionen mit Influenza- oder Hepatitis-AViren (䉴 Tabelle 10.1)
10.2.2 Einsatz ausgewählter Proteine eines Erregers Relativ neu sind Impfstoffe, die ausschließlich auf einer ausgewählten Proteinkomponente des Erregers beruhen. Für die Entwicklung dieser Vakzinen ist ein detailliertes Wissen über die immunologisch wichtigen Komponenten eines Erregers eine grundlegende Voraussetzung. Ist bekannt, gegen welches der viralen Proteine (meist Oberflächenproteine) eine schützende Immunantwort induziert wird, kann das für dieses Polypeptid codierende Gen in einem eukaryotischen Expressionssystem synthetisiert, gereinigt und anschließend zusammen mit einem Adjuvans appliziert werden. Partikelbildende Proteine eignen sich besonders für die Induktion einer schützenden Immunantwort. Ein Beispiel hierfür ist das HBsAg, das Oberflächenprotein des Hepatitis-B-Virus, welches zu vesikulären Partikeln aggregiert, wenn man es in Hefe- oder anderen eukaryotischen Zellen exprimiert. Die HBsAg-Partikel können weitgehend unabhängig von Adjuvanzien die Bildung von Hepatitis-BVirus-neutralisierenden Antikörpern sowie sogar von cytotoxischen T-Zellen induzieren (䉴 Abschnitt 19.1). In ähnlicher Weise lagern sich auch die Capsidproteine L1 und L2 der Papillomaviren zu Partikeln zusammen,
10.3 Die Methoden der Reversed Genetics – eine Neuheit bei der Impfstoffentwicklung
die den infektiösen Viren gleichen. Die neu zugelassenen Impfstoffe gegen Infektionen mit oncogenen humanen Papillomaviren (gegen HPV 16 und 18) basieren auf derartigen virusähnlichen L1 Partikeln, die – ähnlich wie die bereits erwähnten HBsAg-Partikel – mittels gentechnischer Methoden in Hefezellen hergestellt werden (䉴 Abschnitt 19.3). Auch die partikelbildenden GagProteine des humanen Immundefizienzvirus scheinen gut für eine Impfung geeignet zu sein. Eine weitere Variante dieses Typs einer Subunit-Vakzine ist in der Tiermedizin schon seit vielen Jahren in Gebrauch. Dabei handelt es sich um einen Impfstoff gegen das feline Leukämievirus, ein Retrovirus (䉴 Abschnitt 18.1). Als immunologisch wichtige Komponente enthält er ausschließlich das äußere Glycoprotein (gp70) des Subtyp A dieses Virus, das in einer nicht glycosylierten Form (p45) gentechnisch in E. coli produziert und gereinigt wird.
10.2.3 Peptidimpfstoffe Impfstoffe, die aus synthetischen Peptiden mit einer Länge von 15 bis 30 Aminosäuren bestehen, stellen eine weitere Vakzineform dar, die sich heute in der Erprobung befindet. Hier werden einzelne Epitope viraler Proteine, welche die Bildung von neutralisierenden Antikörpern oder auch die Aktivierung von T-Zellen bewirken, ausgewählt und chemisch synthetisiert. Ein Vorteil ist, dass diese Impfstoffe frei von Nucleinsäuren sind und dass sie sich mit relativ geringem Aufwand in großen Mengen herstellen lassen. In Tierversuchen konnte man die schützende Wirkung von Peptidvakzinen sowohl vor Infektionen mit dem Maul-undKlauenseuche-Virus (䉴 Abschnitt 14.1) als auch mit dem caninen Parvovirus zeigen (䉴 Abschnitt 20.1). Voraussetzung für die Entwicklung eines derartigen Impfstoffs ist auch in diesem Fall ein fundiertes Detailwissen über die Proteinabschnitte, die eine virusneutralisierende Immunantwort hervorrufen können. Es scheint jedoch eher fraglich, dass ein einziges Epitop langfristig hierzu in der Lage ist, da die meisten Viren eine hohe genetische Variabilität aufweisen. Zudem besitzen einzelne Individuen auch unterschiedliche Fähigkeiten, bestimmte Proteinregionen immunologisch zu erkennen. Dies hängt mit dem individuellen HLA-Phänotyp eines jeden Menschen zusammen. In einem auf synthetischen Peptiden basierenden Impfstoff müssten also mehrere verschiedene Epitope miteinander kombiniert und mit einem geeigneten Adjuvans appliziert werden. Bislang ist noch kein Impfstoff zugelassen, der auf synthetischen Peptiden beruht.
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10.2.4 DNA-Impfstoffe Ein weiterer neuer Impfstofftyp wird als DNA verabreicht. Die Nucleinsäure enthält die Gene eines Virus, die eine schützende Immunantwort zu induzieren vermögen – also überwiegend solche Abschnitte, die für die Oberflächenkomponenten eines Erregers codieren. Sie werden zusammen mit Promotorelementen zur Kontrolle ihrer Expression in ein Vektorsystem integriert und als gereinigte DNA intramuskulär injiziert. Insbesondere in Muskelzellen ist die DNA über lange Zeiträume als Episom nachweisbar. Sie wird dort offensichtlich nur sehr langsam abgebaut. Wenn die entsprechenden Gene exprimiert werden, kann der Organismus sowohl eine humorale als anscheinend auch eine zelluläre Immunantwort entwickeln. Diese Form der Impfstoffe wurde bisher überwiegend im Tiersystem erprobt. In Tierversuchen hat man gegen eine Vielzahl unterschiedlicher tierpathogener Viren, beispielsweise gegen Paramyxo-, Herpes- und Parvoviren, eine schützende Wirkung dieser Impfstoffe nachweisen können. Allerdings waren große DNA-Mengen und zahlreiche Wiederholungsinjektionen notwendig. Ebenso wurde ein schnellerer Abbau der Nucleinsäure beobachtet. Die grundsätzliche Möglichkeit zur Integration der bei der Impfung applizierten DNA-Sequenzen in das Zellgenom und einer daraus folgenden Gefährdung des Impflings wirft jedoch zusätzlich bei der Diskussion der Ungefährlichkeit der DNA-Vakzinen Probleme auf.
10.3 Die Methoden der Reversed Genetics – eine Neuheit bei der Impfstoffentwicklung Viren mit RNA-Genomen stellen für die Entwicklung von Impfstoffen mit gentechnischen Methoden eine besondere Herausforderung dar. Da die Techniken zur gezielten Einführung von Mutationen und Expression von „Fremdgenen“ in prokaryotischen wie eukaryotischen Systemen auf DNA als Ausgangsnucleinsäure basieren, muss die Erbinformation der RNA-Viren zuerst in doppelsträngige DNA umgeschrieben werden. Erst dadurch wird sie gentechnologischen Manipulationen zugänglich. In diese DNA-Konstrukte können dann gezielt Veränderungen der Nucleinsäuresequenz eingeführt werden, beispielsweise um so attentuierte Impfviren herzustellen. In diesem Fall muss das in DNA über-
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10 Impfstoffe
führte Genom der RNA-Viren in einer Form vorliegen, welche in einem weiteren Schritt die Synthese von infektiösen Viren ermöglicht. Diesen Vorgang beschreibt die Methode der Reversed Genetics, mit ihr versucht man beispielsweise attenuierte Lebendimpfstoffe gegen das respiratorsiche Syncytialvirus sowie einige andere Paramyxoviren herzustellen (䉴 Abschnitt 15.3). Eine besondere Herausforderung stellen dabei aber Viren mit einem segmentierten RNA-Genom, wie die Influenzaviren dar. In diesem Fall muss die genetische Information aller RNA-Genomsegmente des Virus in DNA umgeschrieben und in geeignete eukaryotische Expressionsvektoren integriert werden. Nach der kombinierten Synthese aller Virusproteine und der Produktion neuer Genomsegmente können dann rekombinante Viren produziert und in geeigneten Kultursystemen gezüchtet werden. Durch gezielte Mutagenese ist nun eine Abschwächung des Virus möglich. Dies soll in Zukunft eine schnellere Anpassung der Impfstämme an neue Influenzaviren ermöglichen (䉴 Abschnitt 16.3). In diesem Fall versucht man zudem, durch universelle Impfstoffe beziehungsweise mittels vorgefertigter Bibliotheken rasch neue Impfstoffe zu entwickeln, um so neue Subtypen der Influenzaviren abzudecken, bevor diese sich pandemisch ausbreiten können.
10.4 Markerimpfstoffe Von großer Bedeutung in der Tiermedizin sind Markervakzinen. Sie ermöglichen die Unterscheidung der geimpften von den mit Feldviren (Wildtypviren) infizierten Tieren durch den Einsatz einfacher serologischer Methoden (䉴 Kapitel 13). Diese Vakzinen bezeichnet man auch als DIVA-Impfstoffe (differentiating between infection and vaccination). Grundsätzlich unterscheidet man dabei Negativ- und Positivmarkervakzinen. Im ersten Fall fehlt den Impfviren ein Gen beziehungsweise Protein, sodass die geimpften Tiere gegen das entsprechende Protein keine immunologischen Reaktionen entwickeln. Die Unterscheidung der mit Feldviren infizierten Tiere erfolgt durch Bestimmung der spezifischen Antikörper, die gegen dieses Protein gerichtet sind. Voraussetzung für einen Erfolg dieser Vorgehensweise ist, dass das deletierte Protein keine während der Infektion
für das Virus wichtigen Funktionen besitzt und, dass bei einer Infektion mit den Feldviren ausreichend spezifische Antikörper dagegen gebildet werden. In der Tiermedizin setzt man derartige Negativmarkerimpfstoffe bei der Bekämpfung von zwei wirtschaftlich bedeutenden Herpesvirusinfektionen, nämlich der Aujeszkyschen Krankheit der Schweine und der infektiösen Rhinotracheitis (IBR) der Rinder ein (䉴 Tabelle 10.1 und Abschnitt 19.5). Unter Positivmarkervakzinen versteht man Impfviren, die sich durch einen für die Vakzine einzigartigen Marker (Nucleinsäuresequenzabschnitt) auszeichnen. Bei Impfdurchbrüchen, also in Fällen, bei denen sich trotz erfolgter Impfung eine Infektion etabliert, ermöglichen die Positivmarkerimpfstoffe die einfache Identifikation der Impfviren.
10.5 Weiterführende Literatur Ada, G. L. Strategies in Vaccine Design. Austin (R. G. Landes Company) 1994. Bankston, J. Jonas Salk and the Polio Vaccine. Bear (Mitchell Lane Publishers) 2001. Day, M. J.; Schoon, H.-A.; Magnol, J. P.; Saik, J.; Devauchelle, P.; Truyen, U.; Gruffydd-Jones, T. J.; Cozette, V.; Jas, D.; Poulet, H.; Pollmeier, M.; Thibault, J. C. A kinetic study of histopathological changes in the subcutis of cats injected with nonadjuvanted and adjuvanted multi-component vaccines. In: Vaccine 25 (2007). S. 4073–4084. Ellis, R. W. Vaccines: New Approaches to Immunological Problems. Boston, London, Oxford (Butterworth-Heinemann) 1992. Jilg, W. Schutzimpfungen. Kompendium zum aktiven und passiven Impfschutz. 3. Aufl. Landsberg (Ecomed-Verlag) 2007. Plotkin, S. A.; Mortimer, E. A. Vaccines. 4. Aufl. Philadelphia, London, Toronto (W. B. Saunders Company) 2003. Quast, U.; Thilo, W.; Fescharek, R. Impfreaktionen. Bewertung und Differentialdiagnose. 2. Aufl. Stuttgart (Hippokrates) 1997. Selbitz, H.-J.; Moos, M. Tierärztliche Impfpraxis. Stuttgart (Ferdinand Enke) 2007 Talwar, G. P.; Rao, K. V. S.; Chauhan, V. S. (Hrsg.) Recombinant and Synthetic Vaccines. Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo (Springer) 1994. Thomssen, R. Schutzimpfungen. München (C. H. Beck Verlag) 2001.
11 Epidemiologie Früher wurde der Begriff Epidemiologie für die Lehre von den großen, menschheitsbedrohenden Seuchen benutzt. Heute versteht man darunter die Wissenschaft von allen übertragbaren und nichtübertragbaren Krankheiten in einer Population, unabhängig davon, ob sie zeitlich oder räumlich gehäuft auftreten. Im Bereich der Mikrobiologie befasst sich die Epidemiologie mit Erkrankungen, die durch übertragbare Agenzien wie Bakterien, Viren oder auch Prionen verursacht werden, und zwar insbesondere mit deren Verbreitung und den Infektionsfolgen. Epidemiologische Untersuchungen besitzen somit eine große Bedeutung für die Gesundheit der Weltbevölkerung und sind die Grundlage für allgemein- und seuchenhygienische Maßnahmen wie Quarantäne oder Impfungen zur Verhinderung oder Eindämmung von Pandemien und Epidemien. Sie ermöglichen außerdem die Entwicklung von Richtlinien und Vorschriften für Impfungen und andere Maßnahmen zur Verhütung von Infektionen. Die Exoepidemiologie beschränkt sich auf die Untersuchung der Verbreitung der Erreger nach ihrer Freisetzung aus dem Organismus. Hierzu gehört ihr Überleben in der Umwelt, ihr Verbleib in bestimmten Reservoiren und die erneute Übertragung auf Menschen oder Tiere. Die Endoepidemiologie befasst sich dagegen mit der Art und Weise, wie sich die Erreger im Organismus ausbreiten, dort möglicherweise persistieren und sich dabei verändern. Die Epidemiologie registriert aber nicht nur die Häufigkeit von Infektionen, Krankheiten und Todesfällen. Man versucht durch sie auch Daten über Krankheitsbilder zu bekommen, bei denen die ätiologische Beziehung zu einem bestimmten Erreger nicht bekannt ist (disease in search of virus), und sie führt zur Identifizierung von Krankheiten, die durch ein bereits bekanntes Virus verursacht werden (virus in search of disease). Sie erweitert die Kenntnisse über die Ätiologie von Infektionskrankheiten, indem sie Epidemien oder Pandemien überwacht und den Verlauf von Infektionskrankheiten und ihre Folgen für eine Population abschätzt. Ergeben sich dabei Häufungen von bestimmten Symptomen, kann dies ein Hinweis auf neue Viren oder besonders virulente Stämme sein. Die Erhebung epide-
miologischer Daten umfasst auch den Einfluss von Lebensstandard, Sozialstruktur und menschlichen Verhaltensmustern, wie sexuelle Promiskuität oder Drogenmissbrauch, aber auch tiermedizinisch relevante Parameter wie Bestandsdichten, Tierverkehr, Tiermärkte, Tiershows, Saisonalität, Klima, Vektordichte, Decksaison und dergleichen auf die Übertragungshäufigkeit und den Infektionszeitpunkt. Auch die Wanderungen von Bevölkerungsteilen aufgrund von Vertreibung oder Landflucht und die damit verbundenen negativen sozialen Folgen, etwa mangelnde Hygiene und die nachlassende Effektivität von staatlichen Gesundheitsbehörden, können die Ausbreitung von Infektionskrankheiten begünstigen. Bereits in der Antike breiteten sich Erkrankungen wie Pest, Pocken, Influenza und Masern entlang der Karawanenstraßen und Handelswege aus. Aus der weltweiten Zunahme des Reiseverkehrs ergaben sich vermehrte Kontakte mit bisher unbekannten Erregern, die von infizierten Personen in eine – für diesen Erreger – naive Bevölkerung eines Landes importiert wurden. Während diese Prozesse noch vor wenigen Jahrzehnten lange dauerten, werden Viren heute innerhalb weniger Tage und Wochen weltweit verbreitet. Dies zeigte anschaulich die schnelle Ausbreitung der Infektionen mit den SARS-Coronaviren im Jahr 2003 von Südostasien nach Europa und Nordamerika (䉴 Abschnitt 14.8). Auch die Änderung von Produktionsverfahren in Industrie und Landwirtschaft, der Handel mit Gebrauchsgütern und Abfallstoffen sowie ökologische Eingriffe des Menschen bewirken neue Verteilungsmuster von Infektionen. Tierpathogene Viren, beispielsweise die Vogelinfluenzaviren, breiteten sich bis vor wenigen Jahren weltweit über die Vogelzüge und Tierwanderungen aus (䉴 Abschnitt 16.3). Heute werden die Erreger zusätzlich durch den internationalen Handel mit Nutztieren, der oft die Kontinentgrenzen überschreitet, schnell zu einem weltweiten Problem. Im Folgenden seien einige in der Epidemiologie gebräuchliche Grundbegriffe für bestimmte Parameter oder Infektionsformen kurz erläutert. Die Epidemie ist ein zeitlich und räumlich begrenztes Auftreten einer Infektionserkrankung in einer Population. Beispiele
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11 Epidemiologie
sind Röteln, Masern oder Windpocken. Dagegen ist eine Pandemie als weltweite, zeitlich begrenzte oder unbegrenzte Infektionshäufung definiert, wie man sie bei der Influenza oder der erworbenen Immundefizienz (AIDS) findet. Endemien sind sporadische, zeitlich und räumlich begrenzt oder unbegrenzt auftretende Infektionskrankheiten, die auch zwischen Epidemiephasen vorkommen können. Die Morbidität beschreibt die Zahl der Erkrankten gemessen an der Größe der Population, die Mortalität die der Verstorbenen, die bei einer bestimmten Infektion in einer Population auftreten; beide werden meist auf eine Individuenzahl von 104 oder 105 Personen oder Tiere bezogen. Die Letalität bezieht dagegen die Zahl der Todesfälle auf die Gesamtzahl aller von einer bestimmten Infektionskrankheit betroffenen Personen. Mit Übersterblichkeit bezeichnet man zeitlich begrenzte Häufungen von Todesfällen als
Folge einer Infektion wie beispielsweise bei der Grippe oder bei AIDS, die über das langjährige Mittel der Sterblichkeit hinausgehen. Die Herdenimmunität definiert den immunologischen Schutz, der in der Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüber einem Virus (Masern-, Röteln-, Influenzavirus) vorliegt – unabhängig davon, ob er durch Infektionen mit dem fraglichen Erreger oder durch Impfungen hervorgerufen ist. Die Herdenimmunität einer Population ist bei verschiedenen Viren unterschiedlich hoch. Sie hängt von den Übertragungsmechanismen, den Umweltbedingungen wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit und von der Bevölkerungsdichte einschließlich der Impfdisziplin ab. Zur Erlangung effektiver Herdenimmunitäten wird meist eine Impfrate von über 90 Prozent der Bevölkerung als notwendig erachtet (z. B. Masern, Mumps und Röteln).
11.1 Welche Übertragungswege existieren für virale Infektionen?
hungsweise den Urin ausgeschieden und bei mangelnder Hygiene durch Kontaminationen mit diesem Material übertragen. Über Schuhsohlen, die mit Viren aus Hundekot kontaminiert waren, ist das canine Parvovirus sehr effizient weltweit verbreitet worden. In Regionen mit einem niedrigen Hygienestandard werden die Abwässer ungeklärt in Flüsse und Meere eingeleitet. Diese Praxis kann ebenso wie die in einigen Ländern weit verbreitete Pflanzendüngung mit menschlichen Fäkalien zur Verunreinigung von Lebensmitteln beispielsweise durch Polio-, Entero-, Hepatitis-A-Viren (䉴 Abschnitt 14.1) sowie Caliciviren (䉴 Abschnitt 14.2) führen – eine wichtige Ursache von Epidemien. So gedeihen Miesmuscheln besonders gut in derart verschmutzten Gewässern und reichern dabei gleichzeitig Hepatitis-AViren an. Hanta- und Arenaviren (䉴 Abschnitte 16.1 und 16.2) werden mit den Exkrementen infizierter Nagetiere ausgeschieden und gelangen in die Erde. Bei Kontakt mit auf solchem Weg kontaminiertem Erdstaub besteht die Gefahr einer Infektion mit den entsprechenden Erregern. Ebenso können Organtransplantationen zur Übertragung von Arenaviren vor allem aber von Herpesviren (Epstein-Barr- oder Cytomegalovirus, 䉴 Abschnitt 19.5) führen. Im ungünstigsten Fall können über Transplantationen alle diejenigen Viren übertragen werden, die eine mehr oder weniger ausgeprägte virämische Phase aufweisen oder sich zur Zeit der Organentnahme im jeweiligen Transplantat befinden: Tatsächlich wurden auf diese Weise die lymphocytäre Choriomeningitis und auch die Tollwut weitergegeben (䉴 Ab-
Unter horizontaler Übertragung versteht man alle Arten der Infektion eines Organismus durch einen anderen, das heißt die Übertragung eines Erregers zwischen Wirten einer Generation. Hierzu zählt die homologe Weitergabe eines Virus von Mensch zu Mensch ebenso wie die heterologe von Tier zu Mensch (Zoonose) und umgekehrt. Durch horizontale Übertragung verbreiten sich die Erreger bei Epidemien, Pandemien oder Endemien in einer Bevölkerung. Sie kann direkt erfolgen, zum Beispiel durch virushaltige Aerosole oder Tröpfchen, wie sie beim Niesen oder Husten während Infektionserkrankungen der oberen Atemwege (etwa bei Infektionen mit Influenza-, Coxsackie-, Adeno- und Paramyxoviren; 䉴 Abschnitte 14.1, 15.3, 16.3 und 19.4) abgegeben werden, oder indirekt. Die indirekte Übertragung kennt man unter anderem von Rhinoviren (䉴 Abschnitt 14.1), die durch Tröpfcheninfektion, aber auch über kontaminierte Hände sowie Türklinken oder ähnliche, gemeinsam von infizierten und nichtinfizierten Personen benutzte Haushaltsgegenstände wie beispielsweise Handtücher übertragen werden. Schmutz- und Schmierinfektionen tragen vor allem zur Verbreitung von Viruserkrankungen des Magen-Darm-Traktes oder der Nieren bei. Hier wird der Erreger über den Stuhl bezie-
11.2 Wo überdauern humanpathogene Viren?
schnitte 15.1 und 16.1). Viele Viren sind im Speichel vorhanden und können durch Küsse oder Mund-zuMund-Fütterung an Kleinkinder übertragen werden. In anderen Fällen befinden sich die Viren in der Samenflüssigkeit oder den Cervikalsekreten und werden während des Sexualverkehrs weitergegeben. Dies gilt vor allem für die humanen Immundefizienzviren, die Papillomaviren und einige Herpesviren (䉴 Abschnitte 18.1, 19.3 und 19.5). Viren, die zu bestimmten Zeiten der Erkrankung im Blut vorhanden sind (Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren, humane Immundefizienzviren, Parvoviren, Cytomegaloviren), werden durch verschmiertes Blut, zum Beispiel während des Geburtsvorganges perinatal von der infizierten Mutter auf das neugeborene Kind, aber auch durch kontaminierte Blutprodukte oder -konserven weitergegeben (䉴 Abschnitte 14.5, 18.1, 19.1 und 20.1). Einige Virusarten werden durch Arthropoden (Zecken, Mücken) übertragen. Die Tiere nehmen durch den Stich oder Biss den Erreger zusammen mit dem Blut auf. Nach der Vermehrung in der Zecke oder dem Insekt kann das Virus bei erneuten Stichen oder Bissen in andere Organismen gelangen. Diese Form der heterologen Übertragung findet man beispielsweise bei den Gelbfieber- und Dengueviren, dem FSME-Virus, bei Togaviren und Orbiviren oder bei einigen der Bunyaviren (䉴 Abschnitte 14.5, 14.6, 16.2 und 17.2). Das Tollwutvirus gelangt dagegen durch den Biss von infizierten Wirbeltieren in die Wunde und somit in den Organismus (䉴 Abschnitt 15.1). Meist sind die Verbreitungsgebiete der durch Arthropoden übertragenen Viren mit denjenigen der Mücken und Zecken, die sie als Vektoren nutzen, identisch. Verschiebungen und Veränderungen der klimatischen Bedingungen wie sie durch die globale Erwärmung zu erwarten sind, können dazu führen, dass die Insekten und die mit ihnen verbundenen Viren neue Regionen erobern. Die Ausbreitung von Viren bei Menschen, die in engem Kontakt miteinander leben, bezeichnet man als nosokomiale Infektionen. Man beobachtet sie häufig in Altersheimen, Kindergärten oder Krankenhäusern. In diesen Lebensgemeinschaften breiten sich viele Erreger schnell aus. Der Begriff der iatrogenen Infektion bezieht sich vor allem auf die Verbreitung von Erregern durch ärztliche Eingriffe wie Organtransplantationen oder Blutübertragungen sowie durch unsachgemäß durchgeführte ärztliche Maßnahmen, etwa den Gebrauch von kontaminierten Geräten, Spritzen oder Kanülen. Eine iatrogene Übertragung wurde häufig bei Infektionen mit bovinen Leukoseviren beobachtet, bei der das Virus durch die Benutzung einer nicht ausreichend desinfizierten Kanüle von Tier zu Tier und von Bestand zu Bestand übertragen wurde.
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Die Weitergabe einer Infektion zwischen den Generationen (Mutter zu Fetus) bezeichnet man als vertikale Übertragung. Dies geschieht, wenn schwangere Frauen mit bestimmten Viren (Röteln- oder Cytomegaloviren; Parvovirus B19; 䉴 Abschnitte 14.6, 19.5 und 20.1) akut infiziert sind und die Erreger transplacentar auf den Feten übertragen werden. Ähnliches gilt, wenn das Virusgenom als integrierter Bestandteil der Erbinformation der Zelle, beispielsweise der Ei- oder Samenzelle, an die Folgegeneration weitergegeben wird. Diese vertikale Übertragung von den Eltern auf die Nachkommen kennt man vor allem von endogenen Retroviren (䉴 Abschnitt 18.1) oder den Pestiviren bei Rind und Schwein (䉴 Abschnitt 14.2).
11.2 Wo überdauern humanpathogene Viren? Der Verbleib von Viren in den Zeiten zwischen ihrem epidemischen Auftreten ist oft ungeklärt. Sporadische Fälle apparenter Infektionen treten immer wieder auf; vermutlich geben in solchen Fällen gesunde Personen mit asymptomatischen (inapparenten) Infektionsformen das Virus weiter. Einige Virusarten wie Parvo- und Rotaviren (䉴 Abschnitte 17.2 und 20.1), die Picornaviren (䉴 Abschnitt 14.1) und auch das Pockenvirus (䉴 Abschnitt 19.6) können längere Zeit in der Umwelt überdauern, bevor sie erneut ihre Wirte infizieren. Das Poliovirus wird auch heute noch gelegentlich aus Ländern, die nicht frei von Poliovirusinfektionen sind (zum Beispiel Indien und einige Länder Afrikas), eingeschleppt und vermehrt sich dann in seronegativen Personen, bis die entstehende Herdenimmunität oder gezielt durchgeführte Riegelimpfungen das Virus aus der entsprechenden Bevölkerungsgruppe erneut eliminieren. Andere Erreger wie das Rötelnvirus oder die meisten Paramyxoviren (䉴 Abschnitte 14.6 und 15.3) sind hingegen in der Umwelt instabil und befallen auch keine Tiere. Sie werden während des Infektionsverlaufs durch das Immunsystem völlig aus dem Organismus eliminiert. Über ihren Verbleib in den Perioden zwischen den sporadisch auftretenden Infektionen oder Epidemien ist kaum etwas bekannt. Das erstmalige Auftreten dieser Virusspezies muss mit der Urbanisation des Menschen verknüpft gewesen sein, denn aus kleinen, isoliert lebenden Menschengruppen würde ein solches Virus verschwinden – es muss sich also um phylogenetisch relativ junge Viren handeln, die nur in Gesellschaften mit einer relativ großer Bevölkerungsdichte ihre Infektketten aufrechterhalten konnten. Der Begriff emerging virus dis-
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11 Epidemiologie
eases umfasst Infektionserkrankungen, deren Erreger neu auf einen Wirt übergetreten sind (beispielsweise die SARS-Coronaviren; 䉴 Abschnitt 14.8) oder die nach langen Zeitspannen als re-emerging viruses erneut auftreten, wie dies bei einigen Hantaviren der Fall ist (䉴 Abschnitt 16.2). Ein ganz anderes Verhalten findet man dagegen bei den Vertretern der Herpesviren. Sie verbleiben nach der Infektion latent im Körper, und die lebenslange Latenz mit immer wiederkehrenden Ausscheidungsphasen ermöglicht die Weitergabe des Virus auch nach langen Intervallen (䉴 Abschnitte 18.1 und 19.5). Auch die HIVInfektion erscheint klinisch lange unbemerkt, obwohl hier immer infektiöse Viren im Blut vorhanden sind. Ähnliches gilt für Viren, die wie die Hepatitis-B-, Adeno- oder Papillomaviren persistierende Infektionsformen entwickeln und über längere Zeiten im Blut vorhanden sind beziehungsweise ausgeschieden oder von der Haut abgegeben werden (䉴 Abschnitte 19.1, 19.3 und 19.4). Man zählt sie deshalb zu den phylogenetisch alten, gut an den Menschen angepassten Viren, die sich auch in kleinen Bevölkerungsgruppen halten können. Die neuen, äußerst sensitiven Methoden zum Nachweis von viralen Nucleinsäuren zeigten aber, dass es neben diesen Formen der chronisch-persistierenden oder der latenten Infektionen mit wiederkehrender Rekurrenz oder Reaktivierung auch die Latenz der Virusgenome gibt, ohne dass dabei Reaktivierungen der viralen Erbinfomation verbunden mit der Synthese von Virusprodukten beobachtet werden. Diese DNA-Latenz in den Zellen unterschiedlicher Gewebe ist vor allem für das Parvovirus B19 beschrieben (䉴 Abschnitt 20.1). Manchmal befallen Viren bestimmte Tierspezies, die dann als „Reservoire“ für diese Erreger dienen. Von dort können sie bei bestimmten Anlässen oder auch versehentlich auf den Menschen weitergegeben werden. Influenzaviren infizieren viele verschiedene Vogelarten und werden über den Kot ausgeschieden. Sie können – genau wie die humanen Typen dieser Viren – auf Schweine übertragen werden. Bei Doppelinfektionen im Schwein können Genomsegmente beider Virustypen ausgetauscht werden. So entstehen neue Reassortanten der Influenzaviren, die gelegentlich auch für den Menschen pathogen sind und sich in der Bevölkerung pandemisch ausbreiten (䉴 Abschnitt 16.3). Ein aktuelles Beispiel dafür stellt die pandemische Influenza A (H1N1) 2009 dar, die sich als „Schweinegrippe“ innerhalb weniger Wochen weltweit ausbreitete. Andere Viren können größere Zeitspannen durch lange Inkubationszeiten überbrücken. Hierzu gehören beispielsweise die Tollwutviren, für die Füchse, Dachse und Fledermäuse das Reservoir darstellen. Die Infektion des Menschen ist in diesem Fall das Ende der Infektkette. Eine Weiterver-
breitung kann von hier aus in aller Regel nicht erfolgen (䉴 Abschnitt 15.1). Auch andere Viren können ihr natürliches Reservoir verlassen und auf den Menschen übertragen werden: verschiedene Tierpockenviren, das Hantavirus, das Ebolavirus, der Erreger des Lassafiebers oder Flaviviren einschließlich FSME (䉴 Abschnitte 14.5, 15.4, 16.1, 16.2 und 19.6). Sie gelangen durch Kontakt mit Tieren sowie durch Zeckenbisse oder Mückenstiche aus ihren natürlichen Wirten, den Nagetieren, Fledermäusen oder Affen, in den menschlichen Organismus.
11.3 Inwiefern sind die meisten Viren optimal an ihre Wirte angepasst? Die heute vorherrschenden Virusinfektionen sind Folgen evolutionärer Prozesse zwischen Wirt und Parasit, die sich in sehr langen Zeiträumen abspielten. Häufig findet man in verschiedenen Tierarten verwandte Virustypen zu den humanen Erregern. Man vermutet, dass sich diese im Laufe der Zeit an den Menschen angepasst haben, um dann ab einem bestimmten Zeitpunkt als humanpathogene Viren dauerhaft in der Bevölkerung aufzutreten. Handelt es sich dabei um für den Menschen hochpathogene Erreger, dann eliminieren sich diese durch die Zerstörung ihres Wirtes zugleich selbst aus der Population. Im Idealfall bildet sich daher ein Gleichgewicht zwischen dem Überleben eines Wirtes und einer mehr oder weniger schadensfreien Replikation des Virus. Beispiele für die optimale Anpassung an einen Wirt sind einige Arenaviren (䉴 Abschnitt 16.1), unter ihnen das Virus der lymphocytären Choriomeningitis und der Erreger des Lassafiebers. Beide sind in höchstem Grad an ihre Wirte, nämlich wild lebende Mäuse, angepasst. Die Viren werden während der Schwangerschaft auf die Nachkommen übertragen und erzeugen in ihnen eine Immuntoleranz. Diese Tiere werden zu gesunden Virusträgern, die lebenslang große Virusmengen ausscheiden. Infizieren sie jedoch Menschen, so führt dies oft zu schweren Erkrankungen. Gelegentlich treten neue Virusinfektionen des Menschen auf. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Kontakt zu seltenen oder zurückgezogen lebenden Tierarten aufgenommen wird, die dann an sie angepasste Erreger auf Menschen übertragen. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang auf die SARS-Epidemie des Jahres 2003 verwiesen. Die Tierspezies, die diesem für den Menschen sehr gefährlichen Virus als natürlicher Wirt dient, sind Fledermäuse, die als Folge von Abholzungen der Tropenwälder neue Regionen und Lebensräume besiedelten (䉴 Abschnitt
11.4 Welcher Methoden bedient sich die Epidemiologie bei der Untersuchung von Viruskrankheiten?
14.8). Weitere Beispiele wären die Nipah- und HendraInfektionen des Menschen, die ebenfalls von Fledermäusen übertragen weren (䉴 Abschnitt 15.3). Auch die Poliomyelitis war unter Lebensbedingungen mit einem niedrigen Hygeniestandard eine relativ gut an den Menschen angepasste Virusinfektion: Die Übertragung erfolgte hier meist bereits während der ersten sechs Lebensmonate. Zu diesem Zeitpunkt liegen im Kleinkind noch schützende, mütterliche IgG-Antikörper vor. Nur bei Infektion im späteren Lebensalter findet man Krankheitsfolgen und gelegentlich auch Lähmungserscheinungen (䉴 Abschnitt 14.1).
11.4 Welcher Methoden bedient sich die Epidemiologie bei der Untersuchung von Viruskrankheiten? Zu den epidemiologischen Methoden, die besonders bei Viruserkrankungen zum Einsatz kommen, zählt die Erhebung von Daten über das Auftreten von bestimmten Krankheitshäufungen. Diese Anamnese bildet die Grundlage aller Studien. Der Nachweis spezifischer Antikörper, viraler Proteine oder des Genoms in Blutoder Gewebeproben ermöglicht die Diagnose von akuten oder abgelaufenen Viruskrankheiten (䉴 Kapitel 13).
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Der Nachweis der ätiologischen Rolle eines Virus ist häufig nicht mehr durch die Erfüllung der Henle-Kochschen Postulate vorzunehmen. Diese fordern, dass der Erreger beim Kranken immer nachweisbar, von diesem isolierbar und in Reinkultur züchtbar ist und nach Inokulation in einen empfänglichen Wirt die Krankheit erzeugen kann (䉴 Kapitel 1). Nach diesen Kriterien können viele Viren nicht als Erreger der von ihnen verursachten Infektionskrankheiten charakterisiert werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Viren nicht in Zellkultur vermehrbar sind. Es ist daher sinnvoll, diese Definitionen zu erweitern. Hilfreich sind dabei die EvansPostulate. Sie bewerten die Assoziation eines Erregers zu einem Krankheitsbild auch unter Zuhilfenahme indirekter Kriterien. Wesentliche Punkte der Evanschen Postulate sind in 䉴 Tabelle 11.1 zusammengefasst. Die Nucleinsäuresequenzierung und die Bestimmung des Restriktionsenzymschnittmusters der DNA erlauben es, die bei einer Epidemie oder Pandemie vorkommenden Virusstämme oder Varianten zu vergleichen. Sie ermöglichen eine Feinepidemiologie (Molekulare Epidemiologie), mit der sich bestimmte Personen, Tiere oder Bestände als Infektionsquelle identifizieren lassen. So können außerdem molekulare Stammbäume aufgestellt werden, die einen Rückschluss auf die Herkunft des Erregers zulassen. Ein weiteres Gebiet der modernen Epidemiologie ist das sogenannte Modeling, das heißt die theoretische Konstruktion des Verlaufs einer Virusinfektion in der Population. Hier kann durch die Variation einzelner
Tabelle 11.1 Evans-Postulate • Der Anteil der erkrankten Individuen muss in einer exponierten Region größer sein als in einer nicht exponierten. • Erkrankte Individuen sollten dem Erreger häufiger exponiert gewesen sein als nicht erkrankte. • In prospektiven Studien muss die Zahl der Neuausbrüche in exponierten Populationen signifikant höher sein als in nicht exponierten Populationen. • In einer Region mit Exposition des Erregers sollten die Inkubationszeiten einer Normalverteilung folgen. • Alle exponierten Individuen sollten mit einer Immunantwort reagieren, die eine biologische Varianz aufweisen kann. • Einer Exposition sollte regelmäßig eine messbare Immunantwort folgen, entweder als neue Antwort in vorher negativen Individuen oder in Form einer Erhöhung der bestehenden Parameter. • Die experimentelle Reproduktion der Krankheit soll mit einer größeren Häufigkeit in solchen Tieren gelingen, die entsprechend der vermeintlich natürlichen Route infiziert wurden. • Die Eliminierung des Erregers sollte zu einer signifikanten Reduktion der Wirtsantwort führen. • Ebenso sollte eine Impfung zu einer Verringerung des Auftretens der Krankheit in der Population führen. • Das Gesamtbild der Postulate muss sowohl aus biologischer als auch aus epidemiologischer Sicht plausibel sein.
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Parameter der größtmögliche anzunehmende Unfall (worst case scenario) abgeschätzt werden. Dies ist für vielerlei Fragestellungen eine wichtige Größe.
11.5 Weiterführende Literatur Behbehani, A. M. The Smallpox Story in Words and Pictures. Kansas City (Kansas University Press) 1988. Cheng, V. C.; Lau, S. K.; Woo, P. C.; Yuen, K. Y. Severe acute respiratory syndrome coronavirus as an agent of emerging and reemerging infection. In: Clin. Microbiol. Rev. 20 (2007) S. 660–94. Childs, J. E.; Richt, J. A.; Mackenzie, J. S. Introduction: conceptualizing and partitioning the emergence process of zoonotic viruses from wildlife to humans. In: Curr. Top. Microbiol. Immunol. 315 (2007) S. 1–31. Cleaveland, S.; Haydon, D. T.; Taylor, L. Overviews of pathogen emergence: which pathogens emerge, when and why? In: Curr. Top. Microbiol. Immunol. 315 (2007) S. 85–111. Culliton, B. J. Emerging Viruses, Emerging Threat. In: Science 247 (1990) S. 279–280.
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12 Die Evolution der Viren Viren sind aufgrund ihrer kurzen Generationszeit, der großen Zahl von Nachkommen, die sie im Infektionsverlauf produzieren, und nicht zuletzt aufgrund ihrer einfachen Struktur ideale Objekte zum Studium von Evolutionsprozessen. Viren müssen sich ständig den Bedingungen ihres Wirtes oder ihrer Wirtspopulationen anpassen, sodass Mechanismen der Selektion experimentellen Ansätzen zugänglich sind. Dabei spielen unterschiedliche Kriterien, wie die antigene Diversität, das Ausmaß der Virusausscheidung, der Grad der Virulenz und viele andere Faktoren eine wichtige Rolle. Die vollständige Adaptation eines Virus an seinen Wirt, welche in eine möglichst geringe Virulenz des Infektionserregers mündet, ist die für beide erstrebenswerte Konsequenz: ein problemloses Zusammen- und Überleben. So
12.1 Wie führen Mutationen zur Entstehung neuer Viren? Die Vertreter der verschiedenen Virusfamilien sind hinsichtlich ihres Replikationsmodus sehr unterschiedlich. Folglich ist die Evolution aller Viren in keiner Weise miteinander vergleichbar. RNA-Viren sind bei der Replikation ihres Genoms auf die Verwendung von viralen RNA-abhängigen RNA-Polymerasen angewiesen, denen die Proofreading-Aktivität fehlt. Diese 3’-5’ Exonuclease ist mit den DNA-Polymerasen der Zelle assoziiert und überprüft bei der Synthese der neu gebildeten DNAStränge die Anlagerung der korrekten Basen an den 3’Enden komplementär zu den Elternsträngen. Durch diese Aktivität wird die hohe Genauigkeit der DNAReplikation in der Zelle gewährleistet, die bei einer Rate von einer falsch eingebauten, nichtkomplementären Base pro 109 Nucleotiden liegt. Bei den meisten RNAViren findet man deshalb mit einer Wahrscheinlichkeit
scheinen die Hepatitis-G-Viren, die zwar erstmals aus Patienten mit einer Leberentzündung isoliert wurden, ähnlich wie die TT-Viren in vielen Menschen zu persistieren, ohne dass sie dabei Erkrankungen verursachen (䉴 Abschnitte 14.5 und 20.2). Auch Spumaviren findet man in vielen Tierarten und dem Menschen, ohne dass man damit symptomatische Infektionsverläufe verbinden konnte (䉴 Abschnitt 18.1). Für viele Viren ist dabei die maximale Ausschöpfung der genetischen Variablität nicht immer sinnvoll. Sie kommen hier an eine Grenze, an der eine noch höhere Varianz nicht mehr vorteilhaft ist: Der Anteil an nichtinfektiösen Virusvarianten unter den Nachkommen wird zu hoch, womit die potenziell mögliche Fehlergrenze erreicht ist.
von 10–3 bis 10–4 deutlich mehr falsch eingebaute Nucleotide. Geht man also von einem Virus mit einem intakten Genom mit einer Länge von etwa 10 000 Basen aus, dann unterscheiden sich die Genome der Nachkommenviren in einem bis zehn Nucleotiden von der Erbinformation des Elternvirus. Tatsächlich hat man es also nicht mit einem Virus, sondern streng genommen mit einer Population sehr nahe verwandter Viren zu tun – einem Phänomen, das man mit dem Begriff der Quasispezies-Bildung bezeichnet. Dies kennt man vor allem beim Hepatitis-C- und dem humanen Immundefizienzvirus (䉴 Abschnitte 14.5 und 18.1). Gleiches gilt grundsätzlich auch für DNA-Viren, nur ist hier dieses Phänomen erheblich weniger ausgeprägt, da die Mutationsrate um wenigstens den Faktor 100 kleiner ist. Die Polyoma-, Papilloma- und auch die Parvoviren (䉴 Abschnitte 19.2, 19.3 und 20.1) greifen bei der Replikation ihrer Erbinformation auf zelluläre DNA-Polymerasen zurück und sind folglich genetisch deutlich stabiler als die RNA-Viren. Die komplexen DNA-Viren wie die Herpesviren und die Pockenviren
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12 Die Evolution der Viren
(䉴 Abschnitte 19.5 und 19.6) verfügen hingegen über eigene DNA-Polymerasen, die aber viruseigene Systeme zum Proofreading, also zur Korrektur von falsch eingebauten Nucleotiden, besitzen. Die Bildung von Quasispezies spielt bei diesen Viren daher keine Rolle. Neben der Selektion einzelner Virusvarianten aufgrund von Mutationen, die ihnen in der Population der Nachkommen einen Selektionsvorteil verschaffen, kommt es zuweilen auch zur gleichzeitigen Selektion voneinander unabhängiger Veränderungen, die für die entstehenden Viren per se nicht vorteilhaft sind, sondern zufällig als hitchhiking mutations zusammen mit anderen vorteilhaften Mutationen auftreten. Besonders komplex ist diese Situation bei Viren, deren Gene durch miteinander überlappende Leserahmen codiert sind, wie es beim Hepatitis-B-Virus der Fall ist (䉴 Abschnitt 19.1). Zu den greifbaren Folgen dieser Evolutionsvorgänge gehören neu entstehende Viren. Sind mit den Mutationen Veränderungen der pathogenen Eigenschaften verbunden, dann können sie entscheidende Auswirkungen auf den Infektionsablauf in ihren Wirten und deren Überleben haben. Die Entstehung „erfolgreicher“ neuer Viren basiert auf zwei voneinander unabhängigen Mechanismen beziehungsweise der Kombinationen von ihnen: 1. der genetischen Veränderung (Mutation) eines Virus und ihrer Selektion; 2. der Änderung der sozialen Strukturen und/oder Lebens- und Umweltbedingungen in der Wirtspopulation. Die genetischen Veränderungen der viralen Erbinformation können sich auf verschiedenen Wegen manifestieren: Die Folge von Mutationen in den Genen, die für virale Oberflächenproteine codieren und daher dem Selektionsdruck des Immunsystems ausgesetzt sind, wird antigenic drift genannt. Dieser Drift ist insbesondere bei RNA-Viren, beispielsweise bei den Calici-, Orthomyxo- und Retroviren ausgeprägt, mit der Bildung von Quasispezies verbunden und von erheblicher pathogenetischer Bedeutung (䉴 Abschnitte 14.2, 16.3 und 18.1). Ähnlich wie das Immunsystem auf Virusoberflächenproteine kann aber auch die antivirale Chemotherapie einen Selektionsdruck, beispielsweise auf Mutationen in den Polymerasegenen, ausüben und zur Bildung von Therapie-resistenten Virusvarianten führen (䉴 Abschnitt 9.2). Daneben findet man aber auch immer die Entstehung von neuen Viren, die unabhängig vom Selektionsdruck des Immunsystems oder der antiviralen Chemotherapie erfolgt: Ein diesbezüglich gut untersuchtes Beispiel stellt das canine Parvovirus dar, das aufgrund einiger weniger Nucleinsäureveränderungen aus dem
Erreger der Katzenseuche entstanden ist (䉴 Abschnitt 20.1.6). Das canine Parvovirus trat 1978 erstmals in den Hundepopulationen Europas auf und wurde in wenigen Monaten im Rahmen einer Pandemie (䉴 Kapitel 11) auf alle Kontinente verbreitet. Diese Pandemie ging mit einer hohen Mortalität einher, sodass Millionen von Hunden an der durch das Virus verursachten hämorrhagischen Gastroenteritis verstarben. Heute weiß man, dass für die Entstehung des caninen Parvovirus Mutationen im Genom des lange bekannten felinen Panleukopenievirus verantwortlich sind. Drei Aminosäureaustausche im Capsidprotein des Katzenseuchevirus waren für die Entstehung des caninen Virus mit dem veränderten Wirtstropismus ausreichend. Diese Mutationen änderten die Rezeptorbindungsstelle des Virus und erlaubten dem neuen Virus, sich an Hundezellen zu binden. Stammbaumanalysen verschiedener Virusgenome geben Hinweise, dass das canine Parvovirus nicht direkt aus dem Katzenseuchevirus entstanden ist, sondern dass dieses möglicherweise über die Infektion von Wildcarnivoren, insbesondere von europäischen Rotfüchsen, aus dem felinen Panleukopenievirus hervorgegangen ist. Auch hat man gute Hinweise dafür, dass die große Vielfalt von Viren, die man heute in der Familie der Picornaviren findet (䉴 Abschnitt 14.1), alle aus einem gemeinsamen Vorläufervirus hervorgegangen sind und sich im Evolutionsverlauf durch Punktmutationen entwickelt haben. Wegen der hohen Fehlerrate der viralen RNA-abhängigen RNA-Polymerase, auf deren Aktivität diese RNA-Viren angewiesen sind, ereignen sich bei diesen Viren Fehler bei der Genomreplikation mit der oben beschriebenen Rate von 10–3 bis 10–4. Zusätzlich spielten jedoch auch Rekombinationsvorgänge bei der Entstehung dieser (䉴 Abschnitt 12.2) und vieler anderer Viren eine nicht zu unterschätzende Rolle.
12.2 Wie erhalten Viren neue Gene und Funktionen? Viren mit segmentierten Genomen, wie die Orthomyxo-, Bunya-, Arena-, Birna- oder Reoviren (䉴 Kapitel 16 und 17), können zusätzlich zu Mutationen tief greifende genetische Änderungen durchlaufen, die als genetic reassortment bekannt sind. Darunter versteht man den Austausch von einem oder mehreren Genomsegmenten zwischen zwei miteinander verwandten Viren, die gleichzeitig eine Zelle infiziert haben. Führt die genetische Neuverteilung zum Austausch der Genomsegmente, die für die viralen Membranproteine codieren, dann erhalten die neu entstehenden Viren ein neues
12.3 Welche Infektionserreger sind erst jüngst neu entstanden?
antigenes Muster; man spricht vom antigenic shift. Gut dokumentierte Beispiele hierfür sind die klassischen Pandemien, die im vergangenen Jahrhundert durch die Influenza-A-Viren ausgelöst wurden. Unter den Bezeichnungen Spanische, Asiatische und Hongkong-Grippe haben sie Millionen von Todesopfern gefordert und die Weltgeschichte entscheidend beeinflusst (䉴 Abschnitt 16.3). Die Pandemieviren stellten dabei meist genetische Reassortanten aus humanen und aviären Influenza-AVirus-Subtypen dar. Mit beiden Subtypen infizierte Schweine dienen bei der Entstehung der neuen Influenzaviren als eine Art „Mischgefäß“. Bei ihnen kann es zu produktiven Doppelinfektionen kommen, da sie nicht nur für porcine, sondern auch für aviäre und humane Influenzaviren empfänglich sind. Im Unterschied dazu können aviäre Influenza-A-Subtypen Menschen im Allgemeinen nur in Ausnahmefällen durch sehr engen Kontakt infizieren, so wie auch Geflügel nicht empfänglich für die humanen Virussubtypen ist. Diese Zusammenhänge geben den Influenza-A-Virus-Infektionen der Schweine eine besondere, potenziell zoonotische Bedeutung, da von ihnen ausgehend die Übertragung neuer Virusvarianten auf den Menschen erfolgen kann. Neben der bekannten Ausbildung von Reassortanten bei den Influenza-A-Viren ist dieser Vorgang auch bei den Reoviren bekannt. Das ubiquitäre Vorkommen von Rotaviren bei Kälbern und Ferkeln und die potenzielle Gefahr des Reassortierung mit humanen Stämmen lässt auch diese Infektionen in einem besonderen Licht erscheinen (䉴 Abschnitt 17.2). Jedoch können auch bei Viren mit einem nichtsegmentierten Genom ganze Genbereiche untereinander ausgetauscht werden. Diesen Mechanismus nennt man genetische Rekombination. Er wird durch die wechselnde Verwendung der Matrizenstränge während der Nucleinsäuresynthese ermöglicht – ein Vorgang, der ablaufen kann, wenn bestimmte Zellen eines Organismus von zwei verschiedenen, aber miteinander verwandten Virustypen infiziert sind. Die genetische Rekombination ist bei einer Vielzahl von Viren beschrieben und insbesondere bei verschiedenen RNA-Viren dokumentiert. Ein klassisches Beispiel stellen die Togaviren aus der Gruppe der equinen Encephalitisviren der Neuen Welt dar (䉴 Abschnitt 14.6). Das Western-Equine-Encephalitis-Virus (WEE), das eine akute Encephalitis bei Pferden und Menschen verursacht, ist durch genetische Rekombination aus dem Eastern-Equine-EncephalitisVirus (EEE) und einem zum Sindbisvirus ähnlichen Isolat entstanden. Das Sindbisvirus (SIN) selbst ist heute nur noch in der Alten Welt nachweisbar, ein ähnliches Virus muss aber ursprünglich zusammen mit dem Eastern-Equine-Encephalitis-Virus auf dem amerikani-
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schen Kontinent coexistiert haben, bevor es dort von dem neu entstandenen Typ des Western-EquineEncephalitis-Virus verdrängt wurde. Genetische Rekombination ist aber nicht nur zwischen zwei miteinander verwandten Viren möglich, sondern auch zwischen viraler und zellulärer Nucleinsäure – ein Vorgang, der oft große pathogenetische Bedeutung hat. Gut untersuchte Beispiele sind die onkogenen Retroviren, die ein zelluläres Onkogen in ihre Erbinformation aufgenommen haben und in der Lage sind, in ihren Wirten Tumoren zu erzeugen (䉴 Kapitel 18). Beispielhaft seien hier das Rous-Sarkomvirus der Hühner und das feline Sarkomvirus der Katze genannt. Nicht nur zelluläre Onkogene werden in die Viruserbinformation aufgenommen, genetische Rekombinationen sind auch mit anderen zellulären Genen beschrieben. So hat ein Flavivirus, das bovine Virusdiarrhoevirus des Rindes, im Evolutionsverlauf durch Rekombination mit zellulärer mRNA die Information für die Synthese von Ubiquitin in sein RNA-Genom integriert, und zwar in dem Bereich, der für die viralen Nichtstrukturproteine codiert. Dadurch wird im Polyprotein eine neue Schnittstelle geschaffen, die von der Ubiquitinhydrolase der Zelle erkannt wird. Dieser Vorgang ist mit einer Änderung des Phänotyps verbunden: Aus einem ursprünglich nicht cytopathogenen Ausgangsvirus entsteht ein Erreger mit großer Virulenz, der in dem chronisch infizierten Rind eine tödlich verlaufende Erkrankung verursacht, die man als Mucosal Disease bezeichnet (䉴 Abschnitt 14.5).
12.3 Welche Infektionserreger sind erst jüngst neu entstanden? Die Entstehung der humanen Immundefizienzviren HIV-1 und HIV-2 lassen sich heute durch wiederholten Wechsel der Wirte – verschiedenen Affenarten in Westafrika – und ihre Übertragung auf den Menschen erklären. Die Affen in Afrika sind mit verschiedenen speziesspezifischen Varianten der Simian-Immunodeficiency-Viren (SIV) infiziert, erkranken durch sie jedoch nicht. HIV-1 entstand vermutlich aus einem Schimpansenvirus (SIVcpz), das auf Menschen übertragen wurde (䉴 Abschnitt 18.1.5). HIV-2 entwickelte sich dagegen aus einem in Mangaben vorkommenden SIV-Typ (SIVsm), der mehrmals von den Affen auf Menschen übertragen wurde. Während einer Adaptionsphase im neuen Wirt, dem Menschen, kam es dann zur Steigerung
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12 Die Evolution der Viren
der Virulenz und zur Selektion von Virusvarianten, die sich effektiv von Mensch zu Mensch verbreiten konnten. Den pandemieähnlichen Charakter konnte die HIVInfektion aber erst durch veränderte Lebensbedingungen und soziale Umbrüche in Afrika entwickeln: Handel, Urbanisation und weltweiter Tourismus sind in diesem Zusammenhang anzuführen. Seit seiner Entstehung sind durch Mutationen verschiedene HIV-1 Subtypen beschrieben worden, die geographisch unterschiedlich verbreitet sind. Diese Prozesse werden zusätzlich beeinflusst durch genetische Rekombinationen zwischen verschiedenen Subtypen. Epidemiologisch wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich die in Europa verbreiteten humanen Immundefizienzviren (HIV-1B) von denen in Afrika (HIV-1A, -1C) in der Effizienz ihrer Übertragbarkeit unterscheiden: So infiziert HIV-1B sehr spezifisch und erfolgreich Zellen in der Darmschleimhaut, was als eine Folge der Selektion der Übertragung durch homosexuelle Sexualpraktiken angesehen wird. Das Chikungunyavirus, ein durch Mücken übertragenes Togavirus, ist als Verursacher einer hoch fieberhaften Erkrankung bei Menschen in den tropischen Ländern im Südosten Afrikas und des indischen Subkontinents bekannt (䉴 Abschnitt 14.6). 2007 beobachtete man erstmals Chikungunyavirus-Infektionen in Norditalien, weil die Tigermücke inzwischen auch in Südeuropa heimisch geworden ist und das Virus – über infizierte Mücken oder Patienten – den Weg nach Europa fand. Adaptiert sich dieser Erreger während der kommenden Jahre durch Mutation an andere in Europa heimische Mückenarten, dann wird sich diese tropische Infektionserkrankung möglicherweise auch in Mitteleuropa verbreiten. Ein anderes Virus, welches fieberhafte und meningitische Erkrankungen verursacht, das sich infolge der globalen Erwärmung ebenfalls von Südeuropa nach Norden ausbreiten könnte, ist das durch Phlebotomen (Sandmücken) übertragende Toskana-Virus (䉴 Abschnitt 16.2). Im Jahre 2006 wurde erstmals das Bluetonguevirus, in diesem Fall der Serotyp 8 dieses Virus, in Deutschland beschrieben (䉴 Abschnitt 17.2). Ausgehend von einem ersten Ausbruch in Belgien breitete sich dieses für Wiederkäuer (Rind, Schaf, Ziege, Hirsch) pathogene Virus durch infizierte Culicoides (Gnitzen) rasant aus. Ende 2007 waren flächendeckend die Beneluxländer und Deutschland betroffen. Daneben gab es Ausbrüche in Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Wie das Virus eingeschleppt wurde, ist unbekannt. Ebenso ist die Rolle des Global Warming für die Entwicklung des Virus in dem Arthropodenwirt unklar. Das SARS-Virus wurde im Herbst 2002 erstmals als eine sehr schwer verlaufende Lungenentzündung in
Südostasien beschrieben (䉴 Abschnitt 14.8). Vermutlich wurde es bei Kontakten von Menschen zu bestimmten Schleichkatzen, die auf Märkten gehandelt werden, übertragen und breitete sich dann in der menschlichen Bevölkerung sehr schnell aus. Es wurden zum Teil drastische nationale und internationale Maßnahmen ergriffen, um diesen Ausbruch eines an sich tierpathogenen Virus zu kontrollieren und seine Anpassung an den Menschen als Wirtsorganismus zu verhindern. In ähnlicher Weise befürchtet man, dass sich die weit verbreiteten hochpathogenen Vogelinfluenzaviren H5N1 durch kontinuierliche Mutation verändern und an den Menschen als bevorzugten Wirt anpassen könnten (䉴 Abschnitt 16.3). Zu Beginn infizierten diese H5N1-Viren das Geflügel Südostasiens, mittlerweile sind aber auch Populationen von Zugvögeln betroffen, die hochpathogene Virusstämme von Asien nach Europa, aber auch nach Afrika verschleppt haben. In seltenen Ausnahmefällen können jedoch auch Menschen infiziert werden, die das Virus allerdings nicht weiter übertragen. Es besteht jedoch die Befürchtung, dass sich das Virus während seiner Vermehrung in den infizierten Patienten durch Mutation verändern könnte. Dadurch könnten neue Varianten des H5N1-Virus entstehen, die sich an den Menschen besser angepasst haben, sich in der menschlichen Population verbreiten und zur Entstehung einer neuen, dann sehr gefährlichen InfluenzaPandemie führen könnten. Deswegen ergreift man auch in diesem Fall drastische Maßnahmen, wie beispielsweise die Keulung infizierter Tierbestände bei Auftreten erster Verdachtsfälle, um das Auftreten des H5N1-Virus in Wirtschaftsgeflügel und das Übertragungsrisiko auf den Menschen zu kontrollieren. Im Unterschied zu den H5N1-Viren zeigen die Influenza-A-Viren des Subtyps H1N1, die im April 2009 erstmals in Mexiko Grippeerkrankungen beim Menschen verursachen, eine vergleichsweise niedrige Pathogenität. Dafür verbreitete sich diese mexikanische Grippe innerhalb weniger Monate weltweit und wurde so zu einer neuen Pandemie. Ursächlich für die Entstehung des neuen Subtyps gilt die Bildung einer neuen Reassortante im Schwein. Weitere Beispiele für „neue“ zoonotische Übertragungen sind die Nipah- und Hendra-Viren in Südostasien beziehungsweise Australien. Auch hier spielten drastisch veränderte Lebensbedingungen im Habitat des eigentlichen Wirts, der Fledermaus, durch Eingriffe des Menschen in Form von massiver Landrodung und Abholzung eine entscheidende Rolle. Dies zwang die Fledermäuse neue Wirte zu entdecken, nämlich Schweine und Pferde. Von dort fand das Virus im zweiten Schritt seinen Weg zum Menschen. Das Auftreten der bovinen spongiformen Encephalopathie (BSE) ist ein Beispiel für die Bedeutung von
12.4 Weiterführende Literatur
Industriealisierungsprozessen in der Landwirtschaft auf die Entstehung einer neuen Infektionskrankheit. Durch das Verfüttern von ungenügend inaktiviertem tierischen Eiweiß aus Schlachtabfällen von Schaf- und Rinderkadavern an Rinder, die physiologisch reine Pflanzenfresser sind, ist der hitzestabile Erreger auf diese Tierart übertragen worden und hat die wirtschaftlich, tier- und humanpathogenetisch (vCJD im Menschen) hoch bedeutende Seuche entstehen lassen (䉴 Kapitel 21). In Sinne der allgegenwärtigen, schnellen Vorgänge bei der Evolution der Viren ist daher besondere Vorsicht geboten. Faktoren, welche die zufällige Schaffung eines neuen Virus fördern und unterstützen können, sollen nach Möglichkeit vermieden werden. Hierzu zählt der unüberlegte Einsatz von Lebendimpfstoffen, namentlich von solchen, die im Impfling persistierende Infektionen etablieren könnten, und insbesondere der Einsatz von Viren als biologische Waffe zur Reduzierung oder Ausrottung bestimmter Wirte, wie geschehen zur Bekämpfung der Kaninchen in Australien durch die Viren der hämorrhagischen Kaninchenseuche und die Myxomatoseviren (䉴 Abschnitte 14.8 und 19.6). Die Exposition naiver Populationen potenzieller Wirte mit einem neuen Virus kann eine nichtkalkulierbare biologische Katastrophe auslösen, ähnlich wie wir es bei den Infektionen mit dem für die Hunde neuen caninen Parvovirus gesehen haben (䉴 Abschnitt 20.1). Selbstverständlich verbietet sich auch die Verwendung von Viren als Waffe des Bioterrorismus. Nicht zuletzt kann ein solcher Einsatz
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von pathogenen Erregertypen neben katastrophalen Pandemien zur Entstehung neuer Virustypen beitragen, die sich auch auf ihre Entwickler und Anwender tödlich auswirken werden.
12.4 Weiterführende Literatur Chevillon, C.; Briant, L.; Renaud, F.; Devaux, C. The Chikungunya threat: an ecological and evolutionary perspective. In: Trends Microbiol. 16 (2008) S. 80–88. Domingo, E.; Webster, R.; Holland, J. Origin and Evolution of Viruses. San Diego (Academic Press) 1999. Domingo, E.; Gomez, J. Quasispecies and its impact on viral hepatitis. In: Virus Res. 127 (2007) S. 131–150. Duffy, S.; Shackelton, L. A.; Holmes, E. C. Rates of evolutionary change in viruses: patterns and determinants. In: Nat. Rev. Genet. 9 (2008) S. 267–276. Goudsmit, J. Viral Sex – The Nature of AIDS. Oxford (Oxford University Press) 1997. Kay, A.; Zoulim, F. Hepatitis B virus genetic variability and evolution. In: Virus Res. 127 (2007) S. 164–176. Lemey, P.; Rambaut, A.; Pybus, O. G. HIV evolutionary dynamics within and among hosts. In: AIDS Rev. 8 (2006) S. 125–140. Peiris, J. S.; de Jong, M. D.; Guan, Y. Avian influenza virus (H5N1): a threat to human health. In: Clin. Microbiol. Rev. 20 (2007) S. 243–267. Wong, S.; Lau, S.; Woo, P.; Yuen, K. Y. Bats as a continuing source of emerging infections in humans. In: Rev. Med. Virol. 17 (2007) S. 67–91.
12
13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen Bereits um 1880 standen Methoden zum Nachweis von bakteriellen Infektionen zur Verfügung: Nach Anfärbung waren die Erreger aufgrund ihrer Größe im Lichtmikroskop zu erkennen und konnten in Nährmedien gezüchtet werden. Viren entzogen sich dieser Vorgehensweise, da sie deutlich kleiner sind und sich als obligate Zellparasiten in Nährmedien nicht vermehren können. Zwar konnte man zur Jahrhundertwende bereits einige Virusinfektionen mit bestimmten Zellveränderungen und Ablagerungen im infizierten Gewebe in Verbindung bringen. Ein Beispiel sind die negrischen Einschlusskörperchen in Nervenzellen bei der Tollwuterkrankung. Eine spezifische Diagnostik war jedoch erst durch die Entwicklung der Methoden zur Zellkultur und der modernen Molekularbiologie möglich. Heute kann man
Virusinfektionen direkt nachweisen, indem man mit geeigneten Methoden den Erreger selbst, einzelne virale Proteine oder die Erbinformation im Blut oder anderen Materialien infizierter Personen oder Tiere bestimmt. Der direkte Virusnachweis ist – mit Ausnahme von latenten oder persistierenden Infektionsformen – nur während der akuten Erkrankungsphase möglich. In einigen Fällen sind die Erreger sogar nur vor der symptomatischen Phase im infizierten Organismus vorhanden, sodass der direkte Nachweis der Viren oft nicht gelingen kann. Daher ist es in der Virusdiagnostik üblich, Infektionen beziehungsweise den Kontakt mit Krankheitserregern indirekt durch die Charakterisierung der sich entwickelnden spezifischen Immunantwort nachzuweisen.
13.1 Wie lassen sich virale Erreger direkt nachweisen?
Verunreinigungen befreit und in einem kleinen Volumen mit den Zellen inkubiert. Nach der Adsorption der Viren an die Zellen gibt man antibiotikahaltiges Medium zu den Kulturen, um das Wachstum von Bakterien zu unterdrücken, die als Kontamination in dem Untersuchungsmaterial vorhanden sein können. An den folgenden Tagen werden die Zellen mikroskopisch auf morphologische Veränderungen hin kontrolliert, etwa das Auftreten von cytopathischen Effekten (CPE) wie Löcher im Zellrasen aufgrund von Zelltod, Einschlusskörperchen oder Riesenzellen (䉴 Kapitel 5), die einen ersten Rückschluss auf den sich vermehrenden Virustyp zulassen und auch als Beweis dafür dienen, dass infektiöse Viren im Ausgangsmaterial vorhanden waren.
13.1.1 Viruszüchtung, Virusisolierung und davon ausgehende Nachweissysteme Für die Züchtung und Vermehrung der meisten Viren stehen heute permanent wachsende Zelllinien zur Verfügung. Das zu untersuchende, möglichst steril gewonnene Patientenmaterial, zum Beispiel Blut, Serum, Rachenspülwasser oder Urin wird dazu von groben
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13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen
Die klassische Form der Viruszüchtung ist meist mit einer relativ langen Bebrütungszeit von einer bis zu vier Wochen verbunden. Eine verkürzte Version stellt der Shell-Vial-Assay (SVA) dar. Hier werden die suszeptiblen Zellen mit den nachzuweisenden Viren in den Näpfen einer Mikrotiter-, 24-Loch-Platte oder auch auf Glasplättchen in Zentrifugenröhrchen inkubiert und niedertourig anzentrifugiert. Hierdurch verändert sich vermutlich die Fluidität der Cytoplasmamembran der Zellen, die Erreger werden folglich schneller aufgenommen. Nach einer Inkubation von ein bis zwei Tagen kann man virale Proteine in den Zellen durch Immunfluoreszenz oder ähnliche Verfahren nachweisen. Primäre Zelllinien zur Züchtung von humanpathogenen Viren werden kaum mehr eingesetzt. Sie haben nur eine begrenzte Teilungsfähigkeit und müssen daher regelmäßig neu etabliert werden. Eine Ausnahme bilden noch Vorhaut-Fibroblasten, die gelegentlich für die Anzucht von Herpes-simplex-Virus eingesetzt werden. Der routinemäßige Umgang insbesondere mit embryonalen Zellen, die eine erhöhte Kapazität zur Teilung besitzen, ist streng reglementiert. Jedoch muss auch bei anderen primären humanen Zellen nach der Inkulturnahme nachgewiesen werden, dass sie frei von Viren sind; insbesondere dürfen sie keine der chronischen Hepatitis-Viren (B, C, D) und kein humanes Immundefizienzvirus enthalten. In der Tiermedizin ist die Verwendung von primären Zelllinien zur Züchtung bestimmter tierpathogener Viren in Ausnahmefällen vor allem in der Geflügelvirologie gebräuchlich. Auch werden sie in bestimmten Fällen sogar noch zur Impfstoffproduktion eingesetzt: Dies ist beispielsweise bei dem porcinen Parvovirus der Fall. Die früher weit verbreitete Viruszüchtung in bebrüteten Hühnereiern wird heute nicht mehr routinemäßig eingesetzt. Sie wird nur noch in bestimmten Fällen verwendet, etwa bei der Anzüchtung von neuen Influenzavirusisolaten oder für die Impfstoffproduktion (䉴 Abschnitt 16.3). Durch Ultrazentrifugation der Kulturüberstände oder der aufgebrochenen Zellen kann man die Viren anreichern und weiteren Untersuchungen zuführen. Dazu zählt unter anderem die elektronenmikroskopische Bestimmung der Viruspartikel. Weiterführende Analysen der Virusproteine oder -genome dienen der Charakterisierung des Virustyps.
Proteinnachweis Western-Blot Eine Möglichkeit zur Bestimmung des Virustyps ist die Identifizierung bestimmter Virusantigene in Western-Blot-Tests. Hierzu trennt man die Proteine der infizierten Zellen oder der in der Ultrazen-
trifuge pelletierten Viruspartikel in SDS-Polyacrylamidgelen auf. Ihre Anordnung und ihre Molekulargewichte können einen weiteren Hinweis auf den Virustyp geben. Eine endgültige Zuordnung ist jedoch erst serologisch im Western-Blot möglich (䉴 Abbildung 13.1). Hierzu überträgt man die im Polyacrylamidgel aufgetrennten Proteine auf Nitrocellulosefolien (eigentlicher WesternBlot) und inkubiert diese mit Antiseren, die Immunglobuline enthalten, welche spezifisch mit bestimmten Virusantigenen reagieren (Erstantikörper). Optimal sind hierfür Präparationen monoklonaler Mausantikörper, die definierte Epitope eines Virusproteins erkennen. Es werden aber auch Seren von Menschen eingesetzt, die eine Infektion mit dem jeweiligen Virustyp überstanden und in ihrem Verlauf spezifisch bindende Antikörper gebildet haben. Die Nitrocellulosefolien werden danach mit weiteren sogenannten sekundären Immunglobulinen (Zweitantikörper) behandelt, die ihrerseits spezifisch für die Fc-Teile der zuvor verwendeten Antikörper sind, beispielsweise mit Immunglobulinen aus Schweinen, die mit den Fc-Teilen muriner Antikörpermoleküle injiziert wurden und dagegen eine Immunreaktion entwickelt haben. Menschliche Antikörper weist man üblicherweise mit Kaninchenimmunglobulinen nach, die sich an die Fc-Teile von humanem IgG binden. Unterschiedliche, für die weiteren Nachweisreaktionen notwendige Enzyme sind kovalent an die sekundären Antikörper gebunden, beispielsweise die MeerrettichPeroxidase. Diese sekundären Antikörper interagieren mit den Antigen-Antikörper-Komplexen auf den Folien, und im nächsten Schritt weist man sie durch Zugabe des entsprechenden Substrates, in diesem Fall Diaminobenzidin, nach. Im positiven Fall entstehen bräunlich gefärbte Proteinbanden (䉴 Abbildung 13.1). Alternativ wird alkalische Phosphatase zur Markierung verwendet, die eine Blaufärbung ergibt. Antigen-ELISA Alternativ zum analytischen WesternBlot setzt man diese Variante des ELISA-Tests zum Nachweis von Virusproteinen oder -partikeln ein. Der Test wird gewöhnlich in Mikrotiterplatten durchgeführt, die 96 Vertiefungen (wells) aufweisen und aus speziell behandeltem Polystyrol bestehen. An das Plastikmaterial der Näpfe adsorbiert man monoklonale murine Antikörper gegen ein bestimmtes Virusprotein. Danach gibt man Suspensionen, welche die fraglichen Viren beziehungsweise die Virusproteine enthalten, in die Vertiefungen. Sind die entsprechenden Antigene vorhanden, so interagieren sie mit den polystyrolgebundenen Immunglobulinen. Die Antigen-Antikörper-Komplexe können im folgenden Schritt dadurch nachgewiesen werden, dass ein weiterer Antikörper hinzugegeben wird, der sich an ein anderes Epitop desselben Viruspro-
13.1 Wie lassen sich virale Erreger direkt nachweisen?
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66kDa 45kDa 36kDa
24kDa 20kDa 14kDa A
66kDa 45kDa 36kDa 29kDa 24kDa 20kDa 14kDa B 13.1 Beispiel für den Nachweis von Virusproteinen (mit freundlicher Genehmigung von Andreas Gigler, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universität Regensburg). A: SDS-Polyacrylamidgel. Proteinextrakte aus E. coli-Bakterien, die unterschiedliche Abschnitte eines Proteins des Parvovirus B19 exprimieren, wurden elektrophoretisch nach ihrer Größe aufgetrennt und mit Coomassie-Blue angefärbt. Man findet eine Blaufärbung (hier schwarz wiedergegeben) aller in der Präparation vorhandenen Proteine. B: Western-Blot. Die Proteinbanden des in Abbildung A gezeigten SDS-Polyacrylamidgels wurden auf Nitrocellulosefolien übertragen (Western-Blot) und diese dann mit polyklonalen Antikörpern aus Kaninchen inkubiert, die das parvovirale Protein spezifisch erkennen. Nach einem Waschvorgang wurden die Folien mit sekundären, mit Meerrettich-Peroxidase konjugierten Antikörpern (und zwar Immunglobulinen aus Schweinen, die gegen den Fc-Teil der Kaninchenantikörper gerichtet sind) behandelt, die sich spezifisch an die bereits gebundenen Antikörper anheften. Dann inkubierte man die Folien mit diaminobenzidinhaltigen Lösungen. Im Bereich der Proteinbanden, an die sich die Antikörperkomplexe angelagert haben, bildet sich ein brauner Niederschlag, der eine positive Reaktion anzeigt.
13
13
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13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen
teins bindet. Diese Immunglobuline sind ihrerseits kovalent mit der Meerrettich-Peroxidase vernetzt, sodass sich der Komplex durch Zugabe von o-Phenylendiamin als lösliches Substrat sichtbar machen lässt. Die photometrische Messung der Intensität dieser Farbreaktion ermöglicht die quantitative oder semi-quantitative Bestimmung des Virusantigens, das im Ausgangsmaterial vorhanden war (䉴 Abbildung 13.2A). Anwendungsbeispiele für Antigen-ELISA in der Humanmedizin sind Infektionen mit Adeno-, Influenza-, Parainfluenza- und Respiratory-Syncytial-Viren in Atemwegssekreten und Rota-, Adeno- und Noroviren im Stuhl. In der Tiermedizin werden mit Antigen-ELISAs Rota-, Corona- und Parvoviren bei verschiedenen Tierarten nachgewiesen.
Immunglobulinen, die gegen die nachzuweisenden Virusproteine gerichtet sind. Die nachfolgende Behandlung mit sekundären Immunglobulinen, die gegen den Fc-Teil der verwendeten Immunglobuline gerichtet und mit fluoreszierenden, chemischen Substanzen (beispielsweise Fluorescein-Isothiocyanat) vernetzt sind, ermöglicht es, die Virusproteine in unterschiedlichen Kompartimenten wie dem Zellkern, dem Cytoplasma oder den Zellmembranen sichtbar zu machen (䉴 Abbildung 13.3). Nachweis viraler Eigenschaften Einige Viren codieren für bestimmte Enzymaktivitäten, die man in den infizierten Zellen oder assoziiert mit den Viruspartikeln im Kulturüberstand als charakteristische Eigenschaften nachweisen kann. Hierzu zählt beispielsweise die Bestimmung der Aktivität der reversen Transkriptase, die von den humanen Immundefizienzviren produziert wird und ein Bestandteil der entstehenden Viruspartikel ist (䉴 Abschnitt 18.1). Anhand der im Kulturüberstand nachgewiesenen Menge dieses Enzyms kann man die
Immunfluoreszenz Mithilfe der direkten Immunfluoreszenz wird untersucht, ob in den infizierten Zellen Virusproteine gebildet werden. Die Zellen werden auf Objektträger getropft, fixiert und mit alkoholischen Lösungsmitteln behandelt, um die Zellmembranen durchlässig zu machen. Danach inkubiert man sie mit
positiv (gelb)
positiv (gelb)
negativ (weiß)
Substrat
4
3 2
1
Mikrotiterplatte
1
an die Wände der Näpfe gebundene virusspezifische Antikörper
2
im Untersuchungsmaterial vorhandene Viruspartikel binden sich an die virusspezifischen Antikörper
3
virusspezifische Antikörper gegen eine alternative Domäne im Viruspartikel, mit Meerrettich-Peroxidase ( ) gekoppelt
4
Zugabe von Substrat (o-Phenylendiamin), wird von der Meerrettich-Peroxidase umgesetzt gelbliche Färbung im positiven Fall
13.2 Darstellung der Reaktionsschritte in ELISA-Tests. A: Antigen-Capture-ELISA zum Nachweis von Virusproteinen oder -partikeln.
13.1 Wie lassen sich virale Erreger direkt nachweisen?
Zahl der produzierten Viruspartikel quantitativ bestimmen. Andere Viren agglutinieren Erythrocyten. Diese Fähigkeit zur Hämagglutination findet man sowohl bei human- als auch bei tierpathogenen Viren. Sie ist mit den viruscodierten Membranproteinen und daher mit den Virionen verbunden. Hämagglutinationstests können daher unter anderem bei den Paramyxo- und Orthomyxoviren (䉴 Abschnitte 15.3 und 16.3) sowie den Flavi-, Toga-, Corona- und auch bei den Parvoviren (䉴 Abschnitte 14.5, 14.6, 14.8 und 20.1) durchgeführt werden. Man verwendet Erythrocyten geeigneter Spezies und vermischt sie mit den virushaltigen Suspensionen; verklumpen die roten Blutkörperchen, zeigt dies die Anwesenheit von Viren an. Ist die Reaktion durch Zugabe von viruspezifischen Antikörpern hemmbar, dann ermöglicht dieser sogenannte Hämagglutinationshemmungstest, den Virustyp im Ausgangsmaterial zu bestimmen. In der Routinediagnostik ist diese Methode inzwischen allerdings überholt. Mittels des Hämagglutinationshemmungstests (HHT) wird heute nur noch der Nachweis Rötelnvirus-spezifischer Antikörper im Rah-
positiv (gelb)
131
men der gesetzlich geregelten Schwangerenvorsorge durchgeführt (䉴 Abschnitt 14.6).
Nachweis viraler Nucleinsäuren Southern-, Northern- oder Dot-Blot Alternativ zu den Proteinen beziehungsweise Enzymaktivitäten kann man virale Nucleinsäuren aus den infizierten Zellen isolieren und ihre Spezifität in Southern-, Northern oder DotBlot-Tests untersuchen. Die gereinigte DNA wird durch Restriktionsenzyme geschnitten. Dadurch entstehen Fragmente von definierter Länge, die in Agarosegelen nach ihrer Größe aufgetrennt werden. Im Anschluss überträgt man sie aus der Gelmatrix auf Nitrocellulosefolien (Southern-Blot); ähnlich verfährt man beim Nachweis viraler RNA (Northern-Blot), ohne sie jedoch mit Restriktionsendonucleasen zu schneiden. Man kann die DNA- oder RNA-Präparationen auch direkt auf die Nitrocellulose auftropfen (Dot-Blot). Handelt es sich um doppelsträngige Nucleinsäuremoleküle, muss ein
positiv (gelb)
negativ (weiß)
Substrat
4
3 2 1
Mikrotiterplatte
1
an die Wände der Näpfe gebundenes Virusprotein ( )
2
Patientenserum enthält im positiven Fall Antikörper gegen das Virusprotein
3
sekundäre Antikörper gegen den Fc-Teil der Patientenimmunglobuline, mit Meerrettich-Peroxidase ( ) gekoppelt
4
Zugabe von Substrat (o-Phenylendiamin), wird von der Meerrettich-Peroxidase umgesetzt gelbliche Färbung im positiven Fall
13.2 (Fortsetzung) B: ELISA zum Nachweis spezifischer Antikörper (Abschnitt 13.2).
13
13
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13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen
FITC
FITC
3
2 1
Objektträger
1
infizierte, fixierte Zellen
2
spezifische Antikörper, z. B. in Patientenseren
3
sekundäre Antikörper gegen den Fc-Teil der humanen Immunglobuline; werden diese gebunden, sind die über den Komplex kenntlich gemachten Zellstrukturen durch die FITC-Markierung grün gefärbt
13.3 Darstellung der Reaktionsschritte im Immunfluoreszenztest.
Denaturierungsschritt erfolgen, der die Hybridstränge in Einzelstränge überführt. Danach werden die Nitrocellulosefolien mit einzelsträngigen, markierten DNAoder RNA-Sonden inkubiert, die zu den gesuchten Basensequenzen komplementär sind und mit ihnen zu doppelsträngigen Abschnitten hybridisieren (䉴 Abbildung 13.4). Während früher überwiegend Sonden für die Nachweisreaktion eingesetzt wurden, die durch den Einbau von 32P- oder 35S-haltigen Nucleotiden radioaktiv markiert waren, verwendet man heute hauptsächlich nichtradioaktive Systeme. Meistens werden in die DNASonden Basenderivate integriert, die mit Biotin- oder Digoxigeninmolekülen modifiziert sind. Nach der Hybridisierung mit den viralen Nucleinsäuren werden die Nitrocellulosefolien mit Streptavidin beziehungsweise mit digoxigeninspezifischen Antikörpern inkubiert. Diese Reagenzien sind kovalent mit Enzymen verknüpft, die den Nachweis durch eine Farbreaktion ermöglichen. Außer der bereits erwähnten MeerrettichPeroxidase verwendet man heute vermehrt Reagenzien, an die alkalische Phosphatase gekoppelt ist. Bei Inkubation mit X-Phosphat (5-Brom-4-chlor-3-indolylphosphat) und NBT (4-Nitroblue-tetrazoliumchlorid) bildet sich ein lilafarbenes Präzipitat als Nachweis der Enzymaktivität. Die Farbintensität ist ein Maß für die Menge der jeweiligen viralen Nucleinsäure auf dem Blot. Alternativ hierzu kann der Nachweis durch chemoluminiszierende Agenzien erfolgen; die Folien werden in diesem Fall, ähnlich wie bei der Verwendung radioaktiv markierter Sonden, mit Röntgenfilmen exponiert und diese entwickelt. Da die genannten Methoden den modernen PCR-Tests in Sensitivität und Spezifität deutlich unterle-
gen sind, kommen diese Methoden nur mehr selten diagnostisch zum Einsatz.
13.1.2 Direkter Nachweis der Viren in Patientenmaterial Viele der heute diagnostisch eingesetzten Tests sind so empfindlich, dass man sie auch für den Virusnachweis in Seren oder anderen Patientenmaterialen einsetzen kann, ohne die Erreger zuvor in vitro anzuzüchten und zu vermehren. Dies gilt vor allem bei Infektionen, in deren Verlauf größere Mengen an Viruspartikeln oder bestimmten Proteinen gebildet und in das Blut abgegeben werden, wie das HBsAg bei der Hepatitis-B-VirusInfektion (䉴 Abschnitt 19.1), das Capsidprotein p24 bei der akuten HIV-Infektion (䉴 Abschnitt 18.1) oder die Capside des Parvovirus B19 (䉴 Abschnitt 20.1). In der Tiermedizin weist man damit die felinen Leukämieviren im Blut infizierter Katzen (䉴 Abschnitt 18.1.6), sowie die caninen Parvoviren oder die bovinen Rota- und Coronaviren im Kot der Tiere nach (䉴 Abschnitte 14.8.6 und 17.2.6). Die Proteine oder Viruspartikel lassen sich dabei mit den gleichen Methoden aufspüren, wie sie in 䉴 Abschnitt 13.1.1 beschrieben sind. Meist verwendet man Antigen-ELISA-Tests. In der Tiermedizin sind für eine Reihe von Anwendungen sogenannte Schnell- oder Sticktests entwickelt worden. Hier weist man Virusproteine durch immunchromatographische Methoden nach. Diese Tests beruhen auf dem Prinzip eines ELISA, jedoch sind die Anti-
13.1 Wie lassen sich virale Erreger direkt nachweisen?
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⇒
13.4 Prinzip des Southern-Blot-Tests.
körper auf Gold- oder Latexkugeln (Durchmesser: 20 μm) fixiert und können vom Tierarzt in der Praxis durchgeführt werden. Die mit Antikörpern beladenen Kügelchen binden die Viruspartikel und/oder Proteine und wandern aufgrund von Kapillarkräften auf der in die Lösung eingetauchten Membran. Auf dieser sind wiederum Antikörper fixiert, welche die antigenbeladenen Kugeln aufhalten. Diese werden dann als dunkle
Bande sichtbar. Kontrollreaktionen durch an die Membran gebundene immunglobulinspezifische Antikörper komplementieren den Test (䉴 Abbildung 13.5). Diese Form der Schnelltests ist unter anderem für den Nachweis von verschiedenen Erregern von Gastroenteritiden bei Tieren (beispielsweise Parvo-, Rota- und Coronaviren; 䉴 Abschnitte 14.8, 17.2 und 20.1) entwickelt worden. In der Humanmedizin werden derartig unkompli-
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13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen
Kontrollfenster: immobilisierte Anti-IgG-Antikörper
Membran
Ergebnisfenster: immobilisierte virusspezifische Antikörper Goldkugeln (Ø 20μm) Probenauftragsfenster: Goldkugeln, mit virusspezifischen IgG beschichtet Auftrag der zu untersuchenden Probe
Fließrichtung
Fließrichtung Virus bindet sich an die mit virusspezifischen IgG beschichteten Goldkugeln
virusnegative Probe
viruspositive Probe Inkubation
Wanderung der Komplexe aus dem Probenauftrag Anti-IgG-Antikörper binden sich an virusspezifische IgG virusspezifische Antikörper binden sich an Virus-IgG-Goldkugel-Komplexe
durch Goldkugeln sichtbare Bande im Kontrollfenster
durch Goldkugeln sichtbare Banden in Ergebnis- und Kontrollfenster
13.1 Wie lassen sich virale Erreger direkt nachweisen?
zierte Schnelltests vermehrt für die Diagnostik von Influenzavirus-Infektionen eingesetzt, da sich im positiven Fall daran unmittelbar eine Therapie mit Neuraminidasehemmern anschließt.
Nachweis von Nucleinsäuren in Patientenmaterialien In den letzten Jahren hat man hochsensitive und quantifizierbare Systeme vor allem für den Nachweis viraler Nucleinsäuren im Blut oder den infizierten Flüssigkeiten und Geweben entwickelt. Sie haben viele der Antigen-Tests abgelöst und sollen im Folgenden kurz besprochen werden. Polymerasekettenreaktion (PCR) Die Polymerasekettenreaktion ermöglicht die Amplifizierung geringster Mengen von Virusgenomen oder -transkripten direkt aus dem Patientenmaterial. Theoretisch und auch praktisch kann man ein einziges Nucleinsäuremolekül im Testansatz nachweisen. Zuerst müssen die Viren aufgebrochen (zum Beispiel mit chaotropen Agenzien) und die Proteine, die in der Patientenprobe vorhanden sind, entfernt werden, da sie die folgenden Reaktionen stören können. Üblicherweise werden sie mit Proteasen abgebaut, mittels Phenol entfernt oder anschließend präzipitiert und durch Zentrifugation aus den Proben entfernt. Man wählt zwei Oligonucleotide (zwischen 15 und 20 Nucleotide lang), die komplementär zu je einem Strang der nachzuweisenden DNA-Doppelstränge sind und einen Abschnitt von 200 bis 400 Basen (bei real time PCR auch deutlich kürzer) flankieren. Die DNA wird durch Erhitzen in Einzelstränge überführt (Denaturierung; 94 °C). Dann gibt man die Oligonucleotide in
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einem hohen molaren Überschuss hinzu, die sich bei gleichzeitiger Abkühlung an die DNA-Stränge anlagern und kurze Doppelstrangregionen bilden (Annealing; meist 50–60 °C). Das Reaktionsgemisch enthält als weitere Komponenten eine hitzestabile Form der DNAPolymerase – üblicherweise die Taq-Polymerase des thermophilen Bakteriums Thermus aquaticus – und die vier Nucleotidtriphosphate dATP, dGTP, dCTP und dTTP in geeigneten Konzentrationen und Puffersystemen. Die an die DNA-Stränge hybridisierten Oligonucleotide wirken als Primer. Sie stellen der Taq-Polymerase ein 3’OH-Ende zur Verfügung, an welches das Enzym die komplementäre DNA-Sequenz ansynthetisiert (Elongation oder Kettenverlängerung; meist bei 72 °C). Somit ist der erste Zyklus abgeschlossen. Als Folge liegen zwei doppelsträngige DNA-Moleküle im Reaktionsansatz vor, die durch kurzzeitiges Erhitzen im zweiten Zyklus wieder voneinander getrennt werden. Während der folgenden Abkühlung lagern sich erneut Oligonucleotide an die Einzelstränge an und dienen als Primer für die Synthese weiterer Doppelstränge: Das ursprüngliche DNA-Molekül ist somit in einer Kettenreaktion zu vier Doppelsträngen amplifiziert worden. Man wiederholt die Erhitzungs- und Abkühlungsperioden und damit die Denaturierung beziehungsweise Hybridisierung und Polymerisation beliebig oft und gelangt so zu einer logarithmischen Amplifikation der Nucleinsäuremoleküle (2n; n = Zahl der Zyklen; 䉴 Abbildung 13.6). Nach etwa 30 bis 40 solcher Zyklen ist die lineare Phase der Amplifikation erschöpft und die PCRAmplifikate können auf einem Agarose-Gel aufgetrennt und durch Anfärbung mit Ethidium-Bromid nachgewiesen werden. Für analytische Zwecke, beispielsweise der Klonierung der Amplifikate, kann man über die Primer auch Restriktionsstellen einbauen. Schneidet man
13.5 Immunchromatographie (Schnelltest zum Virusnachweis in Patientenmaterial). Dieser Test dient dem Nachweis von Viren in flüssigen Patientenmaterialien, beispielsweise in Serum-, Sputum- oder Stuhlproben. Man verwendet Membranen (Nitrocellulose oder ähnliche), die in verschiedenen Abschnitten (Fenstern) mit bestimmten Reagenzien beschichtet sind. Probenauftragsfenster: große Mengen von Goldkügelchen (Durchmesser 20 μm), an deren Oberfläche IgG-Antikörper kovalent gebunden sind, die sich spezifisch an Epitope in den Oberflächenproteinen des nachzuweisenden Virus binden. Ergebnisfenster: Hier liegen kovalent an die Membran gebundene IgG-Moleküle vor, welche sich an die selben oder andere Epitope des nachzuweisenden Virus binden können. Kontrollfenster: Es enthält kovalent an die Membran gebundene Anti-IgG-Antikörper. Testprinzip: 1. Die Membran wird im Bereich des Auftragsfensters mit dem Biopsiematerial inkubiert und in einen Behälter mit Pufferlösung überführt. Enthält das Material die fraglichen Viren, so binden sich diese an die IgG-Antikörper auf den Goldkügelchen. 2. Die Virus-IgG-Goldkügelchen-Komplexe wandern zusammen mit den nicht mit Viren beladenen Kügelchen in der Pufferfront zum Ergebnisfenster. Die hier kovalent an die Membran gebundenen IgG-Antikörper binden sich an noch freie Epitope der Virusoberfläche. Hierdurch wird die Wanderung der Virus-IgG-Goldkügelchen gestoppt, und es bildet sich eine golden (dunkel) gefärbte Bande im Ergebnisfenster. 3. Die nicht mit Viren beladenen IgG-Goldkügelchen wandern mit der Pufferfront weiter zum Kontrollfenster. Hier wird ihre Wanderung gestoppt, da sie mit den hier immobilisierten Anti-IgG-Antikörpern komplexieren. Dadurch ergibt sich eine zweite Bande im Kontrollfenster. Aus der Stärke der Banden und ihrem Verhältnis zueinander kann man auf die Menge der Viren im Ausgangsmaterial schließen. Enthält das zu untersuchende Material keine Viren, dann ergibt sich nur eine Bande im Kontrollfenster.
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13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen
die amplifizierten DNA-Doppelstränge dann, kann man das gebildete Fragment nach Auftrennung des Gemisches über Agarosegele anhand seiner Basenlänge oder durch einen anschließenden Southern-Blot-Test identifizieren und weiter verarbeiten. Zur Erhöhung der diagnostischen Sensitivität, aber auch der Spezifität, kann man zwei Polymerasekettenreaktionen durch ein zweites, nach innen versetztes Primerpaar ineinander schachteln (nested PCR). Da DNA über lange Zeiträume sehr stabil ist, kann man die Sequenzen auch in älteren und sogar in fixierten Organproben entdecken. Deshalb können Viren in sehr alten, in Formaldehyd eingelegten Materialien und auch in einbalsamierten Mumien nachgewiesen werden. Durch Einsatz der Polymerasekettenreaktion untersucht man daher zudem, wie sich bestimmte Virustypen, zum Beispiel Influenzaviren, in den vergangenen Jahrhunderten verändert und entwickelt haben. Dies könnte genauere Einsichten in die Virusevolution ermöglichen. Handelt es sich bei der Ausgangsnucleinsäure um RNA, so überführt man diese zuerst mithilfe der reversen Transkriptase und eines geeigneten Primers in einzelsträngige DNA. Daran schließen sich die oben beschriebenen Amplifizierungsreaktionen an. Beides kann im gleichen Reaktionsgefäß und unter Verwendung identischer Pufferbedingungen erfolgen. Auch die Taq-Polymerase kann so modifiziert sein, dass sie beide Reaktionen erfüllen kann. Mit geeigneten Kontrollen, wie quantifizierten Standards, kann man auch die Menge der Nucleinsäure im Ausgangsmaterial, zum Beispiel in den Seren, bestimmen. Nachteilig ist häufig die hohe Empfindlichkeit der Polymerasekettenreaktion, insbesondere der nested PCR: Da es möglich ist, ein einziges DNA-Molekül zu amplifizieren, genügen geringste Kontaminationen in den Reaktionsansätzen, um falsch positive Ergebnisse zu liefern. Neben dieser Endprodukt-Kontamination (carry-over) kann aber auch eine Primär-Kontamination durch Verschleppungen im Labor erfolgen, wenn sehr hohe Virusmengen im jeweiligen Material vorliegen (z. B. Norovirus oder Parvovirus B19). Diese Gefahr ist vor allem in Diagnostiklaboratorien sehr hoch, da man hier regelmäßig mit den entsprechenden Materialien umgeht. Je nach PCRApplikation, müssen alle für die Polymerasekettenreaktion verwendeten Lösungen, Puffer und Reaktionsgemische daher in gesonderten Räumen angesetzt und pipettiert werden (räumliche Kompartimentierung); weiterhin müssen bei allen Testansätzen Negativkontrollen mitgeführt werden, die mögliche Kontaminationen anzeigen. Inzwischen verfügt man über automatisierte Testsysteme, die eine quantitative Bestimmung der viralen Nucleinsäuren im Ausgangsmaterial ermöglichen (real
time PCR). Hierzu werden die DNA- oder RNA-Moleküle wie oben beschrieben amplifiziert. In den Amplifizierungsansatz wird eine definierte Menge von einzelsträngigen Sonden zugegeben, die eine Länge von 25 bis 40 Basen haben und komplementär zu den Sequenzen der amplifizierten Sequenzbereiche sind. An den 5’Enden sind die Sonden mit einer fluoreszierenden Gruppe (beispielsweise 6-Carboxyfluorescein) vernetzt. An den 3’-Enden tragen sie hingegen eine andere chemische Gruppe (beispielsweise 6-Carboxytetramethylrhodamin), welche die Fluoreszenz des 6-Carboxyfluoresceins unterdrückt. Voraussetzung für dieses Quenching ist, dass sich beide Gruppen in räumlicher Nachbarschaft zueinander, also an den beiden Enden des Sondenmoleküls befinden (FRET-Technologie). Liegen in der Probe Virusgenome vor, dann werden die Nucleotide der Sonde während des Polymerisationsprozesses durch die Exonucleaseaktivität der Taq-Polymerase abgebaut. Durch diesen Schritt erfolgt die Trennung der beiden fluoreszierenden Gruppen. Das Quenching wird durch diesen Schritt aufgehoben und die Fluoreszenz der 6-Carboxyfluorescein-Verbindung kann on real time gemessen werden. Sie ist umso höher, je mehr virale Nucleinsäure sich im Ausgangsmaterial befand. Gängige Verfahren verfügen über eine lineare Amplifikationseffizienz von sechs bis acht logarhitmischen Amplifikationsstufen. Durch Verwendung mehrerer Primer-Paare und unterschiedlich markierter Sonden können auch mehrere Amplifikate spezifisch und quantitativ in einem einzigen Testansatz nachgewiesen werden (Multiplex-PCR). Interne Kontrollen zur Prüfung der DNAExtraktionseffizienz und möglicher interner Inhibierungen sind so möglich. Ein weiterer Vorteil der real time PCR ist die deutlich reduzierte Endproduktskontaminationsgefahr. Alternativ hierzu kann man die amplifizierten DNASequenzen auch in einem ELISA-ähnlichen HybridCapture-Verfahren quantitativ nachweisen. Die Amplifikate werden über eine Sonde, die an das Polystyrol von Mikrotiterplatten gebunden ist, aus der Lösung gefischt. Werden dem Amplifikationsschritt biotinylierte Primer oder Nucleotidderivate zugesetzt, dann kann man diese durch peroxidasemarkierte Antikörper nachweisen. In situ-Hybridisierung In Gefrierschnitten von infizierten Zellen oder Geweben, wie in der Pathologie, können Virus-DNA und -RNA durch in situ-Hybridisierung mit spezifischen, zur gesuchten Sequenz komplementären, markierten DNA- oder RNA-Sonden nachgewiesen werden. Üblicherweise baut man 3H-Thymidin oder biotinylierte Basenderivate in die Sonden ein. Im ersten Fall werden die Schnitte nach der Hybridisierung mit einer Filmemulsion beschichtet und später entwi-
13.1 Wie lassen sich virale Erreger direkt nachweisen?
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doppelsträngige Virus-DNA Erhitzen Denaturieren
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Abkühlen Anlagerung von Oligonucleotiden im Überschuss
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Abkühlen Anlagerung von Oligonucleotiden und Polymerisation
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logarithmische Amplifikation
13.6 Prinzip der Polymerasekettenreaktion (PCR).
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13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen
ckelt, wobei man in den infizierten Zellen bei mikroskopischer Betrachtung eine granuläre Schwärzung findet. Diese Methode lässt sich mit der Polymerasekettenreaktion kombinieren, sodass man auch in Gefrierschnitten geringste Mengen viraler Nucleinsäuren aufspüren kann (in situ-PCR). Branched-DNA-detection Dieses Testsystem ist für den Nachweis von Nucleinsäuren geeignet und wurde zur Bestimmung der Menge von DNA-Genomen des Hepatitis-B-Virus und RNA-Genomen des humanen Immundefizienzvirus sowie auch des Hepatitis-C-Virus in Patientenseren entwickelt. Die in den Proben vorhandenen Proteine werden durch Proteasebehandlung abgebaut und die DNA und RNA durch Zentrifugation angereichert. Zu der Lösung gibt man DNA-Oligonucleotide als Primärsonden, die in einer Hälfte komplementär zu den viralen Genomsequenzen sind und mit ihnen kurze Doppelstrangregionen ausbilden; der nicht komplementäre Teil des Oligonucleotides bleibt als Einzelstrang erhalten. Dieser Nucleinsäurekomplex wird an Mikrotiterplatten gebunden, die an den Polystyrolwänden Oligonucleotide als Fangsonden enthalten, welche komplementär zu anderen Regionen der Virusgenome sind. Im nächsten Schritt fügt man DNA-Moleküle hinzu, die an den Enden mit den einzelsträngigen Bereichen der Primärsonden hybridisieren und etwa 20 Verzweigungen aufweisen, an deren Sequenzen sich wiederum komplementäre Oligonucleotide als Sonden anlagern können. Diese sind ihrerseits mit alkalischer Phosphatase markiert. Der quantitative Nachweis erfolgt schließlich durch Zugabe von Substraten, die bei ihrer Umsetzung chemolumineszierende Moleküle freisetzen. Da bei dem System der branched-DNA-detection nicht die Ausgangssequenz, sondern das Signal verstärkt wird, ist es weniger anfällig für Kontaminationen.
13.2 Auf welche Weise nutzt man spezifische Immunreaktionen zum indirekten Nachweis von Virusinfektionen? Wie eingangs erwähnt, sind Viren häufig nur für kurze Zeit im Patienten vorhanden und nachweisbar. Oft muss daher eine Diagnose indirekt gestellt werden, das heißt durch die Bestimmung der Immunreaktion, die sich während der Infektion gegen die jeweiligen Erreger aus-
bildet. Üblicherweise weist man dabei im Serum, manchmal auch im Liquor der Patienten, Antikörper nach, die sich spezifisch an definierte Virusproteine binden. IgM-Antikörper weisen im Allgemeinen darauf hin, dass es sich um eine akute oder erst kürzlich erfolgte Infektion handelt. Werden dagegen IgG-Antikörper gegen ein bestimmtes Virus nachgewiesen, dann lassen sie auf eine länger zurückliegende, bereits abgelaufene Infektion schließen. Sie sind auch ein Anzeichen für einen Immunstatus, der die jeweilige Person vor einer Neuinfektion mit dem gleichen Erregertyp schützt (䉴 Kapitel 7). Vor allem für die Diagnostik akuter Infektionen ist es jedoch wichtig, dass man die Konzentration der IgM- beziehungsweise IgG-Antikörper im Infektionsverlauf bestimmt. Da die Affinität der IgG-Antikörper bei länger zurückliegenden Infektionen zunimmt, lässt sich durch die Bestimmung der Acidität der Zeitpunkt der akuten Infektion eingrenzen. Gelegentlich testet man auch auf IgA-Antikörper. Alle Antikörper können mittels Western-Blot-, ELISA- oder indirekten Immunfluoreszenztests nachgewiesen werden. Manchmal verwendet man auch noch den Hämagglutinations-Hemmungstest (HHT). Sollen mit den Immunglobulinen bestimmte Funktionen assoziiert werden, beispielsweise ihre Fähigkeit, das entsprechende Virus zu neutralisieren, dann wird untersucht, ob die Immunglobuline die Infektion in vitro hemmen können. Hierzu inkubiert man bestimmte Mengen infektiöser Viruspartikel mit den Antikörpern, bevor die Mischung zu den Zellen einer Gewebekultur gegeben wird (䉴 Abschnitt 13.1). Neutralisationstests werden noch routinemäßig für den Nachweis der Antikörper gegen Poliovirus und in der Veterinärvirologie, unter anderem für den Nachweis der Antikörper gegen das Staupevirus, verwendet. Western-Blot und ELISA Die Western-Blot- und ELISA-Tests unterscheiden sich von den in Abschnitt 13.1 beschriebenen in einem Punkt: Vorgegeben ist in diesem Fall das Antigen, das heißt bestimmte Virusproteine oder -partikel. Man trennt sie in SDS-Polyacrylamidgelen auf und überträgt sie auf Nitrocellulosefolien (Western-Blot). Bei den ELISA-Tests lässt man die Proteinpräparationen an das Polystyrol der Mikrotiterplatten oder andere Matrices binden. Die Patientenseren, in denen die fraglichen Antikörper nachgewiesen werden sollen, werden mit den Nitrocellulosestreifen inkubiert beziehungsweise in die Näpfe der Mikrotiterplatten pipettiert. Die Nachweisreaktionen erfolgen auch hier mit enzymgekoppelten, sekundären Antikörpern, die spezifisch den Fc-Anteil von menschlichem IgM- oder IgG erkennen und sich daran binden (䉴 Abbildung 13.2B). Mit ELISA-Tests lässt sich neben der Frage, gegen welches Virusantigen die Antikörper gerichtet
13.2 Spezifische Immunreaktionen zum indirekten Nachweis von Virusinfektionen
sind, auch diejenige nach der Konzentration der Immunglobuline beantworten, da man hier Verdünnungsreihen von Seren untersuchen kann. Bis vor einigen Jahren wurden als Antigenmaterial der WesternBlot- oder ELISA-Tests üblicherweise Viren verwendet, die man in Zellkultur gezüchtet und angereichert hatte. Heute werden hingegen bevorzugt Virusproteine eingesetzt, die mit gentechnischen Methoden produziert werden. Hierzu wählt man virale Antigene, gegen die im Infektionsverlauf virustypspezifische Immunglobuline gebildet werden, welche aber auch konserviert sind und sich somit nicht leicht verändern. Meist handelt es sich um virale Strukturproteine. Die Genabschnitte, die für diese Proteine codieren, werden unter Kontrolle bakterieller Promotoren in E. coli oder in Hefe kloniert und exprimiert. Die Bakterien synthetisieren große Mengen der entsprechenden Virusproteine, die gereinigt und als Antigen in Western-Blot oder ELISA-Tests benutzt werden können. Dieses Vorgehen erwies sich als kostengünstiger und ungefährlicher als die Anzüchtung großer Mengen infektiöser Krankheitserreger. Ist weiterhin bekannt, dass im Infektionsverlauf regelmäßig Antikörper gegen bestimmte Epitope gebildet werden, so kann man diese Proteinabschnitte chemisch als Peptide synthetisieren und als Antigene in ELISA-Tests einsetzen. Der Einsatz von bereits gereinigten Proteinpräparationen macht auch die elektrophoretische Auftrennung der Proteine entbehrlich. Sie werden in diesen Fällen direkt mit einem Pinsel oder Füllfederhalter auf die Membranen aufgebracht. Bei diesen Line-Blot-Tests werden die Folien verwendet, die auch beim Western-Blot Anwendung finden. Indirekte Immunfluoreszenztests Dafür werden in vitro infizierte Kulturzellen auf Objektträger aufgebracht und fixiert. Man gibt die zu untersuchenden Serumverdünnungen hinzu und weist gebundene Antikörper mithilfe von FITC-konjugierten Immunglobulinen nach, die – je nach Fragestellung – gegen IgG oder IgM der zu untersuchenden Spezies gerichtet sind. Testsysteme zum Nachweis der zellulären Immunantwort Seit einigen Jahren versucht man, durch den Nachweis von spezifischen zellulären Immunreaktionen zusätzliche diagnostische oder auch prognostische Daten zu bekommen. Die dazu verwendeten Testsysteme sind im Vergleich zu denjenigen, die zum Nachweis spezifischer Antikörper genutzt werden, wesentlich aufwändiger. Im ersten Schritt müssen die T-Lymphocyten aus dem Blut der Probanden über Dichtegradientenzentrifugation (zum Beispiel Ficoll-Gradienten) oder durch Lyse der Erythrozyten angereichert werden. Die weitere
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Reinigung der unterschiedlichen Zellpopulationen erfolgt durch Bindung an magnetische Kügelchen, die mit spezifischen Antikörpern (beispielsweise gerichtet gegen CD4- oder CD8-Rezeptoren auf der Oberfläche von T-Helferzellen beziehungsweise von cytotoxischen T-Zellen) beladen sind. Alternativ kann man die Zellen mit spezifischen, gegen bestimmte Oberflächenproteine gerichtete Antikörpern beladen und sie anschließend im fluoreszenzaktivierten Zellsorter (FACS) isolieren. Im zweiten Schritt werden die jeweiligen T-Zellpopulationen in Tests analysiert. Neben der intrazellulären Färbung zum Nachweis in der Zelle produzierter Cytokine (ICS) mittels FACS wird der Tetramer-Test verwendet, wenn spezifische T-Zellen nachgewiesen werden sollen, welche Viruspeptide im Komplex mit MHC-Klasse-I Antigenen erkennen. Er beruht auf rekombinant hergestellten MHC-Klasse-Ioder MHC-Klasse-II-Proteinen, die über ihre carboxyterminalen Domänen mit Biotin-Molekülen verbunden sind. Nach ihrer Reinigung inkubiert man die MHCKlasse-I-Proteinpräparationen mit β2-Microglobulin und den Peptiden – im Fall von MHC-Klasse-II-Proteinen nur mit den Peptiden, die von den Antigenen der Viren abstammen, gegen welche man reaktive T-Lymphocyten nachweisen will. Die Peptid-/MHC-/Biotinkomplexe lagern sich im nächsten Schritt an Avidin an, das mit fluoreszierenden Farbstoffen (beispielsweise Fluorescein oder Phycoerythrin) markiert ist und über vier Bindungsstellen für Biotin verfügt. Die fluoreszierenden Avidin-/Biotin-/Peptid-/MHC-Komplexe werden dann mit den gereinigten T-Lymphocyten inkubiert, die aus dem Blut der zu untersuchenden Probanden isoliert wurden (䉴 Abbildung 13.7). Befinden sich in der Zellpräparation aufgrund einer zurückliegenden Infektion T-Zellen, deren T-Zellrezeptoren sich spezifisch an die MHC-Peptid-Komplexe binden, werden die fluoreszierenden Komplexe an die Oberfläche der T-Zellen angelagert; diese kann man quantitativ im fluoreszenzaktivierten Zellsorter nachweisen. Der Lymphocytenproliferations oder -stimulationstest wird zum Nachweis spezifisch reagierender Lymphocytenpopulationen eingesetzt. Man inkubiert die isolierten Lymphocyten mit den fraglichen Antigenen beziehungsweise mit Zellen, welche die Peptidantigene präsentieren. Die Lymphocyten, welche das fragliche Antigen erkennen, beginnen sich zu teilen. Die Proliferation dieser Zellen kann nachgewiesen werden, indem man 3H-Thymidin in das Kulturmedium gibt und den Einbau der radioaktiven Substanz in die Zell-DNA misst. Als Alternative zum Einbau radioaktiver Substanzen kann man die als Folge der Erkennung von den Lymphocyten sezernierten Proteine (beispielsweise bestimmte Interleukine) mittels ELISA im Kulturüberstand oder
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13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen
A Produktion von Tetramer-Molekülen
Rekombinantes HLA-Klasse I Protein
fluoreszenzmarkiertes Streptavidin
Peptid + virales Peptidantigen
Streptavidin +
Biotinylierung +
Tetramerbildung β2m
β2m
Biotin
Biotinylierungssignal
Fluoreszenzfarbstoff 1
B Nachweis epitopspezifischer T-Zellen mittels Durchflusscytometrie T-Zell-Rezeptoren
CD8+ cytotoxische T-Zelle
FACS-Analyse
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Fluoreszenz 1 (Tetramer)
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CD8 + Tetramer +
CD8 Tetramer -
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Fluoreszenz 2 (CD8)
13.7 Schematischer Ablauf des Tetramer-Tests zum Nachweis spezifisch reagierender T-Lymphocyten. A: Produktion der Tetramer Moleküle. Rekombinant produzierte HLA-Klasse-I-Antigene werden an einer carboxyterminal angefügten Biotinylierungsdomäne biotinyliert und mit einem virusspezifischen Peptidantigen (T-Zell spezifisches Epitop) und rekombinant produziertem b2-Microglobulin (b2m) inkubiert. Je vier der biotinylierten HLA-Klasse-I-/Peptid-/ß2Microglobulin-Komplexe binden sich an Streptavidin, welches mit dem Fluoreszenzfarbstoff 1 markiert wurde und bilden „Tetramere“. B: Nachweis virusspezifischer T-Zellen mittels Durchflußcytometrie. CD8+-T-Lymphocyten werden aus dem Blut der Patienten isoliert und mit CD8-spezifischen monoklonalen Antikörpern inkubiert, welche mit einem Fluoreszenzfarbstoff 2 markiert wurden. Die markierten CD8+-T-Zellen werden mit den Tetramerkomplexen inkubiert. Befinden sich unter den T-Lymphocyten des Patienten solche, die das Viruspeptidantigen erkennen, dann lagern sich diese mittels ihres spezifisch bindenden T-Zellrezeptors an die Tetramerkomplexe an. Anhand ihrer Fluoreszenzmarkierung können die T-Zellen mit den komplexierten Tetramerkomplexen mittels FACS-Analyse von solchen ohne Tetramerkomplexe unterschieden und quantifiziert werden.
mittels ELIspot-Tests auf der Ebene einzelner Zellen nachweisen. Der ELIspot-Test dient der quantitativen Bestimmung von Lymphocyten, welche als Folge einer spezifischen Antigenerkennung (beziehungsweise wiederholten Stimulation) bestimmte Proteine (beispielsweise Interleukine, Chemokine oder Antikörper) produzieren und sezernieren. Will man Interleukine oder Chemokine
nachweisen, dann lässt man Antikörper, welche die jeweiligen Proteine spezifisch binden, an das Polystyrolmaterial von Mikrotiterplatten binden; will man spezifische Antikörper nachweisen, dann beschichtet man die Mikrotiterplatten mit den dazu gehörenden Proteinen. Die zu untersuchenden, aus dem Blut der Probanden isolierten Lymphocyten, werden in die Näpfe der Mikrotiterplatte gegeben, sodass sie auf dem Boden eine
13.3 Wichtige neue Methoden zum Virusnachweis
dünne Schicht bilden. Während einer Inkubationsphase bei 37 °C sezernieren die Lymphocyten die fraglichen Produkte, welche sich an die Interleukin-spezifischen Antikörper beziehungsweise die Proteinantigene am Plattenboden binden. Im Anschluss daran werden die Lymphocyten entfernt und die Platten gewaschen. Es wird eine Schicht halbfesten Agars zugegeben, der Farbstoff-markierte Antikörper enthält, welche die gebildeten Komplexe erkennen. Jeder die fraglichen Interleukine beziehungsweise Antikörper produzierenden Lymphocyten wird so in einem farblich erkennbaren Punkt auf dem Plattenboden abgebildet. Die Auszählung erfolgt meist mittels entsprechender automatisierter Kamera- und Auswertungssysteme.
13.3 Welche wichtigen neuen Methoden zum Virusnachweis sind in den letzten Jahren entwickelt worden? Multiplex-Reaktionen und Genotypisierung Im Gegensatz zum allgemeinen Nachweis bakterieller Infektionen, beispielsweise über die Amplifikation der bakteriellen 16S-rRNA, steht für den Nachweis viraler Infektionen kein genereller Suchtest zur Verfügung. Dies bedeutet, dass gezielt nach jedem einzelnen möglichen Erreger gesucht werden muss. Wünschenswert bezüglich Praktikabilität und Kosten wäre eine Lösung, mehrere Viren mittels einer Polymerasekettenreaktion nachzuweisen. Ideal wäre es, wenn alle denkbaren Erreger für Durchfall oder Hirnhautentzündung so in einem Ansatz aufgespürt werden könnten. Das Prinzip der MultiplexPCR trägt dem Rechnung: Hier mischt man mehrere Primerpaare und Sonden zusammen. In aller Regel geht diese Vorgehensweise allerdings mit einem Sensitivitätsverlust einher. Eine elegantere Lösung ist es, wenn mit einem Primerpaar eine konservierte Region amplifiziert werden kann, in der dann durch eine ausreichende Zahl von Sequenzunterschieden über unterschiedliche Sonden die Bestimmung von Sub- oder Genotypen möglich ist. Dieses Prinzip wird erfolgreich bei der Bestimmung der hoch- und niedrigmalignen Subtypen der humanen Papillomaviren eingesetzt. Basierend auf der Microarray-Chip-Technologie arbeitet man derzeit auch an der Entwicklung von miniaturisierten Chip-Tests für die virale Diagnostik.
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Resistenztests Bei der Behandlung der persistierenden Virusinfektionen, beispielsweise mit humanen Immundefizienzviren, Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren, Herpes-simplex- oder Cytomegaloviren, ist man mit dem Problem der Entwicklung von resistenten Viren konfrontiert. Hierbei ist es oft wichtig, gezielt nach dem Vorliegen von bekannten, die jeweilige Resistenz vermittelnden Mutationen zu suchen. Beim humanen Immundefizienzvirus setzte man zunächst phänotypische Testverfahren ein, in denen das Virus des Patienten angezüchtet und in Zellkultur auf Empfänglichkeit gegen die entsprechenden Medikamente untersucht wurde. Danach versuchte man, die zu testenden Gene in rekombinante Viren einzufügen. Praktikabler ist es aber, den vorliegenden Genotyp der Viren zu bestimmen, zum Beispiel mittels Polymerasekettenreaktion und nachfolgender Sequenzierung. Beim humanen Immundefizienzvirus untersucht man so die Gene für den Reverse-Transkriptase-Komplex und die virale Protease. Infolge der zunehmenden Prävalenz von bereits resistenten Viren bei Neuinfektionen kann dies auch vor der erstmaligen Therapie wichtig sein. Biosensoren In den letzten Jahren werden Biosensoren vermehrt als schnelle und empfindliche Testsysteme zum Nachweis der verschiedensten Stoff- und Molekülklassen diskutiert und erprobt. Die Immunsensoren ermöglichen dabei die Messung sich spezifisch ausbildender Antigen-Antikörper-Komplexe; sie basieren auf unterschiedlichen Prinzpien, die hier nur kurz angesprochen werden können. Für den Einsatz als chemische Sensoren in Flüssigkeiten, beispielsweise Seren, scheinen heute vor allem Volumenschwinger geeignet zu sein. Zu ihnen gehören die Schwingquarze, die auf einer speziell behandelten Oberfläche – je nach Testprinzip – mit antigenen Proteinen oder monoklonalen Antikörpern beschichtet werden. Legt man an diese Quarze eine elektrische Wechselspannung an, dann wird der Kristall zu elastischen Schwingungen angeregt, deren Amplitude ein Maximum erreicht, wenn die elektrische Frequenz mit einer der mechanischen Eigenfrequenzen des jeweiligen Quarzes übereinstimmt. Diese Schwingungen lassen sich mit den entsprechenden Messsystemen erfassen. Gibt man nun einen mit Antigenen beschichteten Quarzkristall in eine Lösung, die spezifisch bindende Antikörper enthält, dann lagern sich diese an seine Oberfläche an und verändern seine Masse. Dadurch verändert sich die Schwingfrequenz und zeigt so einen positiven Antikörpernachweis an. Neben diesen piezoelektrischen Immunsensoren wird versucht, Messtechniken zu entwickeln, deren Funktionsweise derjenigen von potenziometrischen Elektroden gleicht, die also Ähnlichkeit zu pH-Messgeräten haben. In diesem Fall zielt man
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13 Labormethoden zum Nachweis von Virusinfektionen
darauf ab, die Veränderung des Potenzials zu bestimmen, die bei Ausbildung der Antigen-Antikörper-Komplexe auf einer dünnen, equilibirierten Silicagelschicht an der Oberfläche der pH-Glasmembran entsteht. Eine Untergruppe der potenziometrischen Immunsensoren sind die ionensensitiven Feldeffekttransistoren (ISFET), die von allen erwähnten Systemen die schnellste Ansprechzeit (nur einige Sekunden) haben und daher äußerst schnelle Messungen ermöglichen sollen.
13.4 Weiterführende Literatur Becker, Y.; Darai, G. PCR: Protocols for Diagnosis of Human and Animal Virus Disease. Berlin, Heidelberg, New York (Springer) 1995. Camman, C.; Lembke, U.; Rohen, A.; Sander, J.; Wilken, H.; Winter, B. Chemo- und Biosensoren – Grundlagen und Anwendungen. In: Angewandte Chemie 103 (1991) S. 519–549. Cass, A. E. G. Biosensors. A Practical Approach. Oxford (IRL Oxford University Press) 1991. Haller, O. A.; Mertens, T. Diagnostik und Therapie von Viruserkrankungen, Leitlinien der Gesellschaft für Virologie (GfV). München (Urban & Fischer) 2002. Lenette, E. H. Laboratory Diagnosis of Viral Infection. 3. Aufl. New York (Marcel Dekker Inc.) 1999.
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B Spezieller Teil
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung Heute sind acht Virusfamilien bekannt, deren Vertreter eine einzelsträngige RNA in Plusstrangorientierung besitzen: Die Picornaviridae, Caliciviridae, Astroviridae und Hepeviren verfügen über Capside, die keine Hüllmembran aufweisen, wohingegen die Flaviviridae, Togaviridae, Arteriviridae und Coronaviridae durch membranumhüllte Partikel gekennzeichnet sind. Allen gemeinsam ist, dass sie ihre Genome als mRNA verwenden und davon ein oder mehrere Polyproteine synthetisieren, die im weiteren Verlauf durch virale oder auch zelluläre Proteasen in Einzelkomponenten gespalten
14.1 Picornaviren
werden. Die Viren verfügen über eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, welche die Plusstrang-RNA sowie die als Zwischenprodukte der Replikation auftretenden Negativstränge übersetzt; dabei gehen die neuen genomischen RNA-Moleküle aus dem zweiten Transkriptionsschritt hervor. Die Einteilung in die unterschiedlichen Familien richtet sich nach Zahl, Größe, Lage und Orientierung der Virusgene auf der RNA, nach der Anzahl der unterschiedlichen Polyproteine, die während der Infektion synthetisiert werden, und nach dem Vorhandensein einer Hüllmembran als Teil der Virionen.
Die ersten Vertreter der Picornaviren wurden 1898 entdeckt: Friedrich Loeffler und Paul Frosch beschrieben damals den Erreger der Maul- und Klauenseuche als filtrierbares Agens und wiesen so als erste die Existenz von tierpathogenen Viren nach. 1909 veröffentlichten Karl Landsteiner und Emil Popper einen Artikel, in dem sie den Erreger der Kinderlähmung, einer 1840 erstmals von Jacob von Heine und später von Oskar Medin beschriebenen Erkrankung, als Virus identifizierten. Dass diese Viren in Kulturen aus menschlichen embryonalen Geweben die Entstehung eines cytopathischen Effekts auslösen, zeigten 1949 John F. Enders, Thomas H. Weller und Frederick C. Robbins, doch die Charakterisierung als Poliomyelitisvirus (Poliovirus) erfolgte erst 1955 durch Herdis von Magnus und Mitarbeiter. 1947 entdeckte Gilbert Dalldorf die Coxsackieviren, als er neugeborene Mäuse mit virushaltigem Material infizierte und bei den Tieren Lähmungen beobachtete. Sie sind nach dem Ort im US-Bundesstaat New York
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
benannt, wo sie aus einem Patienten isoliert wurden. Aufgrund unterschiedlicher Charakteristika der Lähmungen, die sie nach experimenteller Infektion in neugeborenen Mäusen verursachen, wurden sie in die Gruppen A und B unterteilt. Neben diesen fand man weitere humanpathogene Picornaviren, die im Unterschied zu den Coxsackieviren in neugeborenen Mäusen keine Lähmungserscheinungen hervorrufen, sie jedoch in einigen Tagen töten: Die Echo- und Parechoviren. Das namensgebende Kürzel „echo“ stand für einige Eigenschaften dieser Viren: enteric, cytopathogenic, human, orphan virus; der letzte Begriff weist darauf hin, dass man damals keine Erkrankung mit der Virusinfektion in Zusammenhang bringen konnte. Die von ihnen verursachten vielgestaltigen Erkrankungsbilder wie Durchfall, Hautausschläge und in seltenen Fällen auch Gehirnund Hirnhautentzündungen wurden erst später entdeckt. Ein anderes humanpathogenes Picornavirus wurde erst sehr spät als solches charakterisiert: Das HepatitisA-Virus als Erreger einer Form der epidemischen Leberentzündung, für das der Genusbegriff der Hepatoviren geschaffen wurde. Epidemiologisch und diagnostisch konnte die Hepatitis A schon frühzeitig von der Hepatitis B abgegrenzt werden. Der elektronenmikroskopische Nachweis des Hepatitis-A-Virus erfolgte 1973 durch Stephen M. Feinstone und Kollegen. Erst 1979 gelang Philip Provost und Maurice Hilleman die erfolgreiche Kultivierung dieses Virus, 1982 wurde es den Picornaviren zugeordnet. Neben den bisher genannten Erregern gibt es auch Vertreter der Picornaviren, die den Menschen sehr häufig befallen: Die Rhinoviren als Verursacher des Schnupfens.
14.1.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Familie der Picornaviridae umfasst eine große Anzahl von Virusgruppen und -typen (䉴 Tabelle 14.1). Sie können beim Menschen völlig unterschiedliche, zum Teil sehr schwerwiegende Erkrankungen auslösen. Der Name Picorna ist eine Abkürzung und weist auf zwei molekulare Eigenschaften der Virusfamilie hin: Zusammengefasst werden hier nämlich kleine (pico für „klein“) Viren mit einem RNA-Genom. Die Unterteilung der Picornaviren erfolgt entsprechend ihrer molekularbiologischen Charakteristika sowie der von ihnen verursachten Erkrankungen in neun Genera, nämlich Entero-, Parecho-, Hepato-, Cardio-, Tescho-, Kobu-, Rhino-, Aphtho- und Erbovirus. Die beiden Genera Enterovirus und Rhinovirus enthalten eine Vielzahl unterschiedlicher
Virusspezies und -typen, die sowohl Menschen wie Tiere infizieren. Die über 70 bekannten humanpathogenen Vertreter des Genus Enterovirus wurden aufgrund von jüngeren Daten, die auf Sequenzanalysen der Virusgenome beruhen, neu geordnet: Heute unterteilt man sie in fünf Spezies, nämlich die Polioviren sowie die humanen Enteroviren A bis D. Sie unterscheiden sich durch bestimmte molekulare Charakteristika (beispielsweise unterscheiden sich die humanen Enteroviren A und B von den humanen Enteroviren C und D durch bestimmte Sequenzelemente in der 5’-NTR) und/oder Infektionsverläufe. So sind die Polioviren den humanen Enteroviren C sehr ähnlich, unterscheiden sich aber von diesen durch ihre Eigenschaft, in den Infizierten die Symptome einer Poliomyelitis zu verursachen. Die Genomsequenzierungen zeigten, dass viele der unterschiedlichen Typen der Coxsackie-, Entero- und Echoviren durch genetische Rekombinationsereignisse unterschiedlicher Enteroviren entstanden sind. So ist das tierpathogene Swine-Vesicular-Disease-Virus eine Rekombinante aus den Genomen des humanen Coxsackievirus B5 – von diesem leitet sich der für die Strukturproteine codierende Genomteil ab – und des Echovirus 9, welches die Sequenzen für die Nichtstrukturproteine weitergab. Das Aichivirus, ein Vertreter des Genus Kobuvirus, ist als Erreger von gastrointestinalen Infektionen des Menschen vor allem auf dem asiatischen Kontinent verbreitet. Das Genus Rhinovirus umfasst die Spezies der humanen Rhinoviren A und B. Die Unterteilung beruht auf Unterschieden der Aminosäuresequenzen in den Capsidproteinen; zusätzlich wurde eine weitere Spezies, Rhinovirus C, vorgeschlagen. Ein Großteil der heute bekannten Typen wurde aber noch keiner dieser beiden Spezies zugeordnet. Die Genera der Cardio-, Tescho-, Erbo- und Aphthoviren enthalten vor allem tierpathogene Picornaviren, die zum Teil als Tierseuchenerreger von erheblicher Bedeutung in der Tierzucht und der Lebensmittelmitteltechnologie sind, wie die Maul-und-Klauenseuche-Viren, die dem Genus Aphthovirus zugeordnet werden. Weltweit kann man bis heute sieben Serotypen unterscheiden. Der Name dieser Viren weist auf die Bläschen (Aphthen) hin, die im Infektionsverlauf auf den Schleimhäuten der infizierten Tiere entstehen. Neben dieser taxonomischen Einteilung kann man die Picornaviren in zwei große Untergruppen unterteilen, deren molekulare Eigenschaften eng mit der Pathogenese verknüpft sind: nämlich in säurestabile Erreger, die das im Magen vorliegende saure Milieu ohne Einbußen der Infektiosität überstehen können und die deshalb – wie die Entero-, Parecho-, Hepato-, oder Teschoviren – den Organismus bevorzugt über den Verdauungstrakt infizieren, und in säurelabile Typen, deren Infektion sich
14.1 Picornaviren
147
Tabelle 14.1 Charakteristische Vertreter der Picornaviren Genus
Mensch
Tier
Enterovirus
Poliovirus (Typ 1-3) humane Enteroviren A* Coxsackievirus A2-8, 10, 12, 14, 16; humane Enteroviren 71, 76 humane Enteroviren B* Coxsackievirus A9 ; Coxsackievirus B1-6; humane Echoviren 1-7, 9, 11-21, 24-27, 29-33 humane Enteroviren 69, 73-75, 77, 78 humane Enteroviren C* Coxsackievirus A1, 11, 13, 15, 17-22, 24 humane Enteroviren D* humane Enteroviren 68, 70 humanes Enterovirus 78 humane Enteroviren, nicht klassifiziert (> 50 Typen)
bovine Enteroviren* bovine Enteroviren 1, 2 porcine Enterovirus A* porcines Enterovirus 8 porcine Enterovirus B* porcine Enteroviren 9, 10 Swine-Vesicular-Disease-Virus Simian-Enterovirus Simian-Enterovirus 1-20
Parechovirus
humane Parechoviren 1, 2* humane Echoviren 22, 23
Ljunganvirus (Nager)
Hepatovirus
Hepatitis-A-Virus
Hepatitis-A-Virus der Affen
Cardiovirus
humanes Vilyuisk-Encephalomyelitis-Virus
Theilovirus (Theilers Encephalomyelitisvirus der Maus) Encephalomyocarditisvirus der Maus (Mengovirus)
Teschovirus
porcine Teschoviren* porcine Enteroviren 1-7, 11-13
Kobuvirus
Aichivirus
Rhinovirus
humane Rhinoviren A* bovine Rhinoviren (3 Typen) humane Rhinoviren 1A, 1B, 2, 7, 9, 11, 15, 16, 21, 29, 36, 39, 49, 50, 58, 62, 65, 85, 89 humane Rhinoviren B* humane Rhinoviren 3, 14, 72 humane Rhinoviren C** humane Rhinoviren A2 humane Rhinoviren, nicht klassifiziert (> 80 Typen)
Aphthovirus
Maul-und-Klauenseuche-Virus (Typ O, A, C, SAT1-3, Asia 1) equines Rhinitis-A-Virus
Erbovirus
equines Rhinitis-B-Virus (equines Rhinovirus 2)
* In fett gedruckten Buchstaben sind die neuen taxonomischen Bezeichnungen angegeben, darunter die alten, zum Teil noch immer gebräuchlichen Isolatnamen. ** Als eigene Spezies vorgeschlagen.
bevorzugt im Hals-Nasen-Rachen-Raum manifestiert, wie die Vertreter der Rhino-, Aphtho- und Erboviren.
14.1.2 Aufbau Viruspartikel Alle Picornaviren haben einen sehr ähnlichen Aufbau: Es handelt sich um ikosaedrische Nucleocapside mit einem Durchmesser von circa 30 nm; sie sind nicht von
einer Membranhülle umgeben. Die Capside bestehen aus vier Virusproteinen: VP1, VP2, VP3 und VP4. Gelegentlich findet sich ein fünftes Polypeptid in unregelmäßigen Mengen; es wird als VP0 bezeichnet und stellt den Vorläufer der Komponenten VP2 und VP4 dar, die erst bei der Virusreifung durch proteolytische Spaltung entstehen. Vor allem bei den Parechoviren wird VP0 kaum gespalten, daher enthalten ihre Partikel große Mengen des Vorläufers. Da die Partikelstruktur von etlichen Picornaviren durch Röntgenbeugungsanalyse geklärt wurde, ist die Anordnung der verschiedenen viralen
14
14
148
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Strukturproteine in den Partikeln sehr gut bekannt. Die Virionen bestehen aus je 60 Einheiten der Proteine VP1, VP2, VP3 und VP4, wobei VP4 an der Innenseite der Partikel lokalisiert und mit dem RNA-Genom assoziiert
ist. Das VP4 der Hepatoviren ist sehr klein (21 bis 23 Aminosäuren); sein Vorhandensein im Virion ist in diesem Fall nicht endgültig geklärt. VP1, VP2 und VP3 bilden die Oberflächen des Ikosaeders (䉴 Abbildung 14.1). Die Virionen der Entero-, Parecho-, Kobu-, Cardio-, Tescho- und Hepatoviren sind sehr stabil, eine saure Umgebung mit einem pH-Wert von drei und darunter beeinträchtigt sie nicht. Das lässt den Schluss zu, dass bei diesen Virustypen eine sehr enge Wechselwirkung der verschiedenen Capsidproteine im Partikel vorliegen muss. Auch besitzen diese Viren eine sehr hohe Resistenz gegenüber Detergenzien. Sogar als freie Viruspartikel können sie in der Umwelt relativ lange überdauern.
Genom und Genomaufbau Die virale Nucleinsäure ist mit Aminosäuren an der Innenseite des ikosaedrischen Partikels assoziiert. Sie besteht aus einzelsträngiger RNA. Das Genom ist zwi-
14.1 A: Aufbau eines Picornaviruspartikels. Die Lage der Capsidproteine VP1, VP2 und VP3 ist schematisch dargestellt. VP4 ist an der Innenseite des Capsids lokalisiert und nicht an der Oberfläche exponiert. Die Lage des Vorläuferprodukts für VP1, VP2 und VP3, des Protomers, ist durch den grau schattierten Bereich angedeutet. Die sogenannten Canyons, die als grabenartige Vertiefungen auf der Partikeloberfläche die Ikosaederecken umgeben, sind rot angedeutet. B: Struktur der Capsidproteine VP1, VP2 und VP3 des Poliovirus. Mit der Bezeichnung RVC (RNA virus capsid domain) ist das in allen Proteinen ähnliche, keilförmige Faltungsmuster der Proteine aus acht antiparallelen β-Faltblättern schematisch dargestellt. Die einzelnen β-Faltblätter sind durch Pfeile repräsentiert; sie werden mit großen Buchstaben bezüglich ihrer Reihenfolge im Protein bezeichnet. Die α-helikalen Regionen sind durch Zylinder angedeutet. Die Strukturen der Proteine VP1, VP2 und VP3 sind durch Bändermodelle dargestellt. Die Zahlen beziehen sich auf die Aminosäurepositionen, gerechnet ab dem aminoterminalen Ende des jeweiligen Capsidproteins. Die α-Helices sind in diesen Fällen durch die spiralenartige Faltung der Bänder angedeutet. Um das gemeinsame Strukturmotiv besser zu erkennen, wurden die amino- und carboxyterminalen Enden der Proteine nicht mit in die Darstellung aufgenommen. (Aus: Rotbart, H. A. (Hrsg.) Human Enterovirus Infections Washington (American Society for Microbiology) 1995. S. 163).
14.1 Picornaviren
149
C
14.1 (Fortsetzung) C: Schematische Darstellung der Struktur des Canyons des humanen Rhinovirus Typ 14 und seine Wechselwirkung mit dem zellulären Rezeptor ICAM-1. Die Strukturen der Capsidproteine VP1 (rot) und VP2 (hellrot) sind als Bändermodell dargestellt, die antiparallelen β-Faltblätter sind durch Pfeile repräsentiert und mit Großbuchstaben bezeichnet. Als Grundlage für die Modellierung der Struktur der Rezeptordomäne D1 vom ICAM-1 (grau) wurde die Kristallstruktur der aminoterminalen Region des CD4-Moleküls verwendet, das über große Bereiche zu ICAM-1 homolog ist (nach Olson, N. H. et al. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 90 (1993) S. 507–511).
schen 7 212 (humanes Rhinovirus B; Typ 14) und 8 450 Basen (Maul-und-Klauenseuche-Virus) lang (䉴 Tabelle 14.2). Die RNA besitzt Plus-(Positiv-)Strangorientierung, die Virusproteine können demnach ohne einen Zwischenschritt von der RNA translatiert werden. Das 3’Ende der genomischen RNA ist polyadenyliert; die Sequenzfolge von etwa 60 Adenylatresten ist im Virusgenom codiert. An das 5’-Ende ist kovalent ein kleines, viruscodiertes Protein (Vpg = virales Protein, genomas-
soziiert) gebunden. Dieses Vpg ist bei Polio- und weiteren Enteroviren 22, bei Hepatitis-A- und Rhinoviren 23 Aminosäuren lang. Über die OH-Gruppe am Phenolring eines Tyrosinrestes an Position 3 ist es mit der Phosphatgruppe des Uridinrestes am 5’-Ende des Genoms verestert. Das Genom der Picornaviren enthält einen einzigen, großen offenen Leserahmen, der für ein Vorläuferprotein codiert (䉴 Abbildung 14.2). Dieses experimentell nicht
Tabelle 14.2 Genome verschiedener Picornaviren im Vergleich Virus
Genomlänge (Basen)
5’-NTR* (Basen)
Polyprotein (Aminosäuren)
3’-NTR* (Basen)
Poliovirus, Typ 1
7433
740
2 207
72
humanes Enterovirus B (Coxsackievirus B3)
7400
741
2185
100
Hepatitis-A-Virus
7478
733
2 227
64
Rhinovirus (Typ 14)
7 209
624
2178
47
Maul-und-Klauenseuche-Virus
8 450
1199°
2 332
87
* 5’-NTR/3’-NTR = nichttranslatierter Bereich am 5’- beziehungsweise 3’-Ende des Genoms. ° enthält einen Poly(C)-Abschnitt von 100–170 Basen, je nach Virusisolat.
14
14
150
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Translation IRES Replikation Cloverleaf
5000
1000
7433 Basen
741
RNA 1 5´ VPg
AAA 3´
Leserahmen Translation P2
P1 (Protomer) Polyprotein NH2- 1A 1
1B
1D
1C
2A
2B
P3
2C
3A3B 3C
Nichtstrukturproteine
Capsidproteine
-COOH
3D
2207 AS
Abspaltung des Protomers
1A Myristylierung
1B
1C
1D
2A 2B
3CD
2C
3A 3B 3C
3D
3C 3C- und 3CD-abhängige Spaltung
VP0
VP3
VP1
2A
2B
Protease
Myristylierung Virusreifung
2C
3A 3B
3C
3D
Vpg Protease RNA-abhängige RNA-Polymerase
VP4 VP2 Myristylierung
14.2 Aufbau des RNA-Genoms von Picornaviren am Beispiel des Poliovirus Typ 1. Das virale RNA-Genom besitzt am 5’-Ende ein kovalent gebundenes Protein Vpg, am 3’-Ende ist es polyadenyliert. Benachbart zum Vpg befinden sich am 5’-Ende RNA-Sequenzfolgen, welche eine kleeblattähnliche Sekundärstruktur (cloverleaf) bilden und für die Replikation des Genoms essenziell sind. IRES bezeichnet die internal ribosomal entry site, diese Sequenzfolgen sind für die Bindung der Ribosomen an das virale RNA-Genom notwendig. Der einzige Leserahmen codiert für ein großes Polyprotein, das durch die Aktivität der Proteasen 2A und 3CD beziehungsweise 3C in die verschiedenen Komponenten – die Struktur- und Nichtstrukturproteine sowie die Enzyme – gespalten wird. Die Regionen der Proteasen sind rot dargestellt, die Pfeile geben die von ihnen durchgeführten Spaltungen an.
fassbare Polyprotein wird noch während seiner Synthese proteolytisch in die verschiedenen viralen Komponenten – Struktur- und Nichtstrukturproteine sowie die viralen Enzyme – gespalten. Zwischen dem Vpg-Protein am 5’-Ende des Genoms und dem Startcodon für die Translation des Vorläuferproduktes befindet sich ein nichttranslatierter Sequenzabschnitt (5’-NTR), der zwischen 412 (beim porcinen Teschovirus 1), 624 (bei Rhinoviren) und 1 199 Nucleotide (beim Maul-undKlauenseuche-Virus) einnehmen kann. Diese nichtcodierenden Nucleotide liegen zu einem hohen Prozentsatz in intramolekularer Basenpaarung vor. Der Basenabschnitt am 5’-Ende besitzt also eine ausgeprägte Sekundärstruktur (䉴 Abbildung 14.3). Die dem 5’-Ende direkt folgenden 88 Basen bilden eine Sekundärstruktur,
die einem Kleeblatt ähnelt; sie ist während der Genomreplikation an der Initiation neuer RNA-Plusstränge beteiligt. Der diesem clover leaf folgende Sequenzabschnitt hat die Aktivität einer internal ribosomal entry site (IRES) und erlaubt die Bindung von Ribosomen unabhängig von der 5’-Cap-Struktur, wie sie gewöhnlich am 5’-Ende eukaryotischer mRNA-Moleküle vorliegt. Mutationen in diesem Sequenzbereich können die Translatierbarkeit der RNA und die Virulenz stark beeinflussen. Zwischen dem Stoppcodon für das Polyprotein und dem Poly(A)-Anteil am 3’-Ende des Genoms befindet sich ein kurzer, ebenfalls nichttranslatierter Sequenzabschnitt, der beim Rhinovirus 47 und beim Coxsackievirus 100 Basen umfasst.
14.1 Picornaviren
14.1.3 Virusproteine Polyprotein Der offene Leserahmen auf dem Picornavirusgenom codiert für ein sehr großes, durchgehendes Polyprotein, das bei allen Virustypen mehr als 2 100 Aminosäurereste umfasst. In seiner Sequenz sind alle Proteine und Funktionen enthalten, die das Virus für den erfolgreichen Ablauf einer Infektion benötigt. Die Anordnung der Proteine im Vorläuferprodukt ist bei allen Picornavirustypen gleich (䉴 Abbildung 14.2). Man teilt das Polyprotein in drei Bereiche (1 bis 3) ein; die Proteine, die durch Spaltung daraus entstehen, ordnet man mit großen Buchstaben den jeweiligen Abschnitten zu. Im aminoterminalen Bereich befinden sich die Vorläufersequenzen der viralen Capsidproteine (1A bis 1D); in der Mitte des Polyproteins befinden sich die Nichtstrukturproteine 2A bis 2C, die wichtige Funktionen für die Anpassung des Virus an den Zellstoffwechsel haben. Aus den carboxyterminal orientierten Regionen 3A bis 3D werden im weiteren Verlauf die enzymatisch aktiven Komponenten und einige weitere Nichtstrukturproteine gebildet. Gewöhnlich entstehen aus dem Polyprotein elf virale Proteine. Bei Aphtho-, Erbo-, Kobu-, Tescho- und Cardioviren befindet sich am aminoterminalen Ende zusätzlich ein kurzes Leader-Protein (L-Protein), das im Falle des Mengovirus 67 Aminosäuren lang ist. Beim Maul-und-Klauenseuche-Virus enthält das L-Protein 205 Reste und besitzt proteolytische Aktivität. In diesen Fällen beginnt das Polyprotein also nicht mit den Sequenzen der Strukturproteine, sondern mit dem LProtein. Bei den meisten Picornaviren schließt sich an den Bereich der Strukturproteine im Polyprotein eine Aminosäuresequenzfolge mit proteolytischer Aktivität (2A-Protease) an. Die 2A-Protease entfaltet ihre Aktivität cotranslational. Bei den Entero- und Rhinoviren wird die Aminosäurekette zwischen dem Ende der Capsidproteine und dem Beginn der 2A-Protease autokatalytisch geschnitten. Der aminoterminale Teil des Vorläuferproteins wird von dem noch nicht fertig translatierten carboxyterminalen Bereich abgespalten und bildet das Protomer, den Vorläufer der Strukturproteine. Bei den Aphtho-, Erbo- und Cardioviren erfolgt die autokatalytische Spaltung durch die 2A-Protease nicht vor den eigenen Sequenzen, sondern im Anschluss daran; folglich enthält das entstehende Produkt das Protomer und die Protease. Bei den Hepato- und Parechoviren wirkt das 2A-Protein nicht als Protease, sondern entfaltet seine Funktion spät im Infektionszyklus bei der Bildung neuer Capside. Die Abspaltung des Strukturproteinanteils erfolgt durch die 3C-Protease am Übergang zwischen den 2A- und 2B-Abschnitten. Die Eigen-
151
schaften und Funktionen der Proteine, die bei den verschiedenen Picornaviren durch die Spaltung des Polyproteins entstehen, sind in 䉴 Tabelle 14.3 zusammengefasst.
Strukturproteine Das Protomer umfasst die Aminosäuren der Capsidproteine, die in der Reihenfolge 1A, 1B, 1C und 1D angeordnet sind; sie entsprechen den Strukturproteinen VP4, VP2, VP3 und VP1. Am aminoterminalen Ende wird das Protomer an einem Glycinrest durch Anhängen eines Myristinsäurerestes durch zelluläre Enzyme modifiziert. Bei den Aphtho-, Erbo-, Kobu-, Teschound Cardioviren ist hierfür die vorherige Entfernung des L-Proteins notwendig, das dabei autokatalytisch selbst als Protease wirkt. Bei den anderen Picornavirustypen wird das aminoterminale Methionin abgespalten. Die Myristylierung bleibt während der nachfolgenden Spaltungen erhalten und ist auch im VP4-Protein nachweisbar. Eine Ausnahme stellt das Hepatitis-A-Virus dar: Hier fand man bisher keine Modifikation des aminoterminalen Endes des Protomers mit einem Fettsäurerest. An der Prozessierung des Capsidvorläuferproteins zu den Einzelkomponenten VP0, VP3 und VP1 ist eine virale Protease, die 3C-Protease, aktiv beteiligt. Dieses Enzym befindet sich in der carboxyterminal orientierten Region des Polyproteins und entfaltet seine Aktivität relativ spät. Bereits vor der Spaltung ist das Protomer in die Domänen vorgefaltet, die den vier Capsidproteinen entsprechen. Im Verlauf der Prozessierung falten sich diese jedoch weiter um, und es entstehen die Proteinstrukturen, die man in den infektiösen Viruspartikeln findet. Die Spaltung des VP0-Anteils in VP4 und VP2 erfolgt erst im Verlauf der Virusreifung; die hierfür nötige proteolytische Aktivität befindet sich in der carboxyterminalen Domäne des VP0-Proteins in den Sequenzen, die den VP2-Abschnitt enthalten. Ein Serinrest an Position 10 des VP2-Proteins, der sich nahe der späteren Spaltstelle VP4/VP2 befindet und in vielen Picornaviren konserviert ist, scheint dieser Domäne die Aktivität einer Serinprotease zu verleihen, welche die autokatalytische Spaltung vollzieht. Für die enzymatische Aktivität ist allerdings zusätzlich die enge Wechselwirkung des VP0-Proteins mit dem viralen RNAGenom im unreifen Partikel nötig. Man vermutet, dass für die erfolgreiche proteolytische Spaltung eine Base des Genoms als Protonendonor mit den Aminosäuresequenzen zusammenwirken muss. Deshalb wird dieses Enzym erst spät, nämlich in dem genomhaltigen, von der infizierten Zelle bereits freigesetzten, aber noch unreifen Viruspartikel aktiviert. Beim Hepatitis-A-Virus unterscheidet sich die proteolytische Spaltung der
14
14
152
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Strukturproteine: Hier entsteht ein Protomer, das zusätzlich zu den Capsidproteinen die Domäne des 2AAnteils umfasst. Die 3C-Protease schneidet das Protomer an den Übergängen der VP2-/VP3- und der VP3-/ VP1-Abschnitte, erkennt jedoch nicht die Spaltstelle
zwischen dem VP1- und dem 2A-Anteil. Dieses VP1-/ 2A-Protein – auch pX genannt – wird erst spät im Infektionszyklus bei Morphogenese der neuen Hepatitis-AViruspartikel durch eine noch nicht charakterisierte zelluläre Protease gespalten.
Tabelle 14.3 Eigenschaften der Proteine der Picornaviren im Vergleich Protein Poliovirus
Coxsackievirus
Hepatitis-AVirus
Rhinovirus
Maul-undKlauenseucheVirus
Modifikation
Funktion
Anzahl der Aminosäuren Leader
–
–
–
–
205
Protease, bewirkt autokatalytisch die Abspaltung vom Protomer; induziert die Degradierung des eIF-4G
VP4
69
69
23
69
81
myristyliert Strukturprotein; im Partikelinneren; (nicht bei interagiert mit RNA Hepatitis-A-Virus)
VP2
271
261
222
262
218
Strukturprotein
VP3
238
238
246
236
221
Strukturprotein
VP1
302
284
274
290
212
Strukturprotein
2A
149
147
71
145
16
1. Entero-, Rhinoviren: Protease; spaltet das Protomer vor der 2A-Domäne vom Polyprotein Aphtho-, Erbo-, Cardioviren: Protease; spaltet das Protomer nach der 2A-Domäne vom Polyprotein; bewirkt Degradierung des eIF-4G 2. Hepato-, Parechoviren: keine Protease; aktiv bei Morphogenese
2B
97
99
215
97
154
2C
329
329
335
330
317
3A
87
89
74
85
154
3B
22
22
23
23
3C
182
183
219
182
214
Protease, führt alle Spaltungen im Polyprotein durch außer VP0 zu VP4 und VP2 sowie Protomerabspaltung
3D
461
462
489
460
470
RNA-abhängige RNA-Polymerase
23/24
beeinflusst Wirtsspezifität und Immunabwehr; porenbildendes Protein NTP-Bindung
ATPase; RNA-Helicase; Initiation der RNA-Synthese; Chaperon für die Bildung von Ribonucleoproteinkomplexen? hydrophober Teil zur Verankerung des 3AB-Vorläufers in der Membran; beeinflusst Uridinylierung des Vpg
uridinyliert
Die Reihenfolge der aufgeführten Proteine in der Tabelle entspricht ihrer Anordnung im Polyprotein.
Vpg, kovalent an das 5'-Ende des Genoms gebunden
14.1 Picornaviren
VP1, VP2 und VP3 bilden die Seitenflächen des ikosaedrischen, infektiösen Viruspartikels. Die Röntgenstrukturanalyse verschiedener Picornaviren ergab, dass diese Proteine sowohl untereinander, als auch bei den unterschiedlichen Virustypen ein sehr ähnliches Faltungsmuster besitzen: Sie bestehen aus acht antiparallel angeordnete b-Faltblattstrukturen, die durch Aminosäureschleifen miteinander verbunden und so angeordnet sind, dass die einzelnen Proteine einen keilförmigen Aufbau bekommen (䉴 Abbildung 14.1B). Da sich diese Proteinstruktur als allgemeingültiges Faltungsmuster bei Capsidproteinen von kleinen RNA-Viren mit ikosaedrisch aufgebauten Partikeln erwies, bezeichnete man sie als RVC-Domäne (RNA virus capsid domain). Die acht β-Faltblätter bilden die Seitenwände der konservierten, keilförmigen Proteinstruktur. Die verbindenden Proteinschleifen weisen hinsichtlich Länge und Sequenz deutliche Variabilitäten auf, was den keilähnlichen Grundaufbau jedoch nicht verändert. Die variablen Schleifenregionen enthalten die Epitope, gegen die im Verlauf der Infektion virusneutralisierende Antikörper gebildet werden. Die aminoterminalen Regionen der Capsidproteine liegen dagegen im Inneren des Partikels. Sie verbinden sich miteinander zu einem Netzwerk, das für die Stabilität verantwortlich ist. Die Tatsache, dass VP1, VP2 und VP3 eine sehr ähnliche Struktur besitzen, deutet darauf hin, dass die Gene für alle drei Proteine durch Duplikation aus einem gemeinsamen Vorläufergen entstanden sind. Als Michael Rossmann beziehungsweise James Hogle und Mitarbeiter 1985 die Ergebnisse der Analysen der Proteinstrukturen der Rhino- und Polioviruscapside veröffentlichten, zeigten sich neben den bereits erwähnten gemeinsamen Kennzeichen der Capsidproteine weitere wichtige Strukturmerkmale, die sich durch die Faltung und Wechselwirkung der Komponenten miteinander ergeben. Auf der Oberfläche der Partikel der humanen Rhinoviren B (Typ 14) fand man eine etwa 25 Å tiefe, grabenähnliche Furche, welche die Ikosaederecken umgibt und sich aus den Strukturen und Interaktionen verschiedener Aminosäurereste der Proteine VP1, VP2 und VP3 ergibt. Diese Struktur bezeichnete Rossmann als Canyon, man fand ihn bei allen bisher untersuchten Picornaviren mit Ausnahme der Hepatitis-A- und der Maul-und-Klauenseuche-Viren. Die Aminosäurereste, die mit ihren funktionellen Seitengruppen die Wände des Grabens oder Canyons auskleiden, erlauben dem jeweiligen Viruspartikel die Adsorption an spezifische zelluläre Rezeptoren (䉴 Abbildung 14.1A und 14.1C). Neutralisierende Antikörper vermögen wegen ihrer Größe und Struktur nicht in den Canyon einzudringen und so die Bindung des Virus an den zellulären Rezeptor zu verhindern. Sie binden sich
153
aber an Epitope, die auf der Partikeloberfläche in der Nachbarschaft der Canyoneingänge liegen, und können deshalb durch sterische Behinderung die Adsorption des Virus indirekt beeinflussen. Durch die Antikörperbindung sind die Oberflächenregionen einem Selektionsdruck ausgesetzt, der sich in einer gewissen Variabilität der exponierten Aminosäuren und der Entstehung unterschiedlicher Varianten äußert. Die eigentliche Adsorptionsstelle in der Vertiefung ist diesem Mechanismus dagegen nicht unterworfen, dadurch bleibt die Zellspezifität des Virustyps erhalten. Bei der Strukturanalyse fand man unter dem Canyonboden eine kleine, höhlenähnliche Erweiterung. Sie ist durch eine Öffnung, die man als Pore bezeichnet, vom Canyonboden aus zugänglich, hat zusätzlich aber auch eine Verbindung in das Partikelinnere. Diese Tasche enthält ein sphingosinähnliches Fettsäuremolekül (pocket factor). Es wird im Zuge struktureller Umlagerungen der Capsidproteine nach der Bindung der Viruspartikel an den Rezeptor aus der Tasche entfernt. Hierbei geht auch das an der Capsidinnenseite lokalisierte Protein VP4 verloren. Damit verbunden ist eine Destabilisierung der Viruspartikel, welche die Ausschleusung des RNA-Genoms über die Ikosaederecken des an die Zelloberfläche gebundenen Virus in das Cytoplasma ermöglicht. Die Kenntnis der überwiegend hydrophoben Aminosäuren, welche die Höhle auskleiden, erlaubte die Entwicklung von therapeutisch aktiven Substanzen wie beispielsweise Pleconaril, die sich optimal einpassen (siehe Kapitel 9). Sie stabilisieren die Partikel und verhindern die Freisetzung des RNA-Genoms. Die Infektion kann so unterbunden oder zumindest eingegrenzt werden. Wie sich aber herausstellte, entwickeln die Viren sehr bald Resistenzen gegen Pleconaril. Die Entstehung unterschiedlicher Serotypen bei gleicher Zellspezifität ist bei den Rhinoviren besonders ausgeprägt: Hier finden sich über hundert verschiedene stabile Serotypen, die sich dadurch auszeichnen, dass die gegen sie gerichteten neutralisierenden Antikörper einen stark typspezifischen Charakter haben und sich nicht an die Oberfläche von Viren eines anderen Serotyps binden können. Deshalb ist man zwar nach einem Schnupfen vor Folgeinfektionen mit demselben Rhinovirustyp geschützt, jedoch nicht vor der Infektion mit anderen Rhinoviren-Serotypen; diese führen kontinuierlich zu wiederkehrenden Erkrankungen mit Schnupfen. Bei den Enteroviren existieren nicht viele solcher verschiedener Serotypen. Im Falle des Poliovirus sind es drei, beim Hepatitis-A-Virus einer. Vermutlich hängt die hohe genetische Stabilität der Entero-, Parecho- und Hepatoviren mit der hohen Säureresistenz zusammen, die ihre Capside besitzen müssen, um das saure Milieu des Magens überleben zu können. Es gibt wohl nur wenige
14
14
154
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Aminosäuresequenzen, die eine derartig hohe Säurestabilität verleihen, was die Variabilität stark limitiert.
Enzyme Proteasen Picornaviren besitzen Proteasen, die zu unterschiedlichen Zeiten des Infektionszyklus aktiv werden. Die 2A-Protease ist eine Cysteinprotease, die im Polyprotein carboxyterminal benachbart zu Regionen der Strukturproteine lokalisiert ist (䉴 Abbildung 14.2). Bei den Aphthoviren ist sie mit 16 Aminosäuren sehr kurz; beim Polio- und Rhinovirus (149 beziehungsweise 147 Aminosäuren) ist sie deutlich länger. Sie entfaltet ihre Aktivität frühzeitig während der Infektion und spaltet zwischen einem Tyrosin und einem Glycin die Protomersequenzen cotranslational vom Polyprotein ab. Die Spaltstelle liegt entweder direkt vor (Entero- und Rhinoviren) oder nach (Aphtho-, Erbo-, Tescho- und Cardioviren) den Sequenzen des Enzyms. Beim Hepatitis-A-Virus und bei den Parechoviren besitzt das 2AProtein keine proteolytische Aktivität; stattdessen beeinflusst es die Bildung der Viruscapside am Ende des Replikationszyklus. Die 2A-Protease führt neben der Freisetzung des Protomers weitere proteolytische Spaltungen in zellulären Proteinen durch. Am bekanntesten ist der indirekte Abbau des Proteins p220: Die Protease spaltet einen zellulären Faktor, der dadurch als Protease aktiviert wird und zum Abbau des zellulären Translationsinitiationsfaktors eIF-4G (p220) beiträgt. Dieser ist Teil des CapBindungskomplex, auch als eIF-4F-Komplex bekannt, der als weitere Komponenten das Cap-bindende Protein und den Translationsinitiationsfaktor eIF-4A enthält. Der Cap-Bindungskomplex ist generell an der Translationsinitiation eukaryotischer mRNA-Spezies beteiligt, da er mit der Cap-Gruppe am 5’-Ende der RNA interagiert und die Bindung der Ribosomen vermittelt. Durch die Spaltung des eIF-4G durch die virale 2A-Protease wird die funktionelle Aktivität des Komplexes bei der Translation zellulärer mRNA und so die Stoffwechselaktivität der Zelle zerstört. Man bezeichnet dies als virus-host shutoff (vhs). Bei den Aphthoviren wird die Spaltung des Faktors eIF-4G nicht durch die 2A-Protease, sondern durch die proteolytische Aktivität des am aminoterminalen Ende des Polyproteins vorhandenen L-Proteins (205 Aminosäuren) vermittelt. Diese wird ebenfalls frühzeitig aktiv und leitet die Abspaltung des L-Proteins vom aminoterminalen Ende des Polyproteins ein. Dies führt zur Freisetzung des Protomers. Bei den anderen Picornaviren wurde dieser Vorgang bisher nicht nachgewiesen. Die Aktivität der 3C-Protease – sie erkennt die Aminosäurefolge Glutamin-Glycin – ist bei den Hepato-
und Parechoviren für alle proteolytischen Schritte im Vorläuferprotein verantwortlich, mittels derer die einzelnen viralen Komponenten aus dem Polyprotein heraus gespaltet werden; bei den Entero-, Rhino-, Cardio- und Aphthoviren führt die 3C-Protease alle proteolytischen Reaktionen mit Ausnahme der Abspaltung des Protomers durch, das hier durch die 2A-Protease erfolgt. Ausnahmen sind Prozessierung von VP0 zu VP4 und VP2 durch die enzymatische Aktivität im VP2 während der Virusreifung sowie die Spaltung des VP1-/2AProteins durch eine zelluläre Protease beim HepatitisA-Virus. Die Domäne der 3C-Protease befindet sich im carboxyterminalen Bereich des Polyproteins und umfasst zwischen 182 Aminosäuren bei Polio- und Rhinoviren und 219 beim Hepatitis-A-Virus (䉴 Tabelle 14.3). In einem ersten autokatalytischen Schritt wird aminoterminal vor dem 3C-Anteil gespalten. Bereits das so entstandene Zwischenprodukt 3CDpro wirkt proteolytisch. Der 3D-Anteil der Protease 3CDpro ist sogar für das Prozessieren des Protomers in die Capsidproteine essenziell, da eine effektive Spaltung zwischen VP3 und VP1 nur dann erfolgt, wenn der 3D-Teil noch mit 3C verbunden ist (䉴 Abbildung 14.2). Die Spaltung in 3C und 3D erfolgt intermolekular in trans, das heißt, die aktiven 3CD-Zwischenprodukte lagern sich zusammen und schneiden sich gegenseitig. Auch die 3C-Protease ist am spezifischen Abbau zellulärer Komponenten beteiligt. So scheint durch ihre direkte oder indirekte proteolytische Wirkung die RNAPolymerase III abhängige Transkription in der Zelle – durch sie werden tRNA-Spezies und andere kleine RNAMoleküle synthetisiert – gestört zu werden. Die Abbaureaktion richtet sich gegen den Transkriptionsfaktor TFIIIC und das TATA-Box bindende Protein. Auch induziert die 3C-Protease des Maul-und-KlauenseucheVirus die Spaltung des Histons H3. Die Schnittstellen der beiden Proteasen 2A und 3C werden nicht nur durch die beiden Aminosäurereste definiert, zwischen welchen die Spaltung erfolgt. Sowohl Aminosäuren in der näheren Nachbarschaft als auch die Faltung der Vorläuferproteine in Sekundär- und Tertiärstrukturen sind daran beteiligt. RNA-abhängige RNA-Polymerase Während des Replikationszyklus von Picornaviren wird das RNA-Positivstranggenom in ein Intermediat in Negativstrangorientierung umgeschrieben, das als Matrize für die Produktion von neuen Genomen dient (䉴 Abschnitt 14.1.4). Unter Verwendung einer RNA-Matrize wird dabei ein komplementäres RNA-Molekül neu synthetisiert – ein Prozess, der bei der zellulären Nucleinsäuresynthese nicht vorkommt. Enzyme, die diese Reaktionen durchführen können, gibt es in der Zelle nicht. Für die
14.1 Picornaviren
Picornaviren ist es daher essenziell, dass sie für das entsprechende Enzym selbst codieren und im Verlauf des Infektionszyklus die Aktivität einer RNA-abhängigen RNA-Polymerase entfalten. Das Enzym befindet sich am Carboxyterminus des Polyproteins und wird durch den Teil 3D des Vorläuferprodukts repräsentiert; das durch die proteolytischen Spaltungen entstehende Zwischenprodukt 3CDpro besitzt zwar Protease-, jedoch keine Polymeraseaktivität. Die 3D-Polymerase (3Dpol) hat Längen zwischen 460 Aminosäureresten bei den Rhinoviren und 489 beim Hepatitis-A-Virus. Die Fehlerrate der RNA-abhängigen RNA-Polymerasen ist relativ hoch, wie für die 3D-Polymerase des Poliovirus gezeigt wurde. Bei der Synthese von RNA-Strängen verursacht sie durchschnittlich pro 2 200 anpolymerisierte Basen einen Fehler. Das bedeutet, dass jeder neu synthetisierte RNAStrang etwa vier Mutationen aufweist.
Weitere Proteine Neben den erwähnten Strukturproteinen und Enzymen befinden sich in der Sequenz des Polyproteins noch weitere Proteinkomponenten, die im Verlauf der Infektion durch die Aktivität der 3C-Protease gebildet werden (䉴 Abbildung 14.2). Auf die sehr kleine Komponente 3B wurde schon eingegangen; sie bildet das Vpg, das kovalent mit dem 5’-Ende des Genoms verbunden ist. Im Polyprotein der Aphthoviren ist die Vpg-Sequenz dreimal wiederholt. Das direkte Vorläuferprotein für Vpg ist 3AB. Es wird vermutlich über eine hydrophobe Aminosäurefolge des 3A-Teils an intrazellulären Membranen (beispielsweise ER-Membran) verankert. Der Tyrosinrest an Position 3 des 3B-Teils wird uridinyliert. Diese Struktur bildet später den Primer für die Initiation der RNA-Stränge. Nach der Uridinylierung spaltet die 3CProtease an der Schnittstelle zwischen 3A und 3B und das Vpg wird von der Membranverankerung gelöst. Mutationen im hydrophoben Teil des 3A-Proteins verhindern die Uridinylierung und die Synthese von RNASträngen. Die Proteine 2C und 2BC sind an der RNA-Replikation beteiligt und für die Bildung von rosettenähnlichen Membranstrukturen verantwortlich, die sich vom endoplasmatischen Reticulum abschnüren. An ihnen erfolgt im Cytoplasma die Synthese der neuen RNA-Stränge. Daneben gibt es bezüglich ihrer Aktivität viele, zum Teil widersprüchliche Hinweise. Das 2B-Protein ist zwischen 97 Aminosäuren bei Polio- und Rhinoviren, 154 Aminosäuren beim Maul-und-Klauenseuche-Virus und 215 Aminosäuren beim Hepatitis-A-Virus, lang. Es lagert sich in die Membran des endoplasmatischen Reticulums an, oligomerisiert und bildet Poren. Weiterhin scheint es mit der Wirtsspezifität der verschiedenen Viren in Ver-
155
bindung zu stehen. Humane Rhinoviren mit Mutationen im für 2B codierenden Genombereich können sich auch in Mauszellen vermehren. Man nimmt an, dass die veränderten 2B-Proteine mit bestimmten, für Mauszellen spezifischen Faktoren wechselwirken können, die eine RNA-Synthese in den für das Wildtypvirus nichtpermissiven Zellen erlauben. Beim Hepatitis-A-Virus greift das 2B-Protein in die durch RIG-1 vermittelten Abwehrreaktionen ein und verhindert die Phosphorylierung und folglich die Aktivierung von IRF-3 (interferon regulatory factor 3). Die Transkription des für IFN-β codierenden Gens wird damit verhindert (䉴 Kapitel 8). Bei den Enteroviren und beim Maul-und-Klauenseuche-Virus fand man hingegen, dass die Aktivität der 2B- oder 2BC-Proteine den zelluären Proteintransport vom endoplasmatischen Reticulum über die Golgi-Vesikel zur Zelloberfläche hemmt. Die Konzentration der MHC-Klasse-I-Antigene auf der Oberfläche der infizierten Zellen wird hierduch reduziert und kann der zellulären Immunantwort entgehen. Das 2C-Protein (zwischen 317 Aminosäuren bei Aphtho-, 330 bei Rhino- und 335 bei Hepatitis-AViren) hat eine NTP-Bindungsstelle und ATPase-Aktivität. Es wirkt vermutlich als RNA-Helicase und scheint mit der Initiation der RNA-Synthese verknüpft zu sein. Mutationen in 2C führten bei Polio- und Maul-undKlauenseuche-Viren zur Resistenz gegen BenzimidazolDerivate sowie Guanidinhydrochlorid; Substanzen, die in geringsten Konzentrationen die virale RNA-Synthese hemmen. Die Aminosäuren Phenylalanin beziehungsweise Asparagin an den Positionen 164 und 179 (oder ihr Austausch gegen Tyrosin beziehungsweise Glycin) scheinen dafür wichtig zu sein. Mutationen am NTPBindungsort sind für die Viren letal. Es gibt Hinweise, dass die 2CATPase möglicherweise als Chaperon bei Ausbildung der Ribonucleoproteinkomplexe wirkt, die sich bei der Replikation der Virusgenome bilden müssen. Dabei könnte das 2C-Protein die koordinierte Wechselwirkung der cloverleaf-Struktur am 5’-Ende des Genoms mit den Sequenzen der 3’-NTR, dem Poly(A)Anteil, dem cre-Element und den damit komplexierten Proteinen fördern.
14.1.4 Replikation Im ersten Schritt der Infektion adsorbieren Picornaviren spezifisch an zelluläre Membranproteine. Auf viraler Seite vermitteln überwiegend die Strukturen und Aminosäuren des Canyons die Bindung. Für etliche Viren ist der zelluläre Rezeptor identifiziert und molekular gut charakterisiert; alle Picornaviren scheinen dafür bevor-
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
¡ Die Funktionen des CD155-Proteins CD155 wird in Zellen vieler unterschiedlicher Gewebe gebildet; die membranverankerten Versionen CD155α und CD155δ sind mit Proteinen der extrazellulären Matrix, beispielsweise Vitronectin und Nectin-3 assoziiert. Zusätzlich sind CD155α und CD155δ in der Cytoplasmamembran mit αv-Integrinen komplexiert. Diese Eigenschaften charakterisieren CD155 als Zell-zu-Zell- und Zell-Matrix-Adhäsionsmolekül, das mit dem Cadherin-Adhäsionssystem Verbindungen knüpft. Die in das Cytoplasma orientierte Domäne
zugt zelluläre Oberflächenproteine zu nutzen, die Mitglieder der Ig-Superfamilie sind (䉴 Tabelle 14.4). In einigen Fällen wurden Corezeptoren identifiziert, welche die Bindung zusätzlich unterstützen oder in Assoziation mit den direkten Rezeptoren vorliegen. Polioviren binden sich an das glycosylierte Oberflächenprotein CD155, das zur Klasse der Immunglobulinsuperfamilie gehört. Es verfügt über drei Ig-ähnliche Domänen: eine aminoterminale, variable V-Region, gefolgt von zwei konservierten Domänen des Typs C2. Vom CD155-Protein gibt es vier Varianten, die durch alternatives Spleißen der Transkripte entstehen: CD155α und CD155δ sind membranverankert, sie dienen den Polioviren als Rezeptoren; bei CD155β und CD155γ handelt es sich um lösliche Proteinversionen. Alle drei Serotypen des Poliovirus konkurrieren um dieselbe Adsorptionsstelle, die in der V-Domäne des Rezeptors lokalisiert ist. Die benachbarte C2-Region scheint die für die Bindung korrekte Struktur zu stabilisieren. Über 90 Prozent der Rhinoviren (major group) verwenden ICAM-Proteine (CD54) als Rezeptoren; diese glycosylierten Zelloberflächenproteine gehören ebenfalls zur Ig-Superfamilie, sie sind für die intrazelluläre Signalübertragung bei Entzündungsvorgängen verantwortlich. Die restlichen, der minor group zugerechneten Rhinoviren binden sich an den (v)LDL-Rezeptor (very low density lipoprotein receptor), bei einigen (humane Rhinoviren 54, 89) scheint Heparansulfat für die Adsorption an die Zelloberfläche ausreichend zu sein. Für das Hepatitis-A-Virus wurden die Proteine TIM-1 und auch TIM-3 als zelluläre Interaktionspartner identifiziert. Die Familie der T-Zell-ImmunoglobulinMucinproteine (TIM) stellt eine Gruppe von Rezeptorproteinen dar, die zur Ig-Superfamilie zählen und in unterschiedlichem Ausmaß auf TH1 und TH2-Zellen vorhanden sind; sie scheinen die humoralen und zellulären Immunantworten zu regulieren.
von CD155α und CD155δ ist mit dem Protein Tctex-1 assoziiert; dabei handelt es sich um eine Untereinheit des Motorproteinkomplexes Dynein, das in allen Neuronen, auch den Motorneuronen des Rückenmarks gebildet wird. Diese Wechselwirkung kann möglicherweise für den retrograden Transport des Poliovirus in den Neuronen in Richtung Rückenmark und Gehirn und somit bei der Pathogenese der Poliomyelitis wichtig sein.
Coxsackieviren binden sich an den Rezeptor CAR (Coxsackie- und Adenovirus-Rezeptor), ebenfalls ein Mitglied der Ig-Superfamilie, das über einen hydrophoben Abschnitt im carboxyterminalen Teil der Aminosäurekette in der Cytoplasmamembran verankert ist und zwei extrazelluläre Ig-ähnliche Domänen aufweist. Dieses Zelloberflächenprotein, das auch die Adenoviren (䉴 Abschnitt 19.4) als zellulären Rezeptor verwenden, ist strukturell und funktionell ähnlich zu Adhäsionsmolekülen. Die aminoterminale Domäne des CAR-Proteins passt sich in den Canyon ein, der sich auf den Capsiden der Coxsackieviren befindet. Zusätzlich zum CAR-Protein wurden einige weitere zelluläre Oberflächenproteine gefunden, die für die unterschiedlichen Coxsackievirustypen als Corezeptoren dienen können: Einige Coxsackieviren (Coxsackievirus A13, A18, A21) binden sich dabei an ICAM; Coxsackievirus A9 interagiert ebenso wie das Echovirus Typ 9 mit dem VitronectinRezeptor, einem Protein, das zur Gruppe der Integrine (Integrin αv β3) in der Ig-Superfamilie gerechnet wird. Auch für die Echoviren Typ 1 und 8 sowie das Parechovirus Typ 1 fand man, dass sie an ein Integrin (Integrin α2β1) binden, das auch unter dem Begriff VLA-2 bekannt ist. Andere Echo-, Entero- und auch die Coxsackie-B-Viren verwenden das Oberflächenprotein CD55 (DAF, decay accelerating factor) als zusätzlichen Interaktionspartner. Dieses Mitglied der Ig-Superfamilie hat die Aufgabe, Zellen vor der Lyse durch das Komplementsystem zu schützen. All diese zellulären Membranproteine werden zu unterschiedlichen Stadien der Leukocytendifferenzierung gebildet und sind an den Adhäsions- und Erkennungsprozessen zwischen unterschiedlichen Zelltypen beteiligt. Unter den weiteren Faktoren, die bei Coxsackievirus B3 an der Wechselwirkung zwischen Virus und Zelle beteiligt sind, ist ein Protein mit Homologie zum Nucleolin. Dieses Polypeptid (110 kD) ist am Transport
14.1 Picornaviren
157
Tabelle 14.4 Zelluläre Rezeptoren verschiedener Picornaviren Genus
Virus
Rezeptor
Rezeptorfamilie
Enteroviren
Poliovirus Coxsackievirus A13, 18
CD155 CAR* ICAM-1 CAR* Integrin αvβ3 CAR* CD55 (DAF)** Integrin a3b1
Ig-Superfamilie Ig-Superfamilie Ig-Superfamilie Ig-Superfamilie Ig-Superfamilie Ig-Superfamilie Ig-Superfamilie Ig-Superfamilie
CD55 (DAF)**
Ig-Superfamilie
Coxsackievirus A9 Coxsackievirus A2, B1, B3, B5 Echovirus (Typen 1 und 8), Parechovirus (Typ 1) Echovirus (Typen 3, 6, 7, 11–13, 21, 24, 25, 29, 30, 33), Enterovirus 70 Rhinoviren
Rhinovirus (major group) Rhinovirus (minor group) Rhinovirus 54, 89
ICAM-1 (v)LDL-Rezeptor Heparansulfat
Ig-Superfamilie – Heparanproteoglycan
Hepatoviren
Hepatitis-A-Virus
TIM-1, TIM-3***
Ig-Superfamilie
Aphthoviren
Maul-und-Klauenseuche-Virus
Integrine avb1/3/6 Heparansulfat
Ig-Superfamilie Heparanproteoglycan
Cardioviren
Theilers Encephalomyelitisvirus Subtyp GDVII (neurovirulent)
unbekannt Heparansulfat
Subtyp DA (niedrig neurovirulent)
α(2,3)-gebundene Sialylsäure
Sialoglycoprotein Heparanproteoglycan 24 kD Glycoprotein
In fetter Schrift ist jeweils der in der Literatur beschriebene Hauptrezeptor angegeben, in dünner Schrift darunter die Corezeptoren. * CAR = Coxsackie- and Adenovirus-Rezeptor; ** DAF = Decay accelerating factor; ***TIM = T-cell Ig- and mucin-domain-containing molecule
von Ribosomenproteinen aus dem Kern in das Cytoplasma beteiligt und wirkt vermutlich auch an der Adsorption und Aufnahme der adenoassoziierten Viren (Typ 2) mit (䉴 Abschnitt 20.1). Die Erkennung zellulärer Oberflächenproteine ist aber nicht allein für die Zellspezifität der unterschiedlichen Picornaviren verantwortlich. Für eine erfolgreiche Replikation sind intrazelluläre Faktoren mit entscheidend. Dies konnte man insbesondere bei den Polioviren zeigen. Die CD155-Proteine sind auf sehr vielen verschiedenen Zellen zu finden und Polioviren adsorbieren daran. Nur in einigen dieser Zellen kann jedoch der Replikationszyklus ablaufen. Nach der Adsorption erfolgen strukturelle Umlagerungen bei den an die Zelloberfläche gebundenen Viren. Besonders gut sind diese bei den Rhinoviren untersucht, die sich an ICAM-1 binden (䉴 Abbildung 14.1C). Eine potenziell amphipathische α-Helix in der aminoterminalen Region von VP1 wird exponiert und bekommt Kontakt zu den Lipidanteilen der Cytoplasmamembran. Hierdurch ändert sich die Konformation im Canyon, die zu einer festeren Bindung an die D1Domäne des ICAM-1 führt. Das VP4, das an der Innen-
seite der Virionen lokalisiert und eng mit dem viralen RNA-Genom assoziiert ist, wird von den Capsiden gelöst und auch das sphingosinähnliche Molekül, der pocket factor, wird bei diesem Vorgang verdrängt. Das virale Genom wird durch eine zylinderähnliche Öffnung, die sich an den Ikosaederecken ausbildet, aus dem Virion durch die Cytoplasmamembran in das Zellinnere geschleust. Alternativ hierzu gibt es Daten, dass nach der Bindung an die Rezeptoren die Aufnahme der Viren über Endocytose erfolgt. Die hierbei gebildeten Vesikel sind reich mit Clathrin ausgestattet, einem zellulären Membranprotein, das sich an den Stellen der Virusanlagerung in hohen Konzentrationen ansammelt. Damit die weiteren Schritte der Replikation ablaufen können, muss das Virus aus diesen Vesikeln entlassen werden. Eine ATP-abhängige Protonenpumpe in der Membran bewirkt die Ansäuerung des Vesikelinneren. Dieser Prozess führt zur Umlagerung des Viruscapsids, ähnlich wie zuvor beschrieben. In einem weiteren Schritt werden die VP4-Proteine und Clathrin abgegeben. An den Kontaktstellen zwischen den VP1Proteinen der nun bereits umgeformten Capside und der Vesikelmembran bilden sich in der Folge kleine
14
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
¡ Translationsinitiation durch IRES-Sequenzen IRES-Sequenzen, die eine von der 5’-Cap-Struktur und dem Cap-Bindungskomplex unabhängige Translation eukaryotischer mRNA ermöglichen, wurden bisher im Genom der Picornaviren und in der Familie der Flaviviren bei den Pestiviren sowie beim Hepatitis-C-Virus identifiziert (Abschnitt 14.5). Man hat jedoch auch ein zelluläres Gen gefunden, dessen mRNA in der 5’-nichttranslatierten Kontrollregion
Poren aus, durch welche die virale RNA in das Cytoplasma entlassen wird. Da das virale Genom bereits als RNA in Positivstrangorientierung vorliegt, erfolgt im nächsten Schritt die Translation und die Bildung des Polyproteins. Die RNA besitzt keine Cap-Struktur, die gewöhnlich an den 5’-Enden zellulärer mRNA-Moleküle zu finden ist und für die korrekte Bindung der ribosomalen Unterheiten an den Translationsstartpunkt sorgt. Das Genom weist dagegen eine im Vergleich zu zellulären mRNA-Spezies ungewöhnlich lange, nichtcodierende Basenfolge von bis zu 1 199 Nucleotiden (IRES) auf, die dem Startcodon
eine IRES enthält: Es codiert für das BiP-Protein (immunoglobulin heavy chain binding protein, alternative Bezeichnung: GRP-78), ein im Bereich des endoplasmatischen Reticulums und des Golgi-Apparats aktives Proteinfaltungsenzym (Chaperon), das an der Interaktion der leichten und schweren Immunglobinketten zu funktionsfähigen Antikörpern beteiligt ist.
vorgeschaltet ist (䉴 Abschnitt 14.1.2). Sie besitzt eine stark ausgeprägte, stabile Sekundärstruktur mit intramolekularen, doppelsträngigen Sequenzabschnitten (䉴 Abbildung 14.3). Die IRES bewirkt, dass die ribosomalen Untereinheiten das Picornavirusgenom als mRNA erkennen, mit dem Startcodon interagieren und so die ersten Translationsschritte einleiten können. Es wird vermutet, dass durch die Sekundärstruktur eine dem Translationsstart direkt vorgelagerte Basenfolge stabilisiert wird, die komplementär zur 18S-rRNA der kleinen Ribosomenuntereinheit ist. Die rRNA kann so mit dem Virusgenom hybridisieren und hierüber das
A
5´ Vpg
A
B
C
D
E
F
AUG743 3´
14.3 A: Computermodell für die energetisch begünstigte Faltung der 5’-nichtcodierenden Region des Poliovirus. Die Sequenzelemente, welche die internal ribosomal entry site (IRES) umfassen, sind eingerahmt.
14.1 Picornaviren
Ribosom zur korrekten Startstelle für die Proteinsynthese leiten. Zelluläre Proteine sind funktionell an der Initiation der Translation beteiligt; sie binden ebenfalls an die IRES und beeinflussen so auch die Zell- und Wirtsspezifität der verschiedenen Picornaviren. Eines ist das La-Protein (p52); es bindet sich normalerweise an die 3’-Enden von Transkripten, vor allem tRNAs, die von der RNA-Polymerase III gebildet werden und reguliert deren Termination. Das La-Protein induziert bei Patienten mit Lupus erythematodes und Sjögren-Syndrom eine Autoimmunreaktion. Weitere IRES-bindende Komponenten sind das Polypyrimidintrakt-Bindungsprotein PTB, das Poly(rC)-Bindungsprotein 2 PCBP2, das Poly(A)-Bindungsprotein PABP und der Faktor Unr (upstream of N-ras). Daneben wurden aber auch der Translationsinitiationsfaktor eIF-2 und weitere bisher nicht näher charakterisierte Proteine als Interaktionspartner für die IRES identifiziert. Nach den initalen Schritten zur Translation des Genoms wird das durchgehende Polyprotein syntheti-
159
siert. Noch während der Translation wird es in die einzelnen Proteindomänen gefaltet. Bei der Mehrheit der Picornaviren – Ausnahmen sind die Hepatitis-A- und Parechoviren – erfolgen die ersten proteolytischen Spaltungen cotranslational noch während der Synthese des Polyproteins und zwar dann, wenn die Sequenzen der 2A-Protease in Aminosäuren übersetzt vorliegen. Sie wirken autokatalytisch und führen zur Abspaltung des Protomeranteils am aminoterminalen Ende. Die 3Cbeziehungsweise 3CD-Proteasen, die durch ihre Lage im carboxyterminalen Bereich des Vorläuferproteins erst zu einem späteren Zeitpunkt der Translation synthetisiert werden, sind an der Prozessierung der weiteren viralen Komponenten beteiligt. Bei den Hepatitis-A- und Parechoviren bleibt das Protomer mit der 2A-Domäne verbunden. Nach den proteolytischen Spaltungen liegen auch die RNA-abhängige RNA-Polymerase (3Dpol) und das Vpg als Voraussetzung für die Replikation des Genoms in der infizierten Zelle vor. Die Synthese des Polyproteins dauert in vitro etwa 15 Minuten.
B
A U C U
G A U C U 730 G G U GCACGUG C U -GCCUCGG G C UGUGCAC A U UGGAGCU G U U AG CA A A A A AU 750 G U 790G G C G A U G C A C G G A U G C G C C G 820 C A U C A U C G UUCCUUUGAAAACCACGAUUGUAAG AUG -3´
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14.3 (Fortsetzung) B: Die IRES-Region des Encephalomyocarditisvirus. Dargestellt ist die durch Computeranalyse vorgeschlagene, energetisch begünstigte Sekundärstruktur der RNASequenzen im 5’-Bereich des Virusgenoms. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die jeweiligen Basenpositionen, ausgehend vom 5’-Ende des Genoms. Die Sekundärstrukturen stabilisieren in Wechselwirkung mit verschiedenen Zellproteinen eine dem Startcodon für die Translation des Polyproteins vorgelagerte Basensequenz. Diese kann mit den rot gekennzeichneten Sequenzen am 3’-Ende der 18S-rRNA der kleinen Ribosomenuntereinheit (40S) einen teilweise doppelsträngigen Bereich (gekennzeichnet durch die Sternchen) ausbilden. Die hier dargestellte Sequenz endet mit dem Startcodon (AUG) für das Polyprotein.
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Für die Bildung des zum Virusgenom komplementären Negativstranges als Zwischenprodukt bei der Replikation ist die Bildung eines Primermoleküls, VpgpUpU-OH, nötig. Dieser Vorgang findet – vermittelt durch die hydrophobe Domäne des 3AB-Proteins als Vorläufer des Vpg – an den intrazellulären Membrankompartimenten statt und wird von der 3DPol katalysiert. Als Matrize für die Uridinylierung dient eine konservierte Sequenzfolge (AAACA), die sich innerhalb des sogenannten cre-Elements (cis-responsive-element) befindet und zwar in der Schleife einer Haarnadelstruktur. Dieses cis-aktive Element befindet sich bei den unterschiedlichen Vertretern der Enteroviren in verschiedenen Genomregionen: Bei den Enteroviren befindet es sich in dem für das 2C-Protein codierenden Genombereich (Poliovirus Typ 1: Nucleotide 4 444 bis 4 505), bei den Rhinoviren der Spezies A in den für die 2A-Domäne codierenden Sequenzen, beim humanen Parechovirus und den Rhinoviren der Spezies B (Rhinovirus Typ 14) in den für die VP1-Proteine, bei den Rhinoviren der Spezies C in den für die VP2-Proteine codierenden Sequenzabschnitten. Beim Maul-und-KlauenseucheVirus ist der cre-Element hingegen innerhalb der 5’NTR vor den Sequenzen der IRES lokalisiert, beim Hepatitis-A-Virus wiederum in der für das 3D-Protein codierenden Region. Wird das cre-Element durch Mutation verändert, dann unterbleibt wegen der ausbleibenden Uridinylierung auch die Synthese der Negativstränge. Der Vpg-pUpU-Primer assoziiert mit dem Poly(A)Teil am 3’-Ende des Virusgenoms und bildet die Initiationsstruktur mit einem freien 3’-OH-Ende als Erkennungsstelle für die RNA-abhängige RNA-Polymerase (3Dpol), die den RNA-Gegenstrang zum Virusgenom synthetisiert (䉴 Abbildung 14.4). Die Initiation der Negativstränge ist aber auch vom Vorhandensein einer
intakten clover-leaf-Sekundärstruktur am 5’-Ende der Positivstränge abhängig. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Positivstranggenome unter dem Einfluss der an die Enden gebundenen Proteine (PABP, PCB2) und der viralen 2CATPase- sowie 3CDpro und 3Dpol-Proteine eine zirkuläre Form ausbilden, an der die Negativstränge initiiert werden. Bei der Polymerisation bildet sich ein kurzlebiges Zwischenprodukt aus doppelsträngiger RNA. Das 3’-Ende des fertig synthetisierten Negativstranges bilden zwei Adenosinreste – eine ideale Struktur für die Anlagerung von Vpg-pUpU-Primermolekülen. So wird die Bildung neuer RNA-Positivstränge initiiert. Die Synthese eines RNA-Stranges dauert ungefähr 45 Sekunden. Neben der 3Dpol und den Vpg-Primern ist ein zelluläres Protein (67 kD) für den korrekten Ablauf dieses Prozesses essenziell. Zwischen fünf und acht RNA-Plusstränge können an einem RNA-Negativstrang als Zwischenprodukt in der Replikation initiiert werden. Nur zwischen fünf bis zehn Prozent der in der Zelle vorliegenden viralen RNA sind Minusstränge. Von den neu synthetisierten RNA-Strängen werden wiederum virale Polyproteine translatiert. So kann sich die Menge an Viruskomponenten in der infizierten Zelle sehr schnell vervielfältigen. Der gesamte Prozess der Polyproteinsynthese und Genomreplikation erfolgt im Cytoplasma der Zelle in Assoziation mit intrazellulären Membrankompartimenten. Auch die Polyproteine sind über die aminoterminale Myristylierung in sie eingelagert. Der zelluläre Stoffwechsel wird durch die virale Replikation stark beeinflusst. Die große Zahl viraler Genomstränge, die schon kurz nach Infektion in der Zelle vorliegen und durch die IRES-Elemente eine sehr hohe Affinität für zelluläre Ribosomen aufweisen, bewirkt, dass die zelluläre Translationsmaschinerie ausschließlich mit der Synthese von Virusproteinen beschäftigt ist. Zusätzlich bewirkt die 2A-Protease der
¡ Funktion der 5’-Cap-Struktur Im eukaryotischen Translationssystem bindet sich der CapBindungskomplex an die Cap-Region, ein methyliertes Guanidintriphosphat, das in 5’-5’-Bindung mit dem Ende der mRNA verestert ist. Der Cap-Bindungskomplex besteht aus dem Cap-bindenden Protein (CBP), das mit dem 5’-Ende interagiert, den Proteinen eIF-4A und eIF-4B, die sich an die dem Startcodon vorgeschaltete Strecke von bis zu 100 Nucleotiden binden und sie in einer einzelsträngigen, gestreckten Konfiguration halten, sowie dem Faktor eIF-3.
Mit diesem im 5’-Bereich gebundenen Proteinkomplex interagiert die kleine Ribosomenuntereinheit zusammen mit der tRNAmet, dem Initiationsfaktor eIF-2 und GTP und initiiert auf diese Weise die Translation. Das als mRNA aktive Genom der Picornaviren besitzt keine 5’-CapStruktur und kann deshalb die für die Ribosomeninteraktion notwendige Wechselwirkung mit den Faktoren des Cap-Bindungskomplexes nicht durchführen.
14.1 Picornaviren
161
A A A 3´
-UpUp
RNA-Genom (Plusstrang)
1 Translation NH2-
-COOH
Polyprotein
2 proteolytische Spaltung 2A-Protease 3C-Protease RNA-abhängige RNA-Polymerase 3B = Vpg 3A-Proteine 3 2B-Proteine + Zellfaktoren 2C-Proteine Capsidproteine
4 Anlagerung des Vpg-Primer-Komplexes an das 3´-Ende des Negativstranges
HO-UpUpA A A 3´
-UpUp 5
UpUp-
-UpUp
A A A 3´
6
3´A A A
RNA (Negativstrang)
UpUp-
7 kontinuierliche Initiation, Anlagerung von Vpg-Primer-Komplexen und Polymerisation
-UpUp
UpUp-
3´A A A
-UpUp -UpUp UpUp-
3´A A A
8 A A A 3´
-UpUp -UpUp -UpUp
A A A 3´ A A A 3´ RNA-Genome (Plusstrang)
14.4 Verlauf der Genomreplikation bei Picornaviren. Das RNA-Genom wird in einem ersten Schritt translatiert (1), dadurch entsteht ein Polyprotein, das durch die Aktivität der Proteasen 2A und 3C/3CD in die Einzelkomponenten gespalten wird (2). Während dieses Vorgangs entsteht das Vpg, das uridinyliert wird (3). Hierbei werden auch zelluläre Proteinfunktionen benötigt. Das VpgpUpU wird an das 3’-Ende des RNA-Genoms angelagert (4) und wirkt als Primer für die Polymerisation des RNA-Negativstranges durch die RNA-abhängige RNA-Polymerase des Virus (5), die ebenfalls bei der Proteolyse des Polyproteins entsteht. An das 3’-Ende des neu gebildeten RNA-Negativstranges werden erneut Vpg-pUpU-Komplexe angelagert (6). Sie dienen als Primer für die Synthese von RNA-Strängen (7), die nun wiederum Plusstrangorientierung besitzen (8) und sowohl als mRNA zur Proteinsynthese als auch als Virusgenome dienen.
Polio- und Rhinoviren den Abbau des p220 (eIF-4G) des Cap-Bindungskomplexes, der für die Translationsinitiation eukaryotischer mRNA-Spezies essenziell ist – ein zweiter Schritt zur Hemmung der zellulären Proteinsynthese. Die Proteine 2B und 3A des Poliovirus beeinflussen den Transport von zellulären Glycoproteinen und ihre Sekretion. Wie oben beschrieben, wird außerdem der TFIIIC-Faktor durch die 3CPro zerstört und hierdurch die von der RNA-Polymerase III abhängige Tran-
skription gehemmt. Schließlich wird auch die mRNASynthese blockiert. Hier beeinflusst offensichtlich ein noch unbekanntes virales Protein die Aktivität der zellulären RNA-Polymerase II. Diese Vorgänge sind für die Ausbildung des virus-host shutoff, das heißt der virusbedingten Abschaltung des Zellstoffwechsels, verantwortlich. Liegen in der Zelle virale Proteine und RNA-Genome in ausreichender Menge vor, so werden diese Kompo-
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
nenten zu infektiösen Virionen zusammengebaut (SelfAssembly). In einem ersten Schritt wird das myristylierte, an intrazelluläre Membrankompartimente angelagerte Protomer durch die Aktivitäten der 3CPro und 3CDPro in VP0, VP1 und VP3 gespalten. Diese bleiben aber als Komplex miteinander verbunden und assoziieren mit vier weiteren VP0/VP1/VP3-Aggregaten zu Pentameren – den Vorläuferstrukturen der Ikosaederecken. Beim Hepatitis-A-Virus hat die 2A-Proteindomäne keine proteolytische Aktivität, bleibt mit dem Protomeranteil verbunden und bildet das Protein pX. Die 2A-Domäne fördert in diesem Fall die Bildung der Protomere und leitet den Morphogeneseprozess ein. Je zwölf Protomere lagern sich in einem weiteren Schritt zu Capsidvorläufern zusammen. Diese Proteinschalen schließen das RNA-Genom ein. Wie die Nucleinsäure in das Innere der Ikosaeder gelangt, ist nicht völlig geklärt. Die Sequenzen der IRES sind auch hierfür wichtig, sie verstärken die Encapsidierung der RNA. Auch sind mit diesem Prozess größere Umlagerungen in der Proteinstrukur der Capside verbunden, die sich in einem deutlich anderen Sedimentationsverhalten der Partikel äußern. Man stellt sich vor, dass das RNA-Genom entweder durch eine Öffnung in das Innere der sogenannten Procapside gelangt oder dass die Nucleinsäure sich zuerst außen an die Partikelvorläufer bindet und im Rahmen eines weiträumigen Umfaltungsvorganges in das Innere verlagert wird. Als letzter Schritt bei der Bildung infektiöser Virionen wird die Protease im VP2-Anteil des VP0 aktiviert – bedingt durch die Interaktion zwischen dem VP0 und der viralen RNA. Sie vollzieht dann die Reifungsspaltung zu VP2 und VP4. Im Fall des HepatitisA-Virus erfolgt in diesem späten Schritt auch die Spaltung des pX zu VP1 und 2A durch eine unbekannte zelluläre Protease. Die endgültige Freisetzung der Viren erfolgt durch die Veränderung der Membranpermeabilität in Verbindung mit dem infektionsbedingten Tod der Zelle. Der Replikationszyklus von der Adsorption des Virus bis zur Freisetzung der Nachkommenviren und dem Tod der Zelle dauert beim Poliovirus etwa sieben bis acht Stunden. Die intrazellulären Vorgänge bei der Virusreplikation und apoptotische Vorgänge führen zu morphologischen Veränderungen der Zellstruktur, die sich als cytopathischer Effekt mikroskopisch beobachten lassen: Die Chromatinstruktur wird aufgelöst, die NucleinsäureProtein-Komplexe akkumulieren an der Innenseite der Kernmembran. Auch das Cytoskelett verändert sich durch strukturelle Umlagerungen der mit den Mikrotubuli assoziierten Proteine. Die infizierten Zellen runden sich ab. Im weiteren Verlauf der Replikation bilden sich im gesamten Cytoplasma Vesikel aus. Die Zellmembranen verändern ihre Permeabilität, weil vermehrt
Phosphocholin eingebaut wird, und werden schließlich durchlässig.
14.1.5 Humanpathogene Picornaviren Vertreter der Picornaviren sind für verschiedene schwere Erkrankungen des Menschen verantwortlich. Hierzu zählen vor allem die Kinderlähmung und die Hepatitis A. Zunehmend beobachtet man schwere klinische Verlaufsformen jedoch auch bei Infektionen durch andere humane Enteroviren. Auf diese wird ebenso wie auf die Schnupfenviren in den folgenden Abschnitten eingegangen.
Das Poliovirus Epidemiologie und Übertragung Die Poliomyelitis (Kinderlähmung) war als Erkrankung bereits 1 500 Jahre vor Christi Geburt bekannt. Große Polioepidemien traten immer dann auf, wenn sich in einer Bevölkerung größere Zahlen von empfänglichen Personen angesammelt hatten, so zum Beispiel auch in den Jahren zwischen 1940 und 1950. Viele der infizierten Kinder starben, bei anderen blieben lebenslang Lähmungen zurück. Einige überlebten die Poliovirusinfektion nur durch die zeitweise Unterbringung in der Eisernen Lunge, die für begrenzte Zeit eine Beatmung erlaubte. Franklin D. Roosevelt, 1933 bis 1945 Präsident der USA, infizierte sich etwa 1920 als Erwachsener mit dem Virus und behielt lebenslang Defekte der Muskulatur zurück. Ursprünglich waren die drei Typen der Poliomyelitisviren weltweit verbreitet. Sie weisen Unterschiede in den Aminosäurefolgen vor allem in den Schleifenregionen der VP1-, VP2- und VP3-Proteine auf und lassen sich serologisch unterscheiden: Typ 1 („Mahoney“ oder auch „Brunhilde“) kam relativ häufig vor und verursachte schwere, Typ 2 („Lansing“) dagegen eher leichte Erkrankungen. Infektionen mit Poliovirus Typ 3 („Leon“) verlaufen schwer. Noch 1992 registrierte man weltweit über 150 000 Fälle von Kinderlähmung. Durch das Impfprogramm der WHO gilt die Poliomyelitis heute bis auf etwa zehn Länder als ausgerottet: Am 21. Juni 2002 wurde Europa von der WHO als frei von der Poliomyelitis erklärt. Zwischenzeitlich kam es aber durch überregionale Verbreitung der Infektionen zu ernsten Rückschlägen: In den betroffenen Ländern (beispielsweise Nigeria) war aus politischen Gründen das Impfprogramm eingestellt worden. Durch massive Riegel-
14.1 Picornaviren
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q Die Kinderlähmung – sie wurde zur Erwachsenenlähmung Poliovirusinfektionen waren in den vergangenen Jahrhunderten weit verbreitet und erfolgten früher meist während der ersten sechs Lebensmonate unter dem Schutz placentar übertragener, mütterlicher IgG-Antikörper. Die Kinder erkrankten nicht, wenn sie in dieser frühen Lebensphase infiziert wurden, sondern entwickelten einen aktiven Immunschutz. Nur bei Kindern, die der Infektion entgingen, konnten spätere Kontakte mit dem Poliovirus – nun ohne den Schutz der mütterlichen Antikörper – zu Erkrankungen
impfungen ist es der WHO aber gelungen, diese Ausbreitungen wieder einzudämmen. Im Jahr 2008 wurden nur noch in sehr wenigen Ländern der Dritten Welt Infektionen mit Poliovirus Typ 1 und Typ 3 gemeldet, 98 Prozent davon in Nigeria, Indien und Pakistan. Allerdings wurden ausgehend von diesen Ländern Poliovirusinfektionen wieder in Regionen importiert, die bereits als „poliofrei“ erklärt worden waren. Unter natürlichen Verhältnissen infizieren Polioviren nur den Menschen, lassen sich aber auf verschiedene Affenspezies übertragen und können in Schimpansengruppen – wie von Jane Goodall beschrieben – Epidemien hervorrufen. Das Poliovirus Typ 2 konnte auch an Mäuse adaptiert werden. Polioviren vermehren sich bevorzugt im lymphatischen Gewebe des Darms, den Peyerschen Plaques, und werden von infizierten Personen über den Stuhl durchschnittlich etwa fünf Wochen lang ausgeschieden. Im Anfangsstadium der Erkrankung findet man auch eine Infektion der Rachenschleimhaut und der Tonsillen, sodass in dieser Phase das Virus im Sputum und Rachenspülwasser vorhanden ist. Die Übertragung erfolgt durch Aerosole, fäkal-oral über Schmutz- und Schmierinfektionen sowie über verunreinigtes Trinkwasser und Lebensmittel.
Klinik Der weitaus größte Teil der Poliovirusinfektionen verläuft asymptomatisch. Nur bei wenigen Prozent kommt es im Verlauf einer Poliovirusinfektion nach einer Inkubationsperiode von ein bis zwei Wochen zu Magen- und Darmbeschwerden, denen Fieber und grippeähnliche Symptome folgen, typischerweise in Form einer Sommergrippe. Der größte Teil der Patienten erholt sich von dieser Form der Poliomyelitis-Vorkrankheit völlig (abortive Polio). Bei etwa ein bis zwei Prozent der Erkrankten entwickelt sich daran anschließend eine Erkrankungs-
führen. Insgesamt erkranken weniger als ein Prozent aller seronegativen Kinder nach dem Kontakt mit dem Virus an der Poliomyelitis. Das Virus ist also wenig neuroinvasiv. Tatsächlich waren nichtparalytische Poliovirusinfektionen die häufigste Ursache für die Sommergippe. Mit dem Anstieg des Lebensstandards wurde der Erstkontakt mit dem Poliovirus in das höhere Lebensalter verschoben, aus der Kinderlähmung wurde somit eine Erwachsenenlähmung.
form ohne Lähmungserscheinungen (nichtparalytische Poliovirusinfektion), bei der das Virus aber das zentrale Nervensystem infiziert und eine etwa zwei bis zehn Tage andauernde aseptische Meningitis, verbunden mit Muskelkrämpfen und Rückenschmerzen verursacht. Bei bis zu zwei Prozent der Erkrankten schließen sich an diese Symptome schlaffe Lähmungen an, da die motorischen Vorderhorn-Zellen geschädigt werden (paralytische Poliovirusinfektion). Hiervon verlaufen zehn Prozent letal, beispielsweise durch Atemmuskellähmungen, etwa zehn Prozent der Patienten erholen sich ohne Folgeschäden, bei 80 Prozent dieser schwer Erkrankten bleiben jedoch Lähmungen unterschiedlichen Ausmaßes als Dauerschäden zurück. In den letzten Jahren hat man das sogenannte PostPolio-Syndrom beobachtet. Die Symptome treten 15 bis 40 Jahre nach der ursprünglichen Polioerkrankung auf. Es handelt sich um eine erneut auftretende, progressive Muskelschwäche in Verbindung mit Muskel- und Gelenkschmerzen und starker Müdigkeit. Man vermutet, dass ursprünglich wenig oder auch nicht geschädigte Nervenzellen wegen der Dauerüberlastung nach Jahren absterben und so zu dem Syndrom führen können – in den USA erwartet man sehr viele Fälle dieser Spätkomplikation. Des Weiteren kam es im Rahmen der Impfungen mit dem oralen Polio-Lebendimpfstoff (Sabin) zu Fällen von Impf-Polio. Das Impfvirus wird von den Geimpften vorübergehend über den Stuhl ausgeschieden und kann auf Familienmitglieder der Impflinge übertragen werden; vor allem Immunsupprimierte sind hierbei besonders gefährdet.
Pathogenese Nach der Übertragung infiziert das Poliovirus das lymphatische Gewebe des Gastrointestinaltrakts und ver-
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
mehrt sich im Lymphgewebe des Nasen- und Rachenraumes. Über den Magen wird es in den Darmtrakt weitertransportiert, infiziert dort bevorzugt die Zellen der Peyerschen Plaques im Dünndarm, die das lymphatische Gewebe des Darmbereichs darstellen, sowie die mesenteralen Lymphknoten. Von hier wird es über die ableitenden Lymphbahnen direkt in die Blutbahn oder in den Darm abgegeben. Das Virus infiziert aktivierte Monocyten – sie besitzen die CD155-Proteine als Rezeptoren des Poliovirus – und vermehrt sich in ihnen. Folge ist eine leichte Virämie, die einen ersten Fieberschub auslöst (Vorkrankheit). Danach breitet sich das Virus im gesamten Organismus aus und vermehrt sich im reticulohistiocytären System und in Endothelzellen; dies ist mit einer zweite Virämie verbunden, in deren Verlauf auch die Neuronen infiziert werden können. Über sie bewegt sich die Infektion retrograd weiter zum Rückenmark und Gehirn. Vor allem die großen motorischen Vorderhornzellen und Motoneuronen werden infiziert und durch die Infektion zerstört. Die Poliomyelitis kommt durch den Befall der grauen (polios, griech.: grau), das heißt zellreichen Rückenmark- und Gehirnsubstanz zustande. Die von den befallenen Nerven und Gehirnregionen versorgten Muskelzellen werden nicht mehr innerviert. Die Folgen sind schlaffe Lähmungen; dauern diese an, so kommt es zur Inaktivitätsatrophie der Muskulatur. Die zerstörten Neuronen werden im Folgenden durch Makrophagen entfernt (Neuronophagie). Noch Jahre nach der akuten Erkrankung sind die Motoneuronen atrophisch, man findet eine Neubildung von Gliazellen (Gliose) und leichte Entzündungserscheinungen. Patienten, die Lähmungen der Intercostalmuskulatur (Brustkorbmuskulatur) entwickelten, überlebten die akute Phase nur in einer „eisernen Lunge“. Die in Polioepidemiezeiten vorgenommenen Entfernungen der Tonsillen führten ebenso wie Reizungen der Muskulatur (Überanstrengung durch Bewegung, Injektionen etc.) häufig zu Atemlähmungen: Das Virus gelangte hierbei entlang der dabei geschädigten Nervenfasern von der Wunde direkt in das verlängerte Rückenmark und zerstörte dort die entsprechenden Motoneuronen.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf einer Poliovirusinfektion werden IgM-, IgAund IgG-Antikörper gegen die Capsid- und Nichtstrukturproteine gebildet. Kreuzreaktivität zwischen den drei Poliovirustypen lässt sich nur bei Verwendung hitzedenaturierter Viren zeigen. Reinfektionen führen zum Wiederanstieg der Antikörperkonzentration. Immunglobuline gegen bestimmte Epitope der Strukturproteine sind neutralisierend und werden in drei separat durchzuführenden Neutralisationstesten (Poliovirus
Typ 1-3) gemessen. Polioviren können ohne Probleme in Zellkulturen (primären Affennierenzellen, HeLaoder Verozellen) gezüchtet werden. Die Typisierung von Isolaten aus Stuhl, Rachenspülwasser oder Liquor erfolgt durch Anzucht und die sich anschließende Charakterisierung mit typspezifischen Seren im Neutralisationstest. Nur so kann zuverlässig die Durchseuchungsrate oder ein Titeranstieg festgestellt werden. Bei geeigneten Fragestellungen kann man alternativ die Polymerasekettenreaktion zum Virusnachweis und zur Identifizierung von Mutanten heranziehen. Meist wird dazu zunächst als Suchreaktion eine Pan-EnterovirusPCR durchgeführt, die alle humanen Enteroviren erkennt.
Therapie und Prophylaxe Die von Albert Sabin entwickelte Poliovirusvakzine (Schluckimpfung) ist ein attenuierter Lebendimpfstoff. Pro einer Million Impfungen beobachtet man nur 0,4 bis 1,0 Impfschäden. Dieser Impfstoff verursacht die Bildung virusneutralisierender IgG- und IgA-Antikörper. Seine Wirksamkeit zeigte sich unter anderem bei der Eindämmung ablaufender Polioepidemien (Riegelimpfung). Durch seinen konsequenten, weltweiten Einsatz vor allem in den Entwicklungsländern hofft man, die Poliovirusinfektion in den nächsten Jahren ausrotten zu können. Bei Personen mit humoralen Immundefekten (beispielsweise Agammaglobulinämie) sowie mit medikamentösen, erblichen oder durch Infektionen verursachten Immunsuppressionen darf der Lebendimpfstoff jedoch nicht verwendet werden, da die Symptome einer Polioinfektionen auftreten können (Impfpolio). Da das Impfvirus von den Geimpften vorübergehend über den Stuhl ausgeschieden wird, kann es auf Familienmitglieder der Impflinge übertragen werden; vor allem, Immunsupprimierte sind hierbei besonders gefährdet. Der Lebendimpfstoff des Poliovirus Typ 1 unterscheidet sich durch 57 veränderte Nucleotide vom Wildtypvirus, die zu 21 Unterschieden in der Aminosäuresequenz führen. Die Impfviren des Poliovirus Typ 3 weisen im Vergleich zum Wildtyp zehn Mutationen auf; bezüglich der Veränderungen, die zur Abschwächung des Poliovirus Typ 2 führen, gibt es keine Daten, weil das Ausgangsvirus für den Impfstamm bis heute nicht identifiziert werden konnte. Für die Attenuierung scheinen vor allem Veränderungen der Basenfolgen im Bereich der IRES verantwortlich zu sein (Positionen 480, 481 beziehungsweise 472 in den Impfstämmen Sabin 1, 2 und 3). Sie beeinflussen die Stabilität der Sekundärstruktur der IRES und damit die Assoziation mit den Ribosomen und die Effektivität der Translation. Zusätzlich weisen die attenuierten Impfstämme aber auch
14.1 Picornaviren
Mutationen in Genombereichen auf, welche für die Capsidproteine VP1 codieren: Die Impfpolioviren der Typen 1 und 3 weisen hier zwölf beziehungsweise zwei veränderte Aminosäurereste auf, die zur Attenuierung beitragen. In Deutschland und in Ländern, in welchen keine Poliovirusinfektionen mehr auftreten, wird der Lebendimpfstoff seit 1999 nicht mehr eingesetzt. Das Risiko zur Ausbildung einer Impfpolio durch die attentuierten Impfviren ist hier höher als dasjenige, die Erkrankung im Rahmen einer natürlichen Polioinfektion zu erwerben. Zur Grundimmunisierung wird heute ein Impfstoff auf der Basis abgetöteter Polioviren eingesetzt, den Jonas Salk bereits einige Jahre vor dem Lebendimpfstoff entwickelt hatte. Inzwischen verbessert durch einen erhöhten Antigengehalt induziert er ebenfalls die Synthese von IgG-Antikörpern. Die Immunisierungsrate gegen die Poliovirustypen 1 und 2 liegt in Deutschland bei etwa 90 Prozent, gegen Poliovirus Typ 3 bei etwa 85 Prozent. Wiederauffrischungsimpfungen wurden früher im Abstand von zehn Jahren durchgeführt, sie werden heute nur noch bei Reisen in die Länder der Dritten Welt (Orient, Afrika) empfohlen.
Die humanen Enteround Parechoviren Epidemiologie und Übertragung Die humanen Enteroviren werden heute in vier Spezies A – D unterteilt und repräsentieren zusammen mit den beiden Serotypen der Parechoviren – ursprünglich bekannt als Echovirus Typ 22 und 23 – eine große Zahl von Infektionserregern. Genetische Rekombinationsereignisse zwischen Vertretern der gleichen Virusspezies sind häufig und tragen zu ihrer großen Bandbreite bei. Die Viren sind weltweit verbreitet, ihre Epidemiologie ähnelt derjenigen der Polioviren. Wie diese werden sie überwiegend fäkal-oral, seltener auch durch Tröpfcheninfektion übertragen. Infektionen mit den humanen Enteroviren treten vorwiegend in der warmen Jahreszeit (Sommergrippe), in den Tropen aber ganzjährig auf. Sieben Prozent aller in den USA untersuchten Personen scheiden diese Viren aus, in den Tropen sind es bis zu 50 Prozent. Deswegen kommt es hier, vor allem in den tropischen Ländern Südostasiens, immer wieder zu regionalen Epidemien, insbesondere mit Enterovirus 71. Dieser Virustyp gilt inzwischen als derjenige unter den „Nicht-Polio-Enteroviren“, dessen Infektionen am häufigsten zu Krankheitserscheinungen führen. Coxsackieviren verursachen nur im Menschen Krankheiten; nach experimenteller Infektion von Schimpansen zeigte sich ein inapparenter Verlauf. Die
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ursprüngliche Einteilung in Coxsackieviren der Subgruppe A (Serotyp 1–22, 24) und der Subgruppe B (6 Serotypen) beruhte auf Unterschieden der histopathologischen Läsionen in experimentell infizierten neugeborenen Mäusen; die Züchtung der Coxsackieviren ist heute auch in vitro gut möglich (Affennierenzellen, humane HeLa-oder Lungenkarzinomzellen A549).
Klinik Bei Infektionen mit humanen Enteroviren beträgt die Inkubationszeit bis zum Krankheitsausbruch bis zu zwei, in seltenen Fällen mehr als vier Wochen. Die Viren werden über Rachen und Darm mehrere Wochen lang ausgeschieden. Die Infektionen sind durch ein breites Spektrum unterschiedlicher klinischer Manifestationen gekennzeichnet, wobei man keine eindeutigen Korrelationen zwischen einzelnen Virustypen und einer bestimmten klinischen Manifestation findet: Unterschiedliche Virustypen können die gleichen Symptome verursachen und der gleiche Virustyp wird häufig auch mit vielen verschiedenen Krankheitsbildern assoziiert. Oft infizieren sich die Patienten gleichzeitig mit mehreren Virustypen. Daher ist es schwierig, dem einzelnen Typus bestimmte Erkrankungsbilder zuzuordnen. Meist verursachen die humanen Enteroviren leichte, erkältungsähnliche Erkrankungen, die mit Durchfall verbunden sein können („Sommergrippe“); viele Infektionen verlaufen asymptomatisch. Schwere Verläufe mit neurologischen Symptomen, Meningitis, Gastroenteritis, HandFuß-Mund-Krankheit, akuter hämorrhagischer Konjunktivitis, Myalgien, Myocarditis, Pleurodynie (Bornholmsche Krankheit) oder Uveitis werden nur selten beobachtet. Patienten mit erblichen oder erworbenen Immundefekten entwickeln gehäuft persistierende Infektionen, die mit chronischer Enteritis, Arthritis oder auch Meningoencephalitis assoziiert sein können. Bei den schweren Infektionen mit humanen Enteroviren überwiegt das Bild der Meningitis, neben Herpesviren gelten Enteroviren als die häufigsten viralen Erreger für Meningitis und Encephalitis. Coxsackieviren B, vor allem der Typ B3, gelten als Erreger von viralen Herzmuskelentzündungen (Perimyocarditis). Bei Neugeborenen verläuft diese Säuglingsmyocarditis oft tödlich. Sie tritt überwiegend dann auf, wenn die Infektion bei der Geburt erfolgt, und die Mutter noch keine Antikörper gegen das Coxsackievirus gebildet hat. Neben dieser akuten Form werden aber auch – vor allem bei Erwachsenen – chronische Verlaufsformen (dilatative Cardiomyopathie) diskutiert. Einige der humanen Entero- und Parechoviren (Parechovirus Typ 1 und 2, Coxsackievirus B4) werden als Auslöser für Diabetes Typ 1 diskutiert. Dieser wird gehäuft bei Patienten mit einem bestimmten HLA-Typ
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q Das Ljunganvirus steht im Verdacht, intrauterinen Kindstod zu verursachen Die humanen Parechoviren sind weit verbreitet und verursachen ähnlich wie die humanen Enteroviren Erkrankungen der Atemwege und des Magen-Darm-Trakts; schwere Verläufe werden nur selten beobachtet. Ein naher Verwandter der humanen Parechoviren ist das Ljunganvirus, das vor allem in Nordschweden in Rötelmäusen (Clethrionomys glareolus) endemisch ist. Diese Mäuse treten in drei- bis vierjährigen Abständen in großer Zahl auf und ziehen sich im Herbst in Scheunen und auch Wohnhäuser zurück. Die
(HLA-DR und -DQ) nach Infektionen mit Coxsackievirus B4 beobachtet. Ob die Infektionen mit der Auslösung der Autoimmunerkrankung in kausaler Verbindung stehen, ist jedoch umstritten.
Pathogenese Die Aufnahme der humanen Entero- und Parechoviren und ihre Ausbreitung im Organismus erfolgt ähnlich wie bei Polioviren. Sie werden nach anfänglicher Vermehrung im lymphatischen Gewebe des Darmes beziehungsweise des Rachens während der zweiten Virämiephase im Blut als freie Viruspartikel oder durch infizierte Lymphocyten zu den Zielorganen – Muskulatur, Haut, Meningen, Myocard, Darmepithel, zentrales Nervensystem und dem Respirationstrakt – transportiert, in denen sie sich abhängig vom Virustyp ansiedeln. Die molekularen Mechanismen, die zur Entstehung der unterschiedlichen Symptome beitragen, sind weitgehend unbekannt. In der Augenbindehaut von mit Enterovirus 70 infizierten Personen fand man neben Hyperämie, punktförmigen Blutungen (Petechien) und Hämorrhagien auch Infiltrate mononucleärer Zellen mit diffus verteilten Lymphocyten, die in auffallend große, geschwollene Lymphfollikel übergehen. Die Hornhaut kann von Epitheltrübungen betroffen sein. Schlaffe Lähmungen, die in seltenen Fällen bei Infektionen mit dem Enterovirus 70 auftreten, sind mit dem Zerfall von Motoneuronen, mit Hämorrhagien und Gliaproliferation verbunden. In der Immunfluoreszenz konnten Virusproteine in der Mikroglia und in den Neuronen nachgewiesen werden. Im Fall der Coxsackieviren ist beschrieben, dass in die infizierten Bereiche zuerst Granulocyten infiltrieren, denen mononucleäre Zellen folgen. Die infizierte Muskulatur weist fokale Nekrosen auf, die Zellen sind schollenartig zerfallen. Auch in Neuronen und Gliazellen des
Viren werden über Kot und Urin ausgeschieden und so auch auf den Menschen übertragen. Zoonotische Übertragungen des Ljunganvirus auf Schwangere stehen im Verdacht, in der Spätschwangerschaft intrauterinen Kindstod verursachen zu können. In einer in Schweden durchgeführten Studie konnten in der Placenta und im Gehirn der verstorbenen Feten in fast der Hälfte der untersuchten Fälle Genome des Ljunganvirus nachgewiesen werden.
zentralen Nervensystems treten nekrotische Areale auf. Monocyten setzen in vitro nach Infektion mit Coxsackievirus B3 die Cytokine TNF-α, IL-1β und IL-6 frei. Sie sind für die Ausbildung der Entzündung verantwortlich. Die mit Coxsackievirusinfektionen assoziierte chronisch-persistierende Herzmuskelentzündung ist durch ein geringes Ausmaß an infiltrierenden Zellen charakterisiert. Nur einzelne Muskelzellen zerfallen. Im Herzmuskel lässt sich Coxsackievirus-RNA nachweisen. Offenbar ist dabei das Verhältnis von RNA-Plus- zu Minussträngen auf ein Verhältnis von zwei zu eins verschoben, während gewöhnlich ein hoher Überschuss an genomischer RNA vorliegt. Es werden in diesen Fällen also relativ wenige Virusgenome produziert und auch die Menge an infektiösen Coxsackieviren ist in den persistierend infizierten Bereichen deutlich geringer. Der Diabetes mellitus Typ 1, den man gehäuft nach Infektionen mit Coxsackievirus B4 findet, wird vermutlich durch Autoimmunprozesse ausgelöst. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass Ähnlichkeiten zwischen Virusproteinen und der zellulären Glutaminsäuredecarboxylase vorhanden sind, die diese Krankheit auslösen könnten.
Immunreaktion und Diagnose Im Infektionsverlauf werden virustypspezifische Antikörper der Klassen IgM, IgG und IgA gegen die viralen Strukturproteine gebildet, die zum Teil neutralisierende Eigenschaften haben. Die IgG-vermittelte Immunreaktion wird bei Reinfektionen mit anderen Virustypen möglicherweise durch kreuzreagierende Epitope aufgefrischt. In Einzelfällen wurde für IgA-Antikörper im Magen-Darm-Trakt eine protektive Wirkung gefunden. Die IgM-Antwort fällt überwiegend sehr gering aus. Über den Einfluss der zellulären Immunantwort auf die Viruseliminierung ist wenig bekannt; cytotoxische T-Lymphocyten scheinen für die Elimination des Cox-
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sackievirus B3 aus dem Herzmuskel verantwortlich zu sein. Die Diagnose der Infektion mit humanen Enteround Parechoviren erfolgt durch Virusisolierung mit anschließender Neutralisation oder durch den Nachweis viraler Nucleinsäure mittels RT-PCR aus Stuhl, Urin, Rachenspülwasser, Liquor oder dem Augensekret. Antikörper können im virusspezifischen Neutralisationstest nachgewiesen werden. Einige der Viren besitzen hämagglutinierende Eigenschaften, die für die Diagnostik herangezogen werden können. Infolge der hohen Durchseuchung gibt es häufig Kreuzreaktionen, daher sind ELISA-Tests nur bei Erstinfektionen einsetzbar und geben keinen Aufschluss über die Art des Virus.
Therapie und Prophylaxe Es gibt keine Impfstoffe und Therapeutika zur Vorbeugung oder Behandlung von humanen Enterovirusinfektionen. Pleconaril, das den Uncoating-Prozess und somit die Freisetzung der Virusgenome hemmt, ist auch bei Enteroviren wirksam. Seine Effektivität bei enteroviralen Meningitiden und Encephalitiden wurde in klinischen Studien gezeigt, eine Zulassung erfolgte allerdings nicht.
Das Hepatitis-A-Virus
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und III wurden aus infizierten Menschen isoliert, die Genotypen IV und VI aus Makaken (Macaca fascicularis) sowie der Genotyp V aus einer Grünen Meerkatze (Cercopthecus aethiops). Von den humanen Genotypen wurden verschiedene antigene Varianten identifiziert, es gibt bisher aber nur einen Serotyp des Hepatitis-AVirus. Während die Seroprävalenz vor Einführung der Impfung vor allem bei den über 50-Jährigen in Deutschland hoch war, sind heute akute Infektionen mit Hepatitis-A-Viren relativ selten; sie treten bevorzugt als Reiseerkrankung im Erwachsenenalter auf: Jährlich werden dem Robert-Koch-Institut etwa 1 000 Fälle gemeldet. Man kann die Hepatitis-A-Viren (ohne Auftreten eines cytopathischen Effekts) in primären und kontinuierlichen Nierenzellkulturen Grüner Meerkatzen züchten, allerdings ist der Vermehrungszyklus sehr langsam. Das Virus ist gegen Umwelteinflüsse sehr stabil und wird von infizierten Personen bereits während der dreibis sechswöchigen Inkubationszeit in großen Mengen über den Stuhl ausgeschieden. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral durch Schmutz- und Schmierinfektion, über verunreinigte Lebensmittel und Trinkwasser. Daneben kann die Infektion in seltenen Fällen durch Blut und Speichel von Erkrankten in der virämischen Phase erfolgen. Bei Heimbewohnern und Drogensüchtigen, in Kindergärten, Ferienlagern oder auch in Bevölkerungsgruppen mit niedrigem, sozioökonomischem Status wird das Virus gehäuft übertragen.
Epidemiologie und Übertragung Das Hepatitis-A-Virus wurde 1973 durch Stephen Feinstone elektronenmikroskopisch dargestellt. 1979 isolierten es Philip Provost beziehungsweise Gert Frösner und Mitarbeiter unabhängig voneinander. Es ist weltweit verbreitet, Infektionen werden jedoch heute bevorzugt in tropischen und subtropischen Regionen und in Entwicklungsländern beobachtet. Hier erfolgt die Infektion meist im Kindesalter. Weltweit wurden sechs unterschiedliche Genotypen identifiziert: Die Genotypen I, II
Klinik Die Inkubationsphase bis zum Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen beträgt drei bis sechs Wochen. Das Hauptsymptom einer Infektion mit dem Hepatitis-AVirus ist eine Leberentzündung mit Gelbsucht (Ikterus), die durch den Übertritt der Gallenstoffe (Bilirubin) in das Blut und ihre Ausscheidung im Urin zustande kommt. Vor allem bei Kindern ist der Verlauf aber meist inapparent, das heißt ohne Symptome. Die Symptome
q Muscheln reichern das Hepatitis-A-Virus an Bekannt wurde die Übertragung des Hepatitis-A-Virus durch kontaminierte Muscheln. In manchen Gegenden der Welt wird das Haushaltsabwasser ungeklärt in Flüsse und Meere eingeleitet. Da in den entsprechenden Ländern die Hepatitis-A-Infektion meist gehäuft auftritt, gelangt das gegen äußere Einflüsse sehr stabile Virus so in die Umwelt.
Muscheln, die sich in der Nähe größerer Ansiedlungen im Meer befinden, also dort, wo die kontaminierten Abwässer eingeleitet werden, filtern die Viren sehr effektiv aus dem Wasser und reichern sie an. Werden solche Muscheln nicht ausreichend hoch erhitzt, so gelangt beim Verzehr das Virus in den Magen-Darm-Trakt.
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q Mini-Epidemien der Hepatitis A Aufgrund von einzelnen im Ausland erworbenen und von dort eingeschleppten Hepatitis-A-Virusinfektionen, kommt es auch in Mitteleuropa immer wieder zu meist kleineren, gelegentlich aber auch zu größeren Mini-Epidemien; letztere können mehr als 100 Personen betreffen. So hatte sich beispielsweise in einem Fall ein Metzgermeister während seines Urlaubs auf den Kanaren eine Hepatitis A zugezogen. Er infizierte in Deutschland Familienangehörige und mindestens fünf Mitarbeiter im Metzgereibetrieb. Dabei kam es in dieser Metzgerei offensichtlich auch zu Kontaminationen der Wurstwaren mit den sehr stabilen Viren. Auf diese Weise wurden über die Nahrungsmittel weitere Personen
der Gelbsucht setzen plötzlich ein, sind mit Übelkeit, Fieber und allgemeinem Krankheitsgefühl verbunden und können mehrere Wochen anhalten; gelegentlich findet man auch fulminante Verläufe, die vor allem bei älteren Erwachsenen durch Leberzerfall tödlich enden können. Mittels der RT-PCR kann man die Genome der Hepatitis-A-Viren aber noch mehrere Wochen nach Abklingen der Symptome – bei immunsupprimierten Personen auch deutlich länger – im Stuhl nachweisen. Bei Immungesunden wurden persistierende Infektionen bisher nicht beobachtet.
Pathogenese Das Hepatitis-A-Virus gelangt meist durch kontaminierte Lebensmittel in den Magen-Darm-Trakt. Es gibt Hinweise, dass es im Dünndarm die Kryptenzellen infiziert, bevor es sich über das Blut verbreitet und sein Hauptzielorgan, die Leber erreicht, um dort in den Hepatocyten zu replizieren. Als zellulärer Rezeptor wurden die Proteine TIM-1 und TIM-3 identifiziert; ein alternativer Aufnahmeweg scheint für IgA-komplexierte Viruspartikel zu bestehen, die sich an den IgA-Rezeptor auf der Hepatocytenoberfläche binden. Die Replikation des Hepatitis-A-Virus in der Leber erfolgt acht bis zehn Tage vor dem Auftreten der Symptome. Das in der Leber gebildete Virus gelangt über die Gallenwege in den Darm und wird dort ausgeschieden. Während dieser Phase ist das Virus auch im Blut vorhanden, man findet bis zu 105 Partikel pro Milliliter Blut. Bei Ausbruch der Erkrankung ist der Höhepunkt der Virusausscheidung bereits überwunden. Durch die massive Schädigung der Leberzellen kommt es zur Ausschüttung von Bilirubin und Leberenzymen (Transaminasen) in das Blut.
angesteckt. Auch kleinere Krankenhäuser wurden von der Metzgerei beliefert, in denen es dann ebenfalls zu Ausbrüchen der Hepatitis A kam. Als die Infektionskette erkannt wurde, leiteten die Gesundheitsämter sofort geeignete Maßnahmen zur Eindämmung ein: Es erfolgten aktive und passive Simultanimpfungen des Metzgereipersonals und der exponierten Kundschaften, eine Impfung der Ärzte in der näheren Umgebung, eine Hochchlorierung der öffentlichen Bäder und auch die örtlichen Blutspendedienste wurden informiert, da in der virämischen Phase der Infektion Hepatitis-A-Viren auch durch Blut übertragen werden.
Im Gegensatz zu anderen Picornaviren scheinen beim Hepatitis-A-Virus die Funktionen zur Bildung des vhs-Effekts nicht oder nur sehr schwach ausgeprägt zu sein. Überwiegend erfolgt die Zerstörung der Leberzellen nicht durch die Virusinfektion. Dafür ist hauptsächlich die zelluläre Immunantwort des Wirtsorganismus verantwortlich: Cytotoxische CD8+-T-Lymphozyten wurden in der Leber von Patienten mit einer akuten Hepatitis A nachgewiesen. Diese sezernieren IFN-γ und bewirken die Einwanderung weiterer immunologisch aktiver Zellen in die Leber. Infiltrierende mononucleäre Zellen finden sich zumeist in den Leberportalregionen. Neben den Leberzellen enthalten auch die Makrophagen der Milz und die Kupfferschen Sternzellen der Leber Virusproteine. Hierbei handelt es sich aber wahrscheinlich um passiv aufgenommene Viren. In einem späteren Stadium der Infektion findet man auch die Einwanderung von CD4+-Lymphocyten. In seltenen Fällen kann die Hepatitis-A-Virus-Infektion eine vorübergehende Granulocytopenie und damit eine Schädigung der Knochenmarkzellen verursachen. In den infizierten Patienten vermehrt sich das Hepatitis-A-Virus zuerst sehr langsam; auch dauert die Inkubationsphase bis zum Auftreten der ersten Symptome, die auf eine Zerstörung der Leberzellen hinweisen, mehrere Wochen. Man fand, dass die infizierten Leberzellen kaum IFN-α und -β bilden und die Immunabwehr des Organismus deshalb verzögert aktiv wird. In den infizierten Zellen ist die Phosphorylierung und somit die Aktivierung des IRF-3 (interferon regulatory factor 3) unterbunden. Dies geschieht gewöhnlich über die Signalkaskaden, die über die Aktivierung des TLR-3 oder der RIG-Helicase durch doppelsträngige oder ungecappte RNA induziert werden (䉴 Kapitel 7 und 8); der-
14.1 Picornaviren
artige RNA-Strukturen entstehen während des Vermehrungszyklus des Hepatitis-A-Virus. Das virale Nichtstrukturprotein 2B scheint diesen Vorgang zu blockieren, dadurch unterbleibt in den infizierten Zellen auch die Synthese von IFN-β und das Virus kann sich in der Frühphase der Infektion weitgehend unbeeinflusst vom unspezifischen Immunsystem vermehren.
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schützender Antikörper (10–14 Tage) vor Reisebeginn zu kurz ist. Eine spezielle antivirale Therapie gibt es nicht.
Die Rhinoviren Epidemiologie und Übertragung
Immunreaktion und Diagnose Während der Hepatitis-A-Virus-Infektion sind bereits zum Zeitpunkt der klinischen Erkrankung IgM-Antikörper im Serum vorhanden. IgG-Antikörper gegen die Capsid- und – in geringerem Ausmaß auch gegen die Nichtstrukturproteine – folgen und persistieren lebenslang. Sowohl IgM- als auch IgG-Antikörper können das Virus neutralisieren, sie sind für die Kontrolle der Virusvermehrung und für den raschen Rückgang der Virusmengen in Blut und Stuhl verantwortlich. Die neutralisierenden Antikörper richten sich gegen Domänen auf der Capsidoberfläche der Hepatitis-A-Viruspartikel. Sie bilden eine immundominante Region, an der die Aminosäuren 102 bis 114 des VP1 und 70 des VP3 beteiligt sind. Ein weiteres Epitop wurde im VP1 um die Aminosäure 221 charakterisiert. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis der Virusgenome im Blut und im Stuhl durch die Polymerasekettenreaktion sowie der spezifischen Antikörper im Serum: IgM weist auf eine akute, IgG auf eine abgelaufene Infektion hin. Wie bei jeder Hepatitis, bestimmt man zusätzlich die Transaminasenund Bilirubinwerte als klinisch wichtige Marker für den Krankheitsverlauf.
Humane Rhinoviren infizieren nur den Menschen. Sie lassen sich aber auf einige Affenarten und Frettchen übertragen. Es gibt über 100 Serotypen; die weitere Einteilung erfolgt nach der Rezeptorbindung: 90 Vertreter der Rhinoviren (major group) binden sich an das ICAM-1-Molekül als zellulären Rezeptor, die restlichen Rhinoviren (minor group) an den LDL-Rezeptor. Die Rhinovirustypen 54 und 89 verwenden Heparansulfat für die Interaktion mit den Wirtszellen. In einer Population kommen viele Serotypen gleichzeitig vor. Rhinovirusinfektionen treten vor allem im Frühjahr und im Herbst auf. Sie verursachen vermutlich 40 Prozent der akuten Infektionen des Respirationstraktes. Jeder Mensch macht ein bis drei Rhinovirusinfekte pro Jahr durch, deren Anzahl mit zunehmendem Alter abnimmt. Rhinovirusinfektionen bewirken eine hohe Morbidität und besitzen durch den damit verbundenen Arbeitsausfall eine große wirtschaftliche Bedeutung. Die Übertragung erfolgt meist indirekt über kontaminierte Hände, über Türklinken und nur selten – wenn überhaupt – durch Tröpfcheninfektion. Innerhalb von Familien, in Kindergärten und Schulen breiten sich Rhinoviren schnell aus.
Therapie und Prophylaxe
Klinik
Vakzinen auf der Basis von in vitro gezüchteten, formalininaktivierten Hepatitis-A-Viren verleihen nach zwei Impfungen sehr guten Schutz. Ob dieser lebenslang anhält oder ob später Auffrischungen notwendig sind, lässt sich noch nicht endgültig beurteilen. Tatsächlich gilt die Impfung gegen Hepatitis A aber als sehr effektiv. In den aktuellen Studien, die auf zehn bis zwölf Jahre Impfpraxis zurückblicken, konnte man schützende Antikörper in weit über 95 Prozent der Geimpften nachweisen. Mathematische Berechnungen sagen die Persistenz der durch die Impfung induzierten Antikörper für mehr als 25 Jahre in über 95 Prozent der Geimpften voraus. Durch Gabe von virusspezifischen Immunglobulinpräparaten kann man für einen Zeitraum von etwa vier bis sechs Wochen einen passiven Immunschutz vermitteln. Dies wird beispielsweise als Reise-Impfprophylaxe durchgeführt, wenn der Zeitraum für die aktive Bildung
Die Inkubationszeit beträgt ein bis zwei Tage. Knapp die Hälfte der Rhinovirusinfektionen verlaufen asymptomatisch: die Erkrankung beginnt mit Niesen, Husten und Kratzen im Hals (grippaler Infekt). Fieber, Lymphknotenschwellungen und allgemeines Krankheitsgefühl fehlen. Hauptsymptome sind Sekretausfluss (Katarrh) und eine „verstopfte“ Nase. Das Sekret ist anfangs wässrig, später dickflüssig und gelblich. Die Symptome dauern wenige Tage bis maximal eine Woche an. Klingen die Beschwerden nicht ab, so hat sich möglicherweise durch bakterielle Überinfektion eine Nasennebenhöhlen- oder Mittelohrentzündung gebildet. Kürzlich wurden wiederholt hochvirulente Rhinovirustypen (Gruppe C) beschrieben, deren Infektion mit Erkrankungen der unteren Atemwege (zum Beispiel Lungenentzündung) einhergehen kann.
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Pathogenese Rhinoviren gelangen über die Schleimhäute des Hals-, Nasen- und Rachenbereichs in den Körper und adsorbieren über die Strukturen des Canyons auf der Partikeloberfläche an die jeweiligen Rezeptoren im oberen Respirationstrakt. Die Replikation der Rhinoviren hat sich an die Temperatur der Nasenschleimhaut (32 °C bis 33 °C) angepasst und erfolgt sehr schnell: Bereits acht bis zehn Stunden nach der Infektion der Epithelzellen werden infektiöse Nachkommenviren durch Zelllyse freigesetzt. Maximale Virustiter liegen nach zwei bis drei Tagen vor. Etwa vier Tage nach der Infektion geht die Virusausscheidung zurück. Im Rasterelektronenmikroskop sieht man, dass Zellen aus dem Flimmerepithelverband abgestoßen werden. Ursache ist die direkte zellschädigende Wirkung des Virus. Dies ist eine ideale Basis für bakterielle Überinfektionen. Pathohistologisch beobachtet man beim Ausbruch der Erkrankung eine Hyperämie und Ödeme sowie die verstärkte Bildung eines schleimhaltigen Sekrets, das einen drei- bis fünfmal höheren Proteingehalt als normal besitzt. Das Sekret enthält eine Reihe proinflammatorischer Cytokine wie IL-1β, TNF-α, IL-6, und IL-11 und Chemokine wie IL-8, RANTES und MCP-1; insbesondere IL-8 bewirkt die Einwanderung von neutrophilen Granulocyten, Monocyten und dendritischen Zellen in die von der Infektion betroffenen Bereiche. Bradykinin, Lysylbradykinin und andere vasoaktive Stoffe, welche die Gefäßdurchlässigkeit erhöhen, werden wie auch der Faktor VEGF (vascular endothelial growth factor) vermehrt gebildet und sezerniert. Insgesamt stimuliert die Virusinfektion die Bildung von vielen Entzündungsmediatoren und erzeugt so die typischen Symptome. Ähnlich wie bei den Hepatitis-A-Viren ist wohl auch bei der Rhinovirusinfektion die Synthese von IFN-β gehemmt. Allerdings unterbinden Rhinoviren nicht die Phosphorylierung und Aktivierung des IRF-3, sondern hemmen nach dem Transport der phosphorylierten IRF-3 Versionen in den Zellkern die Ausbildung der funktionell transaktiv wirkenden Dimere.
Immunreaktion und Diagnose Fünf bis zehn Tage nach Infektion findet man IgM-, IgG- und IgA-Antikörper gegen die Virusstrukturproteine im Sekret und im Blut. IgG ist mehrere Jahre, IgA nur wenige Monate lang nachweisbar; insbesondere IgA vermittelt Schutz vor Reinfektionen, allerdings nur mit demselben Rhinovirustyp. In den meisten Personen findet man CD4+-T-Lymphocyten, die oft kreuzreaktiv Epitope verschiedener Virustypen erkennen. Über das Auftreten von cytotoxischen T-Lymphocyten ist nichts
bekannt. Die Diagnosestellung erfolgt rein klinisch. Virusnachweis und Antikörperbestimmung werden in der Routinediagnostik nicht durchgeführt.
Therapie und Prophylaxe Eine Impfung gegen die Rhinovirusinfektion gibt es nicht. Wegen der hohen Anzahl verschiedener Virustypen ist die Entwicklung von Vakzinen sehr schwierig. Durch Gabe von Interferon lässt sich eine Rhinovirusinfektion verhindern. Eine Dauertherapie verbietet sich jedoch wegen damit verbundenen Schleimhautschädigungen. Pleconaril, das sich in die Canyonstrukturen der Partikel einlagert, verkürzt die Infektion, induziert aber schnell die Bildung resistenter Rhinoviren, sodass die Anwendung dieser Substanzen zwecklos erscheint.
14.1.6 Tierpathogene Picornaviren Eine Reihe von Picornaviren ist bei verschiedenen Tierarten beschrieben. Sie können ein breites Spektrum an Krankheiten induzieren. Von überragender wirtschaftlicher Bedeutung ist dabei das Maul-und-KlauenseucheVirus, das alle Klauentiere (Wiederkäuer und Schweine) infizieren kann. Differenzialdiagnostisch für die Maulund Klauenseuche (MKS) spielt beim Schwein das Virus der Bläschenkrankheit (Swine-Vesicular-Disease, SVD) eine große Rolle. Dieses Virus, ein Vertreter der porcinen Enteroviren B, verursacht bei Schweinen eine Erkrankung, die klinisch nicht von der Maul- und Klauenseuche unterscheidbar ist. Das Swine-Vesicular-DiseaseVirus ist säurestabil und wird überwiegend durch Fleischprodukte aus infizierten Schweinen übertragen. Es bleibt bis zu mehreren Monaten in verschiedenen, nicht erhitzten Fleischprodukten wie Rohwürsten, beispielsweise Salami, infektiös. Die Diagnose erfolgt mithilfe von Virusanzucht oder Polymerasekettenreaktion beziehungsweise auf Bestandsebene durch Antikörpernachweis. Andere Picornaviren (verschiedene Enteroviren und das Encephalomyocarditisvirus) können beim Schwein Fruchtbarkeitsprobleme oder Allgemeinerkrankungen verursachen, sind jedoch heute relativ selten. Eine früher sehr wichtige Viruserkrankung der Schweine wird durch porcine Teschoviren hervorgerufen. Sie verursachen beim Schwein in seltenen Fällen eine Polioencephalitis, deren Verlauf weitgehend der Poliomyelitis des Menschen ähnelt, die durch die Polioviren verursacht wird. Ein antigenetisch sehr ähnlicher Stamm der porcinen Teschoviren, genannt Talfanvirus, besitzt eine erheblich geringere Virulenz. Seine Infektion verläuft in der Regel
14.1 Picornaviren
klinisch inapparent, induziert aber eine belastbare, schützende Kreuzimmunität gegen das virulente Teschovirus. Das Talfanvirus ist weltweit in den Schweinepopulationen verbreitet. Daher werden klinische Fälle der Teschenerkrankung aufgrund der hohen Durchseuchungsrate mit dem Talfanvirus nur noch sehr selten beobachtet.
Das Maul-und-Klauenseuche-Virus Epidemiologie und Übertragung Eines der wichtigsten und wirtschaftlich relevantesten tierpathogenen Viren ist das Maul-und-KlauenseucheVirus. Obwohl es in Europa seit einigen Jahrzehnten keine bedeutende Rolle mehr spielt und die Länder der Europäischen Gemeinschaft aufgrund einer konsequenten Tierseuchenbekämpfung als frei von der Maul- und Klauenseuche gelten, zeigte die Epidemie der Maul- und Klauenseuche in Großbritannien im Jahre 2001, dass die Einschleppung des Virus jederzeit möglich ist und dass es Epidemien größten Ausmaßes auslösen kann. Obwohl in Deutschland und in den anderen Ländern der EU nicht mehr gegen die Maul- und Klauenseuche geimpft wird, wird dennoch für den Seuchenfall und die dann vorgesehenen Ring- und Notimpfungen ein Grundbestand an Impfdosen vorgehalten. Die Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung des Virus sowie die Herstellung, Prüfung und Bevorratung der serotypspezifischen Impfstoffe erfordern einen enormen finanziellen Aufwand. In Deutschland ist die Maul- und Klauenseuche anzeigepflichtig; Tierärzte und Tierbesitzer sind also verpflichtet, jeden Verdacht dieser Seuche der zuständigen Veterinärbehörde zu melden. Dieser Anzeige folgt gegebenenfalls die amtliche Anordnung der Tötung einzelner Tiere des Bestandes zur Diagnosestellung. Ist in den Tieren die Maul- und Klauenseuche amtlich festgestellt, wird die Tötung aller Klauentiere des Bestandes angeordnet und ausgedehnte epidemiologische Untersuchungen eingeleitet, um die mögliche Verschleppung des Virus vom infizierten Bestand aus zu kontrollieren. Diese Maßnahmen betreffen streng genommen nicht nur die Maul- und Klauenseuche, sondern auch Erkrankungen durch Viren, die zur Maul- und Klauenseuche ähnliche Symptome induzieren können und damit differenzialdiagnostisch abgeklärt werden müssen. Hierzu zählen das Virus der Bläschenkrankheit der Schweine (Swine-Vesicular-Disease-Virus), das Vesikulär-Stomatitis-Virus (䉴 Abschnitt 15.1.6) und das heute getilgte Vesikulärexanthemvirus der Schweine (䉴 Abschnitt 14.6.6). Das Virus der Maul- und Klauenseuche ist weltweit verbreitet und in weiten Teilen Afrikas, Südamerikas und
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Asiens, auch im asiatischen Teil der Türkei (Anatolien) mit den Serotypen O, A und Asia 1 endemisch. Von hier aus gelangt das Virus gelegentlich in den europäischen Teil der Türkei und selten auch in andere europäische Länder, wie im Jahr 1996 (Serotyp A) nach Bulgarien und in die Balkanländer, sowie in den Jahren 1996 (Serotyp O) und 2000 (Serotyp Asia 1) nach Griechenland. Das Maul-und-Klauenseuche-Virus gilt als typischer Vertreter des Genus Aphthovirus. Es ist säurelabil und infiziert alle Klauentiere (Paarhufer). Das bedeutet für Europa, dass es Rinder, die kleinen Wiederkäuer Schaf und Ziege einschließlich der heimischen und exotischen Wildwiederkäuer (Rehe und Hirsche beziehungsweise Antilopen und Wildrinder in Zoos) sowie domestizierte und wild lebende Schweine und Schweineartige befällt. Epidemiologisch bedeutsam ist die unterschiedliche Ausprägung der klinischen Symptomatik: Während die Maul- und Klauenseuche bei Rind und Schwein eine fiebrige Erkrankung darstellt, die mit der typischen Bildung von Bläschen (Aphthen) an Flotzmaul beziehungsweise Rüsselscheibe sowie am Kronsaum der Klauen einhergeht, verläuft die Infektion beim Schaf weniger auffällig und kann daher leicht übersehen werden. Da Schafe jedoch extrem empfänglich für die Infektion sind, das Virus zudem hoch kontagiös ist und von infizierten Schafen ausgeschieden wird, kann eine von der Maul- und Klauenseuche befallene Schafherde der Ausgangspunkt einer sich schnell ausbreitenden, verheerenden Epidemie sein. Epidemiologisch bedeutsam ist auch die Tatsache, dass die Viren vor allem von infizierten Schweinen, aber auch von Rindern in großen Mengen ausgeschieden werden. In einem Seuchenzug kann die Infektion dieser Tierarten daher sehr schnell zu einer drastischen Steigerung der in der Tierpopulation zirkulierenden Virusmenge führen. Epidemiologisch wichtig ist weiterhin, dass verschiedene Serotypen des Maul-und-Klauenseuche-Virus existieren, gegen welche die infizierten Tiere keine schützende Kreuzimmunität entwickeln – ähnlich wie man es auch bei Infektionen mit den drei Serotypen der Polioviren beim Menschen findet. Neben den sieben Serotypen O (Oise), A (Allemagne), C, Asia 1 und SAT 1 bis 3 (South African Territories) gibt es zahlreiche Subtypen, deren Infektionen auch zum Teil eine nur geringe Kreuzimmunität induzieren. Diese antigene Vielfalt spielt eine große Rolle für die Bekämpfung der Maulund Klauenseuche. Das Virus wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Es ist relativ stabil und kontagiös, sodass die Infektionen bei günstigem Klima über die Luft und dabei auch über weite Entfernungen verbreitet werden. Nachgewiesen wurde dies bei einem Ausbruch der Maul- und Klauen-
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seuche auf der Isle of Wight im Jahr 1981: Die Viren wurden ausgehend vom französischen Festland über den Kanal auf die Insel verschleppt. Die Entfernung betrug 250 km. Da das Virus auch mit der Milch ausgeschieden wird, ist durch Verfütterung von Milchprodukten von infizierten Rindern eine Übertragung auch auf Schweine möglich. Das Virus ist säurelabil, im Fleisch geschlachteter Tiere wird es daher nach ausreichend langer Fleischreifung inaktiviert. In unzureichend geräucherten oder gepökelten Rohwürsten bleibt es jedoch über längere Zeit infektiös. Es kann daher durch entsprechende, aus infizierten Tieren hergestellte Produkte übertragen werden.
auch den Herzmuskel betreffen und führt zu dessen Entzündung, Degeneration und Fibrose. Durch seine bindegewebige Organisation erscheint der Herzmuskel dann „gestreift“, man spricht deshalb vom Tigerherz. Das Virus gelangt über das Blut auch zurück in die Maulschleimhaut und führt hier zum eigentlichen Erkrankungsbild mit den typischen Aphthen (Sekundäraphthen). Wichtig ist, dass das Virus im Rind persistieren kann. Man konnte im Rachenepithel experimentell infizierter Rinder das Virus isolieren (Probang-Probe). Es ist allerdings in verschiedenen unabhängigen Studien gezeigt worden, dass diese Tiere kein Virus ausscheiden und Kontakttiere nicht infiziert werden.
Klinik Nach einer Inkubationszeit von wenigen Tagen kommt es zur Bildung der typischen Bläschen (Aphthen) am Flotzmaul der Rinder beziehungsweise an der Rüsselscheibe und auf der Zunge der Schweine, am Kronsaum der Klauen sowie an verschiedenen Schleimhautbereichen des Magen-Darm-Traktes, beispielsweise am Pansenpfeiler der Rinder. Die Aphthen enthalten große Virusmengen. Während beim Rind die Veränderungen am Flotzmaul und den Schleimhäuten des MagenDarm-Traktes im Vordergrund stehen, ist bei Schweinen die Entzündung des Kronsaumes (Coronitis) das in der Regel vorherrschende Symptom. Die Morbidität ist hoch, die Mortalität hingegen gering. Das Virus kann über mehrere Wochen in einem infizierten Rind oder Schaf persistieren. In diesen Fällen werden die Viren bereits vor Auftreten der ersten klinischen Symptome ausgeschieden. Infektionen des Menschen mit Maul-und-Klauenseuche-Viren sind außerordentlich selten, wurden jedoch vereinzelt beschrieben. Sie verlaufen in der Regel subklinisch, können sich aber ähnlich wie bei den Tieren mit Fieber und Aphthenbildung an den Schleimhäuten präsentieren.
Pathogenese Die Infektion erfolgt oronasal. Initial vermehren sich die Viren in der Schleimhaut von Maul und Zunge. Es entstehen erste kleine Aphthen (Primäraphthen). Die Viren werden danach über das Blut im Tier verbreitet und gelangen in alle inneren Organe. Dort replizieren sie sich mit den klassischen Symptomen wie Blasenbildung an Epithelien (verbunden mit Fieber, Leistungsdepression, Speichelfluss, Lahmheiten) und den typischen, nahezu pathognomonischen pathologischen Veränderungen wie Kolliquationsnekrosen der Epithelien und Fibrose. Bei jungen Rindern und Schweinen kann eine Infektion
Immunreaktion und Diagnose Die Infektion hinterlässt eine serotypspezifische Immunität. Man vermutet, dass sie möglicherweise nicht lebenslang anhält. Die Diagnose erfolgt durch Anzucht der Viren in der Zellkultur, bevorzugt in BabyhamsterKidneyzellen (BHK-Zellen) oder diversen primären und permanenten bovinen Zelllinien. Im Anschluss kann man den Serotyp der Viren mittels spezifischer Antikörper im ELISA oder mittels der Komplementbindungsreaktion bestimmen. Alternativ erfolgt die Analyse des Serotyps durch Einsatz der Polymerasekettenreaktion mit anschließender Sequenzierung der amplifizierten Abschnitte.
Bekämpfung und Prophylaxe Die Maul- und Klauenseuche unterliegt in Deutschland der Anzeigepflicht. Jeder Verdacht auf die Erkrankung muss dem zuständigen Veterinäramt gemeldet werden. Die Bekämpfung sieht nach Diagnosestellung die Tötung und unschädliche Beseitigung aller Klauentiere des betroffenen Bestandes sowie aller seuchen- und ansteckungsverdächtigen Tiere in Nachbarbeständen vor. Es werden Sperrbezirke eingerichtet und umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen vorgenommen. Ein Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Deutschland würde nach Schätzungen der Behörden direkte und indirekte Kosten in Milliardenhöhe verursachen. In der jüngsten Zeit wird in der Europäischen Union diese „Nichtimpf“-Politik bei hochkontagiösen Tierseuchen wie der Maul- und Klauenseuche zunehmend kritisch diskutiert, die Vorschriften werden zunehmend gelockert. So kann die Kommission eine Impfung gegen die Maul- und Klauenseuche grundsätzlich erlauben, und zwar sowohl in Form einer protektiven Impfung (Ringimpfung), um noch nicht infizierte Tierbestände zu schützen, als auch in Form einer Suppressivimpfung,
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q Maul- und Klauenseuche in Europa Die meisten Länder Europas und alle Länder der Europäischen Gemeinschaft waren viele Jahre frei vom Auftreten der Maul- und Klauenseuche. Dieser Status wurde im Wesentlichen durch die strikten Maßnahmen im Falle eines Seuchenausbruchs sowie eine jährliche flächendeckende Impfung aller Rinder, die am Stichtag älter als sechs Monate waren, erreicht. Die Impfung wurde im Jahr 1991 eingestellt, da das Virus in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft eliminiert war und die Bekämpfung der Maulund Klauenseuche dann EU-einheitlich durchgeführt wurde. Seitdem kam es bis zum Jahre 2001 nur zu vereinzelten Ausbrüchen in den EU-Ländern, so 1993 in Italien sowie 1994 und 1996 in Griechenland. Im Jahr 2001 kam es jedoch zu einem massiven Ausbruch der Tierseuche in England. Das Virus vom Serotyp O1 wurde wahrscheinlich mit infiziertem Schweinefleisch aus Asien eingeführt, welches in Küchenabfällen an Schweine verfüttert wurde. Nach diesem initialen Schweineinfektionszyklus wurde das Virus hauptsächlich durch infizierte Schafe verbreitet. In den Schafen verursachte dieses Virusisolat nur milde Symptome. Bis Januar 2002 waren nahezu 10 000 Gehöfte in England betroffen, über vier Millionen Klauentiere (Rinder, Schafe, Schweine, Ziegen und Hirsche) sind im Zuge seuchenhygienischer Maßnahmen getötet worden. Von England ist das Virus nur vereinzelt in andere Länder verschleppt worden; die dortigen Ausbrüche (25 in den Niederlanden, zwei in Frankreich und einer in Irland) sind durch Keulung der Bestände und zum Teil auch durch eingeleitete Ringimpfungen schnell unter Kontrolle gebracht
um in bereits infizierten Beständen oder Regionen die Virusausscheidung zu reduzieren; im letzteren Fall werden die geimpften Tiere später getötet. Das Hauptproblem, das sich als Folge der Impfung ergibt, ist die Identifizierung der geimpften Tiere und ihre Unterscheidung von den Infizierten. Die Entwicklung von ELISA-Systemen, welche Antikörper gegen Nichtstrukturproteine detektieren, die nur im Rahmen einer Infektion, aber nicht bei der Impfung in den Tieren gebildet werden, hat die Akzeptanz der Impfmaßnahmen wesentlich verbessert. Das Prinzip der Unterscheidung ist dabei folgendes: Im Rahmen der Replikation des Maul-und-Klauenseuche-Virus im Tier werden die viralen Struktur- und Nichtstrukturproteine synthetisiert und immunologisch erkannt, die infizierten Tiere bilden folglich Antikörper gegen beide Proteingruppen. Da die Impfstoffe auf gereinigten und abgetöteten Viruspartikeln basieren, bestehen sie nur aus Strukturproteinen, sie enthalten keine Nichtstrukturproteine. Deswegen weisen mit die-
worden. Vom 21. Januar 2002 an galt Europa wieder als frei von der Maul- und Klauenseuche. Am 2. August 2007 jedoch traten wieder Fälle der Maul- und Klauenseuche im Süden Englands auf, das wenig später auch in umliegenden Rinderfarmen diagnostiziert wurde. Wie sich während des Ausbruchs herausstellte, handelte es sich um den MKSStamm BFS 1860 O1 1967 (British Field Strain 1860, Serotyp O, Subtyp 1, 1967 isoliert), der in unmittelbarer Nähe im staatlichen Institut für Tiergesundheit, Pirbright zum Zwecke der Vakzinierung gezüchtet wurde. Es dürfte sich also um die Freisetzung eines Laborvirus gehandelt haben, das über alte und undichte Abwassersysteme in die Umwelt gelangte. Aufgrund der schnellen Handlung der zuständigen Behörden, dem Aufstellen von Sicherheitszonen und der Keulung aller infizierten Bestände, konnte das Virus schnell eingedämmt werden. Der Ausbruch in England 2001 hatte aufgrund der finanziellen Entschädigung für die betroffenen Landwirte sowie der verhängten Transportverbote im Inland und des Exportstopps für lebende Klauentiere und deren Fleisch schwere finanzielle Auswirkungen – der Schaden des Ausbruchs belief sich auf etwa zwölf Millionen Euro – auf die britische Landwirtschaft, die bereits durch die BSE-Krise erschüttert war. Beide Ausbrüche in Großbritannien haben gezeigt, dass nach wie vor eine große Gefahr vom Virus der Maulund Klauenseuche ausgeht und dass eine schnelle Diagnostik, eine kompromisslose Tötung aller Klauentiere eines infizierten Bestandes und die konsequente Überwachung der Tiertransporte notwendig sind.
sen Vakzinen geimpfte Tiere ausschließlich Antikörper gegen die Strukturproteine auf. Kommerzielle ELISASysteme, welche die Nichtstrukturproteine 3A, 3B und 3C als Antigene enthalten (auch bekannt als „3ABCELISA“) und Antikörper gegen diese Proteine nachweisen, haben sich als sensitiv und verlässlich erwiesen, die Unterscheidung zwischen geimpften und infizierten Tieren zu treffen.
14.1.7 Weiterführende Literatur Abzug, M. J. The enteroviruses: an emerging infectious disease? The real, the speculative and the really speculative. In: Adv. Exp. Med. Biol. 609 (2008) S. 1–15. Aggarwal, N.; Barnett, P. V. Antigenic sites of foot-and-mouth disease virus (FMDV): an analysis of the specificities of antiFMDV antibodies after vaccination of naturally susceptible host species. In: J. Gen. Virol. 83 (2002) S. 775–782.
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
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14.2 Astroviren
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175
nichtumhülltes Capsid und ein Plusstrang-RNA-Genom. Während des Replikationszyklus synthetisieren sie eine subgenomische mRNA-Spezies, die zur Produktion der Strukturproteine dient. Der Name leitet sich vom griechischen astron (αστρον) ab; dies bedeutet „Stern“ und weist auf die im Elektronenmikroskop erkenntlichen sternähnlichen Formen bei einem Teil der Astroviruspartikel hin.
14.2.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Familie der Astroviridae wird heute in zwei Genera unterteilt, ihre Vertreter unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihrer Wirtsspezifität (䉴 Tabelle 14.5): Die Viren der Gattung Mamastrovirus infizieren den Menschen und verschiedene Säugetiere (Schweine, Schafe, Rinder, Katzen), wohingegen die Astroviren der Vögel (Hühner, Enten, Puten) im Genus Avastrovirus zu finden sind. Die meisten Astroviren lassen sich weitgehend problemlos in vitro züchten.
14.2.2 Aufbau Viruspartikel
14.2 Astroviren
Die Vertreter der Astroiviridae haben membranlose, sphärisch-ikosaedrische Capside, die einen Durchmesser von 28 bis 30 nm besitzen (䉴 Abbildung 14.5). Etwa zehn Prozent der Virionen zeichnen sich auf der Capsidoberfläche durch eine Struktur aus, die einem fünf- oder sechszackigem Stern ähnelt. Die Capside werden von einem Vorläuferprotein pVP87 gebildet, das proteolytisch in die beiden Capsidproteine VP34 und VP26/29 gespalten wird. Die Prozessierung ist für die Infektiosität der Astroviren notwendig, bei Züchtung in CaCo-2 Zel-
Tabelle 14.5 Charakteristische Vertreter der Astroviren
Die Familie der Astroviridae ist hinsichtlich ihrer Molekularbiologie wenig untersucht. Ähnlich wie die Picorna-, Calici- und Hepeviren besitzen Astroviren ein
Genus
Mensch
Tier
Mamastrovirus
humanes Astrovirus, Typen 1–8
felines Astrovirus bovines Astrovirus, Typen 1–2 Astrovirus der Schafe porcines Astrovirus
Avastrovirus
Astrovirus der Enten Astrovirus der Puten Astrovirus der Hühner
14
14
176
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
VP26/29 VP34 5´
AAAA
3´ Genom (ssRNA)
14.5 Schematischer Aufbau eines Astroviruspartikels.
len (human colonic carcinoma cell line) müssen die gebildeten Viruspartikel dazu mit Trypsin behandelt werden.
Genom und Genomaufbau Das Genom der Astroviren besteht aus einzelsträngiger RNA, die in Plusstrangorientierung vorliegt, an den 3’Enden polyadenyliert ist und eine Länge von etwa 6 800 Basen (6 771 beziehungsweise 6 813 Basen bei den humanen Astroviren, Typ 1 und 3) aufweist. Sequenzanalysen der RNA-Moleküle ergaben drei offene Leserahmen, deren Enden miteinander überlappen (䉴 Abbildung 14.6): Die Leserahmen ORF1a und ORF1b codieren für die Nichtstrukturproteine NSP1a und NSP1ab. Eine 20 Nucleotide lange Sequenzfolge im Überlappungsbereich von ORF1a und ORF1b ist hoch konserviert: Hier bildet sich eine Haarnadelschleife aus, welche bewirkt, dass sich bei einigen der Translationsvorgänge der genomischen mRNA das ribosomale Leseraster verschiebt. Die im ORF1b codierenden Aminosäurefolgen werden so mit denen des ORF1a verbunden und es entsteht ein gemeinsames Vorläuferprotein NSP1ab beider Leserahmen. Der Leserahmen ORF2 codiert für das Vorläuferprotein pVP87 der Capsidproteine. Im 5’-Bereich der genomischen RNA befinden sich vor dem Startcodon für den offenen Leserahmen ORF1a kurze, nichttranslatierbare Sequenzfolgen von 10–20 und 45–85 Nucleotiden bei den Vertretern der Avastro- beziehungsweise der Mamastroviren. An den 3’-Genomenden findet man ebenfalls nichttranslatierbare Sequenzen (130–305 und 59–85 bei den Avastro- beziehungsweise Mamastroviren).
14.2.3 Virusproteine Nichtstrukturproteine Die Nichtstrukturproteine der Astroviren werden von den Leserahmen ORF1a und ORF1b codiert. Bei der Translation entstehen zwei Vorläuferproteine: NSP1a (103 kD) umfasst 920 Aminosäuren und codiert im Leserahmen ORF1a; NSP1ab hat ein Molekulargewicht von etwa 160 kD und ist ein gemeinsames Vorläuferprotein, das die Sequenzen des NSP1a mit denjenigen fusioniert, die vom ORF1b codiert werden. Das Vorläuferprotein NSP1a, wird posttranslational durch die Protease 3CLPRO – sie hat Ähnlichkeit zur 3CProtease der Picornaviren (3C-ähnliche Protease) und befindet sich im zentralen Teil NSP1a/3 der Vorläuferproteine – in vermutlich vier Proteine (NSP1a/1 bis NSP1a/4) gespalten. Die RNA-abhängige RNA-Polymerase befindet sich in den Sequenzen des ORF1b. Bezüglich der Funktion der anderen Spaltprodukte gibt es nur wenige Daten (䉴 Tabelle 14.6). Strukturproteine Das Vorläuferprotein pVP87 codiert im Leserahmen ORF2 für die Capsidproteine und umfasst durchschnittlich 780 Aminsäuren; abhängig vom jeweilig untersuchten Virustyp sind Molekulargewichte von 70 bis 90 kD beschrieben. Das Vorläuferprotein lagert sich zu partikulären Strukturen zusammen und wird danach durch trypsinähnliche zelluläre Proteasen in einen konservierten, aminoterminalen (VP34) und einen carboxyterminalen Abschnitt (VP26, VP29) gespalten; letzterer variiert in seiner Größe, da sich in der Aminosäuresequenz einige zueinander benachbarte Spaltstellen für Trypsin befnden, die von den Enzymen alternativ erkannt und genutzt werden. Im carboxyterminalen Abschnitt des Vorläuferproteins pVP87 beziehungsweise seiner Spaltprodukte VP26/VP29 findet sich eine Folge sauerer Aminosäuren, die durch zelluläre Caspasen erkannt und gespalten werden. Beide proteolytischen Prozessierungen sind notwendig, damit die Viruspartikel ihre vollständige Infektiösität erhalten.
14.2.4 Replikation Der Replikationszyklus der Astroviren ist kaum untersucht. Der zelluläre Rezeptor, an den sich die Viren bei der Adsorption an ihre Zielzellen binden, ist nicht bekannt. Ebenso sind die Vorgänge ungeklärt, die zur Aufnahme der Viruspartikel und zur Freisetzung der Virusgenome führen. Die Infektion bewirkt auf noch unbekannte Weise die Aktivierung des ERK-vermittelten Signalweges (ERK = extracellular signal-regulated
177
14.2 Astroviren
Haarnadelschleife
1000 genomische (+) RNA
5000
5´
AAA 3´ ORF1a
ORF2 ORF1b
Translation
Translation Vorläuferprotein NSP1a
NSP1a/1 NSP1a/2
Leserasterverschiebung
NSP1a/4 PRO
3CL Vorläuferprotein NSP1ab
NSP1b
PRO
Transkription
3CL Proteolytische PRO Spaltung durch 3CL Nichtstrukturproteine
RNANegativstrang
NSP1a/1 NSP1a/2 3CLPRO NSP1a/4
RNA-Polymerase
3´
5´ Transkription
subgenomische RNA
5´
AAA 3´ Translation
Transkription
Vorläuferprotein pVP87 Trypsin-ähnliche Protase Capsidproteine VP34
genomische (+) RNA
5´
VP26/VP29 AAA 3´
14.6 Genomorganisation bei Astroviren. Die Genome der Astroviren enthalten drei offene Leserahmen (ORF). Die ORF1a und ORF1b überlappen an den Enden miteinander. Eine Haarnadelschleife bewirkt eine Verschiebung des ribosomalen Leserasters und ist dafür verantwortlich, dass bei der Translation die im ORF1a codierenden Aminosäuresequenzen mit denjenigen des ORF1b verbunden werden. Das bei der Translation gebildete Vorläuferprotein NSP1ab enthält neben einer Protease (3CLPro) auch die RNAabhängige RNA-Polymerase (NSP1b). Letztere ist für die Synthese der Negativstranggenome verantwortlich, von denen im Replikationszyklus die RNA-Genome der Nachkommenviren abgelesen werden. Der ORF2 dient der Synthese des Vorläuferpolyproteins der Strukturproteine. Es wird durch die Aktivität von trypsinähnlicher Protease gespalten.
14
14
178
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Tabelle 14.6 Bekannte Funktionen und Eigenschaften der Astrovirusproteine Protein
Molekulargewicht
Codierungsort
Funktion/Eigenschaften
NSP1a/1
20 kD
ORF1a
?
NSP1a/2
23 kD
ORF1a
Hydrophob, enthält potenzielle Transmembrandomänen
NSP1a/3
27 kD
ORF1a
3C-ähnliche Protease 3CLPRO, Spaltung des/der Vorläuferproteine
NSP1a/4
26 – 35 kD
ORF1a
enthält Kerntransportsignal, im perinucleärem Bereich, assoziiert mit ER
NSP1b
ca. 57 kD
ORF1b
RNA-abhängige RNA-Polymerase, Transkription, Replikation
pVP87
70–87 kD
ORF2
Vorläuferprotein der Capsidproteine, Größe ist bei den verschiedenen Virustypen unterschiedlich, wird durch zelluläre trypsinähnliche Proteasen gespalten
VP34
34 kD
ORF2
Capsidprotein, aminoterminales Spaltprodukt von pVP87, konserviert
VP26, VP29
26 bzw. 29 kD
ORF2
Capsidproteine, carboxyterminale Spaltprodukte von pVP87, variabel, die Proteine entstehen durch alternative Verwendung der Proteasespaltstellen in pVP87, Induktion neutralisierender Antikörper, Substrat zellulärer Caspasen
Die Auflistung der Proteine in der Tabelle entspricht der Anordnung der ORFs auf den Virusgenomen sowie in den Vorläuferproteinen.
kinase); dabei handelt es sich um einen der mitogen-activated protein kinase (MAPK)-Signalübertragungswege, die als Reaktion auf extrazelluläre Stresssignale induziert werden und zur Phosphorylierung der ERK1/2Kinasen führen. In diesem aktivierten Zustand gelangen die ERK1/2-Kinasen in den Zellkern und aktivieren die Expression verschiedener zellulärer Gene, welche die Zellteilung und Differenzierung regulieren. Der Befund, dass die Aktivierung der ERK-vermittelten Signalwege für die Virusreplikation wichtig ist, ist ein Hinweis dafür, dass Astroviren bei ihrer Replikation auf sich teilende Zellen angewiesen sind. Der initiale Schritt im Vermehrungszyklus ist die Translation der Vorläuferprodukte für die Nichtstrukturproteine NSP1a und NSP1ab. Wie die Proteinsynthese dabei initiiert wird, ist unklar. Am 5’-Ende der genomischen RNA fand man kein kovalent gebundenes Protein Vpg, wie es bei den Picorna- und Caliciviren der Fall ist; die nichttranslatierbaren Sequenzfolgen scheinen auch keine IRES auszubilden (䉴 Abschnitte 14.1, 14.3 und 14.5). Ob das Ende über eine 5’-Cap-Gruppe verfügt, ist ebenfalls unklar. Bei einem Teil der Translationsereignisse kommt es im carboxyterminalen Bereich des NSP1a zur Verschiebung des ribosomalen Leserasters, wodurch die Aminosäurefolgen des NSP1b mit dem NSP1a verbunden werden. Dieser Vorgang ähnelt der Synthese der Nichtstrukturproteine bei den Togaviren (䉴 Abschnitt 14.6). Die gebildeten Vorläuferproteine werden autokatalytisch durch die Aktvität der 3CLPRO gespalten, wodurch die Funktionen der verschie-
denen Nichtstrukturproteine und somit auch die viralen RNA-abhängigen RNA-Polymerasen in der Zelle vorliegen. Durch die Aktivität der Polymerase wird die Synthese von Negativstrangkopien komplementär zum Virusgenom eingeleitet: Die Negativstränge dienen zur Synthese neuer genomischer mRNAs sowie einer subgenomischen mRNA mit einer Länge von etwa 2 000 Basen; sie enthält die für die Capsidproteine codierenden Sequenzbereiche des ORF2 und dient der Synthese des Vorläuferproteins pVP87 (䉴 Abbildung 14.6). Im Verlauf der Replikation wird in den infizierten Zellen die Apoptose induziert, die zum Zelltod und zur Freisetzung der Nachkommenviren führt. Welches der Virusproteine hierfür verantwortlich ist, ist nicht bekannt. Die während der Apoptose induzierte Caspaseaktivität spaltet die Capsidproteine VP26 und VP29; dies steigert die Infektiosität der von den Zellen freigesetzten Nachkommenviren.
14.2.5 Humanpathogene Astroviren Die humanen Astroviren Epidemiologie und Übertragung Infektionen mit humanen Astroviren wurden erstmals 1975 im Rahmen eines Ausbruchs infektiöser Gastroenteritis in einer Geburtsklinik in England beschrieben. Danach zeigte sich, dass Astroviren weltweit verbreitet
14.2 Astroviren
sind und nach den Caliciviren die zweithäufigste Ursache für nicht bakterielle Durchfallerkrankungen sind (siehe Abschnitt 14.3). Bisher fand man acht Serotypen der humanen Astroviren, der Serotyp 1 überwiegt. Astrovirusinfektionen werden bevorzugt bei Kindern im Alter von weniger als zwei Jahren nachgewiesen, aber auch in älteren Personen und immunsupprimierten Patienten. Die Virusausscheidung über den Stuhl dauert ein bis zwei Wochen an, bei Immunsupprimierten auch deutlich länger. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral.
Klinik Die Inkubationszeit ist kurz und beträgt üblicherweise zwei bis drei Tage. In einigen Fällen verlaufen die Astrovirusinfektionen asymptomatisch; in der Regel verursachen sie Gastroenteritiden mit Durchfällen, gelegentlich auch mit Erbrechen; selten findet man dabei Muskelund Gliederschmerzen. Die Erkrankung ist leicht und selbst limitierend; sie dauert üblicherweise drei bis vier Tage. Bei immunsupprimerten Patienten verlaufen die Infektionen schwerer und prolongierter.
Pathogenese Astroviren infizieren die Enterocyten im Dünndarm und vermehren sich in ihnen. Histologisch finden sich nur wenige Hinweise auf Zellzerstörungen und Entzündungen. Die relativ geringe Entzündungsaktivität kann mit der Eigenschaft der viralen Capsidproteine verbunden sein, sich and die Komplementkomponente C1q zu binden und die Aktivierung der klassischen Komplementkaskade und somit eine der Abwehrreaktionen des unspezifischen Immunsystems zu hemmen (䉴 Kapitel 7). Die Capsidproteine scheinen noch eine weitere Funktion auszuüben, welche die Pathogenese der Astrovirusinfektionen bestimmt: Sie bewirken die Erhöhung der Durchlässigkeit des Dünndarmepithels. Dabei werden die Interaktionen des tight-junction Proteins Occludin und des zellulären Actinskeletts gestört. Dieser Vorgang ist nicht von einer aktiven Virusreplikation abhängig, er trägt vermutlich zum Durchfallgeschehen bei.
Immunreaktion und Diagnose Astrovirusinfektionen können durch den Nachweis der Virusproteine im Antigen-capture-ELISA, den elektronenmikroskopischen Nachweis von Viruspartikeln in Stuhlproben oder durch die Amplifikation von viraler RNA durch die Polymerasekettenreaktion diagnostiziert werden. Während der Infektion sind zunächst IgM-, später IgG- und IgA-Antikörper gegen die Virusstruk-
179
turproteine in ELISA-Tests nachweisbar. Die Konzentration der Antikörper sinkt nach der Erkrankung bald wieder ab. Ebenso wie die Virusanzucht in der Zellkultur spielen serologische Methoden zum Nachweis spezifischer Antikörper keine Rolle in der Diagnostik. Über die zelluläre Immunität ist nichts bekannt.
Prophylaxe und Therapie Die besten Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen mit den humanen Astroviren sind Hygiene und Desinfektion. Chemotherapie oder Impfstoffe existieren nicht. Diagnostizierte Astrovirusinfekionen sind meldepflichtig.
14.2.6 Tierpathogene Astroviren Die Astroviren des Geflügels Epidemiologie und Übertragung Astrovirusinfektionen sind beim Geflügel häufig; meist existieren mehrere voneinander unterscheidbare Serotypen. Beim Huhn ist das aviäre Nephritisvirus weit verbreitet. Es verursacht geringe Wachstumsstörungen, die auf Herdenbasis auffällig werden können. Die Erreger werden über den Kot der infizierten Tiere ausgeschieden und übertragen.
Klinik Ähnlich wie die Astroviren des Menschen und der Säugetiere verursachen die Astroviren des Geflügels häufig subklinische Infektionen und milde Erkrankungen. Beide Serotypen des Astrovirus der Pute verursachen eine Gastroenteritis und sind mit dem Poultry Enteritis Mortality Syndrome (PEMS) assoziiert. Diese Viren replizieren sich in den Zellen des Darmepithels sowie in einer Reihe anderer Gewebe, unter anderen im Thymus, der Bursa fabricii, der Milz und den Nieren. Das aviäre Nephritisvirus infiziert Nierenepithelzellen und kann eine interstitielle Nephritis verursachen. Das Astrovirus der Ente wird mit Hepatitiden in Verbindung gebracht; bei experimentellen Übertragungen fand man eine Mortalitätsrate von über 50 Prozent.
Pathogenese Die Pathogenese der Astrovirusinfektionen beim Geflügel ist kaum untersucht. Im Unterschied zu den Infektionen bei Säugetieren und Menschen vermehren sich die Erreger nicht ausschließlich in den Zellen des Darm-
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
¡ Die Astroviren der Säugetiere sind tiermedizinisch nicht relevant Astroviren der Säugetiere wurden bisher aus Schweinen, Rindern, Schafen, Rothirschen, Katzen und Nerzen isoliert; alle lassen sich in vitro vermehren. Sie unterscheiden sich genetisch um bis zu 40 Prozent, wobei die Viren, die einzelne Tierspezies infizieren, bei der phylogenetischen Untersuchung eigene Cluster bilden. Dies deutet auf eine strenge Wirtsspezifität hin. Eine Ausnahme hiervon bildet das feline Astrovirus: Es ist relativ nah mit den humanen
epithels, sondern auch in verschiedenen anderen Geweben; als Folge findet man eine größere Bandbreite unterschiedlicher Erkrankungen.
Immunreaktion und Diagnostik Die aviären Astroviren lassen sich grundsätzlich in Zellkultur vermehren. Die Diagnostik kann über den Nachweis viraler RNA-Genome mittels der Polymerasekettenreaktion erfolgen.
Prophylaxe und Therapie Eine antivirale Therapie oder Immunprophylaxe gibt es nicht.
14.2.7 Weiterführende Literatur Appleton, H.; Higgins, P. G. Letter: Viruses and gastroenteritis in infants. In: Lancet 1, 7919 (1975) S. 1297. Bonaparte, R. S.; Hair, P. S.; Banthia, D.; Marshall, D. M.; Cunnion, K. M.; Krishna, N. K. Human astrovirus coat protein inhibits serum complement activation via C1, the first component of the classical pathway. In: J. Virol. 82 (2008) S. 817–827. Geigenmüller, U.; Chew, T.; Ginzton, N.; Matsui S. M. Processing of nonstructural protein 1a of human astrovirus. In: J. Virol. 76 (2002) S. 2003-2008. Guix, S.; Caballero, S.; Bosch, A.; Pintó, R. M. Human astrovirus C-terminal nsP1a protein is involved in RNA replication. In: Virology 333 (2005) S. 124–131. Guix, S.; Caballero, S.; Bosch, A.; Pintó, R. M. C-terminal nsP1a protein of human astrovirus colocalizes with the endoplasmic Retikulum and viral RNA. In: J. Virol. 78 (2004) S. 13627– 13636. Jonassen, C. M.; Jonassen, T. TØ.; Sveen, T. M.; Grinde, B. Complete genomic sequences of astroviruses from sheep and tur-
Astroviren verwandt und Teil dieses Clusters. Ähnlich wie bei humanen Astroviren muss auch bei der in vitro Züchtung des felinen Astrovirus das Kulturmedium mit Trypsin versetzt werden, um eine Infektion zu ermöglichen. In allen Fällen wurden nur milde oder subklinische Infektionen beschrieben, die Viren sind für diese Tierarten ohne klinische Bedeutung.
key: comparison with related viruses. In: Virus Res. 91 (2003) S. 195–201. Krishna, N. K. Identification of structural domains involved in astrovirus capsid biology. In: Viral Immunol. 18 (2005) S. 17– 26. Krishna, N. K.; Cunnion, K. M. Human astrovirus coat protein: a novel C1 inhibitor. In: Adv. Exp. Med. Biol. 632 (2008) S. 237–251. Moser, L. A.; Schultz-Cherry, S. Pathogenesis of astrovirus infection. In: Viral Immunol. 18 (2005) S. 4–10. Moser, L. A.; Carter, M.; Schultz-Cherry, S. Astrovirus increases epithelial barrier permeability independently of viral replication. In: J. Virol. 81 (2007) S. 11937–11945. Moser, L. A.; Schultz-Cherry, S. Suppression of astrovirus replication by an ERK1/2 inhibitor. In: J. Virol. 82 (2008) S. 7475–7482. Walter, J. E.; Mitchell, D. K. Astrovirus infection in children. In: Curr. Opin. Infect. Dis. 16 (2003) S. 247–253.
14.3 Caliciviren
14.3 Caliciviren
181
zu ihnen wird jedoch während des Replikationszyklus eine subgenomische mRNA-Spezies synthetisiert. In dieser Eigenschaft ähneln sie den Astro-, Hepe- und Togaviren.
14.3.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
Die Familie der Caliciviridae ist hinsichtlich ihrer Molekularbiologie wenig untersucht. Ihr Name leitet sich von dem griechischen Wort kalyx für „Kelch“ ab und weist auf die tassenförmig vertieften Strukturen der Ikosaederseitenflächen hin, die in elektronenmikroskopischen Aufnahmen sichtbar sind. Ähnlich wie die Picornaviren besitzen auch die Caliciviren ein nichtumhülltes Capsid und ein Plusstrang-RNA-Genom. Im Unterschied
Die Familie der Caliciviridae wird heute in vier Genera unterteilt, die sich vor allem im Genomaufbau unterscheiden. (䉴 Tabelle 14.7): Die Genera Vesivirus und Lagovirus umfassen nur tierpathogene Erreger. Bei den Vesiviren ist das feline Calicivirus als Erreger des Katzenschnupfens weit verbreitet. Unter den Vertretern der Gattung Lagovirus sticht das Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche (RHDV) hervor, weil es vor Jahrzehnten zur Bekämpfung der Kaninchenplage auf dem australischen Kontinent eingesetzt wurde. Humanpathogene Viren, die beim Menschen Durchfallerkrankungen verursachen, sind den Gattungen Norovirus und Sapovirus zugeordnet. Ihre Vertreter zeichnen sich durch erhebliche Sequenzunterschiede ihrer Erbinformation aus und werden in jeweils fünf Genogruppen (GI bis GV) eingeordnet, die wiederum eine Vielzahl unterschiedlicher Genotypen enthalten; sie haben häufig Bezeichnungen, die auf den Ort ihrer erstmaligen Isolierung deuten. Die den Genogruppen GI, GII und GIV
Tabelle 14.7 Charakteristische Vertreter der Caliciviren Genus
Mensch
Tier
Vesivirus
Vesikulärexanthemvirus der Schweine San-Miguel-Sealion-Virus felines Calicivirus
Lagovirus
Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche (Rabbit-Haemorrhagic-Disease-Virus) European-Brown-Hare-Syndrome-Virus
Norovirus
Norovirus; Genogruppen I, II, IV Norwalkvirus Southhamptonvirus Mexicovirus Desert-Shield-Virus
Norovirus, Genogruppe III (Rinder) Norovirus, Genogruppe V (Mäuse) Porcine-Enteric-Calicivirus Jenavirus Newbury Agent canines Norovirus
Sapovirus
Sapovirus, Genogruppen I, II, IV, V Sapporovirus Parkville-Virus Manchester-Human-Calicivirus
Sapovirus, Genogruppe III (Schweine)
Valovirus* * Als neue Gattung vorgeschlagen.
St-Valérien-Virus
14
14
182
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
zugeordneten Norovirustypen infizieren den Menschen, die der Genogruppen III und V findet man in Rindern beziehungsweise in Mäusen. Die Sapoviren infizieren überwiegend den Menschen, nur die Vertreter der Genogruppe III wurden aus Schweinen isoliert. Ebenfalls aus Schweinen wurden kürzlich in Kanada weitere Vertreter der Caliciviren isoliert. Diese St-Valérien-Viren lassen sich keiner der bisher anerkannten Gattungen zuordnen; für sie wurde das neue Genus Valovirus vorgeschlagen. Die Züchtung in der Zellkultur ist bisher nur bei einigen Caliciviren möglich. So lassen sich das feline Calicivirus und das San-Miguel-Sealion-Virus weitgehend problemlos kultivieren, während die Replikation des Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche nur in primären Hepatocyten gelingt. Für die Noro- und Sapoviren ist bisher kein Zellkultursystem beschrieben.
das kovalent mit dem 5’-Ende des Genoms verbundene Protein Vpg.
Genom und Genomaufbau
Die Vertreter der Caliciviridae haben membranlose, sphärisch-ikosaedrische Capside, die einen Durchmesser von 34 bis 39 nm besitzen und an den Seitenflächen Eindellungen aufweisen (䉴 Abbildung 14.7). Sie bestehen aus 90 Einheiten des als Dimer vorliegenden Proteins VP1, das bei den Noroviren ein Molekulargewicht von etwa 60 kD besitzt. Die Partikel enthalten ein bis zwei Moleküle eines weiteren Proteins VP2 (23 kD bei Noroviren), das mit dem RNA-Genom assoziiert ist, sowie
Das Genom der Caliciviren besteht aus einzelsträngiger RNA, die in Plusstrangorientierung vorliegt, an den 3’Enden polyadenyliert ist und eine Länge von 7 000 bis 8 000 Basen (7 338–7 708 Basen bei den Noroviren, 7 437 beim Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche, 7 690 Basen beim felinen Calicivirus, 7 431–7 490 bei den Sapoviren) aufweist. An die 5’-Enden der RNA ist kovalent ein virales Protein (15 kD) gebunden, das dem Vpg der Picornaviren entspricht (䉴 Abschnitt 14.1). Im 5’-Bereich der genomischen RNA befinden sich vor dem Startcodon für den offenen Leserahmen ORF1 kurze, nichttranslatierbare Sequenzfolgen von 10–14 Nucleotiden. Sequenzanalysen der genomischen RNA-Moleküle ergaben zwei oder drei offene Leserahmen bei den Sapo- und Lagoviren beziehungsweise den Noro- und Vesiviren; ihre Enden überlappen teilweise miteinander (䉴 Abbildung 14.8). Der in der 5’-orientierten Hälfte der Virusgenome gelegene offene Leserahmen 1 (ORF1) codiert grundsätzlich für das Vorläuferprodukt der Nichtstrukturproteine. Der Leserahmen ORF2 in der 3’-orientierten RNA-Hälfte dient der Synthese des Capsidproteins VP1; bei den Sapoviren ist der für das VP1 codierende Leserahmen mit dem ORF1 direkt verbunden. Ein weiterer Leserahmen ORF3 (bei den Sapoviren ORF2) ist für die Synthese des Proteins VP2 verantwortlich.
A
B
14.3.2 Aufbau Viruspartikel
VP1 (Dimer)
5´ Vpg
VP2
A
3´AA
ssRNA-Genom
14.7 A: Elektronenmikroskopische Darstellung eines Calicivirus am Beispiel von rekombinant hergestellten, leeren Capsiden des felinen Calicivirus (FCV). B: Schematische Darstellung des Partikelaufbaus eines Calicivirus.
14.3 Caliciviren
183
A Norovirus 1000
5000
5´ Vpg
7654 AAA 3´ VP2
Nichtstrukturproteine Proteintransport p48
NTPase p40
? p22
Vpg p16
PRO
3CL p19
RNA-Polymerase p57
ORF3 Capsidprotein VP1 ORF2
ORF1
B Lagovirus 1000 5´ Vpg
5000
7437 AAA 3´ Capsidprotein VP1
Nichtstrukturproteine ORF1
VP2 ORF2
C Vesivirus 1000
7690
5000
AAA 3´
5´ Vpg
Nichtstrukturproteine
VP2 ORF3
ORF1 Capsidprotein VP1 ORF2
D Sapovirus 1000 5´ Vpg
5000
7431 AAA 3´
Nichtstrukturproteine
Capsidprotein VP1
ORF1 VP2 ORF2
14.8 Genomorganisation bei Caliciviren. A: Norovirus (Norwalk-Virus). B: Lagovirus (Rabbit-Haemorrhagic-Disease-Virus, RHDV). C: Vesivirus (felines Calicivirus, FCV). D: Sapovirus (Sapporovirus). Die mRNA-Genome der Caliciviren sind am 5’-Ende mit einem kovalent gebundenen Protein (Vpg) modifiziert und am 3’-Ende polyadenyliert, sie werden im Cytoplasma der Zelle translatiert. Die Anordnung der offenen Leserahmen unterscheidet sich bei den Vertretern der unterschiedlichen Gattungen: Bei den Noro- und Vesiviren findet man drei offene Leserahmen (ORF). ORF1 und ORF2 sind voneinander getrennt und für die Synthese des Vorläuferpolyproteins der Nichtstrukturproteine verantwortlich. Es wird durch die Aktivität einer Serinprotease (3CLPRO) autokatalytisch gespalten, wodurch neben der Protease 3CLPRO auch das Vpg-Protein, eine NTPase (Helicase), die RNA-abhängige RNA-Polymerase und zwei weitere Nichtstrukturproteine (p48, p22 bei Noroviren) entstehen. Die Vorläuferprodukte für die Nichtstrukturproteine der Lago-, Vesi- und Sapoviren enthalten entsprechende Proteinfunktionen, die aber im Detail kaum untersucht sind. Die RNA-Polymerase ist für die Synthese der Negativstranggenome verantwortlich, von denen im Replikationszyklus die RNA-Genome der Nachkommenviren abgelesen werden. Das Capsidprotein VP1 codiert im ORF2, im ORF3 finden sich die Sequenzen des VP2-Proteins, das mit dem RNA-Genom assoziiert ist. Bei den Lagoviren und Sapoviren sind die Leserahmen für den Vorläufer der Nichtstrukturproteine mit demjenigen für das Capsidprotein VP1 im selben Leseraster miteinander verbunden. Der kleine ORF2 codiert hier für die Synthese des VP2-Proteins.
14
14
184
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
14.3.3 Virusproteine Nichtstrukturproteine Die Nichtstrukturproteine der Caliciviren werden als ein Vorläuferprotein von etwa 180 bis 190 kD gebildet, das posttranslational durch die Aktivität einer Protease 3CLPRO (3C-ähnliche Protease) mit Ähnlichkeit zur 3C-Protease der Picornaviren in die einzelnen Komponenten gespalten wird (䉴 Abschnitt 14.1). Die Anordnung der einzelnen Komponenten ist bei allen Caliciviren ähnlich: Am aminoterminalen Ende findet man eine bezüglich ihrer Länge variable Sequenzfolge für ein Nichtstrukturprotein (p48 bei Noroviren), das über eine carboxyterminale Transmembrandomäne verfügt und mit den Golgivesikeln assoziiert vorliegt; es interagiert mit dem zellulären Protein VAP-A (vesicleassociated membrane protein-associated protein A), das die SNARE-vermittelte Fusion intrazellulärer Vesikel reguliert; die Funktion des viralen Proteins ist nicht endgültig geklärt. Im Vorläuferprotein folgen den p48-Sequenzen diejenigen einer NTPase mit Ähnlichkeit zum 2C-Protein der Picornaviren, möglicherweise wirkt es als Helicase. Der Sequenzabschnitt für das kovalent mit dem 5’-Ende des Virusgenoms verbundene Vpg ist von denen der NTPase durch einen Aminosäureabschnitt (Cp22) unbekannter Funktion getrennt; er ist von vielen hydrophoben Aminosäureresten geprägt und bewirkt – ähnlich wie das 3A-Protein der Picornaviren – mögli-
cherweise eine Interaktion des Vorläuferproteins mit intrazellulären Membrankompartimenten. Diesem Abschnitt folgen die Domänen der Protease 3CLPRO und der RNA-abhängigen RNA-Polymerase (䉴 Tabelle 14.8). Strukturproteine Die Sequenzen für die Capsidproteine VP1 befinden sich bei den Vertretern der Sapound Lagoviren fusioniert mit dem carboxyterminalen Ende der RNA-abhängigen RNA-Polymerase und werden von diesem durch die Aktivität der 3CLPRO abgespalten. Bei den Vesi- und Noroviren codieren die VP1Proteine in einem separaten Leserahmen (ORF2). Die Vesiviren weisen eine Besonderheit auf: Hier wird das Capsidprotein VP1 zunächst als Vorläuferprotein (73– 78 kD) synthetisiert, das durch die 3CLPRO weiter in das VP1 (60–62 kD) der reifen Viruspartikel prozessiert wird. Dabei wird eine Leader-Sequenz von 128 Aminosäuren am aminoterminalen Ende entfernt, ihre Funktion ist unbekannt. Werden die VP1-Proteine mit gentechnologischen Methoden in eukaryotischen Expressionssystemen exprimiert, assoziieren sie in einem Self-Assembly-Prozess zu virusähnlichen Partikeln. Ein weiteres Strukturprotein VP2 codiert in einem separaten Leserahmen (ORF2 bei den Sapo- und Lagoviren; ORF3 bei den Noro- und Vesiviren). Es enthält viele basische Aminosäuren und ist in einigen wenigen Kopien mit dem RNA-Genom assoziiert.
Tabelle 14.8 Bekannte Funktionen und Eigenschaften der Calicivirusproteine Protein
Norovirus
Sapovirus Felines Calicivirus
RHDV* Funktion
Nichtstrukturprotein
37–48 kD
32 kD
32 kD
? kD
assoziiert mit Golgivesikeln, beeinflusst intrazellulären Proteintransport
Nichtstrukturprotein
40–41 kD
35 kD
36–38 kD
37 kD
NTPase, Helicase? notwendig bei Transkription und Replikation
Nichtstrukturprotein
20–22 kD
32 kD
30 kD
29 kD
Funktion unbekannt, membranassoziiert?
Vpg
16 kD
14 kD
15,5 kD
13 kD
kovalent am 5’-Ende der RNA gebunden, Translationsinitiation
Protease, 3CLPRO
19 kD
14 kD
30 kD
15 kD
3C-ähnliche Protease, Spaltung des/der Vorläuferproteine
RNA-Polymerase
57 kD
57 kD
50 kD
58 kD
RNA-abhängige RNA-Polymerase, Transkription, Replikation
Capsidprotein VP1
68 kD (ORF2)
60–62 kD (ORF1)
60–65 kD (ORF2)
60 kD (ORF1)
Strukturprotein, Dimer, major capsid protein
Strukturprotein VP2
23–29 kD (ORF3)
23–29 kD (ORF2)
12 kD (ORF3)
10 kD (ORF2)
Strukturprotein, RNA-Bindung
* RHDV: Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche. Die Auflistung der Proteine in der Tabelle entspricht der Anordnung der ORFs auf den Virusgenomen sowie in den Vorläuferproteinen.
14.3 Caliciviren
14.3.4 Replikation Die Noro- und die Sapoviren verwenden die Kohlenhydratstrukturen der ABH- und Lewis-Blutgruppenantigene als zelluläre Rezeptoren, wobei sich die verschiedenen Virustypen an unterschiedliche Versionen dieser Histoblutgruppen-Antigene (HBGA) binden. Dabei handelt es sich um komplexe Zuckerstrukturen, die auf den Oberflächen der Erythrocyten und der Epithelzellen in der Schleimhaut des Respirations- und Gastrointestinaltrakts vorhanden sind. Beim felinen Calicivirus sind endständige, in α(2,6)-glycosidischer Bindung verknüpfte Sialylsäurereste als zelluläre Rezeptoren beschrieben, die als Modifikation mit dem felinen JAM-A (junction adhesion molecule A) verbunden sind; hierbei handelt es sich um ein Mitglied der Ig-Superfamilie. Die Viruspartikel werden vermutlich durch rezeptorvermittelte Endocytose aufgenommen. Über die Vorgänge, die zur Freisetzung der Virusgenome aus den Endosomen und den Capsiden führen, ist nichts bekannt. Der initiale Schritt im Vermehrungszyklus ist die Translation der Nichtstrukturproteine bei den Vesi- und Noroviren beziehungsweise des Fusionprodukts der Nichtstruktur- und Capsidproteine bei den Lago- und Sapoviren unter Verwendung des Plusstrang-RNAGenoms als mRNA. Das Virusgenom verfügt an seinem 5’-Ende weder über eine 5’-Cap-Gruppe noch über eine IRES-Struktur, welche bei zellulärer Transkription oder den Genomen der Picornaviren die Bindung der Ribosomen vermitteln (siehe Abschnitt 14.1). Die Caliciviren haben einen alternativen Mechanismus zur Translationsinitiation entwickelt, der durch das mit den 5’Enden verbundene Protein Vpg vermittelt wird: Das Vpg wechselwirkt mit dem Translationsinitiationsfaktor eIF-3, welches eine Komponente der 40S RibosomenUntereinheit ist. Die Bindung von Vpg an eIF-3 bewirkt, dass sich die kleine Ribosomenuntereinheit an die 5’Enden der Genome anlagert. Dies induziert im Folgenden vermutlich, dass auch die große Ribosomenuntereinheit gebunden und die Translation des ORF1 von nächst gelegenen Startcodon aus begonnen wird. Die gebildeten Vorläuferproteine werden autokatalytisch durch die Aktvität der 3CLPRO gespalten, wodurch die Funktionen der verschiedenen Nichtstrukturproteine und somit auch der viralen RNA-abhängigen RNA-Polymerase in der Zelle vorliegen. Durch die Aktivität der viralen RNA-abhängigen RNA-Polymerase wird die Synthese von Negativstrangkopien komplementär zum Virusgenom eingeleitet: Die Negativstränge dienen als Matrize neuer Vpg-geprimter genomischer RNAs und – ebenfalls Vpg-geprimter – subgenomischer RNAs mit einer Länge von 2 400 bis
185
2 700 Basen. Letztere enthalten bei den Lago- und Sapoviren die für die VP2-Proteine codierenden Sequenzbereiche – dieser Prozess ähnelt den Replikationsvorgängen der Astroviren (䉴 Abschnitt 14.2). Bei den Noround Vesiviren sind die subgenomischen mRNAs bicistronisch, von ihnen werden die VP1- und VP2-Proteine translatiert. Die Initiation der Translation des VP2-Proteins erfolgt in einem ungewöhnlichen Vorgang: Die Ribosomen bleiben nach Beendigung der Translation der VP1-Sequenzen an die subgenomische mRNA gebunden, und es erfolgt im darauffolgenden Schritt die Reinitiation der Translation mit der Synthese der Strukturproteine VP2. Die Capsidproteine VP1 interagieren zu Vorstrukturen der Viruspartikel, in welche die virale RNA eingelagert wird. Interessanterweise wird, wie beim Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche – nicht jedoch beim felinen Calicivirus – gezeigt, in einigen Virionen auch die subgenomische RNA verpackt.
14.3.5 Humanpathogene Caliciviren Die Noro- und Sapoviren Epidemiologie und Übertragung Infektionen mit Noro- und Sapoviren sind weltweit verbreitet. Von beiden Viren existieren mehrere Genogruppen mit Varianten, die für den Menschen pathogen sind und in verschiedene Genotypen unterteilt werden können. Dies ist ein Hinweis dafür, dass die Caliciviren durch die hohe Fehlerrate der RNA-abhängigen RNAPolymerase einer erheblichen Mutationsrate unterworfen sind, die zu der großen Variabilität der Erreger beiträgt. Die Infektionen verursachen Gastroenteritiden, die mit starkem Durchfall und Erbrechen einhergehen. Die Einführung der Meldepflicht zeigte, dass Noro- und Sapoviren für die meisten Darminfektionen in Deutschland verantwortlich sind: Derzeit werden pro Jahr mehr als 200 000 Fälle gemeldet. Die Erreger werden durch die infizierten Personen über Stuhl und Erbrochenes ausgeschieden. Die Virusausscheidung dauert einige Tage länger als die Symptome, deshalb sollte der Arbeitsplatz erst zwei Tage nach Sistieren des Durchfalls wieder aufgesucht werden. Bei Immunsupprimierten kann der Stuhl Wochen bis Monate infektiös bleiben. Dies bereitet sehr große logistische Probleme im Krankenhausbetrieb, da die Patienten nicht verlegt werden können, solange das Virus im Stuhl nachweisbar ist. Die nicht membranumhüllten Partikel der Caliciviren haben eine sehr hohe Umweltresistenz; dies muss bei der Wahl geeigneter Desinfektionsmittel berücksichtigt werden. Weit weniger als 100 Viruspartikel sind ausreichend, um eine Infektion zu induzieren. Deswegen werden die Erreger fäkal-oral
14
14
186
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
q Animale Noroviren und das Risiko der zoonotischen Übertragung Verschiedene Tierarten werden durch Noroviren infiziert, insbesondere existieren viele Isolate aus Rindern und Schweinen; jüngst wuden Norovirusinfektionen aber auch in Hunden gefunden. Die Noroviren verursachen in den Tieren in aller Regel keine oder nur sehr milde Krankheiten. Noroviren der Genogruppe II kann man aus Schweinen und Menschen isolieren, wohingegen Viren der Genogruppe III nur in Rindern festgestellt wurden. Bisher galt die Möglichkeit der direkten Übertragung von Tieren auf den Menschen als unwahrscheinlich, weil sich die animalen Norovirusisolate genetisch deutlich von den humanen unterschieden. Die Isolierung eines humanen Genotyp-II/4-Virus aus
Schweinen und auch aus Schweinefleisch zeigte jedoch, dass diese Einschätzung möglicherweise nicht allgemeingültig ist. Neben einer direkten Übertragung eines Norovirus von Schweinen auf Menschen ist auch die genetische Rekombination zwischen humanen und animalen Noroviren im Tier grundsätzlich vorstellbar. Zwar wurde diese noch nicht direkt gezeigt, aber die Tatsache, dass humane Noroviren im Schwein und Rind replizieren können, und der Nachweis von genetischen Rekombinationen über die Genogruppen hinaus, lässt dieses Szenario nicht unmöglich erscheinen.
als Schmierinfektion – aber auch durch kontaminiertes Trinkwasser oder verunreinigte Lebensmittel – sehr leicht übertragen und treten epidemisch in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Heimen oder auch auf Kreuzfahrtschiffen auf, in denen viele Menschen auf engem Raum zusammenleben. Besonders betroffen sind Altenheime und vor allem Krankenhäuser, in denen zudem eine hohe Fluktuation von Patienten, Pflegepersonal und Besuchern herrscht. Bei derartigen Ausbrüchen wird die Infektion auch häufig über infiziertes Personal weitergegeben. Während die Sapoviren vornehmlich bei gastrointestinalen Krankheiten von Kindern auffällig sind und bisher nicht als Lebensmittelkeime nachgewiesen wurden, stellen die Noroviren auch eine Ursache einer viralen Lebensmittelinfektion („Lebensmittelvergiftung“) dar; daher sind für Küchenpersonal strenge Verhaltensregeln vorgeschrieben. In jüngerer Zeit wurden Noroviren auch aus dem Kot von Kälbern und Schweinen nachgewiesen. Dies weist auf ein zoonotisches Potenzial dieser Virusgruppe hin, das aber bisher nicht nachgewiesen wurde.
siven Flüssigkeitsverlust auch zu bedrohlichen Zuständen kommen.
Klinik
Immunreaktion und Diagnose
Die Inkubationszeit ist sehr kurz und beträgt üblicherweise ein bis zwei Tage. Die Noro- und Sapovirusinfektionen verursachen kurze, ein bis drei Tage andauernde, aber sehr heftige Gastroenteritiden mit Erbrechen und Durchfällen. Schwere Allgemeinsymptome und Fieber fehlen. Die Infektion ist selbst limitierend und hinterlässt keine bleibenden Schäden. Bei immunsupprimierten Patienten verlaufen die Infektionen protrahierter und das infektiöse Virus wird wesentlich länger ausgeschieden. Bei älteren Patienten kann es durch den mas-
Noro- und Sapovirusinfektionen werden durch Nachweis von Viruspartikeln im Antigen-ELISA oder von Nucleinsäure mittels RT-PCR aus Stuhlmaterial diagnostiziert. Der Nachweis von Viruspartikeln in Stuhlproben durch Elektronenmikroskopie spielt diagnostisch keine Rolle. Auch serologischen Untersuchungen zum Nachweis virusspezifischer Antikörper kommt keine diagnostische Wertigkeit zu. Über die zelluläre Immunität ist nichts bekannt.
Pathogenese Noro- und Sapoviren infizieren reife Enterocyten im Darm und zerstören sie. Als zelluläre Rezeptormoleküle nutzen sie Kohlenhydratstrukturen, die in ABO- und Lewis-Blutgruppenantigenen vorkommen und auf den Oberflächen der Enterocyten vorhanden sind. Personen, die dem Typ sekretornegativ angehören, da ihnen die genetische Information für das Enzym α(1,2)-Fucosyltransferase fehlt, gelten als resistent. Die Zuckerstrukturen kommen nicht nur zellgebunden, sondern auch in löslicher Form – so auch in der Muttermilch – vor. Gestillte Kinder von sekretorpositiven Müttern nehmen die Zuckermoleküle über die Milch auf und sind damit in dieser Lebensphase vor Infektionen mit Noro- und Sapoviren zumindest teilgeschützt, da die Zuckermoleküle im Darm der Kinder die Erreger komplexieren und so die Infektion der Enterocyten verhindern.
14.3 Caliciviren
187
¡ Genetische Unterschiede in den Blutgruppenantigenen vermitteln Resistenz gegenüber Virusinfektionen Eine Blutgruppe ist von der individuellen Zusammensetzung der Glycolipide oder -proteine auf der Oberfläche der Erythrocyten und anderer Körperzellen abhängig. Beim Menschen gibt es eine Vielzahl verschiedener Blutgruppensysteme; die sogenannten Histoblutgruppenantigene können drei Familien zugeordnet werden, nämlich den Lewis-, Sekretor- und ABO-Familien. So kommt beispielsweise beim ABO-System als gemeinsames Merkmal aller Blutgruppen und als zentrales Zuckermolekül der Kohlenhydratsrukturen N-Acetylglucosamin auf den Zelloberflächen vor. Damit verknüpft sind Galactose-Einheiten, welche Fucosereste tragen. Zusammen bilden sie die Grundstruktur aller Blutgruppen und repräsentieren die Blutgruppe 0. Sind an die Galactose zusätzlich noch ein oder zwei Moleküle des NAcetylgalactosamin gebunden, dann stellen diese Kohlenhydratstrukturen die Blutgruppen A beziehungsweise B dar. Die Biosynthese der Blutgruppenantigene ist von einer Reihe von Enzymen abhängig, die genetischen Variationen unterliegen. Nutzen Viren die Kohlenhydratstrukturen der
Prophylaxe und Therapie Die beste Maßnahme zur Vermeidung von Infektionen mit den humanpathogenen Caliciviren ist die konsequente Einhaltung von persönlichen und allgemeinen Hygienemaßnahmen. Dazu gehören Desinfektion unter Einsatz entsprechend geeigneter Mittel, die strikte Isolierung und Nichtverlegung von infizierten Patienten im Krankenhaus und die Sauberhaltung von Anlagen zur Produktion von Lebensmitteln und zur Wasserversorgung. Im Extremfall müssen ganze Stationen in Krankenhäusern beziehungsweise auch ein Krankenhaus ganz für die Patientenaufnahme geschlossen werden. Kreuzfahrtschiffe werden kurzzeitig unter Quarantäne gestellt. Chemotherapie oder Impfstoffe existieren nicht.
Blutgruppensysteme als Rezeptormoleküle, dann ist die Empfänglichkeit für die Infektion ebenfalls genetisch determiniert. So zeigte sich, dass Personen mit genetischen Defekten der α(1,2)-Fucosyltransferase die Kohlenhydratgruppen, die für die Bindung der Noro- und Sapoviren an die Zelloberfläche notwendig sind, nicht bilden. Diese „NichtSekretor“-Phänotypen können von bestimmten Typen der Noro- und Sapoviren daher nicht infiziert werden, sie sind resistent. Da die Noroviren aber sehr häufig mutieren und als Folge davon auch ihre Rezeptorvorlieben verändern können, muss davon ausgegangen werden, dass diese Resistenz nicht für alle Virustypen gilt. Ähnliche genetisch bedingte Resistenzen kennt man auch von der Parvovirus B19-Infektion: Dieses Virus bindet sich an das Blutgruppenantigen P, ein Glycosphingilipid. Personen, welche nicht über genetische Information für die Enzyme verfügen, die für die Synthese der entsprechenden Kohlenhydratstrukturen notwendig sind, können sich nicht mit diesen Parvoviren infizieren (䉴 Abschnitt 20.5).
chungen zeigten, dass das Vesikulärexanthemvirus mit dem San-Miguel-Sealion-Virus nahe verwandt ist; es hat daher wahrscheinlich einen marinen Ursprung. Von letzterem kann man verschiedene Serotypen unterscheiden. Es weist ein enorm breites Wirtsspektrum auf, das verschiedene Säugetiere sowie Reptilien, Amphibien, sogar Fische und Nematoden umfasst. In vitro ist es auch in humanen Zelllinien kultivierbar. Das Vesikulärexanthemvirus verursachte zwischen 1930 und 1950 in den USA eine Erkrankung bei Schweinen, die differenzialdiagnostisch von der Maul- und Klauenseuche nicht zu unterscheiden war. In Säugetieren findet man Blasenbildung an der Haut, insbesondere an den Gliedmaßen (Kronsaum beziehungsweise Flossen) sowie an der Maulschleimhaut. Der letzte Ausbruch wurde in den USA im Jahre 1952 festgestellt; seitdem gilt das Virus als getilgt.
14.3.6 Tierpathogene Caliciviren Das feline Calicivirus Die wichtigsten tierpathogenen Caliciviren verursachen in ihren Wirten Krankheitsbilder, die sich deutlich von denen der humanpathogenen Viren unterscheiden. Das Vesikulärexanthemvirus der Schweine ist der Prototyp des Genus Vesivirus. Retrospektive genetische Untersu-
Epidemiologie und Übertragung Das feline Calicivirus besitzt eine große Bedeutung als Tierpathogen, es ist der Erreger des Katzenschnupfens. Es wird durch direkten Kontakt und über Sekrete aus dem
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Respirationstrakt übertragen. Viele der infizierten Katzen entwickeln den Status persistierend infizierter Virusträger, die das Virus über Wochen oder Monate ausscheiden können. Die verschiedenen felinen Caliciviren sind antigenetisch nicht einheitlich, und obwohl man formal keine Serotypen unterscheiden kann, gibt es eine Vielzahl von Isolaten, deren Infektionen keine oder eine nicht schützende, unvollständige Kreuzimmunität induzieren. Die Variabilität ist innerhalb des Capsidproteins vor allem auf eine kleine Domäne von etwa 100 Aminosäuren, die hypervariable Region E, beschränkt. Hier unterscheiden sich die Isolate auf der Nucleinsäureebene um bis zu 70 Prozent. Seit kurzem kann man feline Caliciviren aus Katzen mit einem neuen Krankheitsbild isolieren. Die Katzen zeigen Ödeme an Kopf und Hals, Ulzera an Nase, Ohren und Pfoten, sowie gelegentlich Ikterus. Diese Isolate bezeichnete man als hochvirulente systemische feline Caliciviren – eine unglückliche Bezeichnung, da jede Infektion mit felinen Caliciviren systemisch verläuft und die hämorrhagische Komponente des Krankheitsbildes selten ist; insbesondere weisen die neuen Isolate auch keinerlei Ähnlichkeiten mit dem Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche auf. Interessant ist, dass diese hochvirulenten Isolate aus geimpften Beständen überwiegend älterer Katzen stammen. Genetisch lassen sie sich nicht in einer Gruppe fassen; sie zeigen eine ähnliche Heterogenität wie die anderen felinen Caliciviren. Ein genetischer Marker für diese hochvirulenten Stämme wurde bisher nicht gefunden.
Klinik Das Virus verursacht eine akute respiratorische Erkrankung bei Katzen, die mit Rhinitis und Ulcera der Maulschleimhaut einhergeht. Selten findet man auch eine Polyarthritis. Vor allem Katzenwelpen in den ersten Lebensmonaten erkranken. Bei älteren Katzen, die an einer chronischen Entzündung der Maulschleimhaut (Stomatitis) leiden, wird das feline Calicivirus ebenfalls sehr häufig nachgewiesen. Eine ätiologische Bedeutung des Virus bei diesem Krankheitsbild ist jedoch nicht gesichert.
Pathogenese Im Rahmen der Infektion kommt es zu einer Virämie, in deren Verlauf auch die Synovialzellen der Gelenke infiziert werden. Die Tonsillen stellen einen Ort der Viruspersistenz dar. Dieses Virus repliziert sich in felinen Zellkulturen und ist daher relativ gut untersucht.
Immunreaktion und Diagnose Die infizierten Katzen entwickeln eine IgG-Antwort gegen die Capsidproteine, die in ELISA- und WesternBlot-Tests nachgewiesen werden können. Die Diagnose der akuten Infektion erfolgt durch Anzucht des Virus in Zellkultur oder durch den Nachweis viraler Genome mittels der Polymerasekettenreaktion.
Bekämpfung und Prophylaxe Gegen den Katzenschnupfen sind Vakzinen auf der Basis attenuierter Lebendviren und abgetöteter Viren verfügbar, Hauskatzen werden routinemäßig damit geimpft. Wegen der hohen antigenen Variabilität sind die Impfstoffe aber nur eingeschränkt wirksam.
Das Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche (Rabbit-Haemorrhagic-Disease-Virus) Epidemiologie und Übertragung Um 1985 trat eine scheinbar neue, schwere, seuchenartig verlaufende Krankheit bei Kaninchen (Oryctolagus cuniculus) in China auf. Die als hämorrhagische Kaninchenseuche bezeichnete Krankheit breitete sich rasch weltweit aus und ist durch schwere hämorrhagische Symptome und fulminante Hepatitiden gekennzeichnet. Als ätiologische Agenzien wurden zunächst Parvoviren angenommen, schnell jedoch wurde das Calicivirus als wahrer ursächlicher Erreger beschrieben. Der Ursprung des Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche in China ist jedoch nicht endgültig geklärt. Retrospektive serologische Untersuchungen zeigten, dass die Erreger schon um 1950 in Kaninchen in Großbritannien verbreitet waren, ohne dass zu dieser Zeit eine tödliche Kaninchenseuche aufgefallen wäre. Mittlerweile sind alle Kaninchenbestände durchseucht, und die anfangs hohe Mortalität ist sehr stark gesunken. Die Virulenz des Virus scheint sich schnell im Kaninchen abzuschwächen – wie nicht zuletzt auch die „Feldstudie“ in Australien und Neuseeland zeigte (siehe Exkurs). Tierseuchenrechtliche Maßnahmen sind daher aufgehoben worden. Neben direktem Kontakt der Tiere und Koprophagie (Kotfressen) spielt bei der Übertragung die passive Verschleppung des Virus durch Arthropoden eine Rolle. Das Virus gilt als wirtsspezifisch, es lässt sich nicht in der Zellkultur propagieren. Ein ähnliches, aber eigenständiges Virus, das European-Brown-Hare-Syndrome-Virus, verursacht eine Erkrankung beim Europäischen Feldhasen (Lepus europaeus). Dieses Virus ist nicht auf das Hauskaninchen übertragbar.
14.3 Caliciviren
189
q Hämorrhagische Kaninchenseuche Zweifelhafte Popularität hat das Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche gewonnen, als es 1996 unter dem Namen „rabbit calicivirus“ zur biologischen Bekämpfung der Kaninchenpopulationen auf dem australischen Kontinent freigesetzt wurde. Kontrovers wurde und wird diskutiert, ob andere Arten der einzigartigen Fauna Australiens durch dieses Virus gefährdet werden könnten. Auf der anderen Seite hatte auch die gewaltige Kaninchenplage erhebliche Auswirkungen auf die Flora und damit verbunden auch auf die Fauna Australiens. Der Einsatz des Virus führte in einigen
Klinik Das Virus verursacht eine schwere Erkrankung in Kaninchen ab einem Alter von etwa acht Wochen. Vorher lassen sich die Welpen unabhängig vom Vorliegen mütterlicher Antikörper nicht infizieren. Die Krankheit verläuft in der Regel fulminant, die Tiere verenden innerhalb von Stunden nach der Infektion. Bei protrahierten Verläufen bluten die Tiere von allen Schleimhäuten. Eine Genesung ist die Ausnahme.
Pathogenese Das Virus hat einen Tropismus für Hepatocyten und verursacht dort eine lytische Infektion, in deren Verlauf es zu massiven Lebernekrosen kommt.
Immunreaktion und Diagnose Wegen des fulminanten Verlaufs der Infektion bildet sich in den Tieren keine Immunantwort aus, eine serologische Diagnosestellung erübrigt sich in aller Regel. Subklinisch infizierte Tiere können durch den Nachweis spezifischer Antikörper in ELISA-Tests identifiziert werden. Virusgenome lassen sich durch RT-PCR in der Leber, im Blut und im Kot nachweisen. Der elektronenmikroskopische Nachweis der Viruspartikel in der Leber ist ebenfalls möglich und gebräuchlich. Da das Virus nicht in Zellkultur repliziert, ist eine Virusisolierung nicht möglich.
Bekämpfung und Prophylaxe Für Kaninchen in Nutztierhaltung ist eine inaktivierte Vollvirusvakzine verfügbar, die aus der Leber infizierter Kaninchen gewonnen wird.
Gegenden Australiens zum Rückgang der Kaninchenpopulationen um über 60 Prozent, in anderen Gegenden hatte es keinen Einfluss. Farmer verschleppten das Virus über große Strecken des Kontinents, auch blühte ein reger Handel mit infizierten Kaninchen. Das Virus wurde zudem illegal nach Neuseeland eingeführt und dort verbreitet. Wie zu erwarten, wurden sowohl in Australien wie in Neuseeland nach kurzer Zeit gesunde Kaninchen gefunden, in denen infektiöses Virus nachweisbar war. Dies ist ein untrügliches Zeichen für die Attenuierung des Virus an seinen Wirt.
14.3.7 Weiterführende Literatur Bhella, D.; Gatherer, D.; Chaudhry, Y.; Pink, R.; Goodfellow, I. G. Structural insights into calicivirus attachment and uncoating. In: J. Virol. 82 (2008) S. 8051–8058. Cao, S.; Lou, Z.; Tan, M.; Chen, Y.; Liu, Y.; Zhang, Z.; Zhang, X. C.; Jiang, X.; Li, X.; Rao, Z. Structural basis for the recognition of blood group trisaccharides by norovirus. In: J. Virol. 81 (2007) S. 5949–5957. Chen, R.; Neill, J. D.; Estes, M. K.; Prasad, B. V. X-ray structure of a native calicivirus: structural insights into antigenic diversity and host specificity. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 103 (2006) S. 8048–8053. Clarke, I. N.; Lambden, P. R. The molecular biology of caliciviruses. In: J. Gen. Virol. 78 (2001) S. 291–301. Daughenbaugh, K. F.; Fraser, C. S.; Hershey, J. W.; Hardy, M. E. The genome-linked protein VPg of the Norwalk virus binds eIF3, suggesting its role in translation initiation complex recruitment. In: EMBO J. 22 (2003) S. 2852–2859. Estes, M. K.; Prasad, B. V.; Atmar, R. L. Noroviruses everywhere: has something changed? In: Curr. Opin. Infect. Dis. 19 (2006) S. 467–474. Geissler, K.; Schneider, K.; Fleuchaus, A.; Parrish, C. R.; Sutter, G.; Truyen, U. Feline calicivirus capsid protein expression and capsid assembly in cultured feline cells. In: J. Virol. 73 (1999) S. 834–838. Geissler, K.; Schneider, K.; Platzer; G.; Truyen, B.; Kaaden, O.R.; Truyen, U. Genetic and antigenic heterogenity among feline calicivirus isolates from distinct disease cluster. In: Virus Res. 48 (1997) S. 193–206. Hansman, G. S.; Oka, T.; Katayama, K.; Takeda, N. Human sapoviruses: genetic diversity, recombination, and classification. In: Rev. Med. Virol. 17 (2007) S. 133–141. Jiang, X.; Huang, P.; Zhong, W.; Tan, M.; Farkas, T.; Morrow, A. L.; Newburg, D. S.; Ruiz-Palacios, G. M.; Pickering, L. K. Human milk contains elements that block binding of noroviruses to human histo-blood group antigens in saliva. In: J. Infect. Dis. 190 (2004) S. 1850–1859.
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14
190
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
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14.4 Hepeviren
Die Hepatitis-E-Viren zählten lange zu den „NonA-/ NonB-Hepatitisviren“, aufgrund von elektronenmikroskopischen Analysen ordnete man sie dann den Caliciviridae zu, weil man strukturelle Ähnlichkeiten fand. Die weiteren Untersuchungen zum Replikationszyklus und zur Genomstruktur wiesen jedoch so deutliche Unterschiede auf, dass man die Hepatitis-E-Viren heute in eine eigene Familie, die Hepeviridae eingliedert. Der Familienname ist von der Bezeichnung der bislang einzigen Vertreter, nämlich der Hepatitis-E-Viren abgeleitet.
14.4.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Hepatitis-E-Viren werden der Gattung Hepevirus zugerechnet (䉴 Tabelle 14.9). Die serotypisch einheitlichen Hepatitis-E-Viren gliedern sich in vier Genotypen: Die Genotypen 1 und 2 fand man bisher nur in Menschen, die Genotypen 3 und 4 stellen die HepatitisE-Viren des Schweines dar, sie sind nahe verwandt mit den Genotypen 1 und 2 und infizieren auch den Menschen. Die Hepatitis-E-Virusinfektion des Menschen ist wohl eine klassische Zoonose, bei der die Erreger von Schweinen auf Menschen übertragen werden. Daneben existiert eine Variante der Hepatitis-E-Viren, die sich – soweit bekannt – ausschließlich in Hühnern und anderen Vögeln replizieren kann.
14.4 Hepeviren
Tabelle 14.9 Charakteristische Vertreter der Hepeviren Genus
Mensch
Hepevirus
Hepatitis-E-Virus Hepatitis-E-Virus der Schweine
191
Capsidprotein (Dimer)
Tier
Hepatitis-E-Virus der Hühner
ap
5´C 3´AAA
14.4.2 Aufbau
13,5kD-Protein
Viruspartikel Die Hepatitis-E-Viren haben hüllmembranlose, ikosaedrische Capside mit einem Durchmesser von 32 bis 34 nm, in ihrem elektronenmikroskopischen Bild ähneln sie den Caliciviren (䉴 Abbildung 14.9). Sie bestehen aus 180 Einheiten eines Capsidproteins mit einem Molekulargewicht von 76 kD. Zusätzlich enthalten die Partikel unregelmäßige Mengen eines kleinen, löslichen Proteins von 14,5 kD, dessen Ursprung nicht geklärt ist. Möglicherweise handelt es sich um ein Spaltprodukt des Capsidproteins.
Genom und Genomaufbau Das Genom der Hepeviren besteht aus einzelsträngiger RNA, die in Plusstrangorientierung vorliegt und in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Genotypen eine Länge von 7 194 bis 7 232 Basen aufweist. Die 5’Enden sind mit einer Cap-Struktur versehen, die 3’Enden sind polyadenyliert. An den 5’-und 3’-Enden der genomischen RNA befinden sich kurze, wohl nichtcodierende Sequenzfolgen (䉴 Abbildung 14.10). Sequenzanalysen der RNA-Moleküle ergaben drei offene
1000
ssRNA-Genom
14.9 Schematische Darstellung des Partikelaufbaus eines Hepatitis-E-Virus.
Leserahmen, die an den Enden teilweise miteinander überlappen. In der 5’-orientierten Hälfte wird im ORF1 ein Vorläuferprodukt für die Nichtstrukturproteine codiert. Der zweite Leserahmen (ORF2) dient der Synthese des Capsidproteins. Ein weiterer Leserahmen (ORF3) codiert für ein kleines Protein pORF3 von 112 bis 123 Aminosäuren Länge; es ist für die Infektiosität der Hepatitis-E-Viren wichtig. Dieser Leserahmen überlappt bei den meisten Isolaten mit dem des ORF1. Eine Ausnahme stellen die chinesischen Isolate der HepatitisE-Viren (Genotyp 4) dar, bei welchen das Ende des für das Vorläuferprodukt der Nichtstrukturproteine codierenden Bereichs vom Beginn des ORF3 durch 28 Basen voneinander getrennt sind.
7176
5000
AAA 3´
5´-Cap Capsidprotein ORF2
Nichtstrukturprotein ORF1 Methyl-/Guanosyltransferase
Protease
Helicase
RNA-Polymerase
ORF3
14.10 Genomorganisation der Hepeviren. Das mRNA-Genom ist am 5’-Ende gecappt und am 3’-Ende polyadenyliert, es wird im Cytoplasma der Zelle translatiert. Es enthält drei offene Leserahmen: ORF1 codiert für ein Nichtstrukturpolyprotein und enthält die Domänen einer Methyltransferase, einer Protease, einer RNA-Helicase und einer RNA-abhängigen RNA-Polymerase. Die Protease spaltet das Vorläuferprotein in die verschiedenen Teilstücke. Die RNA-abhängige RNA-Polymerase ist für die Synthese der Antigenome und der neuen viralen RNA-Genome verantwortlich. Im ORF2 ist das Capsidprotein codiert, der Leserahmen ORF3 codiert für ein 13,5 kD großes Nichtstrukturprotein.
14
14
192
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
14.4.3 Virusproteine Das Vorläuferprotein der Nichtstrukturproteine (186 kD) umfasst 1 692 bis 1 709 Aminosäuren und enthält im aminoterminalen Bereich die Domänen einer Methylund Guanosyltransferase (䉴 Abbildung 14.10). Sie wird für die Modifikation der genomischen und subgenomischen RNAs durch eine 5’-Cap-Struktur benötigt. Ihr folgen eine Protease, welche das Vorläuferprotein in die einzelnen funktionellen Einheiten und eine RNA-abhängige RNA-Polymerase spaltet (䉴 Tabelle 14.10). Die Protease gleicht einer Cysteinprotease des Papaintyps. Ob sie für alle Spaltungen im Vorläuferprotein verantwortlich ist und an welchen Stellen sie genau schneidet, ist nicht endgültig geklärt. Die Sequenzen für das Capsidprotein befinden sich bei den Hepatitis-E-Viren in einem separaten Leserahmen (ORF2). Beim Vergleich der verschiedenen Genotypen weist dieser den höchsten Konservierungsgrad auf. Das Protein hat im Allgemeinen eine Länge von 660 Aminosäuren (etwa 72 bis 76 kD), am aminoterminalen Ende findet man eine signalpeptidähnliche Sequenz, der eine Signalase-Spaltstelle folgt; es bildet Homodimere. Man fand, dass es sowohl in glycosylierter wie in nicht glycosylierter Form im Cytoplasma der infizierten Zellen vorliegt. Es wird vermutlich in Anbindung an die Membran des endoplasmatischen Reticulum syntheti-
sert und in das ER-Lumen eingeschleust. Dabei wird das Signalpeptid abgespalten und die Aminosäurekette mit Zuckergruppen modifiziert. Im Anschluss daran scheint ein Rücktransport der Capsidproteine in das Cytoplasma stattzufinden. Der Leserahmen ORF3 codiert für ein kleines phosphoryliertes Protein pORF3. Seine Funktion ist nicht endgültig geklärt. In two-hybrid-Analysen stellte sich heraus, dass es mit Capsidproteinen interagiert und die Phosphorylierung der Aminosäure Serin an Position 80 des pORF3 für diese Wechselwirkung notwendig ist. Auch zeigte sich eine Bindung an Bikunin, einem kunitztypartigen Inhibitor der Serinproteasen sowie an Hemopexin, ein Glycoprotein im Blutplasma, das zur Gruppe der Akutphaseproteine zählt (䉴 Kapitel 7). Inwieweit diese in vitro Befunde bei der Vermehrung der Hepatitis-E-Viren eine Rolle spielen ist unklar. Neue Daten weisen auf die Wechselwirkung des pORF3 mit dem Dyneinprotein der Mikrotulbuli hin. Daneben wurde gezeigt, dass das pORF3 in den Endosomen lokalisiert ist und dort den Transport von Proteinen zum Kompartiment der späten Endosomen behindert, so auch denjenigen des Rezeptors für den epidermalen Wachstumsfaktors (EGFR, epidermal growth factor receptor). Da dies auch den Transport der phosphorylierten Stat3-Proteine vom Cytoplasma in den Zellkern stört und somit die Einleitung der unspezifischen Immunreaktionen behindert (䉴 Kapitel 7 und 8), kön-
Tabelle 14.10 Funktion und Eigenschaften der Proteine der Hepeviren Protein
Größe (kD)
Eigenschaften
Funktion
Capsidprotein
76
Dimer; Signalpeptid wird abgespalten; teilweise glycosyliert
Capsidprotein
Capsidprotein
14,5
?
Lösliches Protein in Virionen, Spaltprodukt des 76 kD Capsidproteins?
Methyl-/Guanosyltransferase
110
?*
Capping der RNA-Genome und der subgenomischen RNA
Protease
?*
Homologie zu Cysteinproteasen
Spaltung des Vorläuferproduktes der Nichtstrukturproteine
RNA-Helicase
?*
NTP-Bindung
Lösung von RNA-Sekundärstrukturen Replikation
RNA-abhängige RNA-Polymerase
?*
?*
RNA-Replikation Synthese subgenomischer RNA
pORF3
13,5
phosphoryliert; Homodimer
mit Cytoskelett assoziiert
* Wegen des Fehlens eines geeigneten Zellkultursystems zur Züchtung der Hepatitis-E-Viren gibt es zur Größe und Modifikation insbesondere der Nichtstrukturproteine keine Daten.
14.4 Hepeviren
nen diese sich nicht richtig entfalten. Durch die Unterdrückung der frühen Immunabwehr könnte es dem Virus gelingen, sich ungestört zu vermehren.
14.4.4 Replikation Der erste Schritt im Vermehrungszyklus der Hepeviren ist die Translation der Nichtstrukturproteine unter Verwendung des Plusstrang-RNA-Genoms als mRNA. Das gebildete Vorläuferprotein wird vermutlich in Analogie zu anderen Positivstrang-RNA-Viren autokatalytisch durch die Protease gespalten, wodurch die Funktionen der viralen RNA-abhängigen RNA-Polymerase, der RNAHelicase und der Methyl-/Guanosyltransferase in der Zelle vorliegen. Sie sind an der Bildung der Minusstränge beteiligt, die bei Verwendung des Virusgenoms als Matrize synthetisiert werden – ein Vorgang, der wie alle weiteren in Assoziation mit den Membranen des endoplasmatischen Reticulums abläuft. Die Minusstränge dienen dann als Matrize für die Synthese neuer Virusgenome. Daneben hat man in den infizierten Zellen zwei subgenomische RNAs mit Längen von 2,0 kB und 3,7 kB gefunden, die von dem Minusstrang transkribiert werden: Die bicistronische, 2,0 kB lange subgenomische RNA überspannt die Bereiche der zum 3’Ende des Genoms orientierten Leserahmen ORF2 und ORF3, sie dient zur Translation der Capsidproteine und des pORF3 (䉴 Abbildung 14.10). Ob die 3,7 kB umfassende subgenomische RNA eine entsprechende Funktion hat, ist unklar. Die Capsidproteine interagieren zu Vorstrukturen der Viruspartikel, in welche die virale RNA eingelagert wird. Die Freisetzung der neu gebildeten Viren erfolgt von der Oberfläche der infizierten Zellen.
14.4.5 Human- und tierpathogene Vertreter der Hepeviren Die Hepatitis-E-Viren Epidemiologie und Übertragung 1955 trat in Neu-Delhi eine Hepatitisepidemie auf, die fäkal-oral durch kontaminiertes Trinkwasser übertragen wurde und an der 29 000 Menschen erkrankten. Weitere Ausbrüche beobachtete man in Mittelamerika, Afrika, Hinterindien, China und im Süden der ehemaligen UdSSR, vereinzelt entwickelten auch Patienten in Nichtendemiegebieten, so auch in mitteleuropäischen Ländern, ähnliche Formen einer infektiösen Leberent-
193
zündung. Ursprünglich hatte man aufgrund der Übertragungsweise gedacht, dass Hepatitis-A-Viren die Erkrankungen ausgelöst hätten. Erst retrospektiv ließen sich alle als Hepatitis-E-Virus-Epidemien identifizieren. Nach ihrer erstmaligen Isolierung durch Mikhail S. Balayan – er hatte sich selbst mit erregerhaltigem Material infiziert – erfolgte die molekulare Charakterisierung der Hepatitis-E-Viren 1988 durch Daniel W. Bradley und Mitarbeiter. Sie konnten aus Stuhlproben Viruspartikel isolieren, die mit Seren von Rekonvaleszenten eine positive Reaktion zeigten und nach oraler Verfütterung bei Makaken eine Hepatitis E erzeugten. Später zeigte sich, dass die Viren auch auf andere Primaten und auch auf Tierspezies wie Ratten, Schafe und Rinder übertragen werden können. 1997 wurden erstmals aus Schweinen Hepatitis-E-Viren isoliert. Diese sind – wie in nachfolgenden Untersuchungen gezeigt – weltweit in den Wild- und Hausschweinpopulationen verbreitet. Man geht davon aus, dass die nicht mehr säugenden heranwachsenden Jungtiere hauptsächlich fäkal-oral infiziert werden. Mindestens 50 Prozent aller Tiere, die älter als sechs Wochen sind, weisen Antikörper gegen die Viren auf. Die Hepatitis-E-Viren scheinen bereits lange in der menschlichen Bevölkerung verbreitet zu sein. Fast 90 Prozent der Erwachsenen in Ägypten haben HepatitisE-spezifische Antikörper, in Indien sind es etwa 40 Prozent, in den USA zwischen vier Prozent in den Süd- und Ostküstenstaaten und bis zu über 30 Prozent im Mittleren Westen; in Deutschland liegt die Seroprävalenz bei etwa vier Prozent, in Südwestfrankreich bei etwa 16 Prozent. Die verschiedenen Genotypen kommen in unterschiedlichen geographischen Regionen vor: Viren des Genotyps 1 sind in Asien und Nordafrika verbreitet, den Genotyp 2 fand man bei Hepatitis-E-Epidemien in Mittelamerika und Zentralafrika, den Genotyp 3 hingegen in verschiedenen europäischen Ländern, in Nordund Südamerika und Japan; Viren des Genotyps 4 werden vor allem in China, Taiwan, Japan und Vietnam nachgewiesen. Während man Hepatitis-E-Viren der Genotypen 1 und 2 bisher in Menschen fand, infizieren Viren der Genotypen 3 und 4 sowohl Menschen wie Schweine; ihre regionale Verbreitung in Menschen und Schweinen ist daher auch deckungsgleich. In fünf Prozent der Blutproben von Wildschweinen in Deutschland wurde virale RNA von Hepatitis-E-Viren des Genotyps 3 nachgewiesen. In den Niederlanden fand man in fast sieben Prozent der kommerziell erhältlichen Schweinelebern Genome von Hepatitis-E-Viren/Genotyp 3; wurden Proben davon in Schweine inokuliert, entwickelten diese eine akute Infektion – ein Hinweis, dass die Leberproben infektiöse Hepatitis-E-Viren enthielten. Bis heute können die Erreger nicht gut in vitro gezüchtet
14
14
194
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
werden. Sie besitzen auch nicht die hohe Partikelstabilität, wie man sie bei Hepatitis-A-Viren kennt (䉴 Abschnitt 14.1). Neben der üblicherweise beobachteten fäkal-oralen Übertragung (über kontaminiertes Trinkwasser) und der vermuteten zoonotischen Weitergabe wird das Hepatitis-E-Virus auch direkt von Mensch zu Mensch durch Tröpfchen- und Schmierinfektion verbreitet.
aber auch das ungeborene Kind betroffen sein. Chronisch-persistierende Infektionen können in immunsupprimierten Patienten etabliert werden; in Empfängern von Organtransplantaten (Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse) wurden chronische Hepatitiden und die Entwicklung von Leberzirrhose berichtet, die offensichtlich mit persistierenden Hepatitis-E-Virusinfektionen in Verbindung standen.
Klinik
Pathogenese
In Schweinen verursachen Infektionen mit den Hepatitis-E-Viren offensichtlich keine klinischen Symptome. Beim Menschen scheint die Schwere der Erkrankung mit der Menge von Hepatitis-E-Viren, die bei Kontakt übertragen wurden, in direktem Zusammenhang zu stehen. Bei sehr niedrigen Mengen verlaufen die Infektionen – vor allem bei Kindern – häufig asymptomatisch. Nach einer durchschnittlichen Inkubationszeit von sechs bis sieben Wochen treten grippeähnliche Symptome, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Juckreiz, Gelenk- und Kopfschmerzen auf, die mit einem hohen Anstieg der Leberenzymwerte einhergehen. Die sich im Krankheitsverlauf entwickelnde intrahepatische cholestatische Gelbsucht, die durch Leberzellzerfall und den Rückstau von Gallenflüssigkeit verursacht wird, kann mehrere Wochen andauern (heller Stuhl, dunkler Urin, gelbe Augen). Die Mortalitätsrate ist mit ein bis vier Prozent deutlich höher als bei Infektionen mit dem HepatitisA-Virus (䉴 Abschnitt 14.1). Auffällig ist insbesondere die hohe Rate von Todesfällen bei akut infizierten Schwangeren, die vor allem in Indien beobachtet wird; sie liegt bei etwa 20 Prozent. Neben der Mutter kann
Das Hepatitis-E-Virus gelangt überwiegend über kontaminierte Lebensmittel in den Organismus und siedelt sich in den Leberzellen an. Wie es dorthin gelangt und an welchen zellulären Rezeptor es sich bindet, ist unbekannt. Von der Leber wird das Virus in das Blut und über die Gallengänge in den Darm ausgeschieden. Ähnlich wie bei der Hepatitis A ist die Ausscheidung infektiöser Hepatitis-E-Viren und die Virämie vor dem Auftreten der Symptome am höchsten. Pathohistologisch ist die Hepatitis E durch Zellnekrosen und -degenerationen in der Leber gekennzeichnet, man findet sie auch bei der ansonsten asymptomatischen Infektion im Schwein. In den intratubulären Infiltraten lassen sich einwandernde Granulocyten nachweisen, wohingegen sich im Portalgebiet mehr Lympho- als Granulocyten befinden.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf der Infektion werden zunächst IgM- und dann IgG-Antikörper gegen das Capsidprotein gebildet, die in ELISA- oder Western-Blot-Tests nachgewiesen werden können. Die Diagnose frischer Virusinfektionen
q Das aviäre Hepatitis-E-Virus Das aviäre Hepatitis-E-Virus wurde ursprünglich in den USA in Geweben eines Huhns nachgewiesen, welches an dem HS-Syndrom (Hepatitis-Splenomegalie-Syndrom) erkrankt war. Es zeigte sich, dass dieses Virus ausschließlich Hühner infiziert und weltweit im Geflügel verbreitet ist. In den Geflügelbeständen findet man eine hohe Seroprävalenz von etwa 30 Prozent. Das HS-Syndrom ist durch eine erhöhte Mortalität in der Herde gekennzeichnet, die erkrankten Tiere haben eine Vergrößerung der Leber und Milz, sowie eine Ovaratrophie. Histologisch können in den veränderten Lebern Blutungen sowie ausgedehnte oder multifokale Nekrosen nachgewiesen werden.
Es gibt keinen Hinweis, dass aviäre Hepatitis-E-Viren auf den Menschen übertragbar sind. Die Genomorganisation ist identisch zu derjenigen der humanen und porcinen Isolate; die Sequenzhomologie ist jedoch mit etwa 50 bis 60 Prozent relativ gering. Ähnlich wie die humanen und porcinen Hepeviren ist auch das aviäre Hepatitis-E-Virus in Zellkultur nicht propagierbar. Bei Vergleich der Genomsequenzen verschiedener Isolate von aviären Hepatitis-E-Viren fällt eine deutliche ausgeprägte genetische Heterogenität auf: Die Sequenzidentität zwischen einigen Isolaten beträgt nur 70 Prozent.
14.4 Hepeviren
erfolgt durch den Nachweis von IgM-Antikörpern gegen die Capsidproteine und viraler RNA im Serum oder Stuhl durch die Polymerasekettenreaktion.
Therapie und Prophylaxe In den Endemiegebieten ist die beste Maßnahme zur Vermeidung von Infektionen die Sauberhaltung von Wasserversorgungsanlagen. Ein Impfstoff auf Basis rekombinant in Insektenzellkulturen produzierter Capsidproteine zeigte in klinischen Studien einen sehr guten Schutz und kaum Nebenwirkungen; diese Vakzine sind aber kommerziell noch nicht erhältlich. Eine antivirale Chemotherapie existiert nicht.
14.4.7 Weiterführende Literatur Bouwknegt, M.; Lodder-Verschoor, F.; van der Poel, W. H.; Rutjes, S. A.; de Roda Husman, A. M. Hepatitis-E virus RNA in commercial porcine livers in The Netherlands. In: J. Food Prot. 70 (2007) S. 2889–2895. Bradley, D. W.; Balayan, M. S. Viruses of enterically transmitted non-A, non-B hepatitis. In: Lancet 1 (1988) S. 819. Chandra, V.; Kar-Roy, A.; Kumari, S.; Mayor, S.; Jameel, S. The Hepatitis-E virus ORF3 protein modulates epidermal growth factor receptor trafficking, STAT3 translocation, and the acute-phase response. In: J. Virol. 82 (2008) S. 7100–7110. Chandra, V.; Taneja, S.; Kalia, M.; Jameel, S. Molecular biology and pathogenesis of Hepatitis-E virus. In: J. Biosci. 33 (2008) S. 451–464. Choo, Q. L.; Kuo, G.; Weiner, A. J.; Overby, L. R.; Bradley, D. W.; Houghton, M. Isolation of a cDNA clone from a blood-borne non-A, non-B viral hepatitis genome. In: Science 244 (1989) S. 359—362. Guu, T. S.; Liu, Z.; Ye, Q.; Mata, D. A.; Li K.; Yin, C.; Zhang, J.; Tao, Y. J. Structure of the Hepatitis-E virus-like particle suggests mechanisms for virus assembly and receptor binding. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 106 (2009) S. 12992–12997. Haagsma, E. B.; van den Berg, A. P.; Porte, R. J.; Benne, C. A.; Vennema, H.; Reimerink, J.H.; Koopmans, M. P. Chronic Hepatitis-E virus infection in liver transplant recipients. In: Liver Transpl. 14 (2008) S. 547–553. Kaci, S.; Nöckler, K.; Johne, R. Detection of Hepatitis-E virus in archived German wild boar serum samples. In: Vet. Microbiol. 128 (2008) S. 380–385. Kamar, N.; Selves, J.; Mansuy, J. M.; Ouezzani, L.; Péron, J. M.; Guitard, J.; Cointault, O.; Esposito, L.; Abravanel, F.; Danjoux, M.; Durand, D.; Vinel, J. P.; Izopet, J.; Rostaing, L. Hepatitis-E virus and chronic hepatitis in organ-transplant recipients. In: N. Engl. J. Med. 358 (2008) S. 811–817. Kannan, H.; Fan, S.; Patel, D.; Bossis, I.; Zhang, Y. J. The Hepatitis-E virus open reading frame 3 product interacts with microtubules and interferes with their dynamics. In: J. Virol. 83 (2009) S. 6375–6382
195
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14
14
196
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
14.5 Flaviviren
membran, welche die Capside umgibt und virale Oberflächenproteine enthält.
14.5.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
Die Flaviviren nutzen ähnlich wie die Picornaviren eine einzelsträngige mRNA als Genom und translatieren sie in ein Vorläuferprotein, das sowohl die Struktur- wie Nichtstrukturproteine umfasst; wie bei den Picornaviren werden keine subgenomischen mRNAs produziert. Die Flaviviren unterscheiden sich von den Picorna-, Astro-, Calici- und Hepeviren jedoch durch eine Hüll-
Die Familie der Flaviviridae umfasst über 70 verschiedene Virustypen, die drei Gattungen zugeordnet werden (䉴 Tabelle 14.11): Zum Genus Flavivirus gehört das Gelbfiebervirus; es war das erste Virus, für das ein an Insekten (Aedes spp.) gebundener Übertragungsweg nachgewiesen wurde. Die durch das Virus verursachte Gelbsucht war namensgebend für die Familie und Gattung (flavus, lat.: gelb). Außer diesem gibt es im Genus Flavivirus eine Reihe von weiteren humanpathogenen Erregern, die durch Arthropoden (Insekten und Spinnentiere) übertragen werden. Die Dengueviren, die ebenfalls durch Aedes spp. übertragen werden, sowie die Japanese-Encephalitis-, St.-Louis-Encephalitis- und West-Nile-Viren (übertragen durch Culex-Mücken) verursachen vor allem in tropischen Ländern fieberhafte Infekte, hämorrhagische oder neurologische Erkrankungen und Encephalitiden. In Mitteleuropa ist der Erreger der Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) als ein Vertreter der durch Zeckenbisse übertragenen Encephalitiden (tick-borne encephalitis, TBE) in bestimmten
Tabelle 14.11 Charakteristische Vertreter der Flaviviren Genus
Vektor – Überträger
Mensch
Tier
Flavivirus
Stechmücken
Gelbfiebervirus Denguevirus Typ 1-4 West-Nile-Virus Japanese-Encephalitis-Virus St.-Louis-Encephalitis-Virus
Gelbfiebervirus (Affe) Wesselsbronvirus (Schaf, Rind) West-Nile-Virus
Zecken
Tick-borne-Encephalitis-Virus (Frühsommer-Meningoencephalitis-Virus) Kyasanur-Forest-Disease-Virus Omsk-Haemorrhagic-Fever-Virus
Tick-borne-Encephalitis-Virus (Frühsommer-Meningoencephalitis-Virus) Kyasanur-Forest-Disease-Virus Omsk-Haemorrhagic-Fever-Virus Louping-Ill-Virus Jutiapavirus (Baumwollratte) Rio-Bravo-Virus (Fledermaus)
Pestivirus
–
Classical-Swine-Fever-Virus (klassische Schweinepest) Virus der bovinen Virusdiarrhoe (Mucosal Disease) Border-Disease-Virus der Schafe
Hepacivirus
–
Hepatitis-C-Virus
nicht klassifiziert
–
Hepatitis-G-Virus (GB-Virus)
14.5 Flaviviren
197
q Arboviren Viren, die durch Insekten oder Spinnentiere übertragen werden, bezeichnet man auch als Arboviren (arthropodborne viruses). Sie kommen vor allem in den tropischen und subtropischen Klimazonen vor. Voraussetzung für die Übertragung von Viren durch Arthropoden ist, dass diese bestimmte Organe der Überträger, etwa die Epithelzellen
Regionen endemisch verbreitet. Einige andere Flaviviren infizieren dagegen nur Säugetiere; sie werden vermutlich direkt von Tier zu Tier übertragen (das Rio-BravoVirus infiziert ausschließlich Fledermäuse, das Jutiapavirus Nagetiere). Das zweite Genus umfasst die Pestiviren, die schwere Tierseuchen, wie die klassische Schweinepest hervorrufen. Diese Viren werden nicht durch Arthropoden übertragen. Aufgrund seiner molekularbiologischen Charakteristika wurde das Hepatitis-C-Virus als eigenes Genus (Hepacivirus) in die Familie der Flaviviridae eingeordnet. Es wird vor allem durch kontaminiertes Blut übertragen und erzeugt beim Menschen eine meist chronische Infektion mit Leberentzündung; als Spätfolgen verursacht es Leberzirrhosen und primäre Leberzellkarzinome. Dem Hepatitis-C-Virus ähnelt das 1995 von Scott Muerhoff aus einem an einer Leberentzündung erkrankten Patienten isolierte Hepatitis-G-Virus, bekannt auch als GB-Virus. Das Virus ist weit verbreitet, entgegen ersten Vermutungen verursachen die Infektionen mit dem Hepatitis-G-Virus jedoch keine Hepatitis. Da die Aminosäuresequenz seines Polyproteins nur zu etwa 28 Prozent zum Hepatitis-C-Virus beziehungswei-
des Darmes und der Speicheldrüsen, infizieren können. Die alleinige Aufnahme von virushaltigem Blut durch Mücken oder Zecken genügt nicht: Die Viren müssen sowohl in Arthropoden- als auch in Säugetierzellen einen produktiven Infektionszyklus durchführen können.
se zu 20 Prozent zum Gelbfiebervirus homolog ist, wird es vermutlich in ein eigenes, neues Genus der Flaviviridae eingeordnet werden. Über die Molekularbiologie und die Pathogenese dieses Virus gibt es bislang nur sehr wenige Daten.
14.5.2 Aufbau Viruspartikel Die infektiösen Viren haben einen Durchmesser von 40 bis 50 nm. Die sphärischen Capside, die nur aus einem viralen Protein (C-Protein) bestehen, sind von einer Hüllmembran umgeben, in die bei den Vertretern des Genus Flavivirus zwei virale Oberflächenproteine, bezeichnet mit den Abkürzungen M und E, eingelagert sind (䉴 Abbildung 14.11). Das M-Protein ist mit einem Molekulargewicht von 7 bis 8 kD relativ klein, das EProtein ist spezifisch für den Virustyp; pro Partikel findet man 90 E-Proteindimere. Dem Hepatitis-C-Virus und den Pestiviren fehlt das M-Protein. Neben dem Hauptglycoprotein E2 (gp70) findet man hier ein kleineres glycosyliertes Oberflächenprotein E1 (gp33). Im
q NonA-NonB-Hepatitisviren Die Hepatitis-C-Viren wurden bis zu ihrer molekularen Identifizierung 1989 zu den sogenannten NonA-NonB-Hepatitisviren gerechnet. Zu den NonA-NonB-Hepatitisviren gehörten alle Erreger einer Leberentzündung, die durch die Diagnostik für Hepatitis-A- und Hepatitis-B-Viren nicht erfasst werden konnten. Auch nach der Charakterisierung der Hepatitis-C- und Hepatitis-E-Viren (letztere wurden 1988 charkterisiert und in die Familie der Hepeviridae ein-
geordnet; 䉴 Abschnitt 14.4) zählen dazu einige weitere, heute noch nicht bekannte Viren. So gibt es für die Existenz eines Hepatitis-F-Virus bislang nur indirekte Belege. Es war lange unklar, ob man das Hepatitis-C-Virus in die Familien Flavi- oder Togaviridae eingliedern sollte. Die genauere Kenntnis der molekularbiologischen Eigenschaften erlaubte es, das Hepatitis-C-Virus als eigenes Genus, Hepacivirus, in die Familie der Flaviviridae aufzunehmen.
14
198
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
14.11 Aufbau eines Flaviviruspartikels (FSME-Virus). Das ikosaedrische Capsid wird von den C-Proteinen gebildet. Mit den Proteindomänen an der Capsidinnenseite ist das RNA-Genom assoziiert. Umgeben ist das Capsid von einer Hüllmembran, in welche die als Homodimere vorliegenden E-Proteine und die M-Proteine eingelagert sind.
Genom und Genomaufbau Das Genom besteht aus einzelsträngiger RNA und hat eine Länge von ungefähr 9 100 bis 12 000 Basen (10 862 beim Gelbfiebervirus, Impfvirus 17D; 10 664 bis 10 723
118
10352
A Gelbfiebervirus 5´Cap
10862
bei den Dengueviren, 11 141 beim FSME-Virus/Stamm Neudörfl; 9 340 bis 9 589 bei Hepatitis-C-Viren; 9 143 bis 9 493 bei Hepatitis-G-Viren; 12 308 bis 12 573 beim Virus der bovinen Virusdiarrhoe; 12 297 beim ClassicalSwine-Fever-Virus). Die RNA liegt in Plusstrangorientierung vor und besitzt einen großen Leserahmen, der beim Gelbfiebervirus eine Länge von 10 233 Basen hat (䉴 Abbildung 14.12). Ähnlich wie bei den Picornaviren wird von ihm ein einziges gemeinsames Vorläuferpoly-
Inneren der Capside ist das RNA-Genom lokalisiert, das mit dem stark basischen C-Protein in enger Wechselwirkung vorliegt.
C PM
E
NS1
NS2 NS2 a b
NS3
NS4 NS4 a b
3411
2506
2394
2107
1484
1354
1157
778
121 210 285
NS5 COOH
Signalase
Signalase Golgi-Protease Signalase
NH2 ?
132
5´Cap
10377
B Frühsommer-Meningoencephalitis-Virus
11141
1
3´
C PM
E
NS1
NS3
NS4 a
3415
2511
2259
2110
1489
NS2 NS2 a b
NS4 b
NS 5 COOH
Signalase
NH2
1358
1128
776
116 205 280
1
3´
Signalase Golgi-Protease Signalase
14
14.12 Genomorganisation der Flaviviren. A: Gelbfiebervirus, Impfstamm 17D. B: FSME-Virus, Stamm Neudörfl.
14.5 Flaviviren
199
12308
386
12082
C Virus der bovinen Virusdiarrhoe
5´ IRES
N
pro
rns
C E
E1
E2
p7
NS2
NS3
a
3899
3270
2774
2363 2427
1680
1086 1187
693
498
1
169 271
3´
NS5 b
NS5 a
NS4 b
Signalase
?
Signalase Signalase
COOH Signalase
NH2 keine Spaltung bei nicht cytopathogenen BVDV-Stämmen
D Hepatitis-C-Virus IRES
341
9371
Replikation
5´
27-45
C
E1
E2
p7 NS2
NS3
Signalase Signalase
Signalase
Signalase
NH2
a
cis s tran
tran
NS4 b
NS5 a
3010
2420
1972
1657 1711
1025
747 810
383
1
191
3´ AUG
NS5 b COOH
s s tran
14.12 (Fortsetzung) C: Virus der bovinen Virusdiarrhoe (BVDV) Stamm SD-1, nicht cytopathogen. D: Hepatitis-C-Virus. Beim Hepatitis-C-Virus und bei den Pestiviren (BVDV) befindet sich in der nichttranslatierten Region am 5’-Ende eine IRES (internal ribosomal entry site), bei den Vertretern des Genus Flavivirus (Gelbfiebervirus und Frühsommer-Meningoencephalitis-Virus) ist das 5’-Ende des Genoms durch eine Cap-Gruppe modifiziert. Die Genome der Flaviviren besitzen einen durchgehenden offenen Leserahmen. Er codiert für ein Polyprotein, das proteolytisch in die verschiedenen Proteinkomponten gespalten wird (Strukturproteine in Farbe). Verantwortlich sind hierfür sowohl Enzyme, die als Teil des Polyproteins autokatalytisch wirken und aktiviert werden, als auch zelluläre Proteasen/Signalasen. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Aminosäurepositionen im Polyprotein, an welchen die jeweiligen Spaltungen erfolgen.
protein synthetisiert und im Infektionsverlauf in die einzelnen Komponenten gespalten. Die RNA der Flaviviren weist am 5’-Ende eine Cap-Struktur auf. Der Leserahmen wird an den 5’- und 3’-Enden von nichttranslatierten Nucleotidfolgen flankiert, die im Falle des Gelbfiebervirus 118 beziehungsweise 511 Basen lang sind. Das 3’-Ende selbst ist nicht polyadenyliert. Es finden sich jedoch in diesem Bereich adenosinreiche Basenfolgen variabler Länge. Die Genome der Pesti- und Hepaciviren haben im Unterschied zu denen der Vertreter der Gattung Flavivirus am 5’-Ende des Genoms keine Cap-Gruppe, sondern – ähnlich wie die Picornaviren – eine IRESStruktur. Diese vermittelt die Bindung der Ribosomenuntereinheiten und die Initiation der Translation des Polyproteins (䉴 Abschnitt 14.1.4). Beim Hepatitis-CVirus ist deshalb die nichttranslatierte Region am 5’-
Ende der Genome mit etwa 340 Basen deutlich länger als bei den Flaviviren. Am 3’-Ende des Hepatitis-C-Virusgenoms befindet sich eine kurze Folge von Uridinund Adenosinresten. Ähnlich wie auch die nichttranslatierten Sequenzen im 3’-Bereich der anderen Flaviviren haben sie während der Genomreplikation wichtige Funktionen bei der Initiation der RNA-Negativstränge.
14.5.3 Virusproteine Polyprotein Das Polyprotein umfasst beim Gelbfiebervirus insgesamt 3 411 Aminosäuren (3 412 beim FSME-Virus); die Sequenzen der Strukturproteine befinden sich im aminoterminalen Drittel in folgender Reihenfolge: Capsid-
14
14
200
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
protein, virale Membranproteine PrM (als Vorläuferprodukt des M-Proteins) und E (䉴 Abbildung 14.12 und Tabelle 14.12); daran schließen sich die Sequenzfolgen der Nichtstrukturproteine NS1 bis NS5 an. Beim Hepatitis-C-Virus sind die Proteine anders angeordnet: In seinem durchschnittlich 3 000 Aminosäuren umfassenden Polyprotein fehlen die Sequenzen des PrM-Proteins. Im Anschluss an das Capsidprotein ist das E1-Protein lokalisiert, ein glycosyliertes Membranprotein mit einem Molekulargewicht von circa 33 kD. Daran schließen sich die Aminosäurefolgen eines zweiten Glycoproteins (E2, gp68–72) und eines kleinen Proteins (p7) an. NS1 ist als Gen beziehungsweise Protein beim Hepatitis-C-Virus nicht vorhanden (䉴 Abbildung 14.12). An die Proteinabschnitte C-E1-E2-p7 schließen sich die Nichtstrukturproteine NS2 bis NS5B an. 䉴 Tabelle 14.12 gibt eine vergleichende Zusammenfassung der Eigenschaften der Proteine. Wie bei den Hepaciviren fehlen auch in den Polyproteinen der Pestiviren die Sequenzen der NS1-Proteine; auch sie verfügen über zwei glycosylierte Membranproteine E1 und E2, ihren Sequenzen folgen denen des Proteins p7. Darüber hinaus haben die Polyproteine der Pestiviren einige zusätzliche Besonderheiten: Abweichend von den Flavi- und Hepaciviren codieren die Genome für ein Nichtstrukturprotein NPro am 5’-Ende des Virusgenoms; es ist im Polyprotein vor den Domänen der Strukturproteine lokalisiert (䉴 Abbildung 14.11). Im Anschluss an die Sequenzen, welche für die Synthese des Capsidproteins C verantwortlich sind, findet sich die Information zur Produktion einer RNase (Erns), die Teil der Viruspartikel ist und auch von den Zellen sezerniert wird. Die Prozessierung des Strukturproteinanteils des Vorläuferprodukts in die einzelnen, funktionell aktiven Bestandteile der C-, PrM und E-Proteine (Flaviviren), der C-, E1-, E2- und p7-Proteine (Hepaciviren) beziehungsweise der C- Erns-, E1-, E2- und p7-Proteine (Pestiviren) erfolgt durch die zelluläre, mit der Membran des endoplasmatischen Reticulums assoziierte Signalase. Im zellulären Stoffwechsel entfernt diese Protease die Signalpeptide von den aminoterminalen Enden der am endoplasmatischen Reticulum translatierten Proteine. Npro der Pestiviren ist eine autokatalytisch wirkende Protease, die sich cotranslational vom Vorläuferprotein abspaltet. Für alle weiteren Prozessierungen sind im wesentlichen virale Proteasen verantwortlich: Zwischen den NS2- und NS3-Anteilen schneidet die im NS2BProtein verankerte proteolytische Aktivität. Beim Hepatitis-C-Virus und bei den nichtcytopathogenen Stämmen des Virus der bovinen Virusdiarrhoe ist dafür eine proteolytische Aktivität verantwortlich, die sich in der aminoterminalen Domäne des NS3-Proteins befindet,
aber nur im Fusionsprodukt aus den NS2- und NS3Proteinen ihre Aktivität entfaltet. Das NS3-Protein selbst wirkt als Serinprotease und führt alle weiteren Spaltungen durch, beim Hepatitis-C-Virus benötigt sie hierfür das NS4A-Protein als Cofaktor.
Strukturproteine Das C-Protein bildet das Capsid. Es enthält eine hohe Anzahl von basischen Aminosäuren, die im Partikel mit dem RNA-Genom zum Nucleocapsid interagieren. Das carboxyterminale Ende des C-Proteins ist stark hydrophob. Es vermittelt die Interaktion des Polyproteins mit der Membran des endoplasmatischen Reticulums und induziert die Spaltung durch die Signalase zwischen den C- und PrM- (Flaviviren) beziehungsweise C- und E1(Hepaciviren) sowie C- und Erns-Abschnitten (Pestiviren). Eine Besonderheit findet man beim Virus der bovinen Virusdiarrhoe (BVDV): Es sind Mutanten beschrieben, denen der für das Capsidprotein codierende Genomabschnitt vollständig fehlt, die aber dennoch die Morphologie eines Flavivirus aufweisen. Das C-Protein ist bei diesen Viren demnach für die Bildung infektiöser Partikel nicht essenziell. Die Funktionen des C-Proteins werden in diesem Fall vom NS3-Protein übernommen: Es interagiert mit dem RNA-Genom und den E-Proteinen. Das an Asparaginresten glycosylierte PrM-Protein ist der Vorläufer des sehr kleinen, in der Virusmembran verankerten, nicht glycosylierten M-Proteins. Mit einem Molekulargewicht von etwa 19 kD beim Gelbfiebervirus und 24–27 kD bei den durch Zeckenbiss übertragenen Flaviviren ist das PrM- deutlich größer als das M-Protein in den infektiösen Partikeln. Spät in der Virusmorphogenese wird der aminoterminale Anteil des PrMProteins während der Passage durch den Golgi-Apparat durch die zelluläre Protease Furin abgespalten. Diese Spaltung ist für die Infektiosität der Viruspartikel essenziell, sie induziert die fusogenen Eigenschaften des EProteins zur Verschmelzung der Endosomen- mit der Virusmembran nach der Aufnahme der Viren in das Zellinnere. In der Virushülle findet man desweiteren 90 Dimere des glycosylierten E-Proteins. Die Struktur des E-Proteins der FSME-Viren wurde 1995 durch Félix A. Rey und Kollegen mittels Röntgenbeugung aufgeklärt. Im Vergleich zu anderen, in ihrer Struktur bekannten viralen Oberflächenproteinen (Hämagglutinin der Influenzaviren; 䉴 Abschnitt 16.3) besitzt das E-Protein einen ungewöhnlichen Aufbau: Es ist über eine hydrophobe Aminosäurefolge im carboxyterminalen Bereich mit der Membran verankert, liegt ihr flach auf und bestimmt aufgrund der durch die Proteinfaltung bedingten Krüm-
14.5 Flaviviren
201
Tabelle 14.12 Vergleich und Funktion der flavivirusspezifischen Proteine Protein
Gelbfiebervirus
FSMEVirus
Hepatitis-CVirus
Virus der Funktion bovinen Virusdiarrhoe (BVDV)
Npro
–
–
–
23 kD
Protease; spaltet sich autokatalytisch vom Vorläuferprotein ab; bewirkt Ubiquitinylierung und Abbau des IRF3
C
12–14 kD
13–16 kD
22 kD
14 kD
Capsidprotein; Interaktion mit RNAGenom
PrM/ M
18–19 kD/ 7–9 kD
24–27 kD/ 7–8 kD
—
—
Membranprotein; Spaltung durch Furin-Protease
E
51–59 kD
50–60 kD
—
—
Membranprotein; glycosyliert; neutralisierende Antikörper; Hämagglutinin; Adsorption
Erns
—
—
—
44–48 kD
RNase; sezerniert; glycosyliert
E1
—
—
31–35 kD
25–33 kD
Membranprotein; glycosyliert
E2
—
—
70–72 kD
53–55 kD
Membranprotein; glycosyliert
p7
—
—
7 kD
7 kD
Ionenkanal?; hydrophob
NS1
19–25 kD
39–41 kD
—
—
hochkonserviert; glycosyliert; zellmembranassoziiert; sezerniert; kein Bestandteil der Viruspartikel
NS2A
20–24 kD
20 kD
—
—
assoziiert mit ER-Membran; Morphogenese
NS2B
14 kD
14 kD
—
—
Zn2+-Metalloproteinase; assoziiert mit NS3Protease (FSME-Viren und ähnliche)
NS2
—
—
21–23 kD
38–54 kD
Zn2+-bindend
NS2/3
—
—
90–95 kD
120–125 kD
Zn2+-bindend; wirkt autokatalytisch als Protease und bewirkt Spaltung in NS2 und NS3 beim Hepatitis-C-Virus sowie bei pathogenen BVDV-Stämmen
NS3
68–70 kD
70 kD
70 kD
75–80 kD
Serinprotease; bewirkt Spaltung der Nichtstrukturproteine im Polyprotein; dsRNAHelicase
NS4A
16 kD
16 kD
8–10 kD
7–10 kD
hydrophob; assoziiert mit ER-Membran; hemmt bei Flaviviren die IFN-a/IFN-b vermittelte Signalübertragung NS4A von Hepatitis-C-Virus und BVDV bildet Heterodimer mit NS3-Protease
NS4B
26 kD
27 kD
27 kD
30 kD
hydrophob; assoziiert mit ER-Membran
NS5
103–104 kD
100 kD*
—
—
Methyltransferase; RNA-abhängige RNAPolymerase
NS5A
—
—
56–58 kD
58–70 kD
phosphoryliert; membranverankert; Virusmorphogenese
NS5B
—
—
68–70 kD
75–78 kD
RNA-abhängige RNA-Polymerase
* hochkonserviert, an Virusreplikation beteiligt. Die in der Tabelle angegebene Reihenfolge der Proteine entspricht ihrer Anordnung im Polyprotein.
14
14
202
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
14.13 Struktur des E-Proteins des FSME-Virus, dargestellt in einem Bändermodell. Die Abbildung zeigt eine Aufsicht auf den homodimeren Proteinkomplex (das Protein liegt hier also auf der Virusoberfläche). Die carboxyterminale Domäne, welche die Transmembranregion enthält, wurde durch proteolytischen Verdau entfernt (mit freundlicher Genehmigung von Franz X. Heinz, Universität Wien).
mung die Größe des Partikels (䉴 Abbildung 14.13). Das E-Protein vermittelt die Adsorption des Virus an die Zellen und induziert nach Aufnahme der Partikel durch rezeptorvermittelte Endocytose bei niedrigem pH-Wert die Fusion von Virus- und Endosomenmembran. Außerdem ist es für die hämagglutinierenden Eigenschaften der Flaviviren verantwortlich. Im Verlauf der Infektion werden gegen das E-Protein virusneutralisierende Antikörper induziert. Sie schützen vor einer Neuinfektion mit dem gleichen Virustyp. Die glycosylierten E1-und E2-Proteine der HepatitisC-Viren weisen Sequenzhomologien mit den entsprechenden Proteinen der Pestiviren auf. Die E1-Proteine sind nicht kovalent mit den E2-Proteinen assoziiert und über carboxyterminal orientierte hydrophobe Aminosäurefolgen in der Membran verankert. Im carboxyterminalen Bereich des E2-Proteins hat man eine hoch variable Region gefunden, in der sich die verschiedenen Serotypen des Hepatitis-C-Virus, aber auch einzelne Virusisolate unterscheiden.
Bei den Pestiviren wurde ein weiteres Hüllprotein charakterisiert und als Erns-Protein (envelope protein, RNase secreted) bezeichnet. Es ist Teil der Virionen, besitzt dsRNase-Aktivität, wird von virusinfizieren Zellen sezerniert und induziert die Bildung neutralisierender Antikörper. Die Funktion dieses Proteins im viralen Replikationszyklus ist nicht endgültig geklärt. Beim Virus der bovinen Virusdiarrhoe stellte sich heraus, dass das Protein Erns durch seine Fähigkeit zum Abbau doppelsträngiger RNA den immunologischen Abwehrmaßnahmen entgegenwirkt, die durch dsRNA ausgelöst werden. Hierzu zählen unter anderem die Aktivierung der tolllike-Rezeptoren 3 (TLR3), wodurch die Produktion von IFN-α und IFN-β eingeleitet wird (䉴 Kapitel 7 und 8).
Nichtstrukturproteine Das NS1-Protein der Flaviviren ist mit der Zellmembran assoziiert. Bei Infektion von Säugetier-, nicht jedoch von Insektenzellen findet man eine lösliche Form der NS1-
¡ Zahlreiche Viren sind in der Lage, Erythrocyten zu agglutinieren Sehr viele Viren können über die entsprechenden Aktivitäten ihrer Oberflächenproteine eine Hämagglutination hervorrufen. Man versteht darunter die virusinduzierte Verklumpung und Aggregation von roten Blutkörperchen. Vor der Einführung von hochspezifischen ELISA- und PCR-Tests
zum Nachweis von viralen Infektionen war der Hämagglutinationstest beziehungsweise Hämagglutinationshemmtest eine sehr wichtige diagnostische Methode (䉴 Kapitel 13). In seltenen Fällen wird er auch heute noch eingesetzt.
14.5 Flaviviren
Proteine, die von den Zellen sezerniert wird. Es gibt Hinweise, dass das membrangebundene NS1-Protein als Dimer, die sezernierte Form dagegen als Hexamer vorliegt. NS1-spezifische Antikörper scheinen bei einigen Flaviviren die antikörpervermittelte Lyse der infizierten Zellen einzuleiten und so protektiv zu wirken. Die Funktion des Proteins während des Infektionszyklus ist unklar. Es ist möglicherweise an der Replikation der Virusgenome sowie am intrazellulären Transport der viralen Strukturproteine und an der Virusfreisetzung beteiligt. Für das NS1-Protein der West-Nile-Viren fand sich kürzlich eine immunmodulatorsiche Funktion: Es hemmt die durch toll-like-Rezeptor 3 (TLR3) vermittelte Signalkaskade, indem es den Transport von IRF-3 (interferon regulatory factor 3) und NFκB in den Zellkern verhindert. Als Folge wird die Produktion von IFN-β und proinflammatorischer Cytokine wie IL-6 unterbunden. Desweiteren bindet bei dem West-NileVirus sowohl die lösliche wie die mit der Zellmembran assoziierte Version des NS1-Proteins den Proteinfaktor H – einen Regulator der Komplementaktivierung. Dies führt zu einer verringerten Anlagerung der C3Komponente und des Membranangriffskomplexes (C5B bis C9; 䉴 Kapitel 7). Das 7K-Protein der Hepatitis-C- und Pestiviren ist ein kleines hydrophobes Protein; man vermutet, dass es membranverankert vorliegt und möglicherweise die Funktion eines Ionenkanalproteins hat. Das NS2-Protein wird bei den Flaviviren in die Anteile NS2A und NS2B gespalten. Zur Funktion von NS2A gibt es wenige Daten. Es ist mit der Membran des endoplasmatischen Reticulums assoziiert und spielt bei der Morphogenese der Flaviviren eine wichtige Rolle. Auch scheint es die interferonvermittelte antivirale Immunantwort zu hemmen. Das NS2B-Protein der Flaviviren ist ein essenzieller Cofaktor der NS3-Protease. Beim Hepatitis-C-Virus bildet der NS2-Teil in Fusion mit NS3 die katalytische Domäne einer Zn2+-abhängigen Protease, die zwischen NS2 und NS3 spaltet. Das NS3-Protein aller Flaviviren ist bifunktionell: Die aminoterminale Region besitzt die Aktivität einer Serinprotease und ist für alle Spaltungen in den Regionen des Polyproteins verantwortlich, die der NS3-Domäne folgen. In der carboxyterminalen Region befinden sich NTP-Bindungsstellen und eine Helicaseaktivität. Letztere ist ein Mitglied der Helicase-Superfamilie DexH/DBox und für die Entwindung der stark strukturierten doppelsträngigen RNA-Intermediate sowohl bei der Genomreplikation als auch bei der Translation und Synthese des Polyproteins notwendig. Die NS3-Protease der Flaviviren ist ein Heterodimer bestehend aus NS2B und NS3. Beim Hepatitis-C-Virus interagiert das NS3-Protein über seine aminoterminale Region, welche das
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aktive Zentrum der Serinprotease enthält, mit dem NS4A-Protein und bildet so ein Heterodimer, das über die hydrophoben Domänen im NS4A in der ER-Membran verankert ist. Beim Hepatitis-C-Virus hat das NS4A-Protein wohl vor allem die Funktion, mit der NS3-Protease zu interagieren. Das NS3-Protein wird so an die Membranen des endoplasmatischen Reticulums gebunden und bleibt Teil des Replikationskomplexes. Bei den Flaviviren ist das NS4A-Protein ebenfalls mit der ER-Membran, nicht aber mit dem NS3-Protein assoziiert. Es trägt zur Umordnung der Membranen des endoplasmatischen Reticulums bei und inhibiert zusätzlich die durch IFN-α/ IFN-β vermittelten Signalübertragungswege, dabei hemmt es die Phosphorylierung der Stat-1und Stat-2 Proteine. Über die Funktion der membranverankerten NS4BProteine ist wenig bekannt. Beim Hepatitis-C-Virus induziert es die Ausbildung spezieller intrazellulärer Membrankompartimente, an denen die Replikation der Virusgenome stattfindet. Im Falle der Vertreter des Genus Flavivirus gibt es Hinweise, dass die NS4B-Proteine, ähnlich wie die NS4A-Proteine, die interferonvermittelte Immunabwehr behindern; diese Daten sind allerdings umstritten. Das NS5-Protein der Flaviviren ist ein multifunktionelles Protein: Die aminoterminale Domäne hat die Aktivität einer Methyltransferase, die beim 5’-Capping der RNA-Genome benötigt wird. Da die Replikation und Virusvermehrung im Cytoplasma der infizierten Zellen abläuft, können die Viren nicht auf die entsprechenden zellulären Enzyme zurückgreifen, die im Zellkern lokalisiert sind. Zusätzlich hat die aminoterminale NS5-Domäne auch die Funktion eines Antagonisten der Interferonwirkung: Sie blockiert die IFN-stimulierten Jak-/Stat-Signalübertragungswege und verhindert die Expression der IFN-stimulierten Gene. Die carboxyterminale Domäne des NS5-Proteins stellt die Aktivität der RNA-abhängigen RNA-Polymerase. Das NS5-Protein der Hepatitis-C- und der Pestiviren wird durch die NS3Protease in die Teile NS5A und NS5B gespalten. Die NS5B-Proteine sind die RNA-abhängigen RNA-Polymerasen und essenziell für die Replikation des RNA-Genoms. Das NS5A-Protein ist phosphoryliert, membranverankert und RNA-bindend. Die carboxyterminale Domäne von NS5A hat wichtige Funktionen bei der Virusmorphogenese: Sie bewirkt, dass sich die C-Proteine an den intrazellulären Membrankompartimenten ansammeln. Deletiert man die carboxyterminale NS5A-Domäne, dann unterbleibt die Bildung infektiöser Nachkommenviren. Die Nichtstukturproteine der Pestiviren weisen einige Besonderheiten auf: Sie sind beim Virus der bovi-
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
nen Virusdiarrhoe für die Ausbildung unterschiedlicher Biotypen verantwortlich und spielen eine wichtige Rolle bei der Pathogenese der Mucosal Disease (䉴 Abschnitt 14.5.6). Einzigartig ist das bereits erwähnte Npro-Protein, das als Protease wirkt und die erste Domäne des Polyproteins darstellt. Es bewirkt autokatalytisch seine Abspaltung vom Vorläuferprotein. Das Protein Npro hat daneben aber eine weitere Funktion, die für die Pathogenese der Pestivirusinfektionen wichtig ist. Sowohl bei Classical-Swine-Fever-Virus wie beim Virus der bovinen Virusdiarrhoe stellte sich heraus, dass sich Npro an den Faktor IRF-3 (interferon regulatory factor) bindet, und diese Wechselwirkung die Ubiquitinylierung und den Abbau des IRF-3 über die Proteasomen einleitet. Dadurch bilden die infizierten Zellen nur sehr wenig IFN-β (䉴 Kapitel 7 und 8).
14.5.4 Replikation Die zellulären Rezeptoren sind für viele Flaviviren bekannt. Beim Hepatitis-C-Virus fand man, dass die Rezeptorbindung ein sehr komplexer und vielschichtiger Prozess ist. Das initiale Andocken an die Zelle erfordert Glycosaminoglycane und LDL-Rezeptoren. Daran schließen sich nacheinander Interaktionen der viralen E2-Proteine mit mindestens drei Eintrittsfaktoren an, nämlich dem scavenger Rezeptor Klasse B Typ 1 (SR-B1; human scavenger receptor class B type 1), dem Tetraspanin CD81 und das tight-junction Protein Claudin-1. Das E2-Protein bindet sich an das CD81 (25 kD), ein Mitglied der Tetraspaninsuperfamilie, welche die Cytoplasmamembran mit vier Transmembranregionen durchspannen und dabei zwei extrazelluläre Domänen ausbilden. Die CD81-Proteine haben funktionelle Aktivitäten bei der Zelladhäsion, -aktivierung und -motilität sowie bei Signalübertragungswegen; man findet sie auf der Oberfläche vieler Zelltypen, so auch auf Hepatocyten und B-Lymphocyten, die beide von Hepatitis-CViren infiziert werden können. Die E2-Proteine binden sich auch an SR-B1, ein 87 kD-Protein auf der Oberfläche vieler unterschiedlicher Zelltypen, das Funktionen im Fettstoffwechsel der Zellen ausübt. Serumproteine, wie beispielsweise die HDL-Lipoproteine, sind Liganden für den Rezeptor SR-B1 und verstärken die Infektiosität der Hepatitis-C-Viren, möglicherweise weil sie Komplexe mit den E1-/E2-Proteinen auf der Virusoberfläche bilden und die Interaktion mit dem SR-B1-Rezeptor vermitteln. Ein ähnlicher Bindungsmechanismus wurde für LDL-Lipoproteine vorgeschlagen: Es wird vermutet, dass auch diese Serumproteine an die Viruspartikel bin-
den und die Wechselwirkung mit dem LDL-Rezeptor vermitteln können. Dengueviren und auch die Frühsommer-Meningoencephalitisviren binden sich mit niedriger Affinität an Heparansulfat; für das West-Nile-Virus sind Integrine (Integrin αvβ3) als Interaktionspartner beschrieben. Neben der direkten Wechselwirkung der viralen Membranproteine mit definierten Zelloberflächenkomponenten wurde für die Dengueviren ein zweiter Weg der Bindung und Aufnahme beschrieben: Er ist abhängig von der Anwesenheit subneutralisierender Konzentrationen virustypspezifischer Antikörper oder von kreuzreagierenden Immunglobulinen, die typübergreifend die Virusgruppe erkennen. Von Dengueviren gibt es vier verschiedene Serotypen. Die typspezifischen Antikörper binden sich nur an Epitope, die spezifisch für den jeweiligen Serotyp sind. Daneben gibt es jedoch vor allem im E-Protein der Dengueviren Domänen, die allen vier Serotypen gemeinsam sind. Gegen diese konservierten Regionen sind virustypübergreifende kreuzreagierende Antikörper gerichtet, die meist nicht neutralisierend sind. Werden Viren in vitro mit diesen kreuzreagierenden oder mit geringen Konzentrationen von typspezifischen Antikörpern gemischt, die sich an die Partikeloberfläche binden, kann über den Fc-Teil der Immunglobuline die Interaktion mit Fc-Rezeptoren auf Makrophagen und Monocyten vermittelt und so die Virusaufnahme und damit die Infektion eingeleitet werden (䉴 Abbildung 14.14). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von infektionsverstärkenden Antikörpern oder antibody (immune) enhancement. Nach der Adsorption an die Zelloberfläche gelangt das Virus durch Endocytose in die Zelle (䉴 Abbildung 14.15). Es liegt in einem Membranvesikel im Cytoplasma vor und muss aus diesem entlassen werden. Hierzu wird das Innere der Endosomen über eine ATPabhängige H+-Ionenpumpe angesäuert, die Bestandteil der Vesikelmembran ist. Die Endosomenmembran verschmilzt mit der des Virus. An dieser Membranfusion sind die E- beziehungsweise E1-Proteine aktiv beteiligt. Die dimeren E-Proteine ändern dabei ihre Struktur und bilden trimere Intermediate aus, bei denen die fusogene Domäne exponiert wird und ihre Aktivität entfalten kann. Das Capsid gelangt so in das Cytoplasma; über die Mechanismen bei der Freisetzung der Nucleinsäure ist wenig bekannt. In den nächsten Schritten interagiert das 5’-Ende des Genoms mit zellulären Ribosomenuntereinheiten. Bei den Flaviviren ist hierfür die 5’-Cap-Struktur verantwortlich, die sich an Komponenten des Cap-BindingKomplex bindet und die Interaktion mit den Ribosomen vermittelt. Im Falle des Hepatitis-C-Virus und der Pestiviren ist die im nichttranslatierbaren Teil des 5’-Endes
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Antikörper gegen ein neutralisierendes Epitop von Denguevirus, Typ 1
Antikörper gegen ein neutralisierendes Epitop von Denguevirus, Typ 1
Bindung der Typ-1-spezifischen Antikörper mit geringer Affinität
Makrophage
Fc-Rezeptor
Bindung der Typ-1-spezifischen Antikörper mit hoher Affinität
Virus-Antikörper-Komplex bindet sich an Fc-Rezeptor auf Makrophagen und wird internalisiert; Makrophagen werden infiziert
Virus kann Zielzelle nicht infizieren, wird aus der Zirkulation entfernt und abgebaut
14.14 Die Funktionsweise infektionsverstärkender Antikörper. Nach einer Infektion mit einem bestimmten Subtyp der Dengueviren, zum Beispiel Denguevirus Typ 1, liegen für diesen Subtyp spezifische Antikörper im Organismus vor. Sie können sich bei Reinfektionen mit dem gleichen Virussubtyp an die Partikel binden und das Virus neutralisieren. Erfolgt jedoch in der Folge eine Infektion mit einem anderen Denguevirus-Subtyp, beispielsweise Denguevirus Typ 2, dann binden sich zwar aufgrund der ähnlichen Aminosäuresequenzen beider Virustypen die Antikörper auch an die Oberfläche des Denguevirus Typ 2, können dieses aber nicht neutralisieren. Die Virus-Antikörper-Komplexe binden sich über den Fc-Teil der Immunglobuline an Fc-Rezeptoren in der Membran von Makrophagen. Dies bewirkt die Internalisierung des Komplexes und so die Infektion der Makrophagen.
Denguevirus, Typ 2
Denguevirus, Typ 1
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virales Oberflächenprotein (E-Protein)
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lokalisierte IRES-Sequenz für die Bindung der Ribosomen verantwortlich. Liegt nach begonnener Translation das C-Protein im aminoterminalen Bereich des Polyproteins vor, so stoppt die Elongation der Aminosäurekette kurzzeitig: Die hydrophobe Domäne im carboxyterminalen Bereich des C-Proteins wirkt als Signalpeptid. Sie interagiert mit dem signal recognition particle – ein Komplex aus zellulären Polypeptiden und der 5S-RNA, das den Transport des Translationskomplexes an die Membran des endoplasmatischen Reticulums bewirkt.
Dort wird die wachsende Aminosäurekette durch die Membran des endoplasmatischen Reticulums geschleust, wobei die Transmembrandomänen in den PrM- und EProteinen das Polyprotein cotranslational in der Lipidschicht verankern (䉴 Abbildung 14.15). Die Signalasen führen die Prozessierungen zwischen den C-, PrM-, Eund NS1-Anteilen durch. Für die weiteren Spaltungen des Polyproteins sind die NS2B/NS3- (Flaviviren) beziehungsweise NS3/NS4A-Proteasen (Hepatitis-C- und Pestiviren) verantwortlich (䉴 Abbildung 14.12). Die
14.15 Verlauf der Infektion einer Zelle mit dem FSME-Virus. (Der Zellkern ist der Übersichtlichkeit halber hier nicht eingezeichnet.) Das Virus adsorbiert an einen noch unbekannten Rezeptor der Cytoplasmamembran und wird über Endocytose von der Zelle aufgenommen. Die Ansäuerung des Endosomeninneren bewirkt die Fusion der Endosomen- mit der Virusmembran, wodurch das Capsid in das Cytoplasma gelangt. Das Virusgenom entspricht einer mRNA. Es wird in ein Polyprotein translatiert. Bedingt durch signalpeptidähnliche Proteindomänen wird das Polyprotein in die Membran des endoplasmatischen Reticulums eingelagert. Alle weiteren Schritte im Infektionszyklus verlaufen daher in räumlicher Nähe zu diesem Zellkompartiment. Die mit dem endoplasmatischen Reticulum assoziierte Signalase spaltet das Vorläuferprotein im Bereich der Strukturproteine C, PrM und E. Alle anderen Spaltungen im Anteil der Nichtstrukturproteine werden durch das NS3-Protein durchgeführt, das zusammen mit dem NS2B als Protease wirkt. So entsteht mit dem Protein NS5 die RNA-abhängige RNA-Polymerase, die das virale Plusstranggenom in einen RNANegativstrang umschreibt; dieser dient seinerseits wieder als Matrize für die Synthese neuer Virusgenome. Diese lagern sich an die Regionen der Membran des endoplasmatischen Reticulums an, welche hohe Konzentrationen der Virusstrukturproteine enthalten. Es kommt zum Budding der Viruspartikel in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums, die im weiteren Verlauf über die Golgi-Vesikel zur Zelloberfläche transportiert und freigesetzt werden.
14.5 Flaviviren
meisten der Nichtstrukturproteine verfügen über hydrophobe Domänen, welche zu ihrer Verankerung in der Membran des endoplasmatischen Reticulums beitragen. Das garantiert, dass die Synthese des Polyproteins, seine Prozessierung und auch die sich anschließenden Schritte der Replikation in Assoziation mit diesem intrazellulären Membrankompartiment ablaufen. Liegen mit den NS5- beziehungsweise NS5B-Proteinen die RNA-abhängigen RNA-Polymerasen im Cytoplasma vor, katalysieren sie das Umschreiben des Positivstranggenoms in den Minusstrang, der wiederum als Matrize für die Bildung von Plussträngen dient; beim Hepatitis-C-Virus ist dabei die Haarnadelschleife in der nichttranslatierbaren Region am 5’-Ende des RNAGenoms essenziell (䉴 Abbildung 14.12C). Sie scheint eine ähnliche Funktion zu haben wie die CloverleafStruktur im Genom der Picornaviren (䉴 Abschnitt 14.1). Die neu gebildeten Plusstränge finden sowohl als genomische RNA als auch als mRNA für die Synthese weiterer Polyproteine Verwendung. Im Großen und Ganzen ähnelt der Mechanismus dem der Picornavirusreplikation. Bei den Flaviviren versieht die NS5-Methyltransferase das 5’-Ende der Positivstränge mit einer Cap-Struktur. Da die Replikation ausschließlich im Cytoplasma der Zelle erfolgt und zelluläre CappingEnzyme hier nicht vorhanden sind, besitzen die Flaviviren hierfür eigene enzymatische Aktivitäten. Die Morphogenese zu infektiösen Partikeln erfolgt bei den Flaviviren an der Membran des endoplasmatischen Reticulums. Analoge Vorgänge vermutet man beim Hepatitis-C-Virus. Die C-, PrM und E-Komponenten – beziehungsweise die E1- und E2-Polypeptide beim Hepatitis-C-Virus sowie bei den Pestiviren – werden im Verlauf der Translation in die Lipidschicht eingelagert und bilden hier Regionen mit einer hohen Konzentration an viralen Proteinen. Die membranassoziierten C-Proteine interagieren sowohl mit den carboxyterminalen Domänen der E-Proteine, möglicherweise auch mit denen der NS2A-Proteine, als auch über die basischen Aminosäuren mit den RNA-Genomen. Die Membran stülpt sich in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums aus und bildet so den initialen Budding-Komplex, der sich schließlich abschnürt. In dieser Phase der Virusmorphogenese sind die Viruspartikel noch nicht infektiös: Die E-Proteine liegen als heterodimerer Komplex mit den PrM-Polypeptiden vor. Während des folgenden Transports durch den GolgiApparat werden die Membranproteine glycosyliert und das PrM- wird durch die Furinprotease zum M-Protein prozessiert; dies bewirkt, dass sich die E-Proteine aus den Komplexen mit den PrM-Proteinen lösen und miteinander Dimere bilden: Die unreifen, nicht infektiösen Viruspartikel werden dadurch zu reifen Virionen. Die
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Golgi-Vesikel fusionieren schließlich mit der Cytoplasmamembran und setzen ihren Inhalt mit den infektiösen Viruspartikeln an der Zelloberfläche frei. Der Ablauf des Replikationszyklus eines Flavivirus ist in 䉴 Abbildung 14.15 dargestellt.
14.5.5 Humanpathogene Flaviviren Die humanpathogenen Vertreter der Gattung Flaviviren werden durch Stiche von Mücken oder Bisse von Zecken auf Menschen übertragen. Die durch Zecken übertragenen Viren sind in Europa und Asien verbreitet und infizieren als natürliche Wirte überwiegend Nagetiere; in Mitteleuropa zählt hierzu das Frühsommer-Meningoencephalitis-Virus (FSME-Virus). Die durch Mückenstiche übertragenen Viren kann man in zwei Gruppen unterteilen: Mücken der Gattung Aedes spp. stechen bevorzugt Säugetiere; die durch sie übertragenen Viren, wie beispielsweise die Erreger des Gelbfiebers oder des Denguefiebers beziehungsweise des Dengue-SchockSyndroms, verursachen im Menschen fieberhafte Erkrankungen, die mit Hämorrhagien verbunden sein können. Culex-Mücken bevorzugen Vögel als Wirte; die von ihnen übertragenen Viren wie die Erreger des WestNile-Fiebers, der St-Louis- und der Japanischen Encephalitis verursachen im Menschen neurologische Erkrankungen wie Meningitiden oder Encephalitiden. Die Hepatitis-C- und Hepatitis-G-Viren werden vor allem durch kontaminiertes Blut oder andere Körperflüssigkeiten, welche die Erreger enthalten, übertragen; eine an Arthropoden gebundene Übertragung ist bei diesen Infektionen nicht bekannt. Da man bei Infektionen durch die Hepatitis-G-Viren bislang keine Erkrankungen beobachtet hat, wird auf sie im folgenden Abschnitt nicht im Detail eingegangen.
Das Gelbfiebervirus Epidemiologie und Übertragung Das Gelbfiebervirus wird durch Stechmücken des Genus Aedes spp. übertragen. Die ersten historisch gesicherten Fälle traten 1648 in Mexiko auf. Wahrscheinlich war das Virus jedoch ursprünglich nur auf dem afrikanischen Kontinent verbreitet. Der Sklavenhandel zwischen Afrika und Nord- beziehungsweise Südamerika durch die spanischen und englischen Eroberer führte während des 17. und 18. Jahrhunderts zum Import der MückenViruskombination und damit zur epidemischen Ausbreitung der Gelbfiebererkrankung in den tropischen Regionen Amerikas. Das Gelbfieber trat vor allem in den
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q Die Entstehung von Gelbfieberepidemien Das Gelbfiebervirus kann unter natürlichen Bedingungen zwei Zyklen durchlaufen: das Dschungel- oder Savannengelbfieber und das urbane Gelbfieber. Beim ersten sind Mücken der Arten Aedes africanus und A. haemagogus an der Übertragung beteiligt. Sie brüten in Wasseransammlungen in Baumhöhlen, Pfützen oder Erdlöchern. Die Insektenweibchen geben das Virus vertikal an ihre Nachkommen weiter. Man weiß, dass auch Affen als Zwischenwirte bei der Aufrechterhaltung der Infektionskette des Dschungeloder Savannengelbfiebers eine Rolle spielen. So erkranken und sterben die Neuweltaffen Südamerikas an der Infek-
Küstenstädten Afrikas, Amerikas, aber auch Südeuropas auf und war eine der großen Seuchen der Menschheit, die Tausende von Toten forderte. So hat es beim Bau des Panamakanals über 100 000 Todesfälle durch die Gelbfieberinfektion gegeben. Er konnte erst fertig gestellt werden, nachdem die Mücken als Überträger der Infektion ausgerottet waren. Bereits 1881 hatte der kubanische Arzt Carlos Finlay vermutet, dass die Erkrankung durch Insekten übertragen wird, was Walter Reed schließlich 1900 bewies. 1902 wurde das Gelbfiebervirus als ursächlicher Erreger des epidemischen Gelbfiebers identifiziert, 1929 wurde es auf Affen übertragen und damit der Weg für die weitere Erforschung bereitet. Heute ist Gelbfieber endemisch in den Regionen Afrikas südlich der Sahara – überwiegend in den Tropenwäldern Westafrikas – und in Südamerika verbreitet. Die Gelbfieberviren können sich in den verschiedenen Aedes-Arten, die unterschiedlich gut an die Umweltbedingungen im Dschungel, in den Savannen und den Städten angepasst sind, unterschiedlich gut vermehren. In den asiatischen Ländern ist die Erkrankung bisher nicht aufgetreten. Man vermutet, dass die dort verbreiteten Aedes-Arten für das Virus wenig empfänglich sind und deswegen schlechte Übertragungsvektoren darstellen. Andererseits könnten Kreuzimmunitäten mit den in asiatischen Ländern weit verbreiteten Dengueviren das Auftreten apparenter Gelbfiebererkrankungen verhindern. Auch erscheint es denkbar, dass die Menschen in Afrika früher durch die vielen verschiedenen von Insekten übertragenen Virusinfektionen eine breite kreuzreaktive Immunität entwickelt hatten, die größere Gelbfieberepidemien in der Bevölkerung verhinderte: Es erkrankten nur nichtimmune Europäer. Durch die fortschreitende Urbanisierung haben sich in den letzten Jahrzehnten die Lebensbedingungen in Afrika stark
tion, während die Altweltaffen Afrikas, die sich offensichtlich im Laufe ihrer Evolution gut an das Virus angepasst haben, meist nur subklinisch infiziert werden. Auf Menschen, die sich in diesen Regionen aufhalten, können die Viren als Seitenglieder der Infektionskette übertragen werden und sporadische Erkrankungen verursachen. Durch infizierte Personen kann das Gelbfiebervirus dann in die Städte getragen werden. Hier ist die Mückenart Aedes aegypti verbreitet, die das Virus aufnimmt, überträgt und zu seiner epidemischen Verbreitung führt.
verändert, sodass das Gelbfieber inzwischen häufig beobachtet wird. In den vergangenen Jahren wurde aus Nigeria über epidemische Ausbrüche der Gelbfiebererkrankung mit mehr als 100 000 Fällen berichtet. Die Zahl der jährlich in Südamerika offiziell gemeldeten Erkrankungen liegt bei etwa 2 000. Vermutlich ist die Dunkelziffer sehr hoch. Das Gelbfiebervirus ist genetisch sehr stabil; es existiert nur ein Serotyp. Während der Erkrankung ist es mehrere Tage lang im Blut der infizierten Personen vorhanden. Werden sie in dieser Zeit von einer Mücke gestochen, so nimmt diese den Erreger zusammen mit dem Blut auf. Das Virus vermehrt sich im Darmepithel, den Körper- und Speicheldrüsenzellen der Insekten. Dieser Vorgang dauert ungefähr eine Woche und wird als extrinsische Inkubationsperiode bezeichnet. Danach kann die Mücke das Gelbfiebervirus im Speichelsekret durch neue Stiche übertragen.
Klinik Gewöhnlich zeigen sich drei bis sechs Tage nach dem Mückenstich als erste Symptome Fieber, Übelkeit, Kopfund Muskelschmerzen – in dieser Phase der Infektion ist der Erkrankte virämisch. Nach kurzzeitiger Besserung können bei einem Teil der Patienten die Symptome mit Wiederanstieg des Fiebers, Erbrechen von Blut als Anzeichen der Hämorrhagie, Dehydratation, Blutdruckabfall, Bauchschmerzen und Anzeichen von Nierenversagen verstärkt auftreten. In dieser Erkrankungsphase entwickeln die Patienten aufgrund der Zerstörung der Leberzellen und des damit verbundenen Anstiegs des Bilirubins die Anzeichen der Gelbsucht. Das Virus ist dann nicht mehr im Blut vorhanden. Die Hälfte der Patienten, die in diese zweite Phase eintreten, stirbt zwi-
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schen dem siebten bis zehnten Tag durch Nieren- und Leberversagen, Schock und Delirium. Häufiger als diese fulminanten Gelbfiebererkrankungen sind subklinische oder abortive Formen der Infektion, bei denen die Symptome in einer deutlich abgeschwächten Form oder auch gar nicht auftreten. Insgesamt beträgt die Letalität der Gelbfieberinfektion aber 20 bis 50 Prozent.
Pathogenese Nachdem das Gelbfiebervirus durch den Mückenstich in den Blutkreislauf gelangt ist, infiziert es Endothelzellen, Lymphocyten und bevorzugt Makrophagen sowie Monocyten in der Umgebung der Einstichstelle. Sie transportieren die Viren über die Lymphbahnen in die Lymphknoten und lymphatischen Gewebe, wo sie auf weitere infizierbare Zielzellen treffen. Während der virämischen Phase vermehrt sich das Virus sehr stark und befällt im weiteren Verlauf die Makrophagen in der Leber (Kupffersche Sternzellen), die aufgrund der Virusvermehrung absterben. Die in der Leber vorhandenen Viren befallen und zerstören die Hepatocyten. Dies hat einen starken Anstieg der Transaminasekonzentration im Blut zur Folge. Infizierte Makrophagen können in seltenen Fällen das Gelbfiebervirus in das Gehirn transportieren, wo es eine Encephalitis hervorrufen kann. Die Hämorrhagien, die sich in der symptomatischen Infektionsphase als innere Blutungen in der Niere, im Gehirn und anderen Organen äußern, sind darauf zurückzuführen, dass durch die Infektion und die damit verbundene Zerstörung der Leberzellen verringerte Mengen an Blutgerinnungsfaktoren gebildet werden.
Immunreaktion und Diagnose Das Gelbfiebervirus lässt sich leicht in vitro in menschlichen (HeLa-, KB-Zelllinien) und Affennierenzellen (Vero-Zellen) züchten. Die Vermehrung ist auch in embryonalen Hühner- und Entenzellen und in kontinuierlich wachsenden Linien aus Nagetieren möglich. IgMund IgG-Antikörper gegen die E- und M-Proteine können etwa ein bis zwei Wochen nach der Infektion (das bedeutet fünf bis sieben Tage nach Beginn der Symptome) in ELISA-, Immunoblot, Immunfluoreszenz- und Virusneutralisationstests nachgewiesen werden. Neben diesen serologischen Methoden ist der Nachweis der Virusgenome mittels der RT-PCR im Blut Methode der Wahl in den frühen Infektionsphasen. Neutralisierende Antikörper persistieren lebenslang und vermitteln einen dauerhaften Schutz vor einer Reinfektion. NS1-spezifische Antikörper können während der Replikationsphase die antikörperabhängige Lyse der infizierten Zellen induzieren und so einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle
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¡ Die Attenuierung des Wildtyp- zum Impfvirus war nie reproduzierbar Die Isolierung des Impfstammes 17D des Gelbfiebervirus durch den aus Südafrika stammenden Mikrobiologen Max Theiler am Rockefeller-Institut war ein glückliches Zufallsereignis: Bei Züchtung des Wildtypvirus in bebrüteten Hühnereiern konnte dieser attenuierte Stamm zwischen der 89. und 114. Passage gewonnen werden. Versuche, diesen Vorgang zu reproduzieren, waren bisher nicht erfolgreich.
der Infektion und der Eliminierung des Virus aus dem Organismus leisten. Inwieweit das zelluläre Immunsystem durch die Induktion von cytotoxischen T-Lymphocyten hierbei eine Rolle spielt, ist ungeklärt.
Therapie und Prophylaxe Durch kontinuierliche Züchtung des Gelbfiebervirus in bebrüteten Hühnereiern gelang Max Theiler 1937 die Züchtung eines attenuierten Gelbfiebervirus (Stamm 17D), das beim Menschen keine Symptome auslöst. Theiler wurde für diese erstmalige Entwicklung eines Lebendimpfstoffes 1951 der Nobelpreis für Medizin verliehen. Die molekulare Basis der Attenuierung ist nicht bekannt. Insgesamt finden sich im Vergleich zum Wildtypgenom 68 veränderte Nucleotide, die 32 veränderte Aminosäuren in den viralen Proteinen zur Folge haben. Die meisten der Mutationen befinden sich in dem für das E-Protein codierenden Bereich, sodass man vermutet, dass das Impfvirus sich weniger gut an die Rezeptoren auf den Leberzellen binden und diese infizieren kann, daher weniger Virus gebildet wird und die Infektion langsamer und deshalb abgeschwächt verläuft. Im Blut der Geimpften werden etwa drei bis fünf Tage nach Inokulation niedrige Viruskonzentrationen gefunden, die Virämie dauert ein bis zwei Tage. Die erste Immunantwort ist bei 95 Prozent der Geimpften zehn Tage nach der Vakzinierung nachweisbar. Zur Aufrechterhaltung des Schutzes sind Wiederholungsimpfungen in zehnjährigen Abständen nötig. Rückmutationen zum Wildtyp wurden nie beobachtet, sodass der Gelbfieberimpfstoff als eine weltweit sehr erfolgreiche, sichere Vakzine gilt. Millionen Menschen wurden inzwischen geimpft. Damit war eine deutliche Eindämmung und Reduzierung der Gelbfieberinfektionen in den tropischen Ländern verbunden; über große Epidemien wird heute nur noch sehr selten berichtet. Der attenuierte Gelbfieber-
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impfstoff wird weltweit unter der Kontrolle der WHO (in Deutschland im Robert-Koch-Institut in Berlin) hergestellt und vertrieben. Er darf nur in staatlich zugelassenen Impfstellen verabreicht werden. Die Gelbfieberimpfung ist in vielen Ländern für Reisende in oder aus Gelbfieberendemiegebieten Pflicht. Neben der Impfung der Bevölkerung vor allem in den Endemieregionen besteht eine weitere wichtige Maßnahme zur Eindämmung der Infektion in der Bekämpfung der Mückenarten, die bei der Übertragung des Virus eine entscheidende Rolle spielen. Insektizide sind hierbei ebenso wichtig wie die Trockenlegung der Brutstätten für die Mückenlarven.
Das Denguevirus Epidemiologie und Übertragung Das Denguefieber ist als menschliche Erkrankung seit über 200 Jahren bekannt und wurde wegen der überaus starken Gelenk- und Muskelschmerzen früher als „Knochenbruchfieber“ oder „Dandy-Fieber“ bezeichnet. Die ersten Berichte über ein epidemisches Auftreten stammen aus Indonesien und Ägypten. Auch in Nordamerika (Philadelphia) gab es 1780 eine Denguefieberepidemie. Weitere Ausbrüche wurden in der Folge regelmäßig in fast allen tropischen und subtropischen Regionen beobachtet. 1903 isolierte der Beiruter Arzt Harris Graham aus dem Blut von Erkrankten einen filtrierbaren Erreger. Thomas L. Bancroft, ein australischer Arzt und Botaniker, zeigte 1906 seine Übertragbarkeit durch Aedes aegypti. 1944 identifizierten Albert Sabin und R. Walter Schlesinger die Dengueviren als Krankheitserreger, indem sie Blut von infizierten Soldaten auf Mäuse übertrugen. Inzwischen sind vier verschiedene Serotypen der Dengueviren bekannt. Ähnlich wie bei der Gelbfieberinfektion gibt es städtische und ländliche Formen des Denguefiebers. Die Verbreitung von letzterer erfolgt durch A. albopictus und A. scutellaris, als natürliche Wirte gelten nichtmenschliche Primaten in den Tropenwäldern Südostasiens und Südamerikas. A. aegypti ist vor allem an der Ausbreitung und Übertragung der Infektion in den Städten beteiligt. Man fand, dass nicht alle Stämme der Mücken A. aegypti Dengueviren übertragen können. Verantwortlich hierfür sind genetische Variationen der Mücken, welche in ihren Darmepithelzellen das Rezeptorprotein R67/R64 mit einem Molekulargewicht von 67 kD nicht produzieren. Diese Mückenstämme (zum Beispiel IBO-11) sind nicht permissiv für Denguevirusinfektionen, sie können die Erreger folglich auch nicht übertragen. Die Verbreitung der Mücken auf dem asiatischen Kontinent, insbesondere während des zweiten Weltkrie-
ges und die sich daran anschließende Urbanisierung der Bevölkerung, führten zu einer dramatischen Zunahme der Denguefiebererkrankungen im asiatischen Raum. Da zu dieser Zeit auch der Reiseverkehr stark zunahm, wurden die infizierten Mücken mit Flugzeugen vom pazifischen Raum nach Mittel- und Südamerika sowie in die USA importiert. Auch gelangte A. albopictus beispielsweise mit alten Autoreifen, in denen sich Wasser angesammelt hatte, in die USA. Heute infizieren Dengueviren jährlich etwa 50 Millionen Menschen weltweit; es handelt sich somit um die häufigste durch Insekten übertragene Virusinfektion des Menschen, die in den meisten Städten der tropischen Länder endemisch ist. In drei- bis fünfjährigen Abständen brechen Epidemien aus. Jährlich erkranken Millionen von Personen am Denguefieber und Hunderttausende an dem damit verbundenen hämorrhagischen Fieber und dem DengueSchock-Syndrom. Ob sich einzelne Denguevirusisolate in ihrer Virulenz unterscheiden und die Schwere der Erkrankung dadurch bestimmt wird, ist unklar. Möglicherweise könnten derartige Unterschiede aber das zum Teil epidemisch gehäuft auftretende hämorrhagische Denguefieber auch bei Personen erklären, die sich zum ersten Mal mit Dengueviren infiziert haben.
Klinik Die Inkubationszeit bis zum Auftreten der Symptome des Denguefiebers beträgt drei bis sieben Tage. Dengueviren verursachen unterschiedliche Ausprägungen einer Erkrankung. Vor allem bei kleinen Kindern handelt es sich um eine fieberhafte Erkrankung ohne spezifische Symptome. Ältere Kinder und Erwachsene entwickeln hingegen das klassische Erkrankungsbild mit Fieber, Hautausschlag, Gelenk- und Muskelschmerzen. Damit verbunden sind Lichtsensibilität und Lymphknotenschwellungen, petechiale Blutungen in den Schleimhäuten des Mund-, Nasen- und Gastrointestinalbereichs sowie Thrombo- und Lymphopenien. Die Symptome dauern etwa drei bis sieben Tage an, der Großteil der Patienten erholt sich ohne Folgeprobleme. Beim hämorrhagischen Denguefieber kommen zusätzlich zu den bereits beschriebenen Symptomen eine erhöhte Gefäßdurchlässigkeit und vermehrte innere Blutungen hinzu. Blutplasma tritt aus den Gefäßen in die umgebenden Gewebe aus und führt zu Ödemen, vor allem im Abdomen und um den Brustbereich. Das Dengue-Schock-Syndrom stellt sich bei den Patienten mit hämorrhagischem Denguefieber ein, bei denen die Gefäßdurchlässigkeit und Blutungen weiter ansteigen. Die kritische Phase tritt dann ein, wenn die Körpertemperatur plötzlich auf normale Werte oder darunter (Hypothermie) absinkt und sich Kreislaufversagen, Blu-
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tungen im Gastrointestinaltrakt und neurologische Beschwerden einstellen. In diesen Fällen kann es zu Schockzuständen kommen, die sich durch den Austritt von Blutplasma in die Körperhöhlen äußern. Etwa 50 Prozent der Patienten mit Dengue-Schock-Syndrom sterben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat strikte Kriterien für die Diagnose des hämorrhagischen Denguefiebers und des Dengue-Schock-Syndroms aufgestellt: Dazu gehören hohes Fieber, hämorrhagische Symptome, das Anschwellen der Leber und Kreislaufversagen. Die Erkrankung wurde abhängig von der Schwere des Verlaufs in vier Stadien eingeteilt: Stadien I und II entsprechen dem hämorrhagischen Denguefieber, Stadien III und IV dem Dengue-Schock-Syndrom.
Pathogenese Dengueviren gelangen durch den Stich einer infizierten Mücke in den Organismus und befallen die Makrophagen, die sich in der lokalen Umgebung befinden. Diese bringen das Virus über die Lymphbahnen zu den Lymphknoten, wo die Viren weitere Zielzellen vorfinden und sich in ihnen replizieren. Nach dieser Phase ist der Patient virämisch, und es lassen sich 108 bis 109 infektiöse Partikel pro Milliliter Blut nachweisen. Die Virämie dauert durchschnittlich vier bis fünf Tage an. Neben den Makrophagen sind Endothelzellen und möglicherweise auch Knochenmarkzellen infizierbar. Außerdem konnte das Virus auch in anderen Organen wie Leber, Lunge, Nieren und im Gastrointestinaltrakt nachgewiesen werden. Inwieweit es sich in diesen Geweben repliziert, ist jedoch unklar. Die pathologischen Veränderungen in den Geweben ähneln denjenigen, die man bei Infektionen mit dem Gelbfiebervirus beobachtet. Das hämorrhagische Denguefieber und das DengueSchock-Syndrom sind durch die erhöhte Durchlässigkeit der Blutkapillarwände gekennzeichnet. Für die Ausbildung dieser schweren Erkrankungsform werden immunpathogenetische Mechanismen verantwortlich gemacht. Die vier Denguevirus-Serotypen weisen bei Vergleich der Aminosäuresequenzen ihrer E-Proteine 63 bis 68 Prozent Homologie auf; zwischen unterschiedlichen Varianten eines Denguevirus-Serotyps beträgt die Homologie dagegen über 90 Prozent. Die schweren Erkrankungen treten vor allem dann auf, wenn die Patienten zum zweiten Mal mit Dengueviren infiziert werden, jedoch nun mit einem anderen Serotyp als bei der Erstinfektion. Diese Patienten besitzen aufgrund der Primärinfektion denguevirusspezifische Antikörper, die teilweise mit den anderen Serotypen kreuzreagieren. Sie können sich an das E-Protein auf der Virusoberfläche
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binden. Aufgrund einer geringen Affinität, bedingt durch die Unterscheide in der Aminosäuresequenz der Epitope, wirken sie aber nicht neutralisierend, sondern vermitteln den mit Antikörpern komplexierten Viren über Interaktion mit Fc-Rezeptoren auf Monocyten und Makrophagen eine bevorzugte, effizientere Aufnahme durch die Zellen; die kreuzreagierenden IgG-Moleküle wirken somit infektionsverstärkend (䉴 Abbildung 14.14). Sie tragen entscheidend zur Auslösung des hämorrhagischen Denguefiebers beziehungsweise des DengueSchock-Syndroms bei. Die Bindung sowohl der mit Antikörpern komplexierten wie der freien Dengueviren an die Makrophagenoberfläche vermittelt die Interaktion der Virusproteine mit dem Protein CLEC5A (C-type lectin domain family 5, member A, auch bekannt als myeloid DAP12associating lectin, MDL-1). Dieses Oberflächenprotein fungiert nicht als Rezeptor für die Interaktion mit dem Denguevirus, ist aber an diesem Vorgang beteiligt. Folge ist die Einleitung einer Signalkaskade mit der Freisetzung einer großen Menge proinflammatorischer Cytokine. Blockiert man im Mausmodellsystem die Wechselwirkung zwischen Virus und dem CLEC5A durch CLEC5A-spezifische Antikörper, dann unterbleibt die Cytokinfreisetzung und auch die Erhöhung der Gefäßdurchlässigkeit wird verhindert. Inwieweit die verschiedenen Aktivitäten der Nichtstrukturproteine zur Unterdrückung der IFN-α und -β vermittelten Abwehrstrategien in vivo die Pathogenese der Erkrankung beeinflussen, ist unklar. Dies gilt auch für die in vitro gefundene Eigenschaft der Dengueviren, in infizierten Zellen die Expression der MHC-Klasse-IAntigene zu verstärken. Die höhere Konzentration der MHC-Klasse-I-Proteine zusammen mit einer erhöhten Bindung der für NK-Zellen inhibitorisch wirkenden Rezeptoren führen dazu, dass die infizierten Zellen der durch NK-Zellen vermittelten Lyse entgehen können.
Immunreaktion und Diagnose IgM-Antikörper gegen die viralen E-Proteine werden ab dem fünften Tag nach der Erstinfektion mit Denguevirus in ELISA-Tests, Immunoblot und indirekten Immunofluoreszenz-Tests gefunden und bleiben über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten nachweisbar. IgG-Antikörper folgen, erreichen ihre maximale Konzentration etwa zwei bis drei Wochen nach der Infektion und persistieren wahrscheinlich lebenslang. Ein großer Prozentsatz der bei der Erstinfektion gebildeten Antiköper gegen das E-Protein ist nicht neutralisierend, aber kreuzreagierend mit anderen Serotypen der Dengueviren; nur ein relativ kleiner Anteil der IgG-Moleküle ist typspezifisch und wirkt neutralisierend. Neben der
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humoralen Immunantwort sind vermutlich auch cytotoxische T-Lymphocyten für die Eliminierung des Virus aus dem Organismus wichtig. Bei verschiedenen Personen wurden cytotoxische T-Lymphocyten nachgewiesen, die denguevirusinfizierte Zellen lysieren konnten. Bei Zweitinfektionen mit anderen Denguevirus-Serotypen ist die IgM-Antwort nur kurzfristig. Da jedoch bereits IgG-Antikörper gegen gruppenspezifische Epitope des E-Proteins vorliegen, wird ihre Synthese sehr schnell induziert und die IgG-Antikörper erreichen mehr als das zehnfache der Konzentrationen, die während der Erstinfektion nachweisbar waren. Da die denguevirusspezifischen Antikörper mit anderen Flaviviren kreuzreagieren, ist insbesondere in Ländern, in denen viele verschiedene Vertreter dieser Viren endemisch sind, die Diagnose einer akuten Infektion über den Antikörpernachweis schwierig. Eindeutige Aussagen können daher meist nur durch einen Virusneutralisations-Test, den Nachweis viraler RNA mittels Polymerasekettenreaktion oder durch die Isolierung der Viren aus dem Blut Infizierter – Dengueviren lassen sich in vitro in verschiedenen kontinuierlichen Zelllinien (Vero- oder Babyhamster-Kidney-Zellen) vermehren – getroffen werden.
Therapie und Prophylaxe Bisher sind weder Impfstoffe zur Vorbeugung der Denguevirusinfektion noch geeignete antivirale Therapeutika verfügbar. Die Immunpathogenese durch infektionsverstärkende Antikörper, die mit dem hämorrhagischen Denguefieber und dem Dengue-Schock-Syndrom in Verbindung steht, gestaltet die Entwicklung geeigneter Vakzinen als sehr schwierig. Man hat allerdings inzwischen in Thailand mit finanzieller Unterstützung der Rockefeller-Stiftung attenuierte Viren für alle vier Serotypen entwickelt; sie sind als Lebendimpfstoff in klinischer Erprobung. Daneben steht die Bekämpfung der Mücken als Überträger der Infektion und ihrer Brutstätten im Vordergrund.
Das Frühsommer-Meningoencephalitis-Virus (FSME-Virus) Epidemiologie und Übertragung Die durch Zecken übertragenen Encephalitisviren lassen sich nach ihrer geographischen Verbreitung in zwei Gruppen einteilen: Die östlichen zeckenübertragenen Encephalitisviren findet man bevorzugt im asiatischen Teil Russlands und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die westlichen Subtypen in den Ländern Zentralund Osteuropas – insbesondere im europäischen Teil
Russlands – und in Skandinavien. Letztere sind auch als die Subtypen RSSEV (Russian-Spring-Summer-Encephalitis-Virus) und CEEV (Central-European-EncephalitisVirus) des TBEV (Tick-Borne-Encephalitis-Virus) in der Literatur beschrieben. Verwandte Virustypen gibt es auch in Indien (Kyasanur-Forest-Disease-Virus). Das FSME-Virus ist der einzige Vertreter aus der Gruppe der zentraleuropäischen Encephalitisviren, der in Mitteleuropa verbreitet ist. Eng mit ihm verwandt ist das Louping-Ill-Virus, das Schafe in Großbritannien infiziert und dabei eine Encephalomyelitis verursachen kann; Erkrankungen beim Menschen mit dem Louping-IllVirus wurden nur in Einzelfällen beschreiben. Endemisch tritt das FSME-Virus vor allem in Österreich (Kärnten) und Süddeutschland (Donaugebiet, Schwarzwald), in Slowenien, Kroatien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen, Litauen, Lettland, Estland und Rußland auf. In Deutschland liegt die Durchseuchung der Zecken in den FSME-Endemiegebieten bei 0,5 Prozent; sie kann in FSME-Risikogebieten bis zu drei Prozent erreichen. Das FSME-Virus wird durch Zeckenbisse, vor allem durch die Spezies Ixodes ricinus, des Gemeinen Holzbocks, übertragen, die in Wäldern und Auengebieten vorkommt. Befallene Zecken übertragen das Virus unmittelbar beim Saugakt, da die FSME-Viren in den Speicheldrüsen akkumulieren. Meist streift man die Zecken von Gräsern und Büschen im Vorbeigehen ab. Es ist ein Irrglaube, dass sich die Zecken von Bäumen auf die Opfer herabstürzen. Das FSME-Virus kann zur Aktivitätszeit der Zecken – vor allem in den Monaten von April bis September/Oktober – auf Menschen und Nagetiere übertragen werden. Innerhalb der Zeckenpopulation kann es auch transovariell auf die Nachkommen weitergegeben werden. Ein seltenerer Infektionsweg für den Menschen ist die Übertragung des FSME-Virus über Frischmilch und daraus hergestellte, nicht erhitzte Rohmilchprodukte, insbesondere von Schaf und Ziege. Diese Tiere können durch Zecken infiziert werden und geben das Virus in die Milch ab. Das Reservoir für FSME-Viren sind jedoch kleine Nagetiere. Die Infektion des Menschen ist eine Sackgasse, da sie die Weiterverbreitung des FSME-Virus unterbricht.
Klinik Im Vergleich zur Infektion mit osteuropäischen Typen der Encephalitisviren verläuft die Infektion mit dem mitteleuropäischen FSME-Virus relativ mild. 70 bis 90 Prozent der Fälle bleiben inapparent, die anderen 10 bis 30 Prozent der Infizierten entwickeln eine zumeist leichte Erkrankung ohne Folgeschäden. Zwischen dem Kontakt mit dem Virus und dem Auftreten der ersten Symptome vergehen ein bis zwei Wochen. Die ersten
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Krankheitsanzeichen sind grippeähnliche Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Lichtsensibilität. Sie dauern etwa eine Woche. Während dieser Zeit können Viren aus dem Blut isoliert werden. Danach bessert sich das Befinden in der Mehrzahl der Fälle ganz oder, bei etwa zehn Prozent der Patienten, nur vorübergehend für etwa eine Woche. Die zweite Phase kann von einer milden Form der Meningitis (Entzündung der Hirn- oder Rückenmarkshäute; etwa 55 Prozent der Fälle) bis zu schweren Formen der Meningoencephalitis (Entzündung der Hirnhäute und des Gehirns; 35 Prozent der Fälle) mit Zittern, Schwindel, veränderter Wahrnehmung und Lähmungserscheinungen reichen. Bei Involvierung des Rückenmarks spricht man auch von einer Meningomyelitis (5 Prozent) oder Meningomyeloencephalitis (5 Prozent). Die Todesrate liegt bei etwa einem Prozent der Patienten mit schweren klinischen Verläufen. Rund 7 Prozent der Überlebenden der zweiten Infektionsphase haben neurologische Folgeerscheinungen wie Lähmungen, Sprachstörungen oder epileptische Anfälle.
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Erkrankung und ihre Schwere mit beeinflussen: Eine Studie in Litauen beschreibt, dass schwere mit Encephalitis verbundene Infektionen statistisch gehäuft bei Patienten mit genetischen Defekten im Gen für den Chemokinrezeptor CCR5 auftreten.
Immunreaktion und Diagnose Das FSME-Virus lässt sich in bebrüteten Hühnereiern, in embryonalen Hühnerzellkulturen oder auch Säugerzelllinien vermehren. Die Isolierung aus Patienten ist aber sehr schwierig. Die Diagnose der akuten Infektion erfolgt durch den Nachweis von virusspezifischen IgMAntikörpern in ELISA-Tests aus Blut und/oder Liquor. Der Nachweis der viralen Genome durch die Polymerasekettenreaktion ist aus Blut und vor allem Liquor möglich, gelingt im späteren Verlauf der Infektion aber meist nicht mehr. Während der Infektion werden IgG-Antikörper gebildet, die virusneutralisierend sind und lebenslang nachweisbar bleiben.
Pathogenese
Therapie und Prophylaxe
Nach der Inokulation durch den Zeckenbiss infiziert das FSME-Virus an der Bissstelle vorhandene Endothelzellen und Makrophagen und wird durch sie zu den Lymphknoten transportiert, wo es geeignete Zielzellen für weitere Vermehrungszyklen findet. Aus dem lymphatischen System gelangen die Viren ins Blut. Hierdurch werden sie im Körper verbreitet und siedeln sich in den Zellen des reticulohistiocytären Systems an, wo sie sich vermehren. Infizierte Makrophagen transportieren das Virus in das zentrale Nervensystem. Neben einer Spezifität für die Infektion von Lymphocyten hat das FSMEVirus einen ausgeprägten Neurotropismus. Durch die Infektion schwillt das Gehirn ödematös an und es treten lokal begrenzte Blutungen auf. Histopathologisch lassen sich entzündliche Veränderungen in der Umgebung der Blutgefäße, neuronale Degenerationen und Nekrosen im Bereich des Hirnstammes, der basalen Ganglien, des Rückenmarks sowie der Groß- und Kleinhirnrinde erkennen. Besonders empfindlich für die Infektion sind die vorderen motorischen Rückenmarkszellen im Bereich der Halswirbelsäule. Das erklärt auch die Lähmungserscheinungen, die bei myelitischen Verläufen bevorzugt in den oberen Extremitäten auftreten. Das E-Protein des FSME-Virus scheint der entscheidende Parameter für die Virulenz der unterschiedlichen Virusisolate zu sein: Die Veränderung einer Aminosäure (Tyrosin an Position 384 zu Histidin) kann die Virulenz der Infektion entscheidend beeinflussen. Neben virusspezifischen Merkmalen können aber auch genetische Unterschiede der infizierten Wirte die Ausprägung der
Es gibt einen Totimpfstoff, der aus gereinigten und durch Formalinbehandlung inaktivierten Viruspartikeln hergestellt wird, die beispielsweise in primären embryonalen Hühnerzellen gezüchtet werden. Die Vakzine enthält meist als Adjuvans Aluminiumhydroxid. Sie zeigt eine sehr gute Serokonversionsrate und Schutzwirkung nach der Grundimmunisierung (drei Impfungen), die drei bis fünf Jahre anhält. Danach ist eine Auffrischungsimpfung in regelmäßigen Abständen erforderlich. Geimpft werden bevorzugt Personen in Hochendemiegebieten sowie Bevölkerungsgruppen, die sich aus beruflichen oder sonstigen Gründen viel in Wäldern und Wiesen aufhalten und ein hohes Risiko haben, von Zecken gebissen zu werden. Die früher durchgeführte post-expositionelle passive Immunisierung wird nicht mehr empfohlen, nachdem sich bei Kindern gezeigt hatte, dass diese den Infektionsverlauf sogar negativ beeinflusst. Eine post-expositionelle aktive Impfung innerhalb von drei bis vier Tagen nach einem nachweislichen Zeckenbiss wird derzeit diskutiert. Wirksame antivirale Mittel bei symptomatischen FSME-Infektionen stehen nicht zur Verfügung.
Das Hepatitis-C-Virus Epidemiologie und Übertragung Das Hepatitis-C-Virus wurde lange Zeit den sogenannten NonA-/NonB-Hepatitisviren zugeordnet. 1989 gelang es dann Daniel W. Bradley, das Genom dieser Viren
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¡ Die Identifizierung des Hepatitis-C-Virus Die Identifizierung und Charakterisierung des Hepatitis-CVirus erfolgte mit molekularbiologischen Methoden. Man ging von dem Blut eines experimentell mit Patientenblut infizierten Schimpansen aus und isolierte daraus die RNA. Von der RNA stellte man cDNA-Klone her. Die darin codierten Proteine wurden exprimiert. Unter ihnen versuchte man solche zu identifizieren, die mit Seren von Patienten mit chronischer NonA-/NonB-Hepatitis reagierten. Der ent-
zu charakterisieren. Heute sind sechs Genotypen des Hepatitis-C-Virus aus verschiedenen geographischen Regionen bekannt; ihre Nucleinsäuresequenzen sind zu 31 bis 34 Prozent unterschiedlich. Die Genotypen unterteilt man wiederum in verschiedene Subtypen. In Europa findet man den Genotyp 1b am häufigsten, gefolgt von 2a, 3b, 2c und 3a; in Nordamerika hingegen ist der Genotyp 1a am häufigsten verbreitet, gefolgt von 1b. Die Genotypen 4 und 5 wurden bisher nur in Afrika gefunden, der Genotyp 6 hingegen in einigen Regionen Asiens (China, Korea). Weltweit schätzt man die Zahl der Personen, die chronisch mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert sind, auf knapp 200 Millionen. In Deutschland liegt die Prävalenz zwischen 0,5 und 0,6 Prozent, das sind etwa 400 000 bis 600 000 Infizierte. Das Hepatitis-C-Virus kommt, soweit bekannt, nur beim Menschen vor und wurde vor der Einführung geeigneter Testverfahren meist durch Bluttransfusionen oder Blutprodukte übertragen. Das Restrisiko, sich heute durch Erhalt einer positiven Blutkonserve zu infizieren, beträgt 1:100 000. Bis zu 70 Prozent aller Neuinfektionen mit dem Hepatitis-C-Virus treten nun bei Drogenabhängigen auf und werden durch das gemeinsame Benutzen von Spritzen verursacht. Weitere Übertragungsmöglichkeiten sind in seltenen Fällen Sexualverkehr sowie Haushaltskontakte mit infizierten Patienten bei mangelhaften hygienischen Verhältnissen. Das Krankenhauspersonal ist durch Verletzungen mit Kanülen gefährdet. Bei etwa 30 Prozent der Erkrankungsfälle kennt man die Infektionsquelle allerdings nicht. Das Virus kann während der Schwangerschaft oder bei Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Allerdings wird eine HepatitisC-Virus-Infektion der werdenden Mutter nicht als Indikation für einen Kaiserschnitt angesehen.
sprechende DNA-Klon wurde sequenziert. Nun konnte man Oligonucleotide herstellen und die RNA-Genome im Blut des Schimpansen durch Polymerasekettenreaktion amplifizieren und schließlich vollständig sequenzieren. Im letzten Schritt stellte man dann monoklonale Antikörper gegen die viralen Proteine her, die auch eine Identifizierung der Viruspartikel erlaubten.
Klinik Nach einer durchschnittlichen Inkubationsperiode von sechs bis acht Wochen tritt eine im Allgemeinen leicht verlaufende Leberentzündung auf. Etwa 75 Prozent der Infektionen verlaufen inapparent, schwere Verläufe sind selten. Akute Infektionen mit klinischer Symptomatik haben aber eine bessere Ausheilungsprognose. Bei bis zu 80 Prozent aller Infizierten entstehen chronisch-persistierende oder chronisch-reaktivierende Hepatitiden. Im Blut dieser Patienten kann man Virus-RNA mit den heutigen ultrasensitiven PCR-Methoden persistierend nachweisen. Die chronischen Infektionen sind durch erhöhte Transaminasespiegel gekennzeichnet, die aber undulieren und auch zeitweise normal sein können. Je aktiver die Infektion ist, desto höher sind aber die Werte. Nur wenige Patienten, die eine chronische Infektion etabliert haben, zeigen eine spontane Eliminierung des Erregers; dies findet man jährlich bei nur 0,5 bis 0,74 Prozent der Patienten. In zehn bis zwanzig Prozent der chronischen Fälle entsteht über die Jahre eine Zirrhose, bei etwa vier Prozent von diesen im Lauf von Jahrzehnten ein primäres Leberzellkarzinom. Eine gleichzeitige Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus fördert die Entstehung der Zirrhose. Weitere Komplikationen sind Periarteriitis nodosa, membranproliferative Glomerulonephritis und das idiopathische Sjögren-Syndrom. Dies ist durch zirkulierende gemischte Kryoglobuline (mixed cryoglobulins, MCs) bedingt, die als eine Folge der Expansion von B-Zell-Klonen angesehen werden, die pathogen wirkendes IgM mit Rheumafaktor-Aktivität produzieren.
Pathogenese Das Virus gelangt vorwiegend durch kontaminiertes Blut oder Blutprodukte direkt in den Kreislauf, wird
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q Das Hepatitis-G-Virus Das Hepatitis-G-Virus wurde ursprünglich von Friedrich Deinhard isoliert. 1967 inokulierte er Krallenaffen mit dem Serum eines an Hepatitis erkrankten Chirurgen (G. Barker, entsprechend seiner Initialen wird das Virus auch gelegentlich GB-Virus genannt) und konnte aus den infizierten Affen ein Virus isolieren. 1995 wurde das Genom dieses Virus von Scott Muerhoff und Mitarbeitern sequenziert, aufgrund der Anordnung seiner Gene ordnete man es in die Familie der Flaviviren ein. Da man am 5’-Ende des RNA-Genoms eine IRES-Sequenz identifizierte und Gene für zwei Glycoproteine (E1 und E2) vorhanden sind, ist es wohl mit dem Hepatitis-C-Virus verwandt. In der Folge konnte man Infektionen mit diesem Erreger, den man als Hepatitis-G-Virus bezeichnete, in vielen Menschen nachweisen, die auf die Infektion mit der Bildung spezifischer Antikörper reagierten. Es konnten inzwischen verschiedene Subtypen der Hepatitis-G-
über infizierte Makrophagen zur Leber transportiert und infiziert hier die Hepatocyten. Die Folge ist eine Leberentzündung mit Zellnekrosen. Bei der Hepatitis C scheint vor allem ein durch die Immunreaktion verursachter Zellschaden vorzuliegen. Das Virus selbst ist nur wenig cytopathogen, wie bei der kontinuierlichen Replikation des gesamten Virusgenoms in verschiedenen Zelltypen in vitro gezeigt werden konnte. Interferon-α wird von den Leberzellen produziert und sezerniert. Elektronenmikroskopisch beobachtete man im Cytoplasma der infizierten Leberzellen tubuläre Strukturen. Über die Details der Pathogenese der akuten Infektion ist wenig bekannt. Bei der chronischen Infektion bilden sich Antigen-Antikörper-Komplexe aus, die sich in den Glomerula der Nieren ablagern können. Man macht sie für die membranoproliferative Glomerulonephritis bei diesen Patienten verantwortlich. Das Hepatitis-C-Virus hat eine hohe Mutationsrate und verändert sich im Verlauf der Infektion im Patienten. Ständig bilden sich neue Quasispezies. Die Basenveränderungen entstehen bei der Replikation mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 × 10–3. Sie sind darauf zurückzuführen, dass die RNA-abhängige RNA-Polymerase des Virus, anders als zelluläre DNA-Polymerasen, die Lesegenauigkeit nicht überprüfen kann. Die Einteilung der Genotypen und Subtypen des Hepatitis-C-Virus beruhte ursprünglich auf der Sequenz des NS5-Gens. Variationen finden sich jedoch in allen Bereichen. Die nichttranslatierte Region der IRES am 5’-Ende des Genoms ist am stärksten konserviert. Die Mutationen in
Viren identifiziert werden. Die anfängliche Vermutung, dass Hepatitis-G-Viren beim Menschen eine Leberentzündung verursachen, hat sich nicht bestätigt. Wegen des hohen Durchseuchungsgrades – bis zu vier Prozent der Blutspender erwiesen sich als virämisch – haben sich diese Viren gelegentlich auch aus Hepatitis-Patienten isolieren lassen. Sowohl die akuten als auch die persistierenden Infektionen verlaufen offensichtlich asymptomatisch. Es gibt sogar Hinweise, dass bei Patienten, die mit dem humanen Immundefizienzvirus und geichzeitig mit dem Hepatitis-G-Virus infiziert sind, die HIV-Infektion einen abgeschwächten Verlauf zeigt. Dafür verwortlich sollen die Eigenschaften des E2-Proteins der Hepatitis-G-Viren sein, welche – möglicherweise auf der Basis ähnlicher Epitope mit der Folge von kreuzreagierenden Immunreaktionen – den Replikationszyklus der humanen Immundefizienzviren hemmen.
den viralen Genen sind nicht einheitlich verteilt. Es gibt hypervariable und variable Regionen sowie relativ konstante Sequenzen. Die hypervariablen Regionen liegen im aminoterminalen Bereich des E2-Proteins zwischen den Aminosäuren 1 bis 27 und 90 bis 97. Sie werden durch Antikörper erkannt und sind so einem starken immunologischen Selektionsdruck ausgesetzt. Im Verlauf einer chronischen Infektion verändert das Virus beide Epitope so, dass die Antikörper sie nicht mehr erkennen. In ähnlicher Weise findet man auch, dass sich durch die Mutationen die Epitope verändern, die von cytotoxischen T-Lymphocyten erkannt werden. Vermutlich entstehen durch diesen immunologischen Selektionsdruck Virusvarianten, die eine chronische Infektion herbeiführen können. Zusätzlich hat man in den Nichtstrukturproteinen der Flaviviren etliche Aktivitäten gefunden, die es den Erregern – so auch den Hepatitis-C-Viren – ermöglichen, die Abwehrstategien der unspezifischen Immunabwehr zu unterlaufen (䉴 Abschnitt 14.5.3). Im Fall der Hepatitis-C-Viren wurde zusätzlich entdeckt, dass die NS3/4A-Protease die zellulären Faktoren Cardif (CARD adaptor inducing interferon b) und TRIF (Toll-interleukin-1 receptor domain containing adaptor) spaltet, welche die IRFs (interferon regulatory factor) aktivieren und die Synthese von IFNα und-β einleiten. Das Protein NS5A hemmt in vitro die Proteinkinase PKR, die durch IFN-α aktiviert wird und die Translation hemmt. Ob dieser Mechanismus zur Aufhebung der Interferonwirkung auch in vivo stattfindet, ist allerdings – wie auch in den anderen genannten
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Beispielen – nicht gezeigt. Auch weiß man nicht, ob bestimmte Mutationen für die Virulenz der verschiedenen Quasispezies wichtig sind. Einige der Subtypen scheinen sich in ihrer Empfindlichkeit für Interferon-α zu unterscheiden, wobei die Genotypen 1 und 4 sich als besonders resistent erweisen. Primäres Leberzellkarzinom Auf welche Weise das Hepatitis-C-Virus die Krebsentstehung fördert, ist nicht endgültig geklärt. Die Zeitspanne zwischen der Infektion und der Ausbildung eines primären Leberzellkarzinoms beträgt etwa 20 bis 40 Jahre. Ausgangspunkt ist die chronische Infektion in Jugendlichen und Erwachsenen. Es wird vermutet, dass für die Entstehung der Karzinome die über Jahre andauernden Entzündungsprozesse in der Leber verantwortlich sind. Durch die Infiltration mit immunologisch aktiven Zellen und die von diesen sezernierten Cytokine kommt es zur Zerstörung von Leberzellen – wobei die Schädigung der Zellen durch bestimmte Cofaktoren, wie beispielsweise Alkoholkonsum, verstärkt wird. In Einzelfällen können bei diesen Vorgängen Mutationen im Zellgenom stattfinden, die dann die Zellen zur kontinuierlichen Proliferation veranlassen und zur Entstehung des Leberzellkarzinoms beitragen. Auch gibt es Hinweise, dass bestimmte Sequenzen des C-Proteins mit dem zellulären Ras-Protein wechselwirken und dass hierdurch die Transformation eingeleitet wird. Die perinatale Übertragung des Virus von infizierten Müttern auf die neugeborenen Kinder spielt im Gegensatz zu den mit Hepatitis-B-Virus assoziierten Karzinomen beim Hepatitis-C-Virus nur eine geringe Rolle (䉴 Abschnitt 19.1). Doppelinfektionen mit HepatitisB- und Hepatitis-C-Virus kommen in Japan bei bis zu 18 Prozent der primären Leberzellkarzinome vor. Gleichzeitige Infektionen von Hepatitis-B-, HepatitisC- und Hepatitis-D-Viren bewirken eine Verkürzung der Inkubationszeit bis zum Auftreten des Karzinoms.
Immunreaktion und Diagnose Für die Diagnose einer Hepatitis-C-Infektion können erhöhte Transaminasenwerte wegweisend sein, wobei diese keine nähere Zuordnung der Erreger erlaubt. Den wichtigsten Ansatz zur Diagnose einer Hepatitis-CVirus-Infektion stellen ELISA-Tests dar, die als Suchtests eingesetzt werden. Sind diese positiv, kann auf eine frische, chronische oder abgelaufene HCV-Infektion geschlossen werden. Eine weitere serologische Differenzierung ist nicht möglich. Infolge der hohen Sensitivität dieser Suchtests wurden Immunoblot- oder analoge Verfahren als Bestätigungstest eingeführt, um unspezifische Ergebnisse auszuschließen. Mittlerweile verwendet
man den quantitativen Nachweis der viralen RNAGenome mittels RT-PCR als Bestätigungstest, zumal dieser sofort die Höhe der Viruslast liefert. Als Material wird Serum oder Plasma verwendet, Leberbiopsien hingegen nur in Ausnahmefällen. Zusätzlich wird über Polymerasekettenreaktion und meist über Hybridisierungstests der Genotyp bestimmt, da dieser für die Länge der Therapiedauer entscheidend ist. Da die Phase, in der man eine akute Hepatitis-C-Infektion serologisch nicht eindeutig diagnostizieren kann, mehrere Monate beträgt, werden automatisierte Tests zum Nachweis der viralen C-Proteine eingeführt, um diese zu verkürzen. Bei ELISA-Tests oder im Immuno-Blot setzt man rekombinante Virusproteine zum Nachweis spezifischer Antikörper ein. Bei der akuten Infektion findet man IgM-Antikörper gegen das NS4- und das C-Protein. Da diese jedoch persistieren können beziehungsweise mit dem Niveau der Leberschädigung und auch mit dem Genotyp korrelieren, sind IgM-Tests diagnostisch ohne größeren Wert. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass bei der chronischen Infektion virale Genexpression und Proteinsynthese ständig erfolgen. IgG-Antikörper gegen das C-Protein lassen sich wenige Tage bis Wochen nach dem Beginn der Symptome nachweisen, solche gegen die Nichtstrukturproteine (NS3, NS4, NS5) erst später. Immunglobuline gegen die Membranproteine E1 und E2 entdeckt man nur bei etwa zehn Prozent der akuten Infektionen. Es ist unbekannt, ob diese Antikörper nicht gebildet oder aufgrund der Variabilität der Aminosäuresequenz und der mangelnden Empfindlichkeit der Testsysteme nicht erfasst werden. Cytotoxische T-Lymphocyten kann man nach ihrer Stimulierung durch Peptide, die von Virusproteinen abgeleitet sind, im Blut der Patienten nachweisen.
Therapie und Prophylaxe Einen Impfstoff gegen das Hepatitis-C-Virus gibt es nicht, wohl aufgrund der Quasispezies-Problematik. Die Anwendung von Interferon-α, vor allem die Verwendung von Interferon-α-Präparaten mit Depotwirkung (pegyliertes Interferon), in Kombination mit Ribavirin hat sich für die Behandlung der chronischen Infektionen bewährt. Bei Therapiebeginn in der akuten Infektionsphase erreicht man mit Interferon-α alleine Heilungsraten über 90 Prozent. In vielen Fällen führt die Therapie der chronischen Infektion zur deutlichen Absenkung der Viruslast im peripheren Blut, es ist dort auch mit ultrasensitiven Methoden nicht mehr nachweisbar. Es gibt jedoch sehr viele Therapieversager; insbesondere Infektionen mit den Genotypen 1 und 4 erweisen sich als weitgehend resistent. Deshalb werden mit den Genotypen 1 und 4 infizierte Patienten derzeit
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für 48 Wochen behandelt, wobei nach der zwölften Woche auf Therapieerfolg getestet wird (entsprechende Abnahme der Viruslast in der quantitativen PCR). Erfolgt dieses Ansprechen nicht, wird die Therapie abgebrochen. Bei Vorliegen einer Infektion mit den anderen Genotypen werden die Patienten dagegen 24 Wochen lang behandelt. Als neue Medikamente kommen Hemmstoffe der viralen Protease NS3, beispielsweise Boceprevir, eine von Peptiden abgeleitete Substanz, derzeit in den klinischen Einsatz. Trotz dieser Fortschritte in der medikamentösen Therapie sind die Folgen der chronischen Hepatitis-C-Virusinfektionen für etwa 20 Prozent aller Lebertransplantationen verantwortlich.
14.5.6 Human- und tierpathogene Flaviviren Das West-Nile-Virus Ein Virus mit zoonotischem Potenzial ist das West-NileVirus, das ursprünglich nur in der Alten Welt (asiatische und afrikanische Länder, Rumänien) weit verbreitet war. Seit 1999 ist es auch auf dem amerikanischen Kontinent aufgetreten und hat sich in den Folgejahren auf dem ganzen nordamerikanischen Kontinent ausgebreitet. Das West-Nile-Virus reiht sich in den Japanese-Encephalitis-Complex ein, zu dem die Japanese-Encephalitis-, St. Louis-Encephalitis-, Murray-Valley- und Kunjin-Viren gehören. Letztere sind auf dem australischen Kontinent verbreitet.
Epidemiologie und Übertragung Das West-Nile-Virus wird von ornithophilen Mückenarten, insbesondere von Culex univittatus und C. pipiens, zwischen Vögeln übertragen. Vermutlich weisen verschiedene Vogelarten erhebliche Unterschiede in der Empfänglichkeit für Infektionen mit dem West-NileVirus auf: Rabenvögel scheinen besonders empfänglich zu sein. Es wurde gezeigt, dass der Erreger zumindest unter Laborbedingungen auch unter den Mücken direkt weitergegeben werden kann, wenn zwei Mücken (eine infizierte und eine nicht infizierte) gleichzeitig Blut desselben Vogels saugen. Daneben kann das Virus aber auch über Aerosole unter den Vögeln weitergeben werden. Das Virus vermehrt sich in den für die Infektion empfänglichen Vögeln und liegt im Blut in Konzentrationen vor, die eine Übertragung durch Mücken erlauben. Durch sie wird das Virus gelegentlich auch auf andere Wirte, wie Pferde und auch Menschen übertragen. Ob die Vögel eine persistierende Infektion etablieren kön-
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nen, ist unbekannt. Die intra- und interkontinentale Verbreitung des Virus erfolgt durch infizierte Zugvögel. Mit dem West-Nile-Virus infizierte Menschen können den Erreger über Blut- und Organspenden sowie über die Muttermilch übertragen.
Klinik Mensch Nach einer Inkubationszeit von drei Tagen bis zwei Wochen entwickeln die Patienten grippeähnliche Symptome mit Fieber, Kopf-, Rücken-, Gelenk-, und Muskelschmerzen. Übelkeit, Durchfall und generelle Lymphknotenschwellungen werden in einigen Fällen zusätzlich beobachtet, vor allem bei Kindern findet man auch Anzeichen eines Hautausschlags. Bei schweren Verläufen, die man gehäuft bei älteren Patienten findet, schließen sich an diese Erkrankungsphase Leber- und Herzmuskelentzündungen sowie Encephalitiden an. Etwa fünf bis zehn Prozent der Patienten mit neurologischen Symptomen versterben. Tiere Die Infektion der Vögel verläuft systemisch und resultiert auch in einer Encephalomyelitis, extraneuronale Läsionen sind sehr häufig. So findet man Myocarditiden, Muskeldegenerationen, und lymphozytäre Infiltrationen in verschiedensten Organen, wie Pankreas, Lunge und Leber. Eine Atrophie der Bursa fabricii ist ebenfalls häufig. Daneben sind klinisch inapparente Infektionen typisch. Unter den Vögeln gibt es große Unterschiede in der Empfänglichkeit. Raben- und Greifvögel gelten als hochempfänglich und weisen häufig schwere Krankheitsbilder auf; Monitoringprogramme sollten also vor allem diese Vögel einschließen. Obwohl in den USA eine große Zahl von Pferden infiziert ist, ist die klinisch inapparente Infektion auch in dieser Spezies die Regel. Infektionsversuche mit WestNile-Virus-infizierten Moskitos führten nur bei etwa zehn Prozent der exponierten und infizierten Pferde zu klinischen Symptomen. Beim Pferd findet man infolge einer Poliomeningoencephalitis im Unterschied zu den Infektionen bei Vögeln fast ausschließlich neurologische Symptome, andere Manifestationen werden praktisch nicht beobachtet.
Pathogenese Bei der Infektion des Menchen gelangt das West-NileVirus durch den Mückenstich in die Blutbahn und bindet sich an Integrine (Integrin αvβ3) auf der Oberfläche von Monocyten, Makrophagen und Endothelzellen und breitet sich so im Organismus aus; daneben ist auch die Wechselwirkung mit den Proteinen ICAM-3 und DCSIGN beschrieben. Zu den Details der Pathogenese gibt
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¡ Der Rezeptor CCR5: Freund oder Feind bei Virusinfektionen? Der Chemokinrezeptor CCR5 sorgte vor einigen Jahren für großes Aufsehen: Man identifizierte ihn als einen Corezeptor, an den sich das Humane Immundefizienzvirus an die Oberfläche von Monocyten und Makrophagen bindet und die Infektion einleitet (䉴 Kapitel 18.1). Die Wichtigkeit wurde zusätzlich durch den Befund unterstrichen, dass Personen mit genetischen Defekten des CCR5-Gens nicht mit dem Humanen Immundefizienzvirus infiziert werden und
es nur wenige Daten. Ähnlich wie bei den FSME- gilt auch bei den West-Nile-Viren, dass Patienten mit genetischen Defekten des Chemokinrezeptors CCR5 ein erhöhtes Risiko haben, neurologische Symptome und somit schwere Erkrankungen infolge der Infektion zu entwickeln. Möglicherweise sind dieser Rezeptor und seine Wechselwirkung mit den Liganden für die Regulierung der Einwanderung von Makrophagen und T-Lymphocyten in das infizierte Gewebe verantwortlich.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose erfolgt über RT-PCR, durch Züchtung des Erregers im Hühnerei oder in der Zellkultur mit anschließender Virusisolierung. Das Virus agglutiniert Gänseerythrocyten und kann daher im Hämagglutinations- und Hämagglutinationshemmtest nachgewiesen werden. IgM- und IgG-Antikörper gegen die viralen Strukturproteine kann man im ELISA nachweisen.
Bekämpfung und Prophylaxe Eine Immunprophylaxe ist bisher noch nicht verfügbar. In den Großstädten werden Wasseransammlungen zur Reduktion der Mückenzahlen mit Pestiziden behandelt. Der Wert dieser Maßnahme ist allerdings sehr umstritten. Aufgrund der Todesfälle werden in den USA Blutspenden auf das Vorhandensein des West-Nile-Virus untersucht.
14.5.7 Tierpathogene Flaviviren Die tierpathogenen Flaviviren lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Die Vertreter der einen Gruppe werden von Arthropoden übertragen (West-Nile-Virus, Lou-
weitgehend resistent sind. Diese Daten bilden die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapeutika (Maravivoc), welche die Interaktion zwischen dem Humanen Immundefizienzvirus und dem CCR5-Protein auf der Zelloberfläche blockieren und die Infektion damit verhindern sollen. Der Einsatz dieser Hemmstoffe könnte jedoch die Empfänglichkeit für die Entwicklung schwerer Infektionen mit dem West-Nile- und dem FSME-Virus drastisch erhöhen.
ping-Ill-Virus und FSME-Virus), die Infektionen durch Viren der zweiten Gruppe erfolgen unabhängig von Arthropoden (Pestiviren). Wirtschaftlich bedeutend als Tierpathogene sind die Pestiviren, vor allem das Virus der klassischen Schweinepest und das Virus der bovinen Virusdiarrhoe. Das West-Nile-Virus kann fatale Infektionen beim Menschen verursachen (䉴 Abschnitt 14.5.6). Das FSME-Virus kann in sehr seltenen Fällen auch Tierarten wie Hunde oder Wiederkäuer infizieren und in diesen Krankheitsbilder verursachen, die denjenigen der menschlichen Infektion gleichen (䉴 Abschnitt 14.5.5). Die Verbreitung des Louping-Ill-Virus ist auf Großbritannien beschränkt. Es ähnelt dem FSME-Virus und wird wie dieses durch Zecken übertragen. Es verursacht bei Schafen eine Encephalitis. Menschen können – wenn auch außerordentlich selten – mit diesem Virus infiziert werden und erkranken. Aufgrund der geringen Bedeutung dieser Viren wird hier auf eine weitergehende Beschreibung verzichtet.
Das Virus der klassischen Schweinepest (Classical-Swine-Fever-Virus) Im Genus Pestivirus findet man eine Reihe tierpathogener Flaviviren, die wirtschaftlich bedeutsame Infektionskrankheiten beim Schwein und bei Wiederkäuern hervorrufen. Hierzu zählt in erster Linie das Classical-Swine-FeverVirus (CSFV), dessen Infektionen bei Schweinen die klassische („europäische“) Schweinepest verursachen. Diese ist von einer ähnlichen Erkrankung, der afrikanischen Schweinepest, klinisch nicht zu unterscheiden. Letztere wird durch das African-Swine-Fever-Virus, ein DNA-Virus aus der neuen Familie der Asfarviridae, hervorgerufen (䉴 Abschnitt 19.7).
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q Das West-Nile-Virus als „Neues Virus“ auf dem amerikanischen Kontinent Im Jahr 1999 hat das West-Nile-Virus in New York eine Reihe von tödlichen Encephalitiden beim Menschen verursacht. Dies erregte damals insbesondere auch deswegen großes Aufsehen, weil das Virus als klassischer Erreger der Alten Welt auf dem amerikanischen Kontinent und im Stadtbereich von New York zuvor völlig unbekannt war. Das WestNile-Virus infiziert gewöhnlich Vögel (Singvögel, Krähen), die das Reservoir für die Erreger darstellen. Sie können es offensichtlich über weite Strecken transportieren. Durch Stiche von Mückenarten der Gattung Culex kann es auf Pferde und Menschen übertragen werden. Das Virus breitete sich in nur einem Jahr über den gesamten Osten der Vereinigten Staaten aus. In den Jahren nach 1999 wurden von Erkrankungen und Todesfällen durch Infektionen mit dem West-Nile-Virus vor allem in den Oststaaten der USA berichtet. Bereits im Jahr 2002 hatte sich der Erreger in über 39 Staaten verbreitet und es wurden 4156 Infektionen bei Menschen dokumentiert, von denen 248 verstarben. Die Todesfälle betrafen vor allem Personen höheren Alters (das Durchschnittsalter der Verstorbenen beträgt 79 Jahre). Des Weiteren sind in diesem Zeitraum über 3 400 bestätigte Fälle der Infektion bei Pferden erfasst worden, die ein ähnliches Krankheitsbild entwickeln wie der Mensch.
Epidemiologie und Übertragung Das Bild der klassischen Schweinepest ist durch schwere allgemeine sowie hämorrhagische Erkrankungssymptome gekennzeichnet. Neben dieser schweren Verlaufsform treten sehr häufig – heutzutage beinahe ausschließlich – klinisch atypisch verlaufende Infektionen auf, die nur wenig eindeutige und zum Teil milde Symptome zeigen. Dies erschwert die schnelle klinische Verdachtsdiagnose und kann angesichts der hohen Kontagiosität des Virus zur schnellen Ausbreitung der Seuche beitragen. Die Übertragung erfolgt vor allem durch direkten Tierkontakt, insbesondere durch Zukauf von Schweinen in Mastbetriebe, die eine subklinische persistierende Infektion aufweisen oder nur abgeschwächte Symptome zeigen. Mit Erregern kontaminiertes Tierfutter ist ein weiterer häufiger Weg zur Einschleppung der Viren. Meist erfolgt dies durch Küchenabfälle, die das Fleisch infizierter Tiere enthalten. Deshalb ist das Verfüttern von Küchenabfällen an Schweine strikt verboten. In jüngster Zeit sind Schweinepestausbrüche aufgetreten, bei welchen die Viren durch Wildschweine übertragen wurden. Auch hier spielte der direkte Kontakt (Weidemit Wildschweinen) oder das Verfüttern von Wild-
Den Höhepunkt erreichte die Infektionswelle 2003, als in allen Staaten der USA bei fast 10 000 Patienten eine WestNile-Virusinfektion diagnostiziert wurde. Seitdem werden flächendeckend verendete Vögel, insbesondere die hoch empfänglichen Krähen, darauf untersucht, ob sie mit den West-Nile-Viren infiziert sind. In den Folgejahren sanken die Werte auf 3 000 bis 4 000 Infizierte jährlich. Zur Risikominimierung wird eine sehr intensive und kostspielige Überwachung betrieben, die fünf Ebenen einschließt: Mücken, Sentinel-Hühnerherden, erkrankte Vögel, erkrankte andere Tiere und Menschen. Aufgrund der Infektionswelle und des Risikos der Übertragung der Infektion durch kontaminierte Blutspenden werden ab dem Jahr 2003 alle Blutspenden in den USA auf das Vorhandensein des West-Nile-Virus mittels Polymerasekettenreaktion getestet; zusammen mit dem Rückgang der Zahl an Neuinfektionen sanken auch die Nachweiszahlen des West-Nile-Virus in Blutspenden von 818 im Jahr 2003 auf unter 200 im Jahr 2008 ab. In europäischen Blutspendern ist das West-Nile-Virus wesentlich seltener nachweisbar; in Deutschland fan man es mit einer Antikörperprävalenz von nur 0,03 Prozent ohne Nachweis viraler RNA in Blutspenden.
schweinfleisch (schweinehaltende Jäger und Wilderer) die entscheidende Rolle. Epidemiologisch von besonderer Bedeutung sind Ferkel, die nach intrauteriner Übertragung ausgehend von infizierten Mutterschweinen persistierende Infektionen entwickeln und die Erreger im Blut haben. Diese Tiere scheiden die Viren permanent aus (Dauerausscheider) und können dabei über mehrere Monate asymptomatisch bleiben. Sie entwickeln aber schließlich klinische Symptome und werden nicht älter als 16 Monate.
Klinik Die klassische Schweinepest ist durch ein perakutes bis akutes Krankheitsbild gekennzeichnet, welches von respiratorischen oder gastrointestinalen Störungen begleitet werden kann. Auch zentralnervöse Symptome wie Zittern, Lähmungen und Krämpfe sind beschrieben worden. In der Herde kann die Morbidität bis zu 100 Prozent betragen. Die atypischen oder chronischen Infektionen verlaufen weniger dramatisch und können daher leicht übersehen werden. Bei tragenden Sauen kann es zu Aborten oder zum Absetzen mumifizierter oder lebensschwacher Ferkel kommen.
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q Bekämpfung der Schweinepest in der EU Die Länder der Europäischen Gemeinschaft bekämpfen wirtschaftlich bedeutsame Tierseuchen gemeinsam und erlassen für alle Mitgliedsländer bindende Vorschriften. Dazu gehören auch die Maßnahmen zur Tilgung der klassischen Schweinepest. Eine Infektion kann auf Herdenebene einfach und schnell durch Antikörpernachweis bestätigt werden. Eine Impfung ist nicht gestattet, da sie eine einfache serologische Erkennung infizierter Schweineherden unmöglich machen würde. Aufgrund der hohen Kontagiosität der Viren werden daher bei einem Ausbruch der klassischen Schweinepest alle Tiere eines betroffenen Bestandes getötet, die Kadaver unschädlich beseitigt sowie in umfassenden epidemiologischen Erhebungen mögliche Tierbewegungen aus diesem Bestand verfolgt und ansteckungsverdächtige Tiere unter amtstierärztliche Beob-
Pathogenese Infektionen mit dem Erreger der klassischen Schweinepest erfolgen meist durch orale Übertragung. Die Viren replizieren zuerst in den Tonsillen und gelangen von dort im Rahmen einer Virämie in nahezu alle Endothelzellen und lymphatische Organe einschließlich des Knochenmarks. Die Virusreplikation ist mit erheblichen Zellzerstörungen verbunden, die sich in multiplen Blutungen, einer massiven Lymphopenie und Thrombocytopenie sowie einer Verbrauchskoagulopathie äußert. Charakteristisch sind multiple Milzinfarkte und eine massive Atrophie der lymphatischen Organe, die mit zunehmender Krankheitsdauer fortschreitet. Häufig entsteht auch eine Encephalitis. Wichtig ist, dass die Viren intrauterin übertragen werden können. Je nach Trächtigkeitsstadium zum Zeitpunkt der Infektion kommt es zum Umrauschen, zum Abort oder zur Geburt missgebildeter Ferkel. Lebend geborene Ferkel infizierter Sauen etablieren, ähnlich wie Kälber bei der BVDV-Infektion der Rinder, eine persistierende Virämie. Sie scheiden die Erreger kontinuierlich aus und spielen epidemiologisch eine große Rolle.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose der klassischen Schweinepest wird nach Anzeige durch das Veterinäramt eingeleitet. Sie ist durch den Nachweis von Antikörpern im ELISA oder Neutralisationstest möglich. Wichtig ist dabei die Unterscheidung von Antikörpern gegen das Virus der bovinen
achtung und Quarantäne gestellt. Dieser teure Weg der Sanierung ist außerordentlich effektiv und letztendlich kostengünstiger als eine Impfung, die nur kurzfristig einzelne Schweine eines Betriebes rettet, aber eine Beschränkung des Handels mit Schweinen innerhalb und außerhalb der Europäischen Gemeinschaft nach sich ziehen würde. Ein eingeschränkter Handel hätte enorme wirtschaftliche Einbußen zur Folge. Die Tötung großer Tierzahlen, insbesondere die Tötung von nichtinfizierten Tieren ist jedoch auch unter ethischen Aspekten zu diskutieren. Hier wird auf EUEbene über eine Reversion der Nicht-Impfpolitik nachgedacht, wodurch die Impfung nichtinfizierter Bestände im Seuchenfall erlaubt wäre. Problematisch ist dabei allerdings zurzeit die Vermarktung des Fleisches geimpfter Tiere, das international nicht abgenommen wird.
Virusdiarrhoe (BVDV), das ebenfalls Schweine infizieren kann, in diesen aber keine Krankheit induziert und nicht tierseuchenrechtlich gemaßregelt wird. Die Differenzierung erfordert die parallele Titration der Seren in Tests, die Proteine des BVD- beziehungsweise des Classical-Swine-Fever-Virus als Antigene enthalten. Wichtiger ist jedoch der direkte Virusnachweis, der durch Isolierung der Erreger in permanenten Schweinenierenzellkulturen und ihre Charakterisierung, serologisch durch monoklonale Antikörper in Immunfluoreszenztests – gegebenenfalls in der Durchflusscytometrie – oder genetisch mittels Polymerasekettenreaktion, erfolgen kann.
Bekämpfung und Prophylaxe Bei Auftreten der klassischen Schweinepest werden alle Schweine eines Betriebs gekeult und umfangreiche epidemiologische Untersuchungen durchgeführt, um die Verbreitung des Virus zu bestimmen. In jüngster Zeit sind gentechnologisch produzierte Vakzinen gegen die Schweinepest entwickelt worden. Sie enthalten das Glycoprotein E2, welches mittels rekombinanter Baculoviren produziert wird. Diese Markervakzinen induzieren eine Immunreaktion ausschließlich gegen das E2-Protein, die eine Unterscheidung der geimpften von den mit dem Wildtypvirus infizierten Schweinen ermöglicht. Für eine Notimpfung sind sie jedoch wenig geeignet, da ein belastbarer Schutz erst nach einigen Tagen nach Impfung ausgebildet ist. Interessanterweise ist seit längerem eine außerordentlich wirksame Lebendvakzine verfügbar, die auch in
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Deutschland viele Jahre lang eingesetzt wurde. Sie beruht auf einem Virus, das in zahlreichen Passagen in Kaninchen attenuiert wurde (C-Stamm, „lapinisiertes Virus“). Dieses Virus wird heute nur noch zur oralen Immunisierung von Wildschweinen eingesetzt und dafür im Wald ausgelegt. Für eine Impfung in den gut kontrollierbaren Schweinebeständen kommt es aber nicht mehr in Frage, da der Handel von Fleisch geimpfter Tiere mit Auflagen verbunden ist, und dies ökonomisch (zurzeit) nicht interessant ist.
Das Virus der bovinen Virusdiarrhoe (BVDV) Epidemiologie und Übertragung Das Virus der bovinen Virusdiarrhoe (BVDV) ist ein wirtschaftlich bedeutender tierpathogener Infektionserreger. Seit Jahren wird die Diskussion geführt, ob es korrekter ist, von zwei eigenständigen Pestiviren zu sprechen, nämlich von BVDV-1 und BVDV-2, oder sie als Genotypen einer Virusspezies zu verstehen. Sie verursachen zwar das gleiche Krankheitsbild, lassen sich aber durch ihre Genomsequenzen und die in den Rindern gebildete Antikörperantwort unterscheiden. Das Virus wird über den Kot und über Schleimhautsekrete ausgeschieden und oral aufgenommen.
Klinik Beim adulten Tier verursacht BVDV eine subklinische Infektion oder leichte, selbstlimitierende Durchfallerkrankungen. Selten werden perakute hämorrhagische Syndrome beobachtet. Ob hierfür bestimmte Stämme oder Biotypen des BVDV verantwortlich sind, wird diskutiert. Nach der Infektion bildet das Tier eine lebenslange Immunität aus. Den eigentlichen wirtschaftlichen Schaden verursacht das Virus, wenn empfängliche, das heißt immunologisch nicht geschützte, tragende Kühe infiziert werden. Je nach Zeitpunkt der Infektion kommt es zu Aborten, Missbildungen oder zur Geburt persistierend infizierter, virämischer Kälber. Diese können die für die betroffenen Tiere tödliche Erkrankung der Mucosal Disease entwickeln. Die Mucosal Disease ist eine generalisierte Erkrankung der chronisch infizierten Rinder. Dabei vermehrt sich das Virus lytisch in den Zellen aller Schleimhäute und Endothelien. Es kommt zu dem schweren Krankheitsbild eines hämorrhagischen Fiebers, das ausnahmslos tödlich endet. Es finden sich Blutungen in allen Schleimhäuten und das Virus ist in nahezu jedem Organ nachweisbar.
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Pathogenese Die Viruspersistenz beruht auf einer BVDV-typspezifischen zentralen Immuntoleranz, die sich im Verlauf der Infektion im Embryo gegen einen nicht cytopathogenen Biotyp etabliert. Das Kalb ist vollkommen immunkompetent gegen andere Virusinfektionen, sogar gegen BVDV-Infektionen mit einem serologisch unterscheidbaren Virustyp. Während der BVDV-Persistenz kommt es zu Veränderungen im Virusgenom, die ein Virus mit einem neuen Biotyp entstehen lassen. Dieses cytopathogene (cp-)Virus verursacht dann das letale Krankheitsbild der Mucosal Disease. Die molekularen Grundlagen für die Entstehung des cp-Virus liegen in genetischen Veränderungen, die zur unterschiedlichen Prozessierung des Nichtstrukturproteins NS3 führen. Während dieses beim nicht cytopathogenen BVDV als NS2-NS3-Fusionsprotein vorliegt, findet man bei den korrespondierenden cp-Viren NS3Proteine ohne NS2-Fusionsanteil. Die veränderte Prozessierung erfolgt, wenn zelluläre Genomsequenzen im Bereich der für das NS2-Protein codierenden Abschnitte in das Virusgenom integriert werden. Dieser Vorgang verändert das Muster der proteolytischen Spaltvorgänge im Vorläuferprotein. Man konnte zeigen, dass eine Reihe von zellulären Genen durch homologe RNA-Rekombination in das Virusgenom integriert wurden (䉴 Abbildung 14.16). Neben der Integration von zellulären Gensequenzen, beispielsweise von ubiquitincodierenden Abschnitten sind auch Rearrangements oder Deletionen viraler Genomabschnitte beschrieben worden. Alle diese Vorgänge führen dazu, dass durch die zelluläre Ubiquitinhydrolase beziehungsweise die virale Protease NPro freie NS3-Proteine als Spaltprodukte aus dem Vorläuferprotein gebildet werden (䉴 Abbildung 14.16). Die Mechanismen der damit verbundenen Virulenz sind jedoch unklar, insbesondere auch deshalb, weil das ClassicalSwine-Fever-Virus und ein weiteres Pestivirus, nämlich das Border-Disease-Virus der Schafe, im Infektionsverlauf freie NS3-Proteine produzieren, ohne jedoch die Ausbildung schwerer Symptome zu induzieren, wie sie bei der Mucosal Disease entstehen.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose der BVDV-Infektion erfolgt in der Regel durch Isolierung des Virus in der Zellkultur, durch Polymerasekettenreaktion oder durch Nachweis von BVDV-Antigen in peripheren Blutlymphocyten mittels Immunfluoreszenz (Durchflusscytometrie) oder ELISATests. Maternale Antikörper können diese Testverfahren stören, sodass ihr Einsatz erst etwa ab dem 6. Lebensmonat verlässliche Ergebnisse bringt. Deswegen ist
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N
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NS3
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Spaltung
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Ubiquitinhydrolase
pro
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a
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NS4 b
a
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NS5 b
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Osloss, cytopathogen
CP1, cytopathogen
CP9 (defekt), cytopathogen in Kombination mit BVDV (SD-1)
Pe515CP, cytopathogen
BVDV (SD-1), nicht cytopathogen
14.16 Rekombinationsereignisse im Genom des Virus der bovinen Virusdiarrhoe (BVDV). In den nicht cytopathogenen Stämmen (BVDV SD-1) findet keine Spaltung zwischen den Proteinen NS2 und NS3 statt, beide bleiben miteinander verbunden und wirken als Protease zur Spaltung des Nichtstrukturproteinanteils des Vorläuferproteins. Bei cytopathogenen Stämmen findet man verschiedene Rekombinationen mit zellulären Nucleinsäuresequenzen. Hier werden in die Virus-RNA-Genome Ubiquitinsequenzen (U) vor die NS3-Abschnitte integriert (Stämme CP1 und Osloss). Die Spaltung und Freisetzung der NS3-Proteine erfolgt dabei mittels der zellulären Ubiquitinhydrolase. Alternativ findet man bei den cytopathogenen Stämmen Rekombinationsvorgänge, welche die Npro-Sequenzen aminoterminal zu den NS3-Abschnitten umlagern. Die proteolytische Aktivität von Npro führt dann zur autokatalytischen Spaltung und zur Bildung eines NS3-Proteins zusätzlich zum NS2-NS3-Fusionsprodukt (Stamm Pe515CP). Desweiteren existieren defekte Virusgenome, denen der Strukturprotein- und der NS2-NS3-Anteil fehlt, die aber ähnlich wie Pe515CP die Sequenzen der Npro den NS3-Abschnitten vorgelagert haben (Stamm CP9). Diese defekten Viren wirken pathogen, wenn sie in den Tieren in Kombination mit nichtcytopathogenen, infektiösen Stämmen (SD-1) auftreten.
N
N
E1 E1
E1
Stamm
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Npro C E Erns
N
pro
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heute der Nachweis des Virusproteins Erns im Serum üblich. Es wird von der virusinfizierten Zelle sezerniert. Maternale Antikörper gegen das Erns sind kaum in den Kälbern vorhanden, sodass mittels des Erns-Nachweises in ELISA-Tests die Infektion schon ab dem 20. Lebenstag möglich ist. Die Infektion hinterlässt eine lang andauernde, wahrscheinlich lebenslange Immunität.
Bekämpfung und Prophylaxe Ziel ist, die Geburt von Kälbern mit persistierender Virämie zu vermeiden. Dies ist grundsätzlich durch zwei Maßnahmen möglich: Alle weiblichen Nachzuchttiere werden vor der Geschlechtsreife geimpft. Dies verhindert, dass die Tiere während der Trächtigkeit für eine Virusinfektion empfänglich sind und es zu einer transplacentaren Übertragung des Virus und letztlich zum Heranwachsen neuer Kälber mit persistierenden Infektionen kommt. Die andere Maßnahme ist die frühe Identifizierung von Tieren mit persistierender Virämie und ihre Eliminierung aus der Herde. Dies ist nur durch den individellen Virusnachweis möglich. Die serologische Untersuchung repräsentativer Proben von Jungtieren eines zu untersuchenden Bestandes („Jungtierfenster“) gibt jedoch gute Anhaltspunkte auf das Vorhandensein von persistierenden Virusträgern. Aufgrund der bundesweiten Bekämpfung ist die Zahl der persistierenden infizierten Rinder rückläufig. Man geht davon aus, dass heute weit weniger als ein Prozent aller Rinder eine persistierende BVDV-Infektion aufweist. Eine Reihe von Impfstoffen ist verfügbar. Sie enthalten entweder attenuierte, vermehrungsfähige oder inaktivierte Viren. Letztere sind in der Regel nicht in der Lage, die intrauterine Übertragung des Virus zu verhindern. Die Lebendimpfstoffe basieren jedoch auf einem cytopathogenen BVDV-Stamm, der nach Impfung eines Tieres mit persistierender Infektion sofort oder nach Rekombination mit dem Impfstamm die Mucosal Disease auslöst; diese Impfstoffe sind daher problembehaftet. Außerdem kann durch Impfung eines tragenden Muttertieres mit dem Lebendvirusimpfstoff ein Kalb mit persistierender Virämie erzeugt werden. Die Entwicklung potenter inaktivierter Vakzinen, die verlässlich eine intrauterine Übertragung verhindern und gegen die bekannten Genotypen des BVDV schützen, ist daher wünschenswert.
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14.5.7 Weiterführende Literatur Appel, N.; Zayas, M.; Miller, S.; Krijnse-Locker, J.; Schaller, T.; Friebe, P.; Kallis, S.; Engel, U.; Bartenschlager, R. Essential role of domain III of nonstructural protein 5A for hepatitis C virus infectious particle assembly. In: PLoS Pathog. 28 (2008) e1000035. Bartenschlager, R.; Miller, S. Molecular aspects of Dengue virus replication. In: Future Microbiol. 3 (2008) S. 155–165. Bartenschlager, R.; Ahlborn-Laake, L.; Yasargil, K.; Mous, J.; Jacobson, H. Substrate determinants for cleavage in cis and trans by hepatitis C virus NS3 proteinase. In: J. Virol. 69 (1995) S. 98–205. Bartenschlager, R.; Lohmann, V. Replication of hepatitis-C-virus. In: J. Gen. Virol. 81 (2000) S. 1631–1648. Bauhofer, O.; Summerfield, A.; Sakoda, Y.; Tratschin, J. D.; Hofmann, M. A.; Ruggli, N. Classical swine fever virus Npro interacts with interferon regulatory factor 3 and induces its proteasomal degradation. In: J. Virol. 81(2007) S. 3087–3096. Becher, P.; Orlich, M.; Thiel, H.-J. RNA recombination between persisting pestivirus and a vaccine strain: generation of cytopathogenic virus and induction of lethal disease. In: J. Virol. 75 (2001) S. 6256–6264. Berman, K.; Kwo, P. Y. Boceprevir, an NS3 protease inhibitor of HCV. In: Clin. Liver Dis. 13 (2009) S. 429–39. Chen, Z.; Rijnbrand, R.; Jangra, R. K.; Devaraj, S. G.; Qu, L.; Ma, Y.; Lemon, S. M.; Li, K. Ubiquitination and proteasomal degradation of interferon regulatory factor-3 induced by Npro from a cytopathic bovine viral diarrhea virus. In: Virology 366 (2007) S. 277–292. Chen, S. T.; Lin, Y. L.; Huang, M. T.; Wu, M. F.; Cheng, S. C.; Lei, H. Y.; Lee, C. K.; Chiou, T. W.; Wong, C. H.; Hsieh, S. L. CLEC5A is critical for dengue-virus-induced lethal disease. In: Nature 453 (2008) S. 672–676. Chu, J. J.; Ng, M. L. Interaction of West Nile virus with alpha v beta 3 integrin mediates virus entry into cells. In: J. Biol. Chem. 279 (2004) S. 54533–54541. Esteban, J. I.; Sauleda, S.; Quer, J. The changing epidemiology of hepatitis C virus infection in Europe. In: J. Hepatol. 48 (2008) S.148–162. Glass, W. G.; Lim, J. K.; Cholera, R.; Pletnev, A. G.; Gao, J. L.; Murphy, P. M. Chemokine receptor CCR5 promotes leukocyte trafficking to the brain and survival in West Nile virus infection. In: J. Exp. Med. 202 (2005) S. 1087–1098. Glass, W. G.; McDermott, D. H.; Lim, J. K.; Lekhong, S.; Yu, S. F.; Frank, W. A.; Pape, J.; Cheshier, R. C.; Murphy, P. M. CCR5 deficiency increases risk of symptomatic West Nile virus infection. In: J. Exp. Med. 203 (2006) S. 35–40. Gould, E. A.; Solomon, T. Pathogenic flaviviruses. In: Lancet 371 (2008) S. 500–509. Chung, K. M.; Liszewski, M. K.; Nybakken, G.; Davis, A. E.; Townsend, R. R.; Fremont, D. H.; Atkinson, J. P.; Diamond, M. S. West Nile virus nonstructural protein NS1 inhibits complement activation by binding the regulatory protein factor H. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 103 (2006) S. 19111–19116. Guzman, M. G.; Kouri, G. Dengue: An update. In: Lancet Infect. Dis. 2 (2002) S. 33–42.
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
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14.6 Togaviren
14.6 Togaviren
225
sie membranumhüllte Viren sind und während der Vermehrung Polyproteine synthetisieren. Die Togaviren haben jedoch mit der Produktion einer subgenomischen RNA für die Translation der Strukturproteine die Möglichkeit entwickelt, die Menge der verschiedenen Proteine an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen und ähneln darin den Astro-, Calici- und Hepeviren. Der Name dieser Virusfamilie leitet sich von dem lateinischen Wort toga (Mantel, Hülle) ab: Auf den ersten elektronenmikroskopischen Aufnahmen war ein Capsid erkennbar, das von einer weiten Membranhülle umgeben war (䉴 Abbildung 14.17).
14.6.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
Ursprünglich hatte man die Togaviren aufgrund ihrer morphologischen Ähnlichkeit mit den Flaviviridae in eine gemeinsame Virusfamilie eingeordnet. Als Einzelheiten über die Replikationsmechanismen bekannt wurden, zeigten sich jedoch deutliche Unterschiede, die zur heutigen Einteilung in zwei getrennte Familien führte. Im Hinblick auf die Evolution können die Flaviviren als Vorstufe für die Togaviren angesehen werden, da auch
Die Familie der Togaviren umfasst zwei Genera (䉴 Tabelle 14.13). Die durch Insekten übertragenen Alphaviren sind in Amerika, Afrika und Asien vor allem als Erreger von Encephalitiden und Arthritiden in Tieren bekannt. Sie werden entsprechend ihrer antigenen Ähnlichkeit in verschiedene Komplexe eingeteilt, sind nicht wirtsspezifisch und werden von unterschiedlichen Stechmücken zwischen Tierarten (Pferden, Nagetieren, verschiedenen Vogelarten wie Fasanen und Kranichen) und Menschen verbreitet und replizieren sich in diesen. Bei Übertragung auf den Menschen verursachen sie
Tabelle 14.13 Charakteristische Vertreter der Togaviren Genus
Mensch
Tier
Alphaviren
Semliki-Forest-Komplex Chikungunya-Virus (CHIKV) O’nyong-nyong-Virus (ONNV)
Semliki-Forest-Komplex Semliki-Forest-Virus (SFV, Nagetiere) Chikungunya-Virus (CHIKV, nichtmenschliche Primaten) Ross-River-Virus (RRV, Beuteltiere) O’nyong-nyong-Virus (ONNV, tierischer Wirt unbekannt) Western-Equine-Encephalitis-Komplex Western-Equine-Encephalitis-Virus (WEEV, Vögel Pferd) Sindbisvirus (SIN, Nagetiere) Eastern-Equine-Encephalitis-Komplex Eastern-Equine-Encephalitis-Virus (EEEV, Vögel, Pferd) Venezuelan-Equine-Encephalitis-Komplex Venezuelan-Equine-Encephalitis-Virus (VEEV, Nagetiere, Pferd) Everglades-Virus (EVEV) –
Ross-River-Virus (RRV)
Rubiviren
Rötelnvirus
Vektor/Überträger Aedes spp. Aedes spp. Culex annulirostris Anopheles funestus, A. gambiae
Culex tarsalis, C. quinuefasciatus
Culex spp.
Culex spp., Aedes spp. Culex spp. Culex spp. –
14
226
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
¡ Semliki-Forest- und Sindbisvirus — zwei gut untersuchte Vertreter der Alphaviren Die Semliki-Forest- und die Sindbisviren sind die hinsichtlich der Molekularbiologie und Replikationsmechanismen am besten untersuchten Vertreter der Togaviren; sie galten deswegen lange als Prototypen dieser Virusfamilie. Die Sindbisviren sind mit den Western-Equine-Encephalitisviren (WEEV) verwandt, die auf dem amerikanischen Kontinent verbreitet sind (䉴 Abschnitt 14.6.6). Beide Virusarten lassen sich leicht in Zellkulturen vermehren und zeigen einen ausgeprägten cytopathischen Effekt. Das Sindbisvirus ist in Afrika, Osteuropa und Asien weit verbreitet, wird von Mücken der Gattung Culex übertragen und verursacht nur
gelegentlich symptomatische Infektionen; so werden seit 2005 während der Sommermonate gelegentlich Infektionen mit dem Chikungunya-Virus auch in Südeuropa (Italien) beschrieben. Die Vertreter des zweiten Genus, der Rubiviren, zu denen der Erreger der Rötelninfektion gehört, sind dagegen weltweit verbreitet. Sie werden nicht durch Insekten übertragen.
14.6.2 Aufbau Viruspartikel Die infektiösen Partikel der Togaviren haben einen Durchmesser von 60 bis 80 nm und bestehen aus ikosaedrischen oder sphärischen Capsiden (Durchmesser
14.17 Aufbau eines Togaviruspartikels. Das ikosaedrische Capsid besteht aus C-Proteinen; mit seinen Innenseiten ist das virale RNA-Genom verbunden. Das Capsid ist von einer Hüllmembran umgeben, in welche die viralen Oberflächenproteine eingelagert sind.
in seltenen Fällen eine fieberhafte Erkrankung mit Hautausschlägen und Gelenkbeschwerden, die hinsichtlich Klinik und Pathogenese der von einigen Flaviviren hervorgerufenen Krankheit ähnlich ist. Neurotrope Isolate wurden bisher nur in Einzelfällen beschrieben. Das Semliki-Forest-Virus ist in Afrika, Indien und Südostasien endemisch und wird durch Aedes spp. übertragen. Für den Menschen ist es weitgehend apathogen. Auch deswegen wird es heute häufig als gentechnologischer Vektor zur Expression von Genen in eukaryotischen Zellkulturen eingesetzt.
40 nm), die von einer Membranhülle umgeben sind. In diese Membran sind die viralen Glycoproteine E1 und E2 eingelagert. Sie liegen als Heterodimere aus E1 und E2 vor, die weiter zu trimeren Proteinkomplexen assoziieren. Pro Virion finden sich etwa 80 dieser Trimere. Sie bilden spike-ähnliche Vorsprünge von sechs bis acht Nanometern auf der Virusoberfläche (䉴 Abbildung 14.17). Die Trimere vermitteln die Adsorption an zelluläre Rezeptoren und sind für die Bindung virusneutralisierender Antikörper verantwortlich. Beim Rötelnvirus findet man zusätzlich auch E1-Homodimere auf dem Partikel. Das Capsid besteht aus 240 Molekülen des dimeren C-Proteins. Es enthält das RNA-Genom und ist durch Aminosäuren an der Innenseite mit ihm komplexiert.
14
14.6 Togaviren
227
Genom und Genomaufbau
Nichtstrukturproteine
Das Genom der Togaviren besteht aus einzelsträngiger RNA, die in Plusstrangorientierung vorliegt, am 5’-Ende gecappt und am 3’-Ende polyadenyliert ist und eine Länge von 9 762 (Rötelnvirus, Stamm Therien), 11 703 (Sindbisvirus), 11 675 (Eastern-Equine-EncephalitisVirus) beziehungsweise 11 442 Basen (Semliki-ForestVirus) besitzt. Das Genom enthält zwei offene Leserahmen: Der in der 5’-orientierten Hälfte codiert für das Vorläuferpolyprotein der vier Nichtstrukturproteine NSP1 bis NSP4 bei den Alphaviren beziehungsweise p150 und p90 bei den Rubiviren; der in der 3’-Hälfte des Genoms gelegene Leserahmen enthält die genetische Information für die Sequenzen der Strukturproteine, also der C-, E1- und E2-Proteine (䉴 Abbildung 14.18). Die beiden Leserahmen sind bei den Sindbis- und Semliki-Forest-Viren durch einige wenige Nucleotide voneinander getrennt, beim Rötelnvirus durch 124 Basen. Am 5’-Ende des Genoms befindet sich ein kurzer, nichttranslatierter Bereich (41 Nucleotide beim Rötelnvirus, 60 bis 80 beim Sindbisvirus), und zwischen dem Stoppcodon des zweiten Leserahmens und dem Poly(A)Anteil am 3’-Ende liegen beim Rötelnvirus 61 Basen (264 beim Semliki-Forest-Virus, 322 beim Sindbisvirus), die in definierte Sekundärstrukturen gefaltet sind.
Alphaviren Die Daten über die Spaltprodukte des Vorläuferpolyproteins für die Nichtstrukturproteine NSP1 bis NSP4 stammen überwiegend aus Untersuchungen von Sindbis- und Semliki-Forest-Viren. Man kann aber davon ausgehen, dass die Nichtstrukturproteine bei den anderen Togavirustypen eine identische Funktion im Infektionszyklus erfüllen. Ihre Aktivitäten spielen eine wichtige Rolle bei der viralen Replikation und Transkription. Das NSP1-Protein ist eine Methyl- und Guanosyltransferase, die an der Bildung der methylierten 5’-CapStrukturen der viralen RNA-Spezies beteiligt ist. Togaviren müssen für diese Enzymfunktion codieren, da sie die entsprechenden zellulären, im Kern lokalisierten Funktionen aufgrund ihres ausschließlich im Cytoplasma ablaufenden Replikationszyklus nicht mitverwenden können. Die Sequenzen des NSP1-Proteins sind innerhalb der verschiedenen Togaviren hoch konserviert. Das Protein ist an den Cysteinresten 418 bis 421 (beim Semliki-Forest-Virus) mit Palmitinsäure modifiziert. Dies bedingt zusammen mit einer amphipatischen α-Helix im zentralen Abschnitt des Proteins die Assoziation mit intrazellulären Membrankompartimenten. Das NSP2-Protein enthält im aminoterminalen Abschnitt eine RNA-Helicase, die bei der Transkription und Genomreplikation notwendig ist. Im carboxyterminalen Bereich befindet sich eine proteolytische Aktivität, die das Vorläuferprotein autokatalytisch zwischen den NSP2- und NSP3-Anteilen spaltet. Als Erkennungssequenz dienen beim Sindbisvirus zwei aufeinander folgende Alaninreste (A-A). Durch die Spaltung entstehen die Produkte NSP1-NSP2 und NSP3-NSP4 (beziehungsweise NSP3 beim Sindbisvirus), das NSP1-NSP2 wird weiter durch die NSP2-Protease in NSP1 und NSP2 zerlegt. Ob die NSP2-Protease auch an der Prozessierung des anderen Vorläuferproteins NSP3-NSP4 dieser Virustypen beteiligt ist, dessen Spaltung an der Aminosäurenfolge Alanin-Tyrosin (A-Y) nur sehr langsam verläuft, konnte bislang nicht geklärt werden. Das NSP3-Protein wird bei der Genomreplikation benötigt. Wie es dabei wirkt, ist jedoch unbekannt. Es hat eine kurze Halbwertszeit und liegt in der Zelle zum Teil in Anbindung an intrazelluläre Membranen und in phosphorylierter Form vor. Das NSP4-Protein ist eine RNA-abhängige RNA-Polymerase. Es ist sowohl bei der Synthese der Negativstrang-RNA als auch bei der Bildung der genomischen und subgenomischen RNA-Spezies aktiv.
14.6.3 Virusproteine Polyprotein der Nichtstrukturproteine Die Vorläuferproteine der bis zu vier Nichtstrukturproteine NSP1 bis NSP4 unterscheiden sich bei den verschiedenen Togavirustypen: So werden beim Sindbisvirus zwei unterschiedliche Vorläufer gebildet; einer umfasst die Proteine NSP1 bis NSP3 und endet an einem Opal-Stoppcodon (UGA), das sich zwischen den Proteinabschnitten NSP3 und NSP4 befindet (䉴 Abbildung 14.18A); dieses Signal für die Beendigung der Translation wird aber in 20 Prozent der Fälle überlesen, und die Translation wird dann bis zum Ende des NSP4Proteins fortgesetzt. Beim Semliki-Forest-Virus findet man ähnlich wie beim Rötelnvirus nur ein Nichtstrukturpolyprotein der vollen Länge (240 kD beim Rötelnvirus; 䉴 Abbildung 14.18B). Ob ähnliche zweistufige Translationsprozesse bei den anderen Togaviren eine Rolle spielen, ist nicht bekannt. 䉴 Tabelle 14.14 gibt einen Überblick über Größe und Funktion der togavirusspezifischen Proteine.
Rubiviren Im Fall des Rötelnvirus entstehen durch die Spaltung des Vorläufers für die Nichtstrukturproteine
14
14
228
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
A Sindbisvirus 5´
5000
OPAL
10000
genomische RNA (49S-RNA) Plusstrang
NSP-Leserahmen (2506 Codons) 80% Translation A-A
Strukturproteinleserahmen (1733 Codons)
NSP-Polyprotein 1 NSP1
NSP2
NSP1
Spaltprodukte
NSP2 Autoprotease
NSP1 (540 AS)
Translation
NSP3 Autoprotease
A-A
NSP3 (549 AS)
20%
NSP2 (807 AS) A-A
NSP-Polyprotein 2 NSP1
NSP2
A-A NSP1 Spaltprodukte
49S-RNA Negativstrang
3´ AAA
Cap
NSP2
NSP3 Autoprotease
NSP1
NSP2
Transkription
A-Y
NSP3
NSP4 ?
Autoprotease 3´
NSP4
NSP3
NSP4 (RNA-abh. RNA-Polymerase) Transkription
5´ 26S-RNA Cap subgenomische RNA
Strukturpolyprotein Transkription
3´ AAA
Strukturproteinleserahmen Translation W-S
C-Prot. Autoprotease
Spaltprodukte
5´
62K
E1 Signalase
transGolgi-Protease C-Prot. E3 E2 6K E1 (264 AS) (64 AS) (423 AS) (55 AS) (439 AS)
5´ genomische Cap RNA (Plusstrang)
AAA
14.18 Genomorganisation und Replikationsverlauf bei Togaviren. A: Sindbisvirus. Die RNA-Genome codieren für eine Version (beim Rötelnvirus) oder zwei Versionen (beim Sindbisvirus) eines Polyproteins für die Nichtstrukturproteine (NSP) sowie für je ein Strukturpolyprotein. Der Vorläufer der Nichtstrukturproteine wird zuerst gebildet und durch die Aktivität der Protease als Teil des Polyproteins autokatalytisch in die Einzelkomponenten gespalten. Dabei entsteht eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, die unter Verwendung des Plusstrang-RNA-Genoms als Matrize eine Negativstrang-RNA bildet. Diese dient ihrerseits als Matrize für die Synthese genomischer RNA-Stränge in Plusstrangorientierung wie auch für die von subgenomischer RNA. Letztere dient als mRNA für die Translation des Polyproteins der Strukturkomponenten, das durch die Aktivität zellulärer Signalasen in die verschiedenen Bestandteile prozessiert wird. M-/G-Transferase: Methyl-/Guanosyl-Transferase; Appr-1: Proteindomäne mit Homologie zum zellulären Protein Appr-1.
nur zwei Spaltprodukte: p150 entspricht den aminoterminalen Bereichen, p90 enthält die carboxyterminalen Regionen. Die dafür verantwortliche proteolytische Aktivität einer Zn2+-abhängigen, papainähnlichen Cysteinprotease befindet sich im carboxyterminalen Abschnitt des p150 und spaltet den Proteinvorläufer zwischen zwei Glycinresten an den Positionen 1 301 und 1 302 des Vorläuferproteins. Der aminoterminale Abschnitt des p150 enthält die Methyl-/Guanosyltrans-
ferase, die für das 5’-Capping der viralen RNAs notwendig ist. Zwischen diesen beiden Enzymdomänen befindet sich eine Aminosäurefolge mit Homologie zum zellulären Protein Appr-1 (ADP-Ribose-1’’-monophosphate processing enzyme). Ob diese Funktion für die Virusinfektion notwendig ist, ist ungeklärt. Das Protein p90 enthält die Aktivitäten der RNA-Helicase und der RNAabhängigen RNA-Polymerase.
14.6 Togaviren
229
B Rötelnvirus 3´ AAA 9762
5000
5´ Cap
genomische RNA Plusstrang 41
6388 6512
NSP-Leserahmen Translation 1301-1302 NSP-Polyprotein 240 kD
9701 Strukturproteinleserahmen
G-G p90
p150
Transkription
NSP-Spaltprodukte Appr-1 Protease M-/GTransferase
RNA-abh. RNA-Polymerase
3´ 49S-RNA Negativstrang
Transkription
5´ Cap
genomische RNA Plusstrang
5´ Transkription 5´ 3´ AAA Cap 26S-RNA subgenomische RNA Strukturproteinleserahmen ? Strukturpolyprotein 110 kD E2 E1 C-Prot. Signalase Signalase Spaltprodukte E1 C-Prot. E2 33 kD gp42/54 gp58/62 3´ AAA
* Spaltstellen und exakte Größen der NSP-Produkte nicht bekannt
14.18 (Fortsetzung) B: Rötelnvirus.
Polyprotein der Strukturproteine Das Strukturpolyprotein ist bei allen Togaviren deutlich kleiner als das der Nichtstrukturproteine. Beim Rötelnvirus hat es ein Molekulargewicht von 110 kD (䉴 Abbildung 14.18B). Es enthält die Sequenzen der Proteine C, E2 und E1. Im Falle der Alphaviren liegen zwischen den jeweiligen Proteinabschnitten verbindende Aminosäurefolgen, die im Verlauf der Prozessierung des Polyproteins und der Virusreifung entfernt werden. Die Synthese der Strukturpolyproteine findet an der Membran des endoplasmatischen Reticulums statt. Zu Signalpeptiden analoge Aminosäuresequenzen hat man bei den Alphaviren direkt nach dem carboxyterminalen Ende des C-Proteins (das heißt am Aminoterminus des p62Proteins, aus dem zu einem späteren Zeitpunkt E2 entsteht) und im 6K-Protein vor dem E1-Anteil gefunden (䉴 Abbildung 14.18A). Beim Rötelnvirus sind sie an den carboxyterminalen Enden der C- und E2-Proteine lokalisiert. Diese Bereiche sind für den Transport des in Translation befindlichen Polyproteins und seine Einlagerung in die Membran des endoplasmatischen Reticulums verantwortlich. Mit der Membran assoziierte Pro-
teasen (Signalasen) schneiden die Vorläuferproteine nach den signalpeptidähnlichen Sequenzen und sorgen so für die Bildung der Einzelkomponenten. Bei den Alphaviren ist zusätzlich eine autokatalytisch wirkende Proteaseaktivität im C-Protein identifiziert worden, die zur Abspaltung des Capsidproteins vom Vorläufer beiträgt; sie ähnelt der einer Serinprotease, die Spaltung erfolgt an der Aminosäurefolge Tryptophan-Serin (W-S). Ähnliche Funktionen hat man auch für das CProtein der Rötelnviren postuliert.
Capsidprotein (C-Protein) Das C-Protein ist abhängig vom jeweiligen Virustyp 260 bis 300 Aminosäuren lang und hat ein Molekulargewicht von etwa 33 kD. Nach der Abspaltung von der wachsenden Polyproteinkette durch seine autoproteolytische Funktion bei den Alphaviren beziehungsweise der signalasevermittelten Prozessierung beim Rötelnvirus dimerisiert das C-Protein und assoziiert mit den viralen RNA-Genomen zu Nucleocapsiden; die RNA-bindende Proteindomäne befindet sich zwischen den Aminosäureresten 28 und 56. Diese Wechselwirkung ist sehr stark,
14
14
230
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Tabelle 14.14 Übersicht über Funktion und Größe der Proteine von Togaviren Protein
Sindbisvirus
Semliki-ForestVirus
Rötelnvirus
Funktion
NSPPolyprotein
2 506 AS
2 431 AS
2116–2 205 AS 240 kD
Vorläufer der Nichtstrukturproteine
NSP1
540 AS
537 AS
Methyl-/Guanosyltransferase; 5’-Capping-Enzym; palmitinoyliert
NSP2
807 AS
798 AS
Protease; Helicase (Nucleotidase)
NSP3
549 AS
482 AS
aktiv bei der Replikation
NSP4
610 AS
614 AS
p150
–
–
1 300/1 301 AS 150 kD
Methyl-/Guanosyltransferase; 5’-Capping-Enzym; Cystein-Protease
RNA-abhängige RNA-Polymerase
p90
–
–
815–905 AS 90 kD
Helicase; RNA-abhängige RNA-Polymerase
Strukturpolyprotein
1733 AS
1739 AS
1 063 AS 110 kD
Vorläufer der Strukturproteine
C
264 AS
267 AS
260–300 AS 33 kD
Capsidprotein; Dimer; Protease
E3
64 AS
64 AS
–
Spaltprodukt; NH2-Ende von E2
E2
423 AS
418 AS
42–54 kD
glycosyliert; palmitinoyliert; Neutralisation bei SIN und SFV; Hämagglutination und Fusion bei Rötelnvirus
6K
55 AS
60 AS
–
Spaltprodukt; Signalsequenz am NH2-Ende von E1; Ionenkanalprotein?
E1
439 AS
438 AS
58–62 kD
glycosyliert; palmitinoyliert; Neutralisation bei Rötelnvirus; Hämagglutination und Fusion bei SIN und SFV
AS: Aminosäuren; SIN: Sindbisvirus; SFV: Semliki-Forest-Virus. Die Proteine sind in der Reihenfolge ihrer Lokalisation in den Vorläuferprodukten angegeben.
denn im Cytoplasma der infizierten Zellen findet man nur sehr wenig freies C-Protein. Die C-Proteine unterliegen nach ihrer Synthese komplexen Phosphorylierungs- und Dephosphorylierungsvorgängen. Der Grad der Modifikation scheint die Wechselwirkung mit den RNA-Genomen zu beeinflussen: Nicht phosphorylierte C-Proteine binden sich wesentlich stärker an die Genome als phosphorylierte Versionen. Die Dephosphorylierung der C-Proteine im späten Stadium des Replikationszyklus – vermutlich katalysiert durch die zelluläre Proteinphosphatase 1A – scheint die Wechselwirkung mit den RNA-Genomen und ihre Verpackung zu fördern. Es wird vermutet, dass durch diesen Dephosphorylierungsschritt die vorzeitige Interaktion der RNAGenome mit den C-Proteinen verhindert werden soll.
Glycoprotein E1 Bei den Alphaviren befindet sich zwischen dem carboxyterminalen Ende des E2-Proteins und dem Beginn der E1-Sequenzen ein kurzer, hydrophober Abschnitt von 55 bis 60 Aminosäuren. Man bezeichnet ihn wegen seiner Größe von etwa 6 kD auch als 6K-Protein. Es enthält signalpeptidähnliche Sequenzen, welche durch die Signalasen erkannt und gespalten werden, und vermittelt während der Translation die Durchschleusung der Aminosäurekette des E1-Proteins durch die Membran des endoplasmatischen Reticulums. In geringen Mengen ist es auch in den infektiösen Partikeln nachweisbar. Man fand, dass das 6K-Protein jedoch auch eigenständige Funktionen hat: Es scheint sich um ein porenbildendes Ionenkanalprotein zu handeln, das die Membranpermeabilität der infizierten Zellen beein-
14.6 Togaviren
flusst. Man zählt es zu der Proteinfamilie der Viroporine, zu denen auch die 7K-Proteine der Hepaci- und Pestiviren gerechnet werden (䉴 Abschnitt 14.5). Das über eine hydrophobe Transmembranregion am carboxyterminalen Ende in der Membran verankerte E1-Protein ist glycosyliert und fettsäuremodifiziert. Bei den Alphaviren scheint mit ihm die Hämagglutinationsund Fusionsaktivität verbunden zu sein. Im Gegensatz zum E2-Protein konnten nur wenige E1-spezifische Antikörper mit virusneutralisierender Funktion gefunden werden. Beim Rötelnvirus sind die neutralisierenden Antikörper dagegen mehrheitlich gegen das E1-Protein gerichtet. Man hat zwei Proteindomänen identifiziert, an die sich die schützenden Antikörper anlagern. Das monomere Protein hat ein Molekulargewicht von 58 bis 62 kD, es ist glycosyliert und mit Palmitinsäure modifiziert. Das E1-Protein des Rötelnvirus ist für die Adsorption des Partikels an zelluläre Rezeptoren verantwortlich. Mutationen in den Genombereichen, die für die hydrophoben Regionen des E1-Proteins codieren, verringern die Infektiosität der Viren.
Glycoprotein E2 Bei den Alphaviren wird das E2-Protein durch Spaltung eines Vorläuferproteins mit einem Molekulargewicht von 62 kD gebildet. Dieses p62-Protein wird durch hydrophobe Sequenzen in seiner carboxyterminalen Domäne in der Membran des endoplasmatischen Reticulums verankert und über den Golgi-Apparat zur Zellmembran transportiert. Dadurch ist das carboxyterminale Ende selbst zum Cytoplasma hin orientiert. Es besitzt Aminosäuren, die spezifisch mit den C-Proteinen der Nucleocapside interagieren. Dadurch wird spät im Infektionszyklus der Assembly-Prozess eingeleitet, in dessen Verlauf die Membran des endoplasmatischen Reticulums die vorgeformten Capside umhüllt. Auf dem Weg zur Zelloberfläche wird das p62 durch Zucker- und Fettsäuregruppen modifiziert und im trans-GolgiBereich durch eine trypsinähnliche Protease in den aminoterminalen Anteil E3 und das E2-Protein gespalten. Während beim Sindbisvirus E3 von der Zelloberfläche abgegeben wird, bleibt es beim Semliki-Forest-Virus mit dem E2-Protein assoziiert und ist in unterschiedlichen Mengen auch im Virion nachweisbar. Bei den Alphaviren ist die überwiegende Mehrheit der neutralisierenden Antikörper gegen das E2-Protein gerichtet, das im Virion als Heterodimer mit E1 vorliegt. Man konnte hier drei wichtige Epitope charakterisieren. Das E2-Protein (gp42–54) des Rötelnvirus ist ebenfalls glycosyliert, fettsäuremodifiziert und über die carboxyterminalen Aminosäuren in der Membran verankert.
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Einen E3-Anteil, wie er bei Alphaviren vom aminoterminalen Bereich abgespalten wird, konnte man hier nicht identifizieren. Das E2-Protein der Rötelnviren hat hämagglutinierende und membranfusionierende Aktivität und liegt überwiegend als Heterodimer mit E1 vor. Hier ist jedoch der Hauptteil der neutralisierenden Antikörper nicht gegen das E2-, sondern gegen das E1-Protein gerichtet.
14.6.4 Replikation Beim Rötelnvirus und bei den meisten der Alphaviren kennt man den zellulären Rezeptor für das Virus noch nicht. Im Falle des Sindbisvirus wurde Laminin und der Laminin-Rezeptor-Präkursor (LRP) auf der Oberfläche von Hühnerfibroblasten als Rezeptor identifiziert, aber auch andere zelluläre Proteine binden die Virionen; beim Rötelnvirus scheinen bestimmte Phospholipide auf der Zelloberfläche an der Bindung der Partikel beteiligt zu sein. Die Aufnahme der Viruspartikel durch die Zellen erfolgt durch rezeptorvermittelte Endocytose. Das Innere der endocytotischen Vesikel (Endosomen) wird in einem energieabhängigen Prozess durch Import von H+-Ionen angesäuert. Dies bewirkt Konformationsänderungen der viralen Membranproteine, wodurch es zur Verschmelzung der Endosomenmembran mit der Virushülle und dadurch zur Freisetzung des Capsids kommt. Wie die enge Wechselwirkung der C-Proteine mit dem RNA-Genom aufgehoben wird, ist unbekannt. Die Polarität der RNA in Plusstrangorientierung erlaubt jedoch über die Cap-Struktur am 5’-Ende die Bindung des zellulären Cap-Binding-Komplex und hierüber die Assoziation mit den ribosomalen Untereinheiten, die mit der Translation der Sequenzfolgen für das Polyprotein der Nichtstrukturproteine beginnen. Dieses Polypeptid wird an Ribosomen im Cytoplasma synthetisiert, über hydrophobe Aminosäurefolgen und die Palmitinoylierung im NSP1-Anteil mit den Membranen des endoplasmatischen Reticulums assoziiert und durch die Cysteinprotease im NSP2 beziehungsweise p150 in die Einzelkomponenten gespalten. Liegt die Aktivität der RNA-abhängigen RNA-Polymerase in der Form des funktionell aktiven NSP4-Proteins vor, wird die Negativstrang-RNA synthetisiert. Beim Sindbisvirus bildet das NSP4-Protein hierbei mit dem ungespaltenen NSPPolyprotein einen Komplex (䉴 Abbildung 14.18A). Die Initiation erfolgt am 3’-Ende im Bereich einer hochkonservierten Basenfolge, die dem Poly(A)-Anteil direkt vorgelagert ist. Zusätzlich scheinen aber auch Basen aus den nichttranslatierten Sequenzen am 5’-Ende des Genoms beteiligt zu sein. Diese sind teilweise zu Berei-
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14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
chen des 3’-Endes komplementär und können mit diesen einen partiellen RNA-Doppelstrang ausbilden und so eine Zirkularisierung des Genoms vermitteln. Zelluläre Proteine beeinflussen die Initiation der RNA-Synthese am 3’-Ende: Man fand, dass phosphorylierte Formen des zellulären Proteins Calreticulin sich an die 3’-Enden des Rötelnvirusgenoms binden. Die Details der Initiation der RNA-Synthese sind unbekannt, klar ist jedoch, dass im weiteren Verlauf ein zum gesamten Genomstrang komplementäres RNA-Produkt entsteht. Der Prozess läuft an den ER-Membranen ab. Von der Negativ-RNA wird neben neuen RNA-Genomen in voller Länge eine subgenomische RNA gebildet, die an der Verbindungsregion zwischen den beiden Leserahmen initiiert wird und diejenigen Sequenzen enthält, die für das Strukturpolyprotein codieren. Verantwortlich hierfür sind die RNA-abhängige RNA-Polymerase des NSP4-Proteins und die weiteren Spaltprodukte der Nichtstrukturproteine. Die subgenomische RNA wird nach ihrem Sedimentationsverhalten auch als 26S-RNA bezeichnet – im Gegensatz zu der 49S-RNA des Genoms (䉴 Abbildung 14.18). Sie wird am 5’-Ende gecappt und methyliert, sodass in den nächsten Schritten die Translation und Synthese der Strukturproteine beginnen kann. In der infizierten Zelle wird weit mehr subgenomische RNA als genomische RNA gebildet. Ähnliche Replikationsschritte, die zur Synthese einer subgenomischen mRNA führen, findet man auch bei den Astro-, Caliciund Hepeviren (䉴 Abschnitte 14.2, 14.3 und 14.4). Liegen ausreichende Mengen dephosphorylierter CProteine vor, so assoziieren diese mit Basenfolgen im 5’-Bereich der neu gebildeten 49S-Plusstränge und bilden die Vorformen der Nucleocapside. Diese ersten Verpackungsschritte verhindern auch, dass die genomische RNA translatiert wird; die Synthese weiterer NSP-Proteine wird so unterbrochen. Durch diesen relativ einfachen Regulationsmechanismus ist gewährleistet, dass in der Spätphase der Infektion überwiegend virale Strukturkomponenten produziert werden, die zu diesem Zeitpunkt für die Bildung der Viruspartikel in wesentlich größeren Mengen benötigt werden als die enzymatisch aktiven Nichtstrukturproteine. Im weiteren Verlauf assoziieren die vorgeformten Nucleocapside mit den carboxyterminalen Bereichen der E2-Proteine und werden mit der Membran und den darin eingelagerten viralen Glycoproteinen umgeben. Diese Budding-Komplexe können sowohl an den Membranen des endoplasmatischen Reticulums und des Golgi-Apparats als auch an der Cytoplasmamembran entstehen. Die umhüllten Virionen werden entweder durch die Golgi-Vesikel zur Zelloberfläche transportiert oder dort direkt freigesetzt. In den Zellen wird im Infektionsverlauf die Apoptose induziert. Dieser Vorgang, der
den Tod der Zellen zur Folge hat, ist vor allem bei Infektionen mit Rötelnviren gefunden worden, deren C-Proteine proapoptotisch wirken.
14.6.5 Humanpathogene Togaviren Das Rötelnvirus Epidemiologie und Übertragung Die in früheren Jahren oft epidemisch aufgetretene Rötelnerkrankung oder Rubella (German measles) ist bereits 1800 genau beschrieben worden. Das Virus übertrug man 1938 erstmals durch Ultrafiltrate auf Menschen und Affen. Bei einer Epidemie im Jahre 1940 in Australien entdeckte der Augenarzt Sir Norman Gregg, dass die Mütter von Kindern mit angeborenem Katarakt, Hörschäden und Herzmissbildungen („Gregg-Syndrom“) während der Schwangerschaft eine Rötelninfektion durchgemacht hatten (䉴 Tabelle 14.15). Das Virus erzeugt also nicht nur die harmlosen Röteln, sondern ruft auch schwerwiegende Embryopathien hervor. 1962 wurde das Virus erstmals in vitro gezüchtet. In Kaninchennieren- (RK-13)- oder Affennierenzelllinien (Verozellen) erzeugt es einen cytopathischen Effekt. Nachdem 1964 in den USA eine große Epidemie abgelaufen war, gelang 1967 die Entwicklung eines attenuierten Lebendimpfstoffes. Seine Anwendung führte dazu, dass die Röteln heute nur noch sehr selten auftreten; in den USA gelten sie seit 2001 als getilgt. Auch in Deutschland treten aufgrund der Impfung akute Röteln nur noch selten auf; man geht von etwa 150 bis 400 Fällen pro Jahr aus. Das Rötelnvirus ist serologisch einheitlich. Hinsichtlich seiner Nucleinsäuresequenzen kann man die weltweit vorkommenden Isolate zwei Stämmen (clades 1 und 2) zuordnen, die wiederum in zehn Genotypen (1a–g, 2a–c) unterteilt werden; Rötelnviren des Stammes 2 isolierte man bisher nur im eurasischen Raum. Das Rötelnvirus kommt nur beim Menschen vor, lässt sich jedoch auf einige Affenspezies übertragen. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion und führt bei flüchtigem Kontakt in etwa zwanzig Prozent der Fälle zur Ansteckung. Überträger sind infizierte Personen in der virämischen Phase, die bereits sechs Tage vor Ausbruch des Exanthems beginnt und ein bis zwei Wochen andauert (䉴 Abbildung 14.19), infizierte Kleinkinder, die mit dem Embryopathiesyndrom geboren wurden, sowie selten Erwachsene mit inapparenten Reinfektionen, die das Virus dennoch übertragen können. Viren finden sich auch in der Tränenflüssigkeit, im Urin, im Cervixsekret, im Stuhl, in der Lunge, im Liquor und in der Synovialflüssigkeit.
14.6 Togaviren
Klinik Postnatale Infektionen Die Röteln sind eine relativ harmlose, wenig fieberhafte Erkrankung. Etwa die Hälfte der Infektionen verlaufen bei Kindern inapparent. Der mit der symptomatischen Erkrankung verbundene, kleinfleckige und nicht konfluierende Hautausschlag (Exanthem) tritt etwa ein bis zwei Wochen nach dem Kontakt mit dem Rötelnvirus auf und bleibt bis zu fünf Tage bestehen (䉴 Abbildung 14.19). Er ist oft uncharakteristisch und deshalb von fleckförmigen Exanthemen anderer Viruskrankheiten nur schlecht zu unterscheiden. Erkältungsähnliche Symptome fehlen, oft sind stark geschwollene Halslymphknoten zu beobachten. Insbesondere bei jungen Frauen gehen die Infektionen zum Teil mit Arthralgien der kleinen Gelenke einher, die meist innerhalb von einigen Wochen abklingen. Selten kommt es zu einer Thrombocytopenie, deren Entstehungsmechanismus ungeklärt ist. Eine Encephalitis tritt mit einer Häufigkeit von 1:6 000 auf. Etwa 20 Prozent der Rötelninfektionen mit dieser postinfektiösen Encephalitis verlaufen tödlich. Pränatale Infektionen Erfolgt die Infektion mit dem Rötelnvirus während des ersten Drittels der Schwangerschaft, können Abort, Totgeburt und Missbildungen des Embryos auftreten, während die werdende Mutter keine
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oder nur leichte Symptome zeigt. In den ersten 16 Schwangerschaftswochen – zur Zeit der Organdifferenzierung – werden besonders viele Embryonen und Feten geschädigt. Mehrfachdefekte treten vor allem nach einer Infektion in den ersten beiden Schwangerschaftsmonaten auf, nach dem dritten Schwangerschaftsmonat geht die Komplikationsrate gegen Null. Während der virämischen Phase wird die Placenta in 80 bis 90 Prozent, der Embryo in 60 bis 70 Prozent der Fälle infiziert. Leitsymptome sind Augenschäden, Herzmissbildungen und Innenohrdefekte. Als Spätfolgen beobachtet man Hörstörungen, Panencephalitis, Diabetes mellitus und Krampfleiden (䉴 Tabelle 14.15).
Pathogenese Das Virus wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Es gelangt über die Schleimhaut des Mund-, Nasen- und Rachenraumes in den Organismus. Die primäre Replikation erfolgt im Epithel dieser Region. Dort werden Makrophagen und Lymphocyten infiziert, die das Virus in die lokalen Lymphknoten transportieren. Hier findet das Virus weitere Zielzellen, in denen es repliziert. In der Folge schwellen die Lymphknoten stark an. Von ihnen geht wahrscheinlich die Virämie aus, in deren Verlauf Rötelnviren frei und auch zellgebunden im Blut vorhanden sind. Sie breiten sich über den Organismus aus und
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14.19 Verlauf der Antikörperbildung bei einer Rötelnvirusinfektion. Tag 0 auf der Skala gibt die Zeit an, bei welcher das erstmalige Auftreten des Hautausschlags (Exanthem) beobachtet wird. Die Inkubationsperiode beträgt bis zu zehn Tage. Bereits vor der Ausbildung des Exanthems findet man Lymphknotenschwellungen und das Rötelnvirus ist im Blut sowie im Rachenspülwasser nachweisbar. IgM-Antikörper kann man sehr bald nach dem Einsetzen der Symptome im Blut nachweisen, ihre Konzentration nimmt im Verlauf von drei bis sechs Monaten ab. IgG-Antikörper folgen den IgM-Immunglobulinen und bleiben lebenslang nachweisbar.
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Tabelle 14.15 Rötelnembryopathien und ihre Symptome Syndrom
Organ
Symptom
Gregg-Syndrom
Herz
persistierender Ductus Botalli Aortenstenose Katarakt Glaukom Retinopathie Innenohrdefekte
Augen
Ohren erweitertes Rötelnsyndrom
geistige Retardierung geringes Geburtsgewicht Minderwuchs, Osteopathie Encephalitis Hepatosplenomegalie Pneumonie Thrombocytopenie Purpura
spätes Rötelnsyndrom
chronisches Exanthem Wachstumsstillstand interstitielle Pneumonie IgG- und IgA-Hypogammaglobulinämie Persistenz von IgM
Spätmanifestation
Hörschäden Diabetes mellitus progressive Panencephalitis Krampfleiden
sind unter anderem in der Tränenflüssigkeit, im NasenRachen-Raum, im Cervixsekret, im Liquor und in der Synovialflüssigkeit nachweisbar. Zusammen mit den ersten virusspezifischen Antikörpern tritt das Exanthem auf. Immunkomplexe, also mit Antikörpern komplexierte Viren, die sich am Endothel der Blutkapillaren in der Haut anlagern und lokale Entzündungen hervorrufen, sind dafür verantwortlich. Auch die akute Arthritis, die in Verbindung mit der Infektion auftritt, wird auf Virus-Antikörper-Komplexe zurückgeführt, die in der Gelenkflüssigkeit vorhanden sind. In Zellen der Synovialmembranen wird vermehrt IL-1 produziert, ein Hinweis darauf, dass dort Entzündungsprozesse ablaufen. Hinweise darauf, dass sich das Rötelnvirus in Synovialzellen vermehren kann und dort über längere Zeiträume persistiert, hat man bei Kleinkindern mit kongenitalem Rötelnsyndrom gefunden – also bei Kindern, die während des Embryonalstadiums infiziert wurden. Bei ihnen lässt sich das Rötelnvirus in den Wachstumszonen der Knochen, den Epi- und Diaphysen, nachweisen. Man nimmt an, dass das in diesen Kindern persistierende Virus die Produktion von Interferonen auslöst und dadurch die Teilung der Knochenzellen hemmt, was einen Minderwuchs der Extremitäten bewirkt. In den seltenen Fällen der postinfektiösen Encephalitis kann man gelegentlich virale Proteine im
Gehirngewebe nachweisen. Man vermutet hier eine zelluläre Autoimmunantwort gegen das basische Myelinprotein der Rückenmarks- und Nervenscheiden, weil Lymphocyten der Erkrankten nach der Zugabe dieses Proteins proliferieren. Bei Infektionen während der Schwangerschaft transportiert das Blut die Viren in die Placenta und in die Chorionzotten. Dort vermehrt es sich und gelangt schließlich in das Endothel der placentaren Blutgefäße und damit in den kindlichen Kreislauf. Die durch die Infektion abgelösten Endothelzellen bilden sogenannte „Emboli“, die das Virus im Organismus verbreiten. Die Virusproduktion mit Ausscheidung dauert aber nach der Geburt noch lange Zeit (bis zu einem Jahr) an. Wie die Schädigung der sich differenzierenden Organe und die Störung der embryonalen Zellteilung zustande kommen, ist unbekannt. Man vermutet, dass dabei Interferone und möglicherweise weitere Cytokine mit zellschädigenden Eigenschaften oder auch Apoptosemechanismen eine wichtige Rolle spielen.
Immunreaktion und Diagnose Postnatale Röteln Im Infektionsverlauf werden IgM-, IgA- und IgG-Antikörper gegen die viralen E1-, E2- und C-Proteine gebildet. Neutralisierend sind die E1-spezifi-
14.6 Togaviren
schen Immunglobuline. Der Antikörpernachweis erfolgt durch Hämagglutinationshemm- oder ELISA-Tests. Virusspezifisches IgM bleibt etwa vier bis sechs Monate nach der Infektion nachweisbar, IgG lebenslang (䉴 Abbildung 14.19). Akute Rötelninfektion sind durch das gemeinsame Vorliegen von virusspezifischem IgM und IgG sowie den Nachweis der viralen RNA mittels der Polymerasekettenreaktion diagnostizierbar. Das alleinige Vorhandensein von IgG-Antiköpern weist auf eine abgelaufene Infektion hin. Bei immunen Personen lassen sich cytotoxische T-Lymphozyten nachweisen, die bevorzugt Epitope des C-Proteins erkennen. Pränatale Röteln Infektionen des Embryos sind früh durch Nachweis viraler RNA mittels der Polymerasekettenreaktion in Chorionzottenmaterial möglich. Virusspezifisches IgM kann erst ab der 22. bis 23. Schwangerschaftswoche im Nabelschnurblut nachgewiesen werden. Der Nachweis von IgM und viraler RNA gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, ob eine Embryopathie vorliegt. Rötelnvirusspezifische IgM-Antikörper und Virus-RNA bleiben bis längere Zeit nach der Geburt nachweisbar. Eine periphere Toleranz, möglicherweise in Kombination mit einer Störung des Umschaltens der Synthese der Antikörperklassen von IgM zu IgG, kann für die Persistenz der Rötelninfektion verantwortlich sein. Auch die Stimulierbarkeit der Lymphocyten durch virale Proteine ist deutlich reduziert. Pränatale Röteln stellen eine medizinische Indikation für den Schwangerschaftsabbruch dar. Aufgrund der derzeit in Deutschland geltenden Bestimmungen der Mutterschaftsrichtlinie muss deshalb die Immunität gegen Röteln untersucht und im Mutterpass dokumentiert werden. Bei Verdacht auf eine Rötelnexposition einer nicht immunen Schwangeren muss der Antikörpertiter im Hämagglutinationshemmtest bestimmt werden. Ist IgG in Serumverdünnungen von 1/32 und höher vorhanden, so ist die Patientin vor der Infektion geschützt und es besteht keine Gefahr einer embryonalen Schädigung. Liegt der Wert darunter und es zeigt sich auch im ELISA keine eindeutige Reaktivität, sollte innerhalb von drei Tagen nach der Exposition rötelnvirusspezifisches IgG verabreicht werden, da eine frische Infektion möglich ist. In der Folge muss man durch weitere Antikörperkontrollen feststellen, ob in der Schwangeren tatsächlich eine Infektion abläuft oder abgelaufen ist und ob der Embryo infiziert wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass IgM-Reaktivitäten im ELISA in der Schwangerschaft unspezifisch sein können. Ist im Nabelschnurblut rötelnvirusspezifisches IgM vorhanden und der Nachweis der Virus-RNA in der Polymerasekettenreaktion positiv, so ist eine Indikation für einen Abbruch der Schwangerschaft wegen des hohen Risikos einer mög-
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lichen Schädigung des ungeborenen Kindes durch die Infektion gegeben. Die retrospektive Bestimmung des wahrscheinlichen Infektionszeitpunkts der Mutter ist dabei von ausschlaggebender Bedeutung, da das Risiko der Embryopathie im Verlauf des ersten Schwangerschaftstrimesters deutlich abnimmt. Dazu werden auch Avidität und Reaktivität der Antikörper gegen einzelne Proteine in der Immunoblot-Untersuchung herangezogen.
Therapie und Prophylaxe Zur Verhinderung der Rötelnvirusinfektion existiert ein attenuierter Lebendimpfstoff. Seit 1979 wird der Stamm RA 27/3 eingesetzt, der hohe Antikörpertiter induziert und dazu geführt hat, dass die Röteln in Europa und Nordamerika nur noch vereinzelt auftreten. In Deutschland erfolgt die Rötelnimpfung im Kombinationsimpfstoff mit attenuierten Impfstämmen gegen Masern, Mumps und Windpocken am Anfang des 2. Lebensjahrs; eine zweimalige Applikation gilt als schützend. Seit der Einführung der Impfung ist die Zahl der kongenitalen Rötelninfektionen und der Embryopathien stark zurückgegangen. Konnatale Röteln sind nach den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes meldepflichtig; in den Jahren zwischen 2000 und Ende 2009 sind in Deutschland acht kongenitale Röteninfektionen gemeldet worden. Bei nachgewiesener Exposition nicht immuner Schwangerer mit dem Rötelnvirus nimmt man eine passive Immunisierung mit virusspezifischem IgG vor. Der Schutzeffekt ist umso größer, je eher diese passive Immunisierung erfolgt; schon drei Tage nach der Exposition ist der vermittelte Schutz nur noch gering. Der Einsatz des Lebendimpfstoffes ist während der Schwangerschaft nicht erlaubt. Eine Chemotherapie existiert nicht.
14.6.6 Tierpathogene Togaviren Die verschiedenen equinen Encephalitisviren Epidemiologie und Übertragung Im Genus Alphavirus sind Erreger zusammengefasst, die von Arthropoden, meist von Mücken der Gattungen Culex und Aedes, übertragen werden und unterschiedliche Krankheiten bei Mensch und Tier verursachen können. Neben neurotropen Alphaviren, die bei einer Infektion eine Encephalitis verursachen können – hierzu zählen insbesondere die verschiedenen Typen der equi-
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q Das Chikungunya-Virus verursacht seit kurzem Erkrankungen bei Menschen in europäischen Ländern Das Chikungunya-Virus war erstmals 1953 aus einem Patienten mit einer fieberhaften Erkrankung in Ostafrika (damals Tanganyika) isoliert worden. Infektionen mit diesem Virus sind vermutlich schon seit dem späten 18. Jahrhundert, fälschlicherweise jedoch als epidemische Ausbrüche des Denguefiebers, dokumentiert. Zwischen 1960 und 2003 wurde das Chikungunya-Virus immer wieder als Verursacher von regional begrenzten Epidemien in den Ländern Ost-, Süd- und Westafrikas sowie in Südostasien (unter anderem in Indien, Pakistan, Malaysia, Thailand, Indonesien, Vietnam) nachgewiesen. Seit 2004 wurde das Virus wiederholt auch bei Patienten in verschiedenen europäischen Ländern gefunden, vor allem in Italien, aber auch in Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Norwegen. Die Infektionen verlaufen mit hohem Fieber, Arthralgien und Hautausschlägen, die Morbidität der Infektion ist hoch. Insbesondere die Gelenkschwellungen und -entzündungen können über Monate andauern – sie
nen Encephalitis-Viren und einige andere der Alphaviren der Neuen Welt –, spielen in Europa, Afrika und Asien vor allem Alphaviren eine Rolle, die meist milde Krankheitsanzeichen oder Arthritiden hervorrufen. Neben ihrer Bedeutung als zoonotische Erreger sind die equinen Encephalitisviren aufgrund ihrer Epidemiologie und ihrer molekularen Evolution wichtig. Alle haben einen enzootischen Zyklus, der kleine Nagetiere und Vögel einschließt. Übertragen werden sie zwischen diesen Wirten durch Mücken. Die Wirtsspezifität der Mücken bestimmt auch den Charakter der Infektionen. Pferde und Menschen stellen dabei lediglich akzidenzielle Wirte dar, von denen die Viren nicht weiter verbreitet werden können. Nur bestimmte epizootische Subtypen des Venezuelan-Equine-Encephalitis-Virus verursachen in Pferden oder Menschen eine Virämie, in deren Verlauf die Erreger in so großen Mengen vorliegen, dass sie ausreichen, um eine saugende Mücke zu infizieren. Nur in diesem Fall tragen die Infektionen der Pferde und Menschen zur Verbreitung der Viren bei. Das Eastern-Equine-Encephalitis-Virus (EEEV) ist im Süden der Vereinigten Staaten sowie in vielen Ländern Südamerikas endemisch und infiziert asymptomatisch unterschiedliche Vogelarten, darunter verschiedene Sing- und Wattvögel. In anderen eingeführten Vogelarten wie dem Jagdfasan oder dem Emu verursacht es letale Infektionen und schwere wirtschaftliche Verluste.
gaben dem Virus auch seinen Namen: Chikungunya bedeutet: „das, was verbiegt“. Als natürliche Wirte und Reser voirs für die Erreger gelten nichtmenschliche Primaten in Afrika und Südostasien. Von ihnen ausgehend werden sie von verschiedenen Arten von Aedes-Mücken aufgenommen und durch sie – auch von Mensch zu Mensch – übertragen. Für die in den letzten Jahren in Europa beobachteten Chikungunya-Infektionen macht man vor allem A. albopictus (Tigermücke) verantwortlich, da diese Mückenart in subtropischen und auch kühleren Regionen existieren kann. Vermutlich wurde das Virus ursprünglich durch Touristen oder Mücken in die Länder Europas importiert und führte so zu den lokalen Ausbrüchen. Insbesondere eine weitere Erwärmung des Klimas könnte dazu führen, dass sich die AedesMücken zunehmend auch in Europa heimisch fühlen und es deshalb zu vermehrten Infektionen mit den ChikungunyaViren kommen kann.
Bestimmte, nur an Vögeln saugende Mückenarten, insbesondere Culiseta melanura, halten diesen endemischen Vogelzyklus aufrecht. Saugen an infizierten Vögeln andere Mückenarten, die auch Säugetiere und Menschen stechen, kann es zu Epidemien kommen, welche die Säugetiere als Wirte einschließen. In Regionen mit gemäßigtem Klima besteht eine saisonale Häufung von Erkrankungen im Spätsommer; in tropischen Klimazonen finden ganzjährig Infektionen der Reservoirwirte und Übertragungen statt. Das Western-Equine-Encephalitis-Virus (WEEV) ist ebenfalls weit über den amerikanischen Kontinent verbreitet und wird durch verschiedene Mückenarten verbreitet. Während in Nordamerika der enzootische Zyklus weitgehend über die Infektion verschiedener Singvögel aufrechterhalten wird, spielen in Südamerika vor allem Nagetiere als Reservoir eine herausragende Rolle. Die Infektion von Pferden und Menschen ist auch hier akzidentell. Im Gegensatz zu den Eastern- und Western-EquineEncephalitis-Viren ist beim Venezuelan-Equine-Encephalitis-Virus (VEEV) der Wechsel vom enzootischen zum epizootischen Zyklus abhängig von einer Mutation in den für das E2-Protein codierenden Genomsequenzen des prävalenten enzootischen Virus. Während die enzootisch vorkommenden Subtypen I-D bis I-E sowie der anderen Viren des VEEV-Komplexes (Mosso dos
14.6 Togaviren
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q Enzootische und epizootische Zyklen bestimmen die Epidemiologie der equinen Encephalitisviren Die equinen Encephalitisviren EEEV, WEEV und VEEV sind Arboviren („Arbo“, engl.: arthropod-borne für „von Arthropoden getragen“), die sich in der Regel asymptomatisch in ihren Wirten, vor allem Singvögeln und Nagetieren, replizieren und in diesen eine ausreichend große Virämie etablieren, um durch Mücken unter diesen Wirten übertragen zu werden. Dies bezeichnet man als enzootischen Zyklus.
Pedras, Everglades, Mucambo, Tonate, 71D–1252, Pixuna, Cabasson und Rio Negro) nur begrenzte Infektionsherde in Kleinnagern aufbauen und hier von Mücken der Gattung Culex übertragen werden, geschieht die Übertragung der epizootischen Subtypen I-AB und I-C durch Stechmücken der Gattungen Aedes und Psoropha und schließt die Infektion einer Vielzahl von Säugetieren, auch von Pferden und Menschen, ein. Die pathogenetische Grundlage für die epizootischen Typen liegt in ihrer Fähigkeit, eine hochtitrige Virämie in ihren Wirten zu verursachen und die Übertragung zu ermöglichen. Phylogenetische Untersuchungen zeigen, dass die epizootischen Subtypen möglicherweise vor jedem epizootischen Ausbruch neu aus den enzootischen Viren entstehen. So konnte durch Austausch des E2-Gens aus einem enzootischen I-D-Virus mit einem I-AB-Virus der epizootische Biotyp generiert werden. Neben der Epizootiologie ist bei diesen Viren auch die Evolution interessant: Die Western-Equine-Encephalitis-Viren sind aus einer Rekombination zwischen dem Eastern-Equine-Encephalitis- und einem dem Sindbisvirus ähnlichen Vorläufervirus hervorgegangen (䉴 Kapitel 12). Diese Rekombination führte zum Austausch der für die Glycoproteine codierenden Gene des Eastern-Equine-Encephalitis-Virus mit denjenigen des sindbisähnlichen Virus.
Klinik Infektionen mit den in Osteuropa, Asien und Afrika verbreiteten Alphaviren verlaufen häufig asymptomatisch (Semliki-Forest-Virus) oder sind mit leichtem Fieber, Hautausschlägen und Gelenkentzündungen verbunden (Sindbisvirus). Die amerikanischen equinen Encephalitisviren können hingegen häufig eine Encephalitis in den infizierten Organismen induzieren.
Durch verschiedene Faktoren wie eine Massenvermehrung von nicht streng wirtsspezifischen Mückenarten, die den Viren als Reservoir dienen, kann es zu einem Saugakt an anderen Tierarten und damit zur Übertragung beispielsweise auf Menschen, Pferde oder andere Säugetiere kommen. Man spricht dann von einem epizootischen Zyklus.
Pathogenese Die Alphaviren gelangen durch Insektenstiche direkt in die Blutbahn und lagern sich mittels der Membranproteine an überwiegend noch nicht bekannte Rezeptoren auf Endothelzellen und lymphatischen Zellen an. Dort vermehren sie sich. Über das Blut werden sie zu den weiteren Zielorganen transportiert. Das geschädigte Endothel ermöglicht den Übertritt der Viren in das zentrale Nervensystem, wo sie sich in den Neuronen vermehren. Die Mechanismen der Neuronenschädigung durch Induktion der Apoptose sind im Detail am Beispiel der Sindbisvirusinfektion in der Maus untersucht. Das Sindbisvirus zeigt eine altersabhängige Pathogenität für Mäuse. Neugeborene Babymäuse erkranken letal nach einer intracerebralen Infektion, während Mäuse im Alter von vier Wochen nicht erkranken und das Virus eine Woche nach Inokulation eliminieren. Die Viruseliminierung erfolgt durch virusspezifische Antikörper. Wie man zeigen konnte, beruht dieses Phänomen darauf, dass die Virusinfektion in unreifen Neuronen die Apoptose induziert, während reife Neuronen diesen Vorgang durch einen noch unbekannten Faktor verhindern können. Die Resistenz ist jedoch nicht absolut und kann durch besonders virulente Virusstämme durchbrochen werden. Offensichtlich ist dabei das virale Glycoprotein E2 von besonderer Bedeutung: Die Untersuchung von Virusmutanten, die durch ortsgerichtete Mutagenese hergestellt wurden, zeigte eine besondere Rolle der Aminosäure Histidin an Position 55 für die Virulenz.
Immunreaktion und Diagnose Die Infektion mit den equinen Encephalitisviren hinterlässt eine belastbare, langanhaltende Immunität. Die Diagnose kann über den direkten Virusnachweis im Blut
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während der Virämiephase oder post mortem in Hirnmaterial gestellt werden. Gebräuchlich ist der indirekte Nachweis der Infektion durch die Untersuchung von Serumpaaren, die zum Zeitpunkt der akuten Infektion und nach weiteren drei Wochen gewonnen werden. Die Antikörpertiter werden in Hämagglutinationshemmoder Virusneutralisationstests bestimmt.
Bekämpfung und Prophylaxe Gegen Infektionen mit allen Vertretern der equinen Encephalitisviren sind Impfstoffe verfügbar, die bei Menschen, Pferden und wertvollen Vogelarten, wie etwa dem vom Aussterben bedrohten Schreikranich (Grus americana), eingesetzt werden. Sie basieren auf abgetöteten, in Zellkultur gezüchteten Viren. Eine konsequente Impfung kann die Entstehung von Epizootien verhindern oder – nach ihrem Ausbruch – günstig beeinflussen.
14.6.7 Weiterführende Literatur Angelini, R.; Finarelli, A. C.; Angelini, P.; Po, C.; Petropulacos, K.; Silvi, G.; Macini, P.; Fortuna, C.; Venturi, G.; Magurano, F.; Fiorentini, C.; Marchi, A.; Benedetti, E.; Bucci, P.; Boros, S.; Romi, R.; Majori, G.; Ciufolini, M. G.; Nicoletti, L.; Rezza, G.; Cassone, A. Chikungunya in north-eastern Italy: a summing up of the outbreak. In: Euro. Surveill. 12 (2007) 071122.2. Banatvala, J. E.; Brown, D. W. Rubella. In: Lancet 363 (2004) S. 1127–1137. Chen, J.; Strauss, J. H.; Strauss, E. G.; Frey, T. K. Characterization of the rubella virus nonstructural protease domain and its cleavage site. In: J. Virol. 70 (1996) S. 4707–4713. Chevillon, C.; Briant, L.; Renaud, F.; Devaux, C. The Chikungunya threat: an ecological and evolutionary perspective. In: Trends Microbiol. 16 (2008) S. 80–88. Fontana, J.; Tzeng, W. P.; Calderita, G.; Fraile-Ramos, A.; Frey, T. K.; Risco, C. Novel replication complex architecture in rubella replicon-transfected cells. In: Cell Microbiol. 9 (2007) S. 875–890. Frey, T. K. Molecular biology of rubella virus. In: Adv. Virus Res. 44 (1994) S. 69–160. Gonzalez, M. E.; Carrasco, L. Viroporins. In: FEBS Lett. 552 (2003) S. 28–34. Gould, E. A.; Coutard, B.; Malet, H.; Morin, B.; Jamal, S.; Weaver, S.; Gorbalenya, A.; Moureau, G.; Baronti, C.; Delogu, I.; Forrester, N.; Khasnatinov, M.; Gritsun, T.; de Lamballerie, X.; Canard, B. Understanding the alphaviruses: Recent research on important emerging pathogens and progress towards their control. In: Antiviral Res. (2009) doi:10.1016/ j.antiviral.2009.07.007 Greene, I. P.; Paessler, S.; Austgen, L.; Anishchenko, M.; Brault, A. C.; Bowen, R. A.; Weaver, S. C. Envelope glycoprotein
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14.7 Arteriviren
14.7 Arteriviren
239
14.7.1 Einteilung und charakteristische Vertreter In der Familie der Arteriviren, die ausschließlich tierpathogene Erreger umfasst, gibt es nur eine Gattung (䉴 Tabelle 14.16). Als ein charakteristischer Vertreter gilt das equine Arteritisvirus (EAV), das bei Pferden und Eseln eine persistierende asymptomatische Infektion induziert, in den Tieren aber auch Aborte oder hämorrhagisches Fieber verursachen kann. Die Lactatdehydrogenase-induzierenden Viren (LDV) und die Simian-Haemorrhagic-Fever-Viren (SHFV) infizieren Mäuse beziehungsweise verschiedene afrikanische und asiatische Affenarten. Diese Erreger hat man bereits im 19. Jahrhundert erstmals beschrieben. Dagegen traten Infektionen von Schweinen durch das Virus des seuchenhaften Spätaborts der Schweine (Porcine-Reproductive-andRespiratory-Syndrome-Virus, PRRSV) erstmals und nahezu zeitgleich zwischen 1983 und 1988 in Europa und den USA auf.
Die Arteriviren stellen zusammen mit den Corona(䉴 Abschnitt 14.8) und den Roniviren die Ordnung Nidovirales dar. Dies ist in der Genomorganisation, in dem Gebrauch von polycistronischen mRNA-Transkripten für die virale Genexpression sowie in den Transkriptions- und Translationsstrategien begründet – also in Merkmalen und Vorgängen, in denen sich die Vertreter dieser Virusfamilien ähneln. Darauf ist auch der Name der Ordnung zurückzuführen, der seinen Ursprung im lateinischen Wort nidus für „Nest“ hat. Er bezieht sich auf die einzigartige Transkriptionsstrategie der Nidovirales: Bei der mRNA-Synthese entstehen Transkripte, die zwar alle die gleichen 5’- und 3’-Enden aufweisen, bei denen jedoch der am 5’-Ende gelegene Sequenzabschnitt mit verschiedenen RNA-Abschnitten kombiniert wird, die weiter stromabwärts lokalisert sind: Es entstehen somit Sets von polycistronischen (nested) mRNAMolekülen. Andererseits sind die Unterschiede in der Größe der Virusgenome und -partikel sowie in der Sequenz und Art der Strukturproteine so deutlich, dass man sich entschloss, sie in getrennte Familien einzuordnen. Im Vergleich zu den Corona- und Roniviren sind die Partikel und die Genome der Arteriviren deutlich kleiner. Die Vertreter der Roniviren infizieren ausschließlich Wirbellose und Insekten, sie werden daher im Rahmen dieses Lehrbuchs nicht näher besprochen.
14.7.2 Aufbau Viruspartikel Die infektiösen Partikel der Arteriviren haben einen Durchmesser vom 40 bis 60 nm und bestehen aus ikosaedrischen oder sphärischen Nucleocapsiden (Durchmesser 25 bis 35 nm), die von einer Membranhülle umgeben sind (䉴 Abbildung 14.20). Im Gegensatz zu den Coronaviren findet man bei Arteriviren Membranproteine, die nur gering (10 bis 14 nm) aus der Partikeloberfläche hervorragen. In die Hüllmembran sind vier virale Glycoproteine eingelagert: GP2, GP3, GP4 und GP5, beim lactatdehydrogenaseinduzierenden Virus (LDV) handelt es sich um GP2, GP3 GP4 und GP7. Als weitere Proteine sind die M- und E-Proteine mit der Virusmembran assoziiert. Das Nucleocapsid im Inneren
Tabelle 14.16 Charakteristische Vertreter der Arteriviren Genus
Tier
Arterivirus
equines Arteritisvirus (EAV) lactatdehydrogenaseinduzierendes Virus der Maus (LDV) Virus des seuchenhaften Spätaborts der Schweine (Porcine-Reproductive-andRespiratory-Syndrome-Virus, PRRSV) Simian-Haemorrhagic-Fever-Virus (SHFV)
14
14
240
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
GP4-Protein GP2-Protein M-Protein GP5-Protein GP3-Protein 5´-Cap N-Protein RNA
Nucleocapsid
Hüllmembran
3´-poly A
E-Protein
14.20 Aufbau eines Arteriviruspartikels am Beispiel des Porcine-Reproductive-and-Respiratory-Syndrome-Virus (PRRSV). Im Inneren des Partikels liegt das mit N-Proteinen komplexierte RNA-Genom als helikales Nucleocapsid vor. Es ist von einer Membranhülle umgeben, in welche vier virale Glycoproteine (GP2 bis GP5) sowie das nichtglycosylierte M-Protein eingelagert sind.
der Membranhülle besteht aus dem N-Protein und dem einzelsträngigen RNA-Genom.
Genom und Genomaufbau Die Genome der Arteriviren haben eine ähnliche Organisation wie die der Coronaviren, die Aufeinanderfolge der codierenden Regionen ist im Vergleich zu diesen aber wesentlich gedrängter. Daher sind sie kürzer und umfassen zwischen 12 704 (equines Arteritisvirus) und etwa 15 000 bis 15 700 Basen beim Virus des seuchenhaften Spätaborts der Schweine (PRRSV) beziehungsweise beim Simian-Haemorrhagic-Fever-Virus. Sie bestehen aus einzelsträngiger RNA, liegen in Plusstrangorientierung vor, besitzen am 5’-Ende eine methylierte Cap-Struktur und sind am 3’-Ende polyadenyliert. Die codierenden Genombereiche werden am 5’-Ende von 156 bis 221 beziehungsweise am 3’-Ende von 59 bis 117 nichttranslatierten Nucleotiden flankiert. Zwei große Leserahmen (1a und 1b), von denen der Leserahmen 1a am 5’-Ende beginnt, überlappen an den Enden miteinander und nehmen etwa zwei Drittel des Genoms ein (䉴 Abbildung 14.21). Sie sind für die Synthese von zwei Polyproteinen (1a und 1ab) verantwortlich, aus welchen
die Nichtstrukturproteine durch proteolytische Spaltung entstehen. Eine Verschiebung des ribosomalen Leserasters während der Translation führt zum Überlesen eines Stoppcodons am Ende des 1a-Leserahmens und zur Bildung des Proteins 1ab. Durch die autokatalytische Spaltung entstehen drei Proteasen (NSP1, NSP2, NSP4), die RNA-abhängige RNA-Polymerase, eine Helicase sowie einige weitere Nichtstrukturproteine ungeklärter Funktion. Die Leserahmen 2 bis 7 (beziehungsweise 9 beim PRRSV) für die Strukturproteine befinden sich im Anschluss an die Gene für die Nichtstrukturproteine. In der Reihenfolge zum 3’-Ende codieren sie die Synthese der verschiedenen Glycoproteine sowie die des M- und des N-Proteins; das E-Protein wird durch einen intern auf der zweitlängsten mRNA gelegenen Leserahmen codiert.
14.7.3 Virusproteine Nichtstrukturproteine Bei der Translation der genomischen mRNA entstehen zwei große Vorläuferprodukte der Nichtstrukturpro-
5´-Cap
3´
Protein 1a Helicase Helicase
Protease
Protease
E
5´-Cap
5´-Cap
5´-Cap
5´-Cap
5´-Cap
5´-Cap
Transkription
Transkription
M
N
15000 GP5
GP4
GP2 GP3
+ Leserastersprung
RNA-Polymerase
15–20%
1b
Haarnadelschleife
10000
N-Protein
M-Protein
GP5 -Protein
GP4 -Protein
GP3 -Protein
GP2 -Protein, E-Protein
Genom (Plusstrang)
Genom (Negativstrang)
Translation
AAA 3´
5´
AAA 3´
14.21 Genomorganisation und Replikationsverlauf bei Arteriviren. Das RNA-Genom des Virus wirkt als mRNA und wird im Cytoplasma der Zelle translatiert. Die beiden miteinander überlappenden Leserahmen codieren für die Nichtstrukturpolyproteine 1a und 1ab. Eine Haarnadelschleife induziert bei der Translation einen Leserastersprung und ermöglicht dadurch bei etwa 15 bis 20 Prozent der Translationsvorgänge die Synthese des Nichtstrukturpolyproteins 1ab, das in seinem carboxyterminalen Bereich den Anteil der RNA-abhängigen RNA-Polymerase enthält. Sie werden durch die autokatalytische Aktivität von zwei Cysteinproteasen und einer Serinprotease in den aminoterminalen Anteilen der Vorläuferproteine gespalten. Die RNA-abhängige RNA-Polymerase schreibt das Plusstrang-RNA-Genom in einen Negativstrang um. Dieser dient als Matrize sowohl für die Synthese von neuen Plusstrang-RNA-Genomen als auch für die Transkription einer Reihe von subgenomischen mRNA-Spezies, die am 5’-Ende mit einer Cap-Gruppe modifiziert sind und bei allen mRNAMolekülen die identischen Sequenzen der Leader-Region enthalten. Von den subgenomischen mRNAs werden die verschiedenen viralen Strukturproteine translatiert, deren Leserahmen sich im 3’-orientierten Drittel des Plusstrang-RNA-Genoms befinden. Diese überlappen zum Teil miteinander.
mRNA
1a
Leader-RNA 80-85% Translation (ca. 200 Basen) nichtcodierend
5´-Cap
5000
14.7 Arteriviren
241
14
14
242
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
¡ XendoU und NendoU Die ursprünglich bei Xenopus laevis gefundende zelluläre Endoribonuclease XendoU ist mit für die Prozessierung der nucleolären RNA-Spezies verantwortlich und zählt zu einer kleinen Proteinfamilie, zu der man auch die nidovirale Endoribonuclease NendoU rechnet. Die enzymatische Aktivität von NendoU ist Mn2+-Ionen abhängig. Sie spaltet bevorzugt
teine: Das Protein 1a weist bei den unterschiedlichen Vertretern der Arteriviren eine Molekularmasse zwischen 187 und 260 kD auf, das Protein 1ab (345 bis 421 kD) ist im aminoterminalen Bereich identisch zum Protein 1a. Die drei im aminoterminalen Bereich beider Proteine lokalisierten Proteasen (NSP1, NSP2, NSP4) spalten die Vorläuferproteine in insgesamt zwölf Nichtstrukturproteine (NSP1 bis NSP12), deren Funktion in einigen Fällen nicht geklärt ist. Bei den NSP1- und NSP2-Proteinen handelt es sich um Cysteinproteasen, die sich autokatalytisch von den Polyproteinen abspalten (䉴 Tabelle 14.17). NSP4 ist eine Serinprotease und ähnelt der 3C-Protease der Picornaviren (䉴 Abschnitt 14.1). Ihre Aktivität bedingt die weitere Prozessierung der Vorläuferproteine 1a und 1ab an bis zu acht Spaltstellen. Dadurch entstehen unter anderen die RNA-abhängige RNA-Polymerase, ein metallionenbindendes Protein MP und eine Helicase (NSP10). Letztere verfügt über eine Zn2+-Ionen bindende Domäne, welche für die Bildung der viralen mRNAs, nicht aber für die Genomreplikation notwendig ist. Das NSP11 stellt die Endoribonuclease (NendoU, nidoviral uridylate-specific endoribonuclease) dar, die bei allen Vertretern der Nidovirales vorkommt. Ihre Aktivität scheint vor allem bei der Synthese der subgenomischen RNAs notwendig zu sein. In den meisten Fällen erfolgten die funktionellen Zuordnungen durch vergleichende Sequenzanalysen und nicht durch Reinigung und direkte Charakterisierung der Proteinaktivitäten.
doppelsträngige RNA vor oder nach Uridinresten in den Sequenzfolgen GUU oder GU; es entstehen Moleküle mit 2’-3’-zyklischen Phosphatenden. Daneben scheinen die NendoU-Enzyme, die bisher ausschließlich bei Nidoviren gefunden wurden, einige weitere, aber noch nicht näher charakterisierte Aktivitäten auszuüben.
ein Ionenkanalprotein handeln könnte. Die Glycoproteine liegen in komplexen Anordnungen vor, GP5/GP7und M-Proteine bilden Heterodimere, GP2 GP3 und GP4 hingegen Heterotrimere. Daneben findet man als Zwischenprodukte der GP2- und GP4-Heterodimere, die in nachfolgenden Schritten über Cysteinbrücken mit GP3 assoziieren. Für den Einbau in die Virushüllmembran ist diese Komplexbildung mit GP3 eine Voraussetzung. Die neutralisierenden Epitope befinden sich überwiegend in den GP5- beziehungsweise GP7-Proteinen. Allerdings scheint für ihre korrekte Konformation das Vorliegen in heterodimerer Struktur mit den M-Proteinen notwendig zu sein. Das M-Protein ist das Strukturprotein der Arteriviren mit dem höchsten Konservierungsgrad. Es ähnelt dem M-Protein der Coronaviren. Die carboxyterminalen Domänen befinden sich im Partikelinneren, die kurze aminoterminale Region ist auf der Virusoberfläche lokalisiert und flankiert von hydrophoben Sequenzen, die das Protein in der Membranhülle verankern. Über einen Cysteinrest in der aminoterminalen Domäne bildet das M-Protein eine Disulfidbrücke mit dem Glycoprotein GP5 beziehungsweise dem GP7 beim lactatdehydrogenaseinduzierenden Virus aus. Das phosphorylierte N-Protein (12–15 kD) liegt gebunden an das RNA-Genom vor und bildet das Nucleocapsid.
14.7.4 Replikation Strukturproteine Die Strukturproteine der Arteriviren lassen sich in Haupt-(major-) und Neben-(minor-)Proteine unterteilen. Die Hauptproteine sind die GP5 (GP7 bei LDV), Mund N-Proteine. Zu der anderen Gruppe zählen das GP2, GP3, GP4 und E-Protein. Die Funktion des Strukturproteins E ist nicht endgültig geklärt, es ist jedoch essenziell für die Infektiosiät und es gibt Hinweise, dass es sich um
Arteriviren infizieren bevorzugt Makrophagen und gelangen über rezeptorvermittelte Endocytose in das Zellinnere. Die Rezeptoren, die von den Viren zur Adsorption verwendet werden, sind nicht endgültig bekannt. Das Virus des seuchenhaften Spätaborts der Schweine PRRSV scheint über das M-Protein mit Heparansulfat auf der Oberfläche von Makrophagen zu
14.7 Arteriviren
243
Tabelle 14.17 Bekannte Funktionen und Eigenschaften der Arterivirusproteine Protein
Größe (kD)
Eigenschaften
Funktion
GP5/GP7 (LDV)
24–44
glycosyliert
Membranprotein; major Strukturprotein neutralisierende Antikörper bildet Heterodimere mit M-Protein Apoptose-Induktion?
GP2
20–35
glycosyliert
Membranprotein; minor Strukturprotein Heterotrimer mit GP3 und GP4
GP3
27
glycosyliert
Membranprotein; minor Strukturprotein Heterotrimer mit GP2 und GP4
GP4
20
glycosyliert
Membranprotein; minor Strukturprotein Heterotrimer mit GP2 und GP3
M
16–20
–
Membranprotein; major Strukturprotein bildet Heterodimer mit GP5 bzw. GP7
N
12–15
phosphoryliert
Nucleocapsidprotein; major Strukturprotein Homodimer
E
7–8
sehr hydrophob
Ionenkanalprotein? Homooligomere
NSP1
29
–
Cysteinprotease; papainähnlich
NSP2
61
–
Cysteinprotease
NSP4
21
–
Serinprotease; Homologien zu Chymotrypsin und 3C-Proteasen der Picornaviren; Hauptenzym zur Spaltung der Polyproteine
NSP9
?
–
RNA-abhängige RNA-Polymerase
NSP10
?
–
RNA-Helicase
NSP11
?
–
Endoribonuclease (NendoU)
?
Zn2+-bindend
?
MP
interagieren. Daneben fand man aber auch, dass sich das Virus an CD163 sowie an die aminoterminale, variable Ig-ähnliche Domäne von Sialoadhäsin bindet – einem Mitglied der Immunglobulin-Superfamilie auf der Makrophagenoberfläche. Welches der viralen Glycoproteine diese Wechselwirkung vermittelt, ist unklar. Der Replikationszyklus ähnelt weitgehend dem der Coronaviren; auch bei den Arteriviren laufen alle Replikationsschritte im Cytoplasma der Zelle ab. Von der genomischen RNA werden zuerst – wie bereits erwähnt – die Polyproteine der Nichtstrukturproteine 1a und 1ab unter Induktion eines ribosomalen Leserastersprungs translatiert. Das Protein 1ab enthält die RNA-abhängige RNA-Polymerase (䉴 Abbildung 14.21). Im folgenden Schritt wird durch die Polymeraseaktivität des gebildeten Enzyms und unter Verwendung der
genomischen RNA als Matrize der Gegenstrang synthetisiert. Dieser umfasst das gesamte Genom und hat eine negative Orientierung. Im weiteren Verlauf des Replikationszyklus hat er zwei Funktionen: Er dient als Matrize für die Synthese neuer Virusgenome und für die Bildung mehrerer, subgenomischer mRNA-Spezies, von welchen die verschiedenen Strukturproteine der Arteriviren translatiert werden. All diese subgenomischen mRNAs haben die gleichen 5’- und 3’-Enden, die auch denjenigen des Virusgenoms entsprechen. An den 5’-Enden befindet sich jeweils eine einheitliche Sequenzfolge, die Leader-RNA. Sie ist am 5’-Ende gecappt und entspricht der Basenfolge im nichttranslatierten Abschnitt am 5’Ende des Genoms. Diese Leader-RNA dient als Primer für die Synthese der subgenomischen mRNA-Spezies. Nahe ihrem 3’-Ende weist die Leader-RNA eine konser-
14
14
244
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
vierte Basenfolge (UCAAC beim equinen Arteritisvirus) auf. Komplementäre Sequenzen hierzu sind in der Negativstrang-RNA an unterschiedlichen Stellen zu finden. Sie sind in der Genomregion zwischen dem Ende des Leserahmens für das Polyprotein 1ab und dem 3’-Ende des Genoms den verschiedenen Initiationsstellen für die Synthese der subgenomischen mRNA-Spezies vorgelagert: Mit ihnen kann die Leader-RNA hybridisieren und so einen kurzen doppelsträngigen Bereich mit dem 3’-OH-Ende für die Fortsetzung der Polymerisation liefern. Ähnlich wie bei den Coronaviren kann die RNAPolymerase die Synthese der subgenomischen mRNASpezies an den verschiedenen Startregionen vermutlich nicht selbst initiieren. Von diesen nested-Transkripten wird meist nur der am 5’-Ende gelegene Leserahmen in ein Protein übersetzt, nur im Fall des E-Proteins fand man die Transkription eines intern gelegenen Leserahmens. Das N-Protein komplexiert mit den genomischen RNA-Strängen zu den Nucleocapsiden und bindet sich an die carboxyterminale Domäne des in die Membran des endoplasmatischen Reticulums eingelagerten MProteins. Dies löst den Budding-Prozess aus, in dessen Verlauf das Nucleocapsid mit der die M- und Glycoproteine enthaltenden Membran umgeben wird. Die entstehenden Partikel werden in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums abgegeben und im weiteren Verlauf über die Golgi-Vesikel zur Zelloberfläche transportiert, wo sie in die Umgebung entlassen werden.
14.7.5 Tierpathogene Arteriviren Bisher kennt man keine Arteriviren, die Menschen infizieren oder deren Infektion beim Menschen Krankheiten verursacht. Zu den wichtigsten tierpathogenen Arteriviren zählen das equine Arteritisvirus (EAV) und der Erreger des seuchenhaften Spätaborts der Schweine und Pferde (PRRSV).
Das equine Arteritisvirus Epidemiologie und Übertragung Das equine Arteritisvirus ist in Pferdepopulationen weltweit verbreitet. Es verursacht beim Pferd eine schon seit vielen Jahrzehnten bekannte Erkrankung, die heute als equine Arteritis bezeichnet wird. Sie äußert sich in Ödembildungen an Kopf und Extremitäten. Diese Manifestation hat der Krankheit auch die Synonyme „Pink Eye“ oder „Pferdestaupe“ eingebracht. Eine wirtschaftlich bedeutendere Erkrankungsform ist der seu-
chenhafte Abort, der in Gestüten epidemisch auftreten kann. Nur Pferde scheinen für die Infektion empfänglich zu sein. Die Übertragung des Virus erfolgt durch direkten Kontakt und über Aerosole. Die Infektionen treten gehäuft auf Turnieren oder Messen auf, wenn viele Pferde aus unterschiedlichen Regionen zusammenkommen. Das Virus kann eine persistierende Infektion verursachen; einige Hengste scheiden es über Jahre mit dem Ejakulat aus. Dies ist epidemiologisch wichtig und tierseuchenrechtlich außerordentlich problematisch, da das Virus auf diese Weise auch bei künstlicher Besamung in der Population verbreitet werden kann.
Klinik Nach einer Inkubationszeit von etwa drei Tagen bis zwei Wochen kommt es zu Fieber und Ödembildungen an Kopf, Extremitäten und Unterbauch (Präputial- und Skrotalödem bei Hengsten) sowie zu einer Konjunktivitis. Die Erkrankung ist in der Regel transient und Todesfälle sind selten. Bei trächtigen Stuten kann es jedoch zehn bis 30 Tage nach der Infektion zum Verfohlen (Abort) kommen. In einem seronegativen und somit empfänglichen Tierbestand können bis zu 80 Prozent der tragenden Stuten verfohlen („abortion storms“). Bei Hengsten findet man eine vorübergehende Infertilität als Komplikation der EAV-Infektion. In der Regel verläuft die Infektion jedoch subklinisch, Erkrankungen sind selten.
Pathogenese Die Zielzellen des Virus sind vor allem Makrophagen und Endothelzellen. Durch diesen Tropismus erklären sich Klinik und Pathologie, da das Virus hierdurch sehr schnell in praktisch alle Organsysteme mit Ausnahme des zentralen Nervensystems gelangt und dort über Funktionsstörungen der Gefäße die Symptome und pathologischen Veränderungen induziert. Lokale Infarzierungen und Ergüsse (Ödembildung) stehen hypovolämischen, systemischen Erscheinungen gegenüber. Die intrauterine Übertragung führt zu einer Infektion des Fetus, der ebenfalls aufgrund generalisierter Ödeme stirbt und abortiert wird. Der Abort geht in der Regel mit einer vollständigen Ablösung der Placenta einher.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose kann serologisch durch Neutralisationstests erfolgen. Die Untersuchung von Serumpaaren gestattet im nachhinein die Diagnose einer akuten Infektion. Der Virusnachweis gelingt durch die Züch-
14.7 Arteriviren
tung des Erregers in equinen Zelllinien oder durch den Nucleinsäurenachweis mittels RT-PCR.
Bekämpfung und Prophylaxe Eine Immunprophylaxe ist derzeit in Deutschland nicht verfügbar. In anderen Ländern sind Impfstoffe auf der Basis von sowohl attenuierten als auch inaktiverten, abgetöteten Viren zugelassen. Beide haben sich als grundsätzlich wirksam erwiesen.
Das Virus des seuchenhaften Spätaborts der Schweine (PRRSV) Epidemiologie und Übertragung Das Virus des seuchenhaften Spätaborts der Schweine (PRRSV) ist erst seit etwa 1985 bekannt, als es nahezu zeitgleich in Europa und Nordamerika auftrat. Beim Sequenzvergleich der ersten Viren, die auf beiden Kontinenten isoliert wurden, fand man eine Sequenzidentität von nur etwa 60 Prozent, aufgrund der Divergenz werden die Isolate als Genotypen bezeichnet. Genotyp I umfasst die Isolate vom europäischen Typ, Genotyp II repräsentiert diejenigen des nordamerikanischen Typs. Der Ursprung des PRRS-Virus ist unklar. Eine Hypothese geht von einem Wirtswechsel von der Maus zum Schwein aus, der unabhängig voneinander in Europa und Nordamerika stattfand. Alternativ wird diskutiert, dass Wildschweine in Europa über wildlebende Mäuse mit einem LDV-ähnlichen Erreger infiziert und dann von Europa nach Nordamerika transportiert wurden. Da PRRSV als Virus mit der höchsten bisher bekannten Mutationsrate gilt, konnte es sich in den getrennten Schweinepopulationen dann zu den bekannten Genotypen entwickeln. Das Virus scheint nur Schweine zu infizieren und wird durch den direkten Kontakt der Tiere übertragen. Epidemiologisch von großer Bedeutung sind klinisch gesunde Schweine mit persistierender PRRSV-Infektion, die das Virus in empfängliche Herden einschleppen. Die vollständige Durchseuchung erfolgt dann innerhalb weniger Wochen.
Klinik Die durch Infektionen mit dem PRRSV verursachte Erkrankung beim Schwein ist derjenigen der equinen Arteritis sehr ähnlich. Die typischen Symptome sind Fruchtbarkeitsprobleme, die sich vor allem als Spätaborte nach einer Tragzeit von mehr als 110 Tagen (normale Trächtigkeitsdauer beim Schwein: 115 Tage) manifestie-
245
ren. Daneben werden auch abgestorbene, mumifizierte Feten abgesetzt. Im Gegensatz zur Infektion mit dem porcinen Parvovirus (䉴 Abschnitt 20.1.6) finden sich auch beim abortierenden Mutterschwein pathologische Veränderungen. Dazu zählen Endo- und Myometritiden; zudem ist die Placenta häufig hämorrhagisch verändert. Bei nichtträchtigen Tieren stellt sich die Infektion als fieberhafte Allgemeinerkrankung dar, die häufig von respiratorischen Symptomen begleitet ist. Ein klassisches Symptom ist die aufgrund von Minderdurchblutung auffällige blaue Verfärbung der Ohren, der Rüsselscheibe und der Vulva.
Pathogenese Die Zielzellen des Virus sind Makrophagen und Endothelzellen. Das Virus persistiert trotz des Vorhandenseins neutralisierender Antikörper in den Makrophagen. Diese Antikörper können im Rahmen einer antikörperabhängigen Zelltoxizität (ADCC; 䉴 Kapitel 7) zur Pathogenese der Erkrankung beitragen. Es gibt Hinweise, dass PRRSV die Induktion der Produktion von IFN-β unterbindet: Es inaktiviert den Faktor IPS-1 (IFN-β Promoter Stimulator 1), ein Adaptormolekül für die Helicase RIG-I und hemmt somit die RIG-I vermittelte Signalkaskade.
Immunreaktion und Diagnose Durch Immunfluoreszenz kann man das Virus in totgeborenen Ferkeln nachweisen. Die Züchtung des Erregers in Zellkultur ist in porcinen Makrophagen oder in der Affennierenzelllinie MA-104 möglich. Antikörper sind mithilfe kommerzieller ELISA-Tests nachweisbar. Die Serologie ist aufgrund der verbreiteten Impfung der Schweine jedoch nur von begrenzter Aussagekraft.
Bekämpfung und Prävention Es sind sowohl Lebendvakzinen zum Schutz vor Infektionen mit beiden Genotypen als auch Totimpfstoffe verfügbar, deren Wirksamkeit kontrovers diskutiert wird. Die derzeit verfügbaren Totimpfstoffe scheinen – verglichen mit den Lebendvakzinen – erheblich weniger effizient zu sein. Eine Diskussion über die Wirksamkeit der Vakzinen über die Grenzen der Genotypen hinweg und eine mögliche Rückmutation der attenuierten Impfviren beider Genotypen zu virulenten Erregern wird sehr lebhaft geführt.
14
14
246
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
14.7.6 Weiterführende Literatur Balasriya, U. B. R.; Snijder, E. J. Arteriviruses. In: Mettenleiter, T. C.; Sobrino, F. (Hrsg.) Animal viruses. 2008 (Molecular Biology. Caister Academic Press) S. 97–148. Calvert, J. G.; Slade, D. E.; Shields, S. L.; Jolie, R.; Mannan, R. M.; Ankenbauer, R. G.; Welch, S. K. CD163 expression confers susceptibility to porcine reproductive and respiratory syndrome viruses. In: J. Virol. 81 (2007) S. 7371–7379. Delputte, P. L.; Van Breedam, W.; Delrue, I.; Oetke, C.; Crocker, P. R.; Nauwynck, H. J. Porcine arterivirus attachment to the macrophage-specific receptor sialoadhesin is dependent on the sialic acid-binding activity of the N-terminal immunoglobulin domain of sialoadhesin. In: J. Virol. 81 (2007) S. 9546– 9550. Lee, C.; Yoo. D. The small envelope protein of porcine reproductive and respiratory syndrome virus possesses ion channel protein-like properties. In: Virology 355 (2006) S. 30–43. MacLachlan, N. J.; Balasuriya, U. B. Equine viral arteritis. In: Adv. Exp. Med. Biol. 581 (2006) S. 429–433. Posthuma, C. C.; Nedialkova, D. D.; Zevenhoven-Dobbe, J. C.; Blokhuis, J. H.; Gorbalenya, A. E.; Snijder, E. J. Site-directed mutagenesis of the Nidovirus replicative endoribonuclease NendoU exerts pleiotropic effects on the arterivirus life cycle. In: J. Virol. 80 (2006) S. 1653–1661. Snijder, E. J.; Meulenberg, J. J. M. The molecular biology of arteriviruses. In: J. Gen. Virol. 79 (1998) S. 961–979. Van Marle, G.; Dobbe, J. C.; Gultyaev, A. P.; Luyties, W.; Spaan, W. J.; Snijder, E. J. Arterivirus discontinuous mRNA transcription is guided by base pairing between sense and antisense transcription-regulating sequences. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 96 (1999) S. 12056–12061. Ziebuhr, J.; Snijder, E. J.; Gorbalenya, A. E. Virus-encoded proteinases and proteolytic processing in the Nidovirales. In: J. Gen. Virol. 81 (2000) S. 853–879.
14.8 Coronaviren
Die Coronaviridae fasst man heute mit den Arteri- und den Raniviridae (䉴 Abschnitt 14.7) in der Ordnung der Nidovirales zusammen. Humane Coronaviren wurden 1965 von David A. J. Tyrrell und Mitarbeitern bei Erkältungskrankheiten entdeckt und 1968 aufgrund von morphologischen Unterschieden zu anderen Viren als eigene Familie definiert. Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigten Viruspartikel, die von einer Membranhülle mit eingelagerten Proteinen umgeben waren, durch die sie wie von einem „Strahlenkranz“ (lateinisch corona) umgeben erschienen. Als später die molekularen Details des Genomaufbaus und der Replikationsmechanismen bekannt wurden, bestätigten sie die ursprünglich nur auf morphologischen Untersuchungen beruhende Einteilung. Coronavirusinfektionen verursachen beim Menschen überwiegend harmlose Erkältungskrankheiten und Infektionen im oberen und seltener unteren Respirationstrakt. Infektionen mit Coronaviren kennt man auch bei einigen Haussäugetieren. Im Wesentlichen stehen sie hier mit akuten Gastroenteritiden bei Rindern, Schweinen, Katzen und Hunden in Verbindung. Außer diesen kennt man aber auch andere Krankheitsbilder wie Encephalitiden bei Schweinen oder eine fatale systemische Allgemeininfektion bei der Katze, die feline infektiöse Peritonitis, verursacht durch das feline Coronavirus. Das Maus-Hepatitis-Virus, welches in den Nagetieren sowohl Leberentzündungen als auch Bronchitis auslöst, ist ein wichtiges Modellsystem für die Klärung pathogenetischer Mechanismen. Außer den verschiedenen Coronaviren, die Säugetiere infizieren, existieren einige Typen, die schwere Infektionen im Ge-
14.8 Coronaviren
14.8.2 Aufbau
flügel verursachen. Hierzu zählt vor allem das Virus der infektiösen Bronchitis des Huhns. Infektionen mit dem Virus des schweren respiratorischen Syndroms (SARS-Coronavirus, SARS-CoV), sind bei Menschen erstmals im Winter 2002/03, vorwiegend in den Ländern Südostasiens (China, Hongkong, Taiwan) und Canada aufgetreten. Dieser einmalige Ausbruch verursachte weltweit über 8 000 manifeste Infektionen und 700 Todesopfer, dies entspricht einer Mortalitätsrate von etwa 10 Prozent. Der Ursprung dieses neuen Virus war lange unklar, bis man in China ein fast identisches Virus in Fledermäusen (Rhinolophus spp., große Hufeisennase) fand. Diese übertragen die Erreger auf Schleichkatzen, welche sie auf Lebendtiermärkten wiederum an Menschen weitergeben können.
Viruspartikel Die membranumhüllten Virionen der Coronaviren haben einen Durchmesser von 80 bis 160 nm. Das einzelsträngige RNA-Genom hat Plusstrangorientierung und liegt assoziiert mit den N-Proteinen als Nucleocapsid im Inneren der Partikel vor (䉴 Abbildung 14.22). Dieser Komplex aus RNA und N-Proteinen ist helikal angeordnet. Die Helix hat einen Durchmesser von 10 bis 20 nm. Definierte Aminosäuren im N-Protein interagieren mit der carboxyterminalen Domäne des in die Membran eingelagerten M-Proteins. Das Nucleocapsid ist so über Proteinwechselwirkungen mit der Innenseite der Membran assoziiert. Neben dem M-Protein, einem am aminoterminalen Ende glycosylierten Protein von 20 bis 30 kD, sind zwei weitere virale Proteine in die Hüllmembran eingelagert: Das ebenfalls glycosylierte S-Protein (180 bis 200 kD) liegt in keulenförmigen Trimeren vor, die etwa 20 nm aus der Membranoberfläche herausragen und für das Erscheinungsbild der Corona verantwortlich sind, und das E-Protein (9 bis 12 kD), das in nur geringen Mengen vorhanden ist. Ein weiteres mit der Membran assoziiertes Protein, HE (HämagglutininEsterase), ist nur bei den meisten der Coronaviren der Gruppe 2 vorhanden. Es hat ein Molekulargewicht von 65 kD, liegt als Dimer vor und weist eine hämagglutinierende Aktivität auf.
14.8.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Coronaviren werden in zwei Genera, Coronavirus und Torovirus, unterteilt. Die Vertreter der Gattung Coronavirus kann man nach ihren molekularen und serologischen Eigenschaften drei Gruppen zuordnen (䉴 Tabelle 14.18). Das SARS-Coronavirus wurde erst kürzlich zusammen mit den aus Schleichkatzen und Fledermäusen isolierten Coronaviren in die Gruppe 2 eingeteilt. Die Coronaviren infizieren Menschen, viele verschiedene Säugetiere, wie Huftiere und diverse Fleischfresser, sowie Vögel. Die Biologie der Toroviren und die von ihnen verursachten Krankheiten sind kaum untersucht.
Tabelle 14.18 Charakteristische Vertreter der Coronaviren Genus
Mensch
Coronavirus
Gruppe 1 humanes Coronavirus 229E humanes Coronavirus NL63
Gruppe 2 humanes Coronavirus OC43 humanes Coronavirus HKU1 SARS-Coronavirus Gruppe 3 – Torovirus
–
247
Tier Virus der transmissiblen Gastroenteritis der Schweine (TGE-Virus) felines Coronavirus (FeCoV, FIP-Virus) Fledermaus-Coronavius-HKU2, 6–8 Maus-Hepatitis-Virus (MHV), Serotypen 1–3 Coronavirus des Rindes (BHV) SARS-Coronavirus der Schleichkatze SARS-Coronavirus der Fledermaus Virus der infektiösen Bronchitis des Huhns (IBV) equines Torovirus (Bernevirus) bovines Torovirus (Bredavirus) porcines Torovirus
14
14
248
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
HE-Protein (nur bei Virustypen der Gruppe 2)
14.22 Aufbau eines Coronaviruspartikels. Im Innern des Partikels liegt das mit N-Proteinen komplexierte RNAGenom als helikales Nucleocapsid vor. Es ist von einer Membranhülle umgeben, in welche die Glycoproteine S und HE sowie das nichtglycosylierte M-Protein eingelagert sind.
Genom und Genomaufbau Coronaviren besitzen das größte Genom aller bekannten RNA-haltigen Viren: Es hat eine Länge von 27 000 bis 32 000 Basen (humanes Coronavirus 229E: 27 317; Virus der infektiösen Bronchitis des Huhns: 27 608; Virus der transmissiblen Gastroenteritis der Schweine: 28 580 Basen; SARS-Coronavirus: 29 727 Basen; MausHepatitis-Virus: 31 357 Basen), ist einzelsträngig, liegt in Plusstrangorientierung vor, ist am 5’-Ende mit einer Cap-Gruppe modifiziert und am 3’-Ende polyadenyliert (䉴 Abbildung 14.23). Die RNA ist infektiös. Das Genom enthält mehrere codierende Regionen: Zwei relativ große, an den Enden um 40 bis 60 Nucleotide miteinander überlappende Leserahmen 1a und 1b, von denen der Rahmen 1a kurz nach dem 5’-Ende beginnt, umspannen etwa 20 000 Basen und codieren gemeinsam für ein Polyprotein 1ab (pp1ab) von theoretisch 700 bis 800 kD. Die Verschiebung des ribosomalen Leserasters (frame shift) während der Translation führt zum Überlesen eines Stoppcodons am Ende des Leserahmens 1a und ermöglicht die Proteinsynthese bis zum Ende des zweiten Leserahmens. Dieser Vorgang erfolgt in 20 bis 30 Prozent der Translationsereignisse und ermöglicht die Synthese des pp1ab, dem Vorläufer für die Nichtstrukturproteine. Erfolgt diese ribosomale Leserasterverschiebung nicht, dann endet die Translation am Ende des Leserahmens 1a und es entsteht das Polyprotein 1a (pp1a, 450 bis 500 kD). Die Produkte enthalten Sequenzabschnitte für zwei (beim SARS-Coronavirus und bei den aviären Viren der infektiösen Bronchitis) beziehungsweise drei Proteasen (bei den anderen Coronaviren), welche die Vorläuferproteine pp1a und pp1ab autokatalytisch spalten, sowie eine funktionell aktive RNA-abhängige RNA-Polymerase und eine RNA-Helicase. Die Leserahmen für die Synthese der Strukturproteine befinden sich im zum 3’-Ende orientierten Drittel
des Genoms. In der Reihenfolge vom 5’- zum 3’-Ende codieren sie für die Membranproteine S, HE (nur bei den meisten Viren der Gruppe 2, nicht beim SARSCoV), E, M und direkt vor dem 3’-Ende für das N-Protein. Zusätzlich findet man im Bereich der für die Strukturproteine codierenden Genomhälften unterschiedlich viele kleine Leserahmen (ORF 2a, 3a, 3b, 6, 7a, 7b, 8a, 8b, 9b). Die Coronaviren der unterschiedlichen Gruppen unterscheiden sich in der Existenz dieser kleinen ORFs deutlich, sie codieren überwiegend für meist sehr kleine akzessorische Proteine, davon sind die meisten für die Virusreplikation nicht essenziell.
14.8.3 Virusproteine Nichtstrukturproteine Für die Synthese der Vorläuferpolyproteine pp1a und pp1ab (486 kD und 790 kD beim SARS-Coronavirus) dient das Virusgenom als mRNA. Damit das Protein 1ab gebildet werden kann, muss eine Verschiebung des ribosomalen Leserasters induziert werden, die es ermöglicht, das Stoppcodon am Ende des ORF1a zu überlesen. Das geschieht aufgrund einer definierten Sekundärstruktur der RNA, die am Ende des ersten Leserahmens eine Haarnadelschleife bildet. Das große, experimentell nicht fassbare Vorläuferpolyprotein 1ab wird bei den verschiedenen Virustypen durch die Aktivität der Proteasen autokatalytisch in 13 bis 16 Spaltprodukte geteilt; die Funktion der entstehenden Nichtstrukturproteine (NSP) ist nicht in allen Fällen bekannt. Mit am besten untersucht sind die Aktivitäten der Nichtstrukturproteine NSP1 bis NSP16 beim SARS-Coronavirus; hier findet sich eine RNA-abhängige RNA-Polymerase (NSP12), die das Virus für die Replikation des RNA-Genoms und die
20000
10000
27200
Haarnadelschleife
AAA 3´
5´-Cap
1a Leader-RNA (60–70 Basen) nichtcodierend
14
249
14.8 Coronaviren
1b S Translation + 20-30% Leserastersprung
70-80% Translation
3b
E
Proteolyse
pp1a
M
6
7a
7b
8b
9b
8a
3a
N
NSP1 - NSP11
Transkription
Proteolyse
pp1ab
NSP1 - NSP16
5´ Genom (Negativstrang) Transkription
3´
AAA 3´
5´-Cap 5´-Cap
AAA 3´ 5´-Cap 5´-Cap
mRNA
5´-Cap 5´-Cap
Genom (Plusstrang)
Translation
S-Protein
AAA 3´
NSP3a, 3b
AAA 3´
E-Protein
AAA 3´
M-Protein
AAA 3´
NSP6
5´-Cap
AAA 3´
NSP7a, 7b
5´-Cap
AAA 3´
NSP8a, 8b
5´-Cap
AAA 3´
NSP9b
AAA 3´
N-Protein
5´-Cap
14.23 Genomorganisation und Replikationsverlauf bei Coronaviren (hier: SARS-CoV). Das RNA-Genom des Virus wirkt als mRNA und wird im Cytoplasma der Zelle translatiert. Die beiden miteinander überlappenden Leserahmen codieren für die Nichtstrukturpolyproteine 1a und 1ab. Eine Haarnadelschleife induziert bei der Translation einen Leserastersprung und ermöglicht dadurch bei etwa 20–30 Prozent der Translationsvorgänge die Synthese des Nichtstrukturpolyproteins 1ab, das in seinem carboxyterminalen Bereich den Anteil der RNA-abhängigen RNA-Polymerase enthält. Dieser wird durch die autokatalytische Aktivität einer Cysteinprotease im Zentrum des Vorläuferproteins abgespalten. Papainproteaseähnliche Sequenzanteile befinden sich in den aminoterminalen Domänen der Proteine 1a und 1ab; sie sind autokatalytisch aktiv und bewirken ihre Abspaltung von den Vorläuferpolyproteinen. Die RNAabhängige RNA-Polymerase schreibt das Plusstrang-RNA-Genom in einen Negativstrang um. Dieser dient als Matrize für die Synthese von neuen Plusstrang-RNA-Genomen sowie für die Transkription einer Reihe von subgenomischen mRNA-Spezies, die am 5’-Ende mit einer Cap-Gruppe modifiziert sind und bei allen mRNA-Molekülen die identischen Sequenzen der Leader-Region enthalten. Von den subgenomischen mRNAs werden die verschiedenen viralen Strukturproteine translatiert, deren Leserahmen sich im 3’orientierten Drittel des Plusstrang-RNA-Genoms befinden. Diese überlappen zum Teil miteinander. Neben den hier aufgeführten existieren in diesem Genombereich bei den unterschiedlichen Coronavirustypen noch einige weitere kleine Leserahmen, die meist für Nichtstrukturproteine noch unbekannter Funktion codieren und in dieser Abbildung nicht angegeben sind.
Synthese der subgenomischen mRNAs benötigt. Diese ist zusammen mit einer vermutlich Zn2+-Ionen bindenden RNA-Helicase (NSP13), einer Exoribonuclease (NSP14), einer Endoribonuclease (NSP15) und einer 2’O-Ribose-Methytransferase (NSP16) Teil des großen Vorläuferpolyproteins pp1ab. Beim SARS-Coronavirus finden sich im Vorläuferproteins pp1a (486 kD), das bei
diesem Virus in insgesamt elf Abschnitte (NSP1 bis NSP11) gespalten wird, die Sequenzen einer papainähnlichen Protease PL2pro (NSP3, papain-like protease 2) und eines der 3C-Protease der Picornaviren ähnelnden Enzyms (3CLpro, 3C-like protease, NSP5). Die 3CLpro stellt die hauptsächlich aktive Protease dar und ist für elf der Spaltungen in den Vorläuferpolyproteinen verantwort-
14
250
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
lich. Diese beiden Proteasen findet man bei allen Coronaviren. Die meisten verfügen im aminoterminalen Bereich der Polyproteine pp1a und pp1ab über eine weitere papainähnliche Cysteinprotease (PL1pro), die autokatalytisch eine aminoterminale Domäne von den Polyproteinen abspaltet. Ihre Funktion ist nicht endgültig geklärt (䉴 Tabelle 14.19). Beim SARS-CoV findet sich statt dieser proteolytischen Aktivität im Nichtstrukturprotein nsp1 eine Funktion, die in den Stoffwechsel der Zellen eingreift und den Abbau der zellulären mRNAs bewirkt, unter anderen auch derjenigen Transkripte, die für die Synthese der Klasse-I-Interferone notwendig sind. Zusätzlich codieren die verschiedenen Coronaviren einige weitere Nichtstrukturproteine, die im Infektionsverlauf produziert werden. Die genetische Information befindet sich im Bereich der Strukturproteingene, jedoch nicht regelmäßig bei allen Virustypen. Die Funktion dieser kleinen akzessorisch wirkenden Proteine ist weitgehend ungeklärt.
Strukturproteine Drei Typen von Membranproteinen findet man bei allen Coronaviren: das M- (in älterer Nomenklatur auch E1Protein), das S-Protein (auch E2-Protein genannt) und das E-Protein (auch sM-Protein). Ein weiteres Glycoprotein HE ist nur in den meisten Viren der Gruppe 2 vorhanden (䉴 Tabelle 14.19). Das S-Protein (S steht für surface oder spike) hat ein Molekulargewicht von 180 bis 200 kD. Es ist glycosyliert und über eine Transmembranregion in der Nähe des fettsäuremodifizierten Carboxylendes in der Membran der Viruspartikel, aber auch in der Cytoplasmamembran verankert. Das S-Protein liegt als Di- oder Trimer vor und bildet in dieser Form keulenähnliche Proteinvorsprünge auf der Virusoberfläche. Im Verlauf einer Infektion werden neutralisierende Antikörper gegen das S-Protein gebildet. Drei wichtige Epitope konnte man in der Aminosäuresequenz lokalisieren. Über Domänen des S-Proteins adsorbiert das Virus an die Oberflächenmoleküle auf der Zelle. Die Tatsache, dass das Protein in der Membran der infizierten Zellen vorhanden ist, macht diese zu Zielen für die antikörpervermittelte cytotoxische Zelllyse durch Killerzellen. Im S-Protein ist zudem die Fusionsaktivität des Virus lokalisiert. Darunter versteht man die Fähigkeit der viralen Hüllmembran, mit der Cytoplasmamembran zu verschmelzen und die Fusion der Membranen infizierter Zellen mit der von nichtinfizierten und die damit verbundene Polykaryocytenbildung zu bewirken. Um die Fusionspotenz zu aktivieren, muss bei einigen Coronavirustypen (MausHepatitis-Virus, Virus der infektiösen Bronchitis der Vögel und ähnliche) eine zelluläre, trypsinähnliche Pro-
tease das S-Protein an einer stark basischen Aminosäurenfolge in der Mitte der Sequenz spalten. Dieser Vorgang erfolgt wahrscheinlich während der späten Schritte der Virusreifung im Golgi-Apparat. Er ergibt einen aminoterminalen Anteil S1, der nichtkovalent mit der carboxyterminalen Hälfte S2 verbunden ist und von der Virusoberfläche abgelöst werden kann. Die Fusionswirkung wird jedoch nicht wie bei den Paramyxoviren vermittelt, bei denen durch die Spaltung ein neues, hydrophobes aminoterminales Ende am S2-Teil gebildet wird (䉴 Abschnitt 15.3). Der molekulare Mechanismus der Membranfusion ist bei den Coronaviren noch nicht endgültig geklärt. Auch Virustypen, deren S-Protein nicht proteolytisch gespalten wird, können Zellverschmelzungen induzieren. An dem Vorgang scheinen, wie man beim Maus-Hepatitis-Virus zeigen konnte, zwei in der Aminosäuresequenz des S2-Proteins gelegene hydrophobe Abschnitte beteiligt zu sein. Werden sie durch Mutation verändert, geht die Fusionsaktivität verloren. Das HE-Protein (Hämagglutinin-Esterase) wird nur bei einigen Coronaviren der Gruppe 2 gefunden; die SARS-CoV besitzen kein entsprechendes Gen. Das HEProtein ist glycosyliert, hat ein Molekulargewicht von etwa 65 kD und ist über Disulfidbrücken zu einem Dimer verbunden. Die Viren, die für das HE-Protein codieren und es exprimieren, haben die Fähigkeit der Hämagglutination und Bindung an Erythrocyten. Hierbei interagiert das HE-Protein mit 9-O-acetylierten Neuraminsäuren (Sialylsäuren), die sich als Modifikation an Lipid- und Proteinkomponenten auf Zelloberflächen befinden. Mit dem HE-Protein assoziiert ist eine Esterase, über die das Virus die Acetylgruppen von der Neuraminsäure entfernen kann. Das HE-Protein der Coronaviren hat eine ausgeprägte Sequenzhomologie zum HEF-Protein der Influenza-C-Viren (䉴 Abschnitt 16.3). Das E-Protein (9–12 kD) findet sich in den infektiösen Viruspartikeln in unterschiedlicher Konzentration wieder, es ist für die Partikelbildung und die Morphogenese notwendig. Bei einigen Coronaviren (MausHepatitis- und SARS-Coronavirus) hat das E-Protein proapoptotische Funktion. Des Weiteren scheint das EProtein zur Gruppe der Viroporine zu zählen; es bildet Ionenkanäle und verändert die Membranpermeabilität. Das M-Protein (M steht für Matrix) ist ein an der aminoterminalen Domäne glycosyliertes Oberflächenprotein mit einem Molekulargewicht von 20 bis 30 kD. Die Zuckergruppen sind überwiegend mit Serin- oder Threoninresten verknüpft. Es liegt also im Gegensatz zu der meist üblichen N-Glycosylierung an Asparaginresten hier eine O-Glycosylierung vor. Nur wenige aminoterminale Bereiche dieses Proteins sind an der Oberfläche exponiert und es besitzt drei Transmem-
14.8 Coronaviren
251
Tabelle 14.19 Bekannte Funktionen und Eigenschaften der Coronavirusproteine codierender Leserahmen
Protein
Größe (Aminosäuren*)
ORF1a
NSP1
180 AS
NSP2
638 AS
PL1pro
?
NSP3 / PL2pro
1922 AS
Zn-Finger-Motiv; 180–200 kD
papainähnliche Cysteinprotease; spaltet pp1a und pp1ab zwischen NSP2 und NSP3; bewirkt Deubiquitinylierung von Proteinen; ADPPhopsphatase
NSP4
500 AS
membranassoziiert
beeinflusst Bildung intrazellulärer Membranvesikel; aktiv bei Virusmorphogenese?
NSP5 / 3CLpro
306 AS
30 kD; Dimer
Serinpotease mit Homologie zur 3C-Protease der Picornaviren; Hauptprotease
NSP6
290 AS
hydrophob; Transmembrandomäne
?
NSP7
83 AS
bildet zusammen mit NSP7 Superkomplexe
?
NSP8
198 AS
bildet zusammen mit NSP7 Superkomplexe; nucleinsäurebindende Eigenschaften
alternative RNA-abhängige RNA-Polymerase zu NSP12; Primase zur Synthese der RNA-Primer bei Genomreplikation und Transkription?
NSP9
113 AS
bildet Homodimere; Interaktion mit NSP8
?
NSP10
139 AS
Zn-Finger-Motiv; nuclein- ? säurebindende Eigenschaften
ORF1b
Eigenschaften
Funktion
Virulenzfaktor; Aktivität nur bei SARS-CoV beschrieben; bewirkt Abbau der zellulären RNA und ermöglicht dem Virus, sich ungestört zu replizieren; blockiert Synthese von IFN-α und IFN-β ?
unklar; Wechselwirkung mit zellulären Proteinen Prohibitin 1 und 2; Deletion hat keine Auswirkung auf Replikation papainähnliche Cysteinprotease; autokatalytische Abspaltung der aminoterminalen Domäne vom pp1a und pp1ab (nicht beim SARS-CoV)
NSP11
13 AS
?
?
NSP12/RNAabhängige RNA-Polymerase
932 AS
106 kD
Synthese der genomischen und subgenomischen RNA-Spezies
NSP13/RNAHelicase
601 AS
Zn2+-Ionen bindend, 67 kD
ss/dsRNA-Helicase; NTPase; dNTPase; notwendig für die Genomreplikation (RNA 5’-Triphosphatase; aktiv bei 5’-Capping der mRNAs)
NSP14/3’-5’527 AS Exoribonuclease (ExoN)
Exoribonuclease; aktiv bei RNA-Synthese; möglicherweise an Rekombinations- und Reparaturvorgängen beteiligt
14
14
252
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
Tabelle 14.19 (Fortsetzung) codierender Leserahmen
Protein
Größe (Aminosäuren*)
Eigenschaften
Funktion
NSP15/Endoribonuclease (NendoU)
346 AS
uridylspezifische Endoribonuclease; aktiv bei RNA-Synthese
NSP16/2’-O298 AS Ribose-Methyltransferase
aktiv beim 5’-Capping der mRNAs und Virusgenome
ORF2a
2a-Protein 30 kD (Maus-HepatitisVirus)
Nichtstrukturprotein
cyclische Phosphodiesterase; RNA-Prozessierung
ORF2
S-Protein
180–200 kD
glycosyliertes Membran- Adsorption/Rezeptorbindung; induziert protein; Trimer; lokalisiert Membranfusion; induziert Bildung neutraliin Virus- und Cytoplasma- sierender Antikörper; ADCC-Antwort membran infizierter Zellen
ORF2,1
HE-Protein
65–70 kD
glycosyliertes Membranprotein; bei den meisten Coronaviren der Gruppe 2 vorhanden (nicht beim SARS-CoV)
ORF3
3a-Protein
274 AS
Membranprotein, Ionenkanalprotein; induziert beim SARS-CoV die O-glycosyliert; Tetramer; Produktion proinflammatorischer Cytokine Bestandteil der Viruspartikel
3b-Protein
154 AS
Transport in Zellkern
Funktion unklar; Hemmung der Produktion von IFN-α/IFN-β?
ORF4
E-Protein
9–12 kD
Membranprotein
notwendig für Partikelbildung; Ionenkanalprotein (Viroporin); bei einigen Coronaviren proapoptotisch
ORF5
M-Protein
20–30 kD
Glycosyliertes Membran- Interaktion mit N-Protein; initiiert die virale protein; lokalisiert in Morphogenese durch Budding in das ER-Lumen viraler und ER-Membran infizierter Zellen
ORF6
ORF6-Protein
63 AS
Coronoaviren, Gruppe 2 Funktion unklar; Wechselwirkung mit (SARS-CoV): mit MemKaryopherin-α2, dadurch Hemmung des branen des ER und der Kerntransports von Stat1? Golgi-Vesikel assoziiert; Teil der Viruspartikel. Coronaviren, Gruppen 1 und 3: Nichtstrukturprotein unklarer Funktion
ORF7
7a-Protein
122 AS
ER/ERGIC/Golgi, auch Induktion von Apoptose; Aktivierung zellulären Teil der Viruspartikel; Kinasen; Interaktion mit BiP und Proteasom Interaktion mit M-/E-Proteinen, anderen akzessorischen Proteinen und zellulären Proteinen
7b-Protein
44 AS
Membranprotein Funktion unklar (SARS-CoV); in Viruspartikeln nachweisbar; in infizierten Zellen in GolgiVesikeln
Hämagglutinin-Esterase; Hämagglutinin und Esterase verantwortlich für sekundäre Adsorption (Hämadsorption) an acetylierte Neuraminsäurereste
14.8 Coronaviren
253
Tabelle 14.19 (Fortsetzung) codierender Leserahmen
Protein
Größe (Aminosäuren*)
Eigenschaften
Funktion
ORF8a
8ab-Protein, 8a-Protein, 8b-Protein
ORF9
N-Protein
50—60 kD
phosphoryliert; stark basisch; Dimere; Lokalisation zelltypspezifisch auch im Kern
Bindung an RNA-Genom unter Bildung des helikalen Nucleocapsids; Interaktion mit cytoplasmatischer Domäne des M-Proteins; Induktion von Apoptose; Aktivierung von Caspasen und Prozessierung durch Caspasen smad3, damit Eingriff in zelluläre Transkription und Zellzyklusregulation
9b-Protein
?
assoziiert mit intrazellulären Membranvesikeln (SARS-CoV)
Funktion unklar, Morphogenese?
SARS-CoV Isolate aus Funktion unklar Tieren (Schleichkatzen, Fledermäuse) enthalten einen durchgehenden ORF8 und produzieren ein 8ab-Protein; in aus Menschen isolierten SARSCoV ist der ORF8 durch eine Deletion von 29 Basen in ORFa und ORFb getrennt
*Angaben beziehen sich, falls nicht anders angegeben, auf das SARS-CoV. Die Auflistung der Proteine entspricht der Anordnung der sie codierenden Leserahmen im Virusgenom. ER: endoplasmatisches Reticulum; ADCC: antikörpervermittelte cytotoxische Zellreaktion.
branregionen. Das carboxyterminale Ende befindet sich im Inneren des Viruspartikels und interagiert mit dem N-Protein des Nucleocapsids. Das M-Protein wird nicht über den Golgi-Apparat zur Cytoplasmamembran transportiert, sondern bleibt während des gesamten Infektionszyklus in der Membran des endoplasmatischen Reticulums. An diesen Stellen erfolgen durch die Wechselwirkung des M-Proteins mit dem Nucleocapsid die ersten Schritte des Virus-Assembly, die das Budding in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums einleiten. Ebenfalls an der Virusmorphogenese beteiligt ist das E-Protein. Werden die M- und E-Proteine über gentechnologische Methoden isoliert in eukaryotischen Zellen produziert, dann lagern sie sich zu virusähnlichen Partikeln zusammen. Das N-Protein (N steht für nucleinsäurebindend), das in Wechselwirkung mit dem viralen Genom vorliegt, ist reich an basischen Aminosäuren und phosphoryliert. Außerdem kann es spezifisch mit den carboxyterminalen Regionen des M-Proteins interagieren. Phylogenetische Stammbäume, die auf der Nucleinsäuresequenz des N-Gens beruhen, korrelieren gut mit der Einteilung der
Coronaviren in verschiedenen Gruppen. N-Proteine sind sowohl im Cytoplasma als auch im Nucleolus der infizierten Zellen nachweisbar. Aufgrund der zelltypspezifischen Lokalisation im Nucleus/Nucleolus vermutet man, dass die N-Proteine in verschiedene zelluläre Prozesse eingreifen.
Akzessorische Proteine Außer den klassischen Strukturproteinen sind etliche Produkte, die in den kleinen Leserahmen in der 3’-orientierten Hälfte des Genoms im Bereich der Strukturgene codieren, ebenfalls in den Viruspartikeln nachweisbar. Hierzu zählen die Proteine 3a, 7a, 7b und das ORF6Protein. Überwiegend handelt es sich dabei um Genprodukte mit akzessorischen Funktionen: Man kann die entsprechenden Gene deletieren, ohne dass die Infektiosität oder die Replikationsfähigkeit in vitro grundlegend eingeschränkt ist. Vermutlich haben diese Proteine aber wichtige Aufgaben als Virulenzfaktoren, wenn Menschen oder Tiere infiziert werden. Über die Funktion dieser Proteine ist nur wenig bekannt (䉴 Tabelle 14.19).
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14.8.4 Replikation Humane Coronaviren 229E adsorbieren durch Wechselwirkung nicht näher charakterisierter Domänen des SProteins mit der Zink-Metalloprotease CD13 (Aminopeptidase N) auf der Zelloberfläche. Es gibt keinen Hinweis, dass die CD13-Protease bei der Bindung das S-Protein spaltet. Auch das feline Coronavirus verwendet eine Aminopeptidase als Rezeptor. Das SARS-Coronavirus und auch das humane Coronavirus NL63 binden sich hingegen über eine Domäne der S1-Proteine an eine andere Metalloprotease, nämlich an das Protein ACE-2 (angiotensin-converting enzyme 2). Dieses findet man auf der Oberfläche von Pneumocyten, aber auch auf Enterocyten und Zellen anderer Gewebe und Organe (Herz, Niere, Endothel). Zusätzlich verstärkt die Bindung an einige Lektine wie DC-SIGN, L-SIGN oder LSECtin den Zelleintritt des SARS-CoV. Dem MausHepatitis-Virus dienen verschiedene Isoformen des CEA-Antigens (carcinogenic embryonic antigen), die zur Gruppe der Immunglobulinsuperfamilie gerechnet werden, als zelluläre Rezeptoren. Coronaviren, die zusätzlich zum S-Protein das HE-Protein in der Membran enthalten, können außerdem mit 9-O-acetylierten Neuraminsäureresten auf der Zelle interagieren. Diese erste Wechselwirkung des HE-Proteins mit den Zuckergruppen reicht jedoch für die Infektion der Zelle nicht aus. Sie muss durch spezifische Bindung des S-Proteins mit noch nicht identifizierten Zellproteinen verstärkt werden. Die Aufnahme der Partikels scheint durch eine rezeptorvermittelte Endocytose und nachfolgende Fusion der Endosomen- mit der Virusmembran (wie bei den Flaviund Togaviren; 䉴 Abschnitte 14.5 und 14.6) zu erfolgen. Beim SARS-CoV ist beschrieben, dass die Bindung zwischen dem S1-Protein und dem ACE-2 konformationelle Veränderungen der S-Proteine bewirkt, wodurch eine fusogene Region im S2-Anteil bei niedrigem pH-Wert ihre Aktivität entfaltet und die Verschmelzung von Virus- und Zellmembran einleitet. Eine mit den Endosomenmembranen assoziierte Protease, L-Cathepsin, welche noch ungespaltene S-Proteine in die Anteile S1 und S2 prozessiert, fördert die Infektiosität der Viren. Alle Replikationsschritte laufen im Cytoplasma der Zelle ab. Das RNA-Genom der Coronaviren ist am 5’-Ende mit einer Cap-Struktur versehen, welche die Bindung der Ribosomen vermittelt. Von der genomischen RNA werden zuerst – wie bereits erwähnt – die Polyproteine der Nichtstrukturproteine pp1a und unter Induktion eines ribosomalen Leserastersprunges das Vorläuferprotein pp1ab translatiert, das die RNA-abhängige RNA-Polymerase enthält (䉴 Abbildung 14.23).
Das Vorläuferprotein pp1ab, das hierbei gebildet wird, hat ein Molekulargewicht von 700 bis 800 kD. Bisher konnte man es im Verlauf der Virusinfektion in der Zelle nicht direkt nachweisen. In vitro-Translationsexperimente, bei denen man die genomische RNA als Matrize einsetzte, ergaben jedoch, dass dieses Translationsprodukt tatsächlich entsteht. Die in seiner Sequenz enthaltenen Proteasen (PL1pro, PL2pro und 3CLpro) spalten das pp1ab in 16 Nichtstrukturproteine, von denen eines die RNA-abhängige RNA-Polymerase (NSP12) ist. Im folgenden Schritt wird durch die Aktivität der gebildeten RNA-abhängigen RNA-Polymerase sowie der RNA-Helicase (NSP13), Exoribonuclease (NSP14), und Endoribonuclease (NSP15) unter Verwendung der genomischen RNA als Matrize der Gegenstrang synthetisiert. Dieser umfasst das gesamte Genom und hat eine negative Orientierung. Im weiteren Verlauf des Replikationszyklus hat er zwei Funktionen: Er dient als Matrize für die Synthese neuer Virusgenome und für die Bildung von subgenomischen mRNA-Spezies. Beim SARS-CoV findet man insgesamt acht dieser subgenomischen mRNAs, von denen die verschiedenen akzessorischen und Strukturproteine translatiert werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie diskontinuierlich synthetisiert werden: Alle haben das gleiche 3’-Ende, ihre Startpunkte sind jedoch unterschiedlich und befinden sich in der Genomregion zwischen dem Ende des Leserahmens für das Polyprotein 1ab und dem 3’-Ende des Genoms. Trotz ihrer unterschiedlichen Startpunkte haben alle subgenomischen mRNA-Moleküle am 5’-Ende eine einheitliche, etwa 60 bis 90 Nucleotide lange Sequenz: die Leader-RNA. Sie ist am 5’-Ende gecappt und komplementär zum 3’-Ende des Negativstranges. Man vermutet, dass diese Leader-RNA als Primer für die subgenomischen mRNA-Spezies dient; ob für die Synthese dieser kurzen RNA-Abschnitte die Aktivität des nsp8 benötigt wird, ist unklar. Nahe ihrem 3’-Ende weisen die LeaderRNAs eine konservierte Basenfolge (UCUAAAC) auf. Komplementäre Sequenzen hierzu sind in der Negativstrang-RNA an unterschiedlichen Stellen zu finden. Sie sind den verschiedenen Initiationsstellen für die Synthese der subgenomischen mRNA-Spezies vorgelagert: Mit ihnen kann die Leader-RNA hybridisieren und so einen kurzen doppelsträngigen Bereich mit dem 3’-OHEnde für die Fortsetzung der Polymerisation liefern. Die RNA-Polymerase kann die Synthese der subgenomischen mRNA-Spezies an den verschiedenen Startregionen vermutlich nicht selbst initiieren. Daher musste das Virus wohl diesen Mechanismus des Transfers einer Leader-RNA entwickeln. Der Befund, dass die konservierte Heptamersequenz vor einigen Transkriptionsstartpunkten mehrfach wiederholt vorliegt – beispielsweise vor dem Beginn der für das N-Protein codie-
14.8 Coronaviren
renden Sequenzfolgen – weist darauf hin, dass an diesen Stellen die RNA-Synthese bevorzugt initiiert wird und so auch die Menge der verschiedenen Proteine kontrolliert werden kann. Diese nested-Transkripte werden durch die 2’ORibose-Methyltransferase (NSP16) am 5’-Ende mit einer Cap-Gruppe versehen; diese vermittelt die Bindung der Ribosomenuntereinheiten und die Translation des jeweiligen, am 5’-Ende gelegenen Leserahmens in ein Protein. Bei den verschiedenen Coronavirustypen sind unterschiedlich viele der subgenomischen RNAs jedoch bi- oder auch tricistronisch, von ihnen werden also zwei oder drei Proteine translatiert. Beim SARSCoV sind insgesamt fünf der subgenomischen RNA bicistronisch, beim Virus der infektiösen Bronchitis des Huhns fand man eine tricistronische mRNA. Die Translation der Leserahmen, die nicht benachbart zum 5’gecappten Ende der subgenomischen mRNAs vorliegen, erfolgt dann in einem alternativen Mechanismus, häufig durch eine Verschiebung des ribosomalen Leserasters. Im Fall der subgenomischen RNAs 3 und 5 des Virus der infektiösen Bronchitis des Huhns beziehungsweise des Maus-Hepatitis-Virus dient hingegen eine IRES-ähnliche Sekundärstruktur der RNA zur Anlagerung der Ribosomen vor dem Start der stromabwärts gelegenen Leserahmen. Es scheinen jedoch neben diesen noch andere Wege zu existieren, welche eine Translationsinitiation alternativ genutzter Leserahmen ermöglichen. Diese sind jedoch meist nicht sehr effektiv und bewirken, dass die entsprechenden Proteine in nur geringen Mengen gebildet werden. Welche Mechanismen bei der Regulation der Proteinsynthese außerdem eine Rolle spielen, ist nicht geklärt. Mengenmäßig wird in der infizierten Zelle am meisten das N-Protein gebildet, das von der kürzesten mRNA translatiert wird. Bei der Virusmorphogenese komplexieren die NProteine mit den genomischen RNA-Strängen zu den helikalen Nucleocapsiden und binden sich an die carboxyterminalen Domänen der in die Membran des endoplasmatischen Reticulums eingelagerten M- und E-Proteine. Dieser Vorgang löst den Budding-Prozess aus, in dessen Verlauf das Nucleocapsid mit der M-, S-, und – soweit vorhanden – HE-Proteine enthaltenden Membran umgeben wird. Die entstehenden Partikel werden in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums abgegeben und im weiteren Verlauf über die Golgi-Vesikel zur Zelloberfläche transportiert, wo sie in die Umgebung entlassen werden.
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14.8.5 Humanpathogene Coronaviren Die humanen Coronaviren HCoV-229E und HCoVOC43 Epidemiologie und Übertragung Die humanen Coronaviren der Subtypen HCoV-229E und HCoV-OC43 sind bereits seit 1966 und 1967 bekannt; die Subtypen HCoV-NL63 und –HKU1 wurden erst vor einigen Jahren identifiziert, als man als Folge der SARS-Epidemie verstärkt nach humanen Coronaviren suchte. Alle diese Coronavirustypen kommen weltweit vor: Bereits 75 beziehungsweise 65 Prozent der Kinder im Alter von dreieinhalb Jahren und bis zu 90 Prozent der Erwachsenen haben Antikörper gegen die Viren – ein Hinweis auf ihre weite Verbreitung. Man schätzt, dass weltweit zehn Prozent aller Infektionen der oberen und unteren Atemwege durch sie verursacht werden. Coronaviren werden von infizierten Personen durch Tröpfcheninfektion übertragen. Wie bei anderen Tröpfcheninfektionen kann eine Übertragung bei ungenügender Hygiene auch über Schmierinfektionen erfolgen. Die Infektionen treten gehäuft während des Winterhalbjahres auf. Reinfektionen – auch mit dem gleichen Virusstamm – sind häufig, verlaufen aber meist symptomlos.
Klinik Coronaviren verursachen Erkältungserkrankungen der oberen und seltener der unteren Atemwege. Die Infektionen verlaufen häufig inapparent oder haben überwiegend harmlose Auswirkungen. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis fünf Tage, die Erkrankungsdauer mit Schnupfen, Husten, Hals- und Kopfschmerzen in Verbindung mit leichtem Fieber etwa eine Woche. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann die Infektion einen deutlich schwereren Verlauf nehmen und mit Croupähnlichen Symptomen verbunden sein. Hier kann es zu asthmatischen Anfällen und in Einzelfällen auch zu Bronchitis und Lungenentzündung kommen. Bei vorbestehenden respiratorischen Grundkrankheiten wie Asthma und chronischer Bronchitis können diese sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen verstärkt werden. Humane Coronaviren werden auch mit Erkrankungen des gastrointestinalen Systems in Verbindung gebracht. Dies gilt besonders für immunologisch geschwächte Personen, zum Beispiel AIDS-Patienten, bei denen auch länger andauernde Durchfallerkrankungen beobachtet wurden.
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Pathogenese
Therapie und Prophylaxe
Die humanen Coronaviren vermehren sich in den Flimmerepithelzellen des Respirationstraktes, die entsprechende Rezeptormoleküle ACE-2 oder CD13 aufweisen. Elektronenmikroskopische Untersuchungen weisen darauf hin, dass sie sich auch im Darmepithel vermehren. Die Infektion beschränkt sich in aller Regel auf die Epithelzellen dieser Organe. Fälle, in denen das Virus während der Erkrankung Makrophagen und Lymphocyten infiziert, sich in diesen vermehrt, über die Blutbahn verbreitet wird und in der Folge Leber-, Endothel-, Glia- und Nierenepithelzellen befällt, sind nur von tierischen Coronaviren und dem SARS-CoV bekannt. Inwieweit das HE-Protein bei der Infektion dieser Zelltypen und der Pathogenese der Erkrankung eine Rolle spielt, ist nicht bekannt. Mutationen im S-Protein verändern den Tropismus, das heißt die Spezifität für verschiedene Zelltypen, und die Virulenz. Neben virusspezifischen scheinen auch genetische Merkmale des Menschen für die Etablierung der Coronavirusinfektion wichtig zu sein: So ist die Empfänglichkeit für HCoV-229E-Infektionen offenbar durch einen Faktor bedingt, der auf dem Chromosom 15 codiert wird.
Da eine Coronavirusinfektion weitgehend harmlos verläuft, hat man bisher nicht versucht, einen Impfstoff zu entwickeln. Eine antivirale Therapie gibt es nicht.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf einer Coronavirusinfektion werden IgM-, IgG- und IgA-Antikörper gebildet. Immunglobuline gegen das S-Protein sind neutralisierend. Im Nasensekret sezernierte IgA-Antikörper und Interferone scheinen für den Schutz vor einer Infektion wichtig zu sein. Über die Bedeutung der zellulären Immunantwort im Verlauf der Infektion beim Menschen ist kaum etwas bekannt. Vom Maus-Hepatitis-Virus weiß man, dass cytotoxische T-Zellen an der Eliminierung des Virus aus dem Organismus beteiligt sind. Coronaviren lassen sich bedingt in Kultur züchten. HCV-227E kann man in Organkulturen der embryonalen Trachea, menschlichen Rhabdomyosarcomzellen oder der Linie MA-177, einer diploiden Darmepithelzelllinie, vermehren. Die Anzucht von HCoV-OC43 ist deutlich schwieriger. Die Diagnose einer Coronavirusinfektion erfolgt meist retrospektiv durch Nachweis von virusspezifischen IgM- und IgG-Antikörpern im ELISA-Test. Alternativ hierzu kann man heute aus geeigneten klinischen Materialien die viralen Nucleinsäuren mit der Polymerasekettenreaktion amplifizieren und nachweisen.
Das Virus des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS-Virus) Epidemiologie und Übertragung Die ersten Infektionen mit dem SARS-Coronavirus traten im November 2002 in Foshan und Heyuan in der Provinz Guangdong in China auf. Die Mehrzahl der Patienten hatte direkte oder indirekte Kontakte zu Märkten, auf denen mit lebenden Tieren gehandelt wurde. Bis Januar 2003 hatten sich die Infektionen durch Übertragungen von Mensch zu Mensch bis nach Guangzhou, die Hauptstadt der Provinz Guangdang ausgebreitet; es erkrankten nun überwiegend Personen, die im Gesundheitsdienst tätig waren. Man sprach von einer „infektiösen, atypischen Lungenentzündung“ und hatte eine Reihe von Infektionserregern, unter anderem auch Chlamydien, als mögliche Auslöser im Verdacht. Als sich die Zahl der Erkrankten auf über 300 erhöht hatte, darunter 100 Krankenpfleger und Ärzte, und fünf davon verstarben, wurde am 11. Februar 2003 die WHO von dieser neuen Infektion informiert. Im März 2003 hielt sich ein infizierter Nephrologe aus der Provinz Guangdong in einem Hotel in Hongkong auf und infizierte dort nachweislich mindestens zehn andere Hotelgäste. Diese wiederum trugen die Infektion in diverse Länder, einschließlich Singapur, Vietnam, Irland, USA und Kanada. In Hongkong und den oben genannten Ländern wurden in einer zweiten Infektionswelle vor allem Ärzte und Krankenschwestern infiziert, welche die Infektion wiederum in den Kliniken und innerhalb ihrer Familien weitergaben und auch in weitere Länder exportierten. Hierdurch gelangte der Erreger über Singapur auch nach Deutschland. Am 10. März 2003 gab man dieser neuen Erkrankung die Bezeichnung severe acute respiratory syndrome (SARS; schweres akutes respiratorisches Syndrom). In den folgenden Monaten bis 5. Juli 2003 trat die SARS-Erkrankung bei weltweit über 8 400 Patienten in 29 Ländern auf, etwa 800 davon verstarben. Infolge der massiven Gegenmaßnahmen durch die WHO gelang es aber, die Infektion relativ schnell einzudämmen. Diese Maßnahmen umfassten Isolierung/ Quarantäne, Einreiseverbote/Reisebeschränkungen, Kontrollen an Flughäfen und sowohl offene als auch aktuelle Informationspolitik. Bereits im März 2003 gelang es
14.8 Coronaviren
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q Carlo Urbani verstarb an SARS Der Arzt Carlo Urbani war einer der ersten, die erkannten, dass es sich bei SARS um eine neue, ungewöhnliche Lungenentzündung handelt, von der eine erhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgehen könnte. Er war einer der Experten der WHO für infektiöse Erkrankungen. Urbani veranlasste zusammen mit der WHO und den Regierungen
Christian Drosten vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg und weiteren internationalen Forschergruppen unabhängig voneinander, ein Coronavirus als ursächlich für die Erkrankung zu identifizieren und seine Genomsequenz vollständig zu entschlüsseln. Dies ermöglichte die Entwicklung von spezifischen diagnostischen Testsystemen. Eine Besonderheit war, dass damals alle Informationen sofort zugänglich und beispielsweise über das Internet bekannt gemacht wurden. Da man vermutete, dass dieses neue humane Virus im Rahmen von Zoonosen auf Menschen übertragen worden war, untersuchte man verschiedene Tierspezies, die auf Lebendtiermärkten in Guangdong gehandelt wurden, auf entsprechende Infektionen. In Nasenabstrichen und Kotproben von Schleichkatzen (Paguma larvata) und von Waschbären (Nyctereutes procyonoides) fanden sich Coronaviren, deren Genome fast identisch zum humanen SARS-Coronavirus waren. Auch wiesen Tierhändler gehäuft Antikörper auf, die mit den Proteinen des SARS-Coronavirus reagierten. Es zeigte sich, dass das Virus auch eine Reihe anderer Tiere wie Katzen, Mäuse, Frettchen und Makakken infizieren kann, jedoch waren wildlebende Schleichkatzen und Waschbären nicht infiziert. Dies legte die Vermutung nahe, dass es sich bei diesen Tieren nicht um die natürlichen Wirte handeln konnte. Dies sind vermutlich Fledermäuse der Gattung Rhinolophus spp. (große Hufeisennase). Bei ihnen konnte man die SARS-Viren in großen Konzentrationen nachweisen. Sie scheiden die Erreger über ihre Exkremente aus. Die Fledermäuse haben die Viren unter den Bedingungen der engen Haltung auf den Lebendtiermärkten auf die Schleichkatzen übertragen, von denen aus die Weitergabe auf die Tierhändler, -käufer und -verwerter (Köche, Pelzverarbeiter) erfolgte. Dabei erfolgte durch weitere Mutationen die Anpassung an menschliche Wirte, sodass das Virus von infizierten Patienten an andere Menschen weitergegeben werden konnte. Die Übertragung unter den Menschen erfolgt überwiegend durch Tröpfcheninfektion, wobei man
der von SARS betroffenen Länder, dass bereits im Februar/ März 2003 in Vietnam und Südostasien Maßnahmen ergriffen wurden, die geeignet waren, die Ausbreitung der Infektion einzudämmen und zu verhindern. Leider infizierte er sich dabei selbst mit dem SARS-Virus und verstarb am 29. März 2003.
zunächst davon ausging, dass jeder Infizierte auch innerhalb von zehn Tagen Symptome entwickelt. Es gibt jedoch klare Hinweise, dass das Virus auch über den Stuhl ausgeschieden wird und fäkal-orale Schmierinfektionen zur Verbreitung beitragen können. Mit Ausnahme einiger weniger Infektionen im Januar 2004 in Guangdong, die wiederum mit Tierkontakten verbunden waren, sowie von einigen Fällen, die auf Laborkontakte mit dem SARS-Coronavirus zurückgeführt werden konnten, traten seit dem SARS-Ausbruch im Jahr 2003 keine weiteren SARS-Infektionen und Erkrankungen auf.
Klinik Das Virus wird durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis maximal zehn Tage, die Erkrankungen beginnen mit grippeähnlichen Symptomen, Lymphknotenschwellung und Fieber. Die Patienten entwickeln einen trockenen Husten verbunden mit Schnupfen, Glieder-, Muskel-, Hals- und Kopfschmerzen. In diesem Stadium ist die Erkrankung klinisch praktisch nicht von einer Influenzavirusinfektion unterscheidbar. Häufig sind mit den gravierenden respiratorischen Symptomen auch Erkrankungen des gastrointestinalen Systems (Durchfall, Übelkeit) sowie Thrombocytopenien verbunden. Etwa eine Woche nach Auftreten der ersten Symptome entwickelt sich bei einem Teil der Patienten eine schwere Lungenentzündung, die häufig mit Lungenfibrose, Herzinfarkt, akutem Nierenversagen und schließlich Multiorganversagen verbunden ist.
Pathogenese Vermutlich vermehrt sich das SARS-Coronavirus initial ähnlich wie die anderen humanen Coronaviren in den Epithelzellen des Respirationstraktes. Die Rezeptorproteine ACE-2, an die sich das Virus durch die S-Proteine
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bindet, findet man auf der Oberfläche von Zellen in vielen Geweben; sie sind ein Bestandteil des Renin-Angiotensin-Systems und regulieren dieses. Durch die Wechselwirkung mit den S-Proteinen wird die Konzentration von ACE-2 auf der Zelloberfläche gesenkt. Dies induziert in den infizierten Patienten möglicherweise eine besondere Empfänglichkeit für Entzündungen und Versagen der Lungenfunktion. Außer an ACE-2 haben die S-Proteine die Fähigkeit, sich an DC-SIGN (dendritic cell-specific ICAM-3-grabbing non integrin) anzulagern. Dies sind Rezeptorproteine, die man auf der Oberfläche von dendritischen Zellen findet. Die Bindung an DCSIGN ermöglicht den Viren allerdings nicht die Aufnahme in diese Zellen, sie werden jedoch zusammen mit den dendritischen Zellen in die Lymphknoten und in andere Gewebe transportiert. Hier finden die Viren ACE-2-positive infizierbare Zellen. Das Virus scheint sich auf diesem Wege über die Blutbahn im Körper zu verbreiten, es infiziert in der Folge – ähnlich wie die tierischen Coronaviren – Endothel-, Lungen, und Nierenund Darmepithelzellen. Zahlreiche Patienten entwickeln während der Erkrankung einen Herzinfarkt. Möglicherweise ist dies mit der Bindung der viralen S-Proteine an die ACE-2-Rezeptoren auf der Oberfläche von Myocyten verbunden. In der frühen Infektionsphase findet man in den Patienten eine schnelle Aktivierung von unspezifischen Immunreaktionen mit erhöhter Produktion von verschiedenen CC-Chemokinen und Chemokinrezeptoren, von proinflammatorischen Interleukinen und von tolllike-Rezeptor 9. Dies bewirkt eine schnelle Mobilisierung von Monocyten und Makrophagen, die in die infizierten Organe, vor allem in die Lunge einwandern und den Entzündungsvorgang einleiten. Zugleich findet man in der Akutphase der Infektion in den Patienten eine schnelle Abnahme der CD4+- und CD8+-T-Lymphocyten, deren Ursache unklar ist. Das SARS-Coronavirus kann Lymphocyten selbst nicht infizieren, deswegen kann die Zerstörung der T-Zellen keine direkte Folge der Infektion sein. Möglicherweise sind daran durch die Infektion eingeleitete apoptotische Prozesse beteiligt. Man fand, dass mehrere SARS-CoV Proteine, wie beispielsweise das im Leserahmen 7a codierte Protein, in vitro in Zelllinien, die aus unterschiedlichen Geweben (Lunge, Leber, Niere) etabliert wurden, die Apoptose in einem caspaseabhängigen Mechanismus induzieren können. Auch genetische Merkmale der infizierten Patienten scheinen für die Etablierung der symptomatischen SARS-Coronavirusinfektion wichtig zu sein. Individuen, die nur geringe Mengen des Mannose-bindenden Lectins (MBL) produzieren, scheinen eine Prädisposition für die Etablierung einer symptomatischen Infek-
tion zu haben. MBL zählt zusammen mit den Surfactant-Proteinen A und D der Lunge zu den Collektinen. Dabei handelt es sich um Proteine, die sich an glycosylierte Bereiche der S-Proteine auf der Virusoberfläche anlagern, die Aufnahme der Partikel in Granulocyten erleichtern und so möglicherweise die Interaktion mit den Zielzellen verhindern. In anderen Studien fand man, dass SARS-Patienten gehäuft die Haplotypen HLA-B*0703 und *4601 sowie HLA-DRB1*0301 aufwiesen. Allerdings sind diese Daten zum Teil widersprüchlich.
Immunreaktion und Diagnostik Im Verlauf einer SARS-CoV-Infektion werden IgM-, IgG- und IgA-Antikörper gegen die N- und S-Proteine gebildet. Sie sind frühestens ab dem vierten Tag nach Einsetzen der Symptome, bei vielen Patienten jedoch erst deutlich später nachweisbar. Hauptsächlich Immunglobuline gegen das S-Protein sind neutralisierend, sie sind überwiegend gegen Epitope der Domäne um die Aminosäurereste 441 bis 700 gerichtet. Über die Bedeutung der zellulären Immunantwort im Verlauf der Infektion beim Menschen ist wenig bekannt. ELISA-Teste zum Nachweis spezifischer Antikörper gegen die S- und N-Proteine sind verfügbar. Die Virusisolierung und Züchtung ist zeitaufwändig, nicht immer erfolgreich und darf nur in Laboratorien der Sicherheitsstufe 3 und höher durchgeführt werden. Die Diagnose der akuten SARS-Coronavirusinfektion erfolgt daher üblicherweise durch den Nachweis der Virusgenome in Sputum, Rachenspülwasser, Stuhl oder Serum mittels RT-PCR, meist wird ein Abschnitt aus dem Leserahmen 1b, der für die RNA-Polymerase des Virus codiert, amplifiziert. Ein positiver Nachweis muss in weiteren Testen und Referenzlaboratorien bestätigt werden. SARS-Coronaviren sind sehr gut in einer Reihe von Zelllinien anzüchtbar und weisen abhängig vom Zelltyp eine stark lytische oder eher persistente Infektion auf.
Bekämpfung und Prophylaxe Einen Impfstoff zur Prävention der SARS-Infektion gibt es nicht. Während des SARS-Ausbruchs im Jahr 2003 wurden die infizierten Patienten mit Ribavirin therapiert. Da die Symptomatik zumindest zum Teil immunpathogenetisch bedingt ist, hat man bei den schweren Fällen zusätzlich Corticosteroide zur Behandlung eingesetzt. Auch wurde versucht, mit hoch dosierten Immunglobulinen die Viruslast im Patienten zu senken. Hemmstoffe der viralen Proteasen sind in Entwicklung.
14.8 Coronaviren
14.8.6 Tierpathogene Coronaviren Die Familie der Coronaviridae umfasst viele Viren, die in Tieren Krankheiten verursachen. Zu den bedeutendsten zählt man die Erreger der transmissiblen Gastroenteritis des Schweines (TGE) und das feline Coronavirus, das in Katzen Peritonitis und Polyserositis verursachen kann. Auf diese Viren wird im Folgenden detailliert eingegangen. Weiterhin gibt es das hämagglutinierende Encephalomyelitis-Virus der Schweine (Porcine-Hemagglutinating-Encephalomyelitis-Virus), das bei neugeborenen Ferkeln eine Encephalitis verursachen kann. Gelegentlich ist damit auch eine Diarrhoe verbunden. Die Infektion des zentralen Nervensystems erfolgt dabei über periphere Nerven, in denen das Virus vom Ort der ersten Vermehrung, der Mucosa von Respirations- und Gastrointestinaltrakt, transportiert wird, ohne dass man eine Virämie beobachtet. Eine Immunprophylaxe ist hier nicht verfügbar. Eine weltweit bedeutsame Erkrankung des Geflügels wird durch das Virus der infektiösen Bronchitis hervorgerufen. Neben einer akuten Erkrankung des Respirationstraktes können hier über Schädigungen des Eileiters und der damit verbundenen verminderten Legeleistung erhebliche wirtschaftliche Schäden entstehen. Weit verbreitet in den Mauspopulationen ist das Maus-Hepatitis-Virus. Es ist ein wichtiges Modellsystem für die Untersuchung der Biologie und Pathogenese durch Coronavirusinfektionen und verursacht ein breites Spektrum von klinischen Erscheinungen, die von gastrointestinalen, hepatischen und respiratorischen bis zu zentralnervösen Symptomen reichen können. Eine Einschleppung in Versuchstierkolonien erfolgt über die Einstellung von Mäusen mit persistierenden Infektionen. Die Diagnose kann histopathologisch oder durch Anzucht der Erreger erfolgen. Die Eliminierung des Virus aus infizierten Kolonien ist nahezu unmöglich. Meist muss man die Kolonie vernichten und den Bestand mit virusfreien Tieren neu aufbauen. Deswegen sind regelmäßige Untersuchungen der Mäusekolonien auf Infektionen mit dem Maus-Hepatitis-Virus unumgänglich. Coronavirusinfektionen anderer Tierarten, insbesondere des Hundes, sind beschrieben, aber aufgrund der geringen klinischen Relevanz nicht von veterinärmedizinischer Bedeutung. Die Infektion mit dem bovinen Coronavirus ist eine wesentliche Ursache des Kälberdurchfalls in den ersten Lebenstagen. Die Infektion verläuft lokal, die Virusreplikation ist auf die Enterocyten beschränkt. Eine Impfung ist in Form einer sogenannten „Muttertierprophylaxe“ verfügbar, bei der das Muttertier vor dem Geburtstermin zweimal geimpft wird. Der eigentliche Immunschutz besteht dabei in der Aufnahme von Antikörpern mit dem Kolostrum.
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Das Virus der transmissiblen Gastroenteritis des Schweines Epidemiologie und Übertragung Die transmissible Gastroenteritis ist eine Erkrankung der Ferkel mit hoher Morbidität, aber geringer Mortalität. Werden Tiere im Alter von nur wenigen Tagen infiziert, kann die Letalitätsrate allerdings sehr hoch sein. Das Virus wird über einen Zeitraum von circa 14 Tagen mit dem Kot ausgeschieden, persistierende Infektionen und Dauerausscheider sind sehr selten. In letzteren scheint das Virus in Lungenmakrophagen zu persistieren. Die Übertragung erfolgt in der Regel durch direkten Kontakt, jedoch sind auch aerogene Übertragungen nachgewiesen worden. Die natürliche Infektion hinterlässt eine belastbare Immunität, die etwa ein bis zwei Jahre anhält. Sie basiert auf einer lokalen mucosalen Immunität. Eine parenterale Impfung induziert systemische Antikörper, die aber nicht vor einer Infektion schützen. Auch stimuliert eine systemische Impfung der Sau nicht die Abgabe von Immunglobulinen über die Milch.
Klinik Die Infektion mit dem Virus der transmissiblen Gastroenteritis verursacht als Hauptsymptom hochgradigen Durchfall und Erbrechen. Andere Symptome sind selten, wie auch andere Organsysteme außer dem Dünndarm in der Regel nicht betroffen sind.
Pathogenese Das Virus wird oral aufgenommen und infiziert nach einer Magenpassage die Enterocyten. Diese werden lytisch infiziert, zerstört und durch Enterocyten aus den Lieberkühnschen Krypten ersetzt. Dieser Vorgang erklärt die typischen Symptome des transienten, nicht blutigen Durchfalls. Histologisch ist eine akute Enteritis (in den hinteren Dünndarmabschnitten) mit Zottenatrophie das klassische Bild. Die Magenpassage des an sich säurelabilen Coronavirus wird durch die pH-puffernde Wirkung der Milch erreicht und durch den schwach sauren pH-Wert im Magen der Jungtiere unterstützt. Es existiert eine natürlich vorkommende Mutante des Virus der transmissiblen Gastroenteritis, bei der Teile des Gens, welches für das S-Protein codiert, deletiert sind. Diese Virusmutante hat den Enterotropismus vollständig verloren und repliziert sich vornehmlich in Makrophagen des Respirationstraktes. Sie verursacht keine oder nur milde Krankheitssymptome, stört aber
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die serologische Überwachung im Rahmen der Bekämpfung der transmissiblen Gastroenteritis empfindlich.
Immunreaktion und Diagnostik Das Virus ist leicht zu isolieren. Alternativ kann man es durch Immunfluoreszenz in Darmschnitten verendeter Tiere nachweisen. Eine Untersuchung von Serumpaaren auf ihren Antikörpergehalt erlaubt die indirekte Diagnose. Serologisch kann der Infektionsstatus eines Bestandes im Rahmen epidemiologischer Untersuchungen durch ELISA-Tests oder Neutralisationstests festgestellt werden.
Bekämpfung und Prophylaxe Die erfolgreiche Bekämpfung der Infektion basiert auf der Eliminierung seropositiver Tiere sowie der Etablierung und Einhaltung strenger Hygiene- und Haltungsvorschriften. Eine Vakzine auf Basis abgetöteter, in Zellkultur gezüchteter Viren ist verfügbar, aber wenig effizient. Für einen wirksamen Schutz ist die lokale immunologische Abwehr im Darm der Ferkel wichtig, die am effektivsten über das Kolostrum von natürlich infizierten Muttersauen auf die Saugferkel übertragen und aufgebaut wird.
Das feline Coronavirus (Virus der felinen infektiösen Peritonitis) Epidemiologie und Übertragung Die sogenannte feline infektiöse Peritonitis (FIP) wird durch Infektion der Katzen mit dem felinen Coronavirus (FeCoV) verursacht. Infektionen mit diesem Erreger sind in den Katzenpopulationen weit verbreitet. Das Virus kann in den Katzen persistieren und wird vor allem mit dem Kot ausgeschieden. Die Katzen infizieren sich in der Regel im frühen Welpenalter durch Sozialkontakt mit dem Muttertier oder anderen persistierend infizierten Katzen. Das genaue Wirtsspektrum dieses Virus ist unbekannt. Es infiziert Haus- und Großkatzen und wahrscheinlich auch Hunde, da einige Isolate des felinen Coronavirus identifiziert wurden, die Rekombinanten zwischen dem felinen und dem caninen Coronavirus darstellen.
Klinik Das Virus verursacht meist eine subklinische Infektion oder milde und transiente Enteritiden. Das die Enteritis verursachende Virus kann sich durch Mutation verän-
dern, wodurch ein neuer Biotyp mit verändertem Gewebstropismus entsteht. Diese Virusvariante repliziert sich nicht mehr nur in Enterocyten, sondern infiziert auch Makrophagen und induziert somit eine systemische Infektion. Mit den Makrophagen wird die Variante in praktisch alle Organe verteilt und kann in diesen ausgehend von einer Vaskulitis pseudogranulomatöse Entzündungen setzen. Dieses Krankheitsbild wird als feline infektiöse Peritonitis bezeichnet. Aus pathologischer Sicht handelt es sich dabei um eine generalisierte Polyserositis und Vaskulitis/Perivaskulitis.
Pathogenese Das Virus bindet sich an die Aminopeptidase N auf Katzen-, Hunde- und Schweinezellen. Die Peritonitis verursachende Virusvariante entsteht offensichtlich in der Katze bei jedem individuellen Ausbruch neu. Dabei verändert sich das persistierende Virus durch Mutation zu einer virulenten Variante. Die Übertragung des mutierten Virus von Katze zu Katze wird gelegentlich beobachtet, scheint aber ohne wesentliche epidemiologische Bedeutung zu sein. In der Virusmutante findet man die Deletion einiger Nucleotide im Gen 3c. Dieses codiert für ein Nichtstrukturprotein, dessen Funktion während des viralen Replikationszyklus nicht geklärt ist, das aber vermutlich die Virulenz der Isolate beeinflusst. Die Deletionen sind jedoch bei allen FIP verursachenden Mutanten nicht einheitlich, sondern in allen Viren der verschiedenen Ausbrüche leicht unterschiedlich. Die molekularbiologischen Grundlagen dieser Veränderungen sind weitgehend unklar.
Immunreaktion und Diagnostik Die virologische Diagnostik gestaltet sich außerordentlich schwierig, da die Unterscheidung zwischen den beiden Virusvarianten mit den zurzeit verfügbaren Techniken nicht möglich ist. Die eindeutige Diagnose FIP kann daher nur die pathohistologische Untersuchung leisten.
Bekämpfung und Prophylaxe Ein Impfstoff auf der Basis einer attenuierten Lebendvakzine, die eine temperatursensitive Mutante des felinen Coronavirus enthält, ist verfügbar, seine Wirksamkeit jedoch umstritten. Insgesamt bestehen bei der Verwendung einer Lebendvakzine mit einem wenig untersuchten, aber breiten Wirtsspektrum zur Verhinderung einer Infektionskrankheit mit nicht geklärter (Immun-)Pathogenese grundsätzliche Sicherheitsbedenken. Auch konnte man zeigen, dass Coronaviren unterschiedlicher Spezies miteinander rekombinieren.
14.8 Coronaviren
Bei Rekombination mit dem Impfvirus ist die Entstehung von Virusvarianten mit einer veränderten Rezeptorbindung möglich, die unter Umständen verschiedene andere Tierarten infizieren.
Das Virus der infektiösen Bronchitis des Huhnes
261
der Kreuzimmunität ist für einzelne Stämme unterschiedlich. Die Diagnostik erfolgt durch Virusnachweis (Virusisolierung in Zellkultur, Polymerasekettenreaktion) oder Immunfluoreszenz mit Nachweis der Virusproteine in Geweben infizierter Tiere oder auf Bestandsebene durch Nachweis virusspezifischer Antikörper mittels Neutralisations- und Hämagglutinationshemmungstests oder ELISA.
Epidemiologie und Übertragung Auch die infektiöse Bronchitis des Huhnes wird durch ein Coronavirus hervorgerufen. Es ist weltweit verbreitet. Das Huhn ist der einzig bekannte Wirt, nur im Huhn verursacht das Virus eine Erkrankung. Dem Virus der infektiösen Bronchitis des Huhns ähnliche Coronaviren hat man aus Puten und Fasanen isoliert, sie gelten aber als eigene Spezies. Von besonderer Bedeutung ist die große antigene Diversität dieses Virus. Basierend auf Unterschieden in der Sequenz des S-Proteins werden zahlreiche Sero- und Genotypen unterschieden. Das Virus ist sehr kontagiös, es verbreitet sich durch virushaltige Faezes und Nasalsekrete sehr schnell innerhalb einer Herde. Zwischen den Herden wird das Virus vor allem indirekt über betreuendes Personal verbreitet.
Klinik Das Virus der infektiösen Bronchitis des Huhns verursacht Läsionen in der Niere, im Eileiter und im Respirationstrakt. Die Art der klinischen Manifestation ist abhängig von dem Virusstamm und vom Wirt. Insbesondere das Alter und die Rasse der Hühner beeinflusst das Krankheitsbild. Die Erkrankung ist bei wenigen Tage alten Küken besonders ausgeprägt. Die Morbidität ist hoch, praktisch alle Vögel einer Herde sind infiziert. Die Mortalität dagegen ist generell gering (null bis 25 Prozent).
Pathogenese Das Virus repliziert zunächst in den Epithelien des Respirations- oder Gastrointestinaltraktes und gelangt in einer sich anschließenden Virämie in viele Organe, vor allem in die Nieren und Eileiter. In der Regel wird das Virus durch die einsetzende Immunantwort eliminiert, in seltenen Fällen kann die Infektion jedoch über Wochen persistieren.
Immunreaktion und Diagnostik Die Infektion hinterlässt eine belastbare, protektive Immunität gegen das homologe Virus, die in der Regel auf Antikörpern gegen das S-Protein beruht. Der Grad
Bekämpfung und Prophylaxe Die infektiöse Bronchitis des Huhns wird tierseuchenrechtlich nicht gemaßregelt. Verschiedene Lebendvakzinen und Totimpfstoffe sind verfügbar und werden in der Regel serotypspezifisch eingesetzt.
14.8.7 Weiterführende Literatur Brian, D. A.; Baric, R. S. Coronavirus genome structure and replication. In: Curr. Top. Microbiol. Immunol. 287 (2005) S. 1–30. Cheng, V. C.; Lau, S. K.; Woo, P. C.; Yuen, K. Y. Severe acute respiratory syndrome coronavirus as an agent of emerging and reemerging infection. In: Clin. Microbiol. Rev. 20 (2007) S. 660–694. Clementz, M. A.; Kanjanahaluethai, A.; O’Brien, T. E.; Baker, S. C. Mutation in murine coronavirus replication protein nsp4 alters assembly of double membrane vesicles. In: Virology 375 (2008) S. 118–129. Cornillez-Ty, C. T.; Liao, L.; Yates, J. R. 3rd.; Kuhn, P.; Buchmeier, M. J. SARS Coronavirus nonstructural protein 2 interacts with a host protein complex involved in mitochondrial biogenesis and intracellular signaling. In: J. Virol. 83 (2009) S. 10314– 10318 Deming, D. J.; Graham, R. L.; Denison, M. R.; Baric, R. S. Processing of open reading frame 1a replicase proteins nsp7 to nsp10 in murine hepatitis virus strain A59 replication. In: J. Virol. 81 (2007) S. 10280–10291. Diemer, C.; Schneider, M.; Seebach, J.; Quaas, J.; Frösner, G.; Schätzl, H. M.; Gilch, S. Cell type-specific cleavage of nucleocapsid protein by effector caspases during SARS coronavirus infection. In: J. Mol. Biol. 376 (2008) S. 23–34. Enjuanes, L.; Almazán, F.; Sola, I.; Zuñiga, S. Biochemical aspects of coronavirus replication and virus-host interaction. In: Annu. Rev. Microbiol. 60 (2006) S. 211–230. Drosten, C.; Günher S.; Preiser, W.; van der Werf, S.; Brodt, H. R.; Becker, S.; Rabenau, H.; Panning, M.; Kolesnikova, L.; Fouchier, R. A. Identification of a novel coronavirus in patients with severe acute respiratory syndrome. In: N. Engl. J. Med. 348 (2003) S. 1967–1976. Guo, Y.; Korteweg, C.; McNutt, M. A.; Gu, J. Pathogenetic mechanisms of severe acute respiratory syndrome. In: Virus Res. 133 (2008) S. 4–12. Hofmann, H.; Simmons, G..; Rennekamp, A. J.; Chaipan, C.; Gramberg, T.; Heck, E.; Geier, M.; Wegele, A.; Marzi, A.;
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14
262
14 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung
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15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNAGenom in Negativstrangorientierung Die Viren, die ein einzelsträngiges, durchgängiges RNAGenom in Negativstrangorientierung haben, fasst man in der Ordnung der Mononegavirales zusammen. Zu
15.1 Rhabdoviren
ihnen zählen die Familien Rhabdoviridae, Bornaviridae, Paramyxoviridae und Filoviridae.
tiösen Partikel sind stäbchenförmig und ähneln einer Gewehrpatrone. Zu den Rhabdoviridae zählen sehr viele verschiedene Viren, von denen etwa die Hälfte pflanzenpathogen ist. Die tierpathogenen Rhabdoviren besitzen ein weites Wirtsspektrum und können unterschiedliche Organismen infizieren. Sie werden entweder durch Insektenstiche oder durch Bisse infizierter Tiere übertragen. Die Rabies- oder Tollwutviren aus dieser Virusfamilie rufen bei Mensch und Tier schwere, tödliche Erkrankungen hervor.
15.1.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
Die Familie der Rhabdoviridae umfasst Erreger, die als Erbinformation eine einzelsträngige, nichtsegmentierte RNA in Negativstrangorientierung enthalten. Ihre infek-
Die tierischen Rhabdoviren – bis heute sind über 70 Typen bekannt – hat man in vier Genera unterteilt: Vesiculoviren, Lyssaviren, Ephemeroviren und Novirhabdoviren; letztere verursachen Erkrankungen bei Fischen (䉴 Tabelle 15.1). Hinsichtlich der Molekularbiologie und der Replikationsmechanismen ist das Vesicular-Stomatitis-Virus gut untersucht, das auf dem amerikanischen Kontinent durch Stechmücken und Sandfliegen
15
264
15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 15.1 Charakteristische Vertreter der Rhabdoviren Genus
Mensch/Tier
Vesiculovirus
Lyssavirus
Tier
Pflanze
Vesicular-Stomatitis-Virus Cocalvirus Piryvirus Rabiesvirus Mokolavirus Lagos-Bat-Virus Duvenhage-Virus europäisches FledermausLyssavirus Typ 1 und 2 australisches FledermausLyssavirus
Ephemerovirus
Ephemeral-Fieber-Virus der Rinder Adelaide-River-Virus Berrimah-Virus
Novirhabdovirus
Virus der viralen hämorrhagischen Septikämie der Salmoniden Virus der infektiösen hämatopoietischen Nekrose der Salmoniden Hirame-Rhabdovirus
Nucleorhabdovirus
Sonchus-Yellow-Net-Virus Mais-Mosaik-Virus
Cytorhabdovirus
Lettuce-Necrotic-Yellows-Virus Strawberry-Crinkle-Virus
übertragen wird und bei Pferden und Rindern schwere Tierseuchen (Bläschenkrankheit) verursacht (䉴 Abschnitt 15.1.6). Man kann es ohne Probleme in gut etablierten Zellkultursystemen wie der menschlichen HeLa- oder der murinen L-Linie vermehren. Eine Übertragung auf den Menschen wurde nur in Verbindung mit Laborkontaminationen bei Autopsien infizierter Tiere beobachtet; es traten dabei grippeähnliche Symptome auf. Auch die Vertreter des Genus Ephemerovirus werden durch Insekten übertragen. Sie sind in den tropischen Gebieten Afrikas, Asiens und Australiens verbreitet, infizieren Rinder und verursachen bei den Tieren eine fieberhafte Erkrankung. Zu den humanpathogenen Vertretern der Lyssaviren gehören das Rabiesvirus und das Mokolavirus sowie die in Fledermäusen und Flughunden vorkommenden europäischen und australischen Fledermaus-Lyssaviren und das Duvenhage-Virus in afrikanischen Fledermäusen. Vom LagosBat-Virus wurden bisher keine Infektionen beim Menschen beschrieben. Lyssaviren werden durch Tierbisse auf Menschen übertragen und verursachen praktisch immer tödliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Die Virustypen unterscheiden sich durch eine
unterschiedliche serologische Erkennung ihrer G-Oberflächenproteine.
15.1.2 Aufbau Viruspartikel Die Virionen der tierischen Rhabdoviren sind geschossähnlich geformt und haben eine Länge von etwa 180 nm bei einem Durchmesser von 65 nm; Partikel der Pflanzenrhabdoviren können bis zu doppelt so lang sein. Die Virusstruktur ist beim Vesicular-Stomatitis-Virus gut untersucht und bei den anderen tierischen Rhabdoviren wohl ähnlich. Die infektiösen Partikel bestehen aus zwei Komponenten: einem Nucleocapsid und einer Membranhülle. Das Nucleocapsid ist in enge helikale Windungen gefaltet – 35 beim Vesicular-Stomatitis-Virus – und besteht aus den viralen Proteinen N (60 kD), P oder NS (40 kD) und L (190 kD) sowie dem RNA-Genom (䉴 Abbildung 15.1). Das L-Protein ist die RNA-abhängige RNA-Polymerase, die bei den Negativstrangviren ein Bestandteil des Virions ist. Das Nucleocapsid ist von
15.1 Rhabdoviren
265
15.1 Aufbau eines Rhabdoviruspartikels. Das Genom besteht aus einer einzelsträngigen RNA, die mit den N-, P- und L-Proteinen zu einem helikalen Nucleocapsid interagiert. Das Nucleocapsid ist von einer Membranhülle umgeben, in welche die G-Proteine eingelagert sind. Mit der Innenseite der Membran ist das M-Protein assoziiert, das gleichzeitig auch in Bindung mit den Nucleocapsidkomponenten vorliegt.
einer Hüllmembran umgeben, in welche die viralen Glycoproteine G (64–68 kD) eingelagert sind, deren trimere Komplexe etwa 10 nm aus der Partikeloberfläche herausragen. Mit der Innenseite der Membran ist das Matrixprotein M (25–26 kD) assoziiert, das gleichzeitig über basische Aminosäuren mit den Proteinen des Nucleocapsids wechselwirkt und dessen enge Packung im Partikelinneren gewährleistet. Die Hüllmembran des Virus weist im Vergleich zur Zellmembran einen höheren Gehalt an Cholesterin, Aminophospholipiden und Sphingomyelin auf und ist aufgrund dieser Zusammensetzung wesentlich flexibler. Die Größe des Genoms bestimmt die Länge der Virionen. In allen Präparationen findet man nichtinfektiöse Partikel (auch defectiveinterfering particles, DI particles genannt), die bei gleichem Durchmesser nur 60 bis 90 nm lang sind. Die Genome der defekten Viren können bis zu 80 Prozent verkürzt sein.
Genom und Genomaufbau Das einzelsträngige RNA-Genom der meisten Rhabdoviren ist etwa 12 000 Basen lang (11 162 beim VesicularStomatitis-Virus, 11 932 beim Rabiesvirus, Stamm PV) und hat eine Negativstrangorientierung, es kann also nicht direkt als mRNA verwendet werden und ist nicht infektiös. Es weist fünf offene Leserahmen auf, die in 3’→ 5’-Orientierung in der Reihenfolge N-P-M-G-L
angeordnet sind (䉴 Abbildung 15.2). Am 3’-Ende ist dem N-Gen eine kurze, nichtcodierende Leader-Region (47 Basen beim Vesicular-Stomatitis-Virus, 55 Basen beim Rabiesvirus) vorgeschaltet. Am 5’-Ende befindet sich ebenfalls ein nichtcodierender kurzer Abschnitt (57 beziehungsweise 70 Basen beim Vesicular-StomatitisVirus und beim Rabiesvirus). Beide Regionen enthalten cis-aktive Sequenzelemente, die für die Initiation von Transkription und Replikation essenziell sind. Die einzelnen Gene besitzen an ihren 3’- und 5’-Enden konservierte Basen, die den Start und das Ende der Transkription signalisieren. Zwischen den einzelnen Genen befinden sich nichtcodierende, intergenische Abschnitte variabler Länge: Beim Vesicular-Stomatitis-Virus handelt es sich in allen Fällen um Guanosin-Adenosin-Dinucleotide. Das Genom ist bei diesem Virus hochkondensiert und weist kaum Regionen auf, die nicht für Proteine codieren. Bei den Rabiesviren sind zwei Nucleotide nur zwischen dem N- und P-Gen zu finden, in anderen intergenischen Abschnitten handelt es sich um Pentanucleotide. Zwischen den Genen für die G- und L-Proteine findet man einen relativ großen nichtcodierenden Abschnitt von 423 Basen, dessen Funktion unbekannt ist und der als Pseudogen ψ bezeichnet wird. Beim Virus der infektiösen hämatopoetischen Nekrose der Salmoniden – einem Vertreter der Gattung Novirhabdovirus – wird von diesem Bereich eine mRNA-Spezies gebildet. Ungeklärt ist
15
266
15.2 Genomorganisation der Rhabdoviren. A: Vesicular-Stomatitis-Virus; B: Rabiesvirus (Stamm PV). Die Längenangaben für die verschiedenen Gene beziehen sich auf die mRNAs, die im Replikationsverlauf gebildet werden (B = Basen). Die nichtcodierenden Regionen, das heißt die intergenischen Sequenzen, die bei der Bildung der mRNAs übersprungen werden, sind hellgrau, die Leader- und Trailer-Regionen am 3’- beziehungsweise 5’-Ende rot wiedergegeben. Im Rabiesvirusgenom findet man im Bereich des Gens für das G-Protein eine nichtcodierende Region, die als Pseudogen oder ψ-Gen bezeichnet wird (dunkelgrau dargestellt). Sie ist von den G-Sequenzen durch ein Stoppsignal für die Transkription getrennt, das jedoch nicht in allen Fällen zum Einsatz kommt. Daher findet man auch Transkripte, die bis zum Ende des Pseudogens durchgehen.
15 15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
15.1 Rhabdoviren
ihre Funktion und ob sie für ein sechstes Virusprotein codiert. Das Gen hat eine ähnliche Länge wie das HNGen der Paramyxoviren (䉴 Abschnitt 15.3), das sich bei diesen Viren an einer vergleichbaren Position im Genom befindet. Man schließt daraus, dass das Virus der infektiösen hämatopoetischen Nekrose der Salmoniden ein evolutionäres Bindeglied zwischen den Vesiculo- und den Paramyxoviren darstellt. Durch Sequenzvergleiche der Pseudogene, die als nichtcodierende Region besonders anfällig für Mutationen sind, lässt sich die Evolution der verschiedenen Vertreter der Rhabdoviren nachvollziehen.
15.1.3 Virusproteine Proteine des Nucleocapsids N-Protein Das N-Protein ist die Hauptkomponente des Nucleocapsids. Es ist mit der Nucleinsäure in ihrer ganzen Länge assoziiert und für die helikale Faltung des Nucleocapsids verantwortlich. Aufgrund elektronenmikroskopischer Daten schätzt man, dass pro Partikel 1 800 N-Proteine mit der RNA komplexiert sind. Das N-Protein hat ein Molekulargewicht von circa 60 kD und ist phosphoryliert. Untersuchungen von Monique Lafon und Kollegen ergaben, dass das N-Protein des Tollwutvirus als Superantigen wirken kann (䉴 Tabelle 15.2). Es kann epitopunabhängig MHC-Klasse-II-Proteine mit bestimmten Vβ-Ketten der T-Zell-Rezeptoren auf der Oberfläche von CD4+-Zellen verbinden und deren Proliferation und Cytokinausschüttung dauerhaft einleiten (䉴 Kapitel 7 und Abschnitt 15.1.5). Das N-Protein ist zugleich das gruppenspezifische Antigen der Rhabdoviren: Antikörper und T-Helferzellen, die gegen N-proteinspezifische Epitope der Rabiesviren gerichtet sind, reagieren auch mit den N-Proteinen anderer Vertreter des Genus Lyssavirus, jedoch nicht mit Vesiculoviren und umgekehrt. Das weist darauf hin, dass bei Vertretern der jeweiligen Genera viele Aminosäuren in den NProteinen konserviert sind. P-Protein Dieses Protein wird in der älteren Literatur auch als NS-(Nichtstruktur-) oder M1-Protein bezeichnet. Es hat ein Molekulargewicht von 40 bis 45 kD und liegt in etwa 900 Einheiten mit dem Nucleocapsid assoziiert vor. Das P-Protein ist an etwa 20 bis 30 Serin- und Threoninresten phosphoryliert. Dieses hohe Ausmaß der Modifikation mit sauren Gruppen ist für das ungewöhnliche Laufverhalten des Proteins im SDS-Polyacrylamidgel verantwortlich: Danach entspricht sein Molekulargewicht nur etwa 33 kD. Das P-Protein liegt in Wechselwirkung sowohl mit N- als auch mit L-Proteinen vor und scheint die Interaktion der N-Proteine mit
267
dem RNA-Genom zu reduzieren und die Nucleinsäure so für den Polymerasekomplex zugänglich zu machen. P-gendefiziente Rabiesvirusmutanten, die mittels der Methode der reverse genetics generiert wurden, können in den infizierten Zellen nur die primären Transkriptionsschritte durchführen – die hierfür notwendigen P-Proteine bringen sie als Teile der Viruspartikel in die Zellen mit; sie sind jedoch zur Genomreplikation und zur Bildung von infektiösen Nachkommenviren nicht befähigt, weil die de novo Synthese von P-Proteinen unterbleibt. Die P-Proteine sind nicht nur Komponenten der Nucleocapside und bei der Transkription und Replikation des Virusgenoms aktiv. Sie sind auch an der Unterdrückung der unspezifischen Immunreaktionen beteiligt und hemmen die Phosphorylierung des Faktors IRF-3 (interferon regulatory factor 3). Dadurch unterdrücken sie die Expression der IFN-Gene und verhindern den Kerntransport der Stat-1-Proteine, die als Teil der IFN-vermittelten Signalkaskade die unspezifische Immunantwort induzieren (䉴 Kapitel 8). L-Protein Das L-Protein ist eine RNA-abhängige RNAPolymerase. Etwa 30 bis 60 Kopien des Enzyms befinden sich in Interaktion mit den P-Proteinen des Nucleocapsids. Das L-Protein ist mit 2 142 Aminosäuren sehr groß; die codierende Region umfasst bei einigen Rhabdovirustypen über die Hälfte des Genoms. Es besitzt theoretisch ein Molekulargewicht von über 244 kD, experimentell findet man eines von 190 kD. Es entspricht dem aktiven Enzym. Ob Proteasen zur Bildung einer verkürzten Form führen oder ob Modifikationen für das unterschiedliche Molekulargewicht verantwortlich sind, ist unklar. Die Sequenzen der L-Proteine sind zwischen den Vesiculo- und Lyssaviren stark konserviert, die zentrale Region des Proteins weist einen Homologiegrad von 85 Prozent auf. Das L-Protein besitzt neben seiner Aktivität als RNA-Polymerase auch die einer RNA:GDP-Polyribonucleotidyltransferase und ist am RNA-Capping beteiligt. Vermutlich wirkt es weiterhin an der Polyadenylierung der primären Transkripte sowie an der Phosphorylierung der P-Proteine mit.
Membranproteine M-Protein Das M-Protein (M = Matrix) ist kein integrales Membranprotein. Es ist nicht glycosyliert und besitzt keine hydrophoben Sequenzfolgen mit den charakteristischen Eigenschaften von Transmembranregionen. Sein Molekulargewicht beträgt 25 bis 26 kD. Das M-Protein enthält sehr viele basische Aminosäuren, über die es sich mit seiner aminoterminalen Domäne an die phosphorylierten N- und P-Proteine des Nucleocapsids
15
15
268
15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 15.2 Übersicht über die molekularen Eigenschaften der Proteine des Rabiesvirus Proteine
Molekulargewicht (kD)
Modifikation
Funktion
N
60
phosphoryliert
Bestandteil des Nucleocapsids, circa 1 800 Einheiten pro Partikel; RNA-bindendes Protein, verantwortlich für Genomkondensation im Virion; Superantigen
P
40–45
phosphoryliert
Bestandteil des Nucleocapsids, circa 900 Einheiten pro Partikel; Cofaktor bei der Transkription
L
190
nicht bekannt
Bestandteil des Nucleocapsids, circa 30–60 Einheiten pro Partikel; RNA-abhängige RNA-Polymerase; Capping und Polyadenylierung der viralen mRNA-Spezies; Methyltransferase, Proteinkinase zur Modifikation des P-Proteins?
M
25–26
–
Matrixprotein; an der Innenseite der Virusmembran lokalisiert; wichtig bei Virusmorphogenese
G
64–68
N-glycosyliert
Membranprotein; vermittelt Adsorption, Fusion, Hämagglutination; induziert Synthese neutralisierender Antikörper
bindet. Über ähnliche ionische Wechselwirkungen scheint der carboxyterminale Bereich des M-Proteins mit den sauren Phosphatgruppen der Membranlipide zu interagieren. Das M-Protein wirkt also gewissermaßen als Klebstoff zwischen der Membran und dem Nucleocapsid. Die M-Proteine lagern sich allein an die Cytoplasmamembran an und sind in der Lage, von sich aus virusähnliche membranhaltige Vesikel zu bilden, die sich von der Zelloberfläche abschnüren. Sie sind essenziell für den Zusammenbau der verschiedenen Viruskomponenten zu infektiösen Partikeln und bestimmen über ihre intrazelluläre Lokalisation den Ort des Knospungsvorgangs. G-Protein Das virale G-Protein ist glycosyliert und in der Virusmembran über eine hydrophobe Domäne im Bereich des carboxyterminalen Endes verankert. Eine kurze Aminosäurefolge von 44 Resten am Carboxyterminus, die am membranverankerten Protein in das Cytoplasma orientiert ist, ist vermutlich an der Aggregation der G-Proteine zu Trimeren beteiligt. Das monomere G-Protein hat, abhängig vom Ausmaß seiner Glycosylierung, ein Molekulargewicht von 64 bis 68 kD. Die Aminosäuresequenzen der G-Proteine verschiedener Rhabdoviren sind sehr heterogen, es gibt aber Hinweise, dass sie sich trotzdem hinsichtlich ihrer Konformation und Struktureigenschaften ähneln. Biologisch aktiv ist das G-Protein nur als Trimer: So vermittelt es die Adsorption der Viruspartikel an die jeweiligen zellulären Rezeptoren und ist an Membranfusionen beteiligt, die durch Ansäuerung des Endosomeninneren nach der Partikelaufnahme durch die Zelle induziert werden und zur Entlassung des Nucleocapsids in das Cytoplasma
führen. Zur Induktion der Fusionsaktivität muss das GProtein nicht proteolytisch gespalten werden, wie man es von den Para- und Orthomyxoviren oder den Retroviren kennt (䉴 Abschnitte 15.3.3, 16.3.3 und 18.1.3). Strukturanalysen ergaben, dass sich die G-Proteine hinsichtlich ihrer Konformation im Prä- und Postfusionsstadium deutlich unterschieden. Im Postfusionstadium weisen die G-Proteine der Vesicular-Stomatitis-Viren Homologien zum Glycoprotein gB der Herpes-SimplexViren (䉴 Abschnitt 19.5) auf. Weiterhin ist das G-Protein für die Hämagglutinationsfähigkeit des Virus erforderlich. Gegen definierte Epitope des G-Proteins werden im Verlauf der Infektion neutralisierende Antikörper gebildet. Mittels monoklonaler Antikörper konnten bei verschiedenen Rabiesvirusisolaten fünf Epitope charakterisiert werden, die für die Bindung von neutralisierenden Immunglobulinen verantwortlich sind. So lassen sich auch die sieben verschiedenen Rabiesvirustypen unterscheiden.
15.1.4 Replikation Im ersten Schritt des Vermehrungszyklus adsorbieren die Rhabdoviren über die G-Proteine auf der Partikeloberfläche an zelluläre Rezeptoren. Sowohl für das Vesicular-Stomatitis-Virus als auch für die Rabiesviren ist nicht endgültig geklärt, welche zellulären Strukturen für die Adsorption verantwortlich sind. Beim VesicularStomatitis-Virus gab es aus in vitro-Experimenten mit infizierten Vero-Zellen (Nierenzellkulturen Grüner Meerkatzen) Hinweise, dass die Bindung durch Phos-
15.1 Rhabdoviren
phatidylserinmoleküle in der Cytoplasmamembran vermittelt wird; jüngere Untersuchungen zeigten hingegen, dass Phosphatidylserin nicht als Rezeptor wirkt, sondern erst nach der Adsorption an der Aufnahme der Viruspartikel mitwirkt. Auch bei den Rabiesviren hat man Phospholipide und Glycolipide der Zellmembran als Interaktionspartner identifiziert. Zusätzlich scheinen auch bei ihnen jedoch weitere Komponenten der Cytoplasmamembran an der spezifischen Bindung des GProteins beteiligt zu sein. Weil man die Adsorption des Rabiesvirus an Neuronen durch Inkubation mit Neurotoxinen wie α-Bungarotoxin hemmen kann und das G-Protein im Bereich der Aminosäuren 189 bis 214 zu Neurotoxinen homolog ist, geht man von der Beteiligung der nicotinsäureabhängigen Acetylcholinrezeptoren (nAChR) an der Bindung der Viren an die Zelloberfläche neuronaler Zellen aus. Daneben wurde die Bindung des Rabiesvirus an das Zelloberflächenprotein CD56, auch als NCAM (neural cell adhesion molecule) bekannt, beschrieben. Dieses Protein wird vor allem im Nervensystem erwachsener Tiere produziert. Der NeurotrophinRezeptor p75NTR, ein Mitglied der TNF-Rezeptorfamilie, wurde ebenfalls als beteiligt an der Wechselwirkung der Zellen mit Tollwutviren beschrieben. Jedoch ist die Bindung der viralen G-Proteine an p75NTR nicht für die Aufnahme der Viren ausreichend. Der folgende Schritt der Partikelaufnahme durch die Zelle erfolgt durch rezeptorvermittelte Endocytose. Die Ansäuerung des Vesikelinneren durch eine ATPabhängige H+-Ionenpumpe in der Endosomenmembran ändert die Konformation des G-Proteins und aktiviert so seine Fusionsaktivität; die Membranen verschmelzen und das Nucleocapsid gelangt in das Cytoplasma. Die mit dem Nucleocapsid komplexierten N-, Pund L-Proteine sorgen anschließend für die primäre Transkription des RNA-Negativstranggenoms. Dieser Prozess beginnt am 3’-Ende des Genoms (䉴 Abbildung 15.3). Hier befindet sich die einzige Initiationsstelle für die RNA-Synthese. Zuerst wird eine kurze RNA synthetisiert, die komplementär zur Leader-Region ist. Dieses RNA-Molekül wird nicht gecappt und nicht polyadenyliert, es codiert für kein Protein. Die Aufgabe der LeaderRNA, die in großen Mengen gebildet wird, kennt man nicht genau. In Zellen, die mit dem Vesicular-Stomatitis-Virus infiziert sind, scheinen die RNA-Moleküle in den Kern transportiert zu werden und die DNA-abhängige RNA-Polymerisation zu stören. Hierdurch stoppt die Transkription der Wirtszelle und damit auch die Synthese der Zellproteine und die Replikation. Der zelluläre Stoffwechsel dient nun ausschließlich der Virusvermehrung. Die molekularen Details dieses Vorgangs hat man noch nicht aufgeklärt. Im Unterschied zum Vesicular-Stomatitis-Virus ist das Abschalten der zellu-
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lären Funktionen bei Rabiesviren nicht sehr stark ausgeprägt. Die Transkription des viralen Genoms stoppt am Ende der Leader-Region, und die intergenischen Nucleotide werden überlesen. Die RNA-abhängige RNA-Polymerase nimmt am Beginn des N-Gens ihre Aktivität wieder auf und synthetisiert die hierzu komplementäre mRNA, die gecappt wird. Am Ende des N-Gens befindet sich eine uridinreiche Sequenzfolge, die als Signal für die Polyadenylierung dient (5’-AGU7CAUA-3’). Auch an den anderen Endpunkten der für Proteine codierenden Regionen hat man diese Sequenzfolge entdeckt. Der Polymerasekomplex überliest die intergenischen Sequenzen und nimmt seine Aktivität am Beginn des P-Gens wieder auf – ein Vorgang, der sich an allen weiteren Übergängen wiederholt. Dieser Prozess des Überspringens und der Reinitiation ist nicht immer erfolgreich, sodass sich in der Folge ein Gradient unter den neusynthetisierten mRNA-Spezies ausbildet, der in Richtung 5’-Ende des Genoms kontinuierlich abnimmt (䉴 Abbildung 15.3). Da die mRNA-Sequenzen cotranskriptionell translatiert werden, liegen in der infizierten Zelle die NProteine in der größten, die L-Proteine in der geringsten Menge vor. Das Umschalten vom Transkriptionsmodus mit der Synthese einzelner monocistronischer mRNA-Spezies zum Replikationsmodus mit der Bildung eines durchgehenden RNA-Moleküls, das als Zwischenprodukt für die Bildung neuer Virusgenome in negativer Orientierung dient, hängt von der Menge der in der Zelle gebildeten N-Proteine ab. Das N-Protein interagiert mit den RNASequenzen während ihrer Synthese und verhindert, dass die Transkription an den jeweiligen Genenden abbricht, sodass ein durchgehendes RNA-Molekül in Positivstrangorientierung entsteht (䉴 Abbildung 15.3). An seinem 3’Ende, das heißt in der Sequenzfolge im Anschluss an das L-Gen, wird die Synthese neuer Genome initiiert, die wiederum mit N-Proteinen komplexieren. P- und LProteine binden sich an die mit N-Proteinen bedeckte Negativstrang-RNA und bilden die Nucleocapside, die im nächsten Schritt mit M-Proteinen wechselwirken. Das Anlagern der M-Proteine an die Nucleocapside induziert die Kondensation zu helikalen Strukturen. Die Synthese des G-Proteins beginnt mit der Translation des aminoterminalen Signalpeptids und wird nach Assoziation mit einem signal-recognition-particle an der Membran des endoplasmatischen Reticulums fortgesetzt. Das Signalpeptid wird durch die zelluläre Signalase entfernt und das G-Protein in das Lumen eingeschleust, über die carboxyterminale hydrophobe Region in der Membran verankert und während des weiteren Transports durch den Golgi-Apparat zur Cytoplasmamembran glycosyliert. Über die M-Proteine interagiert der Ribo-
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15.3 Verlauf der Genomreplikation der Rhabdoviren. Das Minus- oder Negativstranggenom der Rhabdoviren liegt im Cytoplasma der infizierten Zellen komplexiert mit den viralen Proteinen N, P und L vor. Zuerst erfolgt – katalysiert durch die RNA-abhängige RNA-Polymeraseaktivität des L-Proteins – die Synthese von mRNAs, von denen im Weiteren die entsprechenden Proteine translatiert werden. Die kurze Leader-RNA codiert nicht für Proteine und hat vermutlich regulatorische Funktionen. An Kontrollsequenzen zwischen den einzelnen Genen stoppt die Transkription, überliest die intergenischen Bereiche und startet erneut. Dieser Vorgang ist nicht immer erfolgreich. Es bildet sich ein Konzentrationsgradient an Transkripten, der mit fortschreitender Transkriptionsrichtung kontinuierlich abnimmt. Liegt in der Zelle eine ausreichende Menge neusynthetisierter N-Proteine vor, dann bewirken sie zusammen mit den P- und L-Proteinen, dass die Kontrollelemente an den Übergängen zwischen den Genen überlesen werden. Es entsteht ein durchgehender RNA-Plusstrang, der über seine ganze Länge mit N-Proteinen komplexiert ist. Er dient als Antigenom und somit als Matrize für die Bildung der RNA-Minusstränge, also genomischer RNA.
nucleoproteinkomplex mit Regionen der Membran des endoplasmatischen Reticulums und der Cytoplasmamembran, die eine hohe Konzentration an G-Proteinen besitzen. Dadurch wird der Knospungsvorgang (Budding) initiiert, währenddessen das Nucleocapsid von der Membran umgeben und in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums – vor allem beim Rabiesvirus – von der Zelloberfläche abgegeben wird. Das Abschalten des Wirtszellmetabolismus ist in Zellen, die mit dem Vesicular-Stomatitis-Virus infiziert sind, stark ausgeprägt. Die Zellen zeigen einen deutlichen cytopathischen Effekt, der ein Anzeichen für die Schädigung ist (䉴 Kapitel 5). Er ist in rabiesvirusinfizierten Zellkulturen bei weitem nicht so ausgeprägt, was
möglicherweise auf eine geringere Replikation hindeutet, bei der weniger Nachkommenviren entstehen.
15.1.5 Human- und tierpathogene Rhabdoviren Das Tollwutvirus (Rabiesvirus) Epidemiologie und Übertragung Die Tollwut war weltweit verbreitet: Man bezeichnet sie auch als Rabies oder Lyssa – letzteres aufgrund des wolfsähnlichen Heulens erkrankter Hunde. Epidemiologisch
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q Die Tollwut ist als übertragbare Erkrankung lange bekannt Die Tollwut war bereits im Altertum bekannt. Bereits im dritten Jahrtausend vor Christi Geburt wusste man, dass „tollwütige“ Hunde die Krankheit durch Bisse übertragen können. So ist im babylonischen Gesetzbuch des Eshnunna, das noch vor dem des Königs Hammurapi (etwa 2 300 vor Christi Geburt) galt, nachzulesen, dass die Halter tollwütiger Hunde für durch sie verursachte Todesfälle mit Geldstrafen rechnen mussten. Aulus Cornelius Celsus erkannte bereits im ersten Jahrhundert vor Christus die Bedeutung von Wildtieren und Hunden für die Übertragung. Er empfahl das Ausschneiden und Ausbrennen der Bisswunden. 1804 hat Georg Gottfried Zinke in Jena die Tollwut durch Einreiben des Speichels tollwütiger Hunde in frische Wunden von Kaninchen übertragen. Louis Pasteur hat 1882 erstmals die Tollwut intracerebral auf Kaninchen übertragen und durch fortlaufende Passagierung des Virus in Kaninchen einen Impfstoff entwickelt. Das Impfvirus (virus fixe) zeichnete sich durch eine konstante Inkubationsperiode aus, beim Wildtypvirus (virus de rue) war sie dagegen variabel. Das
sind grundsätzlich die urbane Wut und die sylvatische Wut oder Wildtollwut voneinander zu unterscheiden. Diese Einteilung beruht auf den Wirten, welche die Endemie tragen. Auf der nördlichen Halbkugel überwiegt die sylvatische Wut. Hier sind beziehungsweise waren vornehmlich Landraubtiere wie Füchse, Wölfe sowie Dachse in Europa und Asien beziehungsweise Stinktiere und Waschbären auf dem nordamerikanischen Kontinent mit Rabiesviren infiziert und können sie auf den Menschen übertragen. Auf der südlichen Halbkugel, vor allem in Indien, Ostasien, Afrika und Südamerika, herrscht die urbane Wut vor. Hier sind streunende, herrenlose Hunde die Hauptübertragungsquelle des Rabiesvirus auf den Menschen. Jährlich werden der WHO circa 1 600 Tollwuterkrankungen des Menschen gemeldet. Die Dunkelziffer ist jedoch sehr hoch – die tatsächliche Zahl wird auf 40 000 bis 70 000 geschätzt. In den westlichen Ländern spielen Hunde aufgrund der weit verbreiteten Impfung als Überträger der Erkrankung auf den Menschen kaum noch eine Rolle. Als virusfrei gelten unter anderem Großbritannien, Schweden, Norwegen, Finnland, die Schweiz, Frankreich, Belgien und – seit April 2008 – auch Deutschland. Infizierte Hunde, die gelegentlich von Urlaubern aus Endemiegebieten mitgenommen werden, können in Einzelfällen die Tollwut nach Mitteleuropa importieren und an nicht geimpfte Tiere weitergeben.
Impfmaterial bestand aus dem Rückenmark infizierter Kaninchen, das zerrieben und zwei Wochen lang getrocknet wurde. Es war nicht mehr infektiös, aber immunogen und erzeugte bei Hunden Schutz vor der Infektion. Am 6. Juli 1885 wurde Joseph Meister aus dem Elsaß als erster Mensch gegen die Tollwut geimpft. Auf der Basis von Pasteurs Impfstoff entwickelte man den viele Jahrzehnte benutzten „Semple“-Impfstoff, der durch Phenolbehandlung abgetötete Viren enthielt. Die in den Entwicklungsländern noch heute verwendete „Hempt“-Vakzine enthält mit Äther extrahierte Viren aus dem Rückenmark infizierter Kaninchen. Seit 1980 gibt es Impfstoffe, die in vitro gezüchtete, abgetötete Rabiesviren enthalten und in der Humanund Tiermedizin eingesetzt werden (䉴 Abschnitt 15.1.5). Seit 1954 immunisiert man Patienten mit Bisswunden von möglicherweise tollwütigen Tieren zusätzlich zur aktiven Impfung passiv mit Immunglobulinpräparaten, die Antikörper gegen das Rabiesvirus enthalten.
In Südamerika ist das Rabiesvirus endemisch in blutsaugenden und früchte- oder insektenfressenden Fledermäusen. „Vampiros“ – blutsaugende Fledermäuse – sind die Hauptüberträger der Tollwuterkrankung auf Rinder und andere Haustiere in Süd- und Mittelamerika, selten erfolgt durch sie auch eine Infektion des Menschen. Auch sind Fledermäuse in Holland, Dänemark und in Teilen des Ostseegebiets mit den europäischen Fledermaus-Lyssaviren (Typ 1 und 2) infiziert. Die Epidemiologie der Fledermaustollwut ist unabhängig von der restlichen Wildtollwut. Hier scheinen spezielle Infektionsketten vorhanden zu sein, bei denen es nur sehr selten zu Übertragungen auf Menschen oder auf Haus- und Wildtiere kommt. Die Virusisolate aus Fledermäusen lassen sich mittels monoklonaler Antikörper serologisch und mittels Nucleinsäuresequenzierung genetisch eindeutig unterscheiden. Tollwutfälle durch Fledermaustollwutviren sind sowohl bei Menschen als auch bei Tieren beschrieben, und insbesondere kranke, flugunfähige Fledermäuse sind infektionsverdächtig. Kinder sollten eindringlich auf diese Gefahr hingewiesen werden. Mitunter gibt es aber bei Erkrankten keinen Hinweis auf eine Bissverletzung. Infektiöse Viren sind auch im Fledermauskot nachgewiesen worden. Das Einatmen von virushaltigem Staub ist daher eine denkbare Möglichkeit zur Infektion des Menschen, insbesondere für Höhlenforscher. In Australien, das als
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Übertragung der Tollwut durch Organtransplantation In den Jahren 2004 und 2005 wurden in den USA beziehungsweise in Deutschland insgesamt sieben Todesfälle durch Tollwutvirusinfektionen bei Transplantatempfängern bekannt. Die Patienten infizierten sich über die transplantierten Organe (Leber, Lunge, Nieren, Bauchspeicheldrüse), die aus zwei Spendern stammten. Beide waren an klinisch weniger auffälligen Symptomen einer Tollwuterkrankung verstorben. Der Fall aus dem Jahr 2004 ereignete sich in den USA. Ein 20-jähriger drogenabhängiger US-Amerikaner stellte sich in der Notfallambulanz eines Klinikums mit Übelkeit, Erbrechen und Schluckbeschwerden vor. Kurze Zeit später wurde er desorientiert mit Fieber von einem anderen Krankenhaus aufgenommen und verstarb kurze Zeit später. Als Todesursache wurde eine durch den Drogenmissbrauch verursachte Gehirnblutung diagnostiziert. Seine Organe (Lunge, Nieren, Leber, Bauchschlagader) wurden fünf Patienten übertragen: Vier verstarben an Tollwut, einer an transplantationsbedingten Komplikationen. Retrospektive Recherchen ergaben, dass der Organspender einige Zeit vor dem Auftreten der Symptome von einer Fledermaus gebissen und vermutlich durch den Biss mit Tollwutviren infiziert worden war. Bei dem zweiten Fall wurden in Deutschland die Organe (Leber, Lunge, Niere, Bauchspeicheldrüse, Augenhornhaut)
tollwutfrei gilt, wurde das australische Fledermaus-Lyssavirus aus fruchtfressenden Fledermäusen und Flughunden isoliert. Um den Status „tollwutfrei“ offiziell nicht einschränken zu müssen, hat man es als „Australian Bat Lyssavirus“ be-zeichnet. Die Übertragung erfolgt überwiegend durch Bisse infizierter Tiere, die das Virus bereits bis zu zwölf Tage vor Erkrankungsbeginn im Speichel ausscheiden. Die Übertragung durch virushaltige Aerosole (Fledermaushöhlen) stellt eine Ausnahme dar, zumal hier auch der infektiöse Titer deutlich niedriger ist. Das Tollwutvirus kann grundsätzlich alle warmblütigen Tiere infizieren. Die verschiedenen Spezies sind jedoch unterschiedlich empfänglich für die Infektion mit den Rabiesviren. Füchse – in Europa die wichtigste Tierart für die Übertragung der Tollwut –, Wölfe und Schakale sind besonders gefährdet und übertragen die Infektion auch sehr effektiv, während Fledermäuse, Hauskatzen, Waschbären oder Hunde weniger empfänglich sind; auch Pferde und Menschen gelten als sehr wenig empfänglich und das Opossum gilt als weitgehend resistent.
einer 26 Jahre alten Frau, die an Verhaltensstörungen, Kopfschmerzen und Fieber litt und verstarb, sechs Patienten implantiert. Auch bei dieser Organspenderin war Kokainmissbrauch diagnostiziert worden; als Todesursache wurde eine toxische Psychose dokumentiert. Es zeigte sich jedoch auch in diesem Fall, dass die Patientin an Tollwut erkrankt und vermutlich durch den Hundebiss während eines einige Wochen zurückliegenden Indienaufenthalts infiziert worden war. Drei der Transplantatempfänger verstarben in den folgenden Wochen an Tollwut, der Empfänger der Leber überlebte – er war in den Vorjahren gegen Tollwut geimpft worden und neutralisierende Antikörper gegen das G-Protein waren im Serum nachweisbar. Auch die beiden Empfänger der Augenhornhaut überlebten; ihnen wurden die Transplantate – sie erwiesen sich in PCR-Analysen als virusfrei – vorsorglich entfernt. Die beiden Fälle zeigen beispielhaft, dass die Symptome der Tollwuterkrankung mitunter sehr unklar sein können und aufgrund ihrer Seltenheit von den behandelnden Klinikern nicht erkannt werden. Außerdem zeigen sie, dass bei der Organspende potenziell eine Reihe von Infektionserregern übertragen werden kann, die mit den jetzigen Nachweistests bei den Organspendern nicht diagnostiziert werden können.
Klinik Die Inkubationszeit der Tollwut kann bei Menschen und Tieren stark variieren (von zehn bis zwölf Tagen bis zu mehreren Monaten). Überwiegend beträgt sie zwischen zwei bis sieben Wochen. Nur in zehn Prozent der Fälle vergehen mehr als drei Monate bis zur Entwicklung der Symptome. Es sind jedoch Einzelfälle beschrieben, bei denen die Tollwut erst nach einigen Jahren auftrat. Die Infektionen verlaufen, sobald erste Krankheitssymptome nachweisbar sind, nahezu ausnahmslos tödlich. Im Vergleich zu anderen Säugetieren gilt der Mensch als relativ unempfänglich für die Tollwuterkrankung. Vor Einführung der passiven und aktiven Impfung starben etwa 15 Prozent der Personen, die von tollwütigen Hunden gebissen worden waren. Oft zeigen sich trotz des Bisses eines nachweislich tollwütigen Tieres keine Krankheitsanzeichen, die Infektion konnte sich dann vermutlich nicht etablieren. Bisswunden im Gesichtsund Kopfbereich bergen ein wesentlich höheres Erkrankungsrisiko als solche an Armen oder Beinen. Die Entfernung der Bissstelle zum Gehirn, wo sich die Erkran-
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Unbehandelt ist die Tollwut beim Menschen (fast) immer tödlich Ob es asymptomatische Formen der Tollwuterkrankung gibt, ist unklar. Bei Reihenuntersuchungen an geimpften Tierärzten und Waschbärjägern in den USA fand man bei gesunden Personen in einigen Fällen niedrige Konzentrationen von rabiesvirusspezifischen Antikörpern. Diese Daten könnten ein Hinweis darauf sein, dass in seltenen Fällen inapparente Tollwutinfektionen möglich sind. Da die beobachteten Antikörperkonzentrationen jedoch sehr niedrig lagen, ist nicht auszuschließen, dass sie auf unspezifische
kung manifestiert, die Virusmenge, die dabei übertragen wird, und die möglicherweise unterschiedliche Virulenz verschiedener Isolate sind entscheidend für die Länge der Inkubationszeit und den Ausbruch der Tollwut. Die ersten Anzeichen einer Tollwuterkrankung sind ein Ziehen und Brennen an der Bissstelle, oft in Verbindung mit Kopfschmerzen, Gelenksteife und Fieber. Die akuten neurologischen Symptome äußern sich durch Hyperaktivität, Konvulsionen, Hyperventilation und Lähmungserscheinungen. Diese können in eine etwa zwei bis sieben Tage andauernde Phase der „rasenden Wut“ mit Hydrophobie (Wasserscheu), Schluckkrämpfen, steigendem Fieber, erhöhtem Speichelfluss und geistiger Verwirrtheit übergehen. Bei 20 Prozent der Patienten schließt sich daran die Phase der „stillen Wut“ an, die durch Lähmungen, Bewusstlosigkeit und Koma gekennzeichnet ist. Der Tod erfolgt durch Atemstillstand. Der Erkrankungsverlauf der durch Fledermausbisse übertragenen Tollwut unterscheidet sich von der durch z. B. Wolfsbisse. Jedoch entwickeln auch in diesen Fällen die Patienten mit manifester Infektion neurologische Symptome und versterben. Bei den Wild- und Haustieren sind die Symptome vielseitig. Im Vordergrund stehen zu Beginn der Erkrankung Verhaltensänderungen und häufig Aggressivität („rasende Wut“). Im fortgeschrittenen Stadium der „stillen Wut“ stellen Lähmungen und Krämpfe die Hauptsymptome dar. Charakteristische Symptome sind Larynxkrämpfe und eine daraus folgende scheinbare Hydrophobie, die Aufnahme von Steinen oder anderen Gegenständen (Allotriophagie) sowie sehr häufig Krämpfe der glatten Muskulatur (Tenesmus) und anhaltendes Brüllen. Die symptomatische Erkrankung verläuft bei allen genannten Wirten tödlich.
Reaktivitäten zurückzuführen sind. Gesichert ist bisher nur der Fall eines nicht gegen Tollwut geimpften 15-jährigen Mädchens, das von einer Fledermaus gebissen worden war und danach fieberhafte Symptome entwickelte. Bei Einweisung in das Krankenhaus fand man in ihrem Blut und Liquor hohe IgG-Titer gegen das virale G-Protein, aber kein Virus. Diese Patientin wurde in ein künstliches Koma versetzt; sie hatte offensichtlich die Erreger immunologisch kontrolliert und erholte sich ohne weitere Folgen von der Infektion.
Pathogenese Die Pathogenese der Infektion ist bei Menschen und Tieren ähnlich. Beim Biss gelangt das Virus in die Haut, das subkutane Bindegewebe und die Muskulatur. Es repliziert sich initial in den Haut-, Bindegewebs- oder Muskelzellen an der Bissstelle oder infiziert direkt durch Bindung an die Acetylcholin- und CD56-Rezeptoren die Nervenendigungen und Nervenfasern, die das entsprechende Gewebe versorgen. Zumindest in den Fällen mit kurzer Inkubationszeit ist davon auszugehen, dass das Virus sehr schnell direkt in die peripheren Nerven gelangt. Auch zeigten Infektionsversuche in Cokulturen von Muskel- und Nervenzellen, dass sich das Rabiesvirus sehr rasch an den neuromuskulären Kontaktstellen anreichert. Auch dies weist auf eine direkte Infektion der Nervenzellen hin. In den peripheren Nerven angelangt, wandert es im Axon mit einer Geschwindigkeit von acht bis zwanzig Millimetern pro Tag retrograd zum Rückenmark, vermehrt sich dort in den sekundären Neuronen, überwindet den synaptischen Spalt zwischen 2. und 1. Motoneuron und gelangt so in das Gehirn. Dabei werden nicht die kompletten Partikel, sondern die Nucleocapside von Zelle zu Zelle weitergegeben. Wie dabei die Synapsen überwunden werden, ist nicht bekannt. Es stellte sich heraus, dass für den transsynaptischen Übergang wohl infektiöse Viren vorliegen müssen, da dieser Vorgang von der Anwesenheit der G-Proteine in der Virushüllmembran abhängig ist. Bei Verwendung von Rabiesvirusmutanten, die keine G-Proteine produzieren, bleibt die Virusinfektion auf die Nerven an der Inokulationsstelle beschränkt und der transsynaptische Übertritt in sekundäre und primäre Neuronen unterbleibt. Erfolgt der Biss im Gesichtsbereich und das Virus hat direkten Zugang zu Hirnnerven, wird das Gehirn viel schneller erreicht.
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Die Hauptreplikationsorte im Gehirn sind Ammonshorn, Hippocampus und Hirnstamm. Es entsteht eine Encephalomyelitis. Die geweblichen Veränderungen sind gering, erst gegen Ende der Krankheit treten perivaskuläre Infiltrate auf. Es werden fast nur Neurone zerstört. Nach der Vermehrung im Gehirn wandert das Rabiesvirus anterograd entlang der einzelnen Hirnnerven in die Augenbindehaut und in die Speichel- und Hautdrüsen – es ist dann in Mengen von 106 Partikeln pro Milliliter in Speichel und Tränenflüssigkeit vorhanden. Zugleich erfolgt eine anterograde Ausbreitung in viele periphere Organe, etwa in die Nebennieren. Erst in dieser späten Infektionsphase bildet das Virus infektiöse Partikel. Auf welche Weise die klinischen Symptome entstehen, ist nicht bekannt. Man vermutet eine Störung der Neurotransmittersysteme. Es gibt Hinweise darauf, dass die Lähmungen immunpathologisch durch den Angriff cytotoxischer T-Lymphocyten auf die infizierten Nervenzellen hervorgerufen werden. Möglicherweise geschieht das über einen interferonvermittelten Mechanismus, da Interferon-γ und Interferon-α während der Frühphase der Infektion von stimulierten T-Helferzellen und Makrophagen sezerniert werden. Auch werden in den infizierten Gehirnzellen apoptotische Prozesse eingeleitet. Da Gehirnzellen nicht regenerationsfähig sind, können die Symptome auch hierdurch zumindest mitverursacht sein. Des Weiteren scheint im infizierten Gewebe die Synthese der induzierbaren NO-Synthase eingeleitet zu werden, welche zum Absterben der Gehirn- und Nervenzellen beiträgt. Wird ihre Aktivität gezielt durch Aminoguanidin gehemmt, folgt in vitro die Hemmung der Caspase-1 sowie eine verzögerte Apoptose und in vivo ein längeres Überleben infizierter Mäuse. Das G-Protein scheint für die Virulenz der Rabiesviren und ihre Neuroinvasivität entscheidend zu sein: Es gibt natürlich vorkommende Virusvarianten mit Mutationen der Aminosäure 333 des G-Proteins – die Punktmutationen führen zu einem Austausch des Arginins gegen Isoleucin oder Glutaminsäure. Sie töten immunkompetente Mäuse nicht, zeigen also eine abgeschwächte Virulenz und eine reduzierte Tendenz zur Induktion von Membranfusionen in Zellkulturen neuronalen Ursprungs. Außerdem beeinflussen Veränderungen der Aminosäuren zwischen den Positionen 164 und 303 die Virulenz der Virusisolate: Apathogene Virusimpfstämme erlangen Pathogenität und breiten sich schnell in infizierten Tieren wie auch in der Zellkultur aus, wenn an Position 194 die Aminosäure Asparagin gegen Lysin ausgetauscht wird. CD4+-T-Lymphozyten sind für die immunologische Beherrschung der Infektion von entscheidender Bedeutung. Werden sie im Tiersystem entfernt, kann die Infektion auch nach vorhergehender Impfung nicht kontrol-
liert werden. Deswegen ist für den Eintritt in die späte Erkrankungsphase mit Lähmungserscheinungen möglicherweise die Wirkung des N-Proteins als Superantigen wichtig. In der Maus beobachtete man typische klonale Deletionen von T-Helferzellen mit bestimmten Vb-Ketten der T-Zell-Rezeptoren. Die Wirkung des N-Proteins beruht auf einer epitopunabhängigen Vernetzung der Vb-Ketten der T-Zell-Rezeptoren mit MHC-Klasse-IIAntigenen, was zur andauernden Proliferation der entsprechenden T-Lymphocyten führt. Sie sezernieren erhöhte Mengen von verschiedenen Cytokinen. Dies führt schließlich zu einer funktionellen Inaktivierung (Anergie) der jeweiligen T-Zell-Klone. Über diesen durch das N-Protein vermittelten Mechanismus kann ein Teil der immunologischen Abwehrreaktion ausgeschaltet werden und das Virus sich in der Folge leichter ausbreiten.
Immunreaktion und Diagnose Während der teilweise sehr langen Inkubationsperiode und auch zum frühen Zeitpunkt der Erkrankung lassen sich keine Antikörper nachweisen. Das ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass das Virus sehr schnell Nervenzellen infiziert, die immunologisch privilegiert sind, keine MHC-Moleküle auf der Oberfläche besitzen und so nicht in der Lage sind, Fremdepitope in Form von Peptiden zu präsentieren. Außerdem wandert das Virus in den Axonen in Form von Nucleocapsiden. Größere Mengen kompletter, infektiöser Viruspartikel werden erst gegen Ende der Erkrankung gebildet, sodass neutralisierende Antikörper gegen das G-Protein spät entstehen. Während der Frühphase der Infektion scheinen NK-Zellen bei der Kontrolle der Virusausbreitung im Körper eine wichtige Rolle zu spielen. Sie erkennen durch einen MHC-unabhängigen Mechanismus virusinfizierte Zellen. Schon früh lassen sich im Organismus hohe Konzentrationen an Interferon-α und IL-2 nachweisen. Beide Cytokine können die Aktivität von NKZellen induzieren. Deswegen spielen sie im Rahmen der unspezifischen Abwehrreaktionen bei der Bekämpfung der virusinfizierten Zellen eine wichtige Rolle. Liegen in der Spätphase der Infektion oder nach Impfung G-proteinspezifische, neutralisierende Antikörper vor, können sie die antikörper- oder komplementvermittelte Lyse der infizierten Zellen einleiten. Auch gegen die Komponenten des Nucleocapsids werden Antikörper gebildet. Monoklonale Antikörper gegen bestimmte Epitope des N-Proteins können noch lange nach einer experimentellen Infektion vor der Erkrankung schützen, selbst wenn sich das Virus bereits im Rückenmark befindet. Man nimmt an, dass die N- und G-proteinspezifischen Antikörper den Transport des Nucleocapsids an
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den Synapsen zwischen den Neuronen hemmen. Cytotoxische T-Lymphozyten richten sich vor allem gegen Epitope der G-, N-, und P-Proteine. Sie reichen jedoch nicht aus, um die Virusausbreitung im Organismus zu hemmen. Entscheidend hierfür ist die Aktivität der CD4+-T-Helferzellen. Seit Einführung der Polymerasekettenreaktion wird die Diagnose über den Nachweis viraler Nucleinsäuren in Liquor, Speichel und Tränenflüssigkeit infizierter Personen gestellt. Davor erfolgte die Labordiagnose beim Menschen durch Tupfpräparate von der Hornhaut des Auges und in Hautbiopsien vom Nacken mit dem histologischen Nachweis Negrischer Einschlusskörperchen (䉴 Kapitel 5 und Abbildung 5.3C). Hierbei handelt es sich um eosinophile, cytoplasmatische Ablagerungen viraler Nucleoproteine, die erstmals von Aldechi Negri 1903 in rabiesvirusinfizierten Lebewesen und Zellen nachgewiesen werden konnten. Bei fast allen verstorbenen Tollwutpatienten findet man Negrische Einschlusskörperchen im Ammonshorn. Bei Tieren erfolgt die Diagnose immunhistologisch oder über PCR-Nachweis am toten Tier. Nach initialem Verdacht aufgrund des Verhaltens der Tiere wird vom Amtstierarzt die diagnostische Tötung angeordnet und das Gehirn des Tieres untersucht. Durch Immunfluoreszenz weist man mit geeigneten monoklonalen Antikörpern virale Proteine im Gewebe nach. Von der Tötung eines ansteckungs- oder seuchenverdächtigen Tieres wird nur dann abgesehen, wenn es einen Menschen gebissen hat. Unter Isolationsbedingungen wird die Infektion des Tieres durch die volle Ausprägung des Krankheitsbildes nachgewiesen. Stirbt das Tier nicht innerhalb von sieben bis zehn Tagen, wird nicht von einer Tollwut-Exposition ausgegangen.
Therapie und Prophylaxe Die präexpositionelle Impfung des Menschen erfolgt durch eine dreimalige Gabe von abgetöteten Rabiesviren, die in humanen diploiden Zelllinien (HDC-Impfstoff) oder Hühnerfibroblasten (purified chicken embryo cells, PCEC-Impfstoff) gezüchtet werden. Die Impfung wird nach einem Jahr komplimentiert und in regelmäßigen Abständen aufgefrischt. Wird ein nichtgeimpfter Mensch von einem potenziell tollwütigen Tier gebissen, muss eine Exponiertenprophylaxe erfolgen (postexpositionelle Impfung). Jährlich werden weltweit etwa zehn Millionen derartige postexpositionelle Behandlungen durchgeführt. Sie umfassen die regelrechte Wundversorgung, eine passive Immunisierung mit lokal und systemisch verabreichten Präparaten, die hohe Konzentrationen neutralisierender Antikörper gegen das G-Protein enthalten, sowie eine aktive Impfung mit abgetöteten Virus-
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präparationen. Letztere wird in sechs Einzeldosen in kurzen Abständen verabreicht. Wegen der langen Inkubationszeit ist diese Art der Impfung fast immer erfolgreich, denn sie erlaubt es, vor dem möglichen Auftreten der Symptome erfolgreich eine protektive Immunreaktion aufzubauen. Die Tollwut ist die einzige bekannte Viruskrankheit, bei der eine aktive Impfung auch noch längere Zeit nach Exposition Schutz erzeugen kann. Die verfügbaren Tollwutimpfstoffe vermitteln eine Kreuzimmunität auch zum Schutz vor Infektionen mit den verschiedenen Rabiesvirusisolaten aus Fledermäusen. Über das Ausmaß des Schutzes liegen jedoch nur wenige Untersuchungen vor. Außer durch die Impfung von Menschen wird die Tollwuterkrankung auch wirksam durch die Vakzinierung von Haustieren kontrolliert. Gegen die Haustiertollwut sind sehr wirkungsvolle Totimpfstoffe verfügbar. Eine Impfpflicht besteht nicht, doch sind geimpfte Hunde und Katzen in Deutschland nach dem Tierseuchenrecht besser gestellt, da sie nach Kontakt mit einem tollwutverdächtigen Tier nicht getötet, sondern nur unter amtliche Beobachtung gestellt werden. Die Tollwut ist in einigen europäischen Ländern (beispielsweise Frankreich, Belgien, Schweiz) getilgt, auch Deutschland gilt als frei von dem Virus. Ermöglicht wurde dieser Seuchenstatus im Wesentlichen durch die überaus erfolgreiche Impfung der Füchse mit einer Ködervakzine, die attenuierte Tollwutimpfviren enthält. Für Menschen ist der Kontakt damit ungefährlich. Dennoch wird empfohlen, nach Kontakt mit einem ausgelegten Impfköder vorsichtshalber die oben beschriebene Exponiertenprophylaxe durchzuführen. In den USA und einigen Teilen Europas verwendet man zur Impfung von Wildtieren ein rekombinantes Vacciniavirus, welches das GProtein des Rabiesvirus exprimiert. Kürzlich wurde eine modifizierte Ködervakzine für Hunde entwickelt. Ihre Zulassung und ihr Einsatz wäre in Ländern wie Indien mit einer großen Zahl menschlicher Tollwutfälle nach Hundebissen dringend wünschenswert.
15.1.6 Tierpathogene Rhabdoviren Rhabdoviren verursachen beim Tier zum Teil schwere Erkrankungen. Das wichtigste ist das Tollwutvirus, das im vorgehenden Abschnitt ausführlich besprochen wurde. Daneben spielt auf dem amerikanischen Kontinent das Vesicular-Stomatitis-Virus als Krankheitserreger für Rinder und Pferde eine wichtige Rolle. Es hat auch große Bedeutung als Modellvirus für die Klärung der molekularen Vorgänge bei Rhabdovirusinfektionen und wird deshalb ausführlicher besprochen.
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Weiterhin ist das bovine Ephemeral-Fieber-Virus als tierpathogener Krankheitserrger von Bedeutung. Es ist weltweit in den tropischen Regionen verbreitet und verursacht in Rindern eine leichte, transiente Erkrankung, die hier als Drei-Tage-Fieber bekannt ist. Das Virus wird durch Mücken der Arten Anopheles und Culicoides übertragen. Totimpfstoffe gegen die Infektion sind verfügbar. Tierseuchenrechtlich bedeutsam sind Rhabdovirusinfektionen der Fische. Hierzu zählen vor allem die Erreger der hämorrhagischen Septikämie der Forelle, der infektiösen hämopoetischen Nekrose der Salmoniden, sowie die der weltweit verbreiteten Frühlingsvirämie der Karpfen. Infektionen mit den ersten beiden Erregern sind in Deutschland anzeigepflichtig. Die Übertragung erfolgt meist durch direkten Tierkontakt, epidemiologisch wichtig sind für die Aufrechterhaltung der Infektionsketten lebenslange Virusträger.
Pathogenese
Das Vesicular-Stomatitis-Virus
Bekämpfung und Prophylaxe
Epidemiologie und Übertragung
Impfstoffe sind nicht verfügbar, in Deutschland ist die Erkrankung anzeigepflichtig.
Das Vesicular-Stomatitis-Virus (VSV) kommt ausschließlich auf dem amerikanischen Kontinent vor und infiziert eine Reihe von Tierarten wie Pferde, Rinder und Schweine, aber auch den Menschen. Es existieren zwei Serotypen, New Jersey und Indiana, die über den ganzen Kontinent verbreitet sind. Ihre Infektionen rufen keine Kreuzimmunität hervor. Das Virus wird durch ein breites Spektrum an Insekten, einschließlich Stechmücken, Sandfliegen, Simulien (Black Flies) sowie durch verschiedene Fliegenarten übertragen. Neben der an Insekten gebundenen ist jedoch auch die direkte Übertragung durch Tierkontakte oder die indirekte Übertragung – wie zum Beispiel über Melkmaschinen – möglich. Wichtig ist die Infektion aufgrund der wirtschaftlichen Folgen, die mit der Erkrankung verbunden sind und sich insbesondere in einem Rückgang der Milchleistung bei Rindern bemerkbar machen.
Klinik Die Krankheit geht bei Rindern, Schweinen und Pferden mit Fieber einher. Die Tiere speicheln und lahmen, intakte oder meist aufgeplatzte Vesikel (Bläschen) finden sich im Maul, an den Zitzen und am Kronsaum, bei Schweinen häufig auf der Rüsselscheibe. Bei Schweinen und Pferden können Infektionen mit dem VesicularStomatitis-Virus hochgradige Lahmheiten verursachen. Beim Menschen wurde eine transiente, milde systemische Infektion mit grippeähnlichen Symptomen beschrieben.
Das Virus gelangt über kleine Verletzungen oder durch Arthropodenstiche in die Haut und vermehrt sich hier im Stratum spinosum. Die Ausbreitung erfolgt von Zelle zu Zelle über direkte Infektion der Nachbarzellen. Im Gegensatz zur Situation bei der Maul- und Klauenseuche (䉴 Abschnitt 14.1.6) handelt es sich bei den Läsionen immer um Primäraphthen.
Immunreaktion und Diagnose Die Infektionen beim Rind müssen wegen der Maulund-Klauenseuche-ähnlichen Symptome differenzialdiagnostisch abgeklärt werden. Die Diagnose kann durch Virusisolierung aus Rachentupfern oder besser aus der Bläschenflüssigkeit und der Züchtung in Verozellen bzw. über PCR-Nachweis gestellt werden.
15.1.7 Weiterführende Literatur Albertini, A. A.; Schoehn, G.; Weissenhorn, W.; Ruigrok, R. W. Structural aspects of rabies virus replication. In: Cell. Mol. Life. Sci. 65 (2008) S. 282–294. Baer, G. M. Rabies – An historical perspective. In: Infect. Agents and Dis. 3 (1994) S. 168–180. Bronnert, J.; Wilde, H.; Tepsumethanon, V.; Lumlertdacha, B.; Hemachudha, T. Organ transplantations and rabies transmission. In: J. Travel Med. 14 (2007) S. 177–180. Chelbi-Alix, M. K.; Vidy, A.; El Bougrini, J.; Blondel, D. Rabies viral mechanisms to escape the IFN system: the viral protein P interferes with IRF-3, Stat1, and PML nuclear bodies. In: J. Interferon Cytokine Res. 26 (2006) S. 271–280. Coil, D. A.; Miller, A. D. Phosphatidylserine is not the cell surface receptor for vesicular stomatitis virus. In: J. Virol. 78 (2004) S. 10920–10926. Conzelmann, K. K.; Cox, J. H.; Schneider, L. G.; Thiel, H. J. Molecular cloning and complete nucleotide sequence of the attenuated rabies virus SAD B19. In: Virology 175 (1990) S. 485– 499. Dietzschold, B.; Schnell, M.; Koprowski, H. Pathogenesis of rabies. In: Curr. Top. Microbiol. Immunol. 292 (2005) S. 45– 56. Etessami, R.; Conzelmann, K. K.; Fadai-Ghotbi, B.; Natelson, B.; Tsiang, H.; Ceccaldi, P. E. Spread and pathogenic characteristics of a G-deficient rabies virus recombinant: an in vitro and in vivo study. In: J. Gen. Virol. 81 (2000) S. 214–2153. Faber, M.; Pulmanausahakul, R.; Nagao, K.; Prosniak, M.; Rice, A. B.; Koprowski, H.; Schnell, M. J.; Dietzschold, B. Identi-
15.2 Bornaviren
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15.2 Bornaviren
Die Bornasche Erkrankung der Pferde wurde erstmals 1894 im Ort Borna bei Leipzig beschrieben. Während der letzten Jahre zeigte sich, dass sich außer Pferden auch Schafe und einige andere Säugetiere mit Bornaviren infizieren. Endemieregionen, in welchen regional begrenzt verschiedene Virustämme vorkommen, finden sich vor allem in Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Die molekulare Charakterisierung und Genomsequenzierung erfolgte erst 1994 etwa gleichzeitig in den Gruppen von Juan Carlos de la Torre und W. Ian Lipkin. Daraus ergab sich die Zuordnung der Bornaviren zu den Mononegavirales, da sie ein nichtsegmentiertes RNA-Genom in Negativstrangorientierung aufweisen. Sie zeigen aber so viele Unterschiede in der Genomorganisation, dass sie sich
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15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
nicht den Familien der Rhabdoviridae, Paramyxoviridae oder Filoviridae zuordnen lassen. Auch die Replikationsstrategie weicht von den anderen Mononegavirales ab: Die Genomreplikation der Bornaviren erfolgt im Zellkern und nicht wie sonst bei Mononegavirales üblich im Cytoplasma der infizierten Zelle. Folglich werden die Bornaviren in eine eigene Familie, nämlich die Bornaviridae, eingruppiert.
15.2.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Bornaviren infizieren überwiegend Pferde und Schafe (䉴 Tabelle 15.3). Man kann sie jedoch experimentell auf eine Reihe anderer Wirte wie Nagetiere, Rinder und Katzen, nichtmenschliche Primaten sowie Vögel übertragen. Für jüngst beschriebene Typen der aviären Bornaviren wurde die Schaffung eines neuen Genus vorgeschlagen; dieses wurde jedoch noch nicht offiziell eingerichtet und mit einem Namen belegt.
15.2.2 Aufbau Viruspartikel Die sphärischen Partikel der Bornaviren sind von einer Membranhülle umgeben und haben einen Durchmesser von 90 bis 130 nm (䉴 Abbildung 15.4). In die Hüllmembran ist das virale Glycoprotein GP (in älterer Literatur auch als G-Protein oder gp84 bekannt) eingelagert; das GP-Protein wird nach seiner Synthese proteolytisch in einen aminoterminalen (gp56) und einen carboxyter-
Tabelle 15.3 Charakteristische Vertreter der Bornaviren Genus
Tier
Bornavirus
Borna-Disease-Virus (Pferde, Schafe) (Stamm He-80, V, H24, H1766, u. a.)
*
aviäre Bornaviren
* Als gesonderte Gattung vorgeschlagen, aber noch nicht bekannt
minalen Teil (gp43) gespalten. Das nichtglycosylierte Matrixprotein M (p16 oder ORF3) ist nichtkovalent sowohl mit der Innenseite der Virushüllmembran wie auch mit den P-Proteinen des helikalen Ribonucleoproteinkomplexes im Partikelinneren assoziiert. Dieser besteht aus den N- (p39 oder ORF1, 39 kD) und P-Proteinen (p24 oder ORF2, 24 kD), der RNA-abhängigen RNA-Polymerase (L-Protein, p190 oder ORF5, geschätztes Molekulargewicht 190 kD) und dem viralen RNAGenom. Die N-, P-, M- und GP-Proteine konnten als Genprodukte nachgewiesen werden. Auf das Vorhandensein des p190 (L) schließt man aufgrund der Größe des offenen Leserahmens und in Analogie zu anderen Negativstrangviren.
Genom und Genomaufbau Das Genom der Bornaviren besteht aus einzelsträngiger RNA in negativer Orientierung und ist 8 910 Basen lang. Die Enden sind zueinander komplementär und können pfannenstielähnliche, 20 Basenpaare lange Doppelstrangbereiche ausbilden; dabei fehlen am 5’-Ende jedoch die vier endständigen Nucleotide zur vollständigen Hybridisierung zum Doppelstrang. Diese ITREnden (inverted terminal repeat) stellen die Promotoren dar, welche bei der Genomreplikation die Initiation der
¡ Aviäre Bornaviren In jüngster Zeit wird berichtet, dass Bornaviren auch Vögel infizieren. So konnten bornavirusspezifische RNA-Sequenzen in Papageien nachgewiesen werden, die an einer entzündlichen Erkrankung des zentralen, peripheren und autonomen Nervensystems litten. Dieses proventricular dilatation syndrome, auch bekannt als macaw wasting disease, manifestiert sich primär durch gastrointestinale Störungen, aber auch durch Ataxien und Krämpfe. In den infizierten Vögeln findet man Virussequenzen nicht nur im Nervensystem, sondern auch in vielen anderen Organen; auch
scheiden die Vögel die Viren über den Kot aus. Die Sequenzanalysen wiesen darauf hin, dass es sich bei dem nachgewiesenen Erreger um ein klassisches Bornavirus handelt, obwohl die Sequenzähnlichkeiten zwischen diesen aviären Bornaviren und den equinen Isolaten des Borna-DiseaseVirus auf RNA-Ebene weniger als 70 Prozent betrugen und auf Proteinebene unter 89 Prozent lagen. Experimentelle Infektionen von empfänglichen Papageien sind bisher nicht publiziert, sodass die ätiologische Rolle dieser Viren in dem Krankheitsbild noch nicht gesichert ist.
GP-Protein (gp84)
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15.2 Bornaviren
einzelsträngiges RNA-Genom L-Protein P-Protein N-Protein
Nucleocapsid
5´
3´
Hüllmembran M-Protein (Matrixprotein)
gp56 (externes Glycoprotein)
gp43 (Transmembranprotein)
15.4 Schematische Darstellung eines Bornaviruspartikels.
Synthese der komplementären Plus- und Minusstränge bewirken. Das Genom weist sechs offene Leserahmen auf (䉴 Abbildung 15.5), die in der Reihenfolge 3’-N-X-PM-GP-L-5’ angeordnet sind. Der Leserahmen für das XProtein beginnt vor demjenigen des P-Proteins und überlappt mit ihm, verwendet jedoch ein anderes Leseraster. Eine aminoterminal verkürzte Version P’ des P-Proteins entsteht durch Verwendung eines alternativen Startcodons. Am 3’-Ende des Genoms hat man 43 Basen identifiziert, die nicht für Proteine codieren und der Leader-Region der anderen Negativstrangviren entsprechen. Eine Trailer-Region von 55 Basen am 5’-Ende wird weder transkribiert noch codiert sie für virale Produkte. Im Unterschied zu den anderen Vertretern der Mononegavirales findet man zwischen den offenen Leserahmen nicht die dort üblichen Consensussequenzen für den Abbruch und die Reinitiation der Transkription, die von intergenischen Basen getrennt sind (䉴 Abschnitte 15.1, 15.3 und 15.4). Transkriptionsstartsignale findet man nur an vier Positionen, nämlich am 3’-Ende des Genoms und vor den Genen, die für die Proteine N, P und M codieren. Sie sind durch eine uridinreiche Sequenzfolge gekennzeichnet. Im Genom fand man zwei Introns, die durch alternative Spleißvorgänge aus den primären Transkripten entfernt werden (䉴 Abbildung 15.5). Das Intron I liegt im Bereich des M-Leserahmens und wird bei der Synthese der mRNA-Spezies
der Gene GP und L aus einem gemeinsamen größeren Vorläuferprodukt, das an der Initiationssequenz vor dem M-Gen gestartet wird, durch alternative Spleißvorgänge entfernt. Das Herausschneiden der Introns I und II ist für die Produktion der Transkripte nötig, die der Synthese des L-Proteins (p190) dienen. Wird lediglich Intron II durch Spleißen entfernt, entsteht eine mRNA, die der Translation des M-Proteins dient. Eine ungespleißte, bicistronische RNA startet an Position 1 des Genoms und umfasst die N- und P-Gene; dieses etwa 1 900 Basen lange Transkript wird sowohl in einer modifizierten, versehen mit 5’-Cap und Poly(A)-Ende, wie in einer ungecappten, nicht polyadenylierten Version synthetisiert; die Funktion der nicht modifizierten Version ist unklar. Die Synthese der verschiedenen mRNA-Spezies wird an vier Genompositionen beendet. Diese sind durch die Sequenzfolge AU6–7 gekennzeichnet, die auch das Signal für die Polyadenylierung darstellt. Sie befinden sich im Anschluss an die Leserahmen für die N-, P-, GP- und L-Proteine.
15.2.3 Virusproteine Ribonucleocapsid Das nucleinsäurebindende N-Protein (39 kD) entspricht nach seinen Charakteristika den
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15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
1 43
1175 1885
43
1192 1882
Transkriptionsstartpunkte 8855
4511
5´ genomische RNA 8910 (Negativstrang)
3´ 1 5´
1000
5000
Transkription
N
5´
Transkriptionsendpunkte
X P/P’
GP
5´
M 2410
5´
II
3703
M gp18
5´ I 5´ I
GP 2410
II
3703
L
1932 2025
15.5 Genomorganisation bei Bornaviren. Das Genom besteht aus einer einzelsträngigen RNA, die als Negativstrang vorliegt. Man findet vier Startpunkte (nach rechts gerichtete Pfeile über der Genomlinie) und fünf Endpunkte der Transkription (nach links gerichtete, rote Pfeile). Die Transkripte und die Spleißvorgänge sowie die Proteine, die von den verschiedenen mRNAs translatiert werden, sind im unteren Teil der Abbildung gezeigt. Die unterschiedliche Anfärbung der Proteine weist darauf hin, dass für ihre Synthese unterschiedliche Leseraster verwendet werden. I und II stellen die unterschiedlichen Introns dar, die durch Verwendung alternativer Spleißdonor und -akzeptorstellen aus den Transkripten herausgeschnitten werden.
N- oder NP-Proteinen der anderen Negativstrangviren und ist mit dem Genom assoziiert. Durch Verwendung eines alternativen Startcodons im selben Leseraster entsteht eine aminoterminal um 13 Aminosäuren verkürzte Version des N-Proteins (38 kD), dem das dort vorhandene Kernlokalisationssignal fehlt. Das P-Protein ist phosphoryliert und ebenfalls ein Bestandteil des Nucleocapsids, es wirkt als Cofaktor für die Aktivität des L-Proteins. Auch das P-Protein wird in einer aminoterminal verkürzten Form P’ gebildet, dem die 55 aminoterminalen Reste fehlen. Die Aufgaben der verkürzten Versionen der N- und P-Proteine sind unklar. Das L-Protein entspricht der RNA-abhängigen RNA-Polymerase der anderen Negativstrangviren und liegt in phosphorylierter Form vor. Das Protein X umfasst 87 Aminosäuren. Man fand, dass es mit dem zellulären Chaperon Hsc70 interagiert: Dies scheint den Transport des X-Proteins in den Zellkern zu bewirken. Im Kern der infizierten Zellen liegt das X-Protein in Wechselwirkung mit den P-Proteinen vor, die P-Proteine konkurrieren dabei um dieselbe Bindungstelle wie die Hsc70-Chaperone. Die Bindung der X- an die P-Proteine hemmt die Aktivität der RNA-ab-
hängigen RNA-Polymerase des L-Proteins. Wie dies den Replikationszyklus im Detail beeinflusst, ist unbekannt. Membranproteine Das M-Protein ist das Matrixprotein der Bornaviren. Es interagiert zu Homotetrameren und ist für die Ausbildung der partikulären Strukturen essenziell. Das GP-Protein hat eine Aminosäuresequenzfolge, welche die Charakteristika eines Typ-I-Membranproteins aufweist (Glycosylierung, aminoterminales Signalpeptid, carboxyterminal lokalisierte, hydrophobe Verankerungsregion). Es hat in seiner glycosylierten Form ein Molekulargewicht von 84 kD (gp84). Durch eine zelluläre Furinprotease wird es nach seiner Synthese in den Golgi-Vesikeln in einen externen Anteil gp56 und ein membranverankertes Protein (gp43) gespalten. Antikörper, die gegen die 244 Reste des gp56 gerichtet sind, neutralisieren das Virus. Das deutet zugleich auch auf die Beteiligung dieser Proteindomänen bei der Rezeptorerkennung hin. Das membranverankerte gp43 hat Membranfusionsaktivität. Eine Übersicht der Charakteristika der bornavirusspezifischen Proteine gibt 䉴 Tabelle 15.4.
15.2 Bornaviren
281
Tabelle 15.4 Eigenschaften und Funktionen der bornavirusspezifischen Proteine Protein
Molekulargewicht
Modifikation
Funktion
N
39/38 kD
P/P’
24/19 kD
M
16 kD
GP
84–94 kD
L
190 kD
RNA-abhängige RNA-Polymerase; Bestandteil des Nucleocapsids
X
10 kD
Wechselwirkung mit P-Proteinen und Hsc70
N-Protein; Bestandteil des Nucleocapsids phosphoryliert
P-Protein; Bestandteil des Nucleocapsids M-Protein; Matrixprotein; Tetramer
glycosyliert
15.2.4 Replikation Etliche der molekularen Details bei der Replikation von Bornaviren sind ungeklärt; so ist beispielsweise auch der zelluläre Rezeptor bisher nicht identifiziert. Auf viraler Seite wird die Adsorption durch das gp56-Protein auf der Oberfläche der Virionen vermittelt. Nach der Bindung des Virus an die Zelloberfläche erfolgt die Aufnahme der Partikel durch rezeptorvermittelte, clathrinabhängige Endocytose. Die zelluläre GTPase Rab5 scheint an dem Aufnahmeprozess beteiligt zu sein. Der Befund, dass die Viren von Zellen mit erniedrigtem Cholesteringehalt nicht aufgenommen werden können, lässt auf die Beteiligung der lipid rafts – diese können sich nur bei entsprechend hohen Cholesterinkonzentrationen ausbilden – an diesem Vorgang schließen. Einzigartig unter den Vertretern der Mononegavirales ist, dass Transkription und Genomreplikation nicht im Cytoplasma der Zelle, sondern im Zellkern ablaufen. In der aminoterminalen Domäne des N-Proteins befindet sich ein Kernlokalisationssignal (NLS, nuclear localisation signal), welches für den Transport des Nucleoproteinkomplexes zu den Kernporen und weiter in den Zellkern ausreichend ist. Der Zellkern als Ort des Replikationszyklus ermöglicht es dem Virus, den RNA-Spleißapparat der Zelle zu nutzen. So werden die Proteine M, GP und L von mRNA-Spezies translatiert, die sich durch alternatives Spleißen eines gemeinsamen Vorläuferprodukts bilden (䉴 Abbildung 15.5). Zwischen den für die N- und P-/X-Gene codierenden Sequenzen findet man im Genom einen relativ langen nichtcodierenden Abschnitt. Die Basenfolgen, die dem Transkriptionsterminationssignal am Ende des N-Gens benachbart sind, bestimmen die Häufigkeit, in der verlängerte bicistronische Transkripte mit einer Länge von 1 900 Basen entstehen, welche die Gene N und P/X überspannen. Hierüber schei-
membranverankertes Protein; Spaltung durch Furinprotease in gp43 (C-terminale Domäne, Membranfusion) und gp56 (N-terminale Domäne, Rezeptorbindung)
nen die Mengen der zu bildenden P- und X-Proteine reguliert zu werden. Die Vorgänge, die im Rahmen der Bornavirusinfektion das Umschalten vom Transkriptions- zum Replikationsmodus regulieren, sind nicht im Detail untersucht; vermutlich ist – ähnlich wie bei den Rhabdound Paramyxoviren – die Konzentration der neu synthetisierten N-Proteine auch in diesem Fall entscheidend. Die bei der Genomreplikation gebildeten, zum Virusgenom komplementären RNA-Plusstränge (Antigenome), weisen wie die Virusgenome selbst am 3’-Ende vier überhängende Basen auf. Es wird postuliert, dass die Stränge an einem vier Nucleotide vom 3’-Ende entfernten, stromaufwärts gelegenen Cytosinrest initiiert werden. Es wird auch diskutiert, dass die Synthese der inkompletten RNA-Stränge die Vermehrung des Virus im neuronalen Gewebe bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Genexpression begrenzen soll. Über die Art und Weise, wie die Viren von den infizierten Zellen freigesetzt werden, gibt es kaum Daten; vermutlich geschieht dies durch Knospung von der Zelloberfläche.
15.2.5 Tierpathogene Bornaviren Das Bornavirus Epidemiologie und Übertragung Die Bornasche Erkrankung, eine plötzlich auftretende Encephalomyelitis von Pferden und Schafen, wurde seit 250 Jahren beobachtet und erstmals 1813 beschrieben. Der Name geht auf einen Ausbruch der Erkrankung in einem Kavallerieregiment im Jahr 1894 im sächsischen Bezirk Borna zurück. Daneben hat man die Erkrankung in bestimmten Regionen Süddeutschlands und der
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15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Schweiz gehäuft beobachtet. 1909 entdeckten Ernst Joest und Kurt Degen im Kern der infizierten Zellen die nach ihnen benannten Einschlusskörperchen. 1935 wurde der Erreger als filtrierbares Agens erkannt und damit als Virus identifiziert. Man nimmt an, dass Bornaviren weltweit in Pferden, Schafen und Ziegen verbreitet sind; allerdings konnte man die Erreger bisher nur aus erkrankten Tieren in Europa isolieren. Viele verschiedene Wirbeltiere wie Kaninchen, Ratten, Meerschweinchen, Mäuse, Rhesusaffen und Vögel lassen sich experimentell mit Bornaviren infizieren und etablieren persistierende Infektionen. Die Übertragung kann dabei intracerebral, intraperitoneal und nasal erfolgen. Da das Virus nach experimenteller Exposition in Ratten persistiert und in großen Mengen über den Urin ausgeschieden wird, vermutet man, dass die Nagetiere das natürliche Reservoir für Bornaviren darstellen. Ob die Staggering Disease der Katzen durch eine Bornavirusinfektion verursacht wird, wurde diskutiert. Diese Assoziation ist jedoch ungeklärt und umstritten, da man ähnliche Krankheitsanzeichen auch bei Katzen findet, die nicht mit Bornaviren infiziert sind. Man vermutet, dass die Übertragung unter natürlichen Bedingungen durch Tröpfcheninfektion erfolgt. Es ist nicht bekannt, wie und in welcher Erkrankungsphase das Virus von den infizierten Tieren ausgeschieden wird. Untersuchungen von Pferden in Mitteleuropa ergaben, dass etwa zwölf Prozent der Tiere Antikörper im Serum besitzt, jedoch entwickeln die wenigsten von ihnen Symptome der Bornaschen Erkrankung. Das Virus gilt allgemein als genetisch stabil. Ein neuer Subtyp (No/98) wurde aus einem erkrankten Pferd isoliert. Seine Nucleotidsequenz weicht zu 15 Prozent von derjenigen des Referenzstammes ab.
Klinik Nach einer Inkubationszeit von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten treten in den infizierten Tieren zuerst Verhaltensstörungen und Ganganomalien auf. Später findet man Hypästhesien (verminderte Empfindlichkeit für Sinnesreize), Lethargie und Lähmungen. Die Symptome umfassen Störungen der Sensibilität und der Beweglichkeit, des Verhaltens sowie Schlaf- und Fettsucht, Fieber, Blindheit, bis hin zu Lähmungen, Nystagmus und Koma. Schimpansen entwickelten nach experimenteller Infektion Verhaltensstörungen; 90 Prozent der erkrankten Tiere sterben nach ein bis drei Wochen.
Pathogenese Das Bornavirus gelangt bei der natürlichen Übertragung auf die Nasenschleimhaut der Tiere. Es besitzt einen ausgeprägten Neurotropismus und infiziert letztendlich das gesamte zentrale und periphere Nervensystem. In das zentrale Nervensystem gelangt das Virus wahrscheinlich durch Vermehrung im Riechkolben (Bulbus olfactorius). Von hier breitet es sich überwiegend in Form von Nucleoproteinkomplexen axonal in das Gehirn aus und verursacht eine Encephalomyelitis. Die Gewebeveränderungen beschränken sich auf die grauen, also vorwiegend zellhaltigen Regionen. Sie treten vor allem im limbischen System mit perivenösen Infiltraten von Makrophagen sowie von CD4+- und CD8+-Lymphocyten auf. In den Zellkernen der infizierten Neuronen und Astrocyten lassen sich Virusproteine als JoestDegensche Einschlusskörperchen nachweisen. Natürliche Infektionen im Schaf verlaufen in der Regel subklinisch, das Virus kann jedoch über Monate und Jahre in diesen Tieren nachgewiesen werden. Ob
¡ Bornavirusinfektionen im Menschen – fact or fiction? Großes Aufsehen erregte der Befund, dass man bei Menschen mit psychischen Störungen (manisch-depressive Syndrome, Schizophrenie und Epilepsie) häufiger Antikörper gegen die Proteine N und P des Bornavirus findet als in der gesunden Bevölkerung; gelegentlich ließen sich im peripheren Blut der Patienten mit Bornavirus infizierte Monocyten nachweisen. Ob die Bornavirusinfektion beim Menschen tatsächlich psychiatrische Symptome verursachen können, ist nicht endgültig geklärt. Heute gibt es allerdings Hinweise, dass es sich beim Nachweis von Bornavirusgenomen in menschlichen Zellen wohl meist um Laborkontami-
nationen handelte. Auch weisen im Gegensatz zu Immunglobulinen aus infizierten Tieren die bei Menschen nachgewiesenen bornavirusspezifischen Antikörper häufig eine relativ geringe Affinität auf, die sich über längere Beobachtungszeiträume nicht verändert. Deshalb wird vermutet, dass die im Menschen entdeckten Antikörper möglicherweise nicht gegen das Bornavirus selbst, sondern eventuell gegen ein mit diesem verwandten, jedoch nicht identifizierten Virus gerichtet sind. Ähnlich ungeklärt sind Befunde, dass Bornavirusinfektionen im Menschen die Entstehung von Fettsucht auslösen können.
15.2 Bornaviren
auch Pferde klinisch inapparante, persistierende Infektionen etablieren, ist unklar. Experimentell infizierte Ratten und Mäuse entwickeln eine persistierende Infektion. Für die Einleitung der Viruspersistenz kommt möglicherweise dem X-Protein eine wichtige Aufgabe zu: Durch Wechselwirkung mit dem P-Protein hemmt es die virale RNA-Polymerase. Auch wird es in die Mitochondrien der infizierten Zellen transportiert und verhindert hierdurch in den Zellen die Einleitung apoptotischer Prozesse. Zusätzlich findet man im infizierten Gehirn der persistierend infizierten Tiere eine eingeschränkte Immunabwehr: Möglicherweise verhindern die vier überhängenden Basen an den 3’-Enden der RNA-Genom- und Antigenomstränge die damit verbundene unvollständige Ausbildung eines RNA-Doppelstrangs und im Zuge dessen auch die Aktivierung der RNA-Helicase RIG-I. Diese erkennt gewöhnlich dsRNA oder triphosphorylierte 5’-Enden an RNA-Molekülen und aktiviert das unspezifische Immunsystem und die Synthese der Klasse-I-Interferone (䉴 Kapitel 7 und 8). Da Bornaviren in vitro keinen cytopathischen Effekt verursachen, steht die Pathogenese der Erkrankung mit der Immunantwort des Wirtes in engem Zusammenhang: Werden erwachsene Lewis-Ratten – ein wichtiges Modellsystem zur Untersuchung der Pathogenese von Bornavirus – infiziert, erkranken sie und sterben nach einigen Wochen. Bei Infektion von neugeborenen, immunsupprimierten oder athymischen Mäusen fehlen die Krankheitssymptome; das infektiöse Virus kann lebenslang im zentralen Nervensystem nachgewiesen werden. Diese persistierende Infektion ist durch das Fehlen von entzündlichen Infiltraten gekennzeichnet. Transfundiert man in Ratten mit asymptomatischer, persistierender Infektion spezifisch sensibilisierte Lymphocyten, dann entwickeln sie Symptome. Neben diesen immunpathogenetischen Mechanismen scheinen aber einige der Virusproteine direkt mit der Entwicklung der Symptome verbunden zu sein. So interagiert das P-Protein in infizierten Zellen mit dem Protein GABARAP (g-aminobutyric acid receptor-associated protein) und hemmt dadurch den Transport des γ-Aminobuttersäurerezeptors GABAR zur Cytoplasmamembran. Da γ-Aminobuttersäure ein hemmend wirkender Neurotransmitter ist, wird vermutet, dass die verringerte GABAR-Konzentration in den infizierten Tieren neurologische Veränderungen bewirken kann.
Immunreaktion und Diagnose Cytotoxische T-Zellen und Antikörper sind hauptsächlich gegen N- und P-Proteine gerichtet; Immunglobuline wirken neutralisierend gegen den externen Teil gp56 des GP-Proteins. Der Nachweis spezifischer Antikörper
283
in Serum oder Liquor erfolgt mittels Immunfluoreszenz-, Western Blot- oder ELISA-Tests. Durch die Polymerasekettenreaktion kann die Virus-RNA in Blut- und Gewebezellen nachgewiesen werden.
Therapie und Prophylaxe Eine Therapie für die Bornasche Erkrankung gibt es bislang nicht. In der DDR war ein Lebendimpfstoff auf der Basis von attenuierten Bornaviren zugelassen. Über seine Wirksamkeit und Unschädlichkeit ist wenig bekannt.
15.2.6 Weiterführende Literatur Allmang, U.; Hofer, M.; Herzog, S.; Bechter, K.; Staeheli, P. Low avidity of human serum antibodies for Borna disease virus antigens questions their diagnostic value. In: Mol. Psychiatry 6 (2001) S. 329–333. Bode, L.; Zimmermann, W.; Ferszt, P.; Steinbach, F.; Ludwig, H. Borna disease virus genome transcribed and expresses in psychiatric patients. In: Nature Medicine 1 (1995) S. 232– 237. Briese, T.; Schneemann, A.; Lewis, A.; Ludwig, H.; Lipkin, W. I. Genomic organization of Borna disease virus. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 91 (1994) S. 4362–4366. Chase, G.; Mayer, D.; Hildebrand, A.; Frank, R.; Hayashi, Y.; Tomonaga, K.; Schwemmle, M. Borna disease virus matrix protein is an integral component of the viral ribonucleoprotein complex that does not interfere with polymerase activity. In: J. Virol. 81 (2007) S. 743–749. Clemente, R.; de la Torre, J. C. Cell entry of Borna Disease Virus follows a clathrin mediated endocytosis pathway that requires Rab5 and microtubules. In: J. Virol. 83 (2009) S. 10406–10416. Clemente, R.; de la Torre, J. C. Cell-to-cell spread of Borna disease virus proceeds in the absence of the virus primary receptor and furin-mediated processing of the virus surface glycoprotein. In: J. Virol. 81 (2007) S. 5968–5977. Clemente, R.; de Parseval, A.; Perez, M.; de la Torre, J. C. Borna Disease Virus requires cholesterol in both cellular membrane and viral envelope for efficient cell entry. In: J. Virol. 83 (2009) S. 2655–2662. Cros, J. F.; Palese, P. Trafficking of viral genomic RNA into and out of the nucleus: influenza, Thogoto and Borna disease viruses. In: Virus Res. 95 (2003) S. 3–12. Cubitt, B.; Ly, C.; Torre, J. C. de la. Identification and characterization of a new intron in Borna disease virus. In: J. Gen. Virol. 82 (2001) S. 641–646. Dürrwald, R.; Kolodziejek, J.; Herzog, S.; Nowotny, N. Meta-analysis of putative human bornavirus sequences fails to provide evidence implicating Borna disease virus in mental illness. In: Rev. Med. Virol. 17 (2007) S. 181–203. Hayashi, Y.; Horie, M.; Daito, T.; Honda, T.; Ikuta, K.; Tomonaga, K. Heat shock cognate protein 70 controls Borna disease
15
15
284
15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
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15.3 Paramyxoviren
Die Familie der Paramyxoviridae weist hinsichtlich der Replikationsmechanismen und -strategien eine große Ähnlichkeit mit den Rhabdo- und Filoviridae auf. Sequenzhomologien auf Nuclein- oder Aminosäureebene findet man jedoch nicht. Auch die Paramyxoviren haben ein nichtsegmentiertes, durchgehendes RNA-Genom in Negativstrangorientierung. Sie sind bei Mensch und Tier weit verbreitet und verursachen zum Teil schwere Erkrankungen. Als Beispiele für Krankheiten durch humanpathogene Paramyxoviren seien Masern und Mumps mit ihren Komplikationen genannt, sowie die schweren Infektionen der Atemwege durch das respiratorische Syncytialvirus. Masernviren können selten persistierende Infektionen auslösen, bei denen das Virus über Jahre im Organismus verbleibt. Schwere Tiererkrankungen, nämlich die Hundestaupe und die Rinderpest, werden von Krankheitserregern verursacht, die mit den Masernviren nah verwandt sind. Das Sendai-Virus galt lange als gut untersuchter Prototyp der Paramyxoviren; es wurde 1952 von Masahiko Kuroya und Mitarbeitern in der Stadt Sendai in Japan entdeckt, als sie Mäuse mit Gewebeproben eines an Lungenentzündung verstorbenen Kindes infizierten und es daher zunächst für einen menschlichen Erreger hielten. Es stellte sich jedoch heraus, dass dieses als Parainfluenzavirus Typ 1 der Maus charakterisierte Virus in Mäusen weit verbreitet ist und bei Menschen nur selten Erkrankungen verursacht. Humane Parainfluenzaviren entdeckte man einige Jahre später (1956 bis 1960) als Erreger von Erkrankungen vor allem des Respirationstraktes von Kindern. Von ihnen hat insbesondere das 1955 aus Patienten isolierte, Pseudokrupp verursachende Para-
15.3 Paramyxoviren
influenzavirus Typ 2 (Croup-associated-Virus) große Bedeutung. 1994 traten Todesfälle bei Pferden und Pferdebesitzern auf, die schnell internationales Interesse fanden – obwohl sie nur in einer kleinen Region in der Stadt Hendra in der Nähe von Brisbane (Australien) auftraten. Man entdeckte ein Paramyxovirus als ursächliches Agens, das zunächst als „australisches equines Morbillivirus“ bezeichnet wurde. Es handelte sich dabei jedoch weder um ein australisches Virus noch um ein Pferdevirus oder ein Morbillivirus und es wurde dementsprechend als Hendravirus bezeichnet. Dieses Virus kommt endemisch in Flughunden (engl. flying foxes, Pteropodidae) vor, die nicht nur auf dem australischen Kontinent, sondern auch in Neuguinea und weiten Teilen Malaysias heimisch sind. 1997 und 1998 wurde aus Flughunden ein weiteres Paramyxovirus, das Nipahvirus, isoliert, das ebenfalls schwere Erkrankungen bei Mensch und Tier verursacht. Es war in den vergangenen Jahren wiederholt mit regionalen Epidemien in Malaysia sowie Indien und Bangladesh assoziiert.
15.3.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
285
Erstere lassen sich aufgrund der Funktion ihrer Membranproteine in drei Genera einteilen (䉴 Tabelle 15.5): Respiro-, Rubula- und Avulaviren haben eine Neuraminidase und können Erythrocyten agglutinieren, besitzen also Hämagglutinationsaktivität. Die Rubulaviren – zu ihnen zählt das Mumpsvirus – codieren zusätzlich für ein kleines, hydrophobes SH-Protein, das mit der Hüllmembran verbunden ist. Morbilliviren, zu denen man das Masernvirus zählt, besitzen zwar die Fähigkeit der Hämagglutination, aber keine Neuraminidase. Taxonomisch ordnet man in die Gattung Henipavirus das Hendra- und das Nipahvirus aus der Unterfamilie der Paramyxovirinae ein. Die Vertreter der anderen Unterfamilie Pneumovirinae sind die beiden Genera der Pneumoviren – hierzu gehört das respiratorische Syncytialvirus – und der Metapneumoviren. Beide Gattungen weisen weder eine Hämagglutinations- noch eine Neuraminidaseaktivität auf. Das humane Metapneumovirus – es wurde im Juni 2001 in den Niederlanden aus Kindern mit Atemwegsinfektionen isoliert – und das aviäre Metapneumovirus, auch bekannt als Rhinotracheitisvirus der Pute, sind bislang die beiden einzigen bekannten Metapneumoviren. Sie unterscheiden sich von den Pneumoviren in der Abfolge der Gene auf dem Virusgenom, haben aber den gleichen Partikelaufbau.
Die Paramyxoviren werden in zwei Unterfamilien eingeordnet: die Paramyxovirinae und die Pneumovirinae. Tabelle 15.5 Charakteristische Vertreter der Paramyxoviren Mensch
Tier
Paramyxovirinae Respirovirus
Unterfamilie
Genus
humanes Parainfluenzavirus Typ 1 und 3
bovines Parainfluenzavirus Typ 3 Sendaivirus (murines Parainfluenzavirus Typ 1) Simianvirus 10
Rubulavirus
Mumpsvirus humanes Parainfluenzavirus Typ 2 und 4a, b
Canines Parainfluenzavirus Typ 2 Simianvirus 5 Simianvirus 41
Avulavirus
Pneumovirinae
Newcastle-Disease-Virus (Vogelparamyxovirus Typ 1) Vogelparamyxovirus Typ 2 bis 9
Morbillivirus
Masernvirus
Hundestaupevirus Rinderpestvirus Peste-des-Petits-Ruminants-Virus (PPRV) phocine Staupeviren (Robbenstaupe) Morbillivirus der Wale Delfinstaupevirus
Henipavirus
Hendravirus Nipahvirus
Hendravirus (Pferd) Nipahvirus (Schwein, Hund)
Pneumovirus
respiratorisches Syncytialvirus (RS-Virus)
bovines, respiratorisches Syncytialvirus
Metapneumovirus humanes Metapneumovirus
aviäres Metapneumovirus
15
286
15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
15.3.2 Aufbau Viruspartikel Die infektiösen Viruspartikel haben einen Durchmesser von etwa 150 bis 250 nm. Sie sind überwiegend sphärisch, gelegentlich findet man auch filamentöse Formen. Das Nucleocapsid besteht aus P-, L- und N-/NP-Proteinen, die mit dem einzelsträngigen NegativstrangRNA-Genom zu einem helikal angeordneten Nucleoproteinkomplex aggregiert vorliegen. Es ist von einer Membranhülle umgeben (䉴 Abbildung 15.6). Das LProtein (L = large, Molekulargewicht über 200 kD) besitzt die enzymatische Aktivität einer RNA-abhängigen RNA-Polymerase und ist mit dem P-Protein (P = Phosphoprotein) assoziiert. Das N- oder NP-Protein (N = Nucleocapsidprotein) ist die Hauptproteinkomponente des Nucleocapsids. In die Membran sind virale Oberflächenproteine eingelagert: Das F-Protein (F = Fusion) ist ein Heterodimer aus je einem F1- und F2-Anteil. Es ist glycosyliert und fettsäuremodifiziert und hat insgesamt ein Molekulargewicht von etwa 60 bis 65 kD. Es vermittelt die Aktivität der Virionen zur Induktion von Membranfusionen. Man findet es bei allen Paramyxoviren.
Das HN-Protein (HN = Hämagglutinin-Neuraminidase; Molekulargewicht 60 bis 70 kD) hat bei Vertretern der Genera Paramyxo-, Avula- und Rubulavirus die enzymatische Aktivität einer Neuraminidase und wirkt gleichzeitig hämagglutinierend. Es ist außerdem für die Adsorption der Viruspartikel an die Zellen verantwortlich. Neben einer Modifikation durch Zuckergruppen fand man bei einigen Virustypen an das Protein angefügte Fettsäuremoleküle. Es liegt als Oligomer vor, bei dem die Einzelkomponenten über Disulfidbrücken verbunden sind. Gegen dieses Protein sind die meisten der neutralisierenden Antikörper gerichtet. Bei den Morbilliviren übt das H-Protein (79 kD beim Masernvirus) die Funktion der Adsorption und Hämagglutination aus; die Neuraminidaseaktivität fehlt. Den Henipa-, Pneumo- und den Metapneumoviren fehlt sowohl die Hämagglutinations- als auch die Neuraminidaseaktivität. Das Membranprotein, das bei diesen Viren die Adsorption an die Zellen vermittelt, bezeichnet man als G-Protein (G = Glycoprotein). Es hat ein Molekulargewicht von 84 bis 90 kD, etwa zwei Drittel davon sind durch Kohlenhydratgruppen bedingt. Ein weiteres Virusprotein, das M-Protein (M = Matrix), ist mit der Hüllmembran verbunden, aber nicht an der Oberfläche der Partikel exponiert. Es kleidet die
15
15.6 Aufbau eines Paramyxoviruspartikels am Beispiel eines Respirovirus. Das Genom besteht aus einer einzelsträngigen RNA, die mit den N-, P- und L-Proteinen zu einem helikalen Nucleocapsid interagiert. Das Nucleocapsid ist von einer Membranhülle umgeben, in welche die HN-Proteine (Tetramere) und F-Proteine (Heterodimere aus je einer F1- und F2-Kette) eingelagert sind. Mit der Innenseite der Membran ist das M-Protein assoziiert, das gleichzeitig auch in Bindung mit den Nucleocapsidkomponenten vorliegt.
15.3 Paramyxoviren
Innenseite der Hüllmembran aus und interagiert mit den N-Proteinen des Nucleocapsids. Es hat ein Molekulargewicht von etwa 29 kD (Pneumoviren) bis 40 kD (Parainfluenzaviren) und zeichnet sich durch einen hohen Anteil an basischen Aminosäuren aus. 䉴 Tabelle 15.6 gibt einen Überblick über die Eigenschaften und Funktionen der verschiedenen Proteine.
Genom und Genomaufbau Das Genom der Paramyxoviren besteht aus einzelsträngiger RNA in Negativstrangorientierung, es wirkt also nicht als mRNA und ist alleine nicht infektiös. Das Genom hat eine Länge von 15 384 Basen beim Mumpsund Sendaivirus, 15 463 Basen beim Parainfluenzavirus Typ 3, 15 892 Basen beim Masern- und 15 222 Basen beim respiratorischen Syncytialvirus. Das Genom des neu isolierten humanen Metapneumovirus hat eine Länge von 13 373 Nucleotiden. Bei den tierpathogenen Morbilliviren, dem Hundestaupevirus, findet man 15 690 und beim Rinderpestvirus 15 882 Basen. Deutlich länger sind die Genome der Hendra- (18 234 Basen) und Nipahviren (Malaysia-Stamm: 18 246 Basen, Bangladesh-Stamm: 18 252 Basen). Das Genom liegt im Komplex mit Proteinen als Nucleocapsid vor. Dieser Komplex hat den Aufbau einer linksgängigen Helix von 14 bis 17 nm Durchmesser. In ihrem Inneren bildet sich ein Hohlzylinder von circa 5 nm im Durchmesser aus. Etwa 2 400 bis 2 800 Einheiten des N-Proteins sind mit der RNA assoziiert (pro Helixwindung elf bis 13 Moleküle). Ein N-Protein bindet sich also an etwa sechs Basen. Die hohe Proteinbeladung des Genoms schützt es vor der Zerstörung durch Nucleasen und verleiht ihm die für die Verpackung in die Viruspartikel nötige Flexibilität. Zusätzlich ist das N-Protein notwendig, damit in Wechselwirkung mit den P- und L-Proteinen die Transkription des Genoms stattfinden kann. Letztere sind ebenfalls ein Teil des Nucleocapsids, pro Partikel werden etwa 300 Moleküle des P- beziehungsweise 30 Moleküle des L-Proteins gefunden. Diese sind über nichtkovalente Wechselwirkungen miteinander und mit den N-Proteinen assoziiert und lassen sich experimentell vom Nucleocapsid ablösen. Am 3’-Ende des Genoms befindet sich eine kurze, als Leader bezeichnete Sequenzfolge von 52 bis 54 Basen, die zwar transkribiert wird, aber nicht für Aminosäuren codiert (䉴 Abbildung 15.7). Am 5’-Ende des Genoms befindet sich ein nichttranskribierter Bereich von 40 bis 44 Basen, den man Trailer nennt. Hier liegen die cis-aktiven Initiationssignale für den Start der Polymerasereaktion zur Bildung neuer Genomstränge und zur Verpackung der RNA-Moleküle in die Viruspartikel während des Assembly. In den Leader- und Trailer-Bereichen fin-
287
det man Sequenzfolgen, die Sekundärstrukturen in Form von Haarnadelschleifen ausbilden. Für die Initiation der Transkription und Replikation sind die Strukturen jedoch ohne Bedeutung, diese Vorgänge sind vor allem von der Nucleotidsequenz in den Leader- und Trailer-Bereichen abhängig. Kurze nichttranskribierte Sequenzfolgen (intergenische Nucleotide) befinden sich auch zwischen den verschiedenen Genen. Beim Masernvirus haben sie die Sequenz CUU oder CGU, beim Sendaivirus GAA oder GGG, beim Parainfluenzavirus GAA. Beim Mumpsvirus schwankt ihre Länge zwischen einer und sieben Basen. Konservierte Sequenzfolgen finden sich an den Start- und Endpunkten der Gene (S- und EConsensus). Sie flankieren die intergenischen Regionen und sorgen für die geordnete Transkription der Genomabschnitte. Die Anordnung der Gene auf der Nucleinsäure ist bei Vertretern der Genera Paramyxo- und Morbillivirus sehr ähnlich. In 3’→5’-Richtung finden sich die Gene N-P-M-F-H/HN-L (䉴 Abbildung 15.7). Im Genom der Pneumoviren ist die Abfolge anders: Ihm fehlen die Sequenzen der HN- beziehungsweise H-Proteine. In dem entsprechenden Bereich findet sich die Information für ein als M2-1-Protein bezeichnetes Produkt von etwa 22 kD, das bei diesen Viren in unregelmäßigen Mengen in der Matrixproteinschicht der Partikel nachweisbar ist. Mit seinem Ende überlappt ein kurzer offener Leserahmen (M2-2), der für ein 90 Aminosäuren langes Protein unbekannter Funktion codiert. Der für das G-Protein codierende Nucleinsäurebereich liegt zwischen den Genen für die M- und F-Proteine. Zusätzlich befinden sich im 3’-Bereich des Pneumovirusgenoms zwei kürzere Leserahmen (1B oder NS2 und 1C oder NS1), deren Funktion unbekannt ist. Ein 1A- oder SH-Gen ist sowohl bei den Pneumoviren als auch beim Mumpsvirus vorhanden. Es codiert beim Mumpsvirus für ein kurzes, hydrophobes Peptid von etwa 5 kD, bei den Vertretern der Pneumoviren findet man SH-Proteine von 13 bis 40 kD. Die Anordnung der Gene auf dem RNA-Genom der Metapneumoviren ist wiederum unterschiedlich zu allen anderen. Auch sie codieren nur für ein Glycoprotein, das G-Protein. Sein Gen liegt direkt vor dem Leserahmen des L-Proteins. Dem GLeserahmen vorgeschaltet sind die M2- und SH-Gene, wohingegen sich der Leserahmen für das F-Protein – ähnlich wie bei den Respiro-, Rubula- und Morbilliviren – an die Sequenzen der N-, P- und M-Proteine anschließt (䉴 Abbildung 15.7D). Im Vergleich zu den anderen Paramyxoviren haben die Nipah- und Hendraviren einen verlängerten Leserahmen für das P-Gen. Das Genom der Paramyxoviren enthält neben diesen relativ einfach erkennbaren Genen weitere Codierungskapazitäten: In der für das P-Protein codierenden Re-
15
15
288
15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 15.6 Eigenschaften und Funktionen der verschiedenen Paramyxovirusproteine Protein
Parainfluenzavirus 1
Mumpsvirus
Masernvirus
respiratorisches Syncytialvirus
Funktion
F0
63 kD
59 kD
55–60 kD 68–70 kD
Vorläuferprodukt; Membranprotein; wird prozessiert zu F2 und F1
F2
10–12 kD glycosyliert
18–20 kD glycosyliert
18–20 kD 20 kD glycosyliert glycosyliert
aminoterminale Region von F0; Signalpeptid am NH2-Ende
F1
50–55 kD glycosyliert acyliert
46–48 kD glycosyliert acyliert
41 kD 48 kD glycosyliert glycosyliert acyliert acyliert
carboxyterminale Region von F0; Fusionspeptid am NH2-Ende, Transmembranregion (Typ-I-Membranprotein); neutralisierende Antikörper; bildet mit F2 ein fusionsaktives Heterodimer (F-Protein)
HN
69–72 kD glycosyliert acyliert
64 kD glycosyliert acyliert
–
Bindung an Sialylsäure; Neuraminidase; Hämagglutination; Adsorption; neutralisierende Antikörper; Oligomer (Di- und Tetramer); Transmembranregion am NH2-Ende (Typ-II-Membranprotein)
H
–
–
79 kD – glycosyliert acyliert
keine Neuraminidaseaktivität; sonstige Funktionen wie bei HN-Protein
G
–
–
–
84–90 kD O-glycosyliert
keine Neuraminidase; kein Hämagglutinin; sonstige Funktionen wie bei HNProtein
M
39,5 kD
42 kD
36 kD
29 kD
Matrixprotein; bildet Proteinschicht an Membraninnenseite; initiiert Assembly
N/NP
58 kD
61 kD
60 kD
43 kD
Nucleocapsidprotein; interagiert mit RNA-Genom
P
67 kD phosphoryliert
42 kD phosphoryliert
72 kD 27 kD phosphory- phosphoryliert liert
ergänzt Polymeraseaktivität des L-Proteins; bindet an L- und N-Proteine
L
256 kD
257 kD
200 kD
250 kD
RNA-abhängige RNA-Polymerase; bindet an N- und P-Proteine; Teil des Nucleocapsids; Proteinkinase
M2-1
–
–
–
22 kD
phosphoryliert; Zn2+-bindend; in geringen Mengen in den Virionen vorhanden; reguliert Transkription/Replikation
Strukturproteine
– –
Nichtstrukturproteine 1A/SH
–
6,7 kD/57 AS –
64 AS
Membranprotein; hydrophob; teilweise glycosyliert
1C/NS1
–
–
–
14 kD/139 AS
bewirkt Ubiquitinylierung und proteolytischen Abbau von Stat2
1B/NS2
–
–
–
15 kD/124 AS
hemmt RIG-I abhängige Expression von Klasse-I-Interferonen
C
199 AS/23,3 kD –
20 kD
–
Hemmung der Genomtranskription
D
ca. 20 kD
–
?
–
aminoterminal verkürztes C-Protein
V
22–28 kD phosphoryliert
24 kD phosphoryliert
46 kD – phosphoryliert
Insertion von G-Resten durch RNAEditing; cysteinreich
AS: Aminosäuren
15.3 Paramyxoviren
289
sion des P-Proteins ist das X-Protein. Eine weitere Variation besteht darin, dass mRNA-Moleküle aus dem Bereich des P-Gens bei den Respiro- und Morbilliviren durch gezieltes Einfügen von Guanosinresten über den Prozess der RNA-Editierung so verändert werden, dass sich hierdurch neue Leserahmen (für die Proteine V und
gion befindet sich bei den Respiro-, Morbilli- und Rubulaviren ein zweiter Leserahmen, der ein anderes Raster verwendet und für zwei Formen eines Nichtstrukturproteins codiert (C und C’, C = cellular protein) sowie für die Polypeptide Y1 und Y2, die einen anderen Startpunkt verwenden. Eine aminoterminal verkürzte VerA Mumpsvirus 5000
SH
10000
15000
3´ P
N
M
F
E Trailer ( Ende - intergenische Sequenzen - Start )
Leader S E
A
AU C U U UA A
I
5´ 15384 Basen
L
HN
* S
U GG C U U C U N C UU UC
1-7 Nucleotide
Consensussequenz
B Masernvirus 5000
3´
P
N
M
10000
15000
5´ 15892 Basen
L
H
F
E Trailer
Leader S E
I
S
U C A A A U AU NN N C U AGG N N A G AUA G G A G U
Consensussequenz
C Respiratorisches Syncytialvirus 5000
3´
1C 1B
N
PP
10000
M SH G
15000
M2
F
5´ 15222 Basen
L
E Trailer
Leader S E
II
S S
U C A A U N U UU variabel C C C CG UUU A U U U AA
Consensussequenz
D Humanes Metapneumovirus 5000
3´
N
P
M
10000
F
M2 SH
Leader S
G
5´ L
E E
I
13373 Basen
Trailer
S
15.7 Genomorganisation bei Paramyxoviren. A: Mumpsvirus. B: Masernvirus. C: Respiratorisches Syncytialvirus. D: Humanes Metapneumovirus. Das Genom besteht aus einer einzelsträngigen RNA, die als Negativstrang vorliegt. Unter der schematisch als Linie angegebenen RNA ist die Lage und Länge der verschiedenen von den Viren codierten Gene angegeben, die im Replikationsverlauf in mRNA transkribiert werden. An den Enden und zwischen den Genen befinden sich Kontrollsequenzen, die mit E-I-S bezeichnet sind. An den E-Sequenzen stoppt die Transkription, die I-Sequenzen (intergenisch) werden überlesen, die S-Sequenzen kontrollieren den erneuten Start der mRNA-Synthese. Die für die jeweiligen Viren spezifischen Consensussequenzen an den Genübergängen sind angegeben, diejenigen des humanen Metapneumovirus sind noch nicht endgültig bekannt. Mit 1C (NS1) und 1B (NS2) sind Gene für Nichtstrukturproteine bezeichnet, die man beim respiratorischen Syncytialvirus findet. Das SH-Gen codiert für ein kleines, sehr hydrophobes Membranprotein. Man findet es in den Genomen der Pneumo- und Metapneumoviren sowie beim Mumpsvirus, jedoch nicht bei allen Vertretern des Genus Rubulavirus. Am Übergang zwischen den Genen M2 und L des respiratorischen Syncytialvirus und des humanen Metapneumovirus überlappen die 3’-Enden des M2-Transkripts mit dem 5’-Ende der mRNA für das L-Protein.
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W) ergeben können. Bei den Rubulaviren ist der Vorgang umgekehrt: Hier wird das V-Protein von einer mRNA translatiert, die colinear zur Genomsequenz ist. Die Synthese des P-Proteins ist hingegen abhängig vom Einfügen zweier Guanosinreste in die Transkripte. Die gelegentliche Synthese der Proteine D und I fand man bei einigen der Respiroviren durch die Kombination der verschiedenen Variationsmöglichkeiten.
15.3.3 Virusproteine Strukturproteine Membranproteine Die HN-, H- oder G-Proteine sind in der Membran der verschiedenen Paramyxoviren verankert und für die spezifische Adsorption der Partikel an die Zelloberfläche verantwortlich. Es handelt sich um Membranproteine des Typs II, das heißt, sie besitzen kein Signalpeptid am aminoterminalen Ende, sondern eine hydrophobe Sequenzfolge von 25 bis 30 Aminosäuren in der Nachbarschaft des Aminoterminus. Sie wirkt als Signal für den Transport des Translationskomplexes zur Membran des endoplasmatischen Reticulums, erlaubt das Durchschleusen der Proteinkette in das Lumen und dient als Transmembranregion zur Verankerung des Polypeptids. Eine Signalase schneidet hier nicht. Folglich befinden sich die etwa 30 bis 40 Aminosäuren am aminoterminalen Ende im Cytoplasma und die Sequenzen im Anschluss an die hydrophobe Domäne im Lumen des endoplasmatischen Reticulums – hier werden sie durch Anfügen von Zuckergruppen modifiziert – beziehungsweise auf der Oberfläche der Virusmembran. Die Proteine liegen als Oligomere vor, die durch Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Vermutlich handelt es sich dabei um Tetramere. Das HN-Protein der Respiro- und Rubulaviren besitzt eine Domäne mit ausgeprägter Homologie zur Neuraminidase der Influenzaviren (䉴 Abschnitt 16.3). Es spaltet endständige N-Acetyl-Neuraminsäurereste (Sialylsäure) von komplexen Kohlenhydratgruppen ab. N-Acetyl-Neuraminsäurereste dienen vielen Vertretern der Paramyxoviren als zelluläre Rezeptoren. Sie sind Modifikationen von Lipid- und Proteinkomponenten auf Zelloberflächen. Die Bindung an sie wird durch Aminosäuren um Position 400 des HN-Proteins vermittelt. Die Neuraminidaseaktivität entfernt eben diese Rezeptorgruppen. Dies gewährleistet vermutlich die effiziente Ausbreitung einer Viruspopulation: Zum einen erschwert das Entfernen der als Rezeptor wirkenden Gruppen die Infektion der selben Zelle mit weiteren Viruspartikeln. Zum anderen verhindert es später im Replikationszyklus, dass freigesetzte Viren sofort wieder
mit Rezeptoren der infizierten zerstörten Zelle reagieren und damit für die kommenden Infektionszyklen nicht mehr zur Verfügung stehen würden. Die H-Proteine der Morbilliviren haben keine Neuraminidaseaktivität, binden sich jedoch an N-Acetyl-Neuraminsäure und besitzen eine signifikante Sequenzhomologie zu den HN-Proteinen des Genus Paramyxovirus. Die Struktur der Proteine und ihre Oligomerisierung dürfte deswegen sehr ähnlich sein, vor allem weil die Lokalisation der Cysteinreste stark konserviert ist. Auch das weist auf eine enge Verwandtschaft zwischen den HN- und H-Proteinen beider Genera hin. Die funktionell deutlich unterschiedlichen G-Proteine der Pneumoviren besitzen mit 298 Aminosäuren nur die Hälfte der Größe der knapp 600 Reste langen HN-und H-Proteine. Sie weisen im Gegensatz zu Letzteren einen sehr hohen Gehalt an Zuckergruppen auf, die O-glycosidisch mit Serin- oder Threoninresten verbunden sind. Man findet daher für die G-Proteine der Pneumo- und Metapneumoviren Molekularmassen von 90 kD beziehungsweise 80 kD. Die F-Proteine besitzen sehr stark konservierte Sequenzen und sind in der Membran der Virionen verankert. Der heterodimere Komplex aus F1- und F2Teilen intergagiert zu Trimeren und induziert nach der Adsorption der Partikel an eine Zelle die Fusion der viralen mit der zellulären Membran. Das F-Protein wird als Vorläuferpolypeptid F0 synthetisiert. Dieses besitzt am aminoterminalen Ende ein typisches Signalpeptid für den Transport des Translationkomplexes zur Membran des endoplasmatischen Reticulums (䉴 Abbildung 15.8A). Nach dem Durchschleusen der Aminosäurekette durch die Membran bewirkt eine hydrophobe Sequenzfolge am carboxyterminalen Ende die Verankerung des F0-Proteins in der Membran, das Signalpeptid wird abgespalten. Das F0-Protein wird während des Transportes zur Zelloberfläche im Golgi-Apparat glycosyliert. Die Prozessierung des F0-Proteins in den aminoterminalen Anteil F2 (circa 10–20 kD bei den verschiedenen Viren; 䉴 Tabelle 15.6) und des F1-Proteins erfolgt durch eine im Golgi-Bereich lokalisierte Protease. Die Spaltstelle liegt zwischen einem Abschnitt basischer Aminosäuren und einer hydrophoben Domäne. Letztere bildet nach der Spaltung das aminoterminale Ende des membranverankerten F1-Proteins. Der F2-Anteil bleibt mit dem F1-Protein durch eine Disulfidbrücke verbunden (䉴 Abbildung 15.8). Durch die Proteolyse des F0Proteins wird am Aminoterminus des F1-Teils ein stark hydrophober Bereich von circa 25 Aminosäuren exponiert; dieses Peptid stellt die fusogene Domäne des F-Proteinkomplexes dar. Während des Adsorptionvorgangs verändert sich die Konformation der F-Proteine: Benachbart zur fusogenen Region und zur Transmembrando-
15.3 Paramyxoviren
mäne findet man in der Sequenz des F1-Proteins zwei bis sieben Aminosäuren umfassende Sequenzwiederholungen, bekannt als heptad repeat A und B (HRA, HRB). Im Rahmen der Konformationsänderung bilden die HRAund HRB-Abschnitte der trimeren F-Proteinkomplexe eine Bündelstruktur aus sechs α-Helices. Dabei kommt es auch zur Umlagerung der fusogenen Domäne, welche Kontakt mit der Cytoplasmamembran aufnimmt und die Verschmelzung mit der Virushüllmembran vermittelt (䉴 Abbildung 15.8B). Antikörper, die gegen dieses Fusionspeptid des F1-Proteins gerichtet sind, haben neutralisierende Wirkung und verhindern die Aufnahme des Virus durch die Zelle. Das M-Protein ist ein relativ kleines, nichtglycosyliertes, mit der Hüllmembran assoziiertes Virusprotein. In der Sequenz des M-Proteins lässt sich weder ein Signalpeptid noch eine Transmembrandomäne identifizieren. Es kann mit den im Cytoplasma lokalisierten Domänen der beiden anderen viralen Glycoproteine interagieren und lagert sich so unter Ausbildung einer Matrixschicht an der Innenseite der Membran an. Zusätzlich kann das M-Protein mit dem Nucleocapsid, vor allem dem NProtein, wechselwirken. Es ist für die Bildung der Viruspartikel und die Verpackung der viralen RNA im Verlauf der Morphogenese und des Virus-Assembly von großer Bedeutung. In gentechnischen Systemen lassen sich virusähnliche Partikel nur dann herstellen, wenn man die viralen Glycoproteine zusammen mit den M-Proteinen produziert. In den Partikeln der respiratorischen Syncytialviren findet man geringe Mengen des M2-1-Proteins. Es ist mit den Aminosäuren in der aminoterminalen Domäne der M-Proteine verbunden, phosphoryliert und weist in seiner Sequenz ein Zn2+-Ionen bindendes Motiv auf. Es
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ist auch mit den Ribonucleoproteinkomplexen im Cytoplasma der infizierten Zellen assoziiert, bindet sich dabei an die Leader-Sequenzen in den Virusgenomen und reguliert die Umschaltvorgänge zwischen Transkription und Replikation. Man fand, dass es dabei als Antiterminator wirkt und die Synthese durchgehender RNA-Plusstränge fördert. Auch bewirkt das M2-1Protein, dass die M-Proteine mit den Nucleocapsiden Kontakt aufnehmen; dies leitet die späten Morphogeneseschritte ein. Proteine des Nucleocapsids Das Nucleocapsid besteht aus drei viralen Proteinen, die mit dem RNA-Genom einen Komplex bilden. Die Hauptkomponente des Nucleocapsids ist das N-Protein, das in enger Bindung an die RNA vorliegt. Für das Anlagern an die Nucleinsäure sind die Domänen im aminoterminalen Teil des Proteins verantwortlich, während das carboxyterminale Drittel an der Oberfläche des Ribonucleoproteinkomplexes exponiert ist und mit den P- und L-Proteinen interagiert. Der Komplex aus N-, P- und L-Protein ist in seiner Gesamtheit an der Transkription des RNAGenoms beteiligt. Das N-Protein ist zwar enzymatisch nicht aktiv, seine Beteiligung an diesem Prozess konnte aber durch den Befund belegt werden, dass „nackte“ RNA durch die P- und L-Proteine nicht transkribiert werden kann. Weitere Wechselwirkungen des N-Proteins erfolgen mit den M-Polypeptiden, die mit der Cytoplasmamembran der infizierten Zelle und der Virusmembran assoziiert sind. Diese Bindung ist für die korrekte Faltung und Verpackung der Nucleocapside in die entstehenden Partikel essenziell. Die Sequenzen der L-Proteine sind bei allen Paramyxoviren konserviert. Nur wenige Moleküle assoziieren
¡ Modell zur F-Protein-vermittelten Membranfusion Für den Adsorptions-, Membranfusions- und Infektionsvorgang hat man folgendes Modell entwickelt: Im ersten Schritt adsorbieren die Viruspartikel über eine spezifische Wechselwirkung des HN- oder H-Proteins an Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Das bringt die Oberflächen der Virus- und Cytoplasmamembranen in eine sehr enge räumliche Nähe. Im zweiten Schritt kommmt es zu strukturellen Umlagerungen im F1-Protein mit der Folge, dass die HRAund HRB-Sequenzwiederholungen eine α-helikale Bündelstruktur bilden. Dadurch können die stark hydrophoben aminoterminalen Enden der F1-Proteine, welche die hydro-
phobe Umgebung in der Lipidschicht bevorzugen, mit der Cytoplasmamembran interagieren und so eine zusätzliche direkte Verbindung zwischen Virus und Zelle schaffen: Das F1-Protein ist nun über sein carboxyterminales Ende in der Virusmembran verankert und über den Aminoterminus mit der Cytoplasmamembran der Zelle verbunden. Die beiden Membrankompartimente stoßen nun sozusagen aneinander, der fluide Charakter der Lipiddoppelschichten fördert ihre Verschmelzung. Virus- und Zellmembran gehen also ineinander über, und das im Virion enthaltene Nucleocapsid wird in das Zellinnere entlassen.
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mit den Nucleocapsiden im Viruspartikel und in den infizierten Zellen. Die L-Proteine sind nicht gleichmäßig über die gesamte Länge des Nucleocapsids verteilt, sie liegen vielmehr gehäuft an den transkriptionsaktiven Regionen vor und sind dort nichtkovalent miteinander verbunden. Das L-Protein ist eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, kann aber nicht allein, sondern nur im Komplex mit den Proteinen P und N wirken. Es ist außerdem vermutlich als Proteinkinase an der Phosphorylierung der P- und N-Proteine beteiligt.
Mit dem L-Protein assoziiert ist das P-Protein, die dritte Komponente des Nucleocapsids, das wegen dieser Interaktion ebenfalls in Clustern vorliegt. Es handelt sich um ein phosphoryliertes, wahrscheinlich trimeres Polypeptid. Die Phosphatgruppen befinden sich überwiegend in der aminoterminalen Region. Während des Transkriptionsprozesses kann das P-Protein seine Lokalisation auf dem Nucleocapsid verändern: Es wandert gleichsam auf ihm entlang und gilt deswegen als „mobiles“ Protein. Der Komplex aus L- und P-Protein ist nicht
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COOH
Fc Signalpeptid Fusionspeptid
516 539
HRB Transmembranregion
HRA
proteolytische Spaltung
s F2
+
DPRTKR
B
s
+
F1
COOH
FFGGVIGTIALGVATSAQITAAVALV
Virus Nucleocapsid
Nucleocapsid
Nucleocapsid
Virushüllmembran F1
NH 2
F2
F2
S S
S S
HN-Protein
HN-Protein
S S
NS
NS
NS
Cytoplasmamembran Zelle (Cytoplasma)
F1
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F2
NH 2
NH 2 Zelle (Cytoplasma)
Zelle (Cytoplasma)
15.8 Das F-Protein der Paramyxoviren. A: Lage der funktionell aktiven Domänen (Signalpeptid, Fusionspeptid, HRA und HRB, Transmembranregion) im F-Protein des humanen Parainfluenzavirus Typ 3. Das Protein wird durch eine trypsinähnliche Protease in einen aminoterminalen Anteil F2 und einen membranverankerten Anteil F1 gespalten. Beide Anteile bleiben über eine Disulfidbrücke miteinander verbunden. B: Postulierter Wirkmechnismus bei der F-Protein-induzierten Membranfusion. Das Viruspartikel bindet sich über das HN-Protein an eine endständige Neuraminsäure (NS), die sich an Proteinen oder Lipiden auf der Zelloberfläche befindet. Die hydrophoben Aminosäuren am aminoterminalen Ende des F1-Proteins, das in die Membranhülle des Virus eingelagert ist, gelangen so in die Nähe der Cytoplasmamembran und können sich in sie einlagern. Hierdurch wird eine enge Verbindung zwischen der Virus- und der Zellmembran geschaffen, welche die Fusion beider und die Einschleusung des viralen Nucleocapsids fördert.
15.3 Paramyxoviren
nur für die Synthese der verschiedenen RNA-Produkte verantwortlich, sondern auch für die Capping-und Methylierungsreaktion an den 5’-Enden der mRNAMoleküle und für die 3’-Polyadenylierung.
Nichtstrukturproteine Bei einigen Paramyxoviren, so etwa beim Mumpsvirus und auch bei den Pneumo- und Metapneumoviren (䉴 Abbildung 15.7A und 15.7D), findet sich in der Nucleinsäuresequenz des Genoms ein kurzer offener Leserahmen, der für ein meist kleines, hydrophobes SHProtein (SH = strongly hydrophobic) codiert, das die Merkmale eines membranverankerten Produkts (Typ II) hat. Seine Funktion ist weitgehend unbekannt und es konnte bisher nicht eindeutig als Teil des Virions nachgewiesen werden. Es ist auch nicht klar, ob es in infizierten Zellen exprimiert wird. Zerstört man das SH-Gen durch Mutation, dann zeigen die SH-deletierten Viren keine veränderten Replikationseigenschaften in Zellkultur und auch keine veränderte Pathogenität in Tiermodellen. Man hat Hinweise, dass die SH-Proteine des Mumps- und des respiratorischen Syncytialvirus die TNF-vermittelte Aktivierung des NFκB unterbinden. Zwei weitere Nichtstrukturproteine lassen sich aus der Sequenz der Pneumovirusgenome ableiten: Dem Leserahmen 1C wurde das NS1-Protein, dem 1B-Leserahmen das NS2-Protein zugeordnet. Die NS1- und NS2-Proteine des respiratorischen Syncytialvirus blockieren die interferonvermittelten Abwehrreaktionen, indem sie die Ubiquitinylierung und den Abbau der Stat2-Proteine durch die Proteasomen einleiten. Zusätzlich unterbinden die NS2-Proteine die Aktivierung der Expression des für IFN-ß codierenden Gens: Dabei binden die NS2-Proteine an die aminoterminale CARDDomäne von RIG-I, einer cytoplasmatischen RNA-Helicase, die als Teil des unspezifischen Immunsystems die Synthese der Klasse-I-Interferone einleitet (䉴 Kapitel 8). Nichtstrukturproteine sind auch bei anderen Paramyxoviren vorhanden. Ihre Funktionen sind in den meisten Fällen unklar. Verantwortlich für die Synthese sind Sequenzen im P-Gen. Beim Sendaivirus stellte sich heraus, dass ausgehend vom P-Gen sieben bis acht verschiedene Proteine gebildet werden können: 1. das P-Protein, das colinear zur Genomsequenz ist; 2. das X-Protein, das von derselben RNA im selben Raster wie das P-Protein translatiert wird, aber ein späteres AUG-Codon für den Start verwendet, also ein aminoterminal verkürztes Produkt des P-Proteins darstellt; 3. die Familie der C-Proteine (C, C’ und Y1/Y2), die in anderen Leserastern unter Verwendung unterschiedlicher Startcodons translatiert werden; es entstehen
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Proteine mit Molekulargewichten von etwa 20 kD, die sich hinsichtlich der aminoterminalen Enden unterscheiden. Es gibt Hinweise, dass die verschiedenen C-Proteine die Transkription des Virusgenoms hemmen; 4. die Proteine V und W, für deren Synthese bei den Respiro- und Morbilliviren die mRNA für das P-Protein durch RNA-Editing (Redigieren der RNA) verändert werden muss; in die Sequenz werden posttranskriptionell ein bis zwei Guanosinreste eingefügt, sodass sich das Leseraster verschiebt. Bei den Rubulaviren ist hingegen die Synthese der P-Proteine vom Einfügen zweier Guanosinreste in die Transkripte abhängig. In jedem Fall sind jedoch die V- und PProteine, die von diesen RNA-Spezies translatiert werden, in den aminoterminalen Regionen miteinander identisch. Erst am Editierungspunkt verändert sich durch das verschobene Leseraster auch die Sequenz. Sequenziell und daher möglicherweise auch funktionell ähnliche Produkte findet man auch bei den meisten anderen Paramyxoviren: Das C-Protein der humanen Parainfluenzaviren und des Masernvirus wird unter Verwendung eines alternativen Startcodons in einem anderen Leseraster gebildet. Das D-Protein der Parainfluenzaviren ist eine aminoterminal verkürzte Version des C-Proteins. Das Mumpsvirus verfügt hingegen nicht über eine entsprechende Proteinversion; bei ihm ist die Synthese des P-Proteins von dem posttranskriptionellen Einfügen einer Base abhängig, während das V-Protein von der nichtmodifizierten RNA translatiert wird. In der bei allen Paramyxoviren konservierten, carboxyterminalen Domäne der V-Proteine gibt es sieben Cysteinreste, die in ihrer Anordnung einer Zinkfingerdomäne ähneln. Bei einigen Paramyxoviren wie dem Simianvirus Typ 5 sind die V-Proteine Teil der Viruspartikel und mit den Nucleocapsiden assoziiert. Die V-Proteine werden mit der Fähigkeit der Viren zum Ausweichen der interferonvermittelten Abwehrmechanismen in Verbindung gebracht. Sie üben diese Funktion auf unterschiedliche Weise aus: Sie hemmen sowohl die IFN-Synthese als auch die IFN-abhängigen Signalkaskaden, die von doppelsträngigen RNA-Molekülen abhängigen Abwehrstrategien, sie verhindern den Übergang der infizierten Zellen in die Apoptose und verändern die Zellproliferation, indem sie den Übertritt der Zellen aus der G1- in die S-Phase und auch den Ablauf der S-Phase verlangsamen. Beim Simianvirus Typ 5 fand man, dass das V-Protein dabei mit dem zellulären Protein DDB1 (damaged DNA-binding protein) wechselwirkt. Dadurch wird möglicherweise verhindert, dass das DDB1-Protein die zellulären Faktoren E2F aktiviert. Die E2F-Faktoren
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¡ Mittels der Funktion ihrer Nichtstrukturproteine können Paramyxoviren interferonvermittelten Abwehrreaktionen ausweichen Die humanen Parainfluenzaviren haben Mechanismen entwickelt, die es ihnen gestatten, der interferonvermittelten Immunabwehr zu entgehen. Obwohl dies wohl allen Paramyxoviren möglich ist, verwenden die unterschiedlichen Viren für das Erreichen dieses Zieles offensichtlich verschiedene Wege: Bei den Vertretern der Rubulaviren bewirken die V-Proteine eine Ubiquitinylierung und als Folge den proteasomenvermittelten Abbau der Stat1-Proteine (Simianvirus Typ 5), der Stat2-Proteine (humanes Parainfluenzavirus Typ 2), oder der Stat1- und Stat3-Proteine (Mumpsvirus). Die StatProteine sind Teile der Signalkaskade, die durch Bindung der Klasse-I-Interferone an den Rezeptor induziert wird und die Expression der IFN-abhängigen Gene einleitet (䉴 Kapitel 8). Ähnlich wirken die V-Proteine des Newcastle-DiseaseVirus, einem Vertreter des Genus Avulavirus. V-Proteine der Henipaviren (Hendra- und Nipahvirus) unterscheiden sich bezüglich der Aminosäurefolgen der aminoterminalen Domäne völlig von den V-Proteinversionen der Rubulaviren, jedoch beeinflussen auch sie die Statabhängige Signalübertragung: Sie leiten nicht den proteolytischen Abbau der Stat-Proteine ein, sondern bewirken, dass sich die Stat1- und Stat2-Moleküle im Cytoplasma zu großen Aggregaten zusammenlagern. Diese Komplexbildung verhindert die IFN-induzierte Phosphorylierung der Tyrosinreste in den Stat-Proteinen. Damit bricht die Weiterleitung des IFN-indizierten Signals ab.
liegen während der G1-Phase im Komplex mit den Retinoblastomproteinen Rb105 vor. Die zellzyklusabhängige Phosphorylierung von Rb105 am Übergang der G1- in die S-Phase des Zellzyklus führt zur Freisetzung der E2F-Faktoren, wodurch diese ihre Funktion als Transkriptionsfaktoren entfalten können. Dieser Prozess wird durch das DDB1-Protein gehemmt, es verzögert einen schnellen Eintritt der Zellen in die S-Phase (䉴 Kapitel 6 und Abschnitte 19.2, 19.3 und 19.4). Die Bindung der V-Proteine an DDB1 könnte dessen Funktion zur Verzögerung des Zellteilungszyklus aufrecht erhalten und die E2F-Aktivität unterbinden.
15.3.4 Replikation Paramyxoviren adsorbieren über die HN-, H- oder GProteine an die Oberflächenkomponenten ihrer Zielzel-
Im Fall der Morbilliviren (Masern-, Hundestaupevirus) verhindern deren V-Proteine den Transport der phosphorylierten Stat-Proteine in den Zellkern und unterbinden so das interferonvermittelte Signal. Auch bei Vertretern der Respiroviren fand man, dass in Zellen, die mit den humanen Parainfluenzaviren Typ 3 infiziert sind, die Menge phosphorylierter Stat1-Faktoren reduziert und somit die durch Bindung von Interferon an den Rezeptor eingeleitete Signalkaskade unterbrochen ist. Verantwortlich sind hierfür jedoch nicht die V-Proteine, sondern die Mitglieder der C-Proteinfamilie: C, C’, Y1 und Y2. Es sind dabei unterschiedliche Mechanismen gefunden worden, die von Einleitung des proteolytischen Abbaus bis zur durch C-Protein vermittelten Komplexierung der Stat-Proteine reichen. Welche Funktionen von den V-Proteinen dieser Virustypen ausgehen, ist unklar. Das respiratorische Syncytialvirus dagegen beeinflusst durch seine Infektion nicht die Menge der Stat1-Proteine, kann der interferonvermittelten Abwehr aber dennoch ausweichen. Seine NS1- und NS2-Proteine blockieren die interferonvermittelte Abwehr, indem sie den Abbau von Stat2 über die Proteasomen induzieren. NS2 hemmt zudem die Expression der IFN-β-Gene, indem es sich an RIG-I bindet. Beide Nichtstrukturproteine unterdrücken die Reifung von dendritischen Zellen.
len. Die Vertreter der Respiro-, Rubula- und Avulaviren binden sich mittels ihrer HN-Proteine an Sialylsäuren (N-Acetyl-Neuraminsäure), die als endständige Zuckereinheiten N-glycosidisch gebundener Kohlenhydratmodifikationen an zellulären Oberflächenstrukturen vorkommen. Beim Sendaivirus und dem NewcastleDisease-Virus handelt es sich um Glycolipide mit endständigen N-Acetyl-Neuraminsäureresten der NeolactoSerie der Ganglioside. Die Spezifität der Bindung wird dabei jedoch nicht ausschließlich von dem endständigen Zuckerrest bestimmt, sondern auch von der Core-Einheit der Ganglioside. Die humanen Parainfluenzaviren Typ 1 und 3 binden sich an endständige Sialylsäurereste von Oligosacchariden mit N-Acetyl-LactosaminoglycanVerzweigungen. Mittels der Neuraminidaseaktivität ihrer HN-Proteine können die Viren die Sialylsäureeinheiten auch abspalten; sie verfügen damit, ähnlich wie die Influenzaviren (䉴 Kapitel 16.3), über eine rezeptorzerstörende Aktivität. Beim Masernvirus identifizierte
15.3 Paramyxoviren
man das SLAM-Protein (signalling lymphocytic activation molecule) als zellulären Rezeptor, auch bekannt unter der Bezeichnung CDw150. Attenuierte Masernimpfviren verwenden im Unterschied hierzu das CD46Protein als Rezeptor. Für das G-Protein des respiratorischen Syncytialvirus wurde eine Wechselwirkung mit Heparinsulfat beschrieben. Die G-Proteine der Nipahviren binden sich dagegen an EphrinB2 und EphrinB3. Diese Transmembranproteine befinden sich auf der Oberfläche von Endothelzellen; sie sind bei Säugern hochkonserviert und wirken als Liganden für EphrinB4Rezeptoren. Im folgenden Schritt vermittelt das fusionsaktive FProtein die direkte Verschmelzung der Hüllmembran des Virions mit der Cytoplasmamembran (䉴 Abschnitt 15.3.3); ein Vorgang, der zur Aufnahme des Nucleocapsids durch die Zelle führt. Alle weiteren Schritte laufen im Cytoplasma der infizierten Zelle ab. Beim humanen Metapneumovirus scheint das F-Protein nicht nur für die Fusion von Virus- und Zellmembran verantwortlich zu sein: Es stellte sich heraus, dass sich das F-Protein über ein in seiner Sequenz enthaltenes RGD-Motiv (Arginin-Glycin-Asparaginsäure) an Integrine αvβ1 bindet und damit auch an der Adsorption mitwirkt. Das RNA-Genom der Paramyxoviren kann nicht direkt in Protein übersetzt werden. Die Synthese der Proteine und alle weiteren Replikationsschritte sind von der Transkription des Genoms in geeignete mRNA-Spezies abhängig. Deshalb ist eine RNA-abhängige RNAPolymerase mit dem Nucleocapsid assoziiert und wird mit ihm in die Zelle eingebracht. Alle drei mit der Nucleinsäure komplexierten Proteine sind für den Ablauf der Transkription nötig, das L-Protein stellt die eigentliche RNA-Polymerase dar. Die primäre Transkription beginnt am 3’-Ende der RNA im Bereich der Leader-Sequenz, die dem ersten Gen vorgeschalten ist. Es wird eine kurze, zur Leader-Region komplementäre RNA gebildet, die vor dem Beginn des N-Gens abbricht. Der Polymerasekomplex bleibt mit dem Virusgenom assoziiert, rückt einige Nucleotide weiter bis zum Startsignal der mRNA-Synthese des N-Gens und beginnt hier erneut mit der Transkription. Die Reaktion wird am Ende des Gens im Bereich der Consensussequenz E gestoppt. Die den Genen zwischengeschalteten, intergenischen Basen werden übersprungen und die Polymerisationsreaktion beginnt erneut an der S-Consensusregion des benachbarten P-Gens. Diese aufeinander folgenden Vorgänge – Start der mRNA-Synthese, Polymerisation, Ende der mRNA-Synthese, Überspringen der intergenischen Basen – wiederholt sich für jeden Genbereich, sodass schließlich sechs unterschiedliche mRNASpezies für die Gene N, P, M, F, HN/H/G und L vorliegen (䉴 Abbildung 15.9). Alle mRNA-Moleküle sind am
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5’-Ende gecappt und am 3’-Ende polyadenyliert. Das Polyadenylierungssignal bildet wahrscheinlich die uracilreiche Basenfolge, die innerhalb der E-Consensussequenzen aller Paramyxoviren zu finden ist. Die Modifikation der 5’-Enden der mRNA-Moleküle mit Cap-Gruppen erfolgt durch die Nucleocapsidproteine P. Der sich im Verlauf der mRNA-Synthese wiederholende Vorgang von Stopp/Überspringen/Neustart an den E/I/S-Consensussequenzen ist nicht immer erfolgreich: Manchmal fällt der Enzymkomplex beim Überspringen der intergenischen Sequenzen von der RNA-Matrize ab. Als Folge bildet sich in der Transkriptionsrichtung ein Gradient aus: Vom N-Gen, das dem 3’-Ende des Genoms am nächsten liegt, wird am meisten transkribiert, für das L-Protein liegen die wenigsten mRNAs vor. Die Mengenverhältnisse der entsprechenden Proteine sind ähnlich. Etwa zwei bis vier Stunden nach der Infektion sind die ersten viralen Proteine in der Zelle nachweisbar. Welche Funktion die kurze, nicht gecappte Leader-RNA hat, ist unklar. Möglicherweise ist sie für die korrekte Bindung des L-Proteins und dem damit verbundenen Beginn der Transkription wichtig. Ob die Leader-RNA der Paramyxoviren wie die des Vesicular-Stomatitis-Virus die zellulären Stoffwechselprozesse abschalten kann, ist nicht bekannt (䉴 Abschnitt 15.1.4). Für die Synthese der Nichtstrukturproteine C, C’, Y1, Y2, V und W müssen RNA-Editierungsvorgänge ablaufen. RNA-Editing gibt es bei allen humanen Paramyxoviren. Dieser Prozess, bei dem meist die Insertion eines oder zweier Guanosinreste an einer definierten Stelle der mRNA (oft in einer Poly(U)-reichen Region, ähnlich den Polyadenylierungssignalen) das Leseraster verändert, führt zur Bildung der V-Proteine bei den Respiround Morbilliviren beziehungsweise der P-Proteine bei den Rubulaviren. Sie entsprechen in ihrer aminoterminalen Region der Sequenz des P-Proteins, gehen dann aber in eine stark cysteinreiche Aminosäurefolge über. Eine Editierung kann nicht nur in der mRNA für das PProtein stattfinden. Ähnliche Mechanismen in der für das C-Protein codierenden mRNA führen bei einigen Viren zur Translation eines weiteren, abgewandelten Proteins (W-Protein). Die Synthese eines durchgehenden RNA-Moleküls in Positivstrangorientierung ist Voraussetzung für die Bildung neuer Virusgenome. Das heißt, dass neben den verschiedenen mRNA-Spezies, welche die Bereiche der einzelnen Gene umfassen, auch RNA-Moleküle gebildet werden müssen, deren Synthese an den E/I/S-Consensussequenzen nicht abbricht, sondern diese mit abliest. Nur ein solches kontinuierliches RNA-Produkt kann als Matrize für die Synthese neuer RNA-Genome dienen.
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Das Umschalten von der Transkription der einzelnen mRNA-Spezies zur Replikation mit der Bildung durchgehender RNA-Stränge in Plusstrangorientierung ist von der Menge an N-Proteinen abhängig, von denen – wie erwähnt – am meisten gebildet wird. Liegen sie in ausreichender Menge im Cytoplasma vor, so interagie-
ren sie mit der Leader-RNA und verhindern damit den Stopp der Transkription an den E-Consensusregionen, die nun überlesen werden. Durch diesen Mechanismus der Antitermination entsteht ein durchgehendes RNAMolekül (Antigenom), das über seine gesamte Länge mit N-Proteinen komplexiert ist (䉴 Abbildung 15.9B).
15.9 A: Verlauf der Genomreplikation der Paramyxoviren. Das Minus- oder Negativstranggenom liegt im Cytoplasma der infizierten Zellen komplexiert mit den viralen Proteinen N, P und L vor. Zuerst erfolgt – katalysiert durch die RNA-abhängige RNA-Polymerase-Aktivität des L-Proteins – die Synthese von mRNAs, von denen im Weiteren die entsprechenden Proteine translatiert werden. Die kurze Leader-RNA codiert nicht für Proteine und hat vermutlich regulatorische Funktionen. An Kontrollsequenzen zwischen den einzelnen Genen stoppt die Transkription, überliest die intergenischen Bereiche und startet erneut. Dieser Vorgang ist nicht immer erfolgreich. Es bildet sich ein Konzentrationsgradient an Transkripten, der mit fortschreitender Transkriptionsrichtung kontinuierlich abnimmt. Das Transkript aus dem Bereich des P-Gens wird durch posttranskriptionelle RNA-Editing-Vorgänge so verändert, daß die Produkte V und W entstehen. Ein alternativer Start führt zur Bildung der Proteine C und C’. Liegt in der Zelle eine ausreichende Menge neusynthetisierter N-Proteine vor, dann bewirken sie zusammen mit den P- und L-Proteinen, dass die Kontrollelemente an den Übergängen zwischen den Genen überlesen werden. Es entsteht ein durchgehender RNA-Plusstrang, der über seine ganze Länge mit N-Proteinen komplexiert ist. Er dient als Antigenom und somit als Matrize für die Bildung der RNA-Minusstränge, also genomischer RNA.
15.3 Paramyxoviren
Zugleich scheint sich ein Komplex zwischen N- und PProteinen zu bilden, der mit dem L-Protein wechselwirkt und dieses in seiner Aktivität so verändert, dass die Entstehung durchgehender Antigenome gefördert wird. Die Regulation des Umschaltens zwischen Genomtranskription und -replikation über die Menge an neu synthetisierten N-Proteinen ist einfach und sinnvoll: Ein Umschalten kann erst dann erfolgen, wenn genügend Protein gebildet wurde. Das Protein M2-1 der Pneumoviren scheint bei dem Antiterminationsvorgang als zusätzlicher Regulator zu wirken.
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Die im Cytoplasma vorliegenden Antigenome werden als Matrizen für die Produktion neuer Virusgenome verwendet. Auch an diese binden sich sofort N-Proteine. Gleichzeitig erfolgt die Translation der anderen viralen Proteine. Die Membranproteine HN/H oder G und das F0-Protein werden im Golgi-Apparat modifiziert; letzteres wird in die Anteile F1 und F2 gespalten und zur Zelloberfläche transportiert. Die M-Proteine lagern sich an der Innenseite der Cytoplasmamembran an und bilden in Wechselwirkung mit den F- und HN-, H- oder GProteinen, die mit den Lipid Rafts assoziiert sind,
15.9 (Fortsetzung) B: Modell zu den Vorgängen und Proteinwechselwirkungen bei der mRNA-Synthese und Genomreplikation (nach einem Vorschlag von Dr. Wolfgang Neubert, MPI für Biochemie, Martinsried). Am 3’-Ende des Genoms beginnt die RNAabhängige RNA-Polymerase mit der Transkription des Negativstranggenoms. Das Stoppsignal am Ende der Leader-Sequenz beendet diesen Vorgang, die intergenischen Basen werden übersprungen, und es erfolgt ein neuer Transkriptionsstart am nächsten Startsignal für die Transkription. Liegen nach der Translation der mRNAs neusynthetisierte N- und P-Proteine in der Zelle vor, lagern sie sich als Komplex mit dem L-Protein an das 3’-Ende der Genome an. Freie N-Proteine aggregieren mit dem Transkript und verhindern, dass es an den Kontrollsequenzen der Genübergänge zum Abbruch der RNA-Synthese kommt. Auf diese Weise entstehen durchgehende RNA-Stränge, die als Antigenome und so als Matrizen für die Produktion neuer Virusgenome dienen.
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eine Matrixproteinschicht aus. Diese wiederum interagiert mit den Ribonucleoproteinkomplexen aus RNAGenom, N-, P- und L-Proteinen, die Membran stülpt sich an diesen Stellen aus und die so entstehenden neuen Viruspartikel werden durch Budding an der Zelloberfläche freigesetzt. Obwohl bei der Masernvirusinfektion die viralen Oberflächenproteine H und F auf der gesamten Zelloberfläche vorhanden sind, findet in polarisierten Zellen die Freisetzung der Partikel ausschließlich an der apikalen Zellseite statt.
der durch erhöhten Einsatz der Atemmuskulatur auszugleichen versuchen. Die Kinder erholen sich aber meist schnell, einige bekommen jedoch später asthmatische Beschwerden. Schwer verlaufende Infektionen durch Parainfluenzaviren findet man gelegentlich auch bei älteren Patienten. Zur Schwere der Erkrankung können auch patientenspezifische Faktoren wie die Anfälligkeit für allergische Reaktionen und psychosoziale Parameter beitragen.
Pathogenese
15.3.5 Humanpathogene Paramyxoviren Die humanen Parainfluenzaviren Epidemiologie und Übertragung Heute sind vier Typen humaner Parainfluenzaviren bekannt. Sie sind weltweit verbreitet und verursachen bei Säuglingen und Kindern Erkrankungen der Atemwege. Infektionen mit Parainfluenzavirus Typ 1, 2 und 3 äußern sich vorwiegend als Erkrankungen des oberen Respirationstraktes, seltener als Bronchitis und Bronchiolitis, und sie sind die Hauptursache des Pseudokrupp. Oft verlaufen die Infektionen inapparent. Im Alter von vier bis fünf Jahren sind die meisten Kinder mit diesen Viren infiziert worden, im Erwachsenenalter kommt es zu leichter verlaufenden Reinfektionen. Die schweren Verläufe der Infektionen mit dem Parainfluenzavirus vom Typ 3 werden bei Säuglingen bereits während der ersten Lebensmonate beobachtet, mit den Typen 1 und 2 erst später. Das Parainfluenzavirus Typ 4 verursacht meist harmlose Infektionen der oberen Atemwege bei Kindern und jungen Erwachsenen. Alle Viren werden durch direkten Kontakt mit infizierten Personen und durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die Viren können bis zu mehrere Monate nach der Infektion ausgeschieden werden.
Klinik Bei Kindern beginnen die Symptome nach einer Infektion mit Husten, Heiserkeit und Fieber über 38 °C. Sie können in Schnupfen, Pharyngitis (Rachenentzündung) und Bronchitis übergehen. Nach fünf bis sieben Tagen klingen Fieber und Krankheitsanzeichen meist wieder ab. Wenn sich ein Pseudokrupp entwickelt, dauern die Symptome weiter an, der Husten verstärkt sich und bekommt einen blechernen, bellenden Klang. Dies ist mit sehr schwerer Atemnot verbunden, welche die Kin-
Das Virus infiziert die Zellen der Nasen- und Rachenschleimhäute. Von dort breitet es sich über den Kehlkopf in die Bronchien und die unteren Luftwege aus und infiziert das Flimmerepithel. In der Submucosa und im peribronchiolären Gewebe findet man mononucleäre Zellen, Lymphocyten, dendritische Zellen und Makrophagen. Die Gewebe sind ödematös geschwollen und zeigen eine verstärkte Schleimproduktion. Interferone und Interleukine (IFN-γ, TNF-α, IL-2, IL-6, IL-10) sind lokal bereits drei bis sechs Stunden nach einer Infektion nachweisbar. Sie deuten darauf hin, dass ein Entzündungsprozess abläuft. Es wird vermutet, dass bei der Entstehung einer Lungenentzündung, neben der direkten Zellzerstörung des Alveolarepithels, dieses sekundär durch immunologische Prozesse geschädigt wird. Neben den Interferonen und Interleukinen sind hierbei vermutlich cytotoxische T-Zellen, IgE-Antikörper und Antigen-Antikörper-Komplexe beteiligt. Die Symptome des Pseudokrupp, die man vor allem bei ein- bis zweijährigen Kindern gelegentlich im Anschluss an die Infektion beobachtet, entstehen durch die starke Schwellung der Kehlkopfschleimhaut, die sowohl die Ein- als auch Ausatmung massiv beeinträchtigt. Man findet bei den Patienten lokal erhöhte Konzentrationen an IgEAntikörpern und Histamin, die mit der relativ häufigen Entwicklung von asthmatischen Zuständen in späteren Jahren verbunden sein können. Auch cytotoxische TLymphocyten und eine durch sie ausgelöste immunpathologische Schädigung des Epithels sind hieran möglicherweise beteiligt. Was die Virulenz der Infektion bestimmt, ist unklar. Es gibt Hinweise darauf, dass sie mit dem Ausmaß der Spaltung des F0-Proteins in Verbindung steht: Werden Individuen infiziert, deren Schleimhautepithelzellen eine entsprechende Protease besitzen oder hat das infizierende Virus eine durch zelluläre Proteasen leicht erkennbare Spaltstelle, kann eine sehr schnelle Infektion mit Ausbreitung des Virus durch Zellfusionen erfolgen. Die in der Schleimhaut vorhandenen Makrophagen weisen eine reduzierte Phagocytoseaktivität für Staphylococcen auf, wodurch – verstärkt durch die infektionsbe-
15.3 Paramyxoviren
dingte Schädigung des Schleimhautepithels – leicht eine bakterielle Überinfektion entstehen kann. Diese kann ihrerseits die Ausbreitung der Viren in die Lungenepithelzellen fördern, da sowohl Staphylo- als auch Streptococcen Proteasen besitzen, die das F0-Protein spalten. So entstehen mehr infektiöse Partikel. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass gezielt eingeführte Mutationen im Genom des humanen Parainfluenzavirus Typ 3, die eine fehlerhafte Synthese der Proteine C, D und V bewirken, die Infektion in vitro und in Tiermodellen – verwendet wurde die Infektion von Hamstern und Meerkatzen – abschwächen.
Immunreaktion und Diagnose Im Infektionsverlauf werden IgM-, IgA- und IgG-Antikörper gegen die Strukturproteine gebildet. Nach der Infektion sind IgA- und IgG-Antikörper gegen die viralen HN- und F-Oberflächenproteine vorhanden, die neutralisierend wirken, da sie die Adsorption beziehungsweise die Fusion hemmen. Bei Erwachsenen gelten vor allem neutralisierende IgA-Antikörper in der Nasenschleimhaut als Anzeichen für einen Schutz vor Reinfektionen. Auf Ebene der T-Helferlymphocyten scheinen Epitope der F- und N-Proteine bevorzugt die Population der TH1-Zellen zu stimulieren, während die des G-Proteins eher TH2-Zellen aktivieren. Die Infektion mit Parainfluenzaviren ist von anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen (Influenza-A/ -B-Virus, respiratorisches Syncytialvirus, Metapneumovirus, Adenoviren, Haemophilus influenzae) abzugrenzen. Die Diagnose der frischen Infektion erfolgt durch Virusisolierung und -züchtung aus Sputum oder Rachenspülwasser – alle vier Virustypen lassen sich gut vermehren, beispielsweise in Affennierenzelllinien (LLCMK2). Eine schnellere Diagnose erzielt man durch den direkten Nachweis von Virusproteinen im AntigenSchnelltest beziehungsweise durch den Nachweis der Virusgenome mittels RT-PCR aus respiratorischen Materialien. Antikörper können im Serum mittels ELISA-Tests nachgewiesen werden – allerdings abhängig vom Test meist erst acht bis zwölf Tage nach Erkrankungsbeginn, wenn die Beschwerden schon abgeklungen sind. Der Nachweis der frischen Infektion ist somit eine Domäne der direkten Virusnachweisverfahren.
Therapie und Prophylaxe Es gibt bis heute weder einen Impfstoff noch eine antivirale Therapie.
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Das Mumpsvirus Epidemiologie und Übertragung Das Mumpsvirus ist weltweit verbreitet und kommt nur beim Menschen vor. Es existiert nur ein Serotyp, jedoch sind 12 Genotypen (A bis L) charakterisiert, die regional unterschiedlich verbreitet sind: In der westlichen Hemisphäre findet man vor allem die Genotypen C, D, E, G und H, wohingegen in den asiatischen Ländern die Genotypen B, F und I vorherrschen. Das Mumpsvirus wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und von infizierten Personen bis zu sieben Tage vor und neun Tage nach Ausbruch der Erkrankung ausgeschieden. Etwa 90 Prozent der Erwachsenen sind seropositiv, bei jungen Erwachsenen bedingt durch die Impfung, die in den 1970-iger Jahren eingeführt wurde. Epidemische Formen der Mumpserkrankung treten vorwiegend im Winter und im Frühjahr in Abständen von zwei bis sieben Jahren auf. Man kennt aber auch sporadische Fälle. Experimentell lässt sich das Virus auf Affen, Katzen und Hunde übertragen, an bebrütete Hühnereier adaptieren und in Zellkulturen züchten.
Klinik Die Erkrankung bricht circa zwei bis drei Wochen nach Kontakt mit dem Virus aus, etwa ein Drittel der Fälle verläuft asymptomatisch. Bei 95 Prozent der symptomatischen Infektionen findet man eine Entzündung der Speicheldrüsen, vor allem der Ohrspeicheldrüsen (Parotisdrüsen), die innerhalb von zwei Tagen stark anschwellen. Es entwickelt sich mäßiges Fieber, das einige Tage anhält. Etwa zehn Prozent der Erkrankungen sind mit einer leicht verlaufenden Meningoencephalitis verbunden. Daneben beobachtet man bei 25 Prozent der erkrankten Männer Hodenentzündungen, die bei beidseitigem Befall
q Die Krankheit Mumps ist schon seit langer Zeit bekannt Bereits Hippokrates hat im fünften Jahrhundert vor Christi Geburt Mumps mit den geschwollenen Speicheldrüsen und der Hodenentzündung beschrieben und von anderen Infektionskrankheiten abgegrenzt. Die auffallenden Symptome finden sich auch in der bildenden Kunst wieder: So hat am Portal des Straßburger Münsters eine „Törichte Jungfrau“ die typischen Krankheitsanzeichen.
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zur Sterilität führen können. Etwa ein bis fünf Prozent der Frauen entwickeln Eierstockentzündungen, die jedoch ohne Komplikationen verlaufen. Das Virus kann weitere Organe wie Pankreas, Schilddrüse oder Nieren infizieren und dort zu Entzündungen führen. In einigen Fällen wurden postinfektiöse Arthritiden der großen und kleinen Gelenke beobachtet. Wie sie entstehen, ist noch unklar. Spätfolgen des Mumps sind Schwerhörigkeit als Folge von Infektionen des Innenohres und möglicherweise Diabetes mellitus nach einer Pankreatitis. Ob Mumpsinfektionen bei Schwangeren während des ersten Schwangerschaftstrimesters zu Spontanaborten führen, ist nicht eindeutig gezeigt. Ältere Daten lassen auf eine erhöhte Abortrate schließen, dies konnte aber in jüngeren Studien nicht bestätigt werden.
Pathogenese Das Mumpsvirus gelangt durch Tröpfcheninfektion in die Schleimhaut des Hals-, Nasen- und Rachenraumes und vermehrt sich in den Epithelzellen. In der Folge werden die sich dort befindenden Lymphocyten infiziert und das Virus breitet sich mit ihnen in die lokalen Lymphknoten und weiter über das Blut im Organismus aus. Das Mumpsvirus siedelt sich dann in den Speicheldrüsen, dem Pankreas, den Testes, den Ovarien und anderen Drüsen an und verursacht hier Zellzerstörungen. Es kommt also zu einer systemischen Infektion, während derer die Patienten virämisch sind und die Erreger im Speichel und im Urin ausscheiden. Die Reaktion des Immunsystems führt zu Entzündungen, die mit generalisiertem Exanthem, einer Schwellung der Organe und weiteren Zellschädigungen einhergehen. Die Hodenentzündung, bei der nicht das samenbildende Epithel, sondern die interstitiellen Zellen befallen werden, tritt nur bei Infektionen nach der Pubertät auf. Man führt sie auf hormonelle Einflüsse oder das Auftreten von neuen infizierbaren Zelltypen zurück. Während der Virämie kann das Virus in die Gehirn- und Rückenmarkshäute gelangen, sich in den Zellen vermehren und eine Meningoencephalitis oder Meningitis verursachen. Es gibt Hinweise darauf, dass sich das Virus auch bei Patienten, bei denen man keine derartigen Symptome beobachtet, im zentralen Nervensystem vermehrt.
Immunreaktion und Diagnose Die Mumpsinfektion hinterlässt eine lebenslange Immunität. Klinisch apparente Reinfektionen hat man bisher nicht beobachtet. Im Infektionsverlauf werden IgM-, IgA- und IgG-Antikörper gebildet, die sich durch ELISA-Teste nachweisen lassen und eine serologische Diagnosestellung ermöglichen; bei akuten Infektionen
können die Virusgenome mittels RT-PCR nachgewiesen werden. Antikörper gegen das NP-Protein treten früh im Infektionsverlauf auf, IgG-Antikörper gegen die viralen F-, HN- und NP-Proteine zeigen eine abgelaufene Infektion an. Vor allem die Antikörper gegen das HN-Protein wirken neutralisierend. Über die zelluläre Immunität und immunpathologische Prozesse ist kaum etwas bekannt. Da sich das Virus in aktivierten Lymphocyten vermehrt, findet man jedoch eine reduzierte Reaktivität dieser Zellpopulation bei Inkubation mit Antigenen.
Therapie und Prophylaxe Die Impfung gegen die Mumpserkrankung wird mit einem attenuierten Virusstamm durchgeführt. Durch Adaptation an bebrütete Hühnereier und anschließende Kultivierung in embryonalen Hühnerzellkulturen erhielt man verschiedene Impfstämme. In Deutschland wird überwiegend der Stamm Jeryl-Lynn verwendet. Die molekulare Basis der Attenuierung ist nicht bekannt. Eine Chemotherapie existiert nicht.
Das Masernvirus Epidemiologie und Übertragung Die erste Beschreibung der Erkrankung ist etwa 1 000 Jahre alt. Da das Virus kein Reservoir außerhalb des Menschen besitzt und hochansteckend ist, reichte wahrscheinlich die geringe Besiedlungsdichte in früheren Zeiten nicht aus, um die Infektionsketten aufrecht zu erhalten. Nah verwandt mit dem Masernvirus sind die Erreger der Rinderpest und der Hundestaupe (䉴 Abschnitt 15.3.6). Es gibt Hinweise darauf, dass sich zur Zeit, als die ersten Menschen sesshaft wurden – also vor etwa 8 000 bis 10 000 Jahren –, ein Virus mit Ähnlichkeit zu den Rinderpest- oder Hundestaupeviren an den Menschen adaptiert hat und in der menschlichen Bevölkerung erhalten blieb. Seine Infektionen verursachten dort die Masern. Bereits im späten Mittelalter wurden zusammen mit der höheren Bevölkerungsdichte erste Epidemien beschrieben; auch die Aufnahme von Handelsbeziehungen zwischen Europa und Asien förderte die Verbreitung des Virus. Die europäischen Eroberer brachten bei der Entdeckung des amerikanischen Kontinents die Masern auch dorthin und die Infektion löste unter der indianischen Urbevölkerung schwere Epidemien mit tödlichen Krankheitsverläufen aus. Ähnliches wurde auch von Inselvölkern (Fidji, Färöer) und von den Eingeborenen im Afrika der Subsahara-Sahel-Zone berichtet, bei denen das Masernvirus eingeschleppt wurde. In diesen Populationen fehlte ein Immunschutz gegen die Infektion. Deswegen und auch aufgrund
15.3 Paramyxoviren
ungenügender Pflege und schlechter Ernährung verlief die Erkrankung dort sehr schwer. 1906 beschrieb der österreichische Kinderarzt Clemens von Pirquet die immunsuppressive Wirkung des Masernvirus. Er stellte fest, dass im Verlauf einer Erkrankung eine vorher positive Tuberkulinreaktion negativ wurde. Das Masernvirus ist also das erste Virus, bei dem eine immunsuppressive Wirkung beschrieben wurde. 1911 wurde es auf Affen übertragen und 1954 erstmals aus Zellkulturen isoliert. Auch heute noch ist das Masernvirus weltweit verbreitet. Zwar existiert nur ein Serotyp, allerdings sind über 20 Genotypen mit regional unterschiedlicher Verbreitung bekannt, die man in acht Stämme (Clades A bis H) einteilt. Die Mortalität in unterentwickelten Gebieten ist noch immer sehr hoch: Zwar ist die Mortalitätsrate innerhalb der letzten Jahren von etwa 800 000 Fällen im Jahre 2000 gesunken, jedoch starben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation im Jahre 2007 immer noch knapp 200 000 Menschen an der Virusinfektion – die Mehrheit hiervon waren Kinder. Die Verbreitung erfolgt durch Tröpfcheninfektion von Mund-, Nasen- und Rachenschleimhaut sowie der Augenbindehaut oder durch direkten Kontakt. Kleinste Mengen an Virus genügen für die Infektion. Die Erkrankung erfolgt meist im Kindes- und frühen Jugendlichenalter bis 15 Jahre.
Klinik Die Masern sind eine schwere, hochfieberhafte Erkrankung. Asymptomatische oder subklinische Verläufe gibt es nur sehr selten. Erwachsene erkranken besonders schwer. Die Inkubationszeit dauert etwa neun bis elf Tage. Zu den ersten Symptomen gehören Bindehautentzündungen, Lichtscheue, Husten, Schnupfen und schnell ansteigendes Fieber. Ein sicheres Zeichen sind die sogenannten Koplikschen Flecken in der Mundschleimhaut. Etwa zwei bis drei Tage nach den ersten Krankheitsanzeichen fällt das Fieber ab. Erst anschließend tritt gleichzeitig mit einem erneuten Fieberanstieg bis auf 40 °C der Hautausschlag auf, zuerst hinter den Ohren und im Nacken, dann im Gesicht. Innerhalb von zwei bis drei Tagen breitet er sich über den ganzen Körper aus. Nach weiteren zwei bis drei Tagen klingt das Exanthem wieder ab. Die symptomatische Phase der Masernerkrankung dauert etwa zehn Tage. Komplikationen sind eine Pneumonie, Bronchopneumonie, Mittelohrentzündung, Thrombocytopenie, parainfektiöse Encephalitis beziehungsweise postinfektiöse Autoimmunencephalitis (Wahrscheinlichkeit 1:1 000; 䉴 Tabelle 15.7). EEG-Veränderungen werden aber auch ohne erkennbare Veränderungen des zentralen Nerven-
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systems in 50 Prozent der Fälle gefunden. Es ist jedoch unklar, ob sie durch eine Infektion des Gehirns, der Gefäßwände des Gehirns oder sekundär durch Cytokinwirkung ausgelöst werden. Eine Leberentzündung tritt vor allem bei der Infektion von Erwachsenen auf. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf das Epithel der Gallengänge. Eine Infektion des Darmepithels, die von den Gefäßkapillaren ausgeht, ist häufig und äußert sich als Diarrhoe. Bei immundefizienten Personen verlaufen die Masern sehr schwer, zum Teil unter Ausbildung der Hechtschen Riesenzellpneumonie, die durch das Auftreten von mehrkernigen Zellen im Bronchialbaum und in der Lunge charakterisiert ist.
Pathogenese Als zellulärer Rezeptor des Masernvirus wurde das SLAM-Protein (SLAM = signalling lymphocytic activation molecule), auch bekannt unter dem Begriff CDw150, als Interaktionspartner auf Lymphocyten und Makrophagen identifiziert. Auch die Rinderpest- und Hundestaupeviren benutzen die analogen SLAM-Proteine der Tiere als Rezeptor; es ist also zu vermuten, dass dieses Oberflächenprotein allgemein für den Lymphotropismus der Morbilliviren und ihre immunsuppressive Wirkung verantwortlich ist (䉴 Abschnitt 15.3.6). Zusätzlich wird der Zelltropismus des Masernvirus durch Interaktion mit weiteren Zelloberflächenfaktoren beeinflusst. So binden sich die Impfstämme des Masernvirus an die Aminosäuren der ersten beiden SCR-Domänen (SCR = short consensus repeats) des CD46-Proteins. Das CD46-Protein ist ein Mitglied der RCA-Familie (RCA = regulators of complement activity). Es schützt die Zellen vor unspezifischer Lyse durch das Komplement. Die Aminosäuren 473 bis 477 im H-Protein sind vermutlich an der Interaktion direkt beteiligt. Die bei Wildtypviren relativ niedrige CD46-Bindungsaffinität wird von der Aminosäure an Position 481 des H-Proteins beeinflusst: Bei den attenuierten Masernviren liegt statt des Asparaginrestes ein Tyrosin vor, dies steigert die Bindungsaffinität. Durch die Adsorption und Aufnahme der Impfvirusstämme über die F-Proteinvermittelte Membranfusion wird das CD46-Protein internalisiert. Die an CD46-Protein verarmten infizierten Zellen werden durch Komplementwirkung lysiert und aus dem Organismus eliminiert, wodurch die Infektionskette abbricht. Die H-Proteine der virulenten Stämme binden sich nicht an CD46. Als Folge hiervon werden die infizierten Zellen nicht frühzeitig durch die Komplementwirkung lysiert und das Virus kann sich schnell weiter ausbreiten. Das Masernvirus infiziert zuerst Schleimhautzellen der oberen Atemwege. Die Folge sind Niesen, Schnupfen
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und Husten. Vom oberen Respirationstrakt kann sich das Virus weiter in den Bronchialbaum ausbreiten und peribronchiale Entzündungen verursachen. Die Schädigung des bronchialen Flimmerepithels fördert im weiteren Infektionsverlauf die Überinfektion mit verschiedenen bakteriellen Erregern, sodass neben einer primären/viralen eine sekundäre/bakterielle Lungenentzündung entstehen kann. Das an den primären Infektionsorten freigesetzte Virus befällt die dort anwesenden Makrophagen und dendritischen Zellen. Diese transportieren es zu den lokalen Lymphknoten, in denen das Virus eine Vielzahl infizierbarer Monocyten, Makrophagen sowie B- und T-Lymphocyten vorfindet; von den Lymphknoten geht die erste Virämie aus. Weitere mögliche Vermehrungsorte sind die Endothelzellen und alle Lymphknoten mit der Folge generalisierter Lymphknotenschwellungen. Die Zellen proliferieren, es bleibt aber bei einer klinisch inapparenten Hyperplasie. Während der Infektion sind nur sehr wenige freie Viren im Blut vorhanden, die Erreger liegen überwiegend zellgebunden vor. Die charakteristischen Warthin-Finkeldeyschen Riesenzellen entstehen in der Mund- und Rachenschleimhaut durch F-Proteinvermittelte Fusionen der infizierten Endothelzellen mit Nachbarzellen. Sie finden sich später auch in vielen anderen Geweben. Während der Masernvirusinfektion sind – im Unterschied zu den Influenza- und auch den Parainfluenzaviren – die viralen Membranproteine H und F auf der gesamten Oberfläche von polarisierten Epithelzellen vorhanden, die Freisetzung der Partikel findet jedoch ausschließlich an der apikalen Zellseite statt. Die Virusproteine an der basolateralen Seite leiten nicht das Budding der Nachkommenviren, sondern die Fusion der infizierten mit den benachbarten Zellen ein. Dadurch kann sich die Virusinfektion in andere Gewebe verbreiten und Entzündungsprozesse einleiten sowie neuronale Synapsen überwinden. Es stellte sich heraus, dass für den basolateralen Proteintransport jeweils ein Tyrosinrest in den cytoplasmatischen Domänen der H- und F-Proteine verantwortlich ist. Während der zweiten Virämie, die etwa drei bis fünf Tage andauert, vermehrt sich das Virus in vielen Organen (Nieren, Leber, Harnblase, Gastrointestinaltrakt, Haut, Thymus). In diese Bereiche einwandernde Monocyten produzieren IL-1. Die Synthese von TNF-α und IL-12 ist dagegen reduziert. Die Kapillarinfektionen der Haut äußern sich zusammen mit den Immunkomplexen, die sich dort an das Endothel der Kapillaren anlagern, als Exanthem. Das Auftreten des Ausschlags markiert demnach den Beginn der Immunreaktion; sie fehlt bei Patienten mit einem geschädigten Immunsystem, daher entsteht bei ihnen kein Exanthem. MHC-Klasse-
I-restringierte cytotoxische T-Lymphocyten wandern in die infizierten Bereiche der Haut ein, lysieren die infizierten Zellen und eliminieren so das Virus aus dem Organismus. Es gibt Hinweise darauf, dass das Masernvirus über längere Zeiträume nach der Infektion persistieren kann. Dabei lassen sich Virusproteine in den Lymphknoten nachweisen. Ob in diesen Fällen ein genetisch bedingter Defekt der Erkennung von masernvirusspezifischen T-Zell-Epitopen vorliegt, ist unklar. Encephalitis Man kennt heute drei Formen von mit Masernvirusinfektionen assoziierten Encephalitiden (䉴 Tabelle 15.7): 1. Akute para- oder postinfektiöse Encephalitis oder Autoimmunencephalitis: Diese Form der Encephalitis findet man bei etwa einer von 1 000 bis 2 000 Maserninfektionen. Sie tritt vor allem bei Kindern auf, die älter als zwei Jahre sind und entwickelt sich gleichzeitig mit oder etwa eine Woche nach dem Auftreten des Ausschlages. Das Masernvirus ist im Gehirn nicht nachweisbar. Die postinfektiöse Encephalitis äußert sich als Entmarkung der Myelinscheiden im Gehirn durch Autoimmunreaktionen. Es ist unklar, wodurch der Angriff des Immunsystems auf das körpereigene Gewebe ausgelöst wird und ob hierbei Ähnlichkeiten zwischen viralen und zellulären Proteinen (wie dem basischen Myelin) eine Rolle spielen. Zehn bis 20 Prozent der postinfektiösen Encephalitiden verlaufen tödlich. Pathohistologisch sind sie durch erweiterte Gefäße, Hämorrhagien, perivaskuläre Infiltrate mit Makrophagen, Lymphocyten und Plasmazellen gekennzeichnet. Die Erkrankung ist mit Benommenheit, Delirium, Koma und Lähmungserscheinungen verbunden. Im Tierversuch lässt sie sich durch Lymphocyten als „allergische Encephalitis“ übertragen. 2. Akute progressive infektiöse Encephalitis oder akute Einschlusskörperchen-Encephalitis, auch MIBE (measles inclusion body encephalitis) genannt: Diese stets tödliche Form der Encephalitis schließt sich nach einer Pause von sechs bis zehn Monaten an die akute Erkrankung an. Sie tritt nur bei Patienten mit Immundefekten auf. Das Masernvirus kann in diesen Fällen aus dem Gehirn isoliert werden. Es verhält sich hier als opportunistischer Einwanderer. Die Krankheit erstreckt sich vorzugsweise auf die zellhaltigen Bereiche des Gehirns. Viele Neuronen und Gliazellen, in denen sich das Virus vermehrt, weisen Einschlusskörperchen auf. 3. Subakute sklerosierende Panencephalitis (SSPE): Die stets tödliche SSPE ist eine seltene, späte Komplikation der Maserninfektion. Möglicherweise verursachen die Hundestaupeviren mit der Old-DogEncephalitis bei Hunden ein der SSPE ähnliches
15.3 Paramyxoviren
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Tabelle 15.7 Formen der Masernencephalitis akute para-/postinfektiöse Encephalitis (Autoimmunencephalitis)
akute progressive infektiöse Encephalitis (MIBE)
subakute sklerosierende Panencephalitis (SSPE)
Vorkommen
circa 1:1 000 bei Masernerkrankungen von immunologisch gesunden Individuen
bei Immundefekten (HIVInfektionen, Transplantationspatienten, Cytostatikabehandlung)
circa 1:25 000; bevorzugt bei männlichen Patienten, die im Alter von bis zu 2 Jahren infiziert wurden
Auftreten
direkt im Anschluss an die Masern
6 bis 10 Monate nach der Maserninfektion
5 bis 16 Jahre nach der Maserninfektion
Virusnachweis im Gehirn
nein
ja
ja, viele Mutationen
Virusreplikation
nein
ja
nein, Synthese von Ribonucleoproteinkomplexen
Einschlusskörperchen
nein
ja
ja, wenige
zelluläre Immunität
Lymphocyten gegen das basische Myelin
durch Immundefekt gestört
normal
Erkrankungsbild (䉴 Abschnitt 15.3.6). Die SSPE basiert auf einer persistierenden Maserninfektion des Gehirns. Sie tritt sechs bis 15 Jahre nach der akuten Masernerkrankung auf; betroffen sind etwa eines von 10 000 bis 25 000 masernvirusinfizierten Kindern. Die SSPE entwickelt sich häufiger bei Knaben als bei Mädchen, insbesondere, wenn sich diese früh im Alter bis zu zwei Jahren infizierten und manifestiert sich pathohistologisch als Knötchenencephalitis. Den ersten Hinweis auf diese Spätfolge der Masernerkrankung geben sehr hohe Antikörpertiter gegen die Hund N-Proteine, sowohl im Blut als auch im Liquor. Vermutlich infiziert das Virus die Gehirnendothelzellen und tritt von hier aus in das Gehirn über. Im Cytoplasma und im Zellkern der infizierten Neurone finden sich Masernvirusgenomsequenzen und Einschlusskörperchen, im späteren Stadium der Erkrankung sind auch Oligodendrocyten, Astrocyten und Endothelzellen infiziert. Jedoch kann man aus den Gehirnen der Erkrankten keine infektiösen Masernviren isolieren: Die Virusgenome weisen eine Vielzahl von Mutationen, vor allem in den H-, M- und FGenen auf, wohingegen die für die N-, P- und L-Proteine codierenden Genomabschnitte weitgehend unverändert sind. Dies ermöglicht den Erregern, trotz der eingeschränkten Produktion infektiöser Nachkommenviren, ihre Genome zu transkribieren und zu replizieren. Vermutlich kann sich die Infektion durch Weitergabe der Nucleoproteinkomplexe und durch Zellfusionen im zentralen Nervensystem ausbreiten. Einschlusskörperchen in den Zellen sind selten. Ursache für diesen Prozess ist wahrscheinlich
ein Defekt der Virusreplikation in den Gehirnzellen, der in einer abortiven Infektionsform endet. Auf welcher Ebene der virale Infektionszyklus gestört ist, ist nicht bekannt. In einem Modellsystem mit transgenen Mäusen, die das menschliche CD46-Protein produzieren, zeigten sich die viralen C- und V-Proteine als Virulenzfaktoren, welche die Entstehung der durch die Masernviren verursachten Erkrankungen des zentralen Nervensystems beeinflussen. Die Infektion mit Viren, die keine V-Proteine synthetisieren, verbreitet sich in den Tieren wesentlich langsamer; auch ist die Mortalitätsrate geringer. Bei Einsatz einer Variante, die keine C-Proteine produziert, war die Überlebensrate ebenfalls relativ hoch, auch wenn sich in diesen Fall die Viren ähnlich effizient in den Tieren und im Gehirn verbreiteten wie bei Einsatz des Wildtypstammes. Dies zeigt, dass beide Proteine die Virulenz der Masernviren auf unterschiedliche Weise steuern.
Immunreaktion und Diagnose Mit dem Auftreten des Exanthems lassen sich IgM- und später IgG -Antikörper gegen die F-, H- und N-Proteine durch Immunfluoreszenz-, Hämagglutinationshemm-, Komplementbindungs- und ELISA-Tests nachweisen. IgG-Antikörper gegen die H- und F-Proteine schützen bei Reinfektion vor der erneuten Ausbreitung des Masernvirus im Organismus; IgA ist für die Schleimhautimmunität verantwortlich. Die Maserndiagnose lässt sich durch Antikörpernachweis oder auch klinisch stellen. Beispielsweise können die Viren aus Nasen-
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Rachen-Abstrichen, dem Blut und der Bronchiallavage isoliert oder mittels RT-PCR nachgewiesen werden. Sie lassen sich auch in vielen menschlichen Zelllinien oder in Nierenzelllinien Grüner Meerkatzen (Verozellen) züchten, obwohl dies diagnostisch keine Rolle mehr spielt. In Kulturen induziert die durch F-Proteinvermittelte Zellfusion die Bildung mehrkerniger Riesenzellen. Im Verlauf der akuten Erkrankung sorgen vor allem cytotoxische T-Lymphocyten für die Eliminierung virusinfizierter Zellen aus den verschiedenen Organen. Wie wichtig das zelluläre Immunsystem ist, zeigt zudem die Tatsache, dass die Infektion auch bei Patienten mit Störungen des humoralen Immunsystems (Agammaglobulinämie) normal verläuft. Bereits zu Beginn des Exanthems sind masernvirusspezifische CD4+-T-Helferzellen, überwiegend vom TH2-Typ, aktiviert. Sie erkennen Epitope der H-, N-, M-, F- und P-Proteine und sezernieren Cytokine, die Makrophagen und weitere TLymphocyten aktivieren sowie die Proliferation von B-Zellen induzieren. Letztere produzieren dann Antikörper gegen masernvirusspezifische Proteine. Ein Teil der CD4+-Zellen kann auch MHC-Klasse-II-exprimierende, infizierte Zellen lysieren. Zu diesem Zeitpunkt finden sich außerdem bereits große Mengen IFNγ im Blut. Zugleich und in der Folgezeit lassen sich erhöhte Konzentrationen von IL-2 und IL-4 nachweisen. Die Proliferation der langzeitaktivierten TH1-Zellen fehlt dagegen. Sie werden möglicherweise durch die Infektion direkt oder nach Kontakt mit viralen Proteinen funktionell geschädigt. Beispielsweise ist in menschlichen primären T-Lymphocyten nach Kontakt mit den viralen Fund H-Proteinen der Signalkaskadeweg zur Aktivierung der Expression der Act-Kinase unterbrochen. Diese Phosphokinase wird nach Interaktion des IL2-Rezeptors mit dem IL-2 induziert und bewirkt dann die Freisetzung und den Transport des aktiven Transaktivators NFκB in den Zellkern. Die IL-2 abhängige Induktion des Jak/Stat-Signalweges wird bei Kontakt der Zellen mit den H- und F-Proteinen nicht induziert. Dies zeigt, dass das Masernvirus eine besondere Strategie verwendet, um im Wirt die Immunantwort zu unterdrücken. Vermutlich ist die im Infektionsverlauf auftretende Immunsuppression, die sich anfangs auf die Masernvirusinfektion beschränkt, jedoch im weiteren Verlauf einen generellen Charakter annimmt und sich auch auf andere Infektionserreger (unter anderem Tuberkulosebakterien) erstreckt, auf diese Vorgänge zurückzuführen.
Masernimpfvirus wurde von John Franklin Enders nach Adaptation an das bebrütete Hühnerei und mehrfacher Passage in embryonalen Hühnerfibroblasten entwickelt. Der Impfstoff ist seit 1963 verfügbar. Sind Kinder, die man aufgrund einer schweren anderen Erkrankung nicht impfen konnte, Masernviren ausgesetzt, sollte umgehend – das heißt innerhalb von 96 Stunden – eine passive Immunisierung durch Gabe von virusspezifischen Immunglobulinen erfolgen. Bei schweren, durch Masernvirus verursachten Pneumonien, wendet man versuchsweise Ribavirin an.
Das respiratorische Syncytialvirus Epidemiologie und Übertragung 1956 wurde aus Schimpansen mit Schnupfen das chimpanzee coryza agent isoliert, das ähnliche Symptome bei den Tierpflegern auslöste. Robert M. Chanock und Mitarbeiter wiesen 1957 bei Kindern mit schweren Erkrankungen der unteren Luftwege ein Virus nach, das mit dem der Schimpansen identisch war und als respiratory syncytial virus bezeichnet wurde. Dieser Name weist auf seine Eigenschaft hin, Erkrankungen des Respirationstraktes zu erzeugen und in vitro Syncytienbildung zu induzieren. Es gibt die Subtypen A und B, die sich vor allem in den Sequenzen der G-Proteine unterscheiden. Die Infektion mit dem respiratorischen Syncytialvirus ist hochansteckend – man findet bis zu 106 infektiöse Viruspartikel in einem Milliliter Speichel. Es wird vorwiegend durch Tröpfcheninfektion und direkten Kontakt, beispielsweise mit dem Bettzeug infizierter Personen, übertragen. Vor allem Kinder infizieren sich während der Wintermonate. Über 80 Prozent von ihnen besitzen bereits im Alter von vier Jahren Antikörper gegen das Virus. Das respiratorische Syncytialvirus gilt als das infektiologische Hauptproblem des ersten Lebensjahres. Säuglinge im Alter zwischen sechs Wochen und einem halben Jahr sind am meisten gefährdet. Reinfektionen mit leichten Erkrankungsformen werden im höheren Lebensalter in Verbindung mit dem Absinken der Antikörperkonzentration gefunden. Nosokomiale Infektionen in Altersheimen, Kindergärten und -kliniken sind häufig. Besonders gefürchtet ist die Infektion von immunsupprimierten Personen, beispielsweise nach Transplantationen.
Klinik Therapie und Prophylaxe Die beste Prophylaxe ist die aktive Schutzimpfung mit einem attenuierten Lebendimpfstoff (Stamm Schwarz), dessen Schutzwirkung lange anhält. Das attenuierte
Die Inkubationszeit beträgt etwa drei bis fünf Tage. Die Erkrankung äußert sich durch leichte bis lebensbedrohende grippale Infekte mit Fieber und Schnupfen. Häufig entwickeln sich nach ein bis zwei Tagen Entzün-
15.3 Paramyxoviren
dungen der Rachen- (Pharyngitis) und Luftröhrenschleimhäute (Tracheitis) sowie der Bronchien. Bis zu 40 Prozent der erkrankten Säuglinge und Kleinkinder entwickeln eine Bronchiolitis mit Cyanose (Blaufärbung der Haut) und Lungenentzündung, bis zu fünf Prozent den Pseudokrupp. Die Virusausscheidung kann nach Abheilung der Symptome längere Zeit andauern. Zu den Komplikationen gehören Mittelohrentzündungen, die wahrscheinlich durch bakterielle Überinfektion verstärkt werden. Bei Immunsupprimierten ist die Lungenentzündung eine lebensbedrohliche Komplikation.
Pathogenese Das respiratorische Syncytialvirus gelangt über die Tröpfcheninfektion in den oberen Respirationstrakt, vermehrt sich in den Zellen des Schleimhautepithels und kann sich von hier aus – vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern – innerhalb von ein bis zwei Tagen von Zelle zu Zelle in die unteren Luftwege ausbreiten. Tierversuche zeigten, dass das Virus auch durch aspirierte Sekrete und das Flimmerepithel bis in die Alveolen transportiert wird. Die Bronchial- und Alveolarepithelien werden unter Syncytienbildung zerstört. In den Zellen bilden sich cytoplasmatische Einschlusskörperchen, die aus Anreicherungen von Nucleocapsiden bestehen. Die infizierten Epithelzellen schwellen an, werden nekrotisch und in den Speichel sowie in das Bronchialsekret abgegeben. Die submucosalen und äußeren Gewebeschichten sind stark ödematös und die Schleimsekretion ist verstärkt. Hierdurch bilden sich Pfropfen, welche die Alveolen verschließen, sodass der CO2/O2Austausch verringert ist und es zu einer Cyanose kommt. Außer Epithelzellen können die Viren auch in Granulocyten, Makrophagen und Monocyten im peripheren Blut nachgewiesen werden. Diese Zellen setzen jedoch keine Viren frei, sodass es zu keiner Virämie kommt. In den Bronchien, Bronchiolen und Alveolen findet man Infiltrate von Lymphocyten, Plasmazellen und infizierbaren Makrophagen. Diese und auch die Zellen des Alveolarepithels reagieren mit der Sekretion von verschiedenen Cytokinen (IFN-γ, IL-4, -8, -9), Chemokinen und TNF-α, die man in großen Mengen im Lungensekret nachweisen kann. In die infizierten Gewebe wandern Granulocyten ein, phagocytieren Virus-Antikörper-Komplexe und reagieren ihrerseits mit einer erhöhten Produktion der IL-4, -6 und -8 sowie von TNF-α. Alle diese Prozesse zusammen können sich als interstitielle Lungenentzündung äußern. Schwere Erkrankungen sind häufig anzutreffen, wenn Säuglinge während der ersten sechs Lebensmonate infiziert werden – also in einer Phase, in der mütterliche
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Antikörper gegen das respiratorische Syncytialvirus im Blut des Kindes vorhanden sind. Das lässt auf einen möglicherweise infektionsverstärkenden Mechanismus durch die Immunglobuline schließen. In den ersten sechs Wochen nach der Geburt entsteht keine Bronchiolitis. Man fand, dass vor allem die Domäne der Aminosäuren 184 bis 203 des G-Proteins für die immunpathologischen Reaktionen verantwortlich sind.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf der Infektion mit dem respiratorischen Syncytialvirus werden IgM-, IgA- und IgG-Antikörper gebildet, die sich in ELISA-Tests nachweisen lassen. Bei der Erkrankung von Kleinkindern wird die Diagnose meist durch den Nachweis von viraler RNA mittels RT-PCR oder von virusinfizierten Zellen im Speichelsekret über Immunfluoreszenztests gestellt. Die Anzucht des Virus ist in HeLa- oder Hep2-Zelllinien möglich. Antikörper gegen die G-und F-Proteine sind neutralisierend und vermitteln insbesondere nach wiederholten Infektionen antiviralen Schutz. Die viralen Subtypen A und B lassen sich anhand von neutralisierenden monoklonalen Antikörpern gegen die G-Proteine unterscheiden. Tierversuche lassen vermuten, dass MHC-Klasse-Irestringierte, cytotoxische T-Lymphocyten an der Eliminierung des Virus aus dem Organismus entscheidend beteiligt sind. Bei Patienten mit Defekten der zellulären Immunantwort kann das Virus auch in der Leber, dem Myocard und den Nieren nachgewiesen werden.
Therapie und Prophylaxe Ein Impfstoff liegt noch nicht vor. Durch Formalin abgetötete Viren erwiesen sich als ungeeignet, da das F-Protein durch die chemische Behandlung zerstört wird und nur Antikörper gegen das G-Protein gebildet werden. Diese sind zwar virusneutralisierend, konnten aber die Virusverbreitung durch Zellfusionen nicht verhindern. Auch beobachtete man bei nachfolgenden Infektionen außerordentlich schwere Verläufe der Erkrankung. Dies könnte mit dem bei Denguevirusinfektionen bekanntem Phänomen der infektionsverstärkenden Antikörper zusammenhängen (䉴 Abschnitt 14.5). Die klinische Therapie von Patienten, die sich mit dem respiratorischen Syncytialvirus infiziert haben, erfolgt durch erhöhte Sauerstoffzufuhr. Ribavirin hemmt die virale Translation und Replikation in vitro, der Einsatz als Aerosol ist jedoch umstritten und nur bei schwer erkrankten Kindern oder immunsupprimierten Erwachsenen angezeigt, bei letzteren wird Ribavirin auch intravenös appliziert. Bei Kindern mit einem besonders
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hohen Risiko für Erkrankungen durch das respiratorische Syncytialvirus – beispielsweise frühgeborenen Kinder – wird im Winterhalbjahr eine monatliche passive Immunisierung mit humanisierten monoklonalen Antikörpern gegen das F-Protein (Palivizumab) durchgeführt.
Das humane Metapneumovirus Epidemiologie und Übertragung Im Frühsommer 2001 wurde durch Bernadette van den Hoogen und Mitarbeitern im Institut von Albert Osterhaus in den Niederlanden aus Kindern mit Atemwegsinfektionen erstmals ein Paramyxovirus aus der Unterfamilie der Pneumovirinae isoliert, das aufgrund von Sequenzanalysen dem Genus Metapneumovirus zugeordnet wurde. Jedoch hat sich dieses Virus nicht erst in den letzten Jahren an den Menschen adaptiert. Untersuchungen von humanen Serumbanken ergaben, dass das humane Metapneumovirus schon mindestens 50 Jahre beim Menschen zirkuliert und weltweit verbreitet ist. Bisher wurden zwei Genotypen A und B charakterisiert. Die meisten Sequenzunterschiede finden sich in den Genomabschnitten, die für die G- und SH-Proteine codieren. Erste Studien zeigten, dass wohl alle Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren IgG-Antikörper gegen die Proteine des humanen Metapneumovirus aufweisen und somit auf eine Infektion mit diesem Erreger zurückblicken können. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion oder durch Kontakt mit kontaminierten Gegenständen. Die Erstinfektion mit dem humanen Metapneumovirus betrifft vor allem Kinder im Alter von unter einem Jahr; zwischen fünf und zehn Prozent der Kinder, die mit schweren akuten Infektionen der Atemwege stationär im Krankenhaus behandelt werden, sind mit diesem Virus infiziert. Im Erwachsenenalter findet man aufgrund einer abnehmenden Seroprävalenzrate gehäuft Reinfektionen, die jedoch meist mild verlaufen.
Klinik Die Inkubationszeit beträgt etwa vier bis sechs Tage. Die Symptome sind identisch zu denjenigen, die durch Infektionen mit dem respiratorischen Syncytialvirus verursacht werden und äußern sich durch meist leichte, nur sehr selten durch lebensbedrohende respiratorische Infekte mit Fieber, Schnupfen, Bronchiolitis und Bronchitis. Mittelohrentzündungen können sich bei bis zu einem Drittel der Fälle anschließen.
Pathogenese Das humane Metapneumovirus gelangt über Tröpfcheninfektion in den oberen Respirationstrakt, vermehrt sich in den Zellen des Schleimhautepithels und kann sich von hier aus – vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern – innerhalb von ein bis zwei Tagen von Zelle zu Zelle in die unteren Luftwege ausbreiten. Ähnlich wie bei Infektionen mit dem respiratorischen Syncytialviren findet man auch beim humanen Metapneumovirus eine – wenn auch schwächere – Ausschüttung von proinflammatorischen Cytokinen wie IL-6 und TNF-α im Epithel der Atemwege.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf der Infektion mit dem respiratorischen Syncytialvirus werden IgM-, IgA- und IgG-Antikörper gebildet, die sich in ELISA-Tests nachweisen lassen. Das F-Protein ist immundominant und induziert die Bildung neutralisierender Antikörper. Die akute Infektion wird aber nicht serologisch, sondern durch den Nachweis der Virusgenome im Rachenspülwasser mittels RTPCR gestellt. Humane Metapneumoviren können in vitro in Nierenzellkulturen von Rhesusaffen (LLC-MK2Zellen) oder Grünen Meerkatzen (Vero-Zellen) gezüchtet werden, die Ausbildung des für die Infektion typischen cytopathischen Effekts mit der Ausbildung von Polykaryocyten dauert jedoch über zwei Wochen.
Therapie und Prophylaxe Ein Impfstoff existiert nicht. In vitro sowie im Balb/cMausmodell zeigte die Gabe von Ribavirin eine Reduktion der Replikations- und Entzündungsaktivität. Ähnlich wie bei Infektionen mit respiratorischen Syncytialviren können sich monoklonale, neutralisierende Antikörper als geeignet erweisen, mittels passiver Immunisierung in gefährdeten Kindern die Infektion zu verhindern.
15.3.6 Tierpathogene Paramyxoviren Das bovine Parainfluenzavirus Typ 3 und das canine Parainfluenzavirus Typ 2 stellen fakultativ pathogene Erreger dar, die beim Rind das Shipping Fever beziehungsweise bei Hunden den Zwingerhusten verursachen können. Das Wirtsspektrum des bovinen Parainfluenzavirus Typ 3 – ein Vertreter des Genus Respirovirus – ist breit
15.3 Paramyxoviren
gefächert und schließt Wiederkäuer (Rinder, Schafe) sowie Pferde, Hunde und Primaten ein. Die Infektionen rufen jedoch nur bei Wiederkäuern, insbesondere bei Rindern, klinisch bedeutsame Erkrankungen hervor. Das Shipping Fever ist eine respiratorische Erkrankung, die beim Rind – vor allem im Zusammenhang mit Stresssituationen wie längeren Transporten – beobachtet wird. Aus den erkrankten Tieren kann man auch bakterielle Infektionserreger wie Pasteurellen isolieren, die das Erkrankungsbild zusätzlich prägen. Experimentelle Infektionen mit dem bovinen Parainfluenzavirus Typ 3 führen bei einem Teil der Tiere zu milden Symptomen, die pathologisch-anatomisch mit einer interstitiellen Pneumonie einhergehen. Eine Vakzine zum Schutz der Rinder ist verfügbar, ihr Wert ist aufgrund der Ätiologie der Erkrankung mit verschiedenen Infektionserregern jedoch beschränkt. Dem Shipping Fever der Rinder qualitativ ähnlich ist der Zwingerhusten der Hunde, der durch das canine Parainfluenzavirus Typ 2 – ein Rubulavirus – zusammen mit Bordetella bronchiseptica ausgelöst wird. Ohne zusätzliche Cofaktoren verlaufen auch diese Infektionen häufig ohne Krankheitsanzeichen und daher unerkannt. Bei ungünstigen Haltungsbedingungen können Pneumonien auftreten, die in den erkrankten Hunden teilweise über Jahre anhalten. Tot- und Lebendvakzinen sind verfügbar, aber ebenso wie die Impfungen gegen Infektionen mit dem bovinen Parainfluenzavirus Typ 3 nur von begrenztem Wert.
Das Newcastle-Disease-Virus
Pathogenese Bei Hühnern findet man bei Infektionen mit dem Newcastle-Disease-Virus abhängig vom Virusisolat und dem Immunstatus der Tiere Störungen des Atmungstraktes, des Gastrointestinaltraktes sowie des zentralen Nervensystems. Die Virulenz der Isolate beim Huhn werden mit den Begriffen velogen (viscerotrop, hochvirulent), mesogen (mittelgradig virulent) und lentogen (avirulent) beschrieben. Das Ausmaß der Virulenz korreliert mit der Spaltbarkeit des viralen F-Proteins durch zelluläre Proteasen: Die Proteine der velogenen Stämme werden effektiv gespalten, diejenigen der lentogenen Stämme hingegen sehr schlecht.
Immunreaktion und Diagnose Die klinische Diagnose der Newcastle Disease ist wegen der wenig einheitlichen Symptome schwierig. Verlässlich ist die serologische Diagnose durch Untersuchung des nicht geimpften Tierbestandes mittels Hämagglutinationshemmtest oder durch Isolierung des Virus aus erkrankten Tieren im Hühnerei.
Bekämpfung und Prophylaxe Die Newcastle Disease ist anzeigepflichtig. Infizierte Bestände werden gekeult. Verschiedene wirksame Lebend- und Totvakzinen sind verfügbar. Für Puten und Hühner aller Nutzungsrichtungen besteht eine Impfpflicht.
Epidemiologie und Übertragung
Das Rinderpestvirus
Ein sehr wichtiger Tierseuchenerreger ist das Virus der atypischen Geflügelpest, das auch als Newcastle-DiseaseVirus bekannt ist. Man ordnet es dem Genus Avulavirus zu. Das Newcastle-Disease-Virus verursacht bei fast allen Vogelarten eine systemische Erkrankung. Es ist hochansteckend und verbreitet sich daher in einer empfänglichen Vogelpopulation sehr schnell.
Epidemiologie und Übertragung
Klinik Die Inkubationszeit ist kurz und dauert etwa zwei bis vier Tage. Die mit der Infektion assoziierten Symptome sind breit gefächert und reichen von Durchfall, Atemnot, Eianomalien und verminderter Legeleistung bis hin zu Torticollis (Schiefhals) und Lähmungen. Wichtig ist, dass das Newcastle-Disease-Virus auch Menschen infizieren kann und dabei eine milde und transiente Bindehautentzündung des Auges verursacht.
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Das Rinderpestvirus verursacht eine Erkrankung der Wiederkäuer, die früher weltweit verbreitet war; heute gilt sie durch weltweite Impfprogramme als weitgehend getilgt. Das Virus wird von den infizierten Tieren über praktisch alle Sekrete und Exkrete ausgeschieden und durch direkten Kontakt übertragen. Chronische Infektionen sind selten und spielen epidemiologisch keine Rolle. Zusammen mit dem Maul-und-KlauenseucheVirus (䉴 Abschnitt 14.1.6) ist das Rinderpestvirus wohl der bedeutendste und, historisch gesehen, wichtigste Tierseuchenerreger. Dies lässt sich unter anderem aus der Tatsache ersehen, dass die Rinderpest im Jahr 1761 Anlass für die Gründung der weltweit ersten veterinärmedizinischen Bildungsstätte in Lyon durch Claude Bourgelat war. Die Rinderpest wurde weltweit energisch bekämpft. Eine der Rinderpest ähnliche Erkrankung wird bei kleinen Wiederkäuern wie Schafen und Ziegen
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durch das Peste-des-Petits-Ruminants-Virus (PPRV), einen dem Rinderpestvirus sehr ähnlichen Erreger, verursacht. Seine Infektionen verlaufen jedoch meist mit abgeschwächten Symptomen oder klinisch inapparent.
Klinik Das Virus verursacht eine hochakute Erkrankung beim Rind, die mit einer Morbidität und Mortalität von fast 100 Prozent verläuft. Es sind jedoch Virusstämme beschrieben, die ein erheblich milderes Krankheitsbild induzieren. Bei Wildwiederkäuern und auch bei Schweinen verläuft die Infektion häufig klinisch inapparent, bei afrikanischen Rinderrassen verläuft sie in der Regel milder. Die klassische Rinderpest ist geprägt durch hohes Fieber und eine Entzündung nahezu aller Schleimhäute, in deren Folge es zu großflächigen Erosionen kommen kann. Charakteristisch sind weiterhin blutige Durchfälle.
Pathogenese Wie alle anderen Vertreter der Morbilliviren hat auch das Rinderpestvirus einen ausgeprägten Tropismus für Endothelzellen und immunologisch aktive Zellen wie Monocyten, Makrophagen und dendritische Zellen. Wie die humanpathogenen Masernviren und die Hundestaupeviren verwendet es das SLAM-Protein (CDw150) als zellulären Rezeptor für die Adsorption. Im Infektionsverlauf entstehen durch die lytische Infektion der Zellen schwere Hämorrhagien in fast allen Schleimhautbereichen. Man findet auch durch lytische Replikation eine Zerstörung der Zellen aller lymphatischen Organe, insbesondere der mesenterialen Lymphknoten und der Milz. In deren Folge kommt es zu einer massiven Immunsuppression und Reaktivierung latenter Infektionen. Seit einiger Zeit ist die molekulare Erforschung des Rinderpestvirus durch reverse Genetik, also durch Umschreiben des RNA-Genoms in die dazu komplementäre DNA und deren Integration in geeignete Expressionsvektoren möglich, sodass durch gezielte Mutagenese die Untersuchung des Virus und der Pathogenese der Infektion möglich ist.
Immunreaktion und Diagnose Eine Infektion führt, sofern das Tier überlebt, zu einer langdauernden Immunität. Die Diagnose erfolgt durch Virusisolierung in der Zellkultur oder im bebrüteten Hühnerei. Als Probenmaterial dient die Buffy-CoatFraktion einer Vollblutprobe. Alternativ ist auch hier die Polymerasekettenreaktion erfolgreich zum Nachweis der Virusgenome eingesetzt worden.
Bekämpfung und Prophylaxe Die Rinderpest ist in Europa eine exotische Tierseuche und zuletzt 1954 in Italien aufgetreten. In Deutschland ist sie anzeigepflichtig, jeder Krankheitsverdacht wird ähnlich wie bei der Maul- und Klauenseuche (䉴 Abschnitt 14.1.6) amtstierärztlich verfolgt. Eine Impfung ist verboten, beim Auftreten der Erkankung wären die Tiere eines infizierten Bestandes sowie ansteckungsverdächtige Tiere zu keulen. Alle Wiederkäuer, die aus afrikanischen oder asiatischen Ländern, in denen die Rinderpest endemisch ist, nach Europa importiert werden, müssen vor der Einfuhr eine Quarantäne durchlaufen. Das gilt insbesondere auch für Zootiere. Verschiedene attenuierte Lebendvakzinen sind verfügbar und wurden in der Vergangenheit erfolgreich eingesetzt. Während der letzten Jahre wurde als Impfstoff ein rekombinantes Vacciniavirus eingesetzt, welches das F-Protein des Rinderpestvirus exprimiert. Diese Vakzine ist im Gegensatz zu dem bisher verwendeten attenuierten Lebendimpfstoff aus der Zellkultur, der „Plowright-Vakzine“, relativ thermostabil und benötigt keine geschlossene Kühlkette. Diese Impfstrategie ist sehr erfolgreich: Im September 2003 wurde in Kenia der bisher letzte Fall von Rinderpest beim Internationalen Seuchenamt (OIE) gemeldet. Das GRE-Progamm (GREP = general rinderpest eradication program) der FAO (Food and Agriculture Organisation), das die weltweite Tilgung der Rinderpest zum Ziel hat, endet im Jahre 2010. Dann soll nach der Eliminierung des Variolavirus (䉴 Abschnitt 19.6) die zweite erfolgreiche Ausrottung eines Virus weltweit offiziell anerkannt sein und gefeiert werden.
Das Hundestaupevirus (Canine-Distemper-Virus) Epidemiologie und Übertragung Die Hundestaupe ist eine seit langer Zeit bekannte Infektionskrankheit des Hundes. Während früher Seuchenzüge beobachtet wurden, werden seit der Verfügbarkeit wirkungsvoller Vakzinen bei domestizierten Hunden nur noch sporadisch Ausbrüche registriert. Allerdings hat sich jüngst gezeigt, dass sich die Hundestaupe zu einem großen Problem bei allen Wildcarnivoren entwickelt und dass dabei nicht nur die Familie der Canidae (Hundeartigen), sondern alle Fleisch fressenden Landsäugetiere betroffen sind. Hier verursacht die Hundestaupe nach der Wildtollwut die meisten der mit Infektionserkrankungen verbundenen Todesfälle. Das Wirtsspektrum dieses Virus ist somit breit gefächert. Neben Hunden und anderen Hundeartigen (Wildhunden und Füchsen) konnte es aus klinisch erkrankten Marderarti-
15.3 Paramyxoviren
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gen (Mustelidae), Waschbären und Robben isoliert werden. In jüngster Zeit wurde es zudem in Großkatzen beschrieben, die an einer staupeähnlichen Erkrankung verstarben. Weiterhin wurde im Südwesten der USA das Hundestaupevirus aus Halsbandpekaris – sie zählen zur Familie der Nabelschweine – isoliert, die zentralnervöse Störungen zeigten.
lenballen und Nasenspiegel) werden selten und nur bei alten Hunden beobachtet. Eine Infektion zum Zeitpunkt der Zahnreife beziehungsweise des Zahnwechsels in den ersten Lebensmonaten kann Defekte bei der Ausbildung des Zahnschmelzes bewirken. Diese typischen Zahnanomalien sind als Staupegebiss bekannt.
Klinik
Pathogenese
Das klinische Bild der Staupe ist variabel. Es werden im Wesentlichen drei Formen unterschieden: die respiratorische, die gastrointestinale und die zentralnervöse Form. Nach einer Phase mit unspezifischen Symptomen wie Fieber und Appetitlosigkeit (Anorexie) kommt es zu den typischen respiratorischen, gastrointestinalen oder zentralnervösen Symptomen, Kombinationen sind häufig. Pathologisch-anatomisch sind eine nichteitrige Bronchopneumonie, eine katarrhalische bis hämorrhagische Gastroenteritis sowie eine Encephalitis nachweisbar. Die Infektion verläuft häufig tödlich. Überlebende Tiere können als Spätfolge einen sogenannten Staupetick entwickeln: Sie zeigen als Folge der Virusreplikation im zentralen Nervensystem ein Zittern oder Zucken einzelner Muskelgruppen an den Extremitäten oder am Kopf. Sonderformen wie die „Old Dog Encephalitis“ – möglicherweise ein Äquivalent zur SSPE als Spätfolge der Maserninfektion des Menschen (䉴 Abschnitt 15.3.5) – sowie die „Hard Pad Disease“ (Hyperkeratose von Soh-
Die Pathogenese der Staupe ist gut untersucht. Das Virus wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und repliziert zunächst in den Zellen des Nasopharynx und der Konjunktiven. Ähnlich wie die humanpathogenen Masernviren und die Rinderpestviren binden sich auch die Staupeviren an das SLAM-Protein (CDw150) als zellulären Rezeptor. Dies erklärt den Lymphotropismus dieser Viren. Nach einer an die Lymphocyten gebundenen Virämie gelangt das Virus in die lymphatischen Organe und vermehrt sich dort lytisch. Von hier aus wird das Virus im Rahmen einer zweiten, hochtitrigen Virämie im Organismus verbreitet und erreicht dabei die Manifestationsorgane Lunge und Darm und auch das zentrale Nervensystem. Möglicherweise wird durch die Replikation des Virus in den Endothelzellen die BlutHirn-Schranke zerstört – ein Vorgang, der den Übertritt infizierter Lymphocyten und Makrophagen in das zentrale Nervensystem begünstigt. Hier angelangt, infiziert es die Gliazellen und Neuronen. Das Ausmaß der Schä-
q Die Staupe der Robben und Robbenartigen Im Jahr 1988 sorgte ein plötzlich auftretendes Seehundsterben im Wattenmeer der Nordsee für großes Aufsehen. Insgesamt fielen der Epidemie damals circa 2 300 Seehunde (Phoca vitulina) zum Opfer. Umfangreiche virologische Untersuchungen führten zur Identifizierung eines dem Erreger der Hundestaupe ähnlichen Virus als ätiologisches Agens. Es ist heute allgemein anerkannt, dass die Epidemie auch durch die damalige Überpopulation der Seehunde und die Immunsuppression der Tiere als Folge einer hohen Schadstoffbelastung begünstigt wurde. Mit zunehmender Durchseuchung der Populationen hat sich die Seuchenlage schnell wieder entspannt. Nach der Isolierung des Seehundstaupevirus Typ 1 (Phocine-Distemper-Virus, PDV-1) aus den Seehunden in der Nordsee, der Charakterisierung von Isolaten aus Tieren bei ähnlich verlaufenden Epidemien im Baikalsee und Mittelmeer sowie nach Untersuchung gestrandeter Zahnwale im Mittelmeer und in der Nordsee, wurde eine Gruppe nahe miteinander verwandter, jedoch unterscheidbarer Morbilli-
viren identifiziert. Das Seehundstaupevirus Typ 1 zeigt hinsichtlich seiner Basensequenz etwa 65 bis 85 Prozent Homologie zum Hundestaupevirus. Interessanterweise zeigten Sequenzvergleiche, dass es sich bei dem Seehundstaupevirus Typ 2 (PDV-2), welches das Seehundsterben im Baikalsee auslöste, in Wirklichkeit um ein Hundestaupevirus handelte. Eine Reihe weiterer Morbilliviren sind aus verschiedenen Arten von Zahnwalen, Tümmlern und Delphinen isoliert worden, beispielsweise das Dolphin-Morbillivirus oder das Porpoise-Morbillivirus. Sie zeigen jedoch eine engere Verwandtschaft zum Rinderpest- und Masernvirus. Im Jahr 2002 wurde bei Seehunden in der Nord- und Ostsee erneut eine durch das PDV-1 verursachte Epidemie registriert, an der über 30 000 Seehunde verstarben. Die Ursache dieser Epidemie ist nach wie vor ungeklärt. Es wird spekuliert, dass möglicherweise Kegelrobben (Halichoerus grypus) das Virus auf die Seehunde übertragen haben und für seine Verbreitung aus arktischen Gewässern verantwortlich sein könnten.
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digung des zentralen Nervensystems ist dabei vom Virusstamm abhängig: Man findet Isolate, die vornehmlich eine Polioencephalitis, und andere, die überwiegend eine Entmarkungsencephalitis induzieren.
Immunreaktion und Diagnose Eine überstandene Infektion hinterlässt eine wahrscheinlich lebenslange Immunität. Die Diagnose der Staupe ist nicht immer einfach, da das klinische Bild variabel und die Labordiagnose schwierig ist. Der Virusnachweis aus lymphatischem Gewebe ist möglich, jedoch nicht immer erfolgreich. Weitaus gebräuchlicher ist der Nachweis viraler Proteine und Partikel in Konjunktivaltupfpräparaten mittels Immunfluoreszenz oder der Nachweis viraler Nucleinsäure in Lymphocyten durch die Polymerasekettenreaktion. Das Virus vermehrt sich auch in den Zellen des Harnblasenepithels, daher lassen sich Viruspartikel elektronenmikroskopisch in mit dem Urin ausgeschiedenen Epithelzellen nachweisen.
Bekämpfung und Immunprophylaxe Gegen die Staupe sind wirksame Vakzinen auf der Basis attenuierter Viren verfügbar. Totimpfstoffe haben sich als unwirksam erwiesen. Seit 1960 werden Haushunde konsequent geimpft, dadurch hat die Staupe ihren Seuchencharakter verloren. Aber auch heute noch ist das Virus präsent. Eine mangelhafte Herdenimmunität – die beispielsweise aus einer unzureichenden Impfmoral resultiert – kann zu Staupeepidemien führen. Eine derartige Epidemie brach 1995 in Skandinavien unter Haushunden aus und führte diesen Zusammenhang deutlich vor Augen.
Das bovine respiratorische Syncytialvirus Epidemiologie und Übertragung Das bovine respiratorische Syncytialvirus ist ein Vertreter der Unterfamilie Pneumovirinae und in Rinderpopulationen weit verbreitet. Unter bestimmten Bedingungen kann es in Seuchenzügen schwere respiratorische Erkrankungen bei Kälbern verursachen. Diese treten häufig im Winterhalbjahr auf, wenn durch das Aufstallen von Kälbern aus unterschiedlichen Herkunftsbeständen ein hoher Infektionsdruck und suboptimale Haltungsbedingungen zusammentreffen. Die Morbidität ist dabei sehr hoch, die Mortalität jedoch gering.
Klinik Die Infektionen mit dem bovinen respiratorischen Syncytialvirus verlaufen in der Regel milde oder asymptomatisch. Bei den schweren Erkrankungen im Rahmen der oben beschriebenen Seuchenzüge findet man pathologisch-histologisch das Bild einer Bronchitis und einer interstitiellen Pneumonie, das in das einer hochgradigen Bronchopneumonie übergehen kann.
Pathogenese Das Virus repliziert in den Epithelien des Nasenrachenraumes sowie in den Bronchien und Bronchiolen. Die Replikation verläuft lytisch mit Verlust der Cilien und Nekrose der von der Infektion betroffenen Zellen. Immunologische Komplikationen wie bei Infektionen des Menschen mit humanen respiratorischen Syncytialviren sind nicht eindeutig beschrieben.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose kann durch Virusisolierung aus Nasenabstrichen erkrankter Tiere gestellt werden. Bei der Bewertung einer positiven Isolierung ist jedoch die Abgrenzung einer Erkrankung gegen die große Zahl subklinischer Infektionen problematisch. Nach der Infektion sind die Tiere geschützt, allerdings ist der Immunschutz nur von kurzer Dauer.
Bekämpfung und Prophylaxe Impfstoffe auf der Basis von inaktivierten Erregern oder attenuierten Lebendviren sind verfügbar. Der durch sie erzeugte Schutz ist – ähnlich wie derjenige nach der natürlichen Infektion – jedoch nur von begrenzter Dauer.
15.3.7 Human- und tierpathogene Paramyxoviren Die Henipaviren Epidemiologie und Übertragung Im Jahr 1994 traten in Australien in zwei benachbarten Reitställen akute systemische Erkrankungen bei Reitpferden auf, als deren ursächliches Agens man später das Hendravirus erkannte. Während des Ausbruchs verendeten 14 der 21 erkrankten Pferde, außerdem verstarb ein Trainer. Eine weitere erkrankte Person überlebte die Infektion. Zwei weitere Ausbrüche in Australien wurden
15.3 Paramyxoviren
beschrieben: Mit ihnen war der Tod eines Bauern in Mackey und eines Pferdes in der Nähe von Cairns verbunden. Außerhalb Austaliens ist das Hendravirus bisher nicht isoliert worden. Während der Ausbrüche kam es nicht zu einer weiteren Verbreitung der Infektion durch die erkrankten Pferde. Menschen wurden nur dann infiziert, wenn sie direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten der erkrankten Tiere hatten. Aus den Geweben der Pferde und des Trainers konnte man das Hendravirus isolieren. Nach dem Umschreiben des RNA-Genoms in die komplementäre DNA und deren Sequenzierung erfolgte seine Einordnung in die neu geschaffene Gattung Henipavirus in der Familie der Paramyxoviren. Durch serologische und virologische Nachweisverfahren konnten verschiedene Arten von Flughunden als natürliche Wirte des Hendravirus identifiziert werden. Die Fledermäuse erkranken nicht, sind aber vermutlich persistierend mit den Viren infiziert. Die Übertragung innerhalb der Fledermauspopulation erfolgt intrauterin oder über virushaltigen Urin. Die offensichtlich seltene Übertragung des Hendravirus auf Pferde erfolgt möglicherweise durch die zufällige Aufnahme von virushaltigen Placentateilen oder von fetalem Material der Flughunde. Ein denkbares Szenario sind beispielsweise Weiden mit Schlafbäumen der Fledermäuse, unter welchen die Pferde grasen. Basierend auf den Erfahrungen durch die Untersuchung der Infektionen mit dem Hendravirus gelang 1997 im australischen Bundesstaat New South Wales die Isolierung eines weiteren Paramyxovirus, das durch Flughunde übertragen wird, des Menanglevirus. Es wurde aus tot geborenen Ferkeln isoliert. Infektionen des Menschen wurden bisher nicht beschrieben. Die Verbreitung des Menanglevirus scheint nicht auf Australien beschränkt zu sein, wie der Nachweis des Virus in Flughunden in Malaysia belegt. Ein drittes von Flughunden übertragenes Paramyxovirus wurde 1999 in der Region Nipah (Malaysia) isoliert. Das Nipahvirus ist gemessen an der Zahl der Todesfälle bei infizierten Menschen, das bislang bedeutendste der drei neuen Paramyxoviren. Bei dem Ausbruch in Malaysia 1998/1999 wurden 265 Fälle erfasst, wobei über 100 Menschen – insbesondere Schweinefarmer und -schlachter – dieser erstmals beobachteten Nipahvirusepidemie zum Opfer gefallen sind und an einer Encephalitis verstarben. Der Tropismus des Nipahvirus für die Infektion von Zellen des Respirationstraktes fördert eine Übertragung per Tröpfcheninfektion zwischen Schweinen beziehungsweise zwischen Schweinen und Menschen. Auch gibt es Hinweise, dass es nicht nur zwischen infizierten Tieren, sondern auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Infektionen mit dem Nipahvirus wurden ferner bei
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einer Katze, zwei Hunden und einem Pferd beschrieben. In den Jahren zwischen 2001 und 2008 beobachtete man weitere Ausbrüche in Indien und Bangladesh. Bei diesen Epidemien schienen Kühe als Überträger der Infektion involviert zu sein. Serologische Untersuchungen zeigten, dass wohl auch in diesem Fall früchtefressende Fledermäuse (Pteropus spec., Hipposideros larvatus) das natürliche Reservoir für dieses Virus sind; mehr als 75 Prozent der Tiere haben Antikörper gegen das Nipahvirus. Im Urin dieser Tiere, aber auch auf Früchten, die von den Fledermäusen angefressen wurden, fand man Nipahvirus-RNA.
Klinik Experimentelle Hendravirusinfektionen von Pferden ließen folgende Hauptsymptome erkennen: interstitielle Pneumonie und systemische fibrinoide Degeneration der Blutgefäße. Häufig fand sich auch eine nichteitrige Encephalitis. Experimentelle Infektionen von Schweinen mit dem Menanglevirus führen hingegen zu Fruchtbarkeitsstörungen. Die infizierten Ferkel zeigten verschiedenste Missbildungen und häufig eine Encephalomyelitis. Bei Infektionen mit dem Nipahvirus fand man bei erkrankten Schweinen vor allem Bronchopneumonien. Infizierte Menschen entwickeln zusätzlich zu einer schweren atypischen Pneumonie die Symptome einer Encephalitis, die Letalität beträgt 37 beim malaysischen und 67 bis 100 Prozent beim indischen Stamm des Nipahvirus.
Pathogenese Hendra- und Nipahviren infizieren in den Tieren verschiedene Zelltypen. Die Pathogenese des Nipahvirus ist im Schwein gut untersucht. Nach intranasaler Infektion repliziert das Virus in den Epithelzellen des Nasenrachenraums und gelangt in die Zellen der olfaktorischen Nerven und über deren Axone in das zentrale Nervensystem; dort repliziert es sich und verursacht Läsionen. Zusätzlich infizieren die Nipahviren aber auch die Endothelzellen der Blutgefäße im Nasenrachenraum, von dort infizieren sie die Lymphocyten, welche die Erreger im Rahmen einer Virämie in das Gehirn transportieren. Der Beitrag dieser beiden Wege zur Infektion des zentralen Nervensystems scheint bei den verschiedenen Wirten unterschiedlich groß zu sein: Bei Schweinen gibt es Hinweise, dass die hämatogene Verbreitung des Nipahvirus für die Infektion des zentralen Nervensystems von untergeordneter Bedeutung ist. Als weitere geeignete Tiermodelle zur Untersuchung der Pathogenese der Hendra- und Nipahvirusinfektionen setzt man Katzen ein.
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15
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15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Immunreaktion und Diagnose Der Nachweis der Viren erfolgt nach Umschreibung der viralen RNA-Genome in cDNA mittels der reversen Transkriptase durch Amplifizierung in der Polymerasekettenreaktion. Über die Immunität nach einer natürlichen Infektion gibt es keine gesicherten Daten.
Therapie und Prophylaxe Impfstoffe sind gegen keines dieser Viren verfügbar, das gleiche gilt für die Möglichkeit zur antiviralen Chemotherapie.
15.3.8 Weiterführende Literatur Appel, M. J. G.; Summers, B. A. Pathogenicity of morbilliviruses for terrestial carnivores. In: Veterinary Microbiology 44 (1995) S. 187–191. Avota, E.; Avots, A.; Niewiesk, S.; Kane, L. P.; Bommhardt, U.; Meulen, V. ter; Schneider-Schaulis, S. Disruption of Akt kinase activation is important for immunosuppression induced by measles virus. In: Nature Medicine 7 (2001) S. 725– 731. Bao, X., Kolli, D., Liu, T., Shan, Y., Garofalo, R. P., Casola, A. Human metapneumovirus small hydrophobic protein inhibits NF-kappaB transcriptional activity. In: J. Virol. 82 (2008) S. 8224–8229. Barrett, T. Recombinant DNA technology for producing new rinderpest virus vaccines. In: Expert Rev. Vaccines. 4 (2005) S. 113–120. Bowden, T. A.; Aricescu, A. R.; Gilbert, R. J.; Grimes, J. M.; Jones, E. Y.; Stuart, D. I. Structural basis of Nipah and Hendra virus attachment to their cell-surface receptor ephrinB2. In: Nat. Struct. Mol. Biol. 15 (2008) S. 567–572. Briss, P. A.; Fehrs, L. J. et al. Sustained transmission of mumps in a highly vaccinated population: Assessment of primary vaccine failure and waning vaccine-induced immunity. In: J. Infect. Dis. 169 (1994) S. 77–82. Cuesta, J.; Geng, X.; Asenjo, A.; Villanneva, N. Structural phosphoprotein M 2-1 of the human respiratory syncytialvirus is an RNA binding protein. In: J. Virol. 74 (2000) S. 9858– 9867. Deem, S. L.; Spelman, S. H.; Yates, R. A.; Montali, R. J. Canine distemper in terrestrial carnivores: a review. In: J. Zoo. Wildl. Med. 31 (2000) S. 441–451. Deffrasnes, C.; Hamelin, M. E.; Boivin, G. Human metapneumovirus. In: Semin. Respir. Crit. Care Med. 28 (2007) S. 213– 221. Dhiman, N.; Jacobson, R. M.; Poland, G. A. Measles virus receptors: SLAM and CD46. In: Rev. Med. Virol. 14 (2004) S. 217– 229. Durbin, A. P.; McAuliffe, J. M.; Collins, P. L.; Murphy, B. R. Mutations in the C, D, and V open reading frames of human para-
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15.4 Filoviren
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313
15.4 Filoviren
Die Familie der Filoviridae zählt wie die der Rhabdo-, Borna- und Paramyxoviridae zur Ordnung der Mononegavirales. Filoviren kommen unter natürlichen Bedingungen in Europa nicht vor. Zu ihnen gehören die Marburg- und die Ebolaviren, die bei Menschen, Menschenaffen und Altweltaffen hämorrhagisches Fieber mit meist tödlichem Ausgang verursachen.
15.4.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Zu den Filoviridae gehören die Gattungen Marburgund Ebolavirus (䉴 Tabelle 15.8). Hinsichtlich ihres Genomaufbaus sind sie den Paramyxoviren ähnlicher als den Rhabdoviren. Die serologische Verwandtschaft des Marburg- mit dem Ebolavirus ist sehr gering. Das Reston-Ebolavirus wurde aus Makaken von den Philippinen isoliert; inzwischen wurde es auch in Schweinen nachgewiesen. Reston-Ebolaviren können zwar den Tabelle 15.8 Charakteristische Vertreter der Filoviren Genus
Mensch/Tier
Marburgvirus
Lake-Victoria-Marburgvirus
Ebolavirus
Zairevirus Sudan-Ebolavirus Ivory-Coast-Ebolavirus Reston-Ebolavirus
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15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
q Filoviren erfordern sehr hohe Sicherheitsvorkehrungen Der Umgang mit Filoviren und deren Erforschung ist mit hohen Sicherheitsauflagen verbunden. In Deutschland und auch in anderen Ländern müssen die Laboratorien den höchsten Sicherheitsstandard (BSL-4 beziehungsweise S4) aufweisen. Erst die Einführung gentechnischer Methoden erlaubte die Aufklärung der Sequenz dieser Viren, die Analyse der von ihnen codierten Proteine und die Konstruktion von rekombinanten Viren mit gezielt eingeführten Mutationen.
Menschen infizieren, verursachen aber im Unterschied zu den Zaire- und Sudan-Ebolaviren keine Erkrankung, sondern regen lediglich die Antikörperbildung an. Die natürlichen Wirte für das Marburgvirus und das Ebolavirus sind vermutlich Fledermäuse.
15.4.2 Aufbau Viruspartikel Die Virionen der Filoviren haben eine uneinheitliche, pleomorphe Gestalt. Sie ähneln den Rhabdoviren, sind jedoch deutlich länger und fadenförmig (lat. filus = Faden; 䉴 Abbildung 15.10). Die Filamente können verzweigt sein, U-förmige Gestalt haben oder spiralig aufgewickelt erscheinen. Die Partikel haben einen konstanten Durchmesser von 80 nm, ihre Länge ist dagegen hochvariabel (bis zu 14 000 nm). Das Marburgvirus ist im Durchschnitt etwa 665 nm, das Ebolavirus 805 nm lang. Die Filamente bestehen aus einem helikalen Nucleocapsid, das aus dem RNA-Genom und den viralen Proteinen NP (Nucleoprotein), P (auch VP35), VP30 und L (RNA-abhängige RNA-Polymerase) besteht. Das Nucleocapsid ist von einer Membranhülle umgeben. Mit der Innenseite dieser Lipidschicht und den Proteinanteilen des Nucleocapsids sind die Matrixproteine VP24 (minor) und VP40 (major) assoziiert. In die Membran eingelagert sind die Glycoproteine GP, die als Trimere vorliegen und etwa sieben Namometer aus der Virusoberfläche herausragen. (䉴 Tabelle 15.9).
umfasst es 18 957 Basen, beim Marburgvirus findet man 19 099 Nucleotide. Es hat Negativstrangorientierung. Die RNA ist nichtinfektiös und von ihr können nicht direkt Proteine synthetisiert werden. An den 3’- und 5’-Enden des Genoms befinden sich nichtcodierende Sequenzen, deren äußerste Basenfolgen zueinander komplementär sind und die wahrscheinlich ähnliche Funktionen wie die Leader- und Trailer-Regionen der Paramyxoviren bei der Initiation der Transkription und der Bildung des Plusstranges im Zuge der Replikation haben. Zwischen diesen nichtcodierenden Endregionen befinden sich die Leserahmen in der Reihenfolge 3’-NP-VP35/P-VP40/ M-GP-VP30-VP24-L-5‘ (䉴 Abbildung 15.11). Im Bereich des GP-Gens liegt ein weiterer offener Leserahmen, der für ein etwa 15 kD großes Protein codiert; ein entsprechendes Produkt konnte man allerdings bisher nicht identifizieren. Beim Ebolavirus liegen die für das GPProtein codierenden Sequenzen in zwei getrennten offenen Leserahmen vor. Die Synthese des Proteins ist vom Einfügen eines Nucleotids in die mRNA durch RNAEditing abhängig. Wird die mRNA nicht editiert, erfolgt von ihr die Translation des sGP-Proteins (䉴 Abbildung 15.11). An den Initiations- und Terminationsorten der Transkription finden sich Sequenzfolgen, die bei allen Genen konserviert sind und das Pentanucleotid 3’UAAUU-5’ enthalten. Die codierenden Bereiche sind entweder durch kurze intergenische Basenfolgen voneinander getrennt oder sie überlappen in einem kurzen Abschnitt. Die Überschneidungen beschränken sich auf die konservierten Transkriptionssignale um das erwähnte Pentanucleotid. Solche überlappenden Genenden findet man im Genom des Ebolavirus bei zwei Genübergängen, nämlich zwischen den Genen für VP35 und VP40 sowie für VP30 und VP24. Beim Marburgvirus überlappen nur die Gene, die für die Proteine VP30 und VP24 codieren (䉴 Abbildung 15.11).
15.4.3 Virusproteine Ein vergleichender Überblick der bekannten Charakteristika der Proteine der Marburg- und Ebolaviren wird in 䉴 Tabelle 15.9 gegeben. Die Funktionen der Proteine sind nicht immer gut untersucht. In vielen Fällen geht man davon aus, dass sie den Polypeptiden entsprechen, die in den analogen Genomregionen der Rhabdo- und Paramyxoviren codiert werden.
Genom und Genomaufbau
Nucleocapsidproteine
Das einzelsträngige, nichtsegmentierte RNA-Genom der Filoviren ist etwa 19 000 Basen lang. Beim Ebolavirus
Das Nucleocapsid der Filoviren besteht aus einem Komplex von RNA und Proteinen. In der größten Menge liegt
L-Protein
15.4 Filoviren
einzelsträngiges RNA-Genom
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Nucleocapsid
N-Protein P-Protein
VP24 (minor Matrixprotein) VP30 (Nucleocapsidprotein)
GP-Protein (Trimere)
M-Protein/VP40 (Major-Matrixprotein)
Hüllmembran
das NP-Protein (96 kD und 104 kD beim Marburgbeziehungsweise Ebolavirus) vor. Es bedeckt die gesamte Länge des RNA-Genoms, ist an Serin- und Threoninresten phosphoryliert und dürfte ein funktionelles Analogon der N-/NP-Proteine der Paramyxo- und Rhabdoviren sowie für die helikale Struktur des RNAProteinkomplexes im Virion verantwortlich sein. Das VP35 entspricht funktionell dem P-Protein der anderen Vertreter der Mononegavirales. Es ist als Teil des RNAPolymerasekomplexes an den Transkriptions- und Replikationsprozessen beteiligt und vermittelt die Interak-
15.10 Aufbau eines Ebolaviruspartikels. Das Genom besteht aus einer einzelsträngigen RNA, die mit den N-, P- und L-Proteinen zu einem helikalen Nucleocapsid interagiert. Das Nucleocapsid ist von einer Membranhülle umgeben, in welche die GP-Proteine eingelagert sind. Mit der Innenseite der Membran sind die Matrixproteine VP24 (minor) und VP40 (major) assoziiert, die gleichzeitig auch in Bindung mit den Nucleocapsidkomponenten vorliegen.
tion der Nucleocapside mit den Matrixproteinen VP40 und VP30 an der Innenseite der Virushüllmembran. Im Cytoplasma der infizierten Zellen bindet sich VP35 an die leichte Kette des Dynein (DLC8); inwieweit diese Wechselwirkung die Infektion beeinflusst, ist unklar. Des Weiteren ist beschrieben, dass das VP35 auch den Verlauf und die Pathogenese der Infektion beeinflusst: Es hemmt die Produktion von Interferon-α in den infizierten Wirten. Das L-Protein hat die Aktivität der RNAabhängigen RNA-Polymerase. Sowohl beim Marburgvirus als auch bei den unterschiedlichen Stämmen der
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15
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15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 15.9 Eigenschaften und Funktionen der Filovirusproteine Protein
Molekulargewicht Marburgvirus Ebolavirus
Modifikation
Funktion
NP
96 kD
104 kD
phosphoryliert
assoziiert mit dem RNA-Genom; Komponente des Nucleocapsids
VP35 (P)
32 kD
35 kD
phosphoryliert
Phosphoprotein; Komponente des Nucleocapsids; Wechselwirkung mit den Matrixproteinen; Bestandteil des Transkriptasekomplexes; hemmt IFN-Produktion.
L
267 kD
267 kD
VP30
28 kD
30 kD
VP40 (M)
38 kD
40 kD
Major-Matrixprotein; assoziiert mit Innenseite der Virusmembran und den Nucleocapsidkomponenten
VP24
24 kD
24 kD
Minor-Matrixprotein; assoziiert mit Innenseite der Virusmembran und den Nucleocapsidkomponenten
GP
170 kD
120–150 kD
N-glycosyliert O-glycosyliert
Oberflächen- und Membranprotein; Homotrimer; Adsorption; Induktion neutralisierender Antikörper; wird beim Ebolavirus durch Furinprotease in GP1 (140 kD) und GP2 (26 kD) gespalten
sGP
–
50 kD
N-glycosyliert C-mannosyliert
sezerniertes Proteindimer; Decoy-Antigen zur Inaktivierung neutralisierender Antikörper?
D-Peptid
–
6 kD
O-glycosyliert
41 Aminosäuren langes Peptid, das von der Furinprotease vom carboxyterminalen Ende des sGP abge spalten wird
RNA-abhängige RNA-Polymerase; Komponente des Nucleocapsids phosphoryliert
Ebolaviren hat es ein theoretisches Molekulargewicht von 267 kD. Anders als bei den Paramyxo- und Rhabdoviren findet man im Nucleocapsid der Filoviren eine weitere Proteinkomponente, das phosphorylierte VP30. Das RNA-bindende VP30 ist für den Neustart der mRNA-Synthese während der Transkription der Virusgene notwendig.
Membranproteine Das virale Glycoprotein GP ist als einziges auf der Oberfläche der Viruspartikel exponiert und somit direkt dem Immunsystem zugänglich. Es liegt als Homotrimer vor und ist sehr stark mit Zuckergruppen modifiziert. Diese machen die Hälfte des experimentell bestimmten Molekulargewichts von 170 kD beim Marburg- beziehungsweise 125 kD beim Ebolavirus aus. Die Zuckergruppen sind sowohl N- als auch O-glycosidisch mit den Aminosäureresten verbunden. Sialylsäure als endständiger Zucker findet sich beim Ebolavirus, nicht aber im GPProtein des Marburgvirus. Dort ist es durch Galactose ersetzt. Die GP-Proteine sind als Typ-I-Membranpro-
Komponente des Nucleocapsids; RNA-bindend; notwendig bei Transkription
teine über einen hydrophoben Aminosäureabschnitt am Carboxylende in der Virus- und der Cytoplasmamembran der infizierten Zelle verankert. Nach seiner Synthese an der Membran des endoplasmatischen Reticulum erfolgt die Entfernung des aminoterminalen Signalpeptides; während des Transports zur Zelloberfläche wird das GP-Protein in den Golgi-Vesikeln durch die Furinprotease in einen externen GP1- und einen membranverankerten GP2-Teil gespalten. Beide sind über eine Disulfidbrücke miteinander verbunden, ein Teil der GP1-Proteine wird jedoch von den Viruspartikeln und den infizierten Zellen abgegeben. Die carboxyterminale Hälfte des GP1-Proteins, also der Teil, der vor der Furinspaltstelle gelegen ist, ist reich an Serin- und Threoninresten und hat Ähnlichkeit zu mucinähnlichen Domänen. Am aminoterminalen Ende des GP2-Proteins befindet sich ein Abschnitt hydrophober Aminosäuren, der die Aktivität der Proteine zur Membranfusion vermittelt. Die Proteindomäne, die im GP2-Protein vor der Transmembranregion liegt, ist für die Trimerisierung der GP-Komplexe verantwortlich. Der GP-Leserahmen des Ebolavirus wird für die Synthese eines zweiten,
1
1
5´
3´
1
sGP
Δ-Peptid
324 364
Furinprotease-Spaltung
sGP-Vorläufer
295 364
Translation
Transkription
GP-ORF2
M VP40
Ebolavirus
P VP35
GP-ORF1
NP
GP
3´
GP1
Ebolavirus
VP24
5´
1
1
295
295
Transkription, Editing
VP30
Marburgvirus
TM
TM
Furinprotease-Spaltung
Translation
O-glycosyliert, mucinähnlich
S S
Editing
L
3´
GP2
GP
18957
5´
19099
15.11 A: Genomorganisation der Filoviren. Das Genom, hier als Balken dargestellt, besteht aus einer einzelsträngigen RNA, die als Negativstrang vorliegt. Die Lage und Länge der verschiedenen von den Viren codierten Gene, die im Replikationsverlauf transkribiert werden, ist schematisch angegeben. An den Enden und zwischen den Genen befinden sich Kontrollsequenzen für Ende und Start der Transkription und intergenische Basen (hellgrau/rot/hellgrau dargestellt). Beim Marburgvirus überlappen die 3’-nichtcodierenden Sequenzen der VP30-spezifischen mRNA mit dem 5’-Ende der VP24-Transkripte (angedeutet durch den Pfeil über dem Genom). Ähnliche Überlappungen findet man auch bei Ebolaviren an den Übergängen der P/VP35- und M/VP40-Gene sowie der GP- und VP30-Gene (angedeutet durch die Pfeile unter dem Genombalken). B: Genomorganisation im GP-Gen des Ebolavirus und seine Expressionsprodukte. Das GP-Gen des Ebolavirus besteht aus zwei offenen Leserahmen (ORF1 und ORF2), die miteinander überlappen. Die RNA-abhängige RNA-Polymerase des Virus transkribiert von beiden Leserahmen eine mRNA-Spezies. Wird diese nicht editiert (linke Seite der Abbildung), dann erfolgt die Translation bis an das Ende des ORF1 mit dem sich dort befindenden Stoppcodon sowie die Synthese des sGP-Vorläuferproteins, das posttranslational in das sGP-Protein und das D-Peptid gespalten wird. Wird die RNA posttranskriptionell editiert (siehe Pfeil), dann werden der ORF1 und der ORF2 im gleichen Leseraster miteinander verbunden und die Translation wird bis zum Stoppcodon am Ende des ORF2 fortgesetzt. Es entsteht das GP-Protein, das über die Transmembranregion (grau) in der Membran verankert ist. Es wird posttranslational in die Anteile GP1 und GP2 gespalten, die über eine Disulfidbrücke miteinander kovalent verbunden sind. Das GP1-Protein enthält in seiner carboxyterminalen Hälfte eine O-glycosilierte, mucinähnliche Domäne.
B
A
15.4 Filoviren
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15
15
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15 Viren mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung
verkürzten sGP-Protein verwendet; es interagiert über Cysteinbrücken zu Homodimeren und wird von der infizierten Zelle sezerniert (䉴 Abbildung 15.11B). Seine Synthese erfolgt, wenn die mRNA, die der Translation der GP-Proteine dient, nicht durch RNA-Editing verändert wird. Daher ist seine aminoterminale Domäne über einen Bereich von 295 Aminosäureresten identisch mit der des GP1-Proteins. Die carboxyterminalen Domänen sind hingegen unterschiedlich, da ab dem Punkt des RNA-Editings die Translation in einem anderen Leseraster stattfindet. Daher fehlen dem sGP die O-glycosylierte, mucinähnliche Proteindomäne der GP1-Proteine und die Transmembrandomäne im carboxyterminalen Bereich des GP2-Proteins; das sGP verfügt in seinem carboxyterminalen Bereich hingegen über eine WxxWConsensussequenz für C-Mannosylierung. Am carboxyterminalen Ende des sGP spaltet die Furinprotease das 40 Aminosäuren lange O-glycosylierte D-Peptid ab. Für sGP wird eine mögliche Funktion als „Decoy-Antigen“ diskutiert, das heißt, es fängt die neutralisierenden GP-spezifischen Antikörper ab und verhindert, dass diese mit den infektiösen Viruspartikeln wechselwirken können. Das VP40 entspricht in seiner Funktion dem Matrixprotein der Paramyxo- und Rhabdoviren und verbindet die Innenseite der Virushülle mit dem Nucleocapsid. Das VP40 interagiert zu octameren Komplexen und ist die partikelbildende Komponente der Virusstrukturproteine. Als dritte Proteinkomponente findet man das VP24 als Minor-Matrixprotein mit der Membran assoziiert.
15.4.4 Replikation Der Replikationszyklus der Filoviren verläuft ähnlich wie bei den anderen Vertretern der Mononegavirales. Die Filoviren sind in der Lage, viele verschiedene Zelltypen zu infizieren und scheinen relativ unspezifisch mit mehreren zellulären Oberflächenproteinen in Wechselwirkung zu treten: Es stellte sich heraus, dass der Komplex der GP1/GP2-Proteine mit TREM-Rezeptoren (triggering receptor expressed on myeloid cells) auf Makrophagen und neutrophilen Granulocyten, verschiedenen C-Typ-Lektinen wie DC-SIGN auf dendritischen Zellen und Makrophagen und L-SIGN auf Hepatocyten interagiert. Daneben ist aber auch die Bindung der Viren an toll-like-Rezeptor 1 und 2 sowie an den Folsäurerezeptor-α und an Heparinsulfat-Proteoglycane beschrieben. Letztere fungieren als Rezeptoren für die Infektion von Endothel- und Epithelzellen, wobei den Endothelzellen der Blutgefäße die größte pathogeneti-
sche Bedeutung als Zielzellen zukommt. Das Marburgvirus interagiert auch mit dem Asialoglycoproteinrezeptor auf Hepatocyten, ein C-Typ-Lektin, das sich an endständige Galactosereste von N-glycosidisch gebundenen Zuckergruppen bindet; das Fehlen endständiger Neuraminsäurereste als Modifikation der GP-Proteine der Marburgviren ist daher vermutlich für die Pathogenese dieser Virusinfektion wichtig. Da die Wechselwirkung zwischen Virus und Zelle durch Kohlenhydrate wie Mannan gehemmt werden kann, geht man davon aus, dass diese über Kontakte zwischen den Zuckermodifikationen der GP-Proteine und den jeweiligen zellulären Rezeptoren erfolgt. Daneben existieren jedoch wahrscheinlich weitere zelluläre Oberflächenmoleküle, die als Rezeptoren für die Infektion anderer Zellen wirken. Die Aufnahme des Partikels durch die Zelle erfolgt durch rezeptorvermittelte Endocytose; danach leitet die fusogene Aktivität des GP-Proteins die Verschmelzung von Virus- und Endosomenmembran ein. Hierdurch gelangt das Nucleocapsid in das Cytoplasma, wo alle weiteren Schritte ablaufen: Die Transkription des Genoms in gecappte, polyadenylierte mRNA-Spezies wird durch den Komplex aus den Proteinen NP, P/VP35, L katalysiert. VP30 ist dabei für den Neustart der Transkription nach Überspringen der intergenischen Basen notwendig. Anschließend erfolgt die Translation der mRNAs in die verschiedenen Proteine. Es wird vermutet, dass sich auch bei den Filoviren zwischen dem NP- und dem LPolypeptid ein Gradient bezüglich der Menge an synthetisierten Proteinen ausbildet. Ein durchgehender RNAPlusstrang, der als Antigenom und Matrize für die Replikation dient, wird erst gebildet, wenn ausreichende Mengen von NP-Proteinen in der Zelle vorhanden sind. Gleichzeitig mit der Replikation findet im Cytoplasma der Zelle die Zusammenlagerung der Nucleocapsidkomponenten statt, die sich auch in cytoplasmatischen Einschlusskörperchen nachweisen lassen. Die Matrixproteine VP40 werden über den intrazellulären COPIITransportweg (COPII = coat protein complex II) zur Innenseite der Cytoplasmamembran gebracht und lagern sich an die Bereiche der Cytoplasmamembran an, in denen die trimeren GP1/GP2-Komplexe verankert sind, die nach ihrer Synthese im sekretorischen Weg glycosyliert und durch die Furinprotease gespalten wurden. Das Glycosylierungsmuster ist zelltypspezifisch, daher unterscheiden sich die Modifikationen der GP-Proteine. Die infektiösen Viren werden durch Knospung von den Lipid Rafts auf der Zelloberfläche freigesetzt.
15.4 Filoviren
15.4.5 Human- und tierpathogene Filoviren Die Marburg- und Ebolaviren Epidemiologie und Übertragung 1967 isolierten Werner Slenczka, Rudolf Siegert und Dietrich Peters in Marburg erstmals das Marburgvirus aus Personen, die Umgang mit aus Uganda importierten Grünen Meerkatzen (Cercopithecus aethiops) hatten. 25 Mitglieder des Laborpersonals erkrankten an hämorrhagischem Fieber, sieben von ihnen starben. In sechs Fällen übertrugen sie die Infektion auf Familienmitglieder und Krankenhauspersonal. Die Infektion wurde gleichzeitig auch in Frankfurt und Belgrad beobachtet. Auch hier hatten die Erkrankten Kontakt mit aus Afrika eingeführten Grünen Meerkatzen. In den folgenden Jahren wurden Marburgviren vereinzelt bei Erkrankten in Ostafrika in der Region um den Viktoriasee nachgewiesen, bis sich zwischen 1998 und 2000 ein großer Ausbruch in Durba (Republik Congo, ehemals Demokratische Republik Congo, davor Zaire) ereignete: Während dieser lange andauernden Epidemie diagnostizierte man bei 154 Personen eine Marburgvirusinfektion, 83 Prozent starben daran. Ähnlich schwer – mit 227 Toten – verlief 2005 eine Epidemie in Nordangola. Die Zaire- und Sudan-Ebolaviren wurden erstmals 1976 bei Epidemien in der Republik Congo und im Sudan nachgewiesen und als Filoviren identifiziert. Insgesamt erkrankten hier über 500 Personen an hämorrhagischem Fieber. Nach sporadischen Einzelfällen traten ab 1979 im Sudan, in der Republik Congo, in Ugunda und in Gabun wiederholt neue Epidemien mit hunderten von Toten auf. Die Mortalitätsrate liegt zwischen 50 und 90 Prozent; Infektionen mit den sehr virulenten Zaire- und Sudan-Ebolaviren verlaufen am häufigsten tödlich. Wesentlich seltener sind Infektionen mit dem Ivory-Coast-Ebolavirus. In Reston (USA) isolierte man 1989 aus Makaken (Macaca fascicularis), die von den Philippinen importiert worden waren, das Reston-Ebolavirus. Es verursacht in den Affen ein tödlich verlaufendes hämorrhagisches Fieber und kann offensichtlich auch auf den Menschen übertragen werden. Bei den Tierpflegern mit Kontakt zu den erkrankten Affen fand man Reston-Ebolavirusspezifische Antikörper, aber keine Erkrankungen. Im Jahr 2008 hat man auf den Philippinen das Reston-Ebolavirus in erkrankten Schweinen nachgewiesen; diese verstarben teilweise auch an den Folgen der Infektion. Die klinische Bedeutung der Reston-Ebolavirusinfektion im Schwein ist unklar, weil die Tiere zugleich auch mit dem Arterivirus PRRSV (䉴 Abschnitt 14.7) infiziert waren.
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Dass Schweine mit Reston-Ebolaviren infizierbar sind und den Erregern als Wirte dienen, wurde 2009 in weiteren Studien bestätigt. Die Ausbrüche werden mit großer Sorge verfolgt, da das Schwein in engem Kontakt mit Menschen steht und zoonotische Übertragungen häufig sein dürften. Tatsächlich wurden auch im Blut von Kontaktpersonen Antikörper gegen das Reston-Virus gefunden und einige Personen wiesen fieberhafte Erkrankungen auf. Somit besteht das grundsätzliche Risiko eines Wirtswechsels und auch das einer damit verbundenen möglichen Virulenzsteigerung. Früchtefressende Fledermäuse scheinen den Ebolaund vermutlich auch den Marburgviren als Reservoir zu dienen. In Leber- und Milzproben von Fledermäusen der Arten Hypsignathus montrosus, Epomops franqueti, Myonycteris torquata konnte man RNA-Genome des Zairevirus nachweisen, im Blut der Tiere waren große Mengen von spezifischen Antikörpern gegen die Virusproteine vorhanden. Die Fledermäuse waren offensichtlich mit Zaireviren infiziert, ohne dabei Erkrankungssymptome zu entwickeln. Menschenaffen (Gorillas, Schimpansen) und Altweltaffen, die auf natürlichem Weg oder experimentell mit den Viren infiziert werden, sterben meist an der Erkrankung; das gilt vor allem für das Marburg- und das Zairevirus. Der Infektionsverlauf bei den Affen gleicht demjenigen der Menschen. Die meisten der Ebolavirusepidemien beim Menschen sind initial auf Kontakte mit dem Blut infizierter Affen zurückzuführen. Von infizierten Personen wird das Virus danach durch direkten Kontakt, durch Blut und andere Körperflüssigkeiten sowie wahrscheinlich auch durch Tröpfcheninfektion auf Krankenhauspersonal und Familienmitglieder übertragen. Unter welchen Bedingungen die Viren von ihren natürlichen Wirten, den Fledermäusen, auf Affen übertragen werden, ist unklar; ähnlich wie bei den Henipaviren wird virushaltiges Placentagewebe als Quelle diskutiert (䉴 Abschnitt 15.3).
Klinik Die Symptome der Erkrankung sind beim Marburgund beim Ebolavirus ähnlich. Sie treten nach einer Inkubationszeit von vier bis sieben Tagen auf und sind durch hohes Fieber, massive Kopf- und Muskelschmerzen sowie Schüttelfrost gekennzeichnet. Diesen ersten Anzeichen folgen sehr schnell Halsschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und abdominale Beschwerden. Blutungen in der Augenbindehaut und im Schleimhautbereich des Rachens treten sehr früh auf, schwere Hämorrhagien im Magen-Darm-Trakt, in der Lunge und in der Mundschleimhaut schließen sich nach einigen Tagen an, bedingt durch Befall und Absterben der Endothelzellen der Blutgefäße. Während dieser akuten Phase und zum
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Teil noch lange danach, können Viren in allen Körperflüssigkeiten, beispielsweise in Rachenspülwasser, Urin, in der Samenflüssigkeit und dem Kammerwasser des Auges, nachgewiesen werden. Bei tödlichen Verläufen steigt die Virusmenge im Blut kontinuierlich an, der Tod tritt etwa fünf bis neun Tage nach Ausbruch der Symptome ein und wird durch die schweren inneren Blutungen und diesbezügliche Schockzustände verursacht. Ähnlich lange hält die symptomatische Phase auch bei den Patienten an, welche die Infektion überleben, allerdings findet man hier eine Abnahme der Viruskonzentration im Blut, vermutlich bedingt durch die einsetzende Bildung spezifischer Antikörper. Die VirusAntikörper-Komplexe macht man auch für die Arthralgien verantwortlich, die bevorzugt während der Rekonvaleszenz auftreten.
Pathogenese Filoviren haben keine ausgeprägte Zellspezifität, sie infizieren viele verschiedene Zelltypen unterschiedlicher Gewebe und zerstören sie. In der Frühphase der Infektion befällt das Virus Monocyten, Makrophagen und Endothelzellen, welche die primären Ziele darstellen. Nach der ersten Virämie vermehrt sich das Virus in den Endothelzellen des Blutgefäßsystems und somit praktisch im gesamten Körper. In den infizierten Zellen lassen sich cytoplasmatische Einschlusskörperchen aus viralen Nucleocapsiden nachweisen. Pathohistologisch findet man vor allem herdförmige Nekrosen in der Leber und follikuläre Nekrosen in der Milz und den Lymphknoten. Im Spätstadium der Erkrankung beobachtet man Hämorrhagien in fast allen Organen, die vermutlich auf die infektionsbedingte Zerstörung der Endothelzellen und den damit einhergehenden Verlust der Integrität der Blutgefäße zurückzuführen sind. Blutungen in den Nierentubuli sind ein Anzeichen für die schwere Schädigung auch dieser Organe. Hier findet man auch Ablagerungen von Fibrin und Fibrinspaltprodukten. Abnormalitäten in den Blutgerinnungsparametern weisen auf eine generelle Störung dieses Prozesses hin. Die Infektion der Monocyten und Makrophagen bewirkt die Freisetzung von proinflammatorischen Cytokinen und Chemokinen. Hierzu zählen vor allem TNF-α, IL-1β und MIP-1α; sie bewirken, dass zusätzlich Monocyten, Makrophagen und auch neutrophile Granulocyten an den Infektionsort wandern und das Entzündungsgeschehen verstärken, die Blutgefäße erweitern und somit weiter schädigen. Man fand, dass die Integrität der Blutgefäße auch durch eine direkt wirkende cytotoxische Aktivität des Virus beeinflusst wird: Verantwortlich ist die mucinähnliche Domäne im GP1-
Protein. Wird sie deletiert, verliert das Protein seine zelltoxische Wirkung in vitro und auch in explantierten Blutgefäßen. In diesen Versuchen zeigte das GP1-Protein des Reston-Ebolavirus in Explantaten menschlicher Blutgefäße keine zellzerstörende Wirkung, wohingegen sich das entsprechende Oberflächenprotein des beim Menschen hochpathogenen Zairevirus sowohl für Gefäße humanen Ursprungs als auch für diejenigen aus Nagetieren als toxisch erwies. Die Hinweise auf das GP1Protein als die Komponente, die hauptsächlich für die Cytopathogenität des Virus verantwortlich ist, wurden mittels einer künstlich erzeugten Mutante bestätigt: In dieser wurde eine Position im Virusgenom so verändert, dass das für die Synthese der GP1/GP2-Proteine notwendige RNA-Editing obligat erfolgt und das sGP daher nicht gebildet wird. Diese Mutante war wesentlich cytotoxischer als das Wildtypvirus. Dem sGP-Protein fehlt die mucinähnliche Region. Dies kann als ein Hinweis darauf gewertet werden, dass bei gleichzeitiger Synthese des sGP-Proteins die Cytotoxizität des GP1-Proteins und somit des Virus abgeschwächt wird. Der Komplex der GP1/GP2-Proteine hat jedoch noch eine weitere Funktion, welche die Pathogenese der Infektion beeinflusst: Ist es in der Cytoplasmamembran der infizieren Zellen verankert, dann führt seine Anwesenheit zur Maskierung verschiedener zellulärer Oberflächenproteine, beispielsweise der MHC-Klasse-IProteine, und auch GP-eigener Epitope. Verantwortlich ist dafür möglicherweise die Bindung von Komponenten der extrazelluären Matrix. Die infizierten Zellen erscheinen infolge dieser Maskierung der Oberflächen als verarmt an MHC-Klasse-I und auch GP-spezifische Antikörper können die infizierten Zellen nicht erkennen. Außer der direkten cytotoxischen Wirkung der Filoviren, welche für die Schädigung des Endothels und der Blutgefäße verantwortlich gemacht wird, beeinflussen die Filoviren bereits früh während der Infektion die unspezifischen immunologischen Abwehrreaktionen. Das Phosphoprotein VP35 verhindert die Produktion der Klasse-I-Interferone IFN-α und IFN-β, indem es die Phosphorylierung des IRF-3 (interferon regulatory factor 3) verhindert. Als Folge wird dieser nicht in den Zellkern transportiert und kann seine Funktion als Transkriptionsfaktor zur Induktion der Expression der IFN-Gene nicht ausüben. Das Minor-Matrixprotein VP24 hingegen blockiert die durch Interferone vermittelte Signalkaskade, indem es die Phosphorylierung des Proteins p38 verhindert – einem zentralen Faktor des interferonabhängigen MAPK-Signalübertragungsweges (mitogenactivated-protein-kinase). Hierdurch unterbleibt die Expression der IFN-abhängigen Gene und in den Zellen wird der antivirale Status nicht etabliert. Im Tiersystem
15.4 Filoviren
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¡ Mucin und mucinähnliche Proteindomänen Mucine sind hochglycosylierte Proteine und ein Hauptbestandteil der Zellen in den schleimproduzierenden Epithelien des Körpers. Daneben existieren Proteine, die mucinähnliche Domänen aufweisen. Alle werden heute zu den Mitgliedern einer neuen Proteinfamilie gezählt, den Sialomucinen. Hierbei handelt es sich um Proteine, die entweder durch klassische Transmembranregionen oder durch an die Aminosäuresequenz kovalent angefügte Fettsäuremodifikationen (zum Beispiel durch GlycosylphosphatidylinositolEinheiten) in der Cytoplasmamembran verankert sind. Die Mucine und die mucinähnlichen Proteine enthalten viele Threonin-, Serin- und Prolinreste und sind mit Kohlenhydraten modifiziert. Die Zuckergruppen sind in O-glycosidischer Bindung mit den Aminosäuren Serin und Threonin verknüpft. Ähnlich wie die cell adhesion molecules (CAMs) sind
kann die essenzielle Wirkung der interferonvermittelten Abwehr gezeigt werden: Immunkompetente adulte Mäuse überleben die Infektion mit Ebolaviren; sie sterben jedoch, wenn man sie zeitgleich mit Antikörpern gegen Interferon inokuliert. Ähnliches gilt für Mäuse, in denen die Gene der Rezeptoren für IFN-α/β oder der Proteine Stat-1 deletiert wurden. Da diese Abwehrvorgänge des unspezifischen Immunsystems neben ihrer direkt antiviralen Wirkung auch für die Einleitung der spezifischen Immunreaktionen verantwortlich sind, werden auch diese nicht oder nur verzögert etabliert.
Immunreaktion und Diagnose Über die Antikörperantwort ist nur wenig bekannt. Zehn bis 14 Tage nach der Infektion lassen sich in den Überlebenden hauptsächlich Immunglobuline gegen die Nucleo-, Phospho- und Matrixproteine (NP, VP35 und VP40) sowie gegen die Glycoproteine GP1/GP2 in ELISA- und Immunfluoreszenztests nachweisen. Glycoproteinspezifische Antikörper sind in der Lage, das Virus zu neutralisieren. Während der vergangenen Ebolaepidemien wurde untersucht, inwieweit sich die Immunreaktionen von Überlebenden einer Ebolavirusinfekion von denen Verstorbener unterscheiden. Die nachweisbaren Virusmengen waren in beiden Patientengruppen während der ersten Tage nach Ausbruch der Symptome etwa gleich hoch. In der Patientengruppe, die im weiteren Verlauf verstarb, stieg die Virusmenge im peripheren Blut jedoch weiter an, wohingegen sie in den Überlebenden auf niedrigerem Niveau blieb und dann absank.
die Sialomucine an der gegenseitigen Interaktion von bestimmten Zelltypen und ihrer Wechselwirkung mit der extrazellulären Matrix beteiligt. Bei diesen Vorgängen lösen sie auch Signalkaskaden aus, welche die Synthese und Freisetzung von verschiedenen Cytokinen fördern. So fand man, dass unter anderem auch frühe Schritte bei der Hämatopoese durch Mitglieder der mucinähnlichen Proteinfamilie reguliert werden. Mucinähnliche Proteine identifizierte man auch als Oberflächenkomponenten bei Helminthen und Protozoen, beispielsweise bei Trypanosoma cruzi, dem Erreger der Schlafkrankheit. Es wird vermutet, dass sie für das Eindringen der Erreger in Gewebeverbände und Zellen verantwortlich sind und dabei auch die Synthese von Cytokinen und Entzündungsmediatoren einleiten.
In den Rekonvaleszenten fand sich die Induktion von IgM und IgG, welcher die Eliminierung viraler Antigene aus dem Blut folgte. In dieser Phase erfolgte auch die Aktivierung cytotoxischer T-Lymphocyten und – damit verbunden – die Expression von FasL, Perforin und Interferon-γ, die auch spät in der Rekonvaleszenz noch nachweisbar war. In den Patienten, die an der Infektion verstarben, konnten hingegen keine IgG-Antikörper nachgewiesen werden. In der Frühphase der Infektion fand man auch bei ihnen eine Aktivierung der T-Zellen und eine – im Vergleich zu der Gruppe der Überlebenden – erhöhte Bildung von Interferon-γ, die jedoch die Virusinfektion nicht kontrollieren konnten. Mit fortschreitender Erkrankung wurde die Expression von Interferon-γ, FasL und auch Perforin vorübergehend weiter induziert. Dieser Phase folgten jedoch massive apoptotische Prozesse, wie der Anstieg von Apoptosemarkern im Serum zeigte. Vermutlich ist dies eine Folge der zunehmenden Zerstörung von Monocyten und Endothelzellen der Blutgefäße durch die sich ausbreitende Virusinfektion. Die Diagnose wurde früher üblicherweise durch Virusisolierung aus dem Serum oder Körpersekreten während der virämischen Phase gestellt. Das Marburgvirus kann in Verozellkulturen (Nierenzellen von Grünen Meerkatzen), die Ebola- und Restonviren in MA104-Zellen (fetale Nierenzelllinie eines Rhesusaffen) gezüchtet werden. Derzeit bevorzugt man den Nachweis viraler RNA mittels der Polymerasekettenreaktion aus geeigneten biologischen Materialien. Wegen der großen Gefährdung des Personals, die von diesen Viren ausgeht,
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sind in den Labors und Krankenhäusern umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Dementsprechend sind derzeit in Deutschland nur fünf Zentren mit entsprechenden Sonderisolierstationen für die Versorgung von Patienten mit hämorrhagischen Fiebern zugelassen (Hamburg, Berlin, Leipzig, Marburg und München). Wird die Verdachtsdiagnose durch epidemiologischen Zusammenhang (beispielsweise der Aufenthalt in Infektionsgebieten) und anhand der Krankheitsgeschichte und Symptomatik ausgesprochen, müssen die Patienten sofort per Spezialtransport in solche Zentren verbracht werden. Auch die virologische Diagnostik darf nur in dazu zugelassenen Laboratorien durchgeführt werden.
Therapie und Prophylaxe Einen Impfstoff, der vor der Infektion mit Marburgund Ebolaviren schützt, gibt es nicht. Rekombinant produzierte, virusähnliche Partikel als Basis für Vakzine befinden sich in der Entwicklung. Eine spezifische antivirale Therapie ist nicht möglich, Ribavirin als „Breitspektrum-Virostatikum“ bei RNA-Virusinfektionen wurde ohne Erfolg eingesetzt. Die Gaben von Immunglobulinpräparaten aus dem Plasma von Personen, welche die Infektion überlebt haben, könnten bei akuten Ausbrüchen von Ebolavirusepidemien einen passiven Immunschutz vermitteln. Darauf weisen Tierexperimente hin, im Rahmen derer Mäuse mit Ebolaviren inokuliert wurden. Die Tiere, welche die Infektion überlebten, bildeten virusspezifische Immunglobuline. Bekamen Mäuse vor der Infektion diese Immunglobuline verabreicht, überlebten alle Tiere.
15.4.6 Weiterführende Literatur Baize, S.; Leroy, E. M.; Georges-Courbot, M.-C.; Capron, M.; Lansoud-Soukate, J.; Debré, P.; Fisher-Hoch, S. P.; McCormick, J. B.; Georges, A. J. Defective humoral responses and extensive intravascular apoptosis are associated with fatal outcome in Ebola virus-infected patients. In: Nature Medicine 5 (1999) S. 423–426. Barrette, R. W.; Metwally, S. A.; Rowland, J. M.; Xu, L.; Zaki, S. R.; Nichol, S. T.; Rollin, P. E.; Towner, J. S.; Shieh, W. J.; Batten, B.; Sealy, T. K.; Carrillo, C.; Moran, K. E.; Bracht, A. J.; Mayr, G. A.; Sirios-Cruz, M.; Catbagan, D. P.; Lautner, E. A.; Ksiazek, T. G.; White, W. R.; McIntosh, M. T. Discovery of swine as a host for the Reston ebolavirus. In: Science 325 (2009) S. 204-206. Becker, S.; Spiess, M.; Klenk, H.-D. The asialoglycoprotein receptor is a potential liver-specific receptor for Marburg virus. In: J. Gen. Virol. 76 (1995) S. 393–399.
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung Bis heute sind drei Virusfamilien bekannt, deren Vertreter ein RNA-Genom mit negativer Orientierung besitzen, das in den infektiösen Viruspartikeln nicht als ein kontinuierliches Molekül, sondern in mehreren Segmenten vorliegt. Es handelt sich um die Arenaviridae, die Bunyaviridae und die Orthomyxoviridae. Ähnlich wie die Mononegavirales (䉴 Kapitel 15) benötigen auch sie für die Synthese der mRNA und für die Replikation ein spezielles Enzym, das zusammen mit weiteren Viruskomponenten bei der Infektion in die Zelle gelangt: die RNAabhängige RNA-Polymerase. Ein in Segmenten vorlie-
16.1 Arenaviren
gendes Genom ermöglicht den Viren die Bildung von Reassortanten. Hier werden die RNA-Moleküle bei Doppelinfektionen von Zellen mit unterschiedlichen Virustypen während der Replikation und der Morphogenese gemischt. Die Nachkommenviren können so Neukombinationen der RNA-Segmente und damit neue Eigenschaften erhalten. Besonders häufig und gut untersucht ist dieser Mechanismus, der als antigenic shift bezeichnet wird, bei den Influenza-A-Viren, den Erregern der Virusinfluenza oder echten Grippe (䉴 Abschnitt 16.3).
Die Arenaviren, die überwiegend in Südamerika und Afrika verbreitet sind, verursachen bei ihren natürlichen Wirten, den Nagetieren, überwiegend persistierende Infektionen, und werden von diesen mit dem Urin und Speichel ausgeschieden. Bei Kontakt mit dem Blut oder kontaminierten Ausscheidungsprodukten können einige der Arenaviren Menschen infizieren und fieberhafte, hämorrhagische Erkrankungen verursachen. Beispiele sind die Junin- und Lassaviren als Erreger des argentinischen hämorrhagischen Fiebers beziehungsweise des Lassafiebers. Der Prototyp der Familie ist das Virus der lymphocytären Choriomeningitis (LCMV), das in der Hausmaus (Mus musculus) vorkommt und in seltenen Fällen beim Menschen eine akute aseptische Meningitis verursacht. Die LCMV-Infektion der Maus stellt heute ein wichtiges, gut etabliertes System zur Untersuchung der Immunantwort dar. Der Name der Arenaviren ist vom lateinischen Wort arena (Sand) abgeleitet und weist auf die körnige (granuläre) Struktur hin, welche die Viruspartikel in elektronenmikroskopischen Aufnah-
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
men besitzen. Diese erhalten die Virionen durch Ribosomen, die sie bei der Morphogenese aufnehmen.
16.1.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Arenaviridae umfassen nur ein Genus (Arenavirus). Man kennt bis heute 23 Virustypen, die aufgrund ihrer geographischen Verbreitung in Arenaviren der „alten Welt“ (Serokomplex Lassa-Lymphocytäre Choriomeningitis) – in Europa, Asien oder Afrika verbreitet – und die auf dem amerikanischen Kontinent vorkommenden Viren der „neuen Welt“ (Serokomplex Tacaribe) eingeteilt werden (䉴 Tabelle 16.1). Das LCMV kommt als ein-
ziges humanpathogenes Arenavirus weltweit vor. In Afrika verursacht das Lassavirus beim Menschen schwere, oft tödlich verlaufende hämorrhagische Fieber. Die Neuweltarenaviren, die aufgrund ihrer serologischen Eigenschaften in drei Linien (Clades A-C) unterteilt werden, kommen ausschließlich auf dem amerikanischen Kontinent vor. Humanpathogene Viren der Linie A sind in Nordamerika (Whitewater-ArroyoVirus) und Südamerika (Flexalvirus) vertreten. Daneben existieren in Südamerika die Junin-, Machupo- und Guanaritoviren (Linie B) als Erreger des argentinischen, des bolivianischen und des venezolanischen hämorrhagischen Fiebers beim Menschen. Ein weiteres humanpathogenes Arenavirus, das Sabiavirus, konnte in Brasilien identifiziert werden. Sein natürlicher Wirt ist unbekannt. Das auf Trinidad vorkommende Tacaribevirus
Tabelle 16.1 Charakteristische Vertreter der Arenaviren Genus
Serogruppe
Arenavirus Altweltviren (Serogruppe LassaLymphocytäre Choriomeningitis)
Neuweltviren (Serogruppe Tacaribe) Linie A (Nordamerika)
Mensch
Tier
natürlicher Wirt
LCMV a Lassavirus
LCMV Lassavirus Mopeiavirus Mobalavirus Ippyvirus
Mus musculus Mastomys natalensis Mastomys natalensis Praomys jacksonii Arvicanthus spp.
WhitewaterArroyo-Virus
WhitewaterArroyo-Virus Taniamivirus Bear-Canyon-Virus
Neotoma albigula N. mexicana N. micropus, N. cinera Sigmodon hispidus Peromyscus spp.
Linie A (Süd-/Mittelamerika)
Flexalvirus
Flexalvirus Pichindevirus Piritalvirus Paranavirus Allpahuayovirus
Oryzomys spp. Oryzomys albigularis Sigmodon alstoni Oryzomys buccinatus Oecomys bicolour
Linie B (Südamerika)
Machupovirus Guanaritovirus Sabiavirus Juninvirus
Machupovirus Guanaritovirus Sabiavirus Juninvirus Amaparivirus Cupixivirus Tacaribevirus
Calomys callosus Sigmodon hispidus unbekannt Calomys musculinus Oryzomys capito, Neacomys guineae Oryzomys capito Artibeus spp.b
Latinovirus Oliverosvirus Pampavirus
Calomys callosus Bolomys obscurus Bolomys spp.
Tacaribevirus Linie C (Südamerika)
–
In der Spalte „Mensch“ sind die Virustypen aufgeführt, die nachweislich das Potenzial haben, Menschen zu infizieren. Sie wurden meist aus Patienten isoliert. In der Spalte „Tier“ sind die Viren angegeben, die als tierpathogen beschrieben wurden. In der letzten Spalte sind die Tierarten angegeben, welche die natürlichen Wirte der jeweiligen Virustypen darstellen; in ihnen persistieren die Viren und werden von ihnen übertragen. a Virus der lymphocytären Choriomeningitis, b früchtefressende Fledermausart.
16.1 Arenaviren
infiziert im Unterschied zu den anderen Arenaviren nicht Nagetiere als natürliche Wirte, sondern früchtefressende Fledermäuse. Außer diesen hat man in verschiedenen Nagetieren eine Reihe von Arenaviren nachweisen können, von denen bisher keine humanpathogenen Eigenschaften beschrieben worden sind (䉴 Tabelle 16.1). Auch die Neuweltarenaviren der Linie C (Latino-, Pampa-, Oliverosvirus) wurden bislang nur aus Nagetieren in Argentinien und Bolivien isoliert.
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Protein in vitro phosphorylieren. Es ist noch nicht bekannt, ob dieses Enzym viruscodiert ist. Bei der Morphogenese der Partikel, die an der Cytoplasmamembran durch Knospung entstehen, werden Ribosomen der Wirtszelle aufgenommen. Man vermutet, dass dies die in den Partikeln nachweisbaren Polyadenylierungs- und Polyuridinylierungsenzyme erklärt. Das Vorhandensein der Ribosomen hat keinen Einfluss auf die Infektiosität der Viren.
Genom und Genomaufbau
16.1.2 Aufbau Viruspartikel Die Partikel der Arenaviren sind pleomorph. Überwiegend haben sie eine sphärische Form mit variablen Durchmessern von 50 bis 300 nm (䉴 Abbildung 16.1). Sie bestehen aus zwei Nucleocapsidsegmenten, die von einer Hüllmembran umgeben sind. Beim LCMV sind in die Hüllmembran die Glycoproteine GP1 und GP2 eingelagert, die durch Proteolyse aus einem größeren Vorläuferprotein gebildet werden und als keulenähnliche Vorsprünge acht bis zehn Nanometer aus der Partikeloberfläche hervorragen. Das GP2-Protein ist in der Membran verankert, das GP1-Protein ist durch nichtkovalente Bindung mit der Partikeloberfläche assoziiert. Im Inneren der Membranhülle befinden sich die viralen RNA-Genomsegmente L und S, die mit den Nucleoproteinen (NP, 63 kD) komplexiert sind. Man findet in den Partikeln gelegentlich auch mehrere Kopien der L- und S-Segmente. Weitere Komponenten der Virionen sind die L-Proteine (250 kD) – die RNA-abhängigen RNAPolymerasen –, relativ große Mengen von Z-Proteinen (11 kD) sowie eine Proteinkinase. Letztere kann das NP-
Das Genom der Arenaviren besteht aus zwei Segmenten einzelsträngiger RNA, die beide eine Ambisense-Orientierung aufweisen und zusammen über etwa 10 000 bis 12 000 Basen verfügen (䉴 Abbildung 16.2). Beim LCMV ist das S-Segment (S = small) 3 376 Basen lang, das LSegment (L = large) 7 219 Basen. Beide sind über ihre gesamte Länge mit nucleosomenähnlich angeordneten NP-Proteinen komplexiert und bilden so helikale Nucleocapside. Außerdem sind einige Einheiten der L-Proteine mit ihnen verbunden. An den 3’- und 5’-Enden der Segmente sind 19 Nucleotide konserviert, die invertiert komplementär sind. Deshalb können die Enden doppelsträngige Bereiche ausbilden, was ihnen eine quasizirkuläre, pfannenstielähnliche Konfiguration verleiht. Neben diesen intramolekularen Basenpaarungen können die Endsequenzen aber auch mit weiteren RNASegmenten wechselwirken, sodass sie als Homo- oder Heterodimere vorliegen. Die intermolekulare Hybridbildung bewirkt, dass die L- und S-Segmente in den Partikeln nicht immer in gleichen Mengen vorhanden sind. Die konservierten Endsequenzen enthalten die Promotoren für die Transkription und die Kontrollelemente für die Replikation.
einzelsträngiges RNA-Genom G1-Protein Hüllmembran
Z-Protein (genaue Lokalisation unbekannt)
L
Ribosom
G2-Protein
L-Protein
NP-Protein
16.1 Darstellung eines Arenaviruspartikels. Das Genom besteht aus zwei Segmenten einzelsträngiger RNA, die als Negativstrang mit den NP- und L-Proteinen zu helikalen Nucleocapsiden komplexieren. Die Z-Proteine interagieren vermutlich mit den NP-Proteinen. Komplementäre Sequenzen an den Enden verleihen ihnen eine quasizirkuläre Form. Die Nucleocapside sind von einer Membranhülle umgeben, in welche die viralen Glycoproteine G1 und G2 eingelagert sind. Als weitere Komponenten findet man im Inneren der Partikel Untereinheiten zellulärer Ribosomen.
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
RNA-Genom L-Protein NP-Protein
L-Protein NP-Protein
NP-Protein RNA-Antigenom
L-Protein NP-Protein
L-Protein NP-Protein RNA-Genom
16.2 Schematische Darstellung der Transkription, Translation und Genomreplikation beim Virus der lymphocytären Meningitis. Die genomischen L- und S-Segmente werden in gecappte mRNA-Spezies transkribiert. Dieser Schritt wird durch das L-Protein, das als Teil der Viruspartikel in die Zelle gelangt ist, katalysiert. Von den gebildeten mRNAs werden die Proteine L und NP translatiert. Liegen ausreichende Mengen neusynthetisierten NP-Proteins in der Zelle vor, erfolgt die Bildung ungecappter RNA-Stränge in positiver Orientierung (Antigenome). Diese dienen sowohl als Matrizen für die Bildung von RNA-Molekülen in Negativstrangorientierung, die denen der Genomsegmente entsprechen, als auch für die Synthese von gecappten mRNAs für die Proteine Z und GCP (Glycoproteinvorläufer). Beide Segmente besitzen also Ambisense-Orientierung.
Das S-Segment codiert für das Vorläuferprotein GPC (glycoprotein precursor) der GP1- und GP2-Proteine und für das NP-Protein (䉴 Abbildung 16.2). Beide Gene überlappen nicht und sind durch eine intergenische Region voneinander getrennt, die in der RNA-Sequenz eine stabile Haarnadelstruktur ausbildet. Das NP-Protein wird in der 3’-Hälfte des S-Segments codiert und von einer mRNA translatiert, die komplementär zu diesem Genombereich ist. Dieses Gen liegt also in negativer Orientierung vor. Das GPC-Protein wird in der 5’-Hälfte des Genoms codiert, jedoch in positiver Orientierung. Für die Synthese dieses Polypeptids muss das genomische RNA-Segment in ein Antigenom umgeschrieben werden: Dieses dient darauffolgend als Matrize für die Transkription der GPC-spezifischen mRNA. Beide Leserahmen laufen also gleichsam aufeinander zu. Sie werden durch die intergenische Region voneinander getrennt, die als Terminationssignal für die Transkription dient.
Auch das L-Segment besitzt zwei nicht miteinander überlappende Leserahmen in Ambisense-Orientierung. Das L-Protein wird in der 3’-Hälfte des Segments in negativer Orientierung codiert (䉴 Abbildung 16.2). In der 5’-Region fand man einen Leserahmen in entgegengesetzter Leserichtung, der für ein als Z-Protein bezeichnetes, Zn2+-ionenbindendes Polypeptid codiert. Zwischen beiden Leserahmen befindet sich eine intergenische Region, die cytidinreich und etwa 200 Basen lang ist. Sie bildet definierte Sekundärstrukturen aus, die als Terminationssignale für die mRNA-Synthese dienen.
16.1.3 Virusproteine Membranproteine Die Glycoproteine des LCMV werden als Vorläuferprotein GPC mit einem Molekulargewicht von etwa 70 bis 75 kD gebildet, die ungespaltenen
16.1 Arenaviren
GPC-Proteine bilden Oligomerkomplexe. Beim Lassavirus entsteht ein PreGPC Vorläuferprotein von 82 kD. Zelluläre Signalpeptidasen spalten dieses in ein ungewöhnlich langes aminoterminales Signalpeptid von 58 Aminosäuren und in das Vorläuferprotein GPC (76 kD), welches mittels einer hydrophoben Domäne am carboxyterminalen Ende in der Membran des endoplasmatischen Reticulums verankert wird. Das Enzym SKI-1/S1P (Subtilisin-Kexin Isoenzym 1/Site 1-Protease), eine trypsinähnliche zelluläre Protease, zerschneidet das glycosylierte, wahrscheinlich als Tetramer vorliegende GPCProtein im Golgi- oder post-Golgi-Kompartiment in einen aminoterminalen Anteil GP1 (40–46 kD beim LCMV, 40 kD beim Lassavirus) und einen carboxyterminalen, membranverankerten Teil GP2 (35 kD beim LCMV beziehungsweise 36 kD beim Lassavirus). Beim Lassavirus bleibt das Signalpeptid mit dem GPC-Protein assoziiert. Diese Komplexbildung ist eine Voraussetzung für die Spaltung des GPC-Proteins durch die Protease SKI-1/S1P. Die Wechselwirkung zwischen dem Signalpeptid und dem GP1-Anteil des GPC-Proteins lässt vermuten, dass durch diese Konformationsstabilisierung die Spaltstelle des GPC-Proteins für die Protease zugänglich wird. Im reifen Viruspartikel bilden die GP1und GP2-Proteine trimere Komplexe. Die GP1-Trimere sind über Disulfidbrücken miteinander verbunden und bleiben nach der Spaltung nichtkovalent mit den GP2Trimeren assoziiert. Diese Komplexe bilden die spikeähnlichen 9,5 nm großen Proteinvorsprünge auf der Virusoberfläche. Die GP1-Proteine sind für die Wechselwirkung mit den zellulären Rezeptorproteinen verantwortlich; gegen sie werden im Infektionsverlauf neutra-
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lisierende Antikörper gebildet. Die G2-Proteine haben fusogene Aktivität und sind über ihre carboxyterminalen, cytoplasmatischen Domänen mit den NP-Proteinen der Nucleocapside verbunden. 䉴 Tabelle 16.2 gibt eine Übersicht zu den molekularen Charakteristika und Funktionen der Proteine von LCMV. Nucleoprotein Die NP-Proteine haben ein Molekulargewicht von etwa 63 kD und sind mit den RNASegmenten assoziiert. In Analogie zu den anderen Negativstrang-RNA-Viren glaubt man, dass auch das NP-Protein der Arenaviren das Umschalten vom Transkriptions- zum Replikationsmodus reguliert (䉴 Abschnitte 15.1 bis 15.4, 16.2 und 16.3). In infizierten Zellen und in gereinigten Viruspräparationen sind in reproduzierbaren Mengen Abbauprodukte des NP-Proteins vorhanden. Außerdem findet man spät im Replikationszyklus eine phosphorylierte Variante des NP-Proteins. Ob diese Produkte an der Regulation der Transkription und Replikation beteiligt sind, ist nicht bekannt. RNA-abhängige RNA-Polymerase Das L-Protein (250 kD) ist in geringen Mengen in den Viruspartikeln nachweisbar und mit den Nucleocapsiden assoziiert. Bei unterschiedlichen Stämmen des Lassavirus unterscheiden sich die Aminosäuresequenzen der L-Proteine um bis zu 18 Prozent. Die RNA-abhängige RNA-Polymeraseaktivität konnte der Domäne zwischen den Aminosäuren 1 043 bis 1 546, der insgesamt 2 218 bis 2 221 Aminosäuren umfassenden Proteinen, zugeordnet werden. Ob es modifiziert oder prozessiert wird, ist unklar. Für die erfolgreiche Transkription und Replikation der
Tabelle 16.2 Molekulare Eigenschaften und Funktionen der Proteine von Arenaviren (LCMV) Protein
Molekulargewicht/ Anzahl der Aminosäuren
Modifizierung
Funktion
GPC
70–75 kD/498 AS
glycosyliert
Vorläuferprotein von GP1 und GP2; Interaktion zu Oligomeren
GP1
40–46 kD/262 AS
glycosyliert
aminoterminaler Anteil von GPC; externes Glycoprotein; Induktion neutralisierender Antikörper; Adsorption; bilden Trimere, die durch Disulfidbrücken kovalent verbunden sind
GP2
35 kD/236 AS
glycosyliert
carboxyterminaler Anteil von GPC; integrales Membranprotein; fusogene Aktivität; trimere Komplexe, nicht kovalent mit GP1 assoziiert
NP
63 kD/558 AS
teilweise phosphoryliert
Nucleocapsidkomponente; mit RNA-Genomsegmenten komplexiert
L
250 kD/2211 AS
Z
11 kD/90 AS
myristoyliert
RING-Finger-Motiv; Zinkfingerprotein; assoziiert mit der Hüllmembran der Viruspartikel; steuert die Partikelbildung und die Virusmorphogenese
RNA-abhängige RNA-Polymerase; Nucleocapsidkomponente
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Genomsegmente muss das L-Protein mit den NP-Proteinen wechselwirken, andere virale und zelluläre Faktoren sind anscheinend nicht notwendig. Z-Protein Das relativ hydrophobe Z-Protein (11 kD) verfügt über das Strukturmotiv der RING-FingerProteine. Hierbei handelt es sich um ein cysteinreiches Zinkfingermotiv, das Zn2+-Ionen bindet. Z-Proteine findet man in großen Mengen in den Viruspartikeln an der Innenseite der Hüllmembran, sie ähneln hierin funktionell den Matrixproteinen anderer Negativstrang-RNAViren (Rhabdo-, Paramyxo- und Orthomyxoviren; 䉴 Abschnitte 15.1, 15.3 und 16.3). In den infizierten Zellen reichern sich die Z-Proteine an der Innenseite der Cytoplasmamembran an. Verantwortlich für diese Wechselwirkung ist die Modifikation des Z-Proteins mit Myristinsäure. Diese Fettsäure wird mittels der zellulären Transferase NMT (Myristoyl-Coenzym A: Protein N-Myristoyltransferase) kovalent mit dem Glycinrest an Position zwei der Aminosäurekette des Z-Proteins verknüpft, nachdem das aminoterminale Methionin cotranslational durch eine Methionin-Aminopeptidase abgespalten wurde. Darin ähnelt das Z-Protein dem Matrixprotein der Retroviren (䉴 Kapitel 18.1). Bei gentechnologischer Expression des Z-Gens von Lassa- oder LCM-Virus in eukaryotischen Zellen wurde die Bildung von Z-Proteinen enthaltenden Membranvesikeln nachgewiesen, die sich von der Zelloberfläche abschnüren
und in Größe den Viruspartikeln ähneln. Für die Bildung der Knospungsstrukturen und der Vesikel sind prolinreiche Aminosäurefolgen (PPPY beim LCMV, PTAP und PPPY beim Lassavirus) in der carboxyterminalen Region der Z-Proteine verantwortlich, die man als L-Domänen (late) bezeichnet – ein Hinweis auf ihre funktionelle Aktivität in der späten Phase des Infektionszyklus bei der Morphogenese. Sie steuern die Anlagerung von zellulären Proteinen, die Teile des vacuolären Proteinsortierungsweges (Vps) sind. Hierzu zählen die Faktoren Tsg101, Vsp4A und Vsp4B, die in der Zelle an der Ausbildung von intrazellulären Membranvesikeln (Vakuolen) notwendig sind. In den infizierten Zellen interagieren die membranassoziierten Z-Proteine mit den NP-Proteinen und sind so für die Anlagerung der Genomsegmente in die neu entstehenden Viruspartikel verantwortlich. Das Z-Protein hat jedoch neben diesen Aufgaben bei der Virusmorphogenese weitere Funktionen. Es hemmt die RNA-Polymeraseaktivität der L-Proteine und beeinflusst somit die virale Transkription und die Replikation. Es ist im Kern der infizierten Zellen nachweisbar, bindet sich über das RING-Finger-Motiv an das zelluläre PML-Protein (promyelocytic leukemia protein) und ist für dessen Umverteilung aus dem Zellkern in das Cytoplasma infizierter Zellen verantwortlich. Das PML-Protein ist Teil eines Multiproteinkomplexes, dem PML-Kernkörperchen, und besitzt ein RING-Finger-Motiv. Des Weiteren interagieren die Z-
¡ L-Domänen in viralen Strukturproteinen steuern die Bildung von Vesikeln Die in der Zelle synthetisierten Proteine haben unterschiedliche Aufgaben. Um diese korrekt erfüllen zu können, müssen die Proteine nach oder während der Translation in bestimmte zelluläre Kompartimente transportiert werden. Dies wird in der Regel über bestimmte Aminosäurefolgen – sogenannte Sortierungssignale – vermittelt, an welche sich andere Proteine und Faktoren anlagern. Ein bekanntes Beispiel sind die Signalpeptide, hydrophobe Aminosäurefolgen am aminoterminalen Ende von Polypeptiden, die ihre Aufgabe als membranverankerte Proteine zu erfüllen haben: Hieran lagern sich cotranslational die signal-recognition particles (SRP) an, die ihrerseits mit den SRP-Rezeptoren in der Membran des endoplasmatischen Reticulum wechselwirken. Dadurch wird der Komplex aus mRNA, wachsender Aminosäurekette und Ribosom zur ER-Membran transportiert, die Proteine werden noch während der Translation in der Membran verankert und gelangen im weiteren Verlauf über die Golgi-Vesikel als Membranproteine zur Zelloberfläche. Mittels anderer Sortierungssignale erfolgt der spezifi-
sche Transport von bestimmten Proteinen in den Zellkern, in die Mitochondrien, in die Lysosomen und Vakuolen. Für den gerichteten Transport in Vakuolen benötigen Proteine meist prolinreiche Aminosäuremotive als Sortierungssignal wie PTAP, PSAP, PPxY oder auch YxxL (x entspricht dabei einer beliebigen Aminosäure). Befinden sich derartige Consensussequenzen in viralen Proteinen, dann bewirken sie die Wechselwirkung mit den Komponenten des vacuolären Sortierungsweges (Vsp, vacuolar sorting pathway). Derartige Consensussequenzen konnten unter anderem in den Gag-Proteinen des humanen Immundefizienzvirus und des Rous-Sarcom-Virus, dem VP40 des Ebolavirus, dem Matrixprotein M des vesiculären Stomatitis-Virus sowie in den ZProteinen von Lassavirus und LCMV nachgewiesen werden. Sie bewirken die Eingliederung dieser Proteine in Vacuolen und vesikuläre Membranstrukturen. Damit haben sie eine essenzielle Funktion bei der Bildung der Vesikel, welche bei den membranumhüllten Viren die Vorläufer der infektiösen Viruspartikel darstellen.
16.1 Arenaviren
Proteine mit dem Translationsinitiationsfaktor 4E. Dies lässt vermuten, dass die Translation gecappter mRNAs in den Zellen gehemmt wird. Ob diese Wechselwirkungen des Z-Proteins mit zellulären Polypeptiden den Infektionsverlauf oder die Etablierung der Viruspersistenz beeinflussen, ist ungeklärt. Weiterhin fand sich eine Wechselwirkung des Z-Proteins mit den P-Proteinen der großen Ribosomenuntereinheit. Ob dies die Verpackung der Ribosomen in die Viruspartikel bewirkt, ist nicht geklärt.
16.1.4 Replikation Wie die Arenavirusreplikation im Detail abläuft, ist nicht bekannt. In vielen Fällen leitet man die Vorgänge von den Abläufen bei Bunya- oder Influenzaviren ab. Bei der Adsorption verwenden die Virustypen unterschiedliche zelluläre Oberflächenproteine: Als zellulären Rezeptor für die Altweltarenaviren und die Vertreter der Linie C der Neuweltarenaviren hat man das α-Dystroglycan identifiziert. Hieran binden sich die Viren über die G1-Proteine, wobei die Aminosäurereste 259 und 260 (bezogen auf die Sequenz des LCMV) für die hochaffine Wechselwirkung mit α-Dystroglycan wichtig sind. Diese Positionen befinden sich in Nachbarschaft zur Spaltstelle im GPC-Vorläuferprotein. Verfügen die G1Proteine über Phenylalanin oder Tyrosin beziehungsweise Leucin oder Isoleucin an den Positionen 259 und 260, dann nutzen die Virustypen α-Dystroglycan als Rezeptor. α-Dystroglycan ist ein peripheres Membranprotein, das mit den Komponenten der extrazellulären Matrix interagiert und nichtkovalent mit dem membranverankerten β-Dystroglycan verbunden ist. Die Dystroglycankomplexe sind in unterschiedlich großen Mengen auf den Zellen der meisten Organe im Körper vorhanden. Die anderen Vertreter der Neuweltviren der Linie B, wie die Junin-, Machupo-, Guanarito- und Sabiaviren nutzen den Transferin-Rezeptor 1 (TfR1) zur Adsorption. Für die Neuweltarenaviren der Linie A konnte noch kein Zellrezeptor identifiziert werden. Vermutlich erfolgt nach der Adsorption die Aufnahme der Partikel über rezeptorvermittelte Endocytose und Aktiverung der Fusionsaktivität, wie die Spaltung der GPC-Proteine in die Anteile G1 und G2 in Analogie zum HA-Protein der Influenzaviren schließen lässt (䉴 Abschnitt 16.3). Alle Prozesse nach der Freisetzung der Nucleocapside laufen im Cytoplasma ab. Dabei binden sich die Nucleocapside an die Kernmembran. Möglicherweise sind Kernfaktoren an der Replikation beteiligt, denn die Virusvermehrung ist in entkernten Zellen wenig effizient.
331
In den ersten Schritten des Infektionszyklus werden die NP- und L-Gene transkribiert, die in negativer Orientierung auf den Segmenten S beziehungsweise L lokalisiert sind (䉴 Abbildung 16.2). Am 5’-Ende der mRNA-Moleküle befindet sich eine Cap-Gruppe, der ein bis sieben nicht viruscodierte Nucleotide folgen. Das lässt vermuten, dass die Arenaviren ähnlich wie die Influenzaviren den Mechanismus des Cap-Stehlens für die Transkriptionsinitiation verwenden und sie die 5’-CapStrukturen zellulärer mRNAs als Primer nutzen (䉴 Abschnitt 16.3). Die mRNA-Synthese endet an den haarnadelähnlichen Sekundärstrukturen der intergenischen Bereiche. Die Transkripte werden an freien Ribosomen in die NP- beziehungsweise L-Proteine translatiert. Das Umschalten vom Transkriptions- in den Replikationsmodus mit der Synthese durchgehender RNA-Produkte ist vermutlich von der Menge an neu synthetisierten NP-Proteinen abhängig (䉴 Abbildung 16.2) Auch dieser Vorgang benötigt einen Primer. Wie dieser beschaffen ist, konnte bisher nicht völlig geklärt werden. An den 5’-Enden der entstehenden Antigenome der Tacaribeviren findet man einen Guanosinrest, der weder in Basenpaarung vorliegt noch von der Virus-RNA codiert ist. Außerdem sind kurze Abschnitte der Genomenden heterogen. Ein Modell für die Initiation der Genomreplikation besagt, dass das L-Protein Oligonucleotide als Primer für die Polymerisationsreaktion verwendet und sie an die 3’-Enden der RNA-Segmente anlagert. Die entstehenden antigenomischen RNAStränge aggregieren danach mit NP-Proteinen. Die mRNAs für die GPC- und Z-Proteine werden von den antigenomischen RNA-Strängen der S- beziehungsweise L-Segmente abgelesen. Sie enden an den Terminationssignalen der intragenischen Region. Die Synthese des GPC-Proteins erfolgt an der Membran des endoplasmatischen Reticulums. Es wird in das Lumen eingeschleust und über eine hydrophobe Domäne im carboxyterminalen Bereich in der Membran verankert. Die Proteine interagieren zu Oligomeren, werden glycosyliert und mittels der Protease SKI-1/S1P in die GP1und GP2-Anteile gespalten. Wie beim Lassavirus beschrieben wurde, ist die Prozessierung des GPC-Proteins davon abhängig, dass das zuvor durch die Signalase abgespaltende Signalpeptid mit dem GPC komplexiert bleibt. Die GP1- und GP2-Komplexe werden über die Golgi-Vesikel zur Zelloberfläche transportiert und bilden in der Cytoplasmamembran an Glycoproteinen reiche Regionen aus. Parallel dazu dienen die Antigenome auch als Matrizen für die Bildung durchgehender RNAGenomstränge, die mit NP-Proteinen zu Nucleocapsiden assoziieren. Die myristylierten Z-Proteine lagern sich an die Cytoplasmamembran an. Sie binden sich an die NP-
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Proteine der Nucleocapsidsegmente, welche auch über das NP-Protein mit den cytoplasmatischen Bereichen der GP2-Proteine interagieren. So entstehen die initialen Budding-Strukturen. Die Nucleocapside werden von der mit Z- und GP1/GP2-Proteinen angereicherten Membran umschlossen – dabei gelangen auch Ribosomen in die Virionen – und von der Zelle abgegeben. Es scheint kein Mechanismus zu existieren, der gewährleistet, dass jeder Partikel ein S- und ein L-Segment erhält. Beim LCMV wurde gezeigt, dass bei gleichzeitiger Infektion von Zellen mit verschiedenen Virusstämmen Reassortanten entstehen können. Bei den Neuweltarenaviren gibt es Hinweise, dass bei Coinfektionen genetische Rekombinationsereignisse zur Bildung neuer Virusvarianten (䉴 Exkurs Das Whitewater-Arroyo-Virus) beitragen können. Persistierende LCMV-Infektion in Mäusen Die LCMV-Infektion ist nicht cytolytisch und hat einige Besonderheiten. Nachdem das Virus sich anfangs stark vermehrt, etabliert es in Vero-Zellen (Nierenzellkulturen Grüner Meerkatzen) oder auch in Neuronen eine persistierende Infektion. Das Virus produziert in dieser Phase nur noch wenige Nachkommen, die Synthese von GPC-Proteinen nimmt ab, und im Cytoplasma sind steigende Konzentrationen von L-Proteinen nachweisbar. Vermutlich weist diese Anreicherung der RNA-abhängigen RNA-Polymerase darauf hin, dass sich inaktive Enzymkomplexe gebildet haben. Die Transkription und Replikation der Genome wird dadurch vermindert. Die Zellen produzieren kontinuierlich geringe Mengen infektiöser Partikel, sodass es auch genug Genomsegmente gibt, um bei der Zellteilung die Weitergabe der Virusinformation auf die Tochterzellen zu gewährleisten. Die persistierend infizierten Zellen können mit dem in der Kultur freigesetzten Virus nicht überinfiziert werden; es liegt also ein Interferenzzustand vor. Das persistierende Virus verhindert über einen noch unbekannten Mechanismus die Infektion der Zelle mit weiteren Viren.
16.1.5 Human- und tierpathogene Arenaviren Das Virus der lymphocytären Choriomeningitis Epidemiologie und Übertragung 1933/34 isolierten Charles Armstrong und Ralph Dougall Lillie erstmals das Virus der lymphocytären Choriomeningitis (LCMV) aus einem Patienten, der an einer Infektion mit dem St.-Louis-Encephalitis-Virus,
einem Flavivirus (䉴 Abschnitt 14.5), erkrankt war. Sie übertrugen das LCMV auf Mäuse und Affen. Zwischen 1935 und 1938 führte Erich Traub in Princeton seine bahnbrechenden Untersuchungen über die LCMV-Infektion von Mäusen durch. Die lymphocytäre Choriomeningitis war die erste Infektionskrankheit, bei der man ein chronisches Virusträgerstadium beobachtete. Sie hat in der akuten Phase fast ausschließlich immunpathologische Ursachen. Michael B. A. Oldstone entwickelte durch seine Untersuchungen am LCMV seine Theorie über Immunkomplexkrankheiten. Rolf Zinkernagel konnte hier erstmals die MHC-Restriktion von cytotoxischen CD8+-Lymphocyten zeigen. Ihm wurde für diese Untersuchungen 1996 der Nobelpreis für Medizin verliehen. Das LCMV infiziert weltweit neben der Hausmaus verschiedene wildlebende Mausarten. Untersuchungen in den USA zeigten, dass – mit regionalen Unterschieden – zwischen drei und 20 Prozent der Wildmäuse eine persistierende LCMV-Infektion haben. Trächtige Mäuse übertragen das Virus vertikal auf die Föten, wobei in utero infizierte Tiere keine Immunantwort entwickeln, die in der Lage wäre, die Erreger zu eliminieren. Daher etablieren sich chronische, asymptomatische Infektionen, die mit einer hohen Viruslast im Blut verbunden sind. Die Erreger werden lebenslang in Urin, Kot, Speichel, Milch und Samenflüssigkeit ausgeschieden. Virushaltige Aerosole und Staub stellen die Hauptquellen der zoonotischen Übertragung auf den Menschen dar. Diese erfolgt vor allem in der kalten Jahreszeit, wenn Mäuse den Schutz der Häuser suchen. Daneben sind viele Laborinfektionen von Tierpflegern bekannt, die mit infizierten Mäusen Kontakt hatten. Experimentell lässt sich das Virus auch auf verschiedene andere Nagetiere wie Hamster und Meerschweinchen, und ebenfalls auf Affen übertragen. Von akzidentell durch Wildmäuse infizierten Hamstern und Meerschweinchen kann die Übertragung auf den Menschen erfolgen („Hamsterkrankheit“). Hierbei fungierten immer wieder einzelne Tierhandlungen als „Verteiler“. Übertragungen von infizierten Menschen auf andere sind – mit Ausnahme der vertikalen Übertragung von LCMV-infizierten Schwangeren auf den Fötus sowie einiger Übertragungen durch Organtransplantationen (䉴 Exkurs LCMV) – nicht bekannt. Eine Infektion von Menschen mit dem LCMV ist selten und meist asymptomatisch. Die Seroprävalenz schwankt in den USA zwischen 0,3 Prozent bei Jüngeren und 5,4 Prozent bei Personen über 30 Jahre. Die Übertragungshäufigkeit ist in ländlichen oder verwahrlosten Wohnquartieren, in denen sich Mäuse aufgrund der Ansammlung von Abfällen stark vermehren, ungleich größer als in städtischen Wohngebieten.
16.1 Arenaviren
333
q LCMV – Ein Risiko bei Organtransplantationen Im Dezember 2003 und April 2005 fanden sich in zwei unabhängigen Patientengruppen, die von jeweils einem Spender Organe transplantiert bekommen hatten, Symptome einer schwer verlaufenden LCMV-Infektion. Sieben der acht Infizierten verstarben. Ursächlich dafür waren die Organe zweier Spender, die anscheinend mit LCMV infiziert waren, ohne dabei Symptome zu entwickeln. Untersuchungen ergaben, dass sich der Spender im Jahr 2005 zusammen mit weiteren Familienmitgliedern bei einem kurz zuvor gekauften Goldhamster angesteckt hatte. Bei dem anderen Spender konnte die Quelle für die LCMV-Infektion nicht festgestellt werden. In beiden Spendern konnte man keine virale RNA im Blut mehr nachweisen. Es muß daher vermutet werden, dass die viralen Genomsegmente in den Zellen unterschiedlicher Gewebe latent erhalten geblieben sind. Diese Berichte haben zumindest in den USA die LCMVInfektion als potenzielles Problem bei Transplantatempfängern in ein neues Licht gerückt. Wegen der extremen Seltenheit erscheint jedoch, ähnlich wie bei der Übertragung des Tollwutvirus durch transplantierte Organe (䉴 Kapitel 15.1), eine generelle Testung der Spender als technisch und logistisch zu schwierig und zu kostspielig,
zumal sie in beiden Beispielen wohl auch nicht zum gewünschten Ziel geführt hätte. Ein ähnliches Restrisiko existiert bei allen Virusinfektionen, die mit einer vorübergehenden Virämie einhergehen. Zwischenzeitlich sind bis April 2008 weltweit zwei weitere Cluster aufgetreten, in denen LCMV durch Spenderorgane übertragen wurden. Jeder der insgesamt fünf Organempfänger verstarb. Auch wurden 2008 drei Todesfälle bei Transplantatempfängern dokumentiert, die Organe eines Spenders bekommen hatten und vier bis sechs Wochen nach der Transplantation fieberhafte Erkrankungen entwickelten, an denen sie verstarben. In noch zur Verfügung stehenden Organproben des Spenders ließen sich LCMV-ähnliche RNA-Sequenzen eines bislang noch unbekannten Arenavirus nachweisen. Die LCMV-Infektion der immunsupprimierten Organempfänger verlief wohl auch deswegen fulminant, weil LCMV bekanntlich effektiv vom zellulären Immunsystem kontrolliert wird. Wichtig ist in solchen Fällen auch die schnelle Diagnosestellung: Tatsächlich erhielt der einzige überlebende Patient Ribavirin als antivirale Therapie und eine Reduktion der medikamentösen Immunsuppression.
Klinik
Pathogenese
Die LCMV-Infektion verläuft beim Menschen häufig asymptomatisch oder als leichte, grippeähnliche Erkrankung. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich ein bis zwei Wochen. Die eigentliche lymphocytäre Choriomeningitis äußert sich durch zum Teil sehr starke Kopfschmerzen, Fieber, Schwächezustände und Brechreiz. Hauptsymptom ist die Nackensteifigkeit, als typisches Anzeichen für eine Meningitis. Die Erkrankung dauert fünf bis sieben Tage an, die Symptome können jedoch später in zwei oder drei Schüben wieder auftreten. Encephalitiden, Lähmungen und andere neurologische Krankheitszeichen findet man nur sehr selten. Werden schwangere Frauen mit LCMV infiziert, so kann das Virus auf den Embryo übertragen werden. Die Virusinfektion kann in der Frühschwangerschaft Spontanaborte zur Folge haben, vor allem während des ersten und zweiten Schwangerschaftstrimesters können sie das ungeborene Kind schädigen. Hydrocephalus, Mikround Makroencephalie, Chorioretinitis und die Form des nicht immunologisch verursachten Hydrops fetalis wurden als mögliche Folgen der Infektion im Fetus beschrieben.
Das Virus wird durch kontaminierten Staub über Aerosole auf die Schleimhaut des Mund- und Rachenbereichs übertragen und über die Lymphflüssigkeit oder den Blutstrom im Organismus verteilt. Es infiziert über Bindung an α-Dystroglycan die Zellen des reticuloendothelialen Systems, aber auch die Schwannschen Zellen im peripheren Nervensystem. In letzterem findet man eine nichtlytische persistierende Infektion. In in vitro Modellen konnte gezeigt werden, dass die infizierten Schwannschen Zellen ihre Fähigkeit zur Ausbildung von kompakten Myelinschichten verlieren. Möglicherweise sind damit die neurologischen Phänomene verbunden, die man bei Infektionen mit LCMV, aber auch mit anderen Arenaviren findet. Daneben ist die Leukopenie, das heißt die Abnahme von weißen Blutzellen, ein ausgeprägtes Merkmal bei allen LCMV-Infektionen. Bei den sehr seltenen menschlichen Todesfällen stellte man massive Infiltrationen von mononucleären Zellen im Gehirn vor allem im Plexus chorioideus, aber auch in den Meningen, im Ependym und im Gefäßendothel fest. Bei den wenigen systemischen Infektionen fand man ähnliches auch in der Leber, der Lunge und dem Lymphsystem.
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Infektion von Mäusen Erfolgt die Infektion bei embryonalen oder neugeborenen Mäusen, so findet man große Virusmengen in allen Organen, auch im Gehirn. Später treten geringe Mengen von Antikörpern gegen die NP-, GP1- und GP2-Proteine auf. Die Infektion ist meist asymptomatisch. Die Mäuse sind anschließend persistierend infizierte Virusträger und scheiden große Mengen LCMV aus. Die Etablierung der Persistenz selbst beruht wahrscheinlich auf einer peripheren Toleranz der T-Zellen, die durch den Zeitpunkt der Infektion während des Embryonalstadiums und die hohen Virusmengen während der Infektion induziert wird. Mehrere Monate später tritt eine durch Immunkomplexe verursachte Glomerulonephritis, eine Nierenentzündung, auf. Man findet Immunkomplexe auch in Arterienwänden und im Plexus chorioideus des Gehirns. Sie bestehen aus Virusproteinen, der Komplementkomponente C1q sowie Antikörpern und können sich über den Fc-Teil der Immunoglobuline an die zellulären Fc-Rezeptoren anlagern. Werden dagegen erwachsene Mäuse mit LCMV infiziert, entsteht – ähnlich wie beim Menschen – eine akute lymphocytäre Choriomeningitis mit sehr dichten Infiltrationen von T- und B-Lymphocyten, NK- und Plasmazellen sowie Monocyten in die infizierten Gewebe. Ähnliches findet man in Nieren, Leber, Speicheldrüsen, Pankreas, Lunge und dem Lymphsystem. In den Lymphknoten treten Nekrosen und Blutungen auf. Weiterhin stellt man eine seröse Pleuritis und Peritonitis, eine erhöhte Atemfrequenz und gesteigerte Gefäßdurchlässigkeit fest. Diese Symptome ähneln denen des hämorrhagischen Fiebers (䉴 Abschnitt 16.1.5). In der frühen Phase findet man erhöhte Konzentrationen von TNF-α, Interferon-α und -β sowie anderen Cytokinen. Diese induzieren vor allem die Expression von MHCKlasse-I-Komplexen auf der Oberfläche infizierter und
nichtinfizierter Zellen, was diese in Verbindung mit viralen Peptidepitopen zu bevorzugten Zielen für cytotoxische T-Lymphocyten macht. Die Cytokine leiten auch die Proliferation von natürlichen Killerzellen ein, die aber für die Eliminierung des Virus nicht entscheidend sind. Einzelne Virusstämme variieren sehr stark in ihrer Fähigkeit, ausreichende Mengen von Interferon zu induzieren und damit auch in ihrer Virulenz. Bei einer effektiven Induktion der Interferonbildung reduziert sich die Virusmenge in den frühen Infektionsphasen und bewirkt gleichzeitig die Einleitung der zellulären Immunantwort. Die CD8+-T-Lymphozyten spielen die wichtigste Rolle bei der Viruseliminierung und schützen vor Reinfektionen. Die CD4+-T-Lymphozyten sind in geringem Ausmaß auch cytotoxisch, tragen jedoch vor allem in der späten Infektionsphase durch die Sekretion von Cytokinen wie Interleukin-2 und Interferon-γ zur Aktivierung der CD8+-T-Lymphozyten und zur Antikörperbildung bei. Die virusspezifischen Bund T-Zellen expandieren, die LCMV-Produktion wird kontrolliert und die Erreger aus dem Organismus eliminiert.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf der akuten LCMV-Infektion treten IgMund IgG-Antikörper gegen das NP- und die GP1- und GP2-Proteine auf, außerdem CD8+- und CD4+-T-Lymphocyten und aktivierte NK-Zellen. Epitope, die von cytotoxischen T-Zellen erkannt werden, konnte man im Maussystem in allen Proteinen identifizieren. Die serologische Diagnose erfolgt über den Antikörpernachweis im ELISA-Test (IgM für frische Infektion, IgG bei Durchseuchung). Viren lassen sich durch die Polymerasekettenreaktion aus geeignetem Material nachweisen.
q Die lymphocytäre Choriomeningitis der Maus wird durch cytotoxische T-Zellen verursacht Die lymphocytäre Choriomeningitis in immunreifen Tieren wird durch immunpathogene Mechanismen, genauer gesagt durch CD8+-T-Lymphocyten ausgelöst. Dies ließ sich durch folgende Experimente beweisen: Röntgenbestrahlung oder die Gabe von immunsuppressiven Agenzien verhindern die Entstehung der Erkrankung bei erwachsenen Mäusen, die dann ähnlich wie neugeborene Tiere eine symptomfreie,
persistierende Infektion etablieren. Ähnliches gilt für Mäuse, denen nach der Geburt der Thymus entfernt wurde und die deswegen keine cytotoxischen T-Zellen bilden können. Werden in diese Mäuse T-Zellen erkrankter Tiere injiziert, so entsteht eine typische lymphocytäre Choriomeningitis.
16.1 Arenaviren
Therapie und Prophylaxe Einen Impfstoff gegen die LCMV-Infektion gibt es nicht. In besonders schweren Fällen kann eine Ribavirinbehandlung die Symptome mildern.
Die Erreger des hämorrhagischen Fiebers Epidemiologie und Übertragung Die Lassa-, Junin-, Machupo- und Guanaritoviren verursachen bei bestimmten Nagetieren (䉴 Tabelle 16.1) persistierende Infektionen und werden danach lebenslang mit dem Urin, Kot und Speichel ausgeschieden. Ähnlich wie bei den Hantaviren (䉴 Abschnitt 16.2) sind die von diesen Viren hervorgerufenen Erkrankungen an die geographischen Regionen gebunden, in denen die entsprechenden Nagetierspezies unter natürlichen Bedingungen vorkommen: Lassafieber in Westafrika, das hämorrhagische Fieber durch Junin-, Machupo-, Sabia- beziehungsweise Guanaritoviren in Argentinien, Bolivien, Brasilien und Venezuela. Das Junin-Virus war bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die menschliche Gesundheit ohne Bedeutung, da die Überträger (Calomys musculinus, C. laucha) nicht in Kontakt mit menschlichen Siedlungen waren. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft in den Pampa-Regionen Argentiniens konnten sich die als Überträger der Infektion fungierenden Mausarten im Vergleich zu anderen Nagetieren massiv ausbreiten und somit Zugang zum Menschen erlangen. Die Lassaviren kann man entsprechend ihrer unterschiedlichen geographischen Verbreitung in vier Stämme (Nigeria, Guinea, Liberia, Sierra Leone) gliedern. Etwa 20 Prozent der Infektionen sind
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mit Erkrankungen verbunden; bei diesen klinischen Verläufen ist von einer Mortalitätsrate von zehn bis 30 Prozent auszugehen. Die Zahl der jährlich in Westafrika neu auftretenden Lassavirusinfektionen schätzt man auf 100 000 bis 500 000, verbunden mit mehreren Tausend Todesfällen. Reisende in solche Länder sind bei entsprechender Exposition erheblich gefährdet. Bereits mehrere, meist tödlich verlaufende Lassavirusinfektionen wurden in jüngster Zeit durch Afrikareisende nach Europa, vereinzelt auch nach Deutschland, importiert. Die Viren werden durch virushaltigen Staub (Aerosole) oder direkten Kontakt mit den Nagetieren übertragen. In epidemiologischen Studien zur Übertragung des Lassafiebers in Westafrika konnte gezeigt werden, dass die Viren vor allem solche Personen infizieren, die es gewohnt sind, Mäuse und andere kleine Nagetiere zu jagen und als Lebensmittel zu verwenden. Die im Blut der Tiere vorhandenen Erreger gelangen über kleinste Verletzungen in den Blutstrom und lösen die Infektion aus. Die Übertragung der Viren des südamerikanischen hämorrhagischen Fiebers erfolgt meist durch virushaltige Aerosole, die bei der Getreideernte entstehen. Infizierte Nagetiere werden in den Erntemaschinen getötet, ihr Blut wird zusammen mit dem entstehenden Staub verwirbelt und gelangt auf die Schleimhäute der Erntearbeiter. Infektionen findet man daher vor allem während der Erntezeit bei Männern, welche sich in der Nähe dieser Maschinen befinden. Die Viren können in seltenen Fällen auch durch direkte Kontakte von infizierten Patienten auf andere Menschen übertragen werden. So gibt es beim Lassa- und Machupofieber nosokomiale Infektionen, die vermutlich in Krankenhäusern durch die Verwendung ungenügend sterilisierter Instrumente zustande kommen. Für Infektionen mit Junin-, Sabiaund Guanaritoviren sind derartige Mensch zu MenschÜbertragungen nicht bekannt.
¡ Das Whitewater-Arroyo-Virus Das Whitewater-Aroyo-Virus verursacht beim Menschen schwere Erkrankungen der Atemwege, die mit hämorrhagischen Symptomen und Leberversagen einhergehen. Es ist bisher das einzig bekannte Virus, das zu der Serogruppe der Tacaribeviren gehört und in Nordamerika bei Infizierten hämorrhagisches Fieber verursacht. In den Jahren 1999 und 2000 verstarben in Californien drei Menschen, aus denen man das Whitewater-Arroyo-Virus isolieren konnte.
Als natürliche Wirte konnte man Mäuse der Gattung Neotma identifizieren. Durch Analyse der Nucleotidsequenzen im S-Genomsegment ergaben sich Hinweise, die vermuten lassen, dass dieses für Menschen hochpathogene Virus durch genetische Rekombination in Nagetieren entstanden sein könnte, die gleichzeitig mit unterschiedlichen Arenavirustypen infiziert waren. Dies verdeutlicht das hohe pathogene Potenzial dieser Virusgruppe.
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Klinik Das Lassafieber hat eine Inkubationszeit von bis zu drei Wochen. Es äußert sich zuerst durch plötzlich einsetzendes hohes Fieber, Kopf-, Rücken- Hals- und Gelenkschmerzen, Pharyngitis, Erbrechen und Durchfall. Viele Patienten zeigen Blutungen der Schleimhäute, Proteinausscheidung im Urin, Schwellungen im Gesicht und Nacken sowie Anzeichen einer Hepatitis und/oder Encephalitis. Als Spätfolgen der Infektion können Pericarditis, Gehörverlust, Entzündungen der Augennetzhaut sowie der Hoden auftreten. Das Lassafieber nimmt eine Sonderstellung unter den viralen hämorrhagischen Fiebern (VHF) ein, indem beim Schock-Syndrom die generalisierte endotheliale Dysfunktion und die Thrombocytopenie deutlich im Vordergrund stehen. Todesursache ist meist Herz-Kreislaufversagen infolge der inneren Blutungen. Beim argentinischen und bolivianischen hämorrhagischen Fieber werden keine Symptome im Respirationstrakt gefunden, dafür stehen die hämorrhagischen Zeichen deutlich stärker im Vordergrund. Unbehandelt ist die mit den Erkrankungen verbundene Todesrate hoch: Etwa 20 bis 30 Prozent der Infizierten sterben, auch trotz (intensiv-)medizinischer Behandlung. Bei Schwangeren ist die Komplikationsrate noch deutlich höher, mit Totgeburten ist fast immer zu rechnen.
Pathogenese Nach der Aufnahme über Inhalation oder Hautwunden werden die Viren durch den Blutstrom verteilt. Sie infizieren vor allem die Zellen des reticuloendothelialen Systems in vielen Organen, zum Beispiel der Leber, Lunge und der Placenta. Die direkte Schädigung von Gewebe ist relativ gering. Die Pathogenese der Erkrankung ist weitgehend unklar. Beim Lassafieber findet man fokale Nekrosen vor allem in Leber, Milz und Nebennieren. Bei schweren Verläufen der Erkrankung tritt das capillary leaky syndrome auf, das in 30 bis 40 Prozent der Fälle zum Schock mit Herz-Kreislaufversagen führt. Beim argentinischen und bolivianischen Fieber treten verstärkt Blutungen der Haut- und Schleimhautbereiche im Magen-Darm-Trakt auf; eine deutlich erhöhte Gefäßdurchlässigkeit ist zu beobachten. Die typischen Symptome der Hämorrhagie sind bei diesen Infektionen somit deutlicher als beim Lassafieber, das klinisch meist relativ uncharakteristisch ist.
Immunreaktion und Diagnose Beim Lassafieber findet man zu Beginn der Infektion eine geringe IgM- und bereits einsetzende IgG-Antwort.
Neutralisierende Antikörper können häufig nur in geringen Titern spät nach der Erkrankung nachgewiesen werden. Die Eliminierung des Virus erfolgt daher nicht durch Antikörper, sondern vermutlich – ähnlich wie bei der LCMV-Infektion in der Maus gezeigt – über die zelluläre Immunantwort durch cytotoxische T-Zellen. Auch persistiert das Virus oft lange Zeit nach der Erkrankung und ist im Serum oder im Urin nachweisbar. Im Gegensatz hierzu sind beim südamerikanischen hämorrhagischen Fieber Antikörper gegen die NP- und G-Proteine erst zwei bis vier Wochen nach der Infektion im Serum vorhanden und im Immunfluoreszenz- oder ELISA-Test nachweisbar. Da das NP-Protein hochkonservierte Sequenzabschnitte enthält, sind NP-spezifische Antikörper häufig kreuzreaktiv. Der positive Nachweis von IgM-Antikörpern beziehungsweise ein vierfacher IgG-Titeranstieg in Folgeserumproben gelten als Anzeichen einer akuten Infektion. Die gegen die Oberflächenproteine gerichteten Immunglobuline sind neutralisierend und reagieren wesentlich spezifischer. Da sie jedoch erst deutlich später im Infektionsverlauf gebildet werden, kann ihr Nachweis für die Diagnose der akuten Infektionen meist nicht herangezogen werden. G-Protein spezifische Antikörper, die im Neutralisationstest nachgewiesen werden, dienen zur Bestimmung des Virustyps und des Immunstatus. Für die klinische Diagnostik der akuten Infektion ist die RT-PCR in dazu ermächtigten Laboratorien unerlässlich. Infolge der möglichen nosokomialen Weitergabe der Lassaviren muss die Diagnose so schnell wie möglich erfolgen.
Therapie und Prophylaxe Gegen die Lassaviren wurde ein Impfstoff entwickelt, der auf rekombinanten, G-Proteine exprimierenden Vacciniaviren basiert. In Affen ließen sich hierdurch die schweren Erkrankungen und Todesfälle verhindern. Antikörper werden auch hier nicht gebildet, sodass der Schutz wohl auf der zellulären Immunantwort beruht. Ebenfalls im Tierversuch erwies sich ein attenuiertes Juninvirus als erfolgreich. Dieser Impfstoff (Candid 1) wurde in Argentinien in einer Doppelblindstudie an 6 500 in der Landwirtschaft tätigen Männern erprobt und zeigte eine gute Schutzwirkung. In Endemieregionen des argentinischen hämorrhagischen Fiebers sind seitdem mehrere hunderttausend Menschen mit dieser Lebendvaccine geimpft worden; dies führte zu einer deutlichen Reduktion der Erkrankungen. Die Behandlung der Patienten – sowohl der an Lassafieber wie der an südamerikanischen hämorrhagischen Fieber Erkrankten – mit hohen Dosen von intravenös verabreichtem Ribavirin führt zu deutlich abgeschwächten Erkrankungsverläufen. Orales Ribavirin wird auch pro-
16.1 Arenaviren
phylaktisch eingesetzt. Zudem war die immuntherapeutische Verabreichung von Seren, die von Überlebenden gewonnen wurden und neutralisierende Antikörper gegen die Viren enthielten (Rekonvaleszenten-Serum) in der Lage, die Mortalitätsrate deutlich zu verringern. Angesichts der AIDS-Problematik in Afrika ist diese Vorgehensweise aber durchaus sehr umstritten. Ansonsten zielt die Behandlung auf die Verhinderung des Herz-Kreislaufschocks, wenn möglich unter intensivmedizinischen Bedingungen. Je nach Überträger ist die Kontrolle der Nagetierpopulationen durch Fallen, Gift, Katzen etc. beziehungsweise eine entsprechende Hygiene innerhalb der menschlichen Behausungen in städtischen und ländlichen Gebieten notwendig und sinnvoll.
16.1.6 Weiterführende Literatur Barton, L. L.; Mets, M. B. Congenital lymphocytic choriomeningitis virus infection: decade of rediscovery. In: Clin. Infect. Dis. 33 (2001) S. 370–374. Battegay, M.; Meskopleidis, D.; Rahentulla, A.; Hengartner, H.; Mak, T. W.; Zinkernagel, R. Enhanced establishment of a virus carrier state in adult CD4+ T-cell deficient mice. In: J. Virol. 68 (1994) S. 4700–4704. Borden, K. L. B.; Campbelldwyer, E. J.; Carlile, G. W.; Djavani, M.; Salvato, M. S. Two RING finger proteins, the oncoprotein PML and arenavirus Z protein, colocalize with the nuclear fraction of ribosomal P proteins. In: J. Virol. 72 (1998) S. 3819– 3826. Bowen, M. D.; Rollin, P. E.; Ksiazek, T. G.; Hustad, H. L.; Bausch, D. G.; Demby, A. H.; Bajani, M. D.; Peters, C. J.; Nichol, S. T. Genetic diversity among Lassa virus strains. In: J. Virol. 74 (2000) 6992–7004. Butz, E. A.; Southern, P. J. Lymphocytic choriomeningitis virusinduced immune dysfunction: Induction of and recovery from T-cell anergy in adult infected mice. In: J. Virol. 68 (1994) S. 8477–8480. Cao, W.; Henry, M. D.; Borrow, P.; Yamada, H.; Elder, J. H.; Ravkov, E. V.; Nichol, S. T.; Compans, R. W.; Campell, K. P.; Oldstone, M. B. A. Identification of a-dystroglycan as a receptor for lymphocytic choriomeningitis virus and lassa fever virus. In: Science 282 (1998) S. 2079–2081. Centers for Disease Control and Prevention. Lymphocytic Choriomeningitis Virus Transmitted Through Solid Organ Transplantation – Massachusetts, 2008. In: MMWR 57 (2008) 799–801. Charrel, R. N.; de Lamballerie, X. Arenaviruses other than Lassa virus. In: Antiviral Res. 57 (2003) S. 89-100. Cornu, T. I.; Feldmann, H.; de la Torre, J.C. Cells expressing the RING finger Z protein are resistant to arenavirus infection. In: J. Virol. 78 (2004) S. 2979–2983. Eichler, R.; Lenz, O.; Strecker, T.; Eickmann, M.; Klenk, H. D.; Garten, W. Identification of Lassa virus glycoprotein signal peptide as a trans-acting maturation factor. In: EMBO Rep. 4 (2003) S. 1084–1088.
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16.2 Bunyaviren
Bunyaviren besitzen ein in drei Segmente gegliedertes, einzelsträngiges RNA-Genom in Negativstrangorientierung. Sie kommen unter natürlichen Bedingungen in verschiedenen Säugetieren vor und werden überwiegend durch Arthropodenstiche und -bisse übertragen. Menschen werden nur selten infiziert. In solchen Fällen verursachen die Bunyaviren meist fieberhafte Erkrankungen, die mit Hautausschlägen und Gelenkschmerzen verbunden sind. In einigen Fällen, beispielsweise bei Infektionen mit dem Crimean-Congo-HemorrhagicFever-(CCHF-)Virus entwickeln sich die Symptome eines hämorrhagischen Fiebers. Infektionen mit den La Crosse-Viren sowie mit anderen Vertretern der Serogruppe der Californiaviren sind auf dem amerikanischen Kontinent vor allem bei Kindern eine Hauptursache für Encephalitiden. Eine direkte Weitergabe der Viren von Mensch zu Mensch erfolgt nur in Ausnahmefällen, zum Beipsiel bei nosokomialen Infektionen in Krankenhäusern; einzig die CCHF-Viren werden relativ leicht auch von Infizierten übertragen. Da alle Virustypen auf eine bestimmte Insekten- oder Zeckenart beziehungsweise Nagetierart als Vektor angewiesen sind, hängt ihr geographisches Vorkommen von den Verbreitungsgebieten dieser Organismen ab. Viele humanpathogene Bunyaviren sind in den Tropen und Subtropen zu Hause. Eine Ausnahme bildet das Genus Hantavirus. Einige Vertreter dieses Genus, wie das Puumula- und das Dobravavirus, kommen auch in Europa vor. Diese Viren werden über die Exkremente chronisch infizierter Nagetiere ausgeschieden und so übertragen. Beim Menschen verursachen sie – abhängig vom Virustyp – Infektionen der Niere, die sich in milden Verläufen (Nephropathia epidemica, NE: Niereninsuffizienz mit Proteinurie), aber auch in fieberhaften, hämorrhagischen Erkrankungen, verbunden mit einer Schädigung der Nierenfunktion (HFRS: hämorrhagisches Fieber mit nephropathischem Syndrom) oder schweren Lungenerkrankungen mit hoher Mortalität (HPS: Hantavirus-assoziiertes pulmonales Syndrom) äußern.
16.2.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
Die Familie der Bunyaviridae umfasst viele Virustypen, die unterschiedliche Organismen infizieren können. Ihr Name leitet sich von dem Ort Bunyamwera in Uganda ab, in dem das Bunyavirus erstmals isoliert wurde. Alle
Bisher hat man über 350 verschiedene Bunyavirustypen identifiziert. Sie werden in fünf Genera eingeteilt: Orthobunyavirus, Phlebovirus, Nairovirus, Hantavirus und Tospovirus. Das letztgenannte umfasst die pflanzenspezifischen Bunyaviren (䉴 Tabelle 16.3) und wird im Rahmen dieses Buches nicht besprochen. Die Einteilung in die unterschiedlichen Genera erfolgt auf der Basis der Wirtsspezifität und der molekularen Eigenschaften. Hierzu
16.2 Bunyaviren
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q Einige wenige Bunyaviren werden in Europa durch Insekten übertragen Sandfliegen der Gattungen Phlebotomus, Sergentomyia oder Lutzomyia gelten im europäischen und asiatischen Mittelmeerraum, den arabischen und afrikanischen Ländern, dem mittleren Osten sowie in Zentralasien als Überträger des Sandfliegenfiebers, das von den verschiedenen Typen der Phlebotomus-Fieber-Viren verursacht wird. Zu diesen zählen auch die Typen Sandfly-Fever-Virus-Naples, -Sicilia und -Toscana, die das Neapel- oder Toscanafieber
zählen vor allem die konservierten Enden der Genomsegmente, deren Sequenzfolgen innerhalb des Genus weitgehend identisch sind (䉴 Tabelle 16.4), aber auch die Anordnung der Gene auf den Segmenten. Basierend auf den serologischen Eigenschaften der N-Proteine werden verschiedene Viren innnerhalb der einzelnen Gattungen zu Serogruppen zusammengefasst. Die Unterscheidung der Virustypen erfolgt vor allem aufgrund der charakteristischen Reaktivität der Glycoproteine im Neutralisations- oder Hämagglutinationshemmtest.
16.2.2 Aufbau Viruspartikel Die Partikel der Bunyaviren sind pleomorph, also vielgestaltig. Sie haben überwiegend eine sphärische Form Einzelsträngiges RNA-Genom
übertragen. Die Infektionen verursachen beim Menschen gewöhnlich eine leichte, fieberhafte Erkrankung, die mit Hautausschlag und/oder einer aseptischen Meningitis verbunden sein kann und etwa zwei bis vier Tage andauert. Da sich die antigenen Epitope der Oberflächenproteine Gn und Gc bei den verschiedenen Virustypen unterscheiden, sind in Endemiegebieten wiederholte Infektionen und Erkrankungen nicht selten.
mit einem Durchmesser von 100 bis 120 nm (䉴 Abbildung 16.3). Man findet in elektronenmikroskopischen Aufnahmen aber auch ovale oder filamentöse Partikel mit einer Länge von über 200 nm. Sie bestehen aus drei Nucleocapsidsegmenten, die von einer Hüllmembran umgeben sind. Mit dieser ist ein Komplex aus zwei Glycoproteinen Gn und Gc (in älterer Literatur als G1 und G2 bezeichnet, siehe auch Exkurs) assoziiert, die etwa 10 nm aus der Virusoberfläche hervorragen und durch proteolytische Spaltung aus einem gemeinsamen Vorläuferprotein GPC (glycoprotein precursor) entstehen. Hydrophobe Aminosäurefolgen in den carboxyterminalen Domänen beider Proteine Gn und Gc sind für ihre Verankerung in der Hüllmembran verantwortlich. Die Molekulargewichte sind bei den einzelnenVirustypen unterschiedlich, für Gn schwanken die Zahlen zwischen 30 und 60 kD (55 kD bei Hantaviren, 34–38 kD beim La Crosse-Virus), für Gc zwischen 70 und 125 kD (70 kD
Gn-Protein
N-Protein
Gc-Protein
L-Protein Hüllmembran
16.3 Darstellung eines Bunyaviruspartikels (Hantavirus). Das Genom besteht aus drei Segmenten einzelsträngiger RNA, die als Negativstrang mit den Nund L-Proteinen zu helikalen Nucleocapsiden komplexieren. Komplementäre Sequenzen an den Enden verleihen ihnen eine quasizirkuläre Form. Die Nucleocapside sind von einer Membranhülle umgeben, in welche die Komplexe der viralen Glycoproteine Gn und Gc eingelagert sind.
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Tabelle 16.3 Charakteristische Vertreter der Bunyaviren Genus
Serogruppe
Orthobunyavirus
Californiaviren California-Encephalitis-Virus/ Nordamerika La Crosse-Virus/Nordamerika Snowshoe-Hare-Virus/ Nordamerika Tahynavirus/Europa
California-Encephalitis-Virus/ Stechmücken Nordamerika (Culicoides, Culex, La Crosse-Virus/Nordamerika Aedes spp.) Snowshoe-Hare-Virus/ Nordamerika Tahynavirus/Europa
Simbuviren
Oropouchevirus/Südamerika
Akabanevirus/Japan Ainovirus/Japan Shamondavirus/Japan Shinovirus/Japan
Stechmücken (Culicoides, Culex, Aedes spp.)
Gruppe C
Apeuvirus/Südamerika
Apeuvirus/Südamerika
Stechmücken (Culicoides Culex, Aedes spp.)
Bwambaviren
Bwambavirus/Afrika Pongolavirus/Afrika
Bwambavirus/Afrika Pongolavirus/Afrika
Stechmücken (Culicoides, Culex, Aedes spp.)
Bunyamweraviren
Bunyamweravirus/Afrika Nyandovirus/Afrika Cache-Valley-Virus/Amerika Fort-Sherman-Virus/ Zentralamerika Xinguvirus/Südamerika
Bunyamweravirus/Afrika Nyandovirus/Afrika Cache-Valley-Virus/Amerika Fort-Sherman-Virus/ Zentralamerika Xinguvirus/Südamerika
Stechmücken (Culicoides, Culex, Aedes spp.)
Phlebovirus
Mensch/ Verbreitung
Sandfly-Fever-Virus-Toscana/ Südeuropa Sandfly-Fever-Virus-Sicily/ Südeuropa Sandfly-Fever-Virus-Naples/ Südeuropa Rift-Valley-Fieber-Virus/ Afrika
Tier/ Verbreitung
Überträger/ Natürliche Wirte
Stechfliegen (Phlebomotus spp.)
Rift-Valley-Fieber-Virus/ Afrika
Stechmücken (Aedes spp., Culicoides spp.), Zecken (Hyalomma spp.)
Uukuniemivirus der Vögel/ Europa
Zecken
Nairovirus
CCHF*-Virus/Vorderasien, Türkei, Afghanistan
CCHF*-Virus/Vorderasien, Türkei, Afghanistan Dugbevirus (Nairobi-SheepDisease-Virus)/Afrika
Stechmücken (Culicoides spp.), Zecken Zecken
Hantavirus
Hantaanvirus/Südostasien Seoulvirus/Südostasien
Hantaanvirus/Südostasien Seoulvirus/Südostasien
Dobravavirus/Südosteuropa Tulavirus/Mittel-, Osteuropa
Dobravavirus/Südosteuropa Tulavirus/Mittel-, Osteuropa
Puumalavirus/Mitteleuropa
Puumalavirus/Mitteleuropa
Sin-Nombre-Virus/Amerika
Sin-Nombre-Virus/Amerika
Andes-Virus/Amerika
Andes-Virus/Amerika
Apodemus agrarius Rattus norvegicus, R. rattus Apodemus flavicollis Microtus arvalis, M. rossiaemeridioalis Clethrionomys glareolus Peromyscus leucopus, P. maniculatus Oligoryzomys longicaudatus
*CCHF: Crimean-Congo-Hemorrhagic-Fever (Krim-Kongo-Fieber). In dieser Tabelle sind nur die Serogruppen und Virustypen als Beispiele angeführt, die bekannterweise bei Menschen Erkrankungen verursachen oder als relativ gut charakterisierte Prototypen gelten.
16.2 Bunyaviren
341
q Die Gn- und Gc-Proteine der Bunyaviren hießen früher G1 und G2 Traditionell bezeichnete man bis vor einigen Jahren bei den verschiedenen Bunyavirustypen immer das Spaltprodukt der G-Proteine mit dem größeren Molekulargewicht als G1. Da die Spaltung des GPC-Vorläuferproteins bei den verschiedenen Virustypen jedoch an ganz verschiedenen Stellen erfolgt, entsprach das G1-Protein bei einigen Virustypen dem aminoterminalen Ende, wie das zum Beispiel bei Hantaviren der Fall ist, bei anderen jedoch dem carboxytermi-
bei Hantaviren, 125 kD beim La Crosse-Virus). Bei einigen Vertretern des Genus Nairovirus scheint ein weiteres Protein mit der Membran assoziiert zu sein, das ebenfalls durch proteolytische Spaltung aus dem Vorläuferprotein GPC entsteht. Die helikalen Nucleocapside bestehen aus einzelsträngiger RNA, die mit dem N-Protein (20 bis 50 kD; 48 kD bei Hantaviren, 27 kD beim La Crosse-Virus) komplexiert ist. Pro Partikel findet man etwa 2 100 Einheiten des N-Proteins. Zusätzlich enthalten die Virionen etwa 25 Kopien des L-Proteins, die mit den Nucleocapsiden assoziiert sind. Sie weisen meist Molekulargewichte zwischen 240 und 270 kD (247 kD bei Hantaviren, 263 kD beim La Crosse-Virus) auf, das L-Protein des CCHF-Virus (Crimean-Congo-Hemorrhagic-Fever) ist jedoch mit einer geschätzten Masse von 448 kD deutlich größer. Die L-Proteine fungieren als RNA-abhängige RNA-Polymerase.
Genom und Genomaufbau Das einzelsträngige RNA-Genom der Bunyaviren liegt in drei Segmenten vor. An den 3’- und 5’-Enden befinden sich komplementäre Abschnitte von acht bis elf Nucleotiden Länge, die miteinander Doppelstrangregionen ausbilden (䉴 Tabelle 16.4). Die RNA-Moleküle liegen dadurch in einer quasizirkulären, pfannenstielähnlichen Form vor. Die konservierten Genomenden enthalten die cis-aktiven Consensussequenzen für die Initiation der Transkription und der Replikation. Die Segmente umfassen insgesamt etwa 12 000 Basen RNA; nur die Vertreter des Genus Nairovirus, wie beispielsweise das CCHF-Virus, haben mit etwa 18 000 Basen RNA eine deutlich größere Codierungskapazität (䉴 Abbildung 16.4). Das L-Segment (L = large) besitzt bei der überwiegenden Mehrheit der Vertreter der Bunyaviridae durchschnittlich 6 330 bis 9 000 Basen und codiert für das L-
nalen Anteil. Dies führte wiederholt zu Missverständnissen und Verwirrungen, da ihrer Funktion analoge G-Proteinabschnitte in der Literatur nicht immer dieselben Bezeichnungen aufwiesen. Vor kurzem kam man daher überein, die Glyoproteine, die sich vom aminoterminalen Teil des GPCProteins ableiten, grundsätzlich mit „Gn“ zu benennen. Die von den carboxyterminalen Bereichen abgeleiteten Proteine heißen in der neuen Literatur dementsprechend „Gc“.
Protein. Deutlich größer ist mit über 12 000 Basen nur das L-Segment der Nairoviren. Das M-Segment (M = middle) ist 2 300 bis 5 000 Basen lang und enthält die Information für die G-Proteine sowie – bei den Vertretern der Gattungen Bunyavirus und Phlebovirus – für das Nichtstrukturprotein NSm. Das S-Segment (S = small) hat eine Länge von etwa 960 bis 3 000 Basen. Bei den Genera Nairovirus und Hantavirus codiert es für das N-Protein. Bei den Vertretern des Genus Orthobunyavirus findet man ein zweites Gen (NSs), das unter Verwendung eines alternativen Startcodons von derselben mRNA-Spezies translatiert wird. Bei den Phleboviren besitzt das S-Segment Ambisense-Orientierung: Vom Antigenomstrang, der als Zwischenprodukt bei der Replikation entsteht, wird eine mRNA-Spezies transkribiert, die für die Transkription eines NSs-Proteins (NSs = non-structural protein, small segment) dient. Die Leserahmen überlappen nicht miteinander. In den intergenischen Bereichen scheinen die Basen schleifenartige, teilweise doppelsträngige Sekundärstrukturen auszubilden, die als Terminationssignale für die Transkription dienen. 䉴 Tabelle 16.5 gibt einen Überblick über die verschiedenen Charakteristika der Bunyavirusgenome.
Tabelle 16.4 Konservierte Basenfolgen an den Genomenden der Bunyaviren Genus
3’-Ende
5’-Ende
Bunyavirus
UCAUCACAUGA. . .
. . .UCGUGUGAUUGA
Hantavirus
AUCAUCAUCUG. . .
. . .AUGAUGAU
Nairovirus
AGAGUUUCU. . .
. . .AGAAACUCU
Phlebovirus
UCUCGUUAG. . .
. . .CUAACGAGA
16
0
Replikation 3´ 5´
5´
3´
L-Protein 247 kD
Translation
3´
L-Protein N-Protein 5´ Cap
3´
3´ 5´
5´ 3´
Gn-Protein Gc-Protein 70 kD 55 kD
GPC-Vorläuferprotein 127 kD
Translation
3616 5´
L-Protein
M-Segment
Transkription
0 3´
Replikation
L-Protein N-Protein
3´
5´
3´
N-Protein 48 kD
Translation
5´ Cap
5´
3´
L-Protein
1696 5´ S-Segment
Transkription
0 3´
16.4 Schematische Darstellung der Transkription, Translation und Genomreplikation bei den Bunyaviridae. A: Hantavirus (Hantaanvirus).
5´ Cap
L-Protein
L-Segment
6530 5´
Replikation
L-Protein N-Protein
342
Transkription
3´
A Hantavirus (Hantaanvirus)
16 16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Replikation 3´ 5´
3´
3´
L-Protein N-Protein
5´
L-Protein 241 kD
Translation
L-Protein
L-Segment
6423 5´
5´ Cap 3´
3´ 5´
5´ 3´
Gn-Protein Gc-Protein 72 kD 67 kD
GPC-Vorläuferprotein 140 kD
Translation
3231 5´
L-Protein
M-Segment
Transkription
0 3´
Replikation
L-Protein N-Protein
3´
5´
Replikation
L-Protein N-Protein
Replikation
L-Protein N-Protein
Cap 5´
L-Protein
3´
NSs-Protein 32 kD
Translation
3´
Transkription
5´
3´
N-Protein 28 kD
Translation
5´ Cap
L-Protein
1720 5´ S-Segment
Transkription
0 3´
16.4 (Fortsetzung) B: Phlebovirus (Uukuniemivirus). Die genomischen L-, M- und S-Segmente werden in gecappte mRNA-Spezies trankribiert; die gecappten RNA-Oligonucleotide, die als Primer verwendet werden, stammen von zellulären Transkripten und werden von diesen abgeschnitten. Diese Schritte werden durch das L-Protein, das als Teil der Viruspartikel in die Zelle gelangt ist, katalysiert. Von den gebildeten mRNAs werden die Proteine L, GPC (Gn und Gc beziehungsweise Gn, NSm und Gc), N und NSs translatiert. Liegen ausreichende Mengen von neusynthetisierten N-Proteinen in der Zelle vor, erfolgt die Bildung ungecappter RNA-Stränge in positiver Orientierung (Antigenome). Diese dienen als Matrizen für die Bildung von RNA-Molekülen in Negativstrangorientierung, die denen der Genomsegmente entsprechen. Beim Uukuniemivirus wird vom Antigenom des S-Segments eine weitere mRNA transkribiert, von welcher das NSs-Protein translatiert wird. Das S-Segment besitzt in diesem Fall also Ambisense-Orientierung.
5´ Cap
0
Transkription
3´
B Phlebovirus (Uukuniemivirus)
16.2 Bunyaviren
343
16
16
344
16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 16.5 Eigenschaften der Genomsegmente von Bunyaviren und der durch sie codierten Proteine Segment L
M
S
Bunyavirus
Hantavirus Nairovirusa
Phlebovirus 423b
Basenlänge
6 875
6 530
12 164
6
Proteine/kD
L/259
L/247
L/448
L/241
L/247
6
Funktion
404c RNA-abhängige RNA-Polymerase
Basenlänge
4 458
3 616
4 888
3 231
3 884
Proteine/kDd
Gn/32 NSm/18 Gc/110
Gn/70 Gc/55
Gn/35 Gc/73
Gn/72 Gc/67
NSm/14 Gn/Gc-Proteine: glycoGn/55 sylierte OberflächenGc/62 proteine, die durch proteolytische Spaltung des GPCVorläuferproteins entstehen; Adsorption, Fusion, Induktion neutralisierender Antikörper NSm-Protein: integrales Membranprotein der GolgiVesikel; für Morphogenese
Basenlänge
961
1 696
1 677
1 720b
1 690c
Proteine/kD
N/26 NSs/11e
N/48
N/48–50
N/28 NSs/32f
N/28 NSs/29f
N-Protein: RNA-Bindung; RNA-Chaperon (dsRNAHelicase); Cap-Snatching; Ribosomenbindung; Hauptkomponente des Nucleocapsids NSs-Protein: Antiinterferonwirkung
Als Molekulargewichte sind die theoretischen Werte angegeben, die sich aus der Aminosäuresequenz ableiten lassen. a Crimean-Congo-Hemorrhagic-Fever-Virus. b Werte in gesamter Spalte gelten für das Uukuniemivirus. c Werte in gesamter Spalte gelten für das Rift-Valley-Fieber-Virus. d Die Proteine sind entsprechend der Reihenfolge auf dem Vorläuferprotein angegeben, aus dem sie durch Proteasen herausgeschnitten werden. e Das NSs-Protein der Bunyaviren wird unter Verwendung eines alternativen Startcodons translatiert. f Das NSs-Protein der Phleboviren wird von einer subgenomischen RNA in gegenläufiger Orientierung gebildet.
16.2.3 Virusproteine Strukturproteine Membranproteine Die G-Proteine der Hantaviren werden als Vorläuferprotein GPC von etwa 125 kD synthetisiert und durch eine zelluläre Protease, die mit den Golgi-Vesikeln oder mit dem endoplasmatischen Reticulum assoziiert ist, in einen aminoterminalen Anteil Gn (55 kD) und das Gc-Protein (70 kD) gespalten, die sich zu einem heteromultimeren Komplex zusammenlagern. Beim Vergleich der Aminosäuresequenzen der verschiedenen Hantavirustypen findet man in den Gc-Teilen etwa 43, in den Gn-Proteinen 55 Prozent Homologie. Vom aminoterminalen Bereich des GPC-Vorläuferproteins der Nairoviren wird durch Proteolyse ein relativ großes Fragment abgespalten. Es entspricht vermutlich dem dritten Glycoprotein (173 kD), das man gelegent-
lich in den Viruspräparationen findet. Die Gn- und GcProteine (35 kD beziehungsweise 73 kD) entstehen bei den Nairoviren durch Spaltung aus der zentralen und carboxyterminalen Region des Vorläuferproteins. Sowohl bei den Bunya- als auch bei den Phleboviren entsteht durch Proteolyse des Vorläuferprodukts zusätzlich zu Gn und Gc ein kleineres Protein: NSm (non-structural protein, middle segment). Bei den Orthobunyaviren liegt es zwischen dem aminoterminalen Gn- (32 kD) und dem Gc-Protein (110 kD) und besitzt ein Molekulargewicht von 18 kD. Beim Rift-Valley-Fieber-Virus, einem Phlebovirus, befindet sich das NSm-Protein (14 kD) dagegen am aminoterminalen Ende des GPC-Proteins. Seine Funktion ist nicht endgültig geklärt: Die Deletion der für das NSm-Protein codierenden Sequenz hatte keinen Einfluss auf die Vermehrung des Maguari-Virus in Zellkulturen. Beim Bunyavirus scheint das NSm-Protein zusammen mit den Gn- und Gc-Proteinen in die Mem-
16.2 Bunyaviren
bran der Golgi-Vesikel einlagert zu werden und für die Morphogenese der Viruspartikel wichtig zu sein. Mit den cysteinreichen glycosylierten und acylierten Gn- und Gc-Proteinen adsorbieren die Viren an die zellulären Rezeptoren. Das Gc-Protein ist bei den Orthobunyaviren für die Bindung an die Rezeptoren sowohl auf der Oberfläche der Insekten- als auch der Säugetierzellen verantwortlich. Integrine αvβ3 sind zusammen mit weiteren zellulären Komponenten (30 kD Protein, 70 kD Protein) an der Bindung der nephropathischen Hantaviren an die Zelloberfläche beteiligt; nicht pathogene Hantaviren wie Prospect-Hill und Tulavirus binden sich dagegen an das Integrin α5β1. Es wird diskutiert, ob die Bindung der Hantaviren an Integrine αvβ3 auch deren Aufgaben bei interzellulären Wechselwirkungen, beispielsweise bei der Aggregation der Blutplättchen beeinflusst. Dies könnte dazu beitragen, dass die Barrierefunktion der Blutgefäße und -kapillaren verloren geht. Die Bindung der Hantaviren an Integrine αvβ3 behindert die β3-gerichtete Wanderung der Endothelzellen. Zusätzlich haben die mit HPS assoziierten Hantaviren in der cytoplasmatischen Domäne ihrer GcProteine eine Aminosäurefolge, die tyrosinabhängige zelluläre Kinasen aktiviert. Diese regulieren neben der immunologischen Abwehr auch die Endothelzellfunktion. Ob die Aktivierung dieser Kinasen die Pathogenese der mit HPS assoziierten Hantavirusinfektionen zusätzlich beeinflusst, ist unklar. Sie scheint aber für das unterschiedliche Potenzial der Hantaviren zur Induktion der Interferonantwort verantwortlich zu sein: Sie befähigt die nichtpathogenen Stämme, die Synthese von IFN-γ einzuleiten. Die cytoplasmatische Domäne interagiert dabei mit der Kinase TBK-1 (TANK-binding kinase 1), aktiviert diese und bewirkt die Phosphorylierung des interferon-regulating factors 1 (IRF-1) und des IκB, des Inhibitors von NFκB – beides Voraussetzungen für die Expression des IFN-γ-Gens. Auch gibt es Hinweise, dass die cytoplasmatische Domäne der pathogenen Stämme die dsRNA-Helicase RIG-1 (retinoic-acid-inducible gene 1) hemmt. Diese wiederum ist für die Einleitung der interferonabhängigen Signalwege notwendig, die durch virale Doppelstrang-RNA vermittelt wird. Die Proteolyse des GPC-Proteins setzt eine mit den Gc-Proteinen verbundene Fusionsaktivität frei, die zudem von saurem pH-Wert abhängig ist und in den GcProteinen strukturelle Umlagerungen induziert. Die Gn- und Gc-Proteine scheinen, ähnlich wie der HA1/ HA2-Proteinkomplex der Influenzaviren (䉴 Abschnitt 16.3), nach der Aufnahme der Viruspartikel die Fusion der Virus- und der Endosomenmembran zu vermitteln. Die Gn-Proteine enthalten Sequenzen, die für ihre Lokalisation in der Golgi-Membran verantwortlich sind. Diese Aminosäurefolgen verhindern, dass die
345
Virusproteine über die Golgi-Vesikel weiter zur Zelloberfläche transportiert werden. Das Zurückhalten der Proteine ist für die Bildung infektiöser Partikel wichtig, weil in diesem Zellkompartiment die Morphogenese erfolgt. Die Nucleocapside lagern sich an die G-Proteine an und die neu gebildeten Virionen entstehen durch Knospung in die Golgi-Vesikel. Für einige Vertreter der Hantaviren, die beim Menschen HPS verursachen, gilt dies nicht: Bei diesen Virustypen findet man die Gnund Gc-Proteine verankert in der Cytoplasmamembran. Die neu gebildeten Viruspartikel werden von der Zelloberfläche abgeschnürt. Komponenten des Nucleocapsids Die N-Proteine werden auf dem S-Segment des Genoms codiert. Bei den Hantaviren haben sie ein Molekulargewicht von etwa 50 kD, bei den Bunya- und Phleboviren sind sie mit 26 bis 28 kD deutlich kleiner. In den infizierten Zellen werden große Mengen der N-Proteine synthetisiert, sie bilden im Cytoplasma Aggregate, die als Einschlusskörperchen oder Filamente nachweisbar sind. Als Trimere assoziieren die N-Proteine mit den RNA-Molekülen und stellen die Hauptkomponente der Nucleocapside wie auch der Viruspartikel dar. Die amino- und carboxyterminalen Enden der N-Proteine sowie ein zentraler Abschnitt mit basischen Aminosäureresten sind hochkonserviert. Bei den Hantaviren sind die für die Oligomerisierung verantwortlichen Domänen in den aminound carboxyterminalen Abschnitten des N-Proteins zu finden, wohingegen die zentrale Domäne (Aminosäuren 175 bis 217) für die Wechselwirkung mit der RNA verantwortlich ist (䉴 Abbildung 16.5). Des Weiteren interagieren die N-Proteine der Hantaviren mit hoher Affinität mit den doppelsträngigen, pfannenstielähnlichen RNA-Abschnitten an den Enden der viralen Genomsegmente. Sie binden sich auch – mit geringerer Affinität – an dsRNA-Strukturen, die man an den Enden der in Plusstrangorientierung vorliegenden Replikationsintermediate findet. Durch die Wechselwirkung wird eine mit den N-Proteinen verbundene RNA-ChaperonAktivität ausgelöst, welche die doppelsträngigen RNAAbschnitte in 3’→ 5’-Richtung entwindet. Im Anschluss an diesen Vorgang bleibt das trimere N-Protein mit dem 5’-Ende der RNA-Segmente assoziiert und bewirkt die Anlagerung der kleinen Ribosomenuntereinheit. Vermutlich ist dieser Vorgang auch für die Bindung der LProteine und die Initiation von Transkription und Genomreplikation essenziell. Außerdem haben die NProteine Aufgaben beim Vorgang des „Cap-Stehlens“ (cap-snatching) sowie bei der Morphogenese der Viruspartikel. Als Hauptkomponenten der Nucleocapsidsegmente binden sie an die in das Cytoplasma orientierten Domänen der membranverankerten Gn- und Gc-Pro-
16
16
346
16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
1
100
200 SUMO-1 Interaktion (188-191)
125 175
16.5 Schematische Darstellung des N-Proteins der Hantaviren und seiner funktionellen Domänen. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Aminosäurepositionen, beginnend am aminoterminalen Ende.
300
400 433
Perinucleäre Lokalisation 288
217
Hantavirus N-Protein
teine. Außerdem interagieren die N-Proteine mit zellulären Proteinen: Über seine carboxyterminale Domäne bindet sich das N-Protein der Hantaviren an das zelluläre Daxx-Protein, einem Transrepressor-Protein, das die Einleitung der Apoptose unterdrückt. Möglicherweise behindert die Wechselwirkung mit dem N-Protein diese Regulatorfunktion und ist für die Induktion der Fas-abhängigen Apoptose verantwortlich, die in hantavirusinfizierten Zellen eingeleitet wird. Auch scheint das N-Protein der Hantaviren mit SUMO-1 (small ubiquitin-like modifiers) zu interagieren und die SUMOylierung von zellulären Proteinen zu beeinflussen – welche zellulären Funktionen davon betroffen sind, ist jedoch noch ungeklärt. Die N-Proteine der La Crosse-, Rift-Valley-Fieber- und CCHF-Viren binden sich an die durch Interferon-α induzierten MxA-Proteine (䉴 Kapitel 8 und Abschnitt 16.3). Die N-Proteine werden dadurch im perinucleären Raum gehalten und stehen für die Aufgaben bei der Replikation der RNA-Segmente nicht zur Verfügung – dadurch wird die Virusinfektion begrenzt. Für die Hantaviren konnte dies bisher nicht gezeigt werden. Die L-Proteine besitzen die Aktivität einer RNAabhängigen RNA-Polymerase. Sie werden sowohl für die Transkription des Genoms in mRNA-Spezies als auch für die Genomreplikation benötigt. Das L-Protein der Hantaviren besitzt ein theoretisches Molekulargewicht von 247 kD, was etwa dem des aus Viruspräparationen gereinigten Proteins entspricht. Seine Polymeraseaktivität ist von Mn2+-Ionen abhängig. Die L-Proteine der Hantavirustypen besitzen untereinander eine ausgeprägte Homologie (70 bis 85 Prozent). Bei den Vertretern der anderen Genera, mit Ausnahme der Nairoviren, besitzen die L-Proteine eine ähnliche Größe (263 kD beim La Crosse-Virus, 239 kD bei den Phleboviren). Beim CCHF-Virus, einem Vertreter der Gattung Nairovirus, weist das L-Protein mit 448 kD ein deutlich größeres Molekulargewicht auf. Im Vergleich zu den Orthobunya-, Phlebo- und Hantaviren besitzt es im aminoterminalen Bereich etwa 1 800 zusätzliche Amino-
375 RNA-Bindung Oligomerisierung
säuren. In diesem für die Nairoviren charakteristischen Teil des L-Proteins findet man nahe dem aminoterminalen Ende eine Sequenzfolge, die den OTU-ähnlichen Proteasen (ovarian tumor-like protease) gleicht. Diese OTUProteasen sind Cysteinproteasen der Papainfamilie. Die L-Proteine der Nairoviren weisen mit dieser aminoterminalen Domäne Ähnlichkeiten zu den entsprechenden Proteinen verschiedener Pflanzenviren, wie den Carlaoder Foveaviren, auf. Bei diesen spaltet sich die OTUähnliche Protease des Vorläuferproteins autokatalytisch aus der Sequenzfolge heraus und generiert durch weitere Spaltungen neben der RNA-abhängigen RNA-Polymerase auch eine Helicase, die bei der Genomreplikation doppelsträngige RNA-Strukturen auflöst. Der Befund, dass die Nairoviren über eine OTU-ähnliche Proteindomäne im L-Protein verfügen, legt die Vermutung nahe, dass es sich auch hier um Polyproteine handelt, die autokatalytisch in verschiedene Untereinheiten gespalten werden. Außerdem ist für die OTU-Proteasen eine deubiquitinylierende Aktivität gezeigt worden. Ob die LProteine der Nairoviren über derartige Funktionen verfügen und ob entsprechende Aktivitäten im Infektionszyklus entfaltet werden, ist bislang nicht geklärt.
Nichtstrukturproteine Einige Vertreter der Bunyaviridae codieren für zwei Nichtstrukturproteine. Das NSm-Protein, ein Spaltprodukt des GPC-Vorläuferproteins, wurde bereits erwähnt. Bei den Orthobunyaviren wird ein NSs-Protein (11 kD) im gleichen Leserahmen wie das N-Protein auf dem S-Segment codiert. Es wird unter Verwendung eines alternativen Startcodons in einem anderen Leseraster translatiert. Deswegen sind die beiden Proteine nicht homolog. Das NSs-Protein der Phleboviren (32 kD beim Unkunienvirus) wird ebenfalls auf dem SSegment codiert, jedoch in umgekehrter Orientierung zum N-Protein. Die beiden Leserahmen laufen somit aufeinander zu, sind aber durch eine intergenische Basenfolge voneinander getrennt, in der die Termina-
16.2 Bunyaviren
tionssignale der Transkription liegen. Für die Infektion und Replikation in Zellkultur ist das NSs-Protein beim Rift-Valley-Fieber-Virus wie auch beim La Crosse-Virus nicht notwendig. Daneben finden sich über die Funktion der NSs-Proteine bei den unterschiedlichen Viren jedoch auch widersprüchliche Daten. Beim Rift-ValleyFieber-Virus fördert es in einem in vitro-System die Replikation und Transkription der RNA-Segmente, beim Bunyavirus fand sich eine gegenteilige Wirkung. Beim La Crosse-Virus zeigten NSs-Deletionsmutanten eine im Vergleich zum Wildtypvirus verringerte Abschaltung der Zellfunktionen und eine verringerte Einleitung der Apoptose. Ähnliche Wirkungen fand man bei Konstruktion entsprechender Deletionsmutanten des Rift-Valley-Fieber-Virus, sie waren jedoch stark von den verwendeten Zellen abhängig. Das NSs wirkt hier als Interferonantagonist; es bindet sich an die p44 Untereinheit des zellulären Transkriptionsfaktors TFIIH und hemmt die Funktion der RNA-Polymerase II. Als Folge ist die Transkription der zellulären Gene, auch der Interferongene, gestört. Beim La Crosse-Virus unterdrückt das NSs-Protein den Vorgang der RNA-Infererenz (RNAi), beim dem die Genexpression durch kurze, doppelsträngige „interferierende“ RNA-Moleküle (siRNA) sequenzspezifisch unterdrückt wird: Eine durch RNAInterferenz verursachte Hemmung der Transkription des viralen M-Segments wurde durch das NSs-Protein aufgehoben. Die NSs-Proteine können den Verlauf und die Pathogenese der Infektionen beeinflussen, indem sie den Viren ermöglichen, die Interferonproduktion zu hemmen und dadurch den Interferon-α und -β vermittelten Abwehrreaktionen zu entgehen. Virusmutanten, die einen Verlust der normalen NSs-Funktion haben, sind hingegen gute Induktoren von Klasse-IInterferon und erweisen sich im Tier als hochgradig attenuiert.
16.2.4 Replikation Viele Details der Bunyavirusreplikation konnten bisher nicht geklärt werden, darunter die Frage, an welche zellulären Rezeptoren sich die Viren binden. Bei den meisten Hantaviren wurden Integrine αvβ3 als zelluläre Interaktionspartner identifiziert. Seitens des Virus wird dieser Schritt von den Gc-Proteinen vermittelt. Auch ist für das Hantaanvirus die Interaktion mit gC1qR/p32 gezeigt. Dabei handelt es sich um ein glycosyliertes Zelloberflächenprotein, das mit der Komplementkomponente C1q interagiert. Nach der Bindung an die Zelloberfläche werden die Viruspartikel durch rezeptorvermittelte Endocytose in das Cytoplasma aufgenommen:
347
Die Ansäuerung des Vesikelinneren – vermutlich durch eine Ionenpumpe in der Endosomenmembran – ist Voraussetzung für die Umlagerung des Gc-Proteins und die damit verbundene Induktion der fusogenen Aktivität. Anschließend werden die Nucleocapside in das Cytoplasma entlassen, wo alle weiteren Schritte des Replikationszyklus – ähnlich wie bei den Flavi- und Togaviren (䉴 Abschnitte 14.5 und 14.6) – in Assoziation mit perinucleären Membrankompartimenten erfolgen. Die Transkription der Genomsegmente erfolgt durch die RNA-abhängige RNA-Polymeraseaktivität des LProteins, das mit den Nucleocapsiden assoziiert ist (䉴 Abbildung 16.4). Die Initiation ist – ähnlich wie bei den Orthomyxoviren – primerabhängig. Die gebildeten Transkripte besitzen an ihren 5’-Enden eine methylierte Cap-Gruppe und zehn bis 18 zusätzliche, nicht viruscodierte Nucleotide, die von zellulären mRNAs abstammen. Die Bunyaviren haben ähnlich wie die Orthomyxoviren den Mechanismus des Cap-Stehlens (cap-snatching) entwickelt (䉴 Abschnitt 16.3). Verantwortlich hierfür ist das multifunktionelle N-Protein. Dieses gelangt in die P-bodies (processing bodies) im Cytoplasma, den Orten der Zelle, an denen defekte oder nicht mehr aktive Transkripte abgebaut werden. Während dieses Vorgangs entfernt das zelluläre DecappingEnzym DCP2/DCP1 die 5’-Cap-Enden und schneidet diese zusammen mit einer Oligonucleotidsequenz von den Transkripten ab. Das N-Protein bindet sich an diese 5’-gecappten Oligonucleotide, sammelt sie ein und transportiert sie zu den viralen Genomsegmenten. Sie fungieren als Primer für die Synthese der viralen mRNAs, wobei ihre 3’-OH-Enden als Ausgangspunkte für die Elongation genutzt werden. Gleichzeitig löst die RNA-Chaperon-Aktivität der N-Proteine die Doppelstrangstruktur der viralen Genomsegmente in Einzelstränge auf. Die N-Proteine sind zusätzlich aber auch für die Anlagerung der kleinen Ribosomenuntereinheit an die 5’-gecappten Enden verantwortlich. Sie ersetzen dabei den gesamten zellulären eIF4F-Komplex mit dem Cap-Bindeprotein eIF4E, der RNA-Helicase eIF4A und dem Protein eIF4G. Die Bildung langer Transkripte ist darauf angewiesen, dass gleichzeitig Proteine synthetisiert werden. Vermutlich binden sich noch während der Transkription Ribosomen an das 5’-Ende der mRNA und verhindern, dass sich zwischen der mRNA und dem Genom ein RNADoppelstrang ausbildet, der die Verlängerung der Transkripte verhindert. Andererseits könnten auch Wirtszellproteine mit der entstehenden mRNA wechselwirken und die Bildung von RNA/RNA-Hybriden unterdrücken. Die Transkription setzt sich nicht bis zu den Enden der Genomsegmente fort, sondern endet etwa 50 bis 100
16
16
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Nucleotide davor. Bei der Transkription des S-Segments der Phleboviren endet die Transkription an einem Terminationssignal, das sich etwa in der Mitte des Moleküls befindet (䉴 Abbildung 16.4B). Die 3’-Enden der mRNA werden offensichtlich nicht polyadenyliert. Die Translation der mRNA in Protein wird folglich noch im Verlauf der Transkription initiiert. Die GPCVorläuferproteine werden mittels einer aminoterminalen Signalsequenz durch die Membran des endoplasmatischen Reticulums geschleust und dort verankert. Sie werden durch eine mit diesem Kompartiment assoziierte Protease prozessiert, sodass die Proteine Gn und Gc und – in manchen Fällen – NSm entstehen. Im weiteren Verlauf werden die Proteine glycosyliert und durch Anfügen von Fettsäuren modifiziert. Danach muss ein vollständiger, durchgehender RNAGegenstrang synthetisiert werden. Dieser RNA-Plusstrang ist nicht gecappt und besitzt keine zusätzlichen Basen am 5’-Ende – ob sie für die Initiation andere Primer benötigt, ist unklar. Für die Bildung dieser Antigenome muss die Aktivität des L-Proteins modifiziert werden; möglicherweise geschieht das durch Interaktion mit den neusynthetisierten N-Proteinen. Danach komplexieren die Antigenome mit N-Proteinen und dienen als Matrizen für die Bildung neuer viraler Genomsegmente in Negativstrangorientierung. In menschlichen Zellen, die mit La Crosse-, CCHF- oder Rift-ValleyFieber-Viren infiziert sind, wird dieser Vorgang durch Interferon unterdrückt, indem das interferoninduzierte MxA-Protein die neu gebildeten N-Proteine durch Komplexbildung funktionell inaktiviert und so die Replikation blockiert. Im Falle des S-Segments der Phleboviren, das ähnlich der Genomsegmente der Arenaviren in antisense-Orientierung genutzt wird (䉴 Abschnitt 16.1), dient der RNA-Plusstrang nicht nur für die Synthese neuer Negativstränge, sondern auch für die Bildung NSs-spezifischer mRNAs (䉴 Abbildung 16.4B). Die bei der Replikation gebildeten Genomsegmente interagieren mit den N- und L-Proteinen zu Nucleocapsiden. Elektronenmikroskopische Daten weisen darauf hin, dass die Morphogenese – mit Ausnahme der respiratorischen Hantaviren, die sich an der Cytoplasmamembran zusammenbauen – an den Membranen der Golgi-Vesikel abläuft. Die G-Proteine sind hier stark angereichert, und die Nucleocapside interagieren vermutlich über Domänen der N-Proteine mit den intracytoplasmatischen Anteilen der G-Proteine. Die GolgiMembran umhüllt die Nucleocapsidsegmente, die so entstehenden Partikel werden in das Lumen der GolgiVesikel abgeschnürt, die anschließend an die Zelloberfläche transportiert werden. Hier verschmilzt die Vesikel- mit der Cytoplasmamembran, und die Viren werden in die Umgebung abgegeben.
Ähnlich wie bei den Orthomyxoviren gibt es auch bei den Bunyaviren keine Hinweise auf einen Mechanismus, der dafür sorgt, dass jedes Viruspartikel die für die Infektiosität richtige Kombination an Nucleocapsidsegmenten erhält. In vitro können bei Coinfektion derselben Kultur mit verschiedenen Virusvarianten Reassortanten erzeugt werden, was auch unter natürlichen Bedinungen erfolgen kann.
16.2.5 Humanpathogene Bunyaviren Die Hantaviren Epidemiologie und Übertragung Die Hantaviren verursachen bei Menschen das hämorrhagische Fieber mit nephropathischem Syndrom, auch HFRS (hemorrhagic fever with renal syndrome) genannt oder das Hantavirus-assoziierte cardio-pulmonale Syndrom (HCPS). Die Infektionen werden fast immer von infizierten Nagetieren auf den Menschen übertragen, nur beim HPS verursachenden, südamerikanischen Andes-Virus wurde die Übertragung der Infektion von Mensch zu Mensch wiederholt nachgewiesen. Meist sind die Übertragungen auf den Kontakt mit durch tierische Exkremete viruskontaminiertem Erdstaub zurückzuführen. Infektionen wurden gelegentlich auch bei Laborpersonal und Tierpflegern gefunden, die in Tierställen beschäftigt oder an Tierexperimenten beteiligt waren. Der Name Hantavirus leitet sich vom Fluss Hantaan in Korea ab. In diesem Gebiet ereigneten sich um 1950 während des Koreakrieges die ersten erfassten Erkrankungen. Das 1978 identifizierte Hantaanvirus infiziert koreanische Brandmäuse (Apodemus agrarius corea) und persistiert in dieser Mausart. Es wird mit dem Speichel, Urin und Kot der Tiere ausgeschieden und so auf Menschen übertragen. Bei den Nagetieren fanden sich Krankheitszeichen nur bei experimenteller Infektion von Hamstern, neugeborenen oder immundefizienten Scid-Mäusen (severe combined immunodeficiency) – letztere besitzen weder ein humorales noch ein zelluläres Immunsystem und sterben nach der Infektion mit Hantaanviren an einer Encephalitis. Die Übertragung auf andere Mausarten oder Labortiere erwies sich als schwierig, ebenso die Züchtung des Virus in Zellkulturen. Heute kann man das Hantaanvirus in Vero-E6Zellen (Nierenzellkulturen von Grünen Meerkatzen) vermehren. Die Infektion verursacht dort keinen ausgeprägten cytopathischen Effekt. Das Hantaanvirus ist in Asien und Ostrussland verbreitet, gelegentlich werden Infektionen auch in Südeuropa berichtet. Inzwischen sind mehrere Serotypen der
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q Die Entdeckung des Hantavirus Die Hantaviren erlangten erstmals während des Koreakrieges in den frühen fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts internationale Aufmerksamkeit: Mehr als 3 000 UN-Soldaten mussten aufgrund des Koreafiebers, das mit Nierenversagen und Schock einherging, stationär behandelt werden, etwa sieben Prozent verstarben. Der für dieses koreanische hämorrhagische Fieber (KHF) verantwortliche Infektionserreger blieb bis 1978 unbekannt, als das Hantaanvirus von Ho Wang Lee und Mitarbeitern aus der gestreiften koreanischen Brandmaus (Apodemus agrarius corea) isoliert und der Familie der Bunyaviren zugeordnet
Hantaviren bekannt, die mit dem Hantaanvirus verwandt sind. Gemeinsam ist allen, dass sie sich jeweils an eine bestimmte Mausart angepasst haben, in welcher sie persistieren. Diese geographische Verbreitung der unterschiedlichen Wirte bestimmt damit auch das Auftreten der Infektion im Menschen. Übertragungen auf andere, auch auf nah verwandte Mausspezies, erwiesen sich in fast allen Fällen als erfolglos. Die Puumalaviren sind in Skandinavien, Europa und den osteuropäischen Staaten verbreitet. Sie verursachen persistierende Infektionen bei Rötelmäusen (Clethrionomys glareolus; engl.: bank vole) und werden von ihnen über Speichel, Urin und Kot ausgeschieden. Das Virus ist in damit kontaminierter Erde vorhanden und kann über Staub und Aerosole auf die Schleimhäute des Menschen übertragen werden. Es verursacht die Nephropathia epidemica (Niereninsuffizienz mit Proteinurie nach Fieber), eine dem koreanischen hämorrhagischen Fieber ähnelnde Erkrankung, die jedoch weit weniger schwer und ohne hämorrhagische Symptome verläuft. Häufig sind die Infektionen asymptomatisch. Etwa zwei bis vier Prozent der Bevölkerung in Deutschland weisen Antikörper gegen diese Viren auf. Neben dem Puumulavirus sind in Europa die Tulaund Dobravaviren verbreitet, von letzteren existieren zwei Varianten: Dobrava Aa und Af. Die Tulaviren werden von der Feldmaus (Microtus arvalis), die Dobravaviren Aa und Af von Brand- (Apodemus agrarius) beziehungsweise Gelbhalsmäusen (Apodemus flavicollis) übertragen. Sie rufen gelegentlich schwere Erkrankungen hervor, deren Verläufe denjenigen von Hantaanvirusinfektionen in Südostasien gleichen. Das Seoulvirus infiziert verschiedene Rattenarten (䉴 Tabelle 16.3). Es kam ursprünglich in Ostasien vor, heute ist es durch infizierte Ratten auf Schiffen in fast alle Hafenstädte ver-
wurde. Sie beobachteten, dass Seren von am Koreafieber erkrankten Patienten mit Proteinen in der Lunge der gestreiften koreanischen Feldmaus (Apodemus agrarius corea) reagierten. Das Virus ließ sich auf diese Mausart übertragen und verursacht eine persistierende Infektion. Das Hantaanvirus und die mit ihm verbundene Erkrankung, das HFRS, waren vermutlich jedoch seit langem in Korea verbreitet. Man schätzt dass heute, verursacht durch die unterschiedlichen Typen der Hantaviren, weltweit jährlich 150 000 Fälle des HFRS auftreten.
schleppt worden und somit weltweit verbreitet. Die Infektion verläuft beim Menschen häufig schwer. Man schätzt, dass das Seoul- zusammen mit dem Hantaanvirus in China und Südostasien jährlich etwa 100 000 Fälle von HFRS beim Menschen verursacht. In den USA und anderen Ländern des amerikanischen Kontinents hat man in vergangenen Jahren weitere Vertreter des Genus Hantavirus isoliert: 1993 trat in einem Reservat der Navajo-Indianer im Südwesten der USA eine schwere Epidemie auf, die mit fulminanten Lungen- und Herzversagen einherging. In den ersten Beschreibungen wurden für dieses Virus verschiedene Namen (Four-Corners-, Sin-Nombre- oder MuertoCanyon-Virus) verwendet. Inzwischen hat man sich auf die Bezeichnung Sin-Nombre-Virus geeinigt. Es wird durch die Ausscheidungen infizierter Mäuse (Peromyscus maniculatis) übertragen und verursacht eine sehr schwere Erkrankung des Respirationstraktes mit möglichem Lungen- und Herzversagen – HCPS (hantavirus cardio-pulmonary syndrome) genannt. Interessanterweise fanden sich alte Überlieferungen bei den Indianern, die ähnliche Episoden in früheren Zeiten nahe legen, und zwar in Zusammenhang mit klimatisch bedingten Mäuseplagen. Seit der Entdeckung des SinNombre-Virus hat man auf dem amerikanischen Kontinent weitere Serotypen der Hantaviren identifiziert, deren Infektion beim Menschen ebenfalls HCPS hervorruft. Seit der ersten Epidemie wurden etwa 1 000 Fälle dokumentiert, die zu über 50 Prozent tödlich verliefen.
Klinik Die Hauptsymptome der Hantavirusinfektionen sind Fieber mit und ohne Hämorrhagie, Nephropathie und pulmonales Syndrom. Das hämorrhagische Fieber mit
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nephropathischem Syndrom (HFRS) äußert sich abhängig vom Virustyp in unterschiedlicher Schwere. Nur bei etwa einem Drittel der mit Hantaviren Infizierten kommt es zu Hämorrhagien, in den übrigen Fällen verläuft die Erkrankung grippeähnlich mit hohem Fieber und Muskelschmerzen. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich ein bis zwei Wochen, in seltenen Fällen wurden Zeiträume von über sechs Wochen beschrieben. Die ersten Symptome (hohes Fieber, Frösteln und Muskelschmerzen) setzen plötzlich ein und können mit starken Kopf- und Rückenschmerzen verbunden sein. Diese Phase hält drei bis sieben Tage an. Daran schließen sich in etwa 30 Prozent der Fälle die hämorrhagischen Symptome an, die sich als punktförmige Blutungen (Petechien) in der Augenbindehaut und den Schleimhautbereichen äußern. Es kann auch zu Blutungen im Gastrointestinaltrakt und der Lunge kommen. Diese Patienten entwickeln Thrombocytopenien und in ihrem Urin lassen sich die Erreger sowie Blut und Proteine als Zeichen der Nephropathie nachweisen. Noch während der ersten Krankheitswoche tritt ein Blutdruckabfall ein, der bei bis zu 15 Prozent der Patienten in hypovolämische Schockzustände (Schock nach Blut- oder Flüssigkeitsverlust) übergehen kann, die bei etwa einem Drittel tödlich verlaufen. Mit der Rückentwicklung zu normalen Blutdruckwerten setzt eine etwa drei bis sieben Tage andauernde verminderte Harnproduktion (Oligurie) mit Azotämie ein, die durch direkte und indirekte Beeinträchtigung der Nierenfunktion bedingt ist. In dieser Phase können auch Todesfälle durch Herzversagen, Lungenödeme und Gehirnblutungen auftreten – beispielsweise verursacht durch kapilläre Hämorrhagie und intravasale Gerinnung mit Verbrauchskoagulopathie. Eine verstärkte Urinbildung von drei bis sechs Litern pro Tag zeigt die Überwindung der Erkrankung an (polyurische Phase). Die Rekonvaleszenz bis zur Ausbildung normaler Elektrolytwerte dauert jedoch bis zu drei Monate. Neben der Nephropathie kann bei einigen Virustypen auch die Leberschädigung im Vordergrund stehen. Bei der deutlich milder verlaufenden Nephropathia epidemica findet man meist keine hämorrhagischen Symptome und praktisch nie Schockzeichen. Das Hantavirus-assoziierte pulmonale Syndrom ist anfänglich für drei bis fünf Tage ebenfalls durch Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen gekennzeichnet, weist dann aber einen sehr schwerwiegenden klinischen Verlauf auf. Es bildet sich schnell ein ausgeprägtes, radiologisch nachweisbares pulmonales Ödem aus, das durch eine erhöhte Kapillarpermeabilität im Lungenendothel verursacht wird und den Sauerstoffaustausch in der Lunge massiv beeinträchtigt. Die Patienten weisen starke Atemnot (Tachypnoe) und Zeichen der progressiven Hypoxämie auf und müssen daher innerhalb von 24
Stunden künstlich beatmet werden. Infolge dieses ARDS (acute respiratory distress syndrome) kommt es auch zum Abfall der Thrombocytenzahl, der mit Gerinnungsproblemen, Verbrauchskoagulopathie und Kreislaufschock bei massiver Rechtsherzbelastung, der mit Blutdruckabfall und Herzkreislaufversagen verbunden ist. Durch diese Kombination von Symptomen, die Lunge, Herz und Kreislauf betreffen, liegt die Letalität bei bis zu 50 Prozent. Die überlebenden Patienten erholen sich allerdings wieder sehr schnell.
Pathogenese Das Virus wird durch Aerosole auf die Mund-, Nasenund Rachenschleimhaut übertragen und infiziert im weiteren Verlauf die Endothelzellen und Makrophagen. Dabei bindet es sich an die als Heterodimere vorliegenden Integrine αvβ3, die sich auf der Oberfläche der Zielzellen befinden, und verbreitet sich so im Organismus. Bei infizierten Personen lässt sich das Virus vor allem in der Niere, aber durch die virämische Ausbreitung auch in Leber, Milz, Lunge, Herz und Gehirn nachweisen. Das Ausmaß der histopathologischen Veränderungen mit verstreuten Hämorrhagien und Zerstörungen der Nierentubuli und des Nierenmarks ist von der Schwere der Erkrankung abhängig. Im Cytoplasma der Epithelzellen der Nierentubuli findet man virale Glycoproteine. Die Zellzerstörungen mit nekrotischen und apoptotischen Zeichen scheinen teilweise direkt durch die Virusinfektion bedingt zu sein. Die bei pathogenen und nichtpathogenen Virusstämmen unterschiedlich stark ausgeprägte Fähigkeit, die interferonvermittelte, unspezifische Immunabwehr einzuleiten, scheint von den Aminosäuresequenzen in der cytoplasmatischen Domäne der Glycoproteinkomponenten bestimmt zu sein (䉴 Abschnitt 16.2.3). Daneben scheint die Schwere der Erkrankung mit der Zahl von cytotoxischen TLymphocyten assoziiert zu sein, die im Infektionsverlauf gebildet werden und die virusinfizierten Zellen erkennen. Bei Sin-Nombre-Virus infizierten Patienten mit schwerer HCPS war die Zahl an CD8+-T-Lymphocyten signifikant höher als bei Patienten mit weniger schweren Verläufen. Auch scheint die Schwere der Infektionen mit bestimmten HCLA-Typen verbunden zu sein. Patienten mit den Haplotypen HCLA-B8 und DRB1*0301 entwickeln nach Puumulavirusifektionen häufiger schwere Formen der Nephropatica epidemica als Träger des HCLA-B27. Die für die verschiedenen Hantavirustypen empfänglichen, immunologisch ausgereiften Nagetiere etablieren eine asymptomatische, persistierende Form der Infektion. Die Tiere entwickeln eine virämische Phase, die über mehrere Monate andauern kann. Während dieser findet
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man große Virusmengen im Blut und in verschiedenen Organen. Dabei werden die Viren vor allem im Urin, aber auch im Speichel der Tiere ausgeschieden. Werden neugeborene Mäuse infiziert, so repliziert sich das Virus vor allem in den Endothelzellen der Kapillargefäße der Nieren, Lunge und des Gehirns; die virämische Phase dauert etwa zwei Wochen. In der Folge versterben die Tiere an entzündlichen Läsionen in diesen Geweben. Das Auftreten von Krankheitsanzeichen deutet darauf hin, dass sich die Viren in den immunologisch nicht kompetenten Tieren ungehindert ausbreiten und ihre Cytopathogenität mit direkter Zerstörung der infizierten Zellen entfalten können. Daneben gibt es Hinweise, dass die Zellzerstörungen sekundär sowohl durch TNF als auch durch die zelluläre Immunantwort bedingt sind. Werden die TNF-Rezeptoren der Mäuse durch monoklonale Antikörper blockiert, entstehen keine hämorrhagischen Symptome.
Immunreaktion und Diagnose Bei jedem ausgesprochenen Verdacht auf virales hämorrhagisches Fieber, die nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Infektionserkrankungen sind, ist über ein dazu ausgewiesenes Zentrum (in Deutschland derzeit in Hamburg, Berlin, Marburg, Leipzig und München) eine entsprechende PCR-Diagnostik, unter Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen beim Versand, unverzüglich anzustreben. Der Nachweis von viraler RNA mittels RT-PCR ist zur Diagnose der akuten Infektion obligat. IgM-Antikörper gegen die N-Proteine lassen sich bei Patienten etwa sieben Tage nach der Infektion, das heißt meist schon mit dem Einsetzen der Symptome, in ELISA-Tests entdecken. Die IgM-Konzentration sinkt nach drei bis sechs Monaten wieder unter die Nachweisgrenze ab. IgG- folgen den IgM-Antikörpern relativ bald und bleiben wahrscheinlich lebenslang erhalten. Auf mögliche Kreuzreaktivitäten ist zu achten. Antikörper gegen die G-Proteine sind virusneutralisierend und hemmen die Adsorption ebenso wie die Fusions- und Hämagglutinationsaktivität. Iatrogen bedingte IgMNegativität kann ein diagnostisches Problem sein, wenn aus therapeutischen Gründen ein Plasmaaustausch bei den Patienten vorgenommen wird. Kreuzreagierende IgM-Antikörper gegen die G-Proteine unterschiedlicher Serotypen wie Puumula-, Dobrava- und Hantaanvirus finden sich vor allem in der Frühphase der Infektion. Bei unklarer Serologie ist eine Abklärung mittels Western Blot wichtig. Virusspezifische Antikörper und Immunkomplexe werden zeitweise über den Urin der Patienten ausgeschieden. Ihr Auftreten korreliert jedoch nicht mit der Schwere der Infektion. Ob sie für die Pathogenese der Infektion wichtig sind, ist unklar.
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Therapie und Prophylaxe Es gibt bisher keinen zugelassenen Impfstoff. In Korea und China hat man durch Formaldehyd inaktivierte Viruspräparationen aus den Gehirnen infizierter Nagetiere auf ihre Wirksamkeit getestet. Es wurde eine vor HFRS schützende Wirkung gezeigt, allerdings konnte man nur in der Hälfte der Geimpften neutralisierende Antikörper nachweisen. Impfstoffe auf der Basis von inaktivierten Viren, die in Zellkultur gezüchtet wurden, zeigten außer einer geringeren Nebenwirkungsrate eine bessere Induktion der Bildung neutralisierender Antikörper. Bei beiden Vakzinen fiel die Konzentration der neutralisierenden Antikörper jedoch sehr schnell ab, sodass ein lang anhaltender Schutz derzeit sehr fraglich ist. In einigen Studien wurde Ribavirin zur Therapie des HFRS eingesetzt. Die Therapie zeigte eine Verringerung der Morbidität und Mortalität. Bei HCPS-Patienten konnte diese Wirkung nicht eindeutig bestätigt werden. In Modellsystemen, bei welchen Nagetiere mit SinNombre-Viren infiziert wurden, erwies sich die Behandlung mit Ribavirin, mit antivirale Antikörper enthaltenden Plasmaproben von Probanden mit abgelaufener Infektion oder mit gegen die Integrin-β3-Kette gerichteten Antikörpern als erfolgreich. Auch Interferon-β zeigte in vitro eine sehr gute Hemmung der Hantavirusreplikation. Ob Interferon-β zur Therapie von schweren HFRS oder HCPS angewandt werden kann, ist allerdings nicht endgültig erprobt. Die beste Vorsorge ist es, den Kontakt mit infizierter Erde oder Staub – beispielsweise durch das Tragen von Masken – zu meiden, was jedoch bei den exponierten Personengruppen (Landarbeitern, Kanalund Straßenbauern) meist wenig praktikabel ist. Labornagetiere sollten auf persistierende Hantavirusinfektionen hin getestet werden, um so die Gefährdung von Tierpflegern und Mitarbeitern möglichst gering zu halten.
16.2.6 Tier- und humanpathogene Bunyaviren In jeder Gattung der Bunyaviridae – mit Ausnahme der Genera Tospo- und Hantavirus – finden sich Erreger von Tierkrankheiten. Zum Teil können die Viren durch Insektenstiche oder Zeckenbisse auf andere Tierarten und auch auf den Menschen übertragen werden. Da aufgrund der Verbreitung der Viren Infektionen beim Menschen nur in Ausnahmefällen auftreten, werden diese im Folgenden nur kurz beschrieben. Wegen des zoonotischen Potenzials werden diese Viren tierseuchenrecht-
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q Infektionen mit dem Crimean-Congo-Hemorrhagic-Fever-Virus nehmen zu Das Crimean-Congo-Hemorrhagic-Fever-Virus (CCHFVirus) ist in weiten Bereichen Osteuropas, Asiens und Afrikas verbreitet. Es wird durch Schildzecken der Gattung Hyalomma übertragen, die das Virus auf die verschiedenen Entwicklungstadien der Zecken weitergeben. Dadurch können sich schnell endemisch mit den Viren infizierte Zeckenherde bilden. Unter den Säugetieren infiziert das CCHFVirus häufig Rinder und Schafe. Diese Tiere bilden auch das Reservoir für die Viren und entwickeln im Infektionsverlauf eine Virämie, die ausreicht, um saugende Zecken die Erreger mit dem Blut aufnehmen zu lassen. Werden Menschen
lich reglementiert. Auch deshalb stellt die Untersuchung der Bunyaviren hohe Ansprüche an die Sicherheitsausstattung der Labors, die L4-Bedingungen entsprechen müssen. Von besonderer tiermedizinischer Bedeutung sind das Rift-Valley-Fieber-Virus (Rifttalfiebervirus) und das Nairobi-Sheep-Disease-Virus. Daneben erlangen das Crimean-Congo-Hemorrhagic-Fever-Virus (CCHF-Virus) sowie das Akabanevirus eine immer größere Bedeutung. Letzteres ist in Australien, Neuseeland, Asien und Afrika verbreitet. Infektionen mit dem Akabanevirus verursachen bei Wiederkäuern (Rinder, Schafe, Ziegen) Missbildungen der Feten, etwa Microencephalie oder Arthrogrypose. Werden die Tiere nach der Geburt infiziert, dann zeigen sie, wie auch die infizierten Muttertiere, keinerlei Symptome; Erkrankungen des Menschen wurden bisher nie beobachtet. Das Akabanevirus wird durch Mücken der Gattungen Culicoides, Culex und Aedes übertragen. Eine Vakzine auf der Basis von abgetöteten Viren ist verfügbar und wird in den Endemiegebieten eingesetzt. Das CCHF-Virus, ein Nairovirus, kann durch infizierte Hyalomma-Zecken von erkrankten Tieren auf Menschen übertragen werden und ein schweres virales hämorrhagisches Fieber (VHF) auslösen. Das Verbreitungsgebiet des CCHF-Virus erstreckt sich von China bis Zentralasien, dem Mittleren Osten bis hin nach Osteuropa und Afrika. Da das Virus auch von erkrankten Menschen direkt weitergegeben wird, ist es von reisemedizinischer Bedeutung. Das La Crosse-Virus ist ein Vertreter aus der Gruppe der California-Encephalitis-Viren. Es ist in den USA die häufigste Ursache einer viralen Encephalitis im Kindesalter, die mit neuronalen Folgeerscheinungen (Lähmungen) verbunden sein kann. Das Virus wird durch
von infizierten Zecken gebissen oder haben sie direkten Kontakt mit dem infizierten Blut der Tiere (beispielsweise Arbeiter auf Schlachthöfen oder Metzger), dann erkranken sie schwer und entwickeln die Symptome eines hämorrhagischen Fiebers. 20 bis 40 Prozent der Patienten sterben. Bisher gibt es keine Impfstoffe zum Schutz der Menschen und der Tiere. Diesen kommt jedoch eine immer größere Bedeutung zu, weil sich die infizierten Zecken und somit auch die Viren immer weiter auszubreiten scheinen. Tiermedizinisch ist dieses Virus ohne Bedeutung, die Infektionen in Rindern und Schafen verlaufen subklinisch.
Mücken (Aedes triseriatus) übertragen. Die infizierten Mücken können die Viren vertikal über die Eier auf die Folgegeneration weitergeben. In Mückenlarven, die während der Diapause (Überwinterungsphase) mit unterschiedlichen Bunyaviren infiziert sind, bilden sich bevorzugt Reassortanten. Nager – wie zum Beispiel Eichhörnchen oder Streifenhörnchen (engl.: chipmunk) – stellen das Reservoir dar. Eine ähnliche Rolle spielt in anderen Regionen Nordamerikas das Snowshoe-HareVirus. Beide Viren sind tiermedizinisch ohne Bedeutung.
Das Rift-Valley-Fieber-Virus Epidemiologie und Übertragung Das Rift-Valley-Fieber-Virus ist nach einer Region im Osten Afrikas benannt, in der es erstmals aus erkrankten Rindern isoliert wurde. Es ist jedoch auf dem ganzen afrikanischen Kontinent verbreitet und ein wichtiger Erreger von Erkrankungen bei Wiederkäuern. Außerhalb Afrikas wurde das Virus bisher nicht gefunden. Seine besondere Bedeutung liegt in seinem zoonotischen Potenzial. Hochempfänglich sind Schafe sowie Rinder und Ziegen. Jungtiere sind dabei besonders empfindlich. Der Mensch gilt als moderat empfänglich und Infektionen verlaufen zu etwa zehn Prozent tödlich. Das Rift-Valley-Fieber-Virus wird durch eine Vielzahl von Stechmückenarten der Gattungen Aedes und Culex übertragen. Innerhalb der Population von Aedes spp. bleibt das Virus durch transovarielle Übertragung als Reservoir erhalten. Insbesondere Aedes-Mücken, die ihre Eier in feuchten Boden und nicht in Wasser ablegen, spielen für die Ausbrüche eine wichtige Rolle. Die Eier können in trockenem Boden jahrelang überdauern, und
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die Larven auch nach einem schweren Regenfall schlüpfen. Unter entsprechenden klimatischen Voraussetzungen kann es zur massenhaften Vermehrung der Insekten und somit auch zu einer effizienten Verbreitung und zum Auftreten von Epidemien kommen, während derer dann auch Krankheitsfälle beim Menschen auftreten; so kam es beispielsweise 1978 zu etwa 200 000 Erkrankungen in Ägypten. Klimatische Veränderungen in Südund Mitteleuropa können, zusammen mit der Ansiedelung von entsprechenden Mückenarten, zur Verbreitung der Rift-Valley-Fieber-Viren auch in gemäßigten Zonen beitragen – ein Szenario, das während der letzten Jahre immer wieder diskutiert wurde. Außer den Mücken stellen wilde und domestizierte Wiederkäuer ein weiteres Reservoir dar; sie werden in endemischen Zyklen infiziert und sind dabei mehrere Tage virämisch. Die Viren liegen im Blut in ausreichend hohen Konzentrationen vor, um saugende Stechmücken zu infizieren. Wichtig ist, dass die Übertragung des Virus nicht unbedingt an Stechmücken gebunden ist: Gewebe von verendeten Tieren oder kontaminierte Einstreu in den Ställen können ausreichende Virusmengen enthalten, um die Erreger auf Tiere und Menschen zu übertragen.
Klinik Nach einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis hin zu Tagen, je nach Empfänglichkeit der Tierart, entwickeln die Tiere eine systemische Infektion, bei der vor allem gastrointestinale Symptome mit Erbrechen und Durchfall auftreten. Sie sind mit einer Leberentzündung (infektiöse Hepatitis) verbunden. Im weiteren Verlauf kommt es zum seuchenhaften Verlammen oder Verkalben innerhalb einer mit dem Rift-Valley-Fieber-Virus infizierten Herde. Bis zu 100 Prozent der trächtigen Schafe oder Rinder zeigen Aborte. Dieses Symptom ist auch unter dem Begriff abortion storms bekannt. Im Menschen verlaufen die meisten Infektionen subklinisch, es werden aber regelmäßig, wenn auch selten, schwere und tödliche Erkrankungen beobachtet; die Mortalität beträgt fünf bis zehn Prozent. Die Symptome ähneln denen einer Grippe. Nach einer kurzen Inkubationszeit von zwei bis sechs Tagen kommt es zu Fieber, starken Kopf-, Augen- und generalisierten Muskelschmerzen, sowie Lichtscheue. Als Komplikationen sind eine milde Encephalitis, Retinitis oder hämorrhagisches Fieber mit Hepatitis bekannt.
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knoten transportieren. Durch die Infektion weiterer Zellen kommt es zur Verbreitung des Virus im Rahmen einer ersten Virämie. Hierdurch gelangt es zu seinen Zielorganen wie der Leber, dem zentralen Nervensystem und – bei trächtigen Tieren – dem Fetus und vermehrt sich dort lytisch. Unter geeigneten Kulturbedingungen sind die Polymerasekomplexe der Toscana- und der Rift-Valley-Fieber-Viren in der Lage, die gegenseitige Transkription und Replikation der Genomsegmente zu bewirken. Weil auch die Verbreitungsgebiete dieser beiden Phlebovirustypen überlappen, ist eine Reassortantenbildung zumindest theoretisch möglich.
Immunreaktion und Diagnose Tiere, welche die Infektion mit dem Rift-Valley-FieberViren überleben, haben eine lang andauernde, schützende Immunität. Die Diagnose kann durch die Züchtung des Virus in Verozellen, durch den Nachweis viraler Proteine in den infizierten Geweben (lymphatische Gewebe, Leber, Fetus) oder durch Amplifikation der Virusgenome mittels der Polymerasekettenreaktion gestellt werden. Serologisch ist der Nachweis der Infektion durch Untersuchung von in zeitlichem Abstand abgenommenen Serumpaaren im Neutralisationstest, oder ELISA möglich. Für die Diagnostik beim Menschen gilt ähnliches, die akute Infektion wird jedoch mittels der RT-PCR nachgewiesen.
Bekämpfung und Prophylaxe Verschiedene attenuierte Lebend- oder Totimpfstoffe sind beim Tier verfügbar. Veränderungen im NSs-Gen führen zum Verlust der Antiinterferonwirkung des NSs-Proteins. Solche Virusmutanten induzieren große Mengen an Interferon in infizierten Tieren und sind hochgradig attenuiert. Die Bekämpfung erfolgt in Form von Impfprogrammen vor der Flugzeit der Stechmücken sowie durch deren Bekämpfung durch Trockenlegung der Brutstätten und Einsatz von DDT zur Abtötung der Insektenlarven. Ein zur Anwendung im Menschen zugelassener Impfstoff existiert nicht, ebenso gibt es keine antivirale Therapie. In Deutschland sind Infektionen mit dem Rift-Valley-Fieber-Virus zwar meldepflichtig, jedoch bisher nicht aufgetreten.
Das Nairobi-Sheep-Disease-Virus
Pathogenese
Epidemiologie und Übertragung
Die Viren gelangen mit den Speicheldrüsensekreten der Stechmücken in die Blutbahn und infizieren hier die Monocyten und Makrophagen, welche sie zu den Lymph-
Das Dugbe- oder Nairobi-Sheep-Disease-Virus ist in Ostafrika verbreitet, es verursacht bei kleinen Wiederkäuern, also Schafen und Ziegen, schwere hämorrhagi-
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sche Enteritiden. Neben den Endemiegebieten in Ostafrika sind einige sporadische Fälle der Nairobi-SheepDisease in Indien und Ceylon aufgetreten. Das Virus wird überwiegend durch die braune Zecke (Rhipicephalus appendiculatus) übertragen. In ihr kann das Virus über Jahre persistieren und wird auf die verschiedenen Entwicklungsstadien übertragen. Gelegentlich beobachtete Laborinfektionen des Menschen waren mit milder und transienter grippeähnlicher Symptomatik verbunden.
Klinik Das Nairobi-Sheep-Disease-Virus verursacht bei Schafen und Ziegen schwere systemische Infektionen, deren Hauptsymptom eine hämorrhagische Enteritis mit Durchfall ist. Tragende Schafe abortieren häufig. Bis zu 90 Prozent der infizierten Tiere sterben.
Pathogenese Es gibt wenige Daten zur Pathogenese dieser von Zecken übertragenen Infektionserkrankung der Schafe und Ziegen.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnosestellung erfolgt überwiegend durch die Isolierung der Erreger aus der Milz, der Lunge und den Darmlymphknoten und der Anzucht auf Zellkulturebene. Virale Proteine kann man in der Immunfluoreszenz nachweisen.
Bekämpfung und Prophylaxe Sowohl eine Lebendvakzine auf der Basis attenuierter Viren, die nicht auf Zecken übertragen werden, sowie ein Totimpfstoff aus inaktivierten Erregern sind verfügbar und wirksam.
16.2.7 Weiterführende Literatur Accardi, L.; Prehaud, C.; Di Bonito, P.; Mochi, S.; Bouloy, M.; Giorgi, C. Activity of Toscana and Rift Valley fever virus transcription complexes and heterologous templates. In: J. Gen. Virol. 82 (2001) S. 781–785. Alff, P. J.; Gavrilovskaya, I. N.; Gorbunova, E.; Endriss, K.; Chong, Y.; Geimonen, E.; Sen, N.; Reich, N.C.; Mackow, E. R. The pathogenic NY-1 hantavirus G1 cytoplasmic tail inhibits RIG-I- and TBK-1-directed interferon responses. In: J. Virol. 80 (2006) S. 9676–9686.
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16.3 Orthomyxoviren
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355
16.3 Orthomyxoviren
Die bekanntesten Vertreter dieser Virusfamilie sind die verschiedenen Typen der Influenza-A-Viren, die beim Menschen die klassische Virusgrippe verursachen. Den ersten Hinweis darauf, dass es sich bei den Erregern der Schweineinfluenza um Viren handelt, lieferten die 1931 veröffentlichten Ergebnisse von Richard Shope: Er fand heraus, dass diese Tierseuche durch filtrierbare Agenzien ausgelöst wird. 1933 isolierten Wilson Smith, Christopher Andrewes und Patrick Laidlaw erstmals Influenza-A-Viren aus Menschen. Influenza-B-Viren wurden 1940 von Thomas Francis beschrieben, und 1955 zeigte Werner Schäfer in Tübingen, dass auch eine tödliche Erkrankung des Geflügels durch Influenzaviren verursacht wird (klassische Geflügelpest). Alle diese Viren gehören zur Familie der Orthomyxoviridae. Sie sind durch ein segmentiertes RNA-Genom in Negativstrangorientierung gekennzeichnet. Insbesondere Influenza-A-Viren sind als Erreger von akuten, hochfieberhaften Erkrankungen der Atemwege bekannt, die nicht mit dem banalen grippalen Infekt zu verwechseln sind. Die Influenza oder Grippe tritt periodisch als Pandemie auf, die meist in Südostasien und China ihren Ursprung nimmt und sich von dort weltweit ausbreitet. Influenzapandemien sind mit einer hohen Zahl von Todesfällen nicht nur bei älteren Personen, sondern auch bei Jugendlichen verbunden. Die „Spanische Grippe“ forderte in den Jahren 1918/1919 weit über 20 Millionen Todesopfer – deutlich mehr, als durch den zeitgleich wütenden Ersten Weltkrieg zu beklagen waren. Außerdem ruft das Influenzavirus durch den Vorgang des antigenic drift nachfolgende Epidemien kleineren Ausmaßes hervor, die vor allem während des Winter-
16
16
356
16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
halbjahrs auftreten. Man schätzt, dass Influenza-AVirusinfektionen im Rahmen dieser „normalen“ saisonalen Winterepidemien in Deutschland jährlich zwischen 5 000 und 15 000 Todesfälle verursachen.
16.3.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Aufgrund verschiedener molekularer Eigenschaften und der serologischen Charakteristika ihrer NP- und M-Proteine unterscheidet man Influenzaviren der Typen A, B und C. Sie werden heute drei unterschiedlichen Gattungen zugeordnet (䉴 Tabelle 16.6). Influenza-A- und -BViren verfügen jeweils über acht Genomsegmente, unterscheiden sich aber in etlichen Eigenschaften. Influenza-C-Viren besitzen nicht nur eine andere Anzahl von Genomsegmenten (sieben), sondern auch andere Oberflächenproteine: Influenza-A- und -B-Viren codieren für je ein Hämagglutinin (HA) und eine Neuraminidase (NA), Influenza-C-Viren vereinigen beide Eigenschaften in einem Oberflächenprotein, dem Hämagglutinin-Esterase-Fusionsprotein (HEF). Während Influenza-A-Viren außer dem Menschen noch viele andere Säugetiere und Vögel infizieren können, wurden Influenza-B-Viren bisher nur aus Menschen und Robben, Influenza-C-Viren nur aus Menschen und Schweinen isoliert. Weitere Vertreter der Orthomyxoviren sind die Thogoto- und Dhoriviren, die in Afrika, Asien und Südeuropa verbreitet sind und durch Zecken übertragen werden. Sie bilden eine eigene Gattung (Thogotovirus), verfügen über sechs Genomsegmente und führen zu fiebrigen Erkrankungen mit Aborten bei Tieren (Schafe, Rinder, Ziegen) und zu neurologischen Symptomen beim Menschen. Das Virus der infektiösen Anämie der Lachse (Infectious-SalmonAnemia-Virus) wurde jüngst in das neu geschaffene Genus Isavirus eingeordnet. Ein gemeinsames Merkmal aller bisher untersuchten Orthomyxoviren ist, dass sie durch die interferoninduzierten Mx-Proteine in ihrer Vermehrung gehemmt werden (䉴 Exkurs Angeborene Abwehr gegen Influenzaviren).
16.3.2 Aufbau Viruspartikel Die Viruspartikel der Orthomyxoviren sind pleomorph, das heißt, sie sind hinsichtlich ihrer Größe und Form stark unterschiedlich. Man findet hauptsächlich sphärische Formen mit einem Durchmesser von etwa 120 nm, aber auch filamentöse Virionen. Sie bestehen aus segmentierten Nucleocapsiden, die von einer Hüllmembran umgeben sind (䉴 Abbildung 16.6). In diese sind viruscodierte, glycosylierte Oberflächenproteine (spikes) eingelagert: Bei den Influenza-A- und -B-Viren handelt es sich um das Hämagglutinin (HA), das etwa sieben bis acht Nanometer aus der Partikeloberfläche herausragt und als trimerer Komplex vorliegt, sowie um die Neuraminidase (NA), deren aktive Form durch ein Homotetramer repräsentiert wird. Das HA-Protein ist für die Adsorption der Viren an N-Acetyl-Neuraminsäuren auf der Oberfläche der Wirtszellen verantwortlich. Daneben kann es Membranen fusionieren und Erythrocyten agglutinieren. Das NA-Protein spaltet endständige N-Acetyl-Neuraminsäuren von komplexen Kohlenhydraten ab, sodass die Freisetzung der neusynthetisierten Viruspartikel gewährleistet werden kann. InfluenzaC-Viren besitzen statt der HA- und NA-Proteine nur einen Typ von Oberflächenproteinen, nämlich das als trimerer Komplex vorliegende HEF-Protein. Zusätzlich findet man bei allen Influenza-A-Viren ein weiteres, als Tetramer vorliegendes kleines Protein M2 in einer geringen Kopienzahl von etwa 20 bis 60 Molekülen in der Membran verankert, das die Funktion eines Protonenkanals besitzt. Das Matrixprotein M1 ist mit der Innenseite der Lipiddoppelschicht assoziiert und kleidet diese aus. Die Hüllmembran umgibt die viralen Nucleocapside. Diese setzen sich bei Influenza-A- und -B-Viren sowie beim Virus der infektiösen Anämie der Lachse aus acht Segmenten einzelsträngiger RNA zusammen, beim Influenza-C-Virus aus sieben. Die Nucleinsäuresegmente sind über ihre gesamte Länge mit den Nucleoproteinen NP komplexiert. Zusätzlich sind an jedem Ab-
Tabelle 16.6 Charakteristische Vertreter der Orthomyxoviren Genus
Mensch
Tier
Influenza-A-Virus
Influenza-A-Viren
Influenza-A-Viren (Schweine, Pferde, Robben, Puten, Enten, Möwen etc.)
Influenza-B-Virus
Influenza-B-Viren
Influenza-B-Viren (Robben)
Influenza-C-Virus
Influenza-C-Viren
Influenza-C-Viren (Schwein)
Thogotovirus
Thogotovirus, Dhorivirus (Zecken, Rinder, Schafe, Ziegen, Nagetiere)
Isavirus
Virus der infektiösen Anämie der Lachse (Infectious-Salmon-Anemia-Virus)
16.3 Orthomyxoviren
schnitt die Proteine des Polymerasekomplexes, PB1, PB2 und PA, gebunden (䉴 Abbildung 16.6).
Genom und Genomaufbau Das segmentierte RNA-Genom der Influenza-A-, -Bund -C-Viren umfasst insgesamt etwa 13 600, 14 600 beziehungsweise 12 900 Basen (䉴 Tabelle 16.7). Die 3’und 5’-Enden der einzelnen Segmente sind über kurze Bereiche zueinander komplementär und bilden Dop-
357
pelstränge aus, über welche die RNA-Moleküle in einer quasizirkulären, pfannenstielähnlichen Form gehalten werden. Sie codieren nicht für Proteine, sondern stellen die Signalsequenzen für die Initiation der Transkription und der RNA-Replikation dar. Mit der einzelsträngigen RNA sind die basischen, argininreichen NP-Proteine assoziiert, wobei jedes NP-Molekül einen Abschnitt von etwa 20 Nucleotiden abdeckt. Als weitere Proteine, die mit den RNA-Abschnitten verbunden sind, finden sich pro Partikel etwa 50 Polymerasekomplexe. Sie beste-
Nucleocapsidsegment
16.6 Aufbau eines Partikels des Influenza-A-Virus. Das einzelsträngige RNA-Genom besteht aus acht Segmenten, die mit den NP-Proteinen komplexiert sind. Die Proteine des Polymerasekomplexes, PB1, PB2 und PA, sind mit den 3’-Enden verbunden. Die Nucleocapsidsegmente sind von einer Hüllmembran umgeben, in welche die Oberflächenproteine HA, NA und M2 eingelagert sind. Das M1-Protein befindet sich an der Innenseite der Membran, wo es eine Proteinschicht ausbildet.
16
16
358
16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 16.7 Die RNA-Genomsegmente der Influenzaviren und die Proteine, für die sie codieren Segment
Influenza-A-Virus*
Influenza-B-Virus
Influenza-C-Virus
Länge (Basen)
Protein
Länge (Basen)
Protein
Länge (Basen)
Protein
1
2 341
PB2
2 386
PB1
2 350
P1
2
2 341
PB1, PB1-F2, PB1 A/40
2 396
PB2
2 350
P2
3
2 233
PA
2 304
PA
2 150
P3
4
1778
HA
1 882
HA
2 000
HEF
5
1 565
NP
1 841
NP
1750
NP
6
1 413
NA
1 557
NA, NB
1150
M1, CM2
7
1 027
M1, (A/)M2
1 191
M1, BM2
975
NS1, NS2
8
890
NS1, NS2
1 096
NS1, NS2
–
–
* Influenza-A-Virus Stamm A/PR/8/34
hen aus den Proteinen PB1, PB2 und PA und sind bevorzugt mit den 3’-Enden der Genomsegmente assoziiert. Jedes Segment des Influenzavirusgenoms codiert für bestimmte Virusproteine, meist eines pro Abschnitt. Nur die beiden kleinen RNA-Segmente der Influenza-Aund -C-Viren sowie die Segmente sechs, sieben und acht der Influenza-B-Viren codieren für zwei Polypeptide, deren Translation von unterschiedlich gespleißten mRNA-Spezies ausgeht (䉴 Tabelle 16.7).
16.3.3 Virusproteine Strukturproteine Membranproteine Das Hämagglutinin (HA) ist ein trimerer Proteinkomplex. Vergleiche der Aminosäuresequenzen verschiedener Influenza-A- und -B-Viren lassen vermuten, dass diese sehr nahe miteinander verwandt sind und ihre HA-Proteine einen ähnlichen Aufbau besitzen. In der Gruppe der Influenza-A-Viren konnten bis heute 16 verschiedene Varianten des HAProteins (H1 bis H16) identifiziert werden, die auch die Virussubtypen bestimmen (䉴 Tabelle 16.8). Die Variante H16 wurde erstmals im Frühjahr 2005 beschrieben, sie wurde in Schwarzkopfmöven in Schweden entdeckt. Die 16 HA-Varianten unterscheiden sich in ihrer Aminosäuresequenz, in ihrer Spaltbarkeit durch zelluläre Proteasen, in ihrer Rezeptorspezifität und in der Erkennung durch Antikörper. Das Vorläuferprotein HA0 hat eine Länge von etwa 560 Aminosäuren und besitzt am aminoterminalen Ende ein Signalpeptid und nahe dem Carboxyterminus
einen Abschnitt hydrophober Aminosäuren, die das Protein in der Cytoplasmamembran der infizierten Zelle beziehungsweise der Virusmembran verankern. Drei Cysteinreste im Bereich dieser Transmembranregion sind palmitoyliert. Dies dient der festen Verankerung des HA-Trimers in Membranmikrodomänen, den sogenannten lipid rafts, die reich an Glycosphingolipiden und Cholesterin sind. Diese sehr feste Verankerung scheint für die erfolgreiche Fusion von Virus- und Endosomenmembran zu Beginn des Infektionzyklus wichtig zu sein. Im Verlauf der Translation wird die wachsende Aminosäurekette des HA0-Vorläuferproteins durch die Membran des endoplasmatischen Reticulums geschleust und dabei das Signalpeptid vom aminoterminalen Ende cotranslational abgespalten. Während des Transports durch den Golgi-Apparat zur Zelloberfläche assemblieren die HA0-Proteine zu Trimeren und werden durch Anfügen von Zuckergruppen posttranslational modifiziert. Im Bereich der Transmembranregion am carboxyterminalen Ende werden Palmitinsäurereste angehängt. Intrazelluläre und extrazelluläre trypsinähnliche Proteasen spalten das HA0-Vorläuferprotein in den aminoterminalen Anteil HA1 (36 kD, in modifizierter Form circa 50 kD) und HA2 (26 kD). Dabei wird ein Argininrest an der Spaltstelle vom Carboxylende des entstehenden HA1 entfernt. Die Spaltung ist für die Infektiosität der Viren unbedingt notwendig und stellt gleichzeitig einen wichtigen Pathogenitätsfaktor dar. Zu den Proteasen, die an diesem Vorgang beteiligt sind, zählen: 1. die Furinprotease der Golgi-Vesikel, 2. die subtilisinähnlichen Proteasen, die in den Zellen vieler Gewebetypen vorkommen. Sie sind unter anderem auch an der posttranslationalen Prozessie-
16.3 Orthomyxoviren
359
Tabelle 16.8 Verbreitung der verschiedenen Subtypen des Hämagglutinins bei Säugern und Vögeln Verbreitung HA-Subtyp
Menschen
Schweine
H1 H2 H3 H4 H5 H6 H7 H8 H9 H10 H11 H12 H13 H14 H15 H16
++ + ++
++ + +
Pferde
++
Hunde
+/–
+/–* +/–* +/–*
+ +/–
Wasservögel (Wildenten)
Seevögel (Möven etc.)
Wirtschaftsgeflügel (Hühner, Gänse etc.)
+ + ++ ++ + ++ + + + + + +
+ +
++ + + + ++ + ++ + ++ + +
+ +
+ + + + ++ + + + ++
+
+ +
+/– : selten; +: regelmäßig; ++: häufig *: Vereinzelte Übertragungen von Geflügelinfluenzaviren auf Menschen
rung von Hormonen und Wachstumsfaktorrezeptoren beteiligt, 3. das Mini-Plasmin, das speziell in den Epithelzellen der Segmentbronchien aus den Vorläuferprodukten Plasminogen oder Plasmin gebildet wird, 4. die Protease Clara, die von den sogenannten ClaraZellen (sekretorisch aktive Epithelzellen des Lungenkapillarnetzes) der terminalen, respiratorischen Bronchiolen sezerniert wird, 5. die in der Cytoplasmamembran verankerten Serinproteasen des Typ 2, beispielsweise die Proteasen TMPRSS2, TMPRSS4 und HAT. Welche der Proteasen für die Prozessierung des HA0Proteins verwendet wird, bestimmt die Aminosäuresequenz im Bereich der Spaltstelle. Befinden sich hier mehrere basische Arginine und Lysine, so kommen bevorzugt die intrazellulären furin- und subtilisinähnlichen Enzyme zum Zuge. Die neu gebildeten Viren haben damit bereits das Hämagglutinin in seiner prozessierten Version (HA1 und HA2) in ihrer Hüllmembran und sind folglich sofort nach ihrer Freisetzung von der Zelloberfläche infektiös. Von diesen Proteasen wird bevorzugt die Aminosäurefolge Arginin-X-Arginin/ Lysin-Arginin vor der Spaltstelle erkannt. Derartige polybasische Erkennungsstellen sind charakteristisch
für die hochpathogenen aviären Influenzastämme der Subtypen H5 und H7, den Erregern der klassischen Geflügelpest (䉴 Tabelle 16.8). Im Unterschied dazu haben niedrigpathogene aviäre und die humanen Influenzavirustypen mit den Hämagglutininen H1, H2 und H3 überwiegend nur eine basische Aminosäure vor der Proteasespaltstelle. Diese monobasische Spaltstelle wird von den intrazellulären Enzymen nicht gut erkannt. Die Prozessierung und damit die Induktion der Infektiosität erfolgt daher erst nach Freisetzung der Viren von den infizierten Zellen durch gewebespezifische, lokale Proteasen, wie die Protease Clara im Bronchialepithel, welche für ihre Aktivität die Sequenzfolge Glutamin/Glutaminsäure-X-Arginin vor der Spaltstelle benötigt. Man vermutet, dass diese Unterschiede für die Pathogenität und die Virulenz der verschiedenen Influenzavirussubtypen wesentlich sind (䉴 Abschnitt 16.3.5). HA1 und HA2 bleiben über eine Disulfidbrücke miteinander verbunden (䉴 Abbildung 16.7A). Durch die Spaltung wird am aminoterminalen Ende des HA2Proteins ein Abschnitt unpolarer, hydrophober Aminosäuren exponiert, der so seine fusogene Aktivität zur Verschmelzung der Virus- mit der Endosomenmembran zu Beginn des Replikationszyklus entfalten kann (vergleiche die Aktivität des F-Proteins der Paramyxoviren; 䉴 Abschnitt 15.3.3).
16
16
360
16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Die Adsorption des Virus an endständige N-AcetylNeuraminsäuren (Sialylsäuren), die sich als Modifikation von Membranproteinen oder -lipiden auf der Zelloberfläche befinden, wird durch eine globuläre Domäne im HA1-Protein vermittelt. An der Bindung sind mehrere Aminosäuren beteiligt, die durch die dreidimensio-
nale Faltung in räumliche Nähe zueinander gekommen sind (䉴 Abbildung 16.7B, C). Für die Interaktion ist wichtig, in welcher Weise die endständigen Sialylsäurereste mit dem vorletzten Zuckerrest der Kohlenhydratmodifikation verbunden sind. Hierbei handelt es sich um eine Galactose. Die Sialylsäure kann mit ihr in
16.7 Das Hämagglutinin der Influenza-A-Viren. A: Schematische Darstellung des HA-Proteins und die Lokalisation der funktionell wichtigen Domänen. Die Zahlen beziehen sich auf die Position in der Aminosäuresequenz des Hämagglutinins des Stammes A/Aichi/2/68/H3N2 (beginnend an der ersten Aminosäure am aminoterminalen Ende nach Abspaltung des Signalpeptids). Angegeben sind weiterhin die Spaltstelle, die fusogene Region, die Transmembranregion und die Cysteinreste, die eine Disulfidbrücke ausbilden, durch welche die beiden Spaltprodukte miteinander verbunden bleiben. B: Kristallstruktur des Komplexes von HA1 und HA2 nach der Spaltung, dargestellt als Bändermodell. Die Pfeile repräsentieren β-Faltblattstrukturen, die Zylinder α-Helices. Das HA1-Protein ist grau, der HA2-Anteil rot angefärbt. Im natürlichen HA2-Protein ist das Protein am carboxyterminalen Ende um die Transmembrandomäne und den kurzen cytoplasmatischen Anteil verlängert. Diese wurden aus technischen Gründen zur verbesserten Reinigung und Kristallisation des externen Teiles des Proteinkomplexes entfernt. Die Adsorptionsstelle, über welche das HA1-Protein mit endständigen Neuraminsäureresten interagiert, befindet sich an der Membran abgewandten Stelle des HA1, in dieser Abbildung im oberen Teil des HA1-Proteins, wo die Aminosäuren eine globuläre Domäne ausbilden. (Aus: Lamb, R. A; Krug, R. M. Fields Virology, Bd 1, S. 1361. Mit freundlicher Genehmigung von F. Hughson und D. Wiley, Howard Hughes Medical Institute, Harvard University, Cambridge, Mass.) C: Wechselwirkungen des HA1-Proteins mit der N-Acetyl-Neuraminsäure. Gezeigt sind die verschiedenen Aminosäuren (entsprechend ihren Positionen im HA1), die über Wasserstoffbrücken (gestrichelte Linien) und van-der-Waals-Kontakte (gepunktete Linien) mit dem Zuckerrest im Zentrum der Abbildung interagieren. Die Sternchen zeigen die Aminosäurereste an, die unter den verschiedenen Influenza-A-Virusstämmen einen hohen Konservierungsgrad aufweisen. (Aus: Wharton, S. A. et al. In: Krug, R. M. (Hrsg.) The Influenza Viruses. New York 1989, S. 135.)
16.3 Orthomyxoviren
α(2,3)- oder α(2,6)-glycosidischer Bindung verknüpft sein. Die Aminosäuren an den Positionen 226 und 228 des HA-Proteins scheinen hauptsächlich dafür verantwortlich zu sein, welche Version gebunden wird. Sie sind jedoch nicht direkt an der Interaktion beteiligt, sondern beeinflussen wohl die Konformation der Bindungsstelle. Liegen hier Leucin- beziehungsweise Serinreste vor, dann binden sich die HA-Komplexe bevorzugt an NAcetyl-Neuraminsäurereste, die in α(2,6)-Bindung mit der Galactose verknüpft sind. Die Veränderung des Leucins zu einem Glutamin sowie diejenige des Serins zu Glycin bewirkt hingegen die Erkennung der α(2,3)-glycosidischen Bindung. Dieser Unterschied spielt für den Wirtstropismus der Viren und somit für ihre Pathogenität eine wichtige Rolle. Er ist entscheidend für die Effizienz der zoonotischen Übertragung zwischen verschiedenen Arten. Das HEF-Protein der Influenza-C-Viren hat ein Molekulargewicht von 88 kD und unterscheidet sich in Funktion und Sequenz deutlich von den Proteinen der anderen Influenzaviren: Es vereinigt in sich die rezeptorbindenden und fusogenen Eigenschaften mit den rezeptorzerstörenden Aktivitäten (Neuraminidase). Ähnlich wie das HA-Protein liegt es als Trimer vor und muss zur Aktivierung der Fusionswirkung durch eine trypsinähn-
361
liche, zelluläre Protease gespalten werden. Als Rezeptor verwenden Influenza-C-Viren die N-Acetyl-9-O-AcetylNeuraminsäure. Die rezeptorzerstörende Aktivität entspricht der einer Neuraminsäure-O-Acetylesterase. Antikörper, die gegen das HA- beziehungsweise HEFProtein gerichtet sind, können die Viren neutralisieren. Leicht unterschiedliche Funktionen findet man beim Virus der infektiösen Anämie der Lachse: Es bindet an N-Acetyl-4-O-Acetyl-Neuraminsäure und verfügt über eine Esterase als rezeptorzerstörende Aktivität, welche 4-O-Acetylgruppen von den Kohlenhydratkomplexen spaltet. Die Neuraminidase (NA) der Influenza-A- und -BViren ist als Tetramer aktiv. Die NA-Monomere haben eine Länge von etwa 460 Aminosäuren. Die zur Verankerung in der Membran dienende hydrophobe Sequenzfolge befindet sich in der Nähe des Aminoterminus. Ein aminoterminales Signalpeptid existiert nicht (䉴 Abbildung 16.8A). Die glycosylierten NA-Proteine sind daher Membranproteine des Typs II, deren Aminoterminus nicht im Lumen des endoplasmatischen Reticulums, sondern im Cytoplasma der Zelle lokalisiert ist. Die Röntgenstrukturanalyse ergab, dass die NA-Proteine einen „Stiel“-Teil besitzen, der sich an die Transmembranregion anschließt. Der übrige Teil des NA-Proteins
¡ Die Klärung der Struktur des Hämagglutinins brachte wichtige Daten für das Verständnis der Proteinfunktion Im Jahre 1981 klärten Ian Wilson, John Skehel und Don Wiley den Aufbau des HA-Komplexes durch Röntgenstrukturanalyse auf. Es war das erste virale Membranprotein, bei dem dies gelang. Dafür spalteten sie den oberflächenexponierten Anteil des Komplexes durch Behandlung mit Bromelin ab und erhielten so ein lösliches Trimer. Diese und weiterführende Untersuchungen ergaben, dass die Adsorption an N-Acetyl-Neuraminsäure durch eine globuläre Domäne aus acht antiparallelen β-Faltblättern des HA1Anteils vermittelt wird. Sein aminoterminales Ende ist in Membrannähe lokalisiert (䉴 Abbildung 16.7B). Die folgenden 63 Aminosäuren haben eine gestreckte Konformation und bilden eine Art Abstandhalter zwischen der Membran und der sich daran anschließenden globulären Domäne. Die Bindung an die N-Acetyl-Neuraminsäure als zellulären Rezeptor erfolgt über eine taschenartig geformte Struktur, die für Antikörpermoleküle unzugänglich ist. Durch die Faltung der Aminosäurekette in der globulären Domäne wird die Neuraminsäurebindungstelle von Proteinbereichen umgeben, die B-Zellepitope darstellen. Hiergegen sind die neutralisierenden Antikörper gerichtet, die der Wirt im Infek-
tionsverlauf bildet. Vor allem bezüglich der Sequenzen dieser Epitope unterscheiden sich die verschiedenen Influenza-A-Virussubtypen und -varianten. Ähnlich wie bei den Picornaviren (䉴 Abschnitt 14.1) ist bei den Influenzaviren die eigentliche Rezeptorbindungsstelle nicht oberflächenexponiert und so dem Selektionsdruck durch die Antikörper entzogen. Der Teil des HA1-Proteins, der sich an die globuläre Domäne anschließt, ist so gefaltet, dass das carboxyterminale Ende wiederum in Membrannähe liegt. Die amino- und carboxyterminalen Anteile des HA1-Proteins können miteinander wechselwirken und zusammen mit dem aminoterminalen Bereich des HA2-Proteins eine stammähnliche Struktur ausbilden (䉴 Abbildung 16.7B). Im Verlauf der Adsorptionsund Aufnahmeprozesse der Viruspartikel in das zelluläre Endosomenkompartiment erfährt die Struktur des HA1/ HA2-Komplexes durch die damit verbundene Ansäuerung größere Umlagerungen, sodass die hydrophobe Region am Aminoterminus des HA2-Proteins in die benachbarte Endosomenmembran eintauchen und die Fusion vermitteln kann.
16
16
362
16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
von etwa 390 Aminosäureresten ist in eine globuläre Struktur gefaltet. Diese Domäne besteht aus sechs βFaltblattregionen, von denen jede aus vier β-Faltblättern besteht. Von oben gesehen haben sie Ähnlichkeit mit einem Flugzeugpropeller mit sechs Rotorblättern (䉴 Abbildung 16.8B). Die als Homotetramer in der Membran verankerte Neuraminidase hat die Form eines Pilzes, die miteinander interagierenden globulären Domänen bilden den „Pilzhut“. Dieses Enzym hat die Funktion, nach erfolgter Infektion die Neuraminsäurereste, die dem Virus als Rezeptor dienen, von der Zelloberfläche zu entfernen. Der Vorgang spielt bei der Freisetzung der Viruspartikel eine wichtige Rolle und soll verhindern, dass die Virionen über die HA-Proteine mit Membranbestandteilen der durch die Infektion zerstörten Zelle wechselwirken. Außerdem wird so vermutlich das Verkleben der Partikel miteinander unterbunden – die Viren selbst haben keine endständigen Neuraminsäurereste auf ihrer Oberfläche, weil diese durch das Enzym entfernt werden. Wie die HA-Proteine unterscheiden sich auch die Neuraminidasen verschiedener Virusisolate voneinander. Insgesamt kennt man bei den Influenza-A-Viren neun Subtypen von NA-Proteinen (N1 bis N9). Ebenso wie gegen die HA-Proteine werden auch gegen die Neuraminidase Antikörper gebildet, die neutralisierende Eigenschaften haben. Sie hemmen zwar nicht die Bindung der Viren an den Rezeptor, verhindern aber bis zu einem gewissen Grad die Ausbreitung im Organismus. Die Kombination der verschiedenen HA- und NA-Pro-
16.8 Die Neuraminidase der InfluenzaA-Viren. A: Schematische Darstellung des NA-Proteins und die Lokalisation der funktionell wichtigen Domänen. Die Zahlen beziehen sich auf die Position in der Aminosäuresequenz der Neuraminidase des Stammes A/Tokyo/3/67/H3N2 (beginnend am aminoterminalen Ende). Die Lage der Transmembranregion und der Domänen, die den „Stiel“ und die globuläre Proteinregion bilden, ist angegeben. B: Kristallstruktur der globulären Domäne der Neuraminidase, dargestellt als Bändermodell. Die Pfeile repräsentieren β-Faltblattstrukturen. Die sechs großen β-Faltblattregionen sind nach ihrer Lage im Protein mit β1 bis β6 bezichnet. N und C bezeichnen die amino- und carboxyterminalen Enden des Proteins; die aminoterminale Transmembranregion wurde proteolytisch entfernt. (Aus: Colman, P. M. In: Krug, R. M. (Hrsg.) The Influenza Viruses. New York 1989, S. 189.)
teine in einem Virusisolat bestimmt somit die antigenen Eigenschaften des jeweiligen Influenzavirussubtyps. Beim Influenza-B-Virus findet man auf dem Genomsegment 6 außer dem NA-Gen die genetische Information für ein weiteres, glycosyliertes Membranprotein: Das NB-Protein (12 kD) codiert in einem mit dem Neuraminidasegen überlappenden Leserahmen, der vier Nucleotide vor diesem beginnt. Das Protein ist durch eine hydrophobe Domäne gekennzeichnet, die als Transmembranregion wirkt und das Protein in der Hüllmembran der infektiösen Partikel verankert. Die Funktion des NB-Proteins ist nicht endgültig geklärt, es gibt jedoch Hinweise, dass es ähnlich wie das BM2-Protein einen Ionenkanal bildet. Gentechnisch konstruierte Virusmutanten, die das NB-Protein nicht produzieren, vermehren sich in vitro ähnlich gut wie die WildtypInfluenza-B-Viren. In infizierten Mäusen findet man dagegen einen verlangsamten Replikationszyklus. Die M1-Proteine (Matrixproteine) liegen in den Viruspartikeln in hoher Kopienzahl vor. Sie haben ein Molekulargewicht von 28 kD, sind mit der Innenseite der Hüllmembran assoziiert und bilden hier eine Schicht aus, in der sie miteinander wechselwirken. Sie besitzen keine Transmembranregion, sondern scheinen über Interaktion mit den im Cytoplasma gelegenen Abschnitten der HA-, NA- und M2-Proteine mit der Virushülle assoziiert zu sein. Zugleich sind sie mit den NP-Proteinen der Nucleocapside verbunden. Sie haben eine wichtige Funktion bei der Verpackung der Nucleocapside in die entstehenden Viruspartikel.
16.3 Orthomyxoviren
Das M2-Protein der Influenza-A-Viren (A/M2-Protein) wird zusammen mit dem M1-Protein auf dem Genomsegment 7 codiert. Für seine Synthese wird die M1-spezifische mRNA gespleißt. Die acht aminoterminalen Aminosäuren beider Proteine sind identisch. Ab dem Spleißpunkt ändert sich das Leseraster und damit die Aminosäuresequenz (䉴 Abbildung 16.9A). Das so gebildete M2-Protein hat ein Molekulargewicht von circa 15 kD und liegt in der infizierten Zelle in hoher Kopienzahl vor, im Viruspartikel dagegen nur in wenigen Einheiten. Es ist fettsäuremodifiziert und über eine Folge von 20 hydrophoben Aminosäuren (Aminosäuren 24 bis 44) in der Membran verankert. Das M2-Protein liegt in der Virushüllmembran als Tetramer vor. Die Transmembranregionen der vier Proteine interagieren und bilden einen Ionenkanal, für dessen Aktivität die Aminosäuremotive H37XXXW41 essenziell sind. Im frühen Stadium der Infektion nach Aufnahme des Viruspartikels durch Endocytose bewirkt die Protonenkanalfunktion die Ansäuerung des Virusinneren und veranlasst hierdurch eine Umlagerung der Strukturen des M1-Proteins. Dadurch lockert sich die Wechselwirkung der M1-Proteine mit den Nucleocapsiden, sodass diese im Anschluss in den Zellkern transportiert werden. Spät im Infektionszyklus werden die M2-Proteine in die Membran der Golgi-Vesikel eingelagert und verhindern durch die Regulation des pH-Wertes die vorzeitige Strukturumlagerung der HA1/HA2-Proteine und die damit in Verbindung stehende Induktion der Fusionsaktivität. Amantadin, ein antiviral wirkendes Therapeutikum, tritt in Wechselwirkung mit den Aminosäuren des Protonenkanals und hemmt so seine Funktion (䉴 Kapitel 9). Mutationen im M2-Gen, insbesondere solche, die am Kanaleingang hydrophobe durch polare Aminosäuren ersetzen (beispielsweise den Alaninrest an Position 30 durch Serin) vermitteln eine Resistenz gegen Amantadin. Bei Influenza-B-Viren ist ein M2-analoges Protein (BM2, 18 kD) ebenfalls auf dem Genomsegment 7 codiert. Es wird zusammen mit dem M1-Protein der Influenza-B-Viren von einer bicistronischen mRNA translatiert. Das Startcodon für die Initiation des BM2Proteins überlappt um eine Base mit dem Stoppcodon, das die Synthese des M1-Proteins terminiert. Das BM2Protein wirkt ähnlich wie das A/M2-Protein der Influenza-A-Viren als Ionenkanal, ein Vergleich der Aminosäuresequenzen zeigt nur geringe Homologie, jedoch ist das H19XXXW23-Motiv konserviert. Amantadin beeinflusst bei Influenza-B-Viren allerdings die Funktion des BM2-Proteins nicht. Influenza-B-Viren sind daher generell nicht durch diese und ähnliche Substanzen hemmbar. Das Protein wurde in der Cytoplasmamembran infizierter Zellen und in der Virushülle
363
nachgewiesen. Gentechnisch erzeugte Virusvarianten, deren BM2-Proteingehalt in den Viruspartikeln vermindert ist, verlieren an Infektiosität. Bei Influenza-C-Viren ist auf dem Segment 6 zusammen mit dem M1-Gen ein entsprechendes Ionenkanalprotein codiert, das als CM2 bezeichnet wird. Komponenten des Nucleocapsids Das NP-Protein ist die Haupkomponente der Nucleocapside. Die RNAMoleküle sind über ihre gesamte Länge mit dem Polypeptid komplexiert. Es ist reich an basischen Argininresten, besitzt eine Domäne, die seinen Transport in den Zellkern vermittelt, und hat ein Molekulargewicht von etwa 55 kD. Während des Replikationszyklus ist es in seiner freien, nicht-RNA-gebundenen Form für den korrekten Ablauf der Genomreplikation wichtig. Die Sequenz des NP-Proteins unterschiedlicher Influenzaviren ist hochkonserviert und bestimmt den jeweiligen Virustyp. Es besitzt wichtige T-Zell-Epitope, die von den infizierten Zellen im Komplex mit MHC-Klasse-IProteinen präsentiert werden, und ist daher für die Auslösung der zellulären Immunantwort des Wirtes und die Eliminierung der virusinfizierten Zellen aus dem Organismus wichtig. Die Komplexe der P-Proteine aus den Komponenten PB1, PB2 und PA, die nichtkovalent zu heterotrimeren Komplexen miteinander verbunden sind, liegen in etwa 50 Einheiten pro Viruspartikel vor und sind bevorzugt mit den Enden der Genomsegmente assoziiert. Sie besitzen die Aktivität einer RNA-abhängigen RNA-Polymerase. Alle drei Proteine haben Molekulargewichte von 80 bis 90 kD und weisen Signalsequenzen für den Transport in den Zellkern auf. Die PB1- und PB2-Proteine sind reich an basischen Aminosäuren. PA gilt dagegen als saures Protein. Das PB2-Protein bindet sich an 5’-CapStrukturen zellulärer mRNA-Moleküle – sie werden als Primer für die virale mRNA-Synthese verwendet – und spaltet diese nach etwa zehn bis 13 Nucleotiden von den Enden der zellulären Transkripte ab (cap-snatching). Der PB1-Anteil besitzt die Polymerase-Aktivität und ist für die Kettenverlängerung verantwortlich. Die Funktionen des PA-Proteins sind nicht völlig geklärt. Es ist für die Replikation der Genomsegmente und hier vor allem für den Schritt notwendig, bei dem die antigenomischen Plusstrangsegmente (cRNAs) als Matrizen für die Neusynthese der genomischen RNAs (vRNAs) verwendet werden. Dabei ist das PA-Protein an die zwölf aminoterminalen Aminosäuren des PB1-Proteins gebunden. Wird die Komplexbildung gestört, indem man die Sequenzen des PB1-Proteins in dieser Domäne durch Mutation verändert, dann ist die RNA-PolymeraseAktivität drastisch reduziert und die Viren vermehren sich schlecht oder gar nicht. Auch hat man Hinweise,
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16
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
dass die Phosphorylierung der PB1-Proteine durch die zelluläre Proteinkinase C die Enzymaktivität beeinflusst. Erst kürzlich wurde entdeckt, dass das PA-Protein auch als Serinprotease wirkt. Das Serin an Position 624 ist Teil des aktiven Zentrums. Die enzymatische Aktivität hat ihr Optimum bei 37 °C, bei tieferen Temperaturen (33 °C) ist sie eingeschränkt. Welche Funktion die PAProtease während der Infektion hat, ist noch unbekannt. Man weiß nur, dass sie für die katalytischen Prozesse bei der Transkription und Replikation der viralen RNASegmente nicht nötig ist.
Nichtstrukturproteine Die beiden Nichtstrukturproteine NS1 und NS2/NEP werden auf dem Segment 8 (beziehungsweise Segment 7 bei Influenza-C-Viren), dem kleinsten des Influenzavirusgenoms, codiert (䉴 Abbildung 16.9B). NS1-Protein Die NS1-Proteine der Influenza A- und -BViren besitzen Molekulargewichte von 26 kD beziehungsweise 40 kD. Ältere Daten wiesen darauf hin, dass sie das Spleißen der viralen Transkripte beeinflussen. Sie sind jedoch vorrangig Virulenzfaktoren, welche antivirale Abwehrstrategien der Zelle in vielfältiger Weise beeinflussen. Sie bilden Dimere und werden nach ihrer Synthese in den Zellkern transportiert; die Phosphorylierung durch die zelluläre Proteinkinase C scheint für die funktionellen Aktivitäten notwendig zu sein. Die aminoterminalen NS1-Domänen bilden ein Strukturmotiv aus sechs α-Helices, welches für die Bindung an doppelsträngige RNA verantwortlich ist. Insbesondere der Arginin-Rest an Position 38 des NS1-Proteins der Influenza-A-Viren ist für diese Wechselwirkung von entscheidender Wichtigkeit. Die carboxyterminale Region stellt die Effektordomäne dar: Das NS1-Protein der Influenza-A-Viren verfügt hier über das Signal für den Transport in den Zellkern sowie über Sequenzfolgen, die für die Interaktion mit verschiedenen Zellproteinen verantwortlich sind. Veränderungen einzelner Aminosäuren der Effektordomäne sind für die Aktivität des NS1-Proteins entscheidend: So zeigte sich, dass der Glutaminsäurerest an Position 92 für die Viren besonders wichtig ist, um der antiviralen Interferonwirkung auszuweichen. Eine derartige Sequenzfolge fand man in den Isolaten des Subtyps H5N1, der initial 1997 in Hongkong von Geflügel auf Menschen übertragen wurde und schwerste Erkrankungen mit einer hohen Letalität verursachte. Die NS1-Proteine greifen in verschiedene Wege der Basisimmunabwehr des Organismus ein: 1. Die Infektion der Influenzaviren leitet in den betroffenen Lungenepithelzellen, insbesondere aber
2.
3.
4.
in dendritischen Zellen, die Synthese von Interferon-α und -β ein, welche dosisabhängig die Virusreplikation hemmen. Für die Expression der Interferongene müssen verschiedene Transkriptionsfaktoren, unter anderem NFκB, IRF-3 und IRF-7 (interferon-response factor) zusammenwirken. Die Interferone-α und -β vermitteln in den Nachbarzellen antivirale Reaktionen wie beispielsweise die Induktion der MxA-Gene und tragen dazu bei, dass die Ausbreitung der Infektion im Gewebe unterbunden wird (䉴 Kapitel 8). Die Bindung des NS1-Proteins an NFκB verhindert dessen Aktivierung und beeinflusst so die Expression der Interferongene. Zusätzlich zur Aktivierung der Genexpression sind die interferonvermittelten Abwehrstrategien von der Anwesenheit doppelsträngiger RNA-Moleküle abhängig. Diese werden bei der Transkription der Virusgene und bei der Virusgenomreplikation als Intermediate gebildet. Indem sich das NS1-Protein an dsRNA bindet, verhindert es die dsRNA-vermittelte Aktivierung der 2’-5’-Oligoadenylat-Synthetase. Dieses Enzym wird durch die Wirkung von Interferonen induziert und aktiviert seinerseits in den Zellen die RNase L. Die RNase L baut einzelsträngige RNA-Moleküle ab und schädigt die Genexpression des Virus wie der Zelle gleichermaßen. Durch die Interaktion der NS1-Proteine mit der dsRNA unterbindet das Virus diesen Abwehrvorgang. Ebenso verhindern die NS1-Proteine die Aktivierung der Proteinkinase R (PKR, protein kinase RNAregulated). Die PKR wird im Rahmen der unspezifischen Immunabwehr durch die Wechselwirkung mit dsRNA – gebildet bei der Transkription und Replikation der viralen Genomsegmente – oder mit spezifischen Zellproteinen aktiviert. Sie phosphoryliert die α-Untereinheit des Translationsinitiationsfaktors eIF2, dies hemmt die Synthese viraler wie zellulärer Proteine. Die Hemmwirkung der NS1Proteine scheint auf einer direkten Interaktion der NS1-Proteine mit der PKR und nicht auf dem zuvor beschriebenen indirekten Weg über die Wechselwirkung mit dsRNA zu basieren. Das NS1-Protein des Influenza-A-Virus wirkt als Hemmfaktor für die 3’-Prozessierung der neu gebildeten zellulären mRNAs. Es bindet sich an die 30 kDa-Untereinheit des CPSF (cleavage and polyadenylation specifity factor) und an das PABII-Protein (poly(A)-binding protein II) und hemmt deren Funktionen bei der posttranskriptionellen Modifikation der mRNA-Vorläuferprodukte. Diese werden nicht polyadenyliert, folglich ist ihr Transport
16.3 Orthomyxoviren
365
fläche eine Signalkaskade aus, die IRF-3 und IRF-7 aktiviert. Beide gelangen dadurch in den Zellkern und bilden zusammen mit weiteren Transkriptionsfaktoren (p300, CREB-binding protein) einen Komplex (VAF, virus activated factor). VAF induziert die
aus dem Zellkern unterbunden. Dieser Vorgang greift generell in den Zellstoffwechsel ein, er verhindert aber auch die Aktivierung der interferonabhängigen Immunabwehr: Bei der Adsorption löst die Bindung der Influenza-A-Viren an die ZelloberA Segment 7 3´
1
100 Transkription
26
5´ Cap
3´
1
784
Translation
1 NH2-
1027 5´
500
100
AAA 3´
257 -COOH
genomische RNA
mRNA (M1)
M1-Protein
500
1027 5´
genomische RNA
Transkription 5´ Cap
26 51
1004
740
AAA 3´
mRNA (M2)
Translation 1 8/9 NH2-
97 -COOH
M2-Protein
B Segment 8 3´
1
100 Transkription
28
5´ Cap
1
100
890 5´ 634 739
Translation
1 NH2-
3´
500
AAA 3´
207 237 -COOH 500
890 5´
genomische RNA
mRNA (NS1) NS1-Protein Länge abhängig vom Virusstamm genomische RNA
Transkription 5´ Cap
529
28 56
861
AAA 3´
mRNA (NS2)
Translation 1 9/10 NH2-
120 -COOH
NS2-Protein
16.9 Genomorganisation der beiden kleinen RNA-Segmente sowie des zweitgrößten RNA-Segments der Influenza-A-Viren. A: Genomsegment 7. Das Segment wird transkribiert. Das M1-Protein wird von der so entstandenen, ungespleißten mRNA translatiert. Durch Spleißen entsteht eine weitere mRNA-Form. Sie dient zur Translation des M2-Proteins. Seine acht aminoterminalen Aminosäurereste sind mit dem M1-Protein identisch. Am Spleißpunkt ändert sich das Leseraster und damit die Proteinsequenz. B: Genomsegment 8. Das Segment wird transkribiert. Das NS1-Protein wird von der so entstandenen, ungespleißten mRNA translatiert. Durch Spleißen entsteht eine weitere mRNA-Form. Sie dient zur Translation des NS2-Proteins, dessen aminoterminale Aminosäurereste mit dem NS1-Protein identisch sind. Am Spleißpunkt ändert sich das Leseraster und damit die Proteinsequenz.
16
16
366
16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
C Segment 2 3´
1
500
1000
2341 5´
2000
genomische RNA
Transkription 5´ Cap
25
141
119
2301
379
mRNA AAA 3´ (PB1, PB1-F2, PB1 N40)
Translation 1 NH240 NH21 NH2-
759 -COOH
PB1-Protein
759 -COOH
PB1 N40-Protein
87 -COOH
PB1 F2-Protein
16.9 (Fortsetzung) C: Genomsegment 2. Das Segment wird transkribiert. Das PB1-Protein sowie die Proteine PB1-F2 und PB1 N40 werden von der so entstandenen, ungespeißten mRNA translatiert. Das PB1 N40-Protein beginnt unter Verwendung des gleichen Leserasters an einem alternativen AUG-Startcodon und stellt ein aminoterminal um 39 Aminosäuren verkürztes Protein PB1 dar. Für den Synthesestart des PB1-F2-Proteins wird ein AUG-Codon verwendet, das sich im um eine Base (+1) verschobenen Leseraster befindet.
Expression der Gene, die unter Kontrolle der ISRE (interferon stimulated regulatory elements; 䉴 Kapitel 8) stehen, sie codieren überwiegend antiviral wirkende Proteine. Da die NS1-Proteine durch Hemmung der Polyadenylierung den Export der mRNAs aus dem Zellkern unterbinden, kommt es nicht zur Synthese dieser antiviralen Faktoren – ein Teil der Basisabwehr der infizierten Zelle wird unterdrückt. Im Unterschied zum Influenza-A-Virus zeigt das NS1-Protein der Influenza-B-Viren keine Wechselwirkung mit den CPSF- und PABII-Proteinen, es hemmt die posttranskriptionelle Modifikation der mRNA-Vorläufer nicht. Es stellte sich heraus, dass die NS1-Proteine der Influenza-B-Viren aber an das Protein ISG15 (interferon stimulated gene 15) binden. Die Synthese dieses antiviral wirkenden Faktors wird über die Aktivierung des IRF-3 eingeleitet. Ob dieser Vorgang ebenfalls zum Abschalten der unspezifischen Immunanwort beiträgt, ist noch ungeklärt. NS2/NEP-Protein Die Transkripte für die Synthese des Proteins NS2/NEP werden durch Spleißen aus der NS1spezifischen mRNA gebildet (䉴 Abbildung 16.9B). Das NS2-Protein bezeichnet man auch als NEP (nuclear export protein). Man findet es zudem in geringen Konzentrationen in den Viruspartikeln. Das Protein NS2/NEP ist für den Export der im Verlauf des Infektionszyklus neu gebildeten viralen Nucleocapsidsegmente (Ribonucleoproteinsegmente, vRNPs) aus dem Zellkern in das Cytoplasma verantwortlich. Diese sind während des Replikationszyklus fest über die Interak-
tion der viralen NP-Proteine mit den Histonen der Kernmatrix verbunden. Ein Teil der neu in der Zelle synthetisierten Matrixproteine M1 wird in den Zellkern transportiert und löst hier die feste Verbindung der vRNPs mit den Histonen. Das virale NS2/NEP-Protein interagiert vermutlich mit den M1-komplexierten vRNPs und bewirkt die Anlagerung des zellulären Exportins CRM1 (chromosome region maintenance 1 protein). Dieses fördert den Transport von Proteinen, die ein nucleäres Exportsignal (NES) aufweisen, aus dem Zellkern in das Cytoplasma und interagiert dabei mit den Nucleoporinen in der Kernmembran. Eine solche an Leucinresten reiche NES-Sequenz befindet sich in der aminoterminalen Domäne der NS2/NEP-Proteine. PB1-F2- und PB1 N40-Protein Bei Influenza-A-Viren wurde ein weiteres Nichtstrukturprotein gefunden. Es wird durch einen offenen Leserahmen codiert, der sich auf dem Genomsegment 2 im PB1-Gen in einem anderen Raster befindet (䉴 Abbildung 16.9C). Daher bezeichnet man es als PB1-F2-Protein (PB1-frame-2; 10 kD). Seine Translation erfolgt ebenso wie diejenige des Proteins PB1 N40 nicht von alternativ gespleißten Transkripten, sondern durch die Verwendung alternativer Startcodons, die sich benachbart zum 5’-Cap-Ende der mRNA befinden. Das PB1-F2-Protein umfasst 87 Aminosäuren und wirkt als Virulenzfaktor: Rekombinante Influenza-A-Viren, in welchen man seine Translation durch In vitro-Mutagenese des Startcodon verhinderte, zeigten im Mausmodell eine deutlich geringere Pathogenität. Auch die Veränderung der Aminosäure
16.3 Orthomyxoviren
Serin an Position 66 zu Asparagin bewirkt die Bildung einer attenuierten Virusvariante. Die PB1-F2-Proteine findet man sowohl im Cytoplasma wie im Kern der infizierten Zellen, außerdem reichern sie sich in den Membranen der Mitochondrien an. Verantwortlich hierfür sind die Aminosäuren der carboxyterminalen Domäne des PB1-F2-Proteins, die als MTS-Signal (mitochondrial targeting sequence) wirken. Das PB1-F2-Protein interagiert mit zwei Proteinen der Mitochondrienmembran, nämlich dem ANT3-Protein (adenine translocator 3) in der inneren und dem VDAC1-Protein (voltgae dependant anion channel 1) in der äußeren Mitochondrienmembran. Dies fördert die Bildung eines Porenkomplexes (permeability transition pore comlpex), der die Mitochondrienmembran durchlässig macht und die Freisetzung von mitochondrialen Produkten, beispielsweise von Cytochrom C in das Cytoplasma einleitet. In den Zellen wird als Folge die Apoptose ausgelöst. Diese proapoptotische Funktion scheint von der Phosphorylierung des PB1-F2-Proteins abzuhängen und ist zellspezifisch: Sie kommt vor allem in infizierten Lymphocyten und anderen immunologisch aktiven Zellen wie Monocyten und den Alveolarmakrophagen zum tragen. Diese Vorgänge bewirken möglicherweise gezielt eine Unterdrückung der Immunantwort im Epithel der infizierten Atemwege. Dies behindert nicht nur die Immunabwehr bei der Bewälti-
367
gung der Influenzavirusinfektion, sondern fördert möglicherweise auch die Überinfektion mit Bakterien wie Staphylococcus aureus, Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae. Das PB1-F2-Protein scheint aber noch weitere Aktivitäten zu haben: Es bildet Komplexe mit dem PB1-Protein, das ebenfalls auf dem zweitgrößten RNA-Segment codiert und als RNA-abhängige RNA-Polymerase wirkt. Diese Interaktion bewirkt die Steigerung der Enzymaktivität des PB1-Proteins. In Zellen, die mit PB1-F2-negativen Influenza-A-Viren infiziert wurden, fand man das PB1-Protein überwiegend im Cytoplasma und nicht im Zellkern lokalisiert. Kürzlich wurde beschrieben, dass das RNA-Segment 2 zusätzlich zu den Proteinen PB1 und PB1-F2 für ein drittes Protein codiert. Dieses Nichtstrukturprotein wird als PB1 N40 bezeichnet. Seine Translation erfolgt im selben Leseraster wie diejenige des PB1-Proteins unter Verwendung des AUG-Codons an Position 40 als Startcodon (䉴 Abbildung 16.9C). Beim Protein PB1 N40 handelt es sich folglich um eine aminoterminal verkürzte Version des PB1-Proteins, das selbst keine RNAPolymeraseaktivität aufweist, aber ähnlich wie das PB1F2-Protein mit PB1 in Wechselwirkung tritt und dessen Funktion beeinflusst. Die 䉴 Tabelle 16.9 gibt einen Überblick zu den charakteristischen Eigenschaften der durch Influenzaviren codierten Proteine.
Tabelle 16.9 Eigenschaften und Funktionen der von Influenzaviren codierten Proteine Proteine
Influenza A
Influenza B
Influenza C
Funktion
HA
77 kD glycosyliert, acyliert
77 kD glycosyliert
–
Vorläuferprotein für HA1 und HA2; Induktion neutralisierender Antikörper
HA1
50 kD glycosyliert
50 kD glycosyliert
–
aminoterminaler Anteil von HA; Adsorption an Neuraminsäure, Hämagglutination
HA2
26 kD glycosyliert, acyliert
26 kD glycosyliert
–
carboxyterminaler Anteil von HA; Membranfusion
HEF
–
–
88 kD glycosyliert
Hämagglutination; Rezeptorbindung; Membranfusion; Induktion neutralisierender Antikörper; Acetylesterase
HEF1
–
–
65 kD glycosyliert
aminoterminaler Anteil von HEF
HEF2
–
–
30 kD glycosyliert
carboxyterminaler Anteil von HEF
NA
56 kD glycosyliert
57 kD glycosyliert
–
Neuraminidase; Abspaltung endständiger Neuraminsäurereste; wichtig bei Freisetzung der Partikel; Induktion neutralisierender Antikörper
A. Strukturproteine
16
16
368
16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 16.9 (Fortsetzung) Proteine
Influenza A
Influenza B
Influenza C
Funktion
M1
28 kD
28 kD
30 kD
Matrixprotein; assoziiert mit der Innenseite der Virusmembran; funktionell aktiv bei der Morphogenese
A/M2 BM2 CM2
15 kD (A/M2)
18 kD (BM2)
18 kD (CM2)
integrales Membranprotein; Ionenkanalprotein, früh im Infektionszyklus funktionell aktiv bei der Entlassung der Nucleocapside aus den Endosomen
NP
55 kD
55 kD
60 kD
Hauptkomponente des Nucleocapsids; basisch; Kerntransportsignal
PB1
90 kD phosphoryliert
85 kD
89 kD
Komponente des Nucleocapsids und des Polymerasekomplexes; RNA-abhängige RNA-Polymerase; basisch
PB2
80 kD
88 kD
85 kD
Komponente des Nucleocapsids und des Polymerasekomplexes; Bindung an 5’-Cap-Strukturen; basisch
PA
83 kD
83 kD
82 kD
Komponente des Nucleocapsids und des Polymerasekomplexes; saure Serinproteaseaktivität
NS2/NEP
11 kD
11 kD
14 kD
regulatorisches Protein; in geringen Mengen im Virion; Export der vRNPs aus dem Kern in das Cytoplasma
NB
–
12 kD
–
glycosyliertes Membranprotein; in Virionen vorhanden; Ionenkanal?
B. Nichtstrukturproteine NS1 26 kD phosphoryliert
40 kD
25 kD
Kernprotein; Hemmfaktor beim RNA-Spleißen; reguliert Export der gespleißten mRNA; verhindert NFκB-Aktivierung und Expression von IFN-α und IFN-β
PB1-F2
10 kD phosphoryliert
–
–
Virulenzfaktor; akkumuliert in der Mitochondrienmembran; induziert Apoptose immunologisch aktiver Zellen (Alveolarmakrophagen); reguliert die RNA-Polymerase-Aktivität von PB1
PB1 N40
85 kD
?
?
aminoterminal verkürzte Version von PB1; reguliert die RNA-Polymerase-Altivität von PB1
16.3.4 Replikation Die Vertreter der Orthomyxoviren binden sich über ihre HA- beziehungsweie HEF-Oberflächenproteine an die NAcetyl-Neuraminsäure beziehungsweise die N-Acetyl-9O-Acetyl- oder N-Acetyl-4-O-Acetyl-Neuraminsäure auf der Zelloberfläche. Die Cytoplasmamembran umschließt die gebundenen Viruspartikel und nimmt sie mittels rezeptorvermittelter Endocytose in Vesikeln in die Zelle auf. Die Nucleocapside sind damit gleichsam von zwei Membranen umgeben. Durch die zellulär gesteuerte Ansäuerung des Endosomenvesikels verändert
das HA-Protein seine Konformation. Dadurch gelangt die fusogene Region am aminoterminalen Ende des HA2-Fragments in unmittelbare Nähe der Endosomenmembran. Der hydrophobe Charakter der fusionsvermittelnden Aminosäuren erlaubt das Einlagern des aminoterminalen HA2-Endes in die Endosomenmembran und induziert die Verschmelzung der beiden Lipiddoppelschichten. Die fusogene Aktivität des HA-Proteins ähnelt weitgehend der des F-Proteins der Paramyxoviren (䉴 Abschnitt 15.3.3). Auch dieses muss gespalten werden, damit es aktiv werden kann (䉴 Abbildung 15.6). Der Hauptunterschied zwischen den beiden Proteinen ist, dass bei Paramyxoviren die Membranfusion
16.3 Orthomyxoviren
369
16.10 Replikationsverlauf bei Influenzaviren.
bei der Bindung der Viren an die Zelloberfläche induziert wird und die Verschmelzung zwischen Cytoplasma- und Virusmembran erfolgt. Bei den Orthomyxoviren ist eine direkte Membranverschmelzung nicht möglich. Für die Aktivierung der fusogenen Wirkung des HA-Proteins ist die Ansäuerung im Endosom unbedingte Voraussetzung. Durch die Fusion der Endosomen mit der Virusmembran werden die Nucleoproteinkomplexe aus den Vesikeln entlassen und gelangen in das Cytoplasma (䉴 Abbildung 16.10). Die Ansäuerung durch den Protonenkanal des M2Proteins löst zugleich die Interaktion der NP- mit den M1-Proteinen. Die segmentierten Nucleocapside gelangen in das Cytoplasma und werden durch die Kernporen
in den Zellkern transportiert, wo die folgenden Transkriptions- und Replikationsschritte ablaufen. Influenzaviren stellen somit unter den RNA-Viren eine Ausnahme dar, da sie im Zellkern replizieren. Zunächst wirkt der Ribonucleoproteinkomplex als Matrize für die Produktion von viralen mRNA-Molekülen. Der Promotor hierfür befindet sich in den Sequenzen an den 3’-Enden der verschiedenen Segmente, die den Transkriptionsstartpunkten vorgelagert sind und mit den 5’-Enden doppelsträngige Strukturen ausbilden. Die virale RNA-abhängige RNA-Polymerase kann die Synthese der mRNAs weder selbst initiieren noch kann eines der Proteine PB1, PB2 oder PA die mRNA-Moleküle mit 5’-CapGruppen modifizieren oder methylieren. Orthomyxovi-
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
ren haben deshalb zur Initiation der Transkription einen Mechanismus entwickelt, der es ihnen ermöglicht, die 5’-Cap-Strukturen von zellulären mRNA-Molekülen zu nutzen. Hierzu binden sich die PB2-Proteine, die als Bestandteile der Nucleocapside mit den 3’-Enden der Genomsegmente assoziiert sind, an die 5’-Cap-Gruppen von zellulären mRNA-Molekülen und lagern sie an die 3’-Enden der viralen RNA-Segmente an. Das terminale Nucleotid ist hier immer ein Uridin. Mit diesem hybridisiert ein Adeninrest in den ersten zehn bis 13 Basen der zellulären mRNAs. Eine dem PB2-Protein eigene Nucleaseaktivität spaltet die zelluläre mRNA nach dem Adenin und erzeugt so ein freies 3’-OH-Ende, das als Primer für die folgenden Polymerisationsschritte dient. Dieser Mechanismus des 5’-Cap-Stehlens (auch bekannt als cap snatching) hat für das Virus zusätzlich den Vorteil, dass er die zellspezifische Transkription und Translation unterbricht und den Wirtsstoffwechsel auf die Bedürfnisse der Virusinfektion umschaltet. Es werden fast nur noch die Virusgene transkribiert und die entsprechenden Proteine synthetisiert. An der Elongation der mRNA sind die drei Proteine PB1, PB2 und PA des Polymerasekomplexes beteiligt. Die Transkription wird etwa 15 bis 20 Nucleotide vor dem 5’-Ende der Genomsegmente in der Region beendet, in welcher die einzelsträngigen RNA-Sequenzen in die pfannenstielähnlichen Doppelstrangbereiche übergehen. Diese bilden wahrscheinlich eine physikalische Barriere für den Enzymkomplex und verlangsamen die Polymerisation. Eine hier lokalisierte, bei allen mRNASpezies konservierte uridinreiche Sequenzfolge dient als Signal für die Polyadenylierung der Transkripte. Die von den kleinen RNA-Segmenten gebildeten Transkripte werden teilweise gespleißt. Dabei scheint das NS1-Protein als Spleißosomen-Cofaktor beteiligt zu sein. Hauptaufgabe des NS1-Proteins ist es jedoch, antiviralen Abwehrvorgängen in den infizierten Zellen entgegenzuwirken (䉴 Abschnitt 16.3.3). Unter anderem verhindert es spezifisch die Polyadenylierung der zellulären Transkripte. Die viralen Transkripte sind hiervon nicht betroffen, da diese durch eine mit dem Komplex der PB1-, PB2- und PA-Proteine verbundene Aktivität polyadenyliert werden. Beim Export der viralen mRNAs aus dem Kern wirken zelluläre mit viralen Komponenten (NS2/NEP-Protein) zusammen. Die Translation der membranassoziierten Proteine (HA beziehungsweise HEF, NA und M2) erfolgt an der Membran des rauhen endoplasmatischen Reticulums. Eine Signalase entfernt cotranslational nach dem Durchschleusen der Aminosäureketten die aminoterminalen Signalpeptide von den HA-Proteinen. Über Golgi-Apparat und Trans-Golgi-Netzwerk werden die modifizierten Proteine zur Zelloberfläche transportiert.
Sie interagieren dabei zu trimeren beziehungsweise tetrameren Komplexen und werden glycosyliert. Die HA- und M2-Proteine werden zusätzlich durch Anfügen von Palmitinsäure modifiziert, und das HA-Protein kann ab diesem Zeitpinkt durch zelluläre Proteasen in die Anteile HA1 und HA2 gespalten werden. Das als H+Kanal aktive M2-Protein reguliert den pH-Wert in den Golgi-Vesikeln und verhindert dadurch die vorzeitige Induktion der Fusionsaktivität der HA-Komplexe in diesem subzellulären Kompartiment. Die Proteine PB1, PB2, PA, NP, NS1, NS2/NEP und M1 besitzen in ihren Sequenzen Signale für den Transport in den Zellkern. Bei der sich anschließenden Replikation der Genomsegmente entfalten sie ihre verschiedenen Aktivitäten. Für das Umschalten vom Transkriptions- in den Replikationsmodus müssen freie, neusynthetisierte NP-Proteine im Kern angereichert sein. Man vermutet, dass sie durch Interaktion mit den Proteinen des Polymerasekomplexes diese in ihrer Wirkung modifizieren und so die Replikation einleiten. Auch die Initiation der replikativen RNA-Synthese scheint primerabhängig zu sein. In vitro reichen hierfür die Dinucleotide pppApG aus; sie hybridisieren mit den 3’-Enden der Genomsegmente und liefern die notwendigen freien 3’-OH-Enden, an denen mithilfe der PB1-, PB2- und PA-Proteine unter Auflösung der pfannenstielähnlichen Strukturen an den Genomenden ein vollständiger Gegenstrang synthetisiert wird. An diese Antigenome lagern sich NP-Proteine an, werden in einem analogen Prozess als Matrizen zur Synthese neuer viraler RNA-Stränge in negativer Orientierung verwendet und assoziieren mit den NP-, PB1-, PB2- und PA-Proteinen zu Nucleocapsiden (vRNPs). An diese binden sich im folgenden Schritt die Matrixproteine M1, und die Komplexe werden, vermittelt durch die Exportfunktion der NS2/NEP-Proteine, aus dem Zellkern in das Cytoplasma und hier an die Stellen transportiert, an denen erhöhte Mengen an HA-, NA- und M2-Proteinen in die Zellmembran eingelagert sind. Man vermutet, dass sich die Nucleocapside durch die mit ihnen assoziierten M1Proteine an die ins Cytoplasma ragenden Sequenzen der HA2-Proteine binden. Hier bilden sich die initialen Budding-Strukturen, die Membran stülpt sich aus und umschließt die Nucleocapside, die durch Knospung an der Oberfläche abgegeben werden. Durch die Aktivität des NA-Proteins werden endständige Neuraminsäurereste von den zellulären und viralen Oberflächenproteinen entfernt. So wird verhindert, dass die freigesetzten Viruspartikel miteinander oder mit Membranbestandteilen der durch die Infektion geschädigten Zelle wechselwirken und verkleben. Es ist unklar, ob es einen Mechanismus gibt, der gewährleistet, dass in jedes Viruspartikel die richtige
16.3 Orthomyxoviren
Kombination der acht beziehungsweise sieben Genomsegmente verpackt wird. Eine derartige Selektion ist nur schwer vorstellbar. Stattdessen werden in jedes Virus etwa elf bis 13 Nucleocapsidsegmente eingelagert, ohne Rücksicht darauf, um welche es sich handelt. Nur ein Teil der neu gebildeten Virionen ist somit infektiös, bei der Züchtung von Influenzaviren in Zellkultur sind es nur etwa zehn Prozent der Nachkommenviren.
16.3.5 Human- und tierpathogene Orthomyxoviren Die Influenzaviren Epidemiologie und Übertragung Influenzaviren werden vor allem durch virushaltige Aerosole und Tröpfchen übertragen und verursachen bei Menschen die echte Grippe oder Influenza, eine schwere akute Erkrankung der Atemwege und des gesamten Organismus. Während sich die Krankheitsverläufe bei den Influenza-A- und -B-Viren weitgehend ähneln, zeichnen sich Infektionen mit Influenza-C-Viren beim Menschen durch nur leichte Symptome aus. Außerdem spielen Influenza-A-Virusinfektionen bei Geflügel sowie bei Schweinen und Pferden tiermedizinisch eine wichtige Rolle. Neben ihrer Bedeutung als Krankheitserreger bei diesen Tierarten besitzen alle Influenzaviren grundsätzlich zoonotisches Potenzial. Übertragungen von Influenzaviren von Geflügel oder Schwein auf den Menschen sind dokumentiert und zum Teil als Ursachen für die großen Influenzapandemien identifiziert. Im Gegensatz zu den Influenza-A-Viren sind die Influenza-B- und -C-Viren von untergeordneter Bedeutung. Influenza-BViren sind beim Menschen als Pathogen beschrieben, in der Tiermedizin spielen sie keine Rolle, obgleich kürzlich die Isolierung von Influenza-B-Viren aus frei lebenden Seehunden mit respiratorischer Symptomatik gelang. Influenza-C-Viren werden zuweilen aus Menschen und Schweinen isoliert, verursachen jedoch dort keine schweren Erkrankungen. Die Influenza-A-Virusinfektion tritt in der menschlichen Bevölkerung in unregelmäßigen Abständen als Pandemie auf. So gab es in den vergangenen 120 Jahren – einem Zeitraum, der epidemiologisch überblickbar ist – sechs große Ausbrüche der Influenza in den Jahren 1890, 1900, 1918/19, 1957, 1968 und 1977. Vermutlich hatten alle ihren Ursprung in Südostasien und breiteten sich von dort, zum Beispiel auf Schiffen, nach Europa und Amerika aus. Im Frühjahr 2009 verbreiteten sich die Influenza-A-Viren erneut weltweit, in diesem Fall hatte die Pandemie ihren Ursprung in Mexiko. Die jeweiligen Erreger, die man als Subtypen bezeichnet, verursachten
371
unterschiedlich schwere Erkrankungen. Während bei den saisonalen Epidemien Todesfälle vor allem bei älteren oder geschwächten Personen zu verzeichnen sind, waren bei der Spanischen Grippe von 1918/19 auch die Personen zwischen 20 und 40 Jahren massiv betroffen. Von anderen viralen Erkrankungen unterscheidet sich die Influenza auch dadurch, dass die sich im Infektionsverlauf ausbildende Immunität nur vor Folgeinfektionen mit Viren des gleichen Subtyps effizient schützt. Dieselben Personen können so trotz vorliegender neutralisierender Antikörper gegen die „alten“ mehrmals mit verschiedenen „neuen“ Influenzavirussubtypen infiziert werden. Die Isolierung des ersten humanen Influenza-AVirus durch Wilson Smith, Christopher Andrews und Patrick Laidlaw 1933 und die sich anschließenden, zum Teil retrospektiv durchgeführten seroepidemiologischen Untersuchungen zeigten, dass sich die Influenza-AViren der aufeinander folgenden Pandemien in der Erkennung ihrer Oberflächenproteine HA und NA durch Antikörper (Antigenität) unterscheiden. Das 1933 isolierte Influenza-A-Virus war eine Variante der Viren, welche die Pandemie von 1918/19 verursacht hatten. Ihm ordnete man den Subtyp H1 und N1 zu. Bei dem Influenzavirus der Pandemie von 1957 wurden gegen das Hämagglutinin und die Neuraminidase Antikörper mit einer anderen Spezifität gebildet. Man bezeichnete es deshalb als den Subtyp H2N2. Antikörper aus Personen, die mit dem Virus des Jahres 1957 infiziert worden waren, konnten das Influenza-A-Virus von 1918 nicht neutralisieren und umgekehrt. Das Influenza-A-Virus der Pandemie von 1968 hatte ein anderes Hämagglutinin (H3) als die beiden vorangegangenen Subtypen, zeigte jedoch die gleiche Reaktivität hinsichtlich der Neuraminidase. Auch wenn sich die Situation der um die Jahrhundertwende 1890/1900 vorherrschenden HASubtypen nicht mit letzter Gewissheit klären lässt, hat man Hinweise darauf, dass der gleiche HA-Subtyp, nämlich H3, bereits bei der Grippepandemie des Jahres 1900 aufgetreten war, hier in Verbindung mit der Neuraminidase N8 oder N2 (䉴 Tabelle 16.10). In den Zeiten zwischen den einzelnen Pandemien traten kleinere Epidemien auf. Die Viren waren zunächst anscheinend aus der Bevölkerung, die eine schützende Immunität gegen das jeweilige Virus aufbaute, verschwunden. Einige Zeit später traten sie in leicht veränderter Form (AntigenDrift) wieder auf und lösten saisonal gehäuft meist im Winterhalbjahr neue Erkrankungswellen aus. Die Variabilität betraf vor allem die viralen Oberflächenproteine HA und NA, die im Infektionsverlauf die Bildung neutralisierender Antikörper induzieren. Derzeit zirkulieren in der menschlichen Bevölkerung Viren der Subtypen H1N1 (saisonale und neue Viren) und H3N2.
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 16.10 Epidemiologie der menschlichen Influenza-A-Viren Jahr
Virussubtyp
vermutlicher Ursprungswirt
ausgetauschte Segmente
1890
H2N2?
?
keine serologischen Untersuchungen möglich
1900
H3N8/H3N2?
?
keine serologischen Untersuchungen möglich
Entwicklung der Influenza-A-Pandemieviren durch Bildung von Reassortanten 1918/19 H1N1 Geflügel 8 Segmente Spanische Grippe Adaptation eines Geflügelvirus an Schweine und/oder Menschen 1957 Ø 5 Segmente Asiatische Grippe
H2N2
Geflügel
3 Segmente (Zweifach-Reassortante) PB1, HA, NA
1968 Ø 6 Segmente Hongkong-Grippe
H3N2
Geflügel
2 Segmente (Zweifach-Reassortante) PB1, HA
2009 Ø 1 Segment Neue Grippe (Schweinegrippe)
H1N1
Schwein Geflügel
7 Segmente (Vielfach-Reassortante) HA, NA, NP, M, NS, PB2, PA
Ausbrüche von Influenza-A-Virus-Infektionen in Menschen ohne Reassortantenbildung 1977 H1N1 – identisch mit dem Subtyp H1N1 der Spanischen Grippe Russische Grippe (Freisetzung eines Laborstamms der Spanischen Grippe?) seit 1997
H5N1
Geflügel
Die Aminosäuren der verschiedenen HA-Proteine der unterschiedlichen Subtypen der Influenzaviren unterscheiden sich beträchtlich. Der Homologiegrad des HA1-Anteils beträgt nur 35 Prozent. Bei HA2 und der Neuraminidase sind etwa 53 beziehungsweise 56 Prozent der Aminosäuren gleich. Die Veränderungen der Influenza-A-Virussubtypen der aufeinander folgenden Pandemien beruhen meist auf dem Austausch von Gensegmenten zwischen verschiedenen Viren (Reassortierung). Die Virussubtypen besitzen neue RNA-Segmente der entsprechenden Gene. Influenza-A-Viren sind außer beim Menschen in verschiedenen Vogel- (Möwen, Wildund Hausenten, Gänsen, Schwänen) und Säugetierarten (Schweinen, Pferden) verbreitet. Werden alle berücksichtigt, so kennt man bis heute 16 verschiedene Subtypen der HA- und neun der NA-Proteine. Alle 16 Subtypen der HA-Proteine (H1 bis H16) konnte man in den verschiedenen aviären Influenzaviren finden (䉴 Tabelle 16.8). Die Subtypen H1, H2 und H3 fand man in humanpathogenen Isolaten, Viren mit H3- und H7-Versionen infizieren Pferde und wenigstens vier der HAProteine (H1, H2, H3 und H9) hat man aus infizierten Schweinen gewonnen. Es gibt Sequenzfolgen, die für die Oberflächenproteine der Influenzaviren von Vögeln, Pferden beziehungsweise Schweinen und Menschen spezifisch sind und die Wirtsspezifität reflektieren. Hierzu zählen die Aminosäurepositionen 226 und 228 des HA-Proteins, die dafür entscheidend sind, ob sich die HA-Proteine bevorzugt an Sialylsäurereste binden,
Infektion des Menschen mit einem Geflügelvirus
die in α(2,3)- oder α(2,6)-glycosidischer Bindung mit der benachbarten Galactose verknüpft sind. Humanpathogene Viren bevorzugen die α(2,6)-glycosidische Bindung. Die tierpathogenen Subtypen verhalten sich unterschiedlich: Während aviäre und equine Influenzaviren eine hohe Affinität zu α(2,3)-glycosidisch verbundenen Sialylsäureresten haben, können sich die für Schweine infektiösen Subtypen an beide Versionen binden. Die verschiedenen Subtypen weisen jedoch untereinander eine wesentlich größere Variabilität auf als die Proteine des gleichen Subtyps aus unterschiedlichen Wirten. Neben charakteristischen Aminosäurefolgen der Oberflächenproteine und der Spaltbarkeit der Hämagglutinine vermitteln wohl vor allem die PB1 und PB2, sowie die NP-, M1- und M2-Proteine die Wirtsspezifität. Sie sind in den verschiedenen Influenzaviren unterschiedlicher Spezies konserviert. So ist beispielsweise beschrieben, dass bei einem Influenza-A-Virus (H7N7) des Geflügels Veränderungen der Aminosäuresequenzen in PB1 (Asparaginsäure and Position 701 zu Asparagin) und NP (Asparagin an Position 319 zu Lysin) die Wechselwirkung mit Importin α1 in Säugetierzellen erleichtern. Als Folge davon können diese Proteine in Säugerzellen effizient in den Zellkern transportiert werden und die Adaptation eines GeflügelInfluenza-A-Virus an Säugetierzellen ermöglichen. Ähnlich wie beim Menschen verursachen InfluenzaA-Viren bei Schweinen und Pferden Infektionen des Respirationstraktes. Sie sind bei den Tieren mit hoher
16.3 Orthomyxoviren
373
q Das System zur Bezeichnung der Subtypen der Influenzaviren Die Nomenklatur der verschiedenen human- und tierpathogenen Influenzavirusstämme bedient sich folgenden Schemas: Neben dem Virustyp (Influenzavirus A, B oder C) gibt man den Wirt an, aus dem der Erreger isoliert wurde, den geographischen Ort der Isolierung, die Nummerierung des Isolats, das Jahr und die Subtypen der HA- und NA-Proteine. So lautet zum Beispiel die Bezeichnung eines der ersten isolierten Influenza-A-Viren aus dem Schwein: A/Swine/
Morbitität, aber geringer Mortalität verbunden. Erkrankungen bei Schweinen verursachen vor allem Viren des Subtyps H1N1. Influenzaviren vom Subtyp H3N2 sind für Schweine ebenfalls infektiös, jedoch nur selten mit Erkrankungen verbunden. Die Pferdeinfluenza (auch bekannt als „Hoppegartener Husten“) wird vor allem durch Infektionen mit den Subtypen H7N7 und H3N8 hervorgerufen (䉴 Tabelle 16.8). Während bis 1979 nur H7N7-Stämme aus den erkrankten Pferden isoliert wurden, findet man seitdem regelmäßig H3N8-Viren. In jüngster Zeit wurden in den USA bei Rennhunden Infektionen mit H3N8-Viren beschrieben. Die genetische Analyse dieser Virusisolate deutet auf ihre direkte Übertragung von infizierten Pferden auf die Hunde hin. Bei den Vögeln sind Influenzaviren praktisch weltweit in Wasservögeln (zum Beispiel Enten, Gänse, Möwen, Tauchern) verbreitet. Durch den Vogelzug erfolgt eine ständige Weiterverbreitung und Durchmischung der Virussubtypen, die durch den Menschen nicht kontrollierbar ist. In den Vögeln vermehren sich die Viren im Unterschied zum Menschen und den Säugetieren im Gastrointestinaltrakt. Sie werden daher mit dem Kot der Vögel in das Wasser ausgeschieden. Insbesondere in kalten Gewässern bleiben die Viren über Tage und Wochen infektiös. Bei Wildvögeln verlaufen die Infektionen meist subklinisch. Bestimmte Subtypen der Influenzaviren verursachen vor allem in domestiziertem Geflügel jedoch systemische Infektionen und schwere Erkrankungen mit hoher Sterblichkeit (bis zu 100 Prozent). Die hochvirulenten Stämme der Serotypen H5N1, H5N2 und H7N1 waren lange Zeit als Fowl-PlagueVirus (Virus der klassischen Geflügelpest) bekannt. Ein schwerer Ausbruch der Geflügelpest mit Viren des Subtyps H5N1 ereignete sich 1959 in Schottland, seitdem sind weltweit mehr als 20 Ausbrüche dieser hochpathogenen Influenza-A-Viren (HPAI) in Geflügel beschrieben worden, die mitunter mehrere Jahre andauerten und immensen wirtschaftlichen Schaden verursachten
Iowa/15/30(H1N1). Es wurde 1930 in Iowa als fünfzehntes Virus des Subtyps H1N1 isoliert. Wenn das Isolat aus einem Menschen gewonnen wurde, gibt man den Wirt nicht an. A/HK/1/68(H3N2) war also der erste Virusstamm des Subtyps H3N2, der 1968 in Hongkong in Menschen nachgewiesen wurde. Bei Influenza-B- und -C-Viren entfällt der Hinweis auf den HA- beziehungsweise NA-Subtyp.
(䉴 Tabelle 16.11). Dabei wurden zum Teil mehrere Millionen Tiere gekeult. Vor allem in Südostasien beobachtete man vor einigen Jahren zunächst vereinzelte Infektionen des Menschen mit für das Geflügel hochvirulenten Influenzaviren des Subtyps H5N1, dem Virus der klassischen Geflügelpest. Ein erster dokumentierter Ausbruch ereignete sich im Mai 1997 in Hongkong: Innerhalb von acht Monaten wurden 18 dieser Virusinfektionen im Menschen dokumentiert, von denen sechs tödlich verliefen. Das Virus wurde in allen Fällen direkt von infizierten Vögeln nur durch engen Kontakt auf die Menschen übertragen. Seit dem Jahr 2003 haben sich Influenzaviren des Subtyps H5N1 epidemisch über Geflügelmärkte in die Hühner- und Putenfarmen vieler Länder Asiens verbreitet. Im Rahmen dieser Epidemie wurden auch viele wildlebende Vögel infiziert. Durch den Vogelzug wurden die Erreger in die Länder Mittel- und Vorderasiens weiter verbreitet. Dies hatte die Keulung großer Bestände mit Milliarden von Geflügel und Einfuhrverbote für Vögel, Geflügel und Geflügelprodukte aus den betroffenen Ländern zur Folge. Zugvögel brachten H5N1-Viren im Herbst 2005 auch in die Länder Ost- und Südeuropas. Im Februar 2006 wurden die ersten infizierten Wildvögel in Deutschland und Österreich gefunden. In Deutschland wurden dann auch infizierte und verendete Beutegreifer (Greifvögel, Steinmarder und Katzen) entdeckt. Bis zum Herbst 2009 wurden in Deutschland H5N1Viren wiederholt auch bei domestiziertem Geflügel nachgewiesen. In allen Fällen betraf es Betriebe, die Wassergeflügel (Enten, Gänse) gehalten haben. Neben mehreren europäischen Ländern wurde Geflügel auch auf dem afrikanischen Kontinent, vor allem in Ägypten, infiziert. Es kam dabei auch zu Übertragungen auf Menschen, verbunden mit mehreren Todesfällen. Im Rahmen der H5N1-Epidemie im Geflügel wurden laut der Weltgesundheitsorganisation bis September
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16 Viren mit einzelsträngigem, segmentierten RNA-Genom in Negativstrangorientierung
Tabelle 16.11 Weltweit beobachtete Ausbrüche der Geflügelpest verursacht durch hochpathogene Influenza-A-Viren der letzten 50 Jahre Jahr
Kontinent/Land/Region
Influenza-A-Virus (Subtyp)
Betroffenes Geflügel
1959
Europa/Großbritannien/Schottland
H5N1
Hühner
1963
Europa/Großbritannien/England
H7N3
Truthähne
1966
Amerika/Canada/Ontario
H5N3
Truthähne
1976
Australien/Victoria
H7N7
Hühner
1979
Europa/Großbritannien/England
H7N7
Truthähne
1983–1985
Amerika/USA/Pennsylvania
H5N2
Hühner, Truthähne (17 Millionen Tiere gekeult, Kosten: 312 Millionen US $) Truthähne
1983
Europa/Irland
H5N8
1985
Australien/Victoria
H7N7
Hühner
1991
Europa/Großbritannien/England
H5N1
Truthähne
1992
Australien/Victoria
H7N3
Hühner
1994
Australien/Queensland
H5N2
Hühner
1994–1995
Amerika/Mexiko
H5N2
Hühner (bis heute 2 Millionen Impfungen verabreicht)
1994
Asien/Pakistan
H7N3
Hühner
1994
Australien/Neu-Südwales
H7N4
Hühner
1997
Asien/Hongkong
H5N1
Hühner (alles Geflügel getötet)
1997
Europa/Italien
H5N2
Hühner
1999–2000
Europa/Italien
H7N1
Truthähne (14 Millionen Tiere gekeult, Kosten: 620 Millionen US $)
2002
Asien/Hongkong
H5N1
Hühner
2002
Amerika/Chile
H7N3
Hühner
2003
Europa/Niederlande/Belgien/Deutschland
H7N7
Hühner (30 Millionen Tiere gekeult)
Seit 2003
Asien/Europa
H5N1
Hühner, Enten, Truthähne
2009 in Südostasien (Indonesien, Vietnam, Thailand, Kambodscha, Bangladesch, Laos, Myanmar und China), Vorder- und Mittelasien und Afrika (Türkei, Ägypten, Aserbeidschan, Irak, Dschibuti, Nigeria und Pakistan) insgesamt 442 Infektionen bei Menschen beschrieben, die 262 Todesfälle zur Folge hatten (Sterblichkeit von 59 Prozent). Auch bei diesen Fällen handelte es sich um Personen, die beispielsweise als Bauern, Geflügelzüchter oder -händler häufig und intensiv Kontakt mit Hühnern, Puten oder Enten hatten. Übertragungen von H5N1-Viren von Mensch zu Mensch wurden in wenigen Fällen als möglich (beispielsweise bei zwei Personen einer Familie in Thailand im Jahr 2004) beziehungsweise sogar als wahrscheinlich eingeschätzt, wie bei acht Personen einer Familie in Indonesien. Genetik der Epidemiologie Influenzaviren besitzen die Fähigkeit, einzelne Abschnitte ihres Genoms auszutau-
schen und dadurch die Wirtsspezifität zu überschreiten. So erhalten sie Proteine, die ihnen völlig neue serologische Eigenschaften verleihen können. Der Austausch von einzelnen Genomsegmenten wird als antigenic shift bezeichnet. Voraussetzung für diesen Prozess ist, dass Virusstämme mit verschiedenen HA- und NA-Subtypen zugleich in einem Organismus und in denselben Zellen vorliegen. Diese Bedingungen scheinen in Südostasien, vor allem in China, besonders oft erfüllt zu sein, denn von dort nahmen die meisten Influenzapandemien ihren Ausgang. Hier leben vor allem in den ländlichen Regionen Enten, Schweine und Menschen sehr eng zusammen. Man stellt sich folgenden Ablauf vor: Anders als bei Säugetieren vermehren sich die Influenza-AViren in Vögeln auch in den Epithelzellen des Darmes und werden daher in großen Mengen mit den Exkrementen ausgeschieden, ohne dass die Tiere selbst erkranken. In den Subtypen ihrer Hämagglutinine (bei-
16.3 Orthomyxoviren
375
q Die Neue Grippe (mexikanische Grippe, „Schweinegrippe“) Ende April 2009 meldeten Mexiko und die USA auffällige Grippeerkrankungen bei Menschen, in deren Folge es in Mexiko auch zu Todesfällen kam. Es wurde eine Infektion mit dem Influenza-A-Virus vom Subtyp H1N1 festgestellt, welches Ähnlichkeiten mit bei Schweinen vorkommenden Influenzaviren aufwies. Weitere Analysen des Virus ergaben, dass es sich jedoch um einen neuen Erreger handelt: Sein Genom weist RNA-Segmente von porcinen InfluenzaA-Viren auf, wobei eine Mischung von eurasischen und amerikanischen Schweinevirusvarianten vorliegt. Aufgrund der weltweiten Vertreitung des Virus beim Menschen innerhalb weniger Monate hatte die WHO am 11. Juni 2009 die höchste Pandemie-Warnstufe ausgerufen. Wenig später bekam das neue Pandemievirus den Namen Neue Grippe. Jedoch lief dieses Virus bis dahin schon unter einem anderen Namen: Aufgrund der Tatsache, dass die ersten Fälle aus Mexiko gemeldet wurden, wurde die Erkrankung zunächst mit der Bezeichnung „Mexikanische Grippe“ belegt. Weil die mexikanische Regierung dagegen protestierte und Einbußen in Handel und Tourismus befürchtete, spricht man offiziell von der pandemischen Influenza A (H1N1) 2009. Die Tagespresse verwendete jedoch über-
spielsweise H5, H7) findet man eine Spezifität für α(2,3)-glycosidisch gebundene N-Acetyl-Neuraminsäurereste und bei hochpathogenen Stämmen mehrere basische Aminosäuren vor der Spaltstelle. Da diese Sequenzfolge gut von intrazellulären Proteasen (䉴 Abschnitt 16.3.3) erkannt wird, sind diese pathogenen Viren schon bei ihrer Freisetzung von den infizierten Zellen infektiös und können sich in den Vögeln ausbreiten. Schweine können sich mit einigen der Vogelinfluenzavirustypen infizieren. Nehmen sie kontaminiertes Wasser zu sich, so kommt es zu einer Infektion mit produktiver Vermehrung der Viren, die sich durch Mutation (antigenic drift) an diesen neuen Wirt weiter adaptieren, die Spezifität zur Bindung an α(2,6)-glycosidisch gebundene N-Acetyl-Neuraminsäurereste erlangen und sich in der Schweinepopulation verbreiten, woraus eine Infektion des Respirationstrakts resultiert. Dabei müssen sich vor allem die viralen Enzyme auch an veränderte Temperaturbedingungen anpassen und für diese optimiert werden. Während sie bei den systemischen Infektionen der Vögel bei einer Temperatur von 37 bis 38 °C aktiv sind, herrschen im Respirationstrakt der Säugetiere nur etwa 33 °C. Schweine sind zugleich auch empfänglich für Infektionen mit humanen Influenzavirustypen, sodass ein
wiegend die Bezeichnung „Schweinegrippe“, was aber sehr unpräzise war. Auch standen die in Mexiko und den USA zuerst aufgetretenen Infektionen nach Informationen der betroffenen Länder nicht unmittelbar mit Kontakten zu infizierten Schweinen in Verbindung. Das Virus dürfte bereits vor einiger Zeit auf den Menschen übergegangen und von Mensch zu Mensch weitergegeben worden sein. Da diese Neue Grippe (Schweinegrippe) bisher überwiegend milde Erkrankungsverläufe zeigt, können Infektionen zu Beginn des Ausbruchs unerkannt geblieben sein. In Deutschland gibt es einen Pandemieplan, der maßgeblich vom hierfür zuständigen Robert Koch-Institut erstellt wurde. Bund und Länder können gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen einleiten und Empfehlungen aussprechen. Bisher zeigte die Therapie mit Neuraminidaseinhibitoren, die bei einzelnen schwereren Verläufen überwiegend bei Patienten mit chronischen Herz- und Kreislauferkrankungen eingeleitet wurde, eine gute Wirkung. Im Oktober 2009 wurden die ersten Impfstoffe für Menschen zugelassen, die spezifisch gegen eine Infektion mit diesem Erreger schützen. Der tatsächliche Nutzen einer Vakzinierung wird als kontrovers diskutiert.
Schwein zur gleichen Zeit mit Influenzaviren zweier unterschiedlicher Wirte produktiv infiziert sein kann. Findet diese Infektion in derselben Zelle statt, können bei der Morphogenese am Ende des Replikationszyklus sogenannte Virusreassortanten entstehen, die Gemische der verschiedenen Genomsegmente enthalten. In seltenen Fällen kann so ein „erfolgreicher“ Subtyp entstehen, der vom infizierten Schwein auf den Menschen übertragen wird, in ihm eine produktive Infektion auslöst und an andere Personen effizient weitergegeben wird. Die Influenzavirusreassortante kann so eine neue Influenzaviruspandemie auslösen, da die betroffene Bevölkerung zunächst keinen Immunschutz besitzt. Unklar ist, warum man bisher nur drei der 16 verschiedenen in der Natur vorkommenden HA-Subtypen der Influenzaviren bei den Pandemien in der menschlichen Bevölkerung gefunden hat. Man vermutet, dass in den anderen Fällen Reassortanten entstehen, für die der menschliche Organismus wenig empfänglich ist. Neben diesen drastischen Veränderungen bei neuen Pandemien durch den antigenic shift verändern sich die Oberflächenproteine der Influenzaviren jedoch auch im Verlauf einer Pandemie und in der Zeit danach. Diese Varianten betreffen vor allem die Bereiche der HA- und NA-Proteine, die für die Bindung neutralisierender
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Antikörper verantwortlich sind. Im HA-Protein sind diese vor allem in den Aminosäureregionen lokalisiert, welche die in einer Grube verborgene Rezeptorbindungsstelle umgeben (䉴 Abbildung 16.7B und C). Sie beruhen auf Punktmutationen in den für sie codierenden Genabschnitten. Die RNA-abhängige RNA-Polymerase der Influenzaviren hat eine hohe Fehlerrate beim Einbau der komplementären Basen beim Replikationsprozess und inkorporiert mit einer Häufigkeit von etwa 10–3 falsche Basen in die RNA-Stränge, die statistisch über das ganze Genom verteilt sind. Die Antikörper, die im Infektionsverlauf gebildet werden, üben einen Selektionsdruck aus. Dadurch werden im Verlauf einer Epidemie Viren selektiert, bei denen die oberflächenexponierten Bereiche der Proteine verändert sind, welche die Bildung einer neutralisierenden Immunreaktion induzieren. Das Virus kann so über längere Zeit in einer Bevölkerung persistieren. Diesen Mechanismus der Veränderung antigener Proteinbereiche durch Punktmutationen bezeichnet man als antigenic drift. Während die antigenetischen Veränderungen bei den humanpathogenen Viren häufig auftreten, sind die Influenzaviren aus Pferden relativ stabil und werden durch antigenic drift kaum verändert. Entstehung der humanen Influenzavirusstämme Das Virus der Asiatischen Grippe von 1957 unterschied sich von dem Virus der Pandemie, die 1918/1919 auftrat, in insgesamt drei Genomsegmenten: PB1, HA und NA. Vergleichende Untersuchungen ergaben, dass diese Segmente ursprünglich aus einem Enteninfluenzavirus stammten. Die übrigen entsprachen denjenigen des Influenzavirus der Spanischen Grippe, sie wurden also in die neue Reassortante übernommen (䉴 Tabelle 16.10). Im Virus der Hongkong-Grippe von 1968 waren erneut zwei Segmente ausgetauscht; der für Hämagglutinin und der für das PB1-Protein codierende Abschnitt unterschieden sich vom Virus der Asiatischen Grippe. Auch in diesem Fall schienen sie von einem Enteninfluenzavirus abzustammen. Das NA-Segment wurde in dieser Reassortante nicht ausgetauscht. Das H3N2-Virus der Hongkong-Grippe zirkuliert zusammen mit den H1N1-Viren der Russischen und inzwischen auch der Neuen Grippe bis heute in der menschlichen Bevölkerung und kann – mit Veränderungen durch antigenic drift – bis heute aus Grippepatienten isoliert werden. Zwei Hypothesen werden für die Entstehung des Virus der Spanischen Grippe von 1918 vorgeschlagen: Eine besagt, dass es sich nicht um eine Reassortante handelt, sondern um ein Enteninfluenzavirus, das zu Beginn dieses Jahrhunderts in den USA auf Schweine übertragen wurde und sich unter Beibehaltung aller acht Segmente durch kontinuierliche Veränderungen über
Punktmutationen an diesen Wirt erfolgreich adaptierte. Dieses Virus scheint in der Folge zwischen Menschen und Schweinen zirkuliert zu sein, bis sich eine Mutante mit einem hohen pathogenen Potenzial entwickelte, die ausgehend von Fort Dix in den USA mit den amerikanischen Soldaten am Ende des Ersten Weltkriegs nach Europa importiert wurde und hier die schwere Pandemie der Spanischen Grippe (1918/1919) verursachte. Die andere Hypothese geht von der Entstehung auch dieses Virussubtyps in der Provinz Guangdong in Südchina aus. Ein Virus vom Subtyp H1N1 war hier offenbar schon ab 1907 in der chinesischen Bevölkerung zirkuliert und sich an den Menschen als Wirt adaptiert. Von chinesischen Arbeitern, die vom amerikanischen Militär zum Aufbau von Lagern in Frankreich und Spanien beschäftigt wurden, ist das H1N1-Virus dann nach Europa importiert worden. Inzwischen hat man Menschen, die 1918 an der Influenzavirusinfektion verstorben und in Alaska und Spitzbergen im Bereich des Dauerfrostbodens beerdigt worden waren, exhumiert. Aus dem Biopsiematerial der Leichen konnte man durch Einsatz der Polymerasekettenreaktion die Virusgenomsegmente amplifizieren und sequenzieren. Auch fanden sich mit Formalin fixierte Organproben von Patienten, die 1918 an der Spanischen Grippe verstorben waren. Die Sequenzanalyse der HA-Gene ergab wie erwartet den Subtyp H1 mit den Aminosäurevariationen, die auf eine Anpassung des Virus an Säugetiere deuten. Die Adaptation an den Menschen als Wirt durch antigenic drift war jedoch zum Zeitpunkt des Todes der Patienten noch nicht sehr weit fortgeschritten. Das Virus des Subtyps H1N1 und die durch antigenic drift veränderten Varianten ließen sich bis 1956 in der Bevölkerung nachweisen. Danach war es 21 Jahre lang anscheinend verschwunden, bis es in einer Variante 1977 als Erreger der Russischen Grippe in Nordchina wieder auftrat. Diese Virusvariante entsprach exakt einem Isolat, das 1950 aus einem Patienten gewonnen worden war. Die Herkunft des Virus von 1977 ist nach wie vor rätselhaft. Die komplette Identität mit dem Virus von 1950 – auch eine Variation durch antigenic drift war nicht zu beobachten – lässt aber darauf schließen, dass dieses Virus die Zeit zwischen 1950 und 1977 in „eingefrorenem“ Zustand überdauert hat. Es gibt Spekulationen, dass es sich um einen versehentlich aus einem russischen Institut freigesetzten Laborstamm handelt. Andererseits scheint neben Antigen-Shift und -Drift noch ein dritter Mechanismus für das Auftreten von Pandemien verantwortlich zu sein: Man beobachtet, dass die humanen Influenza-AVirussubtypen nach längerer Zeit in nahezu unveränderter Form wieder auftreten können und dann schwere Pandemien verursachen. Dies geschieht überwiegend nach einem Zeitraum von etwa 60 bis 68 Jahren („68er
16.3 Orthomyxoviren
Regel“) und ist wohl durch das allmähliche Verschwinden der spezifischen Immunität in der Bevölkerung bedingt. So könnten die Pandemien von 1900 und 1968 von H3N2 und die von 1918 und 1977 von H1N1 verursacht worden sein. Seit dem Frühjahr 2009 entwickelte sich eine neue Pandemie im Menschen, die durch Influenza-A-Viren des Subtyps H1N1 verursacht wird. Diese neue H1N1Pandemie nahm ihren Ausgang in Mexiko; sie wurde deshalb einige Zeit auch als „Mexikanische Grippe“ bezeichnet und wird jetzt aber Neue Grippe bzw. Schweinegrippe genannt (䉴 Exkurs Die Neue Grippe). Phylogenetische Analysen zeigten, dass es sich um eine Reassortantenbildung aus menschlichen, porcinen und aviären Influenza-A-Viren handelt. Von dem bis Ende 2009 ebenfalls zirkulierenden H3N2-Virus der Hongkong-Grippe blieb das Segment 2 erhalten, das für die Synthese des PB1-Proteins verantwortlich ist (䉴 Tabelle 16.10). Die Segmente 1 und 3 (codierend für PB2 und PA) sind spezifisch für aviäre Influenza-A-Viren, die restlichen Segmente lassen sich von Schweine-Influenza-A-Virusisolaten ableiten. Vermutlich hat eine Vermischung der viralen Genomsegmente in Schweinen auf dem amerikanischen Kontinent stattgefunden; entsprechende Reassortanten konnte man schon vor 2009 aus Schweinen in Argentinien und Canada isolieren. Im
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April 2009 kam es dann in Zentralamerika zu Übertragungen auf Menschen. Seitdem hat sich dieses neue Influenza-A-Virus H1N1 über alle Kontinente ausgebreitet und wurde im Juni 2009 von der WHO zu einer neuen Grippepandemie erklärt. Die Symptome, welche mit diesen neuen H1N1-Infektionen verbunden sind, erweisen sich bisher als relativ mild; bis Ende November 2009 wurden von der WHO aber weltweit bereits mehr als 6 770 Todesfälle im Zusammenhang mit der Pandemie der neuen H1N1-Grippe registriert. Auch in Mitteleuropa nahm die Zahl der registrierten Infektionen der neuen H1N1-Viren im Spätherbst 2009 deutlich zu: Über 50 Prozent der registrierten Influenza-A-Virusinfektionen waren in Deutschland, Österreich und der Schweiz Ende November 2009 durch das neue H1N1Pandemievirus verursacht, in Deutschland wurden 27 Todesfälle verzeichnet. 1997 wurden in Hongkong 18 Menschen mit einem bis dahin nicht als humanpathogen beschriebenen Influenzavirus infiziert. Es handelte sich um ein hochpathogenes Geflügelinfluenzavirus mit dem Subtyp H5N1. 30 Prozent der Infizierten starben, die Infektion verbreitete sich jedoch in der Bevölkerung nicht. Wie bereits beschrieben, könnte hierfür unter anderem die Spezifität des Geflügelvirus für Sialylsäuren in α(2,3)glycosidischer Bindung verantwortlich sein. Um die
¡ Der aktuelle Umgang mit der Vogelgrippe in Mitteleuropa Seit 1997 waren im Rahmen der Geflügelpestepidemie in Südostasien über 200 Influenza-A-Virusinfektionen mit dem Subtyp H5N1 bei Menschen zu beobachten, die mit einer ungewohnt hohen Mortalität einhergingen. Die im Menschen hoch virulenten H5N1-Viren schürten insbesondere in den westlichen Industrieländern die Sorge, dass, zum Beispiel durch Mutationen, sich die H5N1-Viren im Rahmen des antigenic drift weiter verändern könnten, verbunden mit einer fortschreitenden Anpassung an menschliche Wirte. Die Gefahr, dass das „Vogelgrippe“-Virus die Basis für ein neues hochvirulentes Pandemievirus sein könnte, bedingte ein Importverbot für lebendes und totes Geflügel aus Endemieländern und ein Aufstallungsgebot für Wirtschaftsgeflügel während der Vogelflugzeiten im Herbst. Im Rahmen der Pandemieplanung wurden von den Regierungen der Länder große Mengen von Neuraminidasehemmstoffen eingelagert, ausreichend zur Therapie von mindestens zehn Prozent der Bevölkerung. Sie sollen im Ernstfall zur Eindämmung und Abriegelung der Infektionen eingesetzt werden. Auch in einer großen Zahl von Privat-
haushalten werden diese antiviralen Therapeutika für den Ernstfall ungezielt vorgehalten. Angesichts der Tatsache, dass das Medikament nur zur kurzzeitigen Prophylaxe im Pandemiefall geeignet ist, seine Wirkung nur bei Behandlung im Frühstadium der Infektion sinnvoll ist und eigentlich den positiven diagnostischen Nachweis der Influenzainfektion voraussetzt, muss diese Vorgehensweise sehr kritisch diskutiert werden. Der falsche Einsatz der Neuraminidasehemmstoffe birgt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich durch den entstehenden Selektionsdruck, ähnlich wie bei anderen therapierbaren Virusinfektionen, resistente Isolate ausbilden und verbreiten könnten. Ab Herbst 2005 wurden tatsächlich sowohl H5N1- wie auch andere Influenzavirusisolate beschrieben, deren Infektion mit Neuraminidasehemmstoffen nicht beeinflusst werden konnte. Daher ist zu befürchten, dass der ungezielte Einsatz ohne ärztliche Indikation dazu führt, dass diese antivirale Chemotherapie langfristig wirkungslos und im Ernstfall nicht mehr zur Verfügung stehen wird.
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Gefahr einer neuen Pandemie zu bannen, beschloss man jedoch, alles Geflügel in Hongkong zu töten. Trotz dieser Maßnahme breiteten sich ab 2003 Influenza-A-Viren des Subtyps H5N1 im Geflügel Südostasiens und später auch über Ost- nach Mitteleuropa und Afrika aus. Die hier beschriebenen Mechanismen der genetischen Neuordnung und der damit verbundenen Entstehung neuer Virussubtypen wurden überwiegend bei Influenza-A- und in geringerem Ausmaß bei InfluenzaC-Viren gefunden. Inwieweit sie bei Influenza-C-Viren zur Entstehung von Genotypen mit unterschiedlicher Pathogenität beitragen, ist unklar. Direkte Reassortierung zwischen zwei humanpathogenen Virusstämmen in einer infizierten Person wurde in Einzelfällen beim Influenza-C-Virus beschrieben. Influenza-B-Viren, die man bisher nur beim Menschen nachgewiesen hat, bilden keine Reassortanten.
Klinik Die echte Grippe ist eine akut einsetzende Erkrankung der Atemwege, die mit sehr ausgeprägten AllgemeinSymptomen einhergeht und sich dadurch deutlich vom banalen grippalen Infekt unterscheidet. Abhängig vom Alter der Betroffenen und von bestehenden Grundkrankheiten können schwere Komplikationen entstehen, die – wenn auch selten – innerhalb weniger Tage zum Tod führen können. Die Inkubationszeit ist kurz, sie liegt zwischen einem und fünf Tagen. Vor allem bei Erwachsenen kann die Infektion inapparent, das heißt ohne Erkrankungsanzeichen, verlaufen. Hauptsymptom ist hohes, völlig abrupt einsetzendes Fieber (bis 41 °C) und ausgeprägtes allgemeines Krankheitsgefühl. Dazu kommen Halsschmerzen, unproduktiver Husten und starke Kopf- und Gliederschmerzen. Die Symptome halten in der Regel drei bis sieben Tage an. Bei Kindern ist die Symptomatik ähnlich (vor allem hohes Fieber, Halsschmerzen und Husten). Hinzu können allerdings eine virale Mittelohrentzündung, starke Leibschmerzen, Diarrhoe und Erbrechen kommen, bei kleineren Kindern auch Pseudo-Croup und Bronchiolitis. Risikogruppen stellen Personen mit bestehenden chronischen Erkrankungen dar, bei denen es zu ausgeprägten Verschlimmerungen der Grundkrankheit kommen kann. Hier wären beispielsweise Asthma, chronische Bronchitis, zystische Fibrose, Diabetes mellitus, Herz- und Kreislauferkrankungen zu nennen. Resultierende Komplikationen sind akute Bronchitis, Pseudo-Croup (Kleinkinder), primäre virale Pneumonie (Lungenentzündung), Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung (Myo- und Perikarditis), sowie selten neurologische, muskuläre und die Niere betreffende Komplikationen. Die primäre virale interstitielle (oft hämorrhagische)
Lungenentzündung tritt auch häufig bei älteren (über 65 Jahre) Patienten auf und kann bis zu zwei Wochen lang andauern. Lungenentzündungen können auch sekundär durch bakterielle Überinfektionen, unter anderem durch Streptococcus pneumoniae, Staphylococcus aureus und Haemophilus influenzae entstehen; letzteres gab der Erkrankung ihren Namen. Bei immunsupprimierten Personen wird das Virus deutlich länger ausgeschieden, sodass ein hohes Risiko von nosokomialer Übertragung entsteht. Das heißt, dass andere Patienten beispielsweise in Krankenhäusern oder Arztpraxen angesteckt werden. Eine weitere Risikogruppe stellen Schwangere dar, bei denen neben Infektionen des Fetus auch ein erhöhtes Todesrisiko besteht. Insgesamt schwerere Verläufe werden auch bei erstmaligem Kontakt mit einem Pandemievirus bei Personen ohne Grunderkrankung gefunden. Influenza-B-Virusinfektionen verlaufen sehr ähnlich. Tödliche Erkrankungen mit primärer viraler Lungenentzündung sind jedoch seltener, sekundäre bakterielle Pneumonien dagegen häufig. Bei Kindern können Influenzaviren das Reye-Syndrom hervorrufen, das mit massiven Gehirn- und Leberschädigungen einhergeht. Es tritt allerdings nur dann auf, wenn zur Behandlung der Grippe Aspirin eingesetzt wird. Infektionen des Menschen mit den hochpathogenen Varianten der aviären H5N1-Viren verlaufen deutlich anders: Sie beginnen zunächst mit den üblichen Influenzasymptomen (siehe oben), gehen dann aber in schwerere Erkrankungen des Respirationstrakts wie virale Pneumonien oder ARDS (acute respiratory distress symptome) über und enden häufig mit lebensbedrohenden Komplikationen bis hin zu Multiorganversagen. Die schweren systemischen Verläufe können die Leber, den Verdauungstrakt, das Knochenmark oder die Niere betreffen. Bakterielle Überinfektionen spielen bei H5N1-Infektionen des Menschen keine Rolle. Die Mortalität liegt deutlich über 50 Prozent. Der Verlauf der Influenza in Schweinen und Pferden ähnelt dem der Menschen. Sie manifestiert sich dort als hochakute fieberhafte Erkrankung, die mit respiratorischen Symptomen einhergeht und sich in einem betroffenen Bestand schnell ausbreitet. Die Morbidität ist hoch, die Mortalität dagegen sehr gering. Beim Geflügel ist das klinische Bild abhängig vom Virustyp und von der Geflügel- oder Vogelart. Puten und Hühner sind hochempfindlich für die hochpathogenen H5- und H7-Viren und entwickeln ein akutes, dramatisches, systemisches Krankheitsbild mit hoher Letalität. Andere Spezies sind ebenfalls empfänglich, vor allem Schwäne und verschiedene Taucherarten erkranken regelmäßig. Im klassischen Wassergeflügel (Enten, Gänse) verläuft die Infektion in aller Regel milder.
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¡ Der Wirtstropismus der Influenzaviren basiert auf spezies- und zellspezifischen Unterschieden im Glycosylierungsmuster Für die Unterschiede in der Spezifität der Rezeptorbindung der verschiedenen Influenzavirussubtypen sind speziesspezifische Glycosylierungsmuster der Zellproteine verantwortlich. So findet man bei den Mucinen (䉴 Abschnitt 15.3.5), hoch glycosylierte Proteine im schützenden Schleim des menschlichen Lungenepithels, hauptsächlich Sialylsäuren in α(2,3)-glycosidischer Bindung als endständige Zuckerreste. Haben die Influenzaviren HA-Subtypen mit dieser Spezifität, dann binden sie sich an die Zuckermodifikationen in der Schleimschicht und gelangen deswegen nicht zu ihren Wirtszellen, den Epithelzellen der Lunge, auf denen die α(2,6)-Bindungsform überwiegt. Daher findet bei den humanpathogenen Subtypen eine Selektion für Viren mit HA-Typen (H1 bis H3) statt, die sich bevorzugt an Sialylsäuren in α(2,6)-glycosidischer Bindung anlagern. In Vögeln und Pferden ist die Situation hingegen umgekehrt: In den Schleimbereichen des Vogeldarms kommt sehr häufig α(2,6)-glycosidisch gebundene Sialylsäure vor. Auch findet man diese Version bevorzugt als Modifikation von Proteinen im Respirationstrakt bei den Pferden, wohingegen hier auf der Zelloberfläche die α(2,3)-Bindung vorherrscht.
Neben den hochpathogenen Influenzaviren gibt es viele niedrigpathogener Stämme, die ein mildes Krankheitsbild induzieren. Da aus diesen Viren durch Mutation der Spaltstelle des HA0-Proteins jederzeit grundsätzlich hochpathogene Geflügelpestviren entstehen können, werden auch diese Infektionen in Europa bekämpft.
Pathogenese Influenzaviren gelangen bei Menschen und Säugetieren über Tröpfcheninfektion in den Organismus und infizieren durch Bindung des HA-Proteins an endständige Neuraminsäurereste auf den Epithelzellen der Mund-, Nasen- und Rachenschleimhaut. Beim Menschen überwiegt in diesem Organbereich die Verknüpfung der Sialylsäure in α(2,6)-glycosidischer Bindung. α(2,3)-glycosidische Bindungen sind beim Menschen im oberen Respirationstrakt nicht vorhanden, kommen aber in den unteren Lungenbereichen vor. Diese biochemischen Unterschiede im menschlichen Respirationstrakt sind ein Grund, warum sich Übertragungen von Influenzaviren des Geflügels (H5, H7) auf den Menschen nur sehr selten in einer Infektion manifestieren. Die Bevorzugung der α(2,6)-glycosidischen Bindung erlaubt keine effiziente Mensch-Mensch-Übertragung der aviären
In Schweinen findet man beide Glycosylierungstypen – sie nehmen also gewissermaßen eine Zwischenstellung zwischen Menschen sowie Pferden und Vögeln ein. Der Selektionsdruck wirkt in Vögeln jedoch anders als bei den humanpathogenen Virussubtypen auf die Viren, deren HAProteine mit großer Affinität α(2,3)-gebundene N-AcetylNeuraminsäuren erkennen. Wahrscheinlich konnte sich deshalb das Influenzavirus des Subtyps H5N1, das 1997 in Hongkong bei Infektionen gefunden wurde, in der menschlichen Population nicht verbreiten. Von den Vögeln ist dieses Virus ohne weitere Adaptation an säugetierspezifische Besonderheiten direkt auf den Menschen übertragen worden. Es hatte mit dem Subtyp H5 die Rezeptorspezifität für Sialylsäuren in α(2,3)-glycosidischer Bindung. Man fand insgesamt nur 18 damit infizierte Patienten. Dieses Virus ist ursprünglich als aviäres Influenzavirus im Geflügel in Hongkong aufgetreten und hat Enten, Puten und Hühner infiziert. Der Typ H5 hat eine polybasische Sequenz vor der Spaltstelle, die für aviäre Influenzaviren typisch ist und eine systemische Infektion begünstigt (䉴 Abschnitt 16.1.3).
Virustypen. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich die Viren durch Mutationen im für das Hämagglutinin H5 codierenden Segment verändern und dabei an den Menschen als Wirtsorganismus adaptieren. Sollte bei solch einer Adaptation die bislang hohe Pathogenität für den Menschen mit einer Todesrate von über 50 Prozent der Infizierten erhalten bleiben, dann bestände die Gefahr einer neuen, schwer verlaufenden Pandemie mit Influenzaviren H5N1 in der menschlichen Bevölkerung. Vom oberen Respirationstrakt breiten sich die Viren in den unteren Respirationstrakt aus; virämische Phasen, in welchen das Virus im Blut vorhanden ist, kommen bei Infektionen des Menschen mit Viren der Subtypen H1, H2 und H3 nur selten vor. Zellzerstörungen sind in den Flimmerepithelien und den schleimproduzierenden Schichten aller Bereiche des Respirationstraktes zu beobachten, eine verdickte, hyalinisierte Basalschicht in Verbindung mit submucösen, ödematösen Anschwellungen wird exponiert. In diesen Bereichen findet man Infiltrate von neutrophilen und mononucleären Zellen. Bildet sich eine primäre, interstitielle Lungenentzündung aus, wird das Virus auf die Zellen des Lungenparenchyms übertragen. Man findet starke Anschwellungen der Alveolarwände, deren Epithel durch die Zellzerstörung häufig vollkommen abgetragen ist. In Folge der
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¡ Angeborene Abwehr gegen Influenzaviren und andere Negativstrang-RNA-Viren Die Wirtsabwehr gegenüber Influenzaviren beruht auf einem intrazellulären Abwehrprotein, dessen Synthese früh im Infektionsgeschehen durch Interferon-α und -β zusätzlich zu der 2’-5’-Oligoadenylatsynthese und der Proteinkinase PKR (䉴 Kapitel 8) induziert wird. Der erste Vertreter dieser sogenannten Mx-Proteine (Mx steht für Myxovirusresistenz) wurde ursprünglich bei Mäusen gefunden, die eine hochgradige interferonvermittelte Resistenz gegenüber experimenteller Influenzavirusinfektion zeigten. Ähnliche Proteine wurden in der Folge auch beim Menschen und anderen Wirbeltieren nachgewiesen. Mx-Proteine gehören zu der Superfamilie der großen GTPasen (80–100kD). Dabei handelt es
Nekrosen entstehen Blutungen und Risse in den Alveolar- und Bronchiolenwänden. In diese Bereiche wandern vor allem mononucleäre Zellen ein. Influenzaviren verfügen mit dem NS1-Protein über die Möglichkeit, die Interferon-α vermittelten Immunreaktionen weitgehend auszuschalten. Auch ist für das PB1-F2-Protein bekannt, dass es bevorzugt in Alveolarmakrophagen und anderen immunologisch aktiven Zellen Apoptose auslösen kann. In wie weit diese Eigenschaften die bakterielle Überinfektionen fördern und so die Pathogenese der Influenzavirusinfektion in vivo beeinflussen, ist noch nicht endgültig geklärt. Im Unterschied zu den Möglichkeiten, der Basisimmunantwort zu entgehen, verfügen die Viren auch über Mechanismen, diese in besonderer Weise zu induzieren: Neue Arbeiten zeigten, dass die einzelsträngigen RNA-Segmente der Influenzaviren als immunologische Erkennungsmoleküle (pathogen associated molecular pattern, PAMP) und als Ligand für die toll-like-Rezeptoren 7 beziehungsweise 8 (TLR-7/-8) fungieren. Dem unspezifischen Immunsystem wird damit signalisiert, dass sich im Organismus eine Virusinfektion ereignet. Bei bakteriell bedingten Lungenentzündungen fördern bakterielle Proteasen von Staphylococcus aureus und anderen Erregern die Spaltung des HA0-Proteins und steigern damit die Infektiosität des Influenzavirus; bakterielle Coinfektionen können so synergistisch zur Entstehung von Lungenentzündungen beitragen. Dies erklärt auch die gute therapeutische Wirkung von Antibiotika bei der Behandlung der Influenza.
sich vermutlich um mechano-chemische Enzyme, die wie beispielsweise das Dynamin an intrazellulären Transportprozessen beteiligt sind. Das MxA-Protein des Menschen besitzt eine antivirale Aktivität gegen Influenzaviren, gegen Thogotoviren, gegen eine Reihe von Paramyxoviren (wie Masern) sowie gegen Vertreter der Bunyaviren (Hantaviren, Rift-Valley-Fieber-Virus, La Crosse-Virus; 䉴 Kapitel 16.2). Die genaue Wirkungsweise ist noch nicht vollständig geklärt. Die MxA-GTPase scheint die Nucleocapside oder nucleocapsidähnliche Strukturen dieser Viren zu erkennen und durch Störung des intrazellulären Transports und Ablagerung in Komplexen unschädlich zu machen.
Immunreaktion und Diagnose Im Infektionsverlauf werden IgM-, IgA- und IgG-Antikörper gebildet. Influenzaviren induzieren eine anhaltende Immunreaktion, die vor Reinfektionen mit dem gleichen Virussubtyp relativ effektiv schützt. Die neutralisierenden IgG- und IgA-Antikörper sind gegen die HA-Proteine gerichtet, vor allem gegen fünf Epitope, die sich auf der Oberfläche des Proteins in Nachbarschaft zur Rezeptorbindungsstelle befinden. Auch Antikörper gegen die Neuraminidase können die Ausbreitung der Infektion im Organismus eingrenzen. Die Tatsache, dass 1977 beim erneuten Auftreten des Influenzavirus H1N1 mit der Russischen Grippe ältere Personen weitgehend geschützt waren, die mit diesem Virustyp erstmals im Rahmen der Pandemie von 1918/19 infiziert worden waren, weist auf die Effektivität des langanhaltenden, virussubtypspezifischen Schutzes hin. Die Eliminierung des Virus aus dem Organismus geschieht vor allem durch cytotoxische T-Zellen, die Oligopeptide des NP-Proteins in Kombination mit MHCKlasse-I-Proteinen erkennen. Da das NP-Protein bei allen Influenza-A-Viren relativ hoch konserviert ist, liegen nach der Erstinfektion CD8+-Gedächtniszellen vor, die bei Folgeinfektionen schnell reaktiviert werden können und so zu einer raschen Eliminierung der virusinfizierten Zellen beitragen. Neben dem NP-Protein befinden sich auch in den Sequenzen der M-, NS- und der Polymeraseproteine T-Zell-Epitope. Virusspezifische CD4+-T-Helferzellen sind nicht an der direkten Eliminierung infizierter Zellen beteiligt, sondern für die Induktion und Verstärkung der humoralen Immunantwort und die Antikörperbildung wichtig. Daneben
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sezernieren sie, wie auch die bereits zu Infektionsbeginn vorhandenen aktivierten Makrophagen und natürlichen Killerzellen, Interferone und andere Cytokine. Diese fördern die Einwanderung weiterer T-Zellen und Makrophagen in die infizierten Gewebe; Interferon-γ ist wohl für die verstärkte Synthese von MHC-Klasse-IProteinen verantwortlich, die im Komplex mit viralen Peptiden auf der Zelloberfläche die Erkennung durch cytotoxische T-Zellen fördern. Influenzaviren induzieren auch die Synthese von Interferon-α und -β, allerdings wird diesem Vorgang die Aktivität des viralen NS1-Proteins entgegengesetzt. Es hemmt durch seine Bindung an die doppelsträngigen RNA-Segmente, die während der Replikation entstehen, die Induktion der Expression der Interferon-α und -β-Gene. Die Diagnose einer frischen Infektion erfolgt bei Menschen und Tieren durch die Bestimmung von IgModer IgA-Antikörpern im Serum, Virusisolierung aus Rachenspülwasser und Nasentupferproben sowie durch den Nachweis von Virusproteinen mittels verschiedener Schnellteste. Eine andere Möglichkeit ist der Nachweis viraler Nucleinsäure durch die Polymerasekettenreaktion in Materialien aus dem Respirationstrakt. Bei der Polymerasekettenreaktion muss darauf geachtet werden, dass sowohl Influenza A einschließlich des Subtyps H5N1 wie Influenza B erkannt werden. IgG-Antikörper sind Anzeichen für eine abgelaufene Infektion, vor allem in der Nasenschleimhaut sezernierte IgA1Antikörper schützen vor Reinfektionen. Influenzaviren können in einer Reihe von primären und immortalisierten Nierenzellkulturen (MDBK- oder MDCK-Zellen) aus unterschiedlichen Wirten (Hunden, Affen, Kälber, Hamster) unter Ausbildung eines cytopathischen Effekts gezüchtet werden. Infektiöse Viren werden nur gebildet, wenn die Zellen ausreichende Mengen von trypsinähnlichen Enzymen produzieren, die das HA0-Protein spalten können. Neben diesen Systemen ist die Viruszüchtung in bebrüteten Hühnereiern möglich. Diese Methode wird auch gegenwärtig noch für die Impfstoffherstellung genutzt.
Therapie und Prophylaxe Amantadin und Rimantadin können therapeutisch zur Prophylaxe und zur Behandlung der Influenza-A-Virusinfektion angewandt werden; Influenza-B- und -CViren sind nicht sensibel. Beide Substanzen sind tricyclische, primäre Amine (䉴 Abbildung 9.1), welche die Virusreplikation auf der Stufe der Partikelaufnahme und der Freisetzung der Nucleocapside im Cytoplasma hemmen. Angriffspunkt ist das A/M2-Protein, das Protonenkanäle in der Virusmembran ausbildet. Veränderungen der Aminosäuresequenz in der hydrophoben
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Transmembranregion dieses Proteins treten bei Behandlung schnell auf. Insbesondere Aminosäureaustausche an den Positionen 26, 27, 30, 31 oder 34 des Proteins führen zu resistenten Virusstämmen. Deswegen bleibt die Anwendung von Amantadin auf Hochrisikogruppen (beispielsweise in Altersheimen) beschränkt. Außerdem befinden sich Hemmstoffe der viralen Neuraminidase (Zanamivir, Oseltamivir) in Anwendung. Sie werden innerhalb von 48 Stunden nach erfolgter und wenn möglich nachgewiesener Infektion mit Influenzaviren eingesetzt, um die weitere Ausbreitung des Virus im Organismus in der Frühphase der Infektion einzudämmen (䉴 Kapitel 9). Neuraminidasehemmer verhindern somit nicht die Infektion, sondern schwächen sie ab; sie sind nicht für längere, prophylaktische Anwendungen gedacht. Eine Ausnahme, die die Gabe von Neuraminidasehemmern über längere Zeit rechtfertigt, ist der Einsatz bei Riegel-Abschirmungen in Zusammenhang mit möglichen Pandemiefällen; hier soll versucht werden, in den primären, aber auch in potenziell weiteren Kontaktpersonen Übertragungen zu verhindern. Aus mit Neuraminidasehemmstoffen behandelten Patienten, dabei handelte es sich zuerst überwiegend um immunsupprimierte Transplantatempfänger, konnte man resistente Virusmutanten isolieren. Im Rahmen der Winterepidemie 2008/2009 zeigte sich aber, dass die überwiegende Mehrheit der Influenzavirusisolate resistent gegenüber Neuraminidaseinhibitoren war. Die dafür verantwortlichen Mutationen bewirken Aminosäureaustausche im aktiven Zentrum der Neuraminidase und betreffen bevorzugt die Positionen 119, 274 und 292 (E119V, E119D, H274Y, R292K). Mutanten des Subtyps H5N1, deren Neuraminidasen durch den Ersatz der Aminosäure Histidin an Position 274 durch Tyrosin Resistenzen gegen diese Hemmstoffe aufweisen, traten erstmals im Herbst 2005 auf. Außerdem konnte gezeigt werden, dass auch Veränderungen im für das HA1Protein codierenden Genbereich zur Entstehung von Virusvarianten beitragen, die gegen Hemmstoffe der Neuraminidase resistent sind: Die Veränderungen, beispielsweise in der Aminosäureposition 226 (Val → Ile), bewirken, dass sich das Hämagglutinin mit verringerter Affinität an den Rezeptor bindet; dies macht die Funktion der Neuraminidase entbehrlich. Impfstoffe stehen gegen Influenza-A- und -B-Virusinfektionen zur Verfügung. Es handelt sich in Europa um abgetötete Viren, die in bebrüteten Hühnereiern oder Zellkulturen gezüchtet werden. Wegen der hohen Variabilität der Influenzaviren und der geringen Immunogenität der Impfstoffe müssen die Impfstoffe jährlich an die aktuell zirkulierenden Virussubtypen beziehungsweise Subtypvarianten angepasst werden. Dementsprechend gibt die Ständige Impfkomission des Robert Koch-Instituts
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q Bekämpfung der H5N1-Infektionen als Tierseuche Die Tierseuchenbekämpfung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist harmonisiert. Das bedeutet, dass bestimmte Tierseuchen in allen Mitgliedsstaaten mit den gleichen Maßnahmen bekämpft werden. Im Falle der Geflügelpest durch hochpathogene aviäre Influenzaviren (HPAIV) der Subtypen H5 und H7 verfolgt die EU eine Nichtimpfpolitik und verbietet grundsätzlich die Impfung von Geflügel. Ausnahmen sind zwar grundsätzlich möglich, ziehen aber rigorose Handelsbeschränkungen nach sich. Die Bekämp-
(STIKO) basierend auf den Empfehlungen der WHO und der europäischen Komission Vorgaben an die Zusammensetzung des neuen saisonalen Impfstoffes. Der Impfstoff gegen die saisonale Influenza für Deutschland 2009/2010 enthält die Stammzusammensetzung der aktuell zirkulierenden Varianten der Influenza-AViren H1N1 (Brisbane/59/2007), H3N2 (Brisbane/10/ 2007) und Influenza B (Brisbane/60/2008). Beim Ausbruch einer Pandemie wird der Impfstoff dem neuen Virussubtyp möglichst schnell angepasst; der neue Impfstoff gegen das Influenzavirus der neuen H1N1-Pandemie kam etwa sechs Monate nach der Charakterisierung des Erregers im Herbst 2009 auf den Markt. Das zeigt, dass trotz der molekularbiologischen Methoden, die zu einer schnellen und effizienten Charakterisierung des neuen Pandemievirus geführt haben, technische und logistische Probleme die Bereitstellung eines neuen Impfstoffes für Milliarden von Menschen behindern und nur schwer zu bewältigen sind. Außer diesen Totimpfstoffen ist in einigen Ländern (beispielsweise in den USA) eine lebend attenuierte, kälteadaptierte Vakzine im Einsatz, die aber in Europa bisher nicht zugelassen ist. Diese kann über die Atemwege appliziert werden und hier eine lokale Immunität ausbilden. Bei den tierpathogenen Influenzaviren sind Impfstoffe verfügbar, die theoretisch zum Schutz des Geflügels eingesetzt werden könnten. Die Impfung des Geflügels wird aber in den Ländern der EU grundsätzlich nicht durchgeführt. Ausnahmen sind für Zootiere oder bestimmte Nutzungsrichtungen möglich. Jedoch wird diese Ausnahmemöglichkeit in Zeiten, in denen H5N1Infektionen vorkommen, sehr kontrovers diskutiert. Bei Schweinen ist die Impfung mit bivalenten Totimpfstoffen (H1N1 und H3N2) Routine. Ebenso gibt es wirksame Totimpfstoffe gegen die Pferdeinfluenza. Sie enthalten inaktivierte Viren der Subtypen H7N7 und
fung eines Geflügelpestausbruchs in einem Nutztierbestand geschieht durch Tötung aller Vögel in diesem Bestand und in den Beständen in einem Umkreis von drei Kilometern (Sperrbezirk). Beim Nachweis von H5N1-Influenzaviren bei Wildvögeln wird in der Regel um den jeweiligen Fundort ein Sperrbezirk errichtet, in dem das Hausgeflügel aufgestallt werden muss und Katzen und Hunde nicht frei laufen dürfen.
H3N8. Die Immunitätsdauer ist kurz, Wiederholungsimpfungen sind in halbjährlichen oder jährlichen Abständen notwendig.
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16
384
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17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom Die Reoviridae und Birnaviridae verfügen über ein segmentiertes, doppelsträngiges RNA-Genom. Ähnliche molekulare Eigenschaften findet man bei Pflanzenviren, wie beispielsweise den Partitiviren. Das Genom der Birnaviren, von denen es keine humanpathogenen Vertreter
17.1 Birnaviren
gibt, verfügt über zwei Genomsegmente. Bei den Reoviren findet man dagegen ein aus neun bis zwölf RNASegmenten bestehendes Genom. Sie sind weltweit verbreitet und verursachen in Menschen und Tieren zum Teil schwere Erkrankungen
17.1.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Familie der Birnaviren wird in drei Genera unterteilt (䉴 Tabelle 17.1). Von veterinärmedizinischer Relevanz sind ausschließlich Vertreter der Genera Avibirnavirus und Aquabirnavirus. Als Prototyp der Virusfamilie gelten die Erreger der infektiösen Bursitis der Hühner (IBDV, auch als Gumborovirus bekannt) und das Virus der infektiösen Pankreasnekrose der Salmoniden (IPNV), einem Vertreter des Genus Aquabirnavirus. Das BlotchedSnakehead-Virus wurde aus der Zelllinie eines tropischen Süßwasserfisches (Channa lucius) isoliert und erst kürzlich als Birnavirus bestätigt. Aufgrund einiger molekularer Besonderheiten wird stark diskutiert, für dieses Tabelle 17.1 Charakteristische Vertreter der Birnaviren
Birnaviren haben ein Genom aus doppelsträngiger RNA, das in zwei Segmenten vorliegt. Der Name der Virusfamilie (bi-RNA) weist auf diese molekulare Eigenschaft hin. Birnaviren sind bisher als Krankheitserreger bei Vögeln, Fischen und Krebsen beschrieben worden. Infektionen von Säugetieren oder Menschen durch Vertreter der Birnaviren sind nicht bekannt.
Genus
Tier
Avibirnavirus
Gumborovirus (Virus der infektiösen Bursitis der Hühner, IBDV)
Aquabirnavirus
Virus der infektiösen Pankreasnekrose der Salmoniden (IPNV)
Entomobirnavirus
Birnaviren der Insekten (Drosophila-XVirus)
Blosnavirus*
Blotched-Snakehead-Virus (BSNV)
* als neues Genus vorgeschlagen
17
386
17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
Virus ein gesondertes Genus zu schaffen, dessen Name Blosnavirus heißen könnte.
17.1.2 Aufbau Viruspartikel Die Partikel der Birnaviren sind Ikosaeder mit einem Durchmesser von etwa 60 nm; sie sind nicht von einer Hüllmembran umgeben (䉴 Abbildung 17.1). Das Viruspartikel besteht aus den Strukturproteinen VP2 und VP3 und enthält zwei Segmente doppelsträngiger RNA, die zusammen etwa 6 000 Basenpaare umfassen. Die Symmetrie des Ikosaeders ist wie bei den Reoviren eine T=13 Struktur, die durch eine quasiäquivalente Anordnung von VP2-Trimeren und Gruppen von je vier VP2Trimeren (G4) gebildet wird.
Genom und Genomaufbau Die beiden Genomsegmente der doppelsträngigen RNA der Birnaviren (Segment A: 3 200 Basenpaare, Segment B: 2 800 Basenpaare) weisen insgesamt drei offene Leserahmen auf, welchen man entsprechenden Virusproteinen zuordnen konnte (䉴 Abbildung 17.2). Zwei findet man im Segment A (ORF1 und ORF2), einen im Segment B (ORF3). Kovalent mit beiden 5’-Enden der Segmente ist ein Protein (VP1) verknüpft. Die intermolekulare Wechselwirkung der VP1-Proteine beider Enden bedingt einen quasizirkulären Ringschluss der RNASegmente. In den Genomenden benachbarter Regionen befinden sich zueinander homologe Palindromsequenzen, die Schleifenstrukturen bilden und für die Replikation wichtig sind. Beim Erreger der infektiösen Pankreasnekrose umfasst das Segment A 3 214 Basenpaare und enthält zwei offene Leserahmen (䉴 Abbildung 17.2). ORF2 codiert für einen Polyproteinvorläufer, welcher die Proteine VP2, VP3 und VP4 umfasst. Er wird ver-
mutlich durch die Proteaseaktivität des VP4 gespalten. VP2 und VP3 bilden die Capsidproteine, im VP2 befinden sich Epitope, gegen die neutralisierende Antikörper gerichtet sind. In der Sequenz des Segments A findet sich ein zweiter offener Leserahmen (ORF1), der beim IBDV für ein Protein VP5 mit einer Länge von etwa 150 Aminosäuren codiert. Das Genomsegment B besitzt beim IPNV eine Größe von 2 796 Basenpaaren. Es codiert für die Synthese des VP1, das kovalent mit den Enden der RNA-Segmente verbunden ist und die quasizirkuläre Form der Genomsegmente stabilisiert. Zusätzlich hat es die Funktion einer RNA-abhängigen RNA-Polymerase. Während bei IBDV und IPNV der Leserahmen ORF1, welcher auf dem Segment A für das Protein VP5 codiert, in 5’-Orientierung zum Leserahmen ORF2 gelegen ist, befindet er sich beim Drosophila X-Virus in 3’Orientierung zum Leserahmen ORF2. Die Besonderheit des Blotched-Snakehead-Virus ist ein 71 Aminosäuren großes Protein, das auf dem Segment A zwischen den Sequenzen für die Proteine VP2 und VP4 codiert. Es wird als Teil des Vorläuferproteins synthetisiert.
17.1.3 Virusproteine Strukturproteine VP2 ist das Hauptcapsidprotein der Birnaviren. Es wird als Teil des Vorläuferpolyproteins gebildet und mittels proteolytischer Spaltung durch die VP4-Protease freigesetzt. VP2 trägt die für die Virusneutralisierung wichtigen Epitope. Das zweite Strukturprotein VP3 ist ebenfalls Teil des Polyproteins, in seiner Sequenz findet man keine neutralisierenden Epitope. Es interagiert sowohl mit dem VP1-Protein, das kovalent mit den 5’-Enden der RNA-Segmente verbunden ist, als auch mit dem VP2-Protein. Das VP1-Protein codiert auf dem RNASegment B und stellt die RNA-abhängige RNA-Polymerase dar. Es besitzt zusätzlich eine Guanyltransferaseak-
dsRNA, Segment A 17.1 Darstellung eines Birnaviruspartikels. Das Genom besteht aus zwei Segmenten doppelsträngiger RNA; kovalent mit den 5’-Enden verbunden ist das VP1-Protein, das auch die Aktivität einer RNA-abhängigen RNA-Polymerase besitzt. Die beiden Segmente sind in einem ikosaedrischen Capsid aus den Virusproteinen VP2/PräVP2 und VP3 enthalten.
5´ VP1
5´
5´ 5´
VP2 / Prä VP2
VP3
dsRNA, Segment B
17.1 Birnaviren
387
Genomsegment A VP1 1 3´
3214 ORF1
3´ VP1
dsRNA
3´
mRNA
ORF2 VP1 ? Transkription 5´ Translation
VP5
Polyprotein VP4 Spaltung
Prä VP2
Protease VP4
Capsidprotein VP3
Proteine VP2, VP3 VP4, VP5
? Spaltung VP2 Capsidprotein Genomsegment B VP1 3´
2796
1
3´ VP1
dsRNA
3´
mRNA
ORF3 VP1 ? Transkription 5´ Translation
VP1
Protein VP1
RNA-abhängige RNA-Polymerase 5´-gebundenes Protein
17.2 Genomorganisation und Genexpression der Birnaviren am Beispiel des Virus der infektiösen Bursitis der Hühner (InfectiousBursal-Disease-Virus, IBDV). Das Genom des Virus besteht aus zwei Segmenten doppelsträngiger RNA. Mit den 5’-Enden ist jeweils ein Molekül des Proteins VP1 kovalent verbunden. Vermutlich unter Einsatz der RNA-abhängigen RNA-Polymeraseaktivität des VP1Proteins erfolgt die Transkription der Segmente, wobei jeweils nur ein Strang codierend ist. Das Genomsegment A enthält zwei offene Leserahmen (ORF1 und ORF2). Vom ORF2 wird ein Polyprotein gebildet, das die Proteinanteile PräVP2 (Capsidprotein), VP4 (Protease) und VP3 (Capsidprotein) enthält. Die Spaltung erfolgt durch die autokatalytische Wirkung der Protease VP4. Aus dem PräVP2 entsteht unter Abspaltung des aminoterminalen Anteils durch eine unbekannte Protease das VP2-Protein. Der kleine ORF1 codiert für ein Protein VP5 unbekannter Funktion. Das Genomsegment B enthält den offenen Leserahmen 3 (ORF3), der für die Bildung des VP1-Proteins verantwortlich ist.
17
17
388
17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
tivität, die für die Modifizierung der 5’-Enden der viralen mRNAs mit 5’-Cap-Gruppen notwendig ist.
Nichtstrukturproteine Das VP4 ist vermutlich die virale Protease, die das Polyprotein der Strukturproteine spaltet. VP5 codiert im ORF1 des Segments A, seine Funktion ist unbekannt. 䉴 Tabelle 17.2 gibt einen Überblick zu den charakteristischen Eigenschaften der durch Birnaviren codierten Proteine.
17.1.4 Replikation Über die Details der Replikation der Birnaviren ist kaum etwas bekannt, sie findet ausschließlich im Cytoplasma der infizierten Zellen statt. Die Rezeptoren, an welche sich die Viren auf der Zelloberfläche binden, sind weitgehend unbekannt. Im Fall des Virus der infektiösen Bursitis der Hühner wurde kürzlich eine Bindung der Viruspartikel an Integrin α4β1 beschrieben. Ähnlich wie bei den Reoviren codiert auch bei den Birnaviren nur ein Strang der dsRNA-Segmente für Proteine. Die Strukturproteine werden in Form eines Polyproteinvorläufers gebildet, der durch die Protease VP4 in die Einheiten der PräVP2- und VP3-Proteine gespalten wird. Das PräVP2 wird im Anschluss durch einen unbekannten Mechanismus in das VP2-Protein prozessiert, wobei die aminoterminale Domäne entfernt wird. Die enzymatische Aktivität der RNA-abhängigen RNA-Polymerase ist mit dem VP1-Protein assoziiert. Die Tatsache, dass das VP1-Protein kovalent mit den 5’-Enden der RNA-Segmente verbunden ist, weist darauf hin, dass für die Synthese der neuen RNA-Stränge ein vom VP1-Protein abhängiger Initiationsmechanismus notwendig
ist. Über die Morphogenese der Birnaviren gibt es ebenfalls keine genauen Kenntnisse. Bei rekombinanter Produktion des PräVP2, jedoch nicht des VP2, bilden sich tubuläre Strukturen; virusähnliche Partikel entstehen hingegen nur bei der Synthese des gesamten Vorläuferproteins.
17.1.5 Tierpathogene Birnaviren In der Familie der Birnaviridae sind bisher keine humanpathogenen Krankheitserreger beschrieben worden. Zwei ihrer Vertreter sind jedoch tiermedizinisch wichtig: Das Virus der infektiösen Bursitis der Hühner (IBDV) und das Virus der infektiösen Pankreasnekrose der Salmoniden (IPNV).
Das Gumborovirus (Virus der infektiösen Bursitis der Hühner, IBDV) Epidemiologie und Übertragung Das Virus der infektiösen Bursitis der Hühner (IBDV) wurde nach dem Ort des ersten erkannten Ausbruchs der infektiösen Bursitis in einem Geflügelbestand in Gumboro (Delaware, USA) benannt. Es besitzt einerseits als Verursacher der infektiösen Bursitis der Hühner eine große tiermedizinische Relevanz, hat aber andererseits, vor allem wegen seines Tropismus für B-Lymphocyten, die durch die Infektion zerstört werden, auch in der immunologischen Grundlagenforschung große Bedeutung gewonnen. Das Virus ist weltweit verbreitet, hoch kontagiös und in der Umwelt sehr stabil. Dies hat seine rasche Verbreitung in einem Hühnerbestand und zwischen den Herden zur Folge. Infizierte Tiere scheiden
Tabelle 17.2 Eigenschaften und Funktionen der Proteine der Birnaviren Proteine
Molekulargewicht
Funktion
VP1
90 kD (IBDV) 94 kD (IPNV)
kovalent mit den 5’-Enden der RNA-Segmente verbunden; vermutlich RNAabhängige RNA-Polymerase
VP2
60 kD (IPNV) 40 kD (IBDV)
Hauptcapsidprotein; Bildung neutralisierender Antikörper
VP3
32 kD (IBDV) 30 kD (IPNV)
Capsidprotein
VP4/NS
29 kD
Protease; Spaltung des Polyproteins in VP2, VP3, VP4
VP5
17 kD
Nichtstrukturprotein ORF2 im Segment A
X
71 AA (BSNV)
Funktion unbekannt
17.1 Birnaviren
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¡ Das Virus der infektiösen Pankreasnekrose (IPNV) der Salmoniden ist heute weltweit verbreitet Das Virus der infektiösen Pankreasnekrose, ein Verteter des Genus Aquabirnavirus, wurde ursprünglich um 1950 in den USA aus Forellen isoliert. Es kann verschiedene Knochenfische infizieren und ist heute weltweit verbreitet. Es existieren verschiedene, voneinander unterscheidbare Serotypen. Das Virus wird über Kot, Urin, Eier und Sperma übertragen, seine Verschleppung in der Fischbrut ist epidemiologisch wichtig. Die Fische entwickeln meist eine lebenslange Viruspersistenz. Das IPN-Virus wird auch von fischfressenden Vögeln wie Reihern, Fischadlern oder Eisvögeln mit
das Virus bis zu zwei Wochen mit dem Kot aus. Es wird direkt von Tier zu Tier oder indirekt durch Trinkwasser oder Einstreu übertragen. Die Virulenz verschiedener IBDV-Stämme unterscheidet sich zum Teil erheblich. Die hochvirulenten Stämme (vvIBDV) sind von größter tiermedizinischer Relevanz. Ihr plötzliches Auftreten in den 1980er Jahren und ihre rasche Verbreitung wird heute auf ein Reassortment zwischen unterschiedlichen IBDV-Stämmen zurückgeführt. Dabei sind die Segmente A (u. a. Capsidprotein VP2) der alten IBDV-Stämme mit einem bis dahin phylogenetisch neuen IBDV-Typ, möglicherweise aus einem Wildvogel, ausgetauscht worden. Für die Virulenz der vvIBDV-Stämme scheinen die Aminosäuren 284 und 253 im Protein VP2 bestimmend zu sein, sie bewirken möglicherweise Unterschiede in der Replikationseffizienz in den B-Zellen. Der Einfluss des Segmentes B auf die besondere Epidemiologie dieser Stämme ist dagegen noch nicht erklärbar.
Klinik In einer empfänglichen Herde breitet sich das Virus in einem akuten Seuchenzug aus. Die Symptome sind wenig charakteristisch und umfassen unter anderem Anorexie, Diarrhoe, Zittern und gesträubte Federn. Die Symptome treten vor allem bei jungen Tieren im Alter von drei bis zehn Wochen auf; bei Vögeln, die älter als sechs Wochen sind, verläuft die Infektion meist asymptomatisch, wobei höher virulente IBDV-Stämme auch bei ihnen Krankheiten verursachen. Je nach Virulenz des IBDV-Stammes kann die Mortalität bis zu 80 Prozent betragen, die Morbidität erreicht meist 100 Prozent.
dem Kot ausgeschieden und verbreitet. Erkrankte Fische weisen eine dunkle Färbung, Exophthalmus (hervorquellende Augen) und Bewegungsstörungen auf. Histologisch findet man fokale Nekrosen im Pankreas. Große Virusmengen sind in den Nieren nachweisbar; aus ihnen kann man den Erreger isolieren und in CHSE- (chinock salmon embryo) oder RTG-Zellen (rainbow trout gonade) züchten. Die infektiöse Pankreasnekrose ist in Deutschland meldepflichtig. Impfstoffe sind verfügbar (modified live virus vaccines, MLV und inaktivierte Totvakzine), sie werden in einigen europäischen Ländern wie beispielsweise Norwegen eingesetzt.
Pathogenese Das charakteristische Merkmal dieser Virusinfektion ist die ausschließliche Infektion der Zellen der Bursa fabricii, also der Bildungsstätte der B-Lymphocyten der Hühner. Die Lymphfollikel werden infolge der lytischen Infektion der B-Zellen atrophisch, überlebende Tiere besitzen daher praktisch keine B-Lymphocyten mehr und entwickeln eine Defizienz der humoralen Immunantwort. Hochvirulente Virusstämme können zusätzlich auch Zellen anderer lymphatischer Gewebe wie Thymus, Milz oder Knochenmark infizieren und sich in ihnen vermehren. Nach oraler Aufnahme und initialer Vermehrung in den Makrophagen der Magen- und Darmschleimhaut gelangt das Virus über die infizierten Makrophagen in die Leber und schließlich in die Bursa, vermehrt sich hier in den B-Lymphocyten unter Bildung großer Mengen von Nachkommenviren. Die Viren befallen dabei nur sich differenzierende B-Lymphocyten in definierten Stadien der Zellreifung. Im Infektionsverlauf werden praktisch alle B-Lymphocyten in der Bursa infiziert. Von hier aus kann das Virus im Rahmen einer sekundären Virämie in andere lymphatische Organe gelangen. Als Folge der Depletion der B-Lymphocyten (viral bursectomy) entwickeln die Vögel eine erhöhte Anfälligkeit gegen verschiedene andere Infektionserreger wie beispielsweise Salmonellen.
Immunreaktion und Diagnose Virusproteine können durch Immunfluoreszenz in Abklatschpräparaten der Bursa nachgewiesen werden.
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17
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17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
Alternativ kann man die Erreger in bebrüteten Hühnereiern oder in der Zellkultur züchten und isolieren. Da die meisten virulenten IBDV-Stämme in vitro schwer züchtbar sind, ist die Verwendung bebrüteter Hühnereier für die Virusisolierung vorzuziehen. In jüngster Zeit wird der Nachweis der viralen RNA-Segmente durch RT-PCR vermehrt eingesetzt.
17.2 Reoviren
Bekämpfung und Prophylaxe Es sind verschiedene Lebendvakzinen auf der Basis attenuierter Virusvarianten erhältlich. Sie werden den Tieren über das Trinkwasser verabreicht. Ebenso verfügbar sind Totimpfstoffe, die parenteral appliziert werden. Beide Vakzinen induzieren hohe Titer neutralisierender Antikörper, die effizient vor einer Infektion schützen.
17.1.6 Weiterführende Literatur Becht, H. Infectious bursal disease virus. In: Curr. Top. Microbiol. Immunol. 90 (1980) S. 107–121. Birghan, C.; Mundt, E.; Gorbalenya, A. A non-canonical Lon proteinase deficient of the ATPase domain employs the Ser-Lys catalytic dyad to impose broad control over the life cycle of a double-stranded RNA virus. In: The EMBO Journal 19 (2000) S. 114–123. Coulibaly, F.; Chevalier, C.; Gutsche, I.; Pous, J.; Navaza, J.; Bressanelli, S.; Delmas, B.; Rey, F.A. The birnavirus crystal structure reveals structural relationships among icosahedral viruses. In: Cell 120 (2005) S. 761–772. Da Costa, B.; Soignier, S.; Chevalier, C.; Henry, C.; Thory, C.; Huet, J.-C.; Delmas, B. Blotched snakehead virus is a new aquatic birnavirus that is slightly more related to avibirnavirus than to aquabirnavirus. In: J. Virol. 77 (2003) S. 719–725. Dobos, P. The molecular biology of infectious pancreatic necrosis virus (IPNV). In: Annual Review of Fish Diseases 5 (1995) S. 24–54. Granzow, H.; Brighan, C.; Mettenleiter, T. C.; Beyer, J.; Köllner, B.; Mundt, E. A second form of infectious bursal disease virus associated tubules contains VP4. In: J. Virol. 71 (1997) S. 8879–8885. Hon, C. C.; Lam, T. Y.; Drummond, A.; Rambaut, A.; Lee, Y. F.; Yip, C. W.; Zeng, F.; Lam, P. Y.; Ng, P. T.; Leung, F. C. Phylogenetic analysis reveals a correlation between the expansion of very virulent infectious bursal disease virus and reassortment of its genome segment B. In: J. Virol. 80 (2006) S. 8503–8509. Lejal, N.; Da Costa, B.; Huet, J. C.; Delmas, B. Role of Ser-652 and Lys-692 in the protease activity of infectious bursal disease virus VP4 and identification of its substrate cleavage sites. In: J. Gen. Virol. 81 (2000) S. 983–992. Mundt, E.; Beyer, J.; Müller, H. Identification of a novel viral protein in infectious bursal disease virus infected cells. In: J. Gen. Virol. 76 (1995) S. 437–443. Berg, T. van den. Acute infectiuos bursal disease in poultry: a review. In: Avian Pathology 29 (2000) S. 175–194.
Reoviren sind weltweit in verschiedenen Säugetieren, darunter Menschen, Affen, Hunden, Mäusen, Schafen und Rindern, verbreitet. Auch aus Fischen, Reptilien, Insekten, Pilzen und Algen konnten sie isoliert werden. Drei Genera der Reoviridae umfassen pflanzenpathogene Viren. Der Name Reovirus wurde dieser Virusfamilie 1959 von Albert Sabin gegeben. Er leitet sich von der Bezeichnung respiratory, enteric, orphan virus ab und weist darauf hin, dass diese Viren die Atem- und Verdauungswege infizieren, man aber zu dem damaligen Zeitpunkt noch keine Erkrankungen mit ihnen assoziieren konnte. Die Partikel besitzen eine hohe Stabilität und können deswegen in der Umwelt, etwa in Flüssen, Seen und Abwässern, längere Zeit überdauern. Die meisten Reoviren infizieren den Respirations- oder Gastrointestinaltrakt, und die Infektionen verlaufen meist asymptomatisch. Humanpathogene Reoviren sind die Rotaviren, die vor allem bei kleinen Kindern infektiöse Gastroenteritiden, also Brechdurchfall verursachen. Weltweit werden jährlich 800 000 bis 1 000 000 Todesfälle auf Rotavirusinfektionen zurückgeführt, die fast ausschließlich bei Kindern in Entwicklungsländern auftreten. Tiermedizinisch wichtige Vertreter der Reoviren findet man in den beiden Genera Rotavirus und Orbivirus, sie werden in den folgenden Abschnitten ausführlich besprochen. Tierpathogene Viren der Genera Orthoreo- und Coltivirus sind hingegen von untergeordneter Bedeutung.
17.2 Reoviren
17.2.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
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17.2.2 Aufbau Viruspartikel
Die Familie der Reoviridae wird in verschiedene Genera unterteilt. Jedes Genus ist durch bestimmte Charakteristika der Partikelmorphologie, die Anzahl der Strukturproteine und Genomsegmente sowie durch seinen Wirtstropismus gekennzeichnet (䉴 Tabelle 17.3). Die weitere Einteilung in Serogruppen erfolgt auf der Basis der immunologischen Erkennung der Capsidproteine.
Die infektiösen Partikel der Reoviren sind Ikosaeder mit einem Durchmesser von 60 bis 85 nm, bei den erst kürzlich beschriebenen Mimoreoviren liegt er bei 95 nm. Die Partikel sind aus bis zu drei konzentrischen Proteinschichten aufgebaut. Hinsichtlich ihrer Struktur kann man die Reoviren in zwei Gruppen unterteilen, solche mit zwölf „türmchenähnlichen“ Proteinvorsprüngen an den fünffachen Symmetrieachsen der Ikosaederecken, beispielsweise bei den Orthoreo- und Cypoviren. Im Gegensatz hierzu zeigen die „türmchenlosen“ Rota- oder Orbiviren eine wesentlich weniger strukturierte, glattere
Tabelle 17.3 Charakteristische Vertreter der Reoviren Genus
Mensch
Tier
Orthoreovirus (10)*
Reovirus (Serotypen GT 1–3)
Reoviren 1–3 der Mäuse Reoviren der Vögel Pavian-Reovirus
Orbivirus (10)*
Orungovirus, Kemerovovirus
Bluetonguevirus der Schafe Virus der afrikanischen Pferdepest equines Encephalosisvirus
Rotavirus (11)*
Rotaviren Rotaviren Serogruppen A, B, C Serogruppen A–F
Coltivirus (12)*
Colorado-Tick-FeverVirus Eyach-Virus
Colorado-Tick-FeverVirus Eyach-Virus
Seadornavirus** (12)*
Bannavirus Kadipirovirus
Bannavirus Kadipirovirus
Aquareovirus (11)*
Golden-Shiner-Virus, Krabbenreovirus P, W2 (Fische, Crustaceen, Schnecken)
Cypovirus (10)*
cytoplasmatisches Polyhedrosisvirus (Insekten)
Dinovernavirus** (9)*
Aedes pseudoscutellaris-Reovirus (Insekten)
Idnoreovius** (10)*
Hyposoter exiduae-Reovirus (Insekten)
Mycoreovirus** (11)* Mimoreovirus** (11)* Phytoreovirus (12)*
Mycoreovirus Typ 1–3 (Plize)
Fijivirus (10)* Oryzavirus (10)*
Pflanze
Micromonas pusilla Reovirus (Algen) Pflanzenreoviren (Subgruppe I) Rice-Dwarf-Virus Pflanzenreoviren (Subgruppe II) Fiji-Disease-Virus Pflanzenreoviren Rice-Ragged-Stunt-Virus
* Die Zahlenangaben in Klammern beziehen sich auf die Anzahl der Genomsegmente, welche die Partikel der Viren der verschiedenen Genera enthalten. ** Aufgrund molekularbiologischer Unterschiede als neue Gattung vorgeschlagen.
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17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
Oberfläche mit 60 kleineren Vorsprüngen an den Seitenlinien der Ikosaeder, den zweifachen Symmetrieachsen. Die Rotaviren sind sphärische Partikel mit einem Durchmesser von 70 bis 80 nm. Sie besitzen ein inneres Capsid (55 nm Durchmesser), das eine innere CoreStruktur umgibt und von einem zweiten äußeren Capsid umschlossen ist. Die Virionen haben keine Membranhülle (䉴 Abbildung 17.3). In cryoelektronenmikroskopischen Aufnahmen haben die Partikel eine wohlgeformte, radähnliche Struktur mit mehreren „Speichen“, die durch die Wechselwirkung der beiden Capside miteinander entstehen. Davon leitet sich der Name für die Rotaviren ab (lateinisch rota, für „Rad“). Die 60 Proteinvorsprünge (10 nm) auf der Partikeloberfläche werden vom VP4 (VP = Virusprotein) mit einem Molekulargewicht von 86 kD gebildet; das Protein VP7 (34 kD) stellt eine weitere Komponente des äußeren Capsids dar. Die Proteinschicht des äußeren Capsids ist von 132 Kanälen durchsetzt. Sie verbinden das äußere mit dem inneren Capsid. An den Ikosaederecken münden sie in Poren des inneren Capsids, die hier von den VP6-Proteinen (44 kD) gebildet werden und bis zum Partikel-Core reichen. Dieses besteht aus dem Protein VP2 (102 kD), welches eine Proteinschicht, die CoreSchale, bildet. Im Inneren des Cores findet man die doppelsträngigen RNA-Segmente komplexiert mit den Proteinen VP1 (125 kD) und VP3 (88 kD). VP1 ist eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, VP3 verfügt über die Aktivitäten einer Methyl-/Guanyltransferase und ist für die Modifikation der viralen Transkripte mit 5’-CapGruppen verantwortlich. Über die Kanäle können Ionen in das Virusinnere diffundieren. Auch die Genomsegmente und die neu gebildeten Transkripte werden vermutlich bei der Morphogenese beziehungsweise vor ihrer Translation über die Kanäle ein- und ausgeschleust.
Genom und Genomaufbau Die Genome der Reoviren bestehen aus neun bis zwölf Segmenten doppelsträngiger RNA. Die Codierungskapazität schwankt bei den Vertretern der unterschiedlichen Genera beträchtlich und reicht von 18 200 Basenpaaren bei den Rota- bis zu 30 500 Basenpaaren bei den Cypoviren. Bei den Rotaviren findet man elf RNA-Segmente, die ihrer Länge nach geordnet werden (䉴 Tabelle 17.4). Das Genom der Rotaviren der Subgruppe A verfügt insgesamt über etwa 18 200 bis 19 000 Basenpaare. Die 5’-Enden der Segmente tragen Cap-Strukturen (m7GpppG(m)GPy). An allen 3’-Enden, die nicht polyadenyliert sind, befinden sich Cytidinreste. An beiden Enden der Segmente sind kurze Bereiche von sieben bis zehn Basenpaaren konserviert. Man vermutet, dass sie für die Initiation von Transkription und Replikation sowie für die Verpackung der viralen Erbinformation in die Partikel wichtig sind. Jedes der elf RNA-Segmente wird im Verlauf der Replikation in mRNA transkribiert. Mit Ausnahme des kleinsten Segments 11 codiert jedes RNA-Segment für ein Virusprotein; die zehn großen Segmente sind so für die Synthese der sechs Struktur(VP1, VP2, VP3, VP4, VP6, VP7) und vier (NSP1-4) der insgesamt sechs Nichtstrukturproteine verantwortlich. Im kleinsten Segment 11 fand man zwei Leserahmen für die Bildung der Nichtstrukturproteine NSP5 und NSP6 (䉴 Tabelle 17.4). Möglicherweise gibt es auch im Segment 9 der Rotaviren eine bicistronische mRNA. Die Leserahmen sind von kurzen, nichtcodierenden Sequenzen flankiert. Ihre Länge schwankt am 5’-Ende der mRNA zwischen neun und 46 Nucleotiden und zwischen 17 und 182 Basen am 3’-Ende. Bei anderen Reoviren finden sich einige Segmente, die für zwei oder drei Proteine codieren.
VP7 VP4
17.3 Aufbau eines Rotaviruspartikels. Die Virionen bestehen aus drei Schichten. Im Inneren befinden sich die doppelsträngigen RNA-Segmente, die mit den Proteinen VP1 und VP3 das innere Core bilden und mit den VP2-Proteinen wechselwirken. Letztere interagieren zu einer Proteinschicht, der Core-Schale. Die Proteine VP6 bilden das innere, VP4 und VP7 das äußere Capsid. Die Schichten der inneren und äußeren Capside sind von Kanälen durchsetzt, die bis zum inneren Core reichen.
äußeres Capsid
Kanäle RNA-Doppelstrangsegmente
VP6 (inneres Capsid)
VP2 (Core-Schale)
VP1, VP3 (inneres Core)
17.2 Reoviren
17.2.3 Virusproteine Strukturproteine Äußeres Capsid Bei den Rotaviren findet man 120 Moleküle des VP4-Proteins (86 kD) im infektiösen Partikel. VP4 ist eine nichtglycosylierte Komponente des äußeren Capsids, die als Homodimer vorliegt und die Proteinvorsprünge bildet, die man an den zweifachen Symmetrieachsen der Ikosaeder findet; als P-Antigen (proteolytisch gespaltenes Antigen) charakterisiert es den Serotyp P der unterschiedlichen Virusisolate. Weltweit konnten bei Rotaviren bisher 28 verschiedene PSerotypen charakterisiert werden. Das VP4-Protein ist für die Bindung an die zellulären Rezeptoren auf der Zelloberfläche, für die Aufnahme der Viren, ihre Infektiosität und ihre hämagglutinierenden Eigenschaften verantwortlich. Der Hauptteil der neutralisierenden Antikörper ist gegen VP4 gerichtet. Eine trypsinähnliche Protease kann zwischen den Aminosäuren an den Positionen 247 und 248 das VP4 in ein aminoterminales Protein VP8* (28 kD) und einen carboxyterminalen Anteil VP5* (60 kD) spalten. Die beiden Spaltprodukte bleiben Teile der Virionen; die Spaltung erleichtert die Aufnahme der Viren durch die Zelle und verstärkt die Infektiosität der Viren. Dieser Vorgang ist auch wichtig, wenn Rotaviren in der Zellkultur gezüchtet werden sollen. Der Bereich der Aminosäuren 93 bis 208 des VP8*-Proteins ist für die hämagglutinierende Aktivität der Rotaviren verantwortlich. Bei verschiedenen Rotavirustypen befindet sich in der VP8*-Sequenz eine hohe Variabilität, virustypspezifische, neutralisierende Antikörper sind überwiegend gegen VP8* gerichtet. VP8* bindet an Sialylsäure-Einheiten auf der Zelloberfläche, dies leitet die initiale Wechselwirkung der Viruspartikel mit der Zelle ein. Das VP5*-Protein bindet dagegen in einem zweiten Interaktionsschritt an verschiedene Integrine wie beispielsweise an Integrin α2β1. Auch ist VP5* für die Aufnahme der Partikel in das Cytoplasma der Zelle, also für die Penetration und damit die Infektiosität der Viren verantwortlich. Die Spaltung induziert die Dimerisierung des VP5*, dies wiederum stabilisiert die Struktur des Ikosaeders. Dabei wird vermutlich eine fusogene Proteindomäne aktiviert, die sich jedoch nicht am Aminoterminus des Spaltprodukts VP5* befindet. Bei den F- und HA-Proteinen der Paramyxo- und Influenzaviren ist die fusogene Aktivität in den entsprechenden aminoterminalen, hydrophoben Bereichen der F1- und HA2Polypeptide lokalisiert (䉴 Abschnitte 15.3 und 16.3). Das VP5*-Protein besitzt dagegen an seinem aminoterminalen Ende viele polare Aminosäuren, sodass für die fusogene Aktivität des VP5*-Proteins der Rotaviren ein anderer Mechanismus postuliert werden muss. Daneben
393
fand man, dass die unterschiedliche Virulenz einzelner Virusstämme mit Variationen in der Aminosäuresequenz des VP5*-Proteins korreliert. Wenn bei der Aminosäure an Position 469 ein Austausch von Phenylalanin oder Leucin zu Glutamin vorliegt, zeigt das Schweinerotavirus PRV-4F eine erhöhte Virulenz. Kreuzreagierende, gruppenspezifische Immunglobuline sind präferenziell gegen den VP5*-Anteil des VP4 gerichtet. VP7 (34 kD) ist an Asparaginresten glycosyliert und stellt mit 780 Molekülen die Hauptkomponente des äußeren Capsids der Rotaviren dar. Die Proteine lagern sich zu 260 Trimeren zusammen und bilden die Seitenflächen und Ecken der Ikosaeder, die Trimerisierung ist abhängig von der Anwesenheit von Ca2+-Ionen. Das VP7-Protein definiert den Serotyp G der unterschiedlichen Rotavirusisolate. Gegen Epitope dieses Proteins sind die meisten neutralisierenden Antikörper gerichtet. Aufgrund ihrer Spezifität lassen sich die Rotaviren 15 verschiedenen Serotypen (G1 bis G15) zuordnen. Das VP7 scheint neben den VP8*- und VP5*-Proteinen an der Bindung der Viruspartikel an die Zelloberfläche beteiligt zu sein: Man fand die Wechselwirkung mit Integrinen αxβ2 oder αvβ3 und dem heat-shock-Protein Hsc70. Das VP7-Protein wird während seiner Synthese durch eine im aminoterminalen Bereich gelegene, hydrophobe Domäne in der Membran des endoplasmatischen Reticulums verankert. An diese Domäne schließt sich an Position 51 eine Signalase-Erkennungsstelle an. Durch die Spaltung wird der in das Lumen eingeschleuste carboxyterminale Anteil von der Membranverankerung gelöst, bleibt aber mit der ER-Membran verbunden. Das VP7 wird möglicherweise mit zwei verschiedenen aminoterminalen Enden synthetisiert: Im gleichen Leseraster wurde nach 90 Basen ein weiteres Startcodon gefunden. Bei seiner Verwendung entsteht ein um 30 Aminosäuren verkürztes Produkt, dem die Ankerregion fehlt. Inneres Capsid Die VP6-Proteine der Rotaviren (44 kD) liegen als Trimere vor, pro Viruspartikel findet man 260 dieser Komplexe. Sie bilden eine Zwischenschicht zwischen dem äußeren Capsid und dem VirusCore. Die VP6-Trimere sind so orientiert, dass sie unter den VP7-Komplexen angeordnet sind, daher haben auch die Kanäle, die das äußere und das innere Capsid durchziehen, miteinander Kontakt. Über die aminoterminale Proteindomäne interagieren die VP6-Proteine miteinander, zugleich findet man die Bindung an die VP2-Bestandteile des Virus-Cores und an die VP7-Proteine des äußeren Capsids. VP6 ist das gruppenspezifische Antigen der Rotaviren und ist für die Zuordnung der unterschiedlichen Rotaviren zu den Serogruppen A bis G verantwortlich. Gegen dieses Polypeptid gerichtete Immunglobuline dienen unabhängig vom Serotyp als
17
17
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17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
diagnostischer Anhaltspunkt für eine Rotavirusinfektion. Virus-Core Das VP2-Protein (102 kD) ist die Hauptkomponente, 120 Moleküle lagern sich zu 60 Dimeren zusammen und bilden das ikosaedrische Virus-Core. Diese Proteinschicht interagiert mit den VP6-Proteinen des inneren Capsids. Über die aminoterminalen Bereiche (Aminosäuren 1 bis 132) haben die VP2-Proteine RNA-bindende Eigenschaften. Bei den Rotaviren, aber auch bei den Orbi- und Orthoreoviren finden sich an der Innenseite des VP2-Core und hier an den zwölf Ecken die Strukturproteine VP1 (125 kD) und VP3 (99 kD), die einen heterodimeren Komplex bilden. Das VP3 der Aquareo- und Cypoviren ist hingegen an den Ikosaederecken auf der Außenseite der VP2-Proteinschicht des Virus-Cores lokalisiert. VP1 hat die Aktivität einer RNA-abhängigen RNA-Polymerase, VP3 ist eine Methyl- und Guanyltransferase. Sie modifiziert die während der Infektion synthetisierten mRNA-Moleküle mit methylierten 5’-Cap-Gruppen. Man vermutet, dass jeder der zwölf VP1-/VP3-Komplexe mit jeweils einem Genomsegment doppelsträngiger RNA assoziiert ist.
Nichtstrukturproteine Insgesamt codieren die Rotaviren für sechs Nichtstrukturproteine (NSP), die in den infizierten Zellen bei der Replikation und der Virusmorphogenese aktiv sind. Welche Aufgaben sie im Einzelnen haben, ist nicht völlig geklärt. Die bekannten Funktionen und die molekularen Charakteristika aller Rotavirusproteine sind in 䉴 Tabelle 17.4 zusammengefasst. Das RNA-bindende NSP1-Protein (55 kD) ist für die Replikation der Rotaviren nicht notwendig. Es ist hinsichtlich seiner Sequenz bei den unterschiedlichen Virustypen – bis auf eine konservierte, cysteinreiche Domäne mit Ähnlichkeit zu Zinkfingermotiven im Bereich der Aminosäuren 42 bis 72 – sehr variabel. NSP1 beeinflusst die Virulenz der Rotavirustypen und verhindert die Aktivierung der interferonabhängigen Immunabwehr. Es bindet nach seiner Synthese im Cytoplasma an den IRF3 (IFN regulatory factor 3) und leitet dessen Abbau ein. Es gibt Hinweise darauf, dass dieser Schritt proteasomenabhängig ist und nicht durch eine proteolytische Aktivität des NSP1 erfolgt. IRF3 liegt im Cytoplasma aller Zellen vor und ist ein frühes Regulatorprotein für die Einleitung der angeborenen Immunabwehr. Wird eine Zelle infiziert, erfolgt die Phosphorylierung des IFR3, seine Dimerisierung und sein Transport in den Zellkern. Hier wirkt es als Transaktivator für die Expression der Interferongene (䉴 Kapitel 8).
Das basische NSP2-Protein (35 kD) ist hinsichtlich seiner Sequenz hoch konserviert: Entsprechende Proteine sind bei den Orthoreoviren (NS) und beim Bluetonguevirus (NS2), einem Vertreter des Genus Orbivirus, beschrieben. Ihr Molekulargewicht beträgt in beiden Fällen 41 kD. Das NSP2 der Rotaviren wird in den infizierten Zellen in großen Mengen synthetisiert und bildet stabile Oktamere. Diese Komplexe stellen die funktionell aktive Form der NSP2-Proteine dar; sie haben eine ringförmige Struktur mit einer 35 Å großen, zentralen Öffnung. Die NSP2-Oktamere binden sich sequenzunabhängig an RNA. Verantwortlich hierfür ist vermutlich die aminoterminale Domäne von NSP2, in der sich eine Sequenzfolge von 24 basischen Aminosäureresten findet. Diese kleiden vier Vertiefungen aus, die sich diagonal über die Oberfläche des Oktamerkomplexes ziehen und vermutlich die Interaktionsstellen mit der RNA darstellen, die sich nach diesem Modell gleichsam um die Oktamere wickelt. In der carboxyterminalen Domäne des NSP2 befindet sich eine Mg2+-abhängige NTPase-Aktivität; hier bilden die Histidinreste der Positionen 110, 221 und 225 eine Struktur, die einer Histidin-Triade (HIT) ähnelt, wie man sie von anderen Nucleotidylhydrolasen kennt. Zusätzlich hat der NSP2Oktamerkomplex Helicaseaktivität, sie destabilisiert die doppelsträngigen RNA-Moleküle. Diese Enzymfunktion ist unabhängig von Mg2+-Ionen und ATP. Die Interaktion von NSP2 mit der aminoterminalen Domäne der NSP5-Proteine bewirkt, dass letztere durch bislang noch unbekannte virale oder zelluläre Kinasen hyperphosphoryliert werden und Multimere bilden; dies fördert die Bildung viroplasmaähnlicher Strukturen aus NSP2 und NSP5. Beide Nichtstrukturproteine könnten zusammen eine Art molekularen Motor bilden, der die Verpackung der viralen mRNAs in die Core-ähnlichen Replikationsintermediate im Cytoplasma der infizierten Zellen fördert. Das Zn2+-bindende, basische NSP3 (34 kD) interagiert als Dimer über seine aminoterminale Region, die zwei hintereinander geschaltete Zinkfingermotive enthält, sequenzspezifisch mit den 3’-Enden der während der Infektion gebildeten mRNA-Moleküle. Bei Rotaviren mit der Serogruppe A handelt es sich um die Sequenz 5’-GUGACC-3’. Da die Synthese der mRNA-Moleküle bei allen Reoviren im Cytoplasma stattfindet, können die Erreger nicht die im Kern lokalisierten zellulären Enzyme zur Modifikation der 3’-Enden der mRNAs mit Poly(A)-Sequenzen nutzen. Über eigene enzymatische Funktionen für die Polyadenylierung verfügen sie nicht, folglich können die 3’-Enden der Transkripte nicht polyadenyliert werden. NPS3 bindet an die 3’-Enden der viralen mRNAs und vermittelt die Interaktion mit dem Zellfaktor eIF4G. Dieser zelluläre Translationsinitia-
17.2 Reoviren
395
Tabelle 17.4 Genomsegmente der humanen Rotaviren und die Proteine, für die sie codieren Segment Länge Nr. (Basenpaare)
Protein
Molekulargewicht
Lokalisation
Funktion
1
3 266–3 302
VP1
125 kD
inneres Core
leicht basisch, RNA-abhängige RNA-Polymerase
2
2 687–2 690
VP2
102 kD
Core-Schale
RNA-bindend, myristyliert
3
2 591
VP3
88 kD
inneres Core
basisch, Methyl-/Guanyltransferase (Capping-Enzym)
4
2 350–2 364
VP4
86 kD
äußeres Capsid
Oberflächenprotein (P-Antigen), Hämagglutinin, Adsorption, induziert Bildung neutralisierender Antikörper, wird in VP8* (28 kD) und VP5* (60 kD) gespalten. VP8*: Interaktion mit Sialylsäuren; VP5*: Fusion, Penetration, Bindung an Integrin a2b1
5
1 581–1611
NSP1
55 kD
Zinkfingerprotein, RNA-bindend, interagiert mit IRF3 und bewirkt dessen Abbau, nicht essenziell für die Replikation
6
1 356
VP6
44 kD
7
1 075–1104
NSP3
34 kD
basisch, aktiv als Homodimer, bindet an 3’-Enden der RNA und an eIF4G
8
1 059–1 062
NSP2
36 kD
Oktamer, basisch, ssRNA-bindend Nucleotidylhydrolase, RNA-Helicase, Interaktion mit NSP5 bewirkt Bildung viroplasmaähnlicher Strukturen
9
1 062
VP7
34 kD/37 kD äußeres Capsid
glycosyliert (G-Antigen), Oberflächenprotein induziert Bildung neutralisierender Antikörper, Interaktion mit Integrinen αxβ2, αvβ3, Hsc70
10
750–751
NSP4
28 kD
glycosyliert, in ER-Membran eingelagert interagiert mit VP6 der inneren Capside während Morphogenese, proteolytische Spaltung bewirkt Bildung eines sezernierten 7 kD Produktes, das als Enterotoxin wirkt
11
663–667
NSP5
32–34 kD
NSP6
11 kD
Dimer, phosphoryliert, O-glycosyliert, Interaktion mit ssRNA und dsRNA, Interaktion mit NSP2 bewirkt Bildung viroplasmaähnlicher Strukturen fehlt bei Rotaviren der Serogruppe C und bei einigen Vertretern der Serogruppe A, Interaktion mit NSP5
inneres Capsid
tionsfaktor bindet sich normalerweise an das Poly(A)Bindeprotein PABP – ein zelluläres Protein, das die polyadenylierten 3’-Enden der Transkripte erkennt. Es ist zusammen mit dem an die 5’-Cap-Gruppe gebundenen eIF4E für den Transport der gecappten und polyadenylierten zellulären mRNAs zu den Ribosomen, den Orten der Translation, verantwortlich. Reoviren umgehen diesen zellulären Mechanismus, indem NSP3 das zelluläre Poly(A)-Bindeprotein ersetzt. NSP3 bindet sich an die konservierte Basensequenz der 3’-Enden der viralen mRNAs und vermittelt die Wechselwirkung mit eIF4G. Die Bindung des eIF4G an den mRNA/NSP3-Komplex ist dabei deutlich affiner als diejenige mit dem PABPProtein. Daher werden in infizierten Zellen die viralen
Trimer, myristyliert? definiert Zugehörigkeit zu Serogruppen A–G
Transkripte bevorzugt von eIF4G gebunden, zu den Ribosomen transportiert und translatiert. Das glycosylierte NSP4-Protein (28 kD) ist ein multifunktionelles Protein. Eine hydrophobe Sequenzfolge im aminoterminalen Bereich (Aminosäuren 24-44) verankert das NSP4 in der Membran des endoplasmatischen Reticulums. Die 23 aminoterminalen Reste mit zwei Erkennungstellen für N-Glycosylierung ragen in das Lumen des ER, die carboxyterminalen Aminosäuren sind in das Cytoplasma orientiert. NSP4 bleibt mit dem endoplasmatischen Reticulum assoziiert, es wird weder über die Golgi-Vesikel oder das trans-Golgi-Netzwerk prozessiert noch zur Zelloberfläche transportiert. In infizierten Zellen wurde ein Spaltprodukt (7 kD) des
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17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
NSP4 gefunden, das der carboxyterminalen Domäne ab Aminosäure 112 entspricht (䉴 Abbildung 17.4). Die für die Abspaltung verantwortliche zelluläre Protease ist unbekannt. Dieses Spaltprodukt wird über einen vom trans-Golgi-Netzwerk unabhängigen Mechanismus zur Zelloberfläche transportiert, sezerniert und kann sich als lösliches Produkt an die Oberfläche nicht infizierter Zellen anlagern. Die Aminosäuren 114 bis 140 sind für die Interaktion des 7 kD-Spaltprodukts mit Caveolin-1 verantwortlich, einem Protein, das in Caveolae oder lipid rafts lokaliert ist. Die Interaktion des NSP4-Fragments mit Caveolin-1 ist vermutlich für die pathogenen Vorgänge und die mit der Infektion einhergehenden Symptome (Diarrhoe) verantwortlich, denn NSP4 wirkt als Enterotoxin: Inkubiert man Zellkulturen oder die Darmmucosa von neugeborenen Mäusen mit NSP4, dem 7 kD-Spaltprodukt oder Peptiden, die von den Aminosäuren 114 bis 135 abgeleitet sind, dann wird der Phosphoinositol-abhängige Signaltransduktionsweg induziert. Dabei wird der Transport von Ca2+-Ionen aus dem endoplasmatischen Reticulum mobilisiert und die Ca2+Ionen-Konzentration im Cytoplasma erhöht. Dies führt letztlich dazu, dass die Zellen Cl–-Ionen und H2O abgeben und bewirkt vermutlich die mit Rotavirusinfektionen einhergehende Diarrhoe.
ER-Lumen
Neben der Wechselwirkung mit Caveolin-1 wurde zudem beschrieben, dass weitere Sequenzabschnitte des carboxyterminalen Spaltproduktes mit dem Tubulin der zellulären Microfilamente sowie mit der extrazellulären Matrix interagieren (䉴 Abbildung 17.4). Für die Produktion der Nachkommenviren im Infektionsverlauf ist jedoch eine andere Funktion des NSP4 wichtig: Als in der ER-Membran verankertes Protein dient es bei der Virusmorphogenese als Rezeptor für die neu gebildeten subviralen, aus dem inneren Capsid bestehenden Viruspartikel (Virus-Cores komplexiert mit VP6, Zweischichtpartikel) und für die Vorläuferproteine VP4, welche im äußeren Capsid der Virionen die Spike-ähnlichen Vorsprünge bilden. Die Interaktionsstellen für VP6 und VP4 konnten in der carboxyterminalen, in das Cytoplasma orientierten Domäne des NSP4 lokalisiert werden (䉴 Abbildung 17.4). Nach der Anlagerung der subviralen Strukturen und Proteine erfolgt die Knospung der Partikel in das Lumen des ER. Als Folge bilden sich vorübergehend membranumhüllte Vorstufen der Virionen; NSP4 und Lipide werden im weiteren Verlauf wieder abgelöst – wie, ist ungeklärt. Das saure NSP5 codiert zusammen mit NSP6 auf dem kleinsten der dsRNA-Segmente. Die Reoviren im Genus Orthoreoviren scheinen mit dem Protein μ2 über
Cytoplasma Wechselwirkung mit Caveolin-1
N-Glycosylierung
114 1 G G NSP4-Protein 28 kD
24
Wechselwirkung mit Tubulin 156
140
178
44 TM
87
112
ETP
VD 145
161
138
8 18
Wechselwirkungen mit VP4 zelluläre Protease
175 Wechselwirkungen mit VP6
Wechselwirkungen mit Proteinen der extrazellulären Matrix (Laminin, Fibronectin)
1 G G
111 TM 22 kD Protein Funktion unklar
112
175 ETP
VD 7 kD Protein sezerniert
17.4 Lage der funktionell aktiven Domänen im Nichtstrukturprotein NSP4 der Rotaviren. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Aminosäurepositionen, beginnend am aminoterminalen Ende. TM: Transmembrandomäne; ETP: Enterotoxisches Peptid; VD: Variable Domäne (Speziesspezifität).
17.2 Reoviren
ein dem NSP5 entsprechendes Produkt zu verfügen, wohingegen es bei den Orbiviren bisher nicht identifiziert werden konnte. Unmodifiziert weist das NSP5 der Rotaviren eine Molekularmasse von 26 bis 28 kD auf, die nach O-Glycosylierung und Phosphorylierung an spezifischen Serin- und Threoninresten auf 32 bis 34 kD steigt. Die Dimerisierung der NSP5-Proteine ist eine Voraussetzung für die Phosphorylierung. NSP5 bindet sich sowohl an einzel- wie an doppelsträngige RNA, über ihre aminoterminale Domäne interagieren die NSP5-Proteine mit NSP2, über die carboxyterminale Domäne mit NSP6. Das NSP6-Protein (11 kD) codiert zusammen mit NSP5 auf dem Segment 11 in einem anderen Leserahmen, es fehlt jedoch bei einigen Vertretern der Rotaviren der Serogruppe A und bei allen der Serogruppe C. Das bedeutet, dass NSP6 für die Replikation der Rotaviren nicht unbedingt notwendig ist. Es wird in geringen Mengen gebildet und bindet an die carboxyterminale Domäne des NSP5. Ob hierdurch möglicherweise der
397
Phosphorylierungsstatus des NSP5 reguliert und seine Funktion beeinflusst wird, ist unklar.
17.2.4 Replikation Die Aufnahme der Reoviren durch die Zelle erfolgt in mehreren Schritten. Sialylsäure scheint dabei an der initialen Wechselwirkung beteiligt zu sein, da die Behandlung der Zelloberfläche mit Neuraminidase die Partikelbindung bei einigen Reo- und Rotavirustypen verhindert. Das Schweinerotavirus Typ OSU soll beispielsweise das Gangliosid GM3 als sialylsäurehaltige Struktur auf der Zelloberfläche zur Adsorption nutzen. Im Unterschied dazu erfolgt die Bindung der meisten humanen Rotaviren auch dann, wenn endständige Sialylgruppen entfernt wurden. In diesen Fällen wird vermutet, dass sich die Viren möglicherweise an interne, nicht endständige Neuraminsäuren binden, die der
¡ Lipid Rafts und Caveolae sind definierte Strukturen der Cytoplasmamembran Mit Lipid Rafts werden generell Plattformen in der Cytoplasmamembran bezeichnet, die sich durch hohe Konzentration an Cholesterin und Sphingomyelin (Gangliosiden) auszeichnen. Die gesättigten Kohlenwasserstoffketten der Sphingomyeline ermöglichen eine sehr feste Interaktion mit den Cholesterinmolekülen und bilden dadurch begrenzte, lateral schwimmende Areale – in dieser Hinsicht ähneln die Lipid Rafts Modellmembranen. In diesen Inseln finden sich membranverankerte Proteine (unter anderem Integrine, Heat-shock-Proteine), die den Lipid Rafts bestimmte Aufgaben verleihen wie bei der Interaktion mit der extrazellulären Matrix, der Signaltransduktion oder Sortierung von Proteinen auf unterschiedlichen Zellseiten. Caveolae (ein deskriptiver Begriff aus der Elektronenmikroskopie) gelten als eine Untergruppe der Lipid Rafts: Bei ihnen handelt es sich um ein- oder mehrkammerige, zur Zelloberfläche geöffnete Einstülpungen der Membran, die mit dem Cytoskelettsystem der Zelle verankert sind; sie können sich also nur geringfügig lateral bewegen. Man findet sie an der Oberfläche vieler Zellen. Sie haben eine Größe von 50–100 nm und sind reich an Caveolinen. Bei Caveolin-1 bis Caveolin-3 (Molekularmasse etwa 21 kD) handelt es sich um Mitglieder einer Proteinfamilie, deren Anwesenheit in den Caveolae für die Ausbildung der Membraneinstülpungen notwendig ist.
Die palmitinoylierten Caveoline sind nicht über Transmembrandomänen in der Membran verankert, sondern mittels der am carboxyterminalen Ende angefügten Palmitinsäuremoleküle und einer hydrophoben Sequenzfolge mit der Innenseite der caveolaebildenden Membrankompartimente assoziiert – sie durchziehen das innere Blatt der Plasmamembran und sowohl der Amino- wie der Carboxyterminus der Caveoline ist dabei in das Cytoplasma orientiert. Durch intermolekulare Wechselwirkung der aminoterminalen Domänen bilden die Caveoline Dimere; auch ist diese Domäne mit Filamin, einer Komponente der Actinbündel verknüpft. Dies verankert die Lipid Rafts mit dem Cytoskelett und unterbindet ihre laterale Diffusion in der Membran. Von den Einstülpungen können sich an der Membraninnenseite Vesikel abschnüren, die dann zu anderen Zellkompartimenten transportiert werden. Man vermutet, dass die Lipid Rafts beziehungsweise die Caveolae abhängig vom Zelltyp unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Hierzu zählen die Aufnahme oberflächengebundener Moleküle und Komplexe (beispielsweise auch von Viruspartikeln), der transendotheliale Transport von Molekülen, die Signaltransduktion durch Wechselwirkung bestimmter, in den Caveolae verankerter Rezeptoren, die Cholesterinaufnahme und -abgabe.
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17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
Neuraminidasebehandlung nicht zugänglich sind: So kann bei den Typen KUN und MO der humanen Rotaviren – beides neuraminidaseresistente Virustypen – eine Wechselwirkung mit dem Gangliosid GM1 gefunden werden. Der Interaktionspartner für die Sialylsäure ist das VP8*-Protein der Rotaviren, die Affinität der Bindung ist jedoch niedrig. In einem zweiten Schritt binden sich die Viren über den VP5*-Anteil der Proteinvorsprünge auf dem äußeren Capsid – bei Viren der Serogruppe A geschieht dies über das Motiv AsparaginsäureGlycin-Glutaminsäure der Positionen 308-310 – an Integrin α2β1. In einem dritten Schritt erfolgt die Wechselwirkung der VP7-Proteine mit Integrinen αxβ2 oder αvβ3 beziehungsweise mit anderen Membranproteinen (Heat-shock-cognate Protein 70, Hsc70). Voraussetzung für die Aufnahme der an die Zelloberfläche gebundenen Viren scheint zu sein, dass die verschiedenen zellulären Interaktionspartner in Lipid Rafts organisiert sind (䉴 Exkurs Lipid Rafts und Caveolae sind definierte Strukturen der Cytoplasmamembran). Wie die Zellen die gebundenen Viren aufnehmen, ist nicht endgültig geklärt. Es wird vermutet, dass die Partikel in clathrinhaltigen Vesikeln oder – clathrinunabhängig – über raftvermittelte Endocytose aufgenommen werden. Die Spaltung des VP4-Proteins in VP8* und VP5* fördert die Aufnahme der Partikel. Eine hydrophobe Fusionsdomäne im VP5* permeabilisiert die Membran der Vesikel, in denen das Virus nach der Aufnahme vorliegt. Gleichzeitig senkt eine ATP-abhängige Protonenpumpe in der Membran die Konzentration der Ca2+-Ionen im Vesikelinnern. Niedrige Konzentrationen von Ca2+-Ionen – diese sind für die Stabilisierung der VP7-Proteine zu trimeren Komplexen nötig, welche die Ikosaederstruktur des äußeren Capsids bilden – begünstigen das Abstreifen der Proteinschicht des äußeren Capsids: Aus dem Dreischicht- (TLP, triple-layered particle) wird ein Zweischichtpartikel (DLP, double-layered particle), und das innere Capsid mit dem Virus-Core und den Proteinen VP1, VP2, VP3, VP6 sowie den RNA-Segmenten gelangt in das Cytoplasma der Zelle. Das Ablösen der Außenschicht induziert eine Umlagerung des inneren Capsids, Nucleotidtriphosphate und andere Bestandteile gelangen über die Kanäle in das Virus-Core. Dies ermöglicht die Transkription der RNA-Segmente durch die RNA-abhängige RNA-Polymeraseaktivität des VP1-Proteins; VP3 ist für das Capping der mRNAs verantwortlich. Beide Proteine leiten unter Erhalt der Struktur der inneren Capside die gleichzeitige Transkription aller doppelsträngigen RNAGenomsegmente ein und synthetisieren 5’-gecappte, nicht polyadenylierte mRNA-Moleküle. Der Enzymkomplex arbeitet sehr schnell: Untersuchungen bei den Orthoreoviren ergaben, dass pro Sekunde etwa 50
Nucleotide abgelesen werden. Nur die Negativstränge der doppelsträngigen Genomsegmente werden transkribiert, der Prozess ist also asymmetrisch. Die mRNAs sind in ihrer vollen Länge komplementär zu den Genomsegmenten, sie werden über die Kanäle, die an den Ikosaederecken von den VP6-Proteinen gebildet werden, in das Cytoplasma ausgeschleust und translatiert. Liegen nach den initialen Translationsvorgängen neu synthetisierte NSP2-Proteine vor, dann steigt die Wechselwirkung dieser Proteine mit den 3’-Enden der mRNAs und mit dem zellulären Translationsinitiationsfaktor eIF4G die Translation der nicht polyadenylierten Transkripte. Durch die Anreicherung der Virusproteine NSP2 und NSP5 bilden sich im Cytoplasma Einschlusskörperchen, die man auch als Viroplasma bezeichnet. In den Viroplasmabereichen findet die RNA-Replikation, eine zweite Runde der Transkription sowie der Zusammenbau der Proteine VP1, VP2, VP3 und VP6 und der RNA-Moleküle zu Zweischichtpartikeln, also zu den inneren Capsidstrukturen statt. Die Proteine NSP4 und VP7 werden an der Membran des endoplasmatischen Reticulums synthetisiert, durch sie hindurch geschleust und im weiteren Verlauf glycosyliert. NSP4 bleibt als integrales Membranprotein in der ERMembran verankert und bildet zusammen mit den VP7Proteinen Zielstrukturen, an die sich die Zweischichtpartikel mit ihren oberflächenexponierten VP6-Anteilen anlagern. Die zum Cytoplasma orientierten aminoterminalen Domänen der NSP4-Proteine dienen dabei als Interaktionspartner für VP6. In einem knospungsähnlichen Vorgang werden die Zweischichtpartikel von der ER-Membran umgeben, in das ER-Lumen entlassen und erhalten bei diesem Vorgang vorübergehend eine NSP4-/VP7-haltige Membranhülle. NSP4 und die Phospholipide der Membran gehen im weiteren Verlauf durch noch unbekannte Mechanismen verloren, dabei erfolgt die Kondensation der VP7-Proteine zu Ikosaedern. Wie und wann die VP4-Proteine an die Oberfläche der nun dreischichtigen Partikel gebunden werden, ist ebenfalls nicht geklärt. In vitro beobachtet man bei der Morphogenese – ähnlich wie bei den Influenza-A-Viren (䉴 Abschnitt 16.3) – häufig die Entstehung von Reassortanten. Bei Coinfektionen einer Zelle mit zwei Virustypen, die sich in allen elf Genomsegmenten unterscheiden, können theoretisch 211, also 2 048 Reassortanten entstehen. Epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass in vivo Reassortantenbildung häufig ist, dass aber der Großteil der theoretisch möglichen Kombinationen nicht lebensfähig ist. Auch sind in der Zellkultur Umordnungen der RNA-Segmente (Rearrangements) festgestellt worden. Dabei werden Teile eines Segments in ein anderes eingebaut oder deletiert. Ob dieser Vorgang zu überlebensfä-
17.2 Reoviren
higen Virusvarianten mit veränderter Zellspezifität oder Virulenz führt, ist nicht bekannt. Während der Morphogenese werden die einzelsträngigen mRNA-Moleküle durch die Aktivität des in die Partikel aufgenommenen Transkriptasekomplexes zu Doppelsträngen ergänzt. Die hierzu notwendigen Nucleotide können über die Kanäle der VP6-Proteine in das Innere diffundieren. Dieser Vorgang entspricht einem konservativen Replikationsmodus: Die Elternstränge bleiben während des Prozesses erhalten, die neu gebildeten RNA-Genomsegmente übernehmen keinen der RNA-Ausgangsstränge. Die reifen Viren werden durch Zelllyse freigesetzt. Daher findet man in den Partikeln viele unvollständige RNA-Segmente, die teilweise einzelsträngig sind. Die Zelle stirbt folglich häufig vor der endgültigen Fertigstellung der RNA-Doppelstränge ab. Über welchen Mechanismus sichergestellt wird, dass die neuen Viruspartikel das korrekte Set an Genomsegmenten erhält, bleibt ungeklärt. Die Assoziation der dsRNA-Moleküle mit den zwölf Ikosaederecken an der Innenseite der VirusCores lässt die Verpackung von maximal 12 Segmenten zu. Man vermutet, dass aus diesem Grund nur Reoviren mit maximal zwölf Genomsegmenten existieren.
17.2.5 Humanpathogene Reoviren Die Rotaviren Epidemiologie und Übertragung Rotaviren findet man in praktisch jeder Spezies, sie infizieren Tiere und auch den Menschen. Aufgrund der serologischen Erkennung des Strukturproteins VP6, der Hauptkomponente des inneren Capsids, lassen sich sieben Serogruppen, A bis G, unterscheiden. Humane Rotaviren sind weltweit verbreitete Erreger von Durchfallerkrankungen bei Kindern. Humanpathogene Rotaviren findet man in den Serogruppen A, B und C; die meisten Virusisolate aus Patienten können der Serogruppe A zugeordnet werden. Die weitere Unterteilung in die Serotypen P (P: Proteolyse) und G (G: Glycosylierung) erfolgt aufgrund von Unterschieden in den äußeren Capsidproteinen VP4 beziehungsweise VP7. Bis heute hat man bei den humanen Rotaviren 16 beziehungsweise 27 unterschiedliche G- und P-Serotypen identifiziert. Weltweit überwiegen die Stämme P1A[8]/ G1, P1B[4]/G2, P1A[8]/G3, P1A[8]/G4 oder P1A[8]/ G9, die sich durch die dsRNA-Genomsegmente 4 und 9 unterscheiden, welche für die Proteine VP4 beziehungsweise VP7 codieren. Regional findet man aber gelegentlich auch andere Varianten (G5, G8, P2A[6]). Durch den Einsatz der Polymerasekettenreaktion und der Genom-
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sequenzierung konnten bis zu 42 verschiedene P-GKombinationen charakterisiert werden. Daneben sind drei unterschiedliche Allele der NSP4-Genomsegmente bekannt: Wa, KUN und Au-1. Da die NSP4-Proteine bei der Virusmorphogenese mit VP6 wechselwirken – ein für die Virusmorphogenese entscheidender Schritt – sind nicht alle theoretischen Kombinationen der NSP4Allele möglich. Die menschlichen Rotaviren wurden erstmals 1973 von Ruth Bishop und Mitarbeitern am Royal Children’s Hospital in Melbourne (Australien) aus dem Stuhl von an Diarrhoe erkrankten Kindern isoliert. Bis dahin kannte man die Viren nur als Verursacher von Durchfällen bei Mäusen und Affen. Inzwischen ist bekannt, dass Rotaviren die Hauptursache von schweren Gastroenteritiden vor allem bei Kindern in den ersten beiden Lebensjahren sind. Rotaviren der Gruppe A sind weltweit verbreitet, Infektionen mit Erregern der Gruppe B findet man vor allem in Asien und auf dem indischen Subkontinent. Viren der Gruppe C kommen weltweit vor, sie treten jedoch selten epidemisch auf. Bei Kindern in Zonen mit gemäßigtem Klima treten Rotavirusinfektionen gehäuft während der Wintermonate auf, die Erreger werden von infizierten Personen mit dem Stuhl ausgeschieden und fäkal-oral übertragen. Bei infizierten Kindern findet man mehr als 1012 Viruspartikel pro Gramm Stuhl, aufgrund ihrer Stabilität bleiben die Viruspartikel in der Umgebung lange infektiös. Für die Übertragung der Infektion reichen weniger als 100 Partikel aus. Daher können sich Rotavirusinfektionen – vor allem unter mangelhaften hygienischen Bedingungen – in Kinderkliniken, Krippen und Kindergärten, aber auch in Seniorenheimen zu Epidemien ausweiten. In deren Verlauf entwickeln sich schnell neue Serotypen und Virusreassortanten, die für die hohe serologische Heterogenität der Rotaviren verantwortlich sind. Zusätzlich tragen zu der großen Heterogenität zoonotische Infektionen mit animalen Rotaviren bei, und hier vor allem von solchen, die in Haus- und Nutztieren verbreitet sind. Auch wenn Rotaviren allgemein als wirtsspezifisch gelten und durch Zoonosen verursachte Infektionen daher selten sind, sollte man angesichts der Häufigkeit der Infektion sowohl bei Tieren als auch Menschen diesen Aspekt bei der Bildung neuer Virusvarianten und Serotypen nicht unterschätzen. Da der Immunschutz mit zunehmendem Lebensalter nachlässt, werden neben Kindern auch Erwachsene infiziert. Verantwortlich hierfür sind meist Übertragungen von erkrankten Kindern auf Familienmitglieder. Außerdem verursachen Rotavirusinfektionen Reisedurchfall bei Erwachsenen, insbesondere bei Reisenden in Zentralamerika und der Karibik. Zunehmend erkennt man Rotaviren als Auslöser chronischer Durchfallerkrankun-
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¡ Die Nomenklatur der Rotavirustypen Rotaviren verfügen über elf dsRNA-Genomsegmente. Aufgrund von Infektionen mit Gemischen unterschiedlicher Virusstämme und der Übertragung tierischer Rotaviren auf den Menschen bilden sich häufig Reassortanten. Dies macht vor allem die Charakterisierung der einzelnen Virusstämme hinsichtlich ihrer P- und G-Kombinationen schwierig. Das G steht dabei für Glycoprotein, das P für proteasesensitiv. Die P-Typen kann man daher den VP4-, die G-Typen den VP7-Proteinen zuordnen, sie codieren auf den dsRNASegmenten 4 beziehungsweise 9. Die Bestimmung der GTypen erfolgt in der Regel serologisch, unterscheidbare Varianten werden mit unterschiedlichen Ziffern (G1 bis
gen bei immunsupprimierten Erwachsenen (Transplantatempfänger, HIV-Infizierte).
Klinik Etwa die Hälfte aller stationär behandlungsbedürftigen Durchfallerkrankungen bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis zwei Jahren wird durch Rotaviren verursacht. Bei Neugeborenen und älteren Kindern verlaufen die Infektionen meist inapparent oder klinisch milder. Man schätzt, dass in den Entwicklungsländern jedes Jahr etwa 800 000 Kinder an den Folgen von Rotavirusinfektionen sterben. In den entwickelten Ländern werden Rotavirusinfektionen auch häufig nosokomial, beispielsweise auf Kinderstationen erworben. Die Inkubationszeit beträgt nur ein bis drei Tage. Die Erkrankung ist durch plötzliches Erbrechen und starken, wässrigen Durchfall gekennzeichnet. Fieber und Bauchschmerzen können hinzukommen. Die Symptome dauern durchschnittlich vier bis fünf Tage an. Etwa 40 Prozent der schwer erkrankten Kinder müssen stationär in Krankenhäusern behandelt werden. Seit 2001 werden jährlich bis zu 77 000 Fälle in Deutschland gemeldet, wobei Schätzungen davon ausgehen, dass die Dunkelziffer mehr als das Fünffache beträgt. In schweren Fällen treten bedingt durch den massiven Flüssigkeitsverlust Verschiebungen der Elektrolytkonzentrationen im Blut und lethargische Zustände ein. Tödliche Verläufe in Verbindung mit Kreislaufversagen beobachtet man in den Industrieländern allerdings selten. Infizierte Kinder können die Viren auf erwachsene Familienmitglieder übertragen, bei diesen verläuft die Infektion meist inapparent oder abgeschwächt. In den vergangenen Jahren mehrten sich die Hinweise, dass Rotaviren nicht nur im Darm, son-
G15) versehen. Die Bestimmung der mindestens 28 unterscheidbaren P-Typen ist schwieriger: Liegt eine serologische Charakterisierung vor, werden unterschiedliche Serotypen des P-Antigens mit entsprechenden Zahlen- und Buchstabenkombinationen bezeichnet, beispielsweise P1A. Da die serologischen Untersuchungen sehr aufwändig sind, erfolgte während der vergangenen Jahre meist nur die Genotypisierung mittels PCR-Amplifikation der Genomsegmente 4 und Sequenzierung. Die Genotypzuordnung wird dann durch eine Zahl in eckigen Klammern angegeben, beispielsweise P[8].
dern auch im Blut und anderen Organen wie dem zentralen Nervensystem und der Leber vorhanden sein können. Welche Organmanifestationen daraus ableitbar sind, ist momentan unklar. Bei immunsupprimierten Kindern können Rotaviren neben den Darmepithelzellen auch andere Organe infizieren. Bei ihnen fand man das Virus beispielsweise zusätzlich in der Leber.
Pathogenese Rotaviren werden oral aufgenommen (Schmierinfektion), infizieren die differenzierten Enterocyten des Darmepithels – zuerst des oberen, später auch des unteren Dünndarms – und vermehren sich in ihnen. In die infizierten Gewebe wandern mononucleäre Zellen ein. Die infizierten Zellen schwellen an, bilden Vakuolen und sterben. Die Darmzotten erscheinen dadurch insgesamt verbreitert und gestaucht. Im Cytoplasma der infizierten Zellen sind große Mengen viraler Proteine als Einschlusskörperchen (Viroplasma) nachweisbar. In den Zellen findet man eine Erhöhung der Ca2+-Ionenkonzentration, die vermutlich durch das als Enterotoxin wirkende 7 kD-Spaltprodukt des NSP4-Proteins verursacht wird. Dies führt zur erhöhten Abgabe von Chloridionen und H2O. Diese Verschiebung des Ionenmilieus bewirkt weitere funktionelle Schädigungen der Enterocyten und des Darmepithels, die sich in schweren Durchfällen äußern. Die Interaktion des 7 kD-Spaltprodukts mit Caveolin-1 bedingt vermutlich auch den Zusammenbruch des Cytoskeletts, außerdem lösen sich die Microtubuli- und Microvillistrukturen auf. Da das 7 kD/NSP4-Protein von den infizierten Zellen sezerniert wird, kann es sich an die Oberflächen nicht infizierter
17.2 Reoviren
Nachbarzellen im Darmepithel binden und die beschriebenen Vorgänge auslösen. Zusätzlich beeinträchtigt die Schädigung der Enterocyten die Funktion der Nährstofftransportsysteme – die Aktivität der Saccharose-Isomaltase ist beispielsweise deutlich erniedrigt – und auch die Wasseraufnahme. Durch die fehlende Resorptionsleistung des Darmes kommt es osmotisch bedingt zu massivem Wasserverlust in das Darmlumen. Daraus resultieren die starke Dehydrierung, die unbehandelt im hypovolämischen Schock mit Kreislaufversagen enden kann.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf der Infektion werden IgM-, IgG- und IgAAntikörper gegen die Proteine VP4, VP6, VP7 und auch NSP4 gebildet. VP4- und VP7-spezifische Antikörper wirken neutralisierend und erkennen den jeweiligen Virustyp, sie sind nicht kreuzreaktiv. IgA-Antikörper in der Darmschleimhaut sind an der Eliminierung der Viren beteiligt und vermitteln einen Schutz vor Reinfektionen. Die meisten Kinder haben in den ersten drei Jahren mit Rotaviren Kontakt und sind durch IgA-Antikörper vor Reinfektionen geschützt. IgA kommt auch im Kolostrum vor und könnte erklären, warum gestillte Säuglinge deutlich weniger an Rotavirusinfektionen erkranken. Bei rotavirusinfizierten Mäusen konnte man cytotoxische T-Zellen in der Dünndarmschleimhaut
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nachweisen, die gegen Epitope verschiedener Strukturproteine und auch des NSP4-Proteins gerichtet sind. Man vermutet, dass sie auch beim Menschen für die Eliminierung der Viren unerlässlich sind. Der direkte Nachweis einer Rotavirusinfektion ist nach IfSG, dem Infektionsschutzgesetz, meldepflichtig. Die Diagnose der akuten Infektion erfolgt durch den elektronenmikroskopischen Nachweis von Viruspartikeln im Stuhl oder von viraler RNA mithilfe der Polymerasekettenreaktion. Im diagnostischen Routinealltag wird die Infektion innerhalb weniger Minuten durch Antigen-Nachweis-Tests (Antigen-Capture-ELISA) oder immunchromatographische Schnelltests nachgewiesen. Die kommerziell erhältlichen Systeme erkennen aber nur Viren der Gruppe A. Durch ELISA-Tests kann man gruppenspezifische Antikörper vor allem gegen die VP6-Proteine nachweisen, die eine abgelaufene Infektion anzeigen. Dies spielt diagnostisch aber keine Rolle. Rotaviren der Gruppe A können nach Trypsinbehandlung zur Spaltung des VP4-Proteins in Affennierenzellkulturen gezüchtet werden.
Therapie und Prophylaxe Ein antivirales Therapeutikum gegen Rotaviren gibt es nicht. Infolge des selbstlimitierenden Verlaufs ist man auch vorsichtig mit Mitteln, die das Erbrechen bzw. den Durchfall hemmen. Die Behandlung beschränkt sich
q Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Rotavirusinfektionen war mit Problemen verbunden Rotavirusinfektionen verursachen bei Kindern schwere Durchfallerkrankungen. Trotz verbesserter Therapie durch oralen oder intravenösen Flüssigkeitsersatz sterben jährlich mehr als 800 000 Kinder vor allem in den Ländern Südasiens sowie Zentral- und Südafrikas an der Infektion. Deswegen stand seit langem die Entwicklung eines Impfstoffes zum Schutz der Kleinkinder vor der Rotavirusinfektion an oberster Stelle der Programme der internationalen Gesundheitsorganisationen (WHO, Global Alliance for Vaccines and Immunizations). Eine erste Vakzine wurde auf der Basis tierischer, für den Menschen apathogener Rotaviren entwickelt. Bei diesem tetravalenten Impfstoff handelt es sich um ein Gemisch von Reassortanten, welches die für das VP7Protein codierenden dsRNA-Segmente 9 der menschlichen Rotavirustypen in Kombination mit den übrigen Segmenten eines Rhesusaffenrotavirus enthielt. Sie wurde 1998 in den
USA zur Impfung von Säuglingen zugelassen, an über 600 000 Kinder verabreicht und hatte eine gute Schutzwirkung. Etwa ein Jahr später zeigte sich, dass in sehr seltenen Fällen während der ersten zwei Wochen nach Impfung bei manchen Kindern – meist solchen, die zum Zeitpunkt der Impfung älter als drei Monate waren – lebensbedrohliche Darmeinstülpungen (Invaginationen) auftraten. Obwohl der kausale Zusammenhang nie geklärt werden konnte, wurde die Vakzine 1999 wieder vom Markt genommen. Das Risiko der Nebenwirkung wurde auf einen Fall pro 30 000 bis 50 000 geimpfte Kinder berechnet. Andererseits hätte man bei großräumigem Einsatz des Impfstoffes in den Entwicklungsländern jährlich über einer halben Million Kinder das Leben retten können – ein Widerspruch, der zu heftigen Diskussionen führte.
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q Die Coltiviren infizieren gelegentlich Menschen und verursachen schwere Erkrankungen Gelegentlich können weitere Vertreter der Reoviren im Rahmen zoonotischer Übertragungen Menschen infizieren. Coltiviren mit humanpathogenem Potential sind das Colorado-Tick-Fieber- und das Eyach–Virus, das Kemerovovirus ist ein Vertreter des Genus Orbivirus. Das Colorado-TickFieber-Virus wird durch die Zecke Dermacentor andersonii in den Rocky Mountains in Nordamerika vor allem auf Camper, Wanderer, Jäger und Waldarbeiter übertragen. Als Reservoir für das Virus werden Nagetiere, beispielsweise Eichhörnchen, angesehen. Nach einer Inkubationszeit von drei bis sechs Tagen setzt plötzliches Fieber ein, begleitet von Kopf-, retroorbitalen sowie schweren Muskel- und Glie-
daher auf adäquate orale oder intravenöse Flüssigkeitsund Elektrolytgaben. Augenblicklich sind zur Verhinderung der Rotavirusinfektion bei Säuglingen weltweit zwei Impfstoffe zugelassen: Nach seiner Erstzulassung im Jahr 2004 in Mexiko, der Dominikanischen Republik und weiteren Ländern verwendet man in Europa ein humanes Rotavirus (Stamm 89-12, Typ P1A[8]/G1), das sich nach kontinuierlicher Passagierung in der Zellkultur als attenuiert erwies und als Schluckimpfung appliziert wird. In den USA ist 2006 ein pentavalenter, ebenfalls oral zu verabreichender Impfstoff zugelassen worden: Es handelt sich um ein Gemisch von fünf Reassortanten eines für Menschen abgeschwächt wirkenden Rinderrotavirus WC3, dessen Genomsegmente 4 und 9 durch die entsprechenden dsRNA-Abschnitte der humanen Stämme P1[8] beziehungsweise G1, G2, G3 und GA ersetzt wurden. Beide Vakzinen zeigen eine sehr gute Schutzwirkung ohne eine erhöhte Nebenwirkungsrate. Die Impfung erfolgt idealerweise sechs und 24 Wochen nach der Geburt.
derschmerzen. Vor allem Erwachsene erholen sich nur langsam. Ernstere Verlaufsformen wie Meningoencephalitis oder hämorrhagisches Fieber treten bei etwa fünf Prozent der Erkankten, vor allem bei Kindern auf. Das Virus infiziert vermutlich Erythrocyten-Vorläuferzellen im Knochenmark. Das Eyach-Virus kommt hingegen in europäischen Zecken vor. Antikörper dagegen wurden in Patienten mit Meningoencephalitis und Polyneuritis gefunden. Der kausale Zusammenhang ist aber unklar. Das Kemerovovirus findet sich in Zecken in Sibirien und wurde dort aus Blut und Liquor von Patienten mit Meningoencephalitis isoliert.
Genus Orbivirus typische Arboviren, die durch Arthropoden übertragen werden und im Wirt systemische, durch eine Virämie geprägte Infektionen verursachen. Ihre weltweite Verbreitung wird letztendlich durch das regionale Vorkommen der übertragenden Insekten bestimmt. Das Bluetonguevirus der Schafe und das Virus der afrikanischen Pferdepest sind die veterinärmedizinisch wichtigsten Orbiviren. Endemische Orbivirusinfektionen kamen bis 2006 in den deutschsprachigen europäischen Ländern nicht vor. Dann wurde der Bluetonguevirus-Serotyp 8 eingeschleppt und breitete sich in nur zwei Jahren fast über ganz Mitteleuropa aus. Andere Orbiviren wie das Ibarakivirus oder das Virus der epizootischen hämorrhagischen Erkrankung der Hirsche sind weniger bedeutend oder in ihrer Verbreitung stark eingeschränkt. Humanpathogene Orbiviren sind bisher nicht beschrieben.
Die Rotaviren Epidemiologie und Übertragung
17.2.6 Tierpathogene Reoviren Wichtige tierpathogene Reoviren findet man in den beiden Genera Rotavirus und Orbivirus. Rotaviren verursachen bei mehreren Tierarten eine neonatale Diarrhoe und zum Teil erhebliche wirtschaftliche Schäden. Sie werden direkt von Tier zu Tier und durch Wasser oder Einstreu, welche mit den Erregern kontaminiert sind, übertragen. Im Unterschied hierzu sind die Vertreter des
Rotavirusinfektionen findet man bei vielen Säugetieren und Vögeln. Betroffen sind vor allem Jungtiere in den ersten Lebenswochen. Beim Rind kommen vor allem die Typen G6, G8 und G11, in Verbindung mit den Typen P[1], P[5] und P[11] vor. Beim Schwein dominieren die Typen G3, G4, G5 und G11, in Verbindung mit P[6], P[7] und seltener P[13], P[19], P[23], P[26] und P[27]. Phylogenetische Analysen zeigen zunehmend, dass Rotavirusisolate (G4) vom Schwein nah verwandt zu den humanen Rotaviren sind; dies ist ein deutlicher Hinweis für zoonotische Übertragungen.
17.2 Reoviren
Die Viren werden von infizierten Tieren in großen Mengen mit dem Kot ausgeschieden und können wochenlang in der Außenwelt infektiös bleiben. Die Ansteckung erfolgt überwiegend durch kontaminiertes Wasser und Futter. Auch eine indirekte Verschleppung des Virus etwa durch Geräte oder Einstreu ist häufig. Tiere mit inapparenten Infektionen sind ebenfalls als Ansteckungsquelle beschrieben. Wirtschaftlich bedeutend sind Infektionen beim Schwein, Rind und – mit Einschränkung – auch beim Pferd. Bei Hunden und Katzen spielen Rotavirusinfektionen keine Rolle.
Klinik Rotaviren verursachen in den Jungtieren praktisch aller Haussäugetiere eine katarrhalische Enteritis, die sich in akuter Diarrhoe äußert. Die Inkubationszeit bis zum Auftreten der ersten Erkrankungszeichen beträgt etwa 24 Stunden.
Pathogenese Die Pathogenese der Rotavirusinfektion der Tiere ähnelt weitgehend derjenigen des Menschen (䉴 Abschnitt 17.2.5). Auch hier infizieren die Viren die Enterocyten des Dünndarms, beeinträchtigen ihre Funktion und zerstören sie. Bei den Jungtieren führt dies zu einer Maladsorption der Milch mit der Folge, dass die im Darm verbleibende Lactose osmotisch auf die Darmschleimhaut wirkt und die Diarrhoe noch verstärkt. Eine systemische Infektion ist bisher ebenso wenig beschrieben wie die Virusreplikation in anderen Geweben.
Immunreaktion und Diagnose Während der Infektion bildet sich in der Darmschleimhaut eine lokale Immunantwort aus. Eine im Blut nachweisbare Immunreaktion ist dagegen von untergeordneter Bedeutung. Die Diagnose der Rotavirusinfektion ist durch die elektronenmikroskopische Darstellung von Viruspartikeln im Kot leicht möglich. Alternativ können die Viren im Kot mittels kommerzieller Antigen-Capture-ELISA-Tests nachgewiesen werden. Entscheidend ist dabei jedoch die Spezifität der im Test verwendeten Antikörper. So ist nur der Nachweis von Rotaviren der Gruppe A, und dort auch nicht zwangsläufig von allen G-Typen möglich. Auch die regional unterschiedliche Verbreitung bestimmter Serotypen bei den verschiedenen Tierarten kann für die Testung problematisch sein. Die Isolierung der Rotaviren in Zellkultur gelingt nicht immer, ein negatives Ergebnis ist daher von begrenzter Aussagekraft. Für die Kultivierung dieser Viren ist der Zusatz von Trypsin zum Medium wichtig, da Trypsin
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durch Spaltung des VP4-Proteins die Adsorption und Aufnahme der Viren ermöglicht.
Bekämpfung und Prophylaxe Lokal im Darmlumen vorliegende Antikörper schützen die Tiere vor der Infektion, daher ist die Verabreichung von Antikörpern in der Milch die beste Prophylaxe. Die Impfung der Muttertiere vor der Geburt, mit dem Ziel, die Antikörperkonzentration im Blut und somit auch im Kolostrum zu erhöhen, beeinflusst die Abwehrlage der Jungtiere günstig. Diese Art der Muttertiervakzinierung wird vor allem bei Rindern oft praktiziert. Eine aktive Immunisierung der Jungtiere ist dagegen nicht erfolgreich, da die Infektion bei den Tieren – im Gegensatz zu der des Menschen – in den ersten Lebenstagen und -wochen erfolgt und sich eine schützende Immunität zu langsam entwickelt.
Das Bluetonguevirus Epidemiologie und Übertagung Infektionen mit Bluetongueviren sind nahezu weltweit verbreitet und verursachen bei Wiederkäuern, vor allem bei Schafen, zum Teil schwere Erkrankungen. Aufgrund von Neutralisationstests lassen sich die bekannten Isolate in 24 Serotypen einteilen. Die Viren werden durch Gnitzen der Gattung Culicoides übertragen. Diese Mücken sind sehr klein (circa ein Millimeter). Das Virus persistiert in den Gnitzen, eine vertikale Übertragung ist jedoch nicht nachgewiesen. Etwa eine Woche nach dem Saugakt an einem virämischen Tier scheidet die Mücke erstmals Virus mit dem Speichel aus. Da Gnitzen durchschnittlich in Abständen von drei bis vier Tagen Blut saugen, kommt es bei hoher Insektendichte sehr schnell zur Infektion einer ganzen Herde. Gnitzen schwärmen vor allem im Sommer und Spätsommer, klinische Fälle der Bluetongueerkrankung treten daher in den Monaten Juli sowie September und Oktober gehäuft auf. Im infizierten Wiederkäuer kann das Virus mehrere Wochen persistieren. Das Virus wird aber letztendlich immer eliminiert und die Tiere sind immunologisch gegen Reinfektionen geschützt. Eine direkte Übertragung von Tier zu Tier ist bisher nicht beschrieben worden. In Afrika kommen nahezu alle 24 Serotypen des Bluetonguevirus vor, wohingegen in europäischen Ländern bisher nur wenige Serotypen verbreitet sind. Während in einigen Mittelmeerländern die Serotypen 1, 2, 4, 8, 9 und 16 nachgewiesen wurden, verbreitete sich nach Mitteleuropa bisher nur der Serotyp 8, der im Jahr 2006 auch nach Deutschland eingeschleppt wurde. Heute ist die Infektion wahrscheinlich schon in den heimischen
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17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
q Die Biologie der Gnitzen ist komplex Die Eier der Culicoides-Mücken (Gnitzen) entwickeln sich nicht im Wasser, sondern – je nach Culicoidesart – in trockener Erde, sich zersetzendem Pflanzenmaterial oder in Rinder- oder Elephantendung. Dies erklärt teilweise die weite Verbreitung bestimmter Culicoidesarten. Da diese komplexen Entwicklungsbedingungen im Labor bisher nicht
nachgestellt werden konnten, ist die Untersuchung der Biologie der Virus-Vektorbeziehung sehr schwierig. Für die Etablierung des Erregers in einer Region sind Fragen bezüglich einer möglichen transstadiellen Übertragung in dem Vektor sowie die Relevanz der Überwinterung in der adulten Mücke von besonderem Interesse.
Populationen von Schaf, Rind und Wildwiederkäuern endemisch. Im Jahr 2009 fand man zusätzlich auch die fortschreitende Verbreitung von Infektionen mit dem Serotyp 1. 2008 wurden sporadisch auch die Serotypen 6 und 11 in Deutschland nachgewiesen, bislang gibt es aber noch keine Hinweise, dass sich diese flächendeckend in Mitteleuropa angesiedelt haben. Die Verteilung der Serotypen ist auch durch die Verbreitung bestimmter Culicoides-Arten beeinflusst: Während die in den Mittelmeerländern vorherrschenden Serotypen durch C. imicola übertragen werden, wird der Serotyp 8 durch die C. obsoletus-Gruppe übertragen. Die ursprünglichen Verbreitungsgebiete der Serotypen 1 (Südfrankreich) und 8 (unter anderem Nordfrankreich, Benelux-Staaten, Deutschland) haben sich ständig vergrößert und bewegen sich aufeinander zu. Es bleibt abzuwarten, ob die beiden Serotypen bei gemeinsamen regionalen Vorkommen Präferenzen für bestimmte Mückenunterarten entwickeln.
typ 8 verursacht hingegen klinische Fälle auch bei Rindern. Ebenso wurden Erkrankungen auch bei Rindern in Frankreich beobachtet, die bei Ausbrüchen von Bluetonguevirusinfektionen des Serotyps 1 aufgetreten sind. Die Erkrankung bei Rindern hat wesentlich größere wirtschaftliche Verluste zur Folge als diejenige der Schafe.
Klinik
Die Tiere bilden im Infektionsverlauf neutralisierende serotypspezifische Antikörper, welche zur Eliminierung der Viren führen und vor Reinfektionen schützen. Sie können in ELISA-Tests nachgewiesen werden, wobei die Auswahl des Antigens (Vollvirus oder rekombinante Proteine) der relevanten Serotypen kritisch ist. Die Diagnose akuter Infektionen wird durch Virusisolierung aus Zellen des peripheren Blutes und Anzucht in bebrüteten Hühnereiern oder in der Zellkultur gestellt. Alternativ ist der Nachweis der Virus-RNA durch Einsatz der Polymerasekettenreaktion möglich.
Das Bild der Bluetongueerkrankung der Schafe ähnelt dem der Maul- und Klauenseuche (䉴 Abschnitt 14.1.6). Die Symptome sind die einer fiebrigen Stomatitis und Pneumonie. Begleitet werden sie von einer Coronitis (Entzündung des Kronsaumes) mit Hyperämie und der Ausbildung von Ödemen. Der Name der Erkrankung resultiert aus einer häufig beobachteten Cyanose (Blaufärbung) der Zunge. Die Erkrankung kann mit einer Letalität von bis zu 80 Prozent einhergehen. Bei den verschiedenen Wiederkäuerarten ist das Krankheitsbild unterschiedlich, und selbst zwischen verschiedenen Schafrassen zeigt sich eine große Variabilität der klinischen Symptomatik. Auch sind Aborte und Missbildungen in Verbindung mit Infektionen beschrieben, die möglicherweise von attenuierten Virusimpfstämmen herrühren. Bei Rindern und Ziegen verlaufen die Infektionen mit den in Südeuropa vorkommenden Serotypen 2, 4, 9 und 16 der Bluetongueviren subklinisch, der Sero-
Pathogenese Das Virus repliziert in den Endothelzellen der Blutgefäße und den hämatopoetischen Stammzellen. Während der Virämie kann es daher aus Lymphocyten und Erythrocyten isoliert werden. In seltenen Fällen findet man das Virus auch im Sperma virämischer Böcke. Eine dadurch mögliche Übertragung der Viren ohne die Insekten als Zwischenwirte ist allerdings epidemiologisch ohne Bedeutung.
Immunreaktion und Diagnose
Bekämpfung und Prophylaxe Die Bluetonguevirusinfektion ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. Die Bekämpfung liegt im Moment in einer Beobachtung des Ausbruchs und der Beschränkung des Handels infizierter Tiere. Die Impfung gegen die Blauzungenkrankheit ist möglich. In Afrika und in den Mittelmeerstaaten werden Lebendvakzinen eingesetzt.
17.2 Reoviren
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q Die Blauzungenkrankheit der Schafe – eine neue Virusinfektion in Mitteleuropa Ein Auftreten des Bluetonguevirus in Mittel- und Nordeuropa war bis vor einigen Jahren nicht bekannt. Seit 2006 verbreiteten sich Infektionen ausgehend von Süd- und Westeuropa in den Ländern Zentraleuropas und somit auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zunehmend wurden Gnitzen (Culicoides spp.) zum Überträger der Infektion in den Nutztierpopulationen der Schafe, Rinder und Ziegen. Man vermutet, dass sich unter dem Einfluss klimatischer Veränderungen auch andere Vertreter der durch Insekten übertragenen Orbiviren in Mittel- und Nordeuropa verbreiten können. Das Bluetonguevirus ist sehr stabil: Durch die an Insekten gebundene Übertragungsform kann der Ausbreitung durch Hygienemaßnahmen kein Einhalt geboten werden. Da die Blauzungenkrankheit bei den Schafen sehr schwer verläuft und mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden ist, besteht für alle Wiederkäuer in Deutschland Impfpflicht; als Vakzinen sind Totimpfstoffe von drei verschiedenen Herstellern vom Paul-EhrlichInstitut zugelassen worden. Nach den statistischen Daten
Dies birgt die grundsätzliche Gefahr der Reassortantenbildung zwischen Impf- und Feldvirus. In Deutschland und anderen europäischen Ländern wird zur Bekämpfung der Infektionen mit Bluetonguevirus Serotyp 8 die Strategie über eine inaktivierte Vakzine gewählt. 2008 wurden entsprechende Impfstoffe in Deutschland eingeführt und zugelassen; es besteht eine Impfpflicht.
Das Virus der afrikanischen Pferdepest Epidemiologie und Übertragung Ein dem Bluetonguevirus sehr ähnlicher Erreger ist das Virus der afrikanischen Pferdepest, das Einhufer infiziert. Auch dieses Virus wird durch Arthropoden übertragen und ist durch eine ausgeprägte antigene Vielfalt charakterisiert, die sich in wenigstens neun Serotypen manifestiert. Das Virus ist in Afrika weit verbreitet. Mit Ausnahme von Spanien und Portugal ist es außerhalb Afrikas nicht endemisch. Es wird zwischen Pferden und anderen Einhufern wie Eseln oder Zebras vor allem durch Arthropoden der Gattung Culicoides, aber auch durch Stechmücken übertragen. Aufgrund der bevorzugten Flugzeit der Insekten zeigt auch die afrikanische
des Paul-Ehrlich-Instituts sind durch die Anwendung dieser Totimpfstoffe keinerlei Nebenwirkungen belegt. Die Impfpflicht der Tiere hat jedoch mancherorts zu heftigen Protesten geführt. Einige Tierbesitzer weigerten sich, ihre Schafe und Rinder impfen zu lassen; dies führte zu Verurteilungen und Bußgeldbescheiden, welche von den Impfgegnern in Gefängnisstrafen umgewandelt und öffentlichkeitswirksam abgesessen wurden. In einigen Regionen Bayerns wurden sogar Wallfahrten und Bußgänge organisiert – in der Hoffnung, damit bei zuständigen Behörden die Einsicht zur Aufgabe der Impfpflicht zu fördern. Diese Aktionen waren unerwarteterweise im Herbst 2009 erfolgreich: Die Impfpflicht wurde für das Jahr 2010 ausgesetzt. Diese Vorgehensweise wurde entgegen den fachlichen Ratschlägen und aller Vernunft eingeleitet. Sie wird zum Wiedererstarken der fast zum Erliegen gekommenen Bluetonguevirusinfektion führen, von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein und vielen Wiederkäuern das Leben kosten.
Pferdepest ein saisonales Auftreten im Spätsommer. Da die Insekten vor allem nachts fliegen, werden hauptsächlich die Tiere infiziert, die während der Nacht nicht aufgestallt werden. Wesentlich ist, dass die Erreger der afrikanischen Pferdepest ähnlich wie die Bluetongueviren in den Säugetieren keine persistierenden Infektionen etablieren. Zebras, die nur eine subklinische Form der Infektion entwickeln, gelten daher als Haupt- und Reservoirwirte. Im südlichen Afrika ist ein weiteres Orbivirus, das equine Encephalosisvirus, verbreitet. Auch vom ihm existieren vermutlich verschiedene Serotypen. Es infiziert ebenfalls Einhufer, unterscheidet sich jedoch serologisch vom Virus der afrikanischen Pferdepest. Es ist kaum untersucht und verursacht bei den Tieren zentralnervöse Symptome, die vermutlich Folgen eines cerebralen Ödems sind.
Klinik Die klinischen Zeichen und der Schweregrad der afrikanischen Pferdepest sind je nach Virulenz des Serotyps und betroffener Tierart unterschiedlich. Pferde sind hoch empfänglich und zeigen die höchste Morbidität und Mortalität, während die Infektion in Eseln häufig subklinisch verläuft. Maultiere und Maulesel zeigen eine
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17 Viren mit doppelsträngigem, segmentierten RNA-Genom
¡ Das Virus der afrikanischen Pferdepest befällt in seltenen Fällen auch andere Säugetiere Es gibt Hinweise darauf, dass neben Einhufern gelegentlich auch andere Säugetiere mit dem Virus der afrikanischen Pferdepest infiziert werden können: So wurden vereinzelt Infektionen von Hunden beschrieben, die vermutlich Fleisch von an der Krankheit verendeten Pferden gefressen hatten. Klinisch zeigten die Hunde Symptome, die der pulmonalen Erkrankungsform der Pferde ähnelte. Des Weite-
intermediäre Empfänglichkeit. Die Inkubationszeit bis zum Auftreten der ersten Symptome beträgt ein bis zwei Wochen. Die akuten oder perakuten Erkrankungen sind durch schwere respiratorische Symptome (pulmonale Form) gekennzeichnet und äußern sich vor allem in hohem Fieber und hochgradiger Atemnot (bedingt durch Lungenödeme). Die Fieberphase dauert etwa eine Woche. Danach entwickeln sich generalisierte Ödeme und Ergüsse, die in schweren Fällen zum Tod der Tiere führen können. Die weitaus häufigere Form ist jedoch eine leichte, protrahiert verlaufende Erkrankung (kardiale Form), die neben dem Fieber Anzeichen einer Vasculitis und Infektionen oberflächlicher Gefäße (etwa auf der Konjunktiva) aufweist.
Pathogenese Die Pathogenese der afrikanischen Pferdepest ist wenig verstanden. Das Virus repliziert in den lymphatischen Organen und dem Gefäßendothel. Im weiteren Verlauf kommt es, ähnlich wie bei der Bluetongueerkrankung, zur Infektion der hämatopoetischen Zellen. Bei schweren Verläufen verenden die Tiere letztlich an den Folgen der entstehenden Ödeme und Ergüsse (Perikarderguss, Ascites).
Immunreaktion und Diagnose Die Tiere entwickeln während der Infektion eine effiziente Immunantwort, die das Virus eliminiert. Sie ist serotypspezifisch und schützt die Tiere daher nicht vor Infektionen mit Viren anderer Serotypen. Bei Tieren, welche die afrikanische Pferdepest überlebt haben, verlaufen Infektionen mit anderen Serotypen aber in aller Regel sehr viel milder und äußern sich überwiegend in den Symptomen der kardialen Form.
ren wurde auch über Erkrankungen des Menschen berichtet, die durch Infektionen mit dem Virus der afrikanischen Pferdepest verursacht waren. Hierbei handelte es sich ausnahmslos um Laborinfektionen in Impfstoffwerken. Die bei Menschen beobachteten Symptome waren breit gefächert und schlossen encephalitische Erkrankungsanzeichen ein.
Bekämpfung und Prophylaxe In Afrika sind Lebendvakzinen verfügbar, die alle Serotypen umfassen. Außerhalb Afrikas werden sie nicht angewendet.
17.2.7 Weiterführende Literatur Anderson, E. J.; Weber, S. G. Rotavirus infection in adults. In: Lancet Infect. Dis. 4 (2004) S. 91–99. Aoki, S. T.; Settembre, E. C.; Trask, S. D.; Greenberg, H. B.; Harrison, S. C.; Dormitzer, P. R. Structure of rotavirus outer-layer protein VP7 bound with a neutralizing Fab. In: Science 324 (2009) S. 1444–1447. Ball, J. M.; Mitchell, D. M.; Gibbons, T. F.; Parr, R. D. Rotavirus NSP4: a multifunctional viral enterotoxin. In: Viral Immunol. 18 (2005) S.27–40. Barro, M.; Patton, J. T. Rotavirus nonstructural protein 1 subverts innate immune response by inducing degradation of IFN regulatory factor 3. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 102 (2005) S. 4114–4119. Blutt, S. E.; Conner, M. E. Rotavirus: to the gut and beyond! In: Curr. Opin. Gastro. 23 (2007) S. 39–43. Brunet, J.-P.; Jourdan, N.; Cotte-Lafitte, J.; Linxe, C.; GéniteauLegendre, M.; Servin, A.; Quéro, A.-M. Rotavirus infection induces cytoskeleton disorganization in human intestinal epithelial cells: Implication of an increase in intracellular calcium concentration. In: J. Virol. 74 (2000) S. 10801–10806. Conner, M. E.; Matson, D. O.; Estes, M. K. Rotavirus vaccines and vaccination potential. In: Curr. Top. Microbiol. Immunol. 185 (1994) S. 285–337. Cook, N.; Bridger, J.; Kendall, K.; Gomara, M. I.; El-Attar, L.; Gray, J. The zoonotic potential of rotavirus. In: J. Infect. 48 (2004) S. 289–302. Delmas, O.; Gardet, A.; Chwetzoff, S.; Breton, M.; Cohen, J.; Colard, O.; Sapin, C.; Trugnan, G. Different ways to reach the top of a cell. Analysis of rotavirus assembly and targeting in
17.2 Reoviren
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt 18.1 Retroviren
Retroviren wurden vor etwa 100 Jahren zum ersten Mal beschrieben: Nachdem Vilhelm Ellermann und Oluf Bang bereits 1908 die Mäuseleukämie durch Ultrafiltrate übertragen hatten, entdeckte Peyton Rous 1911, dass er mit ultrafiltrierten Extrakten aus Geflügelsarkomen diese Tumorerkrankung auf gesunde Hühner übertragen konnte. Er erhielt hierfür 1966 den Nobelpreis, und das in den Extrakten enthaltene Retrovirus wurde nach ihm Rous-Sarkomvirus genannt. Einen weiteren Hinweis auf die Verursachung von Tumorerkrankungen durch Retroviren erhielt John J. Bittner 1936 bei seinen
Untersuchungen zur Entstehung von malignen Milchdrüsenerkrankungen der Maus: Er beschrieb das MMTV (Maus-Mammatumor-Virus) als den Erreger dieser Krankheit. Dieses Virus zeigte auch einen bis dahin unbekannten Übertragungsmodus: MMTV kann nicht nur als infektiöses, von der Zelle freigesetztes, exogenes Partikel übertragen werden (horizontale Übertragung), sondern auch als endogener Bestandteil des Genoms von Keimbahnzellen auf die Folgegeneration (vertikale Übertragung). 1970 machten Howard M. Temin und Satoshi Mizutani sowie David Baltimore die später mit dem Nobelpreis gewürdigte Entdeckung, dass Retroviren die genetische Information für ein bis dahin unbekanntes Enzym besitzen, das sie in die Lage versetzt, den üblichen genetischen Informationsfluss von DNA über RNA in Protein umzukehren: Die reverse Transkriptase kann RNA in doppelsträngige DNA umschreiben, eine Aktivität, die sich in der Bezeichnung „Retroviren“ widerspiegelt. Viren dieser Gruppe waren bereits früher als Erreger von Tumorerkrankungen in Tieren nachgewiesen worden. Man bezeichnet sie deshalb auch als Oncornaviren. Dieses Kunstwort bringt das onkogene Potenzial mit dem RNA-Genom dieser Erreger zusammen. Dass die tumorerzeugende Fähigkeit, die in Form von viralen „Onkogenen“ (v-onc) in der Erbinformation verankert ist, ein zelluläres Gegenstück (c-onc) hat, beschrieben 1976 Harold E. Varmus, J. Michael Bishop, Peter K. Vogt und Dominique Stehelin. Varmus und Bishop erhielten dafür ebenfalls den Nobelpreis. 1980 beschrieb Robert C. Gallo mit dem HTLV (humanes T-Zell-Leukämie-Virus) das erste Retrovirus,
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
das bei erwachsenen Menschen Krebserkrankungen, nämlich T-Zell-Leukämien, verursachen kann. In den folgenden Jahren identifizierten die Arbeitsgruppen von Luc Montagnier und Francoise Barre-Sinoussi am Pasteur-Institut in Paris die humanen Immundefizienzviren HIV-1 und HIV-2 als Retroviren und Erreger der erworbenen Immunschwäche AIDS, hierfür wurde ihnen 2008 der Nobelpreis für Medizin verliehen. Die große Forschungsaktivität, die dieser Befund nach sich zog, bewirkte, dass heute viele Einzelheiten der Molekularbiologie und Pathogenese retroviraler Infektionen bekannt sind und diese Viren zu den am besten untersuchten gehören. Zudem stehen eine Vielzahl von antiviral wirkenden Chemotherapeutika zur Verfügung (䉴 Kapitel 9). Es ist unmöglich, sämtliche Retroviren, die Details ihres Replikationszyklus und ihrer Molekularbiologie im Rahmen dieses Kapitels abzuhandeln. Über die Biologie der Retroviren gibt es für interessierte Leser zahlreiche Übersichtswerke. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die allen Retroviren gemeinsamen Mechanismen der Replikation und Infektion. Im Detail wird jeweils auf die humanpathogenen Retroviren, insbesondere auf die humanen Immundefizienzviren (HIV) und auf die T-Zell-Leukämie-Viren (HTLV), eingegangen. Retroviren verursachen jedoch auch bei Haustieren wichtige Erkrankungen. Einige der Infektionen sind tierseuchenrechtlich von Bedeutung, beispielsweise die
enzootische bovine Leukose (Rinderleukose) oder die infektiöse Anämie der Einhufer. Andere Virustypen verursachen bei Kleintieren schwere, tödlich verlaufende Erkrankungen, wie die Katzenleukämie oder die feline Immunschwäche. Insbesondere Letztere ist von überragender Bedeutung, da Infektionen durch das feline Immundefizienzvirus ein wertvolles Modell für die Erforschung des humanen Immundefizienzvirus, beziehungsweise die von ihm verursachte AIDS-Erkrankung geworden ist.
18.1.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Familie der Retroviridae wird in zwei Unterfamilien geteilt: die Orthoretrovirinae und die Spumavirinae. Während die Spumavirinae nur eine Gattung Spumavirus enthalten, umfassen die Orthroretrovirinae sechs Genera, nämlich die α-, β-, γ-, δ- und ε-Retroviren sowie die Lentiviren (䉴 Tabelle 18.1). Die Unterteilung erfolgte anhand der Besonderheiten während der Infektionen und den durch sie verursachten Erkrankungsformen sowie von morphologischen und genetischen Unterschieden der Viren. Retrovirusinfektionen kommen überwiegend bei Wirbeltieren vor, wo sie viele verschiedene Symptome hervorrufen (Tumorerkrankun-
¡ Die Spumaretroviren – eine ungewöhnliche Klasse von Retroviren Spumaviren kommen häufig in wildlebenden wie in Gefangenschaft gehaltenen Schimpansen, verschiedenen Altund Neuweltaffen, Katzen, Rindern und Pferden vor, ohne dass die Tiere Erkrankungen entwickeln. Spumaviren des Affen, auch Simian-Foamy-Virus (SFV) genannt, können exponierte Personen wie beispielsweise Tierwärter infizieren. Auch die zoonotische Übertragung und Infektion des Menschen führt zu keiner erkennbaren Erkrankung. Das humane Spumaretrovirus (HSRV), das auch unter der Bezeichnung Human-Foamy-Virus (HFV) bekannt war, ist identisch mit dem SFV; es wurde 1971 aus Zellkulturen eines menschlichen Nasopharynxkarzinoms isoliert. Damals galt dieses, heute als Kontamination bekannte, Virus als das erste aus menschlichen Zellen isolierte Retrovirus. Erst die spätere Sequenzierung der Genome zeigte die Identität beider Viren. Die Spumaviren nehmen eine Sonderstellung in der Familie der Retroviridae ein. Sie zeigen eine Vielzahl von Besonderheiten ihres Replikationszyklus, die sie von den
anderen Retroviren unterscheiden; deshalb wurden für sie einen eigene Unterfamilie, die der Spumavirinae geschaffen. Das Pol-Genprodukt wird von einer eigenen gespleißten mRNA translatiert, unabhängig vom Gag-Protein, das heißt, es existiert bei den Spumaviren kein Gag/Pol-Vorläuferprotein. Als weitere Besonderheit besitzen Spumaviren einen internen Promotor im 3’-Bereich des env-Gens, der durch das viruseigene Transaktivatorprotein Tas (auch Bel1 genannt), gesteuert wird. Weitere Leserahmen codieren für die akzessorischen Proteine Bel2 und Bet, deren Funktionen noch unbekannt sind. Im Verlauf der Replikation entsteht ein RNA-Progenom, das noch während der Morphogenese durch die reverse Transkriptase in die DNA umgeschrieben wird, ähnlich wie beim Hepatitis-B-Virus (䉴 Abschnitt 19.1.4). Es gibt experimentelle Hinweise, dass die infektiösen Partikel der Spumaviren teilweise bereits ein DNA-Genom enthalten, das direkt in das Wirtsgenom integriert werden kann.
18.1 Retroviren
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Tabelle 18.1 Charakteristische Vertreter der Retroviren Unterfamilie
Genus
Orthoretrovirinae
Mensch
Tier
Typ
a-Retrovirus
aviäre Leukoseviren (ALV) Rous-Sarkomvirus (RSV) aviäres Erythroblastosisvirus (AEV) aviäres Myoblastosisvirus (AMV) Rous-assoziierte Viren (RAV 1-50) Rous-assoziierte Viren (RAV 0)
exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös
b-Retrovirus
Maus-Mammatumor-Virus (MMTV)
endo- und exogen/ infektiös exogen/infektiös
bovines Lungenadenomatosevirus (Jaagsiekte Schafretrovirus) Mason-Pfizer-Affen-Virus (MPMV) HervK-Familie g-Retrovirus
felines Leukämievirus (FeLV) felines Sarkomvirus Mausleukämieviren (MLV) Affenleukämieviren (SLV) Gibbonleukämievirus (GALV) murine Sarkomviren (MSV) Moloney-Mausarkomvirus (Mo-MLV) Harvey-Maussarkomvirus (HA-MSV)
exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös endogen/defekt endogen/defekt endogen/defekt endogen/defekt
bovines Leukosevirus (BLV) Primaten-T-Lymphotropische Viren, Typen 1–3 (STLV 1–3)
exogen/infektiös exogen/infektiös
Erv-3 S71-Familie d-Retrovirus
humane T-ZellLeukämie-Viren (HTLV-1/HTLV-2) HRES-1
e-Retrovirus Lentivirus
Spumavirinae
Spumavirus
humane Immundefizienzviren (HIV-1/HIV-2)
humane Spumaretroviren (HRSV)*
endogen/defekt endogen/defekt
endogen/defekt diverse Fischretroviren Walleye-Dermal-Sarcoma-Virus
exogen/infektiös exogen/infektiös
Affenimmundefizienzvirus (SIV)
exogen/infektiös
felines Immundefizienzvirus (FIV) bovines Immundefizienzvirus (BIV) Virus der infektiösen Anämie der Einhufer (EIAV) Maedi-Visna-Virus der Schafe (MVV) caprines Arthritis-Encephalitis-Virus (CAEV)
exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös
Affenspumaviren (SFV)*
exogen/infektiös
feline Spumaviren bovine Spumaviren equine Spumaviren
exogen/infektiös exogen/infektiös exogen/infektiös
* Die humanen Spumaretroviren (HRSV) erwiesen sich als identisch mit den Affenspumaretroviren (SFV).
18
18
412
18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
gen, Immundefizienzen, neurologische Defekte aber auch offensichtlich völlig harmlose Infektionsverläufe). Weiterhin kann man zwischen exogenen und endogenen Retroviren unterscheiden. Erstere besitzen in ihrem Genom alle Informationen, die für den Ablauf eines Infektionszyklus mit Freisetzung von infektiösen Viruspartikeln benötigt werden. Diese Viren können sich von Organismus zu Organismus verbreiten. Außerdem kann das Genom bestimmter exogener Retroviren Onkogene enthalten. Im Unterschied dazu sind endogene Retroviren in allen Zellen eines Organismus in das Genom integriert und werden vertikal über Keimbahnzellen übertragen. Nur unter bestimmten Umständen werden sie zur Produktion von exogenen, infektiösen Partikeln aktiviert: Denn fast alle dieser Viren sind defekt, ihnen fehlen also essenzielle Informationen für den produktiven Infektionszyklus, beispielsweise das Gen für die Oberflächenproteine. Bei einigen aus Säugetieren und Vögeln isolierten Retroviren sind diese fehlenden Funktionen durch die Sequenzen der viralen Onkogene (v-onc) ersetzt. Für die Produktion infektiöser Viren und ihre Weiterverbreitung benötigen diese defekten tierischen Retroviren die Hilfe eines anderen Retrovirus (Helfervirus), das die fehlenden Funktionen ergänzt. Viele der endogenen Retroviren sind jedoch genetisch so weit reduziert – oft sind nur die das Provirusgenom flankierenden LTR-Regionen erhalten –, dass auch Helferviren sie nicht mehr aktivieren können. Nur die Ähnlichkeit ihrer ins Zellgenom integrierten DNA weist darauf hin, dass es sich um ursprünglich retrovirale Sequenzen han-
delt. Diese Retrotransposons sind weit verbreitet und machen zusammen mit anderen Retroelementen bis zu acht Prozent des menschlichen Genoms aus. Die Tatsache, dass sie auch im Genom von Nagetieren (IAP, intracisternale A-Typ-Partikel), Hefezellen (Ty-Elemente) und Insekten (Copia-Elemente) zu finden sind, weist darauf hin, dass sie evolutionär betrachtet hochkonserviert sind. Sie sind dafür verantwortlich, dass man in eukaryotischen Zellen – oft in Verbindung mit Differenzierungsprozessen – eine reverse-Transkriptase-Aktivität und partikuläre Proteinstrukturen findet.
18.1.2 Aufbau Viruspartikel Die infektiösen Partikel der verschiedenen Retroviren haben einen ähnlichen Aufbau mit einem Durchmesser von etwa 100 nm (䉴 Abbildung 18.1). Das Capsid ist von einer Hüllmembran umgeben, die von der Cytoplasmamembran abgeleitet ist. Mit ihr sind die viralen Glycoproteine assoziiert, von denen eines als transmembranes Protein (TP) über eine Region von circa 20 hydrophoben Aminosäuren verankert ist. Das andere, das sogenannte externe Glycoprotein (EP), ist dagegen nichtkovalent mit dem außerhalb der Membran gelegenen Teil des transmembranen Proteins verbunden. Beide werden als gemeinsames Vorläuferprotein gebildet. Die Spaltung und Bildung des aminoterminalen, externen und des carboxyterminalen, transmembranen Anteils erfolgt
18.1 Aufbau eines Retroviruspartikels am Beispiel des humanen Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1). Im Inneren des Partikels findet man das konische Capsid. Es besteht aus den Capsidproteinen (p24, CA) und enthält zwei virale RNA-Genome, die im Komplex mit den Nucleocapsidproteinen (p7, NC) vorliegen und alle Charakteristika einer zellulären mRNA haben. Das Capsid ist von einer Hüllmembran umgeben, welche die externen und die transmembranen Glycoproteine (gp120 und gp41) enthält. Die Innenseite der Membran wird von einer Schicht von Matrixproteinen (p17, MA) ausgekleidet. Das Link-Protein (p6, LI) verbindet das Capsid mit der Membran. Die Lateralkörperchen bestehen hauptsächlich aus Matrixproteinen, sie sind vermutlich elektronenmikroskopische Artefakte.
18.1 Retroviren
während der Virusmorphogenese durch eine zelluläre, mit dem endoplasmatischen Reticulum und dem GolgiApparat assoziierten Protease. Beim HIV-1 haben die durch Zuckergruppen modifizierten Formen der externen und transmembranen Proteine Molekulargewichte von 120 kD (gp120) beziehungsweise 41 kD (gp41). Die funktionell aktiven Komplexe der gp120- und gp41-Proteine liegen als Trimere vor. Cryoelektronenmikroskopische Analysen zeigten, dass in der Hüllmembran von HIV- und SIV-Partikeln etwa 14 beziehungsweise 73 derartige Proteinkomplexe vorhanden sind. Die Matrixproteine (MA) sind über aminoterminal angefügte Myristinsäurereste mit der Innenseite der Hüllmembran verbunden. Bei den Lentiviren liegen sie als Trimere vor und bilden miteinander eine netzähnliche Proteinschicht, die den Virionen eine isometrische Struktur verleiht. Im Partikelinneren, überwiegend im Zentrum, findet man das Viruscapsid oder Core, das – je nach Virustyp – eine sphärisch-ikosaedrische (bei den α-, β-, γ- und δ-Retroviren sowie den Spumaviren) oder konische Form (bei einem Teil der β-Retroviren wie dem Mason-Pfizer-Affen-Virus und den Lentiviren)
413
aufweist. Nur bei einigen der β-Retroviren, beispielsweise dem Maus-Mammatumor-Virus ist das Capsid exzentrisch im Viruspartikel angeordnet. Es besteht aus Capsidproteinen (CA), die wie die Matrixproteine Komponenten der gruppenspezifischen Antigene (Gag-Proteine) sind. Die Capside enthalten zwei identische Moleküle einzelsträngiger RNA als Virusgenom, die nicht kovalent und auch nicht durch Basenpaarung miteinander verbunden sind. Die RNA ist mit den Nucleocapsidproteinen (NC) komplexiert, die ebenfalls Komponenten der Gag-Proteine sind. Ein weiterer Vertreter dieser Proteingruppe, das Link-Protein (LI), bildet die Verbindung zwischen dem Capsid und der Hüllmembran. Es hat ein Molekulargewicht von 6 kD und wurde erstmals beim HIV beschrieben. Als weitere virale Komponenten befinden sich im Viruspartikel die Enzyme reverse Transkriptase (RT), Integrase (IN) und Protease (PR).
Genom und Genomaufbau Das Genom der Retroviren besteht aus einzelsträngiger RNA, die mit der 5’-Cap-Struktur und der 3’-Polyadeny-
Ψ
Ψ
18.2 Genomorganisation der Retroviren. Dargestellt sind die Sequenzelemente und Gene, die bei allen Retrovirusgenomen zu finden sind. A: Anordung der Sequenzelemente und offenen Leserahmen, die man im RNA-Genom aller infektiösen Retroviruspartikel findet. Das Genom ist am 5’-Ende mit einer Cap-Gruppe modifiziert, das 3’-Ende ist polyadenyliert. An die PB-Region (primer binding) ist eine tRNA gebunden, ψ gibt die Sequenzfolge an, über die das RNA-Genom mit den Nucleocapsidproteinen während der Morphogenese wechselwirkt. R: wiederholte (redundant) Regionen; U3 und U5: einzigartige (unique) Regionen am 3’- beziehungsweise 5’-Ende; PP: Polypurinstelle. Die für die Gag-, Pol- und Env-Proteine codierenden Regionen sind durch die schattierten Bereiche angedeutet. SD und SA kennzeichnen die Lage der Spleißdonor- und Spleißakzeptorstellen für die Synthese jener mRNAs, von denen die Env-Proteine translatiert werden. B: Anordnung der Sequenzelemente und offenen Leserahmen im Genom des Provirus nach seiner Integration in das Wirtszellgenom. LTR (long terminal repeat) kennzeichnet die Anordnung jener Sequenzelemente, die im Verlauf der reversen Transkription gebildet werden.
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
beim HTLV um tRNAPro. Die Genome aller infektiösen Retroviren codieren für die Produkte Gag (gruppenspezifische Antigene), Pol (Polymerase, enzymatische Aktivitäten wie reverse Transkriptase, Protease, Integrase) und Env (Envelope, Glycoproteine). Die komplexen Retroviren wie die Lenti- und Spumaviren sowie die δRetroviren besitzen weitere Gene, die für regulatorische und akzessorische Proteine codieren. Sie bestehen häufig aus mehreren Exons und werden von mehrfach gespleißten mRNA-Spezies translatiert (䉴 Abbildung 18.3). Die codierenden Regionen werden am 5’- und 3’Ende des Genoms von regulatorisch wichtigen Kontrollsequenzen flankiert, die für die reverse Transkription
lierung alle Charakteristika einer eukaryotischen mRNA aufweist (䉴 Abbildung 18.2A). Je nach Virustyp kann die RNA von 7 000 Basen beim MLV (Mausleukämievirus), einem Vertreter der γ-Retroviren, über etwa 9 000 beziehungsweise 9 200 beim HTLV und beim HIV bis zu 12 000 Basen beim Affenspumavirus (SFV) lang sein. An eine als Primer-Bindungsstelle (PB) bezeichnete Sequenzfolge von 18 Nucleotiden im 5’-Bereich des Genoms ist ein Molekül zellulärer tRNA hybridisiert. Hierfür sind komplementäre Basenfolgen am 3’-Ende der tRNA verantwortlich. Die Aminosäurespezifität der tRNA unterscheidet sich bei den einzelnen Virustypen. Beim HIV und beim Affenspumavirus handelt es sich um tRNALys, A HIV-1 1
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3
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5
6
7
9 kBp
8
tev tat
vif gag
nef
prot
vpr
LTR
env
LTR
vpu
SD/SA
B FIV
rev
pol
SA SD
1
2
3
4
SA
5
6
7
8
9
kBp
vif rev
pol prot
C EIAV
1 gag
5´LTR
env
tat
gag
5´LTR
2 prot
3
4
5
6
pol
7
3´LTR
8
kBp
rev gp45
sp90 tat
env
3´LTR
18.3 Genomaufbau verschiedener human- und tierpathogener Retroviren. Die Leserahmen der Genprodukte sind mit Abkürzungen bezeichnet, die im Text erklärt werden. Die Exons der regulatorisch aktiven Proteine, die von gespleißten mRNAs translatiert werden, sind durch Striche miteinander verbunden. Die unterschiedliche Schattierung der offenen Leserahmen gibt die unterschiedlichen Leseraster an, die verwendet werden. Mit SD und SA sind die verschiedenen bei der Transkription verwendeten Spleißdonor- und Spleißakzeptorstellen gekennzeichnet. A: Humanes Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1). B: Felines Immmundefizienzvirus (FIV). C: Equine-Infectious-Anemia-Virus (EIAV).
18.1 Retroviren
Basen, die mit dem 3’-Ende eines tRNA-Moleküls über Basenpaarung komplexiert ist. 4. Die Sequenzfolge zwischen der PB-Stelle und dem Beginn der gag-Gene bezeichnet man als LeaderRegion; sie ist bei den verschiedenen Retrovirustypen unterschiedlich lang und kann bis zu 475 Basen (γRetroviren) umfassen. Hier befindet sich eine Spleißdonorstelle, die für die Produktion aller gespleißten mRNA-Moleküle verwendet wird. Viele Retroviren bilden im Verlauf des Infektionszyklus nur eine gespleißte mRNA-Form, die für die Glycoproteine codiert. Die gleiche Spleißdonorstelle wird aber auch zur Bildung der oft vielfach gespleißten mRNAMoleküle verwendet, von denen bei den komplexen Retroviren wie den Lenti- und Spumaviren oder HTLV die regulatorischen und akzessorischen Pro-
sowie die Integration der viralen Erbinformation in die zelluläre DNA essenziell sind. Folgende Abschnitte lassen sich unterscheiden (䉴 Abbildung 18.2A): 1. Die R-Region (R = redundant) ist zwischen 15 (βRetroviren) und 240 (HTLV/BLV) Nucleotide lang und schließt am 5’-Ende des Genoms direkt an die CapStruktur an; in identischer Basenfolge und Orientierung liegt sie auch am 3’-Ende des Genoms vor. 2. An die R-Region schließt sich am 5’-Ende des Genoms eine als U5 (U = unique) bezeichnete Basenfolge an (75 Basen bei den γ-Retroviren, bis zu 200 bei δ-Retroviren (HTLV/BLV)); diese Region enthält die Sequenzen, die für die Integration des Provirus in das Zellgenom wichtig sind. 3. Anschließend an die U5-Region findet sich die Primer-Bindungsstelle (PB) mit einer Länge von 18 D FeLV
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2
3
4
5
gag-pol-Vorläuferprotein p12 p10 prot pol p15 p27
5´LTR
gag
415
6
7
8
kBp
3´LTR integrase env gp70
pol
p15E
E HTLV-1 1
2
3
4
5
6
7 p21
rex gag
LTR
rof env
pol
prot
tof SD
SA SD
9 kBp
8 x-II I
LTR tax
SA
F SFV 1
gag
LTR
10
5
env
pol
kBp bel 2
bel 3 LTR
bel 1 bet SD
SA SD
SA SD SA
18.3 (Fortsetzung) D: Felines Leukämievirus (FeLV). E: Humanes T-Zell-Leukämie-Virus Typ 1 (HTLV-1). F: Affenspumavirus (SFV).
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18
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
teine translatiert werden. Benachbart findet man die als ψ-Stelle bezeichnete kurze Sequenzfolge, mittels derer sich die RNA-Genome bei der Morphogenese an die Nucleocapsidproteinabschnitte der sich bildenden Viruspartikel anlagern. 5. Im Anschluss an die Leader-Region folgen die für Proteine codierenden Gene, die abhängig vom Virustyp unterschiedlich lang sein können und die jeweilige Genomlänge bestimmen (䉴 Abbildungen 18.2 und 18.3). An sie kann sich eine kurze, nichtcodierende Region anschließen. Bei den δ-Retro-, Lentiund Spumaviren geht der codierende Bereich jedoch direkt in die nachfolgenden Sequenzelemente über oder überlappt mit ihnen. Hier findet man einen Polypurintrakt (PP), eine allen Retroviren eigene Folge von mindestens neun Adenosin- und Guanosinresten. Sie ist für die Initiation der Synthese des DNA-Doppelstranges bei der reversen Transkription wichtig. 6. Auf den Polypurintrakt folgt die U3-Region, die analog zum U5-Bereich nach ihrer Lage am 3’-Ende des Genoms bezeichnet wird. Die U3-Region ist je nach Virustyp unterschiedlich lang: Im Falle der β-Retroviren (MMTV) kann sie über 1 200 Basen umfassen und codierende Genbereiche enthalten, bei Lentiviren ist sie etwa 450, bei Spumaviren 800 Basen lang. Da diese Sequenzen nach der Umschreibung des RNA-Genoms in doppelsträngige DNA das 5’-Ende des LTR (long terminal repeat) bilden (䉴 Abbildung 18.2B), das den Genen vorgelagert ist, befinden sich auch hier – ähnlich wie in der U5-Region – wichtige Basenfolgen für die Integration. Daneben ist die U3Region auch für die Genexpression des ins Wirtszellgenom integrierten Provirus essenziell, da sie die Promotoren und cis-aktive Elemente enthält, an die sich transaktive zelluläre Proteine binden und so die virale Transkription und Genexpression regulieren. 7. An die U3-Region schließt sich – wie schon oben erwähnt – ein weiterer R-Bereich an, dem ein Poly(A)-Teil von circa 200 Adenosineinheiten folgt.
LTR-Region und Promotor Nach der reversen Transkription wird die virale Erbinformation als doppelsträngige DNA in das Genom der Zelle integriert – auf diesen Prozess wird im 䉴 Abschnitt 18.1.4 detailliert eingegangen. Das integrierte Provirusgenom hat an den Enden identische Sequenzfolgen, die im Verlauf des Umschreibens der einzelsträngigen RNA in die DNA generiert werden. Sie flankieren die Virusgene und werden als long terminal repeats (LTR) bezeichnet. Diese Wiederholungseinheiten bestehen aus den Regionen U3, R und U5, die an den Genomenden in
gleicher Orientierung vorliegen (䉴 Abbildung 18.2B). Das LTR enthält alle cis-aktiven Sequenzen, die Promotor- und Enhancer-Elemente, welche die retrovirale Genexpression kontrollieren. Nur bei den Spumaviren existiert ein interner Promotor (IP) im Bereich des envGens, der die Transkription der bel-Nichtstrukturgene kontrolliert. Zelluläre, transaktive Proteine binden sich vor allem an die U3-Sequenzen und induzieren die Transkription der integrierten Virusgene. Neben der Interaktion der viralen Glycoproteine mit bestimmten Zelloberflächenkomponenten sorgt dies für die zelltypund zelldifferenzierungsabhängige Infektion. Ein Beispiel ist das MMTV, in dessen U3-Region DNA-Sequenzen charakterisiert werden konnten, an die sich aktivierte Glucocorticoidrezeptoren binden. Dieses Virus wird über die Milch vom Muttertier auf die Mäusekinder übertragen; somit wird gewährleistet, dass Genexpression und Virusproduktion ausschließlich in den Milchdrüsen laktierender Mäuse aktiviert werden. Im U3-Bereich der humanen Retroviren findet man mehrere unterschiedliche cis-aktive Kontrollelemente, die mit bestimmten zellulären DNA-bindenden Proteinen interagieren. Eine sehr wichtige Sequenzfolge stellt bei HIV die Bindungsstelle für den Nuclearfaktor κB (NFκB), ein Transaktivatorprotein, dar. In seiner aktiven Form liegt NFκB nach Stimulierung durch das Immunsystem und die Wirkung der Cytokine wie IL-1 oder TNF-α in T-Lymphocyten vor und leitet außer der Expression verschiedener immunologisch aktiver Gene auch die virale Genexpression ein. Bei den humanen Immundefizienzviren ist die NFκB-abhängige Genexpression sehr wichtig für die Pathogenese, da jede Stimulierung des Immunsystems durch andere Infektionen die HIV-Expression induziert. Die gebildeten Partikel infizieren ihrerseits wieder T-Lymphocyten und leiten die weitere Schädigung dieser Zellpopulation ein. Bei den unterschiedlichen HIV-Subtypen (clades) können bis zu drei NFκB-Bindungsstellen im U3-Bereich gefunden werden. Über drei derartige cis-aktive Sequenzelemente verfügen nur die Viren des Subtyps C, die heute am weitesten verbreitet sind; sie liegen im Vergleich zu den Viren der anderen Subtypen in den Infizierten in deutlich höheren Konzentrationen vor. Dies und die damit verbundene häufigere Übertragung sind möglicherweise auch mit den dreifach wiederholten NFκB-Kontrollelementen im Promotorbereich verbunden, die eine effiziente Expression des Virusgenoms in T-Zellen und Makrophagen ermöglichen. Neben den NFκB-abhängigen, cis-aktiven Sequenzen finden sich in den U3-Regionen von HIV etliche weitere Kontrollelemente, unter anderem auch Bindungsstellen für die Faktoren Sp1 und Ap2 und für ein leader-binding protein LBP-1 (䉴 Abbildung 18.4).
18.4 Die LTR-Regionen (long terminal repeats) mit den Abschnitten U3, R und U5 in den proviralen Genomen der humanen Retroviren. Angegeben sind der Startpunkt der mRNASynthese (rot), die Lokalisation der cis-aktiven Kontrollelemente im Promotorbereich, ihre Bezeichnung und die zellulären und viralen Faktoren, die mit ihnen interagieren und die Transkriptionsaktivität beeinflussen. A: Humanes Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1). B: Humanes T-Zell-Leukämie-Virus Typ 1 (HTLV-1). C: Affenspumavirus (SFV).
C SFV
B HTLV-1
A HIV-1
18.1 Retroviren
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18
18
418
18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
Auch der Promotor von HTLV ist komplex, er besitzt ebenfalls viele Erkennungsstellen für zelluläre Transaktivatoren. Die Expression von HTLV wird jedoch zusätzlich durch virale, transaktive Proteine – die Tax-Proteine – beeinflusst, die über gebundene Zellproteine mit mehreren TRE-Elementen (tax-responsive elements) im U3Bereich interagieren. In ähnlicher Weise ist das Tas- oder Bel1-Protein von Spumaviren ein Transaktivator für die Steigerung der Genexpression. Es bindet sich an die BRE-Sequenzen (bel-responsive elements) im U3Bereich dieser Viren. Lange wurde eine ähnliche transaktive Wirkung für das Tat-Protein von HIV postuliert, die expressionsfördernde Wirkung dieses Proteins hat jedoch eine anderem molekulare Basis.
18.1.3 Virusproteine Gruppenspezifische Antigene (Gag-Proteine) Zum Komplex der gruppenspezifischen Antigene zählen die Matrix-, Capsid- und Nucleocapsidproteine der infektiösen Virionen. Beim HIV wurde ein Link-Protein (p6) identifiziert, das ebenfalls den Gag-Proteinen zugegag
U3 R U5
rechnet wird und das spitze Ende der konischen Capside mit der Hüllmembran verbindet. Synthetisiert werden die Gag-Proteine als gemeinsames Vorläuferprodukt, das durch die virale Protease im Verlauf der Virusmorphogenese in die einzelnen Komponenten gespalten wird, die man im freigesetzten, infektiösen Viruspartikel findet (䉴 Abbildung 18.5). Die Gag-Vorläuferproteine haben beim HIV ein Molekulargewicht von 55 kD, beim HTLV-1 von 48 kD und beim Affenspumavirus von 74 kD. Die sequenzielle Anordnung der einzelnen Gag-Komponenten im Vorläuferprotein stimmt bei den verschiedenen Retroviren überein: Im aminoterminalen Bereich befinden sich die Sequenzen des Matrixproteins, ihnen folgen diejenigen für die Capsidproteine sowie im carboxyterminalen Bereich die für die Nucleocapsid- und die Link-Proteine. Die Gag-Proteinvorläufer werden an freien Ribosomen im Cytoplasma der Zelle synthetisiert. Die Myristylierung erfolgt cotranslational an der α-Aminogruppe eines Glycins an Position 2. Dazu wird das aminoterminale Methionin entfernt. Zelluläre Faktoren transportieren die modifizierten Gag-Vorläuferproteine zur Cytoplasmamembran der infizierten Zelle, mit der sie über die Fettsäuren interagieren. 䉴 Tabelle 18.2 gibt einen vergleichenden Überblick über die molekularen Eigenschaften und
pol
env U3 R U5 Transkription
5´ TAR
integrierte Provirus-DNA mRNA
3´ Ala Asn Phe Leu Gly Gag GCUAAUUUUUUAGGG UUUUUUAGG Ala Asn Phe Phe Arg
Translation
Gag/Pol
Translation + Leserasterschub -1
Gag-Pol-Vorläuferprotein
Gag-Vorläuferprotein 1
2
MA
CA
NC
512 LI
1 MA
CA
NC p6*
PROT
RT
INT
MA
CA
NC
512 LI
2 MA
CA
NC p6*
PROT
RT
INT
Dimerisierung
Myristylierung
Myristylierung
Spaltung MA p17
CA p24
NC LI p1 p7 p2 p6
MA p17
CA p24 p1 p7 p6*
PROT
143 6
1436
Spaltung RNaseH RT p66/p51
INT p35
18.5 Verlauf der Synthese der Gag- und Gag/Pol-Proteine beim humanen Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1, Stamm BH102). Von der integrierten Provirus-DNA wird eine mRNA synthetisiert, die an der R-Region im 5’-LTR beginnt und das gesamte Virusgenom umfasst. Von diesem Transkript werden die Gag- und Gag/Pol-Proteine translatiert. In dem Teil, der für das NC-Protein codiert, befindet sich eine uridinreiche Sequenzfolge in der mRNA. In etwa fünf Prozent der Translationsereignisse erfolgt hier ein ribosomaler Leserasterschub von –1, der zur Folge hat, dass das Stoppcodon des Gag-Polyproteins überlesen wird und so ein Gag/PolFusionsprotein entsteht. Sowohl das Gag- als auch das Gag/Pol-Vorläuferprodukt werden am aminoterminalen Ende myristyliert. Das Gag/Pol-Produkt enthält in seiner Sequenz die virale Protease, die sich nach Dimerisierung autokatalytisch aus dem Polyprotein herausspaltet und die Vorläuferproteine in die einzelnen Komponenten prozessiert.
18.1 Retroviren
419
Tabelle 18.2 Die Eigenschaften der Proteine von HIV-1, HTLV-1 und Affenspumavirus SFV Proteine Strukturproteine 1. Membranproteine Vorläuferproteine externes Glycoprotein (EP) transmembranes Glycoprotein (TM)
HIV-1
HTLV
SFV
Merkmale
gp160 gp120
gp68 gp46
gp130 gp80
gp41
gp21
gp45
glycosyliert, Trimer glycosyliert, Trimer Adsorption, Bildung neutralisierender Antikörper, Zelltropismus glycosyliert, Fusion, Bildung neutralisierender Antikörper
2. gruppenspezifische Antigene (Gag) Gag-Vorläuferprotein Matrixprotein (MA) Capsidprotein (CA) Nucleocapsidprotein (NC) Link-Protein (LI)
pr55 p17 p24 p7
pr48 p19 p24 p15
pr74 p27 p33 p15
myristyliert, Bildung virusähnlicher Partikel myristyliert, phosphoryliert mit der Hüllemembran assoziiert Strukturprotein des Capsids Zinkfingermotiv, Assoziation mit RNA-Genom
p6
?
?
Verbindung zwischen Capsid und Membran
pr160
pr160
pr190
Enzyme Gag/Pol-Vorläuferprotein Gag/Prot-Vorläuferprotein 1. reverse Transkriptase 2. Protease
p51/66*
p95
p80
RNA- und DNA-abhängige Polymerase, RNase H
p9
p14
p10
3. Integrase
p32
p60
p40
spaltet Gag- und Gag/Pol-Vorläuferproteine in die Einzelkomponenten Nucleotidyltransferase, Endonuclease, Ligase; verantwortlich für die Integration des Virusgenoms in die Wirts-DNA
1. Transaktivator der Transkription
p9/14 (Tat)
p40 (Tax)
p36 (Tas/Bel1)
phosphoryliert (Tax, Tas); Tat bindet an TAR an den 5’-Enden der RNA und ermöglicht die Elongation; Tax und Tas binden an zelluläre, im Promotor gebundene Faktoren und verstärken die Initiation der Transkription
2. posttranskriptioneller Transaktivator
p19 (Rev)
p27 (Rex)
–
phosphoryliert; bindet an RRE beziehungsweise RxRE und fördert den Export einfach gespleißter und ungespleißter mRNA aus dem Kern
pr60
Regulatorproteine
Hilfsproteine (nicht essenziell) 1. Virion-Infektiositätsfaktor (Vif)
p23
–
–
Interaktion mit APOBEC3G und APOBEC3F, hemmt die Aktivität dieser Proteine als Cytosindeaminase, fördert die Infektion in peripheren Blutlymphocyten
2. virionassoziiertes Protein R (Vpr)
p11/15
–
–
virionassoziiert, Transaktivator
3. virales Protein U (Vpu, nur bei HIV-1)
p14/16
–
–
phosphoryliert, mit der Membran des endoplasmatischen Reticulums assoziiert, verhindert die intrazelluläre Komplexbildung zwischen gp160 und CD4-Rezeptoren
4. Nef-Protein
p25/27
–
–
myristyliert, Ähnlichkeit mit G-Proteinen, mit der Cytoplasmamembran assoziiert; reduziert die Konzentration von CD4- und MHC-Klasse I auf der Zelloberfläche; Pathogenitätsfaktor
5. virales Protein X (Vpx, nur bei HIV-2/ SIV) 6. bel2 7. bet
p13/16
–
–
virionassoziiert
– –
– –
p43 p56
? Fusionsprotein aus Bel1 und Bel2
Die Zahlenwerte beziehen sich auf das Molekulargewicht des jeweiligen Proteins. *Heterodimer
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
Funktionen der durch humane Retroviren codierten Proteine. Die Gag-Proteine haben verschiedene Funktionen, die zur Infektiosität der Viren beitragen: 1. Die Gag-Vorläuferproteine sind für die Bildung partikulärer Strukturen notwendig; andere Virusproteine und die RNA-Genome sind hierfür nicht erforderlich. Werden die Gag-Proteinvorläufer per se in eukaryotischen Zellen produziert, lagern sie sich an die Cytoplasmamembran an und schnüren sich als kleine, virusähnliche Lipid-Protein-Vesikel (viruslike particles, VLPs) von der Zelloberfläche ab. Die hierbei aktiven Bereiche liegen in den Matrix- und Capsidproteinteilen. 2. Die Nucleocapsidproteine enthalten Aminosäurefolgen, die spezifisch mit den ψ-Regionen in der LeaderSequenz der RNA-Genome interagieren. Bei HIV und HTLV wird diese Protein-Nucleinsäure-Wechselwirkung durch Domänen vermittelt, die den Zinkfingermotiven der DNA-bindenden Proteine ähneln. Bei den Spumaretroviren erfolgt die Bindung an die RNA vermutlich durch eine basische, argininreiche Region im NC-Protein. Nach der Aufnahme der Viren durch die Zelle bleiben die NC-Proteine mit den RNA-Genomen assoziiert und sind Teil des Präintegrationskomplexes. Sie wirken als RNA-Chaperone und fördern sowohl die reverse Transkription wie auch die Integration des Virusgenoms in die Zell-DNA. 3. Die Matrixproteine sind im reifen Viruspartikel mit der Innenseite der Hüllmembran assoziiert. Beim HIV fördert das phosphorylierte Matrixprotein p17, das als Teil des Viruspartikels bei der Infektion von der Zelle aufgenommen wird, den Transport des in doppelsträngige DNA überschriebenen Virusgenoms über die Kernporen in den Zellkern. Somit ermöglicht das Matrixprotein die HIV-Infektion ruhender Zellen. Diese Aktivität basiert auf Kerntransportsignalen in der Aminosäuresequenz des p17; sie unterscheidet HIV von den anderen Retroviren, die den Replikationszyklus nur in sich teilenden Zellen einleiten können, bei denen während der Mitose die Kernmembran nicht vorhanden ist. Die Gag-Proteine induzieren spezifische humorale und zelluläre Immunantworten. Die Antikörperspezifität ist – bedingt durch den relativ hohen Gehalt an konservierten Aminosäuren bei Vertretern des gleichen Genus – häufig typübergreifend. Cytotoxische T-Zell-Epitope wurden in den Matrix- und Capsidproteinen des HIV identifiziert. Möglicherweise sind sie für die immunologische Kontrolle der Infektion und somit für die Dauer der asymptomatischen HIV-Infektion bis zum Ausbruch der AIDS-Symptome entscheidend.
Enzyme (pol-Genprodukte) Gag/Pol-Vorläuferprotein Die Gene, die für die Synthese der viralen Protease, der reversen Transkriptase und der Integrase verantwortlich sind, werden im zentralen Bereich des Genoms codiert. Die Sequenzen der Protease liegen in der 5’-orientierten Region des polGens und überlappen bei den meisten Retroviren mit den für das NC-Protein codierenden Nucleinsäurefolgen; beim felinen Leukämievirus schließen sie direkt aneinander an (䉴 Abbildung 18.3). Auch die Produkte des pol-Gens werden als Vorläuferprotein synthetisiert. Hierbei handelt es sich um ein Fusionsprotein zwischen den Gag-Proteinen im aminoterminalen Bereich und den sich daran anschließenden Pol-Domänen (䉴 Abbildung 18.5); diese Gag/Pol-Vorläuferproteine haben Molekulargewichte von 160 kD beim HIV beziehungsweise 190 kD beim Spumavirus. Voraussetzung für die Synthese des Gag/Pol-Fusionsproteins ist die Verschiebung des ribosomalen Leserasters während der Translation in einer uridinreichen Region der mRNA, die für die Translation sowohl der Gag- wie auch der Gag/PolProteine benutzt wird. Hier bildet die RNA eine Haarnadelschleife, und die Proteinsynthese verlangsamt sich. Bedingt durch die homologe Folge der Uridinreste kommt es gelegentlich zu einer fehlerhaften Erkennung der Codongrenzen durch die Ribosomen. Verschiebt sich hierdurch das Leseraster um –1 beim HIV beziehungsweise +1 beim Spumavirus SFV, so wird das Stoppcodon zur Beendigung der Synthese der Gag-Proteine überlesen, und die Pol-Domänen werden angefügt. Dieser Leserastersprung findet bei etwa fünf Prozent der Translationsvorgänge statt, sodass das Mengenverhältnis der Gag/Pol-Fusionsprodukte zu den Gag-Proteinen etwa 5:95 beträgt. Die uridinreiche Nucleinsäurefolge befindet sich in dem Teil der mRNA, der für die Nucleocapsidproteine des Vorläuferprodukts codiert. Deshalb bestehen die Gag/Pol-Vorläuferproteine im aminoterminalen Bereich bis in den Bereich des NC-Anteils aus Gag-Polypeptiden, an welche sich die Domänen der Protease, der reversen Transkriptase und der Integrase anschließen. Auch die Gag/Pol-Fusionsproteine werden am aminoterminalen Ende myristyliert und sind über diese Modifikation mit der Cytoplasmamembran assoziiert. Die Spaltung in die enzymatisch aktiven Einzelkomponenten durch die Protease erfolgt überwiegend erst bei der Virusreifung im bereits von der Zelloberfläche freigesetzten Partikel. Beim HTLV-1 werden insgesamt drei verschiedene Gag-Fusionsvorläuferpolypeptide gebildet: Das Erste umfasst die Sequenzen der Gag-Proteine. Ein weiteres wird unter Verschiebung des Leserasters im Bereich des Nucleocapsidproteins synthetisiert, sodass die Sequen-
18.1 Retroviren
zen der Protease angefügt werden und ein Gag/ProteaseFusionsprodukt entsteht, dessen Translation beim HTLV-1 an einem gesonderten Stoppcodon endet. Die Synthese der weiteren Pol-Bereiche erfolgt nur dann, wenn eine zweite Verschiebung des Leserasters im Bereich der Proteasedomäne stattfindet. Hierdurch entsteht ein Gag/Prot/Pol-Fusionsprotein. Protease Die aktive Protease ist ein Dimer aus zwei identischen Proteineinheiten, die beim HIV aus 99 Aminosäuren bestehen und ein Molekulargewicht von etwa 9 bis 10 kD aufweisen. Die Struktur des Proteins ist bekannt. Im aktiven Zentrum befinden sich zwei funktionell wichtige Asparaginsäuren. Das Enzym wirkt so als Aspartatprotease. Es ist für die Prozessierung der Gagund Gag/Pol-Vorläuferproteine in die einzelnen Komponenten verantwortlich, die man in den infektiösen Viruspartikeln vorfindet. Die Spaltungen erfolgen bevorzugt zwischen Phenylalanin- oder Tyrosin- und Prolinresten. Außerdem ist die dreidimensionale Faltung der Gag- und Gag/Pol-Vorläuferproteine für die Erkennung der Schnittstellen ausschlaggebend. Synthetische Peptide, die von den Sequenzen der Spaltstellen abgeleitet sind, inhibieren die Protease. Dadurch konnten in den letzten Jahren verschiedene Substanzen wie Ritonavir, Indinavir und Saquinavir entwickelt werden, die das Enzym hemmen und die Bildung infektiöser HIV-Partikel unterbinden (䉴 Kapitel 9). Reverse Transkriptase Die Mg2+-abhängige reverse Transkriptase enthält mehrere funktionelle Aktivitäten: Sie kann sowohl als RNA- als auch als DNA-abhängige DNA-Polymerase wirken und hat zusätzlich die Aktivität einer RNase H, die den RNA-Anteil von DNA/ RNA-Hybriddoppelsträngen abbaut. Beim HIV-1 ist die reverse Transkriptase ein Heterodimer aus zwei Proteineinheiten mit Molekulargewichten von 66 kD und 51 kD. Auch die Kristallstruktur dieses Enzyms ist bekannt. Die kleinere Untereinheit entsteht durch proteolytische Abspaltung des carboxyterminalen Teils. Das 51kD-Protein ist daher mit dem aminoterminalen Bereich der großen Einheit identisch. Die RNase-HAktivität liegt in der carboxyterminalen Region der größeren Einheit, die Polymerasefunktionen werden durch die aminoterminalen Aminosäuren bestimmt. Das Enzym besitzt keine Mechanismen zur Kontrolle der Lesegenauigkeit. Daher werden mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit von 10–3 bis 10–4 falsche Basen in die neusynthetisierten Stränge eingebaut. Neben den natürlich vorkommenden Basen verwendet die reverse Transkriptase auch chemisch veränderte Derivate. Werden Nucleosidanaloga wie Azidothymidin (3’-Azido-3’Desoxythymidin), Didesoxyinosin oder Didesoxycyti-
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din angeboten, so führen sie bei Einbau in die DNAStränge zum Kettenabbruch, und die Bildung des für die Integration in das Wirtszellgenom notwendigen doppelsträngigen DNA-Zwischenprodukts unterbleibt (䉴 Kapitel 9). Integrase Die Integrase (32 kD beim humanen Immundefizienzvirus) wird im 3’-Bereich des pol-Leserahmens codiert. Sie wirkt sowohl als Nucleotidyltransferase, Endonuclease – sie kann also doppelsträngige DNA schneiden – als auch als Ligase. Die Integrase bindet sich an die Enden des linearen, in doppelsträngige DNA übersetzten Virusgenoms und ist für seine Integration in das Zellgenom verantwortlich.
Membranproteine In die Cytoplasmamembran der infizierten Zelle und in die das Viruspartikel umgebende Membran sind Glycoproteine eingelagert, für welche die env-Gene codieren. Es handelt sich jeweils um Komplexe aus einem externen (EP) und einem transmembranen Protein (TM), die nichtkovalent miteinander verbunden sind. Beide Proteine werden als gemeinsames Vorläuferprodukt (gp160 beim HIV, 68 kD beim HTLV, 130 kD beim Spumavirus, 62–72 kD beim Rinderleukosevirus, 80 kD beim felinen Leukämievirus, 135 kD beim EIAV) von einer einfach gespleißten mRNA translatiert, wobei sich die Sequenzen des externen Proteins in der aminoterminalen Domäne befinden. Eine aminoterminale Signalsequenz sorgt für die Translation des Proteins an der Membran des endoplasmatischen Reticulums und die Durchschleusung der Aminosäurekette in das Lumen. Über eine hydrophobe, etwa 20 Reste lange Sequenz im TMProteinanteil erfolgt die Verankerung in der Membran (䉴 Abbildung 18.6). Im endoplasmatischen Reticulum findet die Modifikation der Aminosäuren mit Zuckergruppen statt. Die Proteine aggregieren zu trimeren Komplexen und werden nach einem Abschnitt basischer Aminosäuren in das externe und das transmembrane Glycoprotein gespalten. Hierfür ist eine mit dem GolgiApparat assoziierte zelluläre Protease verantwortlich – beim HIV handelt es sich um die Protease Furin. Das externe Glycoprotein hat beim HIV-1 ein Molekulargewicht von 120 kD (gp120), das Transmembranprotein von 41 kD (gp41). Vor allem das gp120 weist einen sehr hohen Modifikationsgrad mit N-glycosidisch gebundenen Zuckergruppen auf. Sie stellen über die Hälfte des Molekulargewichts des Proteins dar. Vergleicht man die Aminosäuresequenzen verschiedener Isolate von HIV-1, so fällt die hohe Variabilität auf, die im gp120 vor allem fünf Bereichen (V1 bis V5) zugeordnet werden kann (䉴 Abbildung 18.6). Diese sind
18
18
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
gp160 gp41
gp120
Furin-ProteaseSpaltstelle
0 NH2
C1
C2 V1
Signalpeptid
856
500
V2
C4
C3 V3
V4
neutralisierende Antikörper
C5
C6
COOH
V5
primäre Adsorption
Fusion
Transmembranregion
sekundäre Adsorption CD4-Rezeptor CXCR4 CCR5 Chemokinrezeptoren
18.6 Die Glycoproteine von HIV-1 (Stamm HIV/HTLV-IIIB). Die Proteine werden als gemeinsames Vorläuferprodukt (gp160) synthetisiert. Im endoplasmatischen Reticulum und im Golgi-Apparat erfolgt ihre Spaltung in gp120 (externer Anteil) und gp41 (transmembraner Anteil) durch die Protease Furin. Der Vergleich der Aminosäuresequenzen unterschiedlicher HIV-Isolate zeigt, dass die Proteine aus hochvariablen (V1 bis V5, rot) und konservierten Domänen (C1 bis C6) bestehen. Die Proteinbereiche, denen man bestimmte Funktionen zuordnen kann, sind angegeben.
voneinander durch Abschnitte getrennt, die im Vergleich zu den V-Regionen einen relativ hohen Konservierungsgrad haben (C1 bis C6). Die variablen Bereiche unterscheiden sich nicht nur bei HIV-Isolaten aus verschiedenen Patienten. Auch Folgeisolate aus derselben Person zeigen im Verlauf der Erkrankung signifikante Unterschiede der Aminosäuren in den V-Regionen. Man findet neben Resten mit unterschiedlichen funktionellen Seitengruppen größere Deletionen und Insertionen auch veränderte Glycosylierungsmuster, die in ihrer Gesamtheit die Struktur und Aktivität der variablen Regionen verändern. Die variablen Regionen verfügen über alle Eigenschaften, die sie als oberflächenexponierte Bereiche ausweisen. Sie sind für die Bildung von gp120-spezifischen Antikörpern verantwortlich, von denen einige das Virus neutralisieren können. Der Selektionsdruck, den diese Antikörper ausüben, führt in Verbindung mit der hohen genetischen Variabilität der Retroviren, aufgrund der hohen Fehlerrate der Transkriptionsprozesse, zur kontinuierlichen Bildung neuer HIV-Varianten (Quasi-Spezies), die der neutralisierenden Wirkung der Immunglobuline entgehen. Die V3Domäne hat unter den variablen Bereichen eine besondere Stellung: Sie ist 30 bis 35 Aminosäuren lang und wird von Cysteinresten flankiert, die sich zu einer Disulfidbrücke schließen und die Bildung einer oberflächenexponierten V3-Proteinschleife induzieren. In ihrem Zentrum findet man eine bei fast allen Isolaten konservierte Aminosäurefolge (Glycin-Prolin-Glycin-
Arginin), die eine stabile β-Turn-Struktur bildet. Die sie flankierenden V3-Sequenzen weisen hingegen bei verschiedenen Isolaten eine hohe Variabilität auf. Die V3Domäne ist als einzige der variablen Regionen des gp120 nicht glycosyliert. V3-spezifische Antikörper können das Virus neutralisieren und die Infektion in vitro verhindern. Die neutralisierende Wirkung der V3-spezifischen Immunglobuline ist jedoch auf das HIV-Isolat beschränkt, das die Immunantwort induziert hat. V3Bereiche anderer Isolate mit geringen Abweichungen in der Aminosäuresequenz werden nicht mit einer für die Neutralisationswirkung ausreichenden Affinität gebunden. Die C-Regionen sind dem Selektionsdruck der Antikörperantwort jedoch nicht ausgesetzt und weisen überwiegend konservierte Aminosäurefolgen auf, die das Proteingerüst des externen Glycoproteins ausbilden. Mit ihnen sind die allen HIV-Isolaten gemeinsamen Funktionen der Membranproteine, zum Beispiel die Adsorption an den CD4-Rezeptor, verbunden. Die Membranproteine haben im Infektionsverlauf verschiedene Aufgaben, die man bestimmten Domänen zuordnen kann: 1. Die externen Glycoproteine sind für die Adsorption der Viruspartikel an zelluläre Oberflächenkomponenten verantwortlich. Während man bei der überwiegenden Mehrheit der Retroviren über die Art der Bindung und die daran beteiligten zellulären Strukturen nur wenig weiß, sind die viralen und zellulären Reaktionspartner des HIV bekannt: Über die Se-
18.1 Retroviren
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¡ Die Strukturanalyse des gp120 erweist sich als schwierig Die Aminosäuresequenz des gp120 ist durch ihren hohen Glycosylierungsgrad und durch das Vorhandensein von hochvariablen Domänen gekennzeichnet. Beide Merkmale erschweren die Strukturanalyse dieses Proteins. Daher ist bisher die Struktur des gp120 nur teilweise durch Röntgenstrukturanalyse geklärt. Zuerst deletierten Joseph Sodroski, Wayne Hendrickson und ihre Mitarbeiter die V1-, V2- und V3-Domänen und ersetzten sie durch Tripeptidverbindungsstücke aus den Aminosäuren Glycin-Alanin-Glycin. Die Kohlenhydratgruppen wurden enzymatisch entfernt und man erhielt ein Protein mit einem Molekulargewicht von 35kD, das nur zu 67 Prozent dem ursprünglichen gp120 entsprach, aber noch an den CD4-Rezeptor binden und mit einigen der gp120-spezifischen monoklonalen Antikörpern wechselwirken konnte. Für dieses Kernfragment des gp120 fand man eine herzförmige Konformation. Sie wird aus einer äußeren und einer hochkonservierten inneren Domäne geformt, beide Domänen sind durch eine Brücke aus vier β-Faltblättern miteinander verbunden. Die Bindung des CD4-Rezeptors erfolgt an einer Übergangsstelle zwischen der äußeren und der inneren Domäne sowie der Brückenregion, die gleichsam an der Spitze des herzförmigen
quenzen in der dritten konservierten Domäne C3 des gp120 interagiert HIV-1 mit der ersten immunglobulinähnlichen Domäne des CD4-Proteins – eines Vertreters der Immunglobulinsuperfamilie – auf der Oberfläche von T-Helferzellen. An dieser Wechselwirkung sind Aminosäuren weiterer gp120-Regionen beteiligt, die durch die dreidimensionale Faltung des Proteins exponiert sind. Auch die V3-Domäne ist an der Bindung des HIV-1-Partikels an die Zielzellen beteiligt – hierauf weist die neutralisierende Wirkung der V3-spezifischen Antikörper hin. Die V3-Regionen sind zusammen mit den V1/V2-Domänen für die unterschiedlichen Tropismen einzelner HIV-Isolate für Makrophagen oder Monocyten (R5Virusisolate) beziehungsweise T-Helferzellen (X4Virusisolate) verantwortlich. Sie beeinflussen die Wechselwirkung des gp120 mit verschiedenen Chemokinrezeptoren, die den Viren als Corezeptoren dienen. Die makrophagotropen Varianten binden sich an den Chemokinrezeptor CCR5, die T-zelltropen Viren hingegen an den Rezeptor CXCR4. 2. Die viralen Membranproteine enthalten Epitope, gegen die neutralisierende Antikörper gebildet werden. Im Falle von HIV-1 ist – wie erwähnt – die V3Domäne das Epitop, das hauptsächlich die Bildung
gp120-Kernfragments gelegen ist. Sie enthält zwei Vertiefungen, von denen eine mit H2O-Molekülen gefüllt ist und nur wenig direkte Kontakte des gp120 mit dem CD4-Protein zulässt; Variationen in der Aminosäuresequenz werden daher toleriert. Die zweite, sehr tiefe Grube ist von hydrophoben Aminosäuren ausgekleidet. Hier erfolgt die Wechselwirkung mit dem Phenylalanin an Position 43 des CD4Rezeptors, die für die Interaktion entscheidend ist. Die Bindung der Corezeptoren CCR5 und CXCR4 erfolgt über benachbarte Proteinstrukturen, deren Konformation von der CD4/gp120-Wechselwirkung umgelagert wird. Aus Mutationsanalysen weiß man, dass an ihr auch die Aminosäuren der V3-Domäne sowie der V1/V2-Regionen direkt beteiligt sind. Da diese in dem gp120-Kernfragment deletiert waren, sind genauere Aussagen jedoch nicht möglich. In den folgenden Jahren wurden die Strukturen weiterer Domänen der Oberflächenproteine analysiert, die Struktur des gesamten Proteinkomplexes liegt jedoch noch immer nicht vor. Cryoelektronenmikroskopische Analysen lassen jedoch Rückschlüsse bezüglich der Anordnung der Proteine und ihres Aufbaus zu.
von isolatspezifischen, neutralisierenden Antikörpern induziert. Daneben wurden einige weitere Aminosäurebereiche im gp120 beschrieben, gegen die neutralisierende Immunglobuline produziert werden. Sie scheinen überwiegend auf der dreidimensionalen Struktur der Polypeptidkette zu beruhen. Im gp41 ist ein Epitop bekannt, gegen das auch isolatübergreifende, neutralisierende Antikörper gebildet werden. 3. Durch die proteolytische Spaltung in externe und transmembrane Proteinanteile und die Interaktion des gp120 mit dem CD4-Rezeptor wird eine hydrophobe Sequenz am aminoterminalen Bereich des gp41 umgelagert, welche die Fusion der Virus- mit der Cytoplasmamembran der zu infizierenden Zelle, aber auch diejenige der infizierten Zellen mit weiteren CD4+-T-Lymphocyten vermittelt. Beim HIV ist die Fusionsdomäne etwa 25 Aminosäuren lang. In Bezug auf ihre Sequenz und ihre Lokalisation am aminoterminalen Ende des transmembranen Proteinanteils zeigt sie eine auffallende Ähnlichkeit mit den fusionsaktiven Regionen des F-Proteins der Paramyxo- und des Hämagglutinins der Orthomyxoviren (䉴 Abschnitte 15.3 und 16.3).
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
Transaktivatoren Tat-Proteine Tat-Proteine (transactivator of transcription) wurden bisher nur bei den Lentiviren identifiziert. Sie werden durch zwei Exons codiert, als erste Virusproteine während des Infektionszyklus synthetisiert und entfalten ihre Funktion im Zellkern. Sie haben bei HIV-1 abhängig vom Isolat Längen von 86 bis 104 Aminosäuren und Molekulargewichte von 9 bis 14 kD. Ähnliche Molekulargewichte findet man auch bei den tierpathogenen Lentiviren. Beim felinen Immundefizienzvirus codiert das Tat-Protein hauptsächlich im
zweiten Exon, das von dem offenen Leserahmen ORF2 gebildet wird. Neben den von zwei Exons codierten TatProteinen findet man beim HIV-1 verkürzte Versionen, denen die Sequenzen des zweiten Exons fehlen, und TevProteine, die das erste Exon von tat durch alternative Spleißmechanismen mit Abschnitten der env- und revGene verbinden (Tev = tat, env, rev). Alle drei Tat-Proteinvarianten besitzen ähnliche Funktionen für die Transaktivierung, sodass vermutet wird, dass diese im ersten Exon des aminoterminalen Bereiches lokalisiert sind. Dieser kann wiederum in fünf Domänen unterteilt werden. Der aminoterminale, bei verschiedenen Virus-
B
TBP-1-Bindung
GG U G A C C G
18.7 Das Tat-Protein von HIV-1 und seine Bindung an das TAR-Element am 5’-Ende der viralen mRNA-Moleküle. A: Funktionelle Domänen des Tat-Proteins und ihre Lokalisation in der Aminosäuresequenz. Das Tat-Protein wird durch zwei Exons codiert, deren Lage über der schematisch dargestellten Aminosäuresequenz angegeben ist. Die verschiedenen Proteindomänen sind durch die unterschiedlichen Rottöne angedeutet; die Zahlen beziehen sich auf die Aminosäurepositionen (gerechnet ab dem aminoterminalen Ende). Unter den Proteindomänen sind die Funktionen angegeben, die man ihnen zuschreibt. B: Struktur des TAR-Elements, das sich am 5’-Ende aller viralen mRNA-Spezies befindet. Diese werden am Beginn des R-Bereiches im LTR initiiert. Die ersten 59 Basen bilden eine überwiegend doppelsträngige Region aus. Das Tat-Protein bindet sich an die einzelsträngige Region, die den doppelsträngigen Stamm unterbricht. Zelluläre Proteine (TBP-1, siehe Text) interagieren im Unterschied hierzu mit der Einzelstrangschleife an der Spitze des TAR-Elements.
Tat-Bindung
GC A U GC U C U A U GC A U CG CG A GC A U UA UA GC GU U A CG UG CG UA C UA GC GC 5´ G C 3´ 1 59 U3 R U5 U3
R
U5
18.1 Retroviren
isolaten unterschiedlich lange Bereich enthält konservierte Motive mit sauren Aminosäureresten; möglicherweise bildet er eine amphipathische α-Helixstruktur aus. Ihm folgt eine cysteinreiche, konservierte Domäne, die Zn2+- und Cd2+-Ionen bindet und etwa 15 Aminosäuren lang ist. An sie schließt sich eine zehn Reste umfassende Kernregion an. Veränderungen der Aminosäuresequenzen oder Deletionen in diesen Bereichen beeinflussen die transaktivierende Wirkung der TatProteine. Es folgt eine Region mit einem hohen Gehalt an basischen Aminosäuren, die den Transport des TatProteins in den Kern und seine Bindung an die RNA vermittelt (䉴 Abbildung 18.7A). Die carboxyterminalen Aminosäuren des ersten Exons verstärken die Aktivität des Proteins. Die Funktion der im zweiten Exon codierten Domänen ist unklar. Hier befindet sich eine üblicherweise an Proteininteraktionen beteiligte Sequenzfolge (Arginin-Glycin-Asparaginsäure = RGD). Die Tat-Proteine entfalten einen Teil ihrer Aktivität im Kern der infizierten Zelle, in den sie nach ihrer Synthese vermittelt durch die Transportsignale der basischen Domäne über die Kernporen gelangen. Die transaktivierende Wirkung der Tat-Proteine, welche die Transkription vom LTR-Promotor mehr als hundertfach verstärken, wird durch ihre Bindung an das TAR-Element (TAR = trans-activation response) vermittelt. Dieses ist an den 5’-Enden aller viralen mRNA-Spezies lokalisiert. Die RNA-Moleküle liegen hier in ausgeprägter Sekundärstruktur vor und bilden bei HIV-1 über die ersten 59 Nucleotide eine teilweise doppelsträngige RNA-Haarnadelschleife aus (䉴 Abbildung 18.7B), beim HIV-2 ist sie 123 Basen lang. Das Tat-Protein von HIV-1 bindet sich an eine „Blase“, die durch drei nicht in Basenpaarung vorliegende Nucleotide im Stamm des TAR-Elements gebildet wird. An der Spitze des TAR-Elements befindet sich eine weitere Blasenregion, an die sich ein zellulärer TRP1-Komplex (TRP = TAR-RNAbinding protein) aus zwei Untereinheiten – p185 und p90 – anlagert. Für die Wirkung des Tat-Proteins gibt es folgendes Modell: Der Komplex der zellulären RNAPolymerase II bindet sich zusammen mit den Transkriptionsfaktoren an den LTR-Promotor des integrierten Provirusgenoms und initiiert die RNA-Synthese. Die gebildeten Produkte sind kurz, enthalten aber die 5’-terminalen Sequenzen der TAR-Elemente, die mit TRP1 interagieren. Die Elongation der mRNA-Synthese ist in dieser Situation blockiert, die gebildeten kurzen Transkripte sind instabil und werden bis auf die vor dem Abbau geschützten TAR-Regionen abgebaut, die im Cytoplasma akkumulieren. Ist Tat-Protein im Zellkern vorhanden, so bindet es sich an die Blasenstruktur im Stamm des TAR-Elements und verhindert den Abbruch der Polymerisation. Der Initiationskomplex wird stabili-
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siert, und translatierbare Transkripte werden gebildet. Zugleich findet man eine erhöhte Initiationsrate, die ebenfalls die Transkription verstärkt. Kompliziert wird die Situation dadurch, dass ein zellulärer TRP2-Komplex aus vier Proteinen mit der Bindungsstelle des TatProteins konkurriert. Wie dies die Tat-Bindung beeinflusst, ist unklar. Weiterhin wurden Tat-bindende zelluläre Proteine (TBP) identifiziert, die vermutlich mit der carboxyterminalen Domäne des Proteins interagieren. Man hat sowohl die Tat-Wirkung verstärkende (TBP-1, p50) als auch sie hemmende Einflüsse (p36) beschrieben. Neben diesen Eigenschaften, die sich überwiegend im Kern der infizierten Zellen manifestieren, wurden für die Tat-Proteine weitere Funktionen gefunden. Ein Teil dieser Proteine wird nach der Synthese sezerniert und in die Umgebung abgegeben. Die sezernierten Tat-Proteine können mittels des RDG-Motivs in der carboxyterminalen Domäne an Integrine auf der Oberfläche anderer Zellen binden, werden von diesen aufgenommen und entfalten in ihnen ihre Funktionen zur Transaktivierung zellulärer Gene. Alternativ kann die Bindung an Zelloberflächenproteine eine Signalkaskade einleiten, die ihrerseits in den Zellen ein verändertes Genexpressionsmuster induziert. Sie verändern – abhängig vom Zelltyp, an den sich die Tat-Proteine binden – die Synthese von Cytokinen, von Enzymen, die an einer erhöhten Proliferation der Zellen beteiligt sind, von Adhäsionsfaktoren wie Integrinen und Wachstumsrezeptoren. Die sezernierten Tat-Proteine sind vermutlich an mehreren Vorgängen bei der Pathogenese der HIV-Infektion beteiligt. Tax-Proteine Die Bezeichnung der ebenfalls transaktiven Tax-Proteine leitet sich von der X-Region des Genoms von HTLV ab, die zwischen dem env-Gen und dem LTR lokalisiert ist und deren Funktion anfangs unbekannt war. Proteine mit vergleichbaren Molekulargewichten und Funktionen findet man auch beim bovinen Leukosevirus. Ihre Wirkungsweise unterscheidet sich von der des Tat-Proteins. Die nucleären Tax1- und Tax2-Proteine von HTLV-1 beziehungsweise HTLV-2 beeinflussen cis-aktive TRE-Sequenzelemente (TRE = tax-responsive element) der Provirus-DNA im Bereich der viralen LTR-Promotoren und von verschiedenen zellulären Promotoren. Das Tax1-Protein ist phosphoryliert, 353 Aminosäuren lang und besitzt ein Molekulargewicht von etwa 40 kD. Dem Tax2-Protein (37 kD) fehlen 22 Aminosäuren am Carboxyterminus. Die Sequenzen beider Proteine sind konserviert und haben etwa 80 Prozent Homologie. Im aminoterminalen Bereich der Tax1- und Tax2-Proteine findet man ein zinkfingerähnliches Motiv, das Zn2+-Ionen bindet. Möglicherweise liegen die Tax-Proteine in ihren aktiven For-
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
men als Homodimere vor. Sie üben ihre transaktivierende Funktion nicht durch direkte Wechselwirkung mit den 21 Basenpaare langen TRE1- und TRE2-Elementen aus, die in der U3-Region des LTR lokalisiert sind (䉴 Abbildung 18.4). Die TRE1-Sequenzen liegen in dreifacher Wiederholung vor und interagieren mit verschiedenen zellulären Faktoren der CREB-Proteinfamilie (cAMP responsive element binding protein) und dem NFκB. An das TRE2-Element binden sich unter anderem die Faktoren Sp1 und Ets. Die Tax-Proteine wechselwirken mit den an die verschiedenen TRE-Elemente gebundenen zellulären Faktoren und haben so einen indirekt transaktivierenden Einfluss auf die virale mRNA-Synthese. Das erklärt auch, warum die Tax-Proteine die Expression vieler verschiedener zellulärer Gene aktivieren können: Sie induzieren die Expression aller Gene, die in der Zelle von NFκB und SFR kontrolliert werden. Hierzu gehören einerseits der Granulocyten und Makrophagen stimulierende Wachstumsfaktor (GM-CSF), IL-2 und die α-Kette des IL-2-Rezeptors, die Chemokinrezeptoren CCR4, CCR7 und CXCR4 und andererseits die zellulären Oncogene c-fos, fra-1, egr1 und egr2 sowie Zellzyklusregulatoren wie Cyclin D2, CDK4, CDK6 und p21waf1. Es gibt Hinweise darauf, dass diese Aktivierung zellulärer Cytokine und Cytokinrezeptoren mit der Pathogenese der HTLV-vermittelten TZell-Leukämie eng verbunden ist (䉴 Kapitel 6 und 8 sowie 䉴 Abschnitt 18.1.6). Tas-Protein Das Tas-Protein (transactivator of spumaviruses), gelegentlich auch als Bel1-Protein bezeichnet, ist ein nucleäres, phosphoryliertes Protein mit einem Molekulargewicht von 36 kD. Es bindet sich an die BRESequenzen (bel response element), die im U3-Bereich des LTR der Spumaviren lokalisiert sind (䉴 Abbildung 18.4). Ob hier eine direkte Wechselwirkung mit der DNA-Sequenz erfolgt oder ob die Transaktivierung über Interaktion mit zellulären Faktoren ausgeübt wird, ist unklar.
Posttranskriptionell wirkende Transaktivatoren Rev-Protein Die außerordentlich kompakte Genomorganisation der komplexen Retroviren mit nur einem Promotor im LTR bedingt, dass diese Viren während ihres Replikationszyklus auf Mechanismen angewiesen sind, die es ihnen ermöglichen, die Synthese der Genprodukte auch nach der Transkription zu kontrollieren. Neben der Verschiebung des ribosomalen Leserasters bei der Translation der Gag/Pol-Proteine und alternativen Spleißvorgängen zur Generierung der mRNA-Spezies für die Regulator- und Membranproteine, erfüllen auch
die Rev-Proteine (regulator of expression of virion proteins) dabei eine wichtige Funktion. Diese Klasse von posttranskriptionell wirkenden Transaktivatoren entdeckte man erstmals bei HIV. Sie sind für die zeitliche Regulation der Genexpression während des Replikationszyklus essenziell. Mit Ausnahme der Synthese des Rev-Proteins selbst sowie der Tat-, Tev- und Nef-Proteine ist die Translation aller weiteren viralen Polypetide von der Aktivität dieses Regulators abhängig. Das Rev-Protein (13 kD) wird in zwei Exons codiert, die mit denen des Tat-Proteins überlappen. Seine Translation erfolgt jedoch in anderen Leserastern (䉴 Abbildung 18.3A). Es hat beim HIV-1 eine Länge von 116 Aminosäuren, ist phosphoryliert und liegt in Tetrameren oder höher molekularen Aggregaten vor. Bei den tierpathogenen Lentiviren weisen die Rev-Proteine Molekulargewichte im Bereich von 16 bis 19 kD auf. Das Rev-Protein wird früh während der Infektion gebildet und reichert sich im Zellkern und den Nucleoli an. Hier bindet es sich an eine als RRE (rev response element) bezeichnete, etwa 240 Nucleotide lange RNA-Sequenz, die man im Bereich des env-Gens in allen einfach gespleißten oder ungespleißten viralen mRNA-Molekülen findet. Diese codieren für die Env-, Vif-, Vpr- und Vpu-Proteine beziehungsweise für die Gag- und Gag/ Pol-Vorläuferprodukte. Die Interaktion bewirkt den bevorzugten Export dieser mRNA-Spezies in das Cytoplasma, wo sie in die entsprechenden Proteine translatiert werden. Bei den mehrfach gespleißten mRNA-Spezies, die der Translation der Proteine Tat, Tev, Rev und Nef dienen, wird das RRE durch die Spleißvorgänge als Teil eines Introns entfernt, sodass ihr Export und ihre Translation unabhängig von der Bindung des Rev-Regulators erfolgt. Das Rev-Protein besitzt zwei funktionell wichtige Domänen: Die Aminosäuren der aminoterminalen Hälfte sind für die Bindung an RRE, die Kernlokalisation und die Oligomerisierung des Rev-Proteins verantwortlich. Die RRE-Assoziation erfolgt über die argininreiche Domäne der Aminosäuren 35 bis 50. Das Kernlokalisationssignal konnte den Resten 40 bis 45 zugeordnet werden (䉴 Abbildung 18.8A). Die für die Oligomerisierung verantwortlichen Bereiche flankieren die RRE-Bindungsstelle. Die Basensequenz des RRE-Elements kann sich nach Computerberechnungen zu einer Struktur falten, die reich an doppelsträngigen Bereichen ist (䉴 Abbildung 18.8B): Man findet einen doppelsträngigen Stamm, der in vier Haarnadelschleifen (Stemloops) übergeht. Das Rev-Protein bindet sich an eine Blase mit ungepaarten Nucleotiden im Bereich der Haarnadelschleife II. Das bewirkt die Anlagerung weiterer Rev-Proteine, sodass die RRE-Strukturen in den Transkripten schließlich mit Rev-Oligomeren komplexiert sind. In der
18.1 Retroviren
427
A Funktionelle Domänen des Rev-Proteins von HIV
14
26
35 40 45 50
56
73
84
NH2
116 COOH
Kernlokalisation Oligomerisierung
RRE-Bindung
NES/ Effektorregion Oligomerisierung
C A AG U C U A GA A C C U C G C Stemloop V AA G G U C U G C A U A G G C C C A Stemloop IV U A G A C G Stem I C C U G GG U A C C A G C A UA C C UAA A G A GA U G G G U G G U G A A G U G A CU A U GGCUGU C G UU U G C A C AU C C A G A C GA GG U U GG G U U GC A AA C U A G G C A A C C U C G UA A G AC GA CG GU U U U GC A GU A G G A GC G G A U A C A UG C G C CG A U C G U U GC GC G A AC G C A GC A G U A U U GG A U U G Stemloop III G C UA Stemloop II A U G G G C G U A A U A A G A C C G 3´ 5´ U A G C 7770 8011 Rev-Protein-Bindestelle U A U A A U U B
18.8 Das Rev-Protein von HIV-1 und seine Bindung an das RRE, das im Bereich der für die Env-Proteine codierenden Sequenzen der mRNA-Moleküle lokalisiert ist. A: Funktionelle Domänen des Rev-Proteins von HIV und ihre Lokalisation in der Aminosäuresequenz. Die verschiedenen Proteindomänen sind durch die unterschiedlichen Schattierungen angedeutet; die Zahlen beziehen sich auf die Aminosäurepositionen (gerechnet ab dem aminoterminalen Ende). Unter den Proteindomänen sind die Funktionen angegeben, die man mit ihnen verbindet. B: Struktur der RRE-Domäne in der mRNA. Eine etwa 240 Basen lange Region der mRNA, in der sich die für die Env-Proteine codierenden Sequenzen befinden, ist in der Lage, eine Struktur einzunehmen, die durch die Ausbildung von vier Haarnadelschleifen (Stemloop II bis V) in einer langen Stammregion (Stem I) geprägt ist. Die Interaktionsstelle des Rev-Proteins ist durch die Schattierung angedeutet. Die Zahlen an den 5’- und 3’-Enden beziehen sich auf die Lage des RRE in der ungespleißten Form der mRNA (gerechnet ab dem Transkriptionsstart).
18
18
428
18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
carboxyterminalen Hälfte der Rev-Proteine identifizierte man die Aminosäuren 73 bis 84 als essenziell für den durch das Rev-Protein vermittelten Kernexport von mRNAs. Sie enthalten ein nucleäres Exportsignal und werden in der Literatur als NES- (nuclear export signal) oder Effektorregion bezeichnet. In dieser Domäne befinden sich wichtige Interaktionsstellen für zelluläre Proteine, die für die Rev-Aktivität entscheidend sind. Hierzu zählen das Exportin-1, das auch unter der Bezeichnung CRM1 (chromosomal maintenance gene) bekannt ist, an welches sich die NES-Regionen binden. CRM1 interagiert seinerseits mit der GTP-modifizierten Form des Ran-Proteins. Dies bewirkt den Transport des Komplexes aus mRNA/Rev-Protein/Exportin-1/Ran-GTP an und durch die Kernporen. Nach dem Durchtritt lösen sich das Exportin-1 und Ran unter Hydrolyse des GTP von dem Komplex und das Rev-Protein dissoziiert von der mRNA, die nun translatiert wird. Dadurch wird die argininreiche Domäne im Rev-Protein zugänglich für die Interaktion mit dem zellulären Protein Importin-β, das mit Ran-GDP wechselwirkt und seinen Rücktransport in den Zellkern bewirkt. Rex-Proteine Die Funktion der Rex-Proteine, deren zweites Exon in der X-Genregion von HTLV-1 und HTLV-2 liegt, entspricht derjenigen der Rev-Proteine von HIV (䉴 Abbildung 18.3B). Sie sind phosphoryliert und haben Molekulargewichte von 27 kD (Rex1) und 26 kD (Rex2). Die Kernlokalisations- und RNA-Bindungsregionen befinden sich in den aminoterminalen Domänen, den für die Transaktivierung wichtigen Regionen im Zentrum. Die 255 Basen langen RxRESequenzen (rex response element) liegen beim HTLV1 im Bereich des 3’-LTR am Übergang zwischen der R- und U3-Region. Sie überlappen mit den Polyadenylierungssignalen und bilden eine sekundärstrukturreiche Haarnadelschleife. Beim HTLV-2 konnte ein weiteres RxRE am R/U5-Übergang im 5’-LTR identifiziert werden. Ist RxRE in den Transkripten vorhanden, so reichern sich diese einfach gespleißten und ungespleißten mRNAMoleküle im Cytoplasma an. Rex1 und Rex2 binden sich auch an die RRE-Regionen von HIV und können die Rev-Proteine in ihrer Wirkung komplementieren – umgekehrt ist das jedoch nicht möglich.
Akzessorische Proteine Vif-Protein Das Vif-Protein (viral infectivity factor) wird bei den Lentiviren zwischen den pol- und envGenen codiert (䉴 Abbildung 18.3A), von einer einfach gespleißten mRNA translatiert und hat beim HIV-1 eine Länge von 192 Aminosäuren beziehungsweise ein Molekulargewicht von 23 kD. Bei den tierpathogenen
Lentiviren findet man für die Vif-Proteine Molekulargewichte von 22 kD (CAEV) und 30 kD (felines Immundefizienzvirus). Das Vif-Protein ist ein Bestandteil des Nucleoproteinkomplexes der infektiösen Viruspartikel, mit der RNA assoziiert und beeinflusst die Infektiosität der Nachkommenviren. Werden Vif-defekte Viren gezüchtet, zeigen sie eine veränderte Partikelmorphologie mit inhomogener Einlagerung der Capsidproteine. Verwendet man diese Viren für neuerliche Infektionsexperimente, so findet man eine inkomplette Synthese doppelsträngiger DNA. Dies beruht auf der Wechselwirkung des Vif-Proteins mit den zellulären Proteinen APOBEC3G und APOBEC3F: Dabei handelt es sich um Cytosindeaminasen, welche bei der reversen Transkription die Sequenz einzelsträngiger DNA-Abschnitte verändern und beeinflussen. Als Folge davon entstehen fehlerhafte Nucleinsäurestränge, die durch Nucleasen abgebaut werden. APOBEC3G und APOBEC3F sind dadurch als intrazelluläre, antiviral wirkende Faktoren charakterisiert. Die Vif-Proteine binden sich an die zellulären Cytosindeaminasen und hemmen ihre Aktivität. Da APOBEC3G und APOBEC3F nicht in allen Zelltypen in vergleichbaren Mengen vorliegen, ist die Funktion der Vif-Proteine nicht immer notwendig. Essenziell für die Produktion des infektiösen HIV ist das Vif-Protein bei der Infektion von peripheren Blutlymphocyten. Vpr-Protein Der vpr-Leserahmen überlappt mit dem des vif-Gens und mit dem ersten Exon des tat-Gens. Das Protein wird ebenfalls von einer einfach gespleißten mRNA translatiert. Das 78 bis 96 Aminosäuren lange Vpr-Protein (viral protein rapid) wurde bisher bei fast allen Lentiviren identifiziert und hat Molekulargewichte von 11 bis 15 kD. Es interagiert mit der Domäne des Link-Proteins p6 im carboxyterminalen Bereich der Gag-Vorläuferproteine und wird deswegen mit in die entstehenden Viruspartikel eingebaut. Pro Viruspartikel findet man etwa 100 Moleküle Vpr-Protein. Seine Hauptfunktion ist die Mitwirkung am Transport des Präintegrationskomplexes in den Zellkern. Dieser umfasst das in dsDNA umgeschriebene Virusgenom, die Integrase, die reverse Transkriptase sowie einige weitere Strukturproteine und wird durch Interaktion von Vpr mit Kernporenproteinen durch die Poren in den Zellkern verbracht; Vpr entfaltet dabei seine Wirkung zusammen mit dem Matrixprotein p17. Außerdem blockiert das Vpr-Protein den Zellzyklus in der G2-Phase durch Hemmung der Cyclin-B-Aktivierung. Es ist dadurch in der Lage, die Apoptose zu induzieren. Vpu-Protein Das Vpu-Protein (viral protein out) wird im Genom von HIV-1 und dem mit ihm eng verwandten SIV-Typ der Schimpansen (SIVcpz) codiert. Außer
18.1 Retroviren
in diesen Viren fand man, dass das im Genom des CAEV codierende Protein X eine Vpu-ähnliche Funktion hat. Es ist mit 8 kD jedoch deutlich kleiner. Das 80 bis 82 Aminosäuren lange, über die Caseinkinase 2 (CK-2) phosphorylierte Vpu-Protein des HIV-1 (16 kD) wird von einer bicistronischen mRNA translatiert, die auch die Sequenzen der Env-Proteine enthält, und fördert vor allem in ruhenden Zellen die Freisetzung von Nachkommenviren. Es verfügt über hydrophobe Aminosäurefolgen im aminoterminalen Bereich und wird hierdurch in die Membran des endoplasmatischen Reticulums und in die Cytoplasmamembran eingelagert. Dort interagiert es mit Tetherin, einem Liganden des Cyclophilins. Ist das Vif-Protein nicht vorhanden, hemmt Tetherin die Chaperonfunktion des Cyclophilins – eine bei der HIVMorphogenese notwendige Aktivität. Im Vergleich zum Wildtypvirus setzen Vpu-negative Varianten infektiöse Nachkommenviren verspätet oder vermindert frei. Des Weiteren bindet sich Vpu an die cytoplasmatische Domäne des CD4-Rezeptors und veranlasst dessen Ubiquitinylierung und Abbau. HIV-2 und andere Lentiviren benötigen diese Funktion des Vpu-Proteins möglicherweise deshalb nicht, weil die Affinität ihrer Oberflächenproteine zum CD4-Rezeptor geringer ist als diejenige des gp120 vom HIV-1. Daneben gibt es Hinweise darauf, dass das Vpu-Protein als Protonenkanal wirkt. Wie dies den Infektionszyklus beeinflusst, ist unklar. Vpx-Protein Das vpx-Gen (viral protein x) ist nur beim HIV-2 oder SIV vorhanden und wird zwischen den polund env-Genen codiert. Es hat ausgeprägte Homologie mit dem benachbarten vpr-Gen und ist möglicherweise durch eine Genduplikation entstanden. Das etwa 112 Aminosäuren umfassende Vpx-Protein (14 bis 16 kD) wird von einer einfach gespleißten mRNA translatiert und lässt sich in den Virionen zwischen dem Capsid und der Hüllmembran nachweisen. Es verstärkt die Replikationsfähigkeit der Viren in Makrophagen und peripheren Blutlymphocyten, hat in anderen Systemen jedoch keine Bedeutung. Vermutlich gelangt es bei der Infektion mit in die Zelle, stabilisiert den viralen RNA-Proteinkomplex oder fördert seinen Transport in den Zellkern. Bei den tierpathogenen Lentiviren hat man Hinweise darauf, dass weitere Varianten der akzessorischen Proteine (Vpw, Vpy) existieren, die durch die Verwendung alternativer Spleißvorgänge entstehen. Ihre Funktion ist kaum untersucht. Nef-Protein Der für das Nef-Protein (negative factor) codierende Genombereich liegt zwischen dem env-Gen und dem 3’-LTR, mit dessen U3-Region er überlappt. Die Expression dieses Gens erfolgt unabhängig von der Wirkung des Rev-Proteins durch Translation einer
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mehrfach gespleißten mRNA. Hierdurch zählt das NefProtein zu den sehr früh während der Infektion gebildeten Virusproteinen. Bei einer Länge von durchschnittlich 206 Aminosäuren hat es ein Molekulargewicht von 25 bis 27 kD beim HIV-1 und etwa 10 kD bei HIV-2. Die Nef-Proteine weisen eine hohe Variabilität von 17 Prozent der Aminosäuresequenzen auf. Außerdem findet man bei verschiedenen HIV-Isolaten unterschiedlich große Deletionen oder Insertionen im codierenden Bereich, bei anderen – so zum Beispiel dem HIV-1 Stamm HXB2 – sogar ein auf bis zu 124 Aminosäuren verkürztes Produkt. Die funktionell aktiven Nef-Proteine können in vier Domänen unterteilt werden: Einen aminoterminalen myristylierten Abschnitt, der das Protein in die Cytoplasmamembran der infizierten Zellen einlagert; eine Schleifenregion mit einem an Prolinresten reichen Abschnitt; eine konservierte, gut strukturierte globuläre Domäne und einen carboxyterminalen flexiblen Bereich. Etwa 10 bis 100 Moleküle der Nef-Proteine konnten auch in gereinigten Viruspartikeln nachgewiesen werden; ihre Anwesenheit in den Virionen steigert deren Infektiosität. Die in den Partikeln enthaltenen Nef-Proteine werden von der viralen Protease in einen 57 Aminosäuren umfassenden aminoterminalen Anteil, der mit der Virusmembran assoziiert bleibt, und ein lösliches carboxyterminales Fragment gespalten. Möglicherweise ähnelt das Bel3-Produkt der Spumaviren dem Nef-Protein der Lentiviren. Die Funktion des Nef-Proteins während der Replikation und Infektion ist vielfältig. Sie wurden vor allem am Modellsystem des Affenimmundefizienzvirus SIVmac239 untersucht. Dieses verursacht in seinen natürlichen Wirten, den afrikanischen Rußmangaben (Cercocebus ays, sooty mangabey), keine Erkrankung, wohingegen asiatische Rhesusaffen eine dem AIDS vergleichbare Immundefizienz entwickeln. Nef-defiziente SIV-Varianten sind attenuiert und etablieren eine asymptomatische Infektion. Durch Mutation einzelner Aminosäuren und Deletion von nef-Genabschnitten, die für bestimmte Proteindomänen codieren, wurden die Nef-Proteinaktivitäten entschlüsselt. Bei der Pathogenese der HIV-1 Infektion hat das Nef-Protein eine ähnlich entscheidende Rolle: HIV-1 Mutanten, in denen die Nef-Proteine nicht in funktionell aktiver Form produziert werden, leiten in den infizierten Personen ein Virusträgerstadium ohne oder mit einer sich sehr spät entwickelnden Erkrankung ein. Bei Analyse der HIVIsolate aus infizierten Personen mit unterschiedlichen Infektionsverläufen – beispielsweise mit asymptomatischem Trägerstadium oder solchen mit rasch fortschreitenden Symptomen – stellte sich heraus, dass die NefFunktionen des SIVmac239-Modells gut vergleichbar zur menschlichen HIV-Infektion sind.
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Folgende Funktionen wurden bisher charakterisiert: • Das Nef-Protein induziert die Synthese spezifischer Antikörper und cytotoxischer T-Zellen. • Das Nef-Protein kann an einem Threonin (Position 15 des Nef-Proteins von HIV-1) durch die Proteinkinase C und möglicherweise auch durch andere zelluläre Kinasen phosphoryliert werden. Einige Veröffentlichungen weisen darauf hin, dass das Nef-Protein autophosphorylierend selbst als Kinase wirkt. Die Phosphorylierung der Nef-Proteine induziert eine Signalkaskade und steigert die Expression von NFκB, AP-1 und NF-AT. Dies führt zu einer Aktivierung der HIV-infizierten T-Zellen, wodurch die Expression des Provirusgenoms gesteigert wird. Zusätzlich wird die Synthese der chemotaktisch wirkenden Faktoren, MIP-1α und MIP-1β sowie des TZell-aktivierenden Faktors induziert. Als Folge davon werden weitere T-Lymphocyten angelockt und aktiviert; diese dienen den freigesetzten Viruspartikeln als Zielzellen. Des Weiteren leitet die Nef-induzierte Signalkaskade die Synthese des Fas-Liganden in den Zellen ein. An HIV-spezifische cytotoxische T-Zellen wird so das Apoptosesignal vermittelt. • Die Nef-Proteine reduzieren bereits früh im Replikationszyklus die Menge an CD4-Proteinen auf der Oberfläche der infizierten Zellen. Werden die Aminosäuren 64 bis 67 des Nef-Proteins von SIVmac239 deletiert, geht diese Eigenschaft verloren; das mutierte Virus ist deutlich weniger virulent. Dabei binden sich die Nef-Proteine an das Sortierungssignal aus zwei Leucinresten im cytoplasmatischen Teil des CD4-Rezeptors und bewirken die Wechselwirkung mit dem Adaptorproteinkomplex AP-2; als Folge davon erfolgt der Transport der CD4-Rezeptoren von der Zelloberfläche und vom endoplasmatischen Reticulum zu den Lysosomen, wo ihr proteolytischer Abbau erfolgt. Hierdurch werden vermehrt virale Env-Proteine in die Cytoplasmamembran eingelagert und die Freisetzung von HIV-Partikeln erleichtert. Die Bindung der neu synthetisierten Viren an die Oberfläche der infizierten Mutterzelle, und somit auch deren Überinfektion, wird verhindert. Zusätzlich wird über den gleichen Mechanismus auch die Menge der CD28-Proteine – einem für die T-Zellaktivierung und Induktion der zellulären Immunabwehr wichtigen Cofaktor – auf der Zelloberfläche reduziert. Damit sind die infizierten Zellen nicht mehr in der Lage, antigenspezifische zelluläre Abwehreaktionen auszuüben. • Die Nef-Proteine reduzieren die Konzentration der MHC-Klasse-I-Antigene, insbesondere diejenigen der HLA-A- und HLA-B-Allele auf der Zelloberfläche; die Menge der HLA-C- und HLA-E-Proteine
bleibt hingegen weitgehend erhalten. Dies bewirkt einerseits, dass die infizierten Zellen durch antigenspezifische cytotoxische T-Lymphocyten nicht angegriffen werden, andererseits aber nicht so weit an HLA verarmen, dass sie der Zelllyse durch natürliche Killerzellen ausgesetzt sind. Die Aktivität zur Reduktion der MHC-Klasse-I-Antigene ist im carboxyterminalen Abschnitt des Nef-Proteins lokalisert. Durch die hier vorhandenen Aminosäuresequenzen wird die Assoziation der Proteine AP1 mit dem cytoplasmatisch orientierten, carboxyterminalen Abschnitten der MHC-Klasse-I-Antigene vermittelt, die nach ihrer Synthese in der Membran des ER und des Golgi-Netzwerks verankert sind; bei MHC-Klasse-IProteinen, die in die Cytoplasmamembran eingelagert sind, wird durch die Wechselwirkung mit AP1 die Endocytose veranlasst. Folge der AP1-Bindung ist in beiden Fällen der Transport der Komplexe zu den Lysosomen und ihr sich anschließender Abbau. • Abhängig vom jeweiligen Virusisolat mit entsprechenden Nef-Variationen fand man auch, dass die Menge anderer Zelloberflächenproteine verändert werden kann. In einigen Fällen wird die Konzentration von CD3 sowie der MHC-Klasse-II-Proteine und der Chemokinrezeptoren, vor allem diejenige des CXCR4, verringert. Im Unterschied hierzu findet man die vermehrte Synthese der invariant chain (Ii, CD74), welche mit MHC-Klasse-II-Antigenen interagiert und deren Assoziation mit spezifisch bindenden Fremdpeptiden verhindert (䉴 Kapitel 7). Auch dies bewirkt möglicherweise, dass HIV-spezifische Peptide nicht gebunden und präsentiert werden können; als Folge unterbleibt die Entleitung einer entsprechenden T-Helferantwort. Bet- und Bel2-Protein Das Bet-Protein der Spumaviren entsteht durch einen alternativen Spleißmechanismus, der die ersten 88 Codons des bel1-Leserahmens mit dem bel2-Gen verbindet. Das Bet-Protein hat ein Molekulargewicht von 60 kD und ist phosphoryliert. Das Bel2-Protein (44 kD) ist mit dem carboxyterminalen Bereich des Bet-Proteins identisch. Die Funktion beider Produkte ist nicht geklärt.
18.1.4 Replikation Der externe Teil ihres Membranproteinkomplexes vermittelt die Adsorption der Retroviren an die Zielzellen. Als Ersten konnte man den zellulären Reaktionspartner des HIV identifizieren. Es handelt sich um das CD4-Protein (55 kD), ein Mitglied der Immunglobulinsuperfami-
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lie, das aus vier extrazellulären, immunglobulinähnlichen Domänen besteht. Die aminoterminale Domäne weist drei Bereiche auf, die den complementarity-determining regions (CDR) der Immunglobuline ähneln. HIV bindet sich über die konservierte Region C3 nahe dem Carboxyterminus des gp120 (䉴 Abbildung 18.6) mit hoher Affinität (Dissoziationskonstante 10–9 M) an die Domänen CDR2 und CDR3. Dafür muss das gp120 in seiner nativen Konformation als trimerer, glycosylierter Komplex vorliegen. Es sind also neben den Aminosäuren der C3-Region weitere, faltungsabhängige Determinanten an der Interaktion beteiligt. Der CD4-Rezeptor ist auf der Oberfläche von T-Helferzellen sowie von dendritischen Zellen, Makrophagen und Monocyten vorhanden. Bei Induktion der zellulären Immunantwort bindet er sich im Komplex mit den T-Zell-Rezeptoren an eine konstante Region der MHC-Klasse-II-Proteine. Geringe Konzentrationen von CD4-Proteinen hat man auch auf anderen Zellen wie Fibroblasten nachgewiesen. Die CD4-Rezeptoren sind nicht allein für die Adsorption der HIV-Partikel verantwortlich. Nach der Bindung kommt es zu einer Konformationsänderung im gp120, durch sie kann die Wechselwirkung weiterer Domänen des viralen Glycoproteins mit zusätzlichen Faktoren auf der Zelloberfläche erfolgen. Die V3-Region des gp120 ist zusammen mit den V1/V2-Domänen an der Interaktion mit Chemokinrezeptoren beteiligt, die als akzessorische
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Interaktionspartner fungieren. Da die V3-Region mit Ausnahme des β-Turn-Bereichs (䉴 Abschnitt 18.1.3) eine hohe Sequenzvariabilität besitzt, beruht zumindest teilweise hierauf die Präferenz bestimmter Virusisolate für bestimmte Zellen und Gewebe. Bei den Chemokinrezeptoren handelt es sich um Mitglieder der Rhodopsinrezeptorfamilie, die mit sieben Transmembranregionen in der Cytoplasmamembran verankert sind. Durch Wechselwirkung der Chemokinrezeptoren mit den Chemokinen werden Signale ausgelöst, die in der Zelle durch die Interaktion mit den G-Proteinen weitergeleitet werden (䉴 Kapitel 8). Der Chemokinrezeptor CXCR4, der von Yanru Feng und Mitarbeitern ursprünglich als Fusin bezeichnet wurde und mit dem Chemokin SDF-1 (stromal cell derived factor oder CXCL12) als natürlichem Liganden wechselwirkt, dient den lymphotropen HIV-Varianten (auch als X4-Viren bezeichnet) als Cofaktor für den Eintritt in T-Lymphocyten. Die Abschnitte der V3- sowie der V1/V2-Domänen binden sich an den CXCR4-Rezeptor. Dies erhöht die Bindungsaffinität zwischen Virus und Zelloberfläche, erleichtert die Verschmelzung der Membranen und somit auch den Eintritt in die Zelle. Der Chemokinrezeptor CCR5 und ihm verwandte Rezeptoren, die mit den CC-Chemokinen RANTES, MIP-1α oder MIP-1β interagieren, sind hingegen für die bevorzugte Bindung der makrophagotropen Virusvarianten (R5-Viren) an
¡ Das HIV benutzt neben dem CD4-Protein noch weitere Komponenten für die Adsorption an die Zellen Das CD4-Protein und die Chemokinrezeptoren gelten als die Hauptrezeptoren für HIV. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Infektion bestimmter Zelltypen unabhängig von beiden erfolgt. Einige HIV-Stämme können Zellen infizieren, bei denen sich keine CD4-Rezeptoren auf der Oberfläche nachweisen lassen. Hierzu gehören unter anderem neuronale Zellen wie Oligodendrocyten oder Schwannsche Zellen. Die Infektion dieser Zellen kann durch Antikörper gegen Galactosylceramid, ein Glycolipid, gehemmt werden, das wahrscheinlich der Reaktionspartner von gp120 auf Gehirnzellen ist; zusätzlich zu diesen scheint das Galactosylceramid dem Virus den Einritt in die Zellen der Darmund Vaginalschleimhaut zu vermitteln. Eine Wechselwirkung der viralen Oberflächenproteine ist aber auch mit C-Typ-Lektinen wie DC-SIGN (dendritic cell-specific intercellular adhesion molecule-3-grabbing nonintegrin, CD209) beschrieben; des Weiteren interagieren sie mit den zellulären Membranproteinen LFA (leukocyte func-
tion-associated antigen) und ICAM (intercellular adhesion molecule). Jüngst wurde die Bindung von HIV an Integrin α4β7 entdeckt; dieser Subtyp der Integrine kommt bevorzugt auf der Oberfläche von CD4+-T-Gedächtniszellen vor. Dies könnte eine Erklärung für den frühzeitigen Verlust dieser Zellen im Magen-Darm-Trakt sein. Auch Antikörper, die gegen Epitope von gp120/gp41 gerichtet sind, aber keine neutralisierende Funktion haben, können eine CD4-unabhängige Virusadsorption vermitteln. Sie interagieren einerseits mit dem Viruspartikel und binden sich andererseits an Fc-Rezeptoren auf der Oberfläche von T-Lymphocyten, Makrophagen und weiteren Zelltypen, die in der Folge infiziert werden. Diese antikörpervermittelte Adsorption – man bezeichnet die dabei aktiven Immunglobuline auch als infektionsverstärkende Antikörper (䉴 Abschnitt 14.5) – ist möglicherweise bei der Pathogenese der HIVInfektion von großer Bedeutung, da sie dem HIV den Eintritt in normalerweise nicht infizierbare Zellen ermöglicht.
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
Monocyten und Makrophagen verantwortlich. Die Bindung der natürlichen Chemokinliganden blockiert die Adsorption des Virus und wirkt daher hemmend auf die Infektion. Beim felinen Immundefizienzvirus FIV hat man eine Wechselwirkung des externen Oberflächenproteins (gp51) mit dem zellulären X4-Protein nachgewiesen. Hierbei handelt es sich um das Homolog zum CXCR4-Chemokinrezeptor, der bei der Katze vor allem auf hämatopoetischen Zellen vorkommt. Die meisten neutralisierenden Antikörper sind gegen die V3-Region gerichtet. Sie hemmen jedoch nicht die Bindung des gp120 an den CD4-Rezeptor, sondern beeinflussen Umlagerungen des Proteinkomplexes, die für die nachfolgenden Schritte der Wechselwirkung mit den Chemokinrezeptoren, der Partikelaufnahme und Membranfusion wichtig sind. Man stellt sich folgenden Ablauf vor: Das Virus bindet sich über das externe Glycoprotein gp120 an den CD4-Rezeptor und die jeweiligen als Corezeptoren wirkenden Chemokinrezeptoren. Dies induziert weitere Umlagerungen in der Proteinstruktur des Glycoproteinkomplexes. Die Konformationsänderung aktiviert die Membranfusionsaktivität des hydrophoben, aminoterminalen Endes des transmembranen gp41, das der fusogenen Region der F1- oder
HA2- Proteine der Para- beziehungsweise Orthomyxoviren ähnelt (䉴 Abschnitte 15.3 und 16.3). Es lagert sich in die Cytoplasmamembran ein und vermittelt deren Verschmelzung mit der Virushülle, sodass das Capsid, das neben den beiden einzelsträngigen RNA-Genomen auch die Enzyme reverse Transkriptase, Protease und Integrase enthält, ins Zellinnere gelangt (䉴 Abbildung 18.11). Die Struktur des aufgenommenen Capsids bleibt erhalten, auch wenn es seine Konformation – möglicherweise durch die Wirkung der Protease – verändert. Der entstehende reverse Transkriptionskomplex hat einige der Capsidproteine abgegeben und ist für Nucleotide durchlässig. Im Cytoplasma schreibt die mit dem Ribonucleoproteinkomplex assoziierte reverse Transkriptase das RNA-Genom in doppelsträngige DNA um. Dieser Vorgang beginnt am 3’-OH-Ende des tRNAMoleküls, das an die PB-Region im 5’-Bereich des RNA-Genoms gebunden ist und die Initiation der Polymerasereaktion ermöglicht. Ausgehend von der tRNA synthetisiert die reverse Transkriptase im ersten Schritt in 5’→3’-Richtung einen zu den U5- und R-Sequenzen komplementären DNA-Strang. Die mit der reversen Transkriptase assoziierte RNase-H-Funktion baut den
q Das diploide Genom ist für die Entstehung neuer Retrovirustypen verantwortlich Die Tatsache, dass alle infektiösen Retroviruspartikel zwei RNA-Genome enthalten, weist darauf hin, dass bei der reversen Transkription intermolekulare Prozesse stattfinden können. Das diploide RNA-Genom gilt als die Basis für die Entstehung neuer Virustypen und der Onkogene enthaltenden Viren. Die reverse Transkription findet – wie oben beschrieben – unter Erhaltung der partikulären Strukturen statt, in denen die beiden RNA-Genome in enger räumlicher Nähe zueinander vorliegen. Bei der Neusynthese der DNAStränge kann die reverse Transkriptase zwischen beiden Molekülen hin- und herwechseln und „Mosaikstränge“ bilden, die aus aufeinander folgenden Abschnitten der Ausgangsgenome bestehen (copy choice-Rekombination). Bei Doppelinfektionen einer Zelle mit unterschiedlichen Virussubtypen fördert diese Eigenschaft die Bildung von Rekombinanten (䉴 Abschnitt 18.1.5). Man vermutet, dass so auch zelluläre Gene Teil der viralen Erbinformation wurden: Die Virusgenome entsprechen ungespleißten mRNA-Spezies. Als Signal für ihre Verpackung dienen die ψ-Sequenzen an den 5’-Enden, die den gag-Genen vorgelagert sind.
Gelegentlich erfolgt während des Infektionszyklus eine fehlerhafte Transkription, bei der auch die das Provirus flankierenden Wirtszellsequenzen abgelesen und damit Teil der gebildeten und in die Virionen eingelagerten RNA-Genome werden. Diese Partikel sind infektiös, die Capside werden von den Zellen aufgenommen, und bei der reversen Transkription können Mosaikstränge entstehen, wodurch die zellulären Sequenzen Teil des Retrovirusgenoms werden. In den folgenden Infektionszyklen verändern sie sich durch die hohe Fehlerrate bei der Transkription so sehr, dass sie ihre ursprüngliche Funktion weitgehend verlieren und man nur aufgrund ihrer sequenziellen Ähnlichkeit auf die Abstammung von Zellgenen schließen kann. So könnten Gene für zelluläre Membranproteine in die mRNA der evolutionär vermutlich sehr alten Retroelemente aufgenommen worden sein, die schließlich zu den env-Genen der exogenen Retroviren mutierten. Andere, in der Zelle für regulatorisch aktive Proteine codierende Sequenzen könnten sich analog als Teil der viralen Erbinformation zu den Onkogenen der α-, β- und γ-Retroviren abgewandelt haben.
18.1 Retroviren
RNA-Anteil des kurzen Hybridteils ab (䉴 Abbildung 18.9). Hierdurch liegt nun ein DNA-Einzelstrang vor, der die U5- und R-Sequenzen enthält und kovalent mit dem 3’-Ende der tRNA verknüpft ist. Dieses Molekül wird an das 3’-Ende des RNA-Genoms transferiert, hybridisiert an die in wiederholter Folge vorliegenden RSequenzen und dient als Primer für die Synthese des zum RNA-Genom komplementären, durchgehenden DNA-Stranges. Ob dieser Primertransfer intramolekular an das Ende desselben RNA-Stranges oder intermolekular an dasjenige des zweiten RNA-Genoms im Capsid erfolgt, ist unklar. Der RNA-Anteil des gebildeten RNA/DNA-Hybrids wird wiederum durch die RNase H abgebaut, jedoch nicht vollständig: Die kurze RNAFolge des Polypurintraktes bleibt erhalten. Die Struktur des RNA/DNA-Hybrids ist in diesem Bereich offensichtlich sehr stabil und wird von der RNase H verzögert abgebaut. Das 3’-OH-Ende dieses RNA-Abschnitts dient in der folgenden Reaktion als Primer für die Synthese des ersten doppelsträngigen DNA-Abschnitts, der sich über die PB-Region der noch immer gebundenen tRNA erstreckt. Diese wird nun abgebaut. Übrig bleibt ein teilweise doppelsträngiges DNA-Molekül mit einer 3’-überhängenden Sequenz, die komplementär zur PB-Region ist. Hierzu komplementäre DNA-Sequenzen befinden sich auch am 3’-Ende des durchgehenden DNA-Erststranges. Sie können miteinander hybridisieren und die Primerstruktur für die nachfolgende Synthese des DNADoppelstranges liefern. Die Enden werden aufgefüllt. Schließlich liegt das Virusgenom als ein doppelsträngiges DNA-Molekül vor, bei dem die codierenden Sequenzen von den U3-, R- und U5-Einheiten der LTR-Regionen flankiert werden (䉴 Abbildung 18.9). Da die reverse Transkriptase die Lesegenauigkeit nicht überprüfen kann, werden bei der Synthese der beiden DNA-Stränge mit einer Wahrscheinlichkeit von 10–3 bis 10–4 falsch gepaarte Basen eingebaut – ein Vorgang, der zu der bei Retroviren beobachteten hohen Mutationsrate beiträgt. Das in eine doppelsträngige DNA überführte Virusgenom bleibt auch bei den weiteren Vorgängen mit den Proteinkomponenten verbunden und wird als Präintegrationskomplex mit ihnen in den Zellkern transportiert. Beim HIV sind daran das Vpr-Protein und das Matrixprotein p17, das im Viruspartikel mit der Innenseite der Membran assoziiert ist, beteiligt. Eine phosphorylierte Form des p17 bleibt mit dem Präintegrationskomplex verbunden und ermöglicht zusammen mit dem VprProtein und den zellulären Kernimportfaktoren den Transport des doppelsträngigen DNA-Genoms durch die Kernporen in den Zellkern und so die Infektion von ruhenden Zellen. In dieser Fähigkeit unterscheiden sich die Lentiviren von allen anderen Retroviren; diese können nur sich teilende Zellen infizieren. Der Präintegra-
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tionskomplex hat eine Größe von etwa 20 bis 30 nm. Deswegen kann er ohne zusätzliche, den Transport fördernde Faktoren die Kernporen nicht durchdringen. Die meisten der Retroviren können ihr doppelsträngiges DNA-Genom daher nur dann zur chromosomalen DNA ihrer Wirtszellen transportieren und es integrieren, wenn sich während des Vorganges der Mitose die Kernmembran auflöst. Deshalb erfolgt die Integration des Virusgenoms und damit auch die Infektion allgemein nur in sich mitotisch teilenden Zellen. Bei den Lentiviren fand man, dass im Bereich des Polypurintraktes ein etwa 99 Basen langer Abschnitt als Triplehelix mit drei Nucleinsäuresträngen erhalten bleibt. Die Lücke, die bei der Initiation und Elongation des DNA-Zweitstranges im Überlappungsbereich (auch als flap bezeichnet) entsteht, ist für den Transport notwendig und bleibt während dieses Vorganges erhalten. Mit der Triplehelix interagieren die Proteine des Präintegrationskomplexes und vermitteln die Wechselwirkung mit den Komponenten der Kernporen. Mutierte Lentiviren, bei denen der Polypurintrakt deletiert wurde, können ähnlich wie alle anderen Retroviren den Präintegrationskomplex nicht in den Zellkern transportieren; er wird im Cytoplasma zurückgehalten. Im Zellkern wird das doppelsträngige DNA-Molekül in das Genom der Wirtszelle integriert. Dieser Vorgang wird von der dritten enzymatischen Komponente des Pol-Proteinkomplexes vermittelt: Die Integrase entfernt zwei Nucleotide von den 3’-Enden, sodass 5’-überhängende, einzelsträngige Dinucleotide entstehen. Ebenfalls durch die Aktivität der Integrase wird die zelluläre DNA an einer willkürlichen Stelle geschnitten, die aber im Euchromatin zugänglich sein muss. Dies ist beispielsweise bei aktiv transkribierten Bereichen der Fall. Dabei entstehen überhängende 5’-Enden, die – je nach Virustyp – vier bis sechs Basen umfassen können. Diese 5’Enden der zellulären DNA werden mit den 3’-Enden des Virusgenoms verbunden, die 5’-überhängenden Dinucleotide des Virusgenoms werden entfernt, die einzelsträngigen Lücken durch zelluläre Reparatursysteme gefüllt und durch Ligasen zu Doppelsträngen geschlossen (䉴 Abbildung 18.10). Im Verlauf dieses Vorgangs verliert das Virusgenom seine beiden endständigen Nucleotide, und vier bis sechs Basen der zellulären DNA, die das integrierte Provirus flankieren, werden dupliziert. Die Integration der viralen Erbinformation verändert das Zellgenom: Abhängig von der Lage des Ereignisses können zelluläre Gene zerstört werden, oder sie kommen unter die Kontrolle des 3’-LTR-Promotors und werden durch ihn aktiviert. Andererseits beeinflusst die Integrationsstelle auch die Aktivität des 5’-LTRPromotors: Wenn der von der Integration betroffene Abschnitt der chromosomalen DNA hochgradig methy-
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liert oder genetisch inaktiv ist, dann findet man nur eine geringfügige oder gar keine Transkription des integrierten Provirusgenoms; es werden keine Nachkommenviren gebildet und es etabliert sich eine latente Infektionsform. Grundsätzlich ist die Integration des Virusgenoms die Voraussetzung für die Expression der Gene. An die
cis-aktiven Sequenzelemente der U3-Region des LTR binden – in Abhängigkeit vom Virustyp – verschiedene zelluläre Faktoren, welche die Transkription durch die zelluläre RNA-Polymerase II ermöglichen. Beim HIV ist NFκB ein hierfür wichtiges Protein, beim HTLV-1 binden sich unter anderem CREB- und Ets-Faktoren (䉴 Abbildung 18.4). Beim HIV-1 geht man davon aus,
18.9 Vorgänge beim Umschreiben des einzelsträngigen RNA-Genoms der Retroviren in doppelsträngige DNA durch die reverse Transkriptase. Das mRNA-Genom des Virus und die von ihm gebundene tRNA sind rot dargestellt, die Sequenzen, die im Verlauf der reversen Transkription in DNA umgeschrieben werden, schwarz. Die Sequenzelemente und offenen Leserahmen tragen die üblichen Abkürzungen, so wie sie im Text und in den anderen Abbildungen dieses Kapitels verwendet und erklärt sind. Sequenzen, die komplementär zu den RNA-Sequenzen des Genoms sind, tragen zusätzlich hochgestellte Striche (´).
18.1 Retroviren
dass bei ausreichenden Konzentrationen der zellulären Faktoren NFκB – dieser wird nach Stimulierung der infizierten T-Lymphocyten durch das Immunsystem in seine aktive Form überführt – und Sp1 eine geringe Transkription stattfindet, die meist nach den Sequenzen des TAR-Elements wieder abbricht. Gelegentlich wird aber doch eine verlängerte mRNA gebildet, die mehrfach gespleißt und im Cytoplasma in das Tat-Protein translatiert wird. Dieses steigert die Transkriptionsrate um das Hundertfache, indem es zurück in den Zellkern
18.9 (Fortsetzung)
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gelangt, sich an die TAR-Elemente am 5’-Ende der viralen mRNAs bindet, die Transkripte stabilisiert und deren Elongation ermöglicht. In dieser frühen Infektionsphase findet man drei Größenklassen viraler mRNA im Zellkern: 1. mehrfach gespleißte mRNA-Moleküle mit einer Länge von etwa 2 000 Basen, die für die Proteine Tat, Rev und Nef codieren; ihnen fehlt das RRE-Element, das zusammen mit einem Intron entfernt wurde;
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q Die Variabiltät der Retroviren beruht hauptsächlich auf der Ungenauigkeit der Aktivität der zellulären RNA-Polymerase II Die Virusgenome werden von der zellulären RNA-Polymerase II produziert, die mit einer relativ hohen Fehlerrate beim Einbau der Nucleotide arbeitet und über keine Korrekturmöglichkeiten verfügt. Bei den Prozessen, die dieses Enzym in der Zelle durchführt, ist eine hohe Genauigkeit nicht notwendig. Es ist normalerweise für die Synthese von relativ kurzlebigen Produkten wie mRNA-Molekülen verantwortlich, die in der Folge in Proteine translatiert werden. Die dabei entstandenen Fehler werden daher nicht vererbt. Bei der Produktion der mRNA-ähnlichen Genome der Retroviruen manifestieren sich die Mutationen dagegen in der Erbinformation der Nachkommenviren, die schließlich von der infizierten Zelle freigesetzt werden. Auch die reverse
2. einfach gespleißte mRNA-Spezies mit einer Länge von etwa 4 000 Basen, die für die Proteine Env, Vif, Vpu und Vpr codieren; 3. ungespleißte mRNA-Formen, von denen die Gagund Gag/Pol-Proteine translatiert werden und die den RNA-Genomen entsprechen (䉴 Abbildung 18.11). Die mehrfach gespleißten mRNA-Spezies überwiegen. Sie werden in das Cytoplasma transportiert und in die entsprechenden Proteine translatiert. Die Aktivität des Rev-Proteins ist Voraussetzung für den Übergang von der frühen zur späten Zyklusphase. Da es von einem der mehrfach gespleißten mRNAMoleküle synthetisiert wird, liegt es bereits früh vor. Nach dem Transport in den Zellkern bindet es sich an die RRE-Elemente der einfach und nichtgespleißten mRNA-Spezies und ermöglicht ihren Export in das Cytoplasma, wo sie translatiert oder als RNA-Genome in die entstehenden Partikel verpackt werden. Diese Form des Rev- beziehungsweise Rex-abhängigen mRNA-Exports findet man nur bei den Lentiviren und bei den δ-Retroviren. Die anderen Retroviren, einschließlich der Spumaviren, besitzen in ihren ungespleißten Transkripten benachbart zu den Polyadenylierungstellen eine konservierte RNA-Sequenz, die als CTE (constitutive transport signal) bezeichnet wird. Hieran binden sich zelluläre Proteine, die den Transport der CTE-haltigen mRNAs aus dem Kern in das Cytoplasma bewirken. Die Synthese der Env-Proteine verläuft an der Membran des endoplasmatischen Reticulums. Die aminoterminale Domäne wirkt als Signalpeptid und sorgt für die
Transkriptase trägt mit zu den vielen beobachteten Variationen der RNA-Viren bei, vermutlich aber in einem geringeren Ausmaß als die zelluläre RNA-Polymerase II. Die reverse Transkriptase wird nur einmal während des Infektionszyklus benötigt, nämlich beim Umschreiben des RNAGenoms in DNA vor der Integration in das Wirtszellgenom. Die vielen tausend RNA-Genome, welche in die Nachkommenviren verpackt werden, sind jedoch Produkte der RNAPolymerase II. Die Quasispezies, die man insbesondere bei HIV-Infektionen beobachtet hat, dürften daher vor allem auf die fehlerhafte Arbeitsweise des zellulären Enzyms zurückzuführen sein.
Bindung des Signalerkennungspartikels (signal-recognition particle). Die wachsende Aminosäurekette wird durch die ER-Membran geschleust und dort über die hydrophobe Region im carboxyterminalen Bereich verankert (䉴 Abbildung 18.6). Die Env-Proteinbereiche, die im Lumen des endoplasmatischen Reticulums lokalisiert sind, werden an Asparaginresten glycosyliert. Die Polypeptide interagieren zu trimeren Komplexen. Die Aktivität der ebenfalls mit der ER-Membran assoziierten Vpu-Proteine verhindert, dass die viralen Glycoproteine im ER-Lumen mit den CD4-Rezeptoren wechselwirken. Im Verlauf des Transports über den Golgi-Apparat zur Zelloberfläche erfolgt die Spaltung in den externen (gp120) und den membranverankerten Proteinanteil (gp41). Die Glycoproteinkomplexe lassen sich auf den Oberflächen infizierter Zellen nachweisen. Sie entfalten hier ihre fusogene Wirkung, indem sie sich an die CD4Proteine nichtinfizierter Zellen binden – Chemokinrezeptoren dienen dabei als mögliche Cofaktoren – und die Verschmelzung der Membranen induzieren. So kann das HIV-Genom von Zelle zu Zelle weitergegeben werden und das Virus sich partikelunabhängig im Organismus verbreiten. Die Translation aller anderen Virusproteine erfolgt an freien Ribosomen im Cytoplasma. Die aminoterminalen Ende der Gag- und Gag/Pol-Vorläuferproteine werden während ihrer Synthese myristyliert und mithilfe zellulärer Faktoren zur Cytplasmamembran oder zur Membran des endoplasmatischen Reticulums transportiert, an die sie sich anlagern. Bei HIV-infizierten T-Helferzellen finden diese Morphogeneseschritte zu infektiösen Virionen fast ausschließlich an der Cytoplas-
18.10 Die Integration des viralen DNA-Doppelstranggenoms nach abgeschlossener reverser Transkription in das Genom der Wirtszelle. Rot: Sequenzen des Provirus, das als doppelsträngige DNA vorliegt. Schwarz: Sequenzen der DNA der Wirtszelle. Mit u und v beziehungsweise x und y sind zwei endständige Basen der nichtintegrierten Provirus-DNA angedeutet, die im Verlauf der Integration entfernt werden. Mit A, B, C und D ist die willkürliche Basenfolge der Wirtszell-DNA angegeben, an der die Integrase schneidet und 5’-überhängende Enden herstellt. Diese Basenfolgen liegen nach erfolgter Integration zu beiden Seiten der Provirus-DNA in identischer Folge vor.
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CD4 Chemokinrezeptor
Bindung
Cytoplasma
RT reverse Transkription
AAA RNA IN
RT
IN
Zellkern
Integration DNA Transkription 2
1 RNA Regulation
Translation Gag Pol Env Vif Vpu Vpr Zusammenlagerung
Tat Rev Nef Tev
Knospung und Freisetzung
Reifung
18.11 Zusammenfassung der Vorgänge, die bei der HIV-Infektion eines CD4+-T-Lymphocyten ablaufen. Im oberen Teil der Abbildung adsorbiert das Virus mit den Teilen des äußeren Glycoproteins gp120 an den CD4-Rezeptor und an die jeweiligen Chemokinrezeptoren CXCR4 auf T-Lymphocyten oder CCR5 auf Makrophagen. Strukturelle Umlagerungen im Komplex der Virusoberflächenproteine gp120/gp41 aktivieren die Fusionsaktivität des transmembranen gp41, hierdurch kommt es zur Verschmelzung der Hüllmembran des Virus mit der Cytoplasmamembran der Zelle. Das RNA-Genom des Virus wird durch die reverse Transkriptase (RT) in doppelsträngige DNA umgeschrieben. Im Zellkern vermittelt die virale Integrase (IN) die Integration der Virus-DNA in das Zellgenom. Die Provirus-DNA wird durch die RNA-Polymerase II der Zelle transkribiert, wobei anfangs mehrfach gespleißte mRNAs gebildet werden, die nach dem Export aus dem Zellkern in das Cytoplasma translatiert werden . Die im Cytoplasma synthetisierten regulatorisch aktiven Proteine Tat, Rev, Nef und Tev werden in den Zellkern transportiert und führen hier zur verstärkten Transkription sowie zur Bildung ungespleißter und einfach gespleißter mRNAs. Diese dienen nach dem Transport in das Cytoplasma sowohl zur Translation der viralen Strukturproteine und der akzessorischen Polypeptide als auch als Virusgenome , die sich an der Cytoplasmamembran mit den Proteinkomponenten zusammenlagern. In der Folge kommt es zur Knospung unreifer Viruspartikel von der Zelloberfläche (unterer Teil der Abbildung). Die Reifung zu infektiösen Viren erfolgt über die Spaltung der Gag- und Gag/Pol-Vorläuferproteine im Viruspartikel durch die virale Protease.
18.1 Retroviren
mamembran statt, die Partikel der Nachkommenviren werden von der Zelloberfläche freigesetzt. Im Unterschied hierzu erfolgt die Zusammenlagerung der Virusproteine und -genome in HIV-infizierten Monocyten und Makrophagen an intrazellulären Membranen, bevorzugt an der ER-Membran. Dieses hat zur Folge, dass die entstehenden Viruspartikel in das Lumen des ER oder die Golgi-Vesikel entlassen werden. Sie liegen dabei als infektiöse Partikel intrazellulär vor und können während dieser Zeit von neutralisierenden Antikörpern nicht erkannt werden. Die infizierten Makrophagen stellen ein Reservoir für die Erreger dar und können diese in andere Gewebe, so auch in das Gehirn transportieren. In beiden Fällen verlaufen die molekularen Assembly-Prozesse aber ähnlich: Über intermolekulare Wechselwirkungen der Matrix- und Capsidproteinanteile akkumulieren die Gag- und Gag/Pol-Vorläuferproteine zu Bereichen, die elektronenmikroskopisch erkennbar sind. Weitere Interaktionen erfolgen zwischen den GagVorläufern und den ebenfalls membranverankerten Glycoproteinen. Hieran sind Aminosäuren der Matrixproteine und der in das Zellinnere orientierten Anteile der Transmembranproteine beteiligt. Auch zelluläre Chaperone wie das Cyclophilin, eine Prolinisomerase, spielen hierbei eine wichtige Rolle. Die genomischen RNAMoleküle – also die ungespleißte mRNA-Spezies, von
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denen die Gag- und Gag/Pol-Vorläuferproteine translatiert werden – enthalten in der Leader-Region zwischen dem U5-Bereich und den gag-Genen das ψ-Element. Allen anderen mRNA-Spezies fehlt es, da es durch Spleißen entfernt wird. Über dieses ψ-Element binden sich die RNA-Genome an die Zinkfingermotive der Nucleocapsidproteinanteile in den Gag-und Gag/Pol-Vorläuferprodukten. Dieser Mechanismus gewährleistet, dass nur vollständige RNA-Moleküle mit den Viruskomponenten an der Membran interagieren. Unklar ist, wie sichergestellt wird, dass immer zwei RNA-Genome an die Bereiche angelagert und in die entstehenden Partikel verpackt werden. Bei Kontakt mit den RNA-Molekülen stülpen sich die betroffenen Membranbereiche aus und bilden Vesikel, die sich an der Zelloberfläche beziehungsweise in das Lumen des endoplasmatischen Reticulum abschnüren. In diesen noch unreifen Viruspartikeln liegen Gag/Pol-Vorläuferproteine in hoher lokaler Konzentration vor, sowie – bedingt durch die Aminosäurezusammensetzung der Virusproteine – ein leicht saurer pH-Wert von etwa 6,0 bis 6,2. Die Proteasedomänen, die sich am Übergang zwischen den Gag- und PolBereichen befinden, können unter diesen Bedingungen dimerisieren und in der leicht sauren Umgebung ihre optimale Wirkung entfalten. In einem autokatalytischen Schritt spalten sie sich aus dem Vorläufermolekül heraus. Die Gag- und Gag/Pol-Vorläufer werden anschlie-
q Retrovirale Vektoren ähneln den Genomen defekter Retroviren Retrovirale Vektoren finden zunehmend Einsatz bei gentherapeutischen Ansätzen. Sie sind meist von murinen Leukämieviren (MLV) abgeleitet und enthalten alle für die Integration notwendigen Sequenzen der LTR-Regionen und das für die Verpackung verantwortliche ψ-Element. Neuere Entwicklungen basieren auf lentiviralen Vektorsystemen, da mit ihnen auch ruhende, nicht teilungsaktive Zellen therapiert werden können. In allen sind die für die Virusproteine codierenden Bereiche durch Fremdgene und deren Kontrollsequenzen ersetzt, die man in menschliche Zellen einbringen möchte. Die Vektoren werden in sogenannten Helferzelllinien amplifiziert, die eine Kopie eines kompletten Retrovirusgenoms enthalten; aus Sicherheitsgründen meist als Abschnitte verteilt auf mehrere Plasmide. Es synthetisiert alle für die Replikation und Infektion notwendigen Proteine, kann jedoch seine genomische Virus-RNA nicht in Partikel verpacken, da es einen Defekt in den ψ-Sequenzen aufweist. Werden die retroviralen Vektoren in diese Helferzellen eingebracht und transkribiert, kann die gebildete
transgene mRNA durch die eigene ψ-Region mit den Strukturproteinen des Helfervirus interagieren und in die Partikel verpackt werden. Die rekombinanten Virionen, die keinerlei Erbinformation für Viruskomponenten besitzen, adsorbieren über ihre Oberflächenproteine an Zellen, die Capside werden in das Cytoplasma aufgenommen, und die transgene RNA wird in doppelsträngige DNA überschrieben und in das Wirtszellgenom integriert. Der Vorteil dieses Systems ist die stabile Integration der Fremdgene, die bei Teilungen auf die Tochterzellen weitergegeben werden. Nachteilig ist die den Retroviren eigene unspezifische Integration an willkürlichen Stellen des Zellgenoms. Weiterhin kann bei den heute gebräuchlichen Systemen eine intrazelluläre Rekombination der LTR-Regionen des integrierten Vektors mit ähnlichen Sequenzen der im menschlichen Genom verbreiteten Retroelemente und endogenen Retroviren nicht ausgeschlossen werden. Dieser Vorgang könnte zur Mobilisierung von Fremdgenen führen.
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ßend in die Matrix-, Capsid-, Nucleocapsid- und LinkProteine sowie die reverse Transkriptase und Integrase prozessiert. Gleichzeitig machen die Viruspartikel strukturelle Umlagerungen unter Ausbildung des konischen Capsids durch und werden infektiös. Da die Protease erst im von der Zelle freigesetzten Viruspartikel aktiviert wird, ist sichergestellt, dass die Vorläuferproteine nicht bereits im Cytoplasma gespalten werden. In diesem Fall ginge die Verbindung mit der Membran verloren, und die korrekte Morphogenese und Assoziation mit den RNA-Genomen wäre unmöglich. Auch würde die proteolytische Wirkung zelluläre Polypeptide betreffen und die Zelle vorzeitig schädigen. Die Zellen sterben durch die Virusvermehrung ab; der programmierte Zelltod wird induziert. Der Replikationszyklus von HTLV ist dem von HIV sehr ähnlich. Auch hier findet man in der Frühphase die Translation der mehrfach gespleißten mRNA-Spezies und die Synthese der Tax- und Rex-Proteine. Die TaxProteine lagern sich an zelluläre Faktoren an, die an Sequenzelemente der U3-Region gebunden sind, und verstärken so die Transkription der viralen Gene. Die Rex-Proteine interagieren mit den RxRE-Regionen, welche sich nahe dem 5’-Ende der ungespleißten RNA-Spezies befinden, die wiederum für die Gag-, Gag/Prot- und Gag/Prot/Pol-Vorläuferproteine codieren, und vermitteln hierüber ihren Export aus dem Kern und ihre Translation. Die Vorgänge bei der Morphogenese ähneln weitgehend den für HIV beschriebenen. Die einfachen Retroviren besitzen keine genetische Information für akzessorische oder regulatorisch aktive Proteine oder Transaktivatoren. Die Genexpression der integrierten Provirussequenzen wird ausschließlich durch zelluläre Faktoren induziert, die spezifisch mit bestimmten cis-aktiven Elementen der U3-Regionen interagieren. Der Übergang von der frühen zur späten Infektionsphase ist nicht reguliert, da diese Viren nicht über Produkte verfügen, die den Rev-Proteinen entsprechen. Die Vorgänge bei der reversen Transkription und Integration der Virussequenzen beziehungsweise bei der Bildung infektiöser Partikel sind jedoch vergleichbar mit den oben beschriebenen. Im Gegensatz zu HIV sind diese Viren nicht cytolytisch, sondern – falls sie über v-Onc-Produkte verfügen – transformierend. Sie induzieren eine persistierende (produktive) Infektion, in deren Verlauf kontinuierlich Nachkommenviren gebildet werden, ohne dass die Zelle abgetötet wird.
18.1.5 Humanpathogene Retroviren Das humane Immundefizienzvirus (HIV) Epidemiologie und Übertragung Die Immunschwäche AIDS (acquired immunodeficiency syndrome) wurde erstmals 1981 bei einer Gruppe homosexueller Männer mit schweren opportunistischen Infektionen der Lunge beschrieben. Der Übertragungsweg ließ schon damals auf ein in Blut oder Blutprodukten vorhandenes Virus schließen. Diese Vermutung wurde 1983 bestätigt, als die Arbeitsgruppen von Luc Montagnier am Pasteur-Institut in Paris und von Robert Gallo am National Cancer Institute in Bethesda aus den Lymphocyten von AIDS-Patienten Retroviren isolierten. Ab 1986 verwendete man die heute international gebräuchliche Bezeichnung HIV (human immunodeficiency virus). Verschiedene Affenarten sind natürlich mit ähnlichen Immundefizienzviren (SIV) infiziert, man konnte bisher über 40 verschiedene SIV-Typen identifizieren. Die Affen entwickeln jedoch meist keine Erkrankungen. HIV-1 hat seinen Ursprung in Afrika und ist das Resultat zoonotischer Übertragungen von SIV auf den Menschen. So isolierte man aus Schimpansen das Isolat SIVcpz, das mit dem HIV-1 sehr eng verwandt ist und als sein direkter Vorgänger angesehen wird. Neuere Daten weisen jedoch darauf hin, dass SIVcpz im Unterschied zu anderen SIV-Typen in Schimpansen AIDS-ähnliche Symptome auslösen kann: Bei der Beobachtung wildlebender Schimpansen über einen Zeitraum von neun Jahren fanden Beatrice Hahn und Kollegen, dass SIVcpz-infizierte Tiere früher starben als nichtinfizierte; in verstorbenen infizierten Affen fanden sich AIDS-ähnliche Symptome einer Immundefizienz. Dieses Schimpansenvirus wurde vor Jahrzehnten möglicherweise mehrmals auf den Menschen übertragen, zuerst in den 1930-iger Jahren, und entwickelte sich in der Folge zum humanpathogenen HIV-1. So fand man im Serum eines Angehörigen des Stammes der Bantu aus dem Jahr 1959 eine Variante des HIV-1, die dem SIVcpz stark ähnelt. Auch retrospektive serologische Untersuchungen ergaben, dass schon vor 1980 Antikörper gegen HIV sporadisch in der Bevölkerung vorhanden waren. Die HIV-1-Epidemie begann Anfang der 1980-iger Jahre etwa gleichzeitig in den größeren Städten Zentralafrikas und der USA. Seitdem hat sich diese Infektion weltweit ausgebreitet und sich insbesondere in den Ländern der Dritten Welt – vor allem in Afrika, Indien, Südostasien und Südamerika – zu einer Pandemie entwickelt. Im Jahr 2007 waren laut Weltgesundheitsorganisation 33 Millionen Menschen infiziert. Auf-
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q Die Entstehung neuer Virusvarianten des HIV-1 Der Befund, dass sich in HIV-1 infizierten Patienten Rekombinanten zwischen Viren unterschiedlicher Subtypen bilden können, ist relativ neu. Die dabei entstehenden rekombinanten HIV-Varianten tragen zusätzlich zu den Mutationsereignissen zur Entstehung neuer Geno- und Subtypen bei. HIV-Rekombinanten können sich dann ausbilden, wenn in einem sehr frühen Stadium der Infektion – also bevor diese in das Stadium der Persistenz und Latenz übergeht – eine Zelle gleichzeitig von zwei oder mehr HIV-Subtypen befallen wird oder wenn eine bereits infizierte Zelle mit einem ande-
grund von Sequenzunterschieden von mindestens 30 Prozent teilt man HIV-1 heute in drei Untergruppen ein: M (major), O (outlier) und N (new oder non-major) ein. Am weitaus häufigsten findet man Infektionen mit Viren der Untergruppe M, wohingegen nur etwa 100 000 beziehungsweise sehr wenige Infektionsfälle mit Viren der Untergruppen O und N bekannt sind. Die Viren der Untergruppe M können acht Subtypen (clades) A bis D, F, H, J und K, zugeordnet werden, deren Sequenzen sich zu 15 bis 20 Prozent unterscheiden. Weltweit gesehen sind Infektionen mit HIV-1 des Subtyps C am häufigsten, in Westeuropa und in den USA ist jedoch der Subtyp B die am weitesten verbreitete Variante. Die HIVIsolate, die man ursprünglich den Subtypen E und I zugeordnet hatte, stellen sich bei genauerer Sequenzanalyse als Varianten heraus, die durch Rekombination entstanden sind; entsprechendes vermutet man für die Viren des Subtyps G. Die Genomsequenzen des HIV-Typ 2 (HIV-2) unterscheiden sich zu 40 Prozent von denjenigen des HIV-1. HIV-2 wurde 1986 erstmals aus einem westafrikanischen AIDS-Patienten isoliert. Zurückzuführen ist dieses auf Mangaben, die in Westafrika häufig als Haustiere gehalten werden und inapparent mit einem ähnlichen Virus (SIVsm) infiziert sind. Auch dieses Virus ist offensichtlich mehrmals von den Affen auf Menschen übertragen worden. Man kennt heute acht vermutlich unabhängig voneinander entstandene Untergruppen (A bis H) des HIV-2; am häufigsten kommen die Subtypen A und B vor. Die HIV-2-Infektion war ursprünglich vor allem auf Westafrika beschränkt. Inzwischen wurden jedoch gehäuft Fälle in Indien und vereinzelt auch in vielen anderen Ländern nachgewiesen. Auch dieses Virus hat also die Kontinentgrenzen überschritten. Charakteristisch für Infektionen mit HIV-2 ist aber, dass sie meist ohne Symptome verlaufen.
ren HIV-Subtyp überinfiziert wird. Im Rahmen der Virusvermehrung werden jeweils zwei RNA-Genome in einem Partikel verpackt. Handelt es sich dabei um RNA-Stränge unterschiedlicher Subtypen, dann fördert dieser „diploide“ Status eines HIV-Partikels nach Aufnahme in das Cytoplasma einer Zelle während der reversen Transkription Rekombinationsereignisse zwischen beiden Nucleinsäuresträngen. Inzwischen konnten Virusisolate nachgewiesen werden, deren Genome Mosaike aus bis zu sieben verschiedenen HIV-Subtypen darstellen.
HIV-1 kann außer Menschen nur Schimpansen infizieren. Auch sie entwickeln nach 10 bis 15 Jahren die Symptome einer Immundefizienz. SIVmac ruft bei Rhesusaffen eine AIDS-ähnliche Erkrankung hervor. Grüne Meerkatzen, die natürlichen Wirte, überleben die Infektion dagegen ohne Erkrankung. Außerdem fand man HIV-ähnliche Immundefizienzviren bei Rindern (bovine immunodeficiency virus, BIV) und Katzen (feline immunodeficiency virus, FIV; 䉴 Abschnitt 18.1.6). In vitro kann man die Erreger in T-Zell- oder Makrophagenlinien züchten. Beim Menschen werden die Viren durch die Samenoder Vaginalflüssigkeit bei homo- und heterosexuellen Sexualkontakten sowie durch kontaminiertes Blut (zum Beispiel bei Transfusionen, durch kontaminierte Injektionsnadeln oder andere medizinische Instrumente, bei gemeinsamem Gebrauch von Injektionsspritzen durch Drogenabhängige) und Blutprodukte (nicht vollständig virusinaktivierte Blutgerinnungs- oder Immunglobulinpräparate) übertragen. Außerdem wird das Virus vor, hauptsächlich aber bei der Geburt oder auch beim Stillen, von infizierten Frauen auf Kinder übertragen. Sexualkontakte sind heute für die meisten Neuinfektionen mit HIV verantwortlich. Bei einigen der HIV-infizierten Männer findet man in der Samenflüssigkeit sehr große Mengen des Virus. Außer diesen „Super-Produzierern“ gibt es wohl auch „Super-Überträger“: Bei diesen Personen konnten Jan Münch und Kollegen in der Samenflüssigkeit bestimmte Proteine (Sevi, semen-derived enhancer of viral infection) nachweisen, die amyloidähnliche Fibrillen ausbilden und die HIV-Übertragung fördern. Die fibrillären Sevi-Proteine erleichtern dabei dem Virus die Kontaktaufnahme mit seinen Zielzellen. Überwiegend gelangt HIV aber nicht als freies Partikel in den Organismus, sondern über infizierte Spenderzellen, welche das Provirusgenom integriert in der chromosoma-
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
len DNA und auch neu produzierte Viren enthalten. Die HIV-infizierte Zelle kann im nächsten Schritt das Virus an Zellen des Immunsystems – beispielsweise Makrophagen, dendritische Zellen, T-Lymphocyten – oder an Zellen der Vaginal- oder Darmschleimhaut weitergeben. Untersuchungen von Brandon F. Keele und Mitarbeitern aus dem Jahr 2008 belegen, dass in den meisten Fällen dabei nur ein einziges Virus oder eine infizierte Zelle übertragen wird, welches die Infektion auslöst.
Klinik Der Verlauf der HIV-Infektion im Patienten lässt sich in drei Phasen einteilen: • Die erste Phase oder die Primärinfektion verläuft häufig inapparent. Nur in 20 bis 30 Prozent der Fälle ist sie mit grippe- oder mononucleoseähnlichen Symptomen, einem uncharakteristischen Hautausschlag und mit Lymphknotenschwellungen verbunden. Diese entwickeln sich nach einer Inkubationszeit von bis zu mehreren Wochen, werden meist aber erst rückblickend auf die HIV-Serokonversion erkannt. Mit der quantitativen Polymerasekettenreaktion kann die Viruslast, also die Konzentration der Genomäquivalente bestimmt werden. Die Patienten sind in dieser frühen Phase virämisch und es sind zum Teil große Virusmengen von bis zu 106 bis 108 Genomäquivalenten pro Milliliter Blut nachweisbar. Die Viruspopulation verdoppelt sich dabei in etwa sechs bis zehn Stunden. Jede infizierte Zelle führt zu 20 neu infizierten Zellen in der folgenden Replikationsrunde. Vorübergehend sinken die CD4+-Lymphocyten auf unter 500 Zellen pro Mikroliter und es verändert sich der CD4/CD8-Zellquotient auf weniger als 0,5. Diese Phase der Primärinfektion dauert meist etwa sechs Monate an. • An die Primärinfektion schließt sich ein mehrere Jahre lang dauerndes, symptomfreies Stadium der Latenz oder der chronischen Infektion an. In dieser Zeit lassen sich in den Patienten HIV-spezifische Antikörper und T-Lymphocyten nachweisen; zusätzlich werden die infizierten, meist an MHC-Klasse-IProteinen verarmten Zellen von natürlichen Killerzellen erkannt und lysiert (䉴 Abbildung 18.12). Als Folge der antiviralen Immunantwort sinkt die Viruslast im peripheren Blut auf Werte unter 2 × 104 Genomäquivalente pro Milliliter Blut. Findet man Werte unter 103 Genomäquivalente pro Milliliter Blut, dann etabliert sich in diesen Patienten meist eine sehr lange asymptomatische Phase. Heute sind „Elite-Kontrolleure“ unter den HIV-Infizierten bekannt, bei denen keine HIV-Produktion im peripheren Blut nachweisbar ist und bei denen diese asymp-
tomatische Phase seit über 20 Jahren andauert. Geht der Wert der Viruslast jedoch nicht weiter als auf 104 Genomäquivante pro Milliliter Blut zurück, dann ist das symptomfreie Latenzstadium häufig von mittlerer beziehungsweise kurzer Dauer und beträgt nur wenige Jahre. Die Zahl der CD4+-Zellen sinkt als Folge der fortschreitenden Virusreplikation langsam ab. Insgesamt herrscht in dieser Phase ein Gleichgewicht zwischen Virusreplikation, dem dadurch bedingten Zelltod und der Produktion neuer CD4+Zellen durch Differenzierung der Vorläuferzellen im Knochenmark. Zwar werden die Zellen durch die Virusinfektion schneller zerstört als neue nachgebildet werden, der Organismus kann dies aber zunächst noch gut kompensieren. • Bei etwa der Hälfte der nicht mit antiviralen Medikamenten behandelten HIV-infizierten Patienten erstreckt sich die asymptomatische Phase über zehn Jahre. Daran schließt sich die dritte Phase der Infektion an, in der die klinischen Symptome der HIVInfektion und AIDS auftreten. Bereits ein bis zwei Jahre bevor sich Krankheitssymptome entwickeln, nimmt die Zahl der CD4+-Zellen rapide ab und die Konzentration des Virus im peripheren Blut zu. In den Patienten kann sich über mehrere Wochen bis Jahre ein Stadium der Lymphadenopathie (LAS = Lymphadenopathisches Syndrom) etablieren. Es ist durch eine mehr als drei Monate persistierende Vergrößerung von mindestens zwei peripheren Lymphknoten gekennzeichnet. Das LAS-Stadium kann in den AIDS-related complex (ARC) übergehen. Hier treten zusätzlich Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust auf, und gelegentlich beobachtet man beginnende opportunistische Infektionen (AIDSdefinierte Markerinfektionen) wie eine ösophageale Candidiasis, eine Cytomegalovirus-assoziierte Retinitis, Herpes zoster oder das mit dem humanen Herpesvirus Typ 8 assoziierte Kaposi-Sarkom. Die Symptome können sich aber spontan wieder zurückbilden. HIV-spezifische Antikörper sind auch während dieser Zeit im Serum der Patienten vorhanden, und die Zahl der CD4+-Zellen kann auf unter 400 pro Mikroliter absinken. Die HIV-Infektion kann in der Phase des LAS/ARC über Jahre stabil bleiben oder innerhalb weniger Wochen und Monaten in das Vollbild der AIDS-Erkrankung übergehen. Ein Hinweis auf die Verschlechterung der klinischen Situation ist meist der weitere Abfall der CD4+-Zellen. Als eine kritische Grenze gelten 200 CD4+-Zellen pro Mikroliter Blut. Zunehmende Defekte der zellvermittelten Immunantwort, die vor allem zu sich wiederholenden Infektionen mit opportunistischen Erregern und/oder dem Auftreten von malignen Tumoren (vor
18.1 Retroviren
allem Kaposi-Sarkomen bei homosexuellen Männern und Lymphomen) führen, charakterisieren das Vollbild AIDS. Neurologische Symptome (subakute Encephalitis) sind in der Spätphase der Erkrankung häufig. Bei einem Teil der Patienten entwickeln sich Demenzsyndrome mit Gehirnatrophie. In Liquor und im Gehirn dieser Personen, aber auch bei HIV-positiven Personen ohne neurologische Manifestation sind Viren nachweisbar. In der Spätphase der Erkran-
CDC I
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kung sinken die HIV-spezifischen Antikörper ebenso wie die CD4-Zellzahl ab, und infektiöse Viren sind im peripheren Blut in sehr großen Mengen nachweisbar. Die Patienten erliegen meist einer der lebensbedrohenden, opportunistischen Infektionen. Die HIV-Erkrankung kann nach den Kriterien des Centers for Disease Control (CDC) in Stadien unterteilt werden, die den Zustand der Infektion wiedergeben und
CDC III
CDC II
anti-p24 (IgM)
Antikörperspiegel
anti-p24 (IgG) anti-gp41 (IgM) anti-gp41 (IgG)
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Spiegel der HIV-Varianten
R5-Viren S/L und NSI (makrophagotrop)
X4-Viren R/H und SI (T-lymphotrop) 1
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18.12 Klinische Krankheitsstadien nach der CDC-Klassifikation (oben) in Verbindung mit dem serologischen Verlauf der HIV-Infektion (Mitte) und den Konzentrationen an freiem HIV im peripheren Blut (unten). Frühzeitig nach der Infektion findet man die Bildung von IgM gegen die Capsidproteine (hellrot), gefolgt von IgM gegen die Glycoproteine (rot). Dem IgM folgen IgG-Antikörper gegen die Capsidproteine (hellgrau) und die Glycoproteine (schwarz). Während IgM einige Monate nach der Infektion nicht mehr nachweisbar ist, bleibt die Konzentration des IgG über unterschiedlich lange Zeiträume konstant. Sie nimmt beim Übergang der Erkrankung in das Stadium CDC-III ab. Zu Beginn der Infektion findet man in den infizierten Zellen bevorzugt HIV-Varianten (R5-Viren), die in der Zellkultur dem Wachstumstyp slow/low (S/L, rote Linie) entsprechen beziehungsweise keine Syncytienbildung induzieren (NSI). Diese nehmen bei fortschreitender Infektion ab und werden kontinuierlich durch HIV-Varianten (X4-Viren) ersetzt, die zur Induktion der Syncytienbildung (SI, schwarze Linie) neigen und sich in Kultur schnell zu hohen Konzentrationen (rapid/high = R/H) vermehren.
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18 Viren mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt
Tabelle 18.3 Klinische Kategorien der HIV-Infektion des Centers for Disease Control (CDC) Kategorie A
akute HIV-Infektion: mononucleoseähnliches Bild akute (primäre) HIV-Infektion mit Symptomen perstistierende, generalisierte Lymphadenopathie (LAS)
Kategorie B
Krankheiten und Symptome, die nicht in Kategorie A und in die AIDS-definierte Kategorie C fallen, die aber ursächlich mit der HIV-Infektion verbunden sind oder auf eine Störung der zellulären Immunabwehr schließen lassen: bazilläre Angiomatose Candida-Infektionen des Oropharynx chronisch verlaufende oder schwere vulvovaginale Candida-Infektionen cervicale Dysplasien oder Carcinoma in situ andauerndes Fieber über 38,5 °C Durchfälle, die länger als vier Wochen andauern orale Haarleukoplakie idiopathische thrombocytopenische Purpura (ITP) rezividierender Herpes zoster (Gürtelrose) periphere Neuropathie
Kategorie C
AIDS-kennzeichnende Erkrankungen: Pneumocystis carinii-Pneumonie Toxoplasma-Encephalitis Candida-Infektionen des Ösophagus, der Bronchien, der Luftröhre und der Lunge chronische Herpes-simplex-Infektionen mit Ulcerationen, Herpesbronchitis, Herpespneumonie, Herpesösophagitis generalisierte Cytomegalovirusinfektionen, Cytomegalovirusretinitis extrapulmonale Cryptococceninfektionen disseminierende oder extrapulmonale Tuberkulose (typische und atypische Mykobakterien; Mycobacterium avium oder M. kansasii) Kaposi-Sarkom (HHV-8) maligne Lymphome (Burkitt-Lymphom, immunoblastisches oder primäres cerebrales Lymphom, EBV-assoziierte Lymphome) invasive Cervixkarzinome (humane Papillomviren) progressive multifokale Leukoencephalopathie (PML) assoziiert mit JC-Virus HIV-Encephalopathie Wasting-Syndrom
prognostisch wichtig sind. Sie setzen sich aus den drei klinischen Kategorien der Krankheit (䉴 Tabelle 18.3) sowie der Anzahl CD4+-Zellen zusammen, die man ebenfalls drei Gruppen (1-3) zuordnet: Kategorie 1 für Patienten, die mehr als 500 CD4+-Zellen pro Mikroliter Blut (der Normalwert liegt bei 800 bis 1 000 CD4+-Zellen pro Mikroliter Blut) aufweisen; Kategorie 2 für Patienten mit 200 bis 499 CD4+-Zellen pro Mikroliter Blut und Kategorie 3 für solche mit Werten unter 200 CD4+-Zellen pro Mikroliter Blut. Dadurch ergeben sich neun Kategorien, A1–A3, B1–B3, C1–C3, in welche die Patienten aufgrund ihrer CD4-Zellzahl und ihrer klinischen Symptomatik eingruppiert werden können: In der Kategorie A1 sind beispielsweise Patienten ohne Symptome und mit CD4-Werten über 500 zu finden, in der Kategorie B2 symptomatische Patienten mit einer CD4Zellzahl zwischen 200 und 499, und in der Kategorie C3 solche mit AIDS definierenden Erkrankungen (klinische
Kategorie C) und weniger als 200 CD4+-Zellen pro Mikroliter Blut. Patienten aus Kategorie A3, B3 und C1 bis C3 werden als AIDS-Patienten betrachtet (䉴 Abbildung 18.13).
Pathogenese Viruspartikel und virusinfizierte Zellen gelangen bei den durch Sexualkontakte übertragenen Infektionen in die Vaginal- oder Darmschleimhaut oder über Verletzungen direkt in das Blut. Vermutlich sind Langerhans-Zellen der Haut, dendritische Zellen und Makrophagen, die in die Schleimhautbereiche einwandern, die ersten Zielzellen des Virus. Makrophagen stellen eines der langfristigen Reservoirs für persistierende Viren dar. Sie sind wegen ihrer Präsenz an den Eintrittsstellen des HIV in den Organismus von besonderer Bedeutung. Die makrophagotropen R5-Viren binden sich an die Ober-
18.1 Retroviren
fläche der Makrophagen, indem sie mit den CD4- und CCR5-Rezeptoren wechselwirken. Es wurde gezeigt, dass Menschen, die aufgrund einer 32 Basenpaare umfassenden homozygoten Deletion in dem für das CCR5-Protein codierenden Gen diesen Chemokinrezeptor nicht produzieren, über Sexualkontakte mit HIV nicht infiziert werden können und daher resistent sind. Heterozygote Individuen erkranken deutlich später und haben eine langsamere Progression. Das bedeutet auch, dass bei Inokulation über die Schleimhautbereiche die HIV-Varianten mit Tropismus für T-Lymphocyten (X4Viren) in der sehr frühen Phase der Infektion keine wesentliche Rolle spielen, da sie an diesen Eintrittsstellen in den Organismus keine für sie infizierbaren TLymphocyten vorfinden. Die T-zelltropen HIV-Varianten, die den CXCR4-Rezeptor als Cofaktor bei der Adsorption verwenden, entwickeln sich erst im weiteren Infektionsverlauf durch kontinuierliche Mutation aus den ursprünglich makrophagotropen Viren. Die Bindung der viralen Oberflächenproteine an die verschiedenen Chemokinrezeptoren aktiviert in den Zellen zugleich eine Signalkaskade, die derjenigen ähnelt, die durch die natürlichen Liganden ausgelöst wird. Dadurch produzieren die infizierten Makrophagen eine Reihe von chemotaktisch wirkenden Chemokinen, die weitere Makrophagen und dendritische Zellen anlocken; diese wiederum dienen dem Virus als neue Zielzellen. Über die afferenten Lymphbahnen werden die infizierten Zellen aus den Schleimhautbereichen in die nächstliegenden Lymphknoten transportiert. Die Lymphknoten, die danach das HIV in ihrem Netzwerk aus follikulären dendritischen Zellen enthalten, sind das Virusreservoir. Hier findet der Erreger Monocyten, Makrophagen und primäre T-Lymphocyten, die auf ihren Oberflächen über die für die Infektion notwendigen Rezeptoren CD4 und CCR5 verfügen, für seine Vermehrung vor und stimuliert gleichzeitig die zellvermittelte und die humorale Immunantwort. Makrophagen transportieren das Virus in das Gehirn und in andere Organe. Man konnte zeigen, dass Makrophagen kleine Membranvesikel von ihren Oberflächen abschnüren, die das CCR5-Protein enthalten. Diese Mikropartikel sind in der Lage, mit den Zellmembranen anderer Zelltypen zu verschmelzen, welche dann – wenn auch nur kurzfristig – den CCR5-Rezeptor besitzen. Dies könnte einen Weg darstellen, über welchen HIV auch in Zelltypen, wie beispielsweise Astrocyten oder Endothelzellen gelangt, die den Chemokinrezeptor gewöhnlich nicht synthetisieren. Diese Zellen könnten also auf diese Weise infiziert werden und weitere Reservoirs für persistierende Viren darstellen. Während der Latenzphase erfolgt eine aktive Virusreplikation, obwohl man kaum infektiöses, frei zirkulie-
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rendes HIV im Blut findet. Im peripheren Blut ist nur etwa eine von 104 bis 105 CD4+-Zellen mit HIV infiziert, die Architektur der Lymphknoten ist anfangs intakt. In ihren Keimzentren findet man jedoch eine hochgradige Anreicherung HIV-infizierter Zellen wie auch mit Antikörpern komplexierter Viren. Während dieser frühen Infektionsphase repliziert sich das Virus außer in den Lymphknoten auch in anderen Lymphgeweben wie der Milz, den Tonsillen und den Peyerschen Plaques. Die Virusreplikation bewirkt in diesen Organen zuerst eine Hyperplasie mit den daraus resultierenden Lymphknotenschwellungen (Lymphadenopathie) und schließlich die Zerstörung des Gewebes (Lymphatrophie). Aber auch im peripheren Blut werden während der frühen, noch symptomfreien Phase der Infektion pro Tag etwa 1010 neue infektiöse Viruspartikel gebildet, freigesetzt und fast ebenso viele CD4+-Zellen zerstört – das entspricht etwa fünf Prozent der gesamten Lymphocyten eines Menschen. CD4+-Lymphocyten haben physiologisch nur eine sehr kurze Halbwertszeit von wenigen Tagen und unterliegen einem hohen Turnover. Zunächst können sie durch kontinuierliche Differenzierung der Vorläuferzellen aus dem Knochenmark nahezu vollständig regeneriert werden. Die Viren werden von dem zu dieser frühen Infektionsphase noch intakten Immunsystem abgefangen und eliminiert. Es findet also eine massive Virusproduktion statt, die aber von der Immunabwehr in Schach gehalten wird. Im weiteren Erkrankungsverlauf bricht dieses Gleichgewicht beim Übergang in die symptomatische Phase zusammen. Das Immunsystem kann die freigesetzten Viren und die virusproduzierenden Zellen nicht mehr kontrollieren. Die fortschreitende Schädigung der Populationen der CD4+-Lymphocyten, Makrophagen und dendritischen Zellen führt zum Ausfall der damit verbundenen immunologischen Funktionen. Da hiervon auch die Cytokinproduktion und -sezernierung betroffen ist, werden indirekt die CD8+-Lymphocyten nicht aktiviert und stehen somit für Abwehrreaktionen nicht mehr zu Verfügung. Letzendlich kommt es zu opportunistischen Infektionen mit Erregern, die normalerweise vom Immunsystem in Schach gehalten werden können (䉴 Tabelle 18.3 und Abbildung 18.13). Das HIV-Genom unterliegt einer hohen Mutationsrate – aufgrund der Fehlerrate bei den Transkriptionsvorgängen besitzt jedes produzierte Virus durchschnittlich mindestens ein falsch eingebautes Nucleotid. Aufgrund des gleichzeitig ausgeübten Selektionsdrucks durch das Immunsystem verändern die Viren kontinuierlich die Epitope sowohl für die humorale als auch für die zelluläre Immunreaktion und entgehen den Abwehrmechanismen. Zugleich mit der Ausbildung von immunologisch nicht mehr kontrollierbaren Varianten verän-
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Verlauf der HIV-Infektion
1 000
AIDS opp. Infektionen
Primärinfektion
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750
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3
6 9 12 Wochen
1
2
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6 7
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6 5 4 3 2
Virus-RNA (Kopien/ml)
10
klinische Latenz CD4+-Zellen/μl
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9 10 11 12
Jahre
18.13 Verlauf der HIV-Infektion. In schwarz ist der zeitliche Verlauf der Zahl der CD4+-Zellen pro Mikroliter Blut dargestellt, in rot die Virusmenge in Genomkopien pro Milliliter Blut. Unten ist die Zeitachse angegeben, von den ersten Wochen der Infektion bis zu einer Zeitspanne von mehr als zehn Jahren. Die Symptome der Kategorien A (hier Primärinfektion), die klinische Latenzphase und die AIDS-kennzeichnenden opportunistischen Infektionen (C) sind oben schematisch angegeben. Die stetige Zunahme der Viruslast kann mathematisch berechnet werden (etwa 0,1 log-Stufen pro Jahr der Infektion). Im Endstadium fällt die Zahl der CD4+-Zellen rasch ab, die Virusmenge und opportunistische Infektionen nehmen dagegen zu. Letztendlich verstirbt der Patient unter völligem Versagen der Immunabwehr an diesen opportunistischen Erregern.
dern die Viren ihre Replikationseigenschaften und zeigen einen veränderten Zelltropismus (䉴 Abbildung 18.12). Während man in der frühen Infektionsphase bevorzugt R5-Viren isoliert, die Makrophagen und Monocyten infizieren, sich in vitro langsam (slow) mit niedrigen (low) Konzentrationen an Nachkommenviren vermehren und nur wenige Syncytien durch die gp120/CD4vermittelte Fusion der Zellmembranen induzieren (no syncytium induction) – sie werden deshalb als S/L- oder NSI-Stämme bezeichnet –, haben die X4-Viren der Spätstadien andere Charakteristika: Sie zeigen einen ausgeprägten Tropismus für die Infektion von T-Lymphocyten, replizieren sich in der Kultur rasch (rapid) zu hohen (high) Titern und vermitteln die Bildung einer Vielzahl von Riesenzellen (R/H- oder SI-Stämme). Zusammenfassend kann man folgern, dass sich durch die kontinuierlichen Mutationen im Infektionsverlauf hochvirulente Virusvarianten bilden, die der Immunantwort entgehen, sich explosionsartig in den lymphatischen Geweben vermehren und diese zerstören. Im AIDS-Stadium ist folglich die Architektur der Lymphknoten zerstört, das Netzwerk der follikulären und interdigitierenden dendritischen Zellen und die Keimzentren sind aufgelöst, und alle restlichen CD4+-TLymphocyten produzieren Viren. Für die fortschreitende Abnahme der CD4-Zellen sind mehrere Faktoren verantwortlich:
1. Die cytolytische Wirkung des HIV; diese betrifft vor allem CD4+-T-Lymphocyten, die als Folge der Virusreplikation zerstört werden. 2. Apoptotische Prozesse; die in der Frühphase der Infektion durch R5-Viren infizierten Monocyten und Makrophagen sezernieren Cytokine und Chemokine (unter anderem TNF-α, IL-8, RANTES, MIP-1), die an Rezeptoren auf den Oberflächen von T-Lymphocyten binden und dort apoptotische Prozesse, also den programmierten Zelltod, induzieren. Die Apoptose wird auch durch die Interaktion der CD4-Rezeptoren auf uninfizierten Zellen mit gp120-AntikörperKomplexen ausgelöst. Das externe Glycoprotein ist – wie im 䉴 Abschnitt 18.1.3 beschrieben – nichtkovalent mit dem transmembranen Protein gp41 oder anderen Komponenten des Viruspartikels verbunden. Es kann daher als lösliches gp120 abgegeben werden, mit zirkulierenden Antikörpern reagieren und nach Bindung an die CD4-Rezeptoren den Zelltod auslösen. Auch von den infizierten Zellen sezernierte Tat-Proteine sind in der Lage, die Apoptose zu induzieren. 3. Zelluläre Immunreaktionen gegen CD4+-Zellen; verantwortlich hierfür ist die Bindung des gp120 an die Zelloberfläche nicht infizierter T-Lymphocyten und seine anschließende Aufnahme. In der Zelle wird das Protein durch Proteasen abgebaut, und die entste-
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¡ Die cytotoxischen T-Zellen sind für die Dauer des symptomfreien Trägerstadiums sehr wichtig Die Bedeutung der cytotoxischen T-Zellen für die Kontrolle der HIV-Infektion lässt sich durch die Untersuchungen an Langzeitüberlebenden belegen. Hierbei handelt es sich um Personen, bei denen eine symptomfreie Latenzphase zum Teil schon über fünfzehn Jahre lang andauert. Bei ihnen findet man signifikant höhere Werte cytotoxischer CD8+-Lymphocyten als bei Patienten mit den üblichen Erkrankungsverläufen. Auch haben die Langzeitüberlebenden normale Cytokinwerte und eine intakte TH1-Zellpopulation, hohe Konzentrationen eines die Virusreplikation supprimierenden Cytokins werden von den CD8+-Zellen sezerniert. Vermutlich verfügt dieser Personenkreis über MHC-Klasse-ISubtypen, die T-Zell-Epitope aus für die Virussynthese funktionell wichtigen Proteinbereichen präsentieren. In diesen Epitopbereichen kann das Virus keine Mutationen tolerieren, da diese zu einer Einbuße der Proteinfunktion führen würden. Auch gibt es Hinweise darauf, dass sich HIV-Infektionen in bestimmten Menschen nicht etablieren können: Manche
Prostituierte in Großstädten Gambias, die nachweislich Kontakt mit HIV hatten, zeigten weder eine Serokonversion noch konnte man das Virus in den Lymphocyten nachweisen. In diesem Gebiet Zentralafrikas war anfangs das HIV-2 wesentlich weiter verbreitet als HIV-1. Diese Situation hat sich jedoch während der letzten Jahre umgekehrt. Nach Vergleich der Proteinsequenzen der beiden Virustypen suchte man in den konservierten Domänen nach Peptiden, die von den HLA-B35 und HLA-B53 präsentiert werden können. Beide HLA-Typen sind in der Bevölkerung Gambias sehr häufig anzutreffen. Man konnte zeigen, dass die Prostituierten über cytotoxische T-Lymphocyten verfügten, die HIV-infizierte Zellen in vitro erkennen und lysieren können. Vermutlich hatte also ein Kontakt mit den Viren stattgefunden, ohne dass sich die Infektion etablieren konnte. Die Frauen besitzen offenbar cytotoxische T-Gedächtniszellen, die sie vermutlich bei Folgekontakten mit den Viren vor der Infektion schützen.
henden Peptide können von MHC-Molekülen präsentiert werden. Diese Lymphocyten simulieren einen Infektionszustand und können durch cytotoxische T-Zellen eliminiert werden.
tion der einen auf Kosten der anderen vermieden wird. Man fand, dass während der HIV-Latenzphase die Cytokinsekretion der durch die Infektion geschädigten TH1Zellen kontinuierlich abnimmt und als Folge hiervon die Fähigkeit der CD8+-Lymphocyten, infizierte Zellen zu eliminieren, verloren geht. Zugleich geht auch die Konzentration der von den immunologisch aktivierten T-Lymphocyten, Makrophagen und dendritischen Zellen sezernierten Chemokine zurück. Diese natürlichen Liganden der von HIV als Corezeptoren benutzten CCR5- und CXCR4-Proteine hemmen normalerweise die Adsorption der Viren an die Zellen und somit auch die Infektion. Möglicherweise ist also die gestörte Cytokinproduktion neben der hohen genetischen Variabilität der Viren eine der grundlegenden Ursachen für die Unfähigkeit des zellulären Immunsystems, die Virusinfektion zu kontrollieren und einen symptomfreien Zustand langfristig aufrecht zu erhalten.
All diese Mechanismen können dazu beitragen, dass im Infektionsverlauf kontinuierlich mehr CD4+-Zellen zerstört als nachgebildet werden. Als Folge davon ist das Immunsystem immer weniger in der Lage, die HIV-Vermehrung, aber auch andere opportunistische Infektionen zu kontrollieren. Für die Immunkontrolle der Infektion sind vor allem die CD8+-, cytotoxischen T-Lymphocyten verantwortlich. Sie erkennen HIV-infizierte Zellen, die Peptidfragmente der Virusproteine über MHC-Klasse-I-Antigene präsentieren, und lysieren diese. Die Aktivität der zellvermittelten Immunantwort wird durch TH1-Zellen (T-Helfer-1Zellen), eine Subpopulation der CD4+-T-Lymphocyten, reguliert. Sie sezernieren IL-2 und IFN-γ, welche die Aktivität der cytotoxischen T-Zellen stimulieren. Im Unterschied hierzu unterstützt die Gruppe der TH2-Zellen durch die Abgabe der Interleukine 4, 6, 8 und 10 die humorale, durch Antikörper vermittelte Abwehrreaktion. Die jeweiligen Cytokine ermöglichen bei gesunden Personen zugleich eine gegenseitige Kontrolle der beiden Subpopulationen, sodass eine unkontrollierte Reak-
Immunreaktion und Diagnose Der Verlauf der Antikörperantwort ist in 䉴 Abbildung 18.12 dargestellt. Zwischen der Infektion und dem Nachweis der ersten Immunglobuline können einige Wochen liegen. Worauf die bei einigen Patienten verzögerte Antikörperproduktion beruht, ist unklar. Man vermutet, dass
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hierfür sowohl die Virusmenge, die in den Organismus gelangt, als auch der Immunstatus des jeweiligen Patienten wichtig sind. Dieses „serologische Fenster“ muss bei der Diagnostik beachtet werden, da es sonst zu negativen Fehlbefunden kommen kann, obwohl die Patienten in diesem Stadium hochinfektiös sind. IgM gegen die Gagund Env-Proteine sind etwa drei bis vier Wochen nach der Infektion während eines Zeitraums von einigen Monaten in ELISA-Tests und Western-Blots nachweisbar. Ihnen folgen IgG-Antikörper gegen die Strukturproteine. Frühzeitig während der Infektion findet man auch Antikörper gegen das Nef-Protein. Antikörper gegen die Strukturproteine bleiben während der Latenzphase in konstanten Konzentrationen erhalten. Bei Verschlechterung der klinischen Situation gehen sie zurück. Beim Vollbild der AIDS-Erkrankung sind sie in geringerer Menge im Serum vorhanden. Viren lassen sich bereits kurze Zeit nach der Infektion durch den Nachweis von p24-Capsidproteinen im HIV-Capture-ELISA beziehungsweise im HIV-Combo-ELISA (Nachweis von p24 und von Antikörpern gegen p24), von viraler Nucleinsäure durch die Polymerasekettenreaktion oder durch die Anzucht von infektiösen Viren nachweisen. Die Zahl der Virus-RNA-Genome, die nach der Primärinfektion während der Latenzphase im Blutplasma nachweisbar ist, lässt relativ verlässlich auf die Dauer der Latenzperiode schließen (䉴 Abbildung 18.13). Da sich im peripheren Blut jedoch nur etwa 20 Prozent der weißen Blutkörperchen befinden – die restlichen sind in den Lymphgeweben – geben die hier bestimmten Zellzahlen und Virusmengen nur ein unvollkommenes Bild von der Gesamtsituation im Organismus. Im diagnostischen Alltag benützt man eine Stufendiagnostik, die grundlegend auf einem extrem sensitiven p24-Combo-ELISA zum Nachweis von p24 und von Antikörpern gegen p24 beruht, der als Suchtest eingesetzt wird. Jede positive Reaktion muss mit einem anderen serologischen Testverfahren – in Deutschland mit dem Immunoblot – bestätigt werden. Zusätzlich muss zum Ausschluss von Verwechslungen eine zweite, unabhängige Serumprobe des Patienten untersucht werden. Erst dann darf das Ergebnis als „positiv“ bewertet werden. Die Höhe der Viruslast wird mittels quantitativer RT-PCR aus Plasma ermittelt; diese Methode bestimmt die Menge der freien, nicht zellgebundenen Viruspartikel. Die quanitative RT-PCR wird auch zur kontinuierlichen Kontrolle des Therapieerfolgs genutzt. Steigt die Viruslast trotz Medikamenteneinnahme wieder an, ist an das Vorliegen einer Resistenzentwicklung zu denken. Die diesem Vorgang zugrunde liegenden Mutationen im Virusgenom werden meist mittels der RT-PCR und anschließender Sequenzierung der Amplifikate bestimmt. Die resistenten Virusvarianten können aber
auch phänotypisch durch Virusanzucht und direkte Resistenztestung in Zellkultur sowie durch Amplifikation der für die reverse Transkriptase oder Protease codierenden Virusgenomabschnitte und deren Einbringung in entsprechende rekombinante HIV-Testviren analysiert werden. Die zelluläre Immunantwort wurde im vorhergehenden Abschnitt bereits detailliert beschrieben. Virusspezifische cytotoxische T-Zellen und T-Helferzellen sind in der Früh- und Latenzphase nachweisbar. T-Zellepitope hat man in fast allen Virusproteinen gefunden. Ihre Erkennung hängt in großem Maße von der bei der Infektion vorherrschenden Virusvariante und dem MHC-Klasse-I- und -Klasse-II-Typ des Patienten ab.
Therapie und Prophylaxe Für die Therapie der HIV-Infektion stehen verschiedene nucleosidische und nichtnucleosidische Hemmstoffe von Virusenzymen, genauer die reverse Transkriptase, die Integrase sowie Inhibitoren der Protease zur Verfügung (䉴 Kapitel 9). Die Indikation für die Therapie hängt von der Viruslast, der CD4+-Zellzahl und der klinischen Symptomatik ab. Patienten in den klinischen Kategorien B und C sind immer behandlungsbedürftig, bei Infizierten der Kategorie A hängt es von Viruslast und CD4+Zellzahl ab, ob man mit der Therapie beginnt. Die Primärinfektion wird nicht behandelt. Die Medikamente werden zur Behandlung der Patienten immer in Kombination eingesetzt, um möglichst viele voneinander unabhängige Funktionen des Virus zu treffen, die für seine Vermehrung essenziell sind. Bei dieser hoch aktiven antiretroviralen Therapie (HAART) werden Kombinationen von mindestens zwei verschiedenen Hemmstoffen der reversen Transkriptase mit einem Proteaseinhibitor verwendet. Als Nucleosidanaloga verwendet man hauptsächlich Azidothymidin, Didesoxycytosin, Didesoxyinosin, Lamivudin oder Abacavir. Sie kompetieren mit den natürlichen Nucleotiden um das aktive Zentrum der reversen Transkriptase und werden in die DNA-Stränge eingebaut; dies führt zum Kettenabbruch. Die nichtnucleosidischen Hemmstoffe wie Nevirapin, Delavirdin, Lovirid, Efavirenz binden sich an andere für die Funktion des Enzyms wichtige Domänen, beispielsweise an die Pyrophosphatbindungsstelle. Als Proteaseinhibitoren stehen Saquinavir, Indinavir, Nelfinavir, Ritonavir und Fortovase zur Verfügung. Ähnlich wie die Nucleosidanaloga kompetieren auch sie mit den natürlichen Spaltstellen in den Vorläuferproteinen Gag und Gagpol um das aktive Zentrum der viralen Protease (Peptidomimetika). Ebenso existieren Hemmstoffe der Integrase (Raltegravir). Einen neuen antiretroviralen Hemmstoff stellt das HIV-Therapeutikum Enfuvirtid
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(auch T20 genannt) dar, das 2003 in der Europäischen Union zugelassen wurde: Es entspricht der 38 Aminosäurereste umfassenden Heptadwiederholungseinheit aus der zentralen Domäne des g41, die sich vor der Transmembranregion dieses Proteins befindet. Während der Konformationsänderung des gp41 nach der Adsorption des Virus an Rezeptor und Corezeptor bilden diese Aminosäuren eine Coiled-Coil-Struktur, die Voraussetzung für die folgende Fusion der Virus- mit der Zellmembran ist. Liegt Enfuvirtid modifiziert mit einer Membranankerregion in der Membran der TLymphocyten und Makrophagen vor, dann verhindert es die für die Infektion notwendigen Umlagerungen in der Proteinstruktur. Die Zellen können nicht infiziert werden. Man versucht, Enfuvirtid zusammen mit anderen Hemmstoffen zu kombinieren. Weitere antivirale Therapeutika, die bereits in klinischen Studien erprobt werden, zielen auf den Viruseintritt (AttachmentHemmstoffe, Corezeptor-Antagonisten) oder das virale Budding. So wurde im Jahr 2007 ein Corezeptor-Antagonist zugelassen. Maraviroc blockiert den CCR5Rezeptor und ist demzufolge als Therapeutikum nur geeignet, die Infektion von R5-Viren zu verhindern. Ein weiterer Einsatzort der HIV-Medikamente sind post-expositionelle Situationen, beispielsweise nach Nadelstichverletzungen an einem HIV-positiven Patienten, bei denen sofort oder zumindest während der ersten Stunden nach der Verletzung die HAART eingeleitet und für einen Zeitraum von vier Wochen durchgeführt wird, um die Infektion möglichst zu verhindern. Als problematisch erweist sich das rasche Auftreten von resistenten HIV-Varianten, deren Replikation durch die Inhibitoren nicht mehr beeinflusst werden kann. Offensichtlich induziert jeder Hemmstoff einen bestimmten Typ von Mutationen. Daher verfolgt man während der Therapie das Auftreten von resistenten Viren, indem bestimmte Mutationen im Virusgenom (beispielsweise im Gen der reversen Transkriptase oder der Protease) durch Amplifikation des entsprechenden Genomabschnitts mittels der Polymerasekettenreaktion und anschließender Sequenzierung nachgewiesen werden. Die Mutationen werden dann Resistenzen gegen bestimmte Hemmstoffe zugeordnet. Werden während der HAART Mutationen identifiziert, die auf die Entwicklung von Resistenzen hinweisen, wechselt man – soweit möglich – die Zusammensetzung des Medikamentencocktails. Durch den Selektionsdruck, der durch Einsatz der antiviralen Medikamente ausgeübt wird, nahm auch die Rate an Infektionen mit bereits resistenten HIV-Varianten zu, ohne dabei aber eine Grenze von etwa 15 Prozent zu überschreiten. Durch die antiretrovirale Therapie kann die Konzentration des Virus im peripheren Blut bis unter die Nach-
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weisgrenze abgesenkt und die asymptomatische Phase der Infektion über Jahre verlängert werden. Bisher kann jedoch auch durch die HAART nur der Eintritt der HIVErkrankung in das Vollbild AIDS verzögert und so das Leben der Patienten verlängert werden; eine Heilung, das heißt die vollständige Eliminierung der viralen Erbinformation aus den Zellen des Organismus, erfolgt nicht. Dies bedeutet, dass das Virus im Organismus über Reservoire verfügt, in welchen es von den Hemmstoffen nicht getroffen wird. Es handelt sich dabei wohl hauptsächlich um HIV-Proviren, die bereits in der Frühpase der Infektion in das Genom von ruhenden T-Zellen integriert wurden. Nur dann, wenn diese T-Zellen aktiviert werden, erfolgt auch in ihnen die Produktion von infektiösen Viren. Deswegen versucht man, durch den gleichzeitigen Einsatz von Cytokinen die ruhenden Zellen zu aktivieren, um dadurch die Viren der Hemmstoffwirkung zugänglich zu machen, bevor sich resistente Varianten bilden. Ein sehr vielversprechender neuer Ansatz war auch eine Knochenmarkstransplantation eines HIV-infizierten Patienten mit Zellen eines Spenders, der eine homozygote Mutation im CCR5-Lokus (CCR5del32) trug und dessen Zellen damit resistent gegenüber der Infektion mit R5-Viren waren. Zusätzlich zur antiretroviralen Therapie werden die opportunistischen Infektionen gezielt durch Antibiotika-, Virostatika- und Fungizidgaben bekämpft. Bei Einsatz der HAART sind natürlich auch die mittel- und langfristigen Nebenwirkungen der antiviralen Chemotherapeutika zu beachten und den individuellen Reaktionen der Patienten anzupassen. Hierbei handelt es sich insbesondere um Veränderungen im Fettgewebe (Hypertrophie und Atrophie) und um ernste kardiovaskuläre Ereignisse. Diese Nebenwirkungen führten zum Großteil dazu, dass derzeit bei AIDS-Patienten die nicht HIVassoziierten Wirkungen die HIV-assoziierten Todesursachen überflügeln. Bisher sind alle klassischen Ansätze für die Entwicklung eines präventiv wirkenden Impfstoffes gescheitert; dies gilt auch für therapeutische Impfstoffe. Die Gabe von abgetöteten HI-Viren, rekombinanten Vacciniaviren, welche die HIV-spezifischen Glycoproteine synthetisierten, von gentechnologisch produzierten Oberflächenproteinen, virusähnlichen Gag-Partikeln oder synthetischen Peptiden aus verschiedenen Virusproteinen induzierte in Tierexperimenten keinen Schutz vor der Infektion mit dem Wildtypvirus. Verantwortlich sind hierfür wohl die hohe Variabilität, die es dem Erreger gestattet, den induzierten Antikörpern und cytotoxischen T-Zellen zu entgehen, und das Unvermögen, durch Totimpfstoffe eine ausreichende, zelluläre Immunantwort zu induzieren.
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Die humanen T-Zell-Leukämie-Viren (HTLV) Epidemiologie und Übertragung Das humane T-Zell-Leukämie-Virus Typ 1 wurde erstmals 1980 von Robert Gallo und Mitarbeitern aus einem Patienten mit adulter T-Zell-Leukämie (ATL) isoliert. Diese Form der T-Zell-Leukämie kommt nur bei Erwachsenen und vor allem in Japan, der Karibik, Südamerika und Afrika vor. In diesen Ländern haben etwa fünf bis 15 Prozent der Bevölkerung Antikörper gegen HTLV-1. Aus Untersuchungen in Japan geht hervor, dass etwa drei bis fünf Prozent der HTLV-1positiven Personen im Alter zwischen 20 und 70 Jahren eine ATL entwickeln. Alle ATL-Patienten sind seropositiv, und man kann bei ihnen HTLV-1-infizierte T-Zellen nachweisen. Dies und die Tatsache, dass im Genom aller Leukämiezellen HTLV-1-Gensequenzen integriert sind, weist auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Virusinfektion und der Erkrankung hin. Außerdem ruft die HTLV-1-Infektion in tropischen Ländern langsam fortschreitende Myelopathien, die tropische spastische Paraparese (TSP) und die HTLV-1assoziierte Myelopathie (HAM), hervor. Letztere tritt in Gebieten Japans mit endemischer HTLV-1-Verbreitung auf. Die Übertragung des Virus erfolgt durch Bluttransfusionen, Sexualkontakte und hauptsächlich durch die Milch infizierter Mütter beim Stillen. Die Viren werden nicht als freie Partikel, sondern durch die infizierten Zellen weitergegeben. Zellfreies Blutplasma seropositiver Spender ist also nicht infektiös. Die myelopathischen Erkrankungen werden vor allem nach HTLV-1-positiven Bluttransfusionen beobachtet und sind seit Einführung der serologischen Testung aller Blutkonserven in Ländern mit erhöhter HTLV-Prävalenz deutlich zurückgegangen. HTLV-2 ist mit HTLV-1 eng verwandt. Die Genome besitzen etwa 60 Prozent Sequenzhomologie. Das HTLV-2 wurde 1982 von der Arbeitsgruppe von Robert Gallo aus der immortalisierten CD8+-, morphologisch ungewöhnlichen T-Zelllinie einer Haarzellleukämie isoliert. Bis heute gelangen weitere Virusisolierungen nur in vereinzelten Fällen. Es ist unklar, ob HTLV-2 menschliche Leukämien oder andere Erkrankungen verursacht. Auch über die Verbreitung des Virus ist nur wenig bekannt. In der indianischen Bevölkerung Nord- und Südamerikas findet man gehäuft seropositive Personen, die es auch unter intravenösen Drogenabhängigen in Nordamerika und in Europa gibt.
Klinik Die Primärinfektion mit HTLV verläuft asymptomatisch und die meisten Infizierten bleiben lebenslang symptomfreie Virusträger. Die akute ATL ist durch vergrößerte Lymphknoten, Leber und Milz, Hautläsionen und die Infiltration leukämischer Zellen in verschiedene Organe gekennzeichnet. Die meisten Patienten weisen erhöhte Calciumkonzentrationen im Blut auf. Neben der akuten, findet man eine chronische Form der ATL, bei der die Patienten nur wenige morphologisch veränderte T-Zellen im Blut besitzen und über lange Zeiträume keine Anzeichen der Erkrankung aufweisen. Die chronische ATL kann spontan in die akute Form übergehen. Bei Entwicklung einer akuten ATL tritt meist innerhalb eines Jahres der Tod ein. Die tropische spastische Paraparese mit beidseitigen Lähmungserscheinungen der Gliedmaßen und dem Verlust der Kontrollfunktionen über Blase und Darm tritt etwa zwei Jahre nach der Übertragung des Virus durch eine kontaminierte Blutkonserve ein. Sowohl bei der TSP wie auch bei der HAM entwickeln sich im Rückenmark und in den Rückenmarkshäuten (Meningen) histopathologisch erkennbare perivasculäre Entzündungen. Bei den Patienten findet man eine große Anzahl infizierter, morphologisch veränderter T-Lymphocyten, die das Rückenmark vor allem im Bereich der Brustwirbelsäule infiltrieren. Man vermutet, dass beide Erkrankungen immunpathogenetisch verursacht sind. Darauf deutet auch die Beobachtung, dass in den Patienten bestimmte HLA-Typen (HLA-B5401) gehäuft auftreten, während die Typen HLA-A2 und HLA-Cw8 bei HAMErkrankten nur selten vorkommen.
Pathogenese In vivo findet man das HTLV-1 ausschließlich in CD4+Zellen, wohingegen HTLV-2 bevorzugt CD8+-T-Lymphocyten infiziert. Die zelluären Rezeptoren für beide Viren sind unbekannt; aufgrund der Tatsache, dass in vitro beide Virustypen sehr viele verschiedene Zelltypen infizieren können, geht man von einem ubiquitär vorkommenden Zelloberflächenmolekül aus. Die ATLZellen eines Patienten haben das Provirusgenom des HTLV-1 alle an derselben Stelle in die DNA der Wirtszelle integriert. Das weist darauf hin, dass alle Leukämiezellen aus einer gemeinsamen Vorläuferzelle hervorgegangen sind. Die Integrationsstelle ist bei verschiedenen Patienten jedoch unterschiedlich. Durch den Integrationsvorgang ausgelöste Mutationen scheinen daher nicht mit der Pathogenese der Erkrankung in Verbindung zu stehen. Auch die Tendenz zur Ausbildung der ATL scheint mit bestimmten HLA-Typen ver-
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bunden zu sein. Man fand, dass Träger von HLA-A26, HLA-B4002, HLA-B4006 und HLA-B4801 Epitope des Tax-Proteins nicht oder nur eingeschränkt binden und präsentieren können und daher über keine cytotoxischen T-Zellen zur Erkennung Tax-produzierender Zellen verfügen. Auf der Oberfläche der Leukämiezellen findet man hohe Konzentrationen des α-Rezeptors für Interleukin-2 (IL-2Rα). Weiterhin produzieren die Zellen erhöhte Mengen von IL-2, IL-1β und GM-CSF. Verantwortlich ist hierfür vermutlich die transaktivierende Wirkung des Tax-Proteins, das NFκB-, CREB- und SRF-abhängige, zelluläre Promotoren (CREB = cyclic AMP response element binding protein, SRF = serum response factor) induziert und die Expression der durch sie kontrollierten Gene – hierzu zählen auch die Gene für die IL-2, IL-1β, GM-CSF und IL-2Rα – verstärkt. Die Wirkung des NFκB wird zusätzlich erhöht, da sich das Tax-Protein an den Inhibitor IκB anlagert und seinen Abbau über die Proteasomen induziert. Hierdurch wird der Transaktivator NFκB aus dem Komplex freigesetzt, in den Kern transportiert und kann die entsprechenden Promotoren aktivieren (䉴 Kapitel 8). Die Cytokine werden dabei von den Zellen abgegeben, binden sich an ihre auf der Zelloberfläche in hohen Mengen vorhandenen Rezeptoren und veranlassen die Teilung der Lymphocyten. Die Proliferation der infizierten T-Lymphocyten wird also durch einen autokrinen Stimulationsmodus induziert. Auf andere zelluläre Promotoren übt das Tax-Protein einen repressiven Einfluss auf. Hierzu zählen neben anderen auch die p53-abhängigen Promotoren. Unabhängig von diesen Funktionen, welche die zelluläre Genexpression regulieren, hemmen die Tax-Proteine auch direkt einige der Tumorsuppressorproteine. Man fand, dass Tax mit den Inhibitoren der cyclinabhängigen Kinasen wechselwirkt und deren Funktion hemmt. Die cyclinabhängigen Kinasen werden hierdurch aktiv und phosphorylieren unter anderem das Tumorsuppressorprotein RB105. Dies bedingt die Freisetzung der E2FTransaktivatoren, welche die Expression von Genen einleiten, die den Übergang der Zellen aus der G1- in die S-Phase des Zellzyklus fördern. Die tumorinduzierenden Eigenschaften des Tax-Proteins konnten auch bei tax-transgenen Mäusen gezeigt werden, die mesenchymale Tumoren entwickeln. Das Tax-Protein selbst wird dabei jedoch ebenso wenig wie die anderen Virusprodukte in den immortalisierten Zellen synthetisiert. Es ist wohl vor allem an den ersten Schritten der Immortalisierung beteiligt und für die Erhaltung des transformierten Zustands nicht mehr nötig. Außerdem vermutet man, dass noch unbekannte Zellfaktoren daran beteiligt sind.
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Immunreaktion und Diagnose IgG-Antikörper gegen die Gag-, Env- und Tax-Proteine können in ELISA-Tests und im Western-Blot nachgewiesen werden; die meisten Antikörper sind gegen die Gag-Proteine gerichtet. Wegen der ausgeprägten Sequenzähnlichkeit ist eine Unterscheidung zwischen HTLV-1- und HTLV-2-spezifischen Immunglobulinen mit diesen Testsystemen nicht möglich. Diese erfolgt ebenso wie die Bestimmung der Viruslast über den Nachweis integrierter viraler Genome durch die Polymerasekettenreaktion. In den Patienten findet man CD8+-cytotoxische-T-Lymphocyten, die gegen Epitope des Tax-Proteins gerichtet und vermutlich an der Immunpathogenese der TSP/HAM beteiligt sind. Ihre Zahl korreliert mit der Viruslast. In der quantitativen Polymerasekettenreaktion misst man die Anzahl der Provirusgenome pro 100 Lymphocyten im peripheren Blut. Bei asymptomatischen HTLV-Trägern liegt der Wert zwischen 0,1 und 0,5, bei TPS- oder HAM-Patienten hingegen bei 5,0 bis 10,0.
Therapie und Prophylaxe Bisher gibt es weder einen Impfstoff, der die Infektion mit HTLV verhindert, noch wirksame antivirale Substanzen zur Therapie der ATL oder TPS. Azidothymidin, Cidofovir und andere antivirale Therapeutika hemmen die Virusvermehrung zwar in vitro, ihre Wirkung in vivo war aber eher enttäuschend. Klinische Studien zum Einsatz der antiviralen Chemotherapeutika gibt es nicht. Bei ATL-Patienten wurden als therapeutische Maßnahme Knochenmarkstransplantationen versucht. Bei HAM/TPS-Patienten setzt man hochdosierte Glucocorticoide ein. Zur Behandlung der Haarzellleukämie ist von der FDA (Food and Drug Administration) in den USA Interferon zugelassen.
18.1.6 Tierpathogene Retroviren Die aviären Leukoseviren (ALV) Epidemiologie und Übertragung Die aviären Leukoseviren und mit ihnen das Rous-Sarkomvirus sind als Mitglieder des Genus α-Retrovirus beim Geflügel weltweit verbreitet, praktisch jede Herde ist infiziert. Erkrankungen werden dagegen sehr selten beobachtet. Das Virus kann sowohl horizontal von Tier zu Tier als auch vertikal vom Muttertier über die Eier auf die Folgegenerationen übertragen werden. Infizierte
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Küken scheiden die Viren lebenslang aus. Je nach Virusart verursachen sie in einer Geflügelherde mit unterschiedlicher Häufigkeit Tumoren, die von weniger als drei Prozent der Tiere einer Herde bis zu 20 Prozent reichen kann. Außerdem existiert bei Hühnern eine Reihe von endogenen α-Retroviren, die zwar selbst kein onkogenes Potenzial besitzen, aber den Verlauf von Infektionen mit exogenen Retroviren beeinflussen können.
Klinik Mit den Viren infizierte Herden zeigen ein vielschichtiges Krankheitsbild und eine erhöhte Ausfallrate. Häufig beobachtet man die Symptome der Osteopetrosis, die sich in einer Fehlstellung der Hühnerbeine (Ständer) infolge des infektionsbedingten Knochenabbaus äußert. Die häufigste Tumorform ist die lymphatische Leukose.
Pathogenese Die lymphatische Leukose ist durch die Vermehrung der B-Lymphocyten unter anderem in der Leber, der Milz und der Bursa fabricii gekennzeichnet. Die transformierten B-Lymphocyten differenzieren nicht zu Plasmazellen, sondern bleiben, wenn sie Immunglobuline produzieren, auf der Stufe von IgM-produzierenden Lymphoblasten stehen. Die Bursa fabricii ist das zentrale Organ der Pathogenese dieser Erkrankung. Entfernt man sie, führt dies zur Regression der Tumoren. Das Bild der Osteopetrosis ist geprägt durch die Infektion von Osteoblasten mit nachfolgenden Missbildungen der Knochen oder Osteosarkomen. Diese Manifestationen treten auf, wenn die Hühner mit einem Retrovirus infiziert werden, das kein Onkogen trägt. Daher kommt es zu einer langsamen Tumorentwicklung. Ist im Genom des Retrovirus dagegen ein virales Onkogen vorhanden, kann es sehr schnell Tumoren erzeugen, wie das Rous-Sarkomvirus, welches das v-srcOnkogen trägt. Hier entwickeln sich rasch Fibrosarkome. Andere Onkogene wie v-erb, v-myb oder v-myc führen ebenfalls zur Entwicklung von Sarkomen oder Hämangiomen. Die Hühner zeigen dann das Bild der lymphatischen Leukose. Einige Hühnerrassen sind genetisch resistent gegen Infektionen mit dem aviären Leukosevirus, sie entwickeln folglich auch keine Tumoren. Die Resistenz ist auf bestimmte Subtypen der Viren beschränkt. In diesen Fällen sind alle Zellen eines Huhnes, auch die Kulturzellen dieser Tiere (chicken embryo fibroblasts), nicht infizierbar. So lassen sich resistente Hühnerlinien züchten. Die hierfür verantwortlichen Resistenzgene liegen innerhalb des MHC-Locus. Vermutlich beruht die Resistenz auf dem Fehlen subtypspezifischer Rezeptoren für
die Adsorption, die nicht in allen Hühnerrassen gebildet werden.
Immunreaktion und Diagnose Im Infektionsverlauf entwickeln die Tiere Immunreaktionen, welche die Tumorbildung verlangsamen oder verhindern können, aber nicht zur Eliminierung des Virus führen. Die fetale Infektion der Embryonen im Ei bei vertikaler Übertragung der Viren (kongenitale Infektion) kann zur Ausbildung einer virusspezifischen Immuntoleranz führen, in deren Folge die Hühner lebenslang das Virus ausscheiden. Eine klinische Erkrankung ist bei diesen Tieren selten.
Bekämpfung und Prophylaxe Vakzinen sind nicht verfügbar. Die Bekämpfung der aviären Leukoseviren ist letztlich nur durch Eliminierung der Virusträger möglich; die Etablierung von Hühnerpopulationen, die frei von der Infektion sind, wird daher angestrebt. Die horizontale Übertragung kann durch hygienische Maßnahmen verhindert werden. Hierzu gehört insbesondere das all-in-all-out-Management (Keulung des infizierten Bestands und Aufbau einer neuen Herde) mit begleitenden gründlichen Desinfektionsmaßnahmen zwischen den Belegungen.
Das feline Leukämievirus (FeLV) Epidemiologie und Übertragung Ein wichtiger Krankheitserreger der Katze ist das feline Leukämievirus, das weltweit verbreitet ist. In Deutschland findet man eine Prävalenz des Virus von circa ein bis fünf Prozent unter den gesunden Katzen. Das feline Leukämievirus ist ein Vertreter der γ-Retroviren und in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: So ist es das einzige Retrovirus, gegen dessen Infektion erfolgreich geimpft werden kann, und es coexistiert in der Katzenpopulation zusammen mit dem felinen Sarkomvirus. Dieses ist ein defektes, nicht replikationsfähiges Retrovirus, dessen env-Gen deletiert ist, das aber stattdessen ein virales Onkogen (v-myc oder v-fms) besitzt. Seine Vermehrung ist von der gleichzeitigen Infektion der Zellen mit dem felinen Leukämievirus abhängig, das Helferfunktionen, so beispielsweise die Env-Proteine für die Morphogenese und die Freisetzung neuer feliner Sarkomviren, zur Verfügung stellt. Man kann drei Subtypen (A, B und C) der felinen Leukämieviren unterscheiden, die sich durch Variationen im Hüllprotein definieren lassen. Der Subtyp A wird
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in über 80 Prozent der Fälle aus infizierten Katzen isoliert. Die Subtypen B und C findet man in etwa 20 beziehungsweise in weniger als zwei Prozent der Tiere. Der Subtyp B stellt eine Rekombinante des Subtyp A mit endogenen Retroviren dar, der Subtyp C ist ein in den env-Genen durch Mutation verändertes Virus vom Subtyp A. Die Übertragung des felinen Leukämievirus erfolgt von Tier zu Tier, vor allem über Tröpfcheninfektion mit virushaltigem Speichel, aber auch über andere Ausscheidungsprodukte der infizierten Katzen. Die erfolgreiche Übertragung setzt jedoch einen engen Kontakt der Tiere über einen längeren Zeitraum oder eine parenterale Infektion voraus. Meist infizieren sich daher Welpen beim Muttertier während der Saugperiode oder adulte Katzen, vor allem Kater, bei ihren Revierkämpfen. Die Tiere etablieren eine Infektion, in deren Verlauf sich eine Immunantwort ausbildet, die im weiteren Verlauf meist zur Eliminierung des Virus aus dem peripheren Blut führt. Ob die Viren bei diesen abortiven Infektionen tatsächlich vollständig aus dem Organismus eliminiert werden, ist nicht klar. Die Katzen scheiden jedoch keine Viren mehr aus und sind epidemiologisch für die Verbreitung der Infektion ohne Bedeutung; sie entwickeln keine Tumoren. Diese entstehen nur in Katzen, welche die Viren nicht vollständig aus dem Blut eliminieren und eine persistierende FeLV-Infektion etablieren. Neben der horizontalen Übertragung spielt epidemiologisch die vertikale Übertragung eine große Rolle. Die intrauterine Infektion der Welpen ist häufig und führt je nach Trächtigkeitsstadium zum Zeitpunkt der Infektion zum Fruchttod und Abort oder zur Geburt von Welpen mit persistierender Produktion und Ausscheidung der Erreger.
Klinik Aufgrund der für Retroviren vergleichsweise kurzen Inkubationszeit von wenigen Wochen und der schnellen Entwicklung der Tumoren, findet man Infektionen mit den felinen Leukämieviren – und die dadurch verursachten Erkrankungen – vor allem bei jungen Katzen im Alter von ein bis zwei Jahren. Katzen, die älter als sechs Monate sind, scheinen weniger empfänglich für eine Infektion zu sein (Altersresistenz). Das Spektrum der klinischen Manifestationen von Infektionen mit dem felinen Leukämievirus ist breit. Man findet außer Lymphosarkomen häufig auch Knochenmarkstumoren und Immunsuppressionen als Symptome. Werden trächtige Katzen infiziert, so kann dies zu Fruchtbarkeitsstörungen und Aborten führen. Mit dem Subtyp C der felinen Leukämieviren wird ein besonderes Krankheitsbild, die pure red cell aplasia (Erythroblastopenie), in Verbindung
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gebracht. In diesen Fällen ist die Erythrocytenbildung gestört und die Tiere werden anämisch.
Pathogenese Die Katzen infizieren sich vor allem durch Bissverletzungen oder durch die orale Aufnahme des Virus. Dieses vermehrt sich zunächst in den zum Infektionsort nächstgelegenen Lymphknoten und gelangt von dort in einer primären Virämie in die anderen lymphatischen Gewebe und in das Knochenmark. Die Infektion dieses Organs ist insofern von besonderer pathogenetischer Bedeutung, da sich hier entscheidet, ob das Virus im weiteren Verlauf eliminiert wird oder ob es zu einer persistierenden Infektion kommt. Wird das Virus bereits in dieser Infektionsphase immunologisch kontrolliert und eliminiert, treten keine weiteren Symptome auf. Gelingt dies nicht, kommt es zu einer zweiten Virämie, in deren Verlauf das Virus in nahezu alle Gewebe gelangt. Diese Katzen entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb von zwei Jahren Tumoren oder eine Immunsuppression mit tödlichen Folgen, die man bereits in den Jahren vor der Entdeckung des felinen Immundefizienzvirus mit dem Begriff Katzen-AIDS belegte.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose von Infektionen mit den felinen Leukämieviren ist durch den Nachweis von Virusantigen im Blut (Antigenämie) leicht möglich. Es ist eine Vielzahl von Testsystemen (Immunchromatographie, ELISA) erhältlich, die in der Tierarztpraxis durchgeführt werden können. Diese Tests beruhen auf dem Nachweis des Capsidproteins (p27). Dieses kommt einerseits in infektiösen Viruspartikeln vor, andererseits wird es im glycosylierten Zustand von virusinfizierten Zellen sezerniert. Eine Infektion liegt folglich dann vor, wenn der Antigennachweis positiv ist. Um eine vorübergehende Antigenämie von einer persistierenden Infektion zu unterscheiden, ist eine zweite Untersuchung in vierbis sechswöchigem Abstand notwendig. Ist auch diese Probe positiv, muss von einer persistierenden Infektion ausgegangen werden.
Bekämpfung und Prophylaxe Die natürliche Infektion hinterlässt meist eine belastbare Immunität, die ähnlich auch durch einen Impfstoff erreicht werden kann. Die felinen Leukämieviren sind die zurzeit einzigen Retroviren, gegen deren Infektion man erfolgreich impfen kann. Die Impfung verhindert bei bereits infizierten Katzen den Ausbruch der Erkrankung; die Infektion bleibt jedoch bestehen. In das Wirts-
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genom integrierte Provirussequenzen können nachgewiesen werden. Als wirksam hat sich eine gentechnologisch hergestellte Vakzine erwiesen, die auf dem Membranprotein eines Subtyp-A-Virus basiert, das in E. coli produziert wird. Auch sind Totimpfstoffe verfügbar, die auf in Gewebekultur gezüchteten, inaktivierten Viren beruhen. Ein neuer Ansatz stellt eine rekombinante Vakzine dar, bei der das env-Gen in das Genom eines Kanarienpockenvirus inseriert ist. Die Impfung mit den gentechnisch veränderten Pockenviren führt zur Expression der frühen Pockenvirusgene und des Env-Proteins des felinen Leukämievirus. Infektiöse rekombinante Pockenviren werden dabei aber nicht gebildet, da sich das Kanarienpockenvirus nicht lytisch in Säugetierzellen vermehrt (䉴 Abschnitt 19.6). Es infiziert die Zellen zwar, und es kommt auch zur Transkription der frühen Gene sowie zur Translation der entsprechenden Proteine, die späten Gene werden jedoch nicht transkribiert und daher stehen keine Strukturproteine für die Bildung der rekombinanten Nachkommenviren zur Verfügung.
Das bovine Leukosevirus (BLV) Epidemiologie und Übertragung Die weltweit verbreitete enzootische Rinderleukose (EBL) wird durch ein δ-Retrovirus, das bovine Leukosevirus (BLV), verursacht. Sein natürliches Wirtsspektrum umfasst nur das Rind, experimentell lassen sich jedoch auch Schafe und Ziegen infizieren. Das Virus befindet sich im Blut der infizierten Tiere und wird auch in der Milch ausgeschieden. Die Übertragung erfolgt überwiegend durch Blutkontakt, also durch Verletzungen oder iatrogen, zum Beispiel durch die Verwendung nicht desinfizierter Kanülen, Operationsbestecke oder anderer Geräte. Intrauterine Übertragungen sind beschrieben, aber nicht die Regel. Das Virus ist nicht kontagiös, daher genügt zur Vermeidung von Infektionen eine räumliche Trennung der seropositiven und seronegativen Tiere. Es gibt keinerlei Hinweise auf eine mögliche Humanpathogenität dieses Virus. In vielerlei Hinsicht hat es aber Ähnlichkeiten mit den humanen T-Zell-LeukämieViren HTLV-1 und HTLV-2, die ebenfalls dem Genus δ-Retrovirus zugerechnet werden (䉴 Abschnitt 18.1.5).
Klinik Die meisten Infektionen mit dem bovinen Leukosevirus verlaufen subklinisch. Nur etwa 30 Prozent der infizierten Rinder entwickeln eine persistierende Lymphocytose und weniger als ein Prozent zeigen die tumoröse Form, auf die der Name des Virus hinweist: Die lympha-
tische Leukose. Sie ist mit der Entwicklung von Fibrosarkomen und malignen Lymphonen in den verschiedensten Organen wie Herz, Leber, Milz, Ovar, Lymphknoten, Hirn und anderen verbunden. Im Unterschied zu den Rindern entwickeln fast alle Schafe, die experimentell mit den bovinen Leukoseviren infiziert werden, die tumoröse Form der Erkrankung.
Pathogenese Die Zielzellen des bovinen Leukosevirus sind B-Lymphocyten. In diesem Schritt des Infektionszyklus unterscheiden sich die Rinderleukose- von den humanen TZell-Leukämie-Viren, die sich in T-Zellen replizieren (䉴 Abschnitt 18.1.5). Die Mechanismen, die zur Aktivierung und Proliferation der B-Zellen führen, sind unbekannt. Ähnliches gilt für die Vorgänge, die in einigen Tieren zur Ausbildung der Tumoren beitragen. Bestimmte Varianten des viralen Tax-Proteins des bovinen Leukosevirus verstärken seine Transaktivatorfunktionen und bewirken eine erhöhte Produktion von Viren. Sie verstärken auch die Aktivität einiger zellulärer Promotoren, wie demjenigen des zellulären Protoonkogens c-fos. Dadurch wird die c-fos-Expression eingeleitet. Ob dieser Vorgang zur Pathogenese der Erkrankung beiträgt, ist unklar.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose der enzootischen Rinderleukose wird in der Regel durch den Nachweis virusspezifischer Antikörper im ELISA- oder im Immundiffusionstest (Ouchterlony-Test) gestellt. Die Antikörper sind gegen das äußere Oberflächenprotein des bovinen Leukämievirus gp51 gerichtet und in der Lage, das Virus in vitro zu neutralisieren. Der Nachweis von Antikörpern ist technisch einfach und wird daher routinemäßig durchgeführt. Die Virusisolierung ist ebenfalls möglich, ebenso die Polymerasekettenreaktion zum Nachweis von Provirus oder Virus-RNA. Beide Methoden sind aber technisch aufwendiger.
Bekämpfung und Prophylaxe Eine Vakzine zur Verhinderung von Infektionen mit dem bovinen Leukosevirus ist zurzeit nicht verfügbar. Trotz ihrer in vitro neutralisierenden Wirkung sind Antikörper gegen das äußere Membranprotein gp51 nicht in der Lage, die Viren aus dem Organismus zu eliminieren. Jedoch erscheint es grundsätzlich möglich, dass ein Impfstoff, der die Bildung dieser gp51-spezifischen Antikörper induziert, einen Schutz vor der Infektion vermitteln kann. Die enzootische Leukose wurde
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erfolgreich bekämpft und Deutschland gilt als leukosefrei. Die Erkrankung ist anzeigepflichtig; die Überwachung der Seuchenfreiheit erfolgt in Deutschland durch die Untersuchung von Bestandsmilchproben auf das Vorhandensein von virusspezifischen Antikörpern. Positive Rinder werden geschlachtet. Diese Maßnahmen gewährleisten, dass sich Infektionen durch das bovine Rinderleukosevirus in Deutschland nicht verbreiten können.
Das Maedi-Visna-Virus und das caprine Arthritis-Encephalitis-Virus (CAEV) Epidemiologie und Übertragung Sowohl das Maedi-Visna- als auch das caprine ArthritisEncephalitis-Virus sind Vertreter des Genus Lentivirus. Beide sind einander sehr ähnlich und man findet eine ausgeprägte serologische Kreuzreaktivität der Virusproteine. Die Infektion der Schafe mit dem Maedi-VisnaVirus stellt den Prototyp einer Slow-Virus-Infektion dar. Der Begriff wurde durch den Isländer Björn Sigurdsson geprägt und weist auf die besondere Biologie und Epidemiologie dieser Infektion hin: Eine lange Inkubationsphase, eine persistierende Infektion mit einem sich langsam aufbauenden Krankheitsbild und ein unausweichlich letales Ende. Die Maedi-Visna-Erkrankung wurde erstmals um 1930 in Island beschrieben und wird auf die Einschlep-
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pung des Virus durch Karakulschafe aus Deutschland zurückgeführt. Die Übertragung erfolgt durch den direkten Kontakt nichtinfizierter Tiere mit Sekreten des Respirationstraktes von erkrankten Schafen. Klinisch unauffällige Schafe scheiden nur geringe Mengen des Virus mit dem Speichel aus, eine Übertragung auf andere Schafe in diesem Stadium ist selten. Jedoch können von diesen Tieren die Infektionen sehr effizient über virushaltige Milch weitergegeben werden. Sie sind deswegen für die Verbreitung des Virus in einer Herde sehr wichtig, da sich die Lämmer vor allem durch virusinfizierte Zellen in der „Biestmilch“ (Kolostrum) infizieren. Eine hohe Viehdichte – wie sie beispielsweise in den Wintermonaten besteht, da dann die Schafe relativ eng in Ställen gehalten werden – fördert den intensiven Kontakt der Tiere und damit die Übertragung des Virus. Außerdem sind iatrogene Übertragungen durch unsaubere Operationsbestecke möglich. Des Weiteren werden stechende Arthropoden für die passive Verbreitung des Virus verantwortlich gemacht. Das caprine Arthritis-Encephalitis-Virus infiziert Ziegen und ist hinsichtlich der Epidemiologie und Übertragung der Maedi-Visna-Virus-Infektion sehr ähnlich. Auch hier erfolgt die Übertragung hauptsächlich durch das Kolostrum infizierter Muttertiere auf die Lämmer. Die Weitergabe des Virus innerhalb der Ziegenherde ist möglich, dafür ist jedoch ein intensiver Kontakt zwischen den Tieren notwendig. Gemeinsam benutzte und nicht desinfizierte Melkgeschirre können zur Verbreitung der Viren beitragen. Beide Viren, das
¡ Das Lungenadenomatosevirus verursacht bei Schafen eine ähnliche Erkrankung wie das Maedi-Visna-Virus Die Lungenadenomatose ist eine ökonomisch wichtige Erkrankung der Schafe, die Ende des 19. Jahrhunderts erstmals in Südafrika als Jaagsiekte beschrieben wurde, heute aber praktisch weltweit verbreitet ist. Sie wird durch ein βRetrovirus, das Lungenadenomatosevirus, verursacht und ähnelt im klinischen Bild den Infektionen mit dem MaediVisna-Virus. Im Unterschied zur Maedi-Erkrankung handelt es sich jedoch um eine progressiv verlaufende Erkrankung des Respirationstraktes mit einer bösartigen Entartung des Lungengewebes. Die Zellen der sich im Krankheitsverlauf entwickelnden Adenokarzinome produzieren einen surfactant factor, ein Protein, das für die Oberflächenspannung und Funktionalität der Alveolen notwendig ist. Im Erkrankungsfall fördert der surfactant factor hingegen den Verschluss kleinerer Atemwege. Die Viren werden horizontal
von Tier zu Tier durch Tröpfcheninfektion übertragen. Nach einer Inkubationszeit von bis zu drei Jahren entwickelt sich langsam die immer tödlich endende Lungenadenomatose. Zurzeit gibt es keine praktikable Möglichkeit, um die Infektion zu diagnostizieren. Eine Bekämpfung scheint nur über die Trennung von unauffälligen und somit möglicherweise virusfreien Tieren von auffälligen, kranken Tieren möglich zu sein. Letztere werden getötet. Interessanterweise ist das Env-Protein des Jaagsiekte-Virus das transformierende Protein. Aufgrund der Vielzahl endogener Retroviren beim Schaf wird keine schützende antivirale Immunantwort gebildet. Dieser krankheitsfördernde Einfluss der endogenen Retrovirussequenzen konnte experimentell durch den Einsatz transgener Mäuse eindrucksvoll gezeigt werden.
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Maedi-Visna- und das caprine Arthritis-EncephalitisVirus, lassen sich experimentell auf die jeweils anderen Wirtstiere übertragen.
Klinik Grundsätzlich lassen sich bei mit dem Maedi-VisnaVirus infizierten Schafen die beiden klinischen Erkrankungsformen Maedi und Visna unterscheiden. Visna ist allerdings sehr selten, das weitaus häufigere Bild ist die Maedi. Maedi ist das isländische Wort für Dyspnoe und bezeichnet die klinische Symptomatik der charakteristischen progressiven interstitiellen Pneumonie. Abmagerung der Tiere und Dyspnoe mit den entsprechenden Folgen wie Festliegen und Zurückbleiben beim Wandern der Herde sind typische Erkennungszeichen. Die Krankheitsdauer der Maedi kann mehrere Monate bis Jahre betragen. Ähnlich stellt sich das Bild der Visna (isländisch für: „Kümmerer“) dar, obwohl dabei keine Pneumonie auftritt, sondern eine Encephalitis. Hier sind Lähmungen und Zittern sowie ein progressiver Gewichtsverlust (Verfall) die klassischen Symptome. Daneben findet sich auch gelegentlich eine Mastitis (Steineuter). Auch bei dem durch das caprine Arthritis-Encephalitis-Virus verursachten Erkrankungsbild kann man zwei klinische Formen unterscheiden: Die Arthritiden bei adulten Ziegen, die sich am häufigsten in den Karpalgelenken (Vorderknie) manifestieren, sowie die Encephalitiden bei jungen Tieren. Häufig ist auch hier das Euter mit einer Mastitis von der Infektion betroffen.
Pathogenese Das Maedi-Visna-Virus infiziert bevorzugt sich differenzierende Monocyten und Makrophagen. Der Differenzierungsgrad scheint für die Infizierbarkeit der Zellen entscheidend zu sein. Pathologisch-anatomisch stehen bei der Maedi eine hochgradige interstitielle Pneumonie sowie eine Lymphadenopathie im Vordergrund. Bei der Visna findet man, ähnlich wie bei der durch das caprine Arthritis-Encephalitis-Virus verursachten Hirnerkrankung, eine demyelinisierende Encephalomyelitis. Nach der Infektion kommt es zu einer starken humoralen und zellulären Immunantwort, ohne dass das Virus oder virusinfizierte Zellen eliminiert werden.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose der Infektionen mit dem Maedi-VisnaVirus wird durch Antikörpernachweis im ELISA gestellt.
Die Anzucht des Virus ist durch Cokultivierung von Lymphocyten aus dem peripheren Blut mit primären Makrophagenkulturen möglich. Der Nachweis von Virus-RNA oder Provirus-DNA durch die Polymerasekettenreaktion ist grundsätzlich möglich, jedoch unüblich. Aufgrund der Kreuzreaktivitäten und der leichten Kultivierbarkeit des Maedi-Visna-Virus verwendet man für die Diagnostik der Infektion mit dem caprinen Arthritis-Encephalitis-Virus meist auch Proteinantigene des Maedi-Visna-Virus.
Bekämpfung und Prophylaxe Die Bekämpfung der Infektionen mit dem MaediVisna- und dem caprinen Arthritis-Encephalitis-Virus ist freiwillig und wird nicht staatlich angeordnet. Sie geschieht im Wesentlichen durch regelmäßige serologische Kontrolle der Bestände und die Absonderung und Entfernung seropositiver Tiere aus der Herde. Impfstoffe existieren nicht.
Das Virus der infektiösen Anämie der Einhufer (EIAV) Epidemiologie und Übertragung Das Virus der infektiösen Anämie der Einhufer zählt zu den Lentiviren. Es wird physiologischerweise durch diverse stechende Insekten wie beispielsweise Bremsen (Tabaniden) sowie Fliegen (Stomoxys) und Gnitzen (Culicoides) übertragen und infiziert Pferde, Esel und andere Vertreter der Pferdeartigen. Diese Vektoren übertragen die Viren ausschließlich mechanisch, sie können sich in den verschiedenen Insekten nicht vermehren. Diese an Insekten gebundene Übertragung erklärt das saisonale Auftreten und die Beschränkung der Infektion auf bestimmte, klimatisch definierte Regionen. Die englische Bezeichnung swamp fever fasst dies zusammen. Das Virus war weltweit verbreitet, durch eine erfolgreiche Bekämpfung kommt es in Europa jedoch nicht mehr vor. Außer durch Insekten können die Viren jedoch auch durch die Benutzung unsteriler Kanülen oder Geräte in einem Tierbestand verbreitet werden.
Klinik Das Virus der infektiösen Anämie der Einhufer induziert in den Tieren immer eine persistierende Infektion. Man kennt jedoch verschiedene klinische Verläufe: Am häufigsten ist die akute Verlaufsform, die durch hohes undulierendes Fieber, hochgradige Anämie und Gelbsucht sowie durch petechiale Blutungen gekennzeichnet
18.1 Retroviren
ist. Diese Form endet in der Regel tödlich. Die subakuten oder chronischen Formen zeigen ein milderes und inhomogenes Krankheitsbild. Gemeinsam ist allen Formen, dass eine persistierende Infektion induziert wird.
Pathogenese Die Pathogenese der Infektion ist geprägt durch die Replikation des Virus in Makrophagen und Lymphocyten. Außerdem werden die Erythrocyten durch die im Infektionsverlauf entstehende Immunantwort zerstört. In und auf den Membranen der Erythrocyten findet man Virusproteine. Ob diese auf die Infektion der Erythrocytenvorläufer zurückzuführen sind oder ob die roten Blutkörperchen sekundär virale Proteine binden, ist unklar. Virusspezifische Antikörper binden sich an die Virusproteine in der Erythrocytenmembran und induzieren die Lyse der Zellen durch sich daran anlagerndes Komplement oder eine ADCC-Reaktion (antibody dependent cell cytotoxicity; 䉴 Kapitel 7). Auch dieses Lentivirus zeichnet sich durch eine hohe Mutationsrate aus: Durch entsprechende Punktmutationen im Virusgenom verändert sich das äußere Membranprotein gp90 des Virus, wodurch die vorliegenden Antikörper nicht mehr binden. Dies führt in der nächsten Phase zu einem erneuten Infektionszyklus, bis neue Immunreaktionen greifen und wiederum die Erythrocyten lysiert werden. Dieses zyklische Infektionsverhalten ist ein Standardbeispiel für Immune escape und erklärt das undulierende Fieber.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose gelingt leicht durch den Nachweis von virusspezifischen Antikörpern gegen die viralen Capsidproteine in der Immundiffusion (Agargelpräzipitation). Dieser Test wurde von Leroy Coggins 1972 an der Cornell University in Ithaca, New York, entwickelt und ist noch heute als sogenannter Coggins-Test der Diagnostikstandard. Virusisolierung und Anzucht oder Nucleinsäurenachweis durch die Polymerasekettenreaktion sind möglich, jedoch ungebräuchlich.
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Das feline Immundefizienzvirus (FIV) Epidemiologie und Übertragung Das feline Immundefizienzvirus (FIV) verursacht bei Katzen ein ähnliches Krankheitsbild wie das humane Immundefizienzvirus (HIV) im Menschen (䉴 Abschnitt 18.1.5). Es wurde ursprünglich aus einem Katzenbestand isoliert, in dem chronische Durchfälle und Stomatitiden sowie Hautinfektionen aufgetreten waren. Trotz der grundsätzlichen Ähnlichkeit ist das feline Immundefizienzvirus als Pathogen der Katze weit weniger wichtig als das HIV als Krankheitserreger des Menschen. Es spielt aber zunehmend als Tiermodell für die Erforschung von AIDS eine wichtige Rolle. Das Virus ist weltweit verbreitet und verursacht in den Tieren persistierende Infektionen. Die Prävalenz liegt bei einem Prozent der klinisch unauffälligen Katzen. Die Übertragung erfordert einen intensiven Kontakt unter den Katzen und erfolgt besonders effizient bei Beißereien im Rahmen von Revier- oder Rangkämpfen innerhalb der Population. Neben dem felinen Immundefizienzvirus aus den Hauskatzen sind FIV-ähnliche Viren aus einer Vielzahl von Groß- oder Wildkatzen isoliert worden. Bei diesen wurden aber bisher keine Erkrankungen beobachtet.
Klinik Die durch das feline Immundefizienzvirus verursachte Erkrankung ist derjenigen der HIV-Infektion im Menschen grundsätzlich sehr ähnlich. Einer initialen akuten Phase mit Fieber und Lymphadenopathie folgt ein langer subklinischer Abschnitt, der in der Immundefizienz endet. Sie kann ebenfalls in verschiedene Stadien eingeteilt werden, während derer die opportunistischen Infektionen evident werden und schließlich zum Tode des Tieres führen. Aufgrund dieses Krankheitsverlaufs ist die Infektion mit dem felinen Immundefizienzvirus, im Gegensatz zu derjenigen mit dem felinen Leukämievirus (䉴 Abschnitt 18.1.6), eine Erkrankung der alten Katze. Als Sonderform der Erkrankung tritt in etwa fünf Prozent der klinischen Fälle eine Encephalitis auf.
Bekämpfung und Prophylaxe Impfstoffe sind nicht verfügbar. Die Bekämpfung in Deutschland erfolgt durch Absonderung und Tötung infizierter Pferde.
Pathogenese Die Pathogenese ist geprägt durch die Infektion der THelferzellen und der Makrophagen. Im Verlauf der Infektion kommt es zu einer selektiven Erniedrigung der CD4+-T-Lymphocyten und somit zu einer Verschiebung des CD4/CD8-Verhältnisses (䉴 Abschnitt 18.1.5).
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Immunreaktion und Diagnose Die FIV-Infektion induziert antivirale Immunglobuline, die lebenslang nachweisbar sind. Sie sind aber nicht in der Lage, das Virus zu eliminieren. Der Nachweis dieser Antikörper im ELISA oder durch Immunchromatographie zeigt eine Infektion sicher an. Provirus ist durch PCR nachweisbar.
Bekämpfung und Prophylaxe Therapieversuche mit Substanzen wie Azidothymidin (AZT), die auch in der HIV-Therapie verwendet werden, verliefen in experimentellen Studien zufriedenstellend, in Feldstudien jedoch ausnahmslos enttäuschend. Seit einigen Jahren ist in den USA ein Impfstoff zugelassen, der auf einem inaktivierten Vollvirus beruht und eine Infektion verhindern soll. Da die Diagnostik der FIV-Infektion auf dem Nachweis von Antikörpern beruht, der Impfstoff aber keine Markervakzine darstellt und die FIV-Infektion beim Tier durch Managementmaßnahmen leicht zu beherrschen ist, ist diese Vakzine in Europa nicht zugelassen; ihre Verwendung wird auch grundsätzlich nicht empfohlen.
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom Es sind viele Viren mit einem doppelsträngigen DNAGenom bekannt, die Säugetiere infizieren. Sie werden in sieben Virusfamilien eingeteilt: Hepadnaviridae, Polyomaviridae, Papillomaviridae, Adenoviridae, Herpesviridae, Poxviridae und Asfarviridae. Mit Ausnahme der Pox- und Asfarviridae hat man in allen Familien Vertreter gefunden, die in Menschen oder Tieren persistierende Infektionen herbeiführen können. Hepadna-, Polyoma-, Papilloma- und Herpesviren stehen in enger kausaler
19.1 Hepadnaviren
Beziehung zu Tumorerkrankungen des Menschen. Dies legt nahe, dass Doppelstrang-DNA-Viren über vielerlei Möglichkeiten verfügen, die Abläufe der Zellteilung zu regulieren und zu beeinflussen. Die Hepadnaviren, die zu Beginn dieses Kapitels besprochen werden, stehen den Retroviren sehr nahe. Viele Details ihres Replikationszyklus weisen darauf hin, dass sie sich im Verlauf der Evolution aus den Retroviren entwickelt haben.
Form der Leberentzündung (Hepatitis) wurde ein Virus charakterisiert, das als Genom eine teilweise doppelsträngige DNA enthält. Um dieses Virus von Hepatitisviren mit einem RNA-Genom als Erbinformation abzugrenzen, wurde der Name Hepadnaviren als Abkürzung für Hepatitis-DNA-Viren gebildet. In der Folge entdeckte man bei verschiedenen Wirbeltieren andere Viren mit ähnlicher Struktur und einem doppelsträngigen DNAMolekül. Diese ordnete man ebenfalls in die Familie der Hepadnaviren ein.
19.1.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
Die Bezeichnung Hepadnaviren steht für eine Virusfamilie, deren Hauptvertreter das Hepatitis-B-Virus des Menschen ist. Dieses Virus hat auch den Namen der Familie geprägt: Als Erreger der mitunter chronischen
Die heute bekannten Hepadnaviren werden in zwei Genera eingeteilt (䉴 Tabelle 19.1): Die Orthohepadnaviren infizieren Säugetiere. Zu ihnen zählt als bekanntestes das Hepatitis-B-Virus, das bei Menschen akute und chronische Formen einer Leberentzündung verursacht. Von diesen Viren sind mehrere Varianten bekannt, die sich in der immunologischen Erkennung der viralen Membranproteine (in ihrer Antigenität) unterscheiden. Ähnliche Viren isolierte man aus verschiedenen Prima-
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Tabelle 19.1 Charakteristische Vertreter der Hepadnaviren Genus
Mensch
Tier
Orthohepadnavirus
Hepatitis-B-Virus (HBV)
Hepatitis-B-Virus des Erdhörnchens (GSHV) Hepatitis-B-Virus des Waldmurmeltieres (WHV) Hepatitis-B-Virus der Wollaffen (WMHBV)
Avihepadnavirus
Enten-Hepatitis-B-Virus (DHBV) Reiher-Hepatitis-B-Virus (HHBV)
Erläuterung der Abkürzungen: HBV: Hepatitis-B-Virus; DHBV: Duck-Hepatitis-B-Virus; GSHV: Ground-Squirrel-Hepatitis-B-Virus; WHV: WoodchuckHepatitis-B-Virus; HHBV: Heron-Hepatitis-B-Virus; WMHBV: Woolly-Monkey-Hepatitis-B-Virus
ten (Gorillas, Schimpansen, Gibbons, Urang-Utans), Erdhörnchen und amerikanischen Waldmurmeltieren. Die Hepatitis-B-ähnlichen Viren der Primaten weisen hinsichtlich der DNA-Sequenz ihrer Genome eine sehr große Ähnlichkeit zum humanpathogenen Hepatitis-BVirus auf. Das zweite Genus, Avihepadnavirus, enthält Virustypen, die Vögel (Enten, Störche und Reiher) infizieren. Sie unterscheiden sich von den Orthohepadnaviren, weil ihnen das Gen für das X-Protein fehlt, ein Nichtstrukturprotein, das vermutlich an der Tumorbildung beteiligt ist. Die tierpathogenen Hepadnaviren sind wichtige Modellsysteme für die Klärung der Pathogenese der Hepatitis-B-Virus-Infektion des Menschen, stellen jedoch aus tiermedizinischer Sicht kein infektiologisches Problem dar. Der Genomaufbau der Hepadnaviren und die Art der Replikation ähneln denen der Caulimoviren, einer Gruppe von Pflanzenviren, deren Partikel im Unterschied zu denen der Hepadnaviren allerdings nicht von einer Hüllmembran umgeben sind. Zu ihnen zählt man unter anderen das Blumenkohlmosaikvirus (cauliflower mosaic virus) und das Dahlienmosaikvirus (dahlia mosaic virus).
19.1.2 Aufbau Viruspartikel Die infektiösen Viruspartikel haben eine sphärische Gestalt mit einem Durchmesser von 42 nm. Bei den Hepatitis-B-Viren bezeichnet man sie auch als DanePartikel, nach David S. Dane, der sie 1970 entdeckte. In der aus der Membran des endoplasmatischen Reticulums entstandenen Hüllmembran des Virus sind drei unterschiedlich große Formen (LHBsAg, L = large; MHBsAg M = medium, SHBsAg, S = small) des viralen Oberflächenproteins HBsAg (hepatitis B surface antigen) verankert; sie unterscheiden sich durch unterschiedlich
lange Sequenzfolgen an ihren aminoterminalen Enden, die carboxyterminalen Domänen sind hingegen bei allen drei Versionen identisch. Das monoglycosylierte SHBsAg stellt das Hauptoberflächenprotein der infektiösen Hepatitis-B-Viruspartikel dar: Pro 100 Moleküle des SHBsAg findet man vom LHBsAg und MHBsAg eine beziehungsweise fünf Einheiten. Bei den Vertretern der Avihepadnaviren fehlt eine dem MHBsAg entsprechende Version des Oberflächenproteins; das Verhältnis zwischen dem SHBsAg und dem LHBsAg entspricht demjenigen des humanen Hepatitis-B-Virus. Die Virushüllmembran umgibt das ikosaedrische Capsid (Durchmesser 22 bis 25 nm). Dieses besteht aus 240 Einheiten des viralen Capsidproteins HBcAg (hepatitis B virus core antigen) und enthält das DNA-Genom. Zusätzlich sind in den Viruspartikeln zelluläre Proteine (Proteinkinasen, Chaperone) nachweisbar. Außer den infektiösen Virionen existieren noch sphärische, 22 nm messende, sowie fadenförmige, filamentöse Vesikel (200 bis 300 nm lang und 22 nm im Durchmesser), die nicht infektiös sind und keine DNA enthalten. Man findet sie in großen Mengen zusammen mit infektiösen Viruspartikeln im Blut von Personen, die akut oder chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert sind. Die sphärischen 22 nm Partikel – sie werden auch als Australia-Antigen bezeichnet, weil man sie erstmals in Serumproben von Aborigines fand – enthalten fast ausschließlich das SHBsAg und geringe Mengen von MHBsAg, beide zum Teil in glycosylierter Form, die in eine Membran eingelagert sind (䉴 Abbildung 19.1). Die Filamente bestehen aus SHBsAg und MHBsAg. Das LHBsAg ist in den nichtinfektiösen Partikeln nur in sehr geringen Konzentrationen nachweisbar.
Genom und Genomaufbau Das Genom der infektiösen Partikel hat einen ungewöhnlichen Aufbau. Es besteht aus einer etwa 3 200
19.1 Hepadnaviren
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q HBsAg-Partikel wurden als Impfstoff verwendet Bei der Entwicklung des ersten Impfstoffes gegen HepatitisB-Viren, der Anfang der 1980-iger Jahre auf den Markt kam, nutzte man aus, dass insbesondere bei Personen mit chronischen Infektionsverläufen große Mengen nichtinfektiöser HBsAg-Partikel vorkommen. Man isolierte sie aus Blutspenden von chronisch Hepatitis-B-Virus-infizierten Patienten und reinigte sie. Mit diesen Präparationen wurden vor allem Personen mit einem hohen Infektionsrisiko geimpft (medizi-
Basenpaaren langen, nur teilweise doppelsträngigen DNA, wobei der sogenannte vollständige Strang nicht geschlossen ist; am 5’-Ende hat er ein Molekül des viralen P-Proteins (auch TP = terminal protein genannt) kovalent gebunden. Der unvollständige Strang umfasst 40 bis 85 Prozent des Genoms. Mit seinem 3’-Ende ist ebenfalls ein Molekül des viralen P-Proteins, hier jedoch nichtkovalent assoziiert (䉴 Abbildung 19.2). Das Genom der Hepatitis-B-Viren besitzt je nach Subtyp zwischen 3 100 und 3 300 Basenpaare (3 215 beim Subtyp adr, 3 221 beziehungsweise 3 182 bei den Subtypen adw und ayw). Im Dane-Partikel ist nur ein Strang vollständig, und zwar der Negativstrang, der im Infektionsverlauf transkribiert wird. Der kurze DNAStrang (Plusstrang) umfasst circa 1 700 bis 2 800 Basen. Er codiert nicht für virale Genprodukte und wird daher auch nicht transkribiert. Als weitere Besonderheiten weist das Hepadnavirusgenom direkte Wiederholungssequenzen (direct repeats, DR1 und DR2) auf, die eine Länge von je 11 Basenpaaren haben und durch ungefähr 225 Basenpaare voneinander getrennt sind (䉴 Abbildung 19.2). Am 5’-Ende des unvollständigen Stranges befindet sich ein 17 bis 19 Basen langes Oligonucleotid 5’-gecappter RNA, dem die Sequenzen des DR2-Elements folgen. An das 5’-Ende des vollständigen Negativstranges ist das P-Protein gebunden; er endet mit den DR1Sequenzen. Ungefähr 20 Basenpaare vor dem 3’-Ende des vollständigen Stranges liegt die einzige Consensussequenz für eine Polyadenylierung. Zwischen der Wiederholungseinheit DR1 und dem Poly(A)-Signal befinden sich 60 bis 70 Basenpaare, deren Sequenz derjenigen der U5-Region im LTR-Bereich der Retroviren ähnelt. Allgemein zeigen die Hepadnaviren in einigen Besonderheiten der Sequenz, in der Anordnung der Gene auf der viralen DNA und in der Funktion einzelner Proteine Ähnlichkeiten mit der Familie der Retroviren (䉴 Abschnitt 18.1).
nisches Personal, Homosexuelle). Diese produzierten daraufhin Antikörper gegen HBsAg, die einen Schutz vor der eigentlichen Infektion vermittelten. Einige Jahre später wurde dieser Impfstoff durch die erste gentechnisch hergestellte Vakzine abgelöst, die beim Menschen eingesetzt wurde. Hierbei handelt es sich um partikuläres SHBsAg, isoliert und gereinigt aus rekombinanten Hefezellen.
Das Genom enthält insgesamt vier offene Leserahmen, die in verschiedenen Leserastern abgelesen werden und sich teilweise überlappen (䉴 Abbildung 19.2). Es handelt sich um • den Leserahmen, der für die drei unterschiedlichen Formen des Oberflächenproteins SHBsAg, MHBsAg und LHBsAg codiert, • den Leserahmen, der für das Capsid- oder Core-Protein (HBcAg) und das sezernierte Protein HBeAg codiert, • den für das P-Protein codierenden Leserahmen sowie • den für das sogenannte X-Protein (HBx) codierenden Bereich. Zusätzlich zu diesen Virusgenen gibt es eine Reihe von Kontrollsequenzen für die Regulation der Transkription und den Start der verschiedenen viralen mRNA-Spezies (䉴 Abbildung 19.2). In vivo wurden bisher drei verschiedene mRNA-Klassen gefunden. Vermutlich gibt es zusätzlich ein viertes Transkript, das 700 Basen umfasst und der Translation des HBx-Proteins dient; unter welchen Bedingungen diese mRNA beim Hepatitis-B-Virus produziert wird, ist allerdings unklar. Die Transkripte haben unterschiedliche Startpunkte, enden jedoch alle an dem einzigen im Genom vorhandenen Polyadenylierungssignal. Ein Startpunkt liegt sechs Nucleotide vor der DR1-Einheit. Von hier aus wird eine prägenomische mRNA (pgRNA) gebildet, die eine Länge von etwa 3 500 Basen hat, sich über das gesamte Genom erstreckt und am 3’-Ende sogar über einen Bereich von etwa 120 Basen mit den Sequenzen am 5’-Ende überlappt. Von dieser mRNA werden das HBcAg und das P-Protein translatiert. Etwa 30 bis 40 Nucleotide vor dem Transkriptionsstart für die pgRNA hat man eine weitere Initiationsstelle identifiziert. Bei ihrer Verwendung entsteht eine mRNA, die ebenfalls das ganze Genom umfasst und der Synthese des HBeAg dient. Eine zweite
19
19
464
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.1 Aufbau und Zusammensetzung der infektiösen und nichtinfektiösen Partikel des Hepatitis-B-Virus. Im oberen Teil der Abbildung ist ein infektiöses Hepatitis-B-Virus dargestellt. Es besteht aus einem teilweise doppelsträngigen DNA-Genom, das mit den Capsidproteinen (HBcAg) zu einem ikosaedrischen Nucleocapsid assoziiert ist. Dieses wird von einer Lipidmembran umhüllt, in welche die Oberflächenproteine SHBsAg, MHBsAg und LHBsAg eingelagert sind. Die durch Zuckergruppen modifizierten Formen der Membranproteine sind rot angegeben, die nicht modifizierten schwarz. Die im unteren Teil der Abbildung dargestellten nichtinfektiösen sphärischen beziehungsweise filamentösen Partikel enthalten keine Virusgenome. Sie sind Membranvesikel, welche die verschiedenen Formen der Oberflächenproteine enthalten. Während man in den sphärischen Partikeln fast nur das SHBsAg findet, enthalten die Filamente auch das MHBsAg und geringe Mengen des LHBsAg.
Klasse von mRNAs ist 2 400 Basen lang, beginnt ungefähr 38 Nucleotide vor dem Beginn des Leserahmens für das LHBsAg und dient dessen Translation. Die Startpunkte für die dritte mRNA-Gruppe, mit einer Länge von 2 100 Basen, die von der Menge her mit Abstand am meisten gebildet wird, liegt in der Region, die für das LHBsAg codiert. Die Transkription kann hier an drei Positionen begonnen werden, die nahe beieinander in der Umgebung des Startcodons für das MHBsAg liegen. Abhängig vom jeweiligen Startpunkt wird von diesen heterogenen mRNAs das MHBsAg oder SHBsAg translatiert (䉴 Abbildung 19.3). Die mRNAs enthalten in der Basenfolge, die dem Stoppcodon zur Beendigung der Translation der Oberflächenproteine folgt, ein cis-aktives Signal, das als PRE (posttranscriptional regulatory ele-
ment) bezeichnet wird. Es enthält im Bereich der Basen 1 203 bis 1 515 eine stabile Haarnadelschleife, die den Transport der Transkripte aus dem Zellkern in das Cytoplasma fördert. Das PRE-Signal wirkt dabei funktionell ähnlich wie das RRE-Element der Lentiviren (䉴 Abschnitt 18.1.3), im Unterschied zu diesem binden sich jedoch keine viralen, sondern nur zelluläre Proteine an die RNA-Sekundärstruktur und fördern den Transport der viralen mRNAs zu und durch die Kernporen. Eine bei der Transkription aktive Enhancer-Sequenz liegt direkt vor dem X-Gen und damit etwa 450 Basenpaare vor dem Beginn des PräC-Genbereichs. Bei Hepatitis-B-Virussubtypen mit einer sehr langen Form des XGens (Subtyp adr) liegt diese Sequenz sogar noch im X-Genabschnitt selbst. In vitro binden sich verschiedene
465
TP
19.1 Hepadnaviren
P-Protein 19.2 Genomorganisation des Hepatitis-B-Virus (Subtyp ayw). Das Genom liegt in den infektiösen Viruspartikeln als teilweise doppelsträngige DNA vor. An das 5’-Ende des vollständigen, nicht zirkulär geschlossenen Minusstranges, der im Verlauf der Replikation transkribiert wird, ist das P-Protein mittels seiner TP-Domäne kovalent gebunden. Dieses Protein ist identisch mit dem P-Protein, das mit dem 3’-Ende des unvollständigen Plusstranges nicht kovalent assoziiert ist. Am 5’-Ende dieses Stranges befindet sich ein kurzes Stück 5’-gecappter RNA. Im Genom befinden sich zwei wiederholte Sequenzfolgen (DR1 und DR2, direct repeat), ein Signal für die Polyadenylierung der mRNAs (Poly(A)), ein Enhancer, der die Synthese der mRNA (2,1-kB-RNA) verstärkt, die für das SHBsAg codiert, und ein glucocorticoid response element (GRE), an das sich durch Hormonbindung aktivierte Glucocorticoidrezeptoren binden. Die Lage der offenen Leserahmen und die Produkte, für die sie codieren, sind durch die kompakten Pfeile angedeutet. Bisher konnte man in infizierten Leberzellen drei verschiedene mRNAs (3,5-kB-, 2,4-kB-, 2,1-kB-RNA) und ihre Startpunkte identifizieren. Sie sind im äußersten Kreis der Abbildung angegeben und codieren für die unterschiedlichen Virusproteine. Alle enden an der Polyadenylierungssequenz. Daneben gibt es Hinweise für die Existenz einer 0,7-kB-RNA, welche der Translation des X-Proteins dienen soll (nicht eingezeichnet). Im Genom gibt es eine Schnittstelle für das Restriktionsenzym EcoRI. Eine internationale Übereinkunft regelt, dass das erste Adenin in der Erkennungssequenz als Startpunkt für die Nummerierung der Basen verwendet wird.
19
19
466
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
A 5´
1.
3´
3,5-kB-mRNA 1794 1816 Position: (Base)
2452
PräHBcAg p25 (membranständig) 28 AS
183 AS
10 AS
183 AS
10 AS
151 AS
Abspaltung des Signalpeptids PräHBcAg p23 (membranständig) proteolytische Spaltung HBeAg p16 (sezerniert)
2.
5´ 3,5-kB-RNA Position: (Base)
3´ 2452
1823 1903
HBcAg p22c (Capsidprotein) 183 AS
19.3 Die Syntheseprodukte der Leserahmen, welche für Core/Capsid- und Oberflächenproteine des Hepatitis-B-Virus (Subtyp ayw) codieren. A: Der Leserahmen „Core“ codiert für unterschiedliche Formen des Capsidproteins HBcAg und des sezernierten HBeAg. Das HBeAg und die mit ihm verwandten Proteine werden von der 3,5 kB langen PräC mRNA translatiert (die Zahlenangaben beziehen sich auf die Nucleotidposition im Virusgenom, gerechnet ab der EcoRI-Schnittstelle als Position 1). 29 Codons danach findet man ein weiteres Startcodon, das für die Initiation des HBcAg verwendet wird. Die 29 aminoterminalen Aminosäuren repräsentieren den PräC-Anteil und steuern die Synthese des Proteins am endoplasmatischen Reticulum. Nach Abspaltung des Signalpeptids am aminoterminalen Ende und der carboxyterminalen Domäne entsteht daraus das HBeAg. Das HBcAg wird im Unterschied hierzu von der 3,5 kB langen mRNA als 183 Aminosäuren langes Protein translatiert, wobei das Startcodon an Position 1903 für die Initiation benutzt wird (unterer Teil der Abbildung).
zelluläre Proteine an diesen Enhancer. Es gibt Hinweise darauf, dass von hier aus – speziell in Leberzellen – eine verstärkte Transkription der Virusgene gesteuert wird. Im Bereich des für das HBsAg codierenden Gens ist eine 18 Nucleotide lange Region lokalisiert, die der Erkennungsstelle von humanen Glucocorticoidrezeptoren (GRE = glucocorticoid response element) ähnelt. In Anwesenheit von Glucocorticoiden wird die Expression des HBsAg um ungefähr das Fünffache gesteigert.
19.1.3 Virusproteine HBcAg und HBeAg Das Capsid setzt sich aus den viralen Core-Proteinen (HBcAg) zusammen, die ein Molekulargewicht von 22 kD (p22) besitzen (䉴 Abbildung 19.3A). Das HBcAg
wird im Verlauf der Virusreplikation wahrscheinlich durch eine zelluläre Kinase an Serinresten phosphoryliert. Am carboxyterminalen Ende befinden sich basische Aminosäuren, die im Viruspartikel vermutlich eine Verbindung mit dem Genom eingehen. Das HBcAg hat die Eigenschaft, sich in der Zelle zu partikulären Strukturen zusammenzulagern, und es spielt eine wichtige Rolle beim viralen Self-Assembly. Außerdem wird eine carboxyterminal um 32 bis 34 (abhängig vom Virussubtyp) Aminosäuren verkürzte Form des HBcAg (16 kD) gebildet. Ihr fehlen die basischen Aminosäuren, die mit dem Genom interagieren (䉴 Abbildung 19.3A). Dieses als HBeAg bezeichnete Protein („e“ steht für early, weil es sehr früh während der Infektion im Blut nachweisbar ist) wird in einer Version synthetisiert, die gegenüber dem HBcAg am aminoterminalen Ende durchschnittlich 29 zusätzliche Aminosäurereste aufweist. Die Translation erfolgt von der
19.1 Hepadnaviren
B
EcoR I
5´
2,4-kB-mRNA Position: 2810 (Base)
2850
3´
3172 1 155 PräS1
PräS2
128 AS
55 AS
835
gp42 p39
1.
2,1-kB-mRNAs
226 AS
LHBsAg (400 AS)
EcoR I 5´
Position: (Base)
19
467
PräS2 2. 55 AS
3´
835
3155 1 155
226 AS
3. 226 AS
gp36 p33 gp27 p24
MHBsAg (281 AS)
SHBsAg
19.3 (Fortsetzung) B: Von der 2,4 kB langen mRNA wird das LHBsAg translatiert (die Zahlenangaben beziehen sich auf die Nucleotidposition im Virusgenom, gerechnet ab der EcoRI-Schnittstelle als Position 1). Das LHBsAg (p39 beziehungsweise gp42) beginnt an Position 2 850 und enthält gegenüber dem MHBsAg 128 zusätzliche Aminosäuren am Aminoterminus. Das MHBsAg (p33 beziehungsweise gp36) beginnt mit dem Startcodon an Position 3172 und ist dadurch am aminoterminalen Ende 55 Aminosäuren länger als das SHBsAg. Beide werden von einer Gruppe etwa 2,1 kB langer mRNAs translatiert, die heterogene 5’-Enden besitzen (unterer Teil der Abbildung). Bei der Synthese des kleinen SHBsAg wird das Startcodon an Position 155 verwendet; es entsteht ein Protein von 226 Aminosäuren Länge (p24), das teilweise glycosyliert wird (gp27).
PräC-mRNA und beginnt an einem Startcodon, das im gleichen Leseraster liegt wie dasjenige des HBcAg (䉴 Abbildung 19.3A). Das entstehende Protein ist dadurch am aminoterminalen Ende gegenüber dem HBcAg um die 29 Aminosäuren des PräC-Anteils verlängert. Dieser in der Länge leicht variable „PräC“Anteil dient als Signalpeptid und sorgt dafür, dass die Proteinsynthese an der Membran des endoplasmatischen Reticulums stattfindet; er wird im weiteren Verlauf abgespalten. Das Protein wird durch den GolgiApparat an die Zelloberfläche transportiert und von der Zelle abgegeben. Eine Variante des HBeAg findet man in der Zellmembran. Das Protein ist kein Bestandteil der Virionen. Während der Infektion findet es sich im Blut der infizierten Personen. Einen Überblick über Eigenschaften und Funktionen der verschiedenen Virusproteine liefert 䉴 Tabelle 19.2.
Das Oberflächenprotein HBsAg In die Hüllmembran der Orthohepadnaviren sind drei verschiedene Formen des viralen Glycoproteins HBsAg eingelagert (䉴 Abbildung 19.1): Das Hauptprotein im infektiösen Viruspartikel, die kleine Form SHBsAg, besitzt ein Molekulargewicht von 24 kD (p24) und umfasst 226 Aminosäuren. Ein Teil des SHBsAg ist an einem Asparaginrest (Asn146) glycosyliert (27 kD, gp27). Zusätzlich sind zwei weitere HBsAg-Variationen in die Hüllmembran des Virus eingelagert, die am aminoterminalen Ende über zusätzliche Aminosäurefolgen verfügen. Ansonsten stimmen sie jedoch in ihrer Sequenz mit derjenigen des SHBsAg überein (䉴 Abbildung 19.3B). Man bezeichnet sie als MHBsAg (PräS2HBsAg, 33 kD) und LHBsAg (PräS1-HBsAg, 39 kD). Im Vergleich zum SHBsAg verfügen MHBsAg und LHBsAg mit ihren PräS2- und PräS1-Domänen über 55 bezie-
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468
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.2 Eigenschaften und Funktionen der vom Hepatitis-B-Virus codierten Proteine Protein
Molekulargewicht
Modifikation
Funktion
SHBsAg (HBsAg)
24 kD 27 kD
– glycosyliert
Oberflächenprotein; Induktion neutralisierender Antikörper; Partikelbildung
MHBsAg (PräS2-HBsAg)
33 kD 36 kD
– glycosyliert
Oberflächenprotein; Induktion neutralisierender Antikörper; Bindung an Serumalbumin
LHBsAg (PräS1-HBsAg)
39 kD 42 kD
myristyliert, glycosyliert
Adsorption an Rezeptor; Induktion neutralisierender Antikörper; Oberflächenprotein
HBcAg
22 kD
phosphoryliert
Capsidprotein; Interaktion mit dem Genom; Partikelbildung
HBeAg
16 kD
–
sezerniertes Protein; carboxyterminal verkürzte Form des HBcAg; zum geringen Teil membranassoziiert
P
90 kD
?
DNA- und RNA-abhängige DNA-Polymerase (reverse Transkriptase); RNaseH; terminales Protein für die Initiation der Replikation
HBx (X-Protein)
17 kD
–
Transaktivator für virale und zelluläre Promotoren; Bindung an Tumorsuppressorprotein p53 und DDB-Protein 1; Stimulation von Proteinkinase C
hungsweise über 108 bis 128 zusätzliche Aminosäuren, abhängig vom jeweiligen Genotyp. An Position 4 der PräS2-Domäne befindet sich ein N-Glycosylierungssignal, daneben findet man bei den Genotypen B bis H in der PräS2-Domäne am Threonin 37 O-glycosidisch angefügte Kohlenhydratgruppen. In der glycosylierten Form beträgt das Molekulargewicht des MHBsAg und LHBsAg 36 kD beziehungsweise 42 kD. Die in der PräS1Domäne vorhandenden Glycosylierungssignale werden nicht verwendet, weil diese Domäne während der Translation im Cytoplasma orientiert ist; die Position 2 des LHBsAg wird jedoch mit Myristinsäure modifiziert. Man nimmt an, dass alle Formen der HBsAg-Proteine vier Transmembranregionen besitzen und dass die amino- und carboxyterminalen Enden beim SHBsAg und MHBsAg an der Partikeloberfläche gelegen sind. Bei 50 Prozent des LHBsAg scheint hingegen die PräS1Domäne in das Partikelinnere orientiert zu sein. Disulfidbrücken zwischen den SHBsAg-spezifischen Domänen verbinden die Oberflächenproteine sowohl der infektiösen Viren als auch der nichtinfektiösen Partikel kovalent miteinander; man kann sie durch Behandlung mit Detergenzien nicht voneinander lösen. Die HBsAgProteine induzieren im Infektionsverlauf eine schützende humorale Immunantwort. Das wichtigste immunogene Epitop ist die Determinante „a“; sie wird durch zwei exponierte Domänen des SHBsAg (Aminosäuren 120–163) definiert und induziert die Bildung von neutralisierenden Antikörpern. Hepatitis-B-Virusvarianten,
deren Aminosäuresequenzen in diesen Proteindomänen durch Mutationen verändert sind, können den durch aktive und/oder passive Immunisierung induzierten Immunschutz unterlaufen. Derartige HBsAg-Varianten werden in üblichen serologischen Tests oft nicht erkannt. Bei den Avihepadnaviren fehlt das MHBsAg; SHBsAg und LHBsAg sind im Unterschied zu den Vertretern der Orthohepadnaviren nicht glycosyliert, sondern liegen in phosphorylierter Form vor. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Oberflächenproteine beim Enten-Hepatitis-BVirus nicht mittels Disulfidbrücken miteinander vernetzt sind.
Polymerase (P-Protein) In den infektiösen Viruspartikeln ist das P-Protein (Molekulargewicht etwa 90 kD) nichtkovalent mit dem 3’-Ende des unvollständigen DNA-Stranges komplexiert. Das P-Protein kann man in drei Domänen unterteilen: Über einen Tyrosinrest in der aminoterminalen TP-Domäne (terminal protein) ist es kovalent an das 5’Ende des vollständigen DNA-Stranges gebunden. Bei der Genomreplikation dient das Tyrosin der TPDomäne als Primer für die Initiation der DNA-Synthese. Der TP-Domäne folgen diejenigen der Polymerase, welche die Aktivität einer reversen Transkriptase, also einer RNA- und DNA-abhängigen DNA-Polymerase besitzt und diejenigen der RNaseH.
19.1 Hepadnaviren
HBx-Protein Das als Homodimer vorliegende X-Protein (17 kD) der Orthohepadnaviren wird am häufigsten mit deren Fähigkeit zur Induktion von Tumoren in Verbindung gebracht. Das X-Protein findet sich gelegentlich in geringen Mengen in Leberbiopsien von Hepatitis-BVirus-Infizierten und Patienten mit einem primären hepatozellulären Karzinom. Diese Personen produzieren auch Antikörper gegen das HBx-Protein. Wird es in der Leber von transgenen Mäusen exprimiert, so induziert es Hepatome. Beim Hepatitis-B-Virus der Waldmurmeltiere ist es auch für deren Infektiosität in vivo notwendig. Das HBx-Protein wirkt als Transaktivator der viralen und einer großen Zahl verschiedener zellulärer Promotoren. Es bindet sich dabei nicht selbst an die DNA der Promotoren, sondern verstärkt deren Funktion indirekt durch Wechselwirkung mit zellulären Transaktivatoren, vor allem den Mitgliedern der CREBund ATF-Familien und generellen Transkriptionsfaktoren wie dem TBP (TATA-box-binding-protein). Des Weiteren bindet sich das X-Protein über seine carboxyterminale Domäne an das p53-Tumorsuppressorprotein und hemmt dessen Transaktivatorfunktion. Dadurch unterbleibt die Expression der p53-abhängigen Gene, die bevorzugt an DNA-Reparaturvorgängen, an der Regulation des Zellzyklus sowie an der Einleitung der Apoptose beteiligt sind (䉴 Kapitel 6). Das X-Protein verhält sich funktionell also ähnlich wie das T-Antigen von SV40 (䉴 Abschnitt 19.2.3), das E6-Protein der humanen Papillomviren (䉴 Abschnitt 19.3.3) und das E1B-Protein der Adenoviren (䉴 Abschnitt 19.4.3): Alle beeinflussen – wenn auch auf unterschiedliche Weise – die Funktion des p53 und induzieren so die Zellteilung. Auch fand man, dass das X-Protein mit dem UV-DDBProtein (ultraviolet-damaged DNA-binding-protein) interagiert. Dieses zelluläre Protein ist eine Komponente des Exzisionsreparatursystems zum Herausschneiden von fehlerhaft gepaarten Basenabschnitten, wie sie beispielsweise durch ultraviolette Strahlen hervorgerufen werden. Man diskutiert unter anderem auch über eine direkte Wechselwirkung mit den unterschiedlichen Zellkomponenten sowie die Aktivierung der Proteinkinase C und der mit dieser Kinase verbundenen Signalkaskade, wodurch die Aktivität verschiedener Transkriptionsfaktoren beeinflusst werden kann. Andere Daten zeigen, dass das HBx-Protein über reaktive Sauerstoffintermediate den Transaktivator NFκB aktiviert und dass es die Aktivität der CDK2-Kinasen und über sie auch die Zellzyklusrate steigert.
469
19.1.4 Replikation Das Enten-Hepatitis-B-Virus bindet sich über die PräS1-Domäne des LHBsAg an eine membranständige Form der Carboxypeptidase D (gp180) als zellulären Rezeptor. Die Aufnahme der Viruspartikel erfolgt im nächsten Schritt mittels rezeptorvermittelter Endocytose, für ihre Freisetzung ist jedoch die Ansäuerung des Endosomeninhalts nicht notwendig. Ähnliche Aufnahmemechanismen vermutet man auch für das humanpathogene Hepatitis-B-Virus. Der zelluläre Rezeptor konnte noch nicht endgültig identifiziert werden, jedoch scheinen auch hier die aminoterminalen PräS1-Domänen des LHBsAg für die Adsorption verantwortlich zu sein. Als mögliche Interaktionspartner wurden unter anderem Annexin V (früher bekannt als Endonexin II), der Asialoglycoproteinrezeptor und ein membranständiger Serin-Protease-Inhibitor beschrieben. Möglicherweise wird die Anheftung zusätzlich über Serumalbumin vermittelt, das sich an die PräS2-Sequenzen des MHBsAg und an einen Rezeptor auf Hepatocyten bindet. Die Serumalbuminbindung wird auch für Autoimmunmechanismen verantwortlich gemacht, die oft in Assoziation mit der Hepatitis-B-Virusinfektion auftreten. Man vermutet, dass sich das Serumalbumin durch die Wechselwirkung mit den Viruspartikeln geringfügig in seiner Struktur verändert und dadurch als Fremdantigen angesehen wird. 䉴 Abbildung 19.4 veranschaulicht den Weg, den Hepatitis-B-Viren in der infizierten Zelle nehmen. Nach Eintritt in die Zelle werden die Capside mit dem in ihnen enthaltenen Virusgenom entlang der Microtubuli zu den Kernporen transportiert; verantwortlich ist hierfür ein Kernlokaliserungssignal in der aminoterminalen Domäne des Capsidproteins HBcAg und dessen Wechselwirkung mit den Kernimportrezeptoren Importin α und β. An den Kernporen findet die Freisetzung der nichtkovalent geschlossenen Virusgenome (rcDNA, relaxed circular DNA) statt, die im weiteren Verlauf in den Kern gelangen. Der unvollständige DNA-Strang wird nun durch die mit ihm assoziierte Polymeraseaktivität des PProteins zum Doppelstrang ergänzt. Dabei wird das 5’gecappte RNA-Oligonucleotid abgebaut, das TP-Protein entfernt und die Lücke geschlossen. So entsteht ein zirkulär geschlossener DNA-Doppelstrang (cccDNA, covalently closed circular DNA), der mit Histonproteinen zu Nucleosomen assoziiert in superhelikaler Struktur vorliegt. In seltenen Einzelfällen werden in dieser Infektionsphase das komplette Hepatitis-B-Virusgenom oder Teile davon in das Zellgenom integriert. Im Kern erfolgt die Transkription des episomalen Virusgenoms durch die zelluläre RNA-Polymerase II.
19
Synthese am ER
MHBsAg SHBsAg
LHBsAg
PräC, Core P-Protein
0,7 X-Protein
19.4 Der Verlauf der Replikation des Hepatitis-B-Virus in einer Zelle. 1. Adsorption. 2. Rezeptorvermittelte Endocytose. 3. Transport des viralen Capsids zu den Kernporen und Transport des viralen DNA-Genoms (rcDNA) in den Kern. 4. Vervollständigung zur zirkulär geschlossenen, supercoiled DNA (cccDNA). 5. Transkription. 6. Export der verschiedenen mRNASpezies aus dem Zellkern in das Cytoplasma. 7. Translation der mRNA: HBsAg und HBeAg am endoplasmatischen Reticulum mit anschließendem Transport über den Golgi-Apparat; HBcAg, Polymerase und X-Protein an freien Ribosomen im Cytoplasma. 8. Verwendung der 3,5 kB langen pgRNA als Prägenom. 9. Initiation der Synthese des DNA-Stranges durch die virale Polymerase (Priming durch das P-Protein). 10. Abbau des RNA-Anteils im Hybrid durch die RNase-H-Aktivität des P-Proteins. 11. Beginn der Synthese des Doppelstranges der viralen DNA nach Primer-Transfer. 12. Aggregation des HBcAg. 13. Verpacken des unvollständigen Genoms mit den HBcAg-Aggregaten. 14. und 15. Freisetzung des infektiösen Partikels, das am endoplasmatischen Reticulum mit der HBsAg-haltigen Membran umgeben wird.
RNA-Polymerase II
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P-Protein
19 19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.1 Hepadnaviren
Alle gebildeten mRNAs haben das gleiche 3’-Ende (gemeinsame Poly(A)-Stelle), jedoch unterschiedliche Initiationsstellen und somit unterschiedliche Längen (䉴 Abbildung 19.2). Es handelt sich um die 3 500 Basen umfassenden Prä-Core Transkripte (präC-mRNA) für die Synthese des HBeAg und der prägenomischen RNAs (pgRNA), von denen auch die HBcAg und P-Proteine translatiert werden, um eine 2 400 Basen lange mRNA für die Synthese des LHBsAg und um die etwa 2 100 Basen langen Transkripte für die Synthese des MHBsAg und SHBsAg. Nach der Modifizierung der 5’-Enden durch Cap-Gruppen und der Polyadenylierung der 3’Enden durch zelluläre Enzyme werden die verschiedenen RNA-Moleküle in das Cytoplasma transportiert und translatiert. Die Synthese der Oberflächenproteine LHBsAg, MHBsAg und SHBsAg findet an der Membran des endoplasmatischen Reticulums statt, wo die wachsenden Aminosäureketten in das Lumen eingeschleust und mittels ihrer vier Transmembranregionen verankert werden. Die präC-mRNA dient der Synthese des PräCore-Proteins (Prä-HBcAg); dieses enthält ebenfalls am aminoterminalen Ende ein Signalpeptid. Nach der Entfernung durch eine Signalase wird dieses Protein in das Lumen des ER abgegeben und nach proteolytischer Abspaltung der carboxyterminalen Domäne als HBeAg durch die Golgi-Vesikel sezerniert. Die Entfernung des Signalpeptids erfolgt nicht bei allen Molekülen. Einige Proteine, sowohl in der Version des Prä-HBcAg als auch der des Prä-HBeAg, bleiben daher mit der Cytoplasmamembran assoziiert (䉴 Abbildung 19.3A). Das Capsidprotein HBcAg und das P-Protein werden von den Leserahmen auf der pgRNA translatiert, wobei das Startcodon des P-Proteins mehr als 500 Basen vom 5’-Ende der RNA entfernt liegt; wie diese interne Translationsinitiation erfolgt, ist nicht bekannt. Für die Synthese des X-Proteins des menschlichen Hepatitis-BVirus scheint eine spezielle mRNA produziert zu werden. Sie beginnt an einem Promotor, der vor dem Beginn des X-Leserahmens lokalisiert ist, und umfasst etwa 700 Basen. Ob diese mRNA während des Infektions- und Replikationszyklus der humanen HepatitisB-Viren gebildet wird, ist allerdings unklar. Das X-Protein scheint bei der Replikation keine notwendige Funktion zu haben. Nur bei den Hepatitis-B-Viren der Waldmurmeltiere und der Erdhörnchen gibt es Befunde, die darauf schließen lassen, dass die Transaktivatorfunktion des X-Proteins für die Infektion essenziell ist. Bei der Initiation der Replikation lagern sich vermutlich mehrere Moleküle des P-Proteins an die Sequenzfolgen einer stabilen Haarnadelschleife – auch ε-Signal genannt – an, die sich am 5’-Ende der prägenomischen
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RNA zwischen der DR1- und DR2-Region befindet. Die aminoterminale TP-Domäne des P-Proteins liefert mit der OH-Gruppe eines Tyrosinrestes den Primer für die Initiation der Polymerisation, daher bleibt ein Molekül des P-Proteins kovalent mit dem 5’-Ende verbunden (䉴 Abbildung 19.5). Es wird ein kurzes Stück DNA polymerisiert, nämlich die Sequenzfolgen, welche komplementär zur Region zwischen dem ε-Signal und dem 5’Ende der pg-RNA sind. Dann kommt es zum Transfer dieses Initiationskomplexes an die ε-Struktur, die sich am 3’-Ende des Transkripts befindet. Da sich dort dieselben Basensequenzen wie am 5’-Ende befinden, kann der bereits synthetisierte DNA-Abschnitt mit ihnen hybridisieren. Ähnliche Vorgänge findet man bei der reversen Transkription der Retroviren (䉴 Abschnitt 18.1.4). Der Komplex dient als Primer für die Synthese eines durchgehenden DNA-Stranges, die durch die reverse Transkriptaseaktiviät des P-Proteins katalysiert wird; der entstandene DNA-Strang überspannt die gesamte prägenomische mRNA. Beim Enten-HepatitisB-Virus ist das P-Protein nur dann als Polymerase aktiv, wenn zelluläre Chaperone (Hsc70, Hsp40) es strukturell umfalten; beim humanen Hepatitis-B-Virus scheint dies nicht notwendig zu sein. Bereits der Initiationskomplex aus pgRNA und PProtein bildet die Erkennungsstruktur für die Anlagerung der Capsidproteine HBcAg, es bilden sich Vorläuferformen der Viruscapside, die im weiteren Verlauf aus dem Kern in das Cytoplasma transportiert werden. Dabei wird der RNA-Anteil des RNA/DNA-Hybrids durch die RNase-H-Aktivität des P-Proteins abgebaut, am 5’-Ende bleibt dabei ein kurzes Stück 5’-gecappter RNA zurück, dessen 3’-OH-Ende als Primer für die Synthese des DNA-Gegenstranges dient. Der synthetisierte DNA-Strang geht in die Ringform über, kann wegen des am 5’-Ende kovalent gebundenen Proteins jedoch nicht geschlossen werden. Anschließend wird, ebenfalls katalysiert durch das P-Protein, an das 3’-OH-Ende des 5’gecappten RNA-Primers der komplementäre DNAZweitstrang ansynthetisiert. Er überspannt die Lücke im Erststrang, bleibt aber selbst unvollständig: Das sich noch in Synthese befindende, mit den Capsidproteinen komplexierte Virusgenom interagiert mit cytoplasmatischen Chaperonen und Proteinkinasen, welche die Phosphorylierung und Reifung der Capside bewirken. Die strukturellen Veränderungen haben zur Folge, dass die genomhaltigen Capside mit der HBsAg-haltigen ERMembran umgeben, durch die Golgi-Vesikel zur Zelloberfläche transportiert und freigesetzt werden. Die Polymerisation des DNA-Zweitstrangs wird nur so weit fortgesetzt, wie die bei der Verpackung mitgenommenen Nucleotide reichen. Ein Teil der Viruscapside bleibt unumhüllt. Diese werden – analog zu den Vorgängen bei
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
ε-Schleife prägenomische RNA (pgRNA)
5´Cap
DR1
DR2
AAA 3´
DR1
Poly TP
+ Protein P
RNase H Poly TP RNase H
pgRNA
5´Cap
DR1
DR2
AAA 3´
DR1
+ dNTPs, Zellproteine Poly TP
pgRNA
5´Cap
3´OH DR1
RNase H
DR2
Poly
P-Protein Primer Transfer pgRNA
5´Cap
DR1
DR2
AAA 3´
DR1
TP RNase H
3´OH DR1
+ dNTPs, Zellproteine, P-Protein
AAA 3´
Poly TP RNase H
pgRNA / DNA
5´Cap
DR1
DR2
DR1
AAA 3´
19.5 Die Genomreplikation der Hepadnaviren. Vorgänge bei der durch das P-Protein geprimten Initiation der DNA-Synthese. An der ε-Schleife, die dem DR1-Element am 5’-Ende der pgRNA benachbart ist, lagern sich mehrere Einheiten der P-Proteine an (aus darstellungstechnischen Gründen ist in der Abbildung nur ein P-Protein angegeben). Ein Tyrosinrest in der aminoterminalen TPDomäne des P-Proteins dient als Primer für die Initiation der DNA-Synthese (rot), welche durch die reverse-TranskriptaseAktivität der Polymerase-Domäne (Poly) des P-Proteins katalysiert wird. Danach wird der Komplex aus P-Protein und einem kurzen DNA-Abschnitt an die ε-Schleife am 3’-Ende der pgRNA transferiert. Die Polymerase bewirkt die Synthese eines durchgehenden, die pgRNA überspannenden DNA-Strangs (rot). Im weiteren Verlauf wird der RNA-Anteil des DNA-/RNA-Hybridstranges durch die RNase H-Aktivität in der carboxyterminalen Domäne des P-Proteins abgebaut (nicht gezeigt).
den frühen Schritten des viralen Repliaktionszyklus – zu den Kernporen transportiert, ihr Genom gelangt in den Kern und wird in virale cccDNA-Genome überführt. Hierdurch akkumulieren die Virusgenome im Zellkern: man findet bis zu 100 Kopien pro infizierter Zelle.
19.1.5 Humanpathogene Hepadnaviren Das humane Hepatitis-B-Virus Epidemiologie und Übertragung Das Hepatitis-B-Virus wird durch Blut (auch bei der Geburt), Blutprodukte und Sexualverkehr übertragen. Als Erregerreservoir dient ausschließlich der Mensch, es ist aber eine experimentelle Übertragung des Virus auf
19.1 Hepadnaviren
Schimpansen möglich. Hepatitis-B-Viren kommen in unterschiedlicher Konzentration im Blut akut infizierter Personen und chronischer Virusträger vor. In einem Milliliter Blut befinden sich bis zu 109 infektiöse Viruspartikel sowie 1013 (entspricht etwa 50 μg/ml) nichtinfektiöse, sphärische beziehungsweise 109 filamentöse HBsAg-Partikel. Das Blut ist bereits vor dem Auftreten der mit der Hepatitis-B-Infektion verbundenen Leberentzündung infektiös. Schwangere mit chronischer Hepatitis-B-Infektion oder solche, die zur Zeit des Geburtstermins an einer akuten Infektion erkranken, können das Virus vor, während oder nach der Geburt an ihre Kinder weitergeben. Dies gilt vor allem für die Hochendemiegebiete in Ostasien (Taiwan) und in Zentral- und Westafrika. Hier sind 20 bis 80 Prozent der Bevölkerung mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert, wobei in der Mehrzahl der Fälle (90 Prozent) die Infektion bei der Geburt (perinatal) erfolgt. Das Virus kann auch durch die Muttermilch an die Säuglinge weitergegeben werden. In Deutschland sind etwa 0,5 Prozent aller Menschen Träger des HBsAg, fünf Prozent besitzen Antikörper, die auf eine zurückliegende Infektion hinweisen. Insgesamt rechnet man weltweit mit 350 bis 400 Millionen chronisch infizierter Personen. In den Industrieländern kommt das Hepatitis-B-Virus nur sporadisch-endemisch vor. Ein besonderes Problem sind Virusübertragungen auf medizinisches Personal, vor allem durch Kontakt von virushaltigem Blut mit der Schleimhaut, nicht intakter Haut oder durch Verletzungen mit kontaminierten Kanülen. Die Mutationsrate ist bei den Hepatitis-B-Viren ähnlich hoch wie bei den Retroviren; wegen der Genomorganisation des Hepatitis-B-Virus überlappen jedoch alle Gene. Die Mutationen bewirken daher meist Veränderungen in zwei Virusgenen und beeinflussen die Infektiosität und Replikationsfähigkeit der entstehenden Varianten. Verantwortlich ist dafür die beim viralen PProtein und bei der zellulären RNA-Polymerase II – beide Enzyme sind an der Genomreplikation beteiligt – fehlende Proofreading-Aktivität zur Überprüfung der Polymerisationsschritte. Phänotypisch können die Hepatitis-B-Viren vier unterscheidbaren Serotypen zugeordnet werden. Die allen Serotypen gemeinsame Determinante bezeichnet man mit „a“. Sie wird durch zwei exponierte Domänen des SHBsAg (Aminosäuren 120–163) definiert und ist das immunologisch wichtigste Epitop, das die Bildung neutralisierender Antikörper induziert. Daneben gibt es zwei Paare von Subtypdeterminanten, die sich überwiegend allelisch verhalten und sich gegenseitig ausschließen: d, y und r, w. Daraus ergeben sich die serologisch unterscheidbaren Subtypen adr, adw, ayr und ayw. Die Determinante w kann in vier weitere Varianten w, w2, w3 und w4 unterteilt werden,
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zusätzlich kennt man die seltener vorkommenden Determinanten q, x und g. Ihre Kombination miteinander ergibt die hauptsächlich vorkommenden Subtypen des Hepatitis-B-Virus, die man bestimmten geographischen Regionen zuordnen kann: ayw, ayw2, ayw3, ayw4, ayr, adw4, adr. In einzelnen Virusisolaten, meist in Südostasien, findet man auch ungewöhnliche Varianten wie adwr, adyw oder awr. Die Determinanten d/y liegen im Bereich der Aminosäuren 284 bis 323 des SHBsAg. Sie scheinen von der dreidimensionalen Faltung der Proteinkette und der korrekten Bildung von Disulfidbrücken abzuhängen. Punktmutationen können die verschiedenen Determinanten und ihre immunologische Erkennung durch die entsprechenden Antikörper verändern. Sie können den durch die Impfung induzierten Schutz unterlaufen und tragen zum immune escape der mutierten Viren bei. Insbesondere für epidemiologische Untersuchungen hat sich die Einteilung der Hepatitis-B-Viren in derzeit acht verschiedene Genotypen A bis H als sinnvoll erwiesen. Die Genomsequenzen der Genotypen unterscheiden sich zu mindestens acht Prozent voneinander. Weitere Subgenotypen sind bei den Genotypen A, B, C und F bekannt. Die verschiedenen Genotypen kommen regional gehäuft in bestimmten geographischen Regionen vor: In Mitteleuropa überwiegen Virusisolate des Genotyps A, wohingegen in Süd- und Osteuropa sowie in Russland, Indien und Nordafrika der Genotyp D vorherrscht. Die Genotypen B und C werden bevorzugt in China und Alaska beziehungsweise in Südostasien und auf dem australischen Kontinent isoliert. Hepatitis-BViren des Genotyps E sind in Westafrika prävalent, diejenigen des Genotyps F in Südamerika, wohingegen die Genotypen G und H vor allem in Mittelamerika gefunden werden.
Klinik Das Hepatitis-B-Virus infiziert die Zellen der Leber und kann eine akute Hepatitis verursachen. Die Inkubationszeit beträgt – je nach Infektionsdosis – zwei bis sechs Monate. Bei Jugendlichen und Erwachsenen verlaufen 65 Prozent der Infektionen symptomlos, bei 35 Prozent kommt es zu einer Hepatitis (Leberentzündung). Hauptsymptom der akuten Hepatitis ist eine Gelbsucht (Ikterus). Weitere Symptome sind die Vergrößerung der Leber und der Milz sowie – sehr selten – Störungen der Blutbildung und Exantheme. Die Hepatitis dauert im Regelfall zwei bis drei Wochen an. Ist nach sechs Monaten noch immer HBsAg im Blut nachweisbar, ist von einer chronischen Verlaufsform auszugehen. Diese findet man bei etwa fünf bis zehn Prozent der Erkrankten, bezogen auf die Zahl aller Hepatitis-B-Infektionen. Etwa
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90 Prozent der perinatalen Infektionen führen zu chronischen Leberentzündungen, und zwar meist ohne eine akute Erkrankung; bei Infektionen im Kleinkindalter sind es etwa 50 Prozent. 60 Prozent der chronisch infizierten Personen bleiben asymptomatische, „gesunde“ Virusträger. Histopathologisch unterteilt man die symptomatischen chronischen Hepatitis-B-Virusinfektionen in die chronisch-aggressiv-replikative Hepatitis (CAH) und in die chronisch-persistente Hepatitis (CPH). Die CAH kann spontan in eine CPH übergehen. Folgeerkrankungen sind die Leberzirrhose und das Leberzellkarzinom. Man vermutet, dass sich insbesondere bei Kindern chronisch-infizierter Mütter eine immunologische Toleranz gegen das Hepatitis-B-Virus entwickelt, die ein lebenslanges Virusträgerstadium einleiten kann. Diese immunologische Toleranz wird vor allem auf das placentagängige HBeAg zurückgeführt. Hinweise darauf ergaben sich aus Versuchen mit transgenen Mäusen.
Pathogenese Akute Hepatitis-B-Virusinfektion Von der Eintrittsstelle aus gelangt das Hepatitis-B-Virus über die Blutbahn in die Leber. Hier findet man Hepatocyten, die hohe Konzentrationen des HBsAg enthalten – man bezeichnet sie auch als Milchglaszellen. Das HepatitisB-Virus ist selbst nicht cytopathogen. Die Zerstörung der Leberzellen wird durch CD8+-Lymphocyten (cytotoxische T-Zellen) bewirkt, die sich in der Umgebung der befallenen Leberzellen nachweisen lassen. Diese Lymphocyten sind gegen von Hepatitis-BVirusproteinen abgeleitete Peptide gerichtet, die dem zellulären Immunsystem im Komplex mit MHC-Klasse-
I-Antigenen auf der Oberfläche der infizierten Hepatocyten präsentiert werden. Die cytotoxischen T-Zellen sezernieren dabei Cytokine, die ebenfalls zellschädigend sind, zum Beispiel TNF-α. Die akute Hepatitis wird also immunpathologisch ausgelöst und stellt eigentlich eine Schutzreaktion des Organismus dar. Auch spielen Antigen-Antikörper-Komplexe, die während der Infektion im Blut zirkulieren, eine wichtige Rolle bei der Pathogenese: Sie werden in Arteriolen abgelagert und sind für Entzündungsvorgänge in diesen Bereichen und die Ausbildung einer Periarteritis nodosa mitverantwortlich. Auch die gelegentlich mit der Hepatitis-B-Virusinfektion einhergehenden Exantheme entstehen auf diese Weise. Die Bedeutung des Vorkommens von Hepatitis-B-Viren in Makrophagen und Blutmonocyten sowie in Pankreas-, Samen- und anderen Zellen ist vorläufig unklar. Es konnte gezeigt werden, dass die Myelopoese gestört ist und Hepatitis-B-Viren auch unreife Blutzellen befallen, letztere stellen in persistierend infizierten Patienten vermutlich das Reservoir für das Virus dar. Eine akute, aber ausheilende Hepatitis nimmt folgenden Verlauf: Bereits während der Inkubationszeit lassen sich im Serum Hepatitis-B-Viren und erhöhte Konzentrationen an Klasse-I-Interferonen nachweisen. Die hohe Interferonkonzentration ist auch für das Fieber und das starke Krankheitsgefühl zu Beginn der Erkrankung verantwortlich. Die Interferone induzieren die Transkription der MHC-Gene, wodurch sich die Menge von MHC-Klasse-I-Antigenen auf der Zelloberfläche erhöht. Dieser Mechanismus hilft dem zellulären Immunsystem, die mit Hepatitis-B-Viren infizierten Zellen besser zu erkennen. Auch konnte gezeigt werden,
q Weltweite Impfprogramme sollen die Zahl der Virusträger in der Bevölkerung und damit die Zahl der Zirrhosen und Karzinome reduzieren Der hohen Durchseuchung mit Hepatitis-B-Viren in den Entwicklungsländern versucht die WHO (World Health Organisation) seit einigen Jahrzehnten aktiv entgegenzuwirken. In diesen Regionen ist die Durchseuchung mit 20 bis 80 Prozent der Bevölkerung sehr hoch, und entsprechend hoch ist auch die Anzahl an chronischen Virusträgern. Das primäre Leberzellkarzinom ist dort die häufigste Tumorerkrankung. Ausgedehnte Impfprogramme für die Bevölkerung sollen einen ausreichenden Schutz vor der Hepatitis-B-Virusinfektion vermitteln und die Infektionskette in diesen Ländern unterbrechen. Die wichtigsten Maßnahmen sind die
passive Impfung der Neugeborenen von Hepatitis-B-Viruspositiven Müttern und die gleichzeitige aktive Impfung mit gentechnisch hergestellten HBsAg-Partikeln. Dieses Vorgehen hat bereits heute eine Abnahme der Karzinomhäufigkeit bewirkt. Aber auch in Mitteleuropa und den USA wurde die Impfung gegen die Hepatitis B in die Routinevakzinierungen der Säuglinge und Kleinkinder aufgenommen. Die Maßnahme soll letztendlich zur Ausrottung des HepatitisB-Virus beitragen. Dies erscheint möglich, da das Virus ausschließlich den Menschen infiziert und keine Reservoire in Tieren existieren.
19.1 Hepadnaviren
dass IFN-α und -β in transgenen Mäusen und auch in humanen Zellen die virale Genexpression reduzieren. Welche antiviralen Mechanismen dabei eine Rolle spielen, ist noch offen. Es gibt Hinweise auf eine Beteiligung der antiviral wirkenden MxA-Proteine, die sonst bei den nicht adaptiven Abwehrmechanismen gegen RNAViren wichtig sind (䉴 Kapitel 8 und Abschnitte 15.3 und 16.3). Chronische Hepatitis-B-Virusinfektion Die beiden Formen der chronischen Hepatitis treten auf, wenn das Immunsystem die Virusinfektion nicht beherrschen kann. Im Gegensatz zu Personen, die das Virus nach der akuten Hepatitis B erfolgreich eliminieren können, findet man in den Patienten mit persistierender HepatitisB-Virusinfektion eine qualitativ und quantitativ wesentlich geringere zelluläre Immunreaktion. Auch wenn dies bis heute weitgehend unverstanden ist, können verschiedene Szenarien als Erklärung herangezogen werden: 1. Am häufigsten etablieren Kinder, die von chronisch infizierten Müttern geboren und perinatal infiziert werden, selbst eine chronisch-persistierende Infektion. Das Hepatitis-B-Virus selbst wird nicht pränatal auf das werdende Kind übertragen, jedoch ist das im Blut der chronisch infizierten Schwangeren vorhandene HBeAg placentagängig und gelangt in den embryonalen Kreislauf. In dieser Phase wird es vom fetalen Immunsystem nicht als Fremdprotein erkannt. Es entwickelt sich keine Immunabwehr, sondern eine immunologische Toleranz. Diese bedingt, dass auch nach der Geburt im perinatal infizierten Kind die Peptidepitope des HBcAg und HBeAg immunologisch nicht als fremd erkannt werden und humorale und zelluläre Immunreaktionen gegen HBcAg und HBeAg nicht entstehen. 2. Bei einer perinatalen Infektion und einer Ansteckung im Kleinkindalter trifft das Virus auf einen immunbiologisch nicht ausgereiften Organismus, wobei eine Immuntoleranz entstehen kann. Bei Jugendlichen und Erwachsenen könnte ein Interferonmangel zur Etablierung chronischer Infektionen beitragen. Auch fand man, dass bei der Synthese großer Mengen von HBcAg während der Infektion die interferoninduzierte Expression der MxA-Gene gezielt unterdrückt wird. 3. Bei der Entwicklung von chronisch-persistierenden Infektionen spielen auch die sehr hohen Mengen von nichtinfektiösen HBsAg-Partikeln eine Rolle, wie man sie bei einigen Patienten während der akuten Erkrankungsphase findet. Sie können die neutralisierenden, HBsAg-spezifischen Antikörper abfangen. Die Konzentration der nichtinfektiösen HBsAg-Partikel ist besonders bei Männern sehr hoch. Männli-
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che Geschlechtshormone binden sich in den Zellen an die Glucocorticoidrezeptoren. Diese Komplexe lagern sich an das GRE-Element (䉴 Abbildung 19.2) im Hepatitis-B-Virusgenom, wodurch die Transkriptionsrate der mRNA für das SHBsAg (2,1-kBmRNA) deutlich erhöht wird. Dies führt in der Folge zur erhöhten Produktion dieses Proteins, zu größeren Mengen nichtinfektiöser HBsAg-Partikel und zu einem verstärkten Auftreten von chronischen Hepatitiden. Das könnte auch erklären, warum mehr Männer als Frauen an primären Leberzellkarzinomen erkranken. 4. Virusvarianten, die kein HBeAg synthetisieren, sind bei bis zu 20 Prozent aller chronisch infizierten Personen nachweisbar, vor allem in Süditalien und in Südostasien. Die Erkrankung ist in diesen Fällen durch hohe Transaminasewerte, große Mengen an Hepatitis-B-Virus-DNA sowie durch schwere Krankheitsverläufe und einen schnellen Übergang zur Leberzirrhose gekennzeichnet. Diese HBe-negativen Hepatitis-B-Viren werden durch Mutationen im PräC-Bereich des Genoms verursacht, die im codierenden Bereich Stoppcodons erzeugen. Man weiß, dass diese Mutanten übertragbar sind und in der Leber den Wildtyp ersetzen können. 5. Ebenfalls vor allem in Süditalien treten Hepatitis-BVirusvarianten mit Mutationen im HBsAg-Gen auf. Sie verändern das Protein und die antigenen Determinanten derart, dass sich neutralisierende, gegen das Wildtypprotein gerichtete Antikörper nicht mehr oder nur ungenügend binden können (䉴 Abschnitt 19.1.3). Neben Mutationen im Bereich des SHBsAg gibt es auch Veränderungen in den PräS1- und PräS2-Bereichen von LHBsAg und MHBsAg. Sie sind kaum untersucht, und es ist unklar, ob diese Virusvarianten atypische Verläufe der Hepatitis-B-Virusinfektion hervorrufen. Primäres Leberzellkarzinom (PLC oder HCC, hepatocellular carcinoma) Etwa 250 000 Personen sterben pro Jahr an einem primären Leberzellkarzinom, das bei Personen mit chronisch persistierenden Infektionen auftritt. Das Hepatitis-B-Virus ist der wichtigste Risikofaktor für seine Entstehung. Je länger eine chronische Hepatitis-B-Virusinfektion besteht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein primäres Leberzellkarzinom bildet. Es tritt in denselben Gebieten gehäuft auf, in denen es viele Hepatitis-B-Virusinfektionen mit chronischen Verläufen gibt. Bei Personen mit einer chronischen Hepatitis B ist das Risiko für die PLC-Entstehung auf das etwa 200-fache erhöht. Auf molekularer Ebene entsteht das PLC schrittweise, wobei die Ausbildung von unterschiedlichen präneo-
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plastischen Läsionen auf mehrere mögliche genetische Ereignisse hinweist: 1. Ein Schlüsselereignis der zum Karzinom führenden Kausalkette ist die Integration des Hepatitis-BVirusgenoms an willkürlichen Stellen in die chromosomale DNA der Zelle. Sie erfolgt bevorzugt bei chronischen Trägern, die über lange Zeiten große Virusmengen produzieren. Die ringförmige Hepatitis-B-Virus-DNA wird dabei meist im Bereich der Lücke im unvollständigen DNA-Strang geschnitten – nur selten ist die Sequenz des HBs-Gens von diesem Ereignis betroffen –, sodass in den Zellen des Karzinoms auch nach Integration der viralen Sequenzen das HBsAg und meist auch das X-Protein gebildet werden, während die Synthese von infektiösen Virionen infolge der mit der Integration verbundenen Zerstörung des viralen Genoms unterbleibt. Auch erfolgen häufig Deletionen im Hepatitis-B-Virusgenom, sodass es nicht mehr zur Produktion infektiöser Viren kommen kann. Die lange Inkubationszeit bis zum Auftreten des Leberkarzinoms und dessen Monoklonalität lassen vermuten, dass die notwendigen Prozesse langsam und selten ablaufen. Durch die Integration an beliebigen Stellen in der zellulären DNA können zelluläre Funktionen zerstört werden, deren Ausfall meist zum Absterben der jeweiligen Zelle führen dürfte. Bei einer transformierten Zelle muss die Integration in die zelluläre DNA hingegen bewirken, dass die betreffende Zelle nicht stirbt, sondern sich vielmehr unendlich teilt. Das kann durch Störung unterschiedlicher Zellfunktionen geschehen: So hat in Einzelfällen das Integrationsereignis die Aktivität des zellzyklusregulierenden Cyclingens verändert, was eine erhöhte Zellteilungsrate zur Folge haben kann. 2. Eine ebenfalls große Rolle bei der Entstehung des PLC spielt das HBx-Protein, das häufig in Tumorzellen exprimiert wird. Dieses Protein wirkt transaktivierend auf zelluläre Promotoren und über den Proteinkinase-C-Weg zellteilungsstimulierend. Zudem induziert das X-Protein durch Bindung an die Enhancer-Region des integrierten Virusgenoms die Expression der 2 100 Basen langen RNA, die vorrangig für die Synthese der kleinen Form des HBsAg verantwortlich ist. Wie schon erwähnt, erklärt man auch die höhere Tumorrate bei Männern mit der stärkeren Stimulierung der Expression des HBsAg durch die Bindung der aktivierten Glucocorticoidrezeptoren an die Sequenzen des GRE. Die hohen Konzentrationen des Proteins in Form nichtinfektiöser Partikel können neutralisierende Antikörper abfangen und so zu einer Etablierung einer der chronischen Verlaufsformen führen, welche die Voraussetzung für die Entstehung der PLC sind. Außerdem hemmt das X-Protein
die Funktion des zellulären Tumorsuppressorproteins p53. Dies führt zur Hemmung der Apoptose und auch zu einem verfrühten Eintritt der Zelle in die SPhase des Zellzyklus, in welcher das Zellgenom repliziert wird (䉴 Kapitel 6). Dies und die gleichzeitige Inhibierung der Funktionen des UV-DDB-Proteins bedingen, dass spontan entstandene DNA-Schäden oder solche, die durch mutagene Agenzien hervorgerufen sind, nicht korrekt repariert werden, sodass es in den betroffenen Zellen zu einer erhöhten Mutationsrate kommt. Durch die infektionsbedingte Zerstörung sind die Leberzellen einer hohen Regenerations- und Teilungsrate unterworfen, was das Potenzial für die Entstehung von Mutationen und DNA-Schäden zusätzlich fördern dürfte. 3. Auch Cofaktoren scheinen bei der Tumorentstehung eine wichtige Rolle zu spielen. Zu diesen zählen die Aflatoxine. Hierbei handelt es sich um DifuranCumarin-Derivate, die ein hohes mutagenes Potenzial haben. Sie sind Stoffwechselprodukte des Schimmelpilzes Aspergillus flavus, die sich in verdorbenen Speisen anreichern. Werden solche verzehrt, wird das Aflatoxin in der Leber in ein aktives Produkt überführt, das sich an die DNA bindet. Dadurch kommt es zu gehäuften Mutationen, die auch das Gen für das zelluläre Tumorsuppressorprotein p53 betreffen können. Bei Patienten mit gehäufter Exposition gegenüber Aflatoxinen fand man Mutationen bevorzugt im Codon 249 des p53, die seine Funktion beeinträchtigen. Auf diese Weise können Aflatoxine die Wirkung des X-Proteins zur Inaktivierung des p53 verstärken. Ähnlich kommen chronische Entzündungsvorgänge in Verbindung mit hohem Alkoholkonsum und Leberzirrhose als weitere Cofaktoren bei der Tumorentstehung infrage. 4. Zusätzlich wurden in den Tumorzellen Chromosomendeletionen, DNA- und Genamplifikationen sowie Umordnungen der zellulären DNA beobachtet. Beim Hepatitis-B-Virus des Waldmurmeltieres, das bei diesen Tieren eine chronische Hepatitis erzeugt, fand man Aktivierungen des zellulären Protooncogens c-myc; viele der infizierten Tiere (16 bis 30 Prozent) entwickeln persistierende Infektionen, die praktisch alle nach kurzer Zeit in Leberzellkarzinome übergehen.
Immunreaktion und Diagnose Antikörper gegen Epitope aller HBsAg-Formen wirken neutralisierend und blockieren daher weitgehend die Ausbreitung durch das Blut; außerdem schützen sie vor einer Reinfektion. Daneben richtet sich die Antikörperbildung auch gegen HBcAg und HBeAg, in der Sequenz
19.1 Hepadnaviren
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¡ Das Enten-Hepatitis-B-Virus – ein wichtiges Modellsystem Ein weiteres Modellsystem zur molekularbiologischen Untersuchung der Hepatitis-B-Viren ist die Infektion von chinesischen Haus- und amerikanischen Pekingenten mit dem Enten-Hepatitis-B-Virus. Hier findet eine vertikale Übertragung von der infizierten Mutterente auf die Eier statt. Das Virus vermehrt sich im Dottersackgewebe des sich entwickelnden Embryos und wird von dort, wahrscheinlich ab dem sechsten Tag der Embryonalentwicklung, auf Hepatocyten übertragen. Experimentell können bei Entenküken, die einen Tag alt sind, durch intravenöse oder intrahepatäre Injektion von klonierter Virus-DNA Infektionen ausgelöst werden. Auch über die Injektion in Eier lassen sich Infektionen induzieren, allerdings ist eine Infektion hier nur während eines sehr begrenzten Zeitraumes möglich. Die Tatsache, dass primäre Hepatocyten, die länger als
dieser Proteine befinden sich, wie in den aminoterminalen Domänen des LHBsAg und des MHBsAg, wichtige T-Zell-Epitope, die in Kombination mit MHC-Klasse-IProteinen auf den Oberflächen infizierter Zellen präsentiert werden und die Zerstörung durch cytotoxische TZellen auslösen. Cytotoxische T-Zellen gegen das HBcAg lassen sich bereits in der Inkubationszeit und während der akuten Infektion vor allem im Lebergewebe, in großer Zahl nachweisen. Bei chronischen Verläufen hat man auch natürliche Killerzellen gefunden, welche die infizierten Hepatocyten lysieren können. Zur serologischen Diagnose einer akuten Hepatitis B bestimmt man den Gehalt an Transaminasen, das Vorhandensein von HBsAg und HBeAg sowie die Konzentration von IgM gegen HBcAg. Die Ausheilung wird durch die kontinuierliche Abnahme des HBsAg und HBeAg im Blut – beide Antigene sind schließlich nicht mehr nachweisbar – und das Auftreten von IgG-Antikörpern, zuerst gegen HBeAg, später gegen HBsAg angezeigt (䉴 Abbildung 19.6). IgG-Antikörper gegen HBcAg bleiben lebenslang nachweisbar. Die Diagnose von chronischen Verlaufsformen ergibt sich aus dem Nachweis von HBsAg über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus. Das Vorhandensein von HBsAg ist ebenso wie der Nachweis von viraler DNA im Serum mittels Polymerasekettenreaktion ein Grad für die Aktivität der Infektion und das Ausmaß der Virusreplikation. Wird HBeAg im Blut gefunden, ist das immer ein Indiz für eine hohe Viruslast. Ein wichtiger Hinweis auf das Vorhandensein von infektiösen Hepatitis-B-Viren im Blut ist der Nachweis
eine Woche in Kultur gehalten werden, nicht mehr infizierbar sind, weist ebenfalls darauf hin, dass der Grad der Zelldifferenzierung auf die Permissivität der Zellen einen wichtigen Einfluss hat. Ob die infizierten Enten akute Lebererkrankungen entwickeln, ist unklar. Symptome wurden bisher kaum beobachtet. Die Entwicklung von zirrhotischen Erscheinungen und hepatozellulären Karzinomen ist lediglich in einer bestimmten Art von chinesischen Enten beschrieben worden. Hier hat sich die DNA des EntenHepatitis-B-Virus in das Zellgenom integriert. Der Umstand, dass Avihepadnaviren generell kein Gen für ein X-Protein besitzen, zeigt, dass hier X-Protein-unabhängige Ereignisse für die Ausbildung der Tumorerkrankung verantwortlich sein müssen.
von HBeAg. Auch der Gehalt an Hepatitis-B-VirusDNA dient als Gradmesser für die Ansteckungsgefahr. Der Durchseuchungsgrad der Bevölkerung erfolgt durch Bestimmung der Antikörper gegen das HBcAg. Diese Antikörper sind bei allen Personen, die mit dem Hepatitis-B-Virus Kontakt hatten – also bei akut oder chronisch Infizierten oder Personen mit abgeklungener Hepatitis B – lebenslang vorhanden (䉴 Abbildung 19.6). Immunglobuline gegen HBsAg werden erst relativ spät während der Infektion gebildet und können in ihrer Konzentration wieder abnehmen. Zellkulturen, die es erlauben, menschliche Hepatitis-B-Viren in vitro zu vermehren, gibt es nicht. Von menschlichen hepatozellulären Karzinomen konnten Zellkulturen (zum Beispiel HepG2-Zellen) etabliert werden, welche die HepatitisB-Virus-DNA im Zellgenom integriert enthalten und kontinuierlich HBsAg produzieren. Die Zellen geben jedoch keine infektiösen Viren ab. Dieses in vitro-System erlaubt es jedoch zumindest, den Einfluss von möglicherweise therapeutisch wirksamen Agenzien auf die HBsAg-Produktion zu testen. So hemmen Interferon-α und -β die Vermehrung von Hepatitis-B-Viren und induzieren einen Resistenzzustand in HepG2-Zellen. Dies ließ sich in vivo bestätigen.
Therapie und Prophylaxe Patienten mit einer klinisch manifesten chronischen Hepatitis B werden mit INF-a behandelt. Besonders gute Wirkung zeigt dabei die pegylierte Form des INF-α, das eine lang anhaltende Depotwirkung von etwas sie-
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19.6 Serologische Parameter, die im Verlauf einer akuten Hepatitis-B-Virusinfektion im Blut nachgewiesen werden können. Der Pfeil zeigt den Beginn der Erkrankung an. Zu diesem Zeitpunkt sind HBsAg, HBeAg und IgM gegen HBcAg im Blut vorhanden. IgG gegen HBcAg folgt bald, IgG gegen HBeAg und solche gegen HBsAg können einige Monate nach Erkrankungsbeginn nachgewiesen werden.
19 19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.1 Hepadnaviren
ben Tagen besitzt und die Replikation des Virusgenoms auch in vitro reduziert. In über 30 Prozent der Fälle wird durch seinen Einsatz die Menge der Hepatits-B-Viren im Blut deutlich reduziert, zugleich werden Antikörper gegen das HBeAg nachweisbar. Jedoch findet man meist keine vollständige Eliminierung der Erreger. Einige Genotypen, insbesondere die Viren des Genotyps C, sind gegenüber der Therapie mit IFN-α weitgehend resistent. Als Chemotherapeutika sind außer Lamivudin (3TC; 2’,3’-Dideoxy-3’-Thiacytidin; 䉴 Kapitel 9), ein sehr guter Inhibitor der Pyrophosphorolyseaktivität der viralen reversen Transkriptase, die Basenanaloga Entecavir, Telbivudine und Adefovir zugelassen. Bei Einsatz dieser antiviralen Medikamente findet man zwar eine Reduktion der Viruslast, aber meist keine vollständige Eliminierung der Erreger. Stattdessen treten sehr rasch resistente Varianten auf. Zur Verlaufskontrolle führt man während der Therapie eine quantitative Polymerasekettenreaktion zur Bestimmung der Virus-DNA aus Plasma durch. Das Vorliegen von Resistenzen gegen Lamivudin und andere Hemmstoffe der reversen Transkriptase kann durch anschließende Sequenzierung bestimmt werden; so weist beispielsweise das YMDDMotiv im P-Protein auf eine Resistenz gegen Lamuvidin hin. Nach Absetzen der Therapie kommt es häufig zu Reaktivierungen mit Anstieg der Viruslast (relapse). Daher zielt die antivirale Therapie, die über mehrere Jahre erfolgt, vor allem auf eine deutliche Reduktion der Viruslast bei gleichzeitiger Normalisierung der Transaminasen und der Leberhistologie. Prophylaktisch wird mit gentechnologisch in Hefezellen (Saccharomyces cerivisiae) hergestelltem SHBsAg geimpft. In Deutschland und vielen anderen Ländern wird die allgemeine Impfung aller Säuglinge und ungeimpften Jugendlichen empfohlen. Nur bei medizinischem Personal soll der Impferfolg durch eine Antikörperbestimmung kontrolliert werden. Ein sehr geringer Anteil der Geimpften zeigt aus genetischen Gründen eine ungenügende Immunantwort (sogenannte NonResponder). Hier lässt sich teilweise durch Gabe von Interleukin-2 eine Immunantwort gegen den Impfstoff erzielen. Allerdings scheinen auch geimpfte Personen ohne messbare Antikörper gegen HBsAg vor der Erkrankung geschützt zu sein; in ihnen kann auch meist eine T-Zellantwort gemessen werden. Neugeborene Kinder von chronisch infizierten Müttern erhalten sofort aktive und passive Schutzimpfungen. Das Gleiche geschieht bei Verdacht auf Hepatitis-B-Virusübertragung durch kontaminiertes Blut bei Verletzungen, wenn kein Impfschutz vorliegt. Die Übertragung durch Bluttransfusionen und Blutprodukte lässt sich durch die diagnostische Untersuchung der Spender verhindern. Nach Einführung dieser Maßnahme ist die Zahl der
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durch Hepatitis-B-Viren verursachten transfusionsbedingten Hepatitiden drastisch gesunken. Die Methoden sind jedoch nicht empfindlich genug, um alle Übertragungen auszuschließen (das Risiko liegt bei 1:250 000).
Die Hepatitis-D-Viren 1977 entdeckte Mario Rizzetto das Hepatitis-D-Virus in Patienten mit einer chronischen Hepatitis B. Man hielt es anfangs für ein neues Antigen des Hepatitis-B-Virus und bezeichnete es als Delta-Antigen. Erst später stellte sich heraus, dass es sich um einen Erreger mit einem einzelsträngigen RNA-Genom handelt, der für das Delta-Antigen codiert. Man schuf für dieses Virus das Genus Deltavirus, ordnete es bisher aber keiner Virusfamilie zu. Die pflanzenpathogenen Virusoide ähneln dem Hepatitis-D-Virus hinsichtlich der Genomorganisation und dem Replikationsmechanismus. Eine Infektion mit dem Hepatitis-D-Virus erfolgt nur zusammen mit einer akuten Hepatitis-B-Virusinfektion oder in Patienten, die bereits eine chronische Hepatitis B entwickelt haben. Die Hepatitis-D-Viren sind also nur in Kooperation mit dem Hepatitis-B-Virus infektiös und benötigen für die Bildung infektiöser Nachkommenviren die HBsAg-Proteine dieses Erregers. Das Hepatitis-B-Virus stellt die Oberflächenstrukturen zur Verfügung, die dem Hepatitis-D-Virus den Eintritt in die Zellen ermöglichen, und wirkt somit als Helfervirus – eine aktive Replikation des Hepatitis-B-Virus ist dafür aber nicht notwendig. Wegen dieser Wechselbeziehung besprechen wir die Biologie des Hepatitis-D-Virus zusammen mit der des Hepatitis-B-Virus.
Aufbau und Virusproteine Die Partikel des Hepatitis-D-Virus sind sphärisch mit einem Durchmesser von 34 bis 36 nm. Sie bestehen aus den Membranproteinen des Hepatitis-B-Virus (SHBsAg, MHBsAg, LHBsAg), die in eine Hüllmembran eingelagert sind. Sie umschließt das einzelsträngige, zirkuläre RNA-Genom des Hepatitis-D-Virus, das mit dem Hepatitis-Delta-Antigen (HDAg) komplexiert ist. Dieses ist das einzige Genprodukt des Hepatitis-D-Virus, von dem eine große (LHDAg, L=large; 27 kD) und eine kleine Version (SHDAg, S=small; 24 kD) in etwa gleichen Mengen in den Partikeln vorkommt. HDAg Sowohl das SHDAg als auch das LHDAg ist phosphoryliert; in den infizierten Zellen befinden sich die Proteine ausschließlich im Zellkern. Sie wirken möglicherweise cytotoxisch und werden beim Tod der infizierten Zellen in die Umgebung abgegeben. Im Infek-
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tionsverlauf findet man beide Proteine in etwa gleichen Mengen im Blut der Patienten. SHDAg und LHDAg haben die gleiche Sequenz, sie unterscheiden sich nur durch 19 zusätzliche Aminosäuren am carboxyterminalen Ende des LHDAg. Die carboxyterminalen Aminosäuren Cystein-Arginin-ProlinGlutamin stellen eine Consensussequenz für die Modifikation des LHDAg mit Farnesyl- oder Prenylsäure dar und sind für die Morphogenese der HepatitisD-Viren unentbehrlich. Vermutlich lagern sich die LHDAg-Moleküle mittels dieser fettsäuremodifizierten Proteindomäne an die Membran der Golgi-Vesikel an; dort interagieren sie mit den ins Cytoplasma orientierten Aminosäuresequenzen der ebenfalls in der Membran verankerten HBsAg-Proteine des Hepatitis-BVirus. Die aminoterminale Domäne, die sowohl im SHDAg wie im LHDAg vorhanden ist, gliedert sich in eine coiled-coil-Oligomerisierungsregion (Aminosäuren 12 bis 60), welche die Interaktion der HDAg-Proteine zu Dimeren und weiter zu Oktameren fördert. Ihr folgt eine Kernlokalisationssequenz (Aminosäuren 68 bis 88) und eine in zwei Abschnitte unterteilte RNA-Bindungsregion (Reste 97 bis 107 und 136 bis 146), die reich an Argininresten ist. Das SHDAg wird für die Genomreplikation benötigt, wohingegen das LHDAg, wenn es in einem hohen Überschuss zum SHDAg vorliegt, diesen Vorgang eher behindert.
Genom und Replikation Das Genom ist eine zirkuläre, einzelsträngige RNA in negativer Orientierung und umfasst je nach Isolat zwischen 1 672 und 1 683 Nucleotide. Etwa 70 Prozent der RNA liegen in intramolekularer Basenpaarung vor. Diese verleihen dem Genom eine hohe Stabilität und im Elektronenmikroskop ein stäbchenförmiges Aussehen. Die Sequenz des Genoms ist hochvariabel, es existieren acht Genotypen, deren Sequenzen sich bis zu 40 Prozent unterscheiden. Die Oberflächenkomponenten des Hepatitis-DVirus sind identisch mit denen des Hepatitis-B-Virus. Daher verwendet das Hepatitis-D-Virus für die Infektion einer Zelle die gleichen Wege wie das Hepatitis-BVirus. Das mit den Proteinen SHDAg und LHDAg komplexierte RNA-Genom gelangt im weiteren Verlauf in den Zellkern. Hier erfolgt durch die zelluläre RNA-Polymerase II die Transkription des RNA-Genoms mit der Synthese einer etwa 800 Basen langen mRNA, die für das SHDAg codiert (䉴 Abbildung 19.7). Die Aktivität des SHDAg ist zusammen mit der RNA-Polymerase II notwendig, um das virale RNA-Genom in ein komplementäres Antigenom zu überschreiben. Hierbei bindet es direkt an die RNA-Polymerase II und verhindert, dass
eine 66 kD große Untereinheit des NELF (negative elongation factor) mit dem Enzym wechselwirkt. Molekular beruht dieser Vorgang vermutlich auf einer Sequenzhomologie zwischen dem SHDAg und dem NELF. NELF reguliert gewöhnlich zusammen mit weiteren zellulären Faktoren die Aktivität der RNA-Polymerase II und reduziert die Elongationsreaktion. Die Genomreplikation des Hepatitis-D-Virus erfolgt in einem Prozess, der dem rolling circle-Mechanismus ähnelt, wie man ihn bei der Vermehrung der Herpesvirus-DNA während des lytischen Replikationszyklus findet (䉴 Abschnitt 19.5.6). Es entstehen Konkatemere, die vielfache Einheiten der Antigenome umfassen und in die einzelnen Abschnitte geschnitten werden. Hierfür sind autokatalytische Vorgänge verantwortlich. Sowohl das Antigenom als auch das RNA-Genom besitzen Sequenzfolgen, die als Endonuclease wirken. Sie schneiden die genomische RNA wie auch das Antigenom sequenzspezifisch zwischen den Nucleotiden 685 und 686 beziehungsweise 901 und 902 und ligieren sie anschließend wieder (䉴 Abbildung 19.7). Diese Endonuclease- und Ligaseaktivitäten werden von etwa 85 Nucleotiden ausgeübt, welche die Schnittstellen umgeben. Hierin ähnelt das Genom der Hepatitis-D-Viren den pflanzenpathogenen Viroiden, die über eine ähnliche Ribozymaktivität, bekannt als hammerhead ribozyme verfügen. Allerdings gleicht die katalytische Domäne in der RNA-Sequenz des Hepatitis-D-Virus nicht den Ribozymen der Pflanzenviroide, sondern ähnelt derjenigen des CPEB3-Ribozyms, einer bei Säugetieren konservierten Basenfolge in einem Intron des CPEB3-Gens (cytoplasmic polyadenylation element binding protein 3). In einem Teil der Antigenome wird der Adenosinrest im Stoppcodon (UAG), das die Translation des SHDAg terminiert, durch die zellulären Adenosindesaminasen ADAR1 und ADAR2 (adenosine deaminase that act on RNA) zu einem Inosin desaminiert. Sowohl die editierten als auch die nichteditierten Antigenome werden durch die RNA-Polymerase II in genomische RNAStränge überführt. Ähnlich wie oben beschrieben entstehen auch dabei Konkatemere, die vielfache Genomeinheiten enthalten und autokatalytisch durch die Ribozymwirkung der RNA geschnitten werden. Von den RNA-Genomsträngen, die von den editierten Antigenomen gebildet wurden, werden nun mRNAs transkribiert, in welchen das ursprüngliche Stoppcodon UAG in ein UGG überführt ist; dieses codiert für die Aminosäure Tryptophan. Auf diese Weise wird das SHDAg um 19 Aminosäuren verlängert und es entsteht das LHDAg, das für die Verpackung der RNA-Genome und die Morphogese der Viruspartikel benötigt wird. Im Genom wie im Antigenom findet man einige weitere offene Leserahmen, die aber bei verschiedenen Isolaten von Hepatitis-
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D-Viren nicht konserviert sind. Sie werden nicht exprimiert. Sowohl das SHDAg wie das LHDAg interagieren mit den RNA-Genomen. Die große Form des Proteins bindet sich über seine fettsäuremodifizierte carboxyterminale Domäne an die Membran der Golgi-Vesikel. In diese sind auch die verschiedenen Formen der HBsAgMoleküle eingelagert. Die RNA-SHDAg-LHDAg-Komplexe werden so mit der HBsAg-haltigen Membran umgeben; die dabei entstehenden Partikel knospen in
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das Lumen der Golgi-Vesikel, werden über diese zur Zelloberfläche transportiert und sezerniert.
Epidemiologie, Klinik und Pathogenese Das Hepatitis-D-Virus ist weltweit verbreitet; es finden sich aber geographisch abgrenzbare Regionen, in denen Infektionen mit diesem Virus gehäuft vorkommen. Hierzu zählen unter anderen Süditalien, Spanien, die Türkei, Taiwan und Samoa. Bis heute wurden acht
SHDAg (p24) 3 5´
Translation (Stopp) UAG
1598
AAAA 3´ 2
Transkription (RNA-Pol II) 1 1679 5´ 3´
1
RNA-Genom
+
AUC _
RNA-Pol II + HDAg (p24) 1679 5´
1 3´
RNA-Antigenom
1 1679 3´ 5´
4
901/900
UAG Doppelstrang-RNA Adenosindesaminase
autokatalytische Spaltstelle
RNA-Antigenom, editiert +
5
UIG _
RNA-Pol II + HDAg (p24) 1 1679 5´ 3´
RNA-Genom
6
ACC 5´
Transkription (RNA-Pol II) (Trp) UGG
1598
AAAA 3´ 7
Translation 8
Morphogenese
LHDAg (p27)
19.7 Aufbau und Replikation des Genoms des Hepatitis-D-Virus. Das Genom des Hepatitis-D-Virus besteht aus einer einzelsträngigen RNA (1), die zu einem hohen Prozentsatz intramolekulare Basenpaarungen ausbildet (die Nummerierung der Basen erfolgt ausgehend von einer einmalig vorkommenen HindIII-Schnittstelle, die entsteht, wenn man die RNA in doppelsträngige DNA überführt). Von der genomischen RNA wird eine mRNA transkribiert (2), von der die Translation des SHDAg (p24) erfolgt (3). Es wirkt mit der RNA-Polymerase II zusammen und bewirkt die Bildung von komplementären Antigenomen (4), die ihrerseits als Matrizen für die erneute Genombildung dienen. In einem Teil der Antigenome wird der Adenosinrest im Stoppcodon UAG in einem Editierungsschritt zu Inosin desaminiert (5). Die editierten Antigenome werden ebenfalls in genomische RNA-Moleküle überführt (6). Von diesen wird eine mRNA transkribiert (7), die für das LHDAg (27kD) codiert (8). Dieses behindert die Genomreplikation und ist für die Morphogenese der Hepatitis-D-Viren wichtig.
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Genotypen (I–XIII) gefunden, die bis zu 40 Prozent unterschiedliche RNA-Sequenzen aufweisen. Die Übertragungswege des Hepatitis-D-Virus sind mit denen des Hepatitis-B-Virus identisch. Die Inkubationszeit beträgt zwischen drei und sieben Wochen. Wird eine akute Hepatitis-B- von einer Hepatitis-D-Infektion begleitet, dann äußert sich die Erkrankung mit einem breiten Spektrum von Schweregraden, die von einer relativ milden Erkrankung bis zu den Symptomen einer fulminanten Hepatitis reichen. Man hat Hinweise, dass sich die unterschiedlichen Genotypen des Hepatitis-D-Virus in ihrer Virulenz unterscheiden, wohingegen der Genotyp des als Helfervirus dienenden Hepatitis-B-Virus die Schwere der Erkrankung nicht beeinflusst. Akute Coinfektionen des Genotyps I des Hepatitis-D-Virus sind im Vergleich zur alleinigen Hepatitis-B-Infektion durch eine erhöhte Persistenz- und Sterblichkeitsrate gekennzeichnet. Im Unterschied scheinen Coinfektionen mit den Genotypen II und IV des Hepatitis-D-Virus milder zu verlaufen; es etablierte sich keine Persistenz der Erreger und diese wurden vollständig eliminiert. Verantwortlich für die unterschiedlichen Verläufe sind möglicherweise bestimmte Nucleinsäuresequenzen im RNA-Genom des Genotyps I, die von den HBsAg-Molekülen besonders effizient gebunden und verpackt werden. Werden Patienten mit einer chronischen Hepatitis B mit dem Hepatitis-D-Virus überinfiziert, dann etabliert sich bei ihnen häufig auch eine chronische Hepatitis D. Etwa 60 bis 70 Prozent dieser Personen entwickeln eine Leberzirrhose. Da in den europäischen Ländern aufgrund der Impfung gegen die Hepatits-B-Virusinfektion auch akute Infektionen mit dem Hepatitis-D-Virus nur noch selten auftreten, werden die damit assoziierten Symptome einer fulminanten Hepatitis nur noch selten beobachtet. In den Vordergrund treten stattdessen die mit chronisch-persistierenden Verläufen verbundenen Fälle der Leberzirrhose bei Patienten, die vor 20 bis 30 Jahren infiziert wurden. Es ist unklar, ob die Zellen durch die Hepatitis-DVirusinfektion selbst oder durch immunpathologische Mechanismen geschädigt werden. Auf Letztere weist der Befund hin, dass die Zellveränderungen in der Leber meist erst dann auftreten, wenn die Virusreplikation bereits abgeklungen ist und Antikörper gegen das HDAg nachweisbar sind. Die Behandlung der Patienten mit immunsuppressiv wirkenden Therapeutika hat jedoch keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Die infizierten Leberzellen zeigen eine erhöhte Vakuolenbildung. In vitro weisen die Zellen eine verzögerte Wachstumsrate auf oder sterben, wenn HDAg synthetisiert wird. Apoptotische Vorgänge scheinen hierfür jedoch nicht verantwortlich zu sein. HDAg kann mit zellulären RNAs und
Proteinen wechselwirken. Bisher konnte experimentell die Interaktion mit der großen Untereinheit des NELF als Teil der RNA-Polymerase II und dem nucleolären Phosphoprotein B23 gezeigt werden, was deren Funktion beeinflusst. Eine andere Hypothese besagt, dass die Virus-RNA Ähnlichkeiten zur 7S-RNA der Zelle besitzt, die ein Teil des Signalerkennungspartikels (signal recognition particle) ist. Hierdurch könnte die Synthese der zellulären Membranproteine gestört sein. Andererseits existieren aber auch Zelllinien, die das Hepatitis-DGenom in Form einer im Zellgenom integrierten cDNA enthalten und ohne erkennbare Veränderungen kontinuierlich Virus-RNA und HDAg synthetisieren.
Immunreaktion und Diagnose Die RNA-Genome des Hepatitis-D-Virus können im Blut der Patienten mittels der RT-PCR nachgewiesen werden. Im Infektionsverlauf kann man im Blut der Patienten mit ELISA-Tests Antikörper gegen das HDAg nachweisen. Sie sind jedoch nicht virusneutralisierend und schützen auch nicht vor Reinfektionen, da weder SHDAg noch LHDAg an der Oberfläche der Viruspartikel exponiert ist. Während der Infektion kann man in der Leber auch HDAg-spezifische cytotoxische T-Lymphocyten und T-Helferzellen finden.
Therapie und Prophylaxe Eine antivirale Therapie ist vorläufig nicht verfügbar. Interferon-α wird eingesetzt, um die Menge an Hepatitis-B-Virus zu reduzieren; ob diese Behandlung statistisch auch bei der Hepatitis D erfolgreich ist, kann wegen der relativ kleinen Therapie- und Vergleichsgruppen nicht endgültig belegt werden. Da das Hepatitis-DVirus das Hepatitis-B-Virus als Helfervirus benötigt, schützt die Hepatitis-B-Vakzine gleichzeitig auch vor einer Infektion mit den Erregern der Hepatitis D. Auf den konsequenten Einsatz der Impfung gegen die Hepatitis B ist vermutlich auch der deutliche Rückgang von Infektionen mit dem Hepatitis-D-Virus zurückzuführen, der seit den 1990er Jahren vor allem in Europa zu verzeichnen ist.
19.1.6 Weiterführende Literatur Becker, S. A.; Lee, T. H.; Butel, S. J.; Slagle, B. L. Hepatitis B virus X protein interferes with cellular DNA repair. In: J. Virol. 72 (1998) S. 266–271. Been, M. D. HDV ribozymes. In: Curr. Top. Microbiol. Immunol. 307 (2006) S. 47–65.
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.2 Polyomaviren
Die Familie der Polyomaviridae enthält Viren mit kleinen Capsiden, die nicht von einer Membran umhüllt sind und als Genom eine zirkuläre doppelsträngige DNA enthalten. Sie waren 1964 von Joseph Melnick zusammen mit den Papillomviren, die auch durch diese molekularen Charakteristika gekennzeichnet sind, in einer Familie, den Papovaviridae, zusammengefasst worden. Weil man in den letzten Jahren deutliche Unterschiede im Genomaufbau, bei der Replikation und der Molekularbiologie der Polyoma- und der Papillomaviren gefunden hat, ordnet man sie heute zwei voneinander getrennten Virusfamilien zu.
19.2.1 Einteilung und charakteristische Vertreter 1953 entdeckte Ludwik Grosz mit dem Mauspolyomavirus den ersten Vertreter dieser Virusfamilie und beschrieb seine tumorerzeugenden Eigenschaften. Er fand, dass Zellextrakte von an Leukämie erkrankten Mäusen nach Übertragung auf gesunde Tiere verschiedene Typen von Tumorerkrankungen, nämlich Leukämien und Parotistumoren, hervorrufen können. Die Isolierung des Polyomavirus der Maus gelang Sarah Stewart und Bernice Eddy (1957/58) nach Beimpfung von Mausfibroblastenkulturen, in denen sie einen cytopathischen Effekt beobachteten. Nach Übertragung des Virus auf neugeborene Mäuse und Hamster stellten sie 24 verschiedene Tumortypen fest. Der Name Polyoma leitet sich von der Eigenschaft ab, in vielen verschiedenen Organen Tumoren erzeugen zu können. Die Polyomaviren werden zwei Gattungen Polyomavirus zugeordnet (䉴 Tabelle 19.3): Neben dem SV40, das 1960 von Benjamin Sweet und Maurice Hilleman aus Rhesusaffen isoliert wurde, zählen zu den SV40-ähnlichen Viren die humanpathogenen BK- und JC-Viren; sie sind weit verbreitet und persistieren nach der Infektion im Organismus. Erkrankungen, die mit diesen Viren verbunden sind, findet man fast ausschließlich in immunsupprimierten Patienten. 2007 isolierten die Gruppen von Tobias Allander am Karolinska-Institut (Stockholm, Schweden) beziehungsweise von David Wang an der Washington University School of Medicine (St. Louis, USA) aus Kindern mit Atemwegsinfektionen zwei weitere Polyomaviren: das KI- und das WU-Polyomavirus. Beide scheinen ebenfalls weit verbreitet zu sein und wurden sowohl in erkrankten wie gesunden Kindern nachgewiesen. Ob Infektionen mit den KI- und WU-Polyo-
Tabelle 19.3 Charakteristische Vertreter der Polyomaviren Genus
Mensch
Tier
SV40-ähnliche Viren
BK-Polyomavirus (BKPyV)*
Simian-Virus 40 (SV40)
JC-Polyomavirus (JCPyV)*
Rinder-Polyomavirus (BPyV)
KI-Polyomavirus (KIPyV) **
Polyomavirus des Wellensittichs (BFPyV)
WU-Polyomavirus (WUPyV) *** Polyomavirus
Merkelzell-Polyomavirus (MCPyV)
B-lymphotropes Virus der Meerkatzen (LPyV) Polyomavirus der Maus (MPyV) Hamster-Polyomavirus (HaPyV)
* Diese Virusspezies wurden mit Abkürzungen der Namen der Patienten benannt, aus denen sie ursprünglich isoliert wurden. ** KI = Karolinska-Institut; *** WU = Washington University School of Medicine.
19.2 Polyomaviren
maviren beim Menschen mit Erkrankungen einhergehen, ist daher noch unklar. Feng und Mitarbeiter beschrieben 2008 ein weiteres humanpathogenes Polyomavirus: Die DNA des Merkelzell-Polyomavirus liegt integriert im Genom der Tumorzellen eines seltenen Hautkrebses vor, dem neuroendokrinen Merkelzell-Karzinom. Dieses Virus wird zusammen mit dem Polyomavirus der Maus in das Genus Polyomavirus eingeteilt.
19.2.2 Aufbau Viruspartikel Die infektiösen Viruspartikel sind Capside ohne Hüllmembran mit einem Durchmesser von 45 nm und einem ikosaedrischen Aufbau (䉴 Abbildung 19.8). Sie bestehen aus drei viralen Strukturproteinen: VP1, VP2 und VP3. VP1 ist die Hauptkomponente. Pro Partikel findet man 72 Capsomere, die aus pentameren Komplexen des VP1 bestehen. VP2 und VP3 kommen nur in geringen Mengen in den Capsiden vor und werden für den geordneten Zusammenbau der verschiedenen Kom-
19.8 Darstellung der Struktur eines SV40-Partikels als Vertreter der Polyomaviren. Das Viruscapsid besteht aus 72 Pentameren von VP1. Je zwölf repräsentieren die Ecken des Ikosaeders; sie sind mit je fünf weiteren Pentameren assoziiert. Im Inneren des Partikels befinden sich das zirkuläre, doppelsträngige DNA-Genom und geringe Mengen der Proteine VP2 und VP3. (Aus: Cole, N. C. Polyomavirinae: The viruses and their replication. In: Fields, B. N.; Knipe, D. N.; Howley, P. M. (Hrsg.) Virology. 3. Aufl. Philadelphia, New York (Lippincott/Raven) 1996. S. 1997–2025.)
485
ponenten zu infektiösen Virionen benötigt. Des Weiteren hat man in den Partikeln des Polyomavirus des Wellensittichs geringe Mengen des Agnoproteins LP1 nachweisen können. Die Partikel der BK- und JC-Viren haben aufgrund ihrer Interaktion mit Sialylsäureresten auf der Zelloberfläche die Fähigkeit zur Hämagglutination. SV40 selbst besitzt diese Eigenschaft nicht. Das virale Genom ist im Inneren der ikosaedrischen Capside enthalten.
Genom und Genomaufbau Polyomaviren haben ein kovalent geschlossenes und somit zirkuläres, doppelsträngiges DNA-Genom mit einer Länge von circa 4 700 bis 5 400 Basenpaaren (Rinderpolyomavirus: 4 697 Basenpaare; KI-Polyomavirus: 5 040 Basenpaare; BK-Polyomavirus: 5 130 Basenpaare; JCPolyomavirus: 5 153 Basenpaare; SV40: 5 243 Basenpaare; WU-Polyomavirus: 5 229 Basenpaare, MerkelzellPolyomavirus: 5 387 Basenpaare; 䉴 Abbildung 19.9A). Die DNA liegt im Virion als Superhelix vor, mit der vier zelluläre Histone (H2A, H2B, H3, H4) in Nucleosomenstrukturen assoziiert sind. Pro Genom findet man 24 bis 26 Nucleosomen. Die DNA-Sequenzen der BK- und JCViren weisen zum Genom von SV40 knapp 70 Prozent Homologie auf, untereinander sind sie zu etwa 75 Prozent identisch. Das zirkuläre, doppelsträngige DNA-Genom lässt sich nach dem Zeitpunkt der Genexpression in zwei Bereiche einteilen (䉴 Abbildung 19.9A, B). Der frühe Bereich codiert für Proteine, die als T-Antigene (TumorAntigene) bezeichnet werden. Die frühe RNA-Synthese geht von einem Promotor aus; es wird ein Vorläufertranskript gebildet, aus dem durch die Verwendung alternativer Spleißstellen bei den Vertretern der SV40ähnlichen Viren drei mRNAs entstehen, die zur Synthese des ELP (early leader protein) sowie des großen und kleinen T-Antigens dienen. Bei den Vertretern der Polyomaviren werden ebenfalls drei RNA-Spezies, in diesem Fall für das große, kleine und mittlere T-Antigen gebildet. Der späte Genombereich codiert für die viralen Strukturproteine VP1, VP2 und VP3. Bei den SV40-ähnlichen Viren befindet sich im Bereich der Leader-Sequenz am 5’-Ende der späten RNA-Spezies außerdem die Information für ein kleines Protein, das LP1- oder Agnoprotein. Auch hier überlappen die Leserahmen miteinander, und die unterschiedlichen Proteine entstehen durch alternative Spleißvorgänge, wobei zusätzlich verschiedene Startpunkte für die Transkription verwendet werden. Die RNA-Syntheserichtungen in der frühen und späten Genomregion sind gegenläufig, es dient also in der frühen Infektionsphase zuerst der eine, später dann der andere DNA-Strang als Matrize. Zwischen den Aus-
19
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
ELP
38
71
42 46
n t-A
16
63 n 51 tige
Enh anc er
46
45
63 8 51 491
56
Ag no
916 P2 V
45
71
Ag no
33 52 5 0
2
ORI 5208 - 28
5 5526 8
8 491
29
A
32 37 5 3
486
5243 / 0
VP3
149 9
1617
SV40 5243 Bp
n ntige T-A
1463
1
VP
3´AA
A
2590 ´ AAA3
2694
´
AAA3
2587
2676
3´AAA
4
500
46
Enhan ORI 5270 cer 5023 - 91 - 5067
tiny
klei
39
nes T-A
811
41 1
2
VP
5297 / 0
nti ge
5 292
es T-A ntig en
291
7
4045 Polyomavirus / Maus 5297 Bp
gr
oß
8 74 97 7 11 8 1 83 810
ntigen T-A
7
79 4076
n
mit tle re s
1 VP
19.9 Genomorganisation bei Polyomaviren. A: SV40. B: Polyomavirus der Maus. Die Sequenzen des Replikationsursprungs und die Kontrollelemente in der nicht codierenden Genomregion sind jeweils in die oberen Abbildungsteile orientiert. Beim SV40 erstrecken sich die frühen Gene entgegen dem Uhrzeigersinn, beim Polyomavirus der Maus ist es umgekehrt. Die für Proteine codierenden Leserahmen sind schattiert dargestellt: rot/hellrot dargestellt sind die frühen Proteine (ELP, early leader protein; großes T-Antigen, mittleres T-Antigen, kleines t-Antigen und „tiny“T-Antigen), grau die späten Strukturproteine VP1, VP2, VP3 und das Agnoprotein. Darüber hinaus sind die Positionen der Introns und Exons angegeben.
T-A G
41 1
175
B
VP 3
19
1502
19.2 Polyomaviren
487
q SV40 hat sich als wichtiges Modellsystem für die Molekularbiologie eukaryotischer Zellen erwiesen Eine superhelikale DNA mit Nucleosomenstrukturen fand man zum ersten Mal bei der Analyse des Genoms von Polyomaviren, nämlich beim SV40. Später stellte sich heraus, dass auch die zelluläre DNA mit Histonproteinen assoziiert in Nucleosomen angeordnet ist. Die Nucleosomenstruktur der SV40-DNA – auch als „Minichromosom“ bezeichnet – diente ursprünglich als Modellsystem für die Analyse vergleichbarer Aggregate des zellulären Genoms und zum Studium der DNA-Replikation in eukaryotischen Zellen. Auch die Existenz alternativer RNA-Spleißvorgänge wurde erstmals beim SV40, und zwar bei Untersuchung der Transkrip-
tion der frühen, für die T-Antigene codierenden Region gefunden. Hierdurch können unterschiedliche, einander überlappende Leserahmen für die Synthese verschiedener Proteine genutzt werden. So kann insbesondere die Codierungskapazität kleiner Virusgenome sehr effektiv erweitert werden. Später fand man ähnliche Mechanismen auch bei eukaryotischen Systemen. Der SV40-Enhancer war außerdem das zuerst entdeckte cis-regulatorisch wirkende DNAElement, das orientierungsunabhängig die Transkription von definierten Promotoren verstärkt.
gangspunkten für die Transkription der frühen und späten Regionen liegt bei den Vertretern der Polyomaviren ein kurzer Bereich von bis zu 400 Basenpaaren, der nicht für virale Proteine codiert (䉴 Abbildung 19.9A, B). Er enthält regulatorische Sequenzen, nämlich den Replikationsursprung, die Promotoren, ein GRE-Element (gluco-
corticoid-responsive element) und eine Enhancer-Region. An sie binden sich das virale T-Antigen sowie verschiedene zelluläre Transkriptionsfaktoren zur Regulation und Verstärkung der Transkription (䉴 Abbildung 19.10). Bei den SV40-ähnlichen Viren befindet sich hier zusätzlich der Leserahmen für das Protein ELP.
Enhancer Ursprung Repeat 72 Bp
72 Bp
Repeat 21 21 21 Bp
SV40-Genom 400
300
200
100
0
5143
nichtcodierende Region Transkriptionsstartpunkt für späte mRNA
Transkriptionsstartpunkt für frühe mRNA
Interaktionsstelle für großes T-Antigen Interaktionsstelle für Sp1
19.10 Anordnung der Sequenzelemente in der Kontrollregion des SV40. Der Ursprung für die DNA-Replikation ist mit dem Pfeil markiert. Hier beginnt auch die Nummerierung der Basen in Richtung der Gene für die späten Expressionsprodukte (virale Strukturproteine). In Nachbarschaft des Replikationsursprungs liegt der Startpunkt für die frühe mRNA-Synthese. Die Transkription der späten Gene verläuft in umgekehrter Richtung. Zwischen beiden Startpunkten liegt eine nichtcodierende Region. Hier befindet sich der Enhancer, der sich aus zwei Wiederholungseinheiten (repeats) von je 72 Basenpaaren und drei 21 Nucleotide umfassenden Sequenzwiederholungen zusammensetzt. In dieser Region liegt auch die Bindungsstelle für das große T-Antigen, die mit der Interaktionsstelle für den zellulären Transaktivator Sp1 überlappt.
19
19
488
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.2.3 Virusproteine Frühe Proteine Die frühen Proteine der Polyomaviren umfassen die verschiedenen T-Antigene, die nach ihrem Molekulargewicht als das große T-, das mittlere T- (nicht bei den SV40-ähnlichen Viren) sowie das kleine t-Antigen bezeichnet werden. Beim Polyomavirus der Maus fand man eine weitere Form, das tiny-T-Antigen. Seine Funktion ist nicht bekannt. Ein Überblick über die molekularen Charakteristika der Proteine ist in 䉴 Tabelle 19.4 gegeben. Vermutlich haben die Proteine der humanpathogenen BK- und JC-Viren eine ähnliche Funktion bei der Replikation wie diejenigen des SV40, das als ein sehr gut untersuchtes Modellvirus gilt. Deshalb wird bei der Besprechung der Molekularbiologie – wenn nicht anders angegeben – vor allem auf die bei SV40 bekannten Daten eingegangen. Großes T-Antigen Das große T-Antigen von SV40 ist eines der am besten charakterisierten viralen Proteine. Es ist multifunktionell, hat eine Länge von 708 Aminosäuren und ein Molekulargewicht von 90 kD. Die meisten Aktivitäten übt es im Zellkern aus (䉴 Abbildung 19.11). Da das große T-Antigen im Cytoplasma der Zelle synthetisiert wird, muss es zur Entfaltung dieser Funktionen in den Kern transportiert werden – ein Vorgang, den eine Kernlokalisationssequenz ermöglicht, die aus einer Abfolge von überwiegend basischen Aminosäuren besteht (Aminosäuren 126 bis 132 beim SV40). Ein geringer Prozentsatz des in der Zelle synthetisierten großen T-Antigens (etwa fünf Prozent) liegt dagegen im
Cytoplasma oder assoziiert mit der Zellmembran vor. Die Verankerung erfolgt über die aminoterminale Fettsäuremodifikation des membranassoziierten T-Antigens. Andere Fraktionen dieses Proteins sind in unterschiedlichem Ausmaß an verschiedenen Serin- und Threoninresten phosphoryliert. Weitere Modifikationen sind Poly-ADP-Ribosylierungen, Glycosylierungen und Acylierungen. Die vielfältigen chemischen Modifikationen beeinflussen die Aktivität dieses Proteins. So können diese relativ kleinen Viren mit sehr niedriger Codierungskapazität zusätzlich zum Einsatz alternativer Spleißvorgänge durch verschiedene Modifizierungen Proteinvarianten mit unterschiedlichen Funktionen erzeugen. Einige dieser Funktionen sind für die Replikation des Virus in der Zelle von entscheidender Bedeutung. Dabei kann das große T-Antigen folgende Aufgaben übernehmen: 1. Es bindet sich an die virale DNA im Bereich des Replikationsursprungs; 2. es besitzt Helicase- und ATPase-Aktivität und schmilzt den Doppelstrang am Replikationsursprung auf; 3. es ist an der Regulation der Transkription der frühen Gene beteiligt, weil es durch die Bindung an Promotorbereiche der frühen Gene deren Transkription unterdrückt und so seine eigene Synthese in der Zelle reguliert; 4. es wirkt transaktivierend auf den Promotor der späten mRNA. Neben diesen für das Virus wichtigen Aktivitäten beeinflusst das große T-Antigen aber auch zelluläre Funktionen. So wird die zelluläre DNA- und rRNA-Synthese
(LxCxE-Motiv) Bindung an RB105/107 Kernlokalisation 132
102
zelltypabhängige Virusproduktion Zn-Finger 302
320
Bindung an p53 682
708
ATPase / ATP-Bindung
P
P DNA-Bindung
1
82
259 Helicase 131
517 627
Interaktion mit DNA-Polymerase / -Primase J-Domain-ähnliche Region P
Phosphoserin / Phosphothreonin
19.11 Lage der funktionell aktiven Domänen des großen T-Antigens von SV40. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Aminosäurepositionen, beginnend am aminoterminalen Ende.
19.2 Polyomaviren
stimuliert. Dabei werden die beiden Vorgänge von unterschiedlichen Proteindomänen vermittelt. Des Weiteren wirkt das T-Antigen als Chaperon. Die aminoterminale Domäne hat Homologie zu der J-Domäne der DnaJ-Chaperonfamilie von E. coli und kann diese funktionell ersetzen. Die DnaJ-Chaperone binden sich mittels der J-Domäne an Mitglieder der DnaK-Familie. In eukaryotischen Zellen findet man die Hsp70-Chaperone, die funktionell ähnlich zu den DnaK-Faltungkatalysatoren der Bakterien sind. Ein Vertreter der Hsp70Chaperone ist das Hsc70, und das große T-Antigen interagiert mit diesem über die J-Domäne und veranlasst es zur Hydrolyse von ATP. Hsc70 verändert dadurch seine Konformation – ein Vorgang, der die unkorrekte Aggregation und Faltung von Proteinen verhindert und rückgängig macht. Ob die Wechselwirkung des T-Antigens mit dem Hsc70 für einige der vielen Funktionen des T-Antigens verantwortlich ist, steht noch nicht endgültig fest. Die J-Domäne des T-Antigens ist direkt oder
489
indirekt nicht nur für die virale Genomreplikation, sondern für viele der Aktivitäten dieses multifunktionellen Proteins verantwortlich, so für seine Fähigkeit, Zellen zu transformieren und zur Teilung anzuregen, Apoptose zu hemmen oder die E2F-Transkriptionsfaktoren aus ihren Komplexen mit Rb105/107 freizusetzen. Es bindet sich auch an Cyclin, Tubulin und CDC2, alles Proteine, die an der Regulation des Zellzyklus beteiligt sind. Berühmt gemacht hat das große T-Antigen des SV40 und des Mauspolyomavirus jedoch seine Fähigkeit, Zellimmortalisierung zu induzieren. Es ermöglicht den Viren, primäre Zellen in der Gewebekultur zu unendlichem Wachstum anzuregen und Tumorerkrankungen bei Wirten zu induzieren, die das Virus unter natürlichen Bedingungen nicht infiziert. SV40 verursacht bei neugeborenen Hamstern und Mäusen die Bildung von Tumoren. Das große T-Antigen übt seine Wirkung aus, indem es sich an zelluläre Proteine bindet, die zu den Tumorsuppressorproteinen oder Antionkogenen gehören.
Tabelle 19.4 Vergleichende Übersicht über die funktionellen Eigenschaften der Proteine von Polyomaviren Protein
Länge und Molekulargewicht SV40 BKPyV JCPyV
MPyV
Modifikation, Funktion
großes T-Antigen
708 AS 90 kD*
695 AS 90 kD
688 AS 88 kD
785 AS 100 kD
phosphoryliert, N-myristyliert, O-glycosyliert, adenyliert, polyADP-ribosyliert, palmitoyliert; Regulation der Transkription; Initiation der Replikation; Transformation
kleines t-Antigen
174 AS 20 kD
172 AS 20 kD
172 AS 20 kD
195 AS 22 kD
Akkumulation viraler Genome
mittleres T-Antigen
–
–
–
421 AS 35 kD
Interaktion mit pp60src
tiny-T-Antigen
–
–
–
78 AS
unbekannt
ELP
2,7 kD
4,3 kD
4,3 kD
–
frühes Leader-Protein
VP1
362 AS 45 kD
362 AS
354 AS
385 AS
Hauptcapsidprotein Pentamer
VP2
352 AS 38 kD
351 AS
344 AS
319 AS
Capsidkomponente
VP3
234 AS 27 kD
232 AS
225 AS
204 AS
Capsidkomponente
LP1/Agnoprotein
62 AS
66 AS
71 AS
–
spätes Protein; Shuttle-Protein; phosphoryliert durch Proteinkinase A; in geringen Mengen in den Virionen
frühe Proteine
späte Proteine
* Die Molekulargewichte der frühen Proteine sind Durchschnittswerte; wegen der hohen und unterschiedlichen Modifizierung der frühen Proteine schwanken sie bei den verschiedenen Subfraktionen der Proteine beträchtlich.
19
19
490
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Beispiele sind die zellulären Suppressorproteine p53 und Rb105/107, die an der Regulation der Zellteilung beteiligt sind. Die J-Domäne des T-Antigens ist für die Wechselwirkung mit Rb105 verantwortlich. Die Rb105-Proteine liegen im Komplex mit den Transkriptionsfaktoren E2F vor. Wird Rb105 in der G1-Phase des Zellzyklus durch die cyclinabhängigen Kinasen phosphoryliert, dann bewirkt dies die Loslösung der E2F-Komponenten, die in der Folge in den Zellkern gelangen und die Transkription bestimmter zellulärer Gene beeinflussen (䉴 Kapitel 6). Durch die Interaktion des T-Antigens mit einer taschenartigen Domäne im Zentrum des Rb105 wird der Komplex mit E2F unabhängig von der zellzyklusabhängigen Phosphorylierung gelöst und der Übergang von der G1- in die S-Phase eingeleitet (䉴 Abschnitt 19.4.3). Bei den humanen Polyomaviren BKPyV und JCPyV hat man diese ausgeprägte Fähigkeit der T-Antigene zur Zellimmortalisierung bisher nicht gefunden.
zung der Proteinsynthese in einem anderen Raster (䉴 Abbildung 19.9B). Die Hauptmenge des mittleren T-Antigens ist mit der Zellmembran assoziiert. Geringe Mengen befinden sich im perinucleären Raum und im Cytoplasma. Anscheinend induziert das mittlere T-Antigen der Mauspolyomaviren zusammen mit dem großen T-Antigen die Zelltransformation. Es interagiert mit dem zellulären Protoonkogen pp60src. Der genaue Wirkmechanismus des mittleren T-Antigens und sein Beitrag zur Transformation sind jedoch noch weitgehend ungeklärt. Eine weitere kleine Version der T-Antigene fand man bei den Polyomaviren. Es handelt sich um das tiny-TAntigen, das mit den 78 aminoterminalen Resten der anderen T-Antigene identisch ist. Seine Funktion ist unbekannt.
Kleines t-Antigen Das kleine t-Antigen von SV40 besitzt ein Molekulargewicht von etwa 20 kD und ist 174 Aminosäuren lang. Die RNA-Synthese des kleinen tund des großen T-Antigens wird vom gleichen Promotor aus gesteuert, ihre 5’-Enden sind colinear und die ersten 82 Aminosäuren der Proteine von SV40 miteinander identisch. Ein Teil der frühen mRNA wird gespleißt und die Translation des zweiten Exons in einem anderen Leseraster fortgesetzt. So entsteht das große T-Antigen. Die Sequenzen der kleinen t-Antigene enden an einem Stoppcodon, das im Intron liegt und durch Spleißen aus der mRNA für die großen T-Antigene entfernt wird (䉴 Abbildung 19.9A). Das kleine t-Antigen ist zu 50 Prozent im Cytoplasma und zu 50 Prozent im Kern lokalisiert. Seine Rolle im viralen Vermehrungszyklus ist nicht genau geklärt. Da es im aminoterminalen Bereich colinaer zu den T-Antigenen ist, enthält es einen Teil der DnaJ-Domäne und hat die mit ihr assoziierten Funktionen. Das t-Antigen bindet sich spezifisch an mehrere zelluläre Proteine und scheint für die Akkumulation der viralen DNA in der infizierten Zelle wichtig zu sein.
Strukturproteine Der Hauptbestandteil der viralen Capside ist das spät im Replikationszyklus gebildete Protein VP1. Dieses Protein vermittelt auch die Adsorption der Viren an definierte Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Neutralisierende Antikörper sind gegen Epitope des VP1 gerichtet. In den pentameren VP1-Komplexen der Capsomere ist das aminoterminale Ende des Proteins im Inneren der Capside gelagert, während die carboxyterminalen Domänen „armähnlich“ über nichtkovalente Bindungen mit dem Nachbarcapsomer interagieren und so die einzelnen Aggregate auf der Partikeloberfläche miteinander vernetzen (䉴 Abbildung 19.8), wie Robert C. Liddington und Kollegen durch Röntgenstrukturanalysen der SV40-Partikel festgestellt haben. VP1 umfasst beim SV40 362 Aminosäuren und wird in der Hälfte des mRNA-Vorläufers codiert, die zum 3’Ende hin liegt (䉴 Abbildung 19.9A). VP2 und VP3 werden von einer bicistronischen RNA translatiert, wobei das 234 Aminosäuren umfassende VP3 des SV40 dem carboxyterminalen Bereich des VP2Proteins entspricht. VP2 verwendet einen anderen Translationsstart, sodass es beim SV40 (Länge 352 Aminosäuren) am Aminoterminus 118 zusätzliche Aminosäuren besitzt (䉴 Abbildung 19.9A). Beim JCPyV- und beim Mauspolyomavirus beginnen die VP2-Proteine 118 beziehungsweise 115 Reste vor dem VP3-Startpunkt und besitzen so eine Länge von 341 und 319 Aminosäuren (䉴 Abbildung 19.9B). Da die Zusammensetzung der verschiedenen Komponenten zu Partikeln im Zellkern erfolgt, besitzen alle viralen Strukturproteine Kernlokalisationssignale.
Mittleres T-Antigen Die mittleren T-Antigene werden nur von Mauspolyomaviren und verwandten Virustypen (Hamsterpolyomavirus) gebildet. Die Synthese des mittleren T-Antigens wird von dem gleichen Promotor wie die des kleinen t- und des großen T-Antigens gesteuert. Deswegen stimmen die ersten 78 beziehungsweise 195 Aminosäuren des insgesamt 421 Aminosäuren langen Proteins mit der Sequenz des großen T- und kleinen t-Antigens überein. Durch Verwendung anderer Spleißdonor- und -akzeptorstellen als derjenigen, die zur Synthese des großen T-Antigens führen, erfolgt die Fortset-
Späte Proteine
Nichtstrukturproteine Das spät produzierte Agnoprotein (LP1-Protein) wird von den SV40-ähnlichen Viren
19.2 Polyomaviren
gebildet. Es wird im Bereich der Leadersequenz am 5’Ende der späten mRNA-Spezies codiert und ist ein kleines, basisches Polypeptid (circa 8 kD) von 62, 66 beziehungsweise 71 Aminosäuren Länge beim SV40, BKPyV und JCPyV. Während die aminoterminalen Domänen einen hohen Grad an homologen Aminosäuren aufweisen, sind die carboxyterminalen Bereiche ab Aminosäure 50 deutlich unterschiedlich. Agnoproteindefekte Mutanten des SV40 sind infektiös, vermehren sich jedoch wesentlich langsamer als Wildtypviren. Nach seiner Synthese wird das Agnoprotein vermutlich durch die Proteinkinase C phosphoryliert und liegt in dieser Form im Cytoplasma der Zelle vor. Unphosphorylierte Formen finden sich hingegen im Zellkern. Deshalb vermutet man, dass es sich beim Agnoprotein um ein Shuttleprotein handelt, das in Abhängigkeit von seinem Phosphorylierungsstatus vom Cytoplasma in den periplasmatischen Raum des Zellkerns und zurück transportiert wird. Im periplasmatischen Raum interagiert es mit dem Capsidprotein VP1 und hat wohl eine wichtige Funktion bei der Morphogenese. Beim Polyomavirus des Wellensittichs wird vermutet, dass hier durch alternatives Spleißen verschiedene Versionen der Agnoproteine gebildet werden, von denen eines, das Protein Agno1a, in geringen Mengen als viertes Strukturprotein in den Capsiden enthalten ist.
19.2.4 Replikation Die Viren binden sich über die VP1-Proteine ihrer Partikel an zelluläre Rezeptoren. Das SV40-Virus verwendet hierfür die membranverankerten MHC-Klasse-IAntigene. Andere Vertreter der Polyomaviren binden sich an endständige N-Acetyl-Neuraminsäurereste, die sich als Modifikation an Zelloberflächenproteinen befinden. Daneben gibt es aber auch einige Hinweise, dass die Viren mit sialylsäurehaltigen Lipidbestandteilen der Cytoplasmamembran wie Gangliosiden wechselwirken können. So fand man, dass das JC-Polyomavirus bevorzugt mit dem Serotonin-Rezeptor 5HT2A und dabei mit endständigen Sialylsäuren wechselwirkt, die in α(2,6)glycosidischer Bindung mit den benachbarten Kohlenhydraten verknüpft sind. Das Mauspolyomavirus bindet sich dagegen an α(2,3)-verknüpfte Sialylsäuren von Integrin α4β1. Das BK-Polyomavirus bevorzugt ebenfalls Sialylsäurereste in α(2,3)-glycosidischer Bindung; der Proteinanteil, an den die Kohlenhydratgruppen gebunden sind, ist nicht endgültig identifiziert. Eine ähnliche Verwendung von N-Acetyl-Neuraminsäureresten als Rezeptoren ist auch bei den Para- und Orthomyxoviren bekannt (䉴 Abschnitte 15.3 und 16.3).
491
Das Partikel wird durch rezeptorvermittelte Endocytose aufgenommen, liegt dann in clathrinreichen Vesikeln vor und wird unter Umgehung des lysosomalen Weges vermutlich entlang der Microtubuli zum Kern transportiert, wo das virale Genom freigesetzt wird. Danach erfolgt die frühe Transkription der mRNA-Spezies, die für die verschiedenen T-Antigene codieren (䉴 Abbildung 19.9). Die mRNA-Synthese erfolgt durch die zelluläre RNA-Polymerase II, wie die Hemmbarkeit der Transkription durch α-Amanitin zeigt. Virale Proteine sind für die frühe Transkription nicht nötig. Die mRNAs für die verschiedenen T-Antigene werden durch alternative Spleißvorgänge aus einem gemeinsamen RNA-Vorläufermolekül gebildet, wobei das 5’-Ende der SV40-spezifischen RNA 70 Nucleotide vor dem Initiationscodon liegt (20 Nucleotide beim Polyomavirus). Sind durch die Translation der entsprechenden mRNA ausreichende Mengen an großem T-Antigen in der Zelle vorhanden, so bindet sich dieses an den frühen Promotor und reduziert die Menge an frühen Transkripten. Der frühe Promotor von SV40 ist zellulären Transkriptionsregulatoren sehr ähnlich (䉴 Abbildung 19.10) und liegt etwa 30 Nucleotide vor dem eigentlichen Transkriptionsstart. Eine GC-reiche Region („21-Basenpaar-Repeat“) liegt 40 Nucleotide vor dem Transkriptionsstart. An sie binden sich zelluläre SP1-Transkriptionsfaktoren. Zusätzlich fördert der benachbarte Enhancer die frühe RNA-Synthese. Für die erfolgreiche Replikation des Virusgenoms muss sich die Zelle in der S-Phase des Teilungszyklus befinden. Die Viren haben daher Mechanismen entwickelt, diese zellulären Prozesse zu beeinflussen. Verantwortlich ist dafür das große T-Antigen, das früh während der Infektion gebildet wird, mit den zellulären Proteinen p53 und Rb105/107 interagiert und sie in ihrer regulierenden Funktion hemmt. Dies aktiviert unter anderem die CDC2-Kinase (cell cycle dependent kinase; cdk2 = cylin-dependent kinase), die das T-Antigen an dem Threonin der Position 124 phosphoryliert. Nur das so modifizierte T-Antigen bindet sich an den Replikationsursprung, schmilzt den DNA-Doppelstrang in dieser Region auf und führt so zur Bildung einer Replikationsblase. Im Bereich dieser Blase kann der zelluläre Proteinkomplex aus einzelstrangbindenden Proteinen, DNA-Primase und DNA-Polymerase-α binden und mit der Synthese von RNA-Primern beginnen. An den 3’OH-Enden der Leitstränge (leading strands) werden die Nucleotide kontinuierlich in 5’→3’-Richtung anpolymerisiert (䉴 Abbildung 19.12). Das zirkuläre virale Genom wird bidirektional an den Replikationsgabeln weiter aufgewunden, sodass die Synthese in beide Richtungen fortschreiten kann. Der DNA-Strang, der in der Gegenrichtung verläuft (Folgestrang, lagging strand),
19
19
492
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
q Von SV40 abgeleitete Vektoren ermöglichen die kontinuierliche Expression von Fremdgenen in eukaryotischen Zellen Die Fähigkeit des großen T-Antigens von SV40, sich an den Replikationsursprung zu binden und die Replikation des zirkulären viralen Genoms einzuleiten, wird in der Gentechnologie erfolgreich zur kontinuierlichen Expression von Fremdgenen in eukaryotischen Zellen eingesetzt. Man verwendet Vektoren, die den SV40-spezifischen Replikationsursprung enthalten, und exprimiert die Fremdproteine meist unter Kontrolle des Promotors für die späten Proteine des SV40 in Verbindung mit dem SV40-Enhancer. Die Vek-
wird diskontinuierlich durch Synthese und Ligation von sogenannten Okazaki-Fragmenten gebildet, die jeweils durch kurze RNA-Primer initiiert werden. Dieser Vorgang entspricht weitgehend der Replikation des zellulären Genoms, mit dem Unterschied, dass der Prozess an den sich im Replikationsstadium befindenen Tochtermolekülen neu initiiert wird, sobald sich im Bereich des Replikationsursprunges ein neuer doppelsträngiger Sequenzbereich ausgebildet hat (䉴 Abbildung 19.12). Die Replikation endet, wenn beide Replikationsgabeln aufeinander treffen; zur Entwindung und Trennung der Moleküle ist eine Topoisomerase erforderlich. Die Verwendung der zellulären DNA-Polymerase-α bei der Replikation des Virusgenoms sorgt beim Einbau der Nucleotide für eine hohe Lesegenauigkeit. Die Polyomaviren besitzen deshalb eine hohe genetische Stabilität. Erst nach der DNA-Replikation erfolgt die Transkription der späten viralen Gene für die Strukturproteine. Die Bindung des großen T-Antigens an die EnhancerSequenzen steigert dabei die Menge an gebildeter RNA. Die Größe der mRNAs ist durch die alternative Verwendung verschiedener Spleißdonor- und Akzeptorstellen sehr heterogen: Es entstehen sechs (beim JCPyV) bis sieben (beim SV40) gecappte und polyadenylierte Transkripte, die für die verschiedenen späten Proteine codieren. Beim Mauspolyomavirus fand man VorläuferRNAs, welche die Größe des viralen Genoms mehrfach umspannen. An ihren 5’-Enden enthalten alle mRNAs eine in Tandemkonfiguration wiederholte LeaderSequenz, die den Sequenzen für die Translation der verschiedenen Strukturproteine vorgeschaltet ist. Diese Leader-Sequenz enthält eine Nucleotidfolge, die Homologie zur 18S-rRNA der Maus aufweist. Man vermutet, dass dies die Translationseffizienz der verschiedenen mRNA-Spezies steigert. In der Leader-Sequenz befindet
toren enthalten selbst keine genetische Information für das große T-Antigen. Man bringt den Vektor jedoch in Zellen ein, die dieses Protein kontinuierlich synthetisieren. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Affenzelllinie COS (Grüne Meerkatze), die ein im Replikationsursprung defektes SV40-Genom enthält, dieses selbst nicht vermehren kann, aber das große T-Antigen für die Replikation des in die Zelle eingebrachten Vektors liefert.
sich auch der für das Agnoprotein LP1 codierende Bereich. Der Zusammenbau der verschiedenen viralen Bestandteile, das heißt der neu gebildeten DNA-Doppelstränge mit den zellulären Histonen H1, H2A, H2B, H3 und H4 zu Minichromosomen und deren Assoziation mit den Strukturproteinen zu Capsiden, findet im Zellkern statt. Die Capsidproteine verfügen daher über die entsprechenden Kernlokalisationssignale, um nach der Synthese dorthin transportiert zu werden. Die VP1-Proteine bilden dabei Komplexe mit dem Agnoprotein LP1. Man vermutet, dass hierdurch eine vorzeitige Oligomerisierung des VP1 verhindert und die Wechselwirkung erst im Kern eingeleitet wird, damit die VP1Proteine mit den Minichromosomen Partikel bilden können. Im Verlauf der Reifung wird das Histon H1 wieder aus dem Komplex entfernt. Die Nachkommenviren werden durch den Tod der Zelle freigesetzt; in vitro enthält eine infizierte Zelle bis zu 100 000 neue Virionen.
19.2.5 Humanpathogene Polyomaviren Die BK- und JC-Polyomaviren Epidemiologie und Übertragung Infektionen mit den BK- und JC-Polyomaviren (Polyomavirus hominis 1 und 2) sind weltweit verbreitet. Das JCPolyomavirus wurde 1971 aus dem Gehirn eines Patienten (mit den Initialen J. C.) isoliert, der an progressiver multifokaler Leukoencephalopathie (PML) erkrankt war. Das BK-Polyomavirus wurde im gleichen Jahr aus dem Urin eines Nierentransplantatempfängers (B. K.) iso-
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19.12 Ablauf der Genomreplikation bei Polyomaviren. Das große T-Antigen bindet sich an den Replikationsursprung in der nichtcodierenden Kontrollregion. Der DNA-Doppelstrang wird an dieser Stelle lokal aufgeschmolzen (A). Die Replikation erfolgt bidirektional und semikonservativ und wird von den zellulären Enzymen der DNA-Synthese (DNA-Polymerase-α, Primase) katalysiert. Wie üblich wird in 5’→3’-Richtung synthetisiert, wobei der Leitstrang (leading strand) kontinuierlich, der Folgestrang (lagging strand) hingegen in der Form von Okazaki-Fragmenten gebildet wird (B). Die neusynthetisierten Stränge sind jeweils rot dargestellt, die RNA-Primer im Folgestrang sind grau schraffiert. Liegen die Sequenzen am Replikationsursprung als DNA-Doppelstränge vor, dann beginnt hier eine neue Replikationsrunde (C). Die fertig synthetisierten Genome werden durch die Aktivität einer Topoisomerase voneinander getrennt (D) und liegen dann als separate Tochtermoleküle vor (E).
liert, der immunsuppressiv behandelt wurde. In der Folge zeigten serologische Untersuchungen, dass die Durchseuchung der Bevölkerung mit beiden Virustypen sehr hoch ist: Antikörper gegen das BKPyV lassen sich bei über 80 Prozent aller Erwachsenen nachweisen. Nach der Infektion, die überwiegend im Kindesalter erfolgt, persistieren beide Viren unter anderem in den mononucleären Zellen des Blutes und in lymphatischen Geweben; BKPyV konnte auch in den Zellen der proximalen Nierentubuli nachgewiesen werden. Die Viren
können – vor allem bei Immunsupprimierten – reaktiviert und im Urin ausgeschieden werden. Bei 50 Prozent aller Knochenmarktransplantierten findet man BKPyV im Urin. Die Übertragung erfolgt wahrscheinlich oral durch Schmierinfektion mit dem Urin infizierter Personen. BK- und JC-Polyomaviren werden bei 50 Prozent aller Schwangeren reaktiviert und ausgeschieden; ob sie transplacentar auf das ungeborene Kind übertragen werden, ist nicht endgültig geklärt.
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Klinik Bei immunkompetenten Kindern und Erwachsenen ist die klinische Bedeutung der BK- und JC-Polyomaviren gering. Schwerwiegende Krankheiten treten fast ausschließlich bei Patienten mit immunologischen Defekten auf (䉴 Tabelle 19.5). Die BKPyV-Primärinfektion verursacht bei Kindern mit einem intakten Immunsystem selten Erkrankungen der Atemwege und Cystitis (Harnblasenentzündung). Danach persistiert das Virus, beispielsweise in Nierengewebe und Gehirn. Nur bei immunsupprimierten Patienten (zum Beispiel bei Knochenmark- und Nierentransplantierten) verursacht die Virusreaktivierung gravierende Symptome wie hämorrhagische Cystitis und Nephropathie, auch bekannt als Polyomavirus-assoziierte Nephropathie (PAN). Dies führt bei etwa fünf Prozent der Nierentransplantierten zum Verlust des Spenderorgans. Bei einigen AIDS-Patienten wurde in Verbindung mit dem BK-Polyomavirus eine subakute Meningoencephalitis gefunden. In Meningiomen, Glioblastomen und Osteosarcomen konnte man in seltenen Fällen DNA des BK-Polyomavirus nachweisen. Ob die Virusinfektion tatsächlich eine Tumorerkrankung verursacht, konnte bisher nicht gezeigt werden. JC-Polyomavirus löst bei der Primärinfektion keine Erkrankung aus und persistiert ebenfalls im lymphatischen Gewebe, in mononucleären Blutzellen, im Knochenmark, im Gehirn und auch in den Nieren. Bei Patienten mit Immundefekten, vor allem bei AIDSPatienten, ist das JC-Polyomavirus für die Entstehung der progressiven multifokalen Leukoencephalopathie (PML) verantwortlich; zwei bis zehn Prozent der AIDSPatienten entwickeln diese neurologischen Symptome. Nach der Infektion vermutlich im Kindesalter und einer anschließenden langen, mehrjährigen Inkubationszeit beginnen die PML-Symptome, wenn die Patienten
Tabelle 19.5 Durch BK- und JC-Polyomaviren verursachte Krankheiten BK-Polyomavirus
JC-Polyomavirus
Infekte der Atemwege, Polyomavirus-assoziierte Nephropathie (PAN), hämorrhagische Cystitis, Ureterstenose (bei Knochenmark- und Nierentransplantierten), Verlust des Nierentransplantats, Cystitis (bei Kindern), Pankreatitis (sehr selten)
progressive multifokale Leukoencephalopathie (PML) bei immundefizienten (AIDS) und immunsupprimierten Patienten (Transplantation)
durch die HIV-Infektion in ein Stadium der Immunsuppression eintreten. Anfangs handelt es sich um Seh- und Sprachstörungen sowie partielle Lähmungen. Innerhalb von sechs Monaten kommt es dann zu fortschreitender Demenz und zum Tod. In einigen Fällen fand man bei PML-Patienten Gehirntumoren. Ob die Virusinfektion eine maligne Entartung verursacht, ist unklar. Seit Einführung der Kombinationstherapie (HAART) zur Behandlung der HIV-Infektion versterben AIDS-Patienten nur noch selten an PML (䉴 Abschnitt 18.1.5).
Pathogenese Nach oraler Übertragung gelangen die BK- und JCPolyomaviren wahrscheinlich zuerst in die Tonsillen, vermehren sich hier und breiten sich dann lymphohämatogen aus. Beim BK-Polyomavirus geht man davon aus, dass es im Infektionsverlauf B-Lymphocyten infiziert, über diese in andere Organbereiche wie die Nieren, Lunge, Milz, Lymphknoten und Leber transportiert wird und sich dort ansiedelt. Die BKPyV-DNA lässt sich auch im Gehirn von Verstorbenen nachweisen, die keinerlei neurologische Symptome aufgewiesen hatten. Daher geht man davon aus, dass auch das Gehirn ein Ort der BKPyV-Persistenz ist. Man hat das BK-Polyomavirus auch in den Zellen der Darmschleimhaut nachgewiesen. Das Hauptorgan der lebenslangen Persistenz sind jedoch die Nieren, über die das Virus bei Reaktivierungen ausgeschieden wird. So kann bei Nierentransplantatempfängern die Menge an ausgeschiedenem BKPolyomavirus auf Werte weit über 1010 pro Milliliter Urin ansteigen; gleichzeitig findet man freie BKPolyomaviren auch im Blut. Der Grad der Immunsuppression korreliert dabei meist mit der Menge des BKPolyomavirus, vor allem im Plasma. Auch das JC-Virus wird vermutlich durch infizierte Lymphocyten im Organismus verteilt. Infizierte B-Lymphocyten transportieren es nach der Primärinfektion oder bei Reaktivierungen in das zentrale Nervensystem und geben es über die Virchow-Robinschen Räume an Oligodendrogliazellen und Astrocyten weiter, in denen die Viren persistieren oder in Verbindung mit Störungen des Immunsystems zur Replikation reaktiviert werden. Da in etwa 20 Prozent der untersuchten Gehirne von Patienten ohne diesbezügliche Symptomatik die DNA von JC- und BK-Polyomaviren nachgewiesen wurde, ist zu folgern, dass sich die Viren bereits während der Primärinfektion hier ansiedeln konnten. Persistenz findet man aber auch in lymphatischen Geweben, im Knochenmark und in den Nieren; bei immundefizienten Patienten werden die JC-Polyomaviren im Urin ausgeschieden. Über die Molekularbiologie der Latenz und den Mechanismus der Reaktivierung ist wenig bekannt.
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q Die KI- und WU-Polyomaviren verursachen Infektionen beim Menschen Im Jahr 2007 wurden in Schweden beziehungsweise in den USA und in Australien aus Kindern mit Erkrankungen der Atemwege zwei neue Polyomaviren isoliert, die man mit den Bezeichnungen KI- und WU-Polyomavirus versah. Die Viren sind phylogenetisch miteinander näher verwandt als mit den BK- und JC-Viren und zählen zur Gattung der SV40-ähnlichen Viren in der Familie der Polyomaviren. Nachfolgende Untersuchungen zeigten keine Assoziation der KI- oder WUPolyomavirusinfektionen mit Atemwegserkrankungen bei Kindern oder bei Erwachsenen; man konnte die Viren auch im Speichel von gesunden Personen nachweisen. Ähnlich wie die BKPyV und JCPyV sind auch die KI- und WU-Polyomaviren weit verbreitet, die Erstinfektionen findet wohl bevorzugt im Kindesalter statt, danach persistiert die Virus-DNA vemutlich lebenslang im Organismus. Erste epidemiologi-
Bei PML-Patienten werden infektiöse JC-Viren in myelinbildenden Oligodendrocyten produziert. Hier vermehrt sich das Virus lytisch, und man findet nucleäre Einschlusskörperchen aus viralen Proteinen in den infizierten Zellen, die im weiteren Verlauf absterben. Im weiteren Krankheitsverlauf entwickeln sich multifokale, fleckförmige Entmarkungsherde in den Myelinscheiden des Gehirns. Der carboxyterminale Bereich des großen T-Antigens des JC-Virus enthält Aminosäuren, die eine gewisse Homologie mit dem basischen Myelinprotein der Nervenmarkscheiden aufweisen. Histopathologisch gibt es keinen Hinweis darauf, dass die bei der PML auftretende Demyelinisierung eine primäre Autoimmunkrankheit ist. Aus Gehirnen der Patienten kann man verschiedene, durch Mutationen veränderte Varianten des JC-Virus (PML-Typen) isolieren. Sie weisen Deletionen, Duplikationen und Insertionen vor allem in der Promotor-/Enhancer-Region des Genoms auf. Isolate aus dem Urin (Archetypen) sind dagegen weitgehend einheitlich. Ob die mutierten Viren eine veränderte Virulenz besitzen und für die Ausbildung der PML-Symptome verantwortlich sind, ist ungeklärt: Man kann sie nämlich auch in B-Lymphocyten und in der Niere nachweisen. Die Häufigkeit der PML bei AIDS-Patienten beruht neben der durch HIV induzierten Immundefizienz möglicherweise auch darauf, dass das transaktivierend wirkende Tat-Protein von HIV die Expression und Replikation von JC-Viren induzieren kann (䉴 Abschnitt 18.1.3). Eine Steigerung der Gen-expression des JC-Virus konnte in vitro auch durch das humane Cytomegalovirus gezeigt werden.
sche Studien in den USA zeigten, dass bei 55 bis 69 Prozent von gesunden erwachsenen Blutspendern IgG-Antikörpern gegen die Strukturproteine VP1 des KI- beziehungsweise WU-Polyomavirus zu finden sind. Wurden Seren von Kindern untersucht, zeigten sich ähnliche Werte – ein Hinweis darauf, dass die Infektion früh im Kindesalter erfolgt. Bei immunsupprimierten Patienten werden die KI- und WUViren reaktiviert und vermehren sich. Im lymphatischen Gewebe von 36 Prozent der untersuchten AIDS-Patienten, aber nur bei knapp vier Prozent der nicht immunsupprimierten Kontrollpersonen ließen sich 105 bis 106 Genome der KI- und WU-Polyomaviren pro einer Million Zellen nachweisen. Ob die Reaktivierung der Viren bei Immunsupprimierten mit bestimmten Symptomen einhergeht, ist bisher unklar.
Immunreaktion und Diagnose Bei der Primärinfektion des Menschen mit BK- und JCPolyomaviren findet man die Synthese von IgM- und IgG-Antikörpern, die überwiegend gegen die viralen VP1-Proteine gerichtet und stark kreuzreaktiv sind. Sie lassen sich mit ELISA-Tests nachweisen. Bei Reaktivierungen erfolgt meist nur ein Anstieg der IgG-Antikörper. Die Serologie spielt aber klinisch keine Rolle. So steigt bei der Ausbildung von PML die Antikörperkonzentration nicht an. Für die Diagnose der PML wird die JCPyV-DNA im Liquor durch die Polymerasekettenreaktion nachgewiesen. Über eine Stimulierung oder Inhibierung des Immunsystems durch diese Infektionen ist wenig bekannt. Man findet eine reduzierte Stimulierbarkeit von Lymphocyten durch virale Proteine. Bei Nierentransplantatempfängern untersucht man Urin und Blutplasma regelmäßig mittels der quantitativen Polymerasekettenreaktion auf das Vorhandensein von BKPyV-DNA, um Virusreaktivierungen zu überwachen und ihren Verlauf zu kontrollieren. BK-Polyomaviren lassen sich in einigen Zelllinien, zum Beispiel in HEK-Zellen (human embryonic kidney cells), vermehren. Ähnlich wie bei SV40 beobachtet man nach einer Inkubationszeit von ein bis zwei Wochen Vakuolisierungen, Einschlusskörperchen und Zelllyse. Das JC-Polyomavirus lässt sich nur in embryonalen Amnion- und Gehirnzellkulturen, speziell in Oligodendrocyten, vermehren.
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¡ Das Merkelzell-Polyomavirus – ein neues Tumorvirus des Menschen? Werden Tiere, beispielsweise neugeborene Mäuse oder Hamster, mit den humanen BK- und JC-Viren oder auch mit dem SV40-Virus experimentell infiziert (䉴 Abschnitt 19.2.6), dann entwickeln diese Tumore. In den transformierten Zellen findet man das Genom der BK-Polyomaviren selten, das der JC-Polyomaviren jedoch häufig in die Wirtszell-DNA integriert. Für keines dieser Viren und auch für die neu entdeckten KI- und WU-Polyomaviren wurde bisher aber eine kausale Assoziation mit menschlichen Tumorerkrankungen gezeigt. Im Unterschied zu diesen Viren scheint beim Merkelzell-Polyomavirus ein ursächlicher Zusammenhang mit einer Krebserkrankung des Menschen möglich. Dieses Virus ist relativ nah verwandt mit dem B-lymphotropen Virus der Meerkatzen (LPyV) und zählt somit nicht zur Gruppe der SV40-ähnlichen Erreger. Das Genom des Merkelzell-Polyomavirus fand man integriert im Genom der Zellen einen seltenen Hauttumors, dem Merkelzell-Karzinom. Dieser neuroendokrine, sehr aggressive Tumor entwickelt
Therapie und Prophylaxe Impfstoffe gegen beide Virusinfektionen existieren nicht. Bei PML-Patienten wurden Therapieversuche mit Cidofovir unternommen; eine gesicherte Aussage über den Erfolg ist jedoch nicht möglich. Die Therapie der HIVInfektion (䉴 Abschnitt 18.1.5) beeinflusst den Verlauf der PML positiv. Bei Nierentransplantatempfängern versucht man, die Ausbildung der PAN durch Reduktion der immunsuppressiven Therapie zu bewältigen.
sich gehäuft bei älteren und bei immunsupprimierten Personen; bei knapp 80 Prozent der bisher untersuchten Patienten konnte man das Genom des Merkelzell-Polyomavirus in den Tumorzellen nachweisen. Der Integrationsort in der chromosomalen Zell-DNA scheint auch in Metastasen, die sich ausgehend vom Primärtumor entwickeln, erhalten zu bleiben; dies unterstreicht den möglichen ursächlichen Zusammenhang mit der Transformation der Zellen. Auch dieses neue Polyomavirus des Menschen ist weit verbreitet: Antikörper lassen sich bei etwa 40 Prozent gesunder Blutspender in den USA nachweisen. Es gibt Hinweise, dass auch dieses Virus bereits Kinder infiziert: Es ist im Rachenspülwasser von Kindern mit Atemwegserkrankungen vorhanden und persistiert danach im Gewebe. Im Unterschied zu den anderen humanen Polyomaviren konnte in AIDS-Patienten keine Reaktivierung des Merkelzell-Polyomavirus nachgewiesen werden.
Im folgenden Abschnitt soll kurz der Verlauf und die Bedeutung der Infektionen mit dem SV40-Virus in Affen besprochen werden. Auch das SV40-Virus ist tiermedizinisch ohne Bedeutung. Als Modellsystem für die Erforschung verschiedener molekularbiologischer Vorgänge und aus historischen Gründen ist dieses Virus aber überaus wichtig.
Das SV40-Virus Epidemiologie und Übertragung
19.2.6 Tierpathogene Polyomaviren In der Tiermedizin spielen Polyomaviren eine untergeordnete Rolle. Einzig das Virus der „Nestlingskrankheit“ der Wellensittiche (budgerigar fledgeling dis-ease) ist weit verbreitet und kann in den von der Infektion betroffenen Beständen eine Mortalität bis zu 80 Prozent verursachen. Bei Hühnern verursacht dieses Virus subklinische Infektionen; man kann es in vitro in Hühnerzellen problemlos züchten und isolieren. Andere Polyomaviren verursachen in ihren Wirten klinisch inapparente Infektionen, so etwa das bovine Polyomavirus. Dieses Virus scheint auf den Menschen übertragbar zu sein – man konnte in menschlichen Seren virusspezifische Antikörper, jedoch ähnlich wie bei den Rindern keine Krankheitszeichen finden.
Die natürlichen Wirte des SV40 sind asiatische Makaken, vor allem Rhesusaffen (Macaca mulatta), Cynomolgusmakaken und afrikanische Grüne Meerkatzen. Das Virus etabliert in den Tieren eine persistierende Infektion in den Nieren, wird über den Urin ausgeschieden und innerhalb der Tierpopulationen übertragen. Es exisitiert nur ein genetisch relativ stabiler Serotyp. Auf mehrere Millionen Menschen wurde das Virus zwischen 1955 und 1963 als Kontamination in Impfstoffen gegen die Kinderlähmung (䉴 Exkurs Die ersten Impfstoffe gegen die Kinderlähmung waren mit SV40 kontaminiert) und gegen Infektionen mit den Adenoviren Typ 3 und 7 übertragen. In Menschen scheint SV40 eine Infektion mit sehr geringer Virusproduktion induzieren zu können. Man fand, dass Kinder, die oral mit SV40-haltigen attenuierten Polioviruspräparationen inokuliert worden waren, bis zu fünf Wochen lang SV40 im Stuhl ausschie-
19.2 Polyomaviren
den, jedoch keine nachweisbare Antikörperbildung entwickelten. Freiwillige, die sich intranasal mit SV40 kontaminierten Präparationen des respiratorischen Syncytialvirus infizieren ließen, wiesen hingegen eine niedertitrige Antikörperantwort auf. Zusätzlich findet man jedoch auch in zwei bis zehn Prozent der nach 1962 geborenen Personen derartige Antikörper. Da diese Personen nicht SV40-haltigen Impfstoffen exponiert worden waren, kann dies als ein Hinweis darauf gewertet werden, dass sich das Virus in der menschlichen Bevölkerung verbreiten kann. Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich möglicherweise auch um serologische Kreuzreaktionen von Antikörpern gegen die humanen KI-, WU- und Merkelzell-Polyomaviren handeln kann. Des Weiteren haben etwa die Hälfte aller Tierpfleger und Laborarbeiter, die Kontakte mit Affen, primären Affenzellen und dem Virus hatten, SV40-spezifische Immunreaktionen. In Einzelfällen konnten SV40-Genome aus normalem Gewebe und den Zellen des peripheren Blutes mittels der Polymerasekettenreaktion amplifiziert werden.
Klinik In gesunden Tieren verlaufen die akuten Infektionen mit SV40 asymptomatisch. In den Nieren und im Urin lässt sich lebenslang Virus nachweisen. In Affen, die SIVinfiziert und dadurch immunsupprimiert sind (䉴 Abschnitt 18.1.6), findet man das Virus hingegen auch in den mononucleären Zellen des peripheren Blutes sowie in Gehirn, Lunge, Lymphknoten und Milz. Diese Tiere entwickeln häufig die Symptome einer progressiven multifokalen Leukencephalopathie (PML; 䉴 Abschnitt 19.2.5), in Einzelfällen fand man auch Astrocytome. Im Menschen wurden Krankheitssymptome, die mit einer akuten SV40-Infektion in Verbindung stehen
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könnten, nie beobachtet. Seitdem man sensitive Methoden der Polymerasekettenreaktion zum Nachweis der Virus-DNA einsetzte, fand man wiederholt SV40Sequenzen in den Geweben menschlicher Tumoren. Hierzu zählen vor allem Gehirntumoren bei Kindern und Erwachsenen, Ependymone, Mesotheliome und Osteosarcome. Durch Sequenzierung konnte gezeigt werden, dass es sich dabei nicht um Laborstämme und somit auch nicht um Kontaminationen handeln kann. Ein kausaler Zusammenhang des SV40 mit der Tumorbildung in diesen Patienten ist bisher nicht belegt. Es erscheint inzwischen jedoch auch möglich, dass in älteren Arbeiten und Publikationen Kreuzreaktionen mit den neuen humanen Polyomaviren (䉴 Abschnitt 19.2.5) die Ergebnisse beeinflusst haben.
Pathogenese Zelltransformation und Tumorbildung Die ersten transformierten Zellen wurden bereits 1959 und 1960 in mit dem Polyomavirus der Maus infizierten Nagetierzellen entdeckt (Mausfibroblasten und BHK-Zellen). Großes Aufsehen und intensive Forschungsarbeit zog 1971 die Isolierung von SV40 aus der Nierenzelllinie eines Rhesusaffen durch Benjamin Sweet und Maurice Hillemann nach sich, weil dieses Affenvirus bei neugeborenen Hamstern Tumorerkrankungen auslösen konnte. Bei Rhesusaffen konnten ähnliche Erkrankungen nicht gefunden werden. Sowohl das Polyomavirus der Maus als auch das Hamsterpapovavirus (HaPV) induzierten nur in anderen als ihren natürlichen Wirten eine Tumorbildung. Tumorerkrankungen des Menschen konnten bisher in keinem Fall kausal mit einer Polyomavirusinfektion in Verbindung gebracht werden. Ob SV40 und Mauspolyomavirus Krebs verursachen, hängt davon ab, ob die Viren einen produktiven Infek-
q Die ersten Impfstoffe gegen die Kinderlähmung waren mit SV40 kontaminiert Zwischen 1955 und 1963 züchtete man Polioviren in primären Nierenzellen von Rhesusaffen. Zu dieser Zeit war nicht bekannt, dass die Zellen auch mit dem Affenvirus SV40 infiziert waren. Die zuerst entwickelte „Salk-Vakzine“ war ein Totimpfstoff gegen die Kinderlähmung (䉴 Abschnitt 14.1) und enthielt neben den inaktivierten Polio- also auch vermutlich abgetötete SV40-Viren. Etwa 100 Millionen Menschen wurden hiermit geimpft. Der einige Jahre später von Albert Sabin entwickelte Lebendimpfstoff bestand dagegen
aus attenuierten Polioviren. Da auch diese in Affenzellen gezüchtet wurden, die mit SV40 kontaminiert waren, enthielt die Vakzine ebenfalls aktives SV40. Mit ihr wurden zwischen 1955 und 1963 Millionen von Amerikanern und Europäern geimpft. Deswegen sind vermutlich alle Personen, die in diesem Zeitraum gegen die Poliovirusinfektion geimpft wurden, zugleich mit SV40 infiziert worden. Schätzungen gehen davon aus, dass zehn bis 30 Millionen Menschen auf diese Weise vermehrungsfähigem SV40 ausgesetzt wurden.
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tionszyklus durchführen können; das heißt, ob die Zellen für die Infektion permissiv sind. Die produktive, lytische Infektion ist mit der Bildung einer hohen Zahl von Nachkommenviren verbunden und endet immer mit dem Tod der Zelle. Eine Transformation kann deswegen nur dann erfolgen, wenn die Zellen nichtpermissiv für den lytischen Vermehrungszyklus sind. Dann bricht der virale Zyklus nach der Synthese der T-Antigene ab, es erfolgt eine abortive Infektion (䉴 Kapitel 6 und Abschnitt 19.4.5). Die Transformation ist also nicht nur von der Aktivität des großen T-Antigens abhängig. Auch zelluläre Funktionen spielen eine wichtige Rolle. Die Zelltransformation und die Tumorerkrankungen werden durch die Interaktion des großen T-Antigens dieser Viren mit zellulären Proteinen verursacht, die dadurch in ihrer Funktion gestört werden; sie gehören zur Klasse der Tumorsuppressorproteine. Diese Proteine gewährleisten normalerweise einen kontrollierten Ablauf der Zellteilung. Wird dies durch Wechselwirkung mit dem T-Antigen verhindert, treten die Zellen unkontrolliert in die S-Phase des Zellzyklus ein, und es folgt eine unregulierte Vermehrung. Neben diesen Proteinwechselwirkungen können auch Veränderungen der Wirtszell-DNA an der Krebsentstehung beteiligt sein: In SV40-transformierten Zellen sind bis zu zehn Kopien des viralen Genoms an unterschiedlichen Stellen in die chromosomale DNA der Zelle integriert. Inwieweit diese Integrationsereignisse an der Initiation der Transformation beteiligt sind, ist nicht endgültig geklärt. Sie können jedoch bei der Progression und Metastasierung eine wichtige Rolle spielen.
Immunreaktion und Diagnose Der Nachweis von SV40-Infektionen erfolgt in infizierten Tieren und Menschen durch die Bestimmung von Antikörpern gegen das Strukturprotein VP1 in WesternBlot- und ELISA-Tests sowie durch den Nachweis der Virusgenome mittels der Polymerasekettenreaktion. Bei beiden Verfahren muss auf mögliche Kreuzreaktivitäten geachtet werden.
Therapie und Prophylaxe Es gibt weder Impfstoffe noch eine antivirale Therapie.
19.2.7 Weiterführende Literatur Allander, T.; Andreasson, K.; Gupta, S.; Bjerkner, A.; Bogdanovic, G.; Persson, M. A.; Dalianis, T.; Ramqvist, T.; Andersson, B. Identification of a third human polyomavirus. In: J. Virol. 81 (2007) S. 4130–4136.
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19.3 Papillomaviren
Warzen sind gutartige Neubildungen der Haut und seit vielen Jahrhunderten bekannt. Dass sie durch infektiöse Agenzien hervorgerufen werden, zeigten erstmals C. Licht und G. Variot 1894, da sie die Wucherungen experimentell durch rohes Warzengewebe übertragen konnten. 1907 folgte die Übertragung durch bakterienfreie Ultrafiltrate. 1932 isolierte Richard Shope aus einem Kaninchen das erste Papillomavirus (Shopes Kaninchenpapillomavirus). Er zeigte auch, dass gutartige Tumoren in bösartige Formen übergehen können: Die Mehrstufenhypothese der Krebsentstehung war geboren. Wie in den letzten Jahren klar geworden ist, verursachen bestimmte humane Papillomaviren nicht nur diese meist gutartigen Hauterkrankungen, sondern auch verschiedene maligne Epitheltumoren, vor allem das Cervixkarzinom. Für die Erforschung der kausalen Beziehung zwischen der Infektion mit humanen Papillomaviren und dem Cervixkarzinom und für die darauf basierende Entwicklung von Impfstoffen, wurde Harald zur Hausen – dem langjährigen Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ (Heidelberg) – im Jahr 2008 der Nobelpreis für Medizin verliehen.
19.3.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Papillomaviren sind weit verbreitet. Sie verursachen beim Menschen und bei zahlreichen Wirbeltieren Hautwarzen (Papillome), man konnte sie unter anderem aus Hunden, Pferden, Rindern, Schafen, Elchen, Hirschen
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
und auch Vögeln isolieren (䉴 Tabelle 19.6). Papillomaviren haben eine stark ausgeprägte Wirts- und Gewebsspezifität. Sie sind strikt epitheliotrop und können sich nur in den enddifferenzierten Keratinocyten replizieren. Daher kann man sie bisher nicht in vitro züchten. Für viele Daten über die Biologie und die Pathogenese dieser Virusinfektion diente daher als Modell das Rinderpapillomavirus. Das erklärt auch, warum die Mehrheit der menschlichen Papillomavirustypen – heute sind weit über 100 humane Papillomavirustypen (HPV) identifiziert und mit weiteren ist zu rechnen – erst mit der Verfeinerung der Methoden zur Nucleinsäureisolierung und -sequenzierung charakterisiert werden konnte. Als neue Typen werden heute solche definiert, die hinsichtlich der Basenabfolgen in den für die Proteine E6, E7 und L1 codierenden Genomabschnitten um weniger als 90 Prozent mit bereits bekannten Typen übereinstimmen. Virustypen, deren Genome ausschließlich mittels Amplifikation durch die Polymerasekettenreaktion und anschließende Sequenzanalyse charakterisiert wurden, ergänzt man mit der vorläufigen
Typbezeichnung „cand“ (zum Beispiel candHPV 86); dieser Hinweis auf die nicht endgültige Zuordnung entfällt, wenn die Sequenz nach Klonierung und erneuter Genomsequenzanalyse bestätigt wird. Die Unterteilung der Papillomaviren in derzeit 16 Gattungen und einer Vielzahl von Spezies, unter welchen die nah miteinander verwandten Virustypen zusammengefasst werden, erfolgt aufgrund ihrer Wirtsund Organspezifität, ihrer Sequenzmerkmale und ihrer Genomorganisation (䉴 Tabelle 19.6). Die humanen Papillomaviren (HPV) werden den Genera α-, β- und γPapillomavirus sowie denjenigen der μ- und ν-Papillomavirus zugeordnet: Als α-Papillomaviren werden die Spezies zusammengefasst, die bevorzugt die Schleimhautregionen des Mundes und des Anogenitalbereiches infizieren und dabei sowohl gut- (HPV 6, 7, 54, 61, 71) oder bösartige (HPV 16, 18, 32) wie auch gut- und bösartige (HPV 26, 34, 53) Tumoren verursachen können; einige dieser Spezies (HPV 2, 10) verursachen auch Läsionen der cutanen Haut. Als charakteristisches genetisches Merkmal findet man im Virusgenom den Lese-
Tabelle 19.6 Charakteristische Vertreter der Papillomaviren Genus
Mensch
Tier
α-Papillomavirus
HPV 2, 6, 7, 10, 16, 18, 26, 32, 34, 53, 54, 61, 71*, (humane Papillomaviren, Warzenviren) HPV 5, 9, 49* HPV 4, 48, 50, 60, 88*
Rhesusaffenpapillomavirus (RhPV)
β-Papillomavirus γ-Papillomavirus δ-Papillomavirus
bovines Papillomavirus 1 (BPV 1)* ovines Papillomavirus 1* (OvPV 1) Papillomavirus des europäischen Elchs* (EEPV) Papillomavirus des Hirsches* (DPV) bovines Papillomavirus 5 (BPV 5) equines Papillomavirus 1 (EcPV 1) Papillomavirus des Buchfinken (Fringilla coelebs, FcPV) Papageienpapillomavirus (Psittacus erithacus timneh-Papillomavirus, PePV) Mastomys natalensis-Papillomavirus (MNPV) Shopes Kaninchenpapillomavirus (Cottontail-rabbit-Papillomavirus, CRPV) Rabbit oral-Papillomavirus (ROPV) canines Papillomavirus (COPV) felines Papillomavirus (FDPV)
ε-Papillomavirus ζ-Papillomavirus η-Papillomavirus θ-Papillomavirus ι-Papillomavirus κ-Papillomavirus
λ-Papillomavirus μ-Papillomavirus ν-Papillomavirus ξ-Papillomavirus ο-Papillomavirus π-Papillomavirus
HPV 1, 63 HPV 41 bovines Papillomavirus 3* (BPV 3) Phocoena spinipinnis-Papillomavirus (PsPV) Hamster-oral Papillomavirus (HaOPV)
* Bei den in der Tabelle angegebenen Virusspezies existieren unterschiedliche Subtypen und unterscheidbare Isolate.
19.3 Papillomaviren
rahmen ORF5 zwischen den Genen konserviert, die für die frühen und späten Proteine codieren. Den Vertretern des Genus β-Papillomavirus (HPV 5, 9, 49) fehlt dieser Leserahmen ORF5, sie infizieren vor allem die cutane Haut, werden bei immunsupprimierten Patienten aktiviert und sind kausal mit der Entstehung der Epidermodysplasia verruciformis, einer Form der Hautverhornung mit Papelbildung, verbunden. Das Fehlen des ORF5 charakterisiert auch die γ-Papillomaviren (HVP 4), welche die Haut infizieren und dabei gutartige Läsionen hervorrufen. Die μ-Papillomaviren (HPV 1, 63) verursachen ebenfalls gutartige Hautwarzen, im Cytoplasma der infizierten Zellen findet man jedoch Einschlusskörperchen, welche für diese Virusspezies charakteristisch sind und die Kontrollregion LCR im Genom ist deutlich umfangreicher. Die ν-Papillomaviren (HPV 41) zeichnen sich genetisch durch mehrere ORFs aus, die im Bereich des L1-Gens zu finden sind. Die Vertreter der Gattungen δ-, ε-, und ζ-Papillomavirus infizieren Ein- und Paarhufer. Sie verursachen Fibropapillome bei Wiederkäuern (BPV 1) und cutane Hautwarzen bei Rindern beziehungsweise Pferden. Das Rinderpapillomavirus 3 (BPV 3) ordnet man in die Gattung ξ-Papillomavirus ein, weil ihm, im Unterschied zum BPV 1, das Gen für das E6-Protein fehlt. Die Papillomaviren der Vögel sind den Gattungen η- und θPapillomavirus zugeordnet und verursachen bei verschiedenen Vogelarten cutane Läsionen; bei diesen Viren fehlt der Leserahmen für das E6-Protein, dafür codiert der E7-Leserahmen für ein Protein, das die E6-Funktionen abdeckt. Die Vertreter der Genera ι-, κ- und πPapillomaviren infizieren Nagetiere: Bei den ι-Papillomaviren findet man ein, im Vergleich zu den Vertretern der anderen Gattungen, deutlich größeres E2-Protein: der Lesrahmen ORF5 fehlt. Beim Shopes Kaninchenpapillomavirus, einem Vertreter des Genus κ-Papillomavirus, ist dagegen das E6-Protein deutlich größer und zusätzlich gibt es einen Leserahmen ORF8 in der Genomregion, die für die frühen Genprodukte codiert. Das Hamster-oral Papillomavirus wird einem gesonderten Genus zugeordnet, weil die codierenden Leserahmen für die E2- mit denjenigen für die L2-Proteine teilweise überlappen. Das Genus λ-Papillomavirus umfasst die Virusspezies, welche sowohl die Haut als auch Schleimhaut von Hunden und Katzen infizieren; bei ihnen findet man im Genom einen deutlich vergrößerten Sequenzbereich zwischen der frühen und späten Genomregion. Das Phocoena spinipinnis-Papillomavirus zählt zu den ο-Papillomaviren und infiziert die Genitalregion von Schweinswalen. Daneben existiert eine Vielzahl von Papillomavirusisolaten, die sowohl aus Menschen als auch aus verschiedenen Tierarten gewonnen, aber noch nicht endgültig klassifiziert und bestimmten
501
Genera zugeordnet wurden. Hierzu zählt beispielsweise auch das Papillomavirus des europäischen Igels, das gewisse Ähnlichkeiten mit den β-Papillomaviren aufweist.
19.3.2 Aufbau Viruspartikel Ähnlich wie bei den Polyomaviren sind die Partikel der Papillomaviren kleine Capside ohne eine umgebende Membran (䉴 Abbildung 19.13). Der Durchmesser beträgt 55–60 nm und liegt damit etwas über dem der
A L1-Protein / Pentamer (major Capsidprotein)
L2-Protein (minor Capsidprotein)
Virusgenom (dsDNA, zirkulär)
B
zelluläre Histonproteine
19.13 Papillomaviruspartikel. A: Elektronenmikroskopische Darstellung von Partikeln des caninen Papillomavirus aus einer Biopsie, gewonnen aus einer oralen Papillomatose eines Hundes. B: Schematische Darstellung der Viruspartikel.
19
19
502
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Polyomaviren. Die ikosaedrischen Capside bestehen aus zwei Strukturproteinen: Das Hauptcapsidprotein ist das L1-Protein, es bildet 72 pentamere Capsomere und ist per se in der Lage, partikuläre Strukturen zu bilden. Zusätzlich findet man in den viralen Partikeln 12 bis 72 Moleküle des Capsidproteins L2, das überwiegend an der Innenseite der Partikel lokalisiert ist. Im Inneren dieser Capside befindet sich das virale Genom.
Genom und Genomaufbau Ähnlich wie die Polyomaviren haben auch die Papillomaviren ein kovalent geschlossenes, zirkuläres, doppelsträngiges DNA-Genom, das aber mit circa 8 000 Basenpaaren deutlich größer ist. Die DNA liegt – mit zellulären Histonproteinen in einer nucleosomenähnlichen Struktur assoziiert – als Superhelix vor. Alle Papillomaviren haben einen ähnlichen Genomaufbau (䉴 Abbildung 19.14). Das zirkuläre Genom kann in zwei Bereiche eingeteilt werden: Eine Region, die für die früh im Vermehrungszyklus gebildeten Proteine E1 bis E7 beziehungsweise E8 codiert, und eine zweite, welche die
Gene für die spät synthetisierten Strukturproteine L1 und L2 umfasst. Die Transkription dieser beiden Bereiche verläuft unter Verwendung der verschiedenen offenen Leserahmen nur eines DNA-Stranges. Das heißt, alle viralen Funktionen werden im Gegensatz zu den Polyomaviren auf einem Strang codiert (䉴 Abbildung 19.9 und 19.14). Die frühe Region enthält mehrere, miteinander überlappende offene Leserahmen (E1 bis E7/8, E = early, früh), und die Codierungskapazität wird durch Nutzung der verschiedenen Leseraster sehr effektiv ausgenützt. Der späte Genombereich codiert für die beiden Strukturproteine L1 und L2 (L = late, spät). Spleißdonor- und Spleißakzeptorstellen sind an vielen Orten im Genom zu finden und werden für die Synthese der verschiedenen Produkte verwendet. Zwischen dem Ende der späten und dem Beginn der frühen Region liegt ein circa 1 000 Basenpaare langer Sequenzbereich, der nicht für virale Proteine codiert. Er wird als LCR (long control region) bezeichnet, weil er die meisten viralen cis-wirksamen Kontrollelemente wie Promotoren, Enhancer und den Replikationsursprung enthält.
B BPV 1
A HPV 16
ori LC
E MM
R P97
LC P6
E1
P7185
L1
Poly (A) (spät)
E7
R
PL
P7940
P89
7945/1 Poly (A) (spät)
2000
6000
Poly (A) (früh) 4000
E4 Bereich der bevorzugten Integration in Zell-DNA beim Cervixkarzinom
L2
E2
P890
2000
Poly (A) (früh) 4000 P3080
L2 E5
E6
E5
E1
6000
ori
E8
70
7905/1
L1
E7
E6
P2443
E3
E4
E2
19.14 Genomaufbau der Papillomaviren. A: Das humanpathogene Papillomavirus Typ 16 (HPV 16). B: Das Rinderpapillomavirus Typ 1 (BPV 1). Die Genome bestehen aus einer zirkulären, doppelsträngigen DNA, die schematisch als innerster Kreis dargestellt ist. Die Polyadenylierungssignale, die für die frühen und späten Transkripte verwendet werden, sind mit Pfeilen angegeben. Nur ein DNA-Strang wird transkribiert. Die im Replikationsverlauf gebildeten mRNAs, ihre Lage auf dem Genom und ihre Translationsprodukte sind in den äußeren Kreisen dargestellt. Ein Bereich von etwa 1 000 Basenpaaren (LCR = long control region) codiert nicht für Proteine. Hier befinden sich der Replikationsursprung (ori), das minichromosomal maintainance element (MME) und die wichtigsten Promotoren für die Kontrolle der Genexpression. Die Region, an der sich das Virusgenom der malignen humanen Papillomavirustypen bei der Integration in das Zellgenom bevorzugt öffnet, ist rot gekennzeichnet.
19.3 Papillomaviren
19.3.3 Virusproteine Frühe Proteine E1-Funktionen Der Leserahmen E1 codiert abhängig vom Virustyp für phosphorylierte Proteine mit Molekulargewichten zwischen 68 und 85 kD, die für die Replikation des viralen Genoms erforderlich sind. Ihre Sequenz ist bei den verschiedenen Virustypen hochkonserviert, und sie weisen strukturelle und funktionelle Ähnlichkeiten zum großen T-Antigen von SV40 auf (ATPase- und Helicaseaktivität, DNA-Bindung an ATreiche Regionen im Bereich des Replikationsursprungs oder origin of replication; 䉴 Tabelle 19.7). Ihre Bindung an die Sequenzen um den Replikationsursprung wird durch das E2-Protein vermittelt und stabilisiert. Die E1Proteine sind in ihrer aktiven Form phosphoryliert und bilden Hexamere, die ihrerseits mit dem Komplex der zellulären DNA-Polymerase-α und Primase sowie weiteren Proteinen wechselwirken. Der Grad der Phosphorylierung des E1-Proteins ist vermutlich für die Ausprägung der verschiedenen Funktionen wichtig, die in unterschiedlichen Phasen des viralen Infektionszyklus aktiv sind: E1 kontrolliert in undifferenzierten und für die lytische Infektion nicht permissiven Epithelzellen der Haut eine begrenzte Form der viralen Genomreplikation. Hier liegen die Genome nach einer anfänglichen Vermehrung in einer konstanten Zahl von 50–400 Kopien (Multikopiestatus) vor. Die Aufrechterhaltung und Weitergabe dieser Zahl an Genomkopien bei der Teilung der Zelle ist die Aufgabe der replikationsmodulierenden Aktivität des Proteins E1. Eine anders geartete E1-Funktion wird dann aktiv, wenn sich die infizierten, initial undifferenzierten Zellen im Verlauf ihrer Teilungen zu ausdifferenzierten Epidermiszellen entwickelt haben. Diese Zellen in den äußeren Hautschichten erlauben den lytischen Ablauf der Infektion. In ihnen findet ein Umschalten der Replikation des viralen Genoms vom weitgehend konstant gehaltenen Multikopiestatus zur produktiven Virusvermehrung statt. Dabei entstehen hohe Zahlen vervielfältigter Genome. Diese Form der Replikation ist mit der Bildung von infektiösen Nachkommenviren verbunden. E2-Funktionen Vom E2-Leserahmen werden mehrere unterschiedliche Formen dimerer, DNA-bindender Proteine synthetisiert, die beim Rinderpapillomavirus besonders gut untersucht sind (䉴 Abbildung 19.15). Da sie im Vergleich mit den humanen Papillomaviren viele Aminosäuren konserviert haben, nimmt man an, dass die E2-Proteine beider Virustypen gleiche Funktionen haben. Es handelt sich um wichtige, regulatorisch aktive Proteine bei der Transkription und Replikation. Das E2-Protein
503
bindet sich an die Basenfolgen 5’-ACC(N)6GGT-3’, die sich in verschiedenen Promotorelementen im Bereich der LCR-Region und in der Nähe des Replikationsursprungs befinden. Im letzten Fall interagiert es dabei mit dem E1-Protein und stabilisiert dessen Bindung an den origin of replication. Das E2-Protein, welches den gesamten offenen E2-Leserahmen abdeckt, hat ein Molekulargewicht von 48 kD. Es besteht aus zwei funktionellen Domänen: Im carboxyterminalen Bereich befinden sich eine DNA-bindende und eine für die Dimerisierung der E2-Proteine verantwortliche Region. Die DNA-bindende Aktivität entfaltet sich, wenn die E2-Proteine als Dimere vorliegen. Die zweite Domäne umfasst eine transaktivierend wirkende Region am Aminoterminus. Beide E2-Domänen sind durch einen Aminosäureabschnitt verbunden, dessen Größe und Sequenz sich bei verschiedenen Virustypen unterscheidet. E2-Proteine binden sich an konditionelle Enhancer in der LCR und regulieren die Transkription der Gene E6 und E7. Wird beim Rinderpapillomavirus BPV 1 ein im Bereich des E2-Leserahmens gelegener Promotor für die Transkription verwendet, so entsteht eine Variante E2-Tr des E2-Proteins. Dieser Variante fehlen die aminoterminalen 161 Aminosäurereste; sie besitzt ein Molekulargewicht von 31 kD. Dem Protein E2-Tr fehlt durch die Verkürzung die transaktivierende Domäne; die DNAbindenden Funktionen, also die Möglichkeiten zur Dimerisierung, sind jedoch erhalten geblieben. E2-Tr kann sich so zwar an die entsprechenden DNA-Sequenzen binden, aber die Transaktivierung nicht mehr induzieren; es wirkt folglich als Transrepressor. Ausschlaggebend dafür, ob das E2-Protein transaktiviert oder transreprimiert, ist die Konzentration der beiden Proteine E2 und E2-Tr und das Mengenverhältnis beider Proteinvarianten zueinander. Sowohl das Homodimer (E2-Tr)2 als auch das Heterodimer E2/E2-Tr wirken nicht transaktivierend. Die Aktivität der verschiedenen E2-Promotoren wird autoregulativ von diesen Komplexen und zusätzlich von zellulären Faktoren beeinflusst, die in Abhängigkeit vom Differenzierungsgrad der Zelle gebildet werden. Dieser komplexe Regulationsmechanismus ist im Detail noch nicht geklärt. Das Ganze wird – zumindest für BPV 1 und einige der humanen Papillomavirustypen – noch komplizierter. Hier wird noch eine dritte Version des E2-Proteins synthetisiert, die von einer mRNA translatiert wird, bei der durch einen Spleißvorgang Sequenzen des E8-Leserahmens mit Regionen verknüpft werden, die für den carboxyterminalen, DNA-bindenden Bereich von E2 codieren. Es entsteht ein Protein E8E2-Tr (28 kD), das 11 Aminosäuren von E8 verbunden mit 205 Aminosäuren des carboxyterminalen Bereichs von E2 umfasst und ähnlich wie E2-Tr transreprimierend wirkt (䉴 Abbildung
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.15). Da viele der humanen Papillomavirustypen keinen dem BPV entsprechenden Leserahmen für E8 besitzen, sind nicht alle in der Lage ein Protein E8E2-Tr zu bilden. Es bleibt unklar, ob sie ein ähnlich wirkendes Produkt besitzen. Zusammen regulieren die verschiedenen E2-Proteine die Transkription der frühen Gene. Bei den hochonkogenen Typen der humanen Papillomaviren (HPV 16 und 18) hat das E2-Protein vor allem die Aufgabe, in den
differenzierten Zellen der Cervix die Transkription der E6- und E7-Gene zu unterdrücken. Beim HPV 8 stellte man hingegen fest, dass sich die E2-Proteine zusammen mit zellulären Faktoren an den viralen Promotor für die späten Genprodukte binden und hierdurch deren Synthese unterdrücken. E6-Funktionen Das im Leserahmen E6 codierte Protein trägt bei den hochonkogenen Papillomavirustypen
Tabelle 19.7 Merkmale und Funktion der Proteine von Papillomaviren Protein
Molekulargewicht
Lokalisation
Funktion
E1
68–85 kD
Zellkern
bindet an Replikationssursprung und entwindet diesen, wirkt zusammen mit DNA-Polymerasen- und Helicasen der Zelle bei der Genomreplikation, interagriert mit E2
E2
48 kD
Zellkern
Transaktivator (und Transrepressor, in Abhängigkeit vom Differenzierungsstand) der frühen Genexpression, bindet sich im Komplex mit E1 an den Repliktionsursprung, bindet an MME-Sequenzelement und an Wirtschromosomen und bewirkt die Weitergabe der Virusgenome auf die Tochterzellen bei der Zellteilung
E2-Tr
31 kD
Zellkern
Transrepressor beim BPV 1; Interaktion mit E1 bei der Replikation
frühe Proteine
E3
unbekannt
unbekannt
unbekannt
E5 (bovine Typen)
ca. 5 kD
Cytoplasmamembran
Homodimer, Transformation; Interaktion mit zellulären Rezeptoren für PDGF-β und autokrine Stimulierung
E5 (humane Typen) ca. 8 kD
Cytoplasmamembran
Transformation; Interaktion mit EGF-Rezeptoren
E6
ca. 16 kD
Cytoplasma
Transformation; Interaktion mit E6-AP (E3-Ubiquitin-Ligase), Induktion der proteolytischen Spaltung und des Abbaus von p53, NFX1-91, Bak, Induktion der Zellteilung, Aktivierung der Telomerase, Hemmung der Apoptose
E7
ca. 10 kD
Zellkern
Homodimer, Transformation; phosphoryliert, Interaktion mit RB105, Aktivierung von E2F und Induktion von E2F-abhängigen Zellpromotoren
E8
unbekannt
unbekannt
unbekannt; stellt beim BPV 1 das Leader-Exon für die Synthese einiger E2-Proteine zur Verfügung
L1
57 kD
Cytoplasma/ Zellkern
Hauptcapsidprotein, Pentamer; Adsorption, neutralisierende Antikörper
L2
75 kD
Cytoplasma/ Zellkern
Strukturprotein; proteolytische Spaltung durch Furin, beteiligt bei der Entlassung der Partikel aus den Endosomen und am Transport des Virusgenoms in den Zellkern
E1/E4
11 kD
Cytoplasma
Wechselwirkung mit dem Cytokeratingerüst, phosphoryliert
späte Proteine
19.15 Expressionsprodukte des E2-Leserahmens und die funktionellen Aktivitäten der E2-Proteine am Beispiel des Rinderpapillomavirus BPV 1. Die bei verschiedenen Virustypen konservierten Proteindomänen sind in roter Farbe dargestellt. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Aminosäurepositionen, beginnend am ersten Codon des entsprechenden Leserahmens. Während der frühen Genexpression findet man die Synthese des E2-Transaktivators (48kD) und einer aminoterminal verkürzten Form E2-TR (31kD), der die transaktivierende Domäne fehlt. E2-TR wirkt ebenso als Repressor wie das Protein E8/E2-TR (28kD).
19.3 Papillomaviren
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
zur Transformation bei, kann jedoch diesen Prozess nicht allein induzieren. Das E6-Protein hat bei HPV 16 eine Länge von 151 Aminosäuren, enthält zwei Zinkfingerdomänen und ist mit Zn2+-Ionen komplexiert. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es sich an DNA binden kann. Das E6-Protein des HPV 16 ist an der Regulation des Promotors p97 in der LCR-Region beteiligt. Sequenzanalysen der Spleißdonor- und Spleißakzeptorstellen im E6-Leserahmen lassen vermuten, dass neben der Volllängenform des E6-Proteins zwei kleinere Varianten gebildet werden könnten. Die transformierenden Eigenschaften des E6-Proteins beruhen darauf, dass es einen Komplex mit dem zellulären Protein E6-AP (E6-assoziiertes Protein) bildet, das die Aktivität einer E3-Ubiquitin-Ligase aufweist. Zugleich tritt das E6-Protein in Wechselwirkung mit verschiedenen zellulären Proteinen und bewirkt, dass die so komplexierten Zellproteine durch das E6-AP ubiquitinyliert und dem ubiquitinabhängigen Abbau über die Proteasomen zuführt werden. Hierzu zählen: (I) Das Protein p53, ein Tumorsuppressorprotein. Papillomavirustypen, die ein sehr hohes transformierendes Potenzial aufweisen (HPV 16 und 18), können mit dem zellulären Protein p53 interagieren. Die Wechselwirkung zwischen E6-AP und p53 bewirkt die Ubiquitinylierung von p53 und seine proteolytische Spaltung. In der Zelle kommt es zu einem Mangel an Tumorsuppressor p53. p53 wird vor allem in Zellen gebildet, die durch Mutagene erhöhten DNA-Schädigungen ausgesetzt sind. Es wirkt normalerweise als Transkriptionsfaktor und aktiviert die Expression von Genen, deren Produkte zum Anhalten des Zellzyklus in der G1-Phase führen und den Übergang in die S-Phase verzögern. Zu diesen Genen zählt beispielsweise der Inhibitor der cyclinabhängigen Kinasen p21CIP sowie verschiedene Faktoren der DNA-Reparatursysteme. Der Mangel an p53 bedingt die Akkumulierung von Mutationen, da die Zellen aus der G1- in die S-Phase des Teilungszyklus eintreten, bevor die Reparatursysteme die Schäden in der DNA beseitigen können. Das p53-Protein induziert weiterhin die Expression von Genen, welche die Einleitung der Apoptose regulieren (䉴 Kapitel 6 und Abschnitte 19.1.3, 19.2.3 und 19.4.3). (II) Das Protein NFX1-91 (nuclear factor X1-91), ein Transrepressor. Durch Bindung an den Promotor der Telomerase hTERT (human telomerase reverse transcriptase) verhindert das Protein NFX1-91 die Expression dieses Enzyms und wirkt als Repressor. Der E6-/E6-AP-vermittelte proteolytische Abbau des Proteins NFX1-91 aktiviert die Expression der zellulären Telomerase – ein Enzym, das in normalen Zellen kaum vorhanden ist, in Tumorzellen
konnte dessen verstärkte Aktivität aber nachgewiesen werden. Die Telomerase wirkt der kontinuierlichen Verkürzung der Wiederholungssequenzen an den Telomeren, also den Enden der Chromosomen, entgegen. Diese Verkürzung tritt in den Zellen eines Organismus gewöhnlich bei jeder Genomreplikation auf und korreliert mit der Zellalterung. (III) Das proapoptotische Protein Bak. Bak-Proteine werden in den Zellen der oberen, differenzierten Hautschichten in großen Mengen gebildet und regulieren die Einleitung der Apoptose. Die E6-/E6-APvermittelte Ubiquitinylierung und der proteolytische Abbau der Bak-Proteine verhindert den Eintritt der Zellen in die Apoptose. Man fand, dass sich die E6-Proteine der hochonkogenen Papillomavirustypen wie HPV 16 mit einer deutlich größeren Affinität an die Bak-Proteine binden als diejenigen von HPV 11, das nur schwach onkogen ist. (IV) Verschiedene PDZ-Domänen enthaltende Proteine. PDZ-Domänen beschreiben Aminosäuremotive, die mit anderen Proteinen interagieren. Das für die Proteininteraktion verantwortliche Motiv X-S/T-X-V/L/I befindet sich in der carboxyterminalen Domäne der E6-Proteine der hochonkogenen Papillomaviren. Es konnten einige zelluläre Interaktionspartner identifiziert werden (wie hDLG, hScribble, MUPP1 und die Tyronsinphosphatase PTPN13). Ob deren Abbau mit der onkogenen Wirkung in Verbindung steht, ist jedoch noch nicht endgültig geklärt. E7-Funktionen Das im E7-Leserahmen codierte, relativ kleine Protein mit einer Länge von 98 Aminosäuren ist die Hauptursache für das transformierende Potenzial bestimmter humaner Papillomavirustypen. Die E7-Proteine werden durch die Caseinkinase II an den Serinresten der Positionen 31 und 32 phosphoryliert. Ein im carboxyterminalen Bereich gelegenes Zinkfingermotiv, das aus den Wiederholungseinheiten Cys-X-X-Cys besteht, ist für die korrekte Proteinfaltung und die Dimerisierung der Moleküle wichtig. Die carboxyterminale Region ist hinsichtlich ihrer Aminosäurefolgen und Funktion ähnlich zur CR3-Domäne des E1A-Proteins der Adenoviren (䉴 Abschnitt 19.4.3). Neben dieser Sequenzhomologie im carboxyterminalen Bereich fällt eine weitere Ähnlichkeit zum E1A-Protein der Adenoviren auf: Die ersten 37 Aminosäuren des E7-Proteins weisen eine große Homologie zu den Domänen CR1 und CR2 des E1A-Proteins und zu derjenigen Region im großen T-Antigen von SV40 auf, die für die Bindung an die Retinoblastomproteine RB105 und RB107 verantwortlich ist (䉴 Abbildung 19.16). Die zellulären Antionko-
19.3 Papillomaviren
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19.16 Das E7-Protein des humanen Papillomavirus Typ 16. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Aminosäurepositionen, beginnend am aminoterminalen Ende. Das E7-Protein weist in der carboxyterminalen Domäne konservierte Motive der Form Cys-X-XCys auf, die es als Zinkfingerprotein auszeichnen. Zwischen den Positionen 16 und 36 befindet sich eine Domäne, die viele Aminosäuren enthält, die man auch im großen T-Antigen von SV40 und dem E1A-Protein der Adenoviren findet. Über diese Proteinregion wird die Interaktion mit den zellulären Tumorsuppressoren RB105 und RB107 vermittelt
gene RB105 und RB107 wirken als Tumorsuppressorproteine und sind an der Kontrolle von zellulären Promotoren beteiligt, indem sie in ihrer nicht- beziehungsweise unterphosphorylierten Version den zellulären Transaktivator E2F binden und so inaktivieren. Die Interaktion mit dem T-Antigen, den E7- oder E1A-Proteinen löst den E2F/RB105-Komplex unabhängig vom RB105Phosphorylierungsgrad und hebt die Kontrollfunktion des RB105 auf. Durch die unkontrollierte Freisetzung des E2F-Transaktivators wird die Transkription der Gene induziert, die von E2F-abhängigen Promotoren kontrolliert werden und den Eintritt der Zelle in die S-Phase des Teilungszyklus fördern (䉴 Kapitel 6 und Abbildung 19.17). Die Folge ist eine unregulierte Zellteilung. Die E7-Proteine der HPV-Typen, die wie HPV 16 oder HPV 18 ein hohes Risiko für die Induktion von malignen Zellentartungen aufweisen, treten mittels ihrer zum adenoviralen E1A-Protein homologen Domänen mit dem zellulären RB105 in Wechselwirkung. Als Folge davon lösen sich die E2-Faktoren aus dem Komplex, können in den Zellkern transportiert werden und sich an die Kontrollelemente in den E2F-abhängigen Promotoren binden. Bei HPV 6 und HPV 11, die nur selten mit malignen Tumorerkrankungen in Verbindung stehen, findet sich diese hohe Affinität der E7-Proteine zu RB105/107 nicht. Weitere frühe Funktionen Beim Rinderpapillomavirus BPV 1 identifizierte man das primäre transformierende Potenzial in dem 44 Aminosäuren umfassenden Protein des Leserahmens E5. Das E5-Protein bildet homodimere
Membranproteine, die mit dem ebenfalls in der Cytoplasmamembran verankerten PDGF-β-Rezeptor (platelet-derived growth factor β) wechselwirken und ihn in einer ligandenunabhängigen Weise – also nicht durch exocrine Anlagerung, ähnlich wie PDGF-β an den Rezeptor – aktivieren. Dieser Mechanismus wird auch als virocrine Stimulation bezeichnet. Die Wechselwirkung des E5-Proteins mit dem PDGF-β-Rezeptor bewirkt dessen Dimerisierung und die Phosphorylierung der Tyrosinreste in seiner cytoplasmatischen Domäne. Dies wiederum bewirkt die Anlagerung von zellulären SH2-Domänen-haltigen Proteinen, wodurch sich ein kontinuierlich aktiver Signalübertragungskomplex ausbilden kann. Das E5-Protein von HPV 16 hat eine Länge von 84 Aminosäuren und kann in vitro Fibroblasten transformieren. Keratinocyten beginnen unter seiner Wirkung zu proliferieren. Möglicherweise lagert es sich dabei – ähnlich wie das E5-Protein des BPV 1 an den PDGF-βRezeptor – in der Zelle an die EGF-Rezeptoren (epidermal growth factor) an. Unbekannt sind die Funktionen der E3- und E8Leserahmen. E3 konnte im Genom der meisten humanen Papillomavirustypen nicht gefunden werden.
Späte Proteine Die Gene für die späten Proteine der Papillomaviren werden ausschließlich in ausdifferenzierten Keratinocyten synthetisiert. Hierzu gehören die beiden Strukturproteine der Gene L1 (Major Capsidprotein, 57 kD) und L2 (Minor Capsidprotein, 75 kD). In den infektiösen
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A
ppRB105
dephosphorylierte cyclinabhängige phosphorylierte Kinasen (CDK2, 4) Form (inaktiv) Form (aktiv)
PPase ppRB105
RB105
phosphorylierte Form (inaktiv)
E2F
E2F
+ E2F
Transaktivator (inaktiv)
Transaktivator (aktiv)
Transaktivator (aktiv)
Mitose
G1-Phase
B
S-Phase
RB105
dephosphorylierte inaktiver Komplex Form (aktiv)
PPase ppRB105
RB105
phosphorylierte Form (inaktiv)
E2F
E2F
Transaktivator (inaktiv)
E2F
+
Transaktivator (aktiv) früher Eintritt in S-Phase
Transaktivator (aktiv)
E7 oder T-Ag oder E1A
19.17 Funktion der zellulären Tumorsuppressorproteine RB105/RB107. A: In nichtinfizierten Zellen. Die RB-Proteine sind während der Mitose inaktiv und liegen in phosphorylierter Form vor. Beim Übergang von der Mitose in die G1-Phase des Zellteilungszyklus wird das Protein durch eine zelluläre Phosphatase dephosphoryliert und dabei aktiviert. Es bindet in dieser Form an die Transaktivatoren der Gruppe E2F und verhindert, dass sich diese an Promotoren binden und sie transaktivieren können. Treten die Zellen in die S-Phase ein, erfolgt die Phosphorylierung der RB-Proteine durch die cyclinabhängige Kinase Cdk 2 oder Cdk 4. Hierdurch werden sie erneut inaktiv. Sie geben die E2F-Transaktivatoren ab, die ihrerseits nun ihre DNA-bindenden Transaktivatorfunktionen entfalten. B: In infizierten Zellen. In der Zelle liegen die Virusproteine E7 von Papillomaviren, E1A von Adenoviren oder das große T-Antigen des SV40-Virus vor. Diese viralen Proteine interagieren in der G1-Phase mit den RB105-Proteinen, die in dieser Phase im Komplex mit den E2F-Faktoren vorliegen. Die Bindung der Virusproteine bewirkt, dass sich der Komplex löst. Die E2F-Proteine werden freigesetzt, aktiv und können die entsprechenden Promotoren transaktivieren. Hierdurch kommt es zu einem verfrühten Eintritt der Zelle in die S-Phase.
Viren liegen die beiden Proteine in einem Verhältnis von etwa 30:1 vor. Die L1-Proteine bilden Pentamere, die durch intermolekulare Disulfidbrücken miteinander verknüpft sind. Sie sind per se in der Lage, ikosaedrische Partikel zu bilden. Wird das Virusgenom in die Partikel
eingeschlossen, dann erhöht sich der Quervernetzungsgrad zwischen den L1-Capsomeren. Die Viruspartikel sind aber nur dann infektiös, wenn sie auch zumindest geringe Mengen von L2-Proteinen enthalten; möglicherweise beeinflussen die L2-Proteine zusätzlich den
19.3 Papillomaviren
Zelltropismus der Viren. In der aminoterminalen Domäne des L2-Proteins aller Papillomavirustypen gibt es eine konservierte Sequenzfolge, die von der zellulären Protease Furin erkannt und gespalten wird. Die proteolytische Spaltung erfolgt an der Zelloberfläche und bewirkt, dass die Viren ihre Infektiosität erlangen. Des Weiteren sind die L2-Proteine nach der Aufnahme der Viruspartikel durch rezeptorvermittelte Endocytose an der Zerstörung der Endosomenmembran und am Transport des Virusgenoms in den Zellkern beteiligt. Zudem existiert ein Protein E1/E4 (11 kD), das spät während des Replikationszyklus gebildet wird, obwohl es im Bereich der frühen Gene codiert. Es entsteht durch alternatives Spleißen und verbindet die aminoterminalen fünf Aminosäuren des E1-Leserahmens mit der carboxyterminalen Domäne des E4-Proteins (85 Aminosäuren beim HPV 11); der E4-Leserahmen selbst enthält kein eigenes Startcodon. Die Funktion dieses phosphorylierten Proteins, das sich im Cytoplasma anreichert, ist nicht endgültig geklärt. Es bewirkt in differenzierten Keratinocyten den Zusammenbruch der Cytokeratinmatrix; möglicherweise wechselwirkt es mit einer zellulären RNA-Helicase aus der Familie der DEAD-BoxProteine. Eine Übersicht über die Merkmale und Funktionen der verschiedenen Papillomavirusproteine gibt 䉴 Tabelle 19.7.
19.3.4 Replikation Die Replikation der Papillomaviren verläuft in zwei Phasen, die vom Differenzierungsgrad der Zelle abhängig sind. Papillomaviren infizieren zuerst undifferenzierte Keratinocyten in den basalen Hautschichten. In diesen vermehren sie die Kopienzahl ihres Genoms, die danach konstant in der undifferenzierten Zelle erhalten bleibt. In den enddifferenzierten Zellen erfolgt die Produktion von Nachkommenviren, die mit einer hohen Replikationsrate der Virus-DNA einhergeht. Der gesamte produktive Infektionszyklus der Papillomaviren erstreckt sich über eine Zeit von etwa drei Wochen; diese Zeit benötigt ein Keratinozyt, um den ganzen Differenzierungszyklus zu durchlaufen. Die Viren erreichen die undifferenzierten Keratinocyten, indem sie durch kleinste Verletzungen der äußeren Hornschicht in die Haut eindringen. Den Rezeptor, der für die Adsorption der Viruspartikel verantwortlich ist, kennt man noch nicht endgültig. Es existieren eine Reihe von experimentellen Befunden, die belegen, dass die Papillomaviren über oberflächenexponierte Domänen der L1-Proteine in einem ersten Schritt mit Laminin 5 interagieren, einem Protein der extrazellulären Matrix,
509
das von Keratinocyten sezerniert wird. Parallel hierzu konnte gezeigt werden, dass sich die meisten Papillomaviren mittels ihrer L1-Proteine an Heparansulfate auf der Zelloberfläche binden und diese Moleküle als primären Rezeptor verwenden. Nach dieser initialen Wechselwirkung scheinen strukturelle Umlagerungen in den Capsiden abzulaufen. Daran könnte auch Cyclophilin B – eine mit der Zelloberfläche assoziierte Prolyl-cis/trans-Isomerase – als Chaperon beteiligt ist. Hierdurch wird die Domäne der L2-Proteine, welche die Spaltstelle für Furin enthält, für die Protease zugänglich. Die Strukturveränderungen ermöglichen den Viruspartikeln dann die Bindung an ihre Zweitrezeptoren. Bei einigen, jedoch nicht bei allen Papillomavirustypen, dienen dafür heterodimere Integrinmoleküle, welche die α6β1 oder α6β4 -Ketten als Untereinheiten enthalten. Bei HPV 11, HPV 33 und auch beim Rinderpapillomavirus BPV 4 scheint diese Wechselwirkung mit den Integrinen nicht stattzufinden. Für die weiteren Schritte ist es notwendig, dass der zelluläre Rezeptor mit F-Actin wechselwirkt; dadurch wird der Virus-/Rezeptor-Komplex von den Zellausläufern retrograd in Richtung Zellkörper transportiert. Auch das L2-Protein kann über seine aminoterminale Domäne mit noch unbekannten Zelloberflächenkomponenten wechselwirken, wie für das HPV 16 gezeigt wurde. Die anschließende Aufnahme der Partikel erfolgt durch Endocytose. Funktionelle Aktivitäten der L2-Proteine sind notwendig, damit die Viruspartikel die Endosomen verlassen können: In der carboxyterminalen Domäne der L2-Proteine wird die Endosomenmembran zerstört. Danach interagieren die mit dem Virusgenom komplexierten L2-Proteine mit Dynein, einem mit den Mikrotubuli assoziiertem Motorprotein. Als Folge wird der Komplex aus L2-Protein und Virusgenom entlang der Mikrotubuli zu den Kernporen und durch diese in den Kern transportiert. Das virale Genom liegt im Kern der undifferenzierten Zelle im Bereich der ND10 (nuclear domain 10; PML nuclear bodies) vor, und die frühen viralen Gene (E-Gene) werden transkribiert. Dieser Vorgang wird durch mehrere virale Promotoren kontrolliert, die im Bereich des LCR den frühen Genen vorgeschaltet sind (䉴 Abbildung 19.14) und die durch zelluläre Faktoren in ihrer Aktivität beeinflusst werden. Das zelluläre YY1-Protein beeinflusst zum Beispiel die Aktivität der viralen Promotoren negativ. Einen ähnlichen negativen regulatorischen Einfluss haben der Transkriptionsfaktor Oct-1, der Faktor für die Induktion der Interleukin-6-Synthese (NF-IL6) und der Rezeptor für Retinolsäure (RAR). Positiv regulierend wirken unter anderem das enhancerbindende Protein Sp1, die Faktoren AP-1, JunB, KRF-1 (keratinocytenspezifischer Transkriptionsfaktor) und aktivierte Glucocorticoidrezeptorkomplexe. Neben dieser komplexen Kontrolle der Tran-
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510
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
skription sind vielfache Spleißvorgänge möglich. Hierdurch entstehen überwiegend monocistronische mRNAs, die für unterschiedliche Versionen der frühen Proteine codieren. Es werden jedoch auch einige polycistronische mRNAs gebildet: So codiert beispielsweise das E1-Gen als dritter offener Leserahmen in einer mRNA, deren Synthese durch den p97-Promotor gesteuert wird. Den E1-Sequenzen vorgeschaltet sind die Gene für die Synthese der E6- und E7-Proteine. Das Ende des E7-Gens grenzt direkt an das Start-AUG des E1-Gens – eine Ribosomeneintrittsstelle, wie sie durch die 5’-Cap-Region oder eine IRES (䉴 Abschnitte 14.1 und 14.5) vermittelt wird, existiert hier nicht. Möglicherweise suchen die Ribosomen nach initialer Bindung an das 5’-Ende die RNA-Sequenzen in einem ScanningMechanismus nach Startcodons ab und beginnen so mit der Synthese des E1- und des E1/E4-Proteins. Alle Transkripte der frühen Gene verwenden jedoch die gleiche Polyadenylierungsstelle (䉴 Abbildung 19.14). Wichtig für die ersten Prozesse nach der Infektion ist die Transkription der Gene für die DNA-Helicase E1 und das Transaktivatorprotein E2. Mehrere Einheiten der E1Proteine binden sich zusammen mit den E2-Proteinen an die Sequenzfolgen am Replikationsursprung in der LCR und entwinden diese. Dies bewirkt die Anlagerung des Komplexes der zellulären DNA-Polymerase/Primase-α; in den nachfolgenden Polymerisationsschritten entwindet die Helicaseaktivität des E1-Proteins die DNA-Doppelstränge und ist dafür verantwortlich, dass das virale Genom in den ersten Replikationsschritten auf 50–400 Kopien pro Zelle vermehrt wird. Diese Genomanzahl bleibt dann konstant und wird unter Einfluss der E1- und E2-Proteine bei der Teilung der undifferenzierten Zellen auf die Tochterzellen weitergegeben. Dabei interagieren die E2-Proteine mit einer Sequenzfolge in der LCR-Kontrollregion des Virusgenoms, die als MME (minichromosome maintenance element) be-
kannt ist und zwischen vier (bei den meisten HPVs) und sechs (beim BPV 1) E2-Bindestellen aufweist. Zugleich treten die E2-Proteine in Wechselwirkung mit ähnlichen DNA-Sequenzen in den Wirtszellchromosomen. Durch diese Komplexbildung werden die Virusgenome bei der Zellteilung zusammen mit den Chromosomen an die Tochterzellen weitergegeben. Das Transaktivatorprotein E2 ist für die Transkription der weiteren frühen Gene nötig, wird jedoch durch die transreprimierend wirkenden Varianten E2-Tr und E8/E2-Tr in seiner Aktivität moduliert. Letzteres existiert wahrscheinlich nur in BPV-infizierten Zellen oder bei den humanen Virustypen, die über einen entsprechenden E8-Leserahmen verfügen. Fehlen diese Repressoraktivitäten der E2-Proteinvarianten, steigt die Transkription der E6- und E7-Gene an und die Zahl der viralen Genomkopien liegt um das Zehn- bis Zwanzigfache höher. Die Haut, deren oberste Epithelschichten sich nicht mehr teilen und schließlich absterben, wird ausgehend von den Zellen der Basalschicht kontinuierlich regeneriert. Die Teilung der Hautzellen bewirkt in vertikaler Richtung, das heisst zur Hautoberfläche hin, die Differenzierung der basalen Epithelzellen zu Keratinocyten (䉴 Abbildung 19.18). Ein produktiver Infektionszyklus von Papillomaviren ist nur in Zellen möglich, die sich in der S-Phase des Teilungszyklus befinden, während welcher neben anderen Zellfaktoren die DNA-Polymerasen für die Replikation der Virusgenome verfügbar sind. Die Viren müssen deswegen den Prozessen entgegenwirken, über welche die Zellen den Eintritt in die S-Phase verzögern oder die Teilung hemmen. Das geschieht mittels der Aktivitäten der Proteine E6 und E7, die während des produktiven Infektionszyklus in relativ geringen Mengen gebildet werden und die Zellteilung induzieren. Die E6- und E7-Proteine hemmen zelluläre Faktoren wie p53 und RB105/107, welche die Zellteilung negativ regulieren. Die transformierend wirkenden Aktivitäten
q Gentechnisch einsetzbare Vektoren enthalten die frühen Gene der Papillomaviren Die Fähigkeit von Papillomaviren, die kontinuierliche Replikation eines amplifizierten Plasmids in eukaryotischen Zellen zu bewirken, wird in der Gentechnologie für die Expression von Fremdgenen genutzt. Man verwendet Vektoren, die von BPV 1 abgeleitet sind und die frühe Region und den LCR-Bereich – das entspricht 69 Prozent des Genoms – enthalten. Die späten Funktionen sind deletiert und gegen die
gewünschten Fremdgene unter Kontrolle eukaryotischer Promotoren ersetzt. Die Vorteile dieses Systems sind, dass der Vektor nach Einbringen in die Zelle durch die frühen Papillomavirusfunktionen amplifiziert wird und die transformierenden Eigenschaften eine hohe Zellteilungsrate bewirken.
19.3 Papillomaviren
Stratum corneum Stratum granulosum
511
hohe Virusproduktion und Freisetzung von infektiösen Viren wenige Viruspartikel, viele Virusgenome erhöhte Transkription der frühen und späten Gene
Stratum spinosum
wenige Virusgenome Transkription der Gene E1, E2, E6 und E7
Stratum basale
sehr wenige Virusgenome geringe Transkription der Gene E1 und E2
Basalmembran
19.18 Die Abhängigkeit der Genexpression der Papillomaviren vom Differenzierungsgrad der Zellen in der Epidermis. Die Zeichnung stellt einen Querschnitt durch die Epidermis dar. Auf der linken Seite sind die Bezeichnungen für die verschiedenen Hautschichten angegeben. Die offenen Kreise in den Zellkernen stellen die dort vorhandenen Papillomavirusgenome dar, die schwarzen Punkte dagegen die Viruspartikel, die vor allem in den oberen Hautschichten, also den enddifferenzierten Keratinocyten des Stratum corneum, gebildet und von der Oberfläche der Haut in die Umgebung freigesetzt werden. (Leicht verändert nach Cossart, Y. E.; Thompson, C.; Rose, B. Virology. In: Mindel, A. (Hrsg.) Genital warts. Human papillomavirus infection. London, Boston, Melbourne, Auckland (Edward Arnold) 1995. S. 1–34.)
beider Virusproteine kommen während es lytischen Vermehrungszyklus aber nicht zum Ausdruck, weil die virusproduzierenden Zellen schließlich absterben. Aufgrund der fortschreitenden Differenzierung verändert sich das zelluläre Milieu. Der frühe, E2-abhängige Promotor wird nicht mehr verwendet. Statt seiner wird der E2-unabhängige späte Promotor PL aktiv, der innerhalb des Leserahmens für das E7-Protein liegt. Unter Verwendung der Polyadenylierungssignale am Ende der frühen Genomregion wird die vermehrte Transkription und Produktion der E1- und E2-Gene induziert. Dies bewirkt wiederum eine erhöhte Replikationsrate der Virusgenome, die als Folge in über tausendfachen Kopiezahlen in den Zellen vorliegen. Zusammen mit der weiter fortschreitenden Differenzierung verändert sich das zelluläre Milieu erneut und der virale Promotor für die späten Gene (PL), der sich in der LCR-Region befindet, wird aktiv. Von dort aus wird nun ein RNA-Vorläuferprodukt synthetisiert, welches das frühe Polyadenylierungssignal überliest und das gesamte Genom umspannt. Es dient der Synthese der Capsidproteine L1 und L2, die in der späten Genomregion codiert werden, sowie des E4-Proteins. Für diese Vorläufer-RNA gibt es eine eigene Polyadenylierungsstelle am Ende des Bereichs für die späten Gene. Der PLPromotor scheint auch schon in undifferenzierten Zellen aktiv zu sein; in diesem Falle bricht jedoch die Transkription vorzeitig ab, und das Polyadenylierungssignal der frühen mRNA-Spezies wird verwendet. Dies ist ein weiterer Hinweis, dass bei diesem Prozess noch
viele unbekannte zelluläre Regulationsfaktoren regulierend eingreifen. Zugleich mit der Produktion der L1-, L2- und E4-Proteine wird der Replikationsmodus umgeschaltet und das E1-Protein bewirkt zusammen mit der zellulären DNA-Polymerase-α und weiteren Faktoren die Synthese einer großen Anzahl von zirkulären Virusgenomen. Diese bilden Komplexe mit zellulären Histonen und assoziieren in den ausdifferenzierten Keratinocyten mit den Capsidproteinen L1 und L2 zu infektiösen Papillomaviruspartikeln. Nach dem Absterben der Zellen werden sie freigesetzt. Der mit der Produktion infektiöser Viren verbundene Zelltod, führt bei den Papillomaviren aber nicht zur Begrenzung der Infektion: Durch den zweiphasigen Verlauf des viralen Vermehrungszyklus werden aus den unteren, undifferenzierten Hautschichten immer wieder Zellen „nachgeliefert“, die das virale Genom im Multikopiestatus enthalten. So kann sich eine persistierende Form der Infektion etablieren, die trotz des Absterbens der virusproduzierenden Zellen mit einer andauernden, kontinuierlichen Freisetzung viraler Partikel verbunden ist. Die E6- und E7-Proteine wirken während dieses produktiven Infektionsverlaufs nicht transformierend. Sie hemmen die Funktionen zellulärer Proteine wie p53 und RB105/107, welche die Zellteilung negativ regulieren und verlangsamen. Ein produktiver Infektionszyklus von Papillomaviren ist nur in Zellen möglich, die sich in der S-Phase des Teilungszyklus befinden. Die Viren müssen deswegen Zellproteine, die den Eintritt in die SPhase verzögern, ausschalten. Das geschieht mithilfe der
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Proteine E6 und E7, die während des produktiven Infektionszyklus in relativ geringen Mengen gebildet werden und ihre transformierende Wirkung nicht ausüben können, weil die virusproduzierenden Zellen absterben.
19.3.5 Humanpathogene Papillomaviren Die Papilloma- oder Warzenviren Epidemiologie und Übertragung Die Durchseuchung der menschlichen Bevölkerung mit Papillomaviren ist ebenso wie die klinische Manifestation der Infektion als Warzen im Haut- und Schleimhautbereich weltweit hoch. Am weitesten verbreitet sind die Virustypen, die gewöhnliche Warzen an Händen und Füßen verursachen (Verruca vulgaris und Verruca plana). Aber auch den Typ HPV 5 findet man in allen Bevölkerungsgruppen; er ist der häufigste Papillomavirustyp, der mit der Erkrankung Epidermodysplasia verruciformis assoziiert ist, die sich bei immunsupprimierten Patienten durch multiple Warzenbildung äußert und in Hautkrebs übergehen kann. Die onkogenen Typen wie HPV 16 und HPV 18 treten weltweit in Verbindung mit Gebärmutterhalskrebs auf. Schätzungsweise 500 000 neue Erkrankungen von Cervixkarzinomen werden jährlich weltweit diagnostiziert, die zu über 90 Prozent durch HPV-Infektionen verursacht sind; davon etwa 70 Prozent durch HPV 16 und HPV 18. Etwa ein Drittel dieser Fälle verläuft tödlich. In Deutschland geht man jährlich von 6 500 Neuerkrankungen und 1 700 Todesfällen aus. Eine geographisch unterschiedliche Verbreitung findet sich nur für einige Typen. So trifft man HPV 13 und HPV 32 bevorzugt in Zentral- und Südamerika, Alaska und Grönland an. Die Übertragung der cutanen Viren mit der Ausbildung von Warzen findet überwiegend ab einem Alter von fünf Jahren durch direkten Kontakt mit infizierten Hautregionen oder über kontaminierte Gegenstände im familiären Bereich statt. Aber auch in Freizeiteinrichtungen (Schwimmbädern, Sportvereinen) kommt es durch die gemeinsame Benutzung der Anlagen (Holzroste und Ähnliches spielen eine wichtige Rolle) durch viele Personen zu einer gehäuften Übertragung von Papillomaviren. Zusätzlich werden die genitalen Papillomavirustypen ab dem jungen Erwachsenenalter durch Geschlechtsverkehr übertragen. In seltenen Fällen erfolgt die Übertragung von genitalen Papillomaviren während des Geburtsvorgangs auf das Neugeborene. Diese perinatale Infektion manifestiert sich bei Kindern und Jugendlichen meist in Form von Papillomen im
Kehlkopf-, Nasen- und Rachenbereich. Bei immunsupprimierten Personen (HIV-Infizierten, Transplantationspatienten) findet man eine deutlich vermehrte Warzenbildung und häufige maligne Entartung.
Klinik Humane Papillomaviren infizieren Zellen der äußeren Haut- und Schleimhautschichten und rufen zumeist lokale Zellproliferationen in dem infizierten Bereich hervor. Diese äußern sich überwiegend als gutartige Warzenerkrankungen und bilden sich meist spontan zurück. Auffallend ist, dass einige HPV-Typen mit spezifischen pathohistologischen Warzenbildern in Verbindung gebracht werden können, die in bestimmten Körperregionen lokalisiert sind (䉴 Tabelle 19.8). Man unterscheidet zwei Hauptorte der klinischen Manifestation: den cutanen Hautbereich und die Schleimhaut. Sie können mit bestimmten HPV-Typen korreliert werden: 1. Im cutanen Bereich finden sich gewöhnliche Warzen als erhabene Hautläsionen mit Hyperkeratose vor allen an Händen und Beinen, flache Warzen, die meist einzeln an Händen und im Gesicht auftreten und nur wenig erhoben sind, oder plantare Warzen, die tief in die Hautschichten hineinreichen können und überwiegend an den Fußsohlen vorkommen. Verursacher dieser Warzenformen sind unter anderem die Vertreter der γ-, μ- und ν-Papillomaviren (HPV-Typen 1, 2, 3, 4, 7, 10, 26–29, 41, 48, 50, 60, 63, 65 und 88). Aber auch einige Spezies der α-Papillomaviren, beispielsweise HPV 2 und HPV 10, infizieren bevorzugt die cutane Haut und verursachen überwiegend gutartige, gewöhnliche Hautwarzen. Die Epidermodysplasia verruciformis, eine seltene Hauterkrankung mit multipler Warzenbildung am ganzen Körper, ist vorwiegend mit den β-Papillomaviren (HPV 5, 8, 9, 12, 14, 15, 17, 19, 25, 36, 38 und 49) assoziiert. Sie tritt bei immunsupprimierten Patienten auf, bei denen die zelluläre Immunreaktion gestört ist. Ansonsten findet man diese Erkrankung nur bei Personen mit einer autosomal rezessiv vererbten Prädisposition. Studien an betroffenen Familien haben gezeigt, dass zwei unabhängige Genorte auf den Chromosomen 2 und 17 für die erhöhte Krankheitsanfälligkeit verantwortlich sind. Der Genlocus auf dem Chromosom 17 wurde genauer untersucht: Mutationen in den Genen EVER1 und EVER2 sind mit der Erkrankung assoziiert. Beide codieren für Membranproteine unbekannter Funktion. Bei den meisten dieser Patienten ist die zelluläre Immunreaktion gestört. Etwa 50 Prozent von ihnen entwickeln in einem Zeitraum von etwa 20 Jahren nach Auftreten der multiplen Warzen maligne Tumoren, die vor allem mit den HPV-Typen
19.3 Papillomaviren
5 und 8, seltener mit 14, 17, 20 und 47 assoziiert sind. UV-Licht ist ein Cofaktor, der beim Übergang der anfangs gutartigen Läsionen zu intraepithelialen Neoplasien und invasiven Karzinomen eine wichtige Rolle spielt. 2. Die Papillomaviren, welche mit Erkrankungen im Schleimhautbereich assoziiert sind, ordnet man der Gattung α-Papillomavirus zu; sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Im Bereich der Mundhöhle und des Larynx, häufig auch an den Stimmbändern, findet man leicht erhabene, multiple Papillome und epitheliale Hyperplasien. Diese hauptsächlich bei Kindern vorkommenden juvenilen Larynxpapillome können durch ihre Lage im Respirationstrakt lebensbedrohlich werden, wenn sie die Luftwege verengen. Eine maligne Entartung ist selten. In diesen Läsionen lassen sich die HPV-Typen 6, 11, 13, 32, 44 und 74 nachweisen. Die zweite Gruppe der Papillomavirusassozierten Erkrankungen der Schleimhaut manifestiert sich im anogenitalen Bereich. Condylomata acuminata (Feigwarzen; weiche, sich deutlich von der Hautoberfläche abhebende Hyperkeratinosen) und die bowenoide Papillose (flache, multiple, oft pigmentierte Läsionen) findet man vor allem an den äußeren Genitalien und in der Analregion junger Erwachsener. Condylomata acuminata sind ebenfalls meist mit den gutartigen HPV-Typen 6, 11, 13, 40, 42–44, 47, 54 und 55 korreliert und entarten nur selten bösartig. Auch die Form der multiplen bowenoiden Papillose ist trotz ihrer Assoziation mit HPV 16 überwiegend gutartig. Eine andere Form des Morbus Bowen, die mit solitären Hautläsionen im Alter von über 50 Jahren auftritt, zeigt jedoch häufig einen Übergang zu intraepithelialen Neoplasien und gilt daher als Präkanzerose. Papillomavirusinfektionen der Cervix äußern sich als flache Condylome oder niedriggradige intraepitheliale Neoplasien, die sich bei Behandlung mit fünfprozentiger Essigsäurelösung weißlich anfärben. Sie sind häufig multizentrisch. An der Entstehung des Cervixkarzinoms sind kausal nur bestimmte HPV-Typen beteiligt: HPV 16 wird in über 50 Prozent, HPV 18 in bis zu 20 Prozent der Fälle gefunden. Außerdem lassen sich gehäuft die HPV-Typen 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 62, 67, 68, 70, 73 nachweisen (䉴 Tabelle 19.8). Die gleiche Typenverteilung findet man auch bei hochgradigen intraepithelialen Neoplasien der Schleimhaut und der Cervix (SIL beziehungsweise CIN I bis III; CIN = cervikale intraepitheliale Neoplasie, die steigenden Zahlenwerte geben den Schweregrad der Neoplasie an). Dabei handelt es sich um carcinoma in situ, die als Vorläufer des invasiven Karzinoms die Basalmembran des Epithels
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noch nicht durchbrochen haben. Die Latenzzeit zwischen der Primärinfektion und der Ausbildung des Tumors beträgt etwa 20 bis 40 Jahre. Die Tatsache, dass Virustypen wie beispielsweise HPV 16 und 18 – die man bei über 90 Prozent der Karzinome nachweisen kann – auch in gesunden Frauen vorkommen, bedeutet, dass nicht alle Frauen, die Kontakt mit den entsprechenden Virustypen hatten, eine persistierende Infektionsform in Verbindung mit dem Übergang zu hochgradigen intraepithelialen Neoplasien oder Karzinomen entwickeln. Das ist nur bei wenigen der Fall. Frauen mit nachweisbaren HPV 16- oder HPV 18-Infektionen besitzen im Vergleich zu nicht mit diesen Virustypen infizierten Frauen ein etwa elffach höheres Risiko, innerhalb von zwei Jahren eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie auszubilden. Bei der Entstehung von papillomavirusassoziierten malignen Erkrankungen des Genitalbereichs spielen anscheinend Cofaktoren eine wichtige Rolle. Dabei könnte es sich um Hormone handeln, um gleichzeitige Infektionen mit anderen Viren (unter anderem Herpesviren und humane Immundefizienzviren) oder um Zigarettenrauchen (䉴 Tabelle 19.9). Auch eine genetische Veranlagung oder Störungen des zellulären Immunsystems scheinen beteiligt zu sein.
Pathogenese HPV-assoziierte Hautwarzenerkrankung (gutartige Tumoren) Bei den meisten Warzen handelt es sich um gutartige, selbstlimitierende Erkrankungen der Haut, die häufig nach einiger Zeit (bis zu einigen Monaten) spontan zurückgehen. Die Viren gelangen über kleinste Läsionen der äußeren Keratinocytenschicht in die basalen Epithelzellen. Dort werden die frühen Proteine E1 bis E7 synthetisiert. Das als Episom vorliegende Genom wird in niedriger Kopiezahl repliziert und bei der Teilung auf die Tochterzellen weitergegeben. Allen Warzenformen ist gemeinsam, dass sie durch eine intakte basale Epithelzellschicht vom peripheren Blut und Bindegewebe getrennt sind (䉴 Abbildung 19.18). In allen über der Basalschicht gelegenen, äußeren Hautschichten findet man eine zelluläre Hyperplasie. Stark vakuolisierte Zellen des Plattenepithels mit Kernveränderungen (Koilocyten) können histologisch nachgewiesen werden, und die äußerste Hornschicht ist hyperkeratotisch. Die mit der Erkrankung verbundene örtliche Verdickung der Haut ist auf die Induktion lokaler Zellproliferationen zurückzuführen. Dafür sind die Virusproteine E6 und E7 verantwortlich, die in den undifferenzierten Hautschichten produziert werden, ihre Aktivitäten entfalten und mit zellulären Tumorsuppressorproteinen interagieren. Das drängt die infizierten Zellen bevorzugt in die
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.8 Hautläsionen und Tumorerkrankungen und die HPV-Typen, die sie bevorzugt verursachen Infizierte Bereiche
Klinisches Bild
Besonderheiten
HPV-Typen
Kutane Haut
plantare Warzen
einzelne Warzen, bevorzugt an Fußsohlen; gutartig
1, 4, 63
gewöhnliche Warzen
gehäufte Warzenbildung, meist an Händen; gutartig
1, 2, 4, 26–29, 41, 40, 43, 48, 57, 60, 63, 65
flache Warzen
gehäufte Warzenbildung an Armen, Beinen, im Gesicht; gutartig
3, 10, 27
Metzgerwarzen
gewöhnliche Warzen an Händen von Metzgern, Schlachtern etc.; gutartig
7
Epidermodysplasia verruciformis
gehäufte Warzenbildung; bösartig
5, 8, 14, 17, 20, 47
Epidermodysplasia verruciformis (bei immunsupprimierten Personen)
gehäufte Warzenbildung; meist gutartig
3, 9, 12, 19, 21–25, 36–38, 41, 46–50
juvenile Larynxpapillome
meist bei Kindern, starkes Wachstum; gutartig
6, 11, 13, 44, 74
fokale, epitheliale Hyperplasie
Läsionen im Mundbereich; gutartig
13, 32
Condylomata acuminata
exophytische Läsionen der Haut und Schleimhaut; meist gutartig, gehen in seltenen Fällen in maligne Formen über
6, 11, 13, 40, 42–44, 74
flache Condylome, cervicale intraepitheliale Neoplasien (CIN I, CIN II, CIN III),
niedriges Risiko der malignen Entartung meist gutartig, können in maligne Formen übergehen
Cervixkarzinom cervicale intraepitheliale Neoplasien (CIN III)
hohes Risiko der malignen Entartung Präkanzerose, invasiver Tumor
6, 11, 16, 18, 26, 30, 31, 33–35, 39, 40, 42– 45, 51–53, 55–59, 61, 66–71, 74, 82 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 52, 58, 59, 62, 66–68, 70, 73
bowenoide Papulose
pigmentierte Hautläsionen; bösartig bzw. Präkanzerose
Mundschleimhaut
Anogenitalschleimhaut
S-Phase des Teilungszyklus. Durch die erhöhte Teilungsrate vermehrt sich die Anzahl der sich differenzierenden Zellen; dies gestattet dem Virus die produktive Replikation und Synthese sowohl der späten Proteine L1 und L2 als auch von Nachkommenviren. Die damit einhergehende, lokal begrenzte Induktion der Zellproliferation äußert sich als Warze oder als Condylom. HPV-assoziierte Tumorerkrankung (bösartige Tumoren) und Zelltransformation Die molekularen Ereignisse, welche die Umwandlung normaler Hautkeratinocyten in maligne Zellen kontrollieren, erfolgen in drei Abschnitten. Damit sind intrazelluläre, interzelluläre und immunologische (MHC-abhängige) Vorgänge verbunden. Die Entstehung des Cervixkarzinoms kann in eine Reihe von histologisch und cytologisch differenzierbaren Stadien (CIN I → CIN II → CIN III → invasives Karzinom) eingeteilt werden. Die Vorstellung, dass diese Stadien eine einheitliche Kausalkette darstellen,
16, 18, 31, 33
wurde in den letzten Jahren angezweifelt. Die in den Stadien CIN I/CIN II und Condylomen beobachtete Genexpression von HPV 6 und HPV 11 (niedriges Entartungsrisiko) wird als Ursache einer Zellproliferation angesehen, führt jedoch nur selten zur Entstehung eines Cervixkarzinoms. Bei den meisten malignen Tumoren des Genitalbereichs liegt das virale Genom nicht episomal im Kernplasma, sondern in der zellulären DNA integriert vor. Das Ausmaß der Integration scheint mit Fortschreiten der malignen Veränderung (Stadien CIN II und CIN III) zuzunehmen. Die malignen Tumoren sind monoklonal, die virale DNA ist in allen Zellen des Tumors an derselben Stelle im Zellgenom vorhanden. Die Integration erfolgt vermutlich während des Persistenzstadiums des Virus in undifferenzierten Epithelschichten. Hier findet gehäuft eine Rekombination mit dem Wirtszellgenom statt, die zur Integration führt. Diese wird möglicherweise durch definierte Nucleinsäuresequenzfolgen im
19.3 Papillomaviren
515
Tabelle 19.9 Cofaktoren bei der Karzinogenese durch Papillomaviren Virustyp
Karzinom
Cofaktor
HPV 5, 14, 17, 20, 47, 49, 88
Plattenepithel-Karzinom der Haut (Epidermodysplasia verruciformis)
rezessive Erbfaktoren, MHC-Klasse-I-Typen, UV-Licht
HPV 6, 11 u. a.
Larynxtumor
Röntgenstrahlung
HPV 16, 18, 31 u. a.
maligne, anogenitale Tumoren, Cervixkarzinom
Tabakrauch, Hormone, virale Infektionen im Schleimhautbereich (HSV, CMV, HHV 6, HIV)
Shopes Kaninchenpapillomavirus
Hauttumoren
Teer
BPV 4
Verdauungstrakt
Farnkräuter (Kieselsäure)
Genom der „malignen Virustypen“ gefördert. Auf Seite der Wirtszell-DNA erfolgt die Integration zufällig. Das virale Genom hingegen scheint sich bevorzugt in der Region der E1- und E2-Leserahmen zu öffnen (䉴 Abbildung 19.14), sodass die in diesen Bereichen liegenden Gensequenzen die Übergänge zur zellulären DNA darstellen. Durch die Integration wird überwiegend der E2Leserahmen, gelegentlich auch der E1-Leserahmen, zerstört. Dadurch verliert das E2-Protein seine Funktion, und als Folge werden keine infektiösen Papillomaviren gebildet. Die virale Genexpression wird also in einem frühen Stadium gestoppt. Bei den genitalen humanen Papillomaviren mit hohem Entartungsrisiko (HPV 16 und 18) wirkt das E2-Protein in undifferenzierten Hautzellen vermutlich als Transrepressor und unterdrückt die Transkription der Gene E6 und E7. Wird das E2-Protein durch die Integration zerstört, kommt es zu einer Überexpression der E6- und E7-Gene, die in den Zellen dann in einer relativ hohen Konzentration vorliegen. Die Proteine E6 und E7 beeinflussen in diesen Fällen durch die Wechselwirkung mit den Tumorsuppressorproteinen die Regulation des Zellzyklus und führen zu einer hohen Proliferationsrate und zur Zelltransformation. Neben diesen zellteilungsfördernden Funktionen greifen die E6- und E7-Proteine – insbesondere bei den hochonkogenen Papillomavirustypen – auch in die durch Interferon induzierten Abwehrmechanismen ein. Betroffen sind vor allem die durch Klasse-I-Interferone (IFN-α und IFN-β) vermittelten Funktionen. Als Folge einer Virusinfektion erfolgt in den Zellen normalerweise die Phosphorylierung der Proteine IRF3 (interferon regulatory factor), wodurch diese in den Zellkern transportiert werden und zusammen mit dem CBP (chromosomal binding protein), einem Cofaktor der Transkriptionsaktivierung, die Expression des Genes für Interferon-β veranlassen. Vor allem die E6-Proteine von HPV 16 binden sich an das IRF3, bewirken die Anlagerung von E6-AP und den Abbau des Cofaktors durch
das Proteasom; als Folge unterbleibt die Produktion von Interferon-β. Das E7-Protein von HPV 16 bindet sich dagegen an ein anderes Mitglied der IRF-Proteinfamilie, nämlich an IRF9. Hierdurch wird seine Translokation in den Zellkern verhindert und folglich seine Transaktivatorfunktion gehemmt. Hinsichtlich der E6-Proteine von HPV 16 und HPV 18 ist beschrieben, dass sie die Aktivität der Tyrosinkinase Tyk2 hemmen. Dieses Enzym interagiert nach der Bindung von Interferon-α mit der cytoplasmatischen Domäne des Interferon-α-Rezeptors und veranlasst zusammen mit den Jak-Kinasen die Phosphorylierung der Stat1- und Stat2-Proteine, die danach in den Zellkern gelangen, an die ISRE (interferon stimulated response elements) binden und die Expression der ISG (interferon stimulated genes) veranlassen (䉴 Kapitel 8). Die Bindung des E6-Proteins an die Kinase Tyk2 hemmt diesen Vorgang und die Synthese der Genprodukte, die normalerweise unter dem Einfluss von Interferon-α gebildet werden. Es ist offensichtlich, dass die E6- und E7-Proteine auf vielfältige Weise die Funktion zellulärer Proteine beeinflussen. Nicht in jedem Cervixkarzinom lässt sich ein Papillomavirusgenom in integrierter Form nachweisen. Die Überexpression der E6- und E7-Proteine erfolgt dann vermutlich auf andere Art. So besitzt die aus Cervixkarzinomen isolierte episomale HPV-DNA gehäuft Mutationen in den YY1-bindenden Genombereichen der LCR-Region. Die damit verknüpfte Unfähigkeit, den als Transrepressor wirkenden Zellfaktor YY1 zu binden, kann ebenfalls zur Überexpression der Gene E6 und E7 führen. Das selektive Einbringen des menschlichen Chromosoms 11 in Tumorzellen führt zur Abschwächung des malignen Potenzials der Papillomaviren. Außerdem werden in Tumorzellen häufig Veränderungen des Chromosoms 11 gefunden. Auf dem kurzen Arm dieses Chromosoms muss schlussfolgernd ein Faktor CIF (cellular interfering factor) codiert sein, der die Tumorbildung beeinflusst. CIF kontrolliert möglicherweise die Aktivität der Phosphatase PP2A. Dieses Enzym reguliert
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
das Gleichgewicht von phosphorylierten und nichtphosphorylierten Versionen zellulärer Faktoren wie YY1, Oct1, NF-IL-6. Diese binden sich an die viralen Promotoren in der LCR-Region und unterdrücken die Transkription der frühen Gene. Eine Deletion oder Mutation des CIF-codierenden Bereichs auf Chromosom 11 verändert die Aktivität der Phosphatase und so auch den Phosphorylierungsgrad der Transrepressorproteine. Dies bewirkt, dass sie ihre promotorbindenden Eigenschaften verlieren und die Expression der frühen Gene nicht mehr unterdrücken können. Auch das führt zu einer Überexpression der Proteine E6 und E7. Neben diesen intrazellulären Vorgängen scheinen auch von außen wirkende Faktoren die Proliferation der infizierten Zellen zu beeinflussen. Auf aktivierte Makrophagen üben HPV-infizierte, nicht maligne Zellen einen zweifachen Effekt aus: Sie induzieren in ihnen die Synthese des monocyte-chemoattractant protein (MCP1, entspricht dem Chemokin CCL2), das in vivo weitere aktivierte Makrophagen anlockt, welche die infizierten Zellen eliminieren. Gleichzeitig sezernieren die aktivierten Makrophagen verschiedene Cytokine und unterdrücken so die E6/E7-Expression. Es ist bekannt, dass TNFα und -β sowie IFN-γ die Expression von E6 und E7 hemmen können. Im Gegensatz dazu können HPVimmortalisierte Zelllinien und HPV-positive Tumorzelllinien die Makrophagen nur zur Sekretion von geringen Mengen an IL1, IL6, und IL8 sowie von TNF-α und GM-CSF (Granulocyten-Makrophagenkoloniestimulierender Faktor) stimulieren. Die verminderte Produktion der Cytokine beeinträchtigt den immunologischen und entzündlichen Reaktionsprozess gegen HPV-immortalisierte Zellen auf negative Weise: Die immortalisierten Zellen werden nicht zerstört. Neben der Unterdrückung von immunologischen Reaktionen durch die beschriebene reduzierte Sekretion von Cytokinen scheinen weitere Komponenten des Immunsystems an der Entstehung von Cervixkarzinomen beteiligt zu sein. So haben Frauen mit dem MHCKlasse-II-Typ DQw3 ein sehr hohes Risiko für die Ausbildung solcher Karzinome. Vermutlich können Träger dieses HLA-Typs bestimmte HPV-spezifische Epitope nicht effektiv präsentieren. Auch bei Störungen des zellulären Immunsystems – ob sie nun genetischer Natur (Wiskott-Aldrich-Syndrom) oder durch medikamentöse Behandlung mit Immunsuppressiva bei Organtransplantationen oder durch Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus ausgelöst sind – treten gehäuft hochgradige intraepitheliale Neoplasien oder invasive Karzinome auf. Dieser Befund, sowie das gehäufte Auftreten bestimmter HLA-Typen bei HPVassoziierten Tumoren, sind weitere Hinweise auf eine essenzielle Beteiligung des zellulären Immunsystems an
der Kontrolle der Infektion mit den HPV-Typen, die ein hohes Risiko für eine maligne Tumorinduktion darstellen.
Immunreaktion und Diagnose Bei den verschiedenen Papillomavirustypen sind in den L1-Proteinen viele oberflächenexponierte Domänen konserviert und so einer Antikörperbindung zugänglich. Trotzdem induziert die Infektion mit einem Papillomavirustyp keinen Schutz vor einer Reinfektion mit dem gleichen oder einem ähnlichen Virus. Die Unfähigkeit des Organismus, eine schützende humorale Immunantwort gegen Papillomaviren aufzubauen, erklärt sich aus dem Ort und dem Ablauf der Infektion in den äußersten Hautschichten. Die Viruspartikel oder die viralen Proteine kommen nicht mit den immunologisch aktiven Zellen des peripheren Blutes in Kontakt. Daher findet nur eine unregelmäßige Antikörperproduktion gegen die Proteine L1, L2 und E2, E4, E7 statt. Bei Patientinnen mit Cervixkarzinomen gibt es Hinweise darauf, dass sich die Menge der Antikörper gegen frühe und späte Proteine in Vergleich zu der von Kontrollpersonen unterscheidet. Bei ihnen findet man gehäuft, aber auch hier nur in 50 Prozent der Fälle, Antikörper gegen E7, E4 und L1. Bei Patienten mit Defekten der zellulären Immunantwort, zum Beispiel in AIDS-Patienten, beobachtet man gehäuft Warzen, Condylome und maligne Tumoren. Das deutet auf eine zentrale Rolle der T-Zellantwort bei der HPV-Infektion hin. Die spontane Regression von Hautwarzen, die den Normalfall darstellen, sind wohl auf in die Hautschichten einwandernde cytotoxische TZellen zurückzuführen, die virusinfizierte Zellen als fremd erkennen. Häufig treten solche spontanen Rückbildungen nach Verletzungen oder traumatischen Ereignissen auf, welche die Einwanderung der T-Lymphocyten begünstigen. Ferner beobachtet man sie bei meist kleinen Tumorzellverbänden: Hier scheinen Cytokine wie TNF-α und TGF-β den Fas-induzierten programmierten Zelltod auszulösen. Da virusspezifische Antikörper kein zuverlässiges Kriterium für den Nachweis einer Infektion sind, erfolgt die Diagnose ausschließlich durch den Nachweis viraler DNA in Biopsien und Abstrichen mithilfe der Polymerasekettenreaktion oder ähnlicher Verfahren (beispielsweise dem Hybrid Capture Assay). Heute ergänzt der Nachweis der Virus-DNA mittels der Polymerasekettenreaktion den cytologischen Papanicolaou-Test zum Nachweis entarteter Zellen. Als Stand der Technik gilt dabei die grobe Unterscheidung in niedrig- und hochpathogene Papillomavirustypen. Einige der kommerziell erhältlichen Hybridisierungsteste im Streifenformat
19.3 Papillomaviren
erbringen jedoch eine weit genauere Typisierung und erlauben zusammen mit der Sequenzierung auch den Nachweis von Mischinfektionen. Soweit man weiß, liegt die virale DNA bei der „Durchseuchungsinfektion“ als Episom vor. Mit der fortschreitenden Schwere der Erkrankung und der Anzahl der Zellatypien (von CIN I bis III und metastasierenden Karzinomen) ist die Nucleinsäure häufiger ins Genom der Zelle integriert. Deshalb kann zusätzlich zur Bestimmung des Virustyps zur Abschätzung des Risikos für die Entwicklung einer Tumorerkrankung und des zeitlichen Verlaufs auch eine Differenzierung zwischen den beiden Zustandsformen der viralen Nucleinsäure erfolgen. In die Routinediagnostik hat dies noch keinen Einzug gefunden.
Therapie und Prophylaxe Die meisten Hautwarzen sind harmlos und eine gezielte Therapie deshalb nicht nötig. Befinden sie sich an störenden Stellen oder gibt es kosmetische Gründe für die Entfernung, so empfiehlt sich die Ätzung mit Silbernitrat (AgNO3) oder die Kryotherapie. Eine Keratolyse kann man durch Behandlung mit Salicylsäure oder 5Fluorouracil induzieren. Meist verschwinden die Warzen dann nach einigen Tagen. Plantare Warzen werden gelegentlich operativ entfernt. Larynxpapillome lassen sich durch Injektion von IFN-α und -β zum Verschwinden bringen. Auch die Lasertherapie, die Elektroexzision oder -koagulation zeigt hier gute Erfolge. Systemische Gaben von IFN-α und -β lassen sich mit gutem Erfolg zur Behandlung von Zellatypien einsetzen. Auch Immunmodulatoren wie Imiquimod können bei cutanen Hautwarzen eingesetzt werden. Sie führen durch Aktivierung der toll-like-Rezeptoren zur Anregung vor allem der nichtadaptiven Immunantwort und zum Einschmelzen der Läsionen (䉴 Kapitel 8 und 9). Bei malignen Formen der Erkrankung im Genitalbereich ist eine operative Entfernung die einzige Methode. Die frühzeitige Diagnose spielt eine sehr große Rolle für die Prognose. Im fortgeschrittenen Stadium ist die Gefahr groß, dass nach Vaskulisierung des in situ-Karzinoms die malignen proliferierenden Zellen die Basalmembran durchbrechen und transformierte Zellen in das Blut gelangen, sodass Metastasen in anderen Organen entstehen können. Eine Impfung gegen Hochrisikotypen der HPV steht seit kurzem zur Verfügung. Als erschwerend für die Entwicklung einer Vakzine erwies sich die Begrenzung der Infektion auf die äußeren Schichten der Epidermis; ein Schutz durch virusneutralisierende Antikörper erschien fraglich, da diese nicht an den Infektionsort gelangen. Der erste Impfstoff, der gegen die Infektion mit genitalen Papillomaviren schützt – Gardasil (Sanofi Pasteur
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MSD) –, wurde 2006 in der Europäischen Union zugelassen, 2007 erfolgte die Zulassung eines weiteren Impfstoffes, Cervarix (GlaxoSmithKline). Beide Impfstoffe basieren auf gentechnisch produzierten, virusähnlichen Partikeln. Hierfür werden die viralen Capsidproteine L1 eingesetzt. Aufgrund ihrer partikulären Struktur induzieren sie die Bildung neutralisierender Antikörper. Cervarix enthält virusähnliche Partikel von HPV 16 und 18, Gardasil enthält zusätzlich Partikel der Virustypen HPV 6 und 11. Beide schützen vor Infektionen mit den entsprechenden und – wenn auch in geringerem Ausmaß – mit verwandten Virustypen und vor den mit ihnen in kausaler Verbindung stehenden Tumorerkrankungen beziehungsweise anogenitalen Warzen. Der Einsatz der Vakzine wird derzeit Mädchen vor Beginn der Pubertät empfohlen, in Deutschland Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren. So soll die Infektion mit diesen Virustypen grundlegend verhindert werden. Da der Effekt auf die Inzidenz des Cervixkarzinoms erst in Jahrzehnten sichtbar sein wird, muss jedoch die normale Krebsvorsorge weiterhin konsequent durchgeführt werden. Zusätzlich wird an therapeutischen Impfstoffen gearbeitet, die bei Patientinnen mit Cervixkarzinom zum Einsatz kommen sollen. Diese richten sich gegen die E6 und E7 Proteine. Die damit geimpften Personen könnten über das zelluläre Immunsystem die maligne entarteten, infizierten Zellen erkennen und die Entwicklung der Tumoren verhindern oder begrenzen.
19.3.6 Tierpathogene Papillomaviren Die tierischen Papillomaoder Warzenviren Epidemiologie und Übertragung Man kennt zahlreiche Papillomaviren, die schwere und auch wirtschaftlich bedeutende Infektionskrankheiten bei Tieren verursachen. Allen ist gemein, dass sie Tumoren an der Haut induzieren, die pathohistologisch meist als Fibropapillome, seltener als Fibrosarkome klassifiziert werden (䉴 Tabelle 19.10). Die Viren werden direkt oder durch mit ihnen kontaminierte Gegenstände, beispielsweise Geschirre oder Halfter, übertragen. Kleine Hautverletzungen sind dabei Voraussetzung für eine Infektion. Die Papillomaviren sind in der Regel sehr wirtsspezifisch. Eine Ausnahme scheint die Infektion von Pferden mit einigen Typen der bovinen Papillomaviren (BPV 1 und BPV 2) zu sein, die in den Pferden das equine Sarkoid verursachen können.
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.10 Auswahl tierpathogener Papillomaviren und die von ihnen verursachten Erkrankungen Genus
Virustyp
Symptom
d -Papillomavirus
bovine Papillomaviren (BPV 1, 2) Hirschpapillomavirus (DPV) europäisches Elch Papillomavirus (EEPV) ovine Papillomaviren (OvPV 1, 2)
cutane Fibropapillome equines Sarkoid (Fibrosarkom) Fibrom Fibrom cutane Papillome
ε-Papillomavirus
bovines Papillomavirus (BPV 5)
Zitzenpapillome
ζ-Papillomavirus
equine Papillomaviren (EcPV 1)
cutane Papillome
κ-Papillomavirus
Shope-Papillomavirus (CRPV) Kaninchenpapillomavirus (ROPV)
cutane Papillome cutane Papillome
λ-Papillomavirus
canines Papillomavirus (COPV) felines Papillomavirus (FDPV)
orale Papillome cutane Papillome
ξ-Papillomavirus
bovine Papillomaviren (BPV 3, 4, 6)
cutane und intestinale Papillome
θ-Papillomavirus
Psittacus erithacus Papillomavirus (PePV)
Papillome
Klinik Nach einer Inkubationszeit von mehreren Wochen kommt es zur Ausbildung der Warzen. Die jeweiligen Papillomaviren verursachen die in der 䉴 Tabelle 19.10 aufgeführten Hautläsionen. Die Warzen sind schmerzfrei, können jedoch mechanisch störend wirken, wie zum Beispiel Warzen an der Zitze beim Melken oder orale Warzen als Behinderung beim Fressen. Das infiltrierend wachsende equine Sarkoid kann sehr groß werden und wegen der Neigung zu Blutungen zu Sekundärinfektionen führen.
Pathogenese Die Pathogenese der Papillomavirusinfektionen der Tiere ist derjenigen der humanpathogenen Papillomaviren sehr ähnlich. Durch Hautverletzungen gelangt das Virus in die Zellen des Stratum basale des Epithels. Hier kommt es, ähnlich wie bei den humanpathogenen cutanen Typen der Papillomaviren, zur Replikation der DNA und Expression der frühen Gene (䉴 Abbildung 19.18). Auch bei den tierpathogenen Viren kann dies langfristig zur Transformation der Zellen und zur Tumorbildung (Warzen, Sarkoid) führen. Die Expression der späten Gene erfolgt in den Epithelzellen des Stratum granulosum, die einen fortgeschrittenen Differenzierungsgrad aufweisen. Die Synthese der Strukturproteine und der Zusammenbau der verschiedenen Komponenten zu Nachkommenviren geschieht schließlich mit den absterbenden Zellen (Stratum corneum), die von der Hautoberfläche abgeschilfert werden. Die Entstehung der Papillome ist überwiegend monokausal, jedoch wirkt bei der Bildung der Tumoren des Verdauungstraktes
und der Harnblase beim Rind neben dem bovinen Papillomavirus Typ 4 der Adlerfarn als Cofaktor (䉴 Tabelle 19.9).
Immunantwort und Diagnose Die Papillomatosen der Haustiere heilen mit Ausnahme des equinen Sarkoids und der intestinalen Papillomatose des Rindes in der Regel spontan ab. Dies ist die Folge einer langsam einsetzenden, aber effektiven Immunität. Virustypspezifische Antikörper lassen sich nachweisen und korrelieren mit der Protektion. Die Diagnose wird durch das charakteristische histologische Bild oder durch Virusnachweis in den Warzen mittels Elektronenmikroskopie gestellt.
Bekämpfung und Prophylaxe Stallspezifische Impfstoffe, die auf dem aus dem betreffenden Tier entnommenen Warzenmaterial basieren, können hergestellt, mit Formaldehyd inaktiviert und bei Rind und Hund zum Teil erfolgreich eingesetzt werden.
19.3.7 Weiterführende Literatur Auewarakul, P.; Gissmann, L.; Cid-Arregui, A. Targeted expression of E6 and E7 oncogenes of human papillomavirus type 16 in the epidermis of transgenic mice elicits generalized hyperplasia involving autokrine factors. In: Mol. Cell. Biol. 14 (1994) S. 8250–8258. Bavinck, J. N.; Gissmann, L.; Claas, F. H.; Van de Woude, F. J.; Persjin, G. G.; Ter-Schegget, J.; Vermeer, B. J.; Jochmus, I; Muller, M.; Steger, G. Relation between skin cancer, humoral
19.3 Papillomaviren
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.4 Adenoviren
1953 isolierten Wallace P. Rowe und Mitarbeiter Adenoviren aus Tonsillen und adenoidem Gewebe und vermehrten sie in Kultur. Heute sind über 52 verschiedene humane Adenoviren bekannt. Sie verursachen überwiegend Erkrankungen der Atemwege, infizieren aber auch den Gastrointestinalbereich und die Bindehaut des Auges. 1962 zeigten John J. Trentin und Mitarbeiter, dass das humane Adenovirus Typ 12 (HAdV-12) bei Nagetieren maligne Tumorerkrankungen hervorrufen kann. Dies war der erste Hinweis darauf, dass es auch humanpathogene Viren mit karzinogenem Potenzial gibt. Ein kausaler Zusammenhang mit menschlichen Tumoren wurde jedoch bisher nicht festgestellt. Neben den humanen Adenoviren wurden eine große Anzahl weiterer Adenovirusspezies in Säugetieren und Vögeln entdeckt.
19.4.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Familie der Adenoviridae lässt sich in vier Genera einteilen (䉴 Tabelle 19.11). Die Mastadenoviren umfassen die verschiedenen Virusspezies der Säugetiere (Menschen, Affen, Rinder, Schafe, Schweine, Hunde) und die Aviadenoviren der Vögel. Aufgrund molekularbiologischer und struktureller Unterschiede schuf man die beiden Genera Siadenovirus und Atadenovirus, denen weitere Adenoviren der Säugetiere, der Vögel, der Fische und der Reptilien zugeordnet sind. Die humanen Adenoviren des Genus Mastadenovirus werden in sieben Virusspezies (HAdV-A bis HAdVG), und diese wiederum in heute 52 Serotypen eingeteilt. Die Zuordnung der Serotypen zu den Virusspezies beruht auf mehreren Kriterien, unter anderem auf Ähnlichkeiten der Genomorganisation und der DNASequenzen, dem Wirtstropismus, dem Ausmaß der Tumorerzeugung in Nagetieren und den Wachstumseigenschaften in Zellkulturen. Serotypen werden unterschiedlichen Virusspezies zugeordnet, wenn die gegen ihre Oberflächenstrukturen gerichteten Antikörper nicht kreuzneutralsierend sind und ein phylogenetischer Abstand von mehr als zehn Prozent berechnet wird – beruhend auf einer genetischen Abstandsmatrix der Basensequenzen, die für die virale Protease, das Protein pVIII, das Hexonprotein und die DNA-Polymerase codieren (䉴 Tabelle 19.12 und 19.13). Liegt der phylogenetische Abstand einzelner Serotypen bei weniger als fünf Prozent, können weitere Ähnlichkeiten dazu beitragen, dass auch Adenoviren, die aus unterschiedlichen Wirten isoliert wurden, einer gemeinsamen Virusspezies zugeordnet werden. Dies gilt beispielsweise für die aus Schimpansen gewonnenen Isolate SAdV-22 bis SAdV-25 und das Rinder-Adenovirus 2, die aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Genomsequenzen den humanen Adenovi-
q Das RNA-Spleißen wurde bei Adenoviren entdeckt Ein wichtiger molekularer Prozess, der in eukaryotischen Zellen abläuft, wurde erstmals bei Adenoviren beobachtet: Das Spleißen von RNA – ein regulierter Vorgang, in dessen Verlauf im Zellkern aus einer oft sehr großen Vorläufer-RNA kleinere Formen herausgeschnitten werden. Diese „reifen“, translatierbaren mRNA-Moleküle können Bereiche aus weit voneinander entfernt liegenden Genomregionen enthalten.
Sie werden erst nach dem Spleißen in das Cytoplasma transportiert und dort in Proteine übersetzt. Das RNA-Spleißen wurde 1977 gleichzeitig von Philip A. Sharp und Louise T. Chow beschrieben. Mit dieser Entdeckung zeigte sich, dass bei Eukaryoten die mRNA nicht immer colinear mit den Gensequenzen ist – die alte „Ein-Gen-ein-Enzym“Hypothese galt also nicht mehr.
19.4 Adenoviren
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Tabelle 19.11 Charakteristische Vertreter der Adenoviren Genus
Mensch
Tier
Mastadenovirus
humanes Adenovirus A (HAdV-12, -18, -31) humanes Adenovirus B1 (HAdV-3, -7, -16, -21, -50; SAdV-21) humanes Adenovirus B2 (HAdV-11, -14, -34, -35) humanes Adenovirus C (HAdV-1, -2, -5, -6; BAdV-9) humanes Adenovirus D (HAdV-8–10, -13, -15, -17, -19, -20, -22–30, -32, -33, -36–39, -42–49, -51) humanes Adenovirus E (HAdV-4; SAdV-22–25) humanes Adenovirus F (HAdV-40, -41; SAdV-19) humanes Adenovirus G (HadV-52)
simian Adenovirus (SAdV-1—18, 20) bovines Adenovirus A (BAdV-1) bovines Adenovirus B (BAdV-3) bovines Adenovirus C (BAdV-10) canines Adenovirus (CAdV-1, -2) equines Adenovirus A (EAdV-1) equines Adenovirus B (EAdV-2) murines Adenovirus A (MAdV-1) ovines Adenovirus A (OAdV-2–4, BAdV 2) porcines Adenovirus A (PAdV-1–3) porcines Adenovirus B (PAdV-4) porcines Adenovirus A (PAdV-5)
Aviadenovirus
Geflügeladenoviren A (FAdV-1 = CELO*-Virus) Geflügeladenoviren B (FAdV-5) Geflügeladenoviren C (FAdV-4, -10) Geflügeladenoviren D (FAdV-2, -3, -9, -11) Geflügeladenoviren E (FAdV-6–8), Gänseadenovirus (GoAdV-1–3)
Siadenovirus
Truthahnadenovirus A (TAdV-3 = Virus der hämorrhagischen Enteritis der Pute = Virus der Marmormilz-Erkrankung der Fasane) Froschadenovirus (FrAdV-1)
Atadenovirus
ovines Adenovirus D (OAdV-7, GAdV-1) Entenadenovirus A (DAdV-1 = Egg-Drop-Syndrom-Virus) bovines Adenovirus D (BAdV-4, -5, -8, -Rus)
* CELO = Chicken-Embryo-Lethal-Orphan-Virus
ren E beziehungsweise den Schafadenoviren A zugeordnet wurden.
19.4.2 Aufbau Viruspartikel Adenoviren haben einen Durchmesser von 80 bis 110 nm. Sie sind Capside ohne Membranhülle, die eine ikosaedrische Struktur mit 20 Seitenflächen und zwölf Ecken aufweisen; an den Ikosaederecken findet man Spike-ähnliche Proteinvorsprünge (䉴 Abbildung 19.19). Die Partikel bestehen aus 252 Capsomeren, nämlich 240 sogenannten Hexonen und zwölf Pentonen. Die Ecken werden von den Pentonen gebildet; der Name weist auf ihre Lokalisierung an den Fünffach-Achsen der Symmetrie des ikosaedrischen Capsids und die fünf Nachbarcapsomeren der Seitenflächen hin, mit denen sie ver-
bunden sind. Die Pentone bestehen aus einem Pentonbasis- und einem Fiberproteinanteil. Die Pentonbasis ist ein Pentamer des viralen Strukturproteins III (80 kD). Mit jeder der zwölf Pentonbasen ist das Fiberprotein (IV, 62 kD) assoziiert, das als homotrimerer Komplex an den Ecken 9 bis 30 nm hervorragt; am Ende dieses Schafts besitzt das Fiberprotein eine knöpfchenförmige Struktur. Bei den verschiedenen Virusspezies der Mastadenoviren ist die Länge des Schafts unterschiedlich. Sowohl seine Länge als auch seine Flexibilität wird durch die Zahl von homologen Proteindomänen (Pseudorepeats) bestimmt, die zwischen sechs bei den Viren der Spezies HAdV-B bis zu 23 bei den Vertretern der HAdV-A schwanken kann. Jede Wiederholungseinheit besteht aus einer Konsensussequenz, die zwei antiparallele β-Faltblattdomänen bildet, welche mit einem β-Turn und einer Schleifenregion unterschiedlicher Größe und Sequenz verbunden sind (䉴 Tabelle 19.12). Bei den Serotypen 40 und 41 der HAdV-F findet man zwei Gene
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.12 Assoziation der humanen Adenoviren A bis G mit bestimmten Erkrankungsbildern, ihrem onkogenen Potenzial im Nagetiersystem, ihrer Rezeptorpräferenz und Charakteristika der Fiberproteine Adenovirus Zielorgane Spezies Erkrankungen
Vorkommen Potenzial zur Zelluläre bei Infektionen Tumorbildung Rezeptoren des Menschen in Nagetieren Pentonbasis
Zelluläre Rezeptoren* Fiberproteine
Anzahl der Wiederholungseinheiten im Schaft der Fiberproteine/Länge der Fibern
A
Darm Gastroenteritis
selten
hoch
Integrine αvβ3/αvβ5
CAR**
B1
Respirationstrakt, Bindehaut/Auge, akute Erkrankung der Atemwege, Lungenentzündung, Konjunktivitis Respirationstrakt, Bindehaut/Auge, Nieren/Harnwege akute Erkrankung der Atemwege, Lungenentzündung, Konjunktivitis, akute hämorrhagische Cystitis, schwere Verläufe bei immunsupprimierten Patienten Respirationstrakt, Bindehaut/Auge, Lymphocyten, Erkrankung der Atemwege, milde Verläufe Bindehaut/Auge, schwere Verläufe von epidemischer Keratokonjunctivitis bei HAdV-8, -19a, -37 Respirationstrakt, Bindehaut/Auge, akute Erkrankung der Atemwege, Konjunktivitis, auch schwere Verläufe Darm Gastroenteritis
häufig
mittel
Integrine αvβ3/αvβ5
CD46, CD80, CD86
23 Wiederholungseinheiten/ 28–31 nm 6 Wiederholungseinheiten/ 9–11 nm
häufig
mittel
Integrine αvβ3/αvβ5
CD46, CD80, CD86
6 Wiederholungseinheiten/ 9–11 nm
häufig
sehr niedrig
Integrine αvβ3/αvβ5
CAR**, MHC-Klasse-I, VCAM-1
22 Wiederholungseinheiten/ 23–31 nm
selten
sehr niedrig
Integrine αvβ3/αvβ5
Sialylsäure, CD46, CAR**
8 Wiederholungseinheiten/ 12–13 nm
selten
sehr niedrig
Integrine αvβ3/αvβ5
unklar, CAR**?
12 Wiederholungseinheiten/ 17 nm
selten
sehr niedrig
unbekannt
unklar, CAR**?
selten
unbekannt
unbekannt
unbekannt
kurzes Fiberprotein: 12 Wiederholungseinheiten langes Fiberprotein: 21/22 Wiederholungseinheiten etwa 29 nm 9 oder 17/ unbekannt
B2
C
D
E
F
G
Darm Gastroenteritis
* Die hauptsächlich bei der Adsorption genutzten Rezeptoren sind fett gedruckt ** CAR = Coxsackie-Adenovirusrezeptor
19.4 Adenoviren
für Fiberproteine. Von diesen beiden Fiberproteinen ist jeweils eines bei diesen Virustypen mit der Pentonbasis assoziiert. Da sich die beiden Fiberproteine durch die Länge des Schaftanteils unterscheiden, ragen sie unterschiedlich weit von der Capsidoberfläche hervor. Auch die tierpathogenen Aviadenoviren besitzen zwei verschiedene Fiberproteine. In diesem Fall sind beide an jeder Ikosaederecke verankert. Mit den Pentonbasisproteinen ist ein weiteres virales Polypeptid, das pentonassoziierte Protein (IIIa), verbunden. Die Capsomere der Ikosaederseitenflächen werden Hexone genannt; die Bezeichnung weist auf die sechs Nachbarcapsomere hin, die an sie angrenzen. Jede Capsidseitenfläche wird von zwölf Hexonen gebildet, von denen jedes ein Trimer des viralen Hexonproteins (II, 120 kD) ist. Mit den Hexonen sind wiederum die hexonassoziierten Proteine verbunden: Die Proteine IX findet man auf der Partikeloberfläche an den Kontaktstellen der einzelnen Hexone, wohingegen die Polypeptide VI und VIII an der Capsidinnenseite lokalisiert sind. Das Innere des Partikels enthält einen Nucleoproteinkomplex, der aus dem viralen DNA-Genom und etwa 160 und 800 Einheiten der Proteine V beziehungsweise VII besteht; das Protein V fehlt bei den Vertretern der Atadenoviren. Kovalent mit den 5’-Enden verbunden ist je ein terminales Protein TP. Des
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Weiteren sind wenige Einheiten des multimeren Proteins IVa2 und etwa 100 Kopien des Proteins Mu mit dem Virusgenom assoziiert. Das Protein Mu ist ein kleines, basisches Protein von 36 Aminosäuren Länge, das durch proteolytische Spaltung des Vorläuferproteins pX entsteht und zellulären Protaminen ähnelt. Die für die Spaltung verantwortliche virale Protease Adenain ist ebenfalls Teil der Virionen. Die römischen Ziffern II bis IX, mit denen man die Strukturproteine der Adenoviren bezeichnet, richten sich nach der Laufgeschwindigkeit, die man bei ihrer Auftrennung in Polyacrylamidgelen beobachtet. Protein I fehlt, da sich später herausstellte, dass es sich um einen Komplex von zwei Proteinen handelte.
Genom und Genomaufbau Das Genom der Adenoviren besteht aus doppelsträngiger, linearer DNA mit einer Länge von 36 000 bis 38 000 Basenpaaren (je nach Virustyp, 35 937 beim HAdV-2). An die beiden 5’-Enden des Genoms ist je ein terminales Protein (TP, 55 kD) über einen Serinrest kovalent gebunden. Beide Einheiten der TP-Proteine können über nichtkovalente Wechselwirkungen miteinander interagieren und halten so das DNA-Genom in einem quasi-
Protein IV (Fiber) Protein VII Mu-Protein
Protein IVa2
Protein III (Pentonbasis) Protein II (Hexon)
Terminales Protein TP
Protein V Protein IX
Protein VI Protein VIII
Adenain (Protease) Virusgenom (dsDNA, linear)
Protein IIIa
19.19 Partikel eines Adenovirus. An den 12 Ecken des ikosaedrischen Partikels befinden sich Fiberproteine (IV, spikes), die von der Oberfläche hervorragen. Sie sind mit den Pentonbasisproteinen (III) assoziiert, die sich an den Ecken des Ikosaeders befinden; diese sind an der Partikelinnenseite mit den pentonassoziierten Proteinen IIIa komplexiert. Die Seitenflächen werden von Hexonproteinen (II) gebildet; an den Partikelaußenseiten sind die Proteine IX, an den Innenseiten die Proteine VI und VIII mit den Hexonen verbunden. Im Inneren des Partikels befindet sich das lineare doppelsträngige DNA-Genom, das mit den Proteinen V, VII und Mu zu einer Core-Struktur komplexiert ist; an die Genomenden sind die terminalen Proteine TP kovalent gebunden. Des Weiteren findet man wenige Einheiten der Proteine IVa2 und der Protease Adenain in den Partikeln. Die römischen Ziffern sind die international gebräuchlichen Bezeichnungen für die Strukturproteine (siehe auch Text).
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
zirkulären Zustand (䉴 Abbildung 19.20A). Mit der Nucleinsäure sind die beiden Virusproteine V und VII komplexiert, die reich an Argininresten sind und deshalb einen ausgeprägt basischen Charakter haben. Das Protein VII besteht zu etwa 23 Prozent aus Arginin und hat ein Molekulargewicht von 18,5 kD. Es ist mit dem Genom über seine gesamte Länge assoziiert und kann mit Aminosäuresequenzen an den Innenseiten der Capside wechselwirken. Somit ist es für die dichte, geordnete Packung der DNA im Virion verantwortlich. Das zweite mit der DNA assoziierte Protein V hat ein Molekulargewicht von 48,5 kD und ist ebenfalls für die Faltung des
Genoms im Virion verantwortlich, da es neben der Wechselwirkung mit der Nucleinsäure nichtkovalent mit den Innenseiten der Pentone interagiert. An den Genomenden findet man invertierte Sequenzwiederholungen, die in Abhängigkeit vom Virustyp 54 bis 166 Basenpaare lang sind (HAdV-2 und HAdV-5: 103 bp, HAdV-12: 164 bp). Gereinigte Genome, die durch Hitzebehandlung in Einzelstränge getrennt werden und anschließend beim Abkühlen rehybridisieren, weisen eine im Elektronenmikroskop darstellbare „pfannenstielähnliche“ Struktur auf, da die Enden über die invertierten Wiederholungseinheiten doppelsträngige
19.20 Genomaufbau der Adenoviren. A: Das Genom der Adenoviren besteht aus einer doppelsträngigen, linearen DNA. Je ein terminales Protein TP ist kovalent über einen Serinrest mit den beiden 5’-Enden verbunden. Die Proteine interagieren miteinander und halten das Genom so in einem quasizirkulären Zustand. B: Das Adenovirusgenom enthält an seinen Enden wiederholte Sequenzfolgen, die zueinander invertiert sind. Dies ist durch die großen und kleinen Buchstaben schematisch angedeutet. Überführt man das doppelsträngige Genom in DNA-Einzelstränge, dann können ihre Enden doppelsträngige Bereiche ausbilden. Sie werden wegen ihres Aussehens als „Pfannenstiele“ bezeichnet.
19.4 Adenoviren
Regionen ausbilden können (䉴 Abbildung 19.20B). Diese Enden sind während der DNA-Replikation für die Initiation der Doppelstrangsynthese wichtig. Beide DNA-Stränge codieren für Proteine, wobei Gengruppen, deren Produkte sich funktionell in der gleichen Phase des Infektionszyklus ergänzen, in enger räumlicher Nachbarschaft vorliegen (䉴 Abbildung 19.20C). Das Genom besteht aus fünf codierenden Bereichen, von denen vier (E1 bis E4) früh während der Infektion aktiviert werden. Die Gruppe der spät exprimierten Gene (L) ist für die Synthese der viralen Strukturproteine verantwortlich.
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19.4.3 Virusproteine Frühe Proteine E1-Proteine Die E1-Gene werden als erste im Verlauf des viralen Infektionszyklus transkribiert. Sie stellen somit die Gruppe der adenoviralen immediate early genes dar, weil für ihre Expression keine anderen in der Zelle neusynthetisierten viralen Faktoren nötig sind. Ihre Genorte befinden sich entsprechend der international üblichen Orientierung am linken Ende des Genoms und umfassen etwa 4 000 Basen, was elf Prozent des Genoms entspricht. Die E1-Region enthält zwei aktive Transkriptionseinheiten: Eine codiert für die E1A-, die
19.20 (Fortsetzung) C: Lage der offenen Leserahmen von Adenovirus Typ 2 (HAdV-2), die in Gengruppen benachbart sind. Die doppelsträngige DNA des Virusgenoms (r- beziehungsweise l-Strang) ist durch die doppelten Linien in der Mitte der Zeichnung dargestellt und in Genomeinheiten unterteilt. Die Pfeile geben generell die verschiedenen, teilweise gespleißten mRNAs und die Transkriptionsrichtung an. Die dicken Pfeile stehen dabei für die spät im Infektionszyklus gebildeten mRNAs, die dünnen Pfeile für die frühen Transkripte. Die meisten der späten mRNAs beginnen an der Genomposition 16.3 und enthalten eine dreiteilige LeaderSequenz aus nichtcodierenden Exons, die mit den Ziffern 1, 2 und 3 bezeichnet sind. Einige späte mRNAs enthalten ein viertes Leader-Segment (i); dieses codiert für ein Protein von 14 kD. Als dicke Pfeile sind auch die Transkripte angegeben, die zwar von früh aktiven Transkriptionseinheiten abstammen, aber in erhöhten Mengen erst spät während des Infektionszyklus nachweisbar sind. Zusätzlich sind mit Abkürzungen oder den entsprechenden Molekulargewichten die Proteine angegeben, für welche die Leserahmen codieren. Die römischen Ziffern bezeichnen die entsprechenden viralen Strukturproteine. (Aus Shenk, T. Adenoviridae: The viruses and their replication. In: Fields, B. N.; Knipe, D. N.; Howley, P. M. (Hrsg.) Virology. 3. Aufl. Philadelphia, New York (Lippincott/Raven) 1996. S. 2111–2148.)
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
zweite für die E1B-Proteine. Beide Proteingruppen gemeinsam sind in vitro für die Transformation von Nagetierzellen verantwortlich. Von den E1A-Genen werden zwei mRNA-Spezies mit einer Länge von 900 und 1 000 Basen gebildet, die identische Enden haben, bei denen aber unterschiedlich lange Intronsequenzen aus den Vorläuferprodukten herausgeschnitten werden (䉴 Abbildung 19.21). Von ihnen werden die beiden frühen Formen der E1A-Proteine translatiert. Beim HAdV-5 haben diese eine Länge von 289 und 243 Aminosäureresten. Sie haben identische amino- und carboxyterminale Enden und sind in unterschiedlichem Ausmaß durch die Proteinphosphatase A2, deren Aktivität von einem viralen Protein (E4/14 kDProtein) gesteuert wird, phosphoryliert. Das verleiht ihnen ein heterogen erscheinendes Molekulargewicht. Am carboxyterminalen Ende befindet sich eine Kernlokalisationssequenz. Beim Vergleich der Aminosäurefolgen der E1A-Proteine verschiedener Adenovirustypen, fällt auf, dass sie drei stark konservierte Regionen (CR1 bis CR3) besitzen. In der kürzeren E1A-Proteinversion fehlt die CR3-Domäne, weil die codierende Region durch alternatives Spleißen aus der mRNA entfernt wurde. Mit den CR-Domänen sind verschiedene Funktionen der E1A-Proteine assoziiert. Im viralen Infektionszyklus wirken die E1A-Proteine vor allem transaktivierend und induzieren die Transkription der E2-, E3und E4-Gene. E1A bindet sich nicht direkt an die DNA der Kontrollregionen, sondern übt seine transaktivierende Aktivität durch Wechselwirkung mit Wirtsproteinen aus, die in den Promotorbereichen der E2-, E3und E4-Gene gebunden sind. In der CR3-Region befindet sich die Consensussequenz eines Zinkfingermotivs. Hierüber interagiert das E1A-Protein mit dem zellulären Transkriptionsfaktor TFIID, der sich an die TATA-Boxen bindet, die dem Transkriptionsstart vorgelagert sind. Neben den viralen E2-, E3-, und E4-Genen werden auch einige zelluläre Gene aktiviert, zum Beispiel diejenigen des zellulären Chaperons hsp70, eines Wachstumsfaktors für Epithelzellen, und des Tubulins. Die E1A-Proteine weisen neben der Aktivierung viraler und zellulärer Promotoren eine ganze Reihe weiterer Funktionen auf. So wirken sie nicht nur als Transaktivatoren, sondern auch als Transrepressoren. Diese Aktivität konnte vor allem mit der 243 Aminosäuren langen Version in Verbindung gebracht werden. In einer weiteren Funktion ähnelt das E1A-Protein dem E7-Produkt der Papillomaviren und dem großen T-Antigen von SV40: Die E1A-Proteine können in ruhenden Zellen, die sich in der G1- oder G0-Phase des Zellzyklus befinden, die DNA-Synthese induzieren und so den Eintritt in die SPhase einleiten. Diese Fähigkeit kann mit der transformierenden Aktivität der E1A-Proteine korreliert wer-
den. Sie basiert auf der Wechselwirkung mit dem zellulären Tumorsuppressor RB105 und den Proteinen RB107 und p130. Alle diese Proteine sind Mitglieder der pocket-Proteinfamilie, die ähnliche Funktionen ausüben. Es handelt sich um phosphorylierte Kernproteine, welche über „Taschen“-ähnliche Domänen mit weiteren Proteinfaktoren interagieren und deren Funktion kontrollieren. Der postulierte Wirkmechanismus ist in 䉴 Kapitel 6 und 䉴 Abschnitt 19.3.3 beschrieben (䉴 Abbildung 19.16 und 19.17). Im Falle der E1A-Proteine steht diese Aktivität mit den CR1- und CR2-Bereichen in Verbindung. Hierüber können die E1A-Proteine mit den zellulären Tumorsuppressoren der RB-Klasse interagieren und den Komplex zwischen den dephosphorylierten RB105/107-Proteinen und den zellulären E2FTransaktivatoren lösen, der letztere im inaktiven Zustand hält. Die E2F-Faktoren werden aktiv, gelangen in den Zellkern, können sich an die entsprechenden Promotorbereiche vor zellulären Genen binden, welche den Eintritt in die S-Phase bestimmen, und die Transkription einleiten. Weiterhin binden sich die E1A-Proteine auch an zelluläre Histon-Acetyltransferasen (p300, p400), deren Funktion dadurch beeinflusst wird. Durch Veränderung des Acetylierungsmusters der basischen Lysin- und Argininreste der Histone wird deren Komplex mit der DNA verändert. Auch findet man die Wechselwirkung der E1A-Proteine mit dem CREB-binding protein (CBP). Hierdurch wird die Aktivität der zellulären Promotoren aus der Gruppe der cyclic-AMPresponsive elements verändert. Neben den beiden 289 und 243 Aminosäuren langen E1A-Proteinen werden von den E1A-Genen in der späten Infektionsphase weitere Versionen synthetisiert (䉴 Abbildung 19.21A). Sie haben alle das gleiche aminoterminale Ende, werden aber von unterschiedlich gespleißten mRNA-Molekülen codiert. Vermutlich sind sie an der Kontrolle der funktionellen Aktivitäten der E1AProteine beteiligt. Von den E1B-Genen wird eine 2 200 Basen lange mRNA gebildet. Zwei unterschiedliche Startcodons initiieren die Synthese der beiden E1B-Proteine (19 kD und 55 kD), die in zwei miteinander überlappenden Leserahmen codiert werden und sich hinsichtlich ihrer Sequenz unterscheiden (䉴 Abbildung 19.21). Das kleine E1B-Protein (19 kD) inhibiert den programmierten Zelltod (Apoptose) und hat dabei eine Wirkung ähnlich des antiapoptotisch wirkenden Zellproteins Bcl2 und den mit ihm verwandten Polypeptiden. Virusmutanten mit defekten Versionen dieses Proteins zeigen ein beschleunigtes Auftreten des cytopathischen Effekts in infizierten Zellen. Das größere E1B-Protein (55 kD) spielt eine wichtige Rolle bei der Zelltransformation: Nur wenn dieses zusammen mit den E1A-Proteinen in Nagetierzel-
CR3
vollständige Transformation, onkogen
nichtonkogene Transformation Veränderungen der Zellmorphologie
Zellimmortalisierung
CR1 CR2
CR1 CR2 CR3
2000
E1B 3000 4000
Protein IX (spät)
9S-mRNA
E1B/8KD
E1B/19kD
13S-mRNA
E1B/55kD
E1B/19kD
22S-mRNA
Basenpaare
19.21 Die Hauptprodukte der E1-Region des HAdV-2. Im oberen Teil der Abbildung ist die Region im doppelsträngigen DNA-Genom des Adenovirus gezeigt, die für die E1-Proteine codiert. Durch Verwendung unterschiedlicher Spleißdonor- und -akzeptorstellen werden von der E1A-Region (linke Hälfte der Abbildung) drei mRNAs gebildet, die für zwei unterschiedliche Formen der E1A-Proteine und ein weiteres, kleines Protein codieren. Die Lage der Domänen CR1 bis CR3, die zwischen den E1A-Proteinen unterschiedlicher Adenovirustypen konserviert sind, ist hellrot angedeutet. Auch von der E1B-Region werden drei Transkripte gebildet. Vom größten werden sowohl das E1B/19kD- als auch das E1B/55kD-Protein translatiert, während das kleinere Transkript für die Synthese des E1B/19kD- und einer verkürzten Version des 55kD-Proteins dient. Die dritte mRNA verwendet einen anderen Startpunkt; von ihr wird das späte Strukturprotein IX translatiert. Die Pfeile im unteren Teil geben die Teile der E1-Region an, die für die Immortalisierung beziehungsweise Transformation der Zellen verantwortlich sind.
E1A (55 AS)
9S-mRNA
E1A (243 AS)
12S-mRNA
E1A (285 AS)
13S-mRNA
DNA-Genom
E1A 1000
19.4 Adenoviren
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
len exprimiert wird, entwickeln die Zellen den voll transformierten Zustand. Diese Funktion erklärt sich aus der Wechselwirkung des E1B mit dem zellulären Protein p53, einem weiteren zellulären Antionkogen (䉴 Kapitel 6 und Abschnitte 19.1 und 19.3). Die molekularen Wirkungen des p53 unterscheiden sich von denen der Proteine der RB-Klasse. Es verhindert jedoch ebenfalls den Eintritt der Zelle in die SPhase. In Zellen mit Mutationen und DNA-Schäden liegt p53 in hohen Konzentrationen vor und bewirkt, dass der Zellzyklus am Übergang in die S-Phase aufgehoben wird. Durch diese Verzögerung wird den Zellen die Möglichkeit gegeben, die Schäden unter Einsatz der zellulären DNA-Reparaturmechanismen zu eliminieren, bevor die Replikation beginnt und die mutierten Sequenzen auf die Tochterzellen weitergegeben werden. Ist die Reparatur nicht erfolgreich, werden die geschädigten Zellen durch Einleitung der Apoptose aus dem Organismus entfernt. Das E1B-Protein (55 kD) bindet sich an die im aminoterminalen Bereich des p53 gelegene Transaktivationsdomäne und hemmt so seine funktionelle Aktivität; die Zellen treten verfrüht in die SPhase ein. Das E1B-Protein wird dabei von einem weiteren frühen Virusprotein (E4-ORF6, 34 kD), das ebenfalls mit dem p53 wechselwirkt, unterstützt. Die Interaktion mit dem E1B-Protein bewirkt die SUMOylierung von p53, die – ähnlich wie die Ubiquitinylierung – den proteolytischen Abbau einleitet. Das E1B-Protein ähnelt funktionell dem großen T-Antigen von SV40 und dem HBx-Protein des Hepatitis-B-Virus, die sich ebenfalls an das p53-Protein binden und seine Aktivität hemmen. Ähnlich wie die adenoviralen E1B-Proteine bindet sich das E6-Protein der Papillomaviren nicht nur an p53, es leitet zusätzlich auch seine Ubiquitinylierung und den Abbau ein. Alle diese Prozesse unterstreichen, dass für den Ablauf des viralen Replikationszyklus eine teilungsaktive Zelle erforderlich ist. Polyoma-, Papilloma-, Adeno- und wahrscheinlich auch Hepatitis-B- sowie Herpesviren haben ähnliche Mechanismen entwickelt, um die G0/G1-Phase des Zyklus aufzuheben und die SPhase einzuleiten. Das große E1B-Protein hat noch eine weitere für den kontrollierten Verlauf der viralen Infektion wichtige Funktion: Ebenfalls in Zusammenwirkung mit dem E4ORF6 (34 kD) fördert es den Export der späten, für Strukturproteine codierenden mRNA-Spezies, während die zellspezifische mRNA im Kern zurückgehalten wird. E2-Proteine Die Expression der E2-Proteine hängt von der transaktivierenden Funktion der E1A-Proteine ab. Man zählt sie deswegen auch nicht zur Gruppe der immediate early-Gene. Der für die E2-Gene codierende Bereich erstreckt sich über 20 000 Basen in der zentralen
Region des Genoms und kann in zwei Abschnitte, E2A und E2B, eingeteilt werden (䉴 Abbildung 19.20C). Die verschiedenen Produkte werden durch Verwendung unterschiedlicher Spleißsignale aus großen RNA-Vorläufermolekülen herausgeschnitten. Die Produkte der E2-Gene werden für die Replikation der viralen DNA benötigt. Das E2A-Gen codiert für ein Protein (72 kD), das im aminoterminalen Bereich stark phosphoryliert ist und sich an einzelsträngige DNA binden kann. Es lagert sich bei der Replikation der viralen DNA an die Einzelstränge, die durch die Neusynthese aus dem Doppelstrang verdrängt werden, und verhindert, dass diese doppelsträngige Strukturen ausbilden oder von Nucleasen abgebaut werden (䉴 Abbildung 19.22B). In der E2B-Region werden zwei virale Proteine codiert: Es handelt sich um das Vorläuferprotein pTP (80 kD) des an die 5’-Enden des Genoms gebundenen terminalen Proteins (TP 55 kD), das bei der Morphogenese durch eine virale Protease gebildet wird. Das zweite in der E2BRegion codierte Protein ist die virale DNA-Polymerase (140 kD). E3-Proteine Die E3-Region enthält die genetische Information für etliche relativ kleine Proteine, die für den adenoviralen Replikationszyklus nicht essenziell und nicht bei allen Adenoviren konserviert sind. Sie können jedoch den Infektionsverlauf beeinflussen und sind für die Etablierung persistierender Adenovirusinfektionen mitverantwortlich. Auch die E3-Proteine werden von mRNA-Molekülen translatiert, die unter Verwendung alternativer Spleißsignale aus einem größeren Vorläuferprodukt entstehen. Die verschiedenen E3-Produkte haben folgende Funktionen: Ein glycosyliertes 19kD-Protein (E3-gp19K) reduziert die Konzentration von MHC-Klasse-I-Proteinen auf der Oberfläche der infizierten Zelle, indem es deren korrekte Glycosylierung im endoplasmatischen Reticulum und im GolgiApparat verhindert. Diese Membranproteine werden daraufhin nicht mehr zur Zelloberfläche transportiert, und die Zellen können Peptide aus den viralen Proteinen nicht mehr im Komplex mit MHC-Klasse-IAntigenen präsentieren. Der Mangel an MHC-Klasse-IProteinen auf den Zelloberflächen verhindert also, dass die infizierten Zellen von cytotoxischen T-Zellen erkannt und eliminiert werden. Es ist umstritten, ob dieser Prozess an der Etablierung des onkogenen Potenzials der Adenoviren beteiligt ist: Gerade die hochonkogenen humanen Adenoviren A wie HAdV-12 und HAdV-31 verfügen über kein Gen für die Synthese eines E3gp19K-Proteins. Die angesprochene Aktivität des E3/ 19kD-Proteins steht wohl in engem Zusammenhang mit der Fähigkeit der Adenoviren, persistierende Infektionsverläufe zu etablieren.
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19.22 Genomreplikation bei Adenoviren. A: Initiation der DNA-Polymerisation. Das terminale Protein TP liegt nach seiner Synthese als Produkt mit einem Molekulargewicht von 80 kD vor. Unter Abspaltung von Pyrophosphat erfolgt die Veresterung eines dCMPRestes mit der OH-Gruppe eines Serins im TP-Protein. Das TP/80kD-Protein tritt in Wechselwirkung mit den TP/55kD-Proteinen, die an die 5’-Enden des Genoms kovalent gebunden sind. Unter Beteiligung der zellulären DNA-Topoisomerase, der Kernfaktoren NF-I und NF-II und der adenoviralen Polymerase wird ein Initiationskomplex gebildet: Das Cytosin, das an das TP/80kD-Protein gebunden ist, hybridisiert mit dem Guanosinrest am 3’-Ende des Genoms; dadurch wird ein Elternstrang (mit dem kovalent gebundenen 55kD-TP am 5’-Ende) aus dem Doppelstrang verdrängt und komplexiert mit den Einzelstrangbindungsproteinen E2A. Das Cytosin stellt somit ein 3’-OH-Ende zur Verfügung, an das die zum anderen Elternstrang komplementären Basen anpolymerisiert werden. Der Kernfaktor NF-I wird für die folgenden Schritte nicht mehr benötigt.
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.22 (Fortsetzung) B: Elongation und Bildung der Doppelstränge. Wie in der Legende zur Teilabbildung A beschrieben, wird die DNA-Polymerisation durch Anlagerung des Komplexes aus dem TP/80kD-Protein (große rote Punkte) und dCMP initiiert. Der im Verlauf der Polymerisation aus dem DNA-Doppelstrang verdrängte Elternstrang komplexiert mit den E2A-Proteinen (kleine hellrote Punkte), während die Anlagerung komplementärer Nucleotide bis zum Genomende fortgesetzt wird. Danach liegen ein mit E2AProteinen komplexierter DNA-Einzelstrang sowie ein Doppelstrang vor, von dem ein Strang aus dem ursprünglichen Virusgenom übernommen und der Gegenstrang durch Neusynthese ergänzt wurde (semikonservativer Replikationsmodus). Während die doppelsträngige DNA erneut in den beschriebenen Replikationsweg einmünden kann, bilden die Enden des Einzelstranges, die komplementäre, invertierte Basenfolgen besitzen (Abbildung 19.20A, B), eine „Pfannenstielstruktur“ aus. Die als Doppelstrang vorliegenden Genomenden bewirken die Anlagerung eines weiteren Initiationskomplexes. Während der Polymerisationsreaktion werden die an den Einzelstrang gebundenen E2A-Proteine kontinuierlich verdrängt. Am Ende dieser Reaktionsfolgen liegt ein DNA-Doppelstrang vor, der wiederum aus einem Eltern- und einem neusynthetisierten Strang besteht.
Ein weiteres Protein der E3-Gruppe (E3-14,7K) macht die infizierten Zellen unempfindlich für eine durch TNF-α vermittelte Einleitung der Apoptose. Es wirkt damit einer Aktivität des E1A-Proteins entgegen, das die Lyseempfindlichkeit erhöht. Der Proteinkomplex RIP (receptor internalization and degradation) aus Produkten der E3-Region (E3-10,4K oder RIPα und E3-14,5K oder RIPβ) wirkt ebenfalls der TNF-αvermittelten Zelltoxizität entgegen. Er bewirkt die Internalisierung von an die Rezeptoren auf der Zelloberfläche gebundenen Fas-Proteinen (CD95) und ihren Abbau.
Auch veranlasst der RIP-Komplex die Internalisierung von EGF-Rezeptoren (epidermal growth factor) an der Oberfläche. Daneben findet man bei allen Adenoviren mit Ausnahme der humanen Adenoviren F (HAdV-40, -41) ein E3-Gen, das für die Synthese des E3-12,5KProteins codiert. Seine Funktion ist nicht bekannt. Das E3-11,6K-Protein oder E3-ADP (adenovirus death protein) wird bereits früh in großen Konzentrationen, aber vor allem spät während des Infektionszyklus von den humanen Adenoviren Typ C gebildet. Es ist dann an der Lyse der infizierten Zellen und der Freiset-
19.4 Adenoviren
zung der Nachkommenviren beteiligt. Ebenfalls nur die Viren des Typs C produzieren ein E3-6,7K-Protein. Hierbei handelt es sich um ein glycosyliertes Protein, das in die Membranen des endoplasmatischen Reticulums eingelagert und in diesem Kompartiment zurückgehalten wird. Seine Funktion ist unklar. E4-Proteine Die in der E4-Region am rechten Ende des Virusgenoms lokalisierten offenen Leserahmen werden entsprechend ihrer Anordnung als E4-ORF1 bis E4ORF7 bezeichnet (䉴 Abbildung 19.23). Ihre Transkriptionsrichtung ist entgegengesetzt zu derjenigen der E1-, E3- und der späten Gene (䉴 Abbildungen 19.20C und 19.23). Die E4-Gene stehen unter der Kontrolle eines gemeinsamen Promotors, die unterschiedlichen mRNAs werden durch den Einsatz alternativer Spleißprozesse aus einem gemeinsamen Vorläufertranskript gebildet. E4-ORF1: Das Gen für das Protein E4-ORF1 findet sich im Genom aller humanen Adenovirustypen mit Ausnahme von HAdV-40 und -41 (Humanes Adenovirus F) wieder. Bisher konnte die Expression des E4ORF1-Gens allerdings nur in Zellen gezeigt werden, die mit HAdV-9 und HAdV-26 (humanes Adenovirus D) infiziert sind. Das 125 Aminosäuren lange E4-ORF1Protein des HAdV-9 induziert in Nagetieren die Bildung von Brusttumoren; die E1A- und E1B-Proteine des HAdV-9 spielen dabei keine Rolle. Die Funktion des E4ORF1-Proteins ist unklar. Es besitzt Sequenzhomologien zu zellulären UTPasen (dUTP-Pyrophosphatasen) und bindet sich an eine Gruppe von Proteinen, die durch das Vorhandensein von PDZ-Domänen gekennzeichnet sind. Dabei handelt es sich um Scaffolding-Proteine, die Kontakte zwischen membranverankerten und cytoplasmatischen Proteinen vermitteln sowie für die Ausbildung von Zell-zu-Zellkontakten und die Weiterleitung von Signalen wichtig sind. Ob und wie diese potenziellen Funktionen des E4-ORF1-Proteins bei der Tumorbildung in Nagetieren eine Rolle spielen, ist unklar. E4-ORF2: Die Aufgaben des E4-ORF2-Proteins sind bisher unbekannt. Das 136 Aminosäuren lange Protein des HAdV-5 findet sich während der frühen Infektionsphase im Cytoplasma. E4-ORF3: Das Protein des Leserahmens E4-ORF3 (11 kD) stabilisiert zusammen mit dem E4-ORF6-Protein die späten Virustranskripte. Auch interagiert es mit der DNA-abhängigen Proteinkinase, einer Komponente des Systems zur Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen. Möglicherweise wird so die Bildung von Konkatemeren bei der Genomreplikation verhindert und die Synthese monomerer Adenovirusgenome gefördert. Des Weiteren fand man die Wechselwirkung des E4-ORF3 mit dem E1B-Protein (55 kD), dabei reguliert es ähnlich
531
wie das E4-ORF6-Produkt den Transport viraler Transkripte aus dem Zellkern in das Cytoplasma. Auch ist es für das Rearrangement der Kernkörperchen (nuclear bodies) verantwortlich, das man früh nach der Infektion der Zellen findet. Diese Reorganisation ist eine Voraussetzung für eine effiziente Virusreplikation. E4-ORF4: Das Protein des Leserahmens E4-ORF4 (14 kD) bindet sich an verschiedene Formen der regulatorischen Untereinheit der Proteinphosphatase 2A (PP2A). Dieser Komplex beeinflusst das Ausmaß der Phosphorylierung einiger zellulärer Proteine (zum Beispiel c-Fos und AP-1) und der viralen E1A-Proteine. Auch wird die Transkription der E2- und E4-Gene gehemmt. Die Interaktion mit der PP2A ist auch für die Funktion des E4-ORF4-Proteins zur Einleitung apoptotischer Prozesse nötig. Dies erfolgt über einen p53unabhängigen Mechanismus vermutlich durch die Aktivierung der zellulären Caspasen. Während des viralen Infektionszyklus hat das E4-ORF4-Protein die Hauptaufgabe, im Komplex mit der Phosphatase PP2A Mitglieder der SR-Proteinfamilie (Serin-Arginin-reiche Proteine) wie SRp30c und SF2/ASF zu dephosphorylieren. Bei den SR-Proteinen handelt es sich um essenzielle Spleißfaktoren, die unter anderem auch alternative RNA-Spleißereignisse regulieren. Sie werden beim Spleißen viraler Transkripte benötigt, die von der L1-Genregion abgelesen werden. Während initial ausschließlich die mRNA für die Synthese des L1-Proteins 52/55K aus dem Vorläufertranskript gebildet wird, erfolgen später alternative Spleißprozesse, die zur Herstellung der mRNA führen, von der das pentonassoziierte Protein IIIa translatiert wird. In ihrer phosphorylierten Version wirken die SR-Proteine als Repressoren und verhindern das Spleißen zur Bildung der IIIa mRNA. Die E4-ORF4/ PP2A-induzierte Dephosphorylierung der Spleißfaktoren hebt die Repressorfunktion auf. E4-ORF6: Eines der viralen Proteine, die in der E4Region codiert werden, wurde schon kurz bei der Besprechung der Funktionen des großen E1B-Proteins (55 kD) erwähnt. Das E4-ORF6-Protein (34 kD) gilt neben dem E1A- und dem E1B-Protein (55 kD) als drittes Onkogen der Adenoviren. Es handelt sich um ein Zn2+-Ionen bindendes frühes Genprodukt, das sich ähnlich wie das E1B-Protein an das zelluläre Protein p53 bindet. Die Wechselwirkung der beiden Proteine erfolgt unabhängig voneinander an unterschiedlichen Domänen des p53: Während das E1B-Protein mit der aminoterminalen Domäne des p53 interagiert, bindet sich das E4-ORF6 an eine carboxyterminale Region. Dadurch wird das p53 auf noch unbekanntem Weg dem Proteasomenabbau zugeführt. Seine Funktionen, die Expression bestimmter zellulärer Gene einzuleiten, die für die Regulierung des Zellzyklus und Induktion der Apoptose
19
19
532
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
IX
Major Late
E1 ITR
L1
L2
L3
L5 E3
VA 5 IVa2
10
15
20
E2B
32500
L4
25
30
E2A
33000
34000
ITR 35938
35000
2 3 4 6 6
ITR
E4
1
7
35
spät
Bp
Translation
E4-ORF1
früh
E4-ORF2
früh
E4-ORF3
früh
E4-ORF4
früh
E4-ORF6
spät
E4-ORF6/7
19.23 Die Hauptprodukte der E4-Region des HAdV-5. Oberer Teil: Übersicht zur Lage der E4-Region auf dem Genom des Adenovirus Typ 5. Unterer Teil: Haupttranskripte der E4-Region, der Zeitpunkt ihrer Synthese, die Lage der offenen Leserahmen, Introns und Exons und die von ihnen translatierten Proteine E4-ORF1 bis E4-ORF6/7.
notwendig sind, gehen hierdurch verloren. Das E4ORF6 Protein verstärkt so die E1A- und E1B-vermittelte Zelltransformation. Daneben fördert es in Wechselwirkung mit dem E1B-Protein den Transport später viraler mRNA-Spezies aus dem Zellkern in das Cytoplasma und hemmt gleichzeitig denjenigen der zellulären Transkripte. Hierdurch nimmt die Stoffwechselaktivität der Zelle mit fortschreitender Virusreplikation ab. E4-ORF6/7: Dieses Protein wird von einer alternativ gespleißten mRNA der E4-Region translatiert, in welcher der ORF6 mit dem ORF7 verbunden wird. Beim HAdV-5 entsteht hierdurch ein 17 kD großes Fusionsprotein, dessen aminoterminaler Abschnitt den 58 Aminosäuren des E6-Proteins entspricht, die mit 92 Resten des E7-Leserahmens kombiniert werden. Das E4ORF6/7-Protein ergänzt die Transaktivatorfunktionen des E1A-Proteins und reguliert somit die Expression der viralen und zellulären Gene, die von den E2F-Faktoren kontrolliert werden. Es wirkt dabei stabilisierend auf die Komplexbildung zwischen den E2F-Transkriptionsfaktoren und den Promotorsequenzen.
Späte Proteine Die späten Virusproteine sind überwiegend Strukturproteine; jedoch findet man im Bereich der L-Gene auch Nichtstrukturproteine. Zu letzteren zählen einige Cha-
perone, die bei der Virusmorphogenese aktiv sind und die Verpackung der Genome in die Partikelvorläufer fördern (䉴 Tabelle 19.13). Spät im Verlauf der Infektion werden auch noch einige der frühen Proteine gebildet, so vor allem das in der E2A-Region codierte Polypeptid E2A, das sich an einzelsträngige DNA bindet. Die späten Proteine werden mit Ausnahme des hexonassoziierten Proteins IX von Nucleinsäuresequenzen codiert, die 80 Prozent des Genoms überspannen. Nur ein spätes Gen befindet sich im Bereich der E1B-Gene und codiert für das Protein IX; es wird unter Verwendung eines anderen Leserasters von der mRNA translatiert (䉴 Abbildung 19.21). Die Strukturproteine werden von mRNA-Molekülen translatiert, die aus einem großen, mehr als 30 000 Basen langen Vorläufertranskript herausgespleißt werden. Die Synthese dieses mRNA-Vorläufers steht unter der Kontrolle des major late promotor (MLP). Alle reifen mRNASpezies beginnen mit einer identischen, nicht für ein Protein codierenden RNA-Sequenz als Leader, die aus drei kurzen, über Spleißen zusammengefügten RNAFragmenten besteht (䉴 Abbildung 19.20C). Daran schließen sich die unterschiedlichen, für die verschiedenen viralen Strukturproteine codierenden Sequenzen an. Einige der Strukturproteine (IV, VI, VII, VIII, Mu) werden als größere Vorläuferproteine gebildet und entstehen erst beim geordneten Zusammenbau der Einzel-
19.4 Adenoviren
533
Tabelle 19.13 Eigenschaften und Funktionen ausgewählter Proteine der Mastadenoviren Proteine/ Codierungsbereich
Molekulargewicht
Modifikation
Funktion
1. 40 kD 289 AS
phosphoryliert
2. 26 kD 243 AS
phosphoryliert
sehr frühes Protein; Transaktivator, Zinkfingermotiv, Bindung an TFIID; Bindung an Histon-Acetyltransferasen; Bindung an Tumorsuppressorproteine RB105, p107, p130, Immortalisierung; Transformation zusammen mit E1B, fördert Eintritt in die S-Phase des Zellzyklus sehr frühes Protein; Transrepressor; Bindung an RB105, Immortalisierung; Transformation zusammen mit E1B fördert Eintritt in die S-Phase des Zellzyklus
1. 55 kD 496 AS
phosphoryliert
2. 19 kD 176 AS
phosphoryliert
E2A
72 kD
phosphoryliert
E2B
80 kD
E3-gp19K
19 kD
E3-14,7K
14,7 kD
Verringerung der Empfindlichkeit für TNF-α-vermittelte Apoptose
E3-10,4K (RIP-α) E3-14,5K (RIP-β)
10,4 kD 14,5 kD
die Proteine RIP-α und RIP-β binden sich zusammen an EGF-Rezeptoren und an Fas-/TNF-Rezeptorkomplexe und bewirken die Internalisierung und den Abbau der Rezeptoren
E3-12,5K
12,5 kD
Funktion unbekannt, fehlt bei Ad40 und Ad41
E3-11,6K (E3-ADP)
11,6 kD
E3-6,7K
6,7 K
E4-ORF1
125 AS
Induktion von Mammatumoren bei Ad9-infizierten Ratten
E4-ORF2
17 kD/136 AS
cytoplasmatisches Protein; Funktion unbekannt
E4-ORF3
11 kD
wirkt zusammen mit E4-ORF6 und E1B/55kD bei der Regulation des mRNA Transports
E4-ORF4
14 kD
bindet an Proteinphosphatase PP2A, beeinflusst Phosphorylierung zellulärer und viraler Proteine, wirkt so regulierend auf die Transkription zellulärer und viraler Proteine
E4-ORF6
34 kD
Interaktion mit E1B/55kD und Abbau von p53, Regulation des mRNA-Transports vom Kern in das Cytoplasma, Zn2+-Bindung
E4-ORF6/7
17 kD
stabilisiert die Bindung von E2F-Faktoren an die Promotorregion; ergänzt die E1A-Proteine funktionell
E-Bereich E1A
E1B
sehr frühes Protein; zusammen mit E4ORF6/34kD: bewirkt SUMOylierung und Abbau von p53, zusammen mit E1A: Transformation der Zelle; Regulation des RNA-Transports sehr frühes Protein; Inhibitor der Apoptose; aktiv bei DNASynthese; reduziert das Auftreten cytopathischer Effekte; teilweise membranassoziiert bindet sich an einzelsträngige DNA; aktiv bei DNA-Replikation Vorläuferprotein (pTP) des terminalen Proteins; (TP, 55 kD), TP ist kovalent an 5’-Enden des Genoms gebunden, wirkt als Primer bei der Initiation der DNA-Synthese DNA-Polymerase
40 kD glycosyliert
Verringerung von MHC-Klasse-I-Proteinen auf der Zelloberfläche
Adenovirus-Death-Protein, bewirkt Zelllyse glycosyliert
Funktion unbekannt; in ER-Membran eingelagert
L-Bereich/Strukturproteine L3, Protein II
120 kD
L2, Protein III
80 kD
L1, Protein IIIa
66 kD
phosphoryliert
L5, Protein IV
62 kD
O-glycosyliert
Hexonprotein, im Capsomer als Trimer; induziert Bildung speziesspezifischer Antikörper Pentonbasis, Homopentamer, Teil des Pentons, Wechselwirkung mit Integrin αvβ3,5; induziert Bildung speziesspezifischer, neutralisierender Antikörper assoziiert mit Pentonbasis, Hexon und Protein VI Fiberprotein, Homotrimer, Teil des Pentons, Wechselwirkung mit CAR, CD46 bzw. Sialylsäure induziert Bildung serotypspezifischer, neutralisierender Antikörper
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.13 (Fortsetzung) Proteine/ Codierungsbereich
Molekulargewicht
Modifikation
Funktion
L-Bereich/Strukturproteine Protein IVa2
50 kD
multimeres Strukturprotein, assoziiert mit Virusgenom, beteiligt an der Verpackung der Genome in die neu gebildeten Capsidvorläufer; Chaperon?
L2, Protein V
48,5 kD
L3, Protein VI
55 kD
assoziiert mit Hexon und Protein V, bildet Dimere, die ihrerseits zu Trimeren interagieren, an der Innenseite der Capside lokalisiert, fördert die Entlassung der Viruspartikel aus Endosomen nach Aufnahme der Viruspartikel in die Zelle, C-terminales Peptid wird von Protease Adenain abgespalten, dadurch Aktivierung der Protease
L3, Protease (Adenain)
23 kD
papainähnliche Cysteinprotease, Spaltung der Vorläuferproteine pTP zu TP, pX zu Mu, pIIIa zu IIIa, pVI zu VI, pVII zu VII, pVIII zu VIII, notwendig für die Infektiosität der Virionen
L2, Protein VII
18,5 kD
Nucleocapsidkomponente; argininreich, mit dem DNA-Genom assoziiert, beteiligt am Transport des Virusgenoms zu den Kernporen und in den Zellkern
L4, Protein VIII
13 kD
hexonassoziiertes Strukturprotein; an der Innenseite der Capside lokalisiert, stabilisiert Hexoninteraktion
E1B, Protein IX
11,5 kD
hexonassoziiertes Strukturprotein; lokalisiert an der Außenseite der Capside, an den Kontaktstellen der Hexoncapsomere, stabilisiert die Hexone
L2, Protein X
7 kD
proteolytische Spaltung des pX durch Adenain ergibt Protein Mu, Mu: basisches Protein, 36 Aminosäuren, protaminähnlich
phosphoryliert
Nucleocapsidkomponente, interagiert mit dem Genom und der Innenseite der Capside
L-Bereich/Nichtstrukturproteine Protein L1, 52/55K
46 kD
beteiligt an der Verpackung der Genome in neu gebildete Capsidvorläufer
Protein L1, 16,6K
16,6 kD
Protein L4, 100K
100 kD
Funktion unklar
Protein L4, 33K
33 kD
spätes Nichtstrukturprotein; Chaperon, aktiv bei Morphogenese und Verpackung des Genoms, im Komplex mit Protein IVa2 beteiligt an der Regulierung der Aktivität des MLP (major late promotor)
Protein L4, 22K
22 kD
beteiligt an der Verpackung der Genome in neu gebildete Capsidvorläufer
methyliert
spätes Nichtstrukturprotein; Chaperon, aktiv bei Hexonassembly, aktiv bei Regulierung der Translation später mRNAs
komponenten zur Vorläufercapsiden, indem sie durch die virale Protease Adenain (23 kD) gespalten werden. Diese 201 bis 214 Aminosäuren umfassende papainähnliche Cysteinprotease ist mit den Innenseiten der Capside assoziiert, sie enthält viele basische Aminosäuren. Die Protease wird durch die nichtkovalente Wechselwirkung mit der Virus-DNA und mit einem elf Aminosäu-
ren langen Peptid (VIc) aktiviert, das sie vom carboxyterminalen Ende des Proteins VI abspaltet. Das Adenain ist für die Reifung der im Infektionsverlauf gebildeten Nachkommenviren und ihre Infektiosität notwendig. Einen Überblick zu den Eigenschaften und Funktionen der verschiedenen Proteine gibt 䉴 Tabelle 19.13.
19.4 Adenoviren
19.4.4 Adenovirusassoziierte RNA (VA-RNA I und II) Das Adenovirusgenom enthält neben der Information für die verschiedenen frühen und späten Proteine Gene für kleine, nicht für Protein codierende RNA-Moleküle, die virusassoziierten RNA-Spezies VA-I und VA-II. Sie sind etwa 160 Nucleotide lang, werden von der zellulären RNA-Polymerase III transkribiert und haben einen hohen GC-Gehalt sowie eine ausgeprägte Sekundärstruktur. Die VA-RNA-Gene liegen in Regionen, die für die späten Produkte codieren. Die in Mengen von mehr als 108 Kopien pro Zelle produzierte VA-RNA I hemmt die Aktivität der zellulären Proteinkinase PKR (double stranded RNA-activated protein kinase). Die PCR-Kinase inaktiviert den Translationselongationsfaktor eIF2a durch Phosphorylierung. Ist eIF2α inaktiv, so bricht die Bildung der entstehenden Aminosäureketten an den Ribosomen ab. Dieser Mechanismus zur Inhibierung der Proteinsynthese wird durch doppelsträngige RNA und Klasse-I-Interferone (IFN-α, IFN-β) induziert, welche die Proteinkinase PKR aktivieren (䉴 Kapitel 8). Doppelsträngige RNA-Moleküle bilden sich während des viralen Replikationszyklus aus, weil große Abschnitte von beiden Genomsträngen transkribiert werden und große mRNA-Vorläufer entstehen. Diese dsRNA-Moleküle können die PKR und damit die vor diesem Enzym eingeleiteten Abwehrreaktionen wie die Phosphorylierung des eIF2α induzieren. Die großen Mengen der VA-RNA I wirken diesem Mechanismus entgegen, indem sie sich kompetitiv an die Proteinkinase PKR binden und sie hemmen. Das ermöglicht die Translation der viralen Polypeptide. Außerdem fand man, dass die VA-RNA I und II spät im Infektionszyklus die durch RNA-Interferenz ausgelösten Regulationsvorgänge blockieren. Sowohl die VARNA I wie auch die VA-RNA II wird durch die dsRNase Dicer (to dice = in Würfel schneiden) in kleine RNAMoleküle von 21 bis 23 Basen Länge gespalten. Diese sogenannten mivaRNAs (VA-RNA-derived microRNA) assoziieren mit RISC (RNA-induced silencing complex) und hemmen dessen Funktion. An RISC binden sich normalerweise miRNAs (microRNA). Dabei handelt es sich um kurze, nichtcodierende dsRNA-Moleküle, die in einem mehrstufigen Prozess unter Beteiligung der nucleären RNase Drosha entstehen. Der Kernexportrezeptor Exportin-5 bewirkt den Transport der Moleküle in das Cytoplasma; dort erfolgen die finalen Prozessierungen zu miRNAs durch Dicer. Gebunden an RISC lagern sich die miRNAs an komplementäre Sequenzen in mRNA-Molekülen an. Bei vollständiger Komplementarität induziert das den Abbau der mRNA; ist die
535
Erkennungssequenz in der mRNA nicht exakt komplementär zur miRNA, dann wird die Translation gehemmt. In den virusinfizierten Zellen kompetieren die großen Mengen der mivaRNAs mit den zellulären miRNAs um die Interaktion mit RISC und hemmen so die durch RNA-Interferenz ausgelösten Regulationsschritte.
19.4.5 Replikation Adenoviren infizieren ein großes Spektrum unterschiedlicher Zellen. Sie können in vitro problemlos in menschlichen Tumorzelllinien (HeLa, KB) in hohen Konzentrationen vermehrt werden. In vivo infiziert das Virus bevorzugt Epithelzellen des Hals-, Nasen- und Rachenraumes, der Lunge und des Verdauungstraktes. Die humanen Adenoviren A, C, E, F und auch das CELO-Virus aus der Gruppe der tierpathogenen Aviadenoviren binden sich dabei über die knöpfchenförmigen Strukturen am Ende der Fiberproteine an den sogenannten Rezeptor CAR (Coxsackie- and Adenovirusrezeptor; 䉴 Tabelle 19.12). Hierbei handelt es sich um ein Mitglied der Immunglobulinsuperfamilie, das als Oberflächenprotein von polarisierten Epithelzellen an der Bildung der tight junctions beteiligt ist. Dieses Protein wird auch von Coxsackieviren der Subgruppe B (䉴 Abschnitt 14.1.4) als Rezeptor verwendet. Gegen diese Proteinbereiche der Fiberproteine, die an der CAR-Bindung beteiligt sind, werden neutralisierende Antikörper gebildet. Die Vertreter der HAdV-B benutzen ein anderes Zellprotein für die Adsorption, nämlich das Oberflächenprotein CD46, ein Regulator der Komplementaktivierung. Es schützt gesunde Zellen vor der Komplementwirkung, indem es die Spaltung der an der Zelloberfläche gebundenen Komplementkomponenten bewirkt. CD46 wird auch von den attenuierten Masernimpfviren sowie vom humanen Herpesvirus 6 als zellulärer Rezeptor verwendet (䉴 Abschnitte 15.3 und 19.5). Zudem können die Adenoviren der Spezies HAdV-B auch die mit CD46 verwandten Proteine CD80 und CD86 als zelluläre Rezeptoren verwenden. Die Vertreter der Spezies D der humanen Adenoviren binden sich über die Knöpfchen der Fiberproteine, die bei diesen Serotypen eine hohe Dichte an positiv geladenen Aminosäureresten aufweisen, an Sialylsäuren. Dabei handelt es sich um endständige N-Acetyl-Neuraminsäuren von Zuckergruppen, die man als Modifikation von Zelloberflächenkomponenten findet. Außer diesen Interaktionen fand man bei einigen Adenovirustypen, dass sie mit weiteren Zelloberflächenkomponenten wie MHCKlasse-I-Proteinen und VCAM-1 wechselwirken.
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536
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Zusätzlich zu diesen direkten Interaktionen zwischen den viralen Fiberproteinen und Zelloberflächenkomponenten können sich die Viren mittels einiger löslicher Proteine im Blut, in der Tränenflüssigkeit und in der Mucosa des Lungenepithels an die Partikeloberfläche binden. Diese Komponenten wirken als „Brückenmoleküle“ und vermitteln den Viren indirekt die Wechselwirkung mit bestimmten Zelltypen. So lagern sich die Blutgerinnungsfaktoren VII, X und auch die Komplement C4 bindenden Proteine an die Fiberproteine der humanen Adenoviren A, B, C und D an. In der Leber interagieren die Komplexe mit Heparansulfate-Proteoglycanstrukturen oder mit den Low density-Lipoproteinrezeptoren auf der Hepatocytenoberfläche und bewirken die Aufnahme der Viren. Ähnliches gilt für Dipalmitoyl-Phosphatiylcholin (DPPC), ein Hauptbestandteil der Phospholipide in der Lunge. Das DPPC bindet sich an die Hexonproteine auf der Oberfläche der humanen Adenoviren C und vermittelt die Interaktion mit den Alveolarepithelzellen Typ II. Bei Infektionen der Atemwege wird den Adenoviren so der Zugang zu den Zellen des Lungenepithels ermöglicht. In analoger Weise kann auch Lactoferrin, ein in der Tränenflüssigkeit und der Lungenmucosa vorkommendes Molekül der unspezifischen Immunabwehr, mit der Oberfläche von Adenoviren der Spezies HAdV-C wechselwirken und über die Bindung an den Lactoferrin-Rezeptor die Infektion von Bindehaut- und Lungenepithelzellen vermitteln. Für die Internalisierung der an die Zelloberfläche gebundenen Viren muss im nächsten Schritt die Wechselwirkung der Pentonbasisproteine mit den heterodimeren Integrinen αvβ3 oder αvβ5 erfolgen, die als Corezeptoren genutzt werden. Dieser Vorgang ist von einem RGD-Motiv (Arginin-Glycin-Asparaginsäure) in der Aminosäuresequenz der Pentonbasisproteine abhängig, über das alle Adenoviren mit Ausnahme von HAdV-40 und -41 (Spezies HAdV-F) verfügen. Letztere werden vermutlich aufgrund der fehlenden Bindung an die als Corezeptoren wirkenden Integrine wesentlich langsamer von den Zellen aufgenommen. Für die gleichzeitige Interaktion der Fiberknöpfchen und der Pentonbasis mit unterschiedlichen Zellrezeptoren müssen insbesondere bei den Adenovirustypen mit langen Fiberschäften sterische Einschränkungen überwunden werden; die Fiberschäfte benötigen hierfür eine ausreichende Flexibilität. Durch die Wechselwirkung der Pentonbasisproteine mit den Integrinen wird die Phosphatidylinositol3-OH-Kinase (PI3K) aktiviert. Die von diesem Enzym produzierten Phospholipide wirken als second messenger und beeinflussen eine Reihe von biologischen Vorgängen, darunter die Aktivierung der kleinen GTPasen Rho und Ras und daraus folgend die Reorganisation der Actinfilamente in der Zelle. Man konnte zeigen, dass die
Endocytose der Adenoviren von den GTPasen der RhoFamilie wie Rab5, Rac1, CDC42 oder RhoA reguliert wird. Nach der ersten Kontaktaufnahme mit der Zelloberfläche bewegen sich die Rezeptoren mit dem gebundenen Virus zu clathrinreichen Regionen in der Cytoplasmamembran, die endocytotische Vesikel bilden und mit den umschlossenen Viren in das Cytoplasma gelangen. In den Endosomen erfolgt eine Ansäuerung. Dies verändert die Konformation der Proteine VI, die mit den Pentonbasisproteinen und den Polypeptiden IIIa assoziiert sind. Als Folge werden die Proteine VI von den Partikeln abgegeben und leiten die Zerstörung der Endosomenmembran ein; funktionell aktiv ist dabei eine amphipathische α-Helix am aminoterminalen Ende des Proteins VI, das sich vermutlich in die Membran der Endosomen einlagert und sie lysiert. Die Viruspartikel werden unter Verlust der Pentonbasisproteine sowie der mit der Pentonbasis benachbarten Hexone, der Fiberproteine und der Proteine IIIa ins Cytoplasma freigesetzt. Danach bindet sich das Restpartikel über die verbliebenen Hexonproteine an die Dyneinproteine der Mikrotubuli und wird unter Mitwirkung der Kerntransportsignale der Proteine VII zu den Kernporen transportiert. Der virale DNA-Proteinkomplex gelangt in den Kern und die leeren Restcapside bleiben im Cytoplasma zurück. Im Zellkern erfolgen die Transkription der viralen Gene und die Neusynthese der DNA. Dieser Prozess kann grob in vier Schritte eingeteilt werden, wobei der regulierte, korrekte Ablauf eines jeden Schrittes für den nachfolgenden unerlässlich ist: 1. Transkription der frühen Gene, Synthese der frühen Proteine 2. DNA-Replikation 3. Transkription der späten Gene, Synthese der späten Proteine 4. Morphogenese Als Erstes transkribiert die zelluläre RNA-Polymerase II die E1A- und E1B-Gene (䉴 Abbildung 19.21). Auch die Modifizierung der 5’-Enden mit Cap-Gruppen und die Polyadenylierung wird von zellulären Enzymen vorgenommen. Die Produkte der E1A- und E1B-Gene sind für den weiteren Ablauf des Infektionszyklus unerlässlich, da die Transaktivatorwirkung des E1A-Proteins für die Induktion der Transkription der E2-, E3- und E4Gene benötigt wird. Das E1A-Protein aktiviert zelluläre, transaktive, DNA-bindende Proteine, die sogenannten E2F- und E4F-Faktoren. Deren Bezeichnung leitet sich von der frühen adenoviralen Gengruppe E2 beziehungsweise E4 ab, die sie beeinflussen. Da diese Zellfaktoren normalerweise die Transkription verschiedener Wirtsgene regulieren, werden auch diese während der frühen
19.4 Adenoviren
537
q Die Bindung der Adenoviren an den Rezeptor CAR – ein Artefakt aus der Zellkultur? Bei Untersuchungen des viralen Replikationszyklus wurde die Nutzung des Zelloberflächenproteins CAR als Rezeptor für die Adsorption vieler Serotypen der humanen und tierischen Adenoviren erstmals beschrieben. Es handelte sich hierbei um Versuche im Zellkultursystem. In diesem Fall ist CAR auf der ganzen Zelloberfläche gleichmäßig verteilt und die Daten, die eine Interaktion der Fiberproteine mit diesem Zelloberflächenprotein demonstrieren, sind unstrittig. Bei
Infektionsphase aktiviert. Die Produkte der E2-Gene werden anschließend für die Vermehrung des viralen Genoms benötigt. Die eigentliche Replikation des viralen Genoms erfolgt semikonservativ ohne die Synthese von DNA in Okazaki-Fragmenten. Dieser Prozess beginnt mit der Veresterung eines dCMP-Moleküls mit der β-Hydroxylgruppe eines Serinrestes des terminalen Proteinvorläufers pTP (80 kD) (䉴 Abbildung 19.22A). Der dCMP-pTP-Komplex hat eine hohe Affinität zur viralen DNA-Polymerase und interagiert mit den TP-Komponenten, die kovalent an die 5’-Enden des Genoms gebunden sind. Der so entstandene Komplex wirkt über die 3’-OH-Gruppe der Desoxyribose des dCMP als Primer für die Initiation der DNA-Synthese. Hierzu sind zusätzlich die Aktivitäten der zellulären Kernfaktoren NF-I und NF-II erforderlich. NF-II ist eine DNA-Topoisomerase I. Im weiteren Verlauf wird der DNA-Altstrang mit dem am 5’-Ende gebundenen TP-Protein verdrängt, und die Elongation des Neustranges erfolgt durch kontinuierliches Anpolymerisieren von Nucleotiden an den Initiationskomplex (䉴 Abbildung 19.22B). Dabei ist auch die Topoisomerase-I-Aktivität des Kernfaktors NFII nötig. Der verdrängte DNA-Einzelstrang wird kontinuierlich mit E2A-Proteinen komplexiert, die verhindern, dass zelluläre Nucleasen das Molekül abbauen. Vermutlich hybridisieren die invertierten Sequenzwiederholungen an den Enden des verdrängten Stranges miteinander und bilden einen Doppelstrang aus, der den Enden eines Adenovirusgenoms sehr stark ähnelt. Das löst die Anlagerung neuer Initiationskomplexe aus dCMP-pTP/adenoviraler DNA-Polymerase/NF-I/NF-II und den erneuten Beginn der Polymerisation aus. Im Verlauf der Elongation wird der „Pfannenstiel“ aufgelöst, die an den Einzelstrang gebundenen Proteine werden verdrängt, und der Einzelstrang dient als Matrize
polarisierten Epithelzellen, die von Adenoviren in vivo als Zielzellen verwendet werden, befindet sich das Protein CAR jedoch nicht auf der zugänglichen Seite, sondern als Teil der tight junctions an den Zell-Zellkontakten. Deswegen mehren sich heute die Daten, dass die Adenoviren in vivo nicht das Protein CAR, sondern andere Zelloberflächenstrukturen als Rezeptoren verwenden.
für die kontinuierliche Synthese des Doppelstranges (䉴 Abbildung 19.22B). Die Spaltung des terminalen Vorläuferproteins pTP in das TP/55 kD, das mit dem Genom infektiöser Adenoviren komplexiert ist, erfolgt durch die proteolytische Aktivität des Adenains (23 kD) erst nach Beendigung der Replikation. Nach der Genomvermehrung ändert sich das virale Transkriptionsmuster: Die meisten der frühen Gene werden nicht mehr transkribiert. Dafür werden die späten Genombereiche aktiviert und die mRNA-Spezies für die viralen Strukturproteine gebildet. An dem Umschaltvorgang ist der Proteinkomplex E1B/55kD und E4/34kD beteiligt, der den Export der späten viralen mRNA-Spezies in das Cytoplasma fördert. Die zelluläre Proteinsynthese wird gestört. Verantwortlich ist hierfür vermutlich ein spätes Virusprotein, das die Phosphorylierung des p20 des Cap-Binding-Komplexes inhibiert. Das verhindert die Bindung des Komplexes an zelluläre mRNAs, während die späten viralen Transkripte durch bestimmte Sequenzen ihrer Leader-Region davon nicht betroffen sind. Die ersten Prozesse der Morphogenese finden im Cytoplasma statt: Aus den Hexon-, Pentonbasis- und Fiberproteinen entstehen die Capsomere. Hierzu sind Proteinfaltungskatalysatoren (Chaperone) erforderlich, die zum Teil vom Virus selbst codiert werden und zum Teil aus der Zelle stammen. Für die Trimerisierung der Hexonproteine sind zum Beispiel drei späte virale Produkte mit Molekulargewichten von 100 kD, 50 kD (pIVa2) und 33 kD nötig, die in miteinander überlappenden Leserahmen in der L4-Region der späten Gene codiert werden. Sie interagieren mit den Hexonproteinen und katalysieren die Bildung der Hexoncapsomere. In den freigesetzten Partikeln sind die Faltungshelfer nicht enthalten. Wie die Capsomere anschließend in den Kern transportiert werden, ist nicht bekannt. Jeweils neun Hexone bilden hier die Vorstufen der Ikosaederseiten, aus denen dann mit den Pentonen
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eine Vorläuferform des Capsids entsteht. In dieses Vorcapsid werden die viralen Nucleoproteine V und VII eingeschleust, die vermutlich erst im sich bildenden Partikel mit dem Genom interagieren. Das virale dsDNAGenom gelangt über eine der Ecken in das Innere des Vorcapsids. Es ist dabei nur mit den pTP-Proteinen an den Enden komplexiert, deren proteolytische Spaltung in TP erst nach der Verpackung der Genome erfolgt. In der Spätphase der Infektion erfolgt die Induktion der Apoptose und die Zellen sterben ab. Dabei werden die Virionen freigesetzt.
19.4.6 Humanpathogene Adenoviren Das humane Adenovirus Einteilung, Epidemiologie und Übertragung Die verschiedenen humanen Adenoviren zeichnen sich durch unterschiedliche Infektionsformen, Organtropismen und Symptome aus (䉴 Tabelle 19.12); sie werden auch aufgrund dieser Merkmale in verschiedene Spezies (A bis F beziehungsweise G) eingeteilt. Infektionen mit den Serotypen der Spezies A (HAdV-12, -18, -31) sind selten und wurden vor allem bei Kindern mit Infektionen des Gastrointestinaltraktes gefunden. HAdV-3 und 7 gehören zur Subspezies B1. Sie treten hauptsächlich während des Winterhalbjahres epidemisch auf und sind weltweit mit am häufigsten bei Patienten, die unter Erkältungen leiden. Ausbrüche von HAdV-7Infektionen wurden öfter bei Angehörigen des US-Militärs diagnostiziert. Die Serotypen HAdV-11, -34 und -35 der Subspezies B2 verursachen zusätzlich vor allem bei immunsupprimierten Patienten persistierende Infektionen der Nieren und lassen sich aus dem Urin von Erkrankten isolieren. Die Serotypen HAdV-1, -2, -5 und -6 der Spezies C sowie der Serotyp HAdV-3 der Spezies B sind endemisch verbreitet. Sie verursachen vor allem bei Kleinkindern Infektionen des Respirationstraktes. Die Virusspezies D umfasst viele Serotypen. Sie sind für die Keratokonjunktivitis verantwortlich, die – bekannt als Schwimmbad-Bindehautentzündung – vor allem während der Sommermonate auftritt. Die Typen HAdV-42 bis HAdV-51 wurden während der vergangenen Jahre nur aus AIDS-Patienten isoliert, die infolge der Immunsuppression Lungenentzündungen entwickelt hatten. HAdV-4 als Vertreter des Subgenus E wurde insbesondere bei Rekruten in den USA isoliert, die an epidemisch auftretenden Erkrankungen des Respirationstraktes litten. HAdV-40 und -41 sind bisher die einzigen bekann-
ten Vertreter der Spezies F. Sie sind weltweit verbreitet und verursachen vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern gastrointestinale Infektionen mit Durchfällen. Über das HAdV-52 gibt es nur sehr wenige Daten; es wird über eine gesonderte Einteilung in die neue Spezies G diskutiert. Außer diesen klassischen Spezies der Adenoviren wurden in jüngster Zeit wiederholt Virusrekombinatioen gefunden, deren Genome aus Abschnitten unterschiedlicher Spezies zusammengesetzt sind; diese HAdV-Rekombinanten weisen häufig eine hohe Virulenz auf. Die Übertragung der Viren erfolgt gewöhnlich durch Aerosole oder kontaminierte Gegenstände und Flüssigkeiten. Die in den Sommermonaten gehäuft auftretende infektiöse Entzündung der Augenbinde- und -hornhaut (Keratokonjunktivitis) wird in Schwimmbädern durch Wasser übertragen, das mit Adenoviren kontaminiert ist. In Gegenden mit schlechten hygienischen Verhältnissen, aber auch in Kinderkliniken und innerhalb von Familien können Adenoviren in Verbindung mit Infektionen des Gastrointestinaltraktes auch fäkal-oral übertragen werden. Oft persistieren Adenoviren nach der Infektion jahrelang in den Tonsillen und werden intermittierend über den Speichel ausgeschieden. Bei immunsupprimierten Patienten ist die Virusausscheidung verstärkt.
Klinik 50 Prozent der Adenovirusinfektionen verlaufen asymptomatisch. Bei Infektionen des Respirationstraktes beträgt die Inkubationszeit etwa sechs Tage. Die ersten Anzeichen sind eine Konjunktivitis mit anschließendem Fieber und Halsschmerzen. Die erkältungsähnlichen Symptome werden häufig von Erbrechen und Durchfällen begleitet. Nach einer Woche klingen die Beschwerden meist wieder ab. Epidemisch auftretende Infektionen mit den Virustypen HAdV-3, -4, -7 und -21 können in Bronchitis/Bronchiolitis- und Lungenentzündungen übergehen. Bei Kindern im Alter von unter fünf Jahren verlaufen die Infektionen meist schwerer als bei Erwachsenen; in dieser Altersgruppe sind etwa zehn Prozent der Lungenentzündungen kausal mit Adenovirusinfektionen verbunden. Adenovirusinfektionen des Gastrointestinaltraktes können sich mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen äußern. Auch hier beträgt die Inkubationszeit etwa eine Woche, die Symptome können neun bis zwölf Tage andauern. Die Keratokonjunktivitis tritt zusammen mit erkältungsähnlichen Symptomen auf. Die Inkubationszeit beträgt gewöhnlich zwischen sechs und neun Tagen. Die Symptome – tränende, schmerzende Augen, Lichtempfindlichkeit und Hornhauterosionen – können bis
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zu sechs Wochen andauern. Die durch Adenoviren verursachte Form der Keratokonjunktivitis verläuft meist ohne bleibende Folgen. In seltenen Fällen konnten Adenoviren mit akuter Blasenentzündung, Meningoencephalitis oder nekrotisierender Enterocolitis in Verbindung gebracht werden. Bei immunsupprimierten Patienten (vor allem Empfänger von soliden Organen und Knochenmarkstransplantierte), bei denen das Immunsystem durch die Immunsuppression nicht voll funktionsfähig ist, können Adenoviren persistierende Infektionen mit Durchfällen, Nierenentzündungen, Hepatitiden sowie schwere, lebensgefährliche Lungenentzündungen oder Meningoencephalitiden hervorrufen. Vor allem bei immunsupprimierten Kindern findet man schwere Infektionsverläufe, die häufig letal enden. Dies gilt auch für Kinder unter Cytostatikabehandlung, bei denen die Infektionen disseminiert verlaufen; im Blut sind sehr hohe Mengen von Adenovirus (über 109 Partikel/ml Blut) nachweisbar.
Pathogenese Symptomatische Infektion beim Menschen Adenoviren gelangen meist über die Atemwege in den Organismus. Sie infizieren bevorzugt Epithelzellen des Pharynx, des Dünndarmes sowie die Konjunktivalzellen und replizieren sich dort. Eine virämische Ausbreitung im Organismus lässt sich selten, meist nur in immunsupprimierten Patienten beobachten. Die Proteinsynthese und die Prozessierung zellulärer RNA-Spezies werden im Verlauf der Infektion fast vollständig gehemmt und die infizierten Zellen sterben ab. In den Zellkernen können basophile Einschlusskörperchen nachgewiesen werden. Da man in diesen Regionen elektronenmikroskopisch parakristalline Ansammlungen von Capsiden und Capsidproteinen beobachtet, stellen die Einschlusskörperchen wahrscheinlich Bereiche dar, in denen der Zusammenbau der verschiedenen Komponenten zu Viruspartikeln erfolgt. Zellfusionen oder vielkernige Zellen treten nicht auf. In die infizierten Organbereiche wandern mononucleäre Zellen und Lymphocyten ein. Bei Letzteren handelt es sich zum Großteil um cytotoxische T-Zellen, welche die infizierten Zellen an Peptiden erkennen, die von MHC-Klasse-I-Proteinen präsentiert werden. Sie sind für die Eliminierung des Virus aus dem Organismus verantwortlich. Dieser Erkennung entgehen einige Adenovirustypen, indem sie durch die Aktivität des E3-gp19KProteins die Menge an MHC-Klasse-I-Antigenen auf der Zelloberfläche reduzieren. Zusätzlich schützen der Komplex aus RIPα und -β sowie das E3-14,7K-Protein die infizierten Zellen vor der cytotoxischen und proapoptotischen Wirkung des TNF-α. Auch reprimieren
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die E1A-Proteine die Expression der Stat-Aktivatoren (䉴 Kapitel 8), wodurch zusammen mit den VA-RNAs die interferonabhängigen Abwehrmechanismen und die Prozesse der RNA-Interferenz unterbrochen werden. So können die Adenoviren vermutlich persistierende Infektionsverläufe hervorrufen. Vor allem Infektionen mit den Serotypen 1, 2 und 5 der Spezies HAdV-C scheinen über längere Zeiträume in den Tonsillen zu persistieren. Auch erneute Ausbrüche symptomatischer Infektionen in immunsupprimierten Patienten weisen auf die Persistenz einiger Virustypen hin. Der Etablierung chronischer Infektionen entgegen wirken aber vermutlich die apoptosefördernden Funktionen der E4-Region, die vor allem mit dem E4-ORF4-Protein assoziiert sind und für die Freisetzung der infektiösen Nachkommenviren benötigt werden. Daraus kann man schließen, dass die Etablierung persistierender Infektionsverläufe von der Balance und Regulierung der anti- und proapoptotischen Virusfunktionen abhängt. In einigen menschlichen Tumoren (Magen-, Darmund neuronalen Tumoren) fand man adenovirale Nucleinsäuresequenzen. Eine kausale Beziehung zwischen der Virusinfektion und den Tumorerkrankungen konnte jedoch bisher nicht eindeutig gezeigt werden. Eine Integration des gesamten Virusgenoms oder auch von Fragmenten wurde in menschlichen Zellen im Gegensatz zu transformierten Nagetierzellen nicht festgestellt. Tumorbildung und Zelltransformation bei Nagetieren Einige der humanen Adenovirustypen (HAdV-12, -18, -31), die zu der hochonkogenen Spezies A (䉴 Tabelle 19.12) gezählt werden, rufen nach einer zwei- bis dreimonatigen Inkubationszeit bei Hamstern und anderen Nagetieren in 100 Prozent der Fälle mesenchymale Tumoren (Sarkome) hervor. Die Spezies B (HAdV-3, -7, -11) gilt als schwach onkogen. Hier beträgt die Inkubationszeit bis zur Tumorbildung bis zu zwei Jahre. Die meisten Virustypen können jedoch bei Nagetieren keine Tumoren erzeugen. Alle Adenoviren (Spezies A bis F) sind aber in der Lage, in vitro Nagetierzellen zu transformieren. Für die Zelltransformation reicht die Genomregion aus, die für die sehr frühen viralen E1A- und E1B-Proteine codiert. Ihre Funktion wurde bereits im 䉴 Abschnitt 19.4.3 beschrieben. Wird nur die E1A-Region in Zellen eingebracht, so werden diese Zellen zwar immortalisiert, die E1A-Proteine können aber alleine nicht den voll transformierten Zustand induzieren. Hierzu sind die Produkte der beiden frühen Gene E1A und E1B nötig. Außerdem gibt es Daten, dass hierfür auch die Aktivität des dritten Onkogens der Adenoviren, das E4ORF6-Protein notwendig ist. Auch aus anderen Experimenten weiß man inzwischen, dass die Wirkung der E1A- und E1B-Proteine
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q Das Shipyard-Eye war eine schwere Form der durch Adenoviren verursachten Keratokonjunktivitis In Schiffswerften wurden seit 1920 immer wieder Entzündungen der Augenbinde- und -hornhaut (Shipyard-Eye) beobachtet, die oft sehr schwere Verlaufsformen zeigten. In diesen Fällen wurden die Adenoviren wahrscheinlich durch
allein nicht für die Tumorbildung genügt: Nur Zellen, die in vitro mit den hochonkogenen Adenovirustypen der Spezies A beziehungsweise mit ihren E1A- und E1BGenen transformiert wurden, können bei Verpflanzung in syngene Tiere (Ratte oder Hamster), Tumoren bilden. Werden Zellen in Kultur mit Adenoviren der Spezies B transformiert, so verursachen sie in syngenen, immunkompetenten Wirten keine Tumoren, wohl aber in nackten Mäusen, bei denen das zelluläre Immunsystem defekt ist. Neben der zelltransformierenden Wirkung aller Adenoviren hat die Gruppe der hochonkogenen Typen also zusätzliche Mechanismen entwickelt, um dem Immunsystem des Wirtes zu entgehen. Nach der Transformation mit der E1A/E1B-Region der onkogenen Adenoviren werden vermutlich verschiedene Mechanismen wirksam: 1. Die nichtonkogenen Adenoviren enthalten in ihren E1A- und E1B-Proteinen Epitope, die von den MHCKlasse-I-Proteinen der Maus präsentiert werden. Die so als „fremd“ markierten Zellen können durch cytotoxische T-Zellen in den immunkompetenten Tieren eliminiert werden. Ein solches Epitop konnte bei HAdV-5 identifiziert werden. Es umfasst die Aminosäuren 232 bis 247 im zweiten codierenden Exon des E1A-Proteins. Es wird über H-2Db präsentiert, wirkt als immundominantes Epitop und sorgt dafür, dass die präsentierenden Zellen erkannt und getötet werden. Ein entsprechendes T-Zellepitop konnte in den E1AProteinen von HAdV-12 und den anderen hochonkogenen Virustypen nicht gefunden werden. Sie können daher in den Mäusen auch nicht von cytotoxischen T-Lymphocyten erkannt werden. 2. Die E1A-Proteine der onkogenen Adenovirustypen hingegen können per se, also ohne die Aktivität des E3/19 kD-Proteins, den Gehalt an MHC-Klasse-IAntigenen in primären Nagetierzellen reduzieren. Dafür ist die CR3-Region im E1A-Protein von HAdV-12 verantwortlich, wobei alle drei Genloci des H-2-Allels der Maus in ihrer Expressionsaktivität reduziert sind. Das E1A-Protein wirkt hier also als Transrepressor (䉴 Abschnitt 19.4.3) und führt zu
nicht ausreichend sterilisierte Instrumente bei Entfernung von Fremdkörpern aus den Augen übertragen. Die Infektionen hatten oft länger anhaltende Trübungen des Auges zur Folge und waren mit Lymphknotenschwellungen verbunden.
einer vier- bis zwanzigfach geringeren MHC-Klasse-IGenexpression im Vergleich zu nichttransformierten Zellen oder solchen, die mit den E1-Genen von Ad5 transformiert wurden. Zellen mit weniger MHCAntigenen auf der Oberfläche werden von cytotoxischen T-Lymphocyten nicht erkannt und eliminiert. 3. Für die Entstehung der adenovirusassoziierten Tumoren hat man noch eine Reihe weiterer Mechanismen vorgeschlagen, die zur Zelltransformation und Tumorgenese beitragen sollen. Die DNA des HAdV-12 ist bei transformierten Zellen in das Wirtszellgenom integriert. Dies kann bei den Genen in den betroffenen Regionen eine veränderte Expression zur Folge haben. Die integrierten Sequenzen werden de novo methyliert. Dabei können benachbarte zelluläre Genomregionen ebenfalls modifiziert werden, was die Genexpression beeinflusst. Außerdem findet man im Bereich der integrierten Virus-DNA und in den benachbarten Abschnitten ausgedehnte Sequenzamplifikationen und -rearrangements. Diese Vorgänge verändern die Expression zellulärer Protoonkogene: In durch HAdV-12 transformierten Zellen ist die Expression von c-myc und c-jun deutlich erhöht, in durch HAdV-5 transformierten Zellen die Produktion von c-jun. Die Vorgänge, die zur Transformation führen, sind in Hamsterzellen am besten erforscht. HAdV-12 kann dort keinen produktiven Infektionszyklus durchführen. Zwar werden die Zellen infiziert und die virale DNA in den Kern transportiert, eine DNA-Replikation und Synthese der späten Virusproteine mit der Produktion von infektiösen Partikeln findet jedoch nicht statt. In diesen Zellen wird das virale Genom zehn bis 16 Stunden nach der Infektion in das Genom integriert, was die oben beschriebenen Veränderungen im Methylierungsmuster und der zellulären Genexpression zur Folge hat. Eine abortive Infektion in Hamsterzellen ohne Produktion von infektiösen Nachkommenviren wird bei HAdV-2 oder -5 nicht beobachtet. Diese Virustypen können HAdV-12 funktionell komplementieren: Zellen, bei denen die linke Genomhälfte von Ad2 oder Ad5 in
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die DNA integriert war und welche die darin codierten Genprodukte konstitutiv exprimierten, erlaubten bei Überinfektion mit HAdV-12 die Produktion infektiöser HAdV-12-Partikel. Bei der durch Adenoviren induzierten Zelltransformation und Tumorentstehung wirken also vermutlich viele verschiedene Faktoren zusammen, von denen man erst einige kennt.
Immunreaktion und Diagnose Im Rahmen der Adenovirusinfektion wird sowohl die unspezifische wie spezifische Immunabwehr effektiv induziert. Im Frühstadium des Infektionszyklus erfolgt im Endosom die Aktivierung der durch toll-likeRezeptor 9 (TLR-9) vermittelten Schritte zur Produktion von Klasse-I-Interferonen und proinflammatorischen Cytokinen. Veranwortlich sind dafür vermutlich nicht methylierte oder nicht korrekt methylierte CpGMotive in der Virus-DNA. Adenovirusinfektionen bewirken aber auch eine langandauernde, virustypspezifische Immunität, wahrscheinlich wegen ihrer intensiven Replikation in den Hals- und Darmlymphknoten. Die Erkennung virusinfizierter Zellen durch cytotoxische T-Lymphocyten ist für die Eliminierung des Virus aus dem Organismus entscheidend. T-Zellepitope wurden in einer Reihe von Virusproteinen – auch den frühen und sehr frühen Proteinen – identifiziert. Antikörper werden bevorzugt gegen die Oberflächenstrukturen der Capside gebildet. Die serologische Diagnose einer akuten Adenovirusinfektion basiert auf dem Nachweis von IgM-Antikörpern gegen die viralen Strukturproteine. Wegen der hohen Durchseuchung der Bevölkerung mit verschiedenen Adenovirustypen, der großen Ähnlichkeit der Aminosäuresequenzen in den Hexon-, Penton- und Fiberproteinen und der damit verbundenen Kreuzreaktivität der im Infektionsverlauf gebildeten Antikörper reicht es nicht aus, adenovirusspezifisches IgG im Serum der Patienten zu bestimmen. Gibt es von einem Patienten Serumproben aus der Zeit vor der Erkrankung, so kann ein deutlicher Titeranstieg der adenovirusspezifischen IgG-Antikörper aber einen Hinweis auf eine frische Infektion geben. Virustypspezifische neutralisierende Antikörper werden vor allem gegen die Knöpfchenstrukturen der Fiberproteine gebildet, welche die meisten typspezifischen Epitope enthalten. Die Immunglobuline gegen das Fiberprotein sind neutralisierend und verleihen dem Patienten einen lebenslangen Schutz vor einer Neuinfektion mit dem gleichen Adenovirustyp, jedoch nicht mit anderen.
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Die Diagnose erfolgt durch die Isolierung des Virus aus respiratorischen Materialien beziehungsweise durch den Nachweis der Virus-DNA aus Rachen- und Augenabstrichen, aus dem Stuhl, dem Urin und dem Blut. Adenoviren lassen sich mit Ausnahme der Vertreter der Spezies D und F relativ gut in permanenten, diploiden, humanen Zelllinien wie HeLa- oder HEK-Zellen (humane embryonale Nierenzellen) züchten. Die lytische Infektion der Zellen verursacht einen cytopathischen Effekt. Die in den Kulturen angereicherten Viren können über Hämagglutinationstests, den Einsatz typspezifischer Antiseren beziehungsweise mittels Polymerasekettenreaktion und anschließender Sequenzierung der Amplifikate weiter charakterisiert werden.
Therapie und Prophylaxe Eine zugelassene antivirale Therapie für die Adenovirusinfektion existiert nicht. Man hat aber einige Hinweise, dass sich die Aktivität der viralen DNA-Polymerase durch Cidofovir hemmen lässt. Deshalb wird Cidofovir mit einigem Erfolg bei Immunsupprimierten mit lebensbedrohlichen, disseminierten Infektionen regelmäßig eingesetzt, unter gleichzeitiger Reduktion der Immunsuppression. Bei schweren Fällen von Keratokonjunktivitis scheint die Verabreichung von Interferon-β einen positiven Effekt zu haben. Eine Impfung wurde gegen die Typen HAdV-4 und HAdV-7 entwickelt, da diese Virustypen beim Personal des US-Militärs immer wieder schwere Epidemien hervorgerufen haben, häufig in Verbindung mit Lungenentzündungen. Der Impfstoff ist nur für die Anwendung bei Angehörigen der US-Streitkräfte zugelassen. Er beruht auf replikationsfähigen HAdV-4- und -7-Viren, die in magensaftresistenten Gelatinekapseln verabreicht und nach Schlucken der Kapseln im Darm freigesetzt werden. Diese Adenoviren verursachen aber nur dann eine Erkrankung, wenn sie Epithelzellen des Hals-, Nasen- und Rachenraumes und der Lunge infizieren. Im Darmepithel kann zwar eine begrenzte Infektion ablaufen, sie verläuft jedoch ohne Symptome. Während der Virusvermehrung wird eine spezifische Immunantwort ausgelöst, die einen Schutz vor der Infektion mit diesen Virustypen verleiht. Der generelle Einsatz solcher Lebendvakzinen ist wegen der endemischen Verbreitung der verschiedenen Adenovirustypen in der Bevölkerung und der damit verbundenen Gefahr, dass neue Virusrekombinanten entstehen, sehr umstritten. Das grundlegende onkogene Potenzial der Adenoviren spricht ebenfalls gegen die ausgedehnte Anwendung eines solchen Impfstoffes, auch wenn bisher kein kausaler Zusammenhang mit einer Tumorentstehung im Menschen hergestellt werden konnte.
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19.4.7 Tierpathogene Adenoviren Adenovirusinfektionen spielen in der Tiermedizin eine untergeordnete Rolle. Zwar hat man aus verschiedenen Tierarten wie Rindern, Pferden, Schweinen, Hunden, Kaninchen und Geflügel Adenoviren isoliert, pathogen sind jedoch nur die caninen Adenoviren sowie die Adenoviren des Geflügels.
Die caninen Adenoviren Epidemiologie und Übertragung Man kann zwei Typen des caninen Adenovirus unterscheiden: Das canine Adenovirus Typ 1 (CAdV-1) als Erreger der Hepatitis contagiosa canis (HCC; englisch: infectious canine hepatitis, ICH) und das canine Adenovirus Typ 2 (CAdV-2) als Erreger der infektiösen Laryngotracheitis. Die HCC ist weltweit beschrieben, jedoch ist die Inzidenz sehr gering. Außer Hunden können auch Füchse mit CAdV-1 infiziert werden. Sie entwickeln dann häufig eine Encephalitis, auch bekannt als Rubarthsche Erkrankung. Das Virus wird von infizierten Hunden im Kot, Urin und Speichel ausgeschieden und verbreitet. Von großer epidemiologischer Bedeutung ist dabei die monatelange Ausscheidung des Virus über den Urin. In Westeuropa sind seit vielen Jahren nur vereinzelt Fälle von Adenovirusinfektionen in Hunden beschrieben worden. Das liegt daran, dass in nahezu allen Kombinationsvakzinen für den Hund eine CAdV-Komponente – meist ein Impfvirus des CAdV-2 – enthalten ist. Dieses Virus verursacht im Gegensatz zum CAdV-1 keine systemische Infektion, seine Replikation beschränkt sich auf die Zellen des Respirationstraktes. Das CAdV-2 ist daher weniger als Pathogen denn als Vakzinevirus von Bedeutung. Es induziert eine belastbare, schützende Kreuzimmunität gegen CAdV-1.
Klinik Die Infektion mit dem Serotyp 1 des CAdV ist durch akute Gastroenteritiden und Hepatitiden gekennzeichnet. Die Hunde zeigen Fieber, Diarrhoe und Koliken. Als Sonderformen findet man gelegentlich eine Encephalitis und eine Entzündung der Augenhornhaut (Cornea).
Pathogenese CAdV-1 wird von den Hunden oral aufgenommen, gelangt im weiteren Verlauf zu den Lymphocyten in den
Tonsillen und nach Verbreitung der infizierten Zellen über das Blut auch zu den Peyerschen Plaques im Dünndarm. Von hier aus infiziert es Endothelzellen in verschiedenen Organen, insbesondere in der Leber und der Niere. Die Infektion geht mit massiven Nekrosen der Parenchymzellen einher. Das Virus gelangt auch hämatogen in das Gehirn und kann hier eine Encephalitis verursachen. Eine weitere Manifestation ist eine durch Immunkomplexe verursachte Trübung der Cornea, die als Hepatitis-Blue-Eye bekannt ist. Sie entwickelt sich nach Replikation des CAdV-1 im Corneaepithel einige Wochen nach der Infektion in Verbindung mit der beginnenden Antikörperbildung.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose von Infektionen mit dem CAdV-1 kann durch Untersuchung des Urins gestellt werden. Hieraus kann das Virus in der Zellkultur gezüchtet und isoliert, durch Elektronenmikroskopie dargestellt oder mittels Polymerasekettenreaktion nachgewiesen werden. Bei an der Infektion verstorbenen Hunden kann man das Virus besonders im Nierengewebe nachweisen.
Bekämpfung und Prophylaxe Aufgrund der mit der Infektion verbundenen Corneatrübung des Hepatitis-Blue-Eye sowie der Induktion einer Immunsuppression sind Lebendvakzinen, die auf der Verwendung eines attenuierten Stamms des CAdV-1 basieren, heute nicht mehr gebräuchlich. Dagegen verwendet man heute Totimpfstoffe, die inaktiviertes CAdV-1 enthalten, oder Lebendvakzinen mit einem attenuierten Stamm des CAdV-2.
Die Adenoviren des Geflügels Epidemiologie und Übertragung Eine Reihe von Adenoviren verursacht Erkrankungen beim Geflügel. Aufgrund der unterschiedlichen Immunreaktionen gegen die viralen Hexonproteine, das gruppenspezifische Antigen, kann man sie in drei Genera einteilen. Die Aviadenoviren (conventional group I adenoviruses) umfassen Virusisolate von Hühnern, Enten und Gänsen einschließlich des CELO-Virus. Das Genus Siadenovirus enthält die Viren der hämorrhagischen Enteritis der Pute sowie der Marmormilzerkrankung (Marble Spleen Disease) der Fasane. Unter den Atadenoviren schließlich findet sich das Egg-Drop-SyndromeVirus der Hühner. Der wichtigste Verbreitungsweg der aviären Adenoviren ist die vertikale Übertragung über das Ei. Die infizierten Vögel scheiden das Virus mit dem
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Kot aus. Die horizontale Übertragung der Erreger ist epidemiologisch wichtig.
Klinik Während die Assoziation der Aviadenoviren mit Erkrankungen der Vögel nicht nachgewiesen ist, verursachen die Viren der Genera Siadeno- und Atadenovirus deutliche, klar umgrenzte Krankheitsbilder. Die hämorrhagische Enteritis der Pute und die Marmormilzerkrankung des Fasans sind mit einer Mortalität von bis zu 60 Prozent verbunden. Die Vögel entwickeln eine systemische Infektion, die mit einer hämorrhagischen Enteritis beziehungsweise mit petechialen Blutungen in verschiedenen Organen einhergeht. Das Egg-DropSyndrome-Virus ruft in Hühnern eine systemische Erkrankung hervor, die sich bei Legehennen in der Produktion eines hohen Prozentsatzes schalenloser Eier manifestiert.
Pathogenese Über die Pathogenese der Infektionen mit den Aviadenoviren ist nur wenig bekannt. Das Egg-Drop-Syndrome-Virus infiziert im Huhn alle lymphatischen Gewebe und die Schalendrüsen des Uterus (pouch shell glands), die für die Schalenbildung der Eier verantwortlich sind. Dieser pathogenetisch wichtige Schritt führt zu virusinduzierten Nekrosen dieser Drüsen und damit zur Beeinträchtigung der Schalenbildung. Die Hühner produzieren deswegen fast schalenlose Eier, die auch als Windeier bekannt sind.
Immunreaktion und Diagnose Die Adenovirusinfektionen hinterlassen in den überlebenden Hühnern eine wahrscheinlich lebenslange schützende Immunität. Maternale Antikörper schützen die Küken in den ersten Lebenswochen. Die Diagnose der aviären Adenovirusinfektionen kann durch den Nachweis der Erreger in den betroffenen Organen, durch Virusisolierung oder Immunfluoreszenz gestellt werden. Die Typisierung der gewonnenen Virusisolate erfolgt in der Immundiffusion mit Einsatz typspezifischer Seren. Neben diesen Methoden wird zunehmend die Polymerasekettenreaktion für den Erregernachweis eingesetzt. Die anschließende Typisierung erfolgt durch Sequenzierung der amplifizierten DNA-Abschnitte.
Bekämpfung und Prophylaxe Eine wirksame Impfung ist auf Basis einer attenuierten Lebendvakzine für die hämorrhagische Enteritis der
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Pute verfügbar. Fasane kann man mit einem inaktivierten Totimpfstoff vor Infektionen mit dem Erreger der Marmormilzerkrankung schützen. Daneben existiert eine wirksame Vakzine auf der Basis eines inaktivierten Virus gegen Infektionen mit dem Egg-Drop-SyndromeVirus.
19.4.8 Weiterführende Literatur Akusjarvi, G. Temporal regulation of adenovirus major late alternative RNA splicing. In: Front. Biosci. 13 (2008) S. 50065015. Albinsson, B.; Kidd, A. H. Adenovirus type 41 lacks an RGD avintegrin binding motif on the penton base and undergoes delayed uptake in A549 cells. In: Virus Res. 64 (1999) S. 125–136. Bergelson, J. M.; Cunningham, J. A.; Droguett, G.; Kurt-Jones, E. A.; Krithivas, A.; Hong, J. S.; Horwitz, M. S.; Crowell, R. L.; Finberg, R. W. Isolation of a common receptor for coxsackie B viruses and adenoviruses 2 and 5. In: Science 275 (1997) S. 1320–1323. Berget, S. M.; Moore, C.; Sharp, P. A. Spliced segments at the 5' terminus of adenovirus 2 late mRNA. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 74 (1977) S. 3171–3175. Blackford, A. N.; Grand, R. J. Adenovirus E1B 55-kilodalton protein: multiple roles in viral infection and cell transformation. In: J. Virol. 83 (2009) S. 4000–4012. Darr, S.; Madisch, I.; Heim, A. Antiviral activity of cidofovir and ribavirin against the new human adenovirus subtype 14a that is associated with severe pneumonia. In: Clin. Infect. Dis. 47 (2008) S. 731–732. DeCaprio, J. A. How the Rb tumor suppressor structure and function was revealed by the study of Adenovirus and SV40. In: Virology 384 (2009) S. 274–284. Echavarría, M. Adenoviruses in immunocompromised hosts. In: Clin. Microbiol. Rev. 21 (2008) S. 704–715. Freimuth, P.; Philipson, L.; Carson, S. D. The coxsackievirus and adenovirus receptor. In: Curr. Top. Microbiol. Immunol. 323 (2008) S. 67–87. Hayashi, S.; Hogg, J. C. Adenovirus infections and lung disease. In: Curr. Opin. Pharmacol. 7 (2007) S. 237–243. Heller, H.; Kammer, C.; Wilgenbus, P.; Doerfler, W. Chromosomal insertion of foreign (adenovirus type 12, plasmid, or bacteriophage lambda) DNA is associated with enhanced methylation of cellular DNA. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 92 (1995) S. 5515–5519. Ison, M. G. Respiratory viral infections in transplant recipients. In: Antivir. Ther. 12 (2007) S. 627–638. Javier, R.; Raska, K.; Shenk, T. Requirement of Adenovirus type 9 E4 region in production of mammary tumors. In: Science 257 (1992) S. 1267–1271. Koyuncu, O. O.; Dobner, T. Arginine methylation of human adenovirus type 5 L4 100-kilodalton protein is required for efficient virus production. In: J. Virol. 83 (2009) S. 4778–4790. Lawler, M.; Humphries, P.; O’Farrelly, C.; Hoey, H.; Sheils, O.; Jeffers, M.; O’Brien, D. S.; Kellerher, D. Adenovirus 12 E1A
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544
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
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19.5 Herpesviren
Herpesvirusinfektionen gibt es beim Menschen und bei vielen Wirbeltierarten – von Affen und Katzen bis hin zu Fröschen und Fischen. Obwohl die Symptome stark variieren, gleichen sich bei allen Vertretern dieser Virusfamilie die Partikelmorphologie und die molekularbiologischen Eigenschaften. Die Vermehrung des doppelsträngigen DNA-Genoms erfolgt im Zellkern, wo auch die ersten Schritte der Morphogenese erfolgen. Wie 1959 von Dietrich Falke und Mitarbeitern beschrieben, wird das Capsid dabei primär von einer Hülle umgeben, die von der inneren Kernmembran gebildet, dann in komplexen Vorgängen wieder entfernt und schließlich durch die Membran der trans-Golgi-Vesikel ersetzt wird. Alle Herpesviren codieren für mehrere Enzyme, die im Nucleinsäurestoffwechsel und bei der Genomreplikation aktiv sind. Die Wirtszellen, in denen sich Herpesviren lytisch vermehren, sterben bei der Produktion von Nachkommenviren ab. Bisher sind acht humane Herpesviren bekannt, deren akute Infektionen sich in Erkrankungen unterschiedlicher Organe, überwiegend der Haut (Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2 sowie Varicella-Zoster-Virus) oder des lymphatischen Systems (Epstein-Barr-Virus, humane Herpesviren Typ 6, 7 und 8) manifestieren. Der Name der Herpesviren leitet sich vom griechischen Wort herpein „kriechen“ ab und weist auf die kriechende Ausbreitung des durch das Herpessimplex-Virus verursachten Hautausschlages hin. Bei Schwangeren können die akuten Cytomegalovirusinfektionen (Primärinfektionen) schwere Schädigungen des Embryos zur Folge haben. Ein charakteristisches Merkmal aller Herpesviren ist ihre Fähigkeit, nach der Erstinfektion lebenslang latent
19.5 Herpesviren
im Organismus zu verbleiben. In diesem Zustand ist die Produktion von infektiösen Partikeln meist unterbunden, und die Zellen überleben. Das Virus kann jedoch wiederholt aus der Latenz zum lytischen Infektionszyklus reaktiviert werden – ein Vorgang, der sich durch das Wiederauftreten des gleichen oder eines zur Primärinfektion ähnlichen Erkrankungsbildes äußert. Das Epstein-Barr-Virus ist an der Entstehung menschlicher Tumorerkrankungen wie dem Burkitt- und HodgkinLymphom sowie dem Nasopharynxkarzinom beteiligt. Cytomegaloviren verursachen bei immungeschwächten Personen lebensbedrohende, generalisierte Erkrankungen, insbesondere Pneumonien. Das Genom des humanen Herpesvirus Typ 8 wurde in den Zellen des KaposiSarkoms, der primären Effusions- und body-cavitybased Lymphome sowie der multizentrischen Castleman-Erkrankung nachgewiesen. Es ist an der Entstehung dieser Tumoren ursächlich beteiligt. Auch bei Haustieren gibt es eine Vielzahl von Herpesviren, die zum Teil schwere und wirtschaftlich bedeutende Infektionskrankheiten verursachen. Das Wirtsspektrum der Herpesviren ist mit wenigen Ausnahmen sehr eng, sodass Übertragungen auf andere Spezies die Ausnahme sind; Zoonosen durch Herpesviren sind daher unbekannt. Die von tierpathogenen Herpesviren verursachten Krankheiten haben ein weites Spektrum, das von unspezifischen Allgemeininfektionen bis hin zu Aborten, Fruchtbarkeitsstörungen und zentralnervösen Erkrankungen reicht.
19.5.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Vertreter der Herpesviridae lassen sich aufgrund ihrer Pathogenität, der Zelltypen, die sie infizieren, und ihrer Vermehrungseigenschaften drei Unterfamilien zuordnen (䉴 Tabelle 19.14). α-Herpesviren weisen ein relativ breites Zellspektrum auf. Sie vermehren sich in vitro mit kurzen Replikationszyklen und breiten sich in der Zellkultur schnell aus; in vivo persistieren sie in den Nervenzellen der Ganglien. Die Herpes-simplex- und die Varicella-Zoster-Viren als Vertreter dieser Unterfamilie in den Gattungen Simplex- und Varicellovirus verursachen beim Menschen einen bläschenartigen Hautausschlag. Die β-Herpesviren, zum Beispiel die Cytomegaloviren, besitzen ein enges Spektrum an infizierbaren Zellen. Sie haben einen relativ langen Vermehrungszyklus und breiten sich deshalb in vitro nur langsam aus. Die infizierten Zellen erscheinen deutlich vergrößert. Auch die dritte Unterfamilie, die g-Herpesviren, hat ein sehr enges Wirtszellspektrum; die Dauer des
545
Replikationszyklus ist bei den verschiedenen Virustypen unterschiedlich. Die γ-Herpesviren infizieren entweder B- (Epstein-Barr-Virus) oder T-Lymphocyten (Herpesvirus saimiri) und induzieren in ihnen den Zustand der Viruslatenz. Einige dieser Viren können außerdem Epithel-, Endothel oder Fibroblastenzellen lytisch infizieren. Aufgrund der Sequenz der Virus-DNA, des Genomaufbaus und der immunologischen Verwandtschaft bestimmter Virusproteine teilt man die Unterfamilien weiter in verschiedene Genera ein, denen wiederum die serologisch unterscheidbaren Virustypen zugeordnet werden. Die noch namenlose vierte Unterfamilie der Herpesviren mit dem Channel-Catfish-Herpesvirus als Prototyp, unterscheidet sich hinsichtlich der Genomorganisation und -sequenz deutlich von Vertretern der anderen Subfamilien. Neben den allgemein gebräuchlichen Virusnamen werden die Herpesvirustypen nach ihrem jeweiligen Wirt bezeichnet und chronologisch in der Reihenfolge ihrer Entdeckung durchnummeriert, so zum Beispiel die humanen Herpesviren Typ 1 bis 8 (䉴 Tabelle 19.14).
19.5.2 Aufbau Viruspartikel Die Virionen der Herpesviren haben Durchmesser von 150 bis 200 nm und bestehen aus drei Hauptstrukturelementen: Das ikosaedrische Nucleocapsid (Capsid) hat einen Durchmesser von 90 bis 110 nm und enthält das lineare, doppelsträngige DNA-Genom; die Hüllmembran, in welche mehrere glycosylierte Oberflächenproteine eingelagert sind; das Tegument, welches den Raum zwischen Nucleocapsid und Hüllmembran ausfüllt und aus verschiedenen Proteinen zusammengesetzt ist. Die Zahl der Strukturproteine schwankt bei den verschiedenen Virustypen und ist nicht in allen Fällen genau bekannt (䉴 Abbildung 19.24 und Tabelle 19.15). Die Partikel der humanen Cytomegaloviren bestehen aus mehr als 70 verschiedenen Virus- und ähnlich vielen Zellproteinen – neben Strukturkomponenten auch Enzyme und Chaperone. Einige Herpesviren enthalten in den Partikeln auch mRNA-Moleküle. So entdeckte man in den Virionen des Herpes-simplex-Virus neun virale mRNAs, in denjenigen des humanen Cytomegalovirus neben vier viralen auch einige zellspezifische Transkripte. Ihre Funktion ist unklar. Im Inneren der Nucleocapside findet man das Virus-Core – eine fibrilläre Proteinmatrix, mit der das doppelsträngige, lineare DNA-Genom assoziiert ist. Im Elektronenmikroskop ähnelt es gelegentlich einer Spule, um welche die DNA wie ein Nähfaden oder Kupferdraht gewickelt ist. Das
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546
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.14 Charakteristische Vertreter der Herpesviren Unterfamilie
Genus
α-Herpesviren Simplexvirus
Varicellovirus
Mensch*
Tier
humanes Herpesvirus 1 (HHV-1; Herpes-simplex-Virus 1, HSV-1)* humanes Herpesvirus 2 (HHV-2; Herpes-simplex-Virus 2, HSV-2)
bovines Herpesvirus 2 (BoHV-2; Mammilitisvirus des Rindes) cercopithecines Herpesvirus 1 (CeHV-1; Herpes-BVirus; Herpesvirus simiae) cercopithecines Herpesvirus 2 (CeHV-2; SA8) cercopithecines Herpesvirus 16 (CeHV-16; PavianHerpesvirus 2)
humanes Herpesvirus 3 (HHV-3; Varicella-Zoster-Virus, VZV)
porcines Herpesvirus 1 (SuHV-1; Pseudorabiesvirus) bovines Herpesvirus 1 (BoHV-1; Virus der infektiösen Rhinotracheitis des Rindes) bovines Herpesvirus 5 (BoHV-5; Rinderencephalitisvirus) Pferdeherpesvirus 1 (EHV-1; Equine-Abortion-Virus) Pferdeherpesvirus 3 (EHV-3; Equine coital exanthema virus) Pferdeherpesvirus 4 (EHV-4; Equines Rhinopneumonitisvirus) Pferdeherpesvirus 8 (EHV-8; Eselherpesvirus 3) Pferdeherpesvirus 9 (EHV-1; Gazellenherpesvirus) felines Herpesvirus 1 (FeHV-1; Katzenrhinotracheitis-Virus) canines Herpesvirus 1 (CaHV-1; Hundeherpesvirus)
Mardivirus
gallines Herpesvirus 2 (GaHV-2; Virus der Marekschen Krankheit des Geflügels, Typ 1) gallines Herpesvirus 3 (GaHV-3; Virus der Marekschen Krankheit des Geflügels, Typ 2) meleagrides Herpesvirus 1 (MeHV-1; Truthahnherpesvirus)
Iltovirus
gallines Herpesvirus 1 (GaHV-1; Virus der infektiösen Laryngotracheitis des Geflügels)
β-Herpesviren Cytomegalovirus
humanes Herpesvirus 5 (HHV-5; ercopithecines Herpesvirus 5 (CeHV-5; humanes Cytomegalovirus, hCMV) Cytomegalovirus der afrikanischen Meerkatze) cercopithecines Herpesvirus 8 (CeHV-8; Cytomegalovirus des Rhesusaffen) pongines Herpesvirus 4 (PoHV-4; Cytomegalovirus der Schimpansen)
Muromegalovirus
γ-Herpesviren
murines Herpesvirus 1 (MuHV-1; Mauscytomegalovirus, mCMV) murines Herpesvirus 2 (MuHV-2; Rattencytomegalovirus)
Roseolovirus
humanes Herpesvirus 6 (HHV-6) humanes Herpesvirus 7 (HHV-7)
Lymphocryptovirus
humanes Herpesvirus 4 (HHV-4; Epstein-Barr-Virus, EBV)
pongines Herpesvirus 1 (PoHV-1; SchimpansenHerpesvirus, Herpesvirus pan) pongines Herpesvirus 2 (PoHV-2; Orang-UtanHerpesvirus) pongines Herpesvirus 3 (PoHV-3; Gorilla-Herpesvirus)
19.5 Herpesviren
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Tabelle 19.14 (Fortsetzung) Unterfamilie
Genus
Mensch*
Tier callitrichines Herpesvirus 3 (CaHV-3; KrallenaffenLymphocryptovirus) ercopithecines Herpesvirus 12 (CeHV-12; PavianHerpesvirus)
Rhadinovirus
humanes Herpesvirus 8 (HHV-8)
atelines Herpesvirus 2 (AtHV-2; Herpesvirus ateles) saimirines Herpesvirus 1 (SaHv-1; Herpesvirus saimiri) alcelaphines Herpesvirus 1 (AlHV-1; bösartiges Katarrhalfieber-Virus der Rinder) bovines Herpesvirus 4 (BoHV-4; Movar virus) equines Herpesvirus 2, 5 und 7 (EHV-2, -5, -7) ovines Herpesvirus 2 (OvHV-2; bösartiges Katarrhalfiebervirus der Schafe) murines Herpesvirus 4 (MuHV-4; Mausherpesvirus, Stamm 68)
nicht benannt Ictalurivirus
Channel-Catfish-Virus (Ictaluides Herpesvirus, IcHV-1) Cyprinides Herpesvirus 3 (Koi-Herpesvirus)
nicht zugeordnet
Anatides Herpesvirus 1 (AnHV-1; Entenplaquesherpesvirus) Meerschweinchen Herpesvirus 1, 3 (CavHV-1, -3) Porcines Herpesvirus 2 (SuHV-2; Cytomegalovirus des Schweins)
* Bei der Angabe der Virustypen sind jeweils der systematische Name und in Klammern die Abkürzungen mit den im allgemeinen Sprachgebrauch üblichen Bezeichnungen angegeben.
Core ist von dem ikosaedrischen Capsid umgeben, das aus 162 Capsomeren besteht. Das Hauptcapsidprotein VP5 hat beim Herpes-simplex-Virus ein Molekulargewicht von 155 kD, und jeweils sechs Moleküle bilden ein Capsomer. Sie sind über Disulfidbrücken mit weiteren Virusproteinen (VP19C) verbunden, die an der Innenseite der Capside lokalisiert und mit den Capsidproteinen VP23 und der DNA assoziiert sind. Die Capsomere (Hexone) bilden tubuläre Strukturen mit einer Öffnung an der oberflächenexponierten Seite, die aber nicht bis in das Capsidinnere reicht. An den zwölf Ecken des Ikosaeders sind die p155-Proteine (Pentone) mit den Vertex-Proteinen (VP26) als weiteren Komponenten verbunden. Die phosphorylierten Vertex-Proteine haben ein Molekulargewicht von 11 kD, sie lagern sich in einer ringähnlichen Struktur auf den Hexoneinheiten zusammen. Neben infektiösen Virionen produzieren infizierte Zellen auch sogenannte L-Partikel. Sie sind nichtinfektiös und bestehen nur aus einer Hüllmembran und dem Tegument. Intrazelluläre Capside, die isoliert werden, bevor sie von der Membran umhüllt werden, enthalten eine Reihe weiterer Proteine, die nur zum Teil auch in den infektiösen Partikeln nachweisbar sind: Die VP21-Proteine,
lokalisiert im Capsidinneren, und VP22a-Proteine der Leserahmen UL26 und UL26,5 spielen während der Morphogenese als Scaffolding-Proteine eine besondere Rolle. Sie interagieren miteinander und mit den VP5-Proteinen und bilden ein Gerüst für die Ausbildung der Capsidstruktur. Das Produkt des UL26-Gens ist eine Protease (VP21, Pra), die sich selbst und andere Mitglieder dieser Genfamilie (VP22/UL26,5) spaltet und dabei unter anderem eine verkürzte Form der Protease (VP24; Prn) und die Familie der ICP35-Polypeptide generiert, unter denen sich das Scaffolding-Protein VP22a befindet. Dieses bildet bei der Morphogenese das Gerüst für die sich formenden Capside und ist in infektiösen Virionen nicht mehr nachweisbar. Proteine mit ähnlichen Eigenschaften konnte man auch in den Capsiden der humanen Cytomegaloviren nachweisen: Das UL80-Produkt ist eine Protease, die auch als Assemblin bezeichnet wird. Durch autokatalytische Spaltung entsteht das Protein UL80a, das funktionell dem VP22a der Herpes-simplex-Viren entspricht. Beim humanen Herpesvirus 8 codiert die entsprechende Protease im ORF17,5. Die Capside sind von einer Hüllmembran umgeben, in die beim Herpes-simplex-Virus bis zu zwölf virale Glycoproteine (gB, gC, gD, gE, gG, gH, gI, gJ, gK, gL, gM,
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548
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Core lineares DNA-Genom
19.24 Aufbau des Partikels eines Herpes-simplex-Virus. Im Inneren des Virions findet man ein Protein-Core, welches in Wechselwirkung mit dem linearen, doppelsträngigen DNA-Genom vorliegt. Es ist von einem ikosaedrischen Capsid umgeben, das aus mehreren Virusstrukturproteinen besteht. Zwischen dem Capsid und der von der inneren Kernmembran abgeleiteten Hüllmembran befindet sich das Tegument, das verschiedene regulatorisch aktive Proteine enthält. In die Hüllmembran sind beim Herpes-simplex-Virus zwölf unterschiedliche Proteine eingelagert; sie sind durch die verschiedenen Symbole angedeutet.
gG
Hüllmembran
gM Capsid
gN
gH gL
Tegument
gN) sowie zwei bis vier nichtglycosylierte Polypeptide eingelagert sind. Sie bilden teilweise Proteinvorsprünge auf der Virusoberfläche und erfüllen wichtige Funktionen bei der Adsorption der Partikel an die Zellrezeptoren, bei der Penetration und Aufnahme sowie bei der Induktion einer schützenden, neutralisierenden Antikörperantwort. Der zwischen den Capsiden und der Membran lokalisierte, als Tegument bezeichnete Bereich kann unterschiedlich groß sein. Seine Dicke bestimmt den leicht variablen Durchmesser der Partikel. Das Tegument ist eine unstrukturierte Proteinmischung, die bis zu 20 Viruskomponenten enthält. Sie gelangen bei der Infektion mit in die Zelle. Für einige der Tegumentproteine des Herpes-simplex-Virus hat man wichtige regulatorische Funktionen während der Frühphase des Replikationszyklus beschrieben. Zu ihnen gehören unter anderem der α-TIF-Faktor (α-trans-inducing factor), das Vhs-Protein (virus host shutoff), eine Proteinkinase und das US11-Produkt. Die Proteine, die man in den morphologisch den Herpes-simplex-Viren sehr ähnlichen Virionen der anderen Herpesviren findet, haben teilweise vergleichbare Molekulargewichte und Funktionen (䉴 Tabelle 19.15).
Genom und Genomaufbau Die Genome der Herpesviren liegen in den Virionen als lineare, doppelsträngige DNA vor und sind zwischen 120 000 und 230 000 Basenpaare lang. Bei allen Virustypen findet man einmalig vorkommende (unique) und
gK gJ gI gE gB (Dimer)
gD gC
wiederholte (repeat) Sequenzabschnitte, die bei den Vertretern der jeweiligen Genera in unterschiedlichen Mustern angeordnet sind (䉴 Abbildung 19.25). Vermutlich liegen die beiden Genomenden im Virion in enger räumlicher Nähe zueinander vor. Die sauren Phosphatgruppen sind mit basischen, zellulären Spermin- und Spermidinmolekülen abgesättigt. Bei der Infektion wird die lineare DNA in ein zirkuläres Molekül überführt, das dann als Episom im Kernplasma vorliegt. Beide Stränge codieren für insgesamt über 100, bei den Cytomegaloviren sogar über 200 Genprodukte, die teilweise unter Verwendung unterschiedlicher Leseraster von miteinander überlappenden Leserahmen exprimiert werden. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wird die Expression jedes Gens von einem spezifischen, dem Leserahmen vorgelagerten Promotor kontrolliert, der die üblichen Erkennungsstellen für die eukaryotische RNA-Polymerase II besitzt. Zusätzlich verfügen die Promotorbereiche über Bindungsstellen für zelluläre und virale Transaktivatoren, die bestimmen, zu welchem Zeitpunkt des Infektionszyklus das entsprechende Gen aktiviert und exprimiert wird. Viele Proteine werden von gespleißten mRNA-Molekülen translatiert. Die hierfür notwendigen Spleißdonor- und -akzeptorstellen sind über den gesamten Genombereich verteilt. Insbesondere die während der Latenz des Epstein-Barr-Virus synthetisierten Proteine, werden von mRNA-Molekülen translatiert, die mehrfachen, sich über große Genombereiche erstreckenden Spleißvorgängen unterliegen.
19.5 Herpesviren
549
Tabelle 19.15 Molekulare Eigenschaften und Funktionen der in Herpesviruspartikeln identifizierten Strukturproteine
HSV
Molekulargewicht (kD)/Bezeichnung/Genort HCMV EBV HHV-8
Modifikation Funktion
Capsid 155/VP5/UL19
153/-/UL86
154/-/BcLF1
153/-/ORF25
Hauptcapsidprotein, Capsomer
50/VP19C/UL38
34–37/-/UL46
39/-/BORF1
36/-/ORF62
Capsidprotein, Innenseite
34/VP23/UL18
28/-/-
28/-/BOLF1
34/-/ORF62
Vp23 an der Capsidoberfläche, fibrilläres Netzwerk zwischen den Capsomeren
11/VP26/UL35
11/-/-
20/-/BFRF3
29/-/ORF65
Capsidprotein, bindet sich an Dynein (Tctex1) der Microtubuli
40/VP21/UL26
-/-/UL80
38/VP22a/UL26.5
37/-/UL80a
32/-/BdRF1
29/-/ORF175
Scaffolding-Protein, nicht in infektiösen Partikeln, Substrat für UL26
74/portal/UL6
73/portal/ UL104
68/portal/ BBRF2
68/portal/ ORF43
Portalprotein, zwölf Einheiten pro Capsid; bildet Poren, durch die das virale Genom in die Capsidvorläufer eingebracht wird
Protease (Pra), Assemblin im Capsidinneren, wird autokatalytisch gespalten, beim Herpessimplex-Virus entsteht so ein Spaltprodukt von UL26 (auch als Prn oder VP24 bekannt), die kleinste Form der aktiven Protease
Tegument 54/α-TIF, ICP25, VP16/UL48
71/pp71/ UL82
74/VP13-14/ UL47
phosphoryliert
transaktives Protein, induziert die Transkription der immediate early-Gene, bewirkt beim humanen Cytomegalovirus SUMOylierung von Daxx
phosphoryliert
moduliert die funktionelle Aktivität von α-TIF
58/Vhs-Protein/ UL41
virus-host-shutoff, bewirkt Abbau und Destabilisierung der mRNASpezies der Wirtszelle
300/VP1-2/UL36
212/-/UL48
350/-/BPLF1
18/-/US11
18/-/UL26
18/-/BFRF3
64/-/UL17
58/-/BGLF1
Freisetzung der Virus-DNA, DNA-Spaltung myristyliert
dsRNA-bindendes Protein, posttranskriptioneller Regulator der Genexpression, hemmt Aktivierung der PKR, OAS; anti-apoptotisch Spaltung und Verpackung der DNA-Genome und Capside
-/-/UL25
Wechselwirkung mit pp65
-/-/UL69
Wechselwirkung mit pp65
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.15 (Fortsetzung)
HSV
Molekulargewicht (kD)/Bezeichnung/Genort HCMV EBV HHV-8 150/-/UL32
57/VP18.8/UL13
65/pp65/UL83
47/-/BGLF4 152/-/BNLF1
gp35-37/-/ ORF8
110/-/BALF4
-/-/ORFK8,1
Modifikation Funktion phosphoryliert N-AcetylGlucosamin
Akzeptor von Phosphatgruppen durch die virionassoziierte Proteinkinase, induziert virustypübergreifende Antikörperbildung
phosphoryliert
Proteinkinase und Akzeptor von Phosphatgruppen (beim HCMV) Hauptkomponente des Teguments
Membranproteine 100/gB/UL27
150/gB/UL55
glycosyliert
Penetration und Partikelaufnahme, Trimer, proteolytische Spaltung durch Furin in zwei Teile (beim hCMV in gp55 und gp93, beim EBV in gp78 und gp58); Zellfusion; beim EBV nicht in der Virusmembran, sondern in der Kern- und ER-Membran nachweisbar
55/gC/UL44
glycosyliert
Adsorption, bindet unterschiedliche Komponenten des Komplementkomplexes
44/gD/US6
glycosyliert
Penetration und Partikelaufnahme, beeinflusst Virulenz von HSV in Mäusen, fehlt beim Varicella-Zoster-Virus
60/gE/US8
glycosyliert
Rezeptor für den Fc-Teil von Immunglobulinen, bildet Heterodimer mit gI
25/gG/US4 90/gH/UL22
Zell-zu-Zell-Verbreitung, Umhüllung der Nucleocapside 86/gH/UL75
85/-/BXLF2
-/-/ORF22
42/gI/US7
glycosyliert
Penetration und Partikelaufnahme
glycosyliert
Rezeptor für den Fc-Teil von Immunglobulinen
glycosyliert
Mutanten induzieren Zellfusion
glycosyliert
Zellfusion, während des Transports zur Cytoplasmamembran Komplexbildung mit gH, Glycoprotein, nicht membranverankert
glycosyliert
integrales Membranprotein, sehr hydrophob
glycosyliert
über Disulfidbrücke mit gM komplexiert
glycosyliert
MHC-Klasse-I-homologes Protein
10/gJ/US5 38/gK/UL53 25/gL/UL1
32/gL/UL115
25/-/BKRF2
51/gM/UL10
45/gM/UL100
45/-/BBRF3
12/gN/UL49.5
-/gN/UL73
11/-/BLRF1
47–52/gCII/US6
-/-/ORF39
19.5 Herpesviren
551
Tabelle 19.15 (Fortsetzung)
HSV
Molekulargewicht (kD)/Bezeichnung/Genort HCMV EBV HHV-8
Modifikation Funktion
48/gp48/UL4
glycosyliert
?
-/gO/UL74
glycosyliert
bildet zusammen mit gH und gL den gCIII-Komplex wirkt als viraler gFc-Rezeptor
-/gp34/TRL11/IRL11
wirkt als viraler gFc-Rezeptor
-/gp68/UL119-118 gp220/350/-/ BLLF1
glycosyliert
Bindung an CD21 (Komplementrezeptor CR2), neutralisierende Antikörper
gp150/-/BDLF2
glycosyliert
?
55—78/-/BILF2
glycosyliert
?
gp42/-/BZLF2
glycosyliert
assoziiert mit gp85/BXLF2 und gp25/BKRF2, bindet sich an MHC-Klasse-II-Proteine, Penetration?
39/-/BMRF2
glycosyliert
Bindung an Integrin
30/-/UL24
Mutanten induzieren Zellfusion, syn-Plaque-Phänotyp
25/-/UL20
intrazellulärer Partikeltransport bei der Virusmorphogenese, Zellfusion
-/-/UL11
myristyliert
?
-/-/UL43
?
-/-/UL45
assoziiert mit ER
Vergleichend sind bei den verschiedenen Virustypen jeweils die Proteine aufgeführt, die entweder ein signifikantes Ausmaß an ähnlichen Sequenzen besitzen oder funktionell ähnliche Eigenschaften haben. Die Angaben für die einzelnen Proteine beziehen sich auf das Molekulargewicht (kD), die Bezeichnung des Proteins nach den Regeln, wie sie in 䉴 Abschnitt 19.5.2 erklärt sind, und die Bezeichnung des Genortes, an dem sie auf dem Genom des jeweiligen Virus codieren. Oft ist es noch nicht möglich, für jedes Protein alle Angaben zu machen, denn in vielen Fällen sind die Molekulargewichte oder die Genlokalisation nicht bekannt.
Herpes-simplex-Virus (humanes Herpesvirus 1) Das Genom ist etwa 152 000 Basenpaare lang und in ein langes und ein kurzes Segment (L: 126 000 Basenpaare, beziehungsweise S: 26 000 Basenpaare) unterteilt (䉴 Abbildung 19.25A). Jedes enthält einen Abschnitt einheitlicher Sequenzfolgen, die als unique long (UL-Region) und unique small (US-Region) bezeichnet werden und von invertierten Einheiten wiederholter Sequenzen flankiert sind. Nach ihrer Lage an den Genomenden oder im Zentrum, wo die beiden Segmente miteinander verbunden sind, werden sie als terminal repeat oder internal repeat (TR beziehungsweise IR) bezeichnet. Die Repeats, welche die UL-Region flankieren, bestehen am Genomende aus mehrfach wiederholten a-Abschnitten – jeder umfasst 465 bis 624 Basenpaare –, denen ein b-Element (8 800 Basenpaare) folgt. Man bezeichnet diesen Abschnitt als TRL-Region (terminal repeat, long seg-
ment). Diesem wiederum schließt sich die UL-Region (108 000 Basenpaare) an, der ein b’-Element in umgekehrter Orientierung und eine unterschiedliche Anzahl von a-Wiederholungen folgen. Sie bilden den Übergang zwischen den Segmenten und werden zusammen mit dem anschließenden c-Element (6 600 Basenpaare) als IR-Region bezeichnet. Es folgt die US-Region, an die sich eine invertierte c’-Einheit und a-Sequenzen (TRS) anschließen (䉴 Abbildung 19.25A). Das Genom des Herpes-simplex-Virus besteht also aus einer Abfolge wiederholter und einheitlicher Sequenzelemente, die nach dem im folgenden Schema angegebenen Muster angeordnet sind: an-b—UL—b’-a’m-c—US—c’-a. 哸 哸 TRL—UL—IRL /IRS—US—TRS
19
19
552
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
¡ Die Proteine der Herpesviren werden mit unterschiedlichen Abkürzungen bezeichnet Die Nomenklatur der Herpesvirusproteine ist sehr komplex. Beim Herpes-simplex-Virus sind Strukturproteine mit der Abkürzung VP (für Virionprotein) und einer Nummer versehen, die sich nach dem Laufverhalten des jeweiligen Proteins im SDS-Polyacrylamidgel richtet. Das Protein, das sich am langsamsten durch das Gel bewegt, trägt die Nummer 1 (VP1). Von ihnen sind die intrazellulären Proteine (ICP = infected cell proteins) zu unterscheiden, die in der infizierten Zelle synthetisiert werden. Sie sind in analoger Weise durchnummeriert. Da es sich bei einigen Virionproteinen auch um intrazellulär nachweisbare Produkte handelt, überschneiden sich die Nomenklaturen beider Gruppen. Daneben kürzt man die Glycoproteine mit gX ab, wobei sich die großen Buchstaben auf die Reihenfolge beziehen, in der die Polypeptide entdeckt wurden. gA und gF fehlen, weil sie sich später als Vorläuferproteine oder Spaltprodukte anderer Glycoproteine erwiesen. Daneben werden die Proteine auch nach den Leserahmen benannt, in denen sie codieren. Diese sind unter der Bezeichnung der Genomsegmente unabhängig von ihrer Orientierung von links nach rechts durchnummeriert, zum Beispiel US1 oder UL19; diese beiden werden im ersten Leserahmen in der kurzen beziehungsweise der langen, einmalig vorhandenen Genomregion (unique short region beziehungsweise unique long region) codiert. Ein anderes Einteilungsprinzip beruht auf dem Zeitpunkt, zu dem die fraglichen Proteine in der Zelle gebildet werden: α-Proteine sind die Ersten, die unabhängig von der Neusynthese anderer Virusprodukte nach der Infektion entstehen. Man bezeichnet sie deshalb auch als sehr frühe, α- oder immediate early-Proteine. β- oder delayed early-Proteine folgen zeitlich den α-Proteinen und sind von deren Präsenz in der Zelle abhängig. γ- oder späte (late) Proteine werden gegen Ende des Zyklus synthetisiert. Die meisten von ihnen sind Strukturproteine. Alle Bezeichnungen werden in der Literatur parallel verwendet. So wird zum Beispiel das Produkt des Leserahmens US1, ein α-Protein, auch als ICP22 bezeichnet, beim γ-Protein UL19 handelt es sich um das Capsidprotein VP5 oder p155. Ähnlich ist man bei der Nomenklatur der Genprodukte des Cytomegalovirus verfahren. Nicht ganz so verwirrend ist die Bezeichnung der Genprodukte des Epstein-Barr-Virus. Sie richtet sich nach den Genomfragmenten, die durch den Verdau der DNA mit dem
Restriktionsenzym BamH1 entstehen. Das Größte ist das A-, das zweitgrößte das B-Fragment und so weiter. Da man mehr Fragmente findet, als es Buchstaben gibt, wird die Bezeichnung nach Z mit kleinen Buchstaben weitergeführt. Die einzelnen Leserahmen werden den Fragmenten zugeordnet und in ihrer Reihenfolge durchnummeriert. Dabei wird berücksichtigt, ob sie in die rechte oder linke Leserichtung orientiert sind. Das gibt einen Anhaltspunkt dafür, von welchem DNA-Strang die mRNA des jeweiligen Genes abgelesen wird. Eines der immediate early- oder α-Proteine des Epstein-Barr-Virus wird so dem Leserahmen BZLF1 (BamH1/Z-fragment/left frame 1) zugeordnet; es handelt sich um den ersten, nach links gerichteten Leserahmen des Z-Fragments, das nach BamH1-Verdau entsteht. Daneben werden die Proteine auch unter Angabe ihrer Molekulargewichte abgekürzt: So steht zum Beispiel gp220/350 für Glycoproteine der entsprechenden Größen. Beim humanen Herpesvirus 6 bezeichnet man die Gene, die in der unique region des Virusgenoms gelegen sind, mit dem Kürzel U für unique und einer Zahl: U1 ist dabei der erste Leserahmen, der benachbart zur terminalen Wiederholungseinheit DRL am linken Genomende lokalisiert ist, U100 befindet sich am anderen Ende benachbart zu DRR; bei der Nummerierung wird keine Rücksicht auf die Orientierung der Leserahmen genommen. In den Sequenzen der direkten Wiederholungseinheiten DRL und DRR finden sich sieben offene Leserahmen (DR1 bis DR7). Die beiden Stämme A und B des humanen Herpesvirus 6 unterscheiden sich durch neun zusätzliche Leserahmen im Stamm B; diese werden mit den Kürzeln B1 bis B9 benannt. Beim humanen Herpesvirus 8 lehnte man die Bezeichnung der Gene an die Nomenklatur an, die für das Herpesvirus saimiri üblich ist. Dieses ist über große Bereiche ähnlich zum humanen Herpesvirus 8. Die homologen Gene werden entsprechend der Nummerierung der offenen Leserahmen als ORF verbunden mit der jeweiligen Ziffer bezeichnet (beispielsweise ORF2 für die Dihydrofolatreductasegene, die sich in den Genomen beider Viren befinden). Die Leserahmen in Genomregionen ohne Homologie zum Herpesvirus saimiri nummeriert man ebenfalls in der Reihenfolge ihrer Anordnung; ihnen stellt man aber als Kennzeichen den Buchstaben „K“ (für Kaposi-Sarkom-assoziiertes Virus) vor.
19.25 Genomaufbau der Herpesviren: A: Herpes-simplex-Virus.
19.5 Herpesviren
553
19
50
UL
19.25 (Fortsetzung) B: Humanes Cytomegalovirus.
0
Isomere:
TRL
b
100
oriLyt (L)
150
IRL
b´ IRS
a´m c
200
US TRS
c a
kBp
25%
25%
25%
25%
554
an
B Cytomegalovirus
19 19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.25 (Fortsetzung) C: Varicella-Zoster-Virus.
19.5 Herpesviren
555
19
IR1
oriLyt
50
IR2
U
oriLyt U
U3
100
IR2
oriLyt
IR3
TR
IR1 IR2 IR3
U4
150
TR
IR4
oriLyt
U5 TR
200
kBp
19.25 (Fortsetzung) D: Epstein-Barr-Virus. E: Humanes Herpesvirus 6. F: Humanes Herpesvirus 8. Die Genomregionen, die aus Sequenzwiederholungen bestehen, sind als Balken dargestellt. Sie befinden sich an den Genomenden (TR = terminal repeat) und innerhalb des Genoms (IR = internal repeat). Die einmalig vorkommenden Genomabschnitte sind als Striche repräsentiert. Zusätzlich sind die Replikationsursprünge der Genomvermehrung nach dem rolling circle-Mechanismus angegeben, die während des lytischen Replikationszyklus aktiv sind: oriL, oriS1 und oriS2 beim Herpes-simplex-Virus, oriLyt beim humanen Cytomegalovirus, oriLyt (S1) und oriLyt (S2) beim Varicella-Zoster-Virus, oriLyt beim Epstein-Barr-Virus, beim humanen Herpesvirus 6 und beim humanen Herpesvirus 8. Im Falle des Epstein-Barr-Virus ist auch der Replikationsursprung bekannt, der während der Latenz für die Vermehrung der episomalen Virus-DNA verwendet wird (oriP). Durch die Lage der terminalen und internen Wiederholungseinheiten und ihre Orientierung zueinander (angedeutet durch die kleinen Buchstaben; a und a’ stellen als Beispiel invertiert zueinander vorliegende, identische Basenfolgen dar) können die einheitlichen Genomabschnitte der Herpes-simplex-Viren, des Cytomegalovirus und des Varicella-Zoster-Virus in verschiedenen Orientierungen zueinander angeordnet sein. Dadurch entstehen bis zu vier verschiedene isomere Formen des Genoms. Die Wahrscheinlichkeiten, mit denen sie in den Virionen gefunden werden, sind jeweils angegeben. Beim Genom des Epstein-Barr-Virus ist weiterhin auch die Lage der Sequenzfolge eingezeichnet, die im Virusisolat B95-8 deletiert ist. Zur weiteren Erläuterung siehe Text.
0
TR
oriP
F HumanesHerpesvirus8
TR
E HumanesHerpesvirus6
IR1
U2
oriLyt
Deletion
556
TR
U1
oriP
D Epstein-Barr-Virus
19 19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.5 Herpesviren
557
Aminosäuresequenz eine signifikante Homologie mit entsprechenden Genprodukten von Herpes-simplexoder anderen Herpesviren auf. Es fällt auf, dass die Erbinformation der Cytomegaloviren neun Gruppen eng miteinander verwandter Gene enthält, die etwa 26 Prozent des Genoms einnehmen. Hierzu gehören die Gene RL11 und US6, die für die Glycoproteinfamilien gp48 beziehungsweise gcII/gp47 bis gcII/gp52 codieren. Das Genom ist, ähnlich wie das von Herpes-simplexViren, in ein langes und ein kurzes einmaliges Segment (UL und US) unterteilbar, die von Wiederholungseinheiten flankiert sind (䉴 Abbildung 19.25B). Auch hier bilden sich durch intramolekulare Rekombination vier isomere Stränge. Die Ausgangsstelle für die Genomreplikation während des lytischen Vermehrungszyklus (oriLyt) liegt im Zentrum der UL-Region.
Das bovine Herpesvirus 2, das einen ähnlichen Genomaufbau wie die Herpes-simplex-Viren hat, verfügt über 133 000 Basenpaare. Während der Infektion und Replikation können durch intramolekulare Rekombination der identischen, invertierten Wiederholungseinheiten vier isomere Genomformen entstehen, in denen die UL- und US-Regionen unterschiedlich zueinander orientiert sind (䉴 Abbildung 19.25A). Man findet alle Isomere als Genome in den Virionen, alle sind infektiös und unterscheiden sich nicht in ihrem Informationsgehalt, da sie in der Zelle als zirkuläre Episome vorliegen (䉴 Abbildung 19.27). Im Genom der Herpes-simplex-Viren hat man drei Stellen identifiziert, an denen die Genomreplikation während des lytischen Replikationszyklus startet: Eine befindet sich im Zentrum der UL-Region (oriL), die beiden anderen (oriS) in den c-Sequenzen der Wiederholungseinheiten, welche die US-Region flankieren. Sie sind etwa 800 bis 1 000 Basenpaare lang und besitzen in ihren Zentren kurze, symmetrisch angeordnete Sequenzelemente und Palindrome. Mindestens ein oriS-Element muss für den korrekten Ablauf der DNA-Synthese im Genom vorhanden sein, ein oriL-Element ist nicht unbedingt essenziell. Die Anzahl der a-Einheiten in den TR- und IR-Elementen schwankt in Abhängigkeit vom Virusstamm. Sie bestehen ebenfalls aus aufeinander folgenden kurzen, in direkter Orientierung wiederholten und aus einmalig vorkommenden Sequenzen (䉴 Abbildung 19.25A), die bei allen Herpes-simplex-Viren konserviert sind: Am Ende findet man eine 20 Basenpaare lange, direkte Wiederholungseinheit (DR1), gefolgt von einer einheitlichen Ub-Region (65 Basenpaare), einem 19- bis 23fach wiederholten Repeat DR2 (22 Basenpaare), einem DR4-Repeat (37 Basenpaare) in zwei- bis dreifacher Wiederholung und einer Uc-Region (58 Basenpaare). Das DR1-Element am Ende der TRL-Region ist nur 18 Basenpaare lang. Am 3’-Ende findet man ein überhängendes Nucleotid. Am anderen Genomende gibt es nur ein Basenpaar des DR1-Repeats und ebenfalls eine 3’überhängende Base. Bei der Genomzirkularisierung ergänzen sich die Sequenzen zu einem vollständigen DR1-Element. Die DNA-Sequenzen der Herpes-simplex-Viren Typ 1 und Typ 2 ähneln sich stark (85 Prozent Homologie), und die Anordnung der verschiedenen Elemente ist identisch.
Varicella-Zoster-Virus (humanes Herpesvirus 3) Das Varicella-Zoster-Virus gehört zu den α-Herpesviren, und sein Genom ist das kleinste der humanen Herpesviren. Es verfügt über nur 72 offene Leserahmen; ihm fehlen etliche der Gene, die man bei den Herpes-simplex-Viren findet. Neben dem Stamm Dumas (124 884 Basenpaare) wurden auch der Impfvirusstamm Oka und einige weitere Isolate vollständig sequenziert. Der Genomaufbau ähnelt demjenigen des Herpes-simplexVirus, mit dem Unterschied, dass die Wiederholungseinheiten TRL und IRL, welche die lange einheitliche ULRegion (104 800 Basenpaare) flankieren, mit nur 88 Basenpaaren sehr kurz sind. Die TRS- und IRS-Einheiten sind dagegen mit 7 319 Basenpaaren lang und umrahmen die 5 232 Reste umfassende US-Region; die Zahlenwerte beziehen sich auf den Stamm Dumas. Wahrscheinlich wegen der Kürze der TRL- und IRL-Sequenzen findet beim Varicella-Zoster-Virus nur in seltenen Fällen eine intramolekulare Rekombination statt, sodass meist nur zwei isomere Genomformen vorliegen, bei denen die S-Elemente unterschiedliche Orientierungen aufweisen (䉴 Abbildung 19.25C). Die tierpathogenen Varicellaviren zeigen ähnliche Sequenzanordnungen in ihren Genomen. Beim bovinen Herpesvirus Typ 1 und beim porcinen Herpesvirus findet man jeweils etwa 140 000 Basenpaare. Die DNA-Genome der felinen Herpesviren sind 134 000 Basenpaare lang, während die equinen Herpesviren über circa 148 000 Basenpaare verfügen.
Cytomegalovirus (humanes Herpesvirus 5) Die Cytomegaloviren gehören zu den humanpathogenen Viren mit der höchsten Codierungskapazität. Das Genom des humanen Cytomegalovirus (Stamm AD169) umfasst 229 354 Basenpaare und enthält die Information für etwa 200 Genprodukte. Etwa 30 Proteine weisen in ihrer
Epstein-Barr-Virus (humanes Herpesvirus 4) Der B95-8-Stamm des Epstein-Barr-Virus verfügt über ein Genom von 172 281 Basenpaaren Länge, das keine isomeren Stränge bildet. An den Genomenden findet man eine unterschiedliche Anzahl Wiederholungseinheiten von 538 Basenpaaren (TR, terminal repeat), die in
19
19
558
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
gleicher Orientierung vorliegen. Die internen Repeats (IR1, 3 072 Basenpaare), die in Abhängigkeit vom Virusstamm in unterschiedlicher Anzahl aneinander gereiht sind, teilen das Genom in einen kurzen und einen langen Abschnitt (US oder U1 und UL; 12 000 beziehungsweise 134 000 Basenpaare) einheitlicher Sequenzen (䉴 Abbildung 19.25D). Das UL-Segment wird von drei weiteren Abschnitten kurzer, tandemartig wiederholter Sequenzelemente (IR2, IR3 und IR4) unterbrochen und lässt sich so weiter in die U2-, U3-, U4- und U5-Regionen unterteilen. In den Endbereichen des UL-Segments findet man zwei weitere, konservierte direct repeat-Elemente (DL und DR), die 125 Basenpaare lang sind. In ihrer Nachbarschaft liegen die beiden Initiationsstellen für die Genomreplikation (oriLyt) während des lytischen Vermehrungszyklus. Den Replikationsursprung für die episomale Genomvermehrung während der Latenz (oriP) findet man dagegen in der U1-Region. Da jeder Virusstamm eine spezifische Anzahl der verschiedenen Wiederholungseinheiten aufweist, ist die Genomlänge der Epstein-Barr-Viren heterogen. Daneben gibt es Isolate, bei denen große DNA-Bereiche deletiert sind. Unter anderem sind im Genom des Epstein-Barr-Virus B95-8, das B-Zellen mit einer hohen Tendenz zur Etablierung des latenten Zustands infiziert, am rechten Ende des ULSegments 11 835 Basenpaare deletiert. Damit fehlen dem B95-8-Genom auch die IR4- und DR-Sequenzen. Dagegen fehlen beim Virusisolat P3HR1, das B-Zellen nicht latent infizieren kann, die U2-Region und ein Teil der sie flankierenden IR1- und IR2-Einheiten. Humane Herpesviren 6 und 7 Das humane Herpesvirus 6 unterscheidet sich in seinem Genomaufbau von allen anderen humanpathogenen Herpesviren. Das Virusgenom besteht aus etwa 160 000 bis 162 000 Basenpaaren. An den Enden der linearen DNA findet man über einen Bereich von etwa 8 000 bis 9 000 Basenpaaren direkte Wiederholungseinheiten (DRL und DRR). Diese terminal repeats (TR) flankieren eine einheitliche Region (unique region) von etwa 143 000 bis 145 000 Basenpaaren Länge, die in den für die sehr frühen Genprodukte codierenden Genombereichen durch drei Wiederholungseinheiten IR1, IR2, IR3 (intermediate oder internal repeats) unterbrochen wird (䉴 Abbildung 19.25E). Isomere Genomformen können also nicht entstehen. Eine ähnliche Genomanordnung findet man bei den humanen Herpesviren 7 sowie den Herpesviren der Neuweltaffen, Herpesvirus saimiri und Herpesvirus ateles. In den Sequenzen der terminalen Wiederholungseinheiten DRL und DRR des humanen Herpesvirus 6 findet man sieben offene Leserahmen (DR1 bis DR7) und die Motive pac1 und pac-2, welche nach der DNA-Replikation für die Spaltung der konkatemeren Genome in Einzelmoleküle
und deren Verpackung in die Vorläufercapside verantwortlich sind. Die Genomenden ähneln den Telomerstrukturen von Säugetierchromosomen: Sie enthalten das charakteristische Basenmotiv (GGGTTA) in mehrfach wiederholter Folge; man vermutet, dass sie für den Erhalt der Genome und ihre Vermehrung in latent infizierten Zellen notwendig sind. Die DNA-Sequenzen der humanen Herpesviren 6 und 7 sind zueinander colinear; die Genomorganisation der unique region hat Ähnlichkeit zu derjenigen der UL-Region des humanen Cytomegalovirus. Humanes Herpesvirus 8 (Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus, KSHV) Das Genom des humanen Herpesvirus 8 enthält eine einheitliche Sequenzfolge mit einer Länge von 133 600 bis 137 500 Basenpaaren. Man kennt verschiedene Genotypen, die sich sieben eng miteinander verwandten Stämmen oder Virussubtypen (A, B, C und D sowie M, N und Q) zuordnen lassen. An den Genomenden findet sich eine unterschiedliche Anzahl Wiederholungseinheiten (terminal repeats, TR) von 801 Basenpaaren (䉴 Abbildung 19.25F). Der Genomaufbau des humanen Herpesvirus 8 ähnelt in einigen Kriterien dem des Epstein-Barr-Virus: Auch in diesem Fall sind in die Sequenzfolge kurze Wiederholungseinheiten von GC-reichen Abschnitten eingelagert, die den IR2-, IR3und IR4-Repeats des Epstein-Barr-Virus ähneln. Der Abschnitt, der beim Epstein-Barr-Virus den internen Repeat IR1 enthält, fehlt hingegen. In Nachbarschaft zu den Sequenzen der IR1 und IR2 des HHV-8 existieren Basenfolgen mit Homologie zu den Initiationsstellen für die Genomreplikation (oriLyt) des Epstein-Barr-Virus. Hinsichtlich der Anordnung der Gene besitzt das Genom des humanen Herpesvirus 8 jedoch auch Ähnlichkeit zu den Herpesviren der Neuweltaffen, Herpesvirus saimiri und Herpesvirus ateles, sowie den anderen tierpathogenen Vertretern des Genus Rhadinovirus, wie dem murinen γ-Herpesvirus 68. Aus diesem Grund wurde das humane Herpesvirus 8 auch diesem Genus in der Unterfamilie der γ-Herpesviren zugeordnet.
19.5.3 Virusproteine des lytischen Zyklus Bei der hohen Codierungskapazität der Herpesvirusgenome und der damit verbundenen großen Zahl von Proteinen ist es unmöglich, alle molekularen Details und die mit ihnen verbundenen Funktionen einzeln zu besprechen. Im Rahmen dieses Kapitels werden daher nur einige für den Replikationszyklus oder die Pathogenese besonders wichtigen Polypeptide herausgegriffen.
19.5 Herpesviren
Leser, die an weiteren Einzelheiten interessiert sind, finden zusätzliche Informationen in Übersichtsartikeln, die in 䉴 Abschnitt 19.5.9 angegeben sind.
Strukturproteine Membranproteine In die Hüllmembran der Herpesviren sind verschiedene Glycoproteine eingelagert (䉴 Tabelle 19.15). Einige davon, nämlich die Glycoproteine gB, gH, gL, und gM sind hinsichtlich ihrer Funktion konserviert und bei den Vertretern aller Unterfamilien vorhanden. Andere findet man als Virusproteine der Cytoplasmamembran infizierter Zellen und/oder in der Hüllmembran der Viruspartikel nur bei bestimmten Herpesviren, sie charakterisieren die Vertreter der unterschiedlichen Subfamilien. Bei den Herpes-simplex-Viren und bei tierpathogenen Vertretern der α-Herpesviren wie dem Pseudorabiesviurs wurden zwölf Glycoproteine (gB bis gN) identifiziert. Die Glycoproteine gB, gD und der Komplex aus gH/gL sind an der Aufnahme des Virus in das Cytoplasma beteiligt. Jedes dieser Polypeptide induziert die Bildung neutralisierender Antikörper, welche die Infektion auf der Stufe der Penetration hemmen. Die gBund/oder gC-Proteine binden an Heparansulfat-Proteoglycan auf der Zelloberfläche (䉴 Abschnitt 19.5.6 und Tabelle 19.19). Das gB-Protein des Herpes-simplexVirus 1 verfügt nach Abspaltung des aminoterminalen Signalpeptids über 875 Aminosäuren, die an sechs Positionen mit N-glycosidisch gebundenen Kohlenhydratgruppen modifiziert sind. In seiner reifen Form scheint gB als Homodimer vorzuliegen. Die meisten der neutralisierenden Antikörper, die während einer Infektion gebildet werden, sind gegen dieses Protein gerichtet. Neutralisierende Antikörper sind auch gegen das gCProtein des Herpes-simplex-Virus 1 gerichtet. Es besitzt 511 Aminosäuren, wobei die 25 Reste am aminoterminalen Ende als Signalpeptid dienen und die Synthese am endoplasmatischen Reticulum vermitteln. Das gC-Protein ist sowohl über N- als auch über O-glycosidische Bindungen mit Zuckergruppen modifiziert und liegt als oligomerer Komplex aus mehreren Untereinheiten vor. Man konnte zeigen, dass das gC-Protein auf der Oberfläche infizierter Zellen vorhanden ist und dass es die Komplementkomponente C3b bindet (䉴 Kapitel 7). Verantwortlich hierfür sind diskontinuierliche Bereiche des Proteins. Die Funktion der C3b-Bindung ist nicht endgültig geklärt. Man vermutet, dass infizierte Zellen oder die Viruspartikel so weiteren Anlagerungen der Komponenten des Komplementsystems und der komplementvermittelten Eliminierung entgehen. Zusätzlich zu der wenig spezifischen Wechselwirkung mit Heparansulfat-Proteoglycan findet man bei der
559
Adsorption der Herpes-simplex-Viren die Interaktion des gD-Proteins mit Nectin-1 (Zellrezeptoren aus der Immunglobulinsuperfamilie) und einer Gruppe von TNF-rezeptorähnlichen Proteinen, die allgemein als herpesvirus entry mediators (HVEM) bezeichnet werden. Das gD-Protein besteht aus 394 Aminosäuren. Auch hier dienen 25 Reste am Aminoterminus als Signalpeptid. Zuckergruppen sind O- und N-glycosidisch gebunden. Nach einer Herpes-simplex-Virusinfektion können bei den Patienten nicht nur gD-spezifische neutralisierende Antikörper, sondern auch cytotoxische T-Zellen nachgewiesen werden, die Epitope dieses Proteins erkennen. Zusätzlich fand man, dass die Anwesenheit des gD-Proteins auf der Oberfläche von infizierten Zellen die Adsorption und Aufnahme weiterer Herpesviruspartikel verhindert. Das humanpathogene Varicella-ZosterVirus verfügt als bisher einziger bekannter Vertreter der α-Herpesviren nicht über die genetische Information für ein gD-homologes Protein. Neben der C3b-bindenden Aktivität des gC-Proteins besitzen Herpes-simplex-Viren einen weiteren Mechanismus, um der Immunantwort zu entgehen: Die Glycoproteine gE und gI bilden heterodimere Komplexe, wirken als virale Fc-Rezeptoren (vFcgR) und binden sich an die γ-Ketten von Immunglobulinen. Dies verhindert die Interaktion der Antikörper mit den Effektorzellen. Daneben erscheint es möglich, dass neutralisierende BZellepitope dieser Oberflächenproteine durch die Bindung der Antikörpermoleküle maskiert werden und nicht als fremd erkennbar sind. Auch sind die Proteine gE und gI bei den α-Herpesviren an der Ausbreitung der Infektion im Gewebe beteiligt. Sie akkumulieren während der späten Infektionsphase an den lateralen Membrandomänen von polarisierten Zellen und an den cell junctions. Sie vermitteln die Zell-zu-ZellWeitergabe der Nachkommenviren. In vitro wird die Infektion so in den Zellkulturen, in vivo im epithelialen oder neuronalen Gewebe verbreitet, ohne dass dabei infektiöse Partikel beteiligt und freigesetzt werden. In der frühen Infektionsphase hat der Komplex aus gEund gI-Proteinen jedoch noch eine weitere Aufgabe: Zu diesem Zeitpunkt ist er in den intrazellulären Membrankompartimenten des trans-Golgi-Netzwerkes verankert. Verantwortlich dafür ist ein Sortierungssignal (Y-X-X-Aromat) in der carboxyterminalen, ins Cytoplasma orientierten Domäne des gE-Proteins. Die gE/gI-Proteine vermitteln die Umhüllung der Nucleocapside mit der Membran des trans-Golgi-Netzwerkes und bewirken die Bildung von Virusvorläuferpartikeln, die dann zu den lateralen Seiten epithelialer Zellen transportiert werden. Das Varicella-Zoster-Virus – ebenfalls ein Vertreter der α-Herpesviren – codiert für nur neun Membran-
19
19
560
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
¡ Auch Cytomegaloviren verfügen über immunglobulinbindende Oberflächenproteine Ähnlich wie der Komplex der gE/gI-Proteine der Herpessimplex-Viren, verfügen auch die Cytomegaloviren über Glycoproteine, die sich an die schweren γ-Ketten von Antikörpermolekülen binden können. Beim humanen Cytomegalovirus handelt es sich um die Glycoproteine gp34 und gp68, die von den Leserahmen TRL11/IRL11 beziehungsweise UL119-UL118 codiert werden. Sie können dabei Immunglobuline aller vier IgG-Subklassen (IgG1, IgG2, IgG3, IgG4) komplexieren, wohingegen die gE/gI-Proteine der
proteine, von denen acht funktionell den Proteinen gB, gC, gE, gH, gI, gK, gL und gM der Herpes-simplex-Viren entsprechen und auch so bezeichnet werden. Im Leserahmen ORF1 codieren die Varicella-Zoster-Viren für ein weiteres Membranprotein; ein entsprechendes homologes Produkt findet sich weder bei den Herpessimplex- noch bei den anderen humanpathogenen Herpesviren. Das ORF1-Protein hat eine Molekularmasse von etwa 14 bis 17 kD, ist phosphoryliert und über eine carboxyterminale Transmembrandomäne in der Cytoplasmamembran und den Membranen des trans-GolgiNetzwerkes verankert. Es erwies sich für die Produktion infektiöser Nachkommenviren als nicht notwendig. Wie die gB-Proteine ist auch der Komplex der gH/gLProteine bei allen Herpesviren konserviert und sowohl an der Bindung der Partikel an die Zelloberfläche, als auch an der Fusion von Zell- und Virushüllmembranen beteiligt (䉴 Tabellen 19.15 und 19.19). Gegen den gH/gLKomplex sind neutralisierende Antikörper gerichtet. Die gH-Proteine verfügen beim Herpes-simplex-Virus über 838 Aminosäuren und eine carboxyterminal gelegene Transmembrandomäne. Eine hydrophobe α-Helix im Bereich der Aminosäuren 377 bis 397 des gH-Proteins hat fusogene Aktivität und kann die Verschmelzung von zueinander benachbarten Membranen einleiten. Die gH-Proteine bilden im endoplasmatischen Reticulum über Disulfidbrücken Komplexe mit den löslichen gLProteinen, die beim Herpes-simplex-Virus 224 Aminosäuren umfassen. Diese kovalente Bindung zwischen den gH- beziehungsweise gL-homologen Proteinen findet man bei den Vertretern der ß- und γ-Herpesviren nicht. Die gL-Proteine wirken als Chaperone und sind für den Transport der gH/gL-Komplexe zur Cytoplasmamembran notwendig. Bei einigen Herpesviren fand man, dass die gH/gL-Proteine mit weiteren Glycoproteinen (gO
Herpes-simplex-Viren IgG3 nicht binden können. Das Mauscytomegalovirus verfügt ebenfalls über einen vFcγ-Rezeptor, der hier mit der Abkürzung fcr-1/m138 versehen wurde. Obwohl gE/gI, gp34, gp68 und fcr-1/m138 alle über eine ähnliche Fähigkeit zur Wechselwirkung mit den γKetten der Antikörpermoleküle verfügen, zeigen sie keinerlei Homologie hinsichtlich ihrer Aminosäuresequenz. Ihre Aktivitäten haben sich vermutlich unabhängig voneinander entwickelt.
beim humanen Cytomegalovirus, gp42 beim EpsteinBarr-Virus, gQ1/gQ2 beim humanen Herpesvirus 6) interagieren. Diese großen Aggregate sind an der Wechselwirkung mit den zellulären Rezeptoren beteiligt und beeinflussen den Zelltropismus der jeweiligen Viren. Das gB-Homolog des humanen Cytomegalovirus wird im Leserahmen UL55 codiert und als Vorläuferprotein von 906 Aminosäuren gebildet. Im Gegensatz zum Protein des Herpes-simplex-Virus wird es nach der Position 460 durch die zelluläre Furinprotease gespalten. Hierdurch entsteht ein Heterodimer aus dem aminoterminalen gp93 und dem carboxyterminalen gp55, die beide über Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Die meisten virusneutralisierenden Antikörper sind gegen diesen Proteinkomplex gerichtet. Dem gBProtein entspricht das gp110 des Epstein-Barr-Virus. Es wird im Leserahmen BALF4 codiert und auch proteolytisch gespalten. Ein zum gB ähnliches Protein, das gp35-37, codiert beim humanen Herpesvirus 8 im Leserahmen ORFK8,1. Das dem gH-Protein der Herpes-simplex-Viren homologe Produkt der humanen Cytomegaloviren, gp86 (UL75), umfasst 742 Aminosäuren. Es entspricht dem gp85 des Epstein-Barr-Virus, das im BXLF2-Leserahmen codiert wird und dem Produkt des Gens 37 der Varicella-Zoster-Viren. Bei den humanen Herpesviren 6 und 8 findet man die gH-homologen Proteine in den Leserahmen U48 beziehungsweise ORF22. Beim Epstein-Barr-Virus sind die meisten neutralisierenden Antikörper gegen ein Glycoprotein gerichtet, das auf den Virionen und den infizierten Zellen in zwei verschiedenen Formen vorhanden ist. Das gp350 wird im Leserahmen BLLF1 codiert und von einer ungespleißten mRNA translatiert. Für die Synthese des gp220 wird aus dem zentralen Bereich der mRNA ein Intron
19.5 Herpesviren
561
¡ Die Transaktivatoren Oct-1 und Oct-2 zählen zur Familie der Homöoboxproteine POU Der Transaktivator Oct-1 (auch als NF-A1, NFIII, OTF-1 oder OBP100 bekannt) bindet sich in der Zelle an das Octamermotiv ATGCAAAT, das sich zum Beispiel in Promotoren von Genen für das Histon 2B oder für die kleine nucleäre RNA (snRNA) befindet, die unabhängig von Typ und Differenzierungsstadium konstitutiv in vielen unterschiedlichen Zellen exprimiert werden. Das gleiche Octamermotiv findet man auch in den Promotoren der Immunglobulingene. An dieses bindet sich jedoch das Oct-2-Protein. Beide gehören zusammen mit den Faktoren Pit-1 und Unc-86 aus dem Nematoden Caenorhabditis elegans zu der Familie der Homöobox-
entfernt, sodass das Protein mit den amino- und carboxyterminalen Bereichen des gp350 sequenzidentisch ist. Beide Proteine verfügen über einen hohen Gehalt an Zuckergruppen. Außer einer schützenden Antikörperantwort induzieren sie bei infizierten Personen eine antikörperabhängige, cytotoxische T-Zellreaktion (䉴 Kapitel 7). Die Epstein-Barr-Viren adsorbieren über den gp220/350-Komplex an das CD21-Protein, den CR2-Komplementrezeptor. Tegumentproteine Das α-TIF-Protein (auch VP16, 54 kD) der Herpes-simplex-Viren codiert im Leserahmen UL48 und wird spät während des lytischen Replikationszyklus synthetisiert; es entspricht beim VaricellaZoster-Virus dem Genprodukt des ORF10. Bei der Morphogenese wird es in die infektiösen Partikel integriert und liegt in ihnen als eine der Tegumentkomponenten vor. Für die Virusvermehrung ist es nicht unbedingt erforderlich: Mutanten mit einem zerstörten α-TIF-Gen können sich ebenfalls vermehren, wenn auch ineffizienter und mit verlängerten Replikationszeiten. Das α-TIF-Protein besteht aus drei funktionell wichtigen Domänen: Die erste umfasst die Reste 173 bis 241. Sie sind reich an basischen Aminosäuren und binden sich an DNA. Die zweite Domäne enthält die Aminosäuren 378 bis 389. Sie interagieren mit dem zellulären Transaktivator Oct-1. Die 80 sauren, carboxyterminalen Aminosäuren stellen die dritte Domäne dar. Sie vermittelt die transaktivierenden Eigenschaften. α-TIF wird in der infizierten Zelle in den Kern transportiert und verstärkt dort die Expression der immediate earlyGene. Das Protein bindet sich nicht selbst an die Promotoren, sondern interagiert vielmehr mit dem Faktor
proteine POU (Pit-1, Oct, Unc-86). Allen ist eine etwa 150 Aminosäuren lange POU-Domäne gemein, die sich aus der homöoboxähnlichen POU-Homöodomäne und einer POUspezifischen Region zusammensetzt. Erstere ist für die Ausbildung des Proteinkomplexes mit α-TIF und auch für die Bindung an das DNA-Octamermotiv verantwortlich. α-TIF interagiert spezifisch mit der Helix 2 der POU-Homöodomäne des Oct-1-Proteins, jedoch nicht mit derjenigen von Oct-2. Die Funktion der POU-spezifischen Domäne ist unklar. Vermutlich trägt sie mit zur DNA-Bindung bei.
C1, der sich aus zwei Untereinheiten (80 und 70 kD) zusammensetzt. Dieser α-TIF/C1-Komplex heftet sich anschließend an das Protein Oct-1 an, das seinerseits in Wechselwirkung mit bestimmten Sequenzmotiven in den Promotoren der immediate early-Gene vorliegt. Hierdurch kann die transaktivierende Domäne des α-TIF mit dem TATA-Box-bindenden Transkriptionsfaktor TFIID interagieren und dadurch die Initiation der mRNA-Synthese verstärken. Die Sequenzfolge 5’GyATGnTAATGArATT-3’ (y = Pyrimidin, n = Purin oder Pyrimidin, r = Purin) in den Promotorbereichen ist essenziell für die Bindung des Komplexes und die Transaktivierung. Oct-1 interagiert dabei bevorzugt mit den Nucleotiden ATGnTAAT. α-TIF selbst interagiert als Teil des gebildeten Komplexes – aber nicht in freier Form – mit den Resten GArAT (r = Purinbase). Beim humanen Cytomegalovirus hat das Tegumentprotein pp71 des Leserahmens UL83 eine dem α-TIF der Herpes-simplex-Viren vergleichbare Transaktivatorfunktion. Es induziert die Expression der immediate early-Gene und wird durch die mit den Viruspartikeln assoziierte Proteinkinase phosphoryliert. Es bindet zusammen mit zellulären Faktoren und beeinflusst die AP-1- oder CRE/ATF-Erkennungsstellen im Enhancer, der die Expression der immediate early-Gene 1 und 2 kontrolliert (䉴 Abbildung 19.28). Auch bewirkt es die SUMOylierung und damit den proteolytischen Abbau von Daxx, einer Proteinkomponente der PML-NBs (premyelocytic leukemia nuclear body); Daxx hat die Funktion eines Corepressors und unterdrückt die Expression der immediate early-Gene. Beim Epstein-Barr-Virus besitzt das Protein des Leserahmens BPLF1 30 Prozent Sequenzhomologie mit α-TIF. Ob es eine entsprechende
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Funktion bei der Einleitung der lytischen Infektion hat, ist unbekannt. α-TIF ist nicht das einzige Tegumentprotein, das die Expression der immediate early-Gene der Herpes-simplex-Viren beeinflusst: Die Produkte der Leserahmen UL46 und UL47 (VP13-14) wirken sich ebenfalls auf den Transaktivierungsprozess aus. Auf welche Weise das geschieht, ist nicht bekannt. VP13-14 wird dabei von der viralen Proteinkinase (UL13), einem weiteren Bestandteil des Teguments, phosphoryliert. Die Frage, inwieweit sich diese Proteinmodifikation auf die sehr frühe Genexpression auswirkt, muss noch beantwortet werden. Auch in den Virionen der β- und γ-Herpesviren hat man Proteinkinasen gefunden. Beim humanen Cytomegalovirus scheint diese Aktivität mit dem Protein pp65, der Hauptkomponente des Teguments, assoziiert zu sein. Das pp65 fördert die Inkorporation weiterer Virusproteine in das Tegument der neu entstehenden Cytomegaloviren: Hierzu zählen die Proteinkinase UL97 und die Produkte der Leserahmen UL25 und UL69. Wird die Synthese von pp65 durch ortsgerichtete Mutagenese verhindert, dann behindert dies in vitro die Infektion von Makrophagen, jedoch nicht diejenige von Fibroblasten; dies ist ein Hinweis, dass das Tegumentprotein pp65 auch den Tropismus der humanen Cytomegaloviren für die Infektion bestimmter Zelltypen beeinflusst. Das im Leserahmen UL35 codierende Protein der Herpes-simplex-Viren tritt – nachdem die Nucleocapside zusammen mit den ihnen anhaftenden Tegumentproteinen in das Cytoplasma gelangt sind – in Wechselwirkung mit dem Protein Tctex1, der leichten Kette des Dynein der Microtubuli. Dies bewirkt den intrazellulären Transport der Capside zu den Kernporen. Auch das Produkt des US11-Gens ist im Tegument der Herpessimplex-Viren vorhanden. Es wird spät im Infektionszyklus synthetisiert. Das US11-Protein bindet sich an doppelsträngige RNA und hemmt hierdurch die Aktivierung der PKR (Proteinkinase, dsRNA-induziert) und der OAS (2’-5’-Oligoadenylatsynthetase). Es hemmt so die Induktion der Interferon-Klasse-I-abhängigen Immunabwehr. Das US11-Protein scheint zusätzlich der Termination der Transkription entgegenwirken zu können: Es erkennt eine Haarnadelschleife in der mRNA, die vom Leserahmen UL34 transkribiert wird. Die Interaktion bewirkt, dass die mRNA-Synthese fortgesetzt wird und nicht unter Bildung einer nichtpolyadenylierten mRNA vorzeitig abbricht. Bei dem Genprodukt UL34, dessen Synthese durch das US11-Protein reguliert wird, handelt es sich um ein Membranprotein, das in infizierten Zellen gebildet und von der viralen Proteinkinase UL13 phosphoryliert wird. Es findet sich auch im Virion, doch seine Funktion ist unbekannt. Des Weite-
ren ist für das US11-Protein eine antiapoptotische Wirkung beschrieben. Eine weitere Komponente des Teguments der Herpes-simplex-Viren ist in der Frühphase der Infektion für den Abbau und die Destabilisierung der zellulären mRNA-Spezies verantwortlich, einen Vorgang, der mit einer schnellen Abnahme der Proteinsynthese und -modifikation der Wirtszelle verbunden ist. Es bewirkt – möglicherweise indem es sich an den Translationsinitiationsfaktor eIF4H bindet – die Abspaltung der 5’-CapGruppen und den Abbau der Transkripte vom 5’-Ende her. Das Protein Vhs (virus-host-shut-off; 58 kD), das dieses Abschalten der Wirtsfunktionen einleitet, wird im Leserahmen UL41 codiert und spät im Infektionszyklus gebildet; ein entsprechendes Protein codiert beim Varicella-Zoster-Virus im ORF17. Neben den zellulären destabilisiert es auch die viralen mRNA-Moleküle. Wahrscheinlich wird so der Übergang von den frühen zu den späten Phasen der Replikation reguliert. Bei den β- und γ-Herpesviren konnte man bisher keine Vhs-ähnliche Proteinfunktion identifizieren.
Nichtstrukturproteine Enzyme und Funktionen bei der Genomreplikation Neben den bisher erwähnten Enzymen wie der Protease und der Proteinkinase, die Teil der Virionen sind, codieren die Herpesviren für eine große Anzahl von Enzymen und Polypeptiden, die verschiedene Schritte des Nucleinsäurestoffwechsels katalysieren und bei der DNA-Synthese und Genomvermehrung aktiv sind (䉴 Tabelle 19.16). Die meisten sind delayed early-Proteine und müssen in ihrer funktionell aktiven Form in der infizierten Zelle vorliegen, bevor die Replikation beginnen kann. Außer etlichen zellulären sind sieben virale Proteine für die Genomreplikation der Herpes-simplex-Viren essenziell: 1. Die DNA-Polymerase (140 kD), deren Sequenz bei allen Herpesviren konserviert ist; sie wird im Unterschied zum zellulären Enzym durch Phosphonoessigsäure und -ameisensäure gehemmt. Neben der 5’→3’-Polymerasefunktion besitzt sie ähnlich wie die zellulären Enzyme eine 3’→5’Exonucleaseaktivität und verfügt somit über einen Mechanismus zur Überprüfung der Lesegenauigkeit. 2. Ein 62kD-Protein (processivity factor), das im Komplex mit der Polymerase vorliegt und sich an doppelsträngige DNA bindet. 3.–5. Der Helicase-Primase-Komplex, der sich aus drei Proteinen (99 kD, 80 kD und 114 kD) zusammensetzt. Er ist für die Entwindung der doppelsträn-
19.5 Herpesviren
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Tabelle 19.16 Herpesvirusproteine mit Aufgaben bei der Replikation Molekulargewicht (kD)*/Genort HCMV HHV-6 EBV
Funktion
HSV
VZV
HHV-8
140/UL30
ORF28
140/UL54
100/U38
110/BALF5
ORF9
DNA-Polymerase
124/UL29
ORF29
140/UL57
U41
138/BALF2
110/ ORF6
bindet sich an einzelsträngige DNA
94/UL9
ORF51
70/UL84
U73
38–40/BZLF1
?
bindet sich an Replikationsursprung OriLyt
62/UL42
ORF16
52/UL44
41/U27
50/BMRF1
ORF59
bindet sich an doppelsträngige DNA (processivity factor)
99/UL5
ORF55
115/UL105
U77
-/BSLF1
ORF56
5’-3’-Helicase, DNA-Primasekomplex
114/UL52
ORF6
110/UL70
U43
-/BBLF2/3
ORF40/41
5’-3’-Helicase, DNA-Primasekomplex
80/UL8
ORF52
-/UL102 ?
U74
-/BBLF4
ORF44
stimuliert Primersynthese
68/UL12
ORF48
-/UL98
U70
70/BGLF5
ORF37
alkalische Endo-/Exonuclease
41/UL23
ORF36
-/-
-/-
70/BXLF1
ORF21
Thymidinkinase
-/-
ORF1
ORF70
Thymidylatsynthase
-/UL97
U69
-/-
-/-
Phosphotransferase, Proteinkinase monophosphoryliert Gancyclovir
-/140/UL39
ORF19
-/UL45
U28
85/BORF2
ORF61
große Untereinheit der Ribonucleotidreductase
38/UL40
ORF18
-/-
-/-
34/BaRF1
ORF60
kleine Untereinheit der Ribonucleotidreductase
39/UL2
ORF59
-/UL114
U81
78–88/BKRF3
ORF46
Uracilglycosylase
39/UL50
ORF8
-/UL72
U45
-/BLLF3
ORF54
dUTPase
* Die Molekulargewichte sind, soweit bekannt, zusammen mit den die Proteine codierenden Leserahmen auf den Virusgenomen angegeben.
6.
7.
gigen DNA-Helix und die Bildung der RNA-Primer verantwortlich, welche die DNA-Polymerase bei der Bildung der Okazaki-Fragmente im Verlauf der Folgestrang- oder lagging strand-Synthese benötigt. Ein Protein (124 kD), das sich an einzelsträngige DNA bindet und zugleich mit dem Polymerasekomplex interagiert. Es lagert sich an die DNAEinzelstränge an, die an der Replikationsgabel entstehen und hält sie in einer gestreckten, für die Polymerase lesbaren Konfiguration. Ein oriLyt-bindendes Protein (94 kD), das als Dimer mit drei Sequenzelementen am Replikationsursprung wechselwirkt und vermutlich die Anlagerung der übrigen, für die DNA-Synthese notwendigen Komponenten ermöglicht.
Beim humanen Cytomegalo-, beim Epstein-Barr-Virus und auch bei den humanen Herpesviren 6 und 8 konnten ähnliche Genprodukte identifiziert werden (䉴 Tabelle 19.16). Vermutlich lagern sich diese für die Vermehrung des Virusgenoms obligaten Proteine in einem
ähnlichen Komplex aneinander, wie man ihn von den entsprechenden Komponenten eukaryotischer Zellen kennt (䉴 Abbildung 19.26). Daneben verfügen die Herpesviren über einige weitere Enzyme, die in den Nucleinsäurestoffwechsel eingreifen, deren Funktion jedoch auch von entsprechenden zellulären Proteinen übernommen werden können. Das bekannteste dieser Enzyme ist die Thymidinkinase, die mit Ausnahme der Cytomegaloviren in allen Herpesviren nachgewiesen wurde. Thymidinkinasenegative Herpes-simplex-Viren können sich zwar in vitro replizieren, zeigen jedoch eine verringerte Virulenz in Mäusen. Das Enzym katalysiert die Phosphorylierung von Thymidin, aber auch von anderen Pyrimidin- und Purinderivaten zum Monophosphat beziehungsweise beim Herpes-simplex-Virus Typ 1 zum Diphosphat. Es hat ein wesentlich breiteres Substratspektrum als die zelluläre Thymidinkinase. Hierauf beruht die antivirale Wirkung von verschiedenen Nucleosidderivaten wie Aciclovir, einem azyklischen Analogon des Guanosins, dessen unvollständiger Zuckereinheit die 3’-OH-Gruppe fehlt (䉴 Kapitel 9 und Abbildung 9.1). Sein Einbau in
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Herpesvirusgenom dsDNA, zirkulär geschlossen
OnLyt -Bindeprotein
Leitstrang processivity factor DNA-Polymerase DNA-Bindeprotein (Einzelstrang)
3´ Okazaki-Fragment RNA-Primer
Folgestrang 3´ 5´
Helicase
Primase
19.26 Virusproteine, die bei der lytischen Genomreplikation der Herpesviren nach dem rolling circle-Mechanismus beteiligt sind.
die DNA-Stränge führt zum Kettenabbruch. Aciclovir wird von der herpesviralen Thymidinkinase monophosphoryliert, wohingegen die zelluläre Thymidinkinase das Guanosinanalogon nicht als Substrat akzeptiert. Die weiteren Phosphorylierungen zum Triphosphat werden jedoch von eukaryotischen Enzymen durchgeführt. Das Aciclovir-Triphosphat wird dann bevorzugt von der herpesviruscodierten DNA-Polymerase für die Replikation des Genoms verwendet (䉴 Abbildung 9.2). Die Tatsache, dass zwei virusspezifische Enzyme das Nucleosidanalogon bevorzugt als Substrat akzeptieren, gewährleistet die spezifische Aktivierung in virusinfizierten Zellen und den ausschließlichen Einbau in die virale DNA. Zellspezifische Prozesse werden hiervon also nicht oder nur zu einem sehr geringen Prozentsatz betroffen. Ganciclovir ist ein ähnlich wirkendes Nucleosidanalogon (䉴 Abbildung 9.1). Es wird in analoger Weise von der Thymidinkinase phosphoryliert, in die DNA eingebaut und führt zum Kettenabbruch. Es hemmt auch die Replikation des humanen Cytomegalovirus sowie die der humanen Herpesviren 6 und 7, obwohl diese Vertreter der β-Herpesviren für keine Thymidinkinase codieren. Die Bildung des Monophosphats erfolgt durch virale Proteinkinasen, die in den Leserahmen UL97 und U69 des humanen Cytomegalovirus beziehungsweise des humanen Herpesvirus 6 codiert werden. Bei den humanen Herpesvi-
ren 8 und den tierpathogenen Vertretern der Gattung Rhadinovirus in der Unterfamilie der γ-Herpesviren findet man zusätzlich zur Thymidinkinase auch die genetische Information für das Enzym Thymidylatsynthetase. Im Vergleich zu zellulären Thymidylatsynthetasen sind die viralen Enzyme deutlich kleiner, aber trotzdem funktionell in infizierten Zellen aktiv. Unter den α-Herpesviren verfügen nur die Varicella-Zoster-Viren über eine Thymidylatsynthetase. Als weitere enzymatische Aktivitäten wurden eine alkalische DNase und eine Uracilglycosylase identifiziert. Man vermutet, dass beide für die Korrektur von falsch eingebauten Nucleotiden in die DNA-Stränge benötigt werden. Die Uracil-DNA-Glycosylase korrigiert den Einbau von dUTP in die DNA und folglich auch spontane Desaminierungen von Cytosinresten (eine Desaminierung von dCTP ergibt dUTP und bewirkt eine Transitionsmutation von G:C zu A:T). Da die DNA von Herpesviren einen hohen Cytosin- und Guanosingehalt aufweist, ist dieses Enzym möglicherweise für die Aufrechterhaltung der korrekten Nucleotidzusammensetzung in den Genomen von Bedeutung. Die virale UracilDNA-Glycosylase ist ein Mitglied der Familie 1 dieser Enzymgruppe. Sie erkennen uracilhaltige Nucleotide, die mit Guanosinbasen gepaart sind und hydrolysieren die Bindung zwischen Base und Zuckerrest. In den fol-
19.5 Herpesviren
genden Reaktionen wird auch der in der Kette verbliebene Zucker- und Phosphatrest entfernt und die Lücke mittels der Excisionsreparatursysteme wieder geschlossen. Die Ribonucleotidreductase besteht bei den α- und γ-Herpesviren aus je zwei großen und zwei kleinen Untereinheiten (140 kD beziehungsweise 38 kD); bei den β-Herpesviren fehlt die kleine Untereinheit. Das Enzym bewirkt die Umwandlung von Ribonucleotiden zu Desoxyribonucleotiden und garantiert so, dass genügend Bausteine für die Neusynthese der Genome zur Verfügung stehen. Auch dieses Enzym ist ein möglicher Angriffspunkt für antiviral wirkende Therapeutika: Peptide, welche die Interaktion der Untereinheiten verhindern, reduzieren die Virusvermehrung. Transaktivatoren Die meisten immediate early-Proteine der Herpesviren sind Transaktivatoren, die den Ablauf der lytischen Infektion regulieren, indem sie die Expression der delayed early- und der späten Gene aktivieren. Die Sequenzen dieser Proteine sind für die verschiedenen Virustypen spezifisch und nur selten über kurze Strecken konserviert. Herpes-simplex-Viren codieren für fünf immediate early-Proteine (ICP0, ICP4, ICP22/US1, ICP27/UL54, ICP47/US12). Die Gene von ICP0 und ICP4 liegen in den b- beziehungsweise c-Sequenzen der Wiederholungseinheiten und deswegen in doppelter Kopie vor (䉴 Abbildung 19.25A und 19.27); die Bezeichnung ihrer Genorte folgt nicht den üblichen Regeln. Die ICP0, ICP4 und ICP22-Proteine sind phosphoryliert. Das ICP4-Protein (140 kD) ist zusätzlich durch UDP- und ADP-Reste modifiziert und essenziell für die Virusreplikation; das homologe Protein (IE62) des Varicella-Zoster-Virus codiert im ORF62. Das ICP4-Protein induziert mit Ausnahme der immediate early-Gene die Expression aller anderen Leserahmen und bindet sich, wenn auch relativ schwach, an eine Vielzahl von Promotoren. Vermutlich übt es seine Transaktivatorfunktion zusammen mit zellulären Faktoren aus. In einer negativen Rückkopplung unterdrückt das ICP4-Protein die Transkription des eigenen Genes, indem es sich an die Consensussequenz 5’-ATCGTC-3’ bindet, die dem Startpunkt der mRNASynthese entspricht. Ein ähnliches cis-aktives Element findet man auch in den Promotoren der Gene für das ICP0-Protein und für die LAT-RNA, deren Expression ebenfalls durch ICP4 reprimiert wird. Die LAT-RNA ist das einzige virale Genprodukt, das auch während des Latenzstadiums nachgewiesen werden kann (䉴 Abschnitte 19.5.4 und 19.5.5). Das ICP0-Protein (79 kD) – IE62 beim Varicella-Zoster-Virus – ist ein pleiotroper Aktivator der Transkription, wirkt synergistisch mit ICP4 und verstärkt dieses in seiner transaktiven Wir-
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kung. Für die lytische Virusvermehrung in vitro ist es nicht unbedingt erforderlich. Möglicherweise hat das ICP0 jedoch dann eine wichtige Funktion, wenn das Virus aus der Latenz zur lytischen Replikation reaktiviert wird. Beim ICP0 handelt es sich um ein Protein mit einer RING-Finger-Domäne, das als Ubiquitin-Ligase wirkt. Dabei tritt es in Wechselwirkung mit verschiedenen zellulären E2-Ubiquitinylierungsenzymen und induziert die Ubiquitinylierung unterschiedlicher Zellproteine, unter anderem des Proteins Sp100, das mit der Kerndomäne ND10 assoziiert ist, und des Proteins PML (promyelocytic leukemia protein). Als Folge werden die ubiquitinmodifizierten Proteine proteolytisch mittels der Proteasomen abgebaut. Das phosphorylierte Protein ICP27 (51 kD), das über ein Zinkfingermotiv verfügt und sich im Zellkern anreichert, ist hingegen für die Virusvermehrung essenziell. Es verstärkt die Synthese von späten Genprodukten und unterdrückt die Bildung der immediate early-Proteine. Hierbei wirkt es vermutlich auf unterschiedliche Weise: Man hat transaktivierende Funktionen beschrieben, die durch Bindung an nicht näher definierte Promotorelemente ausgelöst werden. Die Hauptfunktion des ICP27 scheint jedoch in der Regulation auf posttranskriptioneller Ebene zu liegen. Es beeinflusst die Verwendung alternativer Terminationsund Polyadenylierungsstellen bei der mRNA-Synthese und so auch den mRNA-Export in das Cytoplasma. Zusätzlich inhibiert ICP27 mRNA-Spleißprozesse. ICP22 und ICP47 werden für die lytische Vermehrung der Herpes-simplex-Viren nicht benötigt. Für ICP22 fand man nicht näher charakterisierte, transaktivierende Regulatorfunktionen. Hierbei interagiert ICP22 mit der Proteinkinase UL13, einer Komponente des Teguments, und verändert den Phosphorylierungsgrad und folglich die Aktivität der zellulären RNA-Polymerase II. ICP47 verhindert in der frühen Infektionsphase das Spleißen der Transkripte. Im späten Stadium ist ICP47 am Transport der viralen mRNAs aus dem Zellkern in das Cytoplasma beteiligt – es ist mit dieser Eigenschaft also funktionell ähnlich zum Rev-Protein der Lentiviren (䉴 Abschnitt 18.1.3). Wie die meisten der immediate early-Proteine der Herpesviren hat jedoch auch das ICP47 vielfältige Aufgaben: Mittels einer Domäne im aminoterminalen Bereich (an den Aminosäuren 3 bis 34) bindet sich das ICP47 an die in das Cytoplasma orientierten Regionen des in der Membran des endoplasmatischen Reticulums verankerten TAP-Transporter-Proteins. Dieses transportiert Peptide, die durch den Abbau zellulärer und viraler Proteine an den Proteasomen entstehen, in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums, wo sie mit den MHC-Klasse-I-Proteinen wechselwirken – eine Voraussetzung für die Präsentation der Komplexe auf der Zelloberfläche und für die
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Erkennung durch cytotoxische T-Lymphocyten (䉴 Kapitel 7). Die Wechselwirkung des ICP47 mit dem TAPTransporter verhindert die Bindung der Peptide und folglich auch ihren Transport in das endoplasmatische Reticulum. Das ICP47 beeinflusst auf diese Weise die immunologische Erkennung der infizierten Zellen.
Funktionell ähnlich ist die Wirkung des US6-Proteins des humanen Cytomegalovirus, auch wenn der molekulare Mechanismus sich von dem des ICP47 unterscheidet (䉴 Abschnitt 19.5.6). Auch die immediate early-Proteine des humanen Cytomegalovirus sind transaktivierend. Man kennt ins-
19.27 Übersicht über die Leserahmen im Genom des Herpes-simplex-Virus Typ 1, die Transkripte und die Proteine, die im Infektionsverlauf gebildet werden. Die einzelnen Kreise stellen folgende Parameter dar: Der innerste Kreis gibt die Kilobasenpaare beziehungsweise die relativen Genomeinheiten an. Der darauf folgende Kreis beschreibt die Organisation des Herpes-simplex-VirusGenoms in einmalig vorkommende (UL und US) und in wiederholte DNA-Sequenzfolgen (als Balken dargestellt, die kleinen Buchstaben a, b, c beziehungsweise a’, b’, c’ bezeichnen die in unterschiedlicher Orientierung vorliegenden Wiederholungseinheiten). Die offenen Pfeile kennzeichnen die Nucleasespaltstellen, an denen die nach der Replikation vorliegende konkatemere DNA in einzelne Genomeinheiten überführt wird. Die schwarzen Pfeile bezeichnen die Ausgangspunkte der Genomreplikation (oriS und oriL) während des lytischen Infektionszyklus. Der sich anschließende Kreis repräsentiert eine Transkriptionskarte. Die Orientierung der verschiedenen mRNAs ist durch die Pfeile angegeben. Zwischen dem zweiten und dem dritten Kreis sind die Produkte (ICP = infected cell protein) aufgeführt, die von den jeweiligen mRNAs translatiert werden. Die arabischen Ziffern außerhalb dieses Kreises beziehen sich auf die Nummer des offenen Leserahmens, von dem das jeweilige Transkript gebildet wird. α, β und γ deuten an, zu welcher Phase des lytischen Infektionszyklus (sehr früh, früh beziehungsweise spät) die Produkte synthetisiert werden. Der äußerste Kreis gibt die Funktion der Proteine an, die in den verschiedenen Leserahmen codieren. Die offenen Pfeile kennzeichnen hier die Lokalisation des Gens für das Protein ICP4, dessen Existenz für die Initiation des lytischen Zyklus essentiell ist (Details siehe Text). Die Leserahmen, die mit den schwarzen Pfeilen markiert sind, können dagegen deletiert werden, ohne dass der Infektionszyklus davon beeinflusst wird. (Aus Roizman, B.; Sears, A. E. Herpes-simplex Viruses and their replication. In: Fields, B. N.; Knipe, D. N.; Howley, P. M. (Hrsg.) Virology. 3. Aufl. Philadelphia, New York (Lippincott/Raven) 1996. S. 2231–2295.)
19.5 Herpesviren
gesamt vier Genomregionen, die sehr früh während des lytischen Infektionszyklus durch das Tegumentprotein pp71 aktiviert werden: 1. die ie1/ie2-Region, welche die Leserahmen UL123 und UL122 enthält, 2. UL36-38, 3. US3 und 4. ein Gen der US22-Familie (TRS1/IRS1), das im Bereich des c-Elements in den Wiederholungseinheiten lokalisiert und deshalb in zweifacher Kopie vorhanden ist. Die ie1/ie2-Region steht unter der Kontrolle eines Enhancers aus kurzen, wiederholten Sequenzelementen, der nach der Infektion durch pp71 und zelluläre AP-1oder CRE/ATF-Faktoren aktiviert wird (䉴 Abbildung 19.28). Das phosphorylierte IE1-Protein (68–72 kD) ist das von der Menge her am meisten gebildete immediate early-Protein des Cytomegalovirus, es wird von einer mehrfach gespleißten mRNA aus vier Exons translatiert. Die aminoterminalen 85 Aminosäuren werden in den Exons 2 und 3 codiert, die restlichen 406 Reste im Exon 4, das dem Leserahmen UL123 entspricht. Das IE1-Protein stimuliert die Expression des zellulären Transaktivators NFκB und scheint dessen Aktivität zu verstärken. Im Komplex mit NFκB induziert das IE1-Protein seine eigene Expression und diejenige der delayed early- und der späten Gene. Das Ausmaß der Aktivierung ist zelltypabhängig und nicht in allen Zellen gleich stark. Die ebenfalls phosphorylierten IE2-Proteine werden in unterschiedlichen Versionen synthetisiert. Die aminoterminalen 85 Aminosäuren sind identisch mit denen des IE1-Proteins, und durch alternative Spleißvorgänge werden die im Leserahmen UL122 codierten Sequenzen angefügt. So entsteht ein 579 Aminosäuren umfassendes IE2-Protein (82 kD). Eine verkürzte, 425 Aminosäuren lange IE2-Form (54 kD) entsteht durch weitere Spleißvorgänge im UL122-Exon. Ein intern im UL122-Leserahmen gelegener, später Promotor induziert die Synthese einer mRNA, von der ein 338 Aminosäuren umfassendes Protein (40 kD) translatiert wird, das mit dem carboxyterminalen Bereich des IE2/82 kD-Produkts identisch ist. Es bindet sich an ein dem Transkriptionsstart der IE1/IE2-RNA vorgelagertes crs-Element (cis-repression signal) und unterdrückt so die Bildung der mRNA. Diesen Vorgang kann auch das 82 kD/IE2Produkt vermitteln. Dieses Protein erfüllt jedoch seine Hauptaufgabe bei der Regulation der Genexpression während der frühen Stadien des lytischen Infektionszyklus der Cytomegaloviren. Es bindet sich vermutlich in Wechselwirkung mit zellulären Transaktivatoren an die delayed early- und die späten Promotoren und induziert die Expression der von ihnen kontrollierten Gene.
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Die IE1- und 82 kD/IE2-Proteine wirken dabei synergistisch, verstärken ihre transaktivierende Wirkung und aktivieren auch eine große Anzahl zellulärer Promotoren. Es gibt Hinweise, dass auch die Produkte der anderen immediate early-Gene (UL36, UL37, U3 und TR/IRS1) die Expression der späteren Virusgene beeinflussen. Sie sind jedoch nicht so gut untersucht wie die IE1-/IE2-Proteine. Die Transaktivatorgene des humanen Herpesvirus 6, das wie die Cytomegaloviren der Unterfamilie der β-Herpesviren zuzurechnen ist, codieren für ähnliche sehr früh während des Replikationszyklus produzierte Transaktivatoren: Das US3-Gen ähnelt den Mitgliedern der US22-Proteinfamilie des humanen Cytomegalovirus. Die in den Genen UL86/87–90 und U16–U19 codierenden Proteine IE-A und IE-B des humanen Herpesvirus 6 entsprechen den immediate early Proteinen IE1 und IE2 beziehungsweise UL36 bis UL38 des humanen Cytomegalovirus. Im Leserahmen U94 codieren die humanen Herpesviren 6 jedoch für ein weiteres transaktives Protein: Es hat Homologien zu den Rep-Proteinen der adenoassoziierten Viren und interagiert mit dem zellulären TATA-Bindeprotein, einem Transkriptionsfaktor (䉴 Abschnitt 20.1.3). Das Protein pU94 wirkt dabei transaktivierend nicht nur auf die Promotoren des humanen Herpesvirus 6, sondern auch auf verschiedene zelluläre und andere virale Promotoren, unter anderem auf den LTR-Promotor der humanen Immundefizienzviren. Beim Epstein-Barr-Virus hat man drei immediate early-Gene identifiziert, welche die Expression der delayed early- und der Strukturproteine induzieren. Sie werden in den Leserahmen BZLF1, BRLF1 und BI’LF4 codiert (䉴 Abbildung 19.29). Da bisher kein geeignetes Zellkultursystem bekannt ist, in dem ausschließlich der lytische Vermehrungszyklus dieses Virus untersucht werden kann, hat man die immediate early-Gene zunächst als diejenigen definiert, deren Expression nach Induktion des lytischen Zyklus in latent infizierten BZellen aktiviert wird. Dies kann durch Zugabe von bestimmten Chemikalien (Phorbolestern, Buttersäure) zu den latent infizierten B-Zelllinien oder durch Überinfektion mit dem nicht transformierenden Virusstamm P3HR-1 geschehen. Inzwischen konnte man zeigen, dass die Infektion von primären Nabelschnurlymphocyten das gleiche Muster an immediate early-Proteinen ergibt. Dem BZLF1- oder Zta-Protein kommt als Transaktivator eine besondere Bedeutung zu: Seine Anwesenheit reicht aus, um in permissiven Zellen den produktiven Vermehrungszyklus des Epstein-Barr-Virus einzuleiten. Es ist ein phosphoryliertes Polypeptid (38 bis 40 kD), das Homologie mit der Familie der zellulären AP1-Faktoren besitzt, zu denen auch die Produkte der Protoonkogene
19
19
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
c-fos und c-jun gehören. Ähnlich wie diese Transaktivatoren dimerisiert das BZLF1-Protein durch eine als Leucin-Zipper bezeichnete Sequenzfolge in seiner carboxyterminalen Domäne. Eine Folge basischer Aminosäuren im zentralen Bereich vermittelt die Bindung an die DNA, und die transaktivierenden Eigenschaften findet man in der aminoterminalen Region (䉴 Abbildung 19.30). Das Gen wird von drei verschiedenen, mehrfach gespleißten mRNA-Spezies transkribiert: Eine wird von dem komplex aufgebauten Promotor kontrolliert, der dem BZLF1-Gen vorgelagert ist; seine Aktivität wird von mehreren, bisher nur unvollständig charakterisierten Zellfaktoren (zum Beispiel von c-fos, c-jun, dem Transkriptionsfaktor YY1 und dem Ku-Protein) beeinflusst. Die anderen beiden mRNAs sind bicistronisch und unterscheiden sich durch alternative Spleißereignisse in den nichttranslatierten Bereichen. Ihre Synthese wird durch den Promotor des BRLF1-Gens induziert; im 5’orientierten Teil findet man die Information für das BRFL1-Protein (94 bis 98 kD), in der 3’-Hälfte diejenige für das BZLF1-Protein. Vermutlich wird von dieser mRNA aber nur das BRLF1-Protein translatiert. Das BZLF1-Protein hat einen transaktivierenden Einfluss
auf die meisten viralen Promotoren. Außerdem bindet es sich an die Sequenzen des OriLyt und induziert so vermutlich die Initiation der lytischen Genomreplikation. Es interagiert mit zellulären Proteinen wie p53, NFκB, dem Ku-Protein und Retinolsäurerezeptoren und hemmt deren Aktivität. Auch ist beschrieben, dass eine mit BZLF1 assoziierte E3-Ubiquitin-Ligase die Ubiquitinylierung und den Abbau von p53 fördert. Das BRLF1Produkt, auch unter der Bezeichnung Rta bekannt, ist ein vermutlich ebenfalls phosphoryliertes immediate early-Protein; es kooperiert mit dem BZLF1-Protein und verstärkt seine transaktivierenden Eigenschaften. Die Expression des BI’LF4-Gens hängt vom Differenzierungszustand der Zelle ab. Im transformierenden Virusstamm B95-8 ist das Gen deletiert. Das BI’LF4-Gen codiert für ein Transaktivatorprotein (68 kD), das in einem Rückkopplungsmechanismus seine eigene Expression und die des BSMLF1-Leserahmens induziert. Der aminoterminale Anteil des BSMLF1-Produkts (60 kD) wird in einem Exon des BSLF2-Gens codiert, das durch Spleißen mit dem des BMLF1 verbunden wird. Die Expression wird durch den BZLF1-Transaktivator weiter verstärkt. Das Protein beeinflusst vermut-
κ
19.28 Die immediate early-Gene des Cytomegalovirus, ihre Lage und Orientierung auf dem Genom. Im oberen Teil der Abbildung ist das Virusgenom dargestellt, als rote Pfeile sind die fünf bekannten Gene eingezeichnet, die für immediate early-Proteine codieren. Die roten Boxen geben die Enhancer-Regionen an, welche die Expression der immediate early-Gene verstärken. Vergrößert herausgezeichnet ist die Genomregion, die für die verschiedenen Formen der IE1- und IE2-Proteine codiert, die als Produkte der Leserahmen UL123 beziehungsweise UL122 durch Verwendung alternativer Spleißsignale gebildet werden. Hier sind die mRNAMoleküle angegeben sowie die Exons, die für die Synthese der IE1- und IE2-Polypeptide benutzt werden. Die Proteinsequenzen, die von den Exons translatiert werden, sind als Balken dargestellt. Die Pfeile geben an, in welcher Weise sie ihre eigene Expression beziehungsweise die weiterer Genprodukte der Cytomegaloviren beeinflussen.
19.5 Herpesviren
lich überwiegend posttranskriptionelle Vorgänge. Es gibt Hinweise darauf, dass es die Polyadenylierung der viralen mRNA-Spezies und so deren Export in das Cytoplasma reguliert. Beim humanen Herpesvirus 8 liegt eine vergleichbare Situation wie beim Epstein-Barr-Virus vor. Das Virus existiert in einem Stadium der Latenz in B-Lymphocyten, aus dem es spontan oder durch Induktion mit bestimmten Chemikalien (beispielsweise Phorbolestern) in den lytischen Replikationszyklus eintreten kann. Man fand ein zum BZLF1-Protein des EpsteinBarr-Virus homologes Protein, das K-bZIP, das in den Zellen von einer gespleißten mRNA sehr früh in der lytischen Vermehrungsphase translatiert wird. Die Synthese früher und später mRNAs korreliert direkt mit der Menge an K-bZIP. Der aminoterminale Anteil des KbZIP codiert im ORFK8, die carboxyterminale Domäne wird durch drei weiter stromaufwärts gelegene Exons dargestellt. Das Protein verfügt über 237 Aminosäuren, in der carboxyterminalen Region findet sich das Sequenzmotiv eines Leucin-Zippers; dieses bewirkt die Bildung homodimerer Proteinkomplexe des K-bZIP. Außer dieser Version existieren zwei weitere Formen des K-bZIP, denen die carboxyterminale Dimerisierungsdomäne fehlt. Sie werden von alternativ gespleißten mRNAs translatiert. Ein dem BRLF1-Protein des Epstein-Barr-Virus ähnliches Polypeptid, das Protein
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KSHV/Rta, codiert im Leserahmen ORF50, der sich auf dem Genom des humanen Herpesvirus 8 in Nachbarschaft zum K8-Leserahmen befindet. Es scheint sich dabei um ein stark wirkendes Transaktivatorprotein zu handeln, das verschiedene virale Promotoren induziert. Proteine mit Homologien zu zellulären Genprodukten Alle Herpesviren codieren für Proteine, die Homologien zu zellulären Genprodukten aufweisen. Auf die Homologie einiger Glycoproteine der Herpes-simplex-Viren mit Fc- und C3b-Rezeptoren wurde bereits kurz eingegangen. Beim humanen Cytomegalovirus identifizierte man ein Gen (UL18), dessen Produkt zu der schweren Kette der MHC-Klasse-I-Proteine homolog ist. Das UL18-Protein kann mit dem β2-Mikroglobulin interagieren, das normalerweise als Komplex mit der schweren MHC-Klasse-I-Kette vorliegt und an der Epitoppräsentation beteiligt ist (䉴 Kapitel 7). Das UL18-Gen ist für den Ablauf der Cytomegalovirusinfektion nicht essenziell. Möglicherweise ist es an der Einleitung des Latenzstadiums beteiligt. Da es mit β2-Mikroglobulin komplexiert, verarmen die Zellen an Strukturen, die von cytotoxischen T-Zellen erkannt werden, und entgehen so der Immunantwort. Dieser Prozess wird von einem weiteren Glycoprotein gp47–52 (gCII) unterstützt, das im Gen US6 der humanen Cytomegaloviren codiert: Es wirkt als Inhibitor des Peptidtransporterkomplexes TAP,
19.29 Die immediate early- und die latenten Gene des Epstein-Barr-Virus und ihre Lage auf dem Genom. Das Genom des Epstein-Barr-Virus ist in seiner episomalen Form dargestellt, wie es im Kernplasma vorliegt. Die Vorläufertranskripte für die verschiedenen EBNAProteine starten an den gleichen Promotoren; durch alternative Spleißereignisse werden die in den verschiedenen Leserahmen codierenden Sequenzen angefügt. Die LMP1- und LMP2-Proteine verfügen über gesonderte Transkriptionsstartstellen. Die LMP2A- und -2B-Polypeptide werden von einer mehrfach gespleißten mRNA translatiert, welche die terminalen Wiederholungseinheiten (TR) überspannt und daher nur vom zirkularisierten Virusgenom abgelesen werden kann.
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1
Aktivierungsdomäne
Exon 1
Exon 2
Exon 3
Dimerisierung
203 204
245 COOH
zweiteiliges Kerntransportsignal
Wechselwirkung mit zellulären Proteinen
DNA-Bindung
167 168
19.30 Das BZLF1-Protein des Epstein-Barr-Virus und die Lage der funktionell wichtigen Domänen. In A sind die Transkripte gezeigt, die für die Synthese der immediate early-Proteine BZLF1 und BRLF1 verantwortlich sind. Die mRNA für BZLF1 ist aus mehreren Exons zusammengesetzt und startet an einem Promotor, der den codierenden Sequenzen vorgelagert ist. Die mRNA für BRLF1 verwendet einen anderen Promotor, jedoch die gleiche Terminationsstelle, sodass eine bicistronische mRNA entsteht, die vermutlich aber ausschließlich zur Translation des BRLF1-Produkts verwendet wird. In B sind die funktionellen Domänen des BZLF1-Proteins dargestellt.
NH2
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B
19 19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.5 Herpesviren
über den die durch die Proteasomen generierten Peptide in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums transportiert werden. Da dieser Vorgang unterbrochen wird, unterbleiben die Beladung der MHC-Klasse-I-Antigene mit Peptiden und folglich auch ihr Transport zur Zelloberfläche. Davon nicht betroffen sind die MHCKlasse-I-homologen UL18-Produkte: Sie werden in der Cytoplasmamembran verankert und wirken der NKzellvermittelten Lyse entgegen, die spezifisch gegen MHC-Klasse-I-verarmte Zellen gerichtet ist. Dadurch können die Cytomegaloviren sowohl der unspezifischen wie der spezifischen Immunantwort entgehen. Drei weitere Virusgene (UL33, US27, US28) besitzen Ähnlichkeit mit Chemokinrezeptoren und werden in der späten Phase des Replikationszyklus exprimiert. Das U28-Genprodukt ähnelt G-Protein-gekoppelten Rezeptorproteinen mit sieben Transmembranregionen, es tritt in Wechselwirkung mit dem Chemokin CX3CL1 (Fraktalkin); dieser Vorgang begünstigt Zell-Zell- und Zell-Viruskontakte. Die chemokinrezeptorähnlichen Proteine sind für den Infektionsverlauf nicht essenziell, verschaffen den infizierten Zellen aber einen Wachstumsvorteil. Das UL20Gen ist mit der γ-Kette des T-Zell-Rezeptors homolog. Produkte mit Homologie zu Chemokinrezeptoren findet man auch im Genom des humanen Herpesvirus 6: Das Gen U12 codiert für einen β-Chemokinrezeptor mit Homologie zu den Rezeptoren CCR1, CCR3 und CCR5, an den sich die Chemokine RANTES, MIP-1α, MIP1-β und MCP-1, jedoch nicht IL-8 anlagern. Im Leserahmen U51 findet man die Information für ein Chemokinrezeptorhomolog, das mit RANTES in Wechselwirkung tritt. Für das Gen U83 des humanen Herpesvirus 6 findet man kein entsprechendes Homolog beim humanen Cytomegalovirus: Es codiert für ein Chemokin, das mit den Rezeptoren CCR2 auf der Oberfläche von Monocyten und Makrophagen interagiert und chemotaktisch auf diese wirkt. Möglicherweise werden damit potenzielle Zielzellen für die humanen Herpesviren 6 angelockt – ein Vorgang, der die Verbreitung der Erreger im Organismus fördert. Auch das Epstein-Barr-Virus verfügt über einige Genprodukte, die durch die Ähnlichkeit mit eukaryotischen Proteinen den infizierten Zellen eine bessere Anpassung an den Organismus erlauben. Das im Leserahmen BCRF1 codierte Produkt ist ein Homologon des IL-10, das die Induktion cytotoxischer T-Zellen hemmt. Es wird von infizierten Zellen sezerniert und wirkt ähnlich wie das IL-10. Das BHRF1-Protein ist mit dem zellulären Protein Bcl-2 verwandt und verzögert die Auslösung des Apoptosemechanismus in den mit Epstein-Barr-Virus infizierten Zellen. Auch für EBNA1 existiert ein homologes Zellprotein. Seine Funktion ist nicht bekannt.
571
Bei der Analyse des Genoms des humanen Herpesvirus 8 zeigte sich, dass auch dieses über sehr viele Informationen verfügt, die zellulären Genen gleichen. Die viralen Gene liegen gehäuft in den als Block B, D3 und E bezeichneten Genomabschnitten, die keine Ähnlichkeit zu denjenigen der verwandten Herpesviren wie dem Epstein-Barr-Virus oder dem Herpesvirus saimiri aufweisen. So codieren im Block B mehrere Gene mit Homologie zu zellulären Wachstumsfaktoren, unter anderem auch ein virales Interleukin 6 (vIL-6) im ORFK2, zwei zum MIP-α und ein zum MIP-1β (MIP = macrophage inflammatory protein) ähnliche Faktoren in den Leserahmen ORFK4 und ORFK6 beziehungsweise ORF4,1 sowie Gene, die denjenigen für die zellulären Enzyme Thymidylatsynthetase (ORF70) und Dihydrofolatreductase (ORF2) gleichen. Im Block D3 liegt die Information für die Synthese verschiedener Proteine mit Ähnlichkeit zu den zellulären IRFs (interferon regulatory factor). Das vIRF-1 ist ein Protein von 449 Aminosäuren und im ORFK9 codiert, das vIRF-2 (163 Aminosäuren, ORFK11,1) ähnelt der aminoterminalen Domäne des vIRF-1. Sehr früh im lytischen Vermehrungszyklus des humanen Herpesvirus 8 findet sich auch ein Protein, das in den Leserahmen ORFK10,5 und ORFK10,6 codiert. Nach Spleißen sind beide Leserahmen in der mRNA miteinander verbunden und dienen der Synthese des vIRF-3 (566 Aminosäuren, 73 kD). Kürzlich konnte man eine weitere Form der viralen IRFs, das IRF-4, identifizieren. Die zellulären IRFs induzieren allgemein über Bindung an die ISRE (interferon stimulated response elements; 䉴 Kapitel 8) die Expression der von ihnen kontrollierten Gene. vIRF-1 und vIRF-3 binden sich zwar an andere DNA-Sequenzelemente wie die zellulären IRFs, wirken aber vermutlich kompetitiv und unterbinden deren Funktion, da sie ihre Expression verhindern. vIRF-2 scheint sich dagegen an die Bindestellen für NFκB zu binden und dessen Transaktivatorfunktion zu stören. Im Block E finden sich im ORF72 ein Homolog zum zellulären Cyclin D, ein Homolog zu G-Protein gekoppelten Rezeptoren (vGCR, ORF74) und ein zu zellulären FLICE-inhibitory proteins (FLIP) ähnliches Produkt vFlip (ORFK13). Letzteres inhibiert während der Fas- oder TNF-Rezeptor-1-induzierten Apoptose die Interaktion der death effector domains (DED) in den FADD-Adaptormolekülen und der FLICE-Protease (Caspase 8) und verhindert damit die Induktion des programmierten Zelltodes. Eine ähnliche antiapoptotische Aufgabe hat auch das virale Homolog zum zellulären Protein Bcl-2, das im ORF16 codiert.
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19
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.5.4 RNA-Produkte LAT-RNA Alle Herpesviren haben Mechanismen entwickelt, die es ihnen ermöglichen, nach der Erstinfektion, die mit der Produktion infektiöser Nachkommenviren einhergeht, im infizierten Organismus in ein Latenzstadium überzugehen. In dieser Phase werden keine Viruspartikel gebildet. Im Falle der Herpes-simplex-Viren konnte bisher nicht gezeigt werden, dass in latent infizierten Nervenzellen Virusproteine synthetisiert werden. Man fand nur eine Expression der gespleißten LAT-RNA (2 kD), die von Bereichen der TRL- und IRL-Wiederholungseinheiten abgelesen wird, aus einer 8,3 kD langen Vorläufer-RNA entsteht und in Antisense-Orientierung zum ICP0-Gen verläuft (䉴 Abbildung 19.27). Möglicherweise bildet diese LAT-RNA durch ihre gegenläufige Orientierung zu den Transkripten des immediate early-Proteins ICP0 mit diesen RNADoppelstränge aus, bewirkt über den Prozess der RNAInterferenz den Abbau der ICP0-spezifischen mRNA und unterbindet so die Synthese des Transaktivatorproteins. Ob ein solcher Vorgang zur Etablierung und Aufrechterhaltung des latenten Stadiums beiträgt, ist unklar. Auch gibt es Hinweise auf eine antiapoptotische Wirkung der LAT-RNA, die das Überleben der latent infizierten Nervenzellen fördert. Im Intron der LAT-RNA befinden sich mehrere offene Leserahmen. Die entsprechenden Proteine wurden jedoch in vivo bisher nicht entdeckt. Wird das Protein, dessen Information im größten der Leserahmen verankert ist, mit gentechnischen Methoden in den Zellen produziert, findet man es in phosphorylierter Form im Zellkern. Seine Funktion ist unbekannt. Auch die tierpathogenen Vertreter der αHerpesviren, beispielsweise das bovine Herpesvirus 1, die equinen Herpesviren 1 und das Pseudorabiesvirus, produzieren während der Latenz eine LAT-RNA. Beim bovinen Herpesvirus 1 ist sie jedoch deutlich kürzer als bei den Herpes-simplex-Viren und erstreckt sich nicht in den Antisense-Bereich des ICP0-Gens. Nur bei den humanpathogenen Varicella-Zoster-Viren konnte man bisher kein Transkript identifizieren, das der LAT-RNA der Herpes-Simplex-Viren entspricht. EBER-RNA Die Gene der EBER1- und EBER2-RNA (EBV-encoded RNA) sind tandemartig angeordnet und werden im U1-Genomabschnitt des Epstein-Barr-Virus codiert (䉴 Abbildung 19.29). Es handelt sich um kurze, ungecappte, nichtpolyadenylierte Transkripte der RNAPolymerase III, die im Zellkern wie im Cytoplasma vorhanden sind, über große Bereiche intramolekulare Doppelstrangregionen ausbilden und nicht für Proteine codieren. Sie ähneln den VA1- und VA2-RNA-Spezies der Adenoviren (䉴 Abschnitt 19.4) und können diese
funktionell ersetzen. Auch die EBER-RNAs induzieren den Abbau von mRNAs mittels des Vorgangs der RNAInterferenz und binden sich an die Proteinkinase PKR, die eine entscheidende Rolle bei der interferonvermittelten Hemmung der Proteinsynthese spielt, indem sie den Translationsinitionsfaktor eIF2 phosphoryliert und so die Proteinsynthese inhibiert. Insbesondere die EBER1RNA bindet sich an die PKR und hemmt ihre Aktivität. In den latent infizierten Zellen wird so verhindert, dass Interferon seine Schutzwirkung entfalten kann (䉴 Kapitel 8). Daneben scheint die PKR wichtige Aufgaben bei der Induktion der Apoptose zu haben, die durch die Wechselwirkung mit der EBER1-RNA gehemmt werden. Diese antiapoptotische Wirkung könnte die Immortalisierung der Zellen durch das Epstein-BarrVirus fördern. Ob die EBER-RNAs noch an anderen Aktivitäten beteiligt sind – etwa Spleißvorgänge beeinflussen –, ist unklar. T1.1/nut RNA Auch das humane Herpesvirus 8 produziert eine nucleäre RNA, allerdings findet die Synthese dieser T1.1/nut1 RNA nicht während der Latenz, sondern während der sehr frühen oder frühen Phase des produktiven Vermehrungszyklus statt. Die T1.1/nut1 RNA wird von der zellulären RNA-Polymerase II gebildet und ist nicht mit einer 5’-Cap-Gruppe versehen, jedoch polyadenyliert. Sie weist Sequenzähnlichkeit zu den zellulären U1 und U11 snRNAs (small nuclear RNA) auf, die an Spleißvorgängen beteiligt sind. Vermutlich kontrolliert und beeinflusst die virale nucleäre RNA im Verlauf der Virusreplikation alternative Spleißvorgänge.
19.5.5 Proteine der Latenz Epstein-Barr-Virus Im Gegensatz zum Herpes-simplex-Virus synthetisiert das Epstein-Barr-Virus während der latenten Infektion bis zu neun verschiedene Proteine. In vitro sind sechs von ihnen für die Etablierung und Aufrechterhaltung des nichtproduktiven Zyklus in B-Lymphocyten nötig. Die B-Lymphocyten werden durch die Aktivität dieser Proteine immortalisiert. Sie erhalten also die Fähigkeit, sich unendlich zu teilen und in vitro zu kontinuierlichen Zelllinien auszuwachsen. Bei den Proteinen handelt es sich um EBNA1 und EBNA2 (Epstein-Barr virus nuclear antigen), die zueinander ähnlichen Proteine EBNA3A und EBNA3C, das EBNA-LP (EBNA-leader protein) und das latente Membranprotein LMP1 (䉴 Abbildung 19.29 und Tabelle 19.17). EBNA3B und LMP2A/B sind in der Zellkultur für die Immortalisierung von B-Zellen nicht unbedingt erforderlich.
19.5 Herpesviren
573
Tabelle 19.17 Eigenschaften und Funktionen der während der Viruslatenz gebildeten Proteine des Epstein-Barr-Virus Protein
Molekulargewicht (kD)
Modifikation
Funktion
LMP1
70
phosphoryliert
latentes Membranprotein (LMP1), integrales Membranprotein; ähnelt in seiner Wirkung dem CD40-Rezeptor; induziert Expression von CD23, LFA-1, -3, ICAM und Bcl-2 über TNF-rezeptorähnliche Signalkaskade
LMP2A
53
phosphoryliert
latentes Membranprotein; wird durch Src-Kinasen an Tyrosinresten phosphoryliert; Modulation der Signaltransduktion
LMP2B
40
EBNA1
70–80
phosphoryliert
latentes Kernprotein; bindet sich an OriP und Wirtschromosomen; fördert die episomale Replikation; Transaktivator für den EBNA-Promotor; GlycinAlanin-Wiederholungseinheiten verhindern MHC-Klasse-I-Präsentation
EBNA2
75–88
phosphoryliert
latentes Kernprotein; Transaktivator für EBNA- und LMP1-Promotoren; bewirkt erhöhte Expression von CD21, CD23, verschiedener Cytokine, Cyclin D2, c-Myc und c-Frg
EBNA3
90—110
EBNA-LP
20–50
latentes Membranprotein, aminoterminal verkürzte Version von LMP2A; sehr hydrophob; hemmt Funktion von LMP2A
latente Kernproteine, drei Formen A–C; EBNA2A induziert EBNA3C-Synthese, EBNA3B induziert CD40 und Vimentin, EBNA3C reprimiert Genexpression; bindet an Histon-Deacetylase phosphoryliert
latente Kernproteine; aktiviert Expression von Cyclin D2; induziert gemeinsam mit EBNA2 den Übergang von G0 zu G1 des Zellzyklus
EBNA-Proteine Die Gene der latenten EBNA-Proteine liegen weit voneinander entfernt über das ganze Virusgenom verstreut. Trotzdem wird von den EBNA-Genen eine gemeinsame Vorläufer-RNA von über 100 000 Basen Länge transkribiert, aus der die verschiedenen mRNA-Spezies durch alternative, vielfache Spleißereignisse und die Verwendung unterschiedlicher Polyadenylierungssignale entstehen. Zwei Promotoren (Cp und Wp) kontrollieren die Synthese der Vorläufer-RNAs, die für die Synthese aller EBNA-Proteine verantwortlich sind. Cp befindet sich im Bereich des BamH1-CFragments der U1-Region, Wp innerhalb des BamH1W-Fragments in den IR1-Wiederholungseinheiten (䉴 Abbildungen 19.29 und 19.31). Außerdem wurden zwei weitere Promotoren (Fp und Qp) gefunden, welche die Bildung von Transkripten kontrollieren, von denen nur EBNA1 translatiert wird. Diese Kontrollelemente liegen in den BamH1-Fragmenten F und Q. In Zellen, die mit Tumoren wie dem Burkitt- oder dem HodgkinLymphom des Epstein-Barr-Virus assoziiert sind, scheint bevorzugt der Promotor Fp aktiv zu sein. Das EBNA-LP wird im Wesentlichen in zwei Exons von 66 beziehungsweise 132 Basenpaaren codiert, die in den Sequenzelementen des IR1-Repeats liegen. Für die Expression muss das erste Exon mit dem zweiten so zusammengefügt werden, dass ein AUG-Initiationscodon entsteht. Da jedes Epstein-Barr-Virusisolat eine
andere Anzahl von IR1-Wiederholungseinheiten besitzt, besteht auch das EBNA-LP aus einer entsprechenden Zahl von wiederholten Proteindomänen von jeweils 66 Aminosäuren. Nur die 45 Reste des carboxyterminalen Bereichs sind einheitlich, da sie in einem Exon der U2Genomregion codiert werden. EBNA-LP wird durch zelluläre Kinasen phosphoryliert. In dieser modifizierten Form verstärkt es die Transaktivatorwirkung des EBNA2-Proteins und induziert zusammen mit ihm in ruhenden B-Lymphocyten den Übergang von der G0- in die G1-Phase des Zellzyklus. Die Anwesenheit der beiden Proteine ist für die Immortalisierung ausreichend. Sie aktivieren die Expression von Cyclin D2 und leiten so die kontinuierliche Teilung der Zellen ein. Außerdem ist beschrieben, dass sich das EBNA-LP an die Hsp70-Proteine (heat shock proteins, 70 kD) bindet. Der Komplex ist mit den als ND10- oder POD-Domänen (promyelocytic leukaemia-associated/PML protein oncogenic domains) bekannten Kernkörperchen assoziiert. Bei zellulärem Stress erfolgt der Transport in den Nucleolus. Man vermutet, dass die PODs und die damit verbundenen Komponenten hier an der Regulation der Transkription, des Zellzyklus und der Apoptose beteiligt sind. EBNA-LP bindet sich auch an das cytoplasmatische Protein HAX-1 (HS1-associated protein X-1), das seinerseits mit dem HS1-Protein interagiert. Letzteres wird nur in hämatopoetischen Zellen gebildet und soll
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19.31 Die Transkription der immediate early-Proteine des Epstein-Barr-Virus erfolgt in Antisense-Richtung zu der mRNA für das Protein EBNA1. A: Übersicht über das gesamte Genom des Epstein-Barr-Virus in linearer Form. Die Buchstaben geben die DNA-Fragmente an, die man nach dem Verdau der DNA mit dem Restriktionsenzym BamH1 erhält. Die Bezeichnung erfolgt nach ihrer Größe. (A ist das größte Fragment. Da mehr Fragmente entstehen, als Buchstaben im Alphabet verfügbar sind, fährt man nach Z mit kleinen Buchstaben fort. Die mit hochgestellten Strichen (') gekennzeichneten Fragmente befinden sich im Bereich der Deletion, die man im Genom des Isolats B95-8 findet.) Die Orientierung und die Lage der Vorläufertranskripte für die während der Latenz gebildeten EBNA-Proteine und die immediate early-Proteine, die in den BamH1-Fragmenten R und Z codieren, sind rot angegeben. B: Vergrößerte Darstellung der Vorläufertranskripte und ihre Orientierung. Die mRNA für EBNA1 beginnt an Promotoren, welche in den BamH1-Fragmenten C, W, F oder Q lokalisiert sind (Details siehe Text). Die für EBNA1 codierenden Sequenzen befinden sich im Leserahmen BKRF1 des BamH1-K-Fragmentes. Ein großes, über 100 000 Basen langes Intron wird bei der Bildung der mRNA aus dem Vorläufertranskript herausgespleißt. Im Bereich dieses Introns, jedoch in gegenläufiger Orientierung, sind die Leserahmen lokalisiert, die für die immediate early-Proteine BRLF1 und BZLF1 codieren. Die Synthese des BRLF1-Proteins erfolgt von einer bicistronischen mRNA, die zusätzlich die Sequenzen des Leserahmens BZLF1 enthält. Für die Synthese des Letzteren wird jedoch ein unabhängiger Promotor verwendet.
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19 19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.5 Herpesviren
an Signalübertragungsvorgängen in B-Lymphocyten beteiligt sein. Allerdings ist die Bedeutung der Wechselwirkung von EBNA-LP mit diesen Zellproteinen ebenso wenig verstanden wie diejenige mit den Tumorsuppressorproteinen RB105 und p53. EBNA1 wird von einer mRNA-Spezies translatiert, die aus verschiedenen kleinen, nichtcodierenden Exons besteht, an die das Exon des Leserahmens BKRF1 angespleißt ist. Da dieser Leserahmen den Bereich der IR3Wiederholungseinheiten umfasst, enthält auch EBNA1 repetitive Sequenzen, in diesem Falle die IR3-codierten Aminosäuren Glycin und Alanin, deren Anzahl derjenigen in den IR3-Elementen entspricht. EBNA1 weist daher ein für jedes Virusisolat spezifisches Molekulargewicht zwischen 70 und 80 kD auf. Das phosphorylierte EBNA1 hat folgenden Aufbau: Die aminoterminale Domäne besteht aus 89 überwiegend basischen Aminosäuren, ihr folgen etwa 240 Reste des repetitiven GlycinAlanin-Bereichs. Ein kurzer basischer Bereich schließt sich an. Das carboxyterminale Ende ist hydrophil und enthält sowohl basische als auch saure Aminosäuren. EBNA1 wird in jeder transformierten Zelle gebildet und ist für die Aufrechterhaltung des immortalisierten Zustands und der Viruslatenz nötig. Es wirkt als Transaktivator, beeinflusst die Aktivität des Cp-Promotors, induziert dadurch die Expression der latenten Gene und reguliert seine eigene Synthese. Außerdem ist EBNA1 für die Replikation des episomalen Virusgenoms während der Latenz wichtig. Es bindet sich an der Initiationsstelle der DNA-Synthese im latenten Zyklus, OriP. Dies ist eine Region aus 20 symmetrisch angeordneten Sequenzelementen von 30 Basenpaaren Länge, an die sich mehrere Einheiten von EBNA1 anlagern. Ähnliche Sequenzelemente findet man auch in der chromosomalen DNA der Zelle, mit ihnen interagiert EBNA1 ebenfalls. Damit stellt EBNA1 eine Verbindung zwischen der DNA des Epstein-Barr-Virus und der Zelle her. So ist gewährleistet, dass die virale Erbinformation während der Mitose zusammen mit den Chromosomen auf die Tochterzellen verteilt wird. Damit ist EBNA1 für die Weitergabe des episomalen Virusgenomes in sich teilenden Zellen und für die Aufrechterhaltung des Latenzstadiums unentbehrlich. Obwohl alle transformierten Zellen mit EBNA1 ein Virusprotein synthetisieren, konnten CD4+T-Lymphocyten, die EBNA1-spezifische Epitope erkennen, bisher nur in einem in vitro-System gezeigt werden. Die Glycin-Alanin-Wiederholungseinheiten sind für das weitgehende immunologische Nichterkennen der durch Epstein-Barr-Virus immortalisierten Zellen verantwortlich: Sie verhindern, dass EBNA1 durch den Proteasomenkomplex abgebaut wird und Peptide entstehen, die von MHC-Klasse-I-Proteinen präsentiert werden. Fusionsprodukte des Glycin-Alanin-Repeats mit ande-
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ren nachweislich gut erkennbaren T-Zellepitopen werden ebenfalls nicht durch MHC-Klasse-I-Antigene präsentiert. EBNA2 ist für die Etablierung der Latenz und des immortalisierten Stadiums essenziell. Ein erster Hinweis darauf war die Beobachtung, dass der Virusstamm P3HR-1, dessen Genom in dem für EBNA2-codierenden Bereich eine Deletion aufweist, B-Zellen in vitro nicht immortalisiert. Die transformierenden Eigenschaften können durch Komplementation der fehlenden Sequenzen wieder hergestellt werden. Es existieren zwei Subtypen des Epstein-Barr-Virus, die sich in ihrer Sequenz des EBNA2 voneinander unterscheiden: Typ 1 besitzt eine hohe Transformationsrate und entspricht der EBNA2Variante des B95-8 Stammes. Die Induktion des transformierten Zustandes in B-Lymphocyten durch Typ 2 (Stamm Jijoye) ist demgegenüber reduziert. Beide Subtypen findet man in ex vivo etablierten Zelllinien aus BZelllymphomen. Ein unterschiedliches Potenzial bei der Tumorerzeugung erscheint daher eher unwahrscheinlich. Die beiden EBNA2-Varianten beruhen auf unterschiedlichen DNA-Sequenzen im Leserahmen BYRF1. Dieser wird als Exon an die nichtcodierenden Regionen der Vorläufer-RNA für die latenten EBNA-Produkte angespleißt. EBNA2-Typ 1 ist 491 Aminosäuren lang, Typ 2 umfasst 443 Aminosäuren. Die Unterschiede liegen vor allem in einer relativ hydrophoben Domäne im Zentrum des Proteins. Dagegen enthalten beide EBNA2Varianten eine prolinreiche Region und Wiederholungen der Reste Arginin/Lysin-Glycin. Die Proteine sind phosphoryliert, haben Molekulargewichte von 75 bis 88 kD, bilden über Domänen in der aminoterminalen Region oligomere Komplexe und reichern sich im Zellkern an. EBNA2 wirkt als Transaktivator. Es bindet sich aber wahrscheinlich nicht selbst an die Promotoren, sondern vermittelt diesen Effekt indirekt in Kooperation mit zellulären Faktoren wie Pu-1 und RBP-Jκ (recombination signal binding protein). Letzterer ist eine Komponente des Notch1-Rezeptor-Signalübertragungsweges, der sich an die Sequenzmotive 5’-GTGGGAAA-3’ in verschiedenen viralen und zellulären Kontrollelementen bindet. An diesen Komplex lagert sich EBNA2 an und induziert auf diese Weise den viralen Cp-Promotor, der die Expression der EBNA-Produkte reguliert, sowie den Promotor der latenten Membranproteine (LMP1); zusätzlich verstärkt es die Synthese verschiedener Cytokine und Wachstumsfaktoren (TNFα, Lymphotoxin, Granulocyten-Kolonie-stimulierender Faktor), der zellulären CD21- und CD23-Proteine, des Cyclins D2 sowie der Protoonkogene c-Myc und c-Frg. CD23 ist ein schwach affiner IgE-Rezeptor. Er wird auf antigenstimulierten Epstein-Barr-Virus-transformierten B-Zellen und primären B-Lymphocyten exprimiert. Eine sezer-
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nierte Form des CD23 wirkt als B-Zell-Wachstumsfaktor und trägt zur Aktivierung und Proliferation der B-Lymphocyten im Verlauf der Epstein-Barr-VirusInfektion bei. Die EBNA3-Proteine (EBNA3-A, -B und -C) werden von mRNA-Spezies translatiert, die durch alternatives Spleißen der Vorläufer-RNA die Exons der Leserahmen BLRF3, BERF1, 2, 3 und 4 enthalten. Die Leserahmen BLRF3 und BERF1 codieren für EBNA2-A, BERF2a und BERF2b für EBNA2-B sowie BERF3 und BERF4 für EBNA3-C. Diese sind miteinander verwandt und wahrscheinlich durch Genduplikation entstanden. Die Proteine sind abhängig vom Virusstamm zwischen 925 und 1 069 Aminosäuren lang. Die Wirkungsweise der EBNA3-Proteine ist unklar, EBNA3-C scheint die Expression bestimmter Gene zu unterdrücken, während EBNA3-B die Promotoren der zellulären CD40- und Vimentin-Gene aktiviert. Die Repressionswirkung des EBNA3-C kann mit seiner Fähigkeit in Verbindung stehen, sich an die Histon-Deacetylase zu binden und deren Assoziation mit den chromosomalen Histonproteinen zu vermitteln. Werden diese deacetyliert, dann wird der Histon-DNA-Komplex gefestigt und die Transkription der Gene unspezifisch unterdrückt. EBNA3-A reguliert die Expression von EBNA3-C, das seinerseits die CD23- und LMP-Synthese induziert. EBNA3-B ist für die Immortalisierung nicht notwendig. LMP-Proteine Das LMP1 (70 kD) wird im Leserahmen BNLF1 codiert. Ein eigener, während der Viruslatenz aktiver Promotor kontrolliert seine Expression. Die aminoterminale Proteinhälfte besteht aus sechs Transmembranregionen, die LMP1 in der Cytoplasmamembran der infizierten Zellen verankern, wo es multimere Aggregate bildet. Ein Signalpeptid ist nicht vorhanden, und die amino- und carboxyterminalen Domänen sind zum Zellinneren hin ausgerichtet. LMP1 wird posttranslational an Serinresten der carboxyterminalen Region phosphoryliert. Es ist über Vimentin mit dem Cytoskelett assoziiert und deshalb in bestimmten Bereichen der Zelloberfläche in hoher lokaler Konzentration vorhanden. LMP1 besitzt einige Eigenschaften, die es als potenzielles Onkogen ausweisen: Seine alleinige Expression verändert die Wachstumseigenschaften und die Morphologie von Nagetierfibroblastenlinien, die ihre Kontakthemmung und ihre Abhängigkeit von hohen Serumkonzentrationen im Kulturmedium verlieren. Es inhibiert die Differenzierung von Epithelzellen. LMP1synthetisierende Zellen bilden in immundefizienten Mäusen Tumoren. LMP1 verhält sich wie ein konstitutiv aktivierter Rezeptor und ähnelt in der Wirkungsweise dem zellulären CD40-Rezeptor: Beide induzieren über eine Signalkaskade den Transkriptionsfaktor NFκB und
in der Folge dieses Schrittes alle Promotoren, die von diesem Transaktivator in ihrer Aktivität beeinflusst werden. Bringt man das LMP1-Gen in transgene Mäuse ein, die keine CD40-Gene besitzen, dann kann deren Funktion zumindest teilweise rekonstituiert werden. Auch ist beschrieben, dass die cytoplasmatisch orientierte, carboxyterminale Domäne des LMP1 (CTAR, C-terminal activating region) eine ähnliche Funktion hat wie diejenige des TNF-Rezeptors, obwohl sie nur eine geringe sequenzielle Homologie zueinander aufweisen. Ähnlich wie an die entsprechende Domäne des aktivierten TNFRezeptors lagern sich an die CTAR-Domänen im LMP1Protein die Faktoren der TRAF-Familie (TNF-receptor associated factors), TRAF-1 und -2, an und leiten die Phosphorylierung und Aktivierung verschiedener Zellproteine ein, unter anderem auch die des NFκB. Hierdurch werden alle von NFκB-abhängigen Promotoren kontrollierten Gene aktiviert. LMP1 induziert die Expression von CD23 – hierbei wirkt es synergistisch mit EBNA2 – und die Synthese der Adhäsionsmoleküle LFA-1, LFA-3 und ICAM sowie des Transferrinrezeptors. In den Zellen werden erhöhte Konzentrationen der Proteine Bcl-2 und A20 vorgefunden, welche die Apoptose unterdrücken. In der späten Phase der lytischen Infektion wird – kontrolliert von einem internen Promotor – eine aminoterminal verkürzte Variante des LMP1 (40 kD) gebildet, die nur aus zwei aminoterminalen Transmembranregionen und der carboxyterminalen Domäne besteht. Dieses Protein kann keinen der oben beschriebenen Vorgänge auslösen. Die Synthese von LMP2A und LMP2B wird von Promotoren kontrolliert, die im BamH1-N-Fragment des Epstein-Barr-Virusgenoms liegen. Sie induzieren die Synthese von mehrfach gespleißten mRNA-Spezies, die den Bereich der terminalen Wiederholungseinheiten überspannen. Die Gene können daher nur dann transkribiert werden, wenn das Genom als zirkulär geschlossenes Episom vorliegt. Das sehr hydrophobe LMP2B besteht ausschließlich aus zwölf potenziellen Transmembranregionen, seine Enden sind in das Zellinnere orientiert. LMP2A besitzt am Aminoterminus zusätzlich eine hydrophile, cytoplasmatische Domäne von 119 Aminosäuren. Die Proteine liegen im Komplex mit zellulären Proteinkinasen der Src- und Syk-Familien vor und sind in der aminoterminalen Region an Tyrosinresten phosphoryliert. Die Src- und Syk-Kinasen phosphorylieren physiologischerweise die intrazelluläre Domäne des B-Zellrezeptors, sie regulieren somit die Signalübertragungsereignisse, die nach Aktivierung dieses Rezeptors weitergeleitet werden. Die Bindung der Kinasen an die LMP2-Proteine können diese Funktion unterdrücken. Dabei verhindern sie, dass die intrazellulären
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Ca2+-Ionen mobilisiert werden und die B-Zellen durch die Wechselwirkung ihrer membranständigen Immunglobuline mit Antigenen stimuliert werden. Das bewirkt, dass die B-Zellen in einem Ruhezustand mit reduzierter Teilungsrate vorliegen. Die Synthese der B7Proteine, die neben den MHC-Antigenen als Corezeptoren bei der Erkennung der Zellen durch cytotoxische TLymphocyten notwendig sind, ist unterdrückt. LMP2B hemmt die Aktivitäten von LMP2A und blockiert diese Mechanismen.
Humanes Herpesvirus 8 Aus bestimmten Lymphomen (body-cavity-based lymphoma, BCBL und primary effusion lymphoma, PEL)
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kann man latent mit dem humanen Herpesvirus 8 infizierte Zelllinien isolieren. Die Zellen produzieren keine infektiösen Viren, können jedoch ähnlich wie latent mit dem Epstein-Barr-Virus infizierte B-Zellen durch Behandlung mit Phorbolestern dazu angeregt werden. Während der Latenz findet man in den BCBL- und PELZellen vielfache Kopien des episomalen Virusgenoms, von dem eine begrenzte Zahl von Genen transkribiert wird (䉴 Tabelle 19.18). LANA (latency-associated nuclear antigen) Das Protein LANA (222–234 kD) codiert im Leserahmen ORF73. Es ist das mit Abstand am meisten produzierte Produkt der Latenz und wird von einer 6 000 Basen langen tricistronischen mRNA translatiert, die auch die Information für die viralen Cyclin-D2- und FLIP-Pro-
Tabelle 19.18 Eigenschaften und Funktionen der während der Viruslatenz gebildeten Proteine des humanen Herpesvirus 8 Protein
Molekulargewicht (kD)
LANA (LAN) 222–234
Modifikation
Funktion
phosphoryliert
latentes Kernprotein; bindet sich an OriP, fördert die episomale Replikation; vermittelt die Interaktion des Virusgenoms mit den Chromosomen der Wirtszelle und gewährleistet seine Weitergabe bei der Zellteilung; funktionell ähnlich zu EBNA1
Kaposine
in mehreren Isoformen produzierte latente Proteine
Kaposin A
6
Kaposin B
38
Kaposin C
54
LAMP
sehr hydrophob phosphoryliert
lokalisiert in unterschiedlichen Zellkompartimenten; assoziiert mit intrazellulären Membranen; induziert die Aktivität verschiedener zellulärer Kinasen; transformiert Nagetierzellen
35–60
phosphoryliert
latenzassoziiertes Membranprotein; induziert Src-abhängige Phosphorylierung an Tyrosinresten und Anlagerung von TRAF1-3; funktionell ähnlich zu LMP2A von Epstein-Barr-Virus
K1
46
glycosyliert phosphoryliert
latentes Membranprotein; aggregiert zu Dimeren und induziert über die Src-abhängige Phosphorylierung von Tyrosinresten die Interaktion von SH2-domänenhaltigen Proteinen und die Zellaktivierung; transformiert Nagetierzellen
vCyclin
ca. 30 kD
vFLIP
homolog zum zellulären Cyclin D2; bewirkt zusammen mit der cyclinabhängigen Kinase 6 die Phosphorylierung von Histon H1 und der RB105/ 107-Proteine mit Freisetzung der E2F-Transaktivatoren; fördert Eintritt der Zellen in die S-Phase wirkt als FLICE-(Caspase-8-)-Inhibitor-Protein und inhibiert den Prozess der CD95/Fas-induzierten Apoptose
vIL-6
ca. 20 kD
homolog zum zellulären Cytokin IL-6; wird von den Zellen sezerniert; bindet sich an die b-Untereinheit des IL-6 Rezeptors und stimuliert die Proliferation von Plasmazellen
vIRF1-4
ca. 20–73 kD
homolog zu den zellulären IRF-Proteinen; unterbinden deren Interaktion mit den ISRE-Promotorelementen und die Expression der von diesen kontrollierten Gene; vIRF-2 hemmt Transaktivatorfunktion von NFkB
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teine enthält; letztere werden aber vermutlich von eigenen Transkripten abgelesen. LANA verfügt über 1 162 Aminosäuren und liegt im Zellkern vor. Dort verursacht es das in Immunfluoreszenztests mit Patientenseren beobachtete gesprenkelte Färbungsmuster, das als LANAFluoreszenz bekannt ist. Ob an ihrer Ausbildung weitere latente Proteine beteiligt sind, ist nicht endgültig geklärt. LANA hat eine saure Proteindomäne, die aus einer von Isolat zu Isolat unterschiedlichen Zahl von Wiederholungseinheiten besteht. An ihrem carboxyterminalen Ende findet man das Sequenzmotiv für einen LeucinZipper. Die carboxyterminale Domäne ist des Weiteren für die Bildung von homodimeren und möglicherweise auch multimeren Komplexen der Proteine verantwortlich. LANA hat eine ähnliche Funktion wie das EBNA1 des Epstein-Barr-Virus: Es bindet sich einerseits an die Sequenzfolge des oriP und an die DNA der Wirtszellchromosomen und ist für die episomale Persistenz des Virusgenoms in latent mit dem humanen Herpesvirus 8 infizierten Zellen verantwortlich. Außerdem kann LANA virale wie auch zelluläre Promotoren aktivieren oder reprimieren. LANA hat dabei eine wichtige Funktion für die Regulierung des latenten Infektionszyklus und der Reaktivierung des Virus: Während der Latenz unterdrückt LANA die Expression des viralen Transaktivators K-Rta – ein Homolog zum immediate early-Protein Rta des Epstein-Barr-Virus. Dabei wird LANA durch die zellulären Serin-/Threonin-Kinasen Pim1 und Pim3 phosphoryliert. Das phosphorylierte LANA wirkt nicht als Repressor des Promotors, der die Expression von K-Rta kontrolliert. Als Folge wird K-Rta produziert und die produktive Virusvermehrung eingeleitet. Kaposin In latent infizierten Spindelzellen des KaposiSarkoms und in PEL-Zellen werden die Gene des Leserahmens ORF-K12 und der dazu benachbarten Genomabschnitte exprimiert. Sie überspannen eine Region, die durch zwei Cluster von direkten 23 Basen langen Sequenzwiederholungen (DR1 und DR2) gekennzeichnet ist. Die Kaposine werden durch alternative Spleißvorgänge aus einem gemeinsamen Vorläufertranskript gebildet. Kaposin A entspricht dem Leserahmen ORF-K12 (6 kD), umfasst 60 Aminosäuren, ist sehr hydrophob und in den Membrankompartimenten des endoplasmatischen Reticulums und des Golgi-Apparats sowie in der Cytoplasmamembran verankert. Bei Expression in Nagetierzellen ist es in der Lage, diese zu transformieren. In den Zellen ist die Aktivität verschiedener Serin-/Threonin-Kinasen, etwa der Proteinkinase C, der Cdc2-Kinase und der Calcium/calmodulinabhängigen Kinase II, deutlich erhöht. Injiziert man die Zellen in immundefekte Mäuse, dann entstehen vasculäre, undifferenzierte Sarkome. Es gibt Hinweise darauf, dass
das Kaposin eine ähnliche Funktion haben könnte wie das E5-Protein der bovinen Papillomviren (䉴 Abschnitt 19.3.3). Außer dem Kaposin A werden unter Verwendung ungewöhnlicher Startcodons (CUG) und unterschiedlicher Leseraster zwei weitere Proteine gebildet (Kaposin B und C). Sie überspannen die Wiederholungseinheiten DR1 und DR2. Kaposin B ist ein phosphoryliertes, prolinreiches Protein, das in vielen Kompartimenten der latent infizierten Zellen zu finden ist. Es bindet sich an die Proteinkinase MK2 (MAPKassoziierte Proteinkinase 2) und aktiviert dieses Enzym. Dadurch wird im Cytoplasma der Abbau von relativ instabilen mRNAs verhindert, die in ihren nichtcodierenden Sequenzen an den 3’-Enden durch AU-reiche Elemente (ARE, AU-rich elements) charakterisiert sind. Diese ARE-RNAs sind unter anderem für die Produktion verschiedener proinflammatorischer Cytokine (IL6, GM-CSF) verantwortlich. Zur Funktion des Kaposin C exisiteren nur wenige Daten. LAMP (latent membrane protein) Dieses bei unterschiedlichen Virusisolaten hoch variable Protein (35– 60 kD, 60 bis 70 Prozent Unterschiede in der Aminosäuresequenz) wird von einer mehrfach gespleißten mRNA translatiert, die aus acht Exons besteht. Das letzte Exon entstammt dem Leserahmen ORF-K15. Das gebildete Protein hat Ähnlichkeit sowohl mit dem LMP2A als auch dem LMP1-Protein des Epstein-Barr-Virus. Es verfügt über 12 potenzielle Transmembranregionen und ist in der Cytoplasmamembran und intrazellulären Membrankompartimenten zu finden. In der carboxyterminalen, vermutlich cytoplasmatisch orientierten Domäne findet man Konsensussequenzen für die Phosphorylierung von Tyrosinresten, wie man sie in ähnlicher Weise beim LMP2A des Epstein-Barr-Virus findet. Andererseits interagiert diese Domäne ähnlich wie das LMP1 auch mit den Faktoren TRAF-1, -2 und -3 (TNF-receptor-associated factors), die an Signalübertragungsvorgängen beteiligt sind. Bei Induktion des lytischen Replikationszyklus wird eine verkürzte Version des LAMP gebildet, dem die Sequenzen der Exons 4 und 5 fehlen. K1-Protein Dieses Genprodukt codiert im Leserahmen ORF-K1. Verschiedene Virusisolate unterscheiden sich in der K1-Sequenz beträchtlich, man findet eine Variabilität von bis zu 40 Prozent auf Aminosäureebene. Das K1-Protein ist ein Membranprotein des Typs I und in der Cytoplasmamembran der Zellen verankert. Es handelt sich um ein Glycoprotein von 46 kD. In der bei allen Isolaten konservierten kurzen, cytoplasmatisch orientierten, carboxyterminalen Domäne befindet sich eine als ITAM (immunoreceptor tyrosine-based activation motiv) bezeichnete Sequenzfolge, die sich als funktionell
19.5 Herpesviren
aktiv erwies. Gewöhnlich werden bei exogener Stimulierung die dort angeordneten Tyrosinreste durch SrcKinasen phosphoryliert und vermitteln die Anlagerung von Proteinen mit SH2-Domänen, wie beispielsweise Syk, Vav oder Lyn. Als Folge findet man eine mit der Mobilisierung von Ca2+-Ionen verbundene Signalübertragung und Aktivierung von Lymphocyten. Beim K1Protein erfolgt die Zellaktivierung unabhängig von externen Stimuli, sie wird vermutlich durch die Homodimerisierung der K1-Polypeptide durch die an der Zelloberfläche orientierte aminoterminale Domäne vermittelt. Wird das K1-Gen in Nagetierzellen eingebracht, dann entwickeln diese einen transformierten Phänotyp. Das K1-Gen verhält sich allerdings nicht wie ein klassisches Latenzgen: Es wird zwar vermutlich in geringen Mengen in PEL- und Spindelzellen exprimiert, bei Induktion des lytischen Zyklus durch Phorbolester erfolgt jedoch die Synthese des K1-Proteins in wesentlich größeren Mengen. Auch bei den drei im Folgenden beschriebenen Proteinen ist nicht völlig klar, ob es sich um Proteine handelt, die während des latenten Infektionsstadiums gebildet werden. Man findet ihre Synthese in den Tumorzellen des Kaposi-Sarkoms, der multizentrischen Castleman-Disease und in BCBL- und PEL-Zellen, in denen keine produktive Virusvermehrung erfolgt. Weil sie für die Pathogenese der malignen Erkrankungen aber wichtig sind, werden sie zusammen mit den klassischen Latenzproteinen beschrieben. vCyclin D2 Das Homolog zum zellulären Cyclin D2 codiert im Leserahmen ORF72 und umfasst 257 Aminosäuren. Das Gen wird in Tumorzellen (Kaposi-Sarkom und primäres Effusionslymphom) exprimiert. Es bildet in den Zellen einen Komplex mit der cyclinabhängigen Kinase 6 (CDK6) und bewirkt die Phosphorylierung der Histon H1- und der RB105/107-Proteine. Dadurch ändert sich der Grad der Wechselwirkung zwischen den Histonproteinen und der DNA und die E2F-Faktoren werden in ihrer aktiven Form als Transaktivator freigesetzt (䉴 Kapitel 6 und Abschnitte 19.2.3, 19.3.3 und 19.4.3). Hierdurch wird der Eintritt der Zellen in die SPhase und somit die Zellteilung gefördert. vFLIP Dieses Protein wird im Leserahmen ORF K13 codiert; es wird von einer bicistronischen mRNA translatiert, die auch die Information für das vCyclin D2 enthält. vFLIP hat Homologien zu den DEDs (death effector domains) in der aminoterminalen Domäne der Caspase 8 (FLICE-Protease) und dem cytoplasmatischen Adaptormolekül FADD, die über die DEDs miteinander wechselwirken. Dies ist ein essenzieller Prozess im Verlauf der Fas-induzierten Apoptose. Das vFLIP hemmt
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diesen Schritt und wirkt antiapoptotisch als FLICEInhibitor-Protein (FLIP). Ein Protein von ähnlicher Funktion wird auch von den equinen Herpesviren 2 gebildet. vInterleukin-6 (vIL-6) Bei diesem Protein handelt es sich um ein von den Zellen sezerniertes Homolog zum zellulären IL-6 von 204 Aminosäuren Länge. Das entsprechende Gen befindet sich im Leserahmen ORFK2. Das vIL-6 bindet sich an die β-Untereinheit (gp130) des zellulären Rezeptors für IL-6. Dies bewirkt einen Signalübertragungsmechanismus, in dessen Verlauf die Stat1-, Stat3- und Jak1-Proteine phosphoryliert werden (䉴 Kapitel 8). Es bewirkt in vitro die Proliferation von Plasmazellen. Mäuse, die mit vIL-6 produzierenden Zellen inokuliert wurden, zeigen eine erhöhte Hämatopoese and Angiogenese. Deshalb vermutet man, dass die Produktion dieses Proteins an der Vascularisierung der Tumoren im Menschen kausal beteiligt sein könnte. vIRF Insgesamt identifizierte man vier virale Proteine mit Homologie zu den zellulären IRFs (interferon regulatory factors); sie werden sowohl früh während des lytischen Infektionszyklus wie auch während der Latenz gebildet. Sie wirken kompetitiv zu den zellulären IRFProteinen und verhindern die Expression der Gene, die von den ISRE kontrolliert werden oder hemmen die Transaktivatorfunktion des NFκB (䉴 Kapitel 8 und Abschnitt 19.5.3).
19.5.6 Replikation Lytischer Infektionszyklus Herpes-simplex-, Varicella-Zoster- und Cytomegaloviren können sich in vitro im lytischen, produktiven Replikationszyklus in einer Reihe von primären oder etablierten Fibroblasten- und Epithelzelllinien vermehren; die humanen Herpesviren 6 und 7 durchlaufen in aktivierten CD4+-T-Lymphocyten sowie in einer Reihe etablierter T-Zelllinien den produktiven Infektionszyklus. Für das Epstein-Barr-Virus, das sich in vivo lytisch unter anderem in Epithelzellen des Hals-, Nasen- und Rachenraumes vermehrt, gibt es bisher kein Zellkultursystem, in dem sich diese Form der produktiven Vermehrung simulieren lässt. Wie oben erwähnt, kann der lytische Zyklus nur durch die Behandlung latent infizierter B-Zellen mit verschiedenen Chemikalien oder durch Überinfektion induziert werden. Ähnliches gilt für die produktive Vermehrung des humanen Herpesvirus 8. Herpesviren adsorbieren in einem komplexen, durch mehrere Schritte gekennzeichneten Prozess mittels ihrer
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Oberflächenproteine an bestimmte Strukturen der Zelloberfläche (䉴 Tabelle 19.19). 1. Zuerst erfolgt bei den meisten Herpesviren (Herpessimplex-Virus Typ 1 und 2, Varicella-Zoster-Virus, humanes Cytomegalovirus, humane Herpesviren 7 und 8) eine relativ unspezifische Kontaktaufnahme mit Heparansulfat- oder durch 3-O-Sulfotransferasen modifizierten Heparansulfatanteil der Proteoglycane auf der Zelloberfläche, die überwiegend – aber nicht ausschließlich – von den viralen Oberflächenproteinen gB vermittelt wird. Beim VaricellaZoster-Virus binden sich zusätzlich die Mannose-6Phosphat-Einheiten, die Teile der komplexen Kohlenhydratmodifikation der gB-Proteine sind, an die Mannose-6-Phosphat-Rezeptoren auf der Zelloberfläche. 2. Gleichzeitig erfolgt die spezifische Wechselwirkung mit zellulären Rezeptoren, indem die gD-Proteine der Herpes-simplex-Viren mit Nectin-1 und HVEM (herpesvirus entry mediator), Mitglieder der Immunglobulinsuperfamilie beziehungsweise der TNFRezeptorfamilie, interagieren. Beim Epstein-BarrVirus erfolgt eine spezifische Interaktion des gp220/350 mit dem CD21-Protein (Komplementrezeptor CR2). Zusätzlich binden sich die Herpes-simplex-Viren mittels ihrer gH/gL-Proteine an einen noch unbekannten Bindungspartner auf Epithelzellen. Bei Epstein-Barr-Viren tritt der Komplex der gH/gL-Proteine zusammen mit gp42 – ein mit Leserahmen BZLF2 codierendes Glycoprotein – in Kontakt mit MHC-Klasse-II-Proteinen auf der Oberfläche von B-Lymphocyten. Auch beim humanen Cytomegalovirus bindet sich der gH/gL-Komplex zusammen mit weiteren Virusproteinen wie gO oder den Proteinen der Leserahmen UL128, UL130, UL131 an noch nicht genauer charakterisierte Zellkomponenten oder Integrine. Integrine konnten auch bei anderen Herpesviren als zelluläre Interaktionspartner identifiziert werden (䉴 Tabelle 19.19). Das humane Herpesvirus 6 bindet sich mittels eines Komplexes der Oberflächenproteine gH/gL mit gQ1/gQ2 (gQ1: 80 kD Glycoprotein, gQ2: 37 kD Glycoprotein, codieren beide im Leserahmens U100) an CD46 – ein zelluläres Oberflächenprotein, das auch von einigen Vertretern der Adenoviren und den attenuierten Masernimpfviren als Rezeptor genutzt wird (䉴 Abschnitte 15.3 und 19.4). Das humane Herpesvirus 7 tritt in Wechselwirkung mit dem CD4-Rezeptor, den auch die humanen Immundefizienzviren für die Interaktion mit T-Helferzellen nutzen (䉴 Abschnitt 18.1); ob diese Interaktion ebenfalls von den gH/gL-Proteinkomplexen vermittelt wird, ist unbekannt. Für das humane Herpesvirus 8 sind hingegen
Wechselwirkungen der gB-Proteine mit Integrinen bekannt. Des Weiteren binden sich diese Viren an DC-SIGN – ein Lektin auf der Oberfläche von Makrophagen und dendritischen Zellen – sowie an die leichte Kette des Cystin-Glutaminsäure-Transportersystems xCT; über welche Virusproteine diese Interaktion erfolgt, ist jedoch noch ungeklärt. Die Membranen der Viruspartikel und der Zelle verschmelzen miteinander. Ob hierfür ein bestimmtes Virusprotein oder die Kombination der verschiedenen Glycoprotein-Interaktionen verantwortlich ist, ist nicht endgültig geklärt. Wichtig scheint dafür aber wohl die Aktivität der gB-Proteine zu sein, das strukturelle und damit möglicherweise funktionelle Ähnlichkeiten zum G-Protein der Vesicular-Stomatitis-Viren aufweist (䉴 Abschnitt 15.1). Neben der direkten Fusion von Virus- und Zellmembran scheinen die Viruspartikel aber auch durch rezeptorvermittelte Endocytose aufgenommen zu werden; pH-abhängig erfolgt dann die Fusion von Endosomen- und Virushüllmembran, gefolgt von der Entlassung der Capside in das Cytoplasma. Membranverschmelzungen können jedoch auch im Gewebe zwischen infizierten Zellen, welche in ihren Zellmembranen die viralen Glycoproteine verankert haben, und nichtinfizierten Zellen erfolgen. Mittels dieser Möglichkeit können sich Herpesviren im zellgebundenen Gewebe ausbreiten, ohne dabei freie Viruspartikel zu produzieren. Eine ähnliche zellgebundene Verbreitung der Infektion findet man auch bei den Paramyxo- und den Lentiviren (䉴 Abschnitte 15.3 und 18.1). Bei den Herpesviren scheint nur das humane Herpesvirus 6 nicht über eine derartige Möglichkeit zur Induktion von Zellfusionen zu verfügen: Auf der Oberfläche der infizierten T-Lymphocyten findet man keines der viralen Oberflächenproteine. Diese akkumulieren stattdessen in der Membran der Golgi-Vesikel und annulater Lamellen. Letzteres sind zelluläre Organellen, die sich im Cytoplasma befinden und aus mehreren Membranlagen bestehen. Sie besitzen Poren, welche den Kernporen sehr ähnlich sind. Nach der Verschmelzung der Virushülle mit der Cytoplasma- oder Endosomenmembran gelangt das Capsid mit dem Tegument in das Cytoplasma. Hier lagern sich die Capside an Mikrotubuli an und werden zu den Kernporen transportiert, durch die das Genom in das Nucleoplasma entlassen wird. Dorthin gelangen auch die viralen Proteine – soweit sie, wie beispielsweise α-TIF, über Kerntransportsignale verfügen. Das lineare DNA-Genom zirkularisiert und liegt dann als Episom im Kernplasma vor. Die Expression des Virusgenoms erfolgt in einem kaskadenartig regulierten Zyklus. Zuerst werden die immediate early-Proteine syn-
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19.5 Herpesviren
skription durch die RNA-Polymerase II einleiten. Es entstehen am 5’-Ende gecappte, teilweise gespleißte, polyadenylierte mRNAs, die in das Cytoplasma gebracht und dort translatiert werden. Die immediate early-Proteine sind wichtige Regulatoren in der Zelle. Sie werden
thetisiert. Bei den Herpes-simplex- und Cytomegaloviren wird ihre Expression durch die Transaktivatoren α-TIF beziehungsweise pp71 verstärkt, die sich in Kooperation mit bestimmten Zellfaktoren an die Promotoren der sehr frühen Gene binden und ihre Tran-
Tabelle 19.19 Herpesvirusproteine, welche an der Adsorption und der Interaktion mit den Komponenten der Zelloberfläche beteiligt sind Zelloberflächenkomponente
HerpessimplexVirus Typ 1
HerpessimplexVirus Typ 2
Varicella- humanes humanes ZosterCytomegalo- HerpesVirus virus virus 6
humanes Herpesvirus 7
EpsteinBarrVirus
humanes Herpesvirus 8
HeparansulfatProteoglycan
gB, gC
gB, gC
gB
gB
–
gB
–
gB, K8.1
Nectin 1
gD
gD
–
–
–
–
–
–
HVEM (Herpesvirus entry mediator)
gD
gD
–
–
–
–
–
–
IDE (humanes Insulin–degradierendes Enzym)
–
–
gE
–
–
–
–
–
MPR (Mannose-6PhosphatRezeptor)
–
–
gB
–
–
–
–
–
CD21 (Komplementrezeptor 2)
–
–
–
–
–
–
gp250/350 –
CD46
–
–
–
–
gH/gL/gQ
–
–
–
CD4
–
–
–
–
–
?*
–
–
MHC-Klasse-II
–
–
–
–
–
–
gH/gL/ gp42
–
ungeklärtes Ober- – flächenprotein auf Epithelzellen
–
–
–
–
–
gH/gL
–
Integrine
gH/gL
?*
–
gB gH/gL/gO
–
–
BMRF2
gB
DC-SIGN
-
-
-
-
-
-
-
?*
xCT (Cystin-/ Glutamat-Transporter, leichte Kette)
-
-
-
-
-
-
-
?*
EGFR (epidermal growth factor receptor)
–
–
–
gB
–
–
–
–
ungeklärtes Ober- – flächenprotein
-
-
gH/gL/ UL128/ UL130/UL131
-
-
-
Angegeben sind die Interaktionen zwischen Virusoberflächenproteinen und zellulären Komponenten, die in der Literaur beschrieben sind. *: ? bedeutet, dass das angegebene zelluläre Membranprotein als beteiligt an der Wechselwirkung zwischen Virus und Zelle beschrieben wurde, die Natur des viralen Oberflächenproteins jedoch nicht endgültig geklärt ist.
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
in den Kern transportiert und aktivieren die viralen Promotoren der delayed early-Proteine und deren Expression. Zu diesen delayed early-Proteinen gehören Enzyme und nucleinsäurebindenden Polypeptide, die für die Replikation des Virusgenoms erforderlich sind. Die Replikation der Virus-DNA während des lytischen Vermehrungsszyklus erfolgt im Zellkern und dort in den als ND10 (nuclear domain 10) bekannten Unterstrukturen, die durch die SUMOylierten Zellproteine PML und Sp100 gekennzeichnet sind. Während der Replikation der Herpesvirusgenome lösen sich die ND10-Regionen auf; es gibt Hinweise, dass im Fall des Herpes-simplex-Virus für diesen Vorgang das ICP0Protein verantwortlich ist, das die SUMO-modifizierten Proteine dem Proteasomenabbau zuführt. Der Replikationsvorgang selbst folgt dem Prinzip des rolling circle. Im Genom findet man Sequenzelemente (OriLyt), die als Ausgangsorte für die DNA-Synthese dienen (䉴 Abbildung 19.25). Es ist unklar, warum sie bei den meisten Herpesviren in mehreren Kopien vorhanden sind, da nur eines bei der Initiation verwendet wird. An den Replikationsursprung binden sich die OriLyt-bindenden Proteine (beim Herpes-simplex-Virus das Genprodukt UL9, beim Epstein-Barr-Virus das BZLF1-Protein), die ermöglichen, dass sich der Komplex der viralen DNA-
Polymerase/Helicase/Primase daran anlagert (䉴 Tabelle 19.16). Ein DNA-Strang wird geschnitten, sodass ein 3’OH- und ein 5’-Phosphat-Ende entstehen. Welches virale Protein als einzelstrangspezifische Endonuclease wirkt, ist unklar. Das 3’-OH-Ende dient als Primer für die Polymerisationsreaktion. Die Nucleotide werden unter Verwendung des geschlossenen DNA-Stranges als Matrize kontinuierlich ansynthetisiert (䉴 Abbildung 19.26). Während dieses Vorgangs wird das 5’-Ende fortlaufend vom Matrizenstrang gelöst. Seine einzelsträngige DNA wird durch die Bildung von kurzen RNA-Primern und Okazaki-Elementen zum Doppelstrang ergänzt (䉴 Abbildung 19.26). So bildet sich ein DNAStrang, der vielfache Einheiten des Virusgenoms in konkatemerer Anordnung enthält. Zeitgleich mit der DNA-Synthese werden die späten Virusgene exprimiert. Die Bildung der Glycoproteine erfolgt an der Membran des endoplasmatischen Reticulums. Im trans-Golgi-Netzwerk und in den Golgi-Vesikeln werden sie mit Kohlenhydratgruppen modifiziert und teilweise proteolytisch gespalten. Ein Teil der Glycoproteine verfügt in seinen carboxyterminalen, ins Cytoplasma orientierten Abschnitten über Consensussequenzen, welche ihre Assoziation mit den Membranen des trans-Golgi-Netzwerkes bestimmt, der andere wird
¡ Herpesviren induzieren zu Beginn der lytischen Vermehrung einen Zellzyklusarrest Die lytische Vermehrung der Herpesviren findet im Gegensatz zu derjenigen aller anderen Viren, mit Ausnahme der Lentiviren (䉴 Abschnitt 18.1.4), nicht in Zellen statt, die sich in der S-Phase des Zellzyklus befinden. Während beispielsweise die Parvoviren (䉴 Abschnitt 20.1), nur Zellen infizieren, die sich in der S-Phase befinden, und die Polyoma-, Papilloma- oder Adenoviren (䉴 Abschnitte 19.2 bis 19.4) nach der Aufnahme in den Zellen den Eintritt in die S-Phase induzieren, haben die Herpesviren Mechanismen entwickelt, welche die Zellen in der G1/G0-Phase arretieren und den Übergang in die S-Phase verhindern. Derartige Vorgänge sind in Zellen beschrieben, die mit den Herpes-simplex- oder den humanen Cytomegaloviren infiziert wurden, oder bei der Aktivierung des lytischen Replikationszyklus in latent mit dem Epstein-Barr-Virus infizierten B-Lymphocyten. So kann sich das ICP0-Protein der Herpes-simplexViren an das zelluläre p53-Protein binden und es in seiner aktiven Form stabilisieren. Die Transkriptionsfaktoren der E2F-Familie werden in ihrer inaktiven Form im Komplex mit den RB105- und RB107-Proteinen konserviert. Ähnliche
Funktionen haben das IE2-Protein der Cytomegaloviren und das BZLF1-Protein des Epstein-Barr-Virus, obwohl diese einander hinsichtlich ihrer Aminosäuresequenz nicht ähnlich sind. Die Transaktivatorfunktionen der immediate earlyProteine sind in diese Regulationsprozesse nicht involviert. An diesen Vorgängen beteiligt sind die ICP27-Proteine der Herpes-simplex-Viren beziehungsweise die dazu funktionell homologen Polypeptide UL69 und BMLF1 der Cytomegalound Epstein-Barr-Viren. Offensichtlich hat es sich für die komplexen, mit Regulationsfunktionen und Enzymen reich ausgestatteten Herpesviren im Evolutionsverlauf als vorteilhaft für die eigene Vermehrung erwiesen, das Genom während der G1-Phase zu replizieren, um so nicht mit der zellulären DNA-Vermehrung um die dafür benötigten Nucleotide konkurrieren zu müssen. Allerdings scheint sich die herpesvirusinduzierte Zellarretierung nur auf die Replikation des Zellgenoms zu beschränken: In anderer Hinsicht, wie der erhöhten Energieproduktion, gleichen die infizierten Zellen solchen, die sich in der S-Phase befinden.
19.5 Herpesviren
weiter zur Zelloberfläche transportiert und in die Cytoplasmamembran eingelagert. Gegen diese Polypeptide richtet sich die antikörpervermittelte cytotoxische Killerzellreaktion, die zur Lyse der so als infiziert erkennbaren Zellen führt. Zelluläre und virale Chaperone veranlassen zum Teil den Rücktranport der Glycoproteine zu den Membrankompartimenten des trans-GolgiNetzwerkes. Die Proteinkomponenten der Capside werden nach ihrer Synthese in den Zellkern transportiert. Dort findet der Zusammenbau der verschiedenen Strukturproteine zu Partikelvorläufern statt. Zuerst interagieren die Capsidproteine zu partikulären Vorstufen, die keine DNA enthalten. Mit ihnen ist die virale Protease (UL26 beim Herpes-simplex-Virus, UL80/Assemblin beim humanen Cytomegalovirus) assoziiert, die durch autokatalytische Spaltung und durch Abbau des UL26,5- beziehungsweise des UL80a-Produkts die Gerüstproteine (Scaffoldingproteine) herstellt. Diese sind an der Ausbildung der partikulären Capsidvorläufer beteiligt. Proteine an der Innenseite der Capsidseitenflächen (VP19C/UL38 beim Herpes-simplex-Virus) ermöglichen eine Wechselwirkung mit dem UC-Element in der a-Wiederholungseinheit am Ende der doppelsträngigen DNA-Konkatemeren (Pac-Signal) beziehungsweise mit hierzu analogen Verpackungssignalen bei den anderen Herpesviren. Ein Genomäquivalent wird durch die Öffnung, die durch die Portalproteine gebildet wird, in das Vorcapsid eingeschleust. Dabei werden die Scaffoldingproteine abgebaut. Am Übergang der DNA-Sequenzen zur sich anschließenden Genomeinheit erfolgt eine erneute Interaktion mit den Erkennungsstellen der Pac-Signale, und der Doppelstrang wird durch eine virale Endonuclease geschnitten. Die nun DNA-haltigen Capside lagern sich an die innere Kernmembran an, werden durch Knospung mit dieser umhüllt und in die perinucleären Zwischenräume und Zisternen entlassen. Diese gehen in das Lumen des endoplasmatischen Reticulum über. Hier angelangt, verschmilzt die transiente Virushülle mit der ER-Membran und die nun wieder hüllenlosen Nucleocapside gelangen in das Cytoplasma. Der nächste Schritt, der letztendlich zur Anlagerung der Tegumentproteine und abschließenden Umhüllung führt, erfolgt an den Zisternen des trans-Golgi-Netzwerkes: An ihren konkaven Seiten akkumulieren die viralen Glycoproteine; an ihre ins Cytoplasma orientierten Domänen lagern sich die Tegumentproteine an. An diesen Strukturen kommt es zur Interaktion mit den Capsiden. Im nächsten Schritt stülpt sich die Membran der transGolgi-Zisternen über die angelagerten Capside und umhüllt sie zusammen mit den Tegumentkomponenten. Damit gelangen die nun wieder mit einer Membranhülle versehenenen Capside in das Lumen des
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trans-Golgi-Netzwerkes, werden über die Golgi-Vesikel zur Zelloberfläche transportiert und in die Umgebung entlassen. Während des Transports in den Golgi-Vesikeln werden die Oberflächenproteine erneut modifiziert und die Partikel reifen zu infektiösen Virionen heran. Alternativ können die Viren sich aber auch in Form tegumenthaltiger Nucleocapside durch Zell-zu-ZellKontakte oder Zellfusion ausbreiten.
Latenter Infektionszyklus Während der Latenz liegt die Virus-DNA in den Zellen als extrachromosomales Episom in unterschiedlicher, aber stabiler Kopienzahl im Kernplasma vor; die Episome sind dabei mit den Chromosomen der Wirtszelle assoziiert. Sie werden parallel mit dem Zellgenom durch die zelluläre DNA-Polymerase repliziert und an die Tochterzellen weitergegeben. Unterschiedliche Mechanismen unterdrücken bei den verschiedenen Herpesviren in dieser Phase die Produktion infektiöser Partikel. Die molekularen Vorgänge und Regulationsprozesse bei der Etablierung und Aufrechterhaltung der Latenz sowie bei der erneuten Reaktivierung zur lytischen Replikation sind weitgehend unverstanden. a-Herpesviren Das Herpes-simplex-Virus liegt latent in den Neuronen der Spinalganglien vor. Pro Zelle findet man zehn bis 100 Episome. Das Virus wandert während der Primärinfektion über Zell-zu-Zell-Kontakte der lytisch infizierten Epithelzellen mit Nervenendigungen in die Nervenfasern und wird als tegumenthaltiges Capsid axonal von Zelle zu Zelle weitergegeben bis es im Ganglion angelangt ist. Die immediate early-Gene können in den Neuronen nicht dauerhaft exprimiert werden, weil diese Zellen zusätzlich zum zellulären Transaktivator Oct-1 auch das Oct-2-Protein bilden. Dieses entsteht durch alternatives Spleißen und bindet sich ebenfalls an die Promotoren der sehr frühen Gene. Es weist jedoch in der POU-Domäne eine α-Helix auf, die mit dem Faktor α-TIF als mit in die Zellen eingebrachte Komponente des Virusteguments nicht interagieren kann. Das Oct-2-Protein verfügt über Aminosäuresequenzen, an die sich ein zellulärer Faktor binden kann, der als Repressor wirkt. Folglich unterbleibt die Synthese der für die Einleitung des lytischen Replikationszyklus wichtigen immediate early-Proteine. Während der Latenz wird in den Ganglienzellen selbst ausschließlich die LAT-RNA gebildet. Sie wirkt als Antisense-RNA zu den Transkripten des ICP0 und enthält Sequenzfolgen für die Bildung von 21 bis 24 Basen langen miRNAs (microRNAs). Diese miRNAs (miR-I bis miR-III) leiten über den Mechanismus der RNA-Interferenz den Abbau der für ICP0 und ICP34,5 codierenden mRNAs ein und
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
tragen so zur Aufrechterhaltung der Latenz bei. Wie sich das Gleichgewicht zwischen der Transkription der latenten und der immediate early-Gene bei der Reaktivierung des Virus ändert, ist unklar. Man vermutet, dass in den Zellen kurzzeitig Oct-1 entsteht und hierüber die Transkription der sehr frühen Gene eingeleitet wird. Das immediate early-Protein ICP4 unterdrückt dann die Synthese der LAT-RNA, indem es an eine Sequenzfolge bindet, die sich in Nähe des Transkriptionsstartpunkts befindet. Ähnliche Mechanismen findet man bei den tierpathogenen α-Herpesviren. Offensichtlich verfolgen die Varicella-Zoster-Viren zur Etablierung und Aufrechterhaltung des Latenzstadiums andere Wege als die Herpes-simplex-Viren. Diese Viren infizieren im Verlauf der Primärinfektion ebenfalls die Neuronen und liegen latent vor allem in den sensorischen Ganglien des Rückenmarkes vor. Im Nagetiermodell erwies sich das IE63-Protein für die Etablierung der Latenz als unentbehrlich. IE63 ist eines der sehr früh im Infektionszyklus produzierten Proteine, das als Transaktivator wirkt und ein Homolog des ICP22/US1 des Herpes-Simplex-Virus darstellt. Während der Latenz findet man keine RNA-Moleküle, die der LATRNA der Herpes-Simplex-Viren entsprechen, sondern eine stark eingeschränkte virale Expression von nur sieben Virusgenen (ORF4, ORF18, ORF21, ORF29, ORF62, ORF63, ORF66). Diese codieren für sehr frühe Transaktivatorproteine (ORF4, ORF62, ORF63) oder Enzyme (ORF18, ORF29), die für die Genomreplikation der Varicella-Zoster-Viren notwendig sind. Nicht alle dieser mRNAs werden jedoch auch translatiert. In den
Fällen, in denen die entsprechenden Virusproteine gebildet werden, bleiben diese im Cytoplasma lokalisiert und werden nicht an ihren eigentlichen Wirkungsort, in den Zellkern, transportiert; daher können sie ihre Aktivitäten nicht entfalten. b-Herpesviren Ungeklärt sind die molekularen Vorgänge, die zur Etablierung und Aufrechterhaltung der Latenz der Cytomegaloviren notwendig sind. Während der Primärinfektion repliziert sich das Virus in vielen Organen und in den Stammzellen des Knochenmarks. Durch die einsetzende Immunreaktion wird die produktive Virusvermehrung kontrolliert und es stellt sich ein Latenzstadium ein, dass vor allem in der Lunge und in der Milz erhalten bleibt. Es ist nicht bekannt, welche Zelltypen in diesen Organen latent infiziert sind. Bei der Untersuchung dieser Gewebe findet man die sporadische, geringe Synthese der viralen immediate early-Proteine. Auch liegen in den latent infizierten Organen cytotoxische T-Lymphocyten vor, die Epitope dieser Proteine erkennen. Auch das weist auf die gelegentliche Synthese der sehr frühen Proteine hin. Wie die Virusreaktivierung abläuft und ob diese durch Zelldifferenzierungsprozesse beeinflusst wird, ist unklar. Das humane Herpesvirus 6 etabliert in Monocyten und in undifferenzierten Zellen des Knochenmarks eine latente Infektion. Das Virusgenom liegt dabei sowohl als extrachromosomales Episom wie integriert in das Zellgenom vor, und zwar in die Sequenzfolgen an den Enden der Chromosomen 1, 17 und 22. Möglicherweise vermitteln die telomerähnlichen Sequenzelemente in den
¡ Bacterial artificial chromosomes (BAC) ermöglichen die gezielte Veränderung der Herpesvirusgenome Neue genetische Verfahren erlauben es, die sehr großen DNA-Genome der Herpesviren im Labor gezielt zu verändern und so die Funktion bestimmter Gene und Genprodukte während des Infektionszyklus zu untersuchen. Dazu wird das gesamte Herpesvirusgenom in sogenannte bacterial artificial chromosomes (BAC) kloniert und in Escherichia coli vermehrt. Die solchermaßen klonierten Herpesvirusgenome können dann verschiedenen Mutageneseverfahren unterzogen werden. Mittels der Transposonmutagenese gelingt es, ganze Mutantenbibliotheken zu erzeugen. Ebenso ist das System für gezielte Genveränderung zugänglich. In beiden Fällen werden dann die BACs mit den mutierten Virusgenomen durch Transfektion in eukaryotische Wirts-
zellen eingebracht und die entsprechenden Herpesvirusmutanten rekonstituiert. Anschließend kann in den Zellkulturen der Phänotyp der so wiederhergestellten Herpesvirusmutanten bestimmt werden. Ein Trick zur „Wiederbelebung“ der mutierten Genome zu Viren besteht darin, dass statt der Methode der Transfektion der Nucleinsäure invasive Typen des E. coli für die Vermehrung der BACs verwendet werden, welche die Bakteriengene Invasin und Lysteriolysin in ihrer Erbinformation enthalten und exprimieren. Sie können in permissive eukaryotische Zellen eindringen und die BACs mit den integrierten Herpesvirusgenomen freisetzen.
19.5 Herpesviren
Wiederholungseinheiten DRR und DRL die Integration in die Telomere der Chromosomenenden. Zusätzlich scheint das Virusprotein pU94 funktionell an der Etablierung der Latenz und der Integration des Virusgenoms in die Zell-DNA beteiligt zu sein: Das pU94-Protein wird in geringen Mengen während des produktiven Infektionszyklus gebildet; es hat eine ähnliche Aktivität wie das Rep-Protein des adenoassozierten Virus AAV-2, einem Parvovirus, das sein Genom ebenfalls in die Chromosomen der Wirtszelle integriert (䉴 Abschnitt 20.1): Das Rep-Protein bindet sich sowohl an bestimmte Sequenzelemente der Virus- wie der chromosomalen DNA und vermittelt somit eine enge räumliche Nähe beider Nucleinsäuremoleküle; die Integration ist die Folge. g-Herpesviren Wie bereits erwähnt, können B-Lymphocyten von Epstein-Barr-Viren latent infiziert und immortalisiert werden. Das Genom liegt dort in 40- bis hundertfacher Kopie als Episom vor. Die Aktivität des EBNA1-Proteins unterstützt nur den latenten DNAReplikationsursprung OriP, und das Genom wird unter Beteiligung des zellulären Polymerasekomplexes vermehrt. Auch ist EBNA1 für die gleichmäßige Weitergabe des episomalen Virusgenoms bei der Teilung der latent infizierten Zellen verantwortlich. Die anderen Produkte des latenten Infektionszyklus, deren Eigenschaften soweit bekannt im 䉴 Abschnitt 19.5.5 beschrieben sind, fördern die Etablierung des Latenzstadiums. Auch im Falle des Epstein-Barr-Virus gibt es Hinweise darauf, dass die Expression der immediate early-Gene, insbesondere diejenige des BZLF1-Gens, durch zellspezifische Faktoren inhibiert ist. Außerdem scheinen auch Antisense-RNA- sowie durch RNA-Interferenz vermittelte Hemmmechanismen dabei eine Rolle zu spielen. Die Intronsequenzen der 100 000 Basen langen VorläuferRNA der EBNA-Proteine liegen nämlich in AntisenseOrientierung zu den immediate early-Transkripten BZLF1, BRLF1 und BSMLF1 vor und können mit diesen dsRNA-Bereiche ausbilden (䉴 Abbildungen 19.29 und 19.31). Weitgehend unverstanden sind die Vorgänge zur Etablierung der Latenz des humanen Herpesvirus 8. Dieses Virus kann sich lytisch in Monocyten, Makrophagen und vermutlich auch in mononucleären Zellen des peripheren Blutes vermehren. Im episomalen Zustand liegt das Virusgenom auch in BCBL- und PEL-Zellen sowie in den Spindelzellen des Kaposi-Sarkoms vor, die latent mit dem humanen Herpesvirus 8 infiziert sind. Hier werden nur wenige Virusgene exprimiert, die Proteine und ihre mögliche Funktion sind in 䉴 Abschnitt 19.5.5 beschrieben. Einige, so etwa die Proteine LANA und LAMP, scheinen ähnliche Aufgaben zu haben wie
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EBNA1 und LMP2A des Epstein-Barr-Virus. Auch bei der Reaktivierung des latenten Genoms zur Expression der Produkte des lytischen Zyklus sind zwei Proteine, KbZIP und KSHV-Rta, notwendig, die in homologen Versionen auch die produktive Vermehrung des EpsteinBarr-Virus einleiten.
19.5.7 Humanpathogene Herpesviren Die Herpes-simplex-Viren Epidemiologie und Übertragung Die Typen 1 und 2 des Herpes-simplex-Virus sind seit langer Zeit an den Menschen angepasst. Bereits im Altertum waren unter der Bezeichnung Herpes Hautkrankheiten mit Bläschenbildung bekannt. Auch William Shakespeare beschreibt in seinem Theaterstück Romeo und Julia – offenbar rezidivierende – Herpesbläschen an den Lippen. Daneben hatte Jean Astruc, der Leibarzt des französischen Königs Ludwig XV., bereits um 1763 Hinweise für genitale Herpesvirusinfektionen gefunden. Der Ophthalmologe Wilhelm Grüter zeigte 1913/14 in Marburg, dass der Herpes corneae des Menschen, das heißt die durch Herpes-simplex-Virus Typ 1 verursachte Hornhautinfektion, auf das Kaninchenauge übertragen werden kann. 1919 übertrug Ernst Löwenstein auch den Erreger der Fieberbläschen auf das Kaninchenauge. R. Doerr berichtete 1920/21, dass nach einer cornealen Infektion eine Encephalitis auftreten kann. Klaus Munk und Wilbur Ackermann haben 1953 das Herpes-simplex-Virus erstmals mit dem Elektronenmikroskop abgebildet. Ende der Sechzigerjahre zeigten Andre Nahmias und Karl Schneweis, dass für die Entstehung der labialen und genitalen Herpesvirusinfektionen zwei durch ihre antigenen Eigenschaften voneinander unterscheidbare Viren verantwortlich sind. Die Herpes-simplex-Viren sind weltweit verbreitet und gehören zu den häufigsten Krankheitserregern. Mehr als 90 Prozent aller Erwachsenen sind mit ihnen lebenslang infiziert. Die Primärinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 erfolgt meist bei Kindern durch Kontakt mit virushaltigem Bläscheninhalt oder Sekreten der Mundhöhle. Das Virus besiedelt danach auf retrogradem Weg das Trigeminusganglion im Gesichtsbereich und kann in unregelmäßigen Abständen reaktiviert werden. Diese Reaktivierungen äußern sich durch das erneute Auftreten der Hautbläschen, meist an den gleichen Stellen wie bei der Primärinfektion; sie sind jetzt bedingt durch
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die anterograde Wanderung der Viren entlang der Nervenbahnen, ausgehend vom Trigeminusganglion zur Mundschleimhaut. Die Viren werden mit dem Inhalt der Hautbläschen, die hohe Konzentrationen infektiöser Virionen enthalten, ausgeschieden. Eine Übertragung ist aber auch durch asymptomatische Träger möglich, welche nur geringe Mengen an Viren ausscheiden. Das Herpes-simplex-Virus Typ 2 wird hauptsächlich durch Genitalsekrete bei Sexualkontakten übertragen. Diese Infektion erfolgt vor allem im jungen Erwachsenenalter. Die strenge Einstufung der Herpes-simplex-Virus Typ 1-Infektion als „oral“ und der Typ 2-Infektion als „genital“ verwischt sich, da man zunehmend die Viren an beiden Lokalisationen findet. Trotzdem ist beim Herpessimplex-Virus Typ 2 das Infektionsrisiko vor allem durch das Sexualverhalten bestimmt: Nur etwa drei Prozent von Klosterangehörigen haben Antikörper gegen diesen Virustyp, bei Prostituierten sind es hingegen über 70 Prozent. Mit Herpes-simplex-Virus im Genitalbereich infizierte Frauen können, vor allem wenn es sich um manifeste Primärinfektionen handelt, den Erreger bei der Geburt auf das Neugeborene übertragen. Hier kann das Virus schwere generalisierte und früher häufig tödliche Erkrankungen (Herpes neonatorum) verursachen. Zur Klärung epidemiologischer Fragestellungen kann man durch die Analyse der Virus-DNA mit Restriktionsenzymen oder über Sequenzierung intratypische Stammunterschiede feststellen und so Infektketten aufklären.
Klinik Klinisch unterscheiden sich die Herpes-simplexVirustypen durch die Orte der apparenten Primärinfektion und der latenten Infektion beziehungsweise Reaktivierung: Erkrankungen manifestieren sich beim Virus vom Typ 1 überwiegend im oro-facialen Bereich. Die Primärinfektionen verlaufen meist inapparent; bei kleinen Kindern findet man häufig eine Gingivostomatitis aphtosa als vorherrschendes Symptom. Diese sehr schmerzhafte Entzündung der Schleimhaut im Mund- und Rachenraum ist nicht mit der Herpangina zu verwechseln, die durch Coxsackie-A-Viren verursacht wird. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich etwa sechs bis acht Tage. Die symptomatische Primärinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 kann durch Fieber und ulcerierende oder vesiculäre Läsionen an den Lippen und der Mundschleimhaut (Gingivostomatitis aphtosa und Herpes labialis) gekennzeichnet sein. Zusätzlich beobachtet man ödematöse Anschwellungen im Gesicht, Lymphknotenschwellungen und Hornhautentzündungen. In diesem Stadium der Primärinfektion sind die Patienten virämisch. Nach zwei bis drei Wochen klingen
die Krankheitsanzeichen meist wieder ab. Nur in seltenen Fällen sind Meningitiden und Encephalitiden mit der Infektion verbunden. Bei immungeschwächten Patienten findet man auch Krankheitsverläufe mit Hepatitiden, Ösophagitis, schweren Hautulcerationen sowie vor allem Pneumonien. Infektionen mit Herpes-simplex-Virus Typ 2 verlaufen ähnlich, manifestieren sich jedoch überwiegend in der Genitalschleimhaut (Herpes genitalis). Während Herpes-simplex-Virus Typ 1 sich im Anschluss an die Primärinfektion latent in den Zellen des Trigeminusund Ciliarganglions etabliert, liegt der typische Latenzort von Herpes-simplex-Virus Typ 2 in den Sacralganglien. Komplikationen sind Meningitiden und – bei einer Primärinfektion der Mutter und der damit verbundenen Übertragung auf neugeborene Kinder – eine generalisierte Infektion, der Herpes neonatorum. Rezidive äußern sich bei beiden Infektionen durch das Auftreten des bläschenförmigen Hautausschlags in meist abgeschwächter Form (Herpes labialis beziehungsweise genitalis als Reaktivierung). Sie können sich ohne Entzündungserscheinungen (Rekurrenz) äußern oder mit ihnen (Rekrudeszenz) einhergehen. Rezidivierende Hornhautentzündungen können aber zur Erblindung führen. Die Viren werden durch unterschiedliche Einflüsse reaktiviert, etwa durch UV-Strahlen, Fieber, psychische Einflüsse, Stresssituationen, hormonelle Faktoren (Menstruation) und bestimmte Chemikalien sowie Therapeutika, zum Beispiel Adrenalin und vor allem Immunsuppressiva. Mit Herpes-simplex-Viren assoziierte Pneumonien sind auf Intensivstationen keine Seltenheit, auch bei nicht medikamentös immunsupprimierten Patienten.
Pathogenese Bei der Primärinfektion infiziert das Virus die oralen beziehungsweise die genitalen Schleimhautzellen, in denen es sich lytisch vermehrt. Bei einer histologischen Untersuchung der sich ausbildenden Hautbläschen findet man degenerierte Keratinocyten und durch Zellfusion entstandene, vielkernige Riesenzellen, die eosinophile nucleäre Einschlusskörperchen enthalten. Außer der Bläschenbildung und der Nekrose des Epithels ist die Einwanderung von Granulocyten in die infizierten Bereiche ein erstes Zeichen der sich ausbildenden Entzündung. Die Nekrosen durchbrechen die Basalmembran nicht. In der Dermis reichern sich jedoch CD4+-TLymphocyten an, die IFN-γ freisetzen. Hierdurch werden Makrophagen aktiviert, die eine weitere Stimulierung des Immunsystems bewirken. Die erste Kontaktaufnahme des Virus mit dem Immunsystem erfolgt in den Langerhans-Zellen, die anschließend in die lokalen
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Lymphknoten wandern und zu reifen, dendritischen Zellen differenzieren. Vermutlich sezernieren die Langerhans-Zellen und möglicherweise auch die Keratinocyten IL-1, TNF-α und andere Cytokine, welche die Entzündung auslösen. Mit ihrem Beginn kommt es auch zum Austritt von Gewebeflüssigkeit – hierdurch entstehen die Bläschen – und einer vermehrten Einwanderung von Zellen in die infizierten Bereiche. Die Viren unterscheiden sich in ihrer Neuroinvasivität und Neurovirulenz. So fand man, dass Herpes-simplex-Virusmutanten mit Veränderungen im ICP34,5-Gen im Mausmodell ihre Fähigkeit zur Replikation im ZNS verlieren. Im Menschen gelangen die Viren während der akuten Infektion über Zell-zu-Zell-Kontakte in freie Nervenendigungen, die das infizierte Gewebe versorgen, und von dort retrograd über die Axone der sensorischen Fasern in die dazugehörigen Ganglien, infizieren diese latent und verbleiben dort lebenslang. In den Neuronen der Ganglien laufen Entzündungsprozesse unter Beteiligung von CD4+- und CD8+-T-Lymphocyten ab. Auch hier werden TNF-α und IL-1 freigesetzt. In Abhängigkeit von der Neurovirulenz des Virusisolats werden Neuronen früher oder später nekrotisch. Ob apoptotische Vorgänge hierbei eine Rolle spielen, ist unklar. Über die Dauer der Entzündungsprozesse und darüber, wie die Replikation beendet wird, weiß man wenig. Nach der Primärinfektion findet man episomale Virusgenome in den Neuronen der Ganglien (Trigeminus- und Ciliarganglien bei HSV-1 beziehungsweise Sacralganglien bei HSV-2). Es gibt Hinweise darauf, dass das Herpes-simplex-Virus bei experimentell infizierten Tieren auch in anderen Geweben persistiert, beispielsweise in der Hornhaut. Auch im Stammhirn wurde virale DNA nachgewiesen. Nach einer Reaktivierung wandern die tegumenthaltigen Capside vom Ganglion entlang der Nervenleitschiene anterograd zurück in die Haut. Hier verursacht das Herpesvirus erneut Entzündungen mit Bläschenbildung, die durch die Aktivität der Makrophagen sowie Interferonbildung eingegrenzt werden. Unklar ist, warum die Rezidive gelegentlich als Rekurrenzen ohne klinisch fassbare Entzündungserscheinungen auftreten und warum etwa 50 Prozent aller mit Herpes-simplexVirus infizierten Personen nie Rezidive entwickeln. Die Herpes-simplex-Virus-assoziierte Encephalitis ist eine akute nekrotisierende Entzündung. Sie ist durch eine Virusreplikation, Zellnekrosen und eine Granulocyteninfiltration charakterisiert und läuft teilweise auch als hämorrhagische Encephalitis ab. Bei der Herpesvirusinfektion von Neugeborenen (Herpes neonatorum) können encephalitische, generalisierte oder solche Formen auftreten, die nur unter der Beteiligung der Augen und der Haut ablaufen. Möglicherweise werden bei
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Herpesvirusinfektionen im immunologisch unreifen Organismus weder IFN-γ noch TNF-α gebildet. Die Herpes-simplex-Virus-Encephalitis kann auf zwei unterschiedlichen Wegen entstehen: Das Virus kann über das Spinalganglion oder über den Bulbus olfactorius aufsteigend zum Gehirn wandern. Bei Versuchstieren wandert das Herpes-simplex-Virus über das Ganglion in das Rückenmark und von dort weiter zum Gehirn; vom primärinfizierten Ganglion gelangt es auf der Nervenleitschiene in andere Spinalganglien und auch in die Ganglien des vegetativen Nervensystems.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf einer Herpes-simplex-Virusinfektion entstehen IgM-, IgG- und IgA-Antikörper. Zuerst findet man gegen die Nichtstrukturproteine gerichtete Immunglobuline, erst später treten auch Antikörper gegen die Glycoproteine auf. Dabei sind vor allem die gegen die Glycoproteine gB, gC und gD gerichteten Antikörper neutralisierend. Sie schützen vor Neuinfektionen mit dem gleichen Virustyp. Vor allem die gegen das gD-Protein gerichteten Immunglobuline unterbinden die hämatogene Verbreitung des Virus und sind durch die antikörpervermittelte cytotoxische Zellantwort von Granulocyten und Makrophagen an der Eliminierung der infizierten Zellen beteiligt. Cytotoxische, CD8+-TLymphocyten können vor allem bei Epitopen der Glycoproteine nachgewiesen werden. Bei rezidivierenden Herpesinfektionen findet man kaum Veränderungen der Antikörperkonzentration. Da die Viren bei der Entstehung der Rezidive entlang der Nervenleitschiene zur Haut wandern und hier durch Zellkontakte weitergegeben werden, sind sie für das Immunsystem wahrscheinlich nicht zugänglich. Obwohl neutralisierende Antikörper im Organismus vorhanden sind, können diese die neuerliche Virusvermehrung und die Entstehung von Entzündungen nicht verhindern. Nach einer Erstinfektion mit Herpes-simplex-Virus vom Typ 1 ist der Organismus nicht vollständig vor der Infektion mit dem Typ 2 geschützt: Sie verläuft allerdings meist weniger schwer und neigt seltener zur Bildung von Rezidiven. Das gilt auch dann, wenn die Infektionen in umgekehrter Reihenfolge auftreten. Diese teilweise vorliegende Kreuzimmunität wertet man als Hinweis dafür, dass durch geeignete Impfungen ebenfalls einen Schutz gegen rezidivierende Herpesvirusinfektionen erreicht werden könnte. Neben der antikörpervermittelten Zellreaktion sind CD4+- und vor allem CD8+-cytotoxische T-Lymphocyten für die Kontrolle der lytischen Virusinfektion in der Haut unerlässlich. Bei CD8-defizienten Mäusen ist die Viruseliminierung aus dem zentralen Nervensystem ver-
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zögert. Vor allem die immediate early-Proteine ICP27 und ICP4 scheinen Epitope zu besitzen, die von cytotoxischen T-Zellen erkannt werden. Die Diagnose erfolgt über die serologische Bestimmung der Antikörperkonzentrationen (IgM, IgG) und erlaubt eine Unterscheidung zwischen Primärinfektionen und Reaktivierungen. Bei klinisch manifesten Primärinfektionen oder Reaktivierungen mit Organmanifestationen kann der Erreger aus entsprechendem Bläschenmaterial, Liquor oder Gewebe mittels Zellkultur isoliert werden. Der cytopathische Effekt in der Kultur tritt nach ein bis drei Tagen auf. Besser ist der quantitative Nachweis viraler DNA über die Polymerasekettenreaktion, der praktisch aus allen Materialien möglich ist. Die Quantifizierung erlaubt auch eine Differenzierung zwischen Primärinfektionen und Reaktivierungen, die zusammen mit anderen Infektionen auftreten können. Die Differenzierung zwischen Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2 kann durch Bestimmung typspezifischer IgG-Antikörper oder durch typspezifische Polymerasekettenreaktion erfolgen, ist aber klinisch und therapeutisch ohne Bedeutung.
Therapie und Prophylaxe Herpes-simplex-Virusinfektionen können lokal oder systemisch (oral oder intravenös) mit Aciclovir behandelt werden, das von der viralen Thymidinkinase und der DNA-Polymerase als Substrat akzeptiert wird und bei der Replikation des viralen DNA-Genoms zum Strangabbruch führt (䉴 Kapitel 9 und Abschnitt 19.5.3). Durch Verwendung dieser beiden Virusenzyme als Ziele hat die Therapie eine hohe Selektivität, die mit wenigen Nebenwirkungen einhergeht. Mit der Therapie sollte möglichst früh, bei einer Meningitis/Encephalitis und einem Herpes neonatorum beim ersten Verdacht, begonnen werden. Eine ausschließlich lokale Anwendung ist jedoch nur bei begrenzten, rezidivierenden Infektionen empfehlenswert. Moderne Aciclovir-Derivate als orale Prodrugs haben jedoch mittlerweile eine deutlich verlängerte biologische Halbwertszeit, sie müssen nur ein bis zwei Mal täglich eingenommen werden. Während der systemischen Therapie können sich resistente Viren entwickeln, die vor allem bei immunsupprimierten Patienten ein großes Problem darstellen. Die Mutationen liegen meist im Gen für die Thymidinkinase und nur in seltenen Fällen in dem für die DNA-Polymerase. Epidemiologisch spielen diese resistenten Viren jedoch bisher keine Rolle. Wahrscheinlich sind sie in vivo wesentlich weniger infektiös. Eine Impfung gegen die Herpes-simplex-Virusinfektion ist vorläufig nicht möglich. Verschiedene Vakzinen, die auf den Glycoproteinen gB und gD als Antigen basieren, werden klinisch erprobt.
Das Varicella-Zoster-Virus Epidemiologie und Übertragung Die Windpocken (Varizellen) sind als Erkrankung des Menschen seit dem frühen Mittelalter bekannt. 1875 zeigte Steiner, dass hierfür ein infektiöses Agens verantwortlich ist. Er konnte die Symptome durch den Inhalt der Hautbläschen auf gesunde Personen übertragen. 1909 beschrieb Janos von Bókay die Windpocken und die Gürtelrose (Zoster) als ähnliche Erkrankungen. Karl Kundratitz und E. Bruusgaard konnten dies in den Zwanziger- und Dreißigerjahren experimentell bestätigen, indem sie mit dem Inhalt von Zosterbläschen Windpocken induzierten. Die Züchtung des Virus in Zellkulturen gelang Thomas H. Weller und Marguerite B. Stoddard unabhängig voneinander 1952/53. Hierdurch ließ sich zeigen, dass die Erreger der Windpocken und der Gürtelrose identisch sind. Spätere Restriktionsenzymanalysen der Virusgenome durch Stephen E. Straus und Kollegen bewiesen, dass das „Windpocken“Virus nach unterschiedlich langen Zeitspannen eine Gürtelrose verursachen kann und es sich folglich bei der Gürtelrose nicht um eine Neuinfektion mit einem verwandten Virustyp, sondern um ein endogenes Rezidiv handelt. Das Varicella-Zoster-Virus befällt nur den Menschen und ist weltweit verbreitet; es existieren mehrere Genotypen mit unterschiedlicher regionaler Verbreitung. Mehr als 95 Prozent aller Menschen sind im Alter von 15 Jahren seropositiv. Das Virus wird durch Kontakt mit dem Inhalt des bläschenförmigen Hautausschlags von an Windpocken oder – in seltenen Fällen – an Gürtelrose erkrankten Personen oder durch Tröpfcheninfektion von Patienten während der virämischen Phase übertragen. Nach der Primärinfektion bleibt das Virus lebenslang latent in den paravertebralen sensorischen Ganglien des Rückenmarkes. Die Gürtelrose, die meist bei älteren oder immungeschwächten Personen auftritt, ist auf die Reaktivierung des latenten VaricellaZoster-Virus zurückzuführen. Man schätzt, dass etwa zehn bis 20 Prozent der seropositiven Personen im Laufe ihres Lebens einen Zoster entwickeln.
Klinik Die Infektion mit dem Varicella-Zoster-Virus verläuft nur in etwa fünf Prozent der Fälle asymptomatisch. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich zwei Wochen. Die Windpocken beginnen mit Fieber, dem ein bläschenförmiger Ausschlag folgt. Dieser tritt zuerst in der Mundschleimhaut, am Kopf und am Rumpf auf und breitet sich von dort zu den Extremitäten aus. Etwa drei bis fünf Tage lang bilden sich schubweise neue Bläschen.
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Danach klingt der Ausschlag unter Krustenbildung ab, und nach zwei bis drei Wochen sind die Läsionen verheilt. Schwere, generalisierte Infektionsverläufe findet man vor allem bei Neugeborenen und immunsupprimierten Patienten. Hier können sich Hepatitiden, Lungenentzündungen, Encephalitiden und Thrombocytopenien ausbilden. Werden Frauen in der Frühphase der Schwangerschaft infiziert, dann kann das Varicella-Zoster-Virus in sehr seltenen Fällen transplacentar auf den Embryo übertragen werden und eine Embryopathie, das kongenitale Varicellasyndrom, verursachen. Dabei kann das Virus im Embryo neben anderen Erkrankungen eine Encephalitis mit der Folge von Mikrocephalie hervorrufen. Kommt es kurz vor oder nach der Geburt zu Windpocken der Mutter, kann der Virus auf das Neugeborene übertragen werden und eine generalisierte Infektion verursachen, die unbehandelt eine hohe Letalität aufweist. Bei der Schwangeren selbst verlaufen akute Windpocken häufig sehr schwer und können mit tödlichen Lungenentzündungen einhergehen. Die Virusreaktivierung kündigt sich meist einige Tage vor dem Auftreten der Gürtelrose mit Schmerzen und erhöhter Hautempfindlichkeit an. Der Ausschlag ist meist auf eine Hautregion am Kopf oder am Rumpf beschränkt. Er zieht sich ausgehend von der Wirbelsäule gürtelähnlich um den Brustkorb oder die Lendenregion und ist häufig schmerzhaft und von Fieber begleitet. Die Bläschen verkrusten innerhalb von ein bis zwei Wochen. In den Hautregionen, die von der Gürtelrose befallen waren, treten oft langanhaltende, schmerzhafte, postherpetische Neuralgien auf. Andere Komplikationen wie Encephalitiden oder Lungenentzüngungen sind bei Reaktivierungen sehr selten. Bei immunsupprimierten Patienten können sich generalisierte und chronische Formen des Zoster ausbilden, vor allem können aber auch Varicellapneumonien auftreten. Gefährlich sind beim Zoster auch Beteiligungen der Hirnnerven, die zu Erblindungen (Zoster ophtalmicus) führen können.
Pathogenese Das Virus gelangt bei der Übertragung aerogen auf die Mundschleimhaut. Während der Primärinfektion repliziert es sich im oberen Respirationstrakt und dem Oropharynx; von dort aus infiziert es die peripheren mononucleären Blutzellen. Diese transportieren das Virus zu den Lymphknoten, von denen am vierten bis sechsten Tag eine geringfügige erste Virämie ausgeht. Das Virus verbreitet sich über das reticulohistiocytäre System und die Endothelzellen im Organismus. Während der sich anschließenden zweiten Virämie gelangt das Virus dann über das Blut in die Peripherie. Es bleibt dabei mit den mononucleären Blutzellen assoziiert und wird nicht in
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die Umgebung abgegeben. Auch bei der Züchtung in der Zellkultur findet man so gut wie keine infektiösen Partikel im Medium. Im Körper wird freies Virus nur an den apicalen Seiten der Epithelzellen nach außen abgegeben. In die infizierten Bereiche wandern mononucleäre Zellen ein, die Cytokine wie IFN-γ sezernieren. Die Hautläsionen beginnen, wenn die Infektion von den Endothelzellen in den Blutkapillaren der Haut auf die Epithelzellen übergreift und – bedingt durch die Entzündungsreaktion – Gewebeflüssigkeit abgegeben wird. So kann sich die nichtinfizierte Schicht des Stratum corneum von den darunter liegenden infizierten Basalzellen der Epidermis trennen und Bläschen bilden. Anfangs enthalten sie zellfreie Viren. Später findet man in den Vesikeln zusätzlich Makrophagen, Lymphocyten und Cytokine. Die infizierten Zellen fusionieren und bilden vielkernige Riesenzellen mit eosinophilen nucleären Einschlusskörperchen. Während der Infektion gelangt das Varicella-Zoster-Virus vor allem über direkte Zell-zuZell-Kontakte in die Nervenendigungen der peripheren Nerven und wandert von dort retrograd in die sensorischen Ganglien des Rückenmarks. In den Neuronen verbleibt das Virus latent. Virale DNA findet sich auch im Riechkolben und im Bereich des Corpus geniculatum im zentralen Nervensystem. In vitro induziert die produktive Infektion mit dem Varicella-Zoster-Virus den programmierten Zelltod. In den Neuronen werden apoptotische Vorgänge durch die Aktivität des immediate early-Proteins IE63 – ein Transaktivator mit Homologie zum ICP22/US1 des HerpesSimplex-Virus – verhindert; so kann sich die Latenz etablieren. Die Varicella-Zoster-Viren haben Mechanismen entwickelt, mittels derer sie der Immunantwort des Wirtes entgehen können: Im Leserahmen ORF66 codieren sie für eine Serin-/Threonin-Kinase, welche in infizierten T-Lymphocyten und Fibroblasten den Transport der MHC-Klasse-I-Antigene zur Zelloberfläche verhindert. Dadurch können Viruspeptide, welche im Komplex mit MHC-Klasse-I-Antigenen präsentiert werden, von cytotoxischen T-Zellen nicht erkannt werden. Infizierte Keratinocyten verarmen vermutlich durch ähnliche molekulare Prozesse an ICAM-1 auf der Zelloberfläche. Zusätzlich ist auf infizierten dendritischen Zellen die Menge der MHC-Klasse-II-Proteine reduziert. Möglicherweise basieren all diese Vorgänge auf der Hemmung der Phosphorylierung der zellulären Stat1α- und Jak2-Proteine durch die ORF66-Kinase. Dies hat zur Folge, dass die Synthese von IFNα unterbleibt und als Folge zelluläre, immunologisch wichtige Oberflächenproteine nur in reduzierten Konzentrationen gebildet werden. Über die molekularen Vorgänge bei der Reaktivierung des Virus, bei der es sich im Ganglion vermehrt
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und dabei große Teile davon zerstören kann, weiß man wenig. Eine Immunsuppression als Auslöser kann hierzu genauso beizutragen wie Traumata des Rückenmarks, psychische Faktoren und bestimmte Medikamente. Reaktivierungen findet man vor allem bei älteren Personen, bei denen die Zahl der CD4+- und CD8+-T-Lymphocyten, die Varicella-Zoster-Virus spezifische Epitope erkennen, rückläufig ist. Ähnlich wie die Herpes-simplex-Viren gelangen auch Varicella-Zoster-Viren nach der Reaktivierung anterograd entlang der Nervenleitschienen zu dem Hautbereich, der von dem entsprechenden Ganglion versorgt wird. Hier verursachen sie in der Epidermis erneut die Bildung eines bläschenartigen Ausschlags, den Herpes zoster. Während der Reaktivierung bei einer Gürtelrose findet man auch Entzündungen und Nekrosen der betroffenen Ganglien und der Nerven.
Immunreaktion und Diagnose Während der Primärinfektion werden IgM-, IgA- und IgG-Antikörper gegen die Virusproteine gebildet. IgGAntikörper bleiben lebenslang nachweisbar. Sind sie gegen Glycoproteine gerichtet, so sind sie zum Teil neutralisierend und schützen vor Neuinfektionen, jedoch nicht vor Virusreaktivierungen. Die zelluläre Immunreaktion trägt wahrscheinlich entscheidend zur Eliminierung des Virus aus den infizierten Hautbereichen während der Primärinfektion bei. Cytotoxische CD8+T-Lymphocyten, welche die infizierten Zellen lysieren, sind bereits früh nachweisbar. CD4+-T-Lymphocyten erkennen vor allem Epitope der Glycoproteine und des immediate early-Proteins (IE63). Im zeitlichen Verlauf findet man eine Abnahme der humoralen und zellulären Immunantwort, die sich erst bei Reaktivierungen, also während der Ausbildung einer Gürtelrose, zusammen mit der erneuten Virusvermehrung wieder regeneriert. Neben der serologischen Diagnose (IgG: negativ, IgM: positiv) wird bei der Primärinfektion das Virus aus dem Inhalt der Bläschen oder aus Rachenspülwasser mittels der Polymerasekettenreaktion nachgewiesen. Dies gilt auch für Manifestationen im Rahmen von Reaktivierungen. Serologisch steigt bei diesen das IgG an, IgM kann wieder positive Werte erreichen.
Therapie und Prophylaxe Die Infektion mit Varicella-Zoster-Viren kann durch die Verabreichung eines Lebendimpfstoffes verhindert werden. Er enthält attenuierte Viren (Stamm OKA), die man nach kontinuierlicher Züchtung des Wildtypvirus in der Zellkultur erhalten hat. In Deutschland wurden mit dieser Vakzine zuerst an Leukämie erkrankte Kinder
vor der Immunsuppression geimpft. Bei diesen Patienten verlaufen Infektionen mit Varicella-Zoster-Viren oft sehr schwer, da ihr Immunsystem durch die Erkrankung und die damit verbundene Therapie geschwächt ist. Daneben wurden seronegative Frauen mit Kinderwunsch und Beschäftigte mit beruflichen Kontakten zu Kindern geimpft. Heute werden Kombinationsimpfstoffe zum Schutz vor Masern, Mumps, Röteln und Windpocken von der Ständigen Impfkommission allgemein empfohlen und angewandt. Da die Impfung früh im zweiten Lebensjahr erfolgt, schützt sie vor der Windpockeninfektion und vor der möglichen Reaktivierung mit einer Zosterausbildung. Impfungen bei älteren Kindern und Erwachsenen, die bereits infiziert sind, schützen dagegen nur vor Zoster-Reaktivierungen beziehungsweise sollen diese mildern. Bei Kindern werden die Windpocken normalerweise nicht therapiert. Immunglobuline mit hohen Konzentrationen von neutralisierenden Antikörpern gegen Varicella-Zoster-Viren wendet man post-expositionell vor allem bei Personen an, bei denen die Gefahr von Komplikationen besteht: Hierzu gehören Neugeborene, Schwangere, immunsupprimierte Patienten und Kinder. Die Immunglobuline verhindern die Infektion oder schwächen den Verlauf ab, wenn sie möglichst schnell, das heißt innerhalb von 96 Stunden nach dem Kontakt mit infizierten Personen gegeben werden. Die Gürtelrose wird mit Brivudin, Famciclovir oder anderen Aciclovir-Derivaten behandelt, die im Vergleich zu Aciclovir eine deutlich bessere Pharmakokinetik und damit meist bessere Wirkung zeigen, vor allem bei der Behandlung der mit der Gürtelrose einhergehenden Neuralgien. Die Dauer der generalisierten Infektionen wird reduziert, und die Symptome werden verhindert. Aus mit Aciclovir behandelten AIDS-Patienten konnte man resistente Stämme des Varicella-Zoster-Virus isolieren. Sie scheinen jedoch aufgrund der Mutationen des Thymidinkinasegens einen Wachstumsnachteil zu haben und sind bisher in der Normalbevölkerung ohne Bedeutung.
Das humane Cytomegalovirus Epidemiologie und Übertragung Die Cytomegaloviren kannte man ursprünglich nur in Verbindung mit prä- oder perinatalen Infektionen, die zu Schädigungen der Feten oder neugeborener Kinder führten. Serologische Untersuchungen zeigten jedoch, dass Cytomegalovirusinfektionen weit verbreitet sind. In Deutschland sind, abhängig vom sozioökonomischen Status, zwischen 40 und 90 Prozent der Bevölkerung mit Cytomegaloviren infiziert.
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Nach der meist asymptomatischen Primärinfektion persistieren die Erreger lebenslang im Menschen und werden sowohl sporadisch als auch in Phasen der Immunsuppression reaktiviert. Bei Erwachsenen, insbesondere bei immunsupprimierten Personen – zum Beispiel Transplantatempfängern, Tumor- und AIDSPatienten – verursacht das Cytomegalovirus Erkrankungen, die häufig mit schweren klinischen Verläufen einhergehen. Es ist klinisch das wichtigste Virus bei Transplantatempfängern. Nach der Primärinfektion werden Cytomegaloviren intermittierend ausgeschieden. Dabei sind Kinder im Alter von bis zu vier Jahren am ansteckendsten. Die Übertragung erfolgt durch infizierte Zellen im Speichel, durch Muttermilch oder Schmierkontaminationen mit virushaltigem Blut oder Urin. Häufig erfolgen die Infektionen der Säuglinge und Kleinkinder nach der Geburt durch die Muttermilch, weil fast alle seropositiven Mütter während der Stillphase Cytomegaloviren reaktivieren und in der Milch ausscheiden. Man findet das Virus auch in den Cervixsekreten und in der Samenflüssigkeit, sodass Sexualverkehr eine Ansteckungsquelle darstellt. Immundefiziente Patienten scheiden weitaus größere Virusmengen aus. Die Übertragung ist auch durch Organtransplantate, Bluttransfusionen und -produkte möglich. Ein wichtiger Übertragungsweg ist der transplacentare von der werdenden Mutter mit Primärinfektion auf das ungeborene Kind. In schätzungsweise zwei bis sechs Prozent der Schwangerschaften kommt es zu einer Primärinfektion der Mutter. Dabei werden bis zu 40 Prozent der Feten transplacentar infiziert. Man schätzt, dass durchschnittlich eines von Tausend Neugeborenen mit einer konnatalen Cytomegalovirusinfektion zur Welt kommt, die sich in neurologischen Spätschäden wie geistiger Retardierung, Verkalkungen im Gehirn, Sehstörungen und Taubheit äußern kann. Das humane Cytomegalovirus ist also der häufigste virale Erreger für Embryo- und Fetopathien. Mit der hormonellen Umstellung während der Schwangerschaft geht eine Aktivierung des Virus aus der Latenz einher, deswegen scheiden zehn Prozent aller Schwangeren Cytomegaloviren aus; transplacentare Übertragungen, die zur Schädigung der ungeborenen Kinder führen, sind bei diesen Reaktivierungen des Virus aus der Latenz aber selten und erfolgen nur bei 0,2 bis zwei Prozent.
Klinik Die Inkubationszeit beträgt zwischen vier und acht Wochen. Bei immunkompetenten Personen verlaufen die Primärinfektionen meist asymptomatisch. Nur selten treten Erkrankungszeichen auf, die denen einer Mononucleose ähneln, nämlich Fieber, Lymphknoten-
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schwellungen, Gastritis, Ösophagitis oder grippeähnliche Erscheinungen. Gelegentlich findet man Leuko- und Thrombocytopenien und atypische CD8+-T-Lymphocyten sowie eine erniedrigte CD4+-T-Lymphocytenzellzahl. Die Transfusionsmononucleose ist zusätzlich durch Angina charakterisiert. Pränatale Infekte, vor allem solche, die sich in der Frühschwangerschaft ereignen, führen in etwa zehn Prozent der Fälle zur cytomegalen Einschlusskörperchenkrankheit, die sich in Hepatosplenomegalie, Thrombocytopenie, Hörschäden und Entwicklungsdefekten aufgrund der Infektion des zentralen Nervensystems äußert. Die seltenere peri- oder postnatale Übertragung des Virus auf Neugeborene kann zu ähnlichen, aber meist abgeschwächten Symptomen führen. Bei immunsupprimierten Patienten findet man bedingt durch die organtypischen Viruslokalisationen Hepatitiden, Chorioretinitiden, gastrointestinale Ulcerationen und Colitiden mit Schmerzen und Durchfällen oder relativ selten eine Encephalitis. Die interstitielle Cytomegaloviruspneumonie zeigt oft schwere Verläufe und ist die häufigste Todesursache bei AIDSPatienten und Knochenmarktransplantierten. Bei ersteren findet man das Virus in den Nebennieren, der Lunge, dem Gastrointestinaltrakt, dem zentralen Nervensystem und der Netzhaut (Chorioretinitis). Bei Patienten mit Organübertragungen kann das Cytomegalovirus zu Entzündungen der Blutgefäße im Transplantat führen (Transplantationsvasculitis), die histologisch einer Abstoßungsreaktion gleichen und zum Transplantatverlust führen können. Cytomegaloviren spielen deshalb bei Primärinfektionen als auch bei Reaktivierungen eine bedeutende infektiologische Rolle bei Transplantierten und verursachen trotz Behandlung eine noch immer hohe Rate von Todesfällen.
Pathogenese Im Verlauf der apparenten und wahrscheinlich auch der inapparenten Primärinfektion von immunkompetenten Personen gelangt das Cytomegalovirus bei der meist oralen Übertragung in die Speicheldrüsen und wird von dort aus hämatogen und auch zellgebunden verbreitet. Die Zellen des Gefäßendothels spielen bei der Ausbreitung des Virus in die verschiedenen Organe eine wichtige Rolle. Cytomegale Zellen sind in vielen Organen festzustellen, vor allem in den Speicheldrüsen, Nieren und Nebennieren. Virale DNA lässt sich außerdem in pathohistologisch unauffälligen Zellen im Myocard, in der Leber, der Milz, der Lunge, dem Knochenmark und den Nieren nachweisen. Das Virus kann auch im Blut in freier Form oder zellgebunden vorliegen, unter anderem in Endothelzellen und Granulocyten. Antigenämie beziehungsweise Virämie weisen auf eine generalisierte
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Infektion hin. Das Virus verbleibt vermutlich in vielen Organen in einem latenten Zustand, der auf molekularer Ebene nicht charakterisiert ist (䉴 Abschnitt 19.5.6). Da man es im Urin und auch im Speichel, dem Cervixsekret und der Samenflüssigkeit findet, müssen Zellen der entsprechenden Organe latent infiziert sein. Die Ausbreitung der Cytomegalovirusinfektion wird wesentlich durch den Funktionszustand des Immunsystems bestimmt, da bereits die postnatale Infektion und diejenige von Kleinkindern sowie allen älteren Personen meist inapparent verläuft. Bei der Übertragung auf ungeborene Kinder findet das Virus ein noch unentwickeltes Immunsystem vor. Bei Infektionen während des zweiten bis sechsten Schwangerschaftsmonats erreicht die Schädigungsrate etwa 50 Prozent. Hier kann es je nach Entwicklungsstadium zu Schädigungen des Gehirns (Mikrocephalie), der Augen (Chorioretinitis), des Gehörs und zu Hepatosplenomegalie kommen. Infizierte Kinder können in utero oder nach der Geburt auch versterben. Bei Personen mit Immundefekten muss man zwischen Primärinfektionen und Reaktivierungen unterscheiden, da die ersteren schwerer verlaufen. Die Ursache dieser generalisierenden Infektionen
sind Defekte der zellulären Immunität. Als Folge breitet sich das Virus in viele Organe aus und verursacht entsprechende, pathohistologisch fassbare Organschäden. Bei AIDS-Patienten entwickeln sich oft eine Chorioretinitis sowie Magen- und Darmulcera; ohne antivirale beziehungsweise antiretrovirale Medikation sterben 20 bis 30 Prozent dieser Patienten an einer interstitiellen Cytomegaloviruspneumonie.
Immunreaktion und Diagnose Während der Primärinfektion bildet der Organismus IgM- und IgG-Antikörper. Außerdem werden cytotoxische T-Zellen induziert. Die zelluläre Immunantwort ist für die Viruseliminierung und die Beendigung der Symptome verantwortlich, Antikörper kontrollieren die virämische Ausbreitung und schützen vor Neuinfektionen. Neutralisierende Antikörper sind hauptsächlich gegen das Glycoprotein gB gerichtet. Die meisten nachweisbaren Immunglobuline erkennen das Phosphoprotein pp65, die Hauptkomponente des Teguments. Weder die Antikörper noch die zelluläre Immunantwort können jedoch eine Reaktivierung der latenten Infektion
¡ Die Cytomegaloviren verfügen über viele Mechanismen, um der Immunantwort auszuweichen Alle Herpesviren verfügen über Möglichkeiten, mit denen sie der Immunkontrolle ihrer Wirte entgehen können. Besonders gut sind sie bei den Cytomegaloviren untersucht. Diese codieren in ihrem Genom für Proteine, die zellulären Genprodukten ähneln. Darunter befindet sich ein zu MHC-Klasse-I-Antigenen homologes Protein, das im Leserahmen UL18 codiert wird und mit β2-Mikroglobulin wechselwirkt. Dadurch wird den MHC-Klasse-I-Antigenen dieser Interaktionspartner entzogen, die Konzentration der MHCKomplexe zur Präsentation von Peptidantigenen nimmt ab. Zugleich verhindern die UL18-Proteine auf der Zelloberfläche den Angriff der natürlichen Killerzellen, die vor allem Zellen mit geringen MHC-Mengen auf ihren Oberflächen erkennen (䉴 Kapitel 7). Das Genprodukt des Leserahmens US28 ähnelt Chemokinrezeptoren und bindet die Chemokine RANTES und MCP-1 (monocyte chemoattractant protein 1), die unter anderem von aktivierten T-Helferzellen sezerniert werden (䉴 Kapitel 8). Die Interaktion mit US28 bewirkt die Internalisierung des Komplexes und den Abbau. Dadurch wird die Bindung dieser Chemokine an ihre eigentlichen Rezeptoren verhindert; die von ihnen induzierten Signalketten bleiben unterbrochen. Außerdem verfügen die
Cytomegaloviren über weitere Genprodukte, die in die immunologischen Kontrollmechanismen eingreifen. Hierzu zählen die Proteine US2 und US11. Sie binden sich an MHCKlasse-I-Antigene, die nach ihrer Synthese in die Membran des endoplasmatischen Reticulums eingelagert sind, und bewirken ihren Transport zu den Proteasomen im Cytoplasma und ihren Abbau. Auch dieser Schritt hat die Verarmung der Zellen an MHC-Klasse-I-Antigenen zur Folge. Die Viren stören jedoch auch die Beladung der MHC-Proteine mit Peptiden. Für diesen Schritt ist das virale US6-Protein verantwortlich, das in der ER-Membran verankert ist. Die Domäne des US6-Proteins, die in das Lumen des endoplasmatischen Reticulums orientiert ist, verhindert den ATPabhängigen Transport der Peptide mittels des TAP-Transporters in das ER und inhibiert dabei auf noch unbekannte Weise die ATP-Hydrolyse, wodurch der Transportvorgang blockiert ist. Des Weiteren inhibieren die Cytomegaloviren auch den Transport der MHC-Klasse-I-/Peptid/β2-Mikroglobulin-Komplexe aus dem endoplasmatischen Reticulum zu den Golgi-Vesikeln und weiter zur Zelloberfläche. Dieser Prozess wird durch das virale US3-Protein gehemmt.
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verhindern. Trotz Vorliegens eines prästimulierten Immunsystems wurden bei Organtransplantationen selten auch Re- und Mehrfachinfektionen beobachtet. Hinweise darauf, dass das zelluläre Immunsystem bei der Kontrolle der lytischen Infektion entscheidend ist, ergeben sich aus mehreren Beobachtungen: Bei pränatalen oder perinatalen Infektionen dauert die Virusausscheidung wesentlich länger als bei solchen, die erst im späteren Lebensalter erfolgen. Man kann daraus schließen, dass mehr Zellen infiziert worden sind und möglicherweise das im Fetus oder Neugeborenen noch nicht entwickelte Immunsystem eine höhere Virusreplikation zulässt. Auch bei Immundefizienzen ist die Virusausscheidung verstärkt, teilweise findet man eine persistierende, zellgebundene Virämie. Da diese Patienten eine beeinträchtigte zelluläre Immunreaktivität haben, die humorale Antwort aber meist intakt ist, haben die CD4+- und CD8+-T-Lymphocyten und auch die natürliche Killerzellen bei der Kontrolle der Infektion während der Latenzphase vermutlich eine wichtige Funktion. Auch erscheint die Gefahr einer pränatalen Infektion größer, wenn das zelluläre Immunsystem der Mutter geschädigt ist. Vom Mauscytomegalovirus ist bekannt, dass cytotoxische T-Zellen Epitope der immediate early-Proteine erkennen. Ähnliche Mechanismen könnten auch für die Kontrolle der lytischen Virusreplikation im Menschen von Bedeutung sein. Die serologische Diagnose der Primärinfektion erfolgt über den Nachweis von spezifischen IgM-Antikörpern mittels ELISA. Das Virus kann aus Blut, Speichel, Cervixsekret und Urin isoliert beziehungsweise über quantitative PCR-Verfahren nachgewiesen werden. Die Züchtung des humanen Cytomegalovirus gelingt nur in menschlichen oder in Schimpansenzellen, speziell in embryonalen Lungenfibroblasten oder Vorhautzellen von Neugeborenen. Die infizierten Zellen vergrößern sich (Cytomegalie), und nach der Fixierung lassen sich nucleäre, eulenaugenartige Einschlusskörperchen feststellen. Wegen der langsamen Vermehrung des Virus in Kultur und der langen Zeitspanne bis zum Auftreten des cytopathischen Effekts wird die Virusreplikation durch den Nachweis von immediate early-Proteinen (pp72) durch Immunfluoreszenz bereits nach ein bis zwei Tagen bestimmt. Das Tegumentprotein pp65 wird in den infizierten Zellen in großen Mengen gebildet und gelangt bei der Zerstörung der Zellen in das Blut. Es wird von Granulocyten komplexiert mit Antikörpermolekülen als Immunkomplex aufgenommen und kann in den Zellen durch Immunfluoreszenz nachgewiesen werden (pp65-Proteinämie). Außerdem wird die Viruslast durch die Polymerasekettenreaktion quantitativ bestimmt.
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Therapie und Prophylaxe Für die Therapie der Cytomegalovirusinfektion stehen Ganciclovir, Cidofovir und Foscarnet (Phosphonoameisensäure) zur Verfügung (䉴 Kapitel 9). Alle diese Substanzen verursachen zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen. Im Unterschied zu den anderen Herpesviren verfügen die Vertreter der b-Herpesvirinae und so auch die Cytomegaloviren nicht über die genetische Information für die Synthese einer Thymidinkinase. Ganciclovir wird durch die Proteinkinase (UL97) monophosphoryliert, von den zellulären Enzymen dGMP- und NDP-Kinase triphosphoryliert und von der viralen DNA-Polymerase bei der Genomreplikation in die DNA-Stränge eingebaut (䉴 Abschnitt 19.5.3). Aciclovir kann nicht eingesetzt werden, da es von der UL97Kinase nicht als Substrat verwendet wird. Foscarnet hemmt die virale DNA-Polymerase nichtkompetitiv und wird aufgrund der hohen Nebenwirkungen erst nach den Nucleotidanaloga eingesetzt. Die Verabreichung von Hyperimmunglobulinpräparaten erfolgt bei akuten Infektionen in der Frühschwangerschaft sowie bei Verdacht auf perinatale Infektionen als auch bei hämatogener Streuung des Virus in Transplantationspatienten (hier in Kombination mit den genannten antiviralen Mitteln). Ein Impfstoff steht noch nicht zur Verfügung.
Die humanen Herpesviren 6 und 7 Epidemiologie und Übertragung Obwohl Syed Zaki Salahuddin und Mitarbeiter das humane Herpesvirus 6 1986 ursprünglich als menschliches B-lymphotropes Virus aus Patienten mit lymphoproliferierenden Erkrankungen isolierten, erwies sich später, dass es hauptsächlich T-Zellen infiziert und sich dort repliziert. Vier Jahre später fand man in CD4+-TLymphocyten ein weiteres, mit dem humanen Herpesvirus 6 verwandtes Virus, das man heute als Typ 7 der menschlichen Herpesviren bezeichnet. Vom humanen Herpesvirus 6 gibt es die zwei Subtypen A und B: Ihre Genomsequenzen sind zu etwa zehn Prozent unterschiedlich, der Subtyp B verfügt im Vergleich zum Subtyp A über neun zusätzliche offene Leserahmen (B1 bis B9). Den höchsten Varianzgrad findet man im Bereich der sehr frühen Genprodukte sowie in der Genomregion, die für das Oberflächenprotein gQ codiert. Mit dem Subtyp A konnten bei immunkompetenten Personen bisher keine Erkrankungen korreliert werden. Das humane Herpesvirus 6B verursacht bei Kindern das Exanthema subitum, auch Dreitagefieber genannt. Die Durchseuchung der Bevölkerung mit diesem Virus ist
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hoch; bereits im Alter von zwei Jahren sind praktisch alle Kinder seropositiv. Infektionen mit dem humanen Herpesvirus 7 erfolgen eher etwas später, nämlich ab dem dritten Lebensjahr. Es wurde bisher nur vereinzelt aus Patienten mit Exanthema subitum isoliert. Die virale DNA fand man in der Magenschleimhaut und in fünf Prozent der Biopsien aus dem zentralen Nervensystem. Nach der Primärinfektion verbleiben beide Viren latent im Organismus, werden mit dem Speichel ausgeschieden und hierdurch übertragen. Bei Patienten mit Knochenmarktransplantation sind die beiden humanen Herpesviren 6A und vor allem 6B häufig im Blutplasma zu finden.
Klinik Die Primärinfektion mit dem humanen Herpesvirus 6 erfolgt meist bei Kindern im Alter unter zwei Jahren und verläuft häufig asymptomatisch; die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich ein bis zwei Wochen. Das Krankheitsbild des Exanthema subitum, auch bekannt als Roseola infantum oder sixth disease ist durch hohes und plötzliches Fieber gekennzeichnet, das in der Regel drei Tage anhält und von einem Hautausschlag begleitet wird. Gelegentlich findet man geschwollene Lymphknoten, eine Beeinträchtigung der Leberfunktion und selten eine Encephalitis. Das Virus ist danach lebenslang in TZellen nachweisbar. Aufgrund der verbreiteten Infektion im Kindesalter sind akute Infektionen bei Erwachsenen extrem selten; in den wenigen Fällen, die dokumentiert sind, wurden Symptome beschrieben, die denjenigen der infektiösen Mononucleose ähneln. Es gibt Hinweise, dass die Virusinfektion das Knochenmark schädigen kann. Ob Reaktivierungen bei immunkompetenten Personen mit Erkrankungen verbunden sind, ist unklar. Hinweise darauf, dass das humane Herpesvirus 6 im späteren Leben mit der Multiplen Sklerose oder dem chronischen Müdigkeitssyndrom assoziiert ist, konnte man nicht bestätigen. Bei immunsupprimierten Transplantationspatienten findet man jedoch durchschnittlich zwei bis vier Wochen nach der Knochenmark- oder Organübertragung häufig eine Reaktivierung des humanen Herpesvirus 6; da das Virus in den Zellen vieler Organe in latenter Form vorliegt, kann in diesen Fällen jedoch auch eine Reinfektion der Patienten über die Spenderorgane erfolgt sein. Die Patienten entwickeln Fieber, Hautausschlag und gelegentlich eine Pneumonie, Encephalitis oder Hepatitis. Insgesamt ähnelt die klinische Symptomatik dann derjenigen der Cytomegalovirusinfektion.
Pathogenese Die humanen Herpesviren 6 und 7 replizieren sich in vivo in aktivierten CD4+-T-Lymphocyten: Dabei bindet sich sowohl das humane Herpesvirus 7 als auch das humane Immundefizienzvirus an das CD4-Protein auf der Oberfläche von T-Helferzellen und das humane Herpesvirus 6 an das CD46-Protein. Da man das CD46Protein auf der Oberfläche vieler verschiedener Zellen (Makrophagen, dendritische Zellen, Fibroblasten, Epithelzellen und Knochmarkszellen) findet, erweisen sich in vitro viele verschiedene Zellen als infizierbar, von denen aber nicht alle die produktive Vermehrung des humanen Herpesvirus 6 unterstützen. Nach der Primärinfektion werden in den Speicheldrüsen andauernd geringe Virusmengen produziert und ausgeschieden. Eine auf ähnlich niedrigem Niveau persistierende Virusinfektion findet man möglicherweise auch im Gehirn. Daneben induziert das humane Herpesvirus 6 auch eine latente Infektion in Monocyten und noch undifferenzierten Knochenmarkszellen, ohne dabei Viruspartikel zu produzieren. In diesem Zustand findet man die Synthese der LT-RNAs (latency-associated RNAs) von der Genomregion IE-A (U86-90), welche für die sehr frühen Genprodukte IE1 und IE2 codiert. Die LT-RNAs unterscheiden sich allerdings von den sehr frühen Transkripten durch unterschiedliche Startpunkte und Sequenzen in der 5’-nichttranslatierten Region. Der Befund, dass das humane Herpesvirus 6 bei AIDS-Patienten in denselben Zellen vorkommt, die auch durch das humane Immundefizienzvirus infiziert werden, ließ es als möglichen Cofaktor bei der Entstehung der Immundefizienz erscheinen. Auf eine Cofaktorfunktion bei der AIDS-Erkrankung weist hin, dass etliche der sehr frühen und frühen Proteine des humanen Herpesvirus 6, die in den Leserahmen U86-90 (immediate early-Proteine A), U16-19 (immediate earlyProteine B), pU3, DR7 codieren sowie U94, das Homologie zu den Rep-Proteinen von AAV-2 aufweist, den Promotor in der LTR-Region des Immundefizienzvirus transaktivieren. Auch wird durch die Infektion der Zellen mit dem humanen Herpesvirus 6 die Expression des CD4-Gens erhöht; dies hat zur Folge, dass die Zahl der CD4+-Zellen erhöht wird, die dem humanen Immundefizienzvirus als zusätzliche Ziele für die Vermehrung dienen können. Ob sich auch in vivo beide Infektionserreger synergistisch verhalten, ist noch nicht endgültig geklärt.
Immunreaktion und Diagnose Während der Primärinfektion bildet der Organismus IgM- und IgG-Antikörper. IgG bleibt lebenslang nach-
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weisbar, seine Konzentration fällt jedoch im Laufe der Jahre ab. Beim humanen Herpesvirus 6, wie auch bei allen anderen Herpesviren, führen Reaktivierungen zu einem Wiederanstieg der Antikörperkonzentrationen. Die zelluläre Immunantwort ist bisher kaum untersucht. Durch die hohe Durchseuchung bereits im Kindesalter spielt die serologische Diagnosestellung klinisch praktisch keine Rolle. Das Virus lässt sich aus Speichel oder Rachenspülwasser isolieren und in Nabelschnurlymphocyten züchten. Der quantitative Nachweis der Virus-DNA durch die Polymerasekettenreaktion wird vor allem bei immunsupprimierten Patienten zur Diagnose von Reaktivierungen aus den entsprechenden Materialien oder aus Blut durchgeführt.
Therapie und Prophylaxe Bis heute gibt es keinen Impfstoff zur Verhinderung der Infektion. Bei immunkompetenten Personen sind Infektionen mit den humanen Herpesviren 6 und 7 milde und selbstlimitierend, eine Therapie ist nicht notwendig. Schwere, in Einzelfällen lebensbedrohende Erkrankungen findet man bei immunsupprimierten Patienten mit Reaktivierung. In Analogie zur Situation beim humanen Cytomegalovirus ist eine Therapie mit Gancyclovir (oral mit Valgancyclovir), Cidofovir oder Foscarnet möglich. Ähnlich wie dieses verfügt auch das humane Herpesvirus 6 als Mitglied der Unterfamilie bHerpesvirinae über keine Thymidinkinase zur Monophosphorylierung der Nucleosidanaloga. Diese Reaktion wird von der viralen Phosphotransferase pU69 katalysiert, die hinsichtlich ihrer Funktion und Wirkungsweise der pUL97 der humanen Cytomegaloviren ähnelt. Die Phosphorylierung zum triphosphorylierten Nucleosid, welches von der viralen DNA-Polymerase in die neu synthesisierten Virusgenome eingebaut wird und den Kettenabbruch bewirkt, erfolgt durch die zellulären Enzyme dGMP- und NDP-Kinase.
Das Epstein-Barr-Virus Epidemiologie und Übertragung Dennis Burkitt beschrieb 1958 ein Lymphom, das in Ost- und Zentralafrika bei Kindern und Jugendlichen die häufigste Tumorerkrankung war. Seine Verbreitung entsprach der der Malaria. In B-Zelllinien aus diesen monoklonalen Burkitt-Lymphomen fanden Anthony Epstein, Budd Achong und Yvonne Barr sowie Robert Pulvertaft 1964 herpesvirusähnliche Partikel. Der Erreger wurde von Gertrude und Werner Henle als neue Virusgattung erkannt und nach seinen Entdeckern als Epstein-Barr-Virus bezeichnet. Das Burkitt-Lymphom
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ist mit einer Inzidenz von einem Fall pro 10 000 Personen und Jahr die häufigste kindliche Tumorerkrankung in Afrika. Bei Krallenaffen verursacht das Virus einen dem Burkitt-Lymphom ähnlichen, aber polyklonalen Tumor – ein Hinweis auf die kausale Beteiligung des Virus an der Onkogenese. 1968 fanden Gertrude und Werner Henle sowie Volker Diehl im Blut von Personen, welche die Erkrankung der infektiösen Mononucleose überwunden hatten, Antikörper gegen eben dieses Epstein-Barr-Virus. Es zeigte sich, dass das Virus weltweit verbreitet ist, etwa 95 Prozent der Erwachsenen seropositiv sind und alle Infizierten nach der Primärinfektion lebenslang Epstein-Barr-Virus-positive B-Zellen im Blut besitzen. Diese ruhenden B-Lymphocyten enthalten das Virus und haben die Fähigkeit, in Kultur zu immortalisierten Zelllinien auszuwachsen. In vivo verhindert vermutlich ein funktionierendes zelluläres Immunsystem eine unkontrollierte Vermehrung dieser Zellen. Außer dem Burkitt-Lymphom, aus dessen Tumorzellen man das Virus ursprünglich isolierte, ist es mit weiteren menschlichen Tumorerkrankungen assoziiert: dem Hodgkin-Lymphom und dem Nasopharynxkarzinom – mit einer Inzidenz von etwa zwei Erkrankungen pro 10 000 Personen pro Jahr der häufigste Tumor in China und Südostasien. Außer dem Virus scheinen bei der Entwicklung dieser Tumorerkrankungen zusätzlich verhaltens- und umweltspezifische Faktoren eine wichtige Rolle zu spielen. Das Epstein-Barr-Virus wird nach der Primärinfektion lebenslang in unterschiedlichen Mengen über den Speichel ausgeschieden und übertragen. Es ist weltweit verbreitet. In Europa und den USA erfolgt die Infektion meist im Jugendlichen- und frühen Erwachsenenalter. Der Übertragungsweg gab der mit der Infektion verbundenen Mononucleose die Bezeichnung kissing disease. In China und den Entwicklungsländern sind – bedingt durch die geringere Hygiene und die mancherorts noch übliche Mund-zu-Mund-Fütterung der Kleinkinder – alle Kinder im Alter von etwa zwei Jahren seropositiv.
Klinik Bei der Primärinfektion mit dem Epstein-Barr-Virus beträgt die Inkubationszeit durchschnittlich vier bis sechs Wochen. Im Kindesalter verläuft die Infektion meist asymptomatisch. Erfolgt sie bei Jugendlichen oder Erwachsenen, treten gehäuft die Anzeichen einer infektiösen Mononucleose auf. Diese selbstlimitierende, lymphoproliferative Erkrankung wurde von dem Kinderarzt Emil Pfeiffer in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts beschrieben und ist auch unter der Bezeichnung Pfeiffersches Drüsenfieber bekannt. Sie äußert sich in Angina mit Halsschmerzen, Fieber und deutlich geschwollenen
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Lymphknoten. Eine häufige Begleiterscheinung sind tränende Augen. Bei etwa der Hälfte der Patienten findet man zwei bis drei Wochen nach Beginn der symptomatischen Phase Milzschwellungen. Bei 20 bis 25 Prozent treten Hautausschläge auf, und erhöhte Transaminasewerte weisen auf eine Hepatitis hin. Selten beobachtet man Meningitiden oder Gelenkentzündungen. Die Symptome klingen üblicherweise nach einigen Wochen ab, das Virus bleibt jedoch im Organismus und wird lebenslang aus dem Hals-, Nasen- und Rachenraum in den Speichel ausgeschieden. Zusätzlich ist das Genom des Epstein-Barr-Virus in etwa einer von 10 000 B-Zellen des peripheren Blutes enthalten. Das Virus liegt hier latent vor. In seltenen Fällen klingen die Symptome der infektiösen Mononucleose nicht vollständig ab, und die Patienten entwickeln eine chronisch-persistierende Infektion, bei der sich das Virus zusätzlich zum Latenzstadium in erhöhtem Maß auch lytisch vermehrt. Oft können auch im Serum freie Viren nachgewiesen werden. Die Symptome dieser chronisch-aktiven Infektion wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Lymphknotenschwellungen sind schwächer ausgeprägt als bei der infektiösen Mononucleose. Sie können über Monate und Jahre hinweg andauern. Besonders betroffen sind davon Hochleistungssportler. Tödliche Verläufe der infektiösen Mononucleose treten familiär gehäuft bei Männern auf und sind mit Gendefekten auf dem X-Chromosom (Xq25-27) korreliert. Dieses sogenannte XLP-Syndrom (X-linked lymphoproliferative syndrome) oder Duncan-Syndrom (nach der ersten von David Purtilo beschriebenen Familie mit dem Gendefekt) ist durch eine Hypogammaglobulinämie, eine aplastische Anämie und die massive Infiltration von CD8+-T- und B-Lymphocyten in die Lunge, Nieren, Leber und das Knochenmark gekennzeichnet. Als Folge versagen diese Organe. Etwa 30 Prozent der Patienten entwickeln zusätzlich polyklonale B-Zelllymphome. Man fand bei den Patienten einen Defekt in einem Gen (SAP/SH2D1A), das für ein Mitglied der SAP-ähnlichen Proteinfamilie codiert. SAP-Proteine interagieren mit den SLAM-Rezeptoren (signalling lymphocytic activation molecule), die sich auf der Oberfläche von T- und B-Lymphocyten sowie von anderen hämatopoetischen Zellen befinden. Zu ihnen zählt auch das CD150-Protein, das den Masernviren und verschiedenen tierpathogenen Paramyxoviren als Rezeptor dient (䉴 Abschnitte 15.3.4 und 15.3.5). Durch die Bindung der SAP-Proteine wird vermutlich die SLAM-rezeptorvermittelte Signalübertragung reguliert, die für die Interaktion von T-Lymphocyten mit antigenpräsentierenden Zellen während immunologischer Abwehrreaktionen wichtig ist. Durch den Gendefekt in den XLPPatienten ist die Funktion des SAP/SH2D1A gestört,
weshalb die Patienten die akute Epstein-Barr-Virusinfektion nicht kontrollieren können. Ähnliche Symptome findet man in den XLP-Patienten auch bei anderen Infektionserkrankungen. Epstein-Barr-Virus-assoziierte polyklonale B-Zelllymphome findet man außerdem gehäuft bei immunsupprimierten Patienten. Auch bei AIDS-Patienten steigt dieses Risiko bis auf 60 Prozent. Dementsprechend gilt die posttransplant lymphoproliferative disorder oder die PTLD als ein neues Epstein-BarrVirus-assoziiertes Krankheitsbild. Typischerweise kommt es bei Kindern, die beispielsweise durch die Behandlung von Tumoren oder Leukämien immunsupprimiert sind, nach der Epstein-Barr-Virusinfektion zu B-Zelllymphomen als Zweiterkrankung. Dies korreliert eindeutig mit dem Grad der Immunsuppression und ist besonders häufig bei Lungen-, Herz- und Knochenmarktransplantationen. Aber auch Epstein-Barr-Virus-positive Erwachsene können – wenn auch seltener – ein PTLD entwickeln. Therapeutisch versucht man die Immunsuppression so weit möglich zu verringern. Das Burkitt-Lymphom tritt in Äquatorialafrika und in Neuguinea bei Kindern im Alter von etwa sieben bis neun Jahren endemisch auf. Etwa 95 Prozent dieser Burkitt-Lymphome enthalten Epstein-Barr-Viren in den transformierten Zellen. Bei der sporadischen Form dieses Tumors, die weltweit vor allem bei Erwachsenen zu finden ist, sind etwa 20 Prozent mit dem Epstein-BarrVirus assoziiert. Die endemische Form manifestiert sich überwiegend als Tumor des Kiefer- und Gesichtsbereichs oder des Abdomens. Beim sporadischen BurkittLymphom ist dagegen meist das Knochenmark beteiligt. Alle Burkitt-Lymphomzellen weisen Chromosomentranslokationen auf: Meist wird der lange Arm des Chromosoms 8 auf das Chromosom 14 übertragen, seltener gelangen Teile der Chromosomen 2 oder 22 auf den langen Arm von Chromosom 8. Das Hodgkin-Lymphom ist eine weitere maligne Erkrankung, die mit dem Epstein-Barr-Virus in Verbindung gebracht wird. Dieses B-Zelllymphom ist histologisch durch Reed-SternbergZellen, den typischen Hodgkin-Zellen gekennzeichnet, die mit einer großen Zahl von Lymphocyten und anderen immunologisch aktiven Zellen vermischt sind. In den westlichen Ländern enthalten 20 bis 50 Prozent der Hodgkin-Lymphome virale DNA, die Zellen produzieren die EBER-RNAs und die latenten Proteine LMP1, LMP2A und EBNA1. In Entwicklungsländern findet man diese Situation in praktisch allen Hodgkin-Lymphomen. Das monoklonale Nasopharynxkarzinom, eine weitere Tumorerkrankung die das Epstein-Barr-Virus verursacht, entwickelt sich als Primärtumor in der Rosenmüllerschen Grube des Nasopharynx. Es äußert sich durch Einschränkungen des Gehörs, Nasenbluten und eine Blockierung der Ohrtuben. Dieser Tumor
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metastasiert rasch, sodass die meisten Patienten durch die Verbreitung der Tumorzellen im Lymphsystem Sekundärtumoren ausbilden. Andere lymphoepitheliale Karzinome, die morphologisch ähnliche Merkmale wie das Nasopharynxkarzinom aufweisen, wurden in den letzten Jahren auf ihre mögliche Assoziation mit dem Epstein-Barr-Virus untersucht. Dabei fand man, dass in 80 Prozent der lymphoepithelialen Magenkarzinome Genome des Epstein-Barr-Virus vorhanden sind und dass in den Zellen die Genprodukte der Latenz gebildet werden. Eine ähnliche Situation wurde in Karzinomen der Speicheldrüsen und Lunge in den Ländern gefunden, in welchen das mit dem Epstein-Barr-Virus korrelierte Nasopharynxkarzinom endemisch ist. Inwieweit in diesen Fällen eine kausale Beziehung zwischen der Virusinfektion und der Tumorerkrankung vorliegt, ist nicht geklärt.
Pathogenese Primärinfektion Das Virus gelangt bei der Übertragung durch den Speichel auf die Schleimhaut des Mund- und Rachenraums, in der B-Lymphocyten vorliegen. Diese haben auf ihrer Oberfläche hohe Konzentrationen des CD21-Proteins, an das sich der Komplex der Glycoproteine gp220/350 des Epstein-Barr-Virus bindet, der die Aufnahme in die B-Lymphocyten vermittelt. Die Infektion verursacht eine polyklonale Aktivierung dieser Zellen mit der Folge einer massiven Immunantwort. Dieser Vorgang äußert sich in den bei der infektiösen Mononucleose beobachteten Schwellungen der lymphatischen Gewebe wie Lymphknoten, Milz, Leber und Tonsillen. Vermutlich repliziert sich das Virus in der Frühphase der Infektion in einem Teil der B-Zellen lytisch, was infektiöse Viruspartikel freisetzt. Die anschließende zelluläre Immunantwort richtet sich dann vor allem gegen die Zellen, welche die Proteine des produktiven Zyklus synthetisieren. In anderen infizierten B-Lymphocyten etabliert sich dagegen die latente Infektion. Verantwortlich sind hierfür vermutlich Zellfaktoren, die – wie etwa das Ku-Protein – zusammen mit noch unbekannten Faktoren die Expression des immediate early-Gens BZLF1 und somit den lytischen Zyklus reprimieren. Hierdurch können die EBNA-Proteine ihre Wirkung entfalten: EBNA1 fördert die Replikation des Virusgenoms als Episom. Sowohl EBNA2, EBNA3A und C als auch EBNA-LP und die latenten Membranproteine sind für die Immortalisierung der Zellen verantwortlich und ermöglichen ihnen die kontinuierliche Teilung. Die EBER-RNA verhindert, dass apoptotische Prozesse und interferonvermittelte Abwehrmechanismen aktiv werden (䉴 Abschnitte 19.5.4 und 19.5.5). Nach der Etablierung der Latenz exprimieren die ruhenden B-Lympho-
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cyten LMP2A als einziges Virusprotein. In diesem Ruhestadium haben die Zellen nur geringe Mengen von MHC-Antigenen auf ihren Oberflächen. Zusätzlich fehlt ihnen der Faktor B7, der costimulatorisch bei der Aktivierung des zellulären Immunsystems wirkt. Diese EBVpositiven B-Lymphocyten entgehen daher der Immunantwort, bleiben im Körper erhalten und stellen das Virusreservoir dar. Nur sehr selten wird in ihnen der lytische Vermehrungszyklus und die Synthese infektiöser Viren induziert. Dieser Vorgang führt zur Eliminierung der Zellen durch cytotoxische T-Zellen, die Epitope der immediate early-Proteine erkennen. Wichtige TZellepitope, die von mehreren HLA-Subtypen gebunden und von cytotoxischen T-Lymphocyten erkannt werden, konnte man in funktionell wichtigen Regionen des BZLF1-Proteins identifizieren. Versagt die immunologische Eliminierung, so sterben die Zellen aufgrund der Virusvermehrung ab. An der Eintrittspforte des EBV im Mund- und Rachenbereich kann neben den B-Lymphocyten eine weitere Zellpopulation gefunden werden, die das Epstein-Barr-Virus infizieren kann: die Epithelzellen des Oro- und Nasopharynx, insbesondere diejenigen der Speicheldrüsen. Auf ihrer Oberfläche wurden geringe Mengen des CD21-Proteins nachgewiesen. Möglicherweise werden sie von Epstein-Barr-Viren infiziert, die in der Frühphase der Infektion – wie oben beschrieben – von einem Teil der B-Zellen produziert werden. Die Viren könnten aber auch durch die Fusion infizierter B-Zellen mit den Epithelzellen in das Gewebe gelangen. In den Epithelzellen wird bevorzugt der lytische Infektionszyklus eingeschlagen. Für seinen vollständigen Ablauf scheint der Differenzierungszustand der infizierten Zellen von entscheidender Bedeutung zu sein. In den Basalzellen des Epithels konnte man bisher nur die Synthese von BZLF1 nachweisen. Allerdings liegt es hier im Cytoplasma vor und kann so seine transaktivierenden, regulatorischen Funktionen nicht entfalten. Mit zunehmender Differenzierung der Zellen – sie schreitet stufenweise zur Oberfläche der Schleimhaut hin voran – erfolgt der Transport der viralen Transaktivatoren in den Kern, wo sie die Kaskade der Virusgenexpression des lytischen Zyklus induzieren. Die an der Oberfläche exponierten Zellen setzen schließlich Viren frei und geben sie in den Speichel ab. Die Zellen des Nasopharynx werden kontinuierlich mit Epstein-Barr-Viren aus B-Lymphocyten infiziert, sodass es hierdurch zu einer andauernden Virusausscheidung kommt. Wie die chronisch-aktive Epstein-Barr-Virusinfektion entsteht, ist nicht bekannt. Anscheinend kann das Virus bei diesen Patienten B-Zellen nicht latent infizieren, sodass sie kontinuierlich in geringem Ausmaß Viren produzieren. Die Patienten besitzen auch keine Antikör-
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per gegen die EBNA-Proteine, die normalerweise ein Hinweis auf die Etablierung des latenten Infektionszyklus sind. Andererseits könnte auch ein Defekt der zellulären Immunantwort vorliegen, der dazu führt, dass der Organismus die lytisch infizierten B-Zellen nicht vollständig eliminieren kann. Sekundärerkrankungen Obwohl alle für das EpsteinBarr-Virus positiven Personen latent infizierte B-Lymphocyten im peripheren Blut besitzen, entwickeln sie fast nie die mit dem Epstein-Barr-Virus assoziierten Tumorerkrankungen. Im immunologisch gesunden Organismus verhindert das zelluläre Immunsystem die unkontrollierte Proliferation der infizierten B-Zellen. Daher findet man mit Epstein-Barr-Viren assoziierte, polyklonale B-Zell-Lymphome vor allem in AIDS-Patienten oder Organtransplantatempfängern, deren zelluläres Immunsystem beeinträchtigt ist. Cytotoxische T-Zellepitope wurden bisher bei allen latenten Genprodukten entdeckt. Insbesondere EBNA3C scheint hierzu beizutragen. Nur bei EBNA1 ist die Epitoppräsentation durch die Funktion der Glycin-Alanin-Wiederholungseinheiten unterdrückt (䉴 Abschnitt 19.5.5). Aber auch wenn die Expression der latenten Genprodukte nur sporadisch und zeitlich limitiert erfolgt, gestattet sie somit dem zellulären Immunsystem, die unkontrollierte Proliferation der Zellen zu verhindern. Zur Pathogenese des monoklonalen Burkitt-Lymphoms tragen mehrere Faktoren bei. Auffällig ist die Korrelation dieser Tumorerkrankung mit den Endemiegebieten der Malariainfektion. In den entsprechenden Bereichen Zentralafrikas werden die Kinder bereits sehr früh infiziert, zum Teil haben sie möglicherweise bereits während der Embryonalentwicklung mit dem EpsteinBarr-Virus Kontakt. Das Virus gelangt wahrscheinlich im Verlauf von malariabedingten Fieberschüben von der schwangeren Frau in den Embryo. Infektionen mit Plasmodium falciparum, dem Erreger der Malaria tropica, supprimieren außerdem die T-Zellantwort und stimulieren die B-Zellproliferation. Das Epstein-Barr-Virus findet somit einerseits einen immunologisch unreifen Organismus vor und infiziert andererseits eine größere Zellzahl. Unbekannte Faktoren verursachen in den Zellen Chromosomentranslokationen, wobei das c-myc-Gen, das normalerweise in einer genetisch wenig aktiven Region des Chromosoms 8 liegt, auf das Chromosom 14 übertragen wird. In allen Fällen gelangt das c-myc-Gen in Genomregionen, die in B-Lymphocyten stark exprimiert werden. Der entsprechende Abschnitt auf dem Chromosom 14 ist für die Synthese der schweren Kette der Immunglobuline verantwortlich. Durch die Translokation auf das Chromosom 2 steht die c-mycExpression unter dem starken Einfluss des Enhancers
der leichten κ-Kette. Bei derjenigen auf das Chromosom 22 reguliert der Enhancer der leichten κ-Kette die c-Myc-Synthese. Dadurch liegen in den Zellen hohe Konzentrationen des DNA-bindenden, transaktiven c-Myc-Proteins vor. Möglicherweise lässt sich so eine weitere Eigenschaft der Burkitt-Lymphomzellen erklären: Es gibt Hinweise darauf, dass c-Myc die Expression der MHC-Klasse-I-Gene reprimiert und somit ihre Konzentration auf der Zelloberfläche reduziert. Zusammen mit den zuvor erwähnten Mechanismen könnte dies dazu führen, dass das zelluläre Immunsystem die sich unkontrolliert teilenden Zellen nicht mehr erkennen kann. Auf welche Weise das Nasopharynxkarzinom entsteht, ist unklar. Die Untersuchung seiner Pathogenese wird insbesondere dadurch erschwert, dass man die Tumorzellen bisher nicht in vitro züchten kann. Auch gibt es kein Kultursystem, das es erlaubt, den lytischen Replikationszyklus in Epithelzellen zu untersuchen. Das Nasopharynxkarzinom ist ein monoklonaler Tumor. Alle Zellen, auch diejenigen des meist sehr kleinen Primärtumors, enthalten Genome des Epstein-Barr-Virus. Zwar findet man den Tumor mit niedriger Inzidenz weltweit, seine geographische Konzentration in Südostasien und China ist jedoch auffällig. Hier treffen vermutlich verschiedene Faktoren zusammen, welche die Entstehung fördern. In China findet die Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus bereits im Kleinkindalter statt, sodass der Erreger auf ein ungereiftes Immunsystem trifft. Außerdem ist in den Hochrisikogebieten der Genuss ganz bestimmter Lebens- und Heilmittel gebräuchlich – etwa von dauerkonservierten Speisen wie eingesalzenen Fischen, die einen hohen Gehalt an Nitrosaminen haben. Hohe Konzentrationen phorbolesterähnlicher Substanzen konnte man in Kräutertees nachweisen, die vor allem bei Erkältungserkrankungen angewendet werden. In vitro induzieren diese Chemikalien bei latent infizierten B-Zelllinien den lytischen Zyklus und die Produktion von Nachkommenviren. Man kann also davon ausgehen, dass – bedingt durch die Lebensgewohnheiten – die Bevölkerung Südostasiens deutlich höhere Viruskonzentrationen im Schleimhautbereich des Nasopharynx aufweist als in anderen Ländern. Hierdurch besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass das Epstein-Barr-Virus Zellen im Nasen- und Rachenraum infiziert, in denen der lytische Replikationszyklus gehemmt ist. (Würde er ablaufen, hätte er den Zelltod zur Folge.) Diese Zellen könnten immortalisiert werden und zum Tumor auswachsen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte genetische Konstellationen der HLA-Subtypen die Entstehung des Tumors begünstigen. Möglicherweise können Personen mit den MHC-Klasse-I-Kombinationen A33/B58 oder
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A2/Bw46 bestimmte virale Epitope nur unzureichend präsentieren, sodass die Zellen der Immunkontrolle entgehen. Außerdem findet man die DNA des Epstein-BarrVirus in durchschnittlich 40 Prozent aller HodgkinLymphome, in Tumoren des glatten Muskelgewebes und in bestimmten Magenkarzinomen. In den Krebszellen werden nur einige der Genprodukte der Latenz synthetisiert (EBNA1 und EBNA2). Ob sie in diesen Fällen zum Tumorgeschehen beitragen, ist unklar.
Immunreaktion und Diagnose Die polyklonale B-Zellaktivierung während der infektiösen Mononucleose induziert die Bildung von Autoantikörpern und von heterophilen Immunglobulinen, die gegen viele unterschiedliche, oft auch unbekannte Antigene gerichtet sind. Dieses „immunologische Chaos“ ist ein erstes diagnostisches Anzeichen für eine frische Epstein-Barr-Virusinfektion und kann im sogenannten Paul-Bunnell-Test nachgewiesen werden, der aber häufig falsch negativ ist. Im Verlauf der Primärinfektion produziert der Organismus virusspezifische IgM-, IgAund IgG-Antikörper gegen die delayed early- und die Strukturproteine, die in diagnostischen Nachweisverfahren (Immunfluoreszenz- und ELISA-Tests) auch
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unter der Bezeichnung EA (für early antigen) und VCA (für virus capsid antigen) bekannt sind (䉴 Abbildung 19.32). Das Vorhandensein von IgM und IgA ist ein Hinweis auf eine akute Primärinfektion. Die wenig später nachweisbaren IgG-Antikörper gegen frühe Proteine sinken während der folgenden Monate und Jahre ab. IgG gegen die Strukturproteine bleibt aber lebenslang vorhanden. IgA- und IgG-Antikörper gegen die Glycoproteine gp220/350 (MA) sind neutralisierend und schützen vor Neuinfektionen. Mit dem Übergang des Epstein-Barr-Virus in die latente Phase treten Antikörper der IgG-Klasse gegen die EBNA-Proteine auf. Sie sind ein diagnostisches Anzeichen für eine abgelaufene Epstein-Barr-Virusinfektion (䉴 Abbildung 19.32). Bei Patienten mit einer chronisch-aktiven Epstein-BarrVirusinfektion fehlen sie meist. Das weist darauf hin, dass das Virus bei diesen Personen nicht oder nur in geringem Ausmaß in den latenten Zyklus übergeht und EBNA-Proteine deswegen nur in niedrigen Konzentrationen synthetisiert werden. Einen weiteren, wichtigen diagnostischen Wert besitzen IgA-Antikörper, die gegen die frühen, aber auch späten Virusproteine gerichtet sind. Man findet sie stark erhöht bei Patienten mit Nasopharynxkarzinomen, auch wenn sich der Tumor im Frühstadium befindet und die Personen noch keine Beschwerden haben. Da im Frühstadium, noch vor der
19.32 Verlauf der Antikörperbildung bei einer Epstein-Barr-Virusinfektion. Angegeben sind die Antikörper der Klassen IgM, IgG und IgA, die man zu den verschiedenen Zeiten im Verlauf einer Primärinfektion mit dem Epstein-Barr-Virus durch den Immunfluoreszenztest nachweisen kann (EA = early antigen, frühe Virusproteine; EBNA = Epstein-Barr virus nuclear antigen; VCA = virus capsid antigen, Strukturproteine).
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Metastasierung diagnostizierte Nasopharynxkarzinome sehr gut durch Bestrahlung behandelt werden können, sind diese Antikörper auch zur Verlaufsbestimmung von besonderer Wichtigkeit. Ihre Präsenz ist außerdem ein weiterer Anhaltspunkt für die kausale Beteiligung des Epstein-Barr-Virus an der Pathogenese dieser Tumorerkrankung. Bei Personen mit einer frischen oder reaktivierten Infektion kann man außerdem mit der Polymerasekettenreaktion quantitativ Virusgenome in den B-Zellen des peripheren Blutes oder in freien Viruspartikeln im Blut nachweisen. Auf die Bedeutung der cytotoxischen T-Zellen für die Kontrolle der Virussynthese im Rahmen der Primärinfektion wurde bereits im vorhergehenden Abschnitt hingewiesen. Wichtig scheinen hierbei vor allem T-Lymphocyten zu sein, die Epitope der immediate early-Proteine erkennen und so die infizierten Zellen aus dem Organismus eliminieren, bevor sie Nachkommenviren bilden und diese freisetzen. Die T-Zellantwort gegen die latenten Virusproteine verhindert hingegen vor allem die unkontrollierte Proliferation latent infizierter BLymphocyten.
Therapie und Prophylaxe Obwohl Aciclovir die Virusreplikation in vitro sehr gut hemmt, hat sein Einsatz keinen signifikanten Einfluss auf den klinischen Verlauf der infektiösen Mononucleose und des XLP-Syndroms. Bei schwer erkrankten immunsupprimierten beziehungsweise bei PTLD-Patienten wird aber sowohl Acyclovir, Gancyclovir als auch Cidofovir therapeutisch angewandt, unter möglichst weitgehender Erniedrigung der Immunsuppression. Die Therapie beschränkt sich daher vor allem auf die durch die Epstein-Barr-Virusinfektion hervorgerufenen Tumorerkrankungen. In der Frühphase diagnostizierte Nasopharynxkarzinome (auf die Wichtigkeit der IgAAntikörper für die Früherkennung wurde schon hingewiesen) können durch lokale Bestrahlung oder chirurgische Maßnahmen sehr gut behandelt werden. Mit zunehmender Metastasierung sinken allerdings die Behandlungschancen. Burkitt-Lymphome lassen sich durch Chemotherapie gut behandeln. Impfstoffe gegen das Epstein-Barr-Virus sind noch nicht verfügbar.
Das humane Herpesvirus 8 Epidemiologie und Übertragung Im Herbst 1994 beschrieben Yuan Chang und Mitarbeiter ein bisher unbekanntes Herpesvirus in Geweben von Kaposi-Sarkomen, die AIDS-Patienten im Verlauf der Erkrankung entwickelt hatten. Inzwischen ist bekannt,
dass das DNA-Genom dieses humanen Herpesvirus Typ 8 etwa 135 000 Basen doppelsträngiger DNA umfasst. Hinsichtlich der Organisation gleicht es den Genomen des Herpesvirus saimiri und des Epstein-Barr-Virus. Aufgrund von phylogenetischen Sequenzähnlichkeiten ordnete man das humane Herpesvirus 8 in das Genus Rhadinovirus in der Unterfamilie der γ-Herpesviren ein. Das Virus ist in allen Formen von Kaposi-Sarkomen vorhanden, also auch in Tumoren von Patienten, die nicht gleichzeitig eine Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus aufweisen. Das humane Herpesvirus 8 ist an zwei weiteren Erkrankungen kausal beteiligt: Dem primären Effusionslymphomen (PEL), die auch unter dem Begriff primary body cavity-based lymphoma bekannt sind, und der HIV-assoziierten Variante der multizentrischen Castleman-Erkrankung, einem hyperplastischen lymphoproliferativen B-Zelllymphom. Diagnostische Tests zum Nachweis von Antikörpern gegen virale Proteine und von Virusgenomen zeigten, dass die Bevölkerung der USA, West-, Nord- und Mitteleuropas kaum mit dem humanen Herpesvirus 8 infiziert ist. Durchschnittlich kann man – unter Berücksichtigung von regionalen Unterschieden – bei etwa drei bis zehn Prozent der untersuchten Personen virusspezifische Antikörper nachweisen. Eine ähnliche Situation gilt vermutlich für Südamerika und Asien. Deutlich höher ist die Prävalenz in den Ländern des Mittelmeerraums (vier bis 35 Prozent mit deutlichen regionalen Unterschieden) und in Afrika (30 bis 60 Prozent). Länder und Regionen mit einer hohen Durchseuchung der Bevölkerung zeigen auch ein vermehrtes Auftreten der klassischen Form des Kaposi-Sarkoms. Ein erhöhtes Risiko für die Infektion mit dem humanen Herpesvirus 8 haben auch homosexuelle Männer in den USA und Mitteleuropa: Bei 20 bis 40 Prozent können virusspezifische Antikörper im Blut nachgewiesen werden. Diejenigen, die sowohl mit dem humanen Herpesvirus 8 als auch mit HIV infiziert sind, entwickeln in 50 Prozent der Fälle in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren ein Kaposi-Sarkom – deshalb kann die HIV-Infektion als ein wichtiger Cofaktor für die Entstehung dieser Tumorerkrankung angesehen werden. Das Virus konnte man bei infizierten Personen in niedrigen Konzentrationen in der Samenflüssigkeit und im Speichel nachweisen. Epidemiologische Untersuchungen in den Hochendemiegebieten Afrikas zeigten, dass hier die Kinder ab einem Alter von zwei Jahren mit dem humanen Herpesvirus 8 infiziert werden. Die Übertragung scheint in diesen Fällen durch den engen Kontakt der Familienmitglieder bei allgemein schlechten Hygiene- und Lebensstandards zu erfolgen. In den anderen Regionen sind vor allem bestimmte Risikogruppen (homosexuelle und HIV-infizierte Männer) in
19.5 Herpesviren
der Bevölkerung mit dem humanen Herpesvirus 8 infiziert. Das Virus kann in seltenen Fällen bei Knochenmark- und Organtransplantationen weitergegeben werden.
Klinik Ob das humane Herpesvirus 8 im Verlauf der Primärinfektion eine Erkrankung verursacht, ist unklar. Man konnte in einigen Fällen zeigen, dass mit der Primärinfektion eine Vermehrung der Plasmazellen im Blut, Knochenmark und verschiedenen Geweben (Plasmocytose) verbunden ist. Alle epidemiologischen Daten sprechen dafür, dass das Virus kausal für die Entwicklung des Kaposi-Sarkoms verantwortlich ist. Dabei können die klassische Form des Kaposi-Sarkoms, das endemisch vor allem in Afrika und im Mittelmeerraum auftritt, von den epidemischen Formen unterschieden werden, die man vor allem bei HIV-infizierten Personen findet. Die Länge der Inkubationszeit ist unklar. Personen, die zugleich mit HIV-1 und dem humanen Herpesvirus 8 infiziert sind, entwickeln in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren Kaposi-Sarkome. Daneben konnte man dieses Herpesvirus in primären Effusionslymphomen (primary body cavity-based lymphoma) – Tumoren, die bei Patienten in der Spätphase der AIDS-Erkrankung auftreten – und bei Patienten nachweisen, die an der multizentrischen Castleman-Krankheit leiden. Letztere ist eine multizentrische, angiogene, follikuläre Hyperplasie der Lymphknoten, bei der das Kaposi-Sarkom mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auftritt.
Pathogenese Das humane Herpesvirus 8 gelangt vermutlich über den Kontakt mit den Schleimhäuten in den Organismus. Welche Zellen es in der Frühphase der Infektion befällt, ist bisher kaum untersucht. Man kann geringe Virusmengen im Sperma und im Gewebe von Speicheldrüsen nachweisen. Das im Speichel vorhandene Virus stammt aber vermutlich auch aus B-Lymphocyten, die aus den Tonsillen abgegeben werden, und aus dem Lymphgewebe der Submucosa. In vitro vermehrt sich das Virus in primären Keratinocyten. Das Kaposi-Sarkom selbst entwickelt sich aus den vasculären Endothelzellen, von denen die Spindelzellen mit dem humanen Herpesvirus 8 infiziert sind. An den Transformationsvorgängen sind vermutlich einige der latenten Virusproteine beteiligt. Ihre Funktion ist in 䉴 Abschnitt 19.5.5 beschrieben. Zudem tragen, ähnlich wie beim Cytomegalovirus, einige der viralen Genprodukte mit Homologie zu zellulären Wachtumsfaktoren und Wachstumfaktorrezeptoren sowie die antiapoptotisch wirkenden Proteine dazu
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bei, dass das Virus der Kontrolle durch die Abwehrreaktionen des Organismus entgeht.
Immunreaktion und Diagnose IgG-Antikörper gegen das latente nucleäre Antigen LANA können in Seren von Personen, die mit dem humanen Herpesvirus 8 infiziert sind, mittels Immunfluoreszenztests nachgewiesen werden. Hier setzt man mit Phorbolestern induzierte Zelllinien aus primären Effusionslymphomen als Antigen ein. Des Weiteren existieren zum Antikörpernachweis Western-Blot- und ELISA-Tests, in denen man gereinigte Viren oder gentechnisch produzierte Capsid- und Membranproteine als Antigen verwendet. Nur bei etwa zehn bis 20 Prozent der mit dem humanen Herpesvirus 8 infizierten Personen, findet man Virus-DNA in den mononucleären Zellen des peripheren Blutes. Der Prozentsatz in den Blutzellen mit der Polymerasekettenreaktion nachgewiesener viraler DNA, steigt mit der Ausbildung und dem Fortschreiten der mit der Infektionen verbundenen Symptomatik. Trotzdem ist der Nachweis der Virusgenome im Blut nicht immer zuverlässig. Regelmäßig ist Virus-DNA nur in den Tumorzellen selbst nachweisbar.
Therapie und Prophylaxe Bis heute gibt es weder Behandlungsmöglichkeiten noch eine Impfung, die vor der Infektion mit dem humanen Herpesvirus 8 schützen. In vitro können die produktive Virusvermehrung mit Ganciclovir, Cidofovir und Phosphonoessigsäure gehemmt werden, die latente Infektion bleibt davon jedoch unbeeinflusst. Es gibt bisher keine klinischen Studien zur Beantwortung der Frage, ob diese antiviralen Substanzen den Krankheitsverlauf beeinflussen können.
19.5.8 Tierpathogene Herpesviren Tierpathogene Herpesviren gibt es in allen Unterfamilien der Herpesviren. Veterinärmedizinisch wichtige Vertreter findet man vor allem bei den α-Herpesviren: die bovinen Herpesviren Typ 1 und 2, die equinen Herpesviren Typ 1 und 4, das porcine Herpesvirus Typ 1 sowie die felinen und caninen Herpesviren. Das bovine Herpesvirus Typ 3 ist hingegen ein Vertreter der γ-Herpesviren, es verursacht eine schwere Krankheit beim Rind, nämlich das bösartige Katarrhalfieber. Nur wenige Cytomegaloviren der Tiere (als Vertreter der β-Herpesviren) sind beschrieben. Sie gelten als apa-
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¡ Infektionen mit dem Koi-Herpesvirus (CyHV-3) verursachen schwere Schäden in der Fischzucht In den 1990er Jahren trat erstmals ein Herpesvirus bei Koikarpfen auf, das bei diesen Fischen Seuchenzüge mit einer hohen Mortalität verursachte. Es wurde bald deutlich, dass auch Nutzkarpfen für dieses Virus empfänglich sind und ebenfalls schwer erkranken können. Als Erreger dieser Erkrankung wurde das cyprinide Herpesvirus 3 (CyHV-3) oder auch Koi-Herpesvirus identifiziert, das der Gattung Ictalurivirus zugeordnet wird. Wie alle Herpesviren induziert es eine latente Infektion. Das Temperaturoptimum, bei dem sich das Koi-Herpesvirus vermehrt, liegt bei 22 bis 26°C. Nach Aufnahme des Virus über Kiemen, Haut und Darm kommt es im Karpfen zur systemischen Ausbreitung. Hauptsymptome sind Lethargie und gelegentlich Orientierungslosigkeit der Fische, Hautläsionen, Exophthalmus und Atemnot. Pathologisch-anatomisch stehen Nephritiden, Nekrosen der Kiemen und petechiale Blutungen in den inneren Organen im Vordergrund. Die Epidemiologie des Koi-Herpesvirus ist nicht vollständig aufgeklärt. Es ist heute praktisch weltweit verbrei-
thogen, wie das porcine Cytomegalovirus, und sind in aller Regel wenig bearbeitet. Eine Ausnahme bildet das murine Cytomegalovirus. In diesem System wurden grundlegende Befunde zur Immunität gegenüber Cytomegaloviren erhoben.
Das bovine Herpesvirus Typ 1 Epidemiologie und Übertragung Das bovine Herpesvirus Typ 1 (BHV-1) verursacht in Rindern verschiedene Krankheitsbilder. Unter dem Begriff infektiöse bovine Rhinotracheitis (IBR) ist eine hochakute respiratorische Erkrankung vor allem von Jungtieren bekannt. Außerdem sind mit den Infektionen Schleimhauterkrankungen der Genitalien beschrieben, die häufig mit Fruchtbarkeitsstörungen verbunden sind und unter der Bezeichnung infektiöse pustulöse Vulvovaginitis (IPV) oder infektiöse Balanoposthitis (IBP) beschrieben sind. Diese Manifestationen werden von Subtypen des bovinen Herpesvirus Typ 1 verursacht, die sich nur durch molekularbiologische Methoden differenzieren lassen. Das Virus wird vor allem durch direkte Tierkontakte übertragen. Die Infektion breitet sich in einer empfänglichen Herde ausgehend von einem IBR-kranken Tier schnell aus: Innerhalb weniger Tage ist die gesamte
tet und infiziert nicht nur Karpfen, sondern auch zahlreiche andere Fischarten (sowohl karpfenähnliche Fische als auch andere Fische). Es gibt sogar Hinweise, dass auch Mollusken (Schnecken) befallen werden können. Daher ist eine Bekämpfung des Virus in Naturteichen nahezu unmöglich. Da der Virusnachweis routinemäßig nur durch Einsatz der Polymerasekettenreaktion, nicht aber durch eine serologische Diagnostik durchgeführt werden kann, wird die Bekämpfung dieser Virusinfektion in den Fischbeständen zusätzlich erschwert. Häufig werden nur einzelne Tiere getestet, die ein negatives Ergebnis zeigen; wenig später findet man dann aber die Symptome eines generellen Ausbruchs im gesamten Fischbestand (Teich). In den Regionen mit einer intensiven Karpfenwirtschaft, wie es beispielsweise in Sachsen und Bayern der Fall ist, stellen Koi-Herpesvirusinfektionen eine wirtschaftlich sehr bedeutsame Tierseuche dar; in Deutschland besteht deshalb Anzeigepflicht.
Herde infiziert. Häufig werden die Erreger durch gesund erscheinende Virusträger, die das bovine Herpesvirus Typ 1 in Intervallen ausscheiden können, in die Herden eingeschleppt. Das Virus induziert eine latente Infektion in den sensorischen Ganglien, beispielsweise im Trigeminusganglion. Von hier kann es reaktiviert werden und in der Schleimhaut lytisch replizieren. Immunsupprimierende Therapeutika wie Cortison können die Reaktivierung reproduzierbar induzieren. Eine Immunität verhindert nicht die Latenz, sondern lediglich die klinisch manifeste Krankheit. Die genitale Manifestation der BHV-1-Infektion ist mit zunehmender Zuchthygiene und dem Aufbau seronegativer Zuchttiere in Deutschland selten geworden. Die Viren können dabei durch den Deckakt übertragen werden. Ebenso kann ein viruspositiver Bulle das Virus mit dem Präputialsekret in die bei der künstlichen Besamung verwendete Samenportion abgeben.
Klinik Die infektiöse bovine Rhinotracheitis ist eine akute systemische Infektion der Rinder, die vornehmlich mit respiratorischen Symptomen einhergeht. Die Erkrankung verläuft häufig subklinisch, kann aber in Einzelfällen eine Morbidität von fast 100 Prozent erreichen. Die Mortalität ist dagegen gering. Die Symptome der IBR
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¡ Das bovine Herpesvirus 2 verursacht bei Rindern eine Mammilitis Das bovine Herpesvirus 2 (Mammilitis-Virus) spielt nur eine geringe Rolle als Pathogen des Rindes. Es kann eine ulcerative Dermatitis der Zitzen, des Euters und eine generalisierte Dermatitis, die unter dem Namen Pseudo-LumpyskinDisease (䉴 Abschnitt 19.6.6) bekannt ist, verursachen. Die
sind Fieber, Anorexie, ausgeprägte respiratorische Dyspnoe mit Brustatmung, starke Salivation und Husten. Nicht durch Sekundärinfektionen komplizierte Fälle heilen nach fünf bis zehn Tagen vollständig ab. Ein infiziertes Tier ist lebenslang Virusträger. Die genitalen Manifestationen, die infektiöse pustulöse Vulvovaginitis (IPV) beziehungsweise die infektiöse Balanoposthitis (IBP), resultieren ebenfalls aus einer systemischen Infektion. Auch hier stehen Fieber und Anorexie im Vordergrund. Die Schleimhautläsionen sind schmerzhaft; dies macht sich durch eine abnorme Schwanzhaltung bemerkbar. Die Schleimhaut ist von Pusteln übersät und hochgradig gerötet. Infizierte Bullen verweigern den Sprung. In nicht komplizierten Fällen ist auch hier mit einer vollständigen Heilung nach etwa zwei Wochen zu rechnen.
Pathogenese Die Übertragung des Virus erfolgt bei der Primärinfektion durch den Deckakt beziehungsweise – im Fall der infektiösen bovinen Rhinotracheitis – durch Tröpfcheninfektion. Nach initialer Vermehrung in den Fibroblasten der Schleimhäute infizieren die Viren die BLymphocyten und werden durch sie im Körper verteilt. Das wichtigste pathogenetische Ereignis im Rahmen der Primärinfektion ist die Infektion des Nervus trigeminus beziehungsweise Nervus ischiaticus und der sensorischen Ganglien. Hier etabliert sich die Viruslatenz, während der die Virusproteinsynthese und die virale DNA-Replikation abgeschaltet sind. Das Virusgenom liegt jedoch episomal im Zellkern vor. Regelmäßig sind nur die LATRNAs nachweisbar (䉴 Abschnitt 19.5.4). Möglicherweise blockieren sie die Transkription früherer Gene. Durch äußere Reize (Stress) kann die Latenz durchbrochen werden, das Virus geht wieder in den lytischen Vermehrungszyklus über und es entwickeln sich Rezidive. Dabei wird die ursprünglich latent infizierte Ganglienzelle zerstört, die Nachbarzellen aber infiziert. Das Virus gelangt über die Nervenbahnen zur Schleimhaut, repliziert sich hier lytisch und wird ausgeschieden.
Übertragung erfolgt vornehmlich durch Fliegen (Musca spp.). Das Virus ist wenig kontagiös. Die Diagnose lässt sich durch Virusisolierung in primären Zelllinien leicht stellen. Die Tiere entwickeln eine Immunität, eine Vakzine ist jedoch nicht erhältlich.
Immunreaktion und Diagnose Die Immunität gegen tierpathogene Herpesviren ist generell wenig dauerhaft und belastbar. Daher sind Reinfektionen auch nach natürlicher Infektion die Regel. Man geht von einer Immunitätsdauer von etwa einem Jahr oder weniger aus. Durch die Immunität wird die Ausbildung klinischer Symptome verhindert, nicht jedoch die Viruslatenz. Die Diagnose an klinisch kranken Tieren bereitet keine Schwierigkeiten, die Virusisolierung ist aus Nasenbeziehungsweise Vaginaltupfern leicht möglich. Alternativ kann die Polymerasekettenreaktion zum Nachweis der Virus-DNA eingesetzt werden. Serologisch kann die Infektion durch den Nachweis von Antikörpern im Serum oder in der Milch bestätigt werden. Dabei werden routinemäßig ELISA-Tests eingesetzt, die gereinigtes Virus oder die Oberflächenproteine gB und gE als Antigen enthalten. Der gB-ELISA gilt zurzeit als der sensitivste Test. Außerdem können in den Seren infizierter Tiere neutralisierende Antikörper als Hinweis auf die Immunität der Tiere nachgewiesen werden. Die Überwachung virusfreier Herden erfolgt in der Regel über Bestandsmilchuntersuchungen unter Verwendung des VollvirusELISA.
Bekämpfung und Prophylaxe Infektionen mit dem bovinen Herpesvirus Typ 1 werden in vielen Ländern Europas bekämpft. Die Schweiz, Dänemark und Teile von Österreich sind virusfrei. In Deutschland verfolgt man die Eradizierung der Erreger ebenfalls sehr intensiv. Die Motivation dabei sind weniger die wirtschaftlichen Verluste, die durch das Krankheitsbild direkt entstehen, sondern vielmehr die Handelsbeschränkungen, die durch die virusfreien Länder der EU auferlegt sind. In Deutschland werden dabei zwei Strategien verfolgt: In Bayern testet man alle Rinder hinsichtlich des Vorhandenseins von Antikörpern als Hinweis auf eine zurückliegende BHV-1-Infektion und separiert beziehungsweise entfernt die seropositiven
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Tiere. Dies ist in geringgradig verseuchten Betrieben möglich. Sind viele Tiere eines Bestandes infiziert, werden alle seropositiven Rinder geimpft, um durch die induzierte Steigerung der Immunität die Virusreaktivierung und Virusausscheidung zu unterdrücken. Die geimpften Tiere werden dann nach und nach aus dem Bestand entfernt und die nicht geimpften, seronegativen Tiere ständig überwacht. Diese Strategie hat sich als erfolgreich erwiesen, und die BHV-1-Infektion ist in Bayern praktisch getilgt. In anderen Bundesländern verfolgt man eine andere Strategie: Hier werden in mittelgradig durchseuchten Herden alle Tiere geimpft. Zum Einsatz kommen aber ausschließlich sogenannte Markervakzinen auf der Basis abgetöteter Viren, in denen das Glycoprotein E (gE) deletiert ist. Das Prinzip dieser Markervakzine wurde für den Impfstoff gegen das Virus der Aujeszkyschen Krankheit (porcines Herpesvirus 1, siehe unten) entwickelt und erfolgreich eingesetzt. Es wurde dann auf die Bekämpfung der BHV-1-Infektion übertragen. Durch die Markervakzinen lassen sich geimpfte Tiere von solchen, die mit dem Wildtypvirus infiziert sind, serologisch leicht unterscheiden: BHV-1 infizierte Rinder haben Antikörper gegen gE-Proteine, geimpfte Tiere hingegen nicht. Erschwert wird diese Unterscheidung dadurch, dass das gE-Protein nur wenig immundominant ist. Viele BHV-1 infizierte Rinder bilden nur eine schwache gE-spezifische Antikörperantwort aus. Deshalb können Rinder mit geringen gE-spezifischen Antikörperkonzentrationen in Einzelfällen gE-negativ erscheinen. Kompliziert wird die Situation dadurch, dass nach dem Tierseuchenrecht ein geimpftes gE-negatives Rind als virusfrei eingestuft wird und frei gehandelt werden darf.
Das porcine Herpesvirus 1 (Suid herpesvirus 1) Epidemiologie und Übertragung Das porcine Herpesvirus Typ 1 (SHV-1), auch bekannt als Pseudorabiesvirus, ist der Erreger der Aujeszkyschen Krankheit. Es stellt eine Ausnahme unter den Herpesviren dar, weil es ein breites Wirtsspektrum besitzt. Es infiziert neben dem Hauptwirt Schwein auch Wiederkäuer, Fleischfresser und Nagetiere. Pferde und Menschen sind nicht empfänglich. Als ein typisches α-Herpesvirus etabliert das SHV-1 eine latente Infektion in den Ganglienzellen infizierter Schweine. Diese Schweine sind lebenslang Virusträger und können das Virus reaktivieren. Es wird hauptsächlich mit respiratorischen Sekreten ausgeschieden und übertragen. Ferkel werden meist durch die Muttersauen während der ersten Lebenstage oder intrauterin infiziert. Hunde und Katzen werden vor allem
infiziert, wenn sie mit rohem Fleisch von Schweinen gefüttert werden, die mit dem porcinen Herpesvirus infiziert sind. Ebenso wie infizierte Rinder erkranken Hunde und Katzen sehr schnell und schwer, sodass sie in der Regel für eine Verschleppung des Virus nicht infrage kommen. Infizierte Nagetiere dagegen können das Virus von Hof zu Hof tragen. Nach dem Tierseuchenrecht ist daher im Seuchenfall auch eine Entwesung des betroffenen Bestandes vorgeschrieben. Aufgrund der rigorosen Bekämpfung der SHV-1-Infektion ist die Aujeszkysche Krankheit in Westeuropa sehr selten geworden.
Klinik Die mit der SHV-1-Infektion einhergehende klinische Symptomatik ist stark vom Alter der Schweine abhängig. In adulten Schweinen findet man eine subklinische Form der Infektion oder nur milde Symptome. Tragende Sauen verwerfen jedoch in der Mehrzahl der Fälle. Junge Saugferkel erkranken dagegen schwer mit zentralnervösen Symptomen. Sie zittern, krampfen und verenden innerhalb weniger Stunden nach dem Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen. Werden Läuferschweine im Alter von acht bis 20 Wochen infiziert, zeigen sie vornehmlich transiente respiratorische Symptome. In Rindern findet man hingegen schwere zentralnervöse Krankheitsbilder, die der ungarischen Tierarzt Aladar Aujeszky erstmals 1902 beschrieb, nach ihm wurde die Krankheit benannt. Auch Fleischfresser (Hunde und Katzen) entwickeln ein schweres, ausnahmslos tödlich verlaufendes Krankheitsbild, das als Pseudowut von der Tollwut (䉴 Abschnitt 15.1.5) praktisch nicht zu unterscheiden ist.
Pathogenese Das Virus infiziert zuerst Zellen des lymphoreticulären Gewebes, meist der Tonsillen und des Waldeyerschen Rachenringes an der Eintrittsstelle. Von hier gelangt das Virus über die Nervenleitbahnen in die Ganglien und verbreitet sich im zentralen Nervensystem. Hier verursacht es die Schäden, die sich in der ausgeprägten klinischen Symptomatik widerspiegeln. In den Ganglien etabliert das Virus die latente Infektion. Überleben Schweine die Infektion, dann sind sie lebenslang Virusträger und scheiden häufig auch kontinuierlich Viren aus.
Immunreaktion und Diagnose Die Immunität gegen Herpesviren ist nicht ausgeprägt, SHV-1 bildet hier keine Ausnahme. Die Lebenszeit von Mastschweinen in Deutschland beträgt etwa sieben
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Monate, sodass die Immunitätsdauer für die meisten Schweine jedoch von untergeordneter Rolle ist. Die Diagnose der SHV-Infektion ist durch die klinische Diagnose am Tier und durch den Seuchenverlauf im Bestand meist sehr einfach, sie kann durch den serologischen Nachweis von virusspezifischen Antikörpern oder den Nachweis des Virus oder der Virusproteine im Serum leicht bestätigt werden. Außerdem bietet sich der Einsatz der Polymerasekettenreaktion zum Nachweis der Virus-DNA an.
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pesvirus-Encephalomyelitis (EHM) als ein schweres Krankheitsbild beschrieben. Neuere Untersuchungen haben in aus erkrankten Pferden isolierten EHV-1Stämmen eine spezifische Mutation (N752) in der viralen DNA-abhängigen DNA-Polymerase gezeigt, die bei fast 90 Prozent der EHM-Fälle zu finden ist. Dieser Geno- beziehungsweise der sich daraus ergebende pathologische Phänotyp ist offenbar für die Manifestation des EHM verantwortlich. Bezüglich der Fähigkeit der equinen Herpesviren Typ 1 einen Abort auszulösen, ist diese Mutation aber offensichtlich ohne Bedeutung.
Bekämpfung und Prophylaxe Die Aujeszkysche Krankheit ist anzeigepflichtig. Im Falle des Nachweises eines SHV-1 positiven Schweines wird der gesamte Bestand gekeult. Die Aujeszkysche Krankheit wurde in Westeuropa und auch in Deutschland sehr erfolgreich bekämpft. Die Strategie war dabei ähnlich derjenigen, die man zur Bekämpfung der BHV-1 Infektion einsetzt: Im Vordergrund stand die Eradizierung positiver Schweine und die Verwendung markierter Impfstoffe, bei denen das Gen für das virale gE-Protein deletiert ist (gE/Minus-Impfstoffe). Wegen der im Vergleich zu Rindern weitaus geringeren Generationszeit der Schweine waren positive Betriebe dadurch innerhalb weniger Jahre vollständig saniert. Deutschland ist heute SHV-1-frei. Dieser Status wird durch stichprobenhafte Blutuntersuchungen auf das Vorhandensein virusspezifischer Antikörper kontrolliert.
Die equinen Herpesviren Typ 1 und 4 (EHV-1 und EHV-4) Epidemiologie und Übertragung Die equinen Herpesviren Typ 1 und 4 verursachen latente Infektionen ausschließlich in Pferden. Sie sind einander sehr ähnlich, lassen sich aber serologisch und molekularbiologisch klar voneinander abgrenzen. Das equine Herpesvirus Typ 1 (EHV-1) verursacht den Virusabort der Stute, das equine Herpesvirus Typ 4 (EHV-4) die Rhinopneumonitis. Da aber EHV-1 in Fohlen und Jährlingen ebenfalls respiratorische Infektionen verursachen kann und EHV-4 auch aus abortierten Fohlen isoliert wurde, scheint es sinnvoll, beide Viren bei beiden Manifestationen zu berücksichtigen. Sie werden über respiratorische Sekrete sowie über abortierte Fohlen und Nachgeburten ausgeschieden. Bei Reaktivierungen aus der Latenz können sich die Viren schnell in einem Bestand verbreiten und zu großen Problemen (abortion storms) bei tragenden Stuten führen. Neben den klassischen klinischen Manifestationen des Abort und der respiratorischen Symptome, ist die equine Her-
Klinik Die durch Infektionen mit beiden equinen Herpesviren hervorgerufenen Aborte treten meist ab dem siebten bis achten Trächtigkeitsmonat auf, also in der Spätphase der beim Pferd etwa elf Monate dauernden Tragzeit. Die Fohlen werden tot geboren und weisen Anzeichen einer generalisierten Infektion mit Nekrosen in allen Organen auf. Infektionen mit dem equinen Herpesvirus Typ 4 verlaufen jedoch in der Regel mild oder subklinisch. Betroffene Tiere entwickeln akute respiratorische Symptome, die nach wenigen Tagen verschwinden. Beide Viren können in seltenen Fällen allerdings ein encephalitisches Krankheitsbild verursachen.
Pathogenese Das Virus verursacht nach Replikation im Lymphgewebe des Nasen-Rachenraums eine zellassoziierte Virämie und infiziert die Endothelzellen der Blutgefäße im Zentralnervensystem (ZNS) und im Uterus. Infolge der Schädigung der Endothelien kommt es im ZNS zu Hypoxie (Sauerstoffmangel) und Funktionsstörungen. Anders als beispielsweise bei den Infektionen mit BHV1 oder SHV-1 vermehren sich die equinen Herpesviren also nicht lytisch in den Neuronen, sondern die irreversible Schädigung der Neuronen wird durch die Sauerstoffunterversorgung verursacht. Der gleiche pathogenetische Mechanismus kann im graviden Uterus ein Ablösen der Plazenta mit nachfolgendem Abort induzieren. Das Virus kann weiterhin transplacentar auf den Fetus übertragen werden, und ihn irreversibel schädigen. Diese fetalen Infektionen sind die Ursache für die typischen Spätaborte im letzten Drittel der Trächtigkeit.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose ist durch Virusisolierung aus Nasentupfern beziehungsweise aus fetalem Gewebe leicht möglich. Alternativ kann in diesem Material der Nachweis
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¡ Das feline Herpesvirus ist ein möglicher Auslöser des Katzenschnupfens Das feline Herpesvirus 1 ist zusammen mit dem felinen Calicivirus (䉴 Abschnitt 14.6.6) und Chlamydien ein Verursacher des Symptomkomplexes „Katzenschnupfen“. Der Anteil der Infektionen mit dem felinen Herpesvirus an diesem Erkrankungsbild wird auf zehn bis 50 Prozent geschätzt. In jungen Katzen manifestiert sich die Infektion im oberen Respirationstrakt mit Rhinitis und Konjunktivitis. In adulten Katzen findet man überwiegend mild verlaufende oder subklinische Infektionen; selten werden Aborte beschrieben, jedoch ohne dass bisher Viren aus den
von Virus-DNA versucht werden. Serologisch ist der Nachweis virusspezifischer Antikörper möglich. Ein ELISA, der Antikörper gegen EHV-1 bzw. EHV-4 differenzieren kann, ist verfügbar. Die Immunreaktion ist außerordentlich schlecht. Der Schutz nach einer natürlichen Infektion ist nur von kurzer Dauer.
Bekämpfung und Prophylaxe Die verfügbaren Vakzinen – attenuierte Lebendvakzinenen oder inaktivierte Vakzinen – sind wenig effizient, daher werden Revakzinierungen in regelmäßigen Abständen von vier oder sechs Monaten empfohlen.
Das canine Herpesvirus Typ 1
Embryonen oder Fruchthüllen isoliert werden konnten. In der Folge kommt es auch hier bei den Tieren zur Etablierung der Latenz in den Trigeminusganglien. Fast alle Katzen besitzen Antikörper gegen das Virus als Folge einer durchgemachten Infektion oder Impfung. Das Virus lässt sich leicht aus Nasen- oder Rachentupfern isolieren oder durch Polymerasekettenreaktion nachweisen. Eine Impfung mit attenuierten Lebendvakzinen oder Totimpfstoffen ist möglich. Wie bei allen Herpesvirusinfektionen ist sie jedoch von eingeschränktem Wert.
Pathogenese Im Welpen vermehrt sich das canine Herpesvirus 1 in praktisch allen Organen. Auffällig sind die typischen intranucleären Einschlusskörperchen in den infizierten Zellen. Die caninen Herpesviren haben für die Replikation ein Temperaturoptimum bei 33 bis 35°C. Die Körpertemperatur des Hundes beträgt normalerweise etwa 38°C, liegt also deutlich darüber. Die Wärmeregulation der Welpen ist erst im Alter von vier Wochen so effektiv, dass sie ihre Körpertemperatur sicher halten können. Vorher und auch unter schlechten Haltungsbedingungen können sie in eine Hypothermie verfallen, welche die Virusvermehrung in allen Organen begünstigt. Das Virus etabliert nach der Primärinfektion die Latenz in den sensorischen Ganglien.
Epidemiologie und Übertragung Das canine Herpesvirus Typ 1 kann in jungen Hundewelpen eine tödlich verlaufende Krankheit induzieren. Die Welpen infizieren sich bei der Geburt über virushaltige Sekrete im Geburtskanal oder in den ersten Lebenstagen.
Klinik Bei Welpen stehen als klinische Manifestationen der Husten und weitere respiratorische Symptome im Vordergrund. Sie sind mit einer hohen Mortalität verbunden (Welpensterben). In erwachsenen Hunden verursacht die Infektion eine Vaginitis beziehungsweise eine Balanoposthitis, die aber in der Regel nicht diagnostiziert werden. Nur gelegentlich treten respiratorische Symptome auf. Deswegen wird auch das canine Herpesvirus als ein möglicher Verursacher des Symptomkomplexes „Zwingerhusten“ diskutiert.
Immunreaktion und Diagnose Im Infektionsverlauf bilden die Tiere virusspezifische Antikörper. Virusreaktivierungen aus der Latenz sind möglich, die Antikörper scheinen jedoch die Häufigkeit und das Ausmaß der Reaktivierungen zu senken. Das Virus kann aus den erkrankten Tieren isoliert werden und lässt sich bei 35 °C in nahezu allen Hundezelllinien anzüchten. Der Nachweis der Virus-DNA ist durch die Polymerasekettenreaktion möglich. Der serologische Antikörpernachweis ist aufgrund der Verbreitung des Virus von begrenzter Aussagekraft.
Bekämpfung und Prophylaxe Eine Vakzine oder eine Therapie ist nicht verfügbar.
19.5 Herpesviren
Das galline Herpesvirus Typ 2 Epidemiologie und Übertragung Die durch das galline Herpesvirus Typ 2 verursachte Mareksche Krankheit des Geflügels (Mareksche Geflügellähme) ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Vor Einführung der Impfung hat sie zu enormen wirtschaftlichen Schäden in Geflügelfarmen geführt. Daneben hat das onkogene Potenzial dieses Herpesvirus dazu beigetragen, dass diese Infektion intensiv erforscht wird und viele molekularbiologische Details über die Pathogenese bekannt sind. Das Virus persistiert in den Federfollikeln und wird hierüber ausgeschieden. Die Infektion der Herden erfolgt in der Regel durch Inhalation von virushaltigem Federstaub. Subklinische Infektionen sind häufig, daher spielen gesunde Virusausscheider bei der Übertragung der Infektion eine wichtige epidemiologische Rolle.
Klinik Das galline Herpesvirus 2 kann verschiedene Krankheitsbilder verursachen: Die klassische Mareksche Erkrankung zeigt sich als eine Paralyse (Lähmung) der Ständer (Hühnerbeine) und Flügel. Dies ist auf eine Störung der diese Bereiche innervierenden Nerven zurückzuführen. Morphologisch erscheint hierbei der Nervus ischiadicus stark umfangsvermehrt. Hiervon unterscheidet man die akute Mareksche Erkrankung, bei der es noch vor der Ausbildung neurologischer Symptome zu Todesfällen kommt. Des Weiteren findet man in Verbindung mit den Infektionen auch die okuläre und die cutane Mareksche Krankheit mit charakteristischen Ver-
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änderungen an den Augen (Depigmentierung der Iris, gray eye) und auf der Haut (leukocyteninfiltrierte Federfollikel, skin leukosis).
Pathogenese Das galline Herpesvirus Typ 2 infiziert die T-Lymphocyten der Vögel. Diese verbreiten die Viren im Organismus und werden durch die Virusinfektion immortalisiert, transformiert und funktionell verändert. Sie enthalten die Virusgenome integriert in die DNA der Wirtszellchromosomen. Das Virus ist extrem zellgebunden. Freie Partikel können praktisch nicht isoliert werden, nur in den Federkielen und Federfollikeln kommen sie in kleinen Mengen vor. Bestimmte Hühnerlinien scheinen über eine genetische Resistenz gegenüber der Infektion zu verfügen, die möglicherweise mit dem B21-Alloantigen verbunden ist. In den Genomen einiger Isolate des gallinen Herpesvirus fand man Sequenzen, die den v-onc-Genen aus Hühnerretroviren beziehungsweise den dazu korrespondierenden zellulären Onkogenen ähneln (䉴 Abschnitt 18.1.6). Dies könnte das onkogene Potenzial des Virus erklären. Hierbei entwickeln die Tiere multiple lymphatische Tumoren in nahezu allen Organen, vor allem aber Verdickungen der peripheren Nerven aufgrund von Metaplasien der lymphoblastoiden Zellen (div. Plexus, N. ischiadicus).
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose erfolgt in der Regel klinisch aufgrund der charakteristischen Läsionen.
q Herpesviren des Geflügels Herpesviren verursachen beim Geflügel, vor allem bei Hühnern und Enten, große wirtschaftliche Verluste. Im Wesentlichen finden sich auch bei den Geflügelherpesviren die klassischen Eigenschaften wie Latenz und Reaktivierung, die man von allen Herpesviren kennt. Das galline Herpesvirus Typ 1 ist der Erreger der infektiösen Laryngotracheitis, die weltweit verbreitet ist und in infizierten Hühnern schwere Erkrankungen mit einer Morbidität von 100 Prozent und einer Mortalität von 20 bis 70 Prozent verursachen kann. Das klinische Bild ist von einer massiven Dyspnoe (Atemnot) geprägt, die auf einer diphtheroiden Entzündung der Schleimhäute des Nasopharynx beruht. Die Diagnose ist mittels Immunfluoreszenz oder Virusisolierung
aus erkrankten Hühnern leicht möglich. Das Virus breitet sich in der Herde schnell aus. Eine Impfung mit attenuierten Lebendvakzinen ist möglich, ein rigoroses Stallmanagement (all-in-all-out) aber sinnvoller. Die Entenpest ist eine akute Infektion des Wassergeflügels (Enten, Gänse, Schwäne und andere), die durch das Entenherpesvirus verursacht wird und mit einer Mortalität von bis zu 100 Prozent einhergehen kann. Eine hämorrhagische Enteritis sowie Hämorrhagien in allen Körperhöhlen charakterisieren das klinische Bild. Die Einschleppung erfolgt über Zugvögel, die das Virus mit dem Kot ausscheiden. Das Virus persistiert in überlebenden Vögeln und ist weltweit verbreitet.
19
19
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Bekämpfung und Prophylaxe Mehrere avirulente Impfstämme sind verfügbar, in der Regel wird jedoch das sehr nahe verwandte, aber vom gallinen Herpesvirus unterscheidbare Herpesvirus der Pute als Vakzinevirus gewählt.
19.5.9 Weiterführende Literatur Ablashi, D. V.; Berneman, Z. N.; Kramarsky, B.; Whitman Jr., J.; Asano, Y.; Pearson, G. R. Human herpesvirus-7 (HHV-7): current status. In: Clinical and Diagnostic Virology 4 (1995) S. 1–13. Akkapaiboon, P.; Mori, Y.; Sadaoka, T.; Yonemoto, S.; Yamanishi, K. Intracellular processing of human herpesvirus 6 glycoproteins Q1 and Q2 into tetrameric complexes expressed on the viral envelope. In: J. Virol. 78 (2004) S. 7969–7983. Alcami, A.; Koszinowski, U. H. Viral mechanisms of immune evasion. In: Mol. Med. Today 9 (2000) S. 365–372. Alcami, A.; Koszinowski, U. H. Viral mechanisms of immune evasion. In: Trends in Microbiol. 8 (2000) S. 410–418. Ansari, M. Q.; Dawson, D. B.; Nador, R.; Rutherford, C.; Schneider, N. R.; Latimer, M. J; Picker, L.; Knowles, D. M.; McKenna, R. W. Primary body cavity-based AIDS-related lymphomas. In: Am. J. Clin. Pathol. 105 (1996) S. 221–229. Arvin, A. M. Varicella-Zoster Virus. In: Clin. Microbiol. Rev. 9 (1996) S. 361–381. Bloom, D. C. HSV LAT and neuronal survival. In: Int. Rev. Immunol. 23 (2004) S. 187–198. Boehmer, P. E.; Lehman, I. R. Herpes simplex virus DNA replication. In: Annu. Rev. Biochem. 66 (1997) S. 347–384. Chang, Y.; Cesarman, E.; Pessin, M. S.; Lee, F.; Culpepper, J.; Knowles, D. M.; Moore, P. S. Identification of herpesviruslike DNA sequences in AIDS-associated Kaposi’s sarcoma. In: Science 226 (1994) S. 1865–1869. Chevillotte, M.; Landwehr, S.; Linta, L.; Frascaroli, G.; Lüske, A.; Buser, C.; Mertens, T.; von Einem, J. Major tegument protein pp65 of human cytomegalovirus is required for the incorporation of pUL69 and pUL97 into the virus particle and for viral growth in macrophages. In: J. Virol. 83 (2009) S. 2480– 2490. Choi, J.-K.; Lee, B.-S.; Shim, S, N.; Li, M.; Jung, J. U. Identification of a novel gene at the rightmost end of Kaposi’s sarcoma-associated herpesvirus genome. In: J. Virol. 74 (2000) S. 436–446. Conrad, N. K. Posttranscriptional gene regulation in Kaposi’s sarcoma-associated herpesvirus. In: Adv. Appl. Microbiol. 68 (2009) S. 241–261. Damania, B.; Choi, J.-K.; Jung, J. U. Signalling activities of g-herpesvirus membrane proteins. In: J. Virol. 74 (2000) S. 1593– 1601. Dufva, M.; Olsson, M.; Rymo, L. Epstein-Barr virus nuclear antigen 5 interacts with HAX-1, a possible component of the Bcell receptor signalling pathway. In: J. Gen. Virol. 82 (2001) S. 1581–1587.
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
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19.6 Pockenviren
wurde 1977 erreicht. 1979 wurde die Pockenerkrankung des Menschen für ausgerottet erklärt, die Impfung wurde eingestellt und ist seitdem nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben. Als Impfvirus wurde das Vacciniavirus verwendet, das ursprünglich auch von Jenner eingesetzt worden war. Als man später eine molekularbiologische Charakterisierung der Vacciniaviren durchführte, zeigte sich, dass diese nicht dem von Jenner vermutlich benutzten Kuhpockenvirus entsprachen. Ihre Herkunft ist unklar. Sie sind weder mit dem Variolavirus noch mit dem Melkerpocken- oder Kuhpockenvirus (Orthopox bovis) eng verwandt. Vermutlich handelt es sich beim Vacciniavirus um ein inzwischen ausgestorbenes Tierpockenvirus, das sich im Laufe vieler Passagen zur Produktion des Impfvirus weiter vermehrt hat und dabei selektiert wurde.
19.6.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
Die Familie der Poxviridae umfasst eine große Anzahl verschiedener Viren, die bei Säugetieren, Vögeln und Insekten Infektionen beziehungsweise Erkrankungen verursachen. Pockenviren besitzen einen sehr komplexen Aufbau. Die von dem humanpathogenen Pockenvirus Variola verursachten Infektionen (Variola vera) sind die ältesten bekannten übertragbaren Erkrankungen des Menschen (䉴 Kapitel 1). Am Beispiel des menschlichen Pockenvirus machte man bereits früh – ohne nähere Kenntnis des Erregers oder der Biologie der Infektion – wichtige Entdeckungen über die Pathogenese von Infektionserkrankungen. Berühmt sind die ersten Impfungen mit einem von der Kuh stammenden Pockenvirus, die Ende des 18. Jahrhunderts von Edward Jenner in England erprobt und dann weltweit eingesetzt wurden. Jenner gab diesem Virus den Namen Vacciniavirus. In China wurde jedoch bereits in vorchristlicher Zeit die Variolation, das heißt die cutane Inokulation von frischen oder unter bestimmten Bedingungen getrockneten Pockenpusteln, die das humanpathogene Pockenvirus enthielten, zur Vorbeugung der Infektion angewandt. 1958 begann die WHO mit einem weltweiten Impfprogramm. Das Ziel, die Erde vom Variolavirus und der damit verbundenen Erkrankung zu befreien,
Pockenviren werden in zwei Unterfamilien eingeteilt: Die Chordopoxvirinae umfassen die Pockenviren der Wirbeltiere, die Entomopoxvirinae diejenigen der Insekten (䉴 Tabelle 19.20). Die Chordopoxvirinae umfassen acht Genera, deren Vertreter einander hinsichtlich der Morphologie und des Wirtstropismus ähneln. Auch die Nucleoproteine, die sich an die Virus-DNA binden, sind serologisch miteinander verwandt. Die Genome der Viren der unterschiedlichen Genera hybridisieren nicht miteinander. Dem Genus Orthopoxvirus sind das heute ausgerottete Variolavirus, das als Impfvirus verwendete Vacciniavirus und verschiedene tierpathogene Erreger mit zum Teil zoonotischen Potenzial zugeordnet. Ein Teil von ihnen verursacht in ihren Wirten charakteristische Erkrankungen. Wichtige Zoonoseerreger sind die Kuhpockenviren, die eigentlich in Nagetieren verbreitet sind und relativ häufig auf Katzen übertragen werden. Hier können sie Hautläsionen hervorrufen, durch die sich der Mensch infizieren kann. Kuhpockenviren wurden erst kürzlich in Deutschland in mehreren Fällen durch engen Kontakt mit infizierten weißen Farbratten („Schmuseratten“), die als Haustiere gehalten werden, auf Menschen übertragen und verursachten lokalisierte Papeln, Pusteln und Ulzerationen, die meist narbig abheilten und von regionalen Lymphknotenschwellungen und Allgemeinsymptomen begleitet waren. Andere Orthopoxviren oder Capripoxviren verursachen in ihren Wirten systemische Erkrankungen mit einer hohen Morbidität und zum Teil auch einer hohen Mortalität, wie die Affenpocken, die Schaf- und Ziegenpocken oder die Lumpyskin-Disease der Rinder.
19.6 Pockenviren
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q Das Vacciniavirus – heute ein Expressionssystem in der Gentechnologie Die Impfung gegen die Pocken wurde 1979 eingestellt, weil das Risiko, eine seltene Nebenwirkung (postvaccinale Encephalitis) zu entwickeln, größer war als dasjenige, sich mit einem Pockenvirus zu infizieren und zu erkranken. Heute setzt man Vacciniaviren überwiegend als Vektoren zur Expression von Fremdgenen in eukaryotischen Zellen ein. Aufgrund der jahrzehntelangen Verwendung von Vacciniaviren bei der Pockenschutzimpfung hat man viel Erfahrung im Umgang mit diesem Virus als Lebendvakzine. Außerdem sind seine pathobiologischen Eigenschaften sehr gut untersucht. Es gibt deshalb Ansätze, rekombinante Vacciniaviren zur Erzeugung eines immunologischen Schutzes vor bestimmten infektiösen Erregern und auch Tumoren wieder zuzulassen. Hierzu fügt man die genetische Information für ein Protein, von dem bekannt ist, dass es für die Ausbildung einer neutralisierenden Immunantwort wichtig ist (zum Beispiel den Membranproteinkomplex gp120/gp41 des humanen Immundefizienzvirus oder das G-Protein der Tollwut-
Die weltweit verbreiteten Parapoxviren infizieren eine Reihe von Wiederkäuern wie Schafe, Ziegen, Rinder und Wildwiederkäuer, selten findet man sie auch bei anderen Tierarten wie beispielsweise Robben. Auch sie sind als Erreger von Zoonosen bekannt und können wie beispielsweise das Orfvirus, das zusammen mit anderen Poxviren auch die Melkerknoten hervorruft, beim Menschen Erkrankungen verursachen. Die Pockenviren der Insekten und ihrer Larven werden der Unterfamilie der Entomopoxvirinae und hier den drei Gattungen α-, βund γ-Entomopoxvirus zugeordnet. Ihre molekularen Eigenschaften sind nur wenig erforscht und bekannt.
19.6.2 Aufbau Viruspartikel Pockenviren zählen zu den größten bekannten Viren. Sie haben eine ovale, ziegelsteinähnliche oder auch pleomorphe Form und Abmessungen von 300 zu 200 zu 100 nm (䉴 Abbildung 19.33A, B). Im Infektionsverlauf werden vier Arten von Virionen gebildet, die sich hinsichtlich ihrer Struktur, Funktion, Lokalisierung in der infizierten Zelle und den Mengen, in welchen sie gebildet werden, unterscheiden. In der Zelle findet man Virionen, die als IMV (intracellular mature virus) oder MV (mature virus) bezeichnet werden. Sie verfügen nur über eine Lipiddoppelschicht als Hüllmembran, in die mehr als
viren) in das Genom des Vacciniavirus ein. Die Integration erfolgt im Vacciniavirusgenom an einer Codierungsstelle für Proteine, die für die Replikation nicht essenziell sind. Im Verlauf der Virusvermehrung in den geimpften Personen kann dann das Fremdprotein produziert werden und die Ausbildung von immunologischen Reaktionen einleiten. Derartige rekombinante Vacciniaviren sind in der Tiermedizin als Impfstoffe gegen die Tollwut und Rinderpest zugelassen – jedoch nicht in Deutschland. Eine gewisse Sonderstellung nehmen rekombinante modifizierte Vacciniaviren (MVA) ein. Durch über 500 Passagen in Hühnerfibroblasten wurde ein türkischer Dermovaccinia-Stamm so hoch attenuiert, dass das Virus sich in menschlichen Zellen nicht mehr vermehren kann. In Mensch und Tier weist es bei fehlender Kontagiosität daher nur noch eine geringgradige Virulenz auf. Als Expressionsvektor kann es daher sowohl parenteral wie auch lokal, insbesonders oral und intracutan, appliziert werden.
zwölf verschiedene nichtglycosylierte Virusproteine eingelagert sind. Diese Membran umgibt ein bikonkaves Capsid oder Core, das aus dem linearen Virusgenom besteht und das in enger Assoziation mit Proteinen in eine S-förmige Struktur zusammengefaltet ist. In den Konkavitäten des Core sind zwei Lateralkörper eingelagert, deren Funktion und Zusammensetzung nicht bekannt sind. Kryoelektronenmikroskopische Bilder der Pockenviruspartikel zeigen, dass es sich hierbei möglicherweise um Präparationsartefakte handelt. Die IMVPartikel werden durch Lyse der infizierten Zellen freigesetzt und sind infektiös. Sie verbreiten die Infektion im Organismus wie auch von einem Wirt zum nächsten. Einige der IMV-Partikel liegen in den infizierten Zellen umhüllt mit zwei weiteren Membranen vor, die äußere enthält mindestens neun viruscodierte membranverankerte oder membranassoziierte Proteine; diese Partikel bezeichnet man als WV (wrapped virion) oder IEV (intracellular enveloped virus). Die IEV-Partikel binden sich in der Zelle an die Microtubuli und bewegen sich über sie zur Zelloberfläche, wo die äußere der insgesamt drei Membranhüllen mit der Cytoplasmamembran fusioniert. Hierdurch entsteht an der Zelloberfläche ein zellassoziiertes, von zwei Lipiddoppelschichten umhülltes Viruspartikel (CEV, cell-associated enveloped virus), das durch wachsende Actinfilamente weiter nach außen transportiert wird. Die CEV-Partikel dienen der Weitergabe der Infektion von Zelle zu Zelle. Die extrazellulären, umhüllten Virionen (EEV, extracellular enveloped
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.20 Charakteristische Vertreter der Pockenviren Unterfamilie
Genus
Mensch
Tier
Chordopoxvirinae (Pockenviren der Wirbeltiere)
Orthopoxvirus
Variolavirus Vacciniavirus
Kuhpockenvirus Affenpockenvirus Kamelpockenvirus Ectromelievirus (Maus) Waschbärpockenvirus
Entomopoxvirinae (Pockenviren der Insekten)
Parapoxvirus
Pseudokuhpockenvirus Orfvirus Papular-Stomatitis-Virus der Rinder
Avipoxviren
Kanarienpockenvirus Pockenvirus der Taube Pockenvirus des Geflügels (Hühner) Pockenvirus des Truthahnes Pockenvirus der Wachtel Pockenvirus der Papageien
Capripoxvirus
Pockenviren der Ziege Pockenvirus des Schafes Lumpyskin-Disease-Virus
Leporipoxvirus
Myxomatosevirus Fibromatosevirus des Hasen Fibromatosevirus des Kaninchen Fibromatosevirus des Eichhörnchen
Suipoxvirus
Pockenvirus der Schweine
Molluscipoxvirus
Molluscum-contagiosum-Virus
Yatapoxviren
Tanapockenvirus Yabapockenvirus
Tanapockenvirus Yabapockenvirus
a-Entomopoxvirus
Anomala cuprea Entomopoxvirus (Blatthornkäfer) Melolontha melolontha Entomopoxvirus (Maikäfer)
b-Entomopoxvirus
Locusta migratoria Entomopoxvirus ‘O’ (Wanderheuschrecke) Amsacta moorei Entomopoxvirus ‘L’ (Bärenspinner) Heliothis armigera Entomopoxvirus ‘L’ (Baumwolleule)
g-Entomopoxvirus
virus oder EV, extracellular virion) sind identisch mit den CEVs; sie haben sich jedoch von der Zelloberfläche abgelöst und sind als freie Viruspartikel für die Ausbreitung der Erreger in den infizierten Wirten sowie von Wirt zu Wirt wichtig. Die Pockenviruspartikel haben eine deutlich strukturierte Oberfläche (䉴 Abbildung 19.33). Bei den meisten findet man kanalähnliche, filamentöse Strukturen; die Parapoxviren zeigen jedoch eine bienenkorbähnliche Anordnung der Filamente auf
Aedes aegypti Entomopoxvirus Chironomus luridus Entomopoxvirus (Zuckmücken)
der Oberfläche (䉴 Abbildung 19.33C). In die Membranhülle der EEVs sind vier glycosylierte und ein nichtglycosyliertes Virusprotein eingelagert, die sich von denjenigen unterscheiden, die man in der IMV-Membran findet. Bei den extrazellulären Virionen ist das Core von einer zweifachen Membran umgeben, wobei die äußere Membranhülle von den Membrankompartimenten des trans-Golgi-Netzwerkes stammt.
Lateralkörper
Genom (dsDNA)
virale Enzyme und regulatorisch aktive Proteine
Core
nicht-glycosylierte Membranproteine
innere Hüllmembran
äußere Hüllmembran
teilweise glycosylierte Membranproteine B
virale Oberflächenproteine
kanalähnliche Strukturen auf der Oberfläche der inneren Hüllmembran
400 nm
innere Hüllmembran
Lateralkörper
DNA-ProteinKomplex
Genom (dsDNA)
äußere Hüllmembran
Core
19.33 Aufbau eines Pockenviruspartikels. A: Extrazelluläre Form eines Pockenviruspartikels im Querschnitt. Im Inneren liegt das DNA-Genom in Wechselwirkung mit Virusproteinen in einem S-förmigen Komplex vor. Dieses Nucleocapsid ist von einem Core oder Capsid umgeben, das seinerseits von einer doppelten Lipidmembran umhüllt ist. Die Funktion und Zusammensetzung der Lateralkörper ist unklar; vermutlich handelt es sich um Artefakte, die bei der Präparation der Viruspartikel für die Elektronenmikroskopie entstehen. Diese Form der Pockenviruspartikel ist infektiös. B: Extrazelluläre Form der Pockenviren im Aufschnitt. Die Komponenten im Partikelinneren einschließlich der inneren Hüllmembran entsprechen den in Teilabbildung A beschriebenen. Auf der Oberfläche der inneren Hüllmembran finden sich kanalähnliche Strukturen, die von viralen Membranproteinen gebildet werden. Umgeben ist das Partikel von einer weiteren, äußeren Hüllmembran, in die ebenfalls Virusproteine eingelagert sind. Auch diese Form der Pockenviruspartikel ist infektiös. C: Elektronenmikroskopische Darstellung eines Orfvirus, Genus Parapoxvirus (freundlicherweise überlassen von Prof. Dr. O.-R. Kaaden, Institut für Med. Mikrobiologie, LMU München).
C
DNA-ProteinKomplex
A
19.6 Pockenviren
613
19
19
614
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Genom und Genomaufbau Das Genom der Pockenviren besteht aus linearer, doppelsträngiger DNA mit einer Länge von 137 000 bis 139 000 Basenpaaren bei den Orfviren als Vertreter der Parapockenviren, bis zu über 350 000 Basenpaaren bei Geflügelpockenviren (359 853 Basenpaare beim Kanarienpockenvirus); beide DNA-Stränge sind an den Enden durch kovalente Bindungen geschlossen. Das Genom des Vacciniavirus umfasst etwa 190 000 Basenpaare (191 738 Basenpaare beim Stamm „Kopenhagen“). An den Genomenden findet man tandemartig angeordnete Sequenzwiederholungen, die beim Vacciniavirus jeweils 70 Basenpaare lang sind (䉴 Abbildung 19.34 A). Die Sequenzfolgen an den beiden Enden sind identisch und zueinander in gegenläufiger Ausrichtung angeordnet. Man bezeichnet sie deshalb als ITR-Elemente (inverted terminal repeat). Die Länge der ITRAbschnitte hängt vom Virustyp ab. Beim Vacciniavirus sind sie 10 500 Basenpaare, beim Variolavirus 725 Basenpaare lang. Das Genom der Pockenviren codiert auf beiden DNA-Strängen für insgesamt 150 bis 200 Gene. 49 dieser Gene sind konserviert, sie wurden in den bisher sequenzierten Genomen aller Pockenviren gefunden. Bei den Vertretern der Unterfamilie der Chordopoxvirinae stimmen etwa 90 Gene überein, die für Transkriptionsfaktoren, Enzyme und Strukturproteine codieren und für den Replikations- und Vermehrungszyklus von grundlegender Bedeutung sind. Diese essenziellen Gene findet man bevorzugt im Zentrum des DNA-Genoms, wohingegen an den Enden die nichtkonservierten Virulenzgene lokalisiert sind (䉴 Abbildung 19.34 B). Sie codieren für Produkte, die es den Viren ermöglichen den Abwehrstrategien der Wirte zu entgehen und beeinflussen die Einleitung apoptotischer Prozesse, die Antigenpräsentation und -erkennung, die Wirkung der Interferone und die Signalkaskaden, die durch immunstimulatorische Cytokine ausgelöst werden. Zueinander benachbarte Leserahmen überlappen nur selten miteinander. Zwischen den Genen befinden sich sehr kurze nichtcodierende Abschnitte. Die Gene besitzen keine Intronsequenzen, und die Promotoren sind im Vergleich zu eukaryotischen Kontrollelementen relativ kurz. Die früh beziehungsweise spät während der viralen Replikation transkribierten Gene sind in Gruppen mit gleicher Orientierung angeordnet. Bei der Bezeichnung der verschiedenen Leserahmen wendet man folgende Regel an: Der Verdau des Genoms des Vacciniavirus mit dem Restriktionsenzym HinDIII ergibt 16 Fragmente, die entsprechend ihrer Größe mit A bis P bezeichnet werden. Die Leserahmen in den einzelnen Fragmenten werden durchnummeriert, wobei die Orientierung der Leserich-
tung mit L oder R angegeben wird. Daraus ergibt sich beispielsweise für das Hämagglutinin die Genbezeichnung A56R, das heißt, es codiert im 56. nach rechts gerichteten Leserahmen im HinDIII-Fragment A.
19.6.3 Virusproteine Die Pockenviren haben einen komplexen Aufbau; in den Virionen findet man über 70 verschiedene virale Strukturproteine sowie enzymatisch und regulatorisch aktive Polypeptide, die noch nicht in allen Einzelheiten bekannt sind. Relativ gut sind nur die Vacciniaviren untersucht. Alle in den folgenden Abschnitten angegebenen Daten beziehen sich folglich auf diese Viren.
Strukturproteine Die äußeren Hüllmembranen der EEV und CEV enthalten mindestens neun verschiedene glycosylierte Proteine unterschiedlicher Molekulargewichte sowie ein nichtglycosyliertes Protein (䉴 Tabelle 19.21). Weitere membranverankerte Proteine sind Teil der intrazellulären IEV-Partikel sowie der inneren Membran, also der Hülle, welche die IMV umgibt. Letztere sind nichtglycosyliert. Gegen einige der Proteine der inneren Membran wie auch gegen diejenigen, die in die äußere Hülle eingelagert sind, werden virusneutralisierende Antikörper gebildet. Mehrere der Proteine sowohl in der Membran der IMV- wie der EEV-Partikel sind an deren Bindung an die Zelloberfläche und an der Fusion von Virushüllmembran und Cytoplasmamembran beteiligt. Auch Analysen des viralen Cores ergaben, dass dieses aus einer Vielzahl unterschiedlicher Proteine aufgebaut ist. Einige von ihnen werden als größere Vorläuferprodukte (P4a, P4b, P4) synthetisiert und erst nachträglich durch proteolytische Spaltungen in die Polypeptide umgewandelt, die man im infektiösen Vacciniaviruspartikel findet (䉴 Tabelle 19.21). Mit dem DNA-Genom sind etliche virale Proteine assoziiert, die für die Faltung der Nucleinsäure in eine Supercoil-Struktur sorgen.
Enzyme Während der Infektion werden verschiedene viruscodierte Enzyme exprimiert. Diese sind zum Teil auch Bestandteile der Viruspartikel. Bei einigen ist unklar, ob sie als enzymatisch aktive Proteine (Proteasen, Kinasen) oder Chaperone bei der Virusmorphogenese benötigt werden oder ob sie während des Zusammenbaus unspezifisch in die entstehenden Virionen aufgenommen werden. Da sich die Pockenviren als einzige Viren mit einem
19.6 Pockenviren
DNA-Genom im Cytoplasma der infizierten Zellen replizieren, können sie die im Kern lokalisierten zellulären Enzyme nicht nutzen. Sie müssen daher die Information für viele Enzyme, die für die DNA-Replikation, Transkription, RNA-Modifikation und für den Nucleinsäurestoffwechsel notwendig sind, im Genom enthalten und diese Proteine auch als Teil der infektiösen Viruspartikel in die Zelle einbringen; dies gilt bei-
19
615
spielsweise für alle Enzyme, die an der Synthese viraler mRNAs und deren posttrankriptioneller Modifikation beteiligt sind (䉴 Tabelle 19.22). Daher sind die virale RNA-Polymerase und auch die Capping-Enzyme Komponenten der Virionen. Außer einer eigenen RNA-Polymerase, die aus mehreren viralen Untereinheiten besteht, codieren Pockenviren unter anderem auch für ein eigenes Polyadenylierungsenzym und für die En-
A kovalent verknüpfte Enden ITR
ITR 50 000
100 000
150 000
A B C
C B A
10 000
5000
3´ 13 x 70 BpRepeat 325 Bp
18 x 70 Bp Repeat
5´
8 x 54 Bp Repeat
2 x 125 Bp
ITR = Inverted terminal repeat (10 500 Bp) B ITR
ITR
19.34 A: Aufbau des Genoms der Pockenviren (Vacciniavirus). Das Genom besteht aus doppelsträngiger DNA, die an den Enden kovalent geschlossen ist. An den Genomenden findet man zueinander invertierte Sequenzfolgen (ITR = inverted terminal repeat), die aus verschiedenen Wiederholungseinheiten aufgebaut sind. B: Lage und Orientierung der offenen Leserahmen auf dem Genom des Vacciniavirus. Rot: pockenvirustypspezifische Virulenzgene, Schwarz: essenzielle, bei unterschiedlichen Typen der Pockenviren konservierte Gene.
19
616
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.21 Auswahl von Strukturproteinen des Vacciniavirus Lokalisation
Codierungsort (Vacciniavirus)
Besonderheiten
Molekulargewicht (kD)
Funktion
EEV/CEV
A56R
N- und O-Glycosylierung 34
Membranprotein; Hämagglutinin
IEV/EEV/CEV
F12L
N-Glycosylierung
73
Membranprotein; Bindung an Mikrotubuli; Transport der IEV zur Zelloberfläche
EEV/CEV
F13L
nicht glycosyliert, palmitoyliert
42
membranassoziiertes Protein; Mitglied der Phospholipose D-Superfamilie
EEV/CEV
B5R
N- und O-Glycosylierung 35 Membranprotein; CD46-Homolog; Schutz vor 42/glycosyliert Komplementlyse; Virulenzfaktor
EEV/CEV
A33R
nicht glycosyliert
21
Membranprotein; beteiligt an der Bindung an Actinkabel
EEV/CEV
A34R
N-Glycosylierung
20 24-28/ glycosyliert
Typ-II-Membranprotein; Ähnlichkeit mit C-Typ Lektinen; beteiligt an der Bindung der CEV an Actinkabel, bewirkt, dass die CEV-Partikel mit der Zelle assoziiert bleiben
IEV/EEV/CEV
A36R
N-Glycosylierung
25
Membranprotein; Bindung an Mikrotubuli; Transport der IEV zur Zelloberfläche
EEV/CEV
K2L
?
42
Serpin (Serinprotease-Inhibitor)
EEV/CEV
E2L
?
86
Membranprotein
IMV
A26L
nicht glycosyliert
IMV
A27L
nicht glycosyliert
14
Homotrimer; Adsorption, bindet sich an Heparinsulfat auf der Zelloberfläche; Penetration, induziert neutralisierende Antikörper
IMV
A28L
nicht glycosyliert
14
Bestandteil der kanalähnlichen Oberflächenstrukturen; Homotrimer; induziert Bildung neutralisierender Antikörper; beteiligt an Fusion zwischen IMV- und Cytoplasmamembran nach Adsorption
IMV
L1R
nicht glycosyliert, myristyliert
28
prozentual häufigstes Typ-I-Membranprotein, induziert Bildung neutralisierender Antikörper, beteiligt an Fusion zwischen IMV- und Cytoplasmamembran nach Adsorption
IMV
L5R
nicht glycosyliert
15
Partikelaufnahme; Fusion zwischen IMV- und Cytoplasmamembran nach Adsorption
IMV
D8L
nicht glycosyliert
32
Adsorption, Sequenzähnlichkeit mit Kohlenstoffanhydrase; bindet sich an Chondroitinsulfat auf der Zelloberfläche, induziert Bildung neutralisierender Antikörper
IMV
H3L
nicht glycosyliert
37
Adsorption; bindet sich an Heparinsulfat auf der Zelloberfläche, induziert Bildung neutralisierender Antikörper
IMV
A14L
phosphoryliert
10
Morphogenese, Dimer; interagiert mit A17L
IMV
A17L
phosphoryliert
Matrix
A30L
Protein 4c; Bindung an Laminin
33
Morphogenese, Dimer; interagiert mit A14L
9
Matrix zwischen Core und Membranhülle der IMV; Morphogenese
Core
A3L
74
Vorläuferprotein P4b → Coreprotein 4b
Core
A4L
39
Coreprotein
19.6 Pockenviren
617
Tabelle 19.21 (Fortsetzung) Lokalisation
Codierungsort (Vacciniavirus)
Core
Molekulargewicht (kD)
Funktion
A10L
102
Vorläuferprotein P4a → Coreprotein 4a
Core
A32L
35
ATPase, beteiligt an Verpackung der Virusgenome in die Partikel
Core
L4R
25
Coreprotein
Nucleocapsid
I1L
Core
I7L
Core/Nucleocapsid
F17R
Besonderheiten
DNA-bindend
phosphoryliert, DNA-bindend
zyme, die für die Bildung der 5’-Cap-Gruppe und ihre Assoziation an die 5’-Enden der mRNA-Moleküle benötigt werden. Wichtig ist auch eine Uracil-DNAGlycosylase, die falsch eingebaute Uracilreste aus DNASträngen entfernt. Offensichtlich verfügen Pockenviren also über Mechanismen zur Überprüfung der Lesegenauigkeit ihrer DNA-Polymerasen und über Reparatursysteme, die falsch eingebaute Nucleotide entfernen. Ähnliche Aktivitäten, die Uracil-DNA-Glycosylase und die dUTPase, fand man bisher nur bei den Herpesviren (䉴 Abschnitt 19.5.3). Bei den Pockenviren konnte man des Weiteren auch eine Photolyseaktivität identifizieren. Sie löst den Cyclobutanring, der sich unter der Einwirkung von UV-Licht zwischen benachbarten Thyminbasen in der DNA ausbildet.
Akzessorische Proteine Die große Codierungskapazität ermöglicht es den Pockenviren, ihre Virulenz zu modulieren und sich so optimal an Wirtszellen und -organismen anzupassen. Die daran beteiligten Virulenzgene ähneln häufig zellulären Genen; überwiegend sind sie an den Enden der linearen Virusgenome lokalisiert. Über die molekularen Prozesse, die zur Aufnahme und Integration der Wirtsgene in das Virusgenom geführt haben, besteht Unklarheit. Etliche der Gene sind durch in die Sequenz eingeführte Stoppcodons defekt und werden nicht exprimiert. Es ist im Rahmen dieses Lehrbuches nicht möglich, auf alle bekannten Daten einzugehen. Interessierte finden entsprechende Beschreibungen in der Literatur, die in 䉴 Abschnitt 19.6.7 angegeben ist. Allerdings sollen kurz einige der Mechanismen erwähnt werden, die es den Pockenviren ermöglichen, der Immunantwort des Wirtes zu entgehen. Bei verschiedenen Pockenviren identifizierte man ein Protein mit einem Molekulargewicht von 38 kD, das als CrmA
36 50
Protease
11
lokalisert zwischen Nucleocapsid und Membranhülle
bezeichnet wird und im offenen Leserahmen B13R des Vacciniavirusstammes WR codiert wird. Dieses Polypeptid ist ein Proteaseinhibitor und hemmt die Aktivität des Interleukin-1β-konvertierenden Enzyms (ICE = interleukin converting enzyme), einer zellulären Cysteinprotease, die für die proteolytische Aktivierung des Interleukin-1β, aber auch für die Induktion des programmierten Zelltodes (Apoptose) wichtig ist. Die Apoptose ist einer der Vorgänge, über den virusinfizierte Zellen aus dem Organismus eliminiert werden. Sie wird unter anderem durch Tumornekrosefaktoren herbeigeführt, deren Bildung im Laufe der Immunantwort des Wirtes induziert wird. Diese binden sich an die TNFund Fas-Rezeptoren und leiten durch Auslösen einer Signalkaskade den Tod der Zelle ein. Das ICE scheint eine der Komponenten zu sein, die für die Apoptose unerlässlich sind. Pockenviren zerstören seine Aktivität durch den Proteaseinhibitor CrmA und können so dem programmierten Zelltod entgehen. Dieser virale Proteaseinhibitor stellt einen wichtigen Virulenzfaktor dar. Daneben verfügen die Pockenviren aber auch über einige Proteine, genannt Serpine, die als Inhibitoren von Serinproteasen wirken. Hierzu zählen unter anderem das mit den Membranen der IEV/CEV-Partikel der Vacciniaviren assoziierte Protein, das im Leserahmen K2L codiert und das Protein Serp1 der Myxomatoseviren. Die viralen Serpine wirken antiinflammatorisch und antikoagulativ, indem sie von Thrombocyten produzierte Serinproteasen hemmen, welche die Virusinfektion und -invasion behindern sollen. Außerdem codieren Pockenviren für verschiedene Virokine. Dabei handelt es sich um Faktoren, die homolog zu Cytokinen sind und von den infizierten Zellen sezerniert werden. Diese Proteine wirken als Antagonisten der Cytokine, die im Rahmen der Immunabwehr des Wirtes synthetisiert werden. Weiterhin fand man, dass die Cytokinfreisetzung bei infizierten Zellen ebenfalls
19
19
618
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 19.22 Wichtige Enzyme der Pockenviren (Vacciniavirus) Enzym
Funktion
Molekulargewicht
Codierungsort (Vacciniavirus)
DNA-abhängige RNAPolymerase (Teil des Virions)
Transkription; Produktion viraler mRNAs; Mn2+-abhängig
> 500 kD, Komplex aus mehreren Untereinheiten: 147 kD 132 kD 36 kD 30 kD 22 kD 20 kD 18 kD 7 kD
J6R A24R A29L E4L J4R A5R D7R G5.5R
RNA/DNA-Helicase (Teil des Virions)
Transkription
78 kD 72 kD
I8R D11L
DNA-Helicase
Transkription
57 kD
A18R
Poly(A)-Polymerase (Teil des Virions)
Polyadenylierung der 3’-Enden von mRNAs; primerabhängig
ca 80 kD; Komplex aus 2 Untereinheiten: 55 kD 38 kD (identisch mit RNA-NucleosidMethyltransferase)
E1L J3R
Capping-Enzym-Komplex (Teil des Virions)
Bildung der Cap-Struktur am 5’-Ende der mRNA 1. RNA-Guanyltransferase
97 kD
D1R
2. RNA-(Guanin-7)-Methyltransferase
33 kD
D12L
3. RNA-(Nucleosid-2‘)Methylferase
38 kD
J3R
Nucleosidtriphosphatphosphohydrolase I (Teil des Virions)
ATPase; ATP/dATP zu ADP/dADP + Pi
35 kD
A32L
Nucleosidtriphosphatphosphohydrolase II
NTPase; NTP/dNTP zu NDP/ dNDP + Pi
37 kD
D5R
DNA-Topoisomerase (Teil des Virions)
Replikation des dsDNAGenoms; Topoisomerase I; entspannt Supercoil-Struktur in dsDNA
117 kD
H6R
DNA-Polymerase
Replikation des dsDNA-Genoms
49 kD
E9L
Processivity factor
Replikation des dsDNA-Genoms
63 kD
A20R
DNA-Ligase
Replikation; Bildung der kovalent geschlossenen Enden des Genoms
20 kD
A50R
Thymidinkinase
Phosphorylierung von ThyminNucleosiden zu TMP; Nucleotidstoffwechsel
24 kD
J2R
Thymidilatkinase
Phosphorylierung von TMP zu TTP; Nucleotidstoffwechsel
24 kD
A48R
Guanylatkinase
Phosphorylierung von GMP zu GTP; 21 kD Nucleotidstoffwechsel
A57R
19.6 Pockenviren
619
Tabelle 19.22 (Fortsetzung) Enzym
Funktion
Molekulargewicht
Ribonucleotidreductase
DNA-Replikation; Nucleotidstoffwechsel
Komplex aus 2 Untereinheiten: 87 kD 37 kD
I4L F4L
Resolvase
Teil des Reparatursystems; löst Holliday-Strukturen nach Rekombinationsreparatur
21 kD
A22R
Nicking-Joining-Enzym
Endonuclease-/Ligase; Reparatursystem; Replikation
49 kD
K4L
Uracil-DNA-Glycosylase
Teil des Reparatursystems; entfernt Uracilreste aus DNA
25 kD
D4R
dUTPase
Teil des Reparatursystems; Hydrolyse von dUTP-Resten
16 kD
F2L
Protease
Metalloprotease
68 kD
G1L
Proteinkinase 1
Phosphorylierung von Serin- und Threoninresten
52 kD
F10L
Proteinkinase 2
Phosphorylierung von Serin- und Threoninresten
34 kD
B12R
Proteinkinase 3
Phosphorylierung von Serinresten
35 kD
B1R
von Virusprodukten gehemmt wird. Zusätzlich bilden die Viren sekretorische Proteine, die sich an Cytokine binden und deren Wirkungsweise blockieren. So synthetisieren die Myxomviren das MT7-Protein (37 kD), das ein Homolog des Rezeptors für Interferon-γ ist, in die Umgebung abgegeben wird und die Bindung dieses Cytokins an die membranverankerten IFN-Rezeptoren auf der Zelloberfläche verhindert. Ganz ähnlich bildet das Vacciniavirus einen löslichen Rezeptor (B18R) für Interferon-α und -β, der von den infizierten Zellen sezerniert wird, die im Körper zirkulierenden Interferone abfängt und in ihrer Wirkung neutralisiert. Zusätzlich codiert das Vacciniavirus für zwei weitere Genprodukte, welche die Interferonantwort unterbinden: Das E3L-Protein bindet sich an doppelsträngige RNA und verhindert die Aktivierung der dsRNA-abhängigen Enzyme PKR und OAS (䉴 Kapitel 8). Daneben verhindert E3L die IRF-abhängige Induktion (IRF = interferon regulatory factor) der Interferonsynthese sowie die RNAEditierungsfunktion der interferoninduzierten RNAspezifischen Adenosindesaminase ADAR1. Diese desaminiert Adenosinreste in RNA-Molekülen zu Inosin und ist unter anderem beim RNA-Editing aktiv (䉴 Abschnitt 19.1.6). Das virale E3L-Protein verfügt über eine Domäne, die homolog zur RNA-bindenden Region der ADAR1 ist, bindet sich hierüber an die RNA-Moleküle und verhindert so die Assoziation mit dem zellulären
Codierungsort (Vacciniavirus)
Enzym. Im Unterschied hierzu dient das K3L-Protein als Substrat für die interferoninduzierte Proteinkinase PKR. Dies verhindert die Phosphorylierung des elF2α und die daraus resultierende Hemmung der Translation. Zudem codiert das Vacciniavirus für vCKB-Proteine (virale chemokinbindende Proteine), welche die Wirkung zellulärer Chemokine inhibieren. So bindet sich das vCKBP-2 (35 kD), auch bekannt als viraler CC-Chemokin-Inhibitor (vCCI), an die Aminosäurereste im CC-Chemokin MCP-1 (monocyte chemoattractant protein-1; 䉴 Kapitel 8), die für dessen Wechselwirkung mit dem CC-Rezeptor CCR2B verantwortlich sind. Das vCCI blockiert damit die Bindung des MCP-1 an den Rezeptor, die Funktion des Chemokins wird so gestört. Bei Vaccinia- und Kuhpockenviren fand man ein 33kD-Protein, das Ähnlichkeit mit dem Typ II des Interleukin-1Rezeptors besitzt. Auch dieses Produkt wird von den infizierten Zellen sezerniert, komplexiert mit Interleukin-1β und verhindert dessen Wirkung. Außerdem hat man sezernierte Homologa zu TNF-Rezeptoren gefunden. Die Wirkung des Komplements können Pockenviren ebenfalls unterbinden. In den offenen Leserahmen C21L und B5R codieren die Vacciniaviren für Proteine, die den Komplementrezeptoren ähneln. An sie binden sich die Komponenten C3b und C4b. Die Aktivierung der Komplementkaskade wird hierdurch unterbrochen (䉴 Kapitel 7). Ähnliche Mechanismen sind bisher nur
19
19
620
19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
von den Herpesviren bekannt. Des Weiteren verfügen Pockenviren über EGF-ähnliche Proteine, die auf einem autokrinen Stimulationsweg die Proliferation der infizierten Zellen fördern.
19.6.4 Replikation Einige Pockenviren, so die Orthopoxviren und das Vacciniavirus, können viele verschiedene Zelltypen infizieren. Avi- und Leporipoxviren haben dagegen ein sehr enges Wirtsspektrum. Der spezifische Zellrezeptor für die Adsorption der Viruspartikel ist bisher bei noch keinem Pockenvirus bekannt. Mindestens fünf virale Membranproteine (A27, A28, D8, H3, L1) induzieren die Bildung neutralisierender Antikörper. Beim Vacciniavirus wurden einige Oberflächenproteine (A27, D8, H3) identifiziert, welche die Wechselwirkung der Partikel mit Heparin- oder Chondroitinsulfat vermitteln. Der Befund, dass Zellen mit wenig Cholesterin in ihren Membranen die Pockenviruspartikel nicht aufnehmen können, ist ein Hinweis auf die Beteiligung der lipid rafts an diesem Prozess. Ein anderer Komplex von Virusmembranproteinen ist an der Fusion von Virus- mit Zellmembranen und der Aufnahme des Viruscore in das Cytoplasma beteiligt (䉴 Tabelle 19.21). Die Details dieses Vorgangs sind nicht geklärt. Es erscheint unwahrscheinlich, dass im Fall der EEV-Partikel die Fusion der äußeren Membranhülle mit der Cytoplasmamembran als Eintrittsmechanismus ausreichend ist, weil das Viruscore danach zwar im Cytoplasma angelangt, aber noch immer von einer Membran umhüllt wäre. Auch weil die Proteine, welche dem Virus den Eintritt in die Zelle vermitteln, in der inneren Membranhülle verankert sind, muss man davon ausgehen, dass die äußere Membran zuerst entfernt wird. Sie scheint relativ instabil zu sein; elektronenmikroskopische Analysen zeigten, dass die äußere Membran nur bei wenigen EEV- oder CEV-Partikeln völlig intakt ist; daher sind auch bei diesen Partikeltypen die Komponenten der inneren Membran zumindest teilweise oberflächenexponiert. Jedoch ist unklar, ob die Aufnahme der Viruspartikel durch die Fusion der Virus- mit der Cytoplasmamembran oder über eine Endocytose der gebundenen Viren und die anschließende, pH-abhängige Fusion der Virus- mit der Endosomenmembran erfolgt. Das Viruscore, das aus dem Virusgenom und über 70 verschiedenen Virusproteinen besteht, gelangt jedoch in das Cytoplasma. Noch im intakten Viruscore beginnt die Transkription der frühen viralen Gene. Die daran beteiligten Enzyme und Komponenten (䉴 Tabelle 19.22) werden als frühe Transkriptionsmaschinerie zu-
sammen mit dem Viruscore in die infizierte Zelle eingebracht, dessen Struktur während diesen frühen Transkriptionsvorgängen erhalten bleibt (䉴 Abbildung 19.35). Die DNA-, RNA- und Proteinsynthese der Zelle wird bereits in dieser frühen Phase des Replikationszyklus abgeschaltet. Dies geschieht durch ein Virusstrukturprotein, das bei der Aufnahme der Partikel in das Cytoplasma gelangt und daher unabhängig von der Expression anderer Virusgene seine Aktivität entfalten kann. Der Mechanismus ist allerdings noch unbekannt. In dieser frühen Phase der Infektion wird ungefähr die Hälfte der viralen Gene transkribiert. Sie besitzen alle ähnliche Promotorsequenzen mit einer Länge von etwa 28 Nucleotiden und haben die konservierte Basenfolge: 5’-(A)6TG(A)9TTTATA(T)5(A)5G-3’. In den letzten sieben Nucleotiden am 3’-Ende dieser Sequenz befindet sich die eigentliche Initiationsstelle für die mRNA-Synthese. Für die Bindung des viralen RNAPolymerasekomplexes (䉴 Tabelle 19.22) an den Promotor und für den Transkriptionsstart ist ein weiteres Virusprotein nötig, das ebenfalls als Bestandteil des Partikels in das Cytoplasma der Zelle eingeschleust wird. Es handelt sich um einen frühen Transkriptionsfaktor (VETF = vacciniavirus early transcription factor), der als Heterodimer aus zwei viralen Proteinen (A7L/82 kD und D6R/77 kD) gebildet wird. VETF scheint funktionell dem zellulären Transkriptionsfakor TFIID zu ähneln, der sich im Promotorbereich an die TATA-Box zellulärer Gene bindet. Der Endpunkt der Transkription der frühen mRNA-Spezies wird durch die Consensussequenz TTTTTNT festgelegt, die ungefähr fünfzig Nucleotide vor dem eigentlichen Terminationspunkt lokalisiert ist. So sind die 3’-Enden der frühen Transkriptionsprodukte – mit Ausnahme ihrer letzten 50 Nucleotide – relativ einheitlich. An der Beendigung der Transkription ist ein weiteres viruscodiertes Protein beteiligt, das mit dem viralen Capping-Enzym identisch ist. Die frühen mRNA-Spezies werden cotranskriptionell am 5’-Ende mit einer Cap-Gruppe modifiziert, die 3’-Enden werden im Anschluss daran polyadenyliert. Die frühen mRNAs gelangen aus dem Viruscore in das Cytoplasma und werden translatiert. Die dadurch entstehenden Proteine sind für die Freisetzung des Virusgenoms aus dem Corepartikel in das Cytoplasma notwendig. Dieser Schritt findet erst im Anschluss an die frühe Transkription statt und ist Voraussetzung für die Genomreplikation. Möglicherweise entstehen durch die Wirkung einer viralen Protease mit trypsinähnlicher Aktivität Löcher im Core, durch die das mit Proteinen komplexierte Genom in das Cytoplasma übertritt. Unter den Proteinen, die bei der Translation der frühen mRNAs entstehen, findet man die DNA-Polymerase und die anderen für die Genomreplikation notwendigen
621
19.6 Pockenviren
IMV EEV Cytoplasmamembran
Frühe virale mRNAs
1
5´Cap
AAA 3´
2 Transkription
Microtu EEV
3 Translation
buli
9 Actinkabel
frühe Virusproteine Freisetzung des Virus-DNA-Genoms
CEV
8 5´Cap
AAA 3´ Zellkern
Transkription
Translation
7
Virosom
uli
ub
rot
Mic
IEV
Replikation
4
späte Proteine
6
Trans-GolgiNetwerk
5
IMV
19.35 Schematischer Ablauf einer Pockenvirusinfektion in der Zelle. Im ersten Schritt wird das Pockenviruspartikel von der Zelle aufgenommen; dabei gehen die Membranhüllen verloren und das Viruscore gelangt in das Cytoplasma (1). Es bindet sich an die Mikrotubuli und wird von diesen weiter in das Zellinnere transportiert (2). Die frühen viralen mRNAs werden vom Virusgenom abgelesen und translatiert. Die frühen Proteine leiten die Freisetzung des Virusgenoms aus der Corestruktur ein und bewirken seine Replikation (3). Diese Vorgänge laufen in abgegrenzten Bereichen im Cytoplasma, den Virusfabriken (Virosomen), ab. Im Anschluss an die Genomreplikation erfolgt die Synthese der späten mRNAs und der Proteine (4). Die Strukturproteine lagern sich zusammen mit Membrananteilen und den Virusgenomen zu unreifen Viruspartikeln zusammen, aus welchen die IMV-Partikel entstehen (5). Diese werden zu den Membrankompartimenten des trans-Golgi-Netzwerkes transportiert und mit zwei weiteren Membranen umhüllt, es bilden sich die IEV-Partikel (6). Die IEVs binden sich an die Mikrotubuli und werden über sie zur Zelloberfläche transportiert (7): Hier verschmilzt die äußere der Membranhüllen der IEVs mit der Cytoplasmamembran (8). Ein Teil der Virionen bleibt als CEV-Partikel mit der Zelloberfläche verbunden und wird über Aktinkabel weiter zur Nachbarzelle verschoben, ein anderer Teil wird in der Form von EEV-Partikel (9) in die Umgebung freigesetzt.
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Enzyme sowie zwei Faktoren, die für die Induktion der Transkription der intermediate- oder delayed early-Gene notwendig sind. Da diese mRNAs von den neu synthetisierten Virusgenomen abgelesen werden, muss jedoch erst die Replikation der viralen DNA erfolgen. Diese Vorgänge deuten auf einen komplexen, kaskadenartig regulierten Ablauf der Virusvermehrung hin. Im Verlauf der DNA-Replikation der Vacciniaviren werden pro Zelle bis zu 10 000 neue Genomkopien gebildet. Die molekularen Details sind auch hier nicht vollständig geklärt. Der Start der Replikation scheint jedoch an beiden Enden des Genoms zu erfolgen. Hier findet man sehr AT-reiche Sequenzfolgen und zwölf nicht in Basenpaarung vorliegende Nucleotide, an die sich die Virusproteine I1L und I6L anlagern. An den Enden entstehen im DNA-Doppelstrang Einzelstrangbrüche (nicks), die durch eine virale Endonuclease (K4L) gebildet werden. Vermutlich werden so 3’-OH-Enden generiert, die als Primer für die Synthese des Neustranges dienen können; ein Replikationsursprung (origin of replication), wie er bei anderen DNA-Viren bekannt ist, konnte bei den Pockenviren bisher nicht gefunden werden. Nach der Initiation der Replikation und der Polymerisation der ersten Basenfolgen kommt es zur Ausbildung von Haarnadelstrukturen an den Enden der neusynthetisierten DNA-Stränge und zur Verdrängung jeweils eines DNAStranges. An den Enden der neu gebildeten Genome kann die Replikation kontinuierlich neu initiiert werden, sodass es im weiteren Verlauf zur Ausbildung von konkatemeren, vielfach verzweigten DNA-Molekülen kommt, die man aus infizierten Zellen isolieren kann. Diese Art der DNA-Replikation ähnelt derjenigen der Parvoviren (䉴 Abschnitt 20.1). Die Bereiche im Cytoplasma, in denen die DNAReplikation und die späte Transkription stattfindet, werden von der Membran, die sich vermutlich von derjenigen des endoplasmatischen Reticulums ableitet, umschlossen. Die Membranvesikel existieren während des gesamten Vorgangs der Replikation und der Transkription der späten Gene und bilden sogenannte Virusfabriken oder Virosomen (䉴 Abbildung 19.35), die erst mit Beginn der Virusmorphogenese wieder aufgelöst werden. Ein virales Membranprotein (32 kD), das im Leserahmen E8R codiert, ist in diesen Membranen verankert und scheint in das Lumen orientiert zu sein. Die Virosomen stellen die cytoplasmatischen Guarnierischen Einschlussköperchen dar, die man schon früh in pockenvirusinfizierten Zellen nachweisen konnte. Die Bildung neuer Virusgenome ist die Voraussetzung für die Synthese der intermediate- und der späten Transkriptionsprodukte. Die intermediate-Gene codieren unter anderem für drei Regulatorproteine, welche die Transkription der späten Gene einleiten. Manche der
spät transkribierten Gene sind über das gesamte Genom verstreut. Viele liegen jedoch nebeneinander in der zentralen Region des Genoms. Diese mRNA-Spezies besitzen heterogene, polyadenylierte 3’-Enden, die oft weit hinter den Enden der darin codierten Leserahmen liegen. Dies unterscheidet sie von den frühen Transkripten. Das Terminationssignal der frühen Transkripte ist später nicht mehr aktiv und wird überlesen. Spät im Replikationszyklus kann eine viruscodierte Endoribonuclease auftreten. Beim Vacciniavirus schneidet sie die späten mRNAs sequenzspezifisch an sogenannten AX-Elementen. AX steht für die Erkennungsstellen der Restriktionsenzyme AlaI/XbaI. Dadurch wird ein 3’-Ende hergestellt, das anschließend polyadenyliert wird. Die Pockenviren verwenden also für die Termination der frühen und späten RNA-Spezies unterschiedliche Mechanismen. Auch die Promotorsequenzen der späten Gene unterscheiden sich von denen der frühen: Hier ist die eigentliche Initiationsstelle stark konserviert. Sie wird von der Nucleotidfolge TAAAT gebildet. Ihr ist ein A/T-reicher Abschnitt von circa 30 Basen vorgelagert. Die späten mRNA-Spezies codieren überwiegend für die viralen Strukturproteine, aber auch für einige Enzyme, die Bestandteile der infektiösen Viruspartikel sind. Hierzu gehören zwei verschiedene Proteinkinasen und die Protease, die bei der Freisetzung des DNA-Genoms benötigt wird (䉴 Tabelle 19.22). Der Zusammenbau der verschiedenen viralen Strukturbestandteile zu infektiösen Viruspartikeln ist ein komplexer Prozess. Er erfolgt im Cytoplasma der Zelle in definierten, abgegrenzten Bereichen, die im Elektronenmikroskop granulär erscheinen. Als erste Strukturen lassen sich kuppelförmige, mit nadelartigen Fortsätzen bestückte Membranfragmente erkennen. Es ist nicht endgültig geklärt, von welchen zellulären Kompartimenten sich diese virale Umhüllung ableitet; in einigen Arbeiten wird auch ihre de novo-Entstehung diskutiert. Elektronenmikroskopische Bilder weisen darauf hin, dass sich die Membran von der smooth-Fraktion des endoplasmatischen Reticulums ableitet, in die der Nucleoproteinkomplex als elektronendichte Masse eingelagert wird, bevor sich die Membran zu einem sphärischen Vesikel schließt und die IMV-Partikel entstehen. Die viralen Proteine, auch diejenigen, die in der IMVMembran verankert sind, müssen aktiv zu den sich ausbildenden Komplexen transportiert werden, da man hier keine polyribosomalen Strukturen findet. Deswegen erfolgt auch keine Modifikation der Proteine mit Zuckergruppen und die Ausbildung der Disulfidbrücken in den membranverankerten Proteinen der IMVs wird im nicht reduzierenden Milieu des Cytoplasmas durch spezielle Chaperone katalysiert, welche von den Genen O2L, G4L und A2.5L im Vacciniavirusgenom
19.6 Pockenviren
codiert werden. Im Inneren der IMV-Partikel wird in der Folge die bikonkave Corestruktur mit den beiden Lateralkörpern sichtbar. Virale Proteasen spalten unter anderem die Vorläuferproteine P4a und P4b in die Coreproteine, die man in den infektiösen Viruspartikeln findet. Ein Teil der IMV-Partikel wird über die Mikrotubuli gebunden und zur Zelloberfläche transportiert. Dabei werden sie mit einer weiteren doppelten Membranhülle umgeben, die von den Kompartimenten des transGolgi-Netzwerkes stammt. Hierdurch entstehen die Partikelformen IEV (wrapped virion), die schließlich zur Cytoplasmamembran gelangen. Im letzten Schritt befördern Actinkabel die IEVs weiter zur Cytoplasmamembran und die äußere Membranhülle der IEVs verschmilzt mit ihr. So gelangen die Viruspartikel an die Außenseite der Zellmembran. Ein Teil bleibt als CEV mit ihr verbunden, der andere wird in der Form der EEVs (extracellular enveloped virions) von den Zellen in die Umgebung abgegeben.
19.6.5 Humanpathogene Pockenviren Die Variolaviren Epidemiologie und Übertragung Die durch das Variolavirus verursachte Pockenerkrankung (Variola vera) war ursprünglich in der östlichen Hemisphäre, dem indischen Subkontinent und in China verbreitet. Über die Seidenstraße und andere große Handelswege gelangte das Virus im Mittelalter in den Vorderen Orient und von dort nach Afrika und Europa. Auswanderer brachten die Infektion nach Amerika. Die Erkrankung trat als Seuche epidemisch auf oder befiel die Bevölkerung in endemischer Form circa alle vier bis sieben Jahre. Die Übertragung erfolgte vor allem durch Tröpfcheninfektion von Pockenkranken in frühen Infektionsstadien, aber auch durch virushaltige Pockenpusteln, eingetrocknete Krusten und Textilien, die mit kontaminierten Hautstellen in Berührung gekommen waren. Zwischen zehn und 40 Prozent der infizierten Personen starben. Neben der Variola vera kennt man eine weitere Form der Pockenerkrankung, die Variola minor, die unter der Bezeichnung Alastrim bekannt ist. Sie trat vor allem in Südamerika, Afrika und Australien epidemisch und endemisch auf und wurde durch eine weniger virulente Variante des Variolavirus (Alastrimvirus) ausgelöst. Die Sterblichkeit betrug nur etwa ein bis zwei Prozent. Das von der WHO initiierte weltweite Impfprogramm mit Vacciniaviren führte zur Ausrottung der
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Variola- und der Alastrimviren. Der letzte Fall einer Pockenerkrankung wurde 1977 in Somalia gemeldet. Menschen können auch heute noch in seltenen Fällen an einer Pockenvirusinfektion erkranken, die sie durch den Kontakt mit Tieren erworben haben, die mit animalen Pockenviren infiziert sind. Von wild lebenden Tieren (vor allem Nagetieren wie Ratten und Hörnchen, seltener auch nichtmenschliche Primaten), die von der eingeborenen Bevölkerung Afrikas gejagt und als bush meat verzehrt werden, wird sporadisch das sogenannte Affenpockenvirus (Monkey-Pox-Virus) auf den Menschen übertragen. Von diesem Reservoir kann es auf Affen oder Menschen – insbesondere auf Kinder, die infizierte Tiere fangen – übertragen werden. Die Weitergabe von Mensch zu Mensch scheint jedoch deutlich seltener zu erfolgen als beim Variolavirus. Im Kongo wurden beispielsweise während der Jahre 1980 bis 1985 etwa 300 Personen mit dem Affenpockenvirus infiziert. Auch existieren Berichte darüber, dass 1996/1997 im Kongo 88 Menschen mit Affenpockenviren infiziert wurden. Aufsehen erregte 2003 ein Ausbruch der Affenpocken in einigen Bundesstaaten der USA: Hier wurden 81 infizierte Personen gemeldet und in etwa 40 Prozent der Fälle wurde die Diagnose „Affenpocken“ serologisch bestätigt. Die Erkrankungen verliefen überwiegend mild, die Infizierten entwickelten zusammen mit den meist oberflächlichen Hautläsionen eine ausgeprägte Lymphadenopathie. Als ursächlich erwies sich eine Sendung von afrikanischen Nagetieren aus Ghana; vor allem Hörnchen der Arten Funisciurus spp. scheinen endemisch mit Monkey-Pox-Viren infiziert zu sein. Die Sequenzanalysen zeigten, dass 96,3 Prozent der zentralen Genomregionen der Affenpockenviren identisch mit derjenigen des Variolavirus ist. Es handelt sich beim Monkey-Pox-Virus aber nicht um eine Variante des Variolavirus, sondern um eine eigene Virusspezies. Wegen der engen Verwandtschaft der Affenpocken- mit den Variolaviren schützt die Impfung mit dem Vacciniavirus auch weitgehend vor dieser Pockeninfektion. Außer dieser Form der Affenpocken ist eine weitere Zoonose bekannt, bei der Tana- oder Yabapockenviren von unterschiedlichen afrikanischen und asiatischen Affenarten (unter anderem Rhesusaffen, Makaken und Pavianen) bei engem Kontakt auf Menschen übertragen werden können. Das Yabapockenvirus verursacht bei Affen Tumorerkrankungen. Beim Menschen verlaufen die Infektionen überwiegend als harmlose, leicht fieberhafte Erkrankungen. Es entstehen Fibrome (gutartige Geschwülste aus faser- oder zellreichem Bindegewebe), die nach einiger Zeit wieder verschwinden. Aufsehen haben in den letzten Jahren seltene Pockenerkrankungen beim Menschen hervorgerufen, die vor allem nach Biss- und Kratzverletzungen durch Katzen
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q Variolaviren existieren heute nur noch in Gefrierschränken Nach der Ausrottung der Pocken forderte das internationale Komitee zur Untersuchung der Pockeninfektion, alle verbliebenen Laborstämme und Reserven zu zerstören und die Forschung mit Variolaviren einzustellen. Die angeordnete Vernichtung der Bestände fand jedoch nicht statt. Die Viren werden heute noch in zwei Hochsicherheitslaboratorien – an den Centers of Disease Control in Atlanta/USA und in
auftraten. Sie wurden durch ein Orthopoxvirus verursacht, das mit dem Kuhpockenvirus identisch ist. Das Reservoir dieser Pockenviren sind kleine Nagetiere, von denen der Erreger auf Katzen übertragen wird. Diese Pockenviren können aber auch auf Rinder (Kuhpocken) und andere Tiere wie Kamele und Löwen übertragen werden.
Klinik Die Inkubationszeit der klassischen, durch das Variola vera-Virus verursachten Pockeninfektion betrug zehn bis vierzehn Tage. Der akute Ausbruch war durch hohes Fieber, starke Kopf-, Glieder- und Hodenschmerzen, Blutungen der Binde- und Schleimhaut sowie Schluckbeschwerden durch den sich ausbildenden Ausschlag in der Schleimhaut des Mund- und Rachenbereichs gekennzeichnet. Ungefähr zwei Tage danach folgten typische Rückenschmerzen und charakteristische Hautausschläge (Papeln, Pusteln, Vesikel, hämorrhagische Ulzerationen), die sich auf den ganzen Körper und die Schleimhautbereiche ausdehnen konnten. Die Pusteln trockneten und verkrusteten nach zwei bis drei Wochen, hinterließen jedoch häufig Narben. Bei einem Teil der Patienten beobachtete man Geschwüre im Nasen- und Rachenbereich und in den Bronchien. In einigen Fällen waren die Infektionen mit schweren, meist tödlichen Hämorrhagien verbunden („Schwarze Pocken“). Die Erkrankung nach einer Infektion mit dem Variola minor-Virus (Alastrim) verlief ähnlich, aber deutlich milder.
Pathogenese Nach der Übertragung auf die Schleimhautbereiche von Mund, Nase und Rachen replizierte sich das Variolavirus in den oberen Luftwegen und breitete sich von dort in den unteren Respirationstrakt und die Lungenalveolen
Nowosibirsk/Russland – gelagert. Auch hat eine lebhafte Diskussion darüber eingesetzt, inwieweit auch in anderen Labors möglicherweise noch vermehrungsfähige Variolaviren existieren und ob diese für Bioterroristen zugänglich sind. Diese Frage ist nicht endgültig geklärt. Außerdem liegt die Erbinformation des Virus in Fragmenten kloniert in bakteriellen Nichtexpressionsplasmiden vor.
aus. Von den Schleimhäuten aus infizierte es Makrophagen und Lymphocyten, wurde von diesen in die lokalen Lymphknoten transportiert und vermehrte sich dort. Von den Lymphknoten ging eine erste, kleine Virämie aus, in deren Verlauf sich das Virus über das gesamte reticulohistiocytäre System ausbreitete. Hier vermehrte es sich erneut und besiedelte in einer zweiten, großen Virämie den gesamten Organismus. Das Virus war in vielen inneren Organen nachweisbar, die aber nur selten pathohistologische Veränderungen oder Läsionen zeigten. Zu diesem Zeitpunkt setzten auch die Symptome mit der Bildung des Ausschlags ein. Der Infizierte war ansteckend und konnte Viren übertragen. Auf der Haut, also im Epithel, bildeten sich zuerst kleine Flecken, später Papeln aus, die sich schließlich zu Bläschen umformten und nach Verkrustung unter Narbenbildung abheilten. Letzteres ist ein Hinweis darauf, dass neben dem Hautepithel auch die Basalmembran von der Infektion betroffen war. In den infizierten Bereichen kam es zu lokalen Zellproliferationen, die durch einen viruscodierten epithelzellspezifischen Wachstumsfaktor ausgelöst wurden. Für das Ausmaß der bei der Infektion entstehenden Hautläsionen kann auch die Wirkung eines anderen viruscodierten Proteins ausschlaggebend gewesen sein, das Homologie zum VEGF (vascular endothelial growth factor) besitzt. Dieses Protein entdeckte man bei Parapoxviren, die Schafe und gelegentlich auch Menschen infizieren und die eine ausgeprägte Proliferation des vasculären Endothels im Bereich der Pockenpusteln hervorrufen. Diese scheint direkt auf der Wirkung des mit VEGF homologen Virusprodukts zu beruhen. Wie es zu den schweren, oft tödlichen Erkrankungsverläufen kam, ist unklar. Sie können einerseits durch die Infektion der Pockenbläschen mit bakteriellen Eitererregern bedingt gewesen sein, die ein toxisches Schocksyndrom auslösten. Andererseits vermutet man, dass die Todesfälle durch die massive Cytokinfreisetzung (TNF-α, TGF-β und andere; 䉴 Kapitel 8) verursacht
19.6 Pockenviren
worden sind, welche die Herz- und Nierenfunktion beeinträchtigte. Die Schwarzen Pocken entstanden durch massive Blutungen in Haut und Schleimhäute sowie in die inneren Organe.
Immunreaktion Cytotoxische T-Lymphocyten, die infizierte Zellen nach der Erkennung von Komplexen aus HLA-Klasse-IProteinen und Peptiden, aus verschiedenen Virusproteinen eliminierten, waren schon frühzeitig nach der Infektion aktiv. Sie waren für die Eliminierung des Virus aus dem Organismus verantwortlich und blieben lange Zeit erhalten. Dass bei der frühen Bewältigung der Infektion cytotoxische T-Zellen eine entscheidende Rolle spielen, zeigt sich auch daran, dass nur bei Patienten mit einer Störung der zellulären Immunantwort bei Impfungen Komplikationen in Form von nekrotisierenden Vacciniavirusinfektionen auftraten. Neutralisierende IgG-Antikörper entwickelten sich erst später und waren gegen virale Oberflächenproteine gerichtet. Diese Kombination von zellulärer und humoraler Immunantwort schützte vor Reinfektionen, hielt aber nicht lebenslang an. Man beobachtete sowohl inapparente als auch leichte, als Variolois bekannte Verläufe.
Therapie und Prophylaxe Das Auftreten der Pocken ließ sich durch intradermale Lebendimpfungen mit dem Vacciniavirus im ersten und zwölften Lebensjahr verhindern (Scarifikation). Die absolute Immunität blieb ein bis zwei Jahre bestehen. Deswegen wurde bei Reisen in Pockenendemie- oder -epidemiegebieten nachgeimpft. Vier bis fünf Tage nach
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der Impfung mit dem Vacciniavirus bildete sich an der Inokulationsstelle durch die in den Zellen stattfindende Virusreplikation eine Anschwellung, in die in den folgenden Tagen Monocyten, Makrophagen und T-Lymphocyten einwanderten. Die Pustel vergrößerte sich bis zum zehnten Tag nach der Inokulation. In diesem Zeitraum zeigten sich auch eine Anschwellung der benachbarten Lymphknoten und leichtes Fieber. Drei Wochen nach der Impfung waren die Pusteln abgeheilt, hinterließen jedoch eine Narbe, die lebenslang eine erfolgreiche Impfung mit Vacciniaviren anzeigt. Schwere Impfkomplikationen waren relativ selten. Am häufigsten war ein generalisierter Hautausschlag, der bei etwa einer von 100 000 geimpften Personen auftrat und meist ohne Probleme abheilte. In immunsupprimierten Patienten beobachtete man in seltenen Fällen (1:1 000 000) eine progressive Vacciniavirusinfektion. Als weitere Komplikation trat bei etwa einem Fall pro 50 000 Impfungen eine postvaccinale Encephalitis auf, die sich durch perivenöse Entzündungen und Demyelinisierungen äußerte. Kürzlich wurden in Brasilien bei Melkern und Rindern Pockenerkrankungen beobachtet. Sie wurden durch eine Variante des Vacciniavirus (Cantegalovirus) verursacht, die aus einem bisher unbekannten Reservoir stammt und im Vergleich zu dem ursprünglich verwendeten Impfvirus durch Mutationen verändert ist. In der Zeit, in der man weltweit Menschen zur Ausrottung der Pocken mit den Vacciniaviren impfte, zeigte sich, dass Pferde und auch Schweine sehr empfänglich für Infektionen mit diesen für den Menschen attenuierten Viren sind. Die früher häufig beobachteten Erkrankungsbilder der Pferde- und Schweinepocken (nicht zu verwechseln mit der durch die Schweinepockenviren des
q Der nachlassende Impfschutz bereitet gelegentlich Probleme Heute gibt es in Deutschland keinen zugelassenen Vacciniavirusimpfstoff mehr. Das führt zu einigen Problemen. Rekombinante Vacciniaviren werden vermehrt zur gentechnischen Produktion von verschiedenen Proteinen in eukaryotischen Zellen eingesetzt. Da Vacciniaviren insbesondere bei Übertragung auf die Augenbindehaut bei nichtgeimpften, erwachsenen Personen zu symptomatischen Infektionsverläufen führen können, ist für Laborpersonal eine Wiederzulassung des Impfstoffes dringend zu fordern. Weiterhin vermittelt die Vacciniavirusimpfung aufgrund einer Kreuzimmunität auch Schutz vor den meisten tierischen Pockenviren. Da in der Bevölkerung der Schutz vor der Pockener-
krankung kontinuierlich abnimmt, besteht bei Personen, die häufig Umgang mit Klein- und Nagetieren haben (etwa bei Tierärzten) ein erhöhtes Infektionsrisiko. Auch die zunehmende Sorge, dass Variolaviren in bioterroristischen Anschlägen eingesetzt werden könnten und in einer Bevölkerung ohne vorhandenen Impfschutz Epidemien auslösen können, lässt die Frage nach einer Wiederzulassung der Pockenimpfung dringender werden. Deswegen hat man in den USA heute 260 Millionen Impfdosen gelagert, um bei möglichen Terroranschlägen große Teile der Bevölkerung schützen zu können.
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Genus Suipoxvirus verursachten Erkrankung) sind zeitgleich mit der Einstellung der Pockenimpfung beim Menschen praktisch verschwunden. Heute gibt es Überlegungen, die Pockenimpfung auf der Basis einer hoch attenuierten Variante des Vacciniavirus wieder einzuführen. Dabei handelt es sich um den Virusstamm MVA (modified vacciniavirus Ankara), der sich nach kontinuierlicher Passagierung des Vacciniavirus in Hühnerfibroblastenkulturen isolieren ließ. Das Genom dieses Virus umfasst nur 178 000 Basenpaare, sechs große Abschnitte sind deletiert, andere rearrangiert. Die Mutationen betreffen auch Gene für den viralen Interleukin-1β-Rezeptor und andere Produkte, die für die Virus-Wirtswechselwirkungen wichtig sind. Das MVA-Virus vermehrt sich lytisch nur in Hühnerfibroblasten, in Säugetierzellen erfolgt keine Morphogenese zu infektiösen Partikeln und somit keine Virusproduktion – in den Zellen werden jedoch Virusgene exprimiert, sodass eine humorale und zelluläre Immunantwort entsteht. Zur Behandlung der Pocken wurde in Feldversuchen mit Erfolg ein Semicarbazonderivat eingesetzt. Da Pockenviren heute als Erreger eingestuft werden, die eine potenzielle Gefahr bei bioterroristischen Anschlägen darstellen können, sucht man verstärkt nach neuen Therapeutika zur Behandlung der Pockeninfektionen. Cidofovir scheint wirksam zu sein. Immunglobulinpräparate, die Antikörper gegen Vacciniaviren enthalten, werden grundsätzlich zur Behandlung von Pockenvirusinfektionen, sowohl bei natürlichen Infektionen mit Orthopoxviren als auch bei Laborkontaminationen, empfohlen. Sie sind über das Centers of Disease Control (CDC) in Atlanta/USA erhältlich und können – bei rechtzeitiger Anwendung – Pockenvirusinfektionen erfolgreich eindämmen.
Das Molluscum-contagiosum-Virus Epidemiologie und Übertragung Molluscum contagiosum wurde erstmals gegen Ende des 18. Jahrhunderts beschrieben und 1817 als ein klinisches Erkrankungsbild definiert. 1905 konnte man zeigen, dass es durch ein Virus verursacht wird, das man 1930 der Familie der Pockenviren zuordnete. Bis heute konnte man vier Genotypen (MCV-1, MCV-1a, MCV-2, MCV3) identifizieren. Viren des Genotyps MCV-1 sind am weitesten verbreitet und verursachen vor allem bei Kindern und jungen Erwachsenen Infektionen der Haut (benigne epidermale Tumoren). MCV-2 wird bevorzugt sexuell übertragen und ist für Läsionen in der Genitalschleimhaut von Erwachsenen verantwortlich. Viren des Genotyps MCV-3 sind sehr selten. Normalerweise han-
delt es sich beim Molluscum contagiosum um eine lokale Erkrankung der Haut, die bei immundefizienten Personen gehäuft zu beobachten ist. Die Durchseuchung der Bevölkerung nimmt mit steigendem Alter zu und kann bei immunologisch Gesunden bis zu 40 Prozent, bei HIV-infizierten Patienten bis zu 90 Prozent erreichen. Die Übertragung des Virus erfolgt durch direkten Hautkontakt, durch kontaminierte Haushaltsgegenstände (beispielsweise Handtücher) oder – ähnlich wie bei den Papillomaviren – durch Autoinokulation von den infizierten Hautarealen auf andere Bereiche. Das Virus kann gelegentlich auch an Tiere, beispielsweise Pferde, weitergegeben werden und bei ihnen Krankheitserscheinungen auslösen.
Klinik Die Inkubationszeit bis zum Auftreten der ersten Hautveränderungen ist unterschiedlich. Beim Molluscum contagiosum handelt es sich um gutartige Tumoren, die überall im Hautbereich auftreten können und durch fleischfarbene Knotenbildung (Dellwarzen) gekennzeichnet sind. Aus den langsam entstehenden Knoten entleeren sich zerstörte Epithelzellen, die die Viren enthalten. Sie bilden sich bei Immunkomptenten in einem Zeitraum von durchschnittlich drei bis zwölf Monaten spontan wieder zurück.
Pathogenese Das Virus gelangt über kleine Hautverletzungen zur Basalschicht des Epithels. Von den infizierten Bereichen gehen Wucherungen aus. In den infizierten Zellen findet man Einschlusskörperchen, welche die Viren enthalten. Die zentrale Eindellung in den Knoten kommt durch den Zerfall der Epithelzellen zustande. Wie alle Pockenviren verfügt auch das Molluscum-contagiosum-Virus über etliche Genprodukte, die es ihm ermöglichen, der Immunantwort des Wirts auszuweichen: MC54L codiert für ein Protein, welches eine Homologie zum IL18-bindenden Protein des Menschen aufweist und antiinflammatorsch wirkt. Das MC148-Produkt ist ein antagonistisch wirkendes Protein, das sich an den Chemokinrezeptor 8 bindet und die Einwanderung von Makrophagen in die infizierten Hautareale behindert. Das MC159-Protein hemmt die Einleitung der Apoptose, indem es sich an die Fas-Proteine, an TNF und TRAIL (TNF-related apoptosis-inducing ligand) bindet. Das Genprodukt des Leserahmen MC80R ist ein Homolog zu MHC-Klasse-I-Proteinen, das aber keine Peptide mehr binden und präsentieren kann, weil die dafür wichtigen Aminosäuren durch Mutation verändert sind.
19.6 Pockenviren
Immunreaktion und Diagnose
Die Kuhpockenviren
Die infizierten Personen bilden im Erkrankungsverlauf virusspezifische Antikörper und cytotoxische T-Lymphocyten, Einzelheiten sind jedoch nicht bekannt. Aus dem gehäuften Auftreten des Molluscum contagiosum bei HIV-infizierten Patienten schließt man, dass die zelluläre Immunantwort für die Kontrolle der Infektion entscheidend ist. Die Diagnose wird meist klinisch gestellt, der Virusnachweis kann über die Polymerasekettenreaktion erfolgen.
Epidemiologie und Übertragung
Therapie und Prophylaxe Die Knoten des Molluscum contagiosum kann man chirurgisch oder durch Farblasertherapie entfernen. In klinischen Studien erwies sich der chemotherapeutische Einsatz von Imiquimod und Cidofovir als wirksam (䉴 Kapitel 9).
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Die Kuhpockenviren sind Vertreter der Orthopoxviren, zu denen neben den heute ausgerotteten Variolaviren auch die Affenpocken- (䉴 Abschnitt 19.6.5) und die Mauspockenviren zählen. Alle haben ein zoonotisches Potenzial und können von infizierten Tieren auf andere Arten und auch auf den Menschen übertragen werden. Die Bezeichnung Kuhpocken ist irreführend, da Rinder nur selten mit diesem Virus infiziert sind. Hauptwirte sind vielmehr Mäuse und andere Kleinnagetiere. Von ihnen kann das Virus auf viele Tierarten übertragen werden, darunter Rinder, Katzen und verschiedene Zootiere, insbesondere Elefanten und Nashörner. Auch der Mensch ist empfänglich für Infektionen mit den Kuhpockenviren, die bei ihm tödlich verlaufen können.
Klinik
19.6.6 Tierpathogene Pockenviren Viele Pockenviren sind wirtschaftlich wichtige Krankheitserreger bei Nutztieren. Einige dieser Viren besitzen ein zoonotisches Potenzial. Sie können von den infizierten Tieren auf Menschen übertragen werden und in Ausnahmefällen sogar zu tödlichen Erkrankungen führen, wie beispielsweise die Affen- oder Kuhpockenviren sowie das Orfvirus. Die meisten tierpathogenen Pockenviren spielen in Europa jedoch aufgrund erfolgreich durchgeführter Bekämpfungsprogramme nur noch eine untergeordnete Rolle. Dazu zählen auch die Schweinepockenviren, die als einzige dem Genus Suipoxvirus zugeordnet sind. Sie werden mechanisch durch Schweineläuse (Haematopinus spp.) übertragen. Die heute seltenen Krankheitsfälle verlaufen ausnahmslos leicht und transient.
Die Nagetierwirte sind in aller Regel klinisch inapparent infiziert. Außer den bereits erwähnten Spezies werden relativ häufig Katzen infiziert, bei denen sich nach einer Inkubationszeit von etwa zehn Tagen die Symptome meist auf vereinzelte Läsionen der Haut beschränken. Katzen, die zugleich mit immunsuppressiv wirkenden Erregern wie den felinen Leukose- und Immundefizienzviren (䉴 Abschnitt 18.1.6) oder den Viren der infektiösen Peritonitis der Katze (FIP-Viren; 䉴 Abschnitt 14.8.6) infiziert sind, können allerdings sehr schwer erkranken. Sie entwickeln häufig Lungenentzündungen sowie großflächige Läsionen und scheiden große Virusmengen aus. Besonders von diesen Katzen geht eine erhebliche Gefahr für den Menschen aus.
¡ Mauspockenviren verursachen Ectromelie Mauspockenviren zählen zu den Orthopoxviren. Sie verursachen bei bestimmten Mäusestämmen eine systemische Infektion – die Ectromelie – die mit einer hohen Mortalitätsrate verbunden ist. BALB/c- und C3H-Mäuse sind hochempfänglich und entwickeln eine schnell tödlich verlaufende Erkrankung, bei der vor allem Leber- und Milzzellen infiziert und zerstört werden. C57Bl/6-Mäuse erkranken
hingegen nur subklinisch oder entwickeln eine sich langsam etablierende chronische Infektion mit ulcerativen Dermatitiden an Schnauze, Füßen und Schwanz. Sie können das Virus leicht unerkannt in Bestände einschleppen, in denen es durch kontaminierte Einstreu oder die Hände des Pflegers weiter verbreitet wird. Beim Menschen verursachen die Mauspockenviren keine Erkrankungen.
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Pathogenese Die Infektion beginnt mit der Bildung einer lokalen primären Läsion an der Haut. Das Virus tritt in das Blut über und breitet sich virämisch aus, wobei sich sekundäre Läsionen entwickeln, die als prominente Papeln auf der Haut sichtbar werden. Aus den Papeln entstehen schorfige Läsionen, die normalerweise innerhalb weniger Wochen abheilen. In Ausnahmefällen kann sich aber eine generalisierte Infektion etablieren, in deren Folge die Viren sich in einer Vielzahl von Organen replizieren und vielfältige Krankheitszeichen verursachen können.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose wird durch Virusisolierung und/oder die Polymerasekettenreaktion gestellt. Eine erste Diagnose erfolgt in der Regel durch elektronenmikroskopische Darstellung von Pockenviruspartikeln in den Läsionen.
Bekämpfung und Prophylaxe Eine spezifische Immunprophylaxe ist nicht verfügbar, jedoch schützt die Impfung mit dem Vacciniavirus vollständig gegen Infektionen mit den Kuhpockenviren. Nahezu alle Elefanten in deutschen Zoos werden daher mit Vacciniaviren des hoch attenuierten Stamms MVA geimpft (䉴 Abschnitt 19.6.5).
Die Ziegenpockenviren, die Schafpockenviren und das Lumpyskin-Disease-Virus
Epidemiologisch wichtig für alle Virustypen ist die große Stabilität der Erreger, die in den abgeschilferten Pockenläsionen (Scabs) über Wochen und Monate infektiös bleiben. Ihre Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt der Tiere miteinander oder mit den Scabs, möglicherweise aber auch durch stechende Insekten. Übertragungen dieser Viren auf den Menschen wurden bisher nicht beobachtet.
Klinik Die Schaf- oder Ziegenpockenviren verursachen eine systemische Infektion, die mit einer hohen Mortalität von bis zu 50 Prozent einhergehen kann. Die LumpyskinDisease der Rinder ist eine systemische Infektion, die mit einer generalisierten Lymphadenopathie und Knotenbildung in der Haut des gesamten Körpers einhergeht. Die Morbidität ist hoch, die Mortalität dagegen gering. Die wirtschaftliche Relevanz der Erkrankung beruht nicht auf den akuten Symptomen, sondern auf der langen Rekonvaleszenz der Rinder und den damit verbundenen Leistungseinbrüchen.
Pathogenese Die Infektion erfolgt über mechanische Verletzungen, durch stechende Insekten oder über den Respirationstrakt. Nach einer initialen Vermehrung am Infektionsort kommt es zu einer Vermehrung in den benachbarten Lymphknoten, von denen aus sich die Viren über das Blut in viele Organe ausbreiten und auch an die Haut gelangen. Hier kommt es dann zu der Ausbildung der charakteristischen Papeln und Knötchen.
Epidemiologie und Übertragung
Bekämpfung und Prophylaxe
Im Genus Capripoxvirus sind verschiedene Pockenviren zusammengefasst, die unter anderem kleine Wiederkäuer (Schafe, Ziegen) und Rinder infizieren. Ihre Verbreitung beschränkt sich fast ausschließlich auf Afrika, außerhalb dieses Kontinents hat man nur in Indien Infektionen mit Capripoxviren in Ziegen und Schafen gefunden. Die Ziegenpockenviren sind bis heute weder serologisch noch molekularbiologisch von den Schafpockenviren zu unterscheiden. Beide Arten zeigen jedoch einen spezifischen Tropismus für die Infektion der jeweiligen Wirte. Ein weiteres Pockenvirus, das ebenfalls nicht von den Schaf- und/oder Ziegenpocken differenzierbar ist, verursacht in Rindern die Lumpyskin Disease. Auch diese Erkrankung ist auf Afrika beschränkt, das Reservoir sind Wildwiederkäuer, möglicherweise Kaffernbüffel. Nur einmal wurde sie außerhalb des afrikanischen Kontinents beschrieben, nämlich in Israel.
In Gebieten, in denen das Lumpyskin-Disease-Virus endemisch ist, wird erfolgreich mit einer attenuierten Lebendvakzine beziehungsweise einer Vakzine basierend auf Schaf- und Ziegenpockenviren geimpft. In Deutschland sind Infektionen mit den Capripoxviren anzeigepflichtig, einer möglichen Einschleppung wird mit rigorosen Quarantänemaßnahmen vorgebeugt. Europa ist seit vielen Jahren frei von Schaf- und Ziegenpocken.
Das Myxomatosevirus Epidemiologie und Übertragung Das Myxomatosevirus wird dem Genus Leporipoxvirus zugeordnet. Es ist weltweit verbreitet und das wichtigste virale Kaninchenpathogen. In Wildkaninchen auf dem amerikanischen Kontinent verursacht es nur lokale, gut-
19.6 Pockenviren
artige Tumoren, wohingegen es in europäischen Kaninchen (Oryctolagus cunniulus) eine schwere Erkrankung mit hoher Sterblichkeit hervorruft. Die Übertragung erfolgt durch Fliegen, Flöhe, Läuse, Zecken und andere Insekten, die den Erreger mechanisch von Tier zu Tier verschleppen. Auch ist eine direkte Übertragung durch die Sekrete und Ausscheidungsprodukte der infizierten Kaninchen möglich. Vor etwa 60 Jahren, um 1950, wurde das Myxomatosevirus als erster Infektionserreger zur biologischen Bekämpfung eines Schädlings eingesetzt, nämlich der Kaninchen, die aus Europa auf den ursprünglich kaninchenfreien australischen Kontinent eingeführt worden waren. Retrospektiv betrachtet hatte diese Maßnahme zunächst einen durchschlagenden Erfolg. Langfristig kam es jedoch nicht zur Ausrottung der Kaninchen, sondern zu einer ungewollten Anpassung des Virus an den Wirt (Attenuierung) sowie zu einer Selektion resistenter Kaninchenlinien. Die Kaninchenpopulationen erholten sich, die Australier brachten schließlich 1996 ein neues Virus aus, nämlich das Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche, das zu den Caliciviren zählt (䉴 Abschnitt 14.3.6). Auch dieses konnte das Kaninchenproblem nicht befriedigend lösen. Der Mensch ist für das Myxomatosevirus nicht empfänglich.
Klinik Die Inkubationszeit beträgt wenige Tage. Die klassischen Symptome der Kaninchenmyxomatose sind generalisierte Ödeme, insbesondere am Kopf – deswegen die Bezeichnung Löwenkopf – und in der Anogenitalregion. Die meisten Kaninchen sterben innerhalb von wenigen Tagen. Bei überlebenden Tieren wird häufig die Organisation der subcutanen Ödeme zu gelatinösen Einlagerungen in die Gewebe beobachtet, denen die Krankheit ihren Namen verdankt.
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Bekämpfung und Prophylaxe Es sind Vakzinen auf der Basis attenuierter Impfvirusstämme verfügbar, die eine belastbare Immunität induzieren. Eine jährliche Revakzinierung ist erforderlich.
Das Orfvirus Epidemiologie und Übertragung Das weltweit verbreitete Orfvirus verursacht bei Schafen und Ziegen die ansteckende pustulöse Dermatitis. Eine ähnliche Erkrankung ist die papulöse Stomatitis der Rinder (Pseudokuhpocken). Die Pseudokuhpockenviren spielen jedoch im Vergleich zu den Orfviren eine untergeordnete Rolle. Der Name Orf kommt aus der altenglischen Sprache und bedeutet rau. Das Orfvirus verursacht beim Menschen zoonotische Infektionen, die lokal begrenzt sind und ausnahmslos mild verlaufen. Das Virus wird durch direkten Kontakt oder durch Insekten übertragen, die Infektion erfolgt durch kleine Hautverletzungen.
Klinik Die Inkubationszeit beträgt wenige Tage. Die Tiere entwickeln dann das Bild der pustulösen Dermatitis, die durch lokale Veränderungen der Schleimhaut am Maul und an der Nase gekennzeichnet ist. In schweren Fällen können erkrankte Lämmer verhungern, weil die schmerzhaften Läsionen die Futteraufnahme behindern. Seltener finden sich Läsionen auch an den Klauen oder am Euter.
Pathogenese Die Orfvirusinfektion ist lokal begrenzt, es kommt zu keiner systemischen Ausbreitung des Virus.
Pathogenese
Immunreaktion und Diagnose
Die Pathogenese ist typisch für eine systemische Pockenvirusinfektion. Das Virus gelangt über Insekten auf die Schleimhäute, repliziert in den lymphatischen Geweben und breitet sich systemisch aus. Der Krankheitsverlauf ist in der Regel akut, die Tiere verenden innerhalb weniger Tage.
Die Diagnose wird durch den elektronenmikroskopischen Nachweis der Viruspartikel in den Läsionen (Hautgeschabsel) oder mittels Polymerasekettenreaktion gestellt.
Diagnose und Immunreaktion
Eine Impfung ist mit attenuierten Virusstämmen möglich, sie induziert jedoch nur eine kurzfristige Immunität. Setzt man sie bei Mutterschafen vor dem Lammen ein, dann sind die Lämmer während der ersten Lebenswochen durch maternale Antikörper in der Milch geschützt.
Das klinische Bild ist in der Regel eindeutig. Die Virusdiagnose kann jedoch leicht durch elektronenmikroskopische Darstellung der Viruspartikel in den Läsionen gestellt werden.
Bekämpfung und Prophylaxe
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
19.6.7 Weiterführende Literatur Alcami, A.; Smith, G. L. Cytokine receptors encoded by poxviruses: a lession in cytokine biology. In: Immunology Today 16 (1995) S. 474–478. Artenstein, A. W. New generation smallpox vaccines: a review of preclinical and clinical data. In: Rev. Med. Virol. 18 (2008) S. 217–231. Beck, C. G.; Studer, C.; Zuber, J.-F.; Demange, B. J.; Manning, U.; Urfer, R. The viral CC chemokine-binding protein vCCI inhibits monocyte chemoattractant protein-1 activity by masking its CCR2B-binding site. In: J. Biol. Chem. 276 (2001) S. 43270–43276. Benhnia, M. R.; McCausland, M. M.; Moyron, J.; Laudenslager, J.; Granger, S.; Rickert, S.; Koriazova, L.; Kubo, R.; Kato, S.; Crotty, S. Vaccinia virus extracellular envelopedvirion neutralization in vitro and protection in vivo depend on complement. In: J. Virol. 83 (2009) S. 1201–1215. Byrd, C. M.; Hruby, D. E. Vaccinia virus proteolysis–a review. In: Rev. Med. Virol. 16 (2006) S. 187–202. Condit, R. C.; Moussatche, N.; Traktman, P. In a nutshell: structure and assembly of the vaccinia virion. In: Adv. Virus Res. 66 (2006) S. 31–124. Earley, A. K.; Chan, W. M.; Ward, B. M. The vaccinia virus B5 protein requires A34 for efficient intracellular trafficking from the endoplasmic Retikulum to the site of wrapping and incorporation into progeny virions. In: J. Virol. 82 (2008) S. 2161– 2169. Fenner, F. Adventures with poxviruses of vertebrates. In: FEMS Microbiol. Rev. 24 (2000) S. 123–133. Gould, D. An overview of molluscum contagiosum: a viral skin condition. In: Nurs Stand. 22 (2008) S. 45-48. Herrlich, A. Die Pocken, Erreger, Epidemiologie und klinisches Bild. Stuttgart (Thieme) 1967. Hollinshead, M.; Rodger, G.; Eijl, H. van; Law, M.; Hollinshead, R.; Vaux, D. J. T.; Smith, G. L. Vaccinia virus utilizes microtubules for movement to the cell surface. In: J. Cell Biol. 154 (2001) S. 389–402. Lefkowitz, E. J.; Wang, C.; Upton, C. Poxviruses: past, present and future. In: Virus Res. 117 (2006) S. 105–118. Liu, Y.; Wolff, K. C.; Jacobs, B. L.; Samuel, C. E. Vaccinia virus E3L interferon resistence protein inhibits the interferon-induced adenosid deaminase A-to-I editing activity. In: Virol. 289 (2001) S. 378–387. Markine-Goriaynoff, N.; Gillet, L.; Van Etten, J. L.; Korres, H.; Verma, N.; Vanderplasschen, A. Glycosyltransferases encoded by viruses. In: J. Gen. Virol. 85 (2004) S. 2741–2754. Mayr, A.; Hochstein-Mintzel, V.; Stickl, H. Abstammung, Eigenschaften und Verwendung des hochattenuierten VacciniaStammes MVA. In: Infection 3 (1975) S. 6–14. Meyer, H.; Pfeffer, M.; Rziha, H. J. Sequence alterations within and downstream of the A-type inclusion protein genes allow differentiation of Orthopoxvirus species by polymerase chain reaction. In: J. Gen. Virol. 75 (1994) S. 1975–1981. Meyer, H.; Sutter, G.; Mayr, A. Mapping of deletions in the genome of the highly attenuated vaccinia virus MVA and their influence on virulence. In: J. Gen. Virol. 72 (1997) 1031– 1038.
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19.7 Asfarviren
19.7 Asfarviren
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Fischen und Amphibien. Erst neue Erkenntnisse zur Genomstruktur machten es notwendig, für das Virus der afrikanischen Schweinepest eine eigene Familie zu etablieren.
19.7.2 Aufbau Viruspartikel
19.7.1 Einteilung und charakteristische Vertreter Die Virusfamilie der Asfarviridae enthält nur ein Genus (Asfivirus) mit einem einzigen Vertreter (䉴 Tabelle 19.23), nämlich das Virus der afrikanischen Schweinepest (African Swine Fever Virus, ASFV). Es ist zugleich auch das einzige bekannte Virus mit einem DNA-Genom, dessen Verbreitung durch Zeckenbisse erfolgt. Das Virus der afrikanischen Schweinepest wurde erstmals 1921 in Ostafrika beschrieben. Heute ist es auch im südlichen Afrika und auf Sardinien endemisch. Verschiedene Seuchenausbrüche wurden jedoch auch in anderen Ländern beobachtet, 1960 in Frankreich und Italien, 1970 in Südamerika und der Karibik sowie 1986 in Holland. Im Jahre 2007 wurde das Virus nach Georgien verschleppt. Von dort ausgehend wurden auch Ausbrüche in die Nachbarstaaten berichtet. Die Biologie der Asfarviren ist verglichen mit anderen Tierseuchenerregern wenig untersucht, nicht zuletzt auch deshalb, weil keine humanpathogenen Vertreter bekannt sind. Das Virus der afrikanischen Schweinepest war lange Zeit als Iridovirus klassifiziert; diese Virusfamilie umfasst zahlreiche Infektionserreger von Insekten, Tabelle 19.23 Charakteristische Vertreter der Asfarviren Genus
Tier
Asfivirus
Virus der afrikanischen Schweinepest
Die membranumhüllten Virionen der Asfarviren haben einen Durchmesser von etwa 200 nm und einen sehr komplexen Aufbau (䉴 Abbildung 19.36). Die äußere Hüllmembran leitet sich von der Cytoplasmamembran der infizierten Zelle ab. Die ikosaedrischen Capside bestehen insgesamt aus 1 892 bis 2 172 Capsomeren, welche jeweils einen Durchmesser von 13 nm haben und sich aus verschiedenen Proteinen zusammensetzen. Bisher sind im Genom des Asfivirus 17 offene Leserahmen identifiziert worden, die für Strukturproteine codieren. Zwei der gebildeten Proteine (pp220 und pp60) werden durch eine virale Protease weiter prozessiert. Eingeschlossen in das Capsid ist eine zylindrische Struktur, das Core, welches das mit Proteinen komplexierte Virusgenom enthält. Dieses Core ist von einer inneren Hüllmembran umgeben, die sich von der Membran des endoplasmatischen Reticulums ableitet. Man hat Hinweise, dass diese innere Membran als Lipideinzelschicht vorliegt.
Genom und Genomaufbau Das Genom der Asfarviren besteht aus linearer, doppelsträngiger DNA mit einer Länge von 170 000 bis 190 000 Basenpaaren. An den durch kovalente Bindung geschlossenen Enden findet man inverted terminal repeats, die den ITR-Elementen der Pockenviren ähneln. Die ITRs haben eine Länge von 2 100 bis 2 500 Basenpaare und sind an den Enden über Haarnadelstrukturen mit einer Länge von 37 Nucleotiden kovalent geschlossen. Bisher sind die Genome von zehn Asfivirusisolaten vollständig sequenziert. Beide DNA-Stränge sind codierend, insgesamt fand man 160 bis 175 offene Leserahmen. Etwa ein Drittel des Genoms wird durch sechs Multigenanordnungen repräsentiert, deren Funktion unklar ist: Es handelt sich um Bereiche, in denen offene Leserahmen mit zueinander sehr ähnlichen Sequenzen in verschiedener, für die jeweiligen Isolate spezifischer Kopienzahl vorliegen. Möglicherweise entstanden diese Genfamilien durch Duplikationsereignisse. Die Regionen in der Genommitte und am linken Ende sind bei den einzelnen Virusisolaten konserviert. Der Bereich am linken Genom codiert für die Multigenfamilie 110.
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Nucleoprotein Genom dsDNA
DNAProteinKomplex
Coreproteine
innere Hüllmembran 1 Matrix
innere Hüllmembran 2 Capsid virale Enzyme und regulatorisch aktive Proteine
äußere Hüllmembran
19.36 Schematische Darstellung eines Asfarviruspartikels. Die Viren haben einen komplexen ikosaedrischen Aufbau. Der Komplex aus dem doppelsträngigen, an den Enden kovalent geschlossenen DNA-Genom und Nucleoproteinen ist von einer inneren Hüllmembran (innere Hüllmembran 2) umgeben, mit der eine Schicht aus Matrixproteinen assoziiert ist. Eine weitere Hüllmembran (innere Hüllmembran 1) und das Capsid schließen diese Partikel ein. Außen folgt schließlich die äußere Hüllmembran.
19.7.3 Virusproteine Das Asfarvirusgenom enthält die genetische Information für die Synthese von fast 200 Proteinen, die hinsichtlich ihrer Funktion und Eigenschaften kaum charakterisiert sind. Dazu zählen auch die für die Virusvermehrung notwendigen Enzyme für die Transkription der Virusgene und die DNA-Replikation. Asfarviren sind bei diesen Prozessen weitgehend unabhängig von den Leistungen der Wirtszellen. Eine ähnliche Autonomie findet man sonst nur bei den Pockenviren. Etwa 70 bis 85 Proteine sind für die Virusreplikation nicht essenziell; einige davon haben die Aufgabe, den Erregern das Ausweichen vor der Immunabwehr der Wirte zu ermöglichen. Den Produkten der Multigenfamilie 110 werden aufgrund einer hochkonservierten cysteinreichen Domäne wichtige Funktionen in einer oxidierenden Umgebung zugesprochen – wie sie im endoplasmatischen Reticulum anzutreffen ist. Zudem verfügen diese Proteine über Signalpeptide als weiteren Hinweis auf ihre Lokalisierung in diesem Zellkompartiment.
19.7.4 Replikation Obwohl man davon ausgeht, dass die Viren der afrikanischen Schweinepest für alle Enzyme codieren, die für die DNA-Replikation notwendig sind, ist die Genomreplikation auf nucleäre Funktionen der Wirtszelle angewiesen, die bisher noch nicht charakterisiert sind. Die Asfarviren ähneln in dieser Abhängigkeit den Iridoviren, deren DNA-Replikation ebenfalls im Zellkern beginnt. Alle weiteren Schritte der Virusreplikation finden perinucleär im Cytoplasma der infizierten Zelle statt. Man nimmt an, dass die DNA-Replikation der Asfarviren in einem dem rolling circle-Mechanismus ähnlichen Vorgang erfolgt, bei dem konkatemere Strukturen aus vielfachen Genomeinheiten entstehen. Sie werden – ähnlich wie bei der Replikation der Herpes- und Pockenviren (䉴 Abschnitt 19.5 und 19.6) – danach in Einzelgenome gespalten, welche dann in die neuen Viruspartikel verpackt werden. Die Morphogenese erfolgt in Virusfabriken, die in ihrer Struktur Aggresomen ähneln und als parakristalline Einschlusskörperchen im Cytoplasma in der Nähe der Kernmembran nachweisbar sind. Der Prozess schließt den Einbau von Membranstrukturen ein, die dem benachbarten endoplasmatischen Reticulums entnommen werden. Als letzten Schritt der Partikelreifung
19.7 Asfarviren
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¡ Aggresom Aggresomen sind proteinhaltige Einschlusskörperchen, die man im Cytoplasma findet, wenn die zellulären Abbauwege gestört oder überlastet sind. Sie entstehen durch aktiven Transport nahe dem mikrotubulibildenden Zentrum (MTOC) in der Nähe des Zellkerns, wenn sich in der Zelle so große Mengen abnormaler, geschädigter oder falsch gefalteter
findet man die Kondensierung des Cores mit der Verpackung des Virusgenoms in das bis dahin leere Capsid. Die neu gebildeten Viren werden durch Knospung an der Plasmamembran von der Zelloberfläche abgegeben.
19.7.5 Tierpathogene Asfarviren Das Virus der afrikanischen Schweinepest (African Swine Fever Virus, ASFV) Epidemiologie und Übertragung In Gebieten mit endemischer Verbreitung der afrikanischen Schweinepest (südliches Afrika und Sardinien) werden die Viren durch Zecken der Gattung Ornithodoros übertragen. In Afrika handelt es sich dabei um die Art O. moubata, auf Sardinien hingegen um O. erraticus. Das Virus infiziert ausschließlich Schweine. In Afrika sind Warzenschweine subklinische Träger, das Virus persistiert in ihnen lebenslang. Hausschweine erkranken im Gegensatz zu Warzenschweinen akut und scheiden das Virus in hohen Titern mit allen Sekreten und Exkreten aus. Man geht davon aus, dass in Afrika die meisten Warzenschweinpopulationen infiziert sind und dass auch bis zu 25 Prozent aller Ornithodoros-Zecken viruspositiv sind – die Infektion ist also sehr weit verbreitet. Die Viren vermehren sich in den Zecken und infizieren dabei auch die Gonaden, sodass eine transovarielle Übertragung auf die Folgegeneration möglich ist. Die Zecken scheiden das Virus über die Faeces und das Sekret der Speicheldrüsen aus. Vom afrikanischen Kontinent aus wurde die afrikanische Schweinepest in den vergangenen Jahren in etliche Länder importiert, die zuvor als frei von der Infektion galten; dazu zählen auch die Inseln Mauritius und Madagaskar. Durch Fleisch von infizierten Schweinen, das in der Form von Speise-
Proteine anhäufen, dass sie der ubiquitinvermittelte Abbauweg der Proteasomen nicht mehr bewältigen kann. Häufig sind sie von einem „Käfig“ aus Vimentin umgeben. Es scheint eine Verbindung zur zellulären Autophagie zu geben. Die Aggresomen stellen somit eine Art intrazelluläres Depot für Proteinabfall dar.
resten an Stallschweine verfüttert wurde, wurde das Virus auch in die USA und in verschiedene europäische Länder eingeschleppt. Ein größerer Ausbruch wurde 2007 in Georgien registriert; von dort erfolgte der Import des Virus in verschiedene Nachbarstaaten. Seitdem hat sich bis Ende 2009 die Infektion ständig weiter ausgebreitet und es wurden Ausbrüche in Russland bekannt. Eine mögliche Einschleppung in die Staaten der Europäischen Gemeinschaft wird mit großer Sorge beobachtet.
Klinik Die afrikanische Schweinepest äußert sich typischerweise als akute bis perakute Allgemeininfektion, die von den Symptomen der klassischen Schweinepest (䉴 Abschnitt 14.5) nicht zu unterscheiden ist. Pathologisch lassen sich – in Kombination mit Thrombo- und Lymphopenien – petechiale Blutungen als Folge von disseminierter intravasaler Gerinnung (DIC) in nahezu allen Geweben nachweisen. Die Tiere zeigen nach einer Inkubationszeit von etwa vier bis fünf Tagen hohes Fieber, Diarrhoe, respiratorische Symptome und Cyanose. Sie verenden innerhalb weniger Tage oder erholen sich und bleiben dann lebenslange Virusträger und -ausscheider.
Pathogenese Das Virus vermehrt sich nach Aufnahme durch den Nasen- und Rachenraum zunächst in den Tonsillen und im lymphatischen Gewebe des Nasopharynx. Im Rahmen einer ersten Virämie repliziert es sich in den Monocyten und Makrophagen und wird in hohen Konzentrationen in nahezu allen Sekreten und Exkreten ausgeschieden. Früh sind in den infizierten Tieren Läsionen in den Blut- und Lymphgefäßen zu finden. In perakuten oder akuten Infektionen findet man Blutungen und hämorrhagische Infiltrationen der Lymphknoten sowie petechiale Blutungen in der Haut und
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19 Viren mit doppelsträngigem DNA-Genom
Schleimhaut. In protrahiert verlaufenden Fällen zeigen die Tiere Hautulcera, Gastroenteritiden sowie Pneumonien. Die Läsionen sind nicht direkt durch die lytische Virusvermehrung in den Endothelien verursacht: Sie werden immunpathogenetisch durch Cytokine, vor allem IL-1, IL-6 und TNF-α, hervorgerufen, die von den infizierten Makrophagen und Monocyten abgegeben werden. Diese immunpathogenetische Ursache der disseminierten intravasalen Gerinnung findet man auch bei anderen Virusinfektionen, wie bei den durch Riftvalley-Fieber- oder Dengueviren verursachten hämorrhagischen Fieber (䉴 Abschnitte 14.5 und 16.2). Das Virus der afrikanischen Schweinepest verfügt über zahlreiche Proteine, die ihm eine Immunevasion ermöglichen. In diesem Fall bewirken die Mechanismen, die es dem Virus ermöglichen der Immunabwehr zu entgehen, dass die mit dem Virus der afrikanischen Schweinepest infizierten Tiere keine neutralisierenden Antikörper bilden. Ein Teil der für die Virus-replikation nicht essenziellen Proteine interferiert dabei über drei unterschiedliche Wege mit der Immunabwehr: (I) die Herunterregulierung der NFκB-vermittelten Signalkaskade, die zur Transkription verschiedener Cytokine notwendig ist; (II) die Verhinderung der Apoptose durch einige Virusproteine, die eine große Ähnlichkeit zu den Apoptoseinhibitoren der IAP-Familie (IAP = inhibitor of apoptosis protein) zeigen; (III) die Produktion des Virusproteins EP402R, das Ähnlichkeit zum Adhäsionsmolekül CD2, aufweist. CD2 ist für die Bindung des Virus an Erythrozyten verantwortlich. Die Bindung von EP402R bewirkt eine Maskierung des Virus und schützt es vor der immunologischen Abwehr.
Immunreaktion und Diagnose Im Verlauf der Infektion werden keine neutralisierenden Antikörper gebildet, somit bildet sich in den Tieren auch keine Schutzreaktion basierend auf der humoralen Immunantwort. Dies hat die Entwicklung guter Impfstoffe entscheidend behindert. Es bleibt zu zeigen, ob durch geeignete Vektorvakzinen eine belastbare zelluläre Immunität induziert werden kann. Die Virusisolierung und -züchtung ist in primären Schweinezellen möglich. Das Virus repliziert sich nach Adaptation auch in einer Reihe von Zelllinien. Die Erreger kann man anschließend im Hämadsorptionstest nachweisen. Alternativ – oder zur Bestätigung – ist der Nachweis viraler Proteine in mononukleären Zellen aus den Lymphknoten oder der Milz möglich. Des Weiteren kann man die Virusgenome mittels der Polymerasekettenreaktion nachweisen.
Bekämpfung und Prophylaxe Die afrikanische Schweinepest ist in Deutschland anzeigepflichtig. Im Falle eines Ausbruchs sind umfangreiche Bestandssperren und Tötungsmaßnahmen vorgesehen. Es ist kein Impfstoff verfügbar.
19.7.6 Weiterführende Literatur Burrage, T. G.; Lu, Z.; Neilan, J. G.; Rock, D. L.; Zsak, L. African Swine Fever Virus Multigene Family 360 Genes Affect Virus Replication and Generalization of Infection in Ornithodoros porcinus Ticks. In: J. Virol. 78 (2004) S. 2445–2453. Costard, S.; Wieland, B.; de Glanville, W.; Jori, F.; Rowlands, R.; Vosloo, W.; Roger, F.; Pfeiffer, D. U.; Dixon, L. K. African swine fever: how can global spread be prevented? In: Philos. Trans. R. Soc. Lond. B. Biol. Sci. 364 (2009) S. 2683–2696. Dixon, L. K.; Abrams, C. C.; Chapman, D. G.; Zhang, F. African swine fever virus. In: Mettenleiter, T. C.; Sobrino, F. (Hrsg.) Animal viruses. Molecular Biology. Caister Academic Press (2008) S. 457–521. Greiser-Wilke, I.; Blome, S.; Moennig, V. Diagnostic methods for detection of Classical swine fever virus–status quo and new developments. In: Vaccine 25 (2007) S. 5524–5530. Hawes, P. C.; Netherton, C. L.; Wileman, T. E.; Monaghan, P. The envelope of intracellular African swine fever virus is composed of a single lipid bilayer. In: J. Virol. 82 (2008) S. 7905– 7912. Netherton, C.; Rouiller, I.; Wileman, T. The Subcellular Distribution of Multigene Family 110 Proteins of African Swine Fever Virus Is Determined by Differences in C-Terminal KDEL Endoplasmic Reticulum Retention Motifs. In: J. Virol. 78 (2004) S. 3710–3721. Plowright, W.; Thomson, G. R.; Neser, J. A. African swine fever. In: Coetzer, J. A. W.; Thomson, G. R.; Tustin, R. C. (Hrsg.) Infectious Diseases of Livestock with special reference to Southern Africa. Oxford University Press 2005. Tulman, E. R.; Rock, D. L. Novel virulence and host range genes of African swine fever virus. In: Curr. Opin. Microbiol. 4 (2001) S. 456–461. Yanez, R. J.; Rodriguez, J. M.; Nogal, M. L.; Yuste, L.; Enriquez, C.; Rodriguez, J. F.; Vinuela, E. Analysis of the complete nucleotide sequence of African swine fever virus. In: Virology 208 (1995) S. 249–278. Zhang, F.; Hopwood, P.; Abrams, C. C.; Downing, A.; Murray, F.; Talbot, R.; Archibald, A.; Lowden, S.; Dixon, L. K. Macrophage transcriptional responses following in vitro infection with a highly virulent African swine fever virus isolate. In: J. Virol. 80 (2006) S. 10514–10521.
20 Viren mit einzelsträngigem DNA-Genom Bisher sind unter den human- und tierpathogenen Viren nur wenige bekannt, deren Genom als einzelsträngige DNA vorliegt: die Parvoviridae verfügen über eine lineare, die Circoviridae und die erst kürzlich geschaffene Familie der Anelloviridae über eine zirkulär vorliegende Einzelstrang-DNA. Eine zirkuläre, einzelsträngige DNA zeichnet auch die Geminiviridae aus, sie infizieren jedoch ausschließlich Pflanzen. Circoviren sind virale
20.1 Parvoviren
Pathogene in Pflanzen und verschiedenen Tieren (Affen, Schweinen und Geflügel). 1997 konnte man erstmals ein zirkuläres, einzelsträngiges DNA-Virus, das TT-Virus, aus dem Menschen isolieren. Es wird heute zu den Anelloviren gruppiert und persistiert ähnlich wie das etwas später entdeckte TTM-Virus in den meisten Menschen und scheint keine Erkrankungen zu verursachen.
den Parvoviren kennt man heute drei humanpathogene Spezies, nämlich das Parvovirus B19, das humane Bocavirus und Parv4. Daneben existiert eine große Zahl von tierpathogenen Parvoviren, die sowohl in der Hausals auch in der Nutztierhaltung von großer Bedeutung sind. Die Vermehrungsfähigkeit der adenoassoziierten Viren (AAV) ist von der Anwesenheit von Helferviren abhängig, ihre Infektionen scheinen aber asymptomatisch zu verlaufen.
20.1.1 Einteilung und charakteristische Vertreter
Parvoviren (parvus = klein) gehören zu den kleinsten bekannten Viren. Sie sind außerordentlich resistent gegen äußere Einflüsse und Detergenzien, haben ein enges Wirtsspektrum und einen ausgeprägten Tropismus für die Infektion von sich teilenden Zellen. Unter
Die Familie der Parvoviridae umfasst zwei Unterfamilien (䉴 Tabelle 20.1): die Parvovirinae und die Densovirinae. Zu Ersterer gehören fünf Genera: 1. Die Dependoviren mit den adenoassoziierten Viren (AAV) infizieren auch den Menschen. Sie können sich nur dann replizieren und einen produktiven Infektionszyklus einleiten, wenn die Zellen zugleich mit einem Helfervirus (Adeno-, Vaccinia- oder Herpesvirus) infiziert sind. Ihre produktive Vermehrung ist also auf die Coinfektion mit diesen Viren angewiesen. Alternativ können die Dependoviren eine
20
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20 Viren mit einzelsträngigem DNA-Genom
Tabelle 20.1 Charakteristische Vertreter der Parvoviren Unterfamilie
Genus
Parvovirinae
Parvovirus
Mensch
Tier felines Panleukopenievirus* canines Parvovirus (CPV-2)* Nerzenteritisvirus* porcines Parvovirus Minute Virus of Mice
Erythrovirus
Parvovirus B19 Parv4**
Parvovirus der Javaneraffen Parvovirus der Rhesusaffen Parvovirus der Schweinsaffen Parvovirus des Streifenhörnchens (Chipmunk)
Bocavirus
humanes Bocavirus
bovines Parvovirus (Typ 1) Canine-Minute-Virus (CPV-1)
Amdovirus Dependovirus
Densovirinae
Virus der Aleutenkrankheit der Nerze (Aleutian mink disease Virus) adenoassoziierte Viren (AAV-2,-3,-5)
Densovirus Iteravirus Brevidensovirus
bovines AAV adenoassoziierte Viren der Affen (AAV-1, AAV-4) Gänseparvovirus Culex-pipiens-Densovirus Bombyx-mori-Densovirus Aedes-aegypti-Densovirus
* Das feline Panleukopenievirus, das canine Parvovirus und das Nerzenteritisvirus fasst man häufig unter der Bezeichnung „feline Parvoviren“ zusammen. ** Die Einordnung des Virus Parv4 ist noch nicht endgültig geklärt.
latente Form der Infektion etablieren, indem sie sich in das Wirtszellgenom integrieren. 2. Das Genus Erythrovirus umfasst autonome Parvoviren, die kein Helfervirus benötigen und einen ausgeprägten Tropismus für die Infektion von Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen besitzen. Zu diesem Genus gehört das humanpathogene Parvovirus B19, das die Ringelröteln verursacht und vermutlich das Virus Parv4, das erst kürzlich in menschlichem Blut und Blutprodukten gefunden wurde. Eine Integration der viralen DNA in das Wirtszellgenom wurde bisher weder bei ihnen noch bei den Vertretern der anderen Gattungen der Parvovirinae gefunden, die ebenfalls unabhängig von der Anwesenheit von Helferviren sind. 3. Im Genus Parvovirus findet man tierpathogene Erreger, die bei Haus- und Nutztieren schwere Erkrankungen verursachen können. Sie sind in der Regel sehr wirtsspezifisch, Übertragungen auf den Menschen werden nicht beobachtet. Im Gegensatz zu den Erythroviren verursachen sie vor allem Enteritiden und Myocarditiden. Neben dem caninen Parvovirus, das heute die wichtigste Infektionskrankheit des Hundes verursacht, und dem felinen Panleukopenievirus, das bei Katzen die Katzenseuche hervorruft, ist
hier besonders das porcine Parvovirus zu nennen: Es ist für wirtschaftlich bedeutende Fruchtbarkeitsstörungen beim Schwein verantwortlich. Andere Vertreter der Gattung Parvovirus sind von untergeordneter Bedeutung, auch wenn sie im Einzelfall eine klinisch apparente Infektion bei der betreffenden Tierart induzieren können. Als ein gut untersuchter Prototyp gilt das Minute Virus of Mice. An diesem Modellvirus, das als Tierpathogen keine Rolle spielt, wurden die meisten molekularbiologischen Vorgänge bei der Replikation und Transkription geklärt. Von ihm existieren mehrere Stämme, die überwiegend asymptomatische Infektionen bei Mäusen verursachen. 4. Das Genus Amdovirus enthält ebenfalls nur tierpathogene Erreger: Als Hauptvertreter gilt das Aleutian mink disease Virus, das Nerze infiziert und in diesen die Aleutenkrankheit der Nerze verursacht. In Regionen, in denen die Pelztierhaltung von wirtschaftlicher Bedeutung ist, gilt es als ernste Bedrohung. 5. Infektionen mit Vertretern des Genus Bocavirus verursachen Erkrankungen der Atemwege und des Gastrointestinaltraktes von Menschen und Tieren. Neben etlichen tierpathogenen Spezies, wie dem bovinen Parvovirus und dem Canine minute Virus, entdeckte man kürzlich das humane Bocavirus, des-
20.1 Parvoviren
VP1 (minor Capsidprotein)
{ VP1-unique region
637
enthalten. Es ist über jeweils elf Basen mit den auf der Partikelinnenseite exponierten Aminosäuren der VP2Proteine komplexiert.
Genom und Genomaufbau
{
5´ 3´ Genom (ssDNA, linear)
VP2 (major Capsidprotein)
20.1 Schematische Darstellung eines Parvoviruspartikels am Beispiel von Parvovirus B19.
sen Infektionen beim Menschen, vor allem bei Kleinkindern mit Erkrankungen assoziiert sein können. Die zweite Unterfamilie der Parvoviridae, die Densovirinae, gliedert sich in drei Genera und umfasst die Parvoviren der Insekten.
20.1.2 Aufbau Viruspartikel Die Viruscapside haben einen ikosaedrischen Aufbau und einen Durchmesser von 18 bis 26 nm (䉴 Abbildung 20.1). Für einige Vertreter wurde ihre Struktur durch Röntgenstrukturanalyse geklärt. Mit Ausnahme des Parvovirus B19 haben sie an den Ecken etwa 7 nm lange Proteinvorsprünge. Die Partikel bestehen aus 60 Capsomeren, die bei den autonomen Parvoviren zu 95 Prozent aus VP2 und zu fünf Prozent aus VP1 bestehen. VP2 ist sequenzidentisch mit dem carboxyterminalen Bereich von VP1. Bei einigen Parvoviren findet man ein drittes Capsidprotein (VP3) in unterschiedlichen Mengen. Beim Minute Virus of Mice wird es bei der Virusreifung durch die proteolytische Spaltung von VP2 gebildet. Bei den adenoassoziierten Viren handelt es sich beim VP3 um eine aminoterminal verkürzte Variante des VP1, die durch die Verwendung des seltenen ACG-Codons als Translationsstartpunkt synthetisiert wird (䉴 Abbildung 20.3C). Die Virionen sind nicht von einer Membran umhüllt. Im Inneren der Capside ist das virale Genom
Parvoviren besitzen ein einzelsträngiges, lineares DNAGenom mit einer Länge von 4 860 Basen beim adenoassoziierten Virus Typ 2 (AAV-2), 5 217 beim humanen Bocavirus und 5 594 Basen beim Parvovirus B19. Während man in den Capsiden der Dependoviren und Erythroviren (Parvovirus B19) DNA-Stränge beider Polaritäten in etwa gleichem Verhältnis findet, werden beim Genus Parvovirus bevorzugt Genome verpackt, die komplementär zu der während der Infektion synthetisierten mRNA sind. Für die Boca- und Amdoviren ist es noch unbekannt, ob in den Partikeln Genomstränge beider oder nur einer Orientierung enthalten sind. An den 5’- und 3’-Enden der Genome befinden sich palindromische Sequenzabschnitte, die als ITR-Regionen (inverted terminal repeats) bezeichnet werden. Sie können sich zu einer T- oder Y-förmigen Struktur zurückfalten und die Ausbildung von haarnadelartigen, doppelsträngigen Abschnitten an den Genomenden ermöglichen (䉴 Abbildung 20.2A). Beim Parvovirus B19 und bei den adenoassoziierten Viren sind die ITRSequenzen an den Enden komplementär zueinander und haben eine Länge von 383 Basen beim Parvovirus B19 beziehungsweise 145 beim AAV-2. Sie können miteinander hybridisieren und das Genom in einer quasizirkulären, pfannenstielähnlichen Form halten (䉴 Abbildung 20.2B). Die ITR-Regionen der Vertreter der Genera Parvovirus und Bocavirus haben eine Länge von 115 bis 300 Basen, und ihre Sequenzen an den 3’- und 5’-Enden des Genoms sind unterschiedlich. So umfasst beispielsweise beim Minute Virus of Mice das 5’-ITR 207 Nucleotide, das ITR am 3’-Ende dagegen 115. Die Basensequenz der Parvoviren ist im Vergleich zu anderen Viren weniger variabel. Sequenzunterschiede findet man bei verschiedenen Parvovirus-B19-Isolaten gehäuft in den Bereichen, die für das carboxyterminale Ende des NS1-Proteins und für die aminoterminale Domäne von VP1 codieren. Die Anordnung der viralen Gene ist bei allen Parvoviren ähnlich (䉴 Abbildung 20.3): Auf dem genomischen Strang der DNA, der komplementär zur gebildeten mRNA ist, befinden sich zwei große, offene Leserahmen. Der in der 3’-Hälfte gelegene, auch mit rep bezeichnete Genort codiert für die Nichtstrukturproteine, die an der Replikation der viralen DNA und der Regulation der Genexpression beteiligt sind. Beim Parvovirus B19 handelt es sich um das Nichtstrukturprotein NS1, bei den tierpathogenen Parvoviren um zwei unterschiedlich große Formen NS1
20
20
638
20 Viren mit einzelsträngigem DNA-Genom
A
ca. 5600 Basen
lineare einzelsträngige DNA
ABCaD
dAcba
3´
5´ ITR 383 Basen
ITR
B B
b A a D
3´
5´ a
3´ A B C a D
d A
C
c
5´ a b c A d
T-förmige Haarnadelschleifen
Pfannenstielstrukturen
20.2 Genom des Parvovirus B19. A: Die einzelsträngigen, linearen DNA-Genome besitzen an ihren Enden komplementäre Wiederholungseinheiten (ITR = inverted terminal repeats) mit einer Länge von 383 Basen. Beim adenoassoziierten Virus Typ 2 sind sie 145 Nucleotide lang. Die Groß- und Kleinbuchstaben repräsentieren jeweils Bereiche, die zueinander komplementär sind. B: Da nicht nur die Sequenzen der 3’- und 5’-ITRs an den Genomenden zueinander komplementär sind, sondern auch kurze Bereiche innerhalb der Wiederholungseinheiten, können sich durch die Ausbildung von doppelsträngigen Bereichen T-förmige Haarnadelschleifen ausbilden. Alternativ hierzu können die Genome pfannenstielähnliche Strukturen bilden.
und NS2 eines Nichtstrukturproteins und bei den adenoassoziierten Viren um eine Familie von insgesamt vier Rep-Proteinen. Bei den Vertretern des Genus Bocavirus findet man zusätzlich zum Gen für die Synthese eines Nichtstrukturproteins NS1 weitere Leserahmen: Unter Verwendung von alternativen Startcodons und Leserastern können die Proteine NS2 und NP1 gebildet werden. In der 5’-Hälfte der Virus-DNA codieren die Capsidproteine. Beim Parvovirus B19 gibt es zwei weitere kurze, offene Leserahmen im zentralen Bereich und am 5’-Ende des Genoms, die für kleine Nichtstrukturproteine (7,5 kD, 11 kD/NS2) codieren. Die Promotoren, welche die Transkription der Gene kontrollieren, sind bei den verschiedenen Viren unterschiedlich angeordnet: Bei den Vertretern der Erythro-, Boca- und Amdoviren werden alle RNA-Spezies von einem gemeinsamen Promotor im Bereich des 3’-Endes des Genoms initiiert. Die mRNA-Moleküle, von denen die verschiedenen Struktur- und Nichtstrukturproteine translatiert werden, entstehen durch alternatives Spleißen (䉴 Abbildung 20.3A, D). Im Genom dieser Viren findet man zwei Polyadenylierungsstellen, von denen eine am 5’-Ende und eine in der Mitte des Genoms gelegen ist. Zusätzlich wird das Spleißmuster durch zellspezifische Einflüsse reguliert: So fand man in nicht per-
missiven Zellen die Synthese einer bicistronischen mRNA, die vor den für die Strukturproteine codierenden Bereichen Sequenzen enthält, die durch Verwendung ungewöhnlicher Spleißstellen entstehen. Dadurch wird ein Produkt gebildet, in dem das aminoterminale Ende des NS1- mit dem NS2/11kD-Protein verbunden ist. Im Gegensatz hierzu besitzen die autonomen Viren des Genus Parvovirus (Minute Virus of Mice) zwei Promotoren: Einer befindet sich ebenfalls am 3’-Ende des Genoms und kontrolliert die Transkription der Nichtstrukturgene NS oder rep; der zweite, zentral gelegene Promotor (Genomposition 38) ist für die Transkription der Information für die Strukturproteine verantwortlich. Diese Viren haben nur eine Polyadenylierungsstelle am Genomende, die für die Termination aller Transkripte verwendet wird (䉴 Abbildung 20.3B). Auch die adenoassoziierten Viren verwenden für alle mRNA-Spezies eine gemeinsame Polyadenylierungsstelle am Ende des Genoms. Bei ihnen konnte man insgesamt drei Promotoren auf dem Genom identifizieren: Derjenige am 3’-Ende des Genoms (Position 5) kontrolliert die mRNA-Synthese für die Proteine Rep78 und Rep52. Letzteres wird von einer gespleißten mRNAForm gebildet. Der Promotor an Position 19 reguliert die Transkription der für Rep68 und Rep40 codierenden
20.1 Parvoviren
639
A ITR
ITR
3´
5´
Genom
P6-Promotor
ParvovirusB19-Proteine:
ParvovirusB19-RNA: 5´
3´
7,5-kD-Protein + VP1 VP1 NS1 7,5-kD-Protein + VP2 VP2 7,5-kD-Protein ? 7,5-kD-Protein + 11-kD-Protein 11-kD-Protein
0
1000
2000
3000
4000
5000
Nucleotide
20.3 Genomorganisation, Transkription und Translation bei Parvoviren. A: Erythrovirus – Parvovirus B19. In den Teilabbildungen A–D sind oben die Genome mit der Lage der ITR-Elemente und der Promotoren dargestellt, welche die Transkription regulieren. Darunter sind die verschiedenen Transkripte angegeben, von welchen die viralen Proteine (rot: Nichtstrukturproteine, grau: Strukturproteine) translatiert werden. Die Exons sind mit dicken, die herausgespleißten Introns mit dünnen Strichen angedeutet, die 3’-Poly(A)-Regionen durch die gezackten Linien. Die Bereiche der mRNAs, die für Proteine codieren, sind als Balken dargestellt. Die 7,5- und 11kD-Proteine von Parvovirus B19 konnten bisher noch nicht endgültig nachgewiesen werden.
Gene. Auch Rep40 wird von einer gespleißten RNAVariante translatiert. In beiden Fällen, sowohl bei Rep52 als auch bei Rep40, wird die gleiche Intronsequenz durch den Spleißvorgang herausgeschnitten. Die Synthese der mRNA-Spezies für die Capsidproteine erfolgt unter der Kontrolle des dritten Promotors an Genomposition 40 (䉴 Abbildung 20.3C). Die Genexpression bei den einzelnen Virustypen ist somit – trotz der bei allen Parvoviren ähnlichen Anordnung der Gene auf der DNA – durch die unterschiedliche Lokalisation der Kontrollelemente für die Transkriptionsinitiation und -termination in Kombination mit alternativen Spleißsignalen unterschiedlich und spezifisch reguliert.
20.1.3 Virusproteine Strukturproteine In den Capsiden der Parvoviren findet man zwei Strukturproteine: VP1 mit einem Molekulargewicht von 80 bis 86 kD und VP2 (58 bis 62 kD). VP2 ist sequenzidentisch mit dem carboxyterminalen Bereich von VP1; beim Parvovirus B19 besitzt das VP1 227, beim humanen Bocavirus 129 zusätzliche Aminosäuren am aminoterminalen Ende, die VP1-unique region. Für die Synthese von VP2 wird die VP1-spezifische mRNA gespleißt. Mit dem mehrere hundert Basen langen Intron wird das
20
20
640
20 Viren mit einzelsträngigem DNA-Genom
B
ITR
ITR
5´
3´
P4Promotor
Genom
P38Promotor MVM-RNA:
MVM-Proteine: 3´
5´
NS1
NS2
VP1
VP2
0
1000
2000
3000
4000
5000
Nucleotide
20.3 (Fortsetzung) B: Parvovirus - Minute Virus of Mice (MVM).
Startcodon des Proteins VP1 entfernt. Die Translation des VP2 beginnt somit an einem anderen AUG, jedoch im gleichen Leseraster (䉴 Abbildung 20.3A, D). Die für die Partikelbildung notwendigen Bereiche befinden sich im VP2-Protein beziehungsweise im VP2-spezifischen Anteil von VP1. Deswegen sind beide Proteine als Capsomere in den Virionen vertreten. Die VP1-unique region von Parvovirus B19 ist an der Oberfläche der Capside exponiert. In ihrem aminoterminalen Bereich finden sich gehäuft Variationen der Aminosäuresequenz. Gegen Epitope in dieser Domäne sind die meisten der neutralisierenden Antikörper gerichtet. Aber auch gegen den VP2-Anteil richtet sich ein Teil der neutralisierenden Immunantwort. Mittels der VP2-Proteine bindet sich das B19-Virus an das Globosid (Blutgruppenantigen P) als zellulären Rezeptor. Der carboxyterminale Abschnitt der VP1-unique region hat eine der Phospholipase-A2 ähnliche Enzymaktivität. 䉴 Tabelle 20.2 fasst die verschiedenen Funktionen und Eigenschaften der Proteine der Parvoviren zusammen. Das VP3 des Minute Virus of Mice ist ein durch proteolytische Abspaltung von etwa 20 Aminosäuren am aminoterminalen Ende entstandenes Abbauprodukt von VP2. Bei den adenoassoziierten Viren wird für die Bil-
dung des VP3 (73 kD) ein seltenes, im gleichen Leseraster stromaufwärts gelegenes Startcodon der VP1-spezifischen mRNA verwendet. Sein aminoterminales Ende liegt daher zwischen denjenigen der VP1- und VP2-Proteine.
Nichtstrukturproteine Minute Virus of Mice Die viralen Nichtstrukturproteine NS1 und NS2 der Vertreter des Genus Parvovirus werden im rep-Genkomplex codiert. Das NS2-Protein stellt eine heterogene Gruppe von Proteinen dar, die Produkte gespleißter mRNAs sind. Ab der Spleißdonorstelle erfolgt die Translation in allen drei möglichen Leserastern (䉴 Abbildung 20.3B). Die NS-Proteine haben essenzielle Funktionen bei der viralen DNA-Replikation. NS1 ist eine sequenzspezifische, bei der Genomvermehrung aktive Endonuclease. Sie schneidet im Bereich der ITRElemente und bleibt während der Replikation kovalent mit den 5’-Enden der gebildeten Genomzwischenprodukte verknüpft. Des Weiteren konnte man zeigen, dass dieses Protein in vitro als ATP-abhängige Helicase wirkt. Diese Enzymaktivität ist für die Entwindung der DNABereiche am Replikationsursprung notwendig. Außer-
20.1 Parvoviren
641
C ITR
ITR 5´ Genom
3´ P19P5Promotor Promotor
P40Promotor AAV2-RNA:
AAV2-Proteine:
5´
3´
Re p78
Rep68
Rep52
Rep40
VP-1
VP-2
VP-3
0
1000
2000
3000
4000
5000
Nucleotide
20.3 (Fortsetzung) C: Dependovirus - Adenoassoziierte Viren (AAV-2).
dem aktiviert das NS1-Protein als Transaktivator die viralen Promotoren, vor allem den zentralen Promotor, der die Expression der Capsidgene kontrolliert. Daneben beeinflusst es auch zelluläre Promotoren, wobei NS1 sich nicht selbst an die DNA der Kontrollelemente bindet, sondern diese in Wechselwirkung mit Zellfaktoren aktiviert oder reprimiert. Beide Nichtstrukturproteine besitzen Kerntransportsignale, und das größere NS1-Protein wird an etlichen Positionen durch die Proteinkinase C der Zelle phosphoryliert. Punktmutationen im Bereich der Nichtstrukturgene, die das Phosphorylierungsmuster verändern, führen zu replikationsdefekten Viren. Auch die Helicaseaktivität und die cytotoxische Wirkung des NS1-Proteins werden dadurch reduziert. Die Cytotoxizität ist vermutlich mit der Eigenschaft des NS1-Proteins assoziiert, den Teilungszyklus der infizierten Zellen in der G1-, S- oder G2-Phase zu arretieren. Man fand, dass das NS1-Protein mit der katalytischen Untereinheit
der Caseinkinase II (CKIIα) in Wechselwirkung tritt. Dieser Vorgang stört die intrazellulären Signalübertragungswege und bewirkt, dass die infizierten Zellen den für sie typischen CPE ausbilden. Vor allem die Unterbrechung des Zyklus in der G2-Phase scheint durch die Fähigkeit des NS1-Proteins verursacht zu sein, die Synthese des Zellproteins p21 (waf1/cip1) zu induzieren, das als Inhibitor der Cyclin-A-abhängigen Kinase wirkt. Daneben ist der Komplex aus NS1-Protein und der Caseinkinase II für die Phosphorylierung der Capsidproteine verantwortlich. Die Funktion der NS2-Proteine ist weniger gut untersucht: Sie interagieren mit dem Kernexportprotein Crm1, haben eine sehr kurze Halbwertszeit und werden durch einen ubiquitinunabhängigen Weg durch die Proteasomen abgebaut. Möglicherweise wirken sie als Helicasen und sind an der Strangverdrängungsreaktion während der Genomreplikation beteiligt.
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20
642
20 Viren mit einzelsträngigem DNA-Genom
D ITR
ITR
3´
5´
Genom
P4-Promotor BPV-RNA:
BPV-Proteine:
5´
NS1 NS1 ? NS2 NP1 NP1 VP1 / VP2 VP1 / VP2
0
1000
2000
3000
4000
5000
Nucleotide
20.3 (Fortsetzung) D: Bocavirus - bovines Parvovirus Typ 1.
Parvovirus B19 Beim Parvovirus B19 wird ein Nichtstrukturprotein NS1 (71 kD) gebildet. Es wird von einer nicht gespleißten mRNA translatiert, die an dem zentralen Polyadenylierungssignal endet. Beim NS1-Protein handelt es sich um ein phosphoryliertes, multifunktionelles Protein, das seine Aktivitäten im Zellkern ausübt. Daher findet man in der Aminosäuresequenz ein Kernlokalisationssignal. NS1 ist für die Genomreplikation notwendig, weil es vermutlich für die Ausbildung des Initiationskomplexes aus der zellulären DNA-Polymerase und weiteren Zellfaktoren am Replikationsursprung verantwortlich ist; auch die ATP-abhängige Helicase- und die Endonucleaseaktivität des NS1-Proteins sind im weiteren Verlauf funktionell an der Genomreplikation beteiligt. Daneben ist NS1 ein transaktives Protein. Es induziert in Wechselwirkung mit den Zellfaktoren Sp1, Sp3, YY1 und vermutlich weiteren Transkriptionsfaktoren den Parvovirus-B19-spezifischen Promotor p6. Auch kann NS1 die Aktivität zellulärer Promotoren beeinflussen, wie den IL6-Promotor. Es
arretiert die Zellen in der G1-Phase des Zellzyklus, ein Vorgang der mit einer erhöhten Synthese von p53 und Inhibitoren cyclinabhängigen Kinasen, p21/Waf1 und p16Ink4, einhergeht. Auch wirkt das NS1-Protein zusammen mit dem zellulären Transkriptionsfaktor Sp1 transaktivierend auf die jeweiligen Promotoren. Bei Expression in eukaryotischen Zellen wirkt das NS1-Protein toxisch. Die toxische Aktivität steht vermutlich mit der Fähigkeit des Proteins in Verbindung, in den infizierten Zellen die Synthese der proapoptotischen Faktoren Bax und Bad, beides Mitglieder der Bcl-2-Proteinfamilie, und etlicher zellulärer Caspasen (Caspase 3, 6, 8 und 9) zu induzieren und den TNF-Fas-abhängigen Apoptoseweg einzuleiten. Die Funktion des am 5’-Ende des Genoms codierten 11kD-/NS2-Proteins des Parvovirus B19, das von einer zweifach gespleißten mRNA translatiert wird, ist nicht endgültig geklärt. Es scheint an der Produktion infektiöser Nachkommenviren essenziell beteiligt zu sein und sowohl die Synthese als auch den intrazellulären Trans-
20.1 Parvoviren
643
Tabelle 20.2 Eigenschaften und Funktionen der Parvovirusproteine Protein Parvovirus B19
Molekulargewicht Adenoassoziierte Minute Virus Viren (AAV-2) of Mice
Humanes Bocavirus
Funktion
VP1
83 kD
87 kD
85 kD
72 kD
Capsidprotein, PLA2-ähnliche Aktivität in der VP1-unique region
VP2
58 kD
62 kD
68 kD
ca. 60 kD
Capsidprotein, Hauptkomponente
VP3
–
73 kD
65 kD
Synthese nicht Capsidprotein nachgewiesen**
NS1
71 kD phosphoryliert, NTP-Bindung
–
80 kD phosphoryliert, NTP-Bindung
90–95kD*
NS2
11 kD
–
20–28 kD
Synthese nicht mehrere Isoformen, notwendig für nachgewiesen** die Infektiosität der Viren
NP1
–-
–-
–-
28–30 kD*
7,5 kD
7,5 kD
–-
–-
–-
?
Rep78
–
78 kD
–
–
Transaktivator, Helicase, Endonuclease, Tumorsuppressor, Genomintegration
Rep52
–-
52 kD
–
–
?
Rep68
–-
68 kD
–
–
Transaktivator, Helicase, Endonuclease, Tumorsuppressor, Genomintegration
Rep40
–
40 kD
–
–
?
Helicase, ATPase, Endonuclease, Transaktivator, Initiation der Genomreplikation
?
* Molekulargewichte der Nichtstrukturproteine der humanen Bocaviren sind nicht bekannt, die angegebenen Daten wurden vom bovinen Parvovirus übernommen, dessen Leserahmen eine ähnliche Größe aufweisen. ** Die Synthese wurde bei Bocaviren bisher nicht nachgewiesen.
port der Capsidproteine zu beeinflussen. Wird hingegen die Synthese des 7,5kD-Proteins unterbunden, das in einem kurzen Leserahmen vor den Genen für die Strukturproteine codiert, dann findet man keine verringerte Virusproduktion. Die Funktion des 7,5kD-Proteins im Infektionszyklus ist damit ungeklärt. Adenoassoziierte Viren Die adenoassoziierten Parvoviren (AAV) synthetisieren vier verschiedene Nichtstrukturproteine: Rep78 und Rep52 unterscheiden sich durch eine interne Deletion, die auf der Verwendung einer gespleißten mRNA für die Translation beruht (䉴 Abbildung 20.3C). Ähnliches gilt für Rep68 und Rep40: Sie werden von Transkripten translatiert, deren Synthese durch den Promotor an Genomposition 19 kontrolliert wird und sind aminoterminal verkürzte Proteinvarianten von Rep78 beziehungsweise Rep52. Daher stimmen alle Rep-Proteine in großen Sequenzbereichen überein. Man vermutet, dass weitere Spleißvorgänge zur Bildung zusätzlicher Rep-Proteinvarianten beitragen können.
Rep78 und Rep68 sind im Zellkern lokalisiert. Ihre Funktionen bei der Replikation entsprechen in vieler Hinsicht denjenigen der NS1-Proteine der tierischen Parvoviren: Die aminoterminalen Domänen von Rep78 und Rep68 sind für die Genomreplikation der adenoassoziierten Viren essenziell: In den 208 aminoterminalen Resten ist die Endonuclease lokalisiert, welche die DNAStränge während der Replikation an der trs-Stelle (terminal resolution site) an der Base 125 innerhalb der ITRElemente schneidet. Im Unterschied zum NS1-Protein des Minute Virus of Mice bleiben die Rep-Proteine der adenoassoziierten Viren jedoch nicht mit den entstehenden 5’-Enden assoziiert. In vitro konnte man eine mit den großen Rep-Proteinen assoziierte ATP-abhängige Helicaseaktivität nachweisen, die DNA/DNA-, aber auch DNA/RNA-Doppelstränge entwinden kann. Auch transaktivieren Rep78 und Rep68 die viralen Promotoren; dabei wirken sie zusammen mit zellulären Transkriptionsfaktoren – wie dem Zellprotein PC4 – und Faktoren der Helferviren, vor allem mit den von Herpes-
20
20
644
20 Viren mit einzelsträngigem DNA-Genom
oder Adenoviren codierten immediate early-Proteinen. Rep68 und Rep78 rekrutieren darüberhinaus das herpesvirale ICP8-Protein, das an einzelsträngige DNA bindet, in die Zentren der AAV-Replikation und hemmen so vermutlich die Vermehrung der Herpesviren. Neben Adeno- und Herpesviren können auch humane Papillomaviren Helferfunktionen übernehmen: Das E1-Protein des humanen Papillomavirus Typ 16 (HPV-16) – ebenfalls eine Helicase – bindet sich dabei an Rep78, was eine Modulierung der Enzymfunktion zur Folge hat. Während der AAV-Latenz, also während der nichtproduktiven Infektion in Abwesenheit von Helferviren, bei der das Virusgenom integriert in die chromosomale DNA der Zelle vorliegt, wird den Rep-Proteinen eine transreprimierende Wirkung vor allem auf den Promotor der capsidproteinspezifischen RNA zugeschrieben. Zelluläre und andere virale Promotoren werden durch Rep78 und Rep68 ebenfalls negativ beeinflusst: Die Aktivität des LTR-Promotors des humanen Immundefizienzvirus Typ 1 wird ebenso unterdrückt wie die des c-H-rasPromotors. Inwieweit die Funktionen der großen Rep-Proteine mit der Eigenschaft der adenoassoziierten Viren in Verbindung stehen, unkontrollierte Zellproliferationen unterschiedlicher Genese zu unterdrücken und damit als Tumorsuppressoren zu wirken, ist noch nicht endgültig geklärt. Rep78 bewirkt unabhängig vom Vorhandensein von p53 in den infizierten Zellen die Einleitung der Apoptose, indem es die Aktivität der Caspase 3 induziert. Kürzlich entdeckte man zudem, dass Rep78 auf einem noch unbekannten Weg die Phosphorylierung der Retinoblastomproteine verhindert und so den Komplex aus RB105 und dem Transaktivatorprotein E2F stabilisiert. Dadurch wird die Aufgabe der E2F-Proteine gehemmt, die Expression bestimmter Zellproliferationsgene zu induzieren. Auch bindet sich das Rep78 an die EF2abhängigen Promotoren und blockiert zusätzlich die Bindung der E2F-Faktoren. Hierdurch werden die Zellen in der S-Phase des Zellzyklus arretiert. In dieser Hinsicht wirkt das Rep78 umgekehrt wie die onkogenen Proteine der Hepatitis-B-, Polyoma-, Papilloma-, Adeno- und Herpesviren (䉴 Abschnitte 19.1 bis 19.5). Bei Etablierung des latenten Zustandes in Abwesenheit von Helferviren integriert sich das Genom der adenoassoziierten Viren in vitro spezifisch in den Locus 19q13.3-qter auf dem menschlichen Chromosom 19. Die Proteine Rep78 und Rep68 sind an dieser ortsspezifischen Integration beteiligt. Sie interagieren mit den RBEs (Rep-DNA-binding elements), die sich in den ITRElementen an den Genomenden befinden, und gleichzeitig über eine zweite Proteindomäne mit RBE-ähnlichen Sequenzen an der Integrationsstelle auf dem Chromosom 19. Sie bringen das Virusgenom in räumli-
che Nähe zur chromosomalen DNA der Zelle und bewirken durch die Endonucleasefunktion einen Schnitt in einem der DNA-Stränge. Die beiden kleineren Rep-Proteine Rep52 und Rep40 findet man bevorzugt im Cytoplasma der Zelle. Auch sie haben Helicaseaktivität, die während der Morphogenese benötigt wird. Sie binden sich an die vorgeformten AAV-Capside und bewirken die Einschleusung der einzelsträngigen DNA-Genome in 3’→5’-Richtung. Die Rep-Aktivitäten sind somit vielfältig. Da sie in Wechselwirkung mit zellulären und helfervirusspezifischen Proteinen ausgeübt werden, sind sie von der Art und dem Differenzierungszustand der infizierten Zelle sowie dem Vorliegen bestimmter funktioneller Aktivitäten der Helferviren abhängig.
20.1.4 Replikation Parvovirus B19 und andere autonome Parvoviren Parvoviren können sich nur in Zellen vermehren, die sich in der S-Phase des Zellzyklus befinden. Im Unterschied zu Papilloma-, Polyoma- oder Adenoviren (䉴 Abschnitte 19.2 bis 19.4) können sie ruhende Zellen nicht zur Teilung anregen. Die Expression und die Replikation des Virusgenoms sind in hohem Maße von Faktoren der Wirtszelle abhängig. Dies erklärt den engen Zell- und Wirtstropismus dieser Viren. Die verschiedenen Parvoviren binden sich an jeweils unterschiedliche Zielstrukturen auf der Zelloberfläche: Parvovirus B19 infiziert die erythroiden Vorläuferzellen im Knochenmark und interagiert über die Oberflächenstrukturen der Capsidproteine VP2 mit dem Blutgruppenantigen P, einem Glycosphingolipid, das auf der Zelloberfläche exponiert ist; als Corezeptoren werden Integrine α5β1 und das Autoantigen Ku80 diskutiert. Die tierpathogenen felinen Parvoviren (felines Panleukopenievirus und canines Parvovirus) verwenden den Transferrinrezeptor zur Adsorption. Für die bovinen Parvoviren ist hingegen die Wechselwirkung mit dem Glycophorin A auf den Rindererythrocyten beschrieben, wobei die direkte Bindung über endständige N-Acetylneuraminsäurereste als Modifikation des Glycophorins erfolgt. Das Minute Virus of Mice verwendet dagegen Sialylsäuregruppen als zelluläre Interaktionspartner. Nach der Adsorption werden die Viruspartikel von den Zellen vermutlich über rezeptorvermittelte Endocytose aufgenommen. Bei den felinen Parvoviren gilt es als erwiesen, dass sich die gebundenen Viruspartikel in den Bereichen der clathrin-coated pits und der clathrin-
20.1 Parvoviren
coated vesicles anreichern und dass Dynamin, ein Bestandteil der intrazellulären Filamente, an der Partikelaufnahme beteiligt ist. Die Phospholipase-A2-ähnliche Aktivität, die mit den VP1-Proteinen der Parvoviren assoziiert und für ihre Infektiosität notwendig ist, ermöglicht die Entlassung der Viruspartikel aus den Endosomen. Über den weiteren Transport der Viruspartikel oder der Genome in den Zellkern, den Ort der viralen Genexpression und Genomreplikation, gibt es nur wenige Erkenntnisse. Im Kern wird das einzelsträngige DNA-Genom unter Verwendung der OH-Gruppe am 3’-ITR als Primer zum Doppelstrang ergänzt und von der zellulären RNA-Polymerase II transkribiert. Beim Minute Virus of Mice wurde gezeigt, dass der Promotor durch Bindung einer Virusstrukturkomponente unterstützt wird, welche die Expression der NS-Gene fördert. Es wird postuliert, dass diese, ähnlich wie das Tegumentprotein α-TIF der Herpes-simplex-Viren, in Kombination mit Zellfaktoren wirkt, welches die Transkription der sehr frühen Gene ermöglicht (䉴 Abschnitt 19.5). Die gebildeten mRNAs werden gecappt, teilweise gespleißt und polyadenyliert. Die NS-Proteine werden, wie auch die Capsidproteine, nach der Translation mittels der in ihrer Aminosäuresequenz vorhandenen Transportsignale in den Kern gebracht. Dort werden die NS-Proteine für die DNAReplikation und die Induktion der Transkription der Strukturproteingene benötigt. Sie sind also eine grundlegende Voraussetzung für den weiteren Replikationsablauf, der bei den autonomen Parvoviren in abgrenzbaren Kernbereichen (parvovirus-associated replication bodies) abläuft. Im Gegensatz zur zellulären DNA-Synthese werden für die Replikation des Virusgenoms keine RNA-Primer benötigt. Diese Funktion übernimmt die 3’-OHGruppe der ITR-Region am 3’-Ende des einzelsträngigen DNA-Genoms. Eine Folgestrangsynthese erfolgt nicht. Das hier beschriebene Modell wurde für die Genomreplikation des Minute Virus of Mice entwickelt. Ob das Modell in allen Punkten auf Parvovirus B19 übertragbar ist, ist nicht bekannt. Dieses Virus kann bisher wegen seines ausgeprägten Tropismus für erythroide Vorläuferzellen nicht in vitro gezüchtet werden, weshalb sich die Mechanismen seiner Genomreplikation nicht untersuchen ließen. Für die Initiation der DNA-Replikation sind die ITR-Sequenzen, die den Genomenden doppelsträngige Haarnadelstrukturen verleihen, essenziell (䉴 Abbildung 20.2). Das 3’-ITR bildet mit dem 3’OH-Ende den Primer für die ersten Polymerisationsreaktionen, die vermutlich vom Komplex der zellulären DNA-Polymerase δ katalysiert werden. Als Zwischenprodukt entsteht ein doppelsträngiges, bis auf einzelne Nucleotide im Bereich der T-förmigen ITR-Strukturen
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vollständig in Basenpaarung vorliegendes, kovalent geschlossenes Molekül. In den nächsten Schritten schneidet die mit dem NS1-Protein assoziierte Endonuclease sequenzspezifisch an den trs-Stellen im Bereich des 5’Palindroms. Beim Minute Virus of Mice bleibt das NS1Protein mit dem entstehenden 5’-Ende kovalent verbunden. An den 3’-OH-Enden werden unter Auflösung der Sekundärstrukturen an den Genomenden weitere Nucleotide anpolymerisiert, sodass bei gleichzeitiger Verdrängung des ursprünglichen genomischen Stranges durch die ATP-abhängige Helicase ein neuer Gegenstrang gebildet werden kann (䉴 Abbildung 20.4). Die Replikationsgabel bewegt sich immer weiter über das Molekül, sodass ein Replikationsintermediat entsteht, das zwei Genome in Doppelstrangkonfiguration umfasst. Die NS1-Nuclease schneidet die dimeren Genomformen an den entsprechenden trs-Sequenzen, und die entstehenden 3’-OH-Enden werden für die Initiation einer neuerlichen Polymerisations- und Strangverdrängungsreaktion benutzt. Die verdrängten DNA-Stränge interagieren mit den Strukturproteinen und bilden Vorformen der Capside. Auch die Stadien der Virusmorphogenese sind wenig untersucht. Man weiß nicht, ob die DNA in ein vorgeformtes Capsid eingeschleust wird oder ob sich die Strukturproteine an eine kondensierte Form des Genoms anlagern. Die neu gebildeten Capside sind schon wenige Stunden nach der Infektion als Einschlusskörperchen im Zellkern nachweisbar. Später findet man sie auch im Cytoplasma und in Ausstülpungen der Zellmembran, über welche die Partikel zum Teil von der Zelle abgegeben werden. In diesen Vesikeln sind die Viren vor dem Angriff durch das Immunsystem geschützt und können sich leicht im Organismus ausbreiten. Der Großteil der Virionen wird aber durch Apoptose (programmierten Zelltod) der infizierten Zelle freigesetzt.
Adenoassoziierte Viren Produktive Virusvermehrung Die adenoassoziierten Viren infizieren beim Menschen verschiedene Epithelzellen. Das adenoassoziierte Virus Typ 5 (AAV-5) verwendet, ähnlich wie bestimmte Influenza-A-Virustypen, N-Acetylneuraminsäurereste (Sialylsäure) als Rezeptor, die in a(2,3)-glycosidischer Bindung mit Oligosacchariden als Modifikation von Zelloberflächenproteinen verknüpft sind (䉴 Abschnitt 16.3.3). Beim AAV-2 fand man, dass sich die Capside an Heparansulfat binden. Es gibt Hinweise darauf, dass die Integrine αvβ5 und/oder der humane Rezeptor für den Fibroblastenwachstumsfaktor (FGFR) als Corezeptoren bei der Adsorption wirken.
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Des Weiteren ist die Wechselwirkung der AAV-2-Capside mit dem Nucleolin beschrieben, einem 110kD-Protein, das in der Zelle unter anderem bei der rRNA-Synthese und dem Ribosomen-Assembly Transportaufgaben zwischen dem Cytoplasma und dem Nucleolus erfüllt.
20.4 Modell zur Genomreplikation der Parvoviren. Die DNA-Synthese wird von zellulären Enzymen katalysiert und beginnt am 3’-OH-Ende des zu einer Haarnadelschleife gefalteten ITR-Elements. Bei fortschreitender Elongation wird die Sekundärstruktur des 5’-ITR aufgelöst und die DNA-Synthese bis zum Genomende fortgesetzt. Am Übergang des nun doppelsträngigen 3’-ITR zu den einheitlichen Genomsequenzen befindet sich die Erkennungsstelle für die Endonucleasefunktion des NS1-Proteins (trs = terminal resolution site), das den DNA-Einzelstrang hier schneidet. Dadurch entsteht ein 5’- und ein 3’-OHEnde; an Letzterem wird erneut die DNA-Synthese initiiert und bis zum Genomende fortgesetzt. Es liegt nun ein über alle Bereiche doppelsträngiges DNA-Genom vor. In der Folge falten sich die Genomenden erneut zu Haarnadelschleifen und bilden damit neue Initiationsstellen für die Polymerisation. In der Abbildung sind die neusynthetisierten Sequenzfolgen jeweils in rot angedeutet.
Das Nucleolin könnte folglich am Transport der von den Zellen aufgenommenen Viruspartikel in den Zellkern beteiligt sein. Eine ähnliche Interaktion ist auch für die Capsidproteine des Coxsackievirus B5 beschrieben (䉴 Abschnitt 14.1). Der Ablauf der produktiven Repli-
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¡ Gentherapeutische Vektoren sind vom Genom der adenoassoziierten Viren abgeleitet Die Fähigkeit der adenoassoziierten Viren, sich in vitro relativ ortsspezifisch und stabil in das zelluläre Genom zu integrieren, sowie der Umstand, dass die Infektion keine schwerwiegenden Erkrankungen hervorruft und die Reaktivierung aus der Latenz auf die Anwesenheit von Helferviren angewiesen ist, lassen diese Viren als geeignete Vektoren für gentherapeutische Ansätze erscheinen. In diesen Fällen werden die Gene für die Strukturproteine oder die ganze codierende Region durch das gewünschte, zu exprimierende Fremdgen ersetzt. Das chimäre Virusgenom wird in
kation ist dem der autonomen Parvoviren sehr ähnlich. Auch hier dienen die 3’-OH-Enden der ITR-Elemente als Primer. Weitere Schritte sind die DNA-Polymerisation, die Strangverdrängung und die Bildung eines dimeren Replikationsintermediats. Der größte Unterschied zur Replikation der autonomen Parvoviren liegt in der Tatsache, dass die Vermehrung der adenoassoziierten Viren auf die gleichzeitige Infektion der Zelle mit Helferviren (Adenoviren oder Herpesviren) angewiesen ist. Nur wenn bestimmte Proteine, die vor allem von den immediate early-Genprodukten dieser Viren geliefert werden, in der Zelle vorhanden sind, kann die Vermehrung der DNA und somit die Produktion von infektiösen Nachkommenviren erfolgreich ablaufen. Adenoviren tragen hierzu vor allem ihre E1A-Proteine bei, welche die Promotoren der adenoassoziierten Viren transaktivieren können. Möglicherweise ist auch das E4/35kD-Protein an diesem Prozess beteiligt, das im Komplex mit den E1B-Proteinen den Export viraler mRNAs aus dem Zellkern in das Cytoplasma reguliert (䉴 Abschnitt 19.4). Diese Hilfeleistungen scheinen das Adenovirus selbst bei seiner eigenen Replikation zu stören. Auch die transformierenden Eigenschaften der E1A- und E1B-Proteine werden neutralisiert. Latente Infektion Fehlen die Helferviren, können adenoassoziierte Viren eine latente Infektion etablieren und verbleiben lebenslang im Organismus. In vitro fand man, dass das Virusgenom bei der Latenz bevorzugt über eine nicht homologe Rekombination in das Chromosom 19 des Menschen integriert wird. Zwei Genomeinheiten verbleiben dort und liegen tandemartig angeordnet vor. Für den Integrationsvorgang sind intakte
sogenannten Helferzellen, welche die deletierten Virusfunktionen konstitutiv synthetisieren und mit Helferviren infiziert sind, in Capside verpackt. Diese Partikel können sich an die Oberflächen von Zellen binden und das chimäre Genom in deren Inneres entlassen. Dieses kann sich mittels der ITR-Elemente stabil in das humane Genom integrieren. Da Virusgene fehlen, können jedoch keine Nachkommenviren entstehen. Unter geeigneten Bedingungen wird dann das gewünschte Produkt des eingebauten Gens gebildet.
ITR-Elemente und die großen Formen Rep78 und Rep68 der Nichtstrukturproteine nötig. Das integrierte Genom kann aus dieser Latenzphase durch Infektion der Zelle mit einem geeigneten Helfervirus reaktiviert werden. In vivo scheint eine ähnlich ortsspezifische Integration des Virusgenoms nicht zu erfolgen.
20.1.5 Humanpathogene Parvoviren Das Parvovirus B19 Epidemiologie und Übertragung 1975 entdeckten Yvonne Cossart und Mitarbeiter in Blutproben das Parvovirus B19. Einige Jahre später fand die Arbeitsgruppe von Serjeant, dass das Parvovirus B19 der Erreger der Ringelröteln (Erythema infectiosum), einer klassischen Kinderkrankheit mit Hautausschlag, ist. Heute kennt man drei Genotypen dieses Virus, die sich in der Ausprägung der mit der Infektion verbundenen Erkrankungen gleichen, regional aber unterschiedlich verbreitet sind: In Mittel- und Südeuropa, Asien und auf dem amerikanischen Kontinent überwiegen der Genotyp 1, in Nordeuropa, insbesondere bei Älteren, findet man häufig den Genotyp 2, in Westafrika und in Frankreich tritt gelegentlich der Genotyp 3 auf. Die Durchseuchung der Bevölkerung mit dem Parvovirus B19 ist hoch. In den westlichen Ländern fand man bei 40 bis 70 Prozent der untersuchten Erwachsenen Antikörper gegen die Strukturproteine VP1 und VP2; in Deutschland liegt die Seroprävalenz bei den Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren bei durchschnittlich 72 Prozent. In den ersten Tagen der Infek-
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tion, vor dem Auftreten der Symptome, sind sehr große Mengen an Viruspartikeln im Blut der infizierten Personen (bis zu 1013 Partikel pro Milliliter) vorhanden. In dieser Phase wird das Virus über den Speichel ausgeschieden. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion oder durch kontaminiertes Blut und Blutprodukte. Wegen seiner hohen Stabilität ist das Virus schwer zu inaktivieren. Selbst in gereinigten Faktor-VIII- und Faktor-IX-Präparaten zur Blutgerinnung und in hochreinen Proben menschlichen Serumalbumins konnte man es als infektiöses Virus nachweisen. Infiziert das Parvovirus B19 Schwangere, so kann es diaplacentar auf den Fetus übertragen werden und dabei einen Hydrops fetalis mit Todesfolge verursachen.
Klinik Die Inkubationszeit der Infektion mit dem Parvovirus B19 beträgt durchschnittlich ein bis zwei Wochen. In dieser Phase ist der Patient bereits virämisch und kann das Virus übertragen. In vielen Fällen, insbesondere bei Kindern, verläuft die Infektion asymptomatisch. Das häufigste Erkrankungsbild ist das Erythema infectiosum, auch als Ringelröteln oder Fünfte Krankheit bezeichnet. Es tritt vor allem im Kindesalter auf und ist durch grippeähnliche Symptome mit leichtem Fieber gekennzeichnet. Damit verbunden ist ein Exanthem, das meist zusammen mit den ersten virusspezifischen Antikörpern zunächst auf den Wangen auftritt, sich im weiteren Verlauf an den inneren Seiten von Armen und Beinen ausbreitet und in aller Regel ein bis zwei Tage andauert. Durch die virusbedingte Infektion und Zerstörung der Erythrocytenvorläuferzellen entsteht bei allen Infizierten eine vorübergehende Anämie. Gelegentlich treten bei der akuten Parvovirus-B19-Infektion auch die Bilder des gloves-and-socks-Syndrom, Thrombocyto- und Neutropenien oder Hepatitiden und Myocarditiden auf, in Einzelfällen wurde auch eine Encephalitis beschrieben. Werden Personen mit einer gestörten Bildung und Reifung der roten Blutkörperchen (zum Beispiel mit Sichelzellenanämie, Thallassämie) infiziert, so kann es durch die virusbedingte Zerstörung der Erythrocytenvorläufer zu schweren, zum Teil lebensbedrohenden, aplastischen Krisen kommen. Häufig sind mit der akuten Infektion sowohl bei Kindern wie auch bei Erwachsenen Arthralgien und schwere Entzündungen der Gelenke verbunden. Die Formen der akuten Arthritis dauern meist einige Wochen nach der Infektion an. Sie können jedoch auch über Jahre hinweg Beschwerden verursachen und ähneln dann oft einer rheumatoiden Arthritis. Bei diesen Fällen der mitunter lang anhaltenden parvovirusassoziierten Gelenkentzündung handelt es sich um eine persistierende Parvovirus-
infektion, die Viren sind in niedriger Konzentration über lange Zeit in der Synovialflüssigkeit der entzündeten Gelenke vorhanden. Daneben findet man, dass sich in einigen Patienten nach der Infektion auch andere Autoimmunerkrankungen etablieren können. Hierzu zählen verschiedene Formen von Vasculitis, die Hashimoto-Thyroiditis und Autoimmun-Anämien, -Neutround -Thrombopenien. Vor allem treten die chronischpersistierenden Infektionen aber bei immunsupprimierten Patienten auf: Sie entwickeln bevorzugt auch die langanhaltenden schweren Erkrankungsbilder, überwiegend eine chronische Anämie oder Thrombopenie. Die virale DNA kann dabei andauernd in relativ großen Mengen im Blut nachgewiesen werden. Weitere Komplikationen entstehen durch Parvovirus-B19-Infektionen von Schwangeren. Während des ersten Trimesters kann eine akute B19-Infektion Spontanaborte verursachen, die Rate der Spontanaborte ist bei Schwangeren mit akuter B19-Infektion um fünf bis sechs Prozent im Vergleich zu Nichtinfizierten erhöht. Vor allem im zweiten, aber auch noch zu Beginn des dritten Trimester wird bei etwa einem Drittel der Infektionen das Virus diaplacentar auf den Embryo übertragen und infiziert dort vor allem die Pronormoblasten der Leber. Akute Infektionen der werdenden Mutter bis einschließlich der 20. Schwangerschaftswoche können zur Ausbildung eines Hydrops fetalis (eine Ansammlung großer Flüssigkeitsmengen im Embryo, die mit Ödemen, Anämie, Hydrämie und Leberversagen verbunden ist) führen. Bei rechtzeitiger Diagnose kann die Gabe von Bluttransfusionen über die Nabelschnurvene einen Abort verhindern; entwickelt sich im Fetus zusätzlich eine Myocarditis, folgt meist sein Tod. Möglicherweise stehen aber Parvovirus-B19-Infektionen auch in der Spätschwangerschaft mit Fällen intrauterinen Kindstodes in Verbindung. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass Parvovirusinfektionen Fehlbildungen des Embryos verursachen.
Pathogenese Das Parvovirus B19 gelangt bei der Übertragung auf die Schleimhäute des Mund- und Rachenbereichs. Welche Zellen primär infiziert werden, ist unklar. Der zelluläre Rezeptor, das Blutgruppenantigen P, befindet sich auf vielen Zellen, darunter auch auf Endothelzellen und Megakaryocyten. In ihnen kann aber der produktive Infektionszyklus nicht ablaufen. Ebenso ist nicht bekannt, auf welchem Weg das Virus im Organismus zu seinen Zielzellen, den erythroiden Vorläuferzellen der Differenzierungsstadien BFU-E (erythrocyte burst forming unit), CFU-E (erythrocyte colony forming unit) und den Erythroblasten im Knochenmark, gelangt. Während
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der Frühphase der Infektion, in der sich das Virus in den Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen vermehrt, liegt es in hohen Konzentrationen (1011 bis 1013 Partikel pro Milliliter) im peripheren Blut vor. Diese virämische Phase wird durch zwei Faktoren eingedämmt: erstens durch die Produktion von neutralisierenden Antikörpern, welche die weitere Virusausbreitung verhindern, und zweitens durch die virusbedingte Eliminierung der für die Infektion permissiven erythroiden Vorläuferzellen. Die Patienten werden in dieser Phase kurzzeitig anämisch. Bei Personen mit genetischen Störungen der Bildung von roten Blutkörperchen kann die Schädigung dieser Zellpopulation zu schweren aplastischen Anämien führen, weil sie die Erythrocyten nicht schnell genug regenerieren können. Das Exanthem entwickelt sich gleichzeitig mit den virusspezifischen Antikörpern. Es wird daher vermutet, dass sich Immunkomplexe an das Endothel der Blutkapillaren anlagern und Entzündungsreaktionen verursachen, welche die Ausprägung des Hautausschlags bewirken. Alternativ hierzu gibt es auch Hypothesen, denen zufolge der Hautausschlag durch die nichtpermissive Infektion von Endothelzellen entsteht. Etwa 20 Prozent der immunkompetenten Patienten können das Virus nicht effizient kontrollieren: Sie produzieren über Monate und gelegentlich auch Jahre Viren, die im Blut und auch im Gewebe nachweisbar sind. Die lang anhaltenden Arthritiden stehen mit solchen persistierenden Parvovirus-B19-Infektionen in Verbindung: In der Synovialflüssigkeit der entzündeten Gelenke kann man virale DNA und mit Antikörpern komplexierte Viruspartikel nachweisen, diese können immunologische Abwehrreaktionen auslösen und zur Entzündung beitragen. Auch das Vorliegen von NS1spezifischen Antikörpern, die man in diesen Patienten vermehrt findet, weist auf eine chronisch-persistierende Infektion mit verzögerter, unvollständiger Kontrolle der Virusproduktion hin. Man vermutet, dass die kontinuierliche Präsenz des Virus dazu führt, dass es in nichtpermissive Zellen gelangt und in ihnen einen abortiven Infektionsverlauf induziert. Diese Zellen bilden keine infektiösen Nachkommenviren, produzieren aber NS1Proteine. Die zelltoxische Wirkung des NS1-Proteins kann sich ebenso manifestieren wie seine Eigenschaften zur Transaktivierung von zellulären Promotoren, welche die Synthese von entzündungsfördernden Proteinen, wie beispielsweise IL-6 oder TNF-α kontrollieren. Transgene Mäuse, in deren Genom man das NS1-Gen eingebracht hatte, waren für die Entwicklung von Arthritiden deutlich anfälliger als Kontrolltiere. Eine zentrale Rolle bei der Induktion von chronisch-entzündlichen Erkrankungen könnte jedoch auch der Phospholipase-A2-ähnlichen Aktivität in der VP1-uni-
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que region der Viruscapside zukommen, die zur kontinuierlichen Produktion von Prostaglandinen, Leukotrienen und Entzündungsmediatoren in den Gelenken und somit zur Aufrechterhaltung der Arthritis beiträgt. Die enzymatisch aktive VP1-unique region kann in vitro Synoviocyten aktivieren und in ihnen eine erhöhte Produktion von Prostaglandin E bewirken. Andererseits kommt auch die Beteiligung von Autoimmunmechanismen als Ursache für langandauernde Entzündungen in Frage: Bei Patienten findet man gehäuft Antiphospholipidantikörper, deren Entstehung durch die VP1-unique region und ihre Ähnlichkeit zu zellulären Protein-LipidKomplexen eingeleitet und getriggert werden können. Außer im Blut der Patienten mit chronisch-persitierender Infektion sind Virusgenome aber auch in verschiedenen Geweben und Organen (Leber, Myocard, Haut, Muskel, Tonsillen, Knochenmark, Synovialgewebe) von gesunden Personen zu finden; vermutlich bleiben niedrige Mengen der Virusgenome bei allen Personen mit dem Status einer abgelaufenen ParvovirusB19-Infektion latent in den Endothelzellen erhalten; der dieser DNA-Latenz zugrunde liegende Mechanismus ist jedoch unklar. Ob die latenten B19-Genome zusammen mit anderen Erkrankungen oder bei Immunsuppression zur wiederholten Produktion von Viren reaktiviert werden können, ist ebenso unklar.
Immunreaktion und Diagnose Die Diagnose der Infektion erfolgt durch den Nachweis von Antikörpern gegen die viralen Strukturproteine im ELISA-Test oder Western Blot (䉴 Abbildung 20.5). IgG weist auf eine abgelaufene Infektion hin. IgM ist gewöhnlich nur bei frischen B19-Virusinfektionen nachweisbar und bevorzugt gegen partikuläre Formen der Strukturproteine gerichtet. Einen erneuten Anstieg der IgM-Werte findet man gelegentlich bei persistierenden Infektionsverläufen. Bei frischen und persistierenden Infektionen kann man im Serum der Patienten mithilfe der Polymerasekettenreaktion virale DNA nachweisen. Antikörper gegen das NS1-Protein von Parvovirus B19 findet man bevorzugt bei Patienten mit persistierenden Infektionsverläufen (andauernder Granulocytopenie, Thrombocytopenie) und bei Personen mit B19-assoziierter andauernder Arthritis.
Therapie und Prophylaxe Einen Impfstoff gegen Parvovirus B19 gibt es nicht. Als therapeutische Maßnahme bei akut infizierten Schwangeren steht die Behandlung der Feten mit intrauterinen Bluttransfusionen im Vordergrund. Sie werden dann angewandt, wenn im Fetus der Hämoglobinwert unter 8
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20.5 Verlauf einer akuten Ringelrötelnerkrankung durch Parvovirus-B19-Infektion mit den Phasen, in denen Virusproteine, IgMund IgG-Antikörper im Serum nachweisbar sind.
bis 10 g/dl absinkt. So kann man die Entstehung des Hydrops fetalis im Embryo meist verhindern. Der Einsatz von Immunglobulinpräparaten hat bei der Behandlung von immunsupprimierten Patienten (Transplantationspatienten) mit chronischen Anämien und Erythroblastopenien durch persistierende ParvovirusB19-Infektionen Erfolge gezeigt.
Das humane Bocavirus Epidemiologie und Übertragung Das humane Bocavirus wurde 2005 von Tobias Allander in Atemwegsaspiraten von Kindern mit akuten Erkrankungen des Respirationstraktes entdeckt. Die Sequenzanalyse ergab, dass es sich um einen Vertreter der Parvoviren handelt, der Ähnlichkeiten zum bovinen Parvovirus Typ 1 und zum Canine-Minute-Virus aufweist, beides sind Mitglieder des Genus Bocavirus, benannt nach den bovinen und caninen Virustypen, die es bis dahin umfasste. Das neue Virus wurde als humanes Bocavirus dieser Gattung zugeordnet; bisher wurden vier Genotypen (HBoV-1 bis HBoV-4) charakterisiert, deren Nucleinsäuresequenzen in den für die Nichtstrukturproteine codierenden Bereichen zu 70 Prozent konserviert sind. Mittlerweile zeigten epidemiologische Untersuchungen, dass die humanen Bocaviren weltweit verbreitet sind und dass sie überwiegend bei Kleinkindern im Alter unter drei Jahren Erkrankungen des Respirations- und Gastrointestinaltraktes verursachen. In Deutschland findet man bei über sechsjährigen Kindern
und Erwachsenen eine Seroprävalenz von 95 Prozent. Das Virus wird vermutlich durch Tröpfcheninfektion übertragen.
Klinik Über die Inkubationszeit bis zum Auftreten der Symptome ist wenig bekannt. Vermutlich verläuft ein Großteil der Infektionen mit dem humanen Bocavirus asymptomatisch. Das HBoV-1 kann vor allem in Kindern mit Erkrankungen der unteren Atemwege (Bronchitis, Lungenentzündung) nachgewiesen werden. Die Genotypen 2, 3 und 4 findet man hingegen präferentiell bei Kleinkindern mit Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes (Durchfall). Es ist nicht endgültig geklärt, ob das humane Bocavirus kausal mit diesen Erkrankungen assoziiert ist, da in etlichen der erkrankten Kinder auch andere Viren (respiratorisches Syncytialvirus, humanes Metapneumovirus, Noroviren) und Bakterien (Streptococcen) gefunden wurden. Viele Befunde deuten aber darauf hin, dass Infektionen mit dem humanen Bocavirus mit Erkrankungen des unteren Respirationstraktes bei Kleinkindern assoziiert sind.
Pathogenese Bezüglich der Pathogenese der Infektion mit dem humanen Bocavirus gibt es keine Daten, die Zielzellen kennt man nicht. In Kindern mit Atemwegserkrankungen findet man den Erreger im Sputum und Rachenspülwasser sowie im Blut – letzteres ist ein Hinweis dar-
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¡ Das Virus Parv4 Das Virus Parv4 wurde im Jahr 2005 erstmals beschrieben. Man fand es in einem Patienten, der an den Symptomen einer akuten Infektion litt und stationär in einer Klinik in San Francisco behandelt wurde. Auch konnte es mittels Polymerasekettenreaktion in menschlichem Blutplasma nachgewiesen werden, vor allem in Plasmapools von Blutspendern an der Westküste der USA. Die Genomanalyse wies dieses Virus als Parvovirus aus, und man gab ihm die vorläufige Bezeichnung Parv4, weil es sich bei ihm um den vierten Vertreter dieser Virusfamilie handelt, der Menschen
auf, dass es sich um keine lokal begrenzte, sondern um eine systemische Infektion handelt. Bei Kindern mit Durchfallerkrankungen ist das Virus auch im Stuhl nachweisbar.
infizieren kann. Es ist noch nicht endgültig geklärt, ob das Parv4 dem Genus Erythrovirus zugeordnet werden kann. Bis heute wurden zwei Genotypen dieses neuen Virus beschreiben. Es ist unklar, ob die Infektion mit Symptomen einhergeht. Man fand Parv4 vereinzelt in Plasmapools, Blutprodukten (Gerinnungsfaktoren) sowie in Drogenabhängigen und Patienten, die mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert sind. Diese Daten weisen auf einen Übertragungsweg durch menschliches Blut hin.
Klinik Bisher konnte man trotz der hohen Durchseuchungsrate keine Erkrankungsbilder mit den Infektionen in Verbindung bringen.
Immunreaktion und Diagnose Bei Personen mit zurückliegender Infektion lassen sich durch ELISA-Tests IgG-Antikörper gegen die Capsidproteine VP2 nachweisen, außerdem findet man bei ihnen zelluläre Immunreaktionen gegen die VP2-Proteine, die von CD4+-Zellen vermittelt werden. VP2-spezifisches IgM und virale DNA im Blut oder in Atemwegsaspiraten sind Anzeichen für akute Infektionen.
Prophylaxe und Therapie Es gibt weder Impfstoffe noch antivirale Therapeutika.
Die adenoassoziierten Viren Epidemiologie und Übertragung Die adenoassoziierten Viren der Typen 2, 3 und 5 können Menschen infizieren. Sie wurden mit Ausnahme von AAV-5, das aus einem flachen Peniskondylom isoliert wurde, als Kontamination in Adenoviruspräparationen gefunden. Die Übertragung der adenoassoziierten Viren erfolgt vermutlich im Kindesalter zusammen mit Adenoviren durch Tröpfcheninfektion. Mehr als 90 Prozent der Erwachsenen sind mit diesen Viren infiziert, die nach der Primärinfektion im latenten Stadium vorliegen.
Pathogenese Es ist unbekannt, welche Zellen die adenoassoziierten Viren in vivo infizieren und in welchen Zellen sie latent ins Wirtszellgenom integriert vorliegen. In vitro können sie sich abhängig vom Helfervirus in verschiedenen Epithelzellen replizieren. In Biopsien der Uterusschleimhaut konnte mithilfe der Polymerasekettenreaktion die DNA des adenoassoziierten Virus Typ 2 nachgewiesen werden. Es ist ungeklärt, auf welche Weise die adenoassoziierten Viren die Tumorzellproliferation hemmen. Diese Funktion steht in engem Zusammenhang mit der Aktivität der Proteine Rep78 und Rep68 und hängt vermutlich mit deren transreprimierender Wirkung auf zelluläre Promotoren zusammen. Man hat Hinweise darauf, dass die adenoassoziierten Viren auch durch humane Papillomaviren reaktiviert werden und beide Viren dieselben Zellen infizieren können. Ob die tumorsupprimierende Wirkung der adenoassoziierten Viren bei der Verhinderung von papillomavirusassoziierten Tumorerkrankungen eine Rolle spielt, ist ungeklärt. Bei einer Überexpression sind die Proteine zelltoxisch, und man kann nicht ausschließen, dass manche der beschriebenen onkolytischen Eigenschaften auf diesem Phänomen beruhen.
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Immunreaktion und Diagnose Bei infizierten Personen lassen sich durch ELISA-Tests IgG-Antikörper gegen die Strukturproteine nachweisen. IgM findet sich bei Virusreaktivierungen während der Schwangerschaft. Frische Infektionen werden selten diagnostiziert, da sie asymptomatisch verlaufen.
Prophylaxe und Therapie Es gibt weder Impfstoffe noch antivirale Therapeutika. Sie erscheinen auch unnötig, da mit den Infektionen keine Erkrankungen verbunden sind.
20.1.6 Tierpathogene Parvoviren Die felinen und caninen Parvoviren Epidemiologie und Übertragung Die felinen Parvoviren mit ihren hauptsächlichen Vertretern, dem felinen Panleukopenievirus, dem Nerzenteritisvirus (Mink-Enteritis-Virus) und dem caninen Parvovirus, sind sehr nahe miteinander verwandt: Auf DNA-Ebene findet man eine Homologie der Genomsequenzen von mehr als 98 Prozent. In ihren jeweiligen Wirten verursachen sie nahezu identische Krankheitsbilder, deren Hauptbefund eine hämorrhagische Gastroenteritis darstellt. Bei diesen Viren kann die Evolution im Detail nachvollzogen werden, da das canine Parvovirus um 1978/1979 plötzlich aufgetreten ist und alles darauf hindeutet, dass es direkt oder indirekt, also möglicherweise über Infektionen der Füchse, aus dem lange bekannten felinen Panleukopenievirus entstanden ist (䉴 Abbildung 20.6 und Kapitel 12). Die felinen Parvoviren werden durch direkten Tierkontakt oder indirekt durch Kontakt mit viruskontaminierten Materialien (Einstreu, Näpfe, Wurfboxen oder Ähnliches) übertragen. Als häufige Übertragungsquelle gelten auch Menschen, beispielsweise Züchter oder Welpenkäufer, welche die Erreger an Kleidung oder Schuhsohlen leicht in die Bestände einschleppen können. Diese indirekte Verschleppung wird durch die hohe physikalische Stabilität der Parvoviren begünstigt. Sie können in getrocknetem Kot monatelang infektiös bleiben. Diese Eigenschaft war auch 1979 für die schnelle, weltweite Verbreitung des caninen Parvovirus verantwortlich: Es wurde ohne Verzögerung auch auf Kontinente wie Australien verschleppt, die hohe Quarantäneauflagen für die Einfuhr von Hunden beschlossen hatten. Das Virus wird zudem von erkrankten Tieren in sehr großen Mengen (bis zu 109 infektiöse Partikel pro Gramm
Faeces) ausgeschieden. Für die Auslösung einer Infektion genügen maximal 102 bis 103 infektiöse Viren. Daher kann sich in infizierten Zuchtbetrieben oder Tierheimen sehr schnell ein sehr großer Infektionsdruck aufbauen. Das feline Panleukopenievirus und das Nerzenteritisvirus infizieren Katzen und Marderartige. Beide gelten als Virulenzvarianten des gleichen Virus, da man sie aufgrund von Sequenzdaten nicht unterscheiden kann. Hunde und Hundeartige (Wölfe, Schakale, Füchse, Marderhunde) scheinen unter natürlichen Bedingungen für das feline Parvovirus nicht empfänglich zu sein. Das canine Parvovirus Typ 2, das 1978 zum ersten Mal isoliert worden ist und weltweit eine verheerende Pandemie mit Millionen von Todesfällen in der Hundepopulation ausgelöst hat, scheint dagegen auf Hunde und Hundeartige beschränkt zu sein. Mit der Entstehung der sogenannten neuen Antigentypen „CPV-2a“ „CPV-2b“ und „CPV-2 c“ änderte sich dieses klare Bild, da diese Viren sowohl den Hund als auch die Katze infizieren und in beiden Tieren eine Krankheit hervorrufen können.
Klinik Die Symptome der felinen Parvovirusinfektionen von Hund und Katze sind weitgehend identisch, und doch gibt es einige deutliche Unterschiede. Im Vordergrund stehen in jedem Fall eine akute hämorrhagische Diarrhoe, eine Lymphopenie und eine generalisierte Leukopenie, vor allem bei Infektionen der Katzen. Neben diesen klassischen Manifestationen beobachtet man bei jungen Katzenwelpen, die in den ersten Lebenstagen mit dem felinen Parvovirus infiziert werden, eine Infektion der Purkinje-Zellen des Kleinhirns, die eine Kleinhirnhypoplasie zur Folge haben. Das klinische Bild der felinen Ataxie resultiert aus dieser Schädigung; sie manifestiert sich in einem Alter von drei bis vier Wochen, wenn die Welpen zu laufen beginnen. Bei Hunden, die mit caninen Parvoviren infiziert sind, beobachtet man dagegen keinen Befall des Kleinhirns. Werden Hunde in den ersten Lebenstagen infiziert entwickeln sie eine Myocarditis, die zu einer vollständigen Funktionsstörung des Herzens und zum Tod des Welpen führen kann.
Pathogenese Nach oraler Aufnahme gelangt das Virus in die Epithelien des Nasenrachenraumes und der regionalen lymphatischen Organe. Hier repliziert das Virus initial und gelangt in einer freien und an Lymphocyten gebundenen Virämie zu den lymphatischen Organen und dem Knochenmark. Über die Peyerschen Platten gelangt das Virus in die Zellen der Lieberkühnschen Krypten, also
AS 426 (D N)
canines Parvovirus Typ2b canines Parvovirus Typ2c (1984-heute, Hunde und Katzen) (1984-heute, Hunde und Katzen)
AS 426 (D E)
canines Parvovirus Typ2a (1978-heute, Hunde und Katzen)
AS 87 (M L) AS 300 (G A) AS 305 (Y D)
20.6 Evolution bei tierpathogenen Parvoviren. Angegeben sind die Veränderungen der Aminosäuresequenz im Strukturprotein VP2, die den Wechsel des Wirtstropismus ausgehend vom felinen Panleukopenievirus zum caninen Parvovirus Typ 2 begleitet haben. Als hypothetische Zwischenwirte werden Füchse postuliert. Infektionen mit dem caninen Parvovirus Typ 2 kamen verbunden mit tödlichen Erkrankungen ausschließlich bei Hunden vor. Weitere Mutationen veränderten die Aminosäuresequenz dieses Virus und es entstanden die caninen Parvoviren Typ 2a und 2b, die sowohl Katzen als auch Hunde infizieren und den hochvirulenten Typ 2 ablösten.
Parvovirus der Waschbären (1940 bis heute)
Nerz-Enteritis-Virus (1940 bis heute)
felines Panleukopenievirus ( 1:40 000 beziehungsweise einer Inzidenz von weniger als 2,5 Fälle auf 100 000 Tiere (entsprechend 0,000022% der untersuchten Tiere). Eine solchermaßen flächendeckende Überwachung bei einer seltenen Infektion ist daher beispiellos. Durch den hohen Stellenwert des Verbraucherschutzes werden die in die Milliarden gehenden finanziellen Aufwendungen für die BSE-Untersuchung aber gerechtfertigt. Die meisten der diagnostizierten deutschen
das Knochenmehl innerhalb Großbritanniens nicht mehr benützt werden durfte, versuchte man, es in die EU-Mitgliedsstaaten zu exportieren. Als dieses offiziell nicht mehr möglich war, gelangte das Material noch immer auf dunklen Wegen in nichteuropäische Länder. Daher war davon auszugehen, dass BSE in viele Länder gebracht worden ist. Allerdings werden wohl nur Länder mit einer aktiven und großflächigen Überwachung (mit BSE-Tests) diese Fälle aufspüren. Man bedenke, dass auch Deutschland vor Einführung der verpflichtenden BSE-Tests als BSE-frei galt. Im Übrigen führt auch die USA bis heute keine derartige aktive Überwachung durch. In den letzten Jahren wurde in verschiedenen Ländern Europas und in den USA atypisches BSE (beispielsweise BASE) gefunden, das ähnlich wie das atypische Scrapie veränderte histopathologische und biophysikalische Eigenschaften wie eine verringerte Proteinase KResistenz aufweist. Daher kann es mit den üblichen BSE-Tests leicht übersehen werden. Diese Form der BSE zeigte sich aber in den Tierversuchen eindeutig infektiös und manche Forscher sprechen dieser Form daher auch zoonotisches Potential zu. Die genaue Verteilung und Häufigkeit dieser BSE-Formen muss in zukünftigen Studien aufgeschlüsselt werden. Es bleibt abzuwarten, ob atypisches BSE den sporadischen Fällen entspricht. Interessanterweise wurde kürzlich bei einem atypischen BSE-Fall in den USA ein Aminosäureaustausch im
BSE-Fälle betrafen Rinder der Jahrgänge 1995 und 1996 und nur zwei Kühe waren jünger als 30 Monate. Bis Oktober 2009 hat man insgesamt 413 bestätigte BSE-infizierte Rinder identifiziert, von denen etwa ein Drittel aber wegen klinischer Auffälligkeiten getötet worden ist. Da einige wenige dieser Kühe nach dem Verbot von Tiermehl als Futtermittel im Jahre 2000 geboren worden waren (born after ban), kommt die Frage auf, wie sich diese Rinder infiziert hatten. Angesichts der Tatsachen, dass vCJD relativ effizient – beispielsweise durch Blutspenden – innerhalb der menschlichen Bevölkerung übertragen werden kann und dass die Verhinderung solcher iatrogenen, sekundärer vCJD-Fälle (svCJD) wiederum sehr schwierig ist und immenser finanzieller und logistischer Anstrengungen bedarf, sind die vielfältigen Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung (auch im Medizin- und Blutspendewesen) sicherlich adäquat. Insgesamt ist die Vermeidung der Übertragung von BSE auf den Menschen weitaus einfacher als der Umgang mit vCJD in der menschlichen Bevölkerung.
Prnp-Gen beschrieben, der der humanen Mutation E200K entsprechen würde.
Klinik Im Gegensatz zum Scrapieerreger erscheint der BSEErreger sehr einheitlich; Erreger von verschiedenen Ausbrüchen zeigen ein einheitliches histopathologisches Läsionsprofil (lesion profile) im Gehirn von infizierten Mäusen und ein homogenes bzw. konstantes Verhalten in Immunoblot und Tierversuchen in transgenen Mäusen. Nach drei bis fünf Jahren der mittleren Inkubationszeit kam es nahezu gleichzeitig in verschiedenen Regionen Englands zum Ausbruch der Krankheit. Sie beginnt mit Verhaltensstörungen, wie zum Beispiel einer vermehrten Empfindlichkeit auf akustische oder taktile Reize, und reicht bis zum ataktischen Gang mit Niederstürzen und Festliegen. Die Krankheitsdauer ist mit wenigen Wochen relativ kurz, jedoch werden die ersten Symptome häufig übersehen oder fehlinterpretiert und das Rind bereits vor der endgültigen Diagnosestellung geschlachtet. Histologisch finden sich die für spongiforme Encephalopathien typischen Veränderungen vorwiegend im Mittelhirn, in der Pons, der Medulla oblongata und dem Hippocampus. Wie alle übertragbaren spongiformen Encephalopathien verläuft die Krankheit ausnahmslos tödlich.
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Pathogenese Die Pathogenese der oralen BSE-Infektion im Rind ist in sehr aufwendigen Pathogenese-Studien in mehreren Ländern genau untersucht worden (beispielsweise in Großbritannien, Deutschland und Japan). Dabei wurden infizierte Rinder zu bestimmten Zeitpunkten kontrolliert geschlachtet und eine Vielzahl von biologischen Materialien asserviert und mit diversen Tests untersucht (auch Stuhl, Urin, Exkrete und Sekrete). Insbesondere lag das Augenmerk auf den präsymptomatischen Zeitpunkten. Je nach Nachweisverfahren kann Prioninfektiosität in peripheren Nerven lange vor dem Nachweis im ZNS dargestellt werden. Mittlerweile wurde die Infektiosität von PrPSc und Prionen auf niedrigem Niveau auch im reinen Muskelfleisch nachgewiesen.
Diagnose Die Diagnose wird am toten Tier durch Nachweis des Proteinase-K resistenten PrPSc aus der Obex-Region (Stammhirn) in „BSE-Schnelltests“ geführt (䉴 Abbildung 21.4). An „Lebendtests“ wird weiterhin intensiv geforscht. Aufgrund des fehlenden Lymphotropismus im Rind können lymphatische Materialien intra vitam nicht herangezogen werden. Außerdem spielt der PrPGenotyp bei BSE keine Rolle. Im positiven Fall wird eine Immunhistochemie und auch der Nachweis von SAFs im Immunoblot im Nationalen Referenzlabor am Friedrich-Löffler Institut auf der Insel Riems durchgeführt. Alle Schlachttiere, die älter als 24 Monate sind, wurden in Deutschland mittels der Schnelltests auf das Vorhandensein von PrPSc untersucht. Im Jahre 2009 wurde dies dahingehend modifiziert, dass den EU-Anforderungen entsprechend nunmehr jedes in Deutschland geborene, über 48 Monate alte, gesund geschlachtete Rind im Rahmen der Schlachtung sowie jedes in Deutschland geborene, über 48 Monate alte, not- oder krank geschlachtete beziehungsweise verendete oder getötete Rind auf BSE getestet werden muss. Die Tiermehlverfütterung bleibt generell verboten, Risikomaterial wird weiterhin entfernt.
Therapie und Bekämpfung Neben der Keulung gibt es weder eine Therapie noch eine Prophylaxe. Alle übertragbaren spongiformen Encephalopathien beim Tier sind in Deutschland anzeigepflichtig. Jeder Verdacht der Erkrankung muss vom Tierarzt oder anderen Personen einschließlich des Tierbesitzers dem zuständigen Veterinäramt angezeigt werden. Die Bekämpfung der BSE wird durch tierseuchenrechtliche Bestimmungen geregelt. Als Tierseuche stellt
die BSE ein beherrschbares und gut bekämpfbares Problem dar. Nur wenige Tiere einer Herde erkranken, und da die horizontale Übertragung sehr ineffizient zu sein scheint, ist es möglich, durch Eliminierung einer Herde, in der ein Fall aufgetreten ist, den Infektionsherd zu tilgen. Nach amtlicher Feststellung der Seuche wurden in Deutschland lange Zeit nur die Rinder der Geburtenund Fütterungskohorte, das heißt die Tiere, die ein Jahr vor bis ein Jahr nach dem erkrankten Tier in dem gleichen Bestand geboren wurden, sowie die Tiere, die in den ersten zwölf Lebensmonaten das gleiche Futter bekommen haben, getötet (Kohortentötung). Die restlichen Tiere des Bestands unterliegen keiner besonderen Regelung. Milch und Schlachtkörper dieser Tiere werden frei gehandelt. Da sich aber praktisch fast alle Tiere einer Kohorte tatsächlich negativ erwiesen hatten, werden inzwischen keine Kohorten mehr getötet, diese werden stattdessen nur noch erfasst. Die Tiere der Kohorte können uneingeschränkt weiter genutzt werden, dürfen aber nicht geschlachtet werden. Sie werden am Ende der Nutzung getötet und die Tierkörper unschädlich beseitigt.
21.7 Weiterführende Literatur Aguzzi, A.; Polymenidou, M. Mammalian prion biology: one century of evolving concepts. In: Cell 116 (2004) S. 313–327. Anderson, R. M.; Donnelly, C. A.; Fergusonnm, et al. Transmission dynamics and epidemiology of BSE in British cattle. In: Nature 382 (1996) S. 779–788. Bruce, M. E.; Will, R. G.; Ironside, J. W. et al. Transmission to mice indicate that „new variant CJD“ is caused by the BSE agent. In. Nature 389 (1997) S. 498–501. Castilla, J.; Saa, P.; Hetz, C.; Soto, C. In vitro generation of infectious scrapie prions. In: Cell 121 (2005) S.195–206. Collinge, J. Prion diseases of humans and animals: their causes and molecular basis. In: Annu. Rev. Neurosci. 24 (2001) S. 519–550. Gilch, S.; Krammer, C.; Schätzl, H. M. Targeting prion proteins in neurodegenerative disease. In: Expert. Opin. Biol. Ther. 8 (2008) S. 923–940. Govaerts, et al. Evidence for assembly of prions with left-handed beta-helices into trimers. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 101 (2004) S. 8342–8347. Hörnlimann, B.; Riesner, D.; Kretzschmar, H. Prionen und Prionkrankheiten. Berlin, New York (De Gruyter) 2001. Krammer, C.; Vorberg, I.; Schätzl, H. M.; Gilch, S. Therapy in prion diseases: From molecular and cellular biology to therapeutic targets. In: Infectious Disorders – Drug Targets 9 (2009) S. 3–14. Legname, G.; Baskakov, I. V.; Nguyen, H. O. B.; Riesner, D.; Cohen, F. E.; DeArmond, S. J.; Prusiner, S. B. Synthetic mammalian prions. In: Science 305 (2004) S. 673–676.
21.7 Weiterführende Literatur
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Anhang 1 Transmissionselektronenmikroskopie in der Virologie: Prinzipien, Präparationsmethoden und Schnelldiagnostik Hans R. Gelderblom Früher verfügten gut ausgestattete Virusinstitute über viele verschiedene Zellkulturtypen, Ultrazentrifugen und auch ein Elektronenmikroskop, also ein Elmi. Tempi passati? – In der Tat! Inzwischen relativieren molekularbiologische Methoden, wie beispielsweise Polymerasekettenreaktion, ELISA und Chip-Technologien – alles schnelle, hochempfindliche Detektionssysteme – den Wert der Elektronenmikroskopie im virologischen Methodenspektrum. Anders als in den Materialwissenschaften kam es in den Biowissenschaften, bedingt durch die hohen Anschaffungskosten und den Mangel an erfahrenem Personal, zu einem deutlichen Rückgang beim Einsatz der Elektronenmikroskopie. Ein weiterer Grund ist die Fehleinschätzung, dass der Einsatz der Elektronenmikroskope kostenträchtig und zeitaufwändig ist. Dies trifft jedoch bei den überwiegend verwendeten, konventionellen Methoden nicht zu. Die Kosten für ein elektronenmikroskopisches Präparat, der Aufwand an Reagenzien, Kontrast- und Einbettungsmitteln sowie Trägernetzen sind gering. Die Elektronenmikroskopie ist schnell und benötigt bei Negativkontrastierung vom Beginn der Probenvorbereitung bis zur Analyse des Präparats kaum 15 Minuten. Vorteilhaft ist außerdem, dass ein praktisch unbegrenztes Spektrum unterschiedlicher Proben analysiert werden kann – von sauberen Nanopartikeln bis zum stinkenden Durchfall.
Prinzipien der Elektronenmikroskopie und der morphologischen Virusdiagnostik In der Transmissionselektronenmikroskopie werden beschleunigte, monochromatische Elektronen zur Durchstrahlung des abzubildenden Objektes genutzt. Dabei ergeben sich Wechselwirkungen: Die Strahlelektronen werden an Atomkernen und -hüllen unterschiedlich gestreut und verlieren dabei zum Teil an Energie. Nach Vergrößerung über ein mehrstufiges Linsensystem er-
hält man im Transmissionselektronenmikroskop dank der gegenüber dem Lichtmikroskop wesentlich geringeren Wellenlänge der Strahlelektronen, eine 1000fach höhere Auflösung (zwei Nanometer versus zwei Mikrometer). Damit kann die Transmissionselektronen- im Gegensatz zur Lichtmikroskopie auch kleinste Viren visualisieren. Die Rasterelektronenmikroskopie bildet Oberflächen-, aber keine Innenstrukturen ab. Auch wenn die confokale Laser-Scan-Lichtmikroskopie einzelne Viren lokalisieren kann, so ergibt ihr Fluoreszenzsignal keine Darstellung des Partikels. Die Identifizierung von Viren und die Beschreibung von Virus-Zell-Wechselwirkungen erfordern jedoch häufig hoch aufgelöste Strukturinformationen, wie sie nur durch die Elektronenmikroskopie geliefert werden können. Einsatz finden Elektronenmikroskope aber auch in der Diagnostik von Viruserkrankungen: Die moderne Laboratoriumsdiagnostik ermöglicht zwar einen hohen Probendurchsatz, erfordert aber eine klinische Verdachtsdiagnose und erregerspezifische Reagenzien. Die Elektronenmikroskopie dagegen „erhellt“ nach schneller, einfacher Kontrastierung „mit offenem Blick“ und hoher Auflösung die Feinstrukturen in der Probe. Dabei werden alle Erreger erkennbar – auch bei Mehrfachinfektionen, bei unbekannten oder vom Kliniker nie in Betracht gezogenen und sogar bei molekulargenetisch konstruierten Erregern. Infektionserreger zeigen konstante morphologische Eigenschaften wie Größe, Form, Untereinheiten, eventuell eine Hüllmembran, Oberflächenfortsätze, die spezifische Art der Wechselwirkung mit der Wirtszelle. Diese Kriterien helfen, das fragliche Objekt einer bestimmten Erregerfamilie zuzuordnen. Die morphologische Diagnose „Viren der HerpesvirusFamilie“ bestimmt zwar nicht die Virusspezies, ermöglicht aber als „Familiendiagnose“ dem Kliniker oder Epidemiologen – zusammen mit der Vorgeschichte – rasch eine Handlungsperspektive mit antiviraler Therapie, Quarantäne oder Impfung etc. Steht die Erregerfamilie fest, wird, sofern nötig, auch die „Feindiagnostik“ durch molekulare Methoden oder durch Immunelektronenmikroskopie erheblich beschleunigt. Die Unabhängig-
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Transmissionselektronenmikroskopie in der Virologie
keit von erregerspezifischen Reagenzien ist von großem Vorteil in der Infektions- wie auch in der Seuchen- und Bioterrordiagnostik, bei der Charakterisierung von Laborprodukten und Biopräparaten, Impfstoffen, therapeutischen Antikörpern und nicht zuletzt auch bei der zu oft vernachlässigten internen Qualitätssicherung. Von Nachteil ist, dass die Elektronenmikroskopie wegen der ihr eigenen hohen Vergrößerung ein sehr enges Gesichtsfeld hat und damit Partikelkonzentrationen von mehr als 105 Partikel/ml für die Detektion erfordert. Für Proben, die darunter liegen, müssen wirksame und schnelle Anreicherungsmethoden eingesetzt werden. Auch erlaubt die Elektronenmikroskopie keinen hohen Durchsatz. Der Untersucher muss sich für 20 Minuten ausschließlich mit einem Präparat befassen, bevor er es nach vergeblicher Suche als „negativ“ einstufen kann.
Transmissionselektronenmikroskopie: Notwendig sind dünne Präparate In Präparaten mit einer Schichtdicke von mehr als 80 Nanometern werden die abbildenden Elektronen mehr-
fach gestreut; die Folgen sind Verluste an Bildschärfe und -information. Die notwendigen, dünneren Präparate erhält man nach Einbettung der Proben in Kunstharz (Epon) in Ultradünnschnitten oder durch Negativkontrastierung von Partikelsuspensionen. Beide Methoden ergeben in der Praxis Auflösungen von zwei Nanometern. Viren sind biologische Makromoleküle, die im Wesentlichen aus leichten Atomen mit geringer Massendichte bestehen. Im Transmissionselektronenmikroskop erweisen sie sich als hochtransparent und kontrastarm. Detail- und kontrastreiche Bilder erhält man über Elektronenabsorption und -streuung erst bei hoher Massendichte der Objekte, wie man sie durch Negativ- oder Positivkontrastierung erzeugen kann (䉴 Abbildung 1). Die Negativkontrastierung benötigt Partikelsuspensionen, wie man sie aus Abstrichen direkt vom Patienten, Zellkulturüberständen, aufgeschlossenen Zellen, mit Seesand gemörserten Tumoren, Urin-, Serum- oder Stuhlproben, Bakterienkolonien bis hin zum Bioterrorverdächtigen „Pulver“ herstellen kann. Jedes organische oder anorganische Material ist prinzipiell geeignet, wenn es sich suspendieren lässt. Grobe Zelltrümmer werden durch niedertourige Zentrifugation beseitigt.
Abb. 1 Präparation für die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM): Prinzip von Ultradünnschnitt- und Negativkontrast-TEM am Beispiel eines Herpesvirus. Die obere Hälfte zeigt den Ultradünnschnitt einer in Epon eingebetteten Probe. Dafür wurden in vitro infizierte Zellen mit Glutaraldehyd fixiert, mit Schwermetallsalzen inkubiert, entwässert und schließlich in Kunstharz eingebettet. Die gehärteten Proben wurden am Ultramikrotom in 50 Nanometer dicke Präparate geschnitten, nachkontrastiert und am TEM ausgewertet. Von außen nach innen lassen sich die virale Hüllmembranen als Lipiddoppelschicht mit Glycoproteinfortsätzen, das mäßig kontrastierte Tegument, das in der Projektion hexagonale Viruscapsid und, ganz innen, auch der virale DNA-Komplex erkennen. Auch bei der Negativkontrastierung (untere Hälfte) werden Schwermetallsalze als Kontrastmittel genutzt (䉴 Abbildung 2). Bei kurzer Einwirkung kommt es hier allerdings nur gering zu chemischen Bindungen. Die Viruskomponenten bleiben transparent, sie erscheinen hell, negativkontrastiert gegen das dunkle, elektronendichte Kontrastmittel: Man erkennt die labile Hülle eines Herpesvirus mit ihren Glycoproteinfortsätzen und Innen das kontrastmittelgefüllte Capsid mit Capsomeren und dem typischen 100 Nanometer Durchmesser.
Transmissionselektronenmikroskopie in der Virologie
Danach wird die Probe kontrastiert (䉴 Abbildung 2). Auf einen Tropfen der Suspension wird ein meist aus Kupfer bestehendes Trägernetz (Grid) aufgebracht, welches einen stabilen, aber gut durchstrahlbaren Plastikträgerfilm über regelmäßig angebrachten Löchern trägt. Nach kurzer Adsorption werden der Probenüberschuss mit Filterpapier und störende Ionen mit Wasser entfernt und das Grid mit dem adsorbierten Material für wenige Sekunden auf dem Kontrastmittel abgelegt. Dazu setzt man 0,5- bis 4,0prozentige Schwermetallsalzlösungen mit hoher Massendichte wie Phosphorwolframsäure oder Uranylacetat ein. Das nun „kontrastierte“ Grid wird vom überschüssigen Kontrastmittel befreit, kurz an der Luft getrocknet und ist für die elektronenmikroskopische Untersuchung bereit. Das eingetrocknete, elektronendichte Kontrastmittel umhüllt die „transparenten“ Strukturen auf dem Trägernetz und macht – vergleichbar der Röntgenkontrasttechnik – Oberflächendetails mit sehr hoher Auflösung sichtbar. Es kann aber auch in labile Proben eindringen und Innenstrukturen darstellen. Vorteilhaft für eine naturnahe Abbildung ist auch, dass Viren, wie andere labile Biostrukturen, vom Kontrastmittel eng umhüllt und damit stabilisiert werden.
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Dünne Präparate liefert neben der Negativkonstastierung auch die aufwendigere Ultradünnschnitttechnik. Dafür werden Blöckchen von soliden Geweben, Zellkulturverbänden oder Ultrazentrifugensedimenten (Kantenlänge unter einem Millimeter) zunächst chemisch durch Aldehyde fixiert und mit Schwermetallsalzlösungen (Osmium, Uran, Blei) inkubiert. Die Schwermetallsalze binden sich an unterschiedliche Gruppen im Objekt und bewirken so hohe Massendichten sowie kontrastreiche Darstellungen auch von internen Strukturen, die später im Schnitt sichtbar werden. Nach Entwässerung, beispielsweise in einer aufsteigenden Alkoholreihe, werden die Proben in Kunstharz eingebettet und am Ultramikrotom geschnitten: Schnitte mit einer Dicke von 40 bis 70 Nanometern werden mit Bleisalzen nachkontrastiert und elektronenmikroskopisch ausgewertet. Konventionell durchgeführt benötigt die gesamte Präparation vier bis fünf Tage. Moderne, schnelle Methoden verkürzen sie dagegen auf wenige Stunden, erfordern allerdings immer noch erheblich mehr Aufwand und Zeit als die Negativkontrastierung.
Abb. 2 Praxis der Negativkontrastierung: Auf einer inerten Fläche werden von links nach rechts in horizontaler Reihe Tropfen der zu untersuchenden Suspension, Waschflüssigkeit und Kontrastmittel aufgebracht. Trägernetze (Grids – in der Petrischale) werden mit einer Pinzette auf der Probe abgelegt – für zehn Sekunden oder länger – dann auf Tropfen von Aqua bidest. gewaschen und schließlich weitere zehn Sekunden auf dem Kontrastmittel angefärbt. Nach Entfernen des überschüssigen Kontrastmittels und anschließender Lufttrocknung sind die Grids für die TEM bereit (aus Gelderblom, 2003).
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Transmissionselektronenmikroskopie in der Virologie
Perspektiven der Transmissionselektronenmikroskopie in der Virologie Wenn Schnelligkeit, hohe Auflösung und „offener Blick“ der Elektronenmikroskopie sinnvoll in der Labormedizin oder zellbiologischer Forschung eingesetzt werden sollen, so erfordert das einen „front-line“-Einsatz. Deswegen sollte diese Methodik vernetzt mit sich ergänzenden Techniken eingesetzt werden, um ihren Aussagewert zu steigern. Ein elektronenmikroskopisches Labor sollte immer auch Serviceleistungen für andere Einrichtungen bieten, denn hier, zwischen Service, Routine und Grundlagenforschung, wartet eine Unzahl lohnender Aufgaben. Ein derart offen-nützlicher Ansatz sollte es ermöglichen, den notwendigen wissenschaftlichen Nachwuchs zu begeistern und das Überleben der Elektronenmikroskopie in der Breite der Biowissenschaften zu sichern.
Weiterführende Literatur Biel, S. S.; Gelderblom, H. R. (1999) Electron microscopy of viruses. In: Virus Cell Culture – A Practical Approach (ed. Alan Cann) Oxford University Press, S. 111–147. Gelderblom, H. R. (2001) Elektronenmikroskopische Erregerdiagnostik. BIOforum 24, S. 105–108 GIT Verlag, Darmstadt. Gelderblom, H. R. (2003) Elektronenmikroskopie im Methodenspektrum der Bioterrorismus-Diagnostik. Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 46, S. 984–988. Hazelton, P. R.; Gelderblom, H. R. Electron microscopy for rapid diagnosis of infectious agents in emergent situations. In: Emerg. Inf. Dis. 9 (2003), S. 294-303. Krüger, D. H.; Schneck, P.; Gelderblom, H. R. Sixty years ago: Helmut Ruska and the visualization of viruses. In: Lancet 355 (2000), S. 1713–1717. Laue, M.; Niederwöhrmeier, B.; Bannert, N. Rapid diagnostic thin section electron microscopy of bacterial spores. In: J. Microbiol. Meth. 70 (2007), S. 45-54. Deutsche Gesellschaft für Elektronenmikroskopie: www.dgehomepage.de/Arbeitskreise Konsiliarlabor für EM-Erregerdiagnostik am Robert Koch-Institut: www.rki.de/Content/Institut/Departments Units/NRC/ CONSULLAB
Anhang 2 Informationen zu den „prototypischen elektronenmikroskopischen Portraits“ der einzelnen Virusfamilien Hans R. Gelderblom
Poliovirus Typ 1 (䉴 Abschnitt 14.1) als Vertreter der Picornaviridae, gezüchtet in Zellkultur, über Gradienten gereinigt und dargestellt nach Negativkontrastierung mit 2 % Phosphorwolframsäure (PTA). Picornaviren sind isometrisch, verfügen über keine Hüllmembran, messen 28–30 Nanometer im Durchmesser und lassen auch bei hoher Auflösung kaum Feinstrukturen erkennen. Primärvergrößerung: × 60 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Humanes Astrovirus Typ 1 (䉴 Abschnitt 14.2), der Prototyp der Astroviridae, gezüchtet in Zellkultur, über Gradienten gereinigt und dargestellt nach Negativkontrastierung mit 1% Uranylacetat. Die isometrischen, nicht von einer Membran umhüllten Astroviren, messen 27–30 Nanometer im Durchmesser und zeigen gelegentlich eine klare, sternförmige 5er- oder 6er-Symmetrie (griechisch aster: Stern). Primärvergrößerung: × 60 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche (RabbitHaemorrhagic Disease Virus, RHDV) (䉴 Abschnitt 14.3) als Beispiel für die Caliciviridae; „angereinigte“ Partikelsuspension aus der Leber erkrankter Kaninchen, dargestellt nach Negativkontrastierung mit Uranylacetat. Die isometrischen Caliciviren messen 28–34 Nanometer und zeigen Capsidstrukturen, welche diagnostisch verwertbar sind: Auffallend kelchförmige Einsenkungen bei RHDV und den Sappoviren (griechisch kalix: Kelch). Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Hepatitis-E-Virus (䉴 Abschnitt 14.4), der Vertreter der Hepeviridae, dargestellt aus der Galle eines erkrankten Patienten nach Negativkontrastierung mit Phosphorwolframsäure. Die 27–30 Nanometer großen, isometrischen Teilchen sind in vivo durch die Antikörper des Patienten aggregiert.
Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (freundlicherweise bereitgestellt von Bärbel Hauröder, Zentralinstitut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Koblenz). West-Nile-Virus (䉴 Abschnitt 14.5) als Vertreter der Flaviviridae, in Zellkultur gezüchtet, dargestellt im Ultradünnschnitt. Die sphärischen Viruspartikel messen etwa 50 Nanometer im Durchmesser, tragen kurze Glycoproteinfortsätze und sind eng von einer Lipidhülle umschlossen. Der dunkel gefärbte Kern der Flaviviren ist durch die virale Nucleinsäure bedingt. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Sindbisvirus (䉴 Abschnitt 14.6) als Vertreter der Togaviridae, gezüchtet in Zellkultur, angereinigt über Gradientenzentrifugation und mit Uranylacetat negativ kontrastiert. Die Viruspartikel zeigen einen Durchmesser von 60–70 Nanometern. In der Abbildung sind einige vom Kontrastmittel penetriert worden, auf ihrer Lipidhülle sind teilweise auch virale Glycoproteinfortsätze sichtbar. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Equines Arteritis-Virus (䉴 Abschnitt 14.7) gezüchtet in Zellkultur, dargestellt im Ultradünnschnitt, vertritt die Arteriviridae. Die Virionen sind rundlich ovoid mit einem Durchmesser von 40–60 Nanometern, von einer engen Lipidhülle umgeben und zeigen einen elektronendichten, ribonucleoproteinhaltigen Kern. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) SARS-Coronavirus (䉴 Abschnitt 14.8) als Vertreter der Coronaviridae, gezüchtet in Zellkultur, ohne Vorreinigung, dargestellt nach Negativkontrastierung mit 2 % Phosphorwolframsäure. Das von einer Lipidhülle umgebene Virion misst 90–140 Nanometer und trägt auffallende, keulenförmige Oberflächenfortsätze (20 Nano-
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meter, Peplomere), die von der Oberfläche der Viruspartikel relativ leicht abgegeben werden können („shedding“, siehe das im Bild oben rechts dargestellte Virion). Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Vesicular-Stomatitis-Virus (䉴 Abschnitt 15.1) als Beispiel für Rhabdoviridae (griechisch rhabdos: Stab), gezüchtet in Zellkultur, angereichert und dargestellt nach Negativkontrastierung mit Uranylacetat. Bei den animalen Rhabdoviren, anders als bei pflanzlichen, sind die „Geschoss“-förmigen Partikel an einem Ende abgeflacht. Sie messen 75 × 190 Nanometer und verfügen über eine Hüllmembran, die dicht mit viralen Glycoproteinfortsätzen besetzt ist. Im Inneren liegt – „wie ein Bienenkorb“ – der helical gewickelte Ribonucleoproteinkern mit einem Durchmesser von 50 Nanometern. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Bornaviren (䉴 Abschnitt 15.2) des Pferdes als Vertreter der Bornaviridae, gezüchtet in Zellkultur dargestellt im Ultradünnschnitt. Die rundlichen, 120 Nanometer messenden Virionen reifen durch Knospung (Budding) an der Zelloberfläche und sind von einer Hüllmembran mit sieben Nanometer kurzen Glycoproteinfortsätzen umgeben. Im Inneren der Viren sind gelegentlich dünne Stränge des viralen Ribonucleoproteinkomplexes erkennbar. Neben den 120 Nanometer großen Viruspartikeln enthalten die Präparate häufig auch kleinere, subvirale Teilchen von 75 Nanometer Durchmesser. Primärvergrösserung: ×40 000fach, Marker = 100 Nanometer (freundlicherweise bereitgestellt von Prof. Kouichi Sano, Department of Microbiology and Infection Control, Osaka Medical College, Japan) Humanes Parainfluenzavirus Typ 1 (䉴 Abschnitt 15.3) als Vertreter der Paramyxoviridae, dargestellt im Ultradünnschnitt. Paramyxoviren werden durch Knospung an der Zelloberfläche freigesetzt, sind rundlich-polymorph und sehr heterogen in ihrer Größe (90 bis 400 Nanometer). Ihre Hüllmembran ist dicht mit viralen Glycoproteinen (HN- und F-Proteine) besetzt. Im Virusinneren sind unterhalb der Hüllmembran Querschnitte des viralen Ribonucleoproteins (Durchmesser 18–22 Nanometer) erkennbar. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Marburgvirus (䉴 Abschnitt 15.4) als Vertreter der Filoviridae, gezüchtet in Zellkultur, angereinigt und dargestellt nach Negativkontrastierung mit Phosphorwolf-
ramsäure. Die Viruspartikel sind mit Zelltrümmern verklumpt. Ihre Hüllmembran trägt Glycoproteinfortsätze, im Inneren liegt der helikale Ribonucleoproteinkomplex. Der Durchmesser der Filoviren beträgt 80 Nanometer, in der Länge gibt es Unterschiede: Das Marburgvirus ist häufig nur 700–800 Nanometer lang, das Ebolavirus kann bis zu 15 Mikrometer erreichen. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Virus der lymphocytären Choriomeningitis (䉴 Abschnitt 16.1) als Vertreter der Arenaviridae, gezüchtet in der Zellkultur. Die Freisetzung der Viruspartikel erfolgt durch Knospung an der Zelloberfläche. Die Hüllmembran der Arenaviren trägt Glycoproteinfortsätze und ist flexibel, sodass die freigesetzten Viruspartikel pleomorph erscheinen. Arenaviren nehmen bei der Partikelbildung zelluläre Ribosomen auf und zeigen daher typische, stark kontrastierte Einschlüsse (lateinisch arenosus: sandig). Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Puumalavirus (䉴 Abschnitt 16.2), ein Mitglied des Genus Hantavirus, stellvertretend für die Familie der Bunyaviridae, gezüchtet in Zellkultur. Die Darstellung zeigt den Ultradünnschnitt einer virusproduzierenden Zelle mit der Ansammlung freigesetzter Partikel. Die von einer Hüllmembran umgebenen Viren messen 80– 120 Nanometer im Durchmesser und zeigen intern, mehrfach angeschnitten, die Ribonucleoproteinstränge ihres segmentierten Genoms. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Influenzavirus Typ A (䉴 Abschnitt 16.3) als Vertreter für die Orthomyxoviridae. Die Darstellung zeigt den Ultradünnschnitt einer virusproduzierenden Zelle. Die rundlich, ovoiden Teilchen messen 80–120 Nanometer und tragen HA- und NA-Glycoproteinfortsätze. Direkt unter der Hülle liegt das Matrixprotein als mäßig dunkle Schicht. Innen sind Teile des segmentierten Ribonucleoproteinkomplexes angeschnitten. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Gumborovirus des Huhns (䉴 Abschnitt 17.1) als Vertreter der Birnaviridae, gezüchtet in Zellkultur, über Gradienten gereinigt und dargestellt nach Negativkontrastierung mit Uranylacetat. Die isometrischen Teilchen messen 60 Nanometer, sind membranumhüllt und lassen die typische Capsomerenstruktur ihres Capsids erkennen.
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Primärvergrößerung: × 60 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Humane Rotaviren (䉴 Abschnitt 17.2) angereinigt aus einem Stuhlpräparat und dargestellt nach Negativkontrastierung mit Uranylacetat. Rotaviren sind eine Subfamilie der Reoviridae, die eigentlichen Reoviren sind mit 80 Nanometer deutlich größer. Rotaviren messen 70 Nanometer im Durchmesser, besitzen zwei isometrische Proteincapside, die übereinander liegen. Sie zeigen damit gelegentlich eine äußere, speichenförmige Zone um eine große innere Nabe (Radähnliche Struktur) (lateinisch rota: Rad). Die meisten Viruspartikel sind vom Kontrastmittel nur in ihrer Oberfläche dargestellt, vereinzelt lässt sich aber unter den Capsiden auch der isometrische Kern erkennen, da hier das Uranylacetat in das Virion eingedrungen ist. Primärvergrößerung: × 60 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Humanes Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1) (䉴 Abschnitt 18.1), ein Lentivirus als Vertreter der Retroviridae: Die Darstellung zeigt den Ultradünnschnitt einer virusproduzierenden T-Zelle mit unterschiedlichen Virusreifestadien. Die Viren messen etwa 120 Nanometer im Durchmesser und besitzen eine sehr labile Hüllmembran. Unten rechts eine späte Knospungsphase mit nur noch knapper Verbindung des Virions zur Wirtszelle: Die Virushülle trägt dichtstehende gp120-Proteinfortsätze von neun bis zehn Nanometer Länge. Unterhalb der Hülle bildet das ungespaltene Gag-/polVorläuferprotein zusammen mit der viralen RNA eine 20 Nanometer dicke, dunkle Schicht. Ihre Spaltung durch die virale Protease ergibt die Gag-Proteine des reifen Virions und eine massive morphologische Umformung – zugleich wird das Virion infektiös. Reife Lentiviren (oben links) zeigen einen konisches Kern, der immer zwei Moleküle vom viralen Ribonucleoprotein enthält. Die Glycoproteinfortsätze von HIV und anderen Retroviren gehen zeit- und temperaturabhängig verloren: Dieses „shedding“ führt zum Verlust an Infektiosität. Die Lentiviren von Mensch und Affe zeigen Lateralkörper – bestehend aus den bei der Umformung nicht benötigten Strukturproteinen. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Hepatitis-B-Virus (䉴 Abschnitt 19.1), dargestellt nach Negativkontrastierung mit Phosphorwolframsäure im Immunaggregat. Im Bild liegen drei der sphärischen 42–45 Nanometer messenden Virionen (Dane-Partikel) coaggregiert mit einer Vielzahl von nichtinfektiösen HBsAg-Partikeln (20 Nanometer Partikel, Australia-
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Antigen). Die Virionen verfügen über eine straff sitzende Hüllmembran, die das Viruscapsid mit einem Durchmesser von 28–30 Nanometern umgibt. Zur Aggregation von HBV und HBs-Partikeln wurde das Serum eines an Hepatitis B erkrankten Patienten verwendet, die kreuzvernetzenden Antikörper verschleiern feinere Virusdetails. Primärvergrößerung: × 60 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) BK-Virus (䉴 Abschnitt 19.2), ein humanes Polyomavirus als Beispiel für die Polyomaviridae. Das BK-Virus wurde direkt aus dem Urin eines immunsuppressiv behandelten Patienten dargestellt, nach Negativkontrastierung mit Uranylacetat. Die 45 Nanometer messenden Viruspartikel sind nichtmembranumhüllt, ihr isometrisches Capsid besteht aus 72 pentameren Capsomeren. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (freundlicherweise bereitgestellt von Stefan Biel, Robert Koch-Institut, Berlin) Papillomavirus (䉴 Abschnitt 19.3) aus einem GeflügelTumor (Buchfink), stellvertretend für die Familie der Papillomaviridae. Das Präparat stammt aus einer Biopsie, wurde durch „Aufreiben“ mit Seesand isoliert und direkt ungereinigt nach Negativkontrastierung dargestellt. Die unumhüllten Virusteilchen sind isometrisch, messen 55 Nanometer im Durchmesser und bestehen aus 72 pentameren Capsomeren. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Geflügel-Adenovirus (FAV2) (䉴 Abschnitt 19.4) als Beispiel für die Adenoviridae, durch Gradientenzentrifugation hochgereinigt und dargestellt nach Negativkontrastierung mit Uranylacetat. Adenoviren messen 75–80 Nanometer, ihr nichtmembranumhülltes Capsid zeigt klare Ikosaedersymmetrie und den Aufbau aus Capsomeren, die je nach Position im Capsid unterschiedliche Eigenschaften haben (ingesamt 240 Hexon- und 12 Pentoncapsomere pro Virion). Die Pentone finden sich an den zwölf Ecken des Ikosaeders und tragen je ein starres Fiberprotein mit endständigem Knopf. Diese Fibern sind bei Geflügel-Adenoviren und einigen humanen Adenovirustypen in doppelter Form auf dem Penton verankert. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin) Equines Herpesvirus Typ 1 (䉴 Abschnitt 19.5) als Vertreter der Herpesviridae, dargestellt im Ultradünnschnitt. Das Bild zeigt sechs Virusteilchen im Anschnitt. Sie messen etwa 180 Nanometer im Durchmesser, sind
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aber in unterschiedlichen Ebenen, teilweise nur peripher, angeschnitten und zeigen deshalb nicht alle bekannten Strukturkomponenten der Herpesviren. Die Hüllmembran der Virionen trägt einen dichten Kranz von Glycoproteinfortsätzen. Unterhalb der Membran liegt die mäßig elektronendichte virale Tegumentschicht, weiter innen das Viruscapsid (Durchmesser von 100 Nanometer), welches das stark elektronendichte virale DNA-Genom enthält. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin)
Porcines Parvovirus (䉴 Abschnitt 20.1) als Vetreter der Parvoviridae, gezüchtet in Zellkultur, angereinigt durch Gradientenzentrifugation und dargestellt nach Negativkontrastierung mit Uranylacetat. Die nackten, isometrischen Viren messen 25 Nanometer im Durchmesser und sind gelegentlich vom Kontrastmittel durchdrungen. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin)
Ectromelievirus der Maus (䉴 Abschnitt 19.6), ein Orthopoxvirus als Beispiel der Poxviridae, gezüchtet in der Zellkultur, dargestellt nach Negativkontrastierung. Wie auch die Variola- und Vacciniaviren sind Ectromelieviren als Vertreter der Orthopoxviren quaderförmig: Sie messen 250 × 350 Nanometer und tragen kurze Oberflächengrate. Anhand dieser morphologischen Kriterien sind die Orthopoxviren in der elektronenmikroskopischen Schnelldiagnostik leicht von den kleineren, ovoiden Parapoxviren zu unterscheiden. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin)
Porcines Circovirus Typ 1 (䉴 Abschnitt 20.2) als Vertreter der Circoviridae, gezüchtet in Zellkultur, über Gradienten gereinigt, dargestellt nach Negativkontrastierung mit 1 Prozent Uranylacetat. Die porcinen Circoviren sind mit 17–18 Nanometer Durchmesser die kleinsten sich autonom vermehrenden Säugerviren. Sie sind auch deutlich kleiner als einige aviäre Circoviren: So misst das Chicken-Anemia-Virus 22 bis 25 Nanometer und zeigt im Gegensatz zum porcinen Circovirus eine klare Capsidstruktur. Primärvergrößerung: × 60 000fach, Marker = 100 Nanometer (H. R. Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin)
Virus der afrikanischen Schweinepest (䉴 African Swine Fever Virus) (䉴 Abschnitt 19.7) ist der einzige Vertreter der Asfarviridae, dargestellt im ultradünnen Cryoschnitt. Die vier Virusteilchen zeigen unterschiedliche Reifestadien: Das Virion links ist noch im Begriff, durch Knospung von der Zelle freigesetzt zu werden. Die Viruspartikel haben einen Durchmesser von 200 Nanometer, sind isometrisch und weisen um den dichten, DNA-haltigen Kern einen mehrschichtigen Aufbau auf, der aus einem Proteincapsid zwischen zwei Lipidmembranen besteht. Primärvergrößerung: × 40 000fach, Marker = 100 Nanometer (freundlicherweise bereitgestellt von Germán
Scrapieassoziierte Fibrillen (SAF) (䉴 Abschnitt 21), gereinigt und etwa 10 000fach angereichert aus Gehirnen von scrapieinfizierten Hamstern, dargestellt nach Negativkontrastierung mit 1 % Uranylacetat. Die leicht „verdrillten“ Glycoproteinfibrillen sind Proteinase K resistent und auch für andere Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE) bei Mensch und Tier kennzeichnend. Primärvergrößerung: × 31 500fach, Marker = 100 Nanometer (freundlicherweise bereitgestellt von Muhsin Özel, Robert Koch-Institut, Berlin)
Glossar
Ätiologie Die Lehre von den Ursachen; in der Medizin und in der Epidemiologie bezeichnet die Ätiologie die Gesamtheit der Faktoren, die zu einer bestimmten Krankheit geführt haben. Agglutination Die Verklumpung (Verklebung) von antigentragenden Teilchen wie beispielsweise von roten Blutkörperchen (Hämagglutination), Bakterien, Viren, mit Antikörpern komplexierten Viren und Infektionserregern. Allergie (griechisch αλλερα: Fremdreaktion) Die überschießende, immunologische Abwehrreaktion auf bestimmte und normalerweise harmlose Umweltstoffe (Allergene); eine Allergie äußert sich in typischen, durch entzündliche Prozesse ausgelösten Symptomen. Anamnese (griechisch ανμνησις: Erinnerung) Die Vorgeschichte eines Patienten in Bezug auf seine aktuellen Beschwerden. Anergie Die durch Abschalten der Immunantwort fehlende Immunreaktion gegen ein Antigen. Anergie ist ein permanenter Mechanismus, mit dem das Immunsystem verhindert, dass T-Lymphocyten körpereigenes Gewebe angreifen. Während der Embryonalentwicklung erfolgt im Thymus die Reifung von T-Zellen. Autoreaktive T-Lymphocyten, die körpereigene Antigene erkennen und deswegen körpereigene Gewebe angreifen würden, werden im Allgemeinen abgetötet. Wenige T-Zellen gelangen jedoch in die Peripherie des embryonalen Organismus. Binden diese sich dort mittels ihres T-Zellrezeptors an ein Antigen, werden sie nur in Anwesenheit von co-stimulatorischen Molekülen aktiviert. Fehlen diese co-stimulatorischen Signale, so wird die T-Zelle permanent inaktiviert und funktionslos. Antigen Substanz, die vom Immunsystem als körperfremd erkannt wird, beispielsweise ein Protein, eine Zuckerstruktur oder eine andere chemische Verbindung.
Antigenität Die Erkennbarkeit eines Proteins oder einer anderen Substanz durch das Immunsystem. Schon geringfügige Veränderungen und Variationen in der Aminosäurefolge eines Proteins können bewirken, dass sich die Antigenität und damit die serologische Erkennung durch Antikörper verändert. Anzeigepflicht In der Tierseuchenbekämpfung besteht Anzeigepflicht für wichtige, besonders kontagiöse (ansteckende) Infektionskrankheiten, wie beispielsweise die Maul- und Klauenseuche. In diesem Fall ist der Verdacht eines Ausbruchs der Veterinärbehörde anzuzeigen. Dieser Pflicht unterliegen auch die Tierhalter. Dieses Verfahren soll die umgehende Feststellung eines Seuchenausbruchs ermöglichen und die Gefahr einer Verschleppung des Erregers minimieren. apikal/apikale Zellseite Der Begriff bedeutet „an der Spitze befindlich“ und wird benutzt, um die Seite einer polarisierten Zelle zu bezeichnen, die zur Oberfläche oder zu einem Lumen hin gelegen ist. Die anderen Seiten der polarisierten Zelle bezeichnet man als basolateral. apparent/inapparent (lateinisch apparere: sichtbar werden) Sichtbar beziehungsweise unsichtbar werdend. Die Bezeichnung wird häufig im Zusammenhang mit Infektionen verwendet, die mit, beziehungsweise ohne Krankheitsanzeichen verlaufen. Apoptose Programmierter Zelltod. Arthralgie Gelenkschmerz. Arthritis Akute oder chronische, spezifische oder unspezifische Gelenkentzündung. Artrophie Gewebeschwund. Arthropoden Gliederfüßler; zu ihnen zählen Tiere wie Insekten, Tausendfüßler, Krebse, Spinnen, Skorpione und Milben.
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Assembly (englisch to assemble: zusammensetzen, zusammenmontieren) Siehe Self-Assembly und VirusAssembly. attenuiert/attenuierte Viren Natürlich vorkommende oder durch kontinuierliche Züchtung in Zellkultur entstandene Varianten eines Virus, deren Virulenz abgeschwächt ist. Infektionen mit solchen Virustypen verlaufen meist ohne oder mit deutlich abgeschwächten Krankheitszeichen. Attenuierte Viren werden häufig als Impfvirusstämme verwendet. autokrin Unmittelbare Wirkung einer von einer Zelle abgegebenen Substanz (Cytokin, Hormon, Wachstumsfaktor) auf dieselbe Zelle, zum Beispiel durch Bindung an Rezeptoren auf der Oberfläche. basolateral Die dem Lumen abgewandte Basis einer polariserten Zelle in einem Zellverband und ihre seitlichen Anteile, siehe auch apikal Biestmilch siehe Kolostrum, deutsche Bezeichnung. Bilirubin Gelblich gefärbtes Abbauprodukt des Hämoglobins, das in den Leberzellen an Glucuronsäure gekoppelt und über die Galle in den Darm ausgeschieden wird. Bronchiallavage Spülung des Bronchialbaumes mit isotonischer Lösung für therapeutische oder diagnostische Zwecke. Bronchiolitis Entzündung der Bronchiolen, das heißt der knorpellosen Zweige der Segmentbronchien. Bronchitis Akute oder chronische Entzündung der Schleimhaut im Bereich der großen und mittleren Bronchien, das heißt der Fortsetzungen der Luftröhre zur Atemluftleitung in der Lunge. Bronchopneumonie Eine herdförmige, ohne Bezug zu anatomischen Lungengrenzen ablaufende Lungenentzündung. Gemeinsames Merkmal der Entzündungsherde, die verschiedene Größe und Entwicklungsstadien aufweisen können, sind die exsudatgefüllten Alveolen in den infiltrierten Lungenbezirken. Budding (englisch to bud: knospen, sich entwickeln) Knospung; hier der entstehenden Viruspartikel aus zellulären Membrankompartimenten. Cap-Gruppe (5’-Cap-Gruppe) Bei Eukaryoten nach der Transkription an die 5’-Enden der mRNA angefügte
Modifikation aus einem 7-Methylguanosin, das über eine Triphosphatgruppe in 5’-5’-Bindung mit der 5’OH-Gruppe des nächsten Nucleotids verbunden ist. Auch dieses und das sich daran anschließende Nucleotid sind modifiziert, und zwar jeweils durch eine Methylgruppe am 2’-OH der Ribose. Capsid Aus Proteinen aufgebaute, ikosaedrische oder helikale Partikelstrukturen von Viren. Capsomere Proteinkomponenten, welche die Capside aufbauen. Sie können von einem oder von mehreren Virusstrukturproteinen gebildet werden. Chaperon (englisch chaperon: Anstandsdame) Katalysatoren der Proteinfaltung. Chaperone haben die Aufgabe, sich spezifisch an andere Proteine zu binden und dadurch Fehlfaltungen oder unspezifische Aggregationen zu verhindern. Cholostase Gallestauung. Extrahepatisch mit Gallerückstau in den großen extrahepatischen oder intrahepatischen Gallenwegen als Folge einer Abflussbehinderung oder intrahepatisch mit Stauung in den Gallenkanälchen als Folge einer Stoffwechselstörung der Leberzellen mit Änderung ihrer gerichteten Permeabilität (zum Beispiel bei Virushepatitiden). Führt zum Anstieg der Gallensäuren und bestimmter, leberspezifischer Enzyme im Blut (zum Beispiel der γ-Glutamyltranspeptidase (GTP) oder der alkalischen Phosphatase). Chorioretinitis Entzündung der Aderhaut (Chorioiditis) mit sekundärer Entzündung der Augennetzhaut (Retinitis). Coinfektion Die gleichzeitig stattfindende Infektion eines Menschen oder Tieres mit einem anderen Infektionserreger (Virus, Bakterium, Parasit, Pilz). Cytopenie (Granulo-, Leuko-, Erythro-, Lympho-, Mono-, Neutro-, Thrombocytopenie) Verminderung der Zahl der jeweiligen Zellen im peripheren Blut. Dermatitis Akute Hautentzündung. Sie kann sich mit Hautrötung (Erythem), Schwellung (Ödem), Lymphabsonderung (Exsudation) und der Bildung von Bläschen, Krusten und Schuppen (Effloreszenz) äußern. Desinfektion bezeichnet eine Maßnahme, bei der die Zahl der Infektionserreger so weit reduziert wird, dass eine Infektion beziehungsweise ihre Übertragung ausgeschlossen werden kann.
Glossar
Diagnose (griechisch διγνωση: die Ausforschung im Sinne von Unterscheidung, Entscheidung, Erkenntnis) Unter Diagnose versteht man im Gesundheitswesen (Medizin, Pflege, Physiotherapie, Psychologie) die genaue Zuordnung von Befunden, diagnostischen Zeichen oder Symptomen zu einem Krankheitsbegriff beziehungsweise einer Symptomatik im Sinne eines Syndroms. Das festgestellte Syndrom ergibt zusammen mit der vermuteten Krankheitsursache und -entstehung (Ätiologie und Pathogenese) die Diagnose. Bei der Diagnose handelt es sich um die Zuordnung von Phänomenen zu einer Kategorie und deren Interpretation. Dyspnoe Atemnot, „Lungenhungergefühl“. Effloreszenz Wahrnehmbare Veränderung der Haut als Folge einer Erkrankung („Hautblüte“). Embryopathie Die Schädigung des Embryos vor der Geburt, zum Beispiel durch Infektionserkrankungen der Mutter. Encephalitis Akute oder chronische Entzündung von Gehirngewebe. Encephalomyelitis Entzündliche Veränderung des Nervengewebes in Hirn und Rückenmark. Encephalopathie Eine nichtentzündliche Veränderung des Nervengewebes im zentralen Nervensystem. Typisch bei den übertragbaren spongiformen Encephalopathien, beispielsweise bei der BSE. Endemie/endemisch Das andauernd gehäufte Auftreten von Infektionen in einer begrenzten Region oder Population. Die Prävalenz der Infektionen in dieser Region/Population (die Häufigkeit aller Fälle einer bestimmten Infektionskrankheit in einer Population zum Zeitpunkt der Untersuchung) bleibt überwiegend gleich, ist aber im Verhältnis zu anderen Regionen/ Populationen erhöht. Die entsprechende geografische Region wird als Endemiegebiet bezeichnet. Enteritis Akute oder chronische Entzündung des Dünndarmes. Enterocyten Saumzellen; die weitaus häufigsten Zellen des Dünndarmepithels, für die Resorption unterschiedlicher Stoffe aus der Nahrung zuständig. Enterocyten verfügen über eine charakteristische, apikale Bürstensaummembran mit Mikrovilli. Diese bewirken eine enorme Vergrößerung der Oberfläche und sind die Grundlage für die Resorption.
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Entkeimung siehe Desinfektion. Entwesung Bekämpfung von Schadnagetieren. Sie spielt bei der Seuchenbekämpfung eine wichtige Rolle und ist nach der Keulung eines Bestandes vorgeschrieben, um die Verschleppung der Erreger durch Schadnager zu verhindern. Entzündung Unspezifische oder spezifische Abwehrreaktionen des Organismus auf verschiedenartige Noxen (Krankheitsauslöser). Entzündungen können durch chemische, mechanische, elektrische, Strahlen- oder biologische Einwirkungen ausgelöst werden. Zu letzteren zählen Infektionen mit Viren, Bakterien oder Parasiten und deren Produkte. Eine Entzündung ist durch einen in Phasen gegliederten Ablauf gekennzeichnet: vaskuläre Reaktion, gesteigerte Gefäßpermeabilität, Exsudation, leukocytäre Emigration (Chemotaxis oder Phagocytose), Bindegewebsproliferation. Klassische Entzündungszeichen sind Rötung, Überwärmung, Schwellung, Schmerz und eingeschränkte Funktion. envelope siehe Hülle. Enzootie/enzootisch Das endemische Auftreten einer Infektionskrankheit bei Tieren. Epidemie/epidemisch (griechisch επιδημα: Aufenthalt, Ankunft) Die zeitliche und örtliche Häufung einer Infektionskrankheit innerhalb einer Region und einer menschlichen Population. Man spricht von einer Epidemie, wenn in einem bestimmten Zeitraum die Prävalenz, also die Anzahl der Infektions- und der damit verbundenen Erkrankungsfälle zunimmt. Als Endemie wird das andauernd gehäufte Auftreten einer Krankheit in einem begrenzten Bereich bezeichnet. Epitop Für das Immunsystem zugängliche Struktur (antigene Determinante). Von der variablen Domäne von Antikörpern (Immunglobulinen) erkannte Epitope befinden sich meist auf der Oberfläche von Partikeln und Makromolekülen wie Proteinen. Sie können zum Beispiel von vier bis sechs Aminosäuren langen Peptidabschnitten eines Proteins (sequentielle Epitope) oder von strukturellen, faltungsabhängigen Parametern (strukturelle oder diskontinuierliche Epitope) dargestellt werden. Auch Proteinmodifikationen (etwa Zuckermoleküle oder Phosphate) werden von Antikörpern als Epitope erkannt. Von T-Lymphocyten erkannte Epitope sind dagegen Peptidabschnitte von Proteinen, die mit MHC-Proteinen Komplexe bilden und auch von nicht an der Oberfläche exponierten Proteinstrukturen
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Glossar
abgeleitet sind. Die Komplexe werden von den T-ZellRezeptoren erkannt.
Basenunterschieden gekennzeichnet, die meist für jede Virusart speziell festgelegt wird.
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO englisch: Food and Agriculture Organization, auch Welternährungsorganisation) Eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) mit Sitz in Rom (Italien), die 1945 in Kanada gegründet wurde und heute 191 Mitgliedsländer umfasst. Sie hat die Aufgabe, die Produktion und die Verteilung von landwirtschaftlichen Produkten im Allgemeinen und Nahrungsmitteln im Besonderen weltweit zu verbessern, um die Ernährung sicherzustellen und den Lebensstandard zu verbessern. Sie legt unter anderem die internationalen Standards für die Lebensmittelsicherheit fest.
Genus (lateinisch genus: Gattung, Klasse, Art) Hier verwendet als Bezeichnung für Virusgattungen. Glomerulonephritis Eine entzündliche Veränderung der Nieren, welche die Glomerula und die Tubuli der Niere betreffen. Dies kann zu einem vollständigen Funktionsverlust der Nieren führen. Häufiger Befund bei Immunkomplexerkrankungen, da die Ablagerung der Komplexe die Filtrationsvorgänge in den Glomerula stören. hämatogen Ausbreitung von Infektionserregern in die verschiedenen Organe über den Blutweg.
Erythem/Erythema Hautrötung mit mehr oder weniger deutlicher Umgrenzung. Entsteht als Folge von Erweiterung und erhöhter Füllung der Blutgefäße. Es verschwindet meist unter Druck.
Hämorrhagie/hämorrhagisch Blutung, mit Blutungen einhergehend.
Exanthem Hautausschlag.
Helminthen (griechisch ελμινσ: Wurm) Allgemeine Bezeichnung für mehrzellige, endoparasitäre Organismen (Würmer).
Exsudation Abgabe bestimmter Anteile des Blutes durch die bei Entzündungsvorgängen veränderten Gefäßwände in Nachbargewebe oder auf eine innere oder die äußere Körperoberfläche. FAO (englisch: Food and Agriculture Organization) siehe Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation Flotzmaul Die Verschmelzung von Oberlippe und Nasenspiegel beim Rind. fulminant (lateinisch fulminans: blitzartig, glänzend) Gebräuchlich in Zusammenhang mit Infektionen, die mit sehr schwerer Symptomatik einhergehen. Ganglion (Ganglion nervosum) Von einer Kapsel umschlossene Nervenzellen und -fasern mit umgebenden gliösen Mantelzellen, die sich als Verdickungen im Verlauf der Hirnnerven, der Rückenmarksnerven (Spinalnerven) oder als cholinerge Schaltstellen im vegetativen Nervensystem befinden. Gastroenteritis Akute oder chronische Entzündung des Dünndarmes. Genotyp Die exakte genetische Ausstattung, also die Basensequenzfolge und der individuelle Satz von Genen, die in der Erbinformation (Genom) eines Virus zu finden sind. Voneinander unterscheidbare Genotypen eines Virus sind durch einen definierten Prozentsatz an
Hepatitis Entzündung der Leber. Herdenimmunität Der in einer Bevölkerung vorhandene Schutz vor einer Infektionskrankheit. Hexon Ein von sechs Nachbarproteinen umgebenes Protein in den Seitenflächen ikosaedrischer Viruspartikel. Hülle (Virushülle) (englisch envelope) Von zellulären Membranen (Cytoplasmamembran, Kernmembran, Membran des endoplasmatischen Reticulums oder des Golgi-Apparats) abgeleitete äußere Lipidschicht, in welche die viralen, teilweise glycosylierten Membran- oder Hüllproteine eingelagert sind. Die Virushülle umgibt als Membran das Capsid oder Nucleocapsid. humoral/humorale Abwehr Auf dem Weg über Körperflüssigkeiten und deren Inhalt vermittelte Reaktionen, in diesem Fall des Immunsystems. Man versteht darunter die nichtzellulären Anteile des Immunsystems, also vor allem im Blutserum gelöste Stoffe, wie Immunglobuline (Antikörper). Hydrops Krankhafte Ansammlung von Flüssigkeit in Körperhöhlen oder im interstitiellen Raum.
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Hyperämie Vermehrte Blutfülle in einem Kreislaufabschnitt oder im Organkreislauf; zum Beispiel die Mehrdurchblutung eines Organs.
Infarkt Durch Durchblutungsstörungen verursachte lokale Gewebezerstörung (Nekrose), häufig als Folge eines akuten Gefäßverschlusses (Thrombus).
Hyperplasie Die Vergrößerung eines Gewebes oder Organs durch vermehrte Zellteilung und die damit verbundene außerordentliche Erhöhung der Zellzahl.
Infektion Das Anhaften an beziehungsweise das Eindringen und die Vermehrung von Krankheitserregern (Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten) in einen Organismus (Mensch, Tier, Pflanze). Entwickelt der Organismus im Verlauf dieses Prozesses Erkrankungsanzeichen, dann spricht man von einer Infektionskrankheit.
Hypertrophie Die Größenzunahme eines Organs oder eines Gewebes durch Zellvergrößerung; Zellschwellung (beispielweise durch erhöhten Wassereinstrom) bei Erhaltung der Zellzahl. iatrogen (griechisch iatros: der Arzt) durch einen Arzt oder von ihm benutzte Instrumente (OP-Bestecke, Kanülen, etc.) übertragene Infektionen und Erkrankungen. Ikosaeder Regelmäßiger Körper (Partikel) mit 20 gleichseitigen Dreiecken als Flächen und zwölf Ecken. Ikterus (Gelbsucht) tritt als Symptom bei mehreren unterschiedlichen Erkrankungen (beispielsweise bei einer Hepatitis) auf. Der Ikterus beschreibt eine Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten sowie der Bindehaut des Auges durch eine erhöhte Konzentration von Bilirubin. Impfung (Schutzimpfung) Eine vorbeugende Maßnahme gegen verschiedene Infektionskrankheiten. Durch die Impfung wird das körpereigene Immunsystem zur Bildung spezifischer immunologischer Abwehrreaktionen angeregt, um eine spezifische Immunität gegen die entsprechende Infektionskrankheit aufzubauen. Immunglobulin (Antikörper) Proteine, die in Wirbeltieren als Reaktion auf bestimmte Antigene (Erregerstrukturen) gebildet werden. Immunsuppression (lateinisch supprimere: unterdrücken, unterschlagen) Herabsetzung oder Unterdrückung der körpereigenen Abwehrmechanismen. Die Immunsuppression kann durch Virusinfektionen (zum Beispiel durch das humane Immundefizienzvirus) oder durch den Einsatz von Medikamenten (zum Beispiel durch die Gabe von Corticosteroiden, Cyclosporinen bei Organ- oder Knochenmarkstransplantationen sowie bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen) verursacht sein. Außerdem gibt es angeborene Immundefekte.
Infiltration Krankhaft vermehrtes, meist örtlich begrenztes Eindringen oder Einwandern von regulären, krankhaften oder fremdartigen Zellen in bestimmte Körperregionen und/oder Organe. Gebräuchlich in Zusammenhang mit immunologisch aktiven Zellen, die als Folge der Virusvermehrung in die infizierten Organe einwandern. Inkubationsphase/-periode Zeitspanne zwischen der Infektion (dem Kontakt) mit einem Erreger und dem Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen. Inokulation Einbringung oder Übertragung von Erreger- oder Zellmaterial (Inokulum) in einen Organismus oder in einen Nährboden. Interstitium Zwischenraum zwischen Körperorganen oder -geweben. Meist ausgefüllt von (interstitiellem) Bindegewebe. Inzidenz Die Anzahl neuer Erkrankungsfälle in einer Zeiteinheit. Karzinom Bösartiges Neoplasma epithelialer Herkunft. Keratitis Entzündung der Augenhornhaut. Keratokonjunktivitis Entzündung der Horn- und der Bindehaut des Auges. Keulung/keulen Staatlich angeordnete Tötung von einzelnen Tieren oder der gesamten Tierpopulation eines Bestands ohne Blutentzug (siehe Schlachtung) und unschädliche Beseitigung der Tierkörper. Diese Maßnahme verhindert die Ausbreitung der Erreger durch Blutkontakt oder Aerosole. Vorgehensweise bei Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (Picornavirusinfektion) oder der klassische Schweinepest (Flavivirusinfektion). Kolostrum (Vormilch; bei Rindern Biestmilch) Besonders zellreiche, Immunglobuline enthaltende Milch in
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den ersten Tagen nach der Geburt (post partum). Da die Placenta der Klauen- und Huftiere für Immunglobuline nicht durchgängig ist, ist diese Milch für Kälber und Fohlen immunologisch besonders wichtig, um in den ersten Lebenswochen und -monaten einen Schutz vor Infektionserkrankungen zu erwerben. konfluieren Das Zusammenfließen oder Ineinanderübergehen von Hauteffloreszenzen bei Exanthemen (Hautausschlägen). Konjunktivitis Entzündung der Augenbindehaut. kontagiös ansteckend Kontamination Behaftung von Haut (Händen), Flächen und Gegenständen durch Kontakt mit Materialien, die (möglicherweise) Infektionserreger enthalten. Konvulsionen (lateinisch convolvere: zusammenrollen, zusammenwinden) Ein sich in Serien wiederholendes Krampfgeschehen der Körpermuskulatur. Läsion Störung des Gewebegefüges im lebenden Organismus. Latenz/latente Infektion Infektionsform, bei der das Virus nach einer Primärinfektion im Organismus verbleibt, ohne dabei infektiöse Viren zu bilden oder Krankheitsanzeichen zu verursachen. Die Viren können durch bestimmte innere oder äußere Reize zur erneuten Replikation angeregt werden, was zu Rekurrenzen der Symptome der Primärinfektion führt. Latente Infektionen findet man beispielsweise bei Herpesviren. Leader (englisch to lead: führen, leiten) Leitsequenz am Anfang von Proteinen (Leader-Peptid) oder Transkripten (Leader-RNA). Leserahmen Der Bereich eines Gens, der in die Aminosäuren des Proteins übersetzt wird, für das es codiert. Als Start dient in fast allen Fällen das für Methionin codierende Codon ATG. Um einen offenen Leserahmen handelt es sich dann, wenn über eine längere Strecke nach dem Startcodon keine Stopcodons auf der mRNA vorhanden sind. Leseraster Eine von drei Möglichkeiten, die Nucleinsäuresequenz eines Gens im Triplettraster (Codons) zu lesen und in die entsprechenden Aminosäuren eines Proteins zu übersetzen.
Letalität Zahl der Todesfälle im Verhältnis zur Zahl neuer Erkrankungsfälle bei einer bestimmten Erkrankung. Limitierung (einer Infektion) Begrenzung der Infektion oder der Virusvermehrung auf die Eintrittsstelle des Erregers oder auf ein bestimmtes Organ; meist durch die Funktionen des Immunsystems. lymphohämatogen Ausbreitung von Infektionserregern in die verschiedenen Organe über den Blutweg und/oder die Lymphflüssigkeit. Mammilitis Entzündung der Brustwarze, beim Rind der Zitze. Meldepflicht Bestimmte Infektionen müssen nach deutschem Recht (Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, Infektionsschutzgesetz/IfSG) gemeldet werden. Im Fall von Virusinfektionen heißt das, dass Virusnachweis, Infektionsverdacht, Erkrankung oder Tod durch die im Gesetz genannten Krankheiten namentlich (beispielsweise Virushepatitis, Tollwut, Poliomyelitis) oder anonym (beispielsweise AIDS, konnatale Röteln) an das Gesundheitsamt gemeldet werden müssen. Zur Meldung verpflichtet sind sowohl der behandelnde Arzt als auch Krankenhäuser und Infektionslabore. Meningitis Entzündung der Hirn- und/oder Rückenmarkshäute (Meningen). Meningoencephalitis Entzündung der Hirn- und/oder Rückenmarkshäute (Meningen) zusammen mit einer Entzündung des angrenzenden Hirngewebes. Metastase/Tumormetastase Ein sekundärer Krankheitsherd (Sekundärtumor), der durch Verschleppung einzelner Zellen von einem primären, meist fortbestehenden Krankheitsherd oder Tumorzellverband in andere Körperregionen entstanden ist. miRNA (microRNA) siehe RNA-Interferenz Morbidität Anzahl der Erkrankungen (etwa als Folge einer Infektionskrankheit), bezogen auf die Gesamtzahl der Bevölkerung in einem bestimmten Zeitraum. Mortalität Anzahl der Todesfälle (etwa als Folge einer Infektionskrankheit), bezogen auf die Gesamtzahl der Bevölkerung in einem bestimmten Zeitraum.
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Mummifikation Nach Absterben der Früchte (Feten) während einer Trächtigkeit kann es zur „Versteinerung“ dieser Früchte kommen, die in dieser Form zunächst im Uterus verbleiben und termingerecht abgesetzt werden können. Dies ist ein typisches Symptom bei der Parvovirusinfektion der Schweine. Myokarditis Entzündung des Herzmuskels. Nadelstichverletzung Blutende und nicht blutende Stich-, Schnitt- oder Kratzverletzung von medizinischem Personal (Ärzte, Pfleger, Laborpersonal) mit Kanülen, Skalpellen oder ähnlichen Gegenständen, die durch Patientenblut oder Körperflüssigkeiten verunreinigt waren. Nadelstichverletzungen zählen zu den häufigsten Arbeitsunfällen der Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Durch sie können Infektionserreger (beispielsweise humane Immundefizienzviren, Hepatitis-Boder Hepatitis-C-Viren) übertragen werden.
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OIE (Office International des Epizooties) siehe Weltorganisation für Tiergesundheit opportunistische Infektionserreger/Infektion Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten, die sich den immunologisch geschwächten Organismus zu Nutze machen, um diesen zu infizieren und sich besonders effizient in ihm zu verbreiten. Der Zustand der Immunsuppression kann genetisch bedingt sein, durch die Infektion mit einem anderen Infektionserreger (beispielsweise des humanen Immundefizienzvirus) oder durch therapeutische Maßnahmen (beispielsweise nach Organtransplantationen) verursacht sein. Pandemie/pandemisch Die länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit. Eine Pandemie ist geographisch nicht auf eine bestimmte Region begrenzt, dies unterscheidet die Pandemie von der Epidemie.
Nekrose Lokales Absterben von Zellen eines Gewebeverbands in einem lebenden Organismus.
Panzootie/panzootisch Die pandemische Ausbreitung einer Infektionskrankheit bei Tieren.
Neoplasma/Neoplasie Neubildung von Körpergewebe durch unreguliertes, enthemmtes autonomes Überschusswachstum der Zellen.
parakrin Unmittelbare Wirkung einer von Zellen abgegebenen Substanz (Cytokin, Hormon, Wachstumsfaktor) auf die Nachbarzellen, zum Beispiel durch Bindung an Rezeptoren auf deren Oberfläche.
Nestschutz Auf Antikörpern (Immunglobulinen) beruhende Immunabwehr der Neugeborenen. Die Antikörper gelangen während der Schwangerschaft vom mütterlichen Blutkreislauf in denjenigen des werdenden Kindes und bleiben beim Menschen bis zu einem Alter von vier bis sechs Monaten nachweisbar. Beim Menschen werden bei gestillten Kindern auch IgA-Antikörper in Kolostrum und Muttermilch übertragen (enteraler Nestschutz). nosokomial (mit Bezug zum Krankenhaus) Unter Nosokomialinfektionen versteht man solche, die man bei Aufenthalten in Kliniken, Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen erworben hat. Nucleocapsid Komplex aus Capsidproteinen und dem Virusgenom (DNA oder RNA). Ödem (griechisch οδημα: Schwellung) Der Austritt von Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem und ihre Ansammlung im interstitiellen Raum. Ödeme äußern sich als Schwellungen des Gewebes mit Flüssigkeitsansammlungen in der Subcutis (Unterhaut) oder in bestimmten Organen (beispielsweise Lungenödem, Hirnödem).
parenteral Allgemeiner Begriff für den Weg, auf dem Krankheitserreger oder Stoffe (Therapeutika, Injektionen, Infusionen) unter Umgehung des Magen-DarmTraktes in den menschlichen oder tierischen Körper gelangen, beispielsweise als intravenöse (über eine Vene), intraarterielle (über eine Arterie), intramuskuläre (in einen Muskel verabreichte) oder intraperitoneale (in den Bauchraum verabreichte) Injektion. Parotis Ohrspeicheldrüse. Parotitis Entzündung der Ohrspeicheldrüse. Pathogenität Die genetisch bedingte Fähigkeit von Viren (auch von Bakterien oder Parasiten), eine Krankheit bei Menschen oder Tieren auslösen zu können. Penton Mit fünf Nachbarproteinen verbundenes Protein an den Ecken ikosaedrischer Partikel. perinatal Die Zeit um die Geburt des Kindes betreffend. Peritonitis Lokalisierte oder diffuse Entzündung des Peritoneums (Bauchfell), die in der Regel mit einer
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Sekretion einhergeht und einen Aszites (Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle) nach sich ziehen kann. Ein typisches Symptom bei der FIP-Infektion der Katzen, einer Coronavirusinfektion. persistierend (lateinisch persistere: verharren, stehenbleiben) Gebräuchlich in Zusammenhang mit Infektionen, in deren Verlauf das Virus nicht durch das Immunsystem aus dem Organismus entfernt wird, sondern über lange Zeiträume dort verbleibt und sich kontinuierlich, wenn auch oft nur mit niedriger Rate, vermehrt. Petechien Kleinste, punktförmige Haut- oder Schleimhautblutungen (Kapillarblutungen); Einzeleffloreszenz der Purpura. Pharyngitis Entzündung der Rachenschleimhaut. Pharynx Bezeichnet den „Rachen“ oder „Schlund“ als gemeinsamen Abschnitt der Luft- und Speiseröhre. Der Pharynx ist ein von der Schädelbasis ausgehender Muskel-Schleimhaut-Schlauch, der in die Speiseröhre übergeht. Er steht in offener Verbindung zu den Nasen- und Mundhöhlen und zum Kehlkopf und wird dementsprechend in den Nasopharynx, den Oropharynx und den Laryngopharynx unterteilt. Phylogenese/Phylogenie Die Bestimmung der verwandtschaftlichen Beziehungen aller Lebewesen auf allen Ebenen der biologischen Systematik. Im Rahmen dieses Lehrbuches überwiegend gebraucht für die Verwandtschaftsverhältnisse der Viren innerhalb einer Familie und die Evolution der Virusmerkmale. Pleuritis Rippenfellentzündung. Pneumonie Diffuse oder herdförmige Entzündung der Lunge. Interstitielle Pneumonie: Form der Lungenentzündung, bei der das entzündliche Exsudat vor allem im Lungeninterstitium, das bedeutet, den Bindegewebsbereichen in der Lunge, auftritt. Polykaryocyt siehe Syncytium Polyserositis Entzündungen der serösen Häute, wie zum Beispiel des Bauchfells (Peritoneum) oder des Brustfells (Pleura). Ein typisches Symptom bei der FIPInfektion der Katzen, einer Coronavirusinfektion. pränatal Vor der Geburt, auf das Kind bezogen.
Prävalenz Häufigkeit aller Fälle einer bestimmten Krankheit in einer Population zum Zeitpunkt der Untersuchung. Prodomalstadium Vorstadium zur eigentlichen Erkrankung mit meist unspezifischen Symptomen wie Unwohlsein, Kopfschmerz und Fieber. Pseudokrupp Eine Hustenerkrankung, die besonders Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren betrifft. Aufgrund des noch nicht ausgewachsenen Kehlkopfs ist dieser sehr eng. Im Rahmen oder als Folge von Infektionskrankheiten entzündet sich die Schleimhaut im Bereich des Kehlkopfes sowie der Stimmbänder und schwillt an. Dadurch bekommen die Kinder beim Atmen nur sehr schlecht Luft, zäher Schleim kann die Atemwege weiter verengen. Der Begriff „Krupp“ bezog sich ursprünglich ausschließlich auf den mit der Diphtherie einhergehenden Husten. Purpura Spontane, kleinfleckige, petechiale Kapillarblutungen in der Haut, Schleimhaut und Subcutis (Unterhautgewebe). Sie verschwinden im Unterschied zum Erythem unter Druck nicht. Quarantäne Gesetzlich festgelegte, befristete Zeit, für welche Personen oder Tiere (einschließlich der Kontaktpersonen und -tiere) abgesondert werden, die an bestimmten Infektionskrankheiten leiden oder im Verdacht einer möglichen Infektion stehen. Die Zeitdauer der vorbeugenden Quarantäne richtet sich nach der Inkubationszeit der vermuteten Krankheit. Quasispezies Eine Population einander sehr ähnlicher, aber nicht identischer Viren, insbesondere bei RNAViren. Sie entsteht durch die Fehlerrate der RNA-abhängigen RNA-Polymerase der RNA-Viren, die pro 10 000 Basen ein falsch gepaartes Nucleotid einbaut. rauschen/rindern Brunstphase bei Sauen (rauschen) oder Kühen (rindern). Zu dieser Zeit zeigen die Tiere Verhaltensauffälligkeiten, welche die Paarungsbereitschaft signalisieren. Die Brunst steht am Beginn eines Sexualzyklus und ist während einer Trächtigkeit ausgesetzt. Ein früher Abbruch der Trächtigkeit führt zu einem Wiedereintritt in die Brunst, man spricht dann von „umrauschen“ beziehungsweise „umrindern“. Reinfektion (Zweitinfektion) Erneute Infektion mit dem gleichen Erreger (Virus, Bakterium etc.) Rekurrenz (lateinisch recurrere: zurücklaufen, wiederkommen) Wiederkehrende Symptomatik einer Infek-
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tion. Bekannt vor allem bei Herpesvirusinfektionen, bei welchen die Erreger latent im Organismus bleiben. Durch innere oder äußere Einflüsse können sie aus der Latenz zur erneuten Virusvermehrung angeregt werden, die mit ähnlichen Krankheitsanzeichen einhergeht wie die Erstinfektion. Rezidiv Das Wiederauftreten einer Erkrankung nach ihrer vollständigen Abheilung. Rezidive von Infektionskrankheiten können durch eine erneute Infektion mit dem ursprünglichen Erreger verursacht werden (zum Beispiel durch die nach einer Erstinfektion latent im Organismus vorliegenden Herpesviren) oder durch Erreger aus einem erneut aktiven Krankheitsherd. Rheumafaktoren Antikörper verschiedener Subklassen (IgM, IgG, IgA, IgE), die sich als Autoantikörper gegen bestimmte Bereiche der körpereigenen Immunglobuline der Klasse G (IgG) richten. Riegelimpfung Eine Impfmaßnahme, die nach dem Ausbruch einer Erkrankung in einer Bevölkerungsgruppe eingeleitet wird und regional begrenzt sein kann. Die Riegelimpfung wird notwendig, wenn die Herdenimmunität in dieser Population einen gewissen Prozentsatz unterschritten hat. Ziel der Riegelimpfung ist, die weitere Verbreitung des Infektionserregers zu verhindern, indem bei Kontaktpersonen rasch ein Immunschutz (neutralisierende Antikörper etc.) hervorgerufen wird. Ringimpfung Eine lokal begrenzte Impfmaßnahme nach dem Ausbruch einer Infektionskrankheit in einem Tierbestand. Dabei werden die Tiere in der Umgebung der infizierten Zonen in einem Radius von drei bis zehn Kilometern, je nach Infektion, geimpft, um eine Seuchenverschleppung zu verhindern und die geimpften Tiere weiter zu nutzen. Dabei müssen in der Regel Beschränkungen für den Handel in Kauf genommen werden. RNA-Editing Posttranskriptionelle Veränderung der mRNA-Sequenz durch gezieltes Einfügen oder Herausschneiden einzelner Nucleotide RNA-Interferenz (RNAi, RNA-Silencing) Die RNAInterferenz ist einer der Mechanismen, über welche in der Zelle die Menge der mRNAs reguliert werden. Sie bewirkt den sequenzspezifischen Abbau von mRNAMolekülen. Die RNA-Interferenz beruht auf der Bildung von miRNAs (microRNA) oder siRNAs (small interfering RNA). Dabei handelt es sich um 21 bis 23 Basenpaare umfassende, einzelsträngige RNA-Moleküle, die durch
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Zerschneiden von längeren Prä-miRNA-Molekülen entstehen. Die Prä-miRNAs codieren im Genom von Menschen, Säugetieren und Pflanzen in speziellen Genen, die durch die RNA-Polymerase II abgelesen werden und posttranskriptionell mit 5’-Cap-Gruppen versehen und polyadenyliert werden. In ihren Sequenzen befinden sich Abschnitte, die intramolekular haarnadelförmige Doppelstrangschleifen ausbilden und durch den nucleären Proteinkomplex Drosha/Pasha, der über die Aktivität einer RNase III verfügt, geschnitten werden. Die entstehenden Prä-miRNAs werden ins Cytoplasma exportiert und durch Dicer, eine cytoplasmatische RNase III, weiter zu doppelsträngigen miRNA-Molekülen prozessiert, an deren 3’-Enden einige Nucleotide überhängen. Eine Helicase entwindet die miRNA-Doppelstränge zu einzelsträngigen miRNAs, von denen jeweils einer mit dem Proteinkomplex RICS (RNA-induced silencing complex) interagiert. Dieser miRNA/RISCKomplex lagert sich mit dem miRNA-Anteil an mRNAs an, die eine zur miRNA komplementäre Sequenzfolge enthalten, und veranlasst den Abbau dieser Transkripte. Außer in den Prä-miRNAs findet man auch in den Intronabschnitten von proteincodierenden mRNA-Molekülen Vorläufersequenzen für miRNAs, die dann häufig den Abbau ihrer eigenen Vorläufermoleküle einleiten. Rüsselscheibe Die Verschmelzung von Oberlippe und Nasenspiegel beim Schwein. Schlachtung Tötung unter Blutentzug. Im Rahmen der Feststellung bestimmter Tierseuchen getötete Tiere werden für den menschlichen Verzehr freigegeben. Beispiel: Enzootische bovine Leukose, eine Retrovirusinfektion. Self-Assembly Geordneter Zusammenbau verschiedener Komponenten (Proteine und Nucleinsäure) zu funktionell intakten Einheiten, ohne dass dabei zusätzliche enzymatische Aktivitäten benötigt werden (zum Beispiel bei der Bildung von Ribosomenuntereinheiten, aber auch infektiöser Viren; siehe auch Virus-Assembly). Sarkom Bösartige, örtlich zerstörende, auf dem Blutweg metastasierende Geschwulst mit Ursprung in mesenchymalen Geweben (Weichteil-, Stütz- und neurogenes Gewebe sowie dem interstitiellen Bindegewebe einzelner Organe). Serokonversion Das Auftreten von Antikörpern im Serum eines Patienten, das bisher frei von den entsprechenden Immunglobulinen war. Die Serokonversion tritt in Folge einer Infektion oder einer Impfung auf.
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Seroprävalenz Die Häufigkeit des Vorkommens von Antikörpern im Blut einer Personengruppe oder Population, die auf eine durchgemachte oder bestehende Infektion hindeuten. Serotyp Serologisch, das heißt aufgrund ihrer Fähigkeit zur Wechselwirkung mit spezifischen Antikörpern (Immunglobulinen) unterscheidbare Variation innerhalb einer Virus-Subspezies. Die Serotypen einer Virusspezies unterscheiden sich in ihren antigenen Eigenschaften (Oberflächenstrukturen, die durch das Immunsystem erkannt werden). Die Einteilung in Serotypen erlaubt eine vor allem aus epidemiologischer Sicht interessierende Unterteilung von Virusspezies. Durch die zunehmend automatisierten Methoden der Nucleinsäuresequenzierung erfolgt heute vorwiegend die Bestimmung von Genotypen einer Virusspezies. Seuchenzug siehe Panzootie
dern. Alternativ entstehen Syncytien durch Kernteilungen ohne anschließende Teilung des Cytoplasmas. Syndrom (griechisch σ νδρομος: zusammenkommender Weg, Lauf) In der Medizin bezeichnet man als Syndrom das gleichzeitige Vorliegen verschiedener Merkmale (Krankheitssymptome) mit meist einheitlicher Ätiologie (Ursache). Synovia/Synovialflüssigkeit Die von der Synovialis (Gelenkinnenhaut) gebildete, klare, schleimhaltige, fadenziehende Gelenkflüssigkeit. Tachypnoe Gesteigerte Atemfrequenz durch Stimulierung des Atemzentrums bei erhöhtem Sauerstoffbedarf, zum Beispiel bei körperlicher Belastung, Fieber oder erniedrigtem Sauerstoffangebot (Hypoxämie). Tegument Proteinhaltige Schicht zwischen der Hüllmembran und dem Capsid bei Herpesviren.
siRNA (small interfering RNA) siehe RNA-Interferenz Squalen Eine organische, ungesättigte Verbindung aus der Gruppe der Triterpene, die von allen höheren Organismen produziert wird. Adjuvans (immunologischer Verstärker) in Impfstoffen. Stroma Das interstitielle Bindegewebe eines Organs. Subarachnoidalraum Der den Liquor cerebrospinalis enthaltende Raum zwischen der Arachnoidea (das heißt der gefäßarmen, bindegewebigen, beidseits mit Endothelzellen bedeckten Gehirn- und Rückenmarkshaut) und der Pia mater (der Bindegewebshülle, die den Gehirn- und Rückenmarksoberflächen direkt aufliegt und mit der darunter liegenden Membran fest verbunden ist). Superinfektion siehe Überinfektion Symptom Krankheitsanzeichen. symptomatische Infektionen Mit Krankheitsanzeichen einhergehende Infektionen. Syncytium Eine mehrkernige Zelle (Polykaryocyt), auch als Riesenzelle bekannt. Ein Syncytium kann durch Verschmelzung von mehreren Einzelzellen entstehen. Dieser Vorgang wird von einigen Virustypen (beispielsweise Paramyxoviren, Herpesviren) eingeleitet, welche mittels ihrer Oberflächenproteine die Verschmelzung (Fusion) von infizierten mit nichtinfizierten Zellen för-
Tonsillen (lateinisch tonsilla: Mandel) Mandelförmige Organe, die Teile des lymphoepithelialen Gewebes des lymphatischen Rachenringes sind. Man unterscheidet hier die Rachenmandeln (T. pharyngealis oder adenoidea), die Zungenmandeln (T. lingualis), die Gaumenmandeln (T. palatina) und die Tubenmandeln (T. tubaria). Tracheitis Entzündung der Luftröhre. Trailer (englisch to trail: nachschleppen, hinter sich herziehen) Nichtcodierende RNA-Sequenzfolge an den 5’-Enden der RNA-Genome von Viren mit einem Negativstrang-RNA-Genom. Transaminasen (Aminotransferasen) Enzyme mit Pyridoxalphosphat als Coenzym, die α-Aminogruppen von einer Aminosäure unter Austausch des gegenseitigen Redoxzustands auf eine α-Ketogruppe, zum Beispiel von Pyruvat oder Oxalacetat, übertragen. Als Beispiele seien die Aspartataminotransferase (AST) oder die Alaninaminotransferase (ALT) genannt. Der Nachweis von erhöhter Enzymaktivität im Serum dient unter anderem als diagnostischer Hinweis auf eine Leberentzündung oder anderweitige Schädigungen dieses Organs. Tropismus (griechisch τροπ ς: Wendung) bezeichnet die Fähigkeit eines Virus, einen bestimmten Zelltyp (Zelltropismus), die Zellen eines bestimmtes Gewebes (Gewebetropismus) oder Organs (Organtropismus) zu infizierten und sich dort zu vermehren. Unter Wirtstropismus versteht man die bevorzugte oder ausschließli-
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che Infektion einer bestimmten Spezies als Wirtsorganismus. Tumor (lateinisch tumor: Anschwellung, Geschwulst) Allgemeine Bezeichnung für jede umschriebene Schwellung von Körpergewebe. Überinfektion Die gleichzeitig stattfindende oder zeitlich nur wenig versetzt stattfindende Zweitinfektion eines Organismus (Mensch, Tier, Pflanze) mit einem unterschiedlichen Stamm desselben Erregers oder mit einem anderen Erreger (Virus, Bakterium, Parasit, Pilz). Häufig verursacht der erste Infektionserreger bereits eine Schädigung des Wirtsorganismus, sodass sich weitere Infektionserreger besonders effizient ansieden und ausbreiten können. Ulcus (lateinisch ulcus: Geschwür) Geschwür. Aus einer örtlichen Ursache oder aus einer Allgemeinerkrankung resultierender Substanzverlust der Haut oder Schleimhaut, der meist nach Abstoßung des bestehenden nekrotischen Gewebes narbig abheilt. ultrafiltrierbar Bezeichnung für Substanzen oder Partikel, die durch für Bakterien dichte Filtersysteme nicht abgetrennt werden können. undulierendes Fieber In Wellenform abebbendes und wiederkehrendes Fieber. Typisch für Infektionskrankheiten, bei denen es zu einer Änderung der Oberflächenantigene und anschließend zu einer Immunantwort gegen den veränderten „neuen“ Erreger kommt, beispielsweise bei der infektiösen Anämie der Einhufer, einer Retrovirusinfektion.
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Virion Infektiöses Viruspartikel. Virulenz Summe aller Eigenschaften eines Erregers (Virus), die zur Krankheitsentstehung in einem Menschen oder einem Tier beitragen. Die Virulenz wird quantifiziert als LD50, das heißt, als Zahl der Viren (oder anderer Erreger), die ausreicht, um 50 Prozent der Versuchstiere oder der Zellen in einer Kultur zu töten. Virus-Assembly Geordneter Zusammenbau der Virusstrukturproteine und der Virusgenome zu infektiösen Viruspartikeln am Ende des Infektionszyklus. Weltgesundheitsorganisation (WHO; englisch: World Health Organisation) Die für das internationale öffentliche Gesundheitswesen zuständige Koordinationsbehörde und Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) mit Sitz in Genf (Schweiz). Sie wurde am 7. April 1948 gegründet und zählt 193 Mitgliedstaaten. Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE; französisch: Office International des Epizooties) auch bekannt als Internationales Seuchenamt oder World Organisation for Animal Health) Die für die internationale Tiergesundheit zuständige Behörde mit Hauptsitz in Paris (Frankreich). Sie wurde 1924 anlässlich eines Ausbruchs der Rinderpest (1920 in Belgien) gegründet und umfasst heute 167 Mitgliedsländer. Zirrhose Fortschreitendes Krankheitsgeschehen, das durch Bindegewebsvermehrung infolge einer chronischen Entzündung zur Verhärtung und narbigen Schrumpfung eines Organs (meist der Leber) und zum Absterben von funktionell aktivem Gewebe (Parenchym) führt.
Vakzine Impfstoff. Vakzinierung siehe Impfung vaskulär Die Blutgefäße betreffend. Virämie Das Auftreten und Vorliegen von Viruspartikeln im Blut.
Zoonose/zoonotisch Infektionskrankheit, bei der die Erreger vom Tier auf den Menschen übertragen werden können und bei ihm eine Erkrankung verursachen.
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Index
A AAV-2, Vermehrung 645 AB0-System 187 Abacavir 448 Abkugelung 38 abortive Infektion 24 abortive Polio 163 Acanthamoeba polyphaga 16 ACE-2 257f N-Acetyl-Neuraminsäure 361 Achong, B. 595 Aciclovir 99, 564, 588, 590, 600 Ackermann, W. 585 Actin 46 Actinfilamente 46 acute respiratory distress syndrome 350 Acycloguanosin 10, 91f, 96, 99, 101 Acyclovir, siehe Aciclovir Adefovir 92, 96, 99, 479 Adenain 537 adenoassoziierte Viren (AAV) abgeleitete Vektoren für Gentherapie 647 Diagnose 652 latente Infektion 647 Nichtstrukturproteine 643 Pathogenese 651 Proteinfunktionen 643 Replikation 645 Übertragung 651 Adenosinanalogon 99 Adenoviren 26, 520–543 Assoziation mit bestimmten Erkrankungsbildern 522 Aufbau 521–525 Aufnahme in die Zelle 535 Bindung an CAR 537 canine 542 Epidemiologie 542 Impfstoff 542 siehe auch CAdV charakteristische Vertreter 521 des Geflügels Diagnose 543 Epidemiologie 542 Impfung 543 Klinik 543 Pathogenese 543
Diagnose 541 E1A-Proteine 540 E1-Proteine 525–528, 536 E2-Proteine 528 E3-Proteine 528, 530 E4-Proteine 531f Einteilung 520f Fiberproteine 521, 523 frühe Proteine 525–532 Genomaufbau 524 Genomreplikation 529f humanpathogene 538–541 Einteilung 538 Epidemiologie 538 Klinik 538f Pathogenese 539 Serotypen 538 Übertragung 538 Immunreaktion 541 Keratokonjunktivitis 540 nichtonkogene 540 onkogene 540 Prophylaxe 541 Protein VI 536 Replikation 535f schematischer Aufbau 523 späte Proteine 532 Therapie 541 tierpathogene 542f Tumorbildung und Zelltransformation bei Nagetieren 539f Virusproteine 525–534 zelluläre Rezeptoren 522 Zielorgane 522 Adenoviridae 20, 520 adenovirusassoziierte RNA 535 siehe auch VA-RNA adenovirusassoziierte Tumore 540 Adjuvans 112 adulte T-Zell-Leukämie (ATL) 450 ADV Diagnose 656 Klinik 655f Pathogenese 656 Übertragung 655 Aedes 352 aegypti 210 africanus 208 albopictus 210, 236
haemagogus 208 scutellaris 210 triseriatus 352 Affenpockenvirus 623 Affenspumavirus 415 siehe auch SFV Aflatoxine 476 African Swine Fever Virus, siehe ASFV afrikanische Schweinepest 633 Aggresom 633 Agnoprotein 485 Aichivirus 146 AIDS (acquired immunodeficiency syndrome) 440, 446, 448f kennzeichnende Erkrankungen 444 Spätphase 443 AIDS-related complex (ARC) 442 Akabanevirus 352 aktive Impfung 107 aktivierte Makrophagen 56 akute Einschlusskörperchen-Encephalitis 302f Akutphaseproteine 59 Alastrim 623 Aleutenkrankheit 636, 655f Aleutian-Mink-Disease-Virus 636, 655 Allander, T. 484, 650 Alphaviren 225f Glycoprotein E1 230f Glycoprotein E2 231 6K-Protein 230 Nichtstrukturproteine 227 Strukturproteine 229 alternativer Weg der Komplementaktivierung 61 Altweltarenaviren 326, 331 Amantadin 94, 98, 102, 381 Ambisense-Orientierung 25 Amdoviren 636 Genom 638 Amyloidbildung, PrPc 672 Anamnese, Definition 119 Anaphylatoxine 61 Andes-Virus 348 Andrewes, C. 4, 355, 371 Anelloviren 659–665 Aufbau 659f Einteilung 659 Genom 660
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humanpathogene 663 Proteinfunktionen 662 Virusproteine 660–662 Anelloviridae 635 charakteristische Vertreter 659 Anergie 63 Annexin 469 annulate Lamellen 580 ANT3-Protein (adenine translocator-3) 367 antibody (immune) enhancement 204 Antigene, Definition 53 Antigen-ELISA 128 antigenic drift 122, 375–377 antigenic shift 123, 325, 374 antigenpräsentierende Zelle, Erkennung durch T-Helferzelle 63 Antikörper 68–71 Aufbau 69 infektionsverstärkende 205 mütterliche 71 somatische Hypermutation 71 Antikörpernachweis, ELISA 131 Antikörpervielfalt 70 Antionkogene 48 antiretrovirale Therapie 448f Antisense-RNA 104 antivirale Chemotherapeutika 9f molekulare Wirkmechanismen 100 Aphthovirus 146f, 172 zelluläre Rezeptoren 157 Apodemus agrarius 349 agrarius corea 348 flavicollis 349 Apoptin 662 Apoptose 37f induzierende Mechanismen 38 Unterdrückung durch Viren 51 apoptotische Vesikel 37 2A-Protease 151, 154 Aquabirnavirus 385 Aquareovirus 391 Arboviren 197 Arenaviren 325–337 Aufbau 327 Bindung an Zelle 331 charakteristische Vertreter 326 Darstellung 327 Einteilung 326 Genom und Genomaufbau 327 GPC-Protein 328, 331 human- und tierpathogene 332–337 L-Protein 328 Membranproteine 328f natürlicher Wirt 326 Nucleoprotein 329 Proteinfunktionen 329 Replikation 331 RNA-abhängige RNA-Polymerase 329
Virusproteine 328 Z-Protein 328, 330f Arenaviridae 18, 325 ARE-RNA 578 Armstrong, C. 332 Arteriviren 239–245 Aufbau 239f charakteristische Vertreter 239 Einteilung 239 Genom 240 Genomorganisation und Replikationsverlauf 241 M-Protein 242 Nichtstrukturproteine 240 N-Protein 242 Nsp1 242f Nsp4 242f Nsp11 242f Proteinfunktionen 243 Replikation 242ff Strukturproteine 242 tierpathogene 244f Virusproteine 240–242 Arteriviridae 18 Arthritiden 72 Arthritis durch Parvovirus-B19Infektion 649 Arthropoden als Virenüberträger 117 Asfarviren 26, 73, 631–634 Aufbau 631 charakteristische Vertreter 631 Einteilung 631 Genom 631 Replikation 632 schematische Darstellung 632 tierpathogene 633f Virusproteine 632 Asfarviridae 21, 631 Asfivirus 631 ASFV 631 Diagnose 634 Epidemiologie 633 Immunevasion 634 Klinik 633 Pathogenese 633f Übertragung 633 Asialoglycoproteinrezeptor 469 Asiatische Grippe 372, 376 Aspergillus flavus 476 Assemblin 547 Astroviren 175–180 Aufbau 175 charakteristische Vertreter 175 der Säugetiere 180 des Geflügels Epidemiologie und Übertragung 179 Immunreaktion und Diagnostik 180 Klinik 179
Pathogenese 179 Prophylaxe und Therapie 180 Einteilung 175 feline 180 Funktionen der Virusproteine 178 Genom 176 Genomorganisation 177 humanpathogene 178f Epidemiologie und Übertragung 178 Immunreaktion und Übertragung 179 Klinik 179 Pathogenese 179 Prophylaxe und Therapie 179 Nichtstrukturproteine 176 Replikation 176–178 schematischer Aufbau 176 Strukturproteine 176 tierpathogene 179f Virusproteine 176 Astroviridae 17 Astruc, J. 585 Atadenovirus 521 attenuierte Viren 108–111 Attenuierung 111 Aujeszky, A. 604 Aujeszkysche Krankheit 605 Australian Bat Lyssavirus 272 Autoimmunencephalitis 302f Autoimmunreaktionen 72 autokrine Stimulation des Zellwachstums 47 Avery, O. T. 6 Aviadenoviren 521 aviäre Bornaviren 278 aviäre Influenza 373 aviäre Leukoseviren (ALV) Bekämpfung 452 Epidemiologie und Übertragung 451 Immunreaktion 452 Klinik 452 Pathogenese 452 aviäre Viren der infektiösen Bronchitis 248, 259 Replikation 255 aviäres Hepatitis-E-Virus 194 aviäres Influenzavirus 379 aviäres Nephritisvirus 179 Avibirnavirus 385 Avipoxviren 612 Azidothymidin 92, 95, 98, 100, 448, 451, 457 B Bacillus Calmette-Guérin 75 bacterial artificial chromosomes (BAC) 584 Bak-Proteine 506 Bakteriophagen, Definition 4 Balayan, M. S. 193
Index
BALT 31 Baltimore, D. 8, 409 Bancroft, T. L. 210 Bang, O. 409 Barker, G. 215 Barr, Y. 595 Barre-Sinoussi, F. 410 basophile Granulocyten 55 Beak-and-Feather-Disease-Virus (BFDV) 659, 664 Beijerinck, M. W. 3 Bel1-Protein 418, 426 Bel2-Protein 430 Bet-Protein 430 Biosensoren 141 BiP-Protein 158 Birnaviren 25, 385–390 Aufbau 386 charakteristische Vertreter 385 Einteilung 385 Genom 386 Genomorganisation und Genexpression 387 Nichtstrukturproteine 388 Proteinfunktionen 388 Replikation 388 schematische Darstellung 386 Strukturproteine 386 tierpathogene 388 Virusproteine 386–388 Birnaviridae 19, 385 Bishop, J. M. 409 Bishop, R. 399 Bittner, J. J. 409 BIV (bovine immunodeficiency virus) 441 BK-Polyomavirus 491f verursachte Krankheiten 494 BKPyV 493 Blauzungenkrankheit 405 Blosnavirus 385 Blotched-Snakehead-Virus 385f Bluetonguevirus 124 der Schafe 402 Diagnose 404 Epidemiologie und Übertragung 403f Klinik 404 Pathogenese 404 Prophylaxe 404 Serotyp-8 405 Blutgruppenantigene als Resistenzvermittler 187 Blut-Hirn-Schranke 34 Blut-Liquor-Schranke 34 B-Lymphocyten 68–71, 389 EBV-positive 597 Bocaviren 636, 639 animale 656 Genom 638 Genomorganisation 642
humane 650–652 Diagnose 651 Genotypen 650 Klinik 650 Pathogenese 650 Bókay, J. von 588 Border-Disease-Virus 221 Bordetella bronchiseptica 307 Bornasche Erkrankung 277, 281 Bornaviren 34, 277–283 Aufbau 278f Aufnahme in die Zelle 281 aviäre 278 charakteristische Vertreter 278 Einteilung 278 Epidemiologie und Übertragung 281f Genom 278 Genomorganisation 280 GP-Protein 280 Immunreaktion und Diagnose 283 Klinik 282 Membranproteine 280 M-Protein 280 N-Protein 279 Pathogenese 282f P-Protein 280 Proteinfunktionen 281 Replikation 281 Ribonucleocapsid 279 schematische Darstellung 279 Virusproteine 279f Bornaviridae 18 Bornavirusinfektionen im Menschen 282 Borrel, A. 4 bösartiges Katarrhalfieber 601 bovine spongiforme Encephalopathie, siehe BSE bovines Coronavirus 259 bovines Herpesvirus Typ-1 Diagnose 603 Epidemiologie 602 Klinik 602f Pathogense 603 Prophylaxe 603f siehe auch BHV-1 bovines Herpesvirus Typ-2 603 Genom 557 bovines Leukosevirus (BLV) Bekämpfung 454 Epidemiologie und Übertragung 454 Klinik 454 Pathogenese 454 bovines Parainfluenzavirus Typ-3 306 bovines Parvovirus (BPV) 656 Typ-1 642 siehe auch BPV bovines respiratorisches Syncytialvirus Diagnose 310 Epidemiologie und Übertragung 310
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Klinik 310 Pathogenese 310 Prophylaxe 310 bovines Virusdiarrhoevirus, siehe BVDV bowenoide Papillose 513 bowenoide Papulose 514 2B-Protein 155 B7-Proteine 62 BPV-1 503 E5-Protein 507 Expressionsprodukte des E2-Leserahmens 505 Genomaufbau 502 BPV-4 509, 515 Bradley, D. W. 193, 213 branched-DNA-detection 138 Brevidensovirus 636 Brivudin 92, 95, 590 BSE 667, 677, 680–684 Ausbreitungsszenarien 674 Bekämpfung 684 Diagnose 684 Entstehung 681 Epidemiologie 681 Fälle in verschiedenen Ländern 682 Klinik 683 Pathogenese 684 Übertragung 682f Verbraucherschutz 683 Budding 27 Bunyamweraviren 344 Bunyaviren 31, 338–354, 380 Aufbau 339 cap-snatching 347 charakteristische Vertreter 340 Einteilung 338 Gc-Protein 341 Gn-Protein 341 humanpathogene 348–351 Immunreaktion und Diagnose 351 konservierte Basenfolge an den Genomenden 341 L-Segment 341 Membranproteine 344f natürliche Wirte 340 Proteinfunktionen 344 Replikation 347f S-Segment 341 Strukturproteine 344f Therapie und Prophylaxe 351 tier- und humanpathogene 351–354 Übertragung durch Insekten 339 Virusproteine 344ff Bunyaviridae 19, 325, 338 Burkitt, D. 595 Burkitt-Lymphom 50, 595f, 598 Bursa fabricii 389, 452 BVDV 123, 201 Bekämpfung und Prophylaxe 223 Epidemiologie und Übertragung 221 Genomorganisation 199
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Immunreaktion und Diagnose 221 Klinik 221 Lebendimpfstoff 223 Pathogenese 221 Rekombinationsereignisse im Genom 222 B-Zell-Lymphom 596, 598 B-Zell-Rezeptor 70 BZLF-1-Protein 582 C C1 60f C2 60f C3 59, 61 C3a 59 C3b 59–61 C4 60f C5 60 C5a 61 C6 60 C7 60 C8 60 C9 60 CAdV-1 542 Diagnose 542 CAdV-2 542 CAEV Bekämpfung 456 Epidemiologie und Übertragung 455 Caliciviren 181–189 Aufbau 182 charakteristische Vertreter 181 Einteilung 181f elektronenmikroskopische Darstellung 182 Epidemiologie und Übertragung 185 feline Diagnose 188 Epidemiologie und Übertragung 187f Klinik 188 Pathogenese 188 Prophylaxe 188 Funktionen der Virusproteine 184 Genomorganisation 183 Genom 182 Genomaufbau 182 humanpathogene 185–187 Immunreaktion und Diagnose 186 Klinik 186 Pathogenese 186 Prophylaxe und Therapie 187 Replikation 185 Strukturproteine 184 tierpathogene 187ff Virusproteine 184 Caliciviridae 17, 181 Calnexin 65 Canine-Distemper-Virus 308 Canine-Minute-Virus (CnMV) 656 canines Herpesvirus Typ-1 606
canines Parainfluenzavirus Typ-2 306f canines Parvovirus 122 Typ2a 653 Typ2b 653 Typ2 c 653 Cantegalovirus 625 Canyon 23, 149, 153 Cap-bindendes Protein (CBP) 160 Cap-Bindungskomplex 160f caprines Arthritis-Encephalitis-Virus, siehe CAEV Capripoxvirus 610, 612, 628 Capside 14 Selektionsdruck 15 Symmetrieformen 15 Capsidproteine des Poliovirus 148 Capsomere 14 Cap-Stehlen 347 CAR (Coxsackie- und Adenovirusrezeptor) 156, 535 -Rezeptoren 23 CARD-Domäne 79 Cardioviren 147 zelluläre Rezeptoren 157 Carswell, E. 75 Castleman-Erkrankung 600 Caveolae 397 Caveolin-1 396f Caveolin-3 397 c-bcl2 51 CC-Chemokine 85 CCHF-Virus 338, 348, 352 Aufbau 341 L-Protein 346 CCL1 86 CCL2 85f CCL3 85f CCL4 85f CCL5 85f CCL6 86 CCL7 86 CCL8 86 CCL9 86 CCL11 86 CCL13 86 CCL16 86 CCL19 86 CCL20 86 CCR5 218, 431, 438, 446 CD3 61–63 CD4 423, 430f, 438 als Rezeptor für HIV 430–432 -Rezeptor 62f CD4+-Zellen 442, 446 Abnahme bei AIDS 446 CD8-Rezeptor 62 CD14 56 CD23 48, 576 CD28 430 CD40-Proteine 63 CD46 301, 535, 594
CD55 156 CD56 269 CD81 204 CD150 596 CD155 157 Funktionen 156 CD155α 156 CD155δ 156 CDC2-Kinase (cell cycle dependent kinase) 491 CDK1 (cyclin-dependent Kinase 1) 49 CDK2 49f, 491 CDK4 49f CDR 69 cell-associated enveloped virus, siehe CEV-Partikel Cervarix 517 Cervixkarzinom 512–515 Entstehung 514 CEV-Partikel 611, 620 Chancok, R. M. 304 Chang, Y. 600 Channel-Catfish-Herpesvirus 545 Chase, M. 6 Chelle, P.-L. 667 Chemokine 33, 75–88 inflammatorische 85 konstitutive (homeostatische) 85 Übersicht 86 Chemokinrezeptoren 431 CCR5 218 Chemotherapeutika, antivirale 9f chemotherapeutischer Index 94 Chemotherapie 91–105 Chicken-Anaemia-Virus (CAV) 659f, 664 Apoptin 662 Genomorganisation 661 Nichtstrukturproteine 661 Replikation 662 Chikungunya-Virus (CHIKV) 124, 225, 236 chimpanzee coryza agent 304 Chordopoxvirinae 610, 612 Choriomeningitis 5 Chow, L. T. 520 Chronic Wasting Disease (CWD) 668, 677, 679 Übertragungswege 679 Cidofovir 92, 95, 99, 451, 541, 593, 600, 626 CIF (cellular interfering factor) 515f Circoviren 659–665 Aufbau 659f charakteristische Vertreter 659 Einteilung 659 Genom 660 Genomorganisation 661 Nichtstrukturproteine 660 porcine 664f Proteinfunktionen 662
Index
Replikation 662 schematische Darstellung 660 tierpathogene 664f Virusproteine 660–662 Circoviridae 21, 635 CJD, siehe Creutzfeldt-Jakob-Krankheit C3-Konvertase 59, 61 3CLpro 254 Classical-Swine-Fever-Virus 218ff Clathrin 157 CLEC5A (C-type lectin domain family-5, member A) 211 Clethrionomys glareolus 349 c-myc 598 Colorado-Tick-Fieber-Virus 402 Coltivirus 391, 402 complementarity determing regions, siehe CDR Condylomata acuminata 513f Condylome 514 Consensussequenzen 330 copy choice-Rekombination 432 Coronaviren 25, 246–261 akzessorische Proteine 253 Aufbau 247f bovine 259 charakteristische Vertreter 247 Einteilung 247 E-Protein 250, 252 feline 260f Genom 248 Genomorganisation 249 Hämagglutinin-Esterase 247, 250 HE-Protein 252 humanpathogene 255f M-Protein 250, 252 Nichtstrukturproteine 248, 251 N-Protein 253 Proteinfunktionen 251 Replikation 254f Replikationsverlauf 249 S-Protein 250, 252 Strukturproteine 250 tierpathogene 259–261 Virusproteine 248–253 Coronaviridae 18, 246 Cossart, Y. 647 Coxsackieviren 34, 145f, 156f, 165 Pathogenese 166 Proteine 152 CPEB3 (cytoplasmic polyadenylation element binding protein-3) 480 3C-Protease 151f, 154f 2C-Protein 155 cp-Virus 221 C-reaktives Protein (CRP) 59 cre-Element (cis-responsive-element) 150 Creutzfeld, H.-G. 674 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) 16, 667f, 674
Epidemiologie 674 Klinik 675 neue Varianten 674f Crick, F. H. 6 Crimean-Congo-Hemorrhagic-FeverVirus, siehe CCHF-Virus CrmA 617 Croup-associated-Virus 285 CTE (constitutive transport signal) 436 Cuillé, J. 667 Culex 225, 352 pipiens 217 univittatus 217 Culicoides 352, 403–405 Culiseta melanura 236 CXC-Chemokine 85 CX3C-Chemokine 85 CXCL1 86 CX3CL1 87 CXCL2 86 CXCL4 86 CXCL6 86 CXCL8 85f CXCL9 86 CXCL10 86 CXCL12 86, 431 CXCR4 431, 438, 445 cyclin-dependant kinase, siehe CDK Cycline 48f Cyclophilin 429, 439 Cyclophilin B 509 Cypovirus 391, 394 cyprinides Herpesvirus-3 (CyHV-3) 602 Cytokine 9, 33, 48, 65, 75, 85–88 Gruppen 76 Therapie von Viruserkrankungen 88 Cytokinsynthese Einfluss von Virusinfektionen 88 Induktion 79 Cytomegaloviren 20, 33, 73, 545f, 564, 590 chemokinrezeptorähnliche Proteine 571 Diagnose 593 E1-Protein 567 E2-Protein 567 Entgehen der Immunantwort 571 Genom 557 Genomaufbau 554 immediate early-Proteine 566 immediate-early-Gene 568 immunglobulinbindende Oberflächenproteine 560 Immunreaktion 592f Klinik 591 Mechanismen um der Immunantwort auszuweichen 592 Pathogenese 591 pp71 561 Therapie 99, 593
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Übertragung 591 UL18 569 cytopathischer Effekt 38f, 162 cytopathogen 146 cytoplasmatische Einschlusskörperchen 40 Cytorhabdovirus 264 Cytosinanalogon 98f Cytosinarabinosid 91 cytotoxische T-Zellen 64f bei HIV-Infizierten 447 D Dalldorf, G. 145 Dandy-Fieber 210 Dane, D. S. 462 Dane-Partikel 462–464 DC, siehe dendritische Zellen DC-SIGN (dendritic cell-specific intercellular adhesion molecule-3-grabbing non-integrin) 258, 431 decay accelerating factor 156 Degen, K. 282 Deinhard, F. 215 Delavirdin 93, 96, 448 delayed early-Proteine 552 Deltavirus 479 dendritische Zellen 31f, 54, 58 Denguefieber 210 hämorrhagisches 210 Dengue-Schock-Syndrom 207, 210f Denguevirus 198 Aufnahme in Zellen 204 Epidemiologie und Übertragung 210 Immunreaktion und Diagnose 211f Klinik 210 Pathogenese 211 Serotypen 211 Therapie und Prophylaxe 212 Typ-1 205 Typ-2 205 Densovirinae 635f Densovirus 636 Dependovirus 635f Genomorganisation 641 d’Herelle, F. 4 Diabetes mellitus Typ-1 34, 165f Dicer 77 Didesoxycytidin 92, 95, 98 Didesoxycytosin 448 Didesoxyinosin 93, 96, 99, 448 Didesoxy-3’-Thiacytidin 92 Diehl, V. 595 dilatative Cardiomyopathie 165 Dinovernavirus 391 Dipalmitoyl-Phosphatiylcholin (DPPC) 536 DIVA-Impfstoffe (differentiating between infection and vaccination) 114 DNA-Impfstoffe 113 DnaJ-Chaperone 489
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Index
DNA-Latenz 118 DNA-Viren doppelsträngige 25 einzelsträngige 26 Mutationen 121 D-Protein der Parainfluenzaviren 293 Dobravavirus 349 Doerr, R. 585 Doherty, P. C. 5 doppelsträngige DNA-Viren 25 doppelsträngige RNA-Viren 25 Dot-Blot 131 double stranded RNA-activated protein kinase 81 DP 65 DP1 50 3D-Polymerase 155 DQ 65 DQw3 516 DR 65 Dreitagefieber 276, 593 D-Segmente 70f Dulbecco, R. 6, 8 Duncan-Syndrom 596 α-Dystroglycan 331 E E3-ADP (adenovirus death protein) 530 Eastern-Equine-Encephalitis-Virus (EEEV) 236 EBER-RNA 597 EBNA1 51, 572f, 575, 585, 597f EBNA2 48, 572f, 575 EBNA3 573 -Protein 576 EBNA-LP 51, 573 EBNA-Proteine 573–576 Ebolavirus 18, 313f Aufbau 315 Diagnose 321 Entdeckung 319 Epidemiologie 319 Genom 314 Genomorganisation 317 Membranproteine 316 NP-Protein 315 Proteinfunktionen 316 Symptome 319f Therapie 322 Übertragung 319 Echoviren 146, 156f Ectromelie 627 Eddy, B. 484 EEV-Partikel 614, 620f, 623 E2F 50 Efavirenz 93, 96, 448 EGF 47 Egg-Drop-Syndrome-Virus 542 E3-gp19K 528 EHV-1, siehe equine Herpesviren EIAV
Bekämpfung 457 Diagnose 457 Epidemiologie und Übertragung 456 Genomaufbau 414 Klinik 456 Pathogenese 457 Eichhörnchen 352 eIF-2 160 eIF2α 81 eIF-3 160 eIF-4A 154, 160 eIF-4B 160 eIF-4F 154 eIF-4G 154 Einschlusskörperchen 5, 41 Aufnahme 40 cytoplasmatische 40 negrische 40 Eintrittspforten 30f einzelsträngige DNA-Viren 26 ψ-Element 439 Elion, G. 10, 91 ELISA 128, 131, 138 Reaktionsschritte 130 ELIspot-Test 140 Ellermann, V. 409 E3L-Protein 619 emerging virus diseases 117 Encephalitis, masernassoziierte 302 Encephalitisviren 212 equine 236 Encephalomyocarditisvirus, IRESRegion 159 Encephalopathie, übertragbare spongiforme 667 Endemie, Definition 116 Enders, J. F. 6, 145, 304 endogene Retroviren 412 Endosomen 24, 68 eneric 146 Enfuvirtide 102, 448f Enhancer, Definition 7 Entecavir 479 Enteroviren 146f, 155 Epidemiologie und Übertragung 165 Immunreaktion und Diagnose 166 Klinik 165 Pathogenese 166 Therapie und Prophylaxe 167 zelluläre Rezeptoren 157 Entomobirnavirus 385 Entomopoxvirinae 610, 612 α-Entomopoxvirus 612 β-Entomopoxvirus 612 γ-Entomopoxvirus 612 env-Gene 414, 421 Envelope 13 enzootische Rinderleukose, Diagnose 454 E4-ORF 531f
eosinophile Granulocyten 55 Ephemeral-Fieber-Virus 276 Ephemerovirus 264 Epidemie, Definition 115 Epidemiologie 115–120 Definition 115 Methoden zur Untersuchung von Viruskrankheiten 119 epidermal growth factor, siehe EGF Epidermodysplasia verruciformis 512, 514 Episom 583 Epomops franqueti 319 E-Protein der Coronaviren 250, 252 E7-Proteine 50 Epstein, A. 595 Epstein-Barr-Virus (EBV) 20, 42, 45, 48–51, 72, 88, 544f, 560, 581 Aufnahme in die Zelle 580 BZLF1-Protein 570 EBER-RNA 572 Epidemiologie 595 Genom 557f Genomaufbau 556 immediate early-Gene 567, 569 Immunreaktion 599 Klinik 595f LMP-Proteine 576 Nomenklatur der Proteine 552 Pathogenese 597–599 Primärinfektion 597 Proliferationsinduktion 51 Proteine der Latenz 572–577 Sekundärerkrankungen 598f Subtypen 575 Therapie 600 Transkription der immediate earlyProteine 574 Übertragung 595 Unterdrückung der Apoptose 51 Verlauf der Antikörperbildung bei Infektion 599 Epstein-Barr-Virusinfektion, chronischaktive 597 Epstein-Barr virus nuclear antigen, siehe EBNA equine Encephalitisviren 236 enzootische und epizootische Zyklen 237 Epidemiologie und Übertragung 235ff Immunreaktion und Diagnose 237 Klinik 237 Pathogenese 237 Prophylaxe 238 equine Herpesviren Diagnose 605 Epidemiologie 605 Klinik 605 Pathogenese 605 Übertragung 605
Index
Equine-Infectious-Anemia-Virus 414 siehe auch EIAV equines Arteritisvirus (EAV) 239 Epidemiologie und Übertragung 244 Immunreaktion und Diagnose 244 Klinik 244 Pathogenese 244 Prophylaxe 245 equines Encephalosisvirus 405 equines Sarkoid 518 Erbovirus 147 Erkältungskrankheiten 33 68-er-Regel 376f Erythema infectiosum 647f Erythrovirus 636 Genom 638 Genomorganisation 639 European-Brown-Hare-Syndrome-Virus 188 Evans, A. S. 7 Evans-Postulate 7, 119 Exanthema subitum 593 Exanthem 33f exogene Retroviren 412 exotic ungulate encephalopathy 668 Exportin-1 428 extracellular enveloped virions, siehe EEV-Partikel extrazelluläre Matrix 46 Eyach-Virus 402 F Fab-Fragment 68f Falke, D. 544 Famciclovir 93, 96, 99, 590 Fas-associated death-domain-containing protein 79 fatale Familiäre Insomnie (FFI) 667f Symptome 675 Fc-Fragment 68f Fc-Rezeptor 70 FeCoV, siehe felines Coronavirus Feinepidemiologie 119 Feinstone, S. 167 Feldmaus 349 feline Astroviren 180 feline infektiöse Peritonitis (FIP) 65, 260 feline Parvoviren 652 Bestimmung des Wirtsspektrums 654 feline spongiforme Encephalopathie (FSE) 668 felines Calicivirus 185 Diagnose 188 Epidemiologie und Übertragung 187f Klinik 188 Virusproteine 184 felines Coronavirus (FeCoV) 259 Diagnostik 260 Epidemiologie und Übertragung 260
Pathogenese 260 Prophylaxe 260 felines Herpesvirus 606 felines Immundefizienzvirus 414 siehe auch FIV felines Leukämievirus (FeLV) 415 Diagnose 453 Epidemiologie und Übertragung 452 Genomaufbau 415 Impfstoff 453 Klinik 453 Pathogenese 453 Subtypen 452f felines Panleukopenievirus 652f felines Sarkomvirus 452 Feng, Y. 431 FFI, siehe fatale Familiäre Insomnie FGF 47 Fibrinogen 59 Fibroblasten-Interferon 76 Fijivirus 391 Filoviren 313 Aufbau 314 Bindung an Zelle 318 charakteristische Vertreter 313 Einteilung 313 Genom 314 Genomorganisation 317 GP-Proteine 318 human- und tierpathogene 319–322 Immunreaktion und Diagnose 321f Membranproteine 316, 318 Nucleocapsidproteine 314 Pathogenese 320 Proteinfunktionen 316 Replikation 318 Sicherheitsvorkehrungen 314 Virusproteine 314 Filoviridae 18, 313 Findlay, G. M. 9, 75 Finlay, C. 208 FIV (feline immunodeficiency virus) 432, 441 Bekämpfung 458 Diagnose 458 Epidemiologie und Übertragung 457 Genomaufbau 414 Klinik 457 Pathogenese 457 Flaviviren 196–223 Aufbau 197ff charakteristische Vertreter 196 Einteilung 196 Eintrittspforte 31 Epidemiologie und Übertragung 207 E-Protein 207 Genom 198 humanpathogene 207, 217–223 Nichtstrukturproteine 202ff NS1-Protein 202 NS2-Protein 203
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NS3-Protein 203 NS4A-Protein 203 NS5-Protein 203 Polyprotein 199 Proteinfunktion 201 Replikation 204–207 Strukturproteine 200 tierpathogene 217–223 Virusproteine 199–204 Flaviviridae 17f, 196 Fledermäuse 314, 319 Tollwut 271 Flexalvirus 326 Flughunde 285, 311 focal contacts 46 follikulär-dendritische Zellen 54 Fomivirsen 104 Fortovase 93, 448 Foscarnet 93, 96, 99, 593 Fowl-Plague-Virus 373 F-Protein der Paramyxoviren 286, 290, 292 -vermittelte Membranfusion 291f Fractalkin 85, 87 Fraenkel-Conrat, H. 6 fragment antigen bindung, siehe FabFragment fragment constant, siehe Fc-Fragment Francis, T. 355 Franklin, R. 6 Frosch, P. 3, 145 Frösner, G. 167 Frühlingsvirämie 276 Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) 196 FSME-Virus 198, 201, 207, 218 Epidemiologie und Übertragung 212 E-Protein 213 Genomorganisation 198 Immunreaktion und Diagnose 213 Klinik 212f Pathogenese 213 Struktur des E-Proteins 200, 202 Therapie und Prophylaxe 213 Verlauf der Infektion einer Zelle 206 Fusion 431 fusionsaktive Sequenz 24 Fusionsprotein 24 G Gag 414 Gag-/Pol-Vorläuferprotein 420 Gag-Proteine 418, 420 Gag-Vorläuferproteine 418, 420 Gajdusek, D. C. 667, 671, 680 gallines Herpesvirus Typ-2 607 Gallo, R. 45, 409, 440, 450 GALT 31 Ganciclovir 93, 96, 99, 564, 593, 600 Gardasil 517 GB-Virus 197, 215
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Index
G-CSF 87 Geflügelinfluenza 372 Geflügelpest Bekämpfung 382 weltweit beobachtete Ausbrüche 374 Gehirn, Infektion 34 Gelbfieber 207f Entstehung von Epidemien 208 Gelbfieberimpfstoff 210 Gelbfiebervirus 9, 17, 201 Attenuierung 209 Epidemiologie und Übertragung 207 Genomorganisation 198 Immunreaktion und Diagnose 209 Klinik 208 Pathogenese 209 Polyproteine 199 Therapie und Prophylaxe 209 Gelbsucht 167, 194 Geminiviren 659 genetic reassortment 122f gentherapeutische Vektoren 647 Gentherapie, retrovirale Vektoren 439 Geparde 65 Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) 667f Klinik 675 gezielte Empirie, Definition 10 Glycophorin A 644 GM-CSF 87 Gnitzen 403–405 Goodpasture, E. W. 6 gp41 432, 436, 438, 449 gp120 431, 436, 438 Strukturanalyse 423 GPC-Protein der Arenaviren 328 G-Protein der Paramyxoviren 287 der Rhabdoviren 268 Rabiesviren 274 Graham, H. 210 Granulocyten 54f basophile 55 eosinophile 55 neutrophile 55 Gregg, N. 5, 232 Gregg-Syndrom 232, 234 GRE-Programm 308 Grosz, L. 5, 484 GRP-78 158 Grüter, W. 4, 585 GSS, siehe Gertsmann-SträusslerScheinker-Syndrom Guanaritovirus 326 Guanosinanalogon 99 Guarnieri, G. 5 Guarnierische Einschlusskörperchen 622 Gumborovirus 385 Diagnose 389
Epidemiologie und Übertragung 388f Impfstoff 390 Klinik 389 Pathogenese 389 Gürtelrose 588–590 Gyrovirus 659 H HAART, siehe highly active antiretroviral therapy Haarzellleukämie 451 Hadlow, W. 667 HAdV-2 538 Hauptprodukte der E1-Region 527 Lage der offenen Leserahmen 525 HAdV-3 538 HAdV-4 538 Impfung 541 HAdV-5 526, 538 Hauptprodukte der E4-Region 532 HAdV-7 538 Impfung 541 HAdV-12 540 Haemophilus influenzae 378 Hahn, B. 440 Hämagglutination 131 Hämagglutinationshemmtest (HHT) 131, 202 Hämagglutinationstest 202 Hämagglutinin 23, 356, 358 Aufklärung der Struktur 361 der Influenza-A-Viren 360 Kristallstruktur 360 schematische Darstellung 360 Subtypen 372 Verbreitung der verschiedenen Subtypen 359 Wechselwirkungen mit N-AcetylNeuraminsäure 360 Hämagglutinin-Esterase der Coronaviren 247, 250 -Fusionsprotein (HEF) 356 hammerhead 16 hämorrhagische Kaninchenseuche (RHDV) 181, 188f hämorrhagische Septikämie der Forellen 276 hämorrhagisches Denguefieber 210 hämorrhagisches Fieber Diagnose 336 Epidemiologie und Übertragung 335 Immunreaktion 336 Impfstoff 336 Klinik 336 Pathogenese 336 Hamsterkrankheit 332 Hantaanvirus 348 Hantavirus 19, 340, 344 Aufbau 341 Darstellung 339
Entdeckung 349 Epidemiologie und Übertragung 348f Genomreplikation 342 G-Protein 344 Klinik 349f Komponenten des Nucleocapsid 345 L-Protein 346 Membranproteine 345 N-Protein 346 Pathogenese 350f Replikation 347 Symptome 349f Transkription und Translation 342 Hantavirus-assoziiertes cardio-pulmonales Syndrom (HCPS) 348f Hantavirus-assoziiertes pulmonales Syndrom 350 HA-Protein, siehe Hämagglutinin Hard Pad Disease 309 Hausen, H. zur 9, 499 Hausmaus 325, 332 Hautwarzen, Therapie 517 HBcAg (hepatitis B virus core antigen) 462, 466–469 HBeAg 466–468, 475, 477 HBoV-1 650 HBsAg (hepatitis B surface antigen) 112, 462, 467, 477 -Partikel 463 HBx 468 -Protein 469, 476 HCC (hepato-cellular carcinoma) 475f HCoV-229E 255f HCoVOV43 255f HCV-227E 256 HDAg 479f HEF-Protein 361 Heine, J. von 145 Hemmstoffe der Virusaufnahme 94, 98, 102f der Virusreplikation 95–101 des Influenza-A-Virus 102 nichtnuleosidische 99 viraler Neuraminidasen 93, 97 viraler Polymerasen 93 viraler Proteasen 92f, 97 hemorrhagic fever with renal syndrome 348 Hendravirus 124, 285 Klinik 311 Hendrickson, W. 423 Henipavirus 294 Diagnose 312 Epidemiologie und Übertragung 310 Henle, G. 595 Henle, J. 7 Henle, W. 595 Henle-Kochsche Postulate 7f, 119 Hepacivirus 196 Hepadanaviridae 20
Index
Hepadnaviren 461 Aufbau 462 charakteristische Vertreter 462 Einteilung 461 Genom 462–466 Genomreplikation 472 humanpathogene 472–482 Hepadnaviridae 19 Hepatitis 34, 473 akute 474 chronisch-aggressiv-replikative 474 chronisch-persistente 474 Hepatitis-A-Virus 146, 149, 151, 155, 157 Epidemiologie und Übertragung 167 Immunreaktion und Diagnose 169 Klinik 167f Mini-Epidemien 168 Pathogenese 168 Proteine 152 Self-Assembly 162 Therapie und Prophylaxe 169 Übertragung 116 Hepatitis B akute Virusinfektion 474 chronische Infektion 475 Impfprogramme 474 Impfstoff 463, 479 perinatale Infektion 475 pränatale Infektion 475 Therapie 477ff Hepatitis-B-Virus 19, 42, 45, 461f Aufnahme in die Zelle 469 der Ente 469 als Modellsystem 477 Diagnose 476f Entgehen der Immunantwort 51 Epidemiologie und Übertragung 472f Genom 463 Genomintegration 476 Genomorganisation 465 Genotypen 473 HBe-negatives 475 HBx-Protein 469 Immunreaktion 476 infektiöse und nichtinfektiöse Partikel 464 Klinik 473 Leserahmen 466f Mutationen 473 P-Protein 468 Proteinfunktionen 468 serologische Parameter der Infektion 478 Subtypen 473 Verlauf der Replikation 470 Virusproteine 466 Hepatitis contagiosa canis 542 Hepatitis-C-Virus 45, 197–199, 201 Andocken an Zelle 204
Epidemiologie und Übertragung 213f Genomorganisation 199 Genotypen 214 Identifizierung 214 Immunreaktion und Diagnose 216 Klinik 214 Nichtstrukturproteine (NS-Proteine) 203 NS4A-Protein 203 Pathogenese 214f Polyproteine 200 Quasispezies 215 Therapie und Prophylaxe 216f Virusproteine 200 Hepatitis-D-Virus 479 Aufbau und Virusproteine 479 Diagnose 482 Epidemiologie 481 Genom und Replikation 480 Genomaufbau 481 Klinik 482 Pathogenese 482 Replikation 481 Therapie 482 Hepatitis-E-Virus 190 Aufbau 191 aviäres 194 Epidemiologie und Übertragung 193f Hepatitis-G-Virus 121, 197, 215 Hepatitis-Splenomegalie-Syndrom 194 Hepatovirus 147 zelluläre Rezeptoren 157 Hepeviren 190–195 Aufbau 191 charakteristische Vertreter 191 Diagnose 195 Einteilung 190 Funktionen der Virusproteine 192 Genom 191f Genomorganisation 191 Klinik 194 Pathogenese 194 Replikation 193 Therapie 195 Vertreter 193ff Virusproteine 192 Hepeviridae 17 HE-Protein 250 der Coronaviren 252 siehe auch Hämagglutinin-Esterase Herdenimmunität, Definition 116 Herpes 585 corneae 585 genitalis 586 labialis 586 neonatorum 586f Herpes-simplex-Virus 4, 6, 32f, 38, 88, 20, 29, 544–547 Diagnose 588
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DNA-Polymerase 562 Epidemiologie und Übertragung 585f Genomaufbau 553 Helicase-Primase-Komplex 562 immediate early-Proteine 565 Immunreaktion 587 Klinik 586 Latenz 42 oriLyt-bindendes Protein 563 Pathogenese 586f processivity factor 562 schematischer Aufbau 548 Therapie 99, 588 Thymidinkinase 563 α-TIF-Protein 561 Herpes-simplex-Virus-assoziierte Encephalitis 587 Herpes-simplex-Virus Typ-1 581 Genom 551 Leserahmen im Genom 566 Primärinfektion 585f Herpes-simplex-Virus Typ-2 581, 586 Primärinfektion 586 Herpesviren 26f, 31, 73, 544–608 Aufbau 545 Aufnahme in die Zelle 580 Capsid 549 charakteristische Vertreter 546 delayed early-Proteine 582 des Geflügels 607 Einteilung 545 equine 605 Genom 548 Genomaufbau 553 gezielte Genomveränderung mit BACs 584 Glycoproteine 559 Hemmstoff 99 Hemmung der DNA-Polymerase durch Acycloguanosin 101 humanpathogene 585–601 immediate early-Proteine 565 Induktion des Zellzyklusarrests 582 latenter Infektionszyklus 583ff Latenz 544f Latenzstadium 572 LAT-RNA 572 lytischer Infektionszyklus 579–583 Membranproteine 550 Mutationen 104 Nichtstrukturproteine 562 Nomenklatur der Proteine 552 Proteine für Interaktion mit Zelloberfläche 581 mit Aufgaben bei der Replikation 563 mit Homologie zu zellulären Proteinen 571 Replikation 579–585
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Ribonucleotidreductase 565 RNA-Produkte 572 Strukturproteine 549ff, 559 Tegument 549 Tegumentproteine 561 Thymidinkinase 563f tierpathogene 601–608 Überdauern 118 Uracil-DNA-Glycosylase 564 Virusproteine des lytischen Zyklus 558–571 α-Herpesviren 42, 545f, 572 latenter Infektionszyklus 583 β-Herpesviren 545f latenter Infektionszyklus 584 γ-Herpesviren 545f latenter Infektionszyklus 585 Herpesviridae 20, 545 β-Herpesvirinae 593 Herpesvirus ateles 558 saimiri 558 herpesvirus entry mediator 580 Hershey, A. D. 6 Heterodimermodell 671 heterologe Übertragung 116f hexonassoziierte Proteine 523 Hexone 521, 523 highly active antiretroviral therapy 98, 103 Hillemann, M. 146, 484, 497 Hipposideros larvatus 311 Histamin 55 hitchhiking mutations 122 HIV 19, 29, 41, 434 Antikörper gegen HIV 448 Aufnahme in die Zelle 430ff Diagnose 447f Entgehen von Immunreaktionen 73 Expression des Genoms 42 frühe Infektionsphase 445 gescheiterte Impfstoffentwicklung 449 Integrase 421 LAS-Stadium 442 Latenz 442 Mutationen 445 NSI-Stämme 446 Pathogenese 444 Primärinfektion 442 Quasispezies 436 Rev-Protein, funktionelle Domänen 427 serologisches Fenster 448 Subtypen 441 Therapie 98f, 103 Varianten 445 Viruslast 448 HIV-1 123, 440 Aufbauschema 412 Aufnahme in die Zelle 423
Entstehung neuer Virusvarianten 441 Genomaufbau 414 Glycoproteine 422 LTR-Region 417 Nef-Protein 429 Proteineigenschaften 419 Rev-Protein 426 Subtypen 124 Synthese der Gag-/Pol-Proteine 418 Tat-Protein 424 Untergruppen 441 Vpu-Protein 428f zellulärer Reaktionspartner 423 HIV-2 123, 429, 441 Nef-Protein 429 Vpx-Protein 429 HIV-Infektion akute 444 Bedeutung cytotoxischer T-Zellen 447 eines CD4+-T-Lymphocyten 438 klinische Kategorien 444 klinische Krankheitsstadien 443 Therapie 448 Verlauf 442, 446 HIV-Proviren 449 HIV-Varianten 422, 443 HLA -A2 450f Antigenbindungsgrube 64 -Cw8 450 -Haplotyp 65 -Typ, Risiko für die Ausbildung von Karzinomen 516 HLA-B35 447 HLA-B53 447 HLA-B4002 451 HLA-B4006 451 HLA-B4801 451 HLA-B5401 450 H1N1 118, 124, 371–373, 375–377, 382 H2N2 371f H3N2 371–373, 376f H3N8 373 H5N1 124, 373f, 377–379 -Infektionen, Bekämpfung 382 H5N2 373 H7N1 373 H7N7 372f HN-Protein der Paramyxoviren 286 der Respiro- und Rubulaviren 290 hoch aktive antiretrovirale Therapie (HAART) 448 Hodgkin-Lymphom 596 Hogle, J. 153 homologe Übertragung 116 Hongkong-Grippe 372, 376 Hoogen, B. van den 306 Hoppegartener Husten 373 horizontale Übertragung 116
Hoskins, M. 9, 75 H-Protein der Morbilliviren 290 HPV 512 -assoziierte Hautwarzenerkrankung 513 -assoziierte Tumorerkrankung 514 Impfung 517 -Typen Cofaktoren bei der Karzinogenese 515 Hautläsionen und Tumorerkrankungen 514 HPV-5 512 HPV-6 507 Nomenklatur der Proteine 552 HPV-8 504 Nomenklatur der Proteine 552 HPV-11 507, 509 HPV-16 504, 509, 512f E1-Protein 644 E5-Protein 507 E6-Protein 506, 515 E7-Protein 507 Genomaufbau 502 HPV-18 504, 512f E7-Protein 507 HPV-33 509 Hsc70 489 Hsp70-Chaperone 489 hTERT (human telomerase reverse transcriptase) 506 HTLV 47, 409f Diagnose 451 Epidemiologie und Übertragung 450 Pathogenese 450 Primärinfektion 450 Replikationszyklus 440 Therapie 451 Viruslast 451 HTLV-1 434, 450 -assoziierte Myelopathie (HAM) 450 Gag-Fusionsvorläuferpolypeptide 420 Genomaufbau 415 LTR-Region 417 Proteineigenschaften 419 Tax-Proteine 425 HTLV-2 428, 450 Tax-Proteine 425 human leukocyte antigen, siehe HLA human- und tierpathogene Arenaviren 332–337 human- und tierpathogene Filoviren 319–322 human- und tierpathogene Orthomyxoviren 371–382 human- und tierpathogene Paramyxoviren 310ff human- und tierpathogene Rhabdoviren 270–275 humane Coronaviren
Index
Epidemiologie und Übertragung 255 Immunreaktion und Diagnose 256 Klinik 255 Pathogenese 256 humane Enteroviren 165 humane Herpesviren, Aufnahme in die Zelle 580 humane Immundefizienzviren, siehe HIV humane Parainfluenzaviren 298f humane Parechoviren 166 humane Prionerkrankungen 674–676 humanes Adenovirus 525 siehe auch HAdV humanes Bocavirus 650–652 Proteinfunktionen 643 humanes Coronavirus NL63 254 humanes Cytomegalovirus 581 Epidemiologie 590 Genomaufbau 554 Immunreaktion 592 Klinik 591 Pathogenese 591f Übertragung 591 humanes Enterovirus B 149 humanes Herpesvirus-4, Genom 557f humanes Herpesvirus-6 567, 581 Diagnose 595 Epidemiologie 593 Genom 558 Genomaufbau 556 Immunreaktion 595 Klinik 594 latente Infektion 584 Pathogenese 594 Subtypen 593 Therapie 595 humanes Herpesvirus-7 581 Diagnose 595 Genom 558 Pathogenese 594 Übertragung 594 humanes Herpesvirus-8 571, 581 Diagnose 601 Epidemiologie 600 Genom 558 Genomaufbau 556 K-bZIP 569 Klinik 601 KSHV/Rta 569 latenter Infektionszyklus 585 Latenzphase 569 Pathogenese 601 Proteine der Latenz 577–579 T1.1/nut RNA 572 Therapie 601 Übertragung 600 humanes Metapneumovirus Diagnose 306 Epidemiologie und Übertragung 306 Genomorganisation 289
Klinik 306 Pathogenese 306 Therapie 306 humanes Rhinovirus Typ-14, Struktur des Canyons 149 Humanes T-Zell-Leukämie-Virus Typ-1 415 siehe auch HTLV-1 humanpathogene Adenoviren 538–541 humanpathogene Anelloviren 663 humanpathogene Astroviren 178f humanpathogene Bunyaviren 348–351 humanpathogene Caliciviren 185–187 humanpathogene Coronaviren 255f humanpathogene Flaviviren 207 humanpathogene Hepadnaviren 472– 482 humanpathogene Herpesviren 585–601 humanpathogene Papillomaviren, siehe HPV humanpathogene Paranyxoviren 298– 306 humanpathogene Parvoviren 647 humanpathogene Picornaviren 162– 170 humanpathogene Pockenviren 623–627 humanpathogene Polyomaviren 492– 496 humanpathogene Reoviren 399 humanpathogene Retroviren 440–451 humanpathogene Togaviren 232–235 humanpathogene Viren 117 humanpathogenes Papillomavirus Typ16, siehe HPV-16 Hundestaupe 284, 308 Diagnose 310 Immunprophylaxe 310 Klinik 309 Pathogenese 309 Hundestaupevirus 301 Epidemiologie und Übertragung 308 Hyalomma 352 -Zecken 352 Hybrid-Capture-Verfahren 136 Hydrops fetalis 333 Hypsignathus montrosus 319 I iatrogene Infektion 117 IκB 80 Ibarakivirus 402 IBDV 387 Diagnose 389 Epidemiologie und Übertragung 388 Genomorganisation 387 Impfstoff 390 Klinik 389 Pathogenese 389 ICAM (intercellular adhesion molecule) 157, 431 -Proteine 156
717
ICP (infected cell proteins) 552 ICP0 565 -Protein 582 ICP4 565, 584 ICP22 565 ICP27 565, 582 ICP47 565f Ictalurivirus 547 Idnoreovirus 391 IE2-Protein 582 IE63-Protein 584 IEV-Partikel 611, 614, 621, 623 IFN-α 76 Bildung 76–79 molekulare Eigenschaften 76 Wirkung 79 zur Therapie 88 IFNαR, siehe IFN-α-Rezeptor IFN-α-Rezeptor, Signalkaskade 80 IFN-β 76 Bildung 76–79 molekulare Eigenschaften 76 promotor stimulator I, siehe IPS-1 Wirkung 79 IFN-δ 76 IFN-ε 76 IFN-γ 65, 81 Wirkung 79 IFNγR, siehe IFN-γ-Rezeptor IFN-γ-Rezeptor 81 Signalkaskade 82 IFN-κ 76 IFN-λ1 81f IFN-λ2 81 IFN-λ3 81 IFN-λ-Rezeptor 82 IFN-ω 76 Wirkung 79 IFN-τ 76 IFN-ζ 76 IgA 69f IgD 69f IgE 69f IgG 69f, 138 Subklassen 70 IgM 69–71, 138 IL-1 75, 84 IL-2 84 IL-2Rα 451 IL-3 84 IL-4 84 IL-5 84 IL-6 84 IL-7 84 IL-10 84, 571 IL-11 84 IL-12 84 IL-13 84 IL-15 84 IL-17 84 IL-18 84
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Iltovirus 546 Imiquimod 94, 98, 103, 517 immediate early-Proteine 552 Immunabwehr adaptive 53 angeborene 53 Immunchromatographie 135 immune escape 457 Immunfluoreszenz 130 Immunfluoreszenztest indirekter 139 Reaktionsschritte 132 Immunglobuline 68 Immunglobulingene, somatische Rekombination 70 Immunglobulinklassen 69 Wechsel 71 Immun-Interferon 81 Immunologie 53–73 immunologisches Herpes-Paradoxon 6 immunoreceptor tyrosine-based activation motiv, siehe ITAM Immunsensoren 141 piezoelektrische 141 Immuntoleranz 5 Impfpolio 163f Impfstoffe 107–114 DIVA- 114 DNA- 113 gegen Schweinepest 108 Lebend- 108–112 Marker- 114 Möglichkeiten der Entwicklung 109 Peptid- 113 Tot- 112f Übersicht 110 Impfung Adjuvanzien 112 aktive 107 gegen Papillomaviren 113 historische 3 mit ausgewählten Proteinkomponenten 112 passive 107 Tollwut- 107 IMV-Partikel 611, 614, 622f in situ-Hybridisierung 136 in situ-PCR 138 Indinavir 103, 448 indirekter Immunfluoreszenztest 139 indirekte Übertragung 116 INF-α 477 Infectious-Bursal-Disease-Virus, siehe IBDV Infectious-Salmon-Anemia-Virus 356 Infektion abortive 24 der Lunge 34 Gehirn 34 iatrogene 117 lokal begrenzte 31
nosokomiale 117 persistierende 29 Placenta 34 Infektionserkrankung einphasige 30 zweiphasige 30 infektionsverstärkende Antikörper 205 infektiöse Anämie der Einhufer 456 infektiöse Balanoposthitis (IBP) 602f infektiöse bovine Rhinotracheitis (IBR) 602 infektiöse hämopoetische Nekrose der Salmoniden 276 infektiöse Mononuclease 595f infektiöse Pankreasnekrose der Salmoniden (IPNV) 385f infektiöse pustulöse Vulvovaginitis (IPV) 602f inflammatorische Chemokine 85 Influenza Entstehung humaner Virusstämme 376 Symptome und Klinik 378 Influenza-A-Virus 355ff Aufbau 357 bei Geflügel 374 Epidemiologie 371f Genomsegmente 365f Hämagglutinin 360 Hemmstoffe 102 Impfstoff 381f M2-Protein 363 Neuraminidase 361f NP-Protein 380 Pandemien 371 PB1-F2-Protein 366f Proteinfunktionen 367f Reassortierung 372, 377 RNA-Gensegmente 358 Subtypen 371–374 Influenza-B-Virus 355ff BM2-Protein 363 Impfstoff 381f Infektionen 378 Neuraminidase 361 NB-Protein 362 Proteinfunktionen 367f RNA-Gensegmente 358 Influenza-C-Virus 356f HEF-Protein 361 Proteinfunktionen 367f Reassortierung 378 RNA-Gensegmente 358 Influenzaviren 19 angeborene Abwehr 380 antigenic drift 375–377 antigenic shift 374 Bindung an Zelle 361 Epidemiologie und Übertragung 371 Genetik der Epidemiologie 374 Hämagglutinin 358f
Hemmstoffe der Neuramidase 102 Immunreaktion und Diagnose 380f Impfstoffe für Geflügel 382 für Pferde 382 für Schweine 382 M1-Proteine 362f Membranproteine 358–363 NS1-Proteine 364f Pathogenese 379 Penetration 24 Proteinfunktionen 367f Reassortanten 118 Replikationsverlauf 369 Resistenz gegen antivirale Hemmstoffe 103f RNA-Genomsegmente 358 Strukturproteine 358–364 Subtypensystem 373 Therapie und Prophylaxe 381 Wirtstropismus 379 Integrase 433 Hemmstoffe der Integrase 448 Integrin α4β7 431 Integrine 46 Interferenz 9, 75 Interferon-γ 381 interferon regulatory factor, siehe IRF interferon stimulated regulatory elements 79f Interferone 9, 72f, 75–88 Entdeckung 75 Typ-I- 76–81 Typ-II- 81 Typ-III- 81f Übersicht 77 siehe auch IFN interleukin converting enzyme 617 Interleukin-1, siehe IL-1 Interleukin-6, virales 579 Interleukine 83 Übersicht 84 virale 571 internal ribosomal entry site (IRES) 150, 158 intracellular enveloped virus, siehe IEV-Partikel intracellular mature virus, siehe IMV-Partikel invariant chain 67f, 430 Ioddesoxyuridin 91 ionensensitive Feldeffekttransistoren (ISFET) 141 IPS-1 77, 79 IRAK-Kinasen (IL-1R associated kinase) 57 IRES-Sequenzen 158 IRF-3 (IFN regulatory factor-3) 57, 78f, 394 IRF-7 57, 78f Isaacs, A. 9, 75
Index
Isavirus 356 ISCOMs (immune stimulating complexes) 112 ITAM 578 Iteravirus 636 Iwanowski, D. I. 3, 5 Ixodes ricinus 212 J Jaagsiekte-Virus 455 Jakob, A. M. 674 JC-Polyomavirus 492, 494 verursachte Krankheiten 494 JC-Virus 9 Jenner, E. 3, 610 Joest, E. 282 J-Segmente 70f Juninvirus 326, 335 K Kaninchenmyxomatose 629 Kaninchenseuche 188 Kaposine 577f Kaposi-Sarkom 442, 600f Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV) 558 KAR-Rezeptoren 56 Karzinome 8 Katzenschnupfen 606 Katzenseuche 122 Kaufman, H. E. 9, 91 K-bZIP 569 Keele, B. F. 442 Kemerovovirus 402 Keratinocyten 509f κ-Kette 69 λ-Kette 69 killer cell immunoglobulin-like receptors, siehe KIR-Rezeptoren killing activatory receptors, siehe KARRezeptoren Kinderlähmung 5 siehe auch Poliomyelitis KI-Polyomavirus 495 KIR-Rezeptoren 56 kissing disease 595 klassischer Weg der Komplementaktivierung 60f klonale Selektion 72 Knochenmehl 681 Kobuvirus 147 Koch, R. 7 Ködervakzine 275 Kohortentötung 684 Koi-Herpesvirus 602 Kokultivierung 6 koloniestimulierende Faktoren 85, 87 Kolostrum 71 Komplementsystem 59–61 Aktivierungswege 59 alternativer Weg 61
klassischer Weg 60 Konjunktivitis 34 konstitutive (homeostatische) Chemokine 85 Kontaktinhibition 47 Kopliksche Flecken 301 K1-Protein 577ff 6K-Protein 230 Kristallisationsmodell 671f KSHV/Rta 569 Kuhpocken 627 Kuhpockenvirus 20, 610 Diagnose 628 Impfung 628 Klinik 627 Pathogenese 628 Übertragung 627 Kundratitz, K. 588 Kupffersche Sternzellen 54 Kuroya, M. 284 Kuru 667f, 674 Epidemiologie 674 Klinik 675 Kyasanur-Forest-Disease-Virus 212 L La Crosse-Virus 338, 347f, 352 Aufbau 341 Labormethoden zum Virusnachweis 127–142 Lactatdehydrogenase-induzierende Viren (LDV) 239 Lactoferrin 536 Lagovirus 181 Genomorganisation 183 Laidlaw, P. 4, 355, 371 Laminin-5 509 Lamivudin 95, 98f, 448, 479 LAMP 577f LANA 577f Landsteiner, K. 4, 145 Langerhans-Zellen 31, 54 Lansbury 671 Larynxpapillome 513 Lassafieber 118, 325, 335 Epidemiologie und Übertragung 335 Immunreaktion und Diagnose 336 Pathogenese 336 Symptome 336 Lassavirus 326, 329f Impfstoff 336 latency-associated nuclear antigen, siehe LANA latent membrane protein, siehe LAMP Latenz 26, 42 Latenzzustand 13 LAT-RNA 583 LCMV 325, 329, 332 Epidemiologie und Übertragung 332 Pathogenese 333
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Risiko bei Organtransplantationen 333 LCMV-Infektion Immunreaktion und Diagnose 334 Klinik 333 persistierende 332 Rolle der cytotoxischen T-Zellen 334 von Mäusen 334 Lebendimpfstoffe 108–112 Lebendimpfungen mit Vacciniaviren 111 Lebensmittelvergiftung 186 leichte Kette 69 Leihimmunität 71 Lentiviren 410, 424 Rex-abhängiger mRNA-Export 436 Tat-Proteine 424 Vif-Protein 428 Leporipoxvirus 612, 628 Letalität, Definition 116 Leukoencephalopathie 9 LFA (leukocyte function-associated antigen) 431 LGP2 77 LHBsAg 462, 467–469, 471 LHDAg 480f Licht, C. 499 Liddington, R. C. 490 Lillie, R. D. 332 Lindenmann, J. 9, 75 Line-Blot-Tests 139 lipid rafts 27, 397 Lipkin, W. I. 277 Ljunganvirus 166 LMP1 48, 51, 573, 576 LMP2A 573, 576f LMP2B 573, 576f LMP-Proteine 576 Loeffler, F. 3, 145 Louping-Ill-Virus 212, 218 Lovirid 93, 448 Löwenstein, E. 585 L-Protein der Hantaviren 346 der Paramyxoviren 286, 291f LT-RNAs (latency-associated RNAs) 594 Lumpyskin-Disease-Virus 628 Lungenadenomatose 455 Lungenadenomatosevirus 455 Lymphadenopathie 442 Lymphknotenschwellungen 32 Lymphocryptovirus 546 lymphocytäre Choriomeningitis 118 Lymphocytenproliferationstest 139 lymphohämatogene Ausbreitung 32 Lymphotactin 85, 87 Lymphotoxin-α 83 Lysosom 54 Lyssa 270 Lyssavirus 264 lytischer Infektionszyklus 26
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M macaw wasting disease 278 MacCallum, F. O. 9, 75 Machupovirus 326 Maedi 456 Maedi-Visna-Erkrankung 455 Maedi-Visna-Virus 9, 455 Bekämpfung 456 Diagnose 456 Epidemiologie und Übertragung 455 Klinik 456 Pathogenese 456 Magnus, H. von 145 Magnus, P. von 88 Maitland, H. B. 6 Maitland, M. C. 6 major basic protein, siehe MBP Makrophagen 31, 35, 55f, 445 aktivierte 35, 56 Mannose-bindendes Lectin (MBL) 258 Maraviroc 94, 449 Marburgvirus 18, 313f Diagnose 321 Entdeckung 319 Epidemiologie und Übertragung 319 Genom 314 Genomorganisation 317 Membranproteine 316 NP-Protein 315 Proteinfunktionen 316 Symptome 319f Therapie 322 Mardivirus 546 Mareksche Geflügellähme 607 Markerimpfstoffe 114 Masern 284, 300 assoziierte Encephalitiden 302f Impfstoff 304 Klinik 301 Masernvirus 18, 34, 49, 284f Auslösung von Autoimmunreaktionen 72 Bindung an Zelle 294f, 301 Epidemiologie und Übertragung 300f Genomorganisation 289 Immunreaktion und Diagnose 303f Nichtstrukturproteine 288 Pathogenese 301f Prophylaxe 304 Strukturproteine 288 Mason-Pfizer-Affen-Virus 413 Mastadenovirus 520f Nichtstrukturproteine 534 Proteinfunktionen 533f Strukturproteine 533f Mastzellen 55 Maul-und-Klauenseuche-Virus 149, 155, 157, 170 Bekämpfung und Prophylaxe 171 Epidemiologie und Übertragung 172
Immunreaktion und Diagnose 171 Impfung 173 in Europa 173 Klinik 171 L-Protein 151 Pathogenese 171 Proteine 152 Serotypen 172 Maus-Hepatitis-Virus 246, 248, 259 Aufnahme in die Zelle 254 Maus-Mammatumor-Virus, siehe MMTV Mauspockenviren 627 MBP 55 MC148-Protein 626 MC159-Protein 626 MC54L 626 MC80R 626 McCarty, M. 6 McLeod, C. 6 M-CSF 87 MCV-1 626 MCV-2 626 MCV-3 626 MDA-5 77 mDC 54 measles inclusion body encephalitis 302f Mechanismus der Antigenprozessierung 66 Medin, O. 145 Meister, J. 271 Melnick, J. 484 Membranangriffskomplex 60f Membranproteine der Arenaviren 328f der Rhabdoviren 267 Menanglevirus 311 Meningoencephalitis 35 menschliches B-lymphotropes Virus 593 Merkelzell-Polyomavirus 45, 496 Meselson, M. 6 Metatasierung 47 Mexikanische Grippe 372, 375, 377 MHBsAg 462, 467f, 471 MHC-Antigene 33 MHC-Klasse-I-Protein 56, 62, 64f, 430 Beladung mit Antigen 64 Struktur 64 Verringerung durch Virusinfektion 73 MHC-Klasse-II-Protein 54, 63, 65 MHC-Proteine, Beladung 66ff Microtus arvalis 349 β2-Mikroglobulin 62 Mikrofilamente 46 mimicking virus 16 Mimivirus 16 Mimoreovirus 391 Mini-Plasmin 359 Mink-Enteritis-Virus 652
Minute Virus of Mice 636f Genom 638 Genomorganisation 640 Replikation 645 siehe auch MVM Mizutani, S. 409 MME (minichromosome maintenance element) 510 MMTV 409, 413, 416 Modeling 119 modifiziertes Vaccinia-Virus-Ankara (MVA) 111, 626 Mokolavirus 264 Molekularbiologie, Entstehung 6f molekulare Mimikry 72 Molluscipoxvirus 612 Molluscum-contagiosum-Virus 626 Epidemiologie und Übertragung 626 Genotypen 626 Immunreaktion 627 Klinik 626 Pathogenese 626 Therapie 627 siehe auch MCV Monkey-Pox-Virus 623 Monocyten 55f Mononegavirales 263 Mononuclease 72, 595 Montagnier, L. 410, 440 Morbidität, Definition 116 Morbillivirus, F-Proteine 290 Morbus Bowen 513 Morphogenese 26 Mortalität, Definition 116 M-Protein der Coronaviren 250, 252 der Paramyxoviren 291, 296 der Rhabdoviren 267 M2-1-Protein der respiratorischen Syncytialviren 291 der Rhabdoviren 267 mucinähnliche Proteine 321 Mucine 321, 379 mucosal disease 221 Muerhoff, S. 215 Multiplex-PCR 136, 141 Mumps 284, 299 Mumpsvirus 34, 285 Epidemiologie und Übertragung 299 Genom 287 Genomorganisation 289 Immunreaktion und Diagnose 300 Klinik 299f Nichtstrukturproteine 288 Pathogenese 300 Prophylaxe 300 Strukturproteine 288 Münch, J. 441 Munk, K. 585 Muromegalovirus 546
Index
MVAQ-Virus 626 MVM Nichtstrukturproteine 640f Proteinfunktionen 643 MxA-Proteine 81 Mx-Proteine 81, 380 Mycoreovirus 391 MyD88 (myeloid differentiation response gene-88) 57f myeloide dendritische Zelle, siehe mDC Myokarditis 34 Myonycteris torquata 319 Myxomatosevirus Klinik 629 Übertragung 628f zur biologischen Schädlingsbekämpfung 629 M-Zellen 54 N Nahmias, A. 585 Nairobi-Sheep-Disease-Virus 352 Diagnose 354 Epidemiologie und Übertragung 353f Impfstoff 354 Symptome 354 Nairovirus 340, 344 G-Protein 344 Nasopharynxkarzinom 596 natürliche Killerzellen (NK-Zellen) 56 NCAM (neural cell adhesion molecule) 269 Nef-Protein (negative factor) 429f, 438 Funktionen 420 Negativmarkervakzinen 114 Negativstrangorientierung 325–382 Negri, A. 5, 275 Negrische Einschlusskörperchen 40, 275 Nekrose 37f NELF (negative elongation factor) 480 Nelfinavir 93, 97, 103, 448 NendoU 242 Neo-Kannibalismus 680, 682 Neotma 335 Nephropathia epidemica 349 Nerz 680 Nerzenteritisvirus 652f nested PCR 136 Neue Grippe 375 Neuraminidase (NA) 102, 361 der Influenza-A-Viren 362 -Hemmstoffe 102, 377, 381 Kristallstruktur 362 schematische Darstellung 362 neurogene Ausbreitung 32 neutrophile Granulocyten 55 Neuweltarenaviren 326, 331 Nevirapin 93, 96, 99, 448 Newcastle-Disease-Virus
Bekämpfung 307 Diagnose 307 Epidemiologie und Übertragung 307 Klinik 307 Pathogenese 307 NFκB 42, 47f, 57, 416, 451 NFX1-91 506 nichtnucleosidische Hemmstoffe 99, 448 nichtparalytische Poliovirusinfektion 163 Nichtstrukturproteine der Arteriviren 240 der Astroviren 176, 178 der Caliciviren 184 der Coronaviren 248, 251 der Flaviviren 202ff der Paramyxoviren 288, 293 der Togaviren 227 des Hepatitis-C-Virus 203 Nidovirales 239 Nipahvirus 285, 311 Bindung an die Zelle 295 Pathogenese 311 NK-Zellen 56 siehe auch natürliche Killerzellen NonA-NonB-Hepatitisviren 197 Norovirus 17, 181 Diagnose 186 Epidemiologie und Übertragung 185 Genomorganisation 183 Klinik 186 Pathogene 186 Therapie 187 Virusproteine 184 zoonotische Übertragung 186 Northern-Blot 131 nosokomiale Infektion 117 Novirhabdovirus 264 N-Protein der Coronaviren 253 der Hantaviren 345f der Paramyxoviren 287, 291 der Rhabdoviren 267 Npro-Protein 204 NS1-Protein der Influenza A- und -B-Viren 364ff der Orthomyxoviren 370 des respiratorischen Syncytialvirus 293 NS2-Protein des repiratorischen Syncytialvirus 293 Nsp, siehe auch Nichtstrukturproteine Nsp1a 176 Nsp1ab 176 Nsp1b 177 NSs-Protein der Orthobunyaviren 346 der Phleboviren 346 Nucleinsäure, Nachweis im Patientenmaterial 135
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Nucleocapsid 14 Nucleocapsidproteine der Filoviren 314 Nucleolin 156, 646 Nucleoprotein der Arenaviren 329 Nucleorhabdovirus 264 Nucleosidanaloga 95, 448, 564 O Oct-1 561 Oct-2 561 -Protein 583 Old-Dog-Encephalitis 309 Oldstone, M. B. A. 332 Oncornaviren 409 Onkogene 45, 412, 452 onkogene Retroviren 123 O’nyong-nyong-Virus (ONNV) 225 Orbivirus 391, 394, 402 Orfvirus 629 Ornithodoros 633 orphan virus 146 Orthobunjavirus 340, 345 Nichtstrukturproteine 346 Orthohepadnavirus 461 virale Glycoproteine 467 X-Protein 469 Orthomyxoviren 25, 355–382 Aufbau 356ff Aufnahme in die Zelle 368 Budding 370 charakteristische Vertreter 356 Einteilung 356 Genom und Genomaufbau 357 human- und tierpathogene 371–382 Klinik 378 Komponenten des Nucleocapsid 363 Nichtstrukturproteine 364–368 NP-Protein 363 NS1-Protein 370 NS2/NEP-Protein 366 PB2-Protein 370 P-Proteine 363 Replikation 368ff Virusproteine 358 Orthomyxoviridae 19, 325 Orthopox bovis 610 Orthopoxvirus 610, 612, 624, 627 Orthoreovirus 391, 394, 398 Orthoretroviridae 410 Orthoretrovirinae 411 Oryzavirus 391 Oseltamivir 93, 97, 102, 381 Osteopetrosis 452 OTU-Proteasen 346 P p17 433 p53 476, 506, 531 -Gene 49f molekulare Wirkungen 528 p130 526
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Index
p150 228 Pandemie, Definition 116 pandemische Influenza A (H1N1)-2009 375 Panencephalitis, sklerosierende 9 Papillomaviren 4, 9, 42, 45, 48, 499–518 Aufbau 501f Aufnahme in die Zelle 509 charakteristische Vertreter 500 Cofaktoren bei der Karzinogenese 515 Diagnose 516 Einteilung 499–501 elektronenmikroskopische Aufnahme 501 Entgehen der Immunantwort 51, 73 Epidemiologie und Übertragung 512 frühe Proteine 503 Gattungen 500f Genom 502 Genomaufbau 502 humanpathogene 512 Immunreaktion 516 Klinik 512 L1-Proteine 507f L2-Proteine 507f Leserahmen E1 503 E2 503 E6 504 Pathogenese 513–516 Proteinfunktionen 504 Replikation 509 schematische Darstellung 501 späte Proteine 504, 507ff tierpathogene 517 Klinik 518 Pathogenese 518 Prophylaxe 518 Übertragung 517 verursachte Erkrankungen 518 Virusproteine 503 vom Zelldifferenzierungsgrad abhängige Genexpression 511 α-Papillomaviren 500, 513 β-Papillomaviren 501, 512 μ-Papillomaviren 501 ν-Papillomaviren 501 Papillomaviridae 20 Papillome 499 Papovaviridae 484 Parainfluenzaviren 298 Bindung an die Zelle 294 Epidemiologie 298 Immunreaktion und Diagnose 299 Klinik 298 Pathogenese 298 Nichtstrukturproteine 288 Parainfluenzavirus-1, Strukturproteine 288 paralytische Poliovirusinfektion 163
Paramyxoviren 25, 284–312, 368, 380 Aufbau 286 Aufnahme in die Zelle 294 Ausweichen interferonvermittelter Abwehrreaktionen 294 charakteristische Vertreter 285 Einteilung 285 F-Protein 290, 292 Genom 287 Genomorganisation 289 humanpathogene 298–306 L-Protein 291f Membranproteine 290f Modell der Proteinwechselwirkungen 297 M-Protein 291 Nichtstrukturproteine 293 N-Protein 291 Nucleocapsid 286 Penetration 24 Proteine des Nucleocapsids 291 Proteinfunktionen 288 Replikation 294–298 Strukturproteine 290f tierpathogene 306–310 Verlauf der Genomreplikation 296 Virusproteine 290–294 Paramyxoviridae 18, 284 Paramyxovirinae 285 Parapoxvirus 612, 624 elektronenmikroskopische Darstellung 613 Parechoviren 146f, 157 Epidemiologie und Übertragung 165 Immunreaktion und Diagnose 166f Klinik 165 Pathogenese 166 Parv4-Virus 651 Parvoviren 24, 48, 635–637 Aufbau 637–639 bovine 656 canine Diagnose 654 Impfung 654 Übertragung 652 charakteristische Vertreter 636 der Waschbären 653 Einteilung 635ff EM-Aufnahme 635 feline 652 für das Wirtsspektrum verantwortliche Aminosäuren 654 Impfung 654, Klinik 652 Übertragung 652 Genom 637 humanpathogene 647 Modell zur Genomreplikation 646 Nichtstrukturproteine 640 porcine 636, 655 Proteinfunktionen 643
Replikation 644–647 Strukturproteine 639 tierpathogene 652–657 Evolution 653 Virusproteine 639–644 Parvoviridae 21, 635 Parvovirinae 635f parvovirus-associated replication bodies 645 Parvovirus B19 42, 639 Diagnose 649 Epidemiologie 647 Genom 637f Genomorganisation 639 Infektion in der Schwangerschaft 648 Infektionsverlauf 650 Klinik 648 Nichtstrukturproteine 642 NS1-Proteine 642 Pathogenese 648f Proteinfunktionen 643 Replikation 644f schematische Darstellung 637 Strukturproteine 640 Therapie 649 Übertragung 648 Parvovirus-B19-Infektion, persistierende 649 passive Impfung 107 Pasteur, L. 3f, 271 pathogen-associated molecular pattern (PAMP) 57, 380 Pathogenese 29–35 Pathogenität, Definition 29 pattern recognition receptors (PRR) 54, 56 PB1-F2-Protein 366f PB1-Protein der Orthomyxoviren 363 PB2-Protein der Orthomyxoviren 363, 370 PCR Multiplex- 141 nested 136 PCV-1 664f PCV-2 664f Diagnose 665 Klinik 665 PCV-Impfstoffe 665 pDC 54, 58 PDGF 47 PDZ-Domänen 506 Pentone 521 Peptidimpfstoffe 113 Peptidomimetika 103 Perforine 65 permeability transition pore complex 367 Peromyscus maniculatis 349 persistierende Infektionen 29 Peste-des-Petits-Ruminants-Virus (PPRV) 308 Pestiviren 18, 196f, 218
Index
7K-Protein 203 Nichtstrukturproteine 203 Polyproteine 200 Peters, D. 319 Peyersche Platten 31 Pfeiffer, E. 595 Pfeiffersches Drüsenfieber 595 Pferdeinfluenza 373 Pferdepest, afrikanische 405 Diagnose 406 Impfstoff 406 Pathogenese 406 Pferdepocken 625 Pferdestaupe 244 pflanzenpathogene Viroide 480 Phagocyten 32 Phlebovirus 340, 344f Nichtstrukturproteine 346 Transkription 348 Translation und Genomreplikation 343 Phocine-Distemper-Virus (PDV-1) 309 Phocoena spinipinnis-Papillomaviren 501 Phosphatidylinositol-3-OH-Kinase (PI3K) 536 Phytoreovirus 391 Picornaviren 38, 145–173 Aufbau 147–150 des RNA-Genoms 150 Canyon 153 charakteristische Vertreter 147 Einteilung 146 Eintrittspforte 30 Entdeckung 145 Enzyme 154 Evolution 122 Genomaufbau 148ff Genomvergleich 149 humanpathogene 170, 172 Polyprotein 151 Proteasen 154 Proteinvergleich 152 Replikation 155–162 RNA-abhängige RNA-Polymerase 154 Strukturproteine 151–153 tierpathogene 170–175 Verlauf der Genomreplikation 161 Virusproteine 147, 151 zelluläre Rezeptoren 157 Picornaviridae 17, 146 PL1pro 250, 254 PL2pro 254 Placenta endotheliochorialis 71 epitheliochorialis 71 haemochorialis 71 syndesmochorialis 71 Placenta, Infektion 34 Placentationstypen 71
Plaque-Test 6 plasmacytoide dendritische Zelle, siehe pDC platelet-derived growth factor, siehe PDGF Plattenepithel-Karzinom 515 Pleconaril 94, 98, 102, 153, 170 Pneumovirinae 285 Pockenerkrankung 3, 623 Pockenimpfung 611, 625f Pockenviren 24, 26, 41, 73, 610–631 akzessorische Proteine 617 Aufbau 611–614 Aufnahme in die Zelle 620 charakteristische Vertreter 612 der Insekten 612 der Wirbeltiere 612 Einteilung 610f Enzyme 614 Genom 614 Genomaufbau 615 humanpathogene 623–627 intermediate-Gene 622 Replikation 620–622 schematischer Aufschnitt 613 schematischer Infektionsablauf 621 schematischer Querschnitt 613 Strukturproteine 614 tierpathogene 627–629 Uracil-DNA-Glycosylase 617 Virusproteine 614–619 pocket factor 153 Pocket-Faktor-Analogon 102 Pol 414 pol-Gen 420 Polio, abortive 163 Poliomyelitis 5, 35, 162, 164 Impfstoffe, SV40-Kontamination 497 Übertragung der Viren 119 Poliovirus 17, 23, 117, 147, 156 Capsidproteine 148 Epidemiologie und Übertragung 162f Immunreaktion und Diagnose 164 Klinik 163 Pathogenese 163f Proteine 152 Therapie und Prophylaxe 164 Typen 162 Vakzine 164f Poliovirusinfektion nichtparalytische 163 paralytische 163 Poliovirus Typ-1 149 Aufbau des RNA-Genoms 150 Polymerasekettenreaktion (PCR) 135f Prinzip 137 Polymerasen, nichtnucleosidische Hemmstoffe 96 Polyoma 484 Polyomaviren 484–498
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Ablauf der Genomreplikation 493 Aufbau 485 Aufnahme in die Zelle 491 charakteristische Vertreter 484 Einteilung 484 Genom 485 Genomorganisation 486 humanpathogene 492–496 Immunreaktion und Diagnose 495 Klinik 494 Nichtstrukturproteine 490 Pathogenese 494 Proteinfunktionen 489 Replikation 491f Strukturproteine 490 Therapie 496 tierpathogene 496–498 Virusproteine 488 Polyomaviridae 20, 484 Polyomavirus-assoziierte Nephropathie (PAN) 494 Popper, E. 4, 145 porcines Circovirus 664f siehe auch PCV Porcine-Hemagglutinating-Encephalomyelitis-Virus 259 porcine postweanning multisystematic wasting syndrome (PMWS) 664 Porcine-Reproductive-and-RespiratorySyndrome-Virus, siehe PRRSV porcines Circovirus 659 porcines Herpesvirus-1 Bekämpfung 605 Diagnose 604 Klinik 604 Pathogenese 604 Übertragung 604 porcines Parvovirus 636, 655 porcines Teschovirus 170 Positivmarkervakzinen 114 Post-Polio-Syndrom 163 posttransplant lymphoproliferative disorder 596 Postulate Evans- 7, 119 Henle-Kochsche 7 POU 561 Poultry Enteritis Mortality Syndrome (PEMS) 179 Poxviridae 20, 610 pp65 562 P-Protein der Rhabdoviren 267 der Rubulaviren 293 Prä-B-Zellen 71 Präintegrationskomplex 433 PRE (posttranscriptional regulatory element) 464 primäre Virämie 32 primäres Effusionslymphom (PEL) 600 primäres Leberzellkarzinom 216, 475f
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primary body cavity-based lymphoma 600f Prionen 16, 667–684 Inaktivierung des Infektionspotenzials 671 Vermehrung 671 Prionerkrankungen 667 charakteristische Formen 668 Einteilung 668f humane 674–676 Diagnose 676 Pathogenese 675 in Tieren 677–684 Prioninfektion, Szenarien der Ausbreitung 674 Prion-Konversion 16 Prionprotein 667 Aufbau 669–671 Struktur 670 Gen Aufbau 669 Organisation 670 PRNP 669 Prnp-Gen 678 Prospect-Hill-Virus 345 Protease Clara 359 Proteaseinhibitoren 448 Protein M2 356 proteinaceous infectious particle 16, 667 p53-Proteine 49f Proteine, hexonassoziierte 523 Proteinkinase R (PKR) 364 protein-only-Hypothese 557 Protooncogen 45 proventricular dilatation syndrome 278 Provirus 8 Provost, P. 146, 167 PrPc 16, 669–671 Umfaltungsmodell 671f Unterscheidung mit PrPSc 676 Zellbiologie der Umwandlung 673 PrPSc 669–671, 675, 681, 684 Nachweis 684 -Plaques 675 PRRSC, Bekämpfung und Prävention 245 PRRSV 239f Aufbau 240 Epidemiologie und Übertragung 245 Immunreaktion und Diagnose 245 Klinik 245 Pathogenese 245 Prusiner, S. B. 667, 671 Pseudokrupp 284, 298 Pteropus 311 pU94-Protein 585 Pulvertaft, R. 595 Purinanaloga 96 Purtilo, D. 596 Puumalavirus 349
pVP87 176, 178 Pyrimidinanaloga 95 Q Quasispezies-Bildung 121 R Rabbit-Haemorrhagic-Disease-Virus, siehe RHDV Rabies 270 Rabiesviren Epidemiologie und Übertragung 270–272 G-Protein 274 Immunreaktion und Diagnose 274f Inkubationszeit 272 Klinik 272 Pathogenese 273f Proteinübersicht 268 Replikation 269 Stamm PV, Genomorganisation 266, 264 Therapie und Prophylaxe 275 Raltegravir 448 Raoult, D. 16 RB105 50, 451, 490,507, 526 Funktion 508 RB107 50, 507, 526 RBP-Jκ (recombination signal binding protein) 575 real time-PCR 136 Reassortierung 372 Reed, W. 4, 208 re-emerging viruses 118 regulator of expression of virion proteins, siehe REV-Protein regulatorische T-Zellen 61, 63, 68 rekombinante Viren 111f Reoviren 25, 390–406 Aufbau 391f Aufnahme in die Zelle 397f charakteristische Vertreter 391 Einteilung 391 Genom 392 humanpathogene 399 Nichtstrukturproteine 394 NSP4 398 Reassortanten 398 Replikation 397ff Strukturproteine 393f tierpathogene 402 Virusproteine 393 Reoviridae 19, 385, 391 Rep68 643f, 651 Rep78 643f, 651 Rep-Proteine 643f Resistenztest 141 respiratorisches Syncytialvirus (RSVirus) 285, 294 bovines 310 Diagnose 305
Epidemiologie und Übertragung 304 Genomorganisation 289 Klinik 304f M2-1-Protein 291 Nichtstrukturproteine 288 Pathogenese 305 Strukturproteine 288 Therapie 305 respiratory enteric orphan virus, siehe Reoviren Respirovirus Aufbau 286 HM-Protein 290 Reston-Ebolavirus 319f reticuloendocytäres System 32 reticulohistiocytäres System 32 Retinoblastomproteine 49f siehe auch RB retinoic acid-inducible gene, siehe RIG-I retrovirale Vektoren 439 Retroviren 25, 27, 409–458 Aufbau 412f Aufnahme in die Zelle 430ff charakteristische Vertreter 411 Einteilung 410 endogene 412 Entstehung neuer Virustypen 432 Enzyme 420 exogene 412 Gag-Proteine 420 Gag-Vorläuferproteine 420 Genom 413–416 Genomorganisation 413 Hemmstoff 99 Hemmung der reversen Transkriptase durch Azidothymidin 100 humanpathogene 440–451 Integrase 421, 433 Integration des viralen DNADoppelstranggenoms 437 Leader-Region 415 LTR-Region und Promotor 416ff Matrixproteine 420 Membranproteine 421 Nucleocapsidproteine 420 onkogene 123 Polypurintrakt 416 Protease 421 Replikation 430–440 reverse Transkriptase 421, 434f Rex-Proteine 428 tierpathogene 451–458 Transaktivatoren 424 posttranskriptionell wirkende 426 Tumorbildung 45 Variabilität 436 virale mRNA in früher Infektionsphase 435f Virusproteine 418–430 Vpr-Protein 428
Index
δ-Retroviren, Rex-abhängiger mRNAExport 436 Retroviridae 19, 45, 410 reverse Transkriptase 25f, 409, 421, 432, 436, 438 Aktivitätsbestimmung 130 Entdeckung 8 reverse Transkription 432 reversed genetics 113f Rev-Protein 426, 438 Rex-Protein 428, 440 Rey, F. A. 200 Reye-Syndrom 378 Rezeptoren CAR- 23 CD4 23 rezeptorvermittelte Endocytose 23 RGD-Motiv 536 Rhabdomyxoviren 25 Rhabdoviren 263 Aufbau 264f charakteristische Vertreter 264 Einteilung 263 Genom 265 Genomorganisation 266 G-Protein 268f human- und tierpathogene 270–275 L-Protein 267 M-Protein 267, 269 N-Protein 267, 269 P-Protein 267 Replikation 268–270 tierpathogene 275f Verlauf der Genomreplikation 270 Virusproteine 267 Rhabdoviridae 18, 263 Rhadinovirus 547 RHDV (Virus der hämorrhagischen Kaninchenseuche) 184 Diagnose 189 Epidemiologie und Übertragung 188 Klinik 189 Pathogenese 189 Prophylaxe 189 Rhinoviren 23, 33 Epidemiologie und Übertragung 169 Immunreaktion und Diagnose 170 Klinik 169 Pathogenese 170 Serotypen 153 Therapie und Prophylaxe 170 zelluläre Rezeptoren 157 Rhinovirus Typ-14 149, 17, 146f, 157 Proteine 152 Rhipicephalus appendiculatus 354 Ribavirin 94, 98, 102f, 351 Ribozyme 104 Riegel-Abschirmungen 381 Riegelimpfung 117, 164 Riesenzellbildung 41 Rift-Valley-Fieber-Virus 347f, 352
Diagnose 353 Epidemiologie und Übertragung 352f Klinik 353 Membranproteine 344 Pathogenese 353 Prophylaxe 353 RIG-I 77–79 RIG-like Helicasen 77 Rimantadin 94, 102, 381 Rind 402 Bluetongue-Erkrankung 404 Rinderleukosevirus 421 Rinderpapillomavirus Typ-1, siehe BPV-1 Rinderpest 284, 307f Bekämpfung und Prophylaxe 308 Diagnose 308 Rinderpestvirus 301 Epidemiologie und Übertragung 307 Klinik 308 Pathogenese 308 Rinderwahn 680 Ringelröteln 647f Ringelrötelnerkrankung, Verlauf 650 RISC (RNA-induced silencing complex) 535 Ritonavir 93, 97, 103, 448 Rivers, C. 7 Rizzetto, M. 479 RNA-abhängige RNA-Polymerase 25, 155 der Arenaviren 329 RNAi 104 RNA-Polymerase II 436, 438 RNA-Spleißen 7, 520 RNA-Viren (+)-Strang 25 (–)-Strang 25 doppelsträngige 25 Entgehen von Immunreaktionen 73 Mutationen 121f RNA virus capsid domain 148 Robbins, F. C. 6, 145 Roseola infantum 594 Roseolovirus 546 Rossmann, M. 153 Ross-River-Virus (RRV) 225 Rotaviren 391f Aufbau 392 äußeres Capsid 393 Diagnose 401, 403 Epidemiologie und Übertragung 399–402 Genom 392 Genomsegmente 395 gescheiterte Impfstoffentwicklung 401 hämagglutinierende Aktivität 393 Immunreaktion 401 Impfstoff 402
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inneres Capsid 393f Klinik 400, 403 Lage der funktionell aktiven Domänen im NSP4 396 Nichtstrukturproteine 394 Nomenklatur 400 NSP1 394 NSP2 394 NSP3 394f NSP4 395f NSP5 394, 396f NSP6 396f Pathogenese 400, 403 Prophylaxe 401, 403 Reassortanten 400 Virus-Core 394 Rötelmäuse 166, 349 Röteln 232f Prophylaxe 235 Rötelnembryopathie 234 Rötelnsyndrom 234 Rötelnvirus 18, 34, 225 Epidemiologie und Übertragung 232 E1-Protein 231 E2-Protein 231 Genomorganisation 229 Immunreaktion und Diagnose 234f Klinik 233 Pathogenese 233f Strukturproteine 229 Rötelnvirusinfektion postnatale 233f pränatale 233, 235 Verlauf der Antikörperbildung 233 Rous, P. 4, 45 Rous-Sarkomvirus 8, 19, 409, 451f Rowe, W. P. 6, 520 RRE (rev response element) 426f Rubella 232 Rubiviren 225 Nichtstrukturproteine 227 Rubulavirus 294 HM-Protein 290 Russische Grippe 372, 376, 380 RVC-Domäne (RNA virus capsid domain) 153 R5-Virus 443f, 446 RxRE-Sequenzen (rex response element) 428 S Sabiavirus 326 Sabin, A. 6, 164, 210, 390 Sachs, L. 8 Salahuddin, S. Z. 593 Salk, J. 6, 165 Salk-Vakzine 497 Sapovirus 181f Diagnose 186 Epidemiologie und Übertragung 185 Genomorganisation 183
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Index
Klinik 186 Pathogene 186 Therapie 187 Virusproteine 184 SAP-Proteine 596 Saquinavir 93, 97, 103, 448 SARS 118, 256f SARS-Coronavirus 124, 247f, 257 Aufnahme in die Zelle 254 Bekämpfung 258 Epidemiologie und Übertragung 256f Genomorganisation 249 Immunreaktion und Diagnostik 258 Klinik 257 Pathogenese 257f Replikation 254f Replikationsverlauf 249 Satellitenviren 16 Säuglingsmyocarditis 165 Schafe 455 Blauzungenkrankheit 404f Schäfer, W. 355 Schafpockenviren 628 Schildzecken 352 Schlesinger, R. W. 210 Schmierinfektionen 116 Schneweis, K. 585 Schramm, G. 6 Schwarze Pocken 624 Schweine 375f, 379, 402 Schweinegrippe 118, 375, 377 Schweineinfluenza 373 Schweinepest 218f Bekämpfung in der EU 220 Schweinepestvirus 218 Bekämpfung und Prophylaxe 220f Epidemiologie und Übertragung 219 Immunreaktion und Diagnose 220 Klinik 219 Pathogenese 220 Schweinepocken 625 Schweinerotavirus 397 schwere Kette 69 Schwimmbad-Bindehautentzündung 538 Schwingquarze 141 Scrapie 16, 667, 677 atypische Isolate 678 Bekämpfung 679 Diagnose 679 Epidemiologie 677 Klinik 678 Pathogenese 678 Übertragungswege 678 scrapie associated fibrils 669 SDF-1 (stromal cell derived factor) 431 SDS-Polyacrylamidgel 129 Seadornavirus 391 Seehundstaupevirus Typ-1 309
Seehundstaupevirus Typ-2 309 sekundäre Virämie 32 Self-Assembly 26f, 162 semen-derived enhancer of viral infection 441 Semliki-Forest-Virus 226, 231 Sendaivirus 284 Bindung an Zelle 294 Nichtstrukturproteine 293 Seoulvirus 349 Serjeant 647 Serpine 617 serum response elements, siehe SRE severe acute respiratory syndrome, siehe SARS Sevi-Proteine 441 SFV 410 Genomaufbau 415 LTR-Region 417 Proteineigenschaften 419 SGDAg 481 Sharp, P. A. 520 SHBsAg 462, 468, 471, 475 SHDAg 480 Shell-Vial-Assay (SVA) 128 Shipping Fever 306f Shipyard-Eye 540 Shope, R. 4, 8, 355, 499 Shopes Kaninchenpapillomavirus 515 SH-Protein 293 SHV-1, siehe porcines Herpesvirus-1 SHV-1-Infektion 604 Siadenovirus 521 Sialomucine 321 Sialylsäuren 359 Siegert, R. 319 signal recognition particle (SRP) 206, 330 signal transducers and activators of transcription, siehe Stat Signalpeptide 330 Sigurdsson, B. 9, 455 Simian-Foamy-Virus, siehe SFV Simian-Haemorrhagic-Fever-Virus (SHFV) 239 Simian-Immunodeficiency-Virus, siehe SIV Sindbisvirus (SIN) 123, 226, 231 Aufnahme in die Zelle 231 Genomorganisation 228 Pathogenität 237 Sin-Nombre-Virus 349f siRNA 104 SIV 123, 440 Nef-Protein 429 Vpu-Protein 428 SIVcpz 440 SIVmac 441 SIVmac239 429 SIVsm 441 sixth disease 594
Skehel, J. 361 sklerosierende Panencephalitis 9 Slenczka, W. 319 Slow-Virus-Infektion 9 SMEDI (stillbirth, mummification, embryonic death and infertility) 655 Smith, W. 4, 355, 371 Snowshoe-Hare-Virus 352 Sodroski, J. 423 Sommergrippe 165 Sortierungssignale 330 Southern-Blot 131 Prinzip 133 Spanische Grippe 5, 355, 371f, 376 spikes 356 S-Protein 250 der Coronaviren 252 Spumaretroviren 410 Spumavirus 121, 410, 421 Bet-Protein 430 Spumavirinae 410f Sputnikvirus 16 Src-Kinase 576 SRE 47 Staggering Disease 282 Stahl, F. W. 6 Ständige Impfkomission des Robert Koch-Instituts (STIKO) 381 Stanley, W. 6 Staphylococcus aureus 380 Stat1 79f, 82 Stat2 79f Staupe der Robben und Robbenartigen 309 Staupegebiss 309 Staupetick 309 Stavudin 93, 95, 98 Stehelin, D. 409 Steiner 588 Stewart, S. 484 Sticktest 132 Stoddard, M. B. 588 (+)-Strang-RNA-Viren 25 (–)-Strang-RNA-Viren 25 Strategien zur Genexpression 24–26 Straus, S. E. 588 Strukturproteine der Alphaviren 229 der Arteriviren 242 der Astroviren 176 der Birnaviren 386 der Bunyaviren 344f der Caliciviren 184 der Coronaviren 250 der Flaviviren 200 der Herpesviren 549ff, 559 der Influenzaviren 358–364 des Masernvirus 288 des Mastadenovirus 533f des Mumpsvirus 288 der Paramyxoviren 288, 290
Index
der Parvoviren 639 der Picornaviren 151 subakute sklerosierende Panencephalitis (SSPE) 302f subtilisinähnliche Proteasen 358 Subunit-Vakzine 112f suid herpesvirus-1 604 Suipoxvirus 612 Superantigene 72 SV40-Virus 45, 48, 484 abgeleitete Vektoren 492 als Modellsystem für die Molekularbiologie 487 Darstellung der Struktur 485 Diagnose 498 Epidemiologie und Übertragung 496f Genomorganisation 486 Klinik 497 Pathogenese 497 Sequenzelemente in der Kontrollregion 487 T-Antigen 488 swamp fever 456 Sweet, B. 484, 497 Swine-Vesicular-Disease-Virus 146, 170 Syk-Kinase 576 sylvatische Tollwut 271 Syncytialvirus 41 Syncytienbildung 305 T T20 102 Tabakmosaikvirus 6 Talfanvirus 170 TANK 77 T-Antigene 488–490 kleines t-Antigen 490 mittleres T-Antigen 490 Taq-Polymerase 135f TAR-Element (trans-activation response) 424f Tas-Protein (transactivator of spumaviruses) 426 Tat-bindende Proteine (TBP) 425 Tat-Protein (transactivator of transcription) 418, 424f, 438 Tax-Protein 47, 418, 425f, 440, 451 TCR, siehe T-Zell-Rezeptor Tctex-1 156 Tegumentschicht 15 Telbivudine 479 Temin, H. M. 8, 409 Teschovirus 147 porcines 170 Tetherin 429 Tetramer-Test 139 schematischer Ablauf 140 Tev-Protein 438 TFN-α 83 TGF-α 47, 87
TGF-β 47, 87 Theiler, M. 209 T-Helferzellen 63, 65–68 Thogotovirus 356, 380 Thymidinanaloga 95 Thymidinkinase 563f Thymidylatsynthetase 564 tier- und humanpathogene Bunyaviren 351–354 Tierkörpermehl 681f tierpathogene Adenoviren 542f tierpathogene Arteriviren 244f tierpathogene Asfarviren 633f tierpathogene Astroviren 179f tierpathogene Birnaviren 388 tierpathogene Bornaviren 281ff tierpathogene Caliciviren 187ff tierpathogene Circoviren 664f tierpathogene Coronaviren 259–261 tierpathogene Flaviviren 218 tierpathogene Herpesviren 601–608 tierpathogene Papillomaviren 517 tierpathogene Paramyxoviren 306– 310 tierpathogene Parvoviren 652–657 Evolution 653 tierpathogene Picornaviren 170–175 tierpathogene Pockenviren 627–629 tierpathogene Polyomaviren 496–498 tierpathogene Reoviren 402 tierpathogene Retroviren 451–458 tierpathogene Rhabdoviren 275f tierpathogene Togaviren 235–238 Tierseuchenbekämpfung 382 α-TIF 561 Tigerherz 171 tiny-T-Antigen 488f TIR-Domänen (Toll/IL-1R-Domäne) 57 TLR 56, 77 TLR1 57 TLR2 57 TLR3 57f TLR4 57 TLR5 57 TLR7 57f -Ligand 380 TLR8 57 -Ligand 380 TLR9 57f TLR11 57 T-Lymphocyten 61–68 TNF 75 TNF-β 83 TNF-a converting enzyme 83 TNF-receptor-associated factor-3, siehe TRAF3 TNF-Rezeptor 83 -assoziierter Faktor 83 Togaviren 225–238 Aufbau 226f
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Capsidprotein (C-Protein) 229f charakteristische Vertreter 225 Einteilung 225 Genom 227 Genomorganisation und Replikationsverlauf 228 humanpathogene 232–235 Nichtstrukturproteine 227 NSP1 227 NSP2 227 NSP3 227 NSP4 227 Polyprotein 227 der Strukturproteine 229 Proteinfunktionen 230 Replikation 231f Therapie und Prophylaxe 235 tierpathogene 235–238 Virusproteine 227 Togaviridae 18 toll-like-Rezeptoren (TLR) 56, 56–59 durch TRL vermittelte Aktivierungswege 59 siehe auch TLR Tollwut 270, 273 erste Impfstoffe 271 Exponiertenprophylaxe 275 Historie 271 Impfstoffe 275 Impfung 107, 275 bei Füchsen 111 sylvatische 271 Symptome 272f Übertragung durch Organtransplantation 272 urbane 271 Tollwutvirus 18, 31f, 34, 270 siehe auch Rabiesvirus Torovirus 247 Torque-Teno-Virus 660 Genotypen 663 Replikation 663 siehe auch TT-Virus Torre, J. C. de la 277 Totimpfstoffe 109f, 112f TRAF-1 576 TRAF-3 77f TRAF familiy associated NFk activator, siehe TANK transformierte Zellen 50 morphologische Veränderungen 46f Veränderungen des Zellwachstums 47 siehe auch Tumorzellen transforming growth factor, siehe TGF Translationsinitiation durch IRESSequenzen 158ff transmissible Encephalopathie des Nerzes (TME) 668, 680f transmissible Gastroenteritis des Schweines (TGE) 259
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Index
transmissible mink encephalopathy 677 transmissible spongiform encephalopathy (TSE) 667 transport associated protein 64 Traub, E. 4, 332 TRE-Elemente (tax-responsive elements) 418 Trentin, J. J. 520 TRIF (TIR-domain containing adaptor inducing IFN-b) 59 tropische spastische Paraparese (TSP) 450 TRP1-Komplex 425 TTM-Virus 635 TT-Virus 635, 659 Diagnose 663 Epidemiologie 663 Genomorganisation 661 Klinik 663 Pathogenese 663 Übertragung 663 Tulavirus 345, 349 tumor growth factor, siehe TGF Tumorbildung 45–51 Tumornekrosefaktor 83, 85 siehe auch TNF Tumorsuppressoren, Inaktivierung 48–51 Tumorsuppressorproteine 508 Tumorvirus 45f Entgehen der Immunantwort 51 Tumorzellen 50 Entgehen der Immunantwort 51 Twort, F. 4 Tyk2 515 Typ-I-Interferon 76–81 Wirkung 79–81 Typ-II-Interferon 77, 81 Typ-III-Interferon 77, 81f Tyrrell, D. A. J. 246 T-Zellen costimulatorische Signale 63 cytotoxische 64f regulatorische 61, 63, 68 TH1-Zellen 68, 447 TH2-Zellen 68, 447 T-Zell-Leukämie 410 T-Zell-Rezeptor (TCR) 61ff Vielfalt 61 αβ-T-Zell-Rezeptor 61 γδ-T-Zell-Rezeptor 61 U Übersterblichkeit, Definition 116 UL80a 547 ultraviolet-damaged DNA-binding-protein 469 Uncoating 24 US11-Protein 562 Uracil-DNA-Glycosylase 564 urbane Tollwut 271
Urbani, C. 257 US6-Protein 592 Uukuniemivirus 343 UV-DDB-Protein 469 V Vacciniavirus 111, 610, 620, 625 als Expressionssystem in der Gentechnologie 611 Attenuierung 108 Enzyme 618f Genomaufbau 615 rekombinantes 625 Strukturproteine 616f vacciniavirus early transcription factor, siehe VETF Vacciniavirusimpfung 625 Vakzination 3 Vakzine Marker- 114 siehe auch Impfstoffe Valovirus 181 Varicella-Zoster-Virus 20, 29, 32, 544f, 559, 581 Epidemiologie 588 Genom 557 Genomaufbau 555 Immunreaktion 590 Impfung 590 Klinik 588 latenter Infektionszyklus 584 Pathogenese 589 Strukturproteine 560 Therapie 99, 590 Übertragung 588 Virusreaktivierung 588f Varicellovirus 546 Variola minor 623 vera 610, 623 Variolation 3, 610 Variolaviren 624 Epidemiologie 623 Immunreaktion 625 Klinik 624 Pathogenese 624 Prophylaxe 625f Übertragung 623 Variot, G. 499 Varmus, H. E. 409 VA-RNA I 535 VA-RNA II 535 VCA (virus capsid antigen) 599 vCCI 619 vCyclin 577 vCyclin D2 579 VDAC1-Protein (voltage dependant anion channel-1) 367 VEGF (vascular endothelial gowth factor) 624 Vektoren, von BPV-1 abgeleitete 510
Venezuelan-Equine-Encephalitis-Virus 236 v-erb 452 Verruca plana 512 vulgaris 512 vertikale Übertragung 117 Vesicular-Stomatitis-Virus 263f, 275 Diagnose 276 Epidemiologie und Übertragung 276 Genomorganisation 266 Klinik 276 Pathogenese 276 Vesiculovirus 264 Vesikelbildung 330 Vesikulärexanthemvirus 187 Vesivirus 181 Genomorganisation 183 VETF 620 v-fems 452 vFLIP 571, 577, 579 vhs-Faktor 39 Vif-Protein (viral infectivity factor) 428 vIL-6 571, 577, 579 virale DNA-Polymerase 26 virale Infektionen, Übertragunswege 116f virale Integrase 438 virale Neuraminidasen, Hemmstoffe 93, 97 virale Nucleinsäuren, Nachweis 131 virale Onkogene (v-onc) 412 virale Polymerasen, Hemmstoffe 92f virale Proteasen, Hemmstoffe 93, 97 virale Strukturproteine, L-Domänen 330 virale Transduktion 7 viraler CC-Chemokin-Inhibitor (vCCI) 619 Virämie primäre 32 sekundäre 32 Viren Adsorption 23 als biologische Waffe 125 als Krebsauslöser 8 Anpassung an Wirte 118 Anzüchten 5f attenuierte 108–111 Aufbau 13–16 Ausbreitung im Organismus 30 autokrine Stimulation des Zellwachstums 47 Chikungunya- 124 Definition 13 direkter Nachweis 127–138 im Patientenmaterial 132, 135 Entdeckung 4 Entgehen von Immunreaktionen 73 Entstehung neuer Viren 121f Evolution 121–125
Index
Freisetzung 27 genetische Rekombination 123 geschichtlicher Überblick 3–10 H5N1- 124 humanpathogene 117 Infektionsbeginn 23 intrauterine Übertragung 5 jüngst entstandene 123f latente 13 Mimi- 16 mit doppelsträngigem DNA-Genom 461–634 mit doppelsträngigem segmentierten RNA-Genom 385–406 mit einzelsträngigem DNA-Genom 635–665 mit einzelsträngigem RNA-Genom in Plusstrangorientierung 145–195 mit einzelsträngigem RNA-Genom und doppelsträngiger DNA als Zwischenprodukt 409–458 mit einzelsträngigem, kontinuierlichem RNA-Genom in Negativstrangorientierung 263–322 mit segmentiertem RNA-Genom 325–382 Mutationen 103, 121f Pathogenese 29–35 Penetration 23 Proteinnachweis 128f Reassortanten 122 rekombinante 111f replikationsaktive 13 Resistenz gegen antivirale Hemmstoffe 103f Resistenztests 141 Retro- 25 SARS- 124 Satelliten- 16 Strategien zur Genexpression 24–26 Überdauern 117 Veränderung des Wirtsgenoms 50 Vogelinfluenza-Nipahviren 124 Zelltransformation 8 vIRF 577, 579 vIRF-1 571 vIRF-2 571 vIRF-3 571 Virionen 13 virocrine Stimualtion 507 Viroide 16 pflanzenpathogene 480 Virokine 617 Virologie, zukünftige Herausforderungen 10 Virophagen 16 Viroplasma 398 Virosomen 41, 622 Virostatika 91ff, 102 molekulare Angriffspunkte 94–101 Virulenz, Definition 29
Virus der atypischen Geflügelpest 307 Virus der felinen infektiösen Peritonitis, siehe felines Coronavirus Virus der infektiösen Bronchitis des Huhnes Diagnostik 261 Epidemiologie und Übertragung 261 Klinik 261 Pathogenese 261 Prophylaxe 261 Virus der transmissiblen Gastroenteritis des Schweines Diagnostik 260 Epidemiologie und Übertragung 259 Klinik 259 Pathogenese 259 Prophylaxe 260 Virus des schweren Respiratorischen Syndroms, siehe SARS-Coronavirus Virus der afrikanischen Pferdepest 402, 406 Epidemiologie und Übertragung 405 Klinik 405 Virus der afrikanischen Schweinepest, siehe ASFV Virus der Aleutenkrankheit der Nerze, siehe ADV Virus der bovinen Virusdiarrhoe, siehe auch BVDV Virus der epizootischen hämorrhagischen Erkrankung der Hirsche 402 Virus der infektiösen Anämie der Einhufer, siehe EIAV der Lachse 361 Virus der infektiösen Bursitis der Hühner 388 Genomorganisation 387 siehe auch IBDV Virus der infektiösen Pankreasnekrose (IPNV) der Salmoniden 389 Virus der lymphocytären Choriomeningitis, siehe LCMV Virus der lymphocytären Meningitis 328 Virusaufnahme, Hemmstoffe 94, 98, 102 Virusausbreitung, Formen 31 Virusfamilien, taxonomische Einteilung 17–21 Virusgrippe 355 virus-host shutoff (vhs) 154, 161 Virusinfektion Auswirkung auf Cytokinsynthese 88 chronische 42 Folgen für die betroffenen Zellen 38 Gleichgewichtszustand 42 indirekter Nachweis 138–141 Nachweis 127–142 Resistenz durch Blutgruppenantigene 187 Therapie mit Cytokinin 88
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typischer Verlauf 29 zeitlicher Erkrankungsverlauf 30 virusinfizierte Zelle, Erkennung durch cytotoxische T-Lymphocyten 62 Virusisolierung 127 Virusmorphogenese 26 Virusnachweis, neue Methoden 141 Virusoide 16 Viruspartikel mit Membranhülle 14 Virusreplikation, Hemmstoffe 95–101 virusspezifische T-Zellen, Nachweis 140 Virusvermehrung 23–27 Viruszüchtung 127 Visna 456 v-myb 452 v-myc 452 Vogelgrippe in Mitteleuropa 377 Vogelinfluenzavirus 124 Vogt, M. 6, 8 Vogt, P. K. 409 VP26 178 VP29 178 VP34 178 VP40 318 Vpg-Protein 149f Vpr-Protein (viral protein rapid) 428 Vpu-Protein (viral protein out) 428f Vpx-Protein (viral protein x) 429 V-Segmente 70f v-src-Onkogen 452 W Wächterzellen 54 Wang, D. 484 Warthin-Finkeldeysche Riesenzellen 41, 302 Warzen 499, 513f Rückbildung 516 Therapie 517 Typen 512 Warzenviren 500 Epidemiologie und Übertragung 512 tierische, Übertragung 517 Watson, J. D. 6 Weller, T. H. 6, 145, 588 Western-Blot 128f, 138 Western-Equine-Encephalitis-Virus (WEE) 123, 236f West-Nile-Virus 217 Epidemiologie und Übertragung 217 Immunreaktion und Diagnose 218 in den USA 219 Klinik 217 NS1-Protein 203 Pathogenese 217f Prophylaxe 218 Whitewater-Arroyo-Virus 326, 335 Wildmaus 332 Wiley, D. 361 Williams, B. 679 Wilson, I. 361
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Index
Windpocken 590 Wollensak, J. 9 wrapped virion 611 WU-Polyomavirus 495 Wüthrich, K. 669 X XCL1 87 XCL2 87 XendoU 242 XLP-Syndrom 596 X4-Viren 431, 443, 446
Y Yabapockenviren 623 Yatapoxviren 612 YY1-Protein 509 Z Zanamivir 93, 97, 102, 381 Zeckenbiss 213 Zellabkugelung 39 γδ-Zellen 61 Zelllyse 27 Zellschädigung 37–43
Zelltod, siehe Nekrose oder Apoptose zelluläre Immunantwort, Nachweis 139 Zellzyklus 48f Zidovudin 95, 98 Ziegen 455 Ziegenpockenviren 628 Zinke, G. 271 Zinkernagel, R. 5, 332 Zoonosen 10 Zoster ophtalmicus 589 Z-Protein der Arenaviren 330 Zwingerhusten 306f, 606