Fred McMason Meuterei auf der Schlangen-Insel 1. Eine sanfte Dünung bewegte sich unter einem handigen Nordwestwind, der ...
13 downloads
769 Views
523KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Fred McMason Meuterei auf der Schlangen-Insel 1. Eine sanfte Dünung bewegte sich unter einem handigen Nordwestwind, der die ›Isabella‹ über Backbordbug liegend, unaufhaltsam ihrem Ziel entgegenschob der Schlangen-Insel. Es war der einundzwanzigste April 1581. Die Sonne, ein großer, flammender Ball, stand im Zenit. An Bord der ›Isabella‹ herrschte immer noch Hochstimmung. In ihren Laderäumen ruhten Perlen, Gold und Silberbarren, die Hasard in einem waghalsigen Manöver den Spaniern abgenommen hatte. Ben Brighton, Sam Roskill und der Seewolf, hatten sich von einem spanischen Preßkommando auf das spanische Flaggschiff ›Flor de Espana‹ anheuern lassen und es nach einem listenreichen Manöver »übernommen«. Noch weitere Silbergaleonen waren ihnen in die Hände gefallen. Jetzt ruhte die Beute im Laderaum der ›Isabella‹ und der andere Teil befand sich an Bord des Zweimasters der Roten Korsarin. Hasard stand neben Ben Brighton auf dem Achterkastell. Der Seewolf suchte die See mit dem Spektiv ab. Fremde Schiffe waren nicht zu sehen. Nur ganz hinten, am Horizont, tauchten die blutroten Segel des Zweimasters auf, den Siri-Tong, die Rote Korsarin, befehligte. Das Schiff mit der roten Lateinertakelung holte rasch auf. Es war klein, aber schnell und wendig. »Uns bleibt noch eine knappe Stunde Zeit«, sagte Ben Brighton besorgt. »Bis dahin müssen wir die Passage durchsegelt haben.« »Wir schaffen es noch«, versicherte der Seewolf. »Und die
Rote Korsarin schafft es selbst in ein paar Stunden noch.« Pete Ballie, der Rudergänger, drehte gerade die Sanduhr um, die jede halbe Stunde anzeigte. Die Schlangen-Insel war bereits in Sicht. Himmelhoch ragten die mächtigen schroffen Felsen aus dem Meer auf. Unmöglich für jedes Schiff, an diese teuflischen Klippen heranzusegeln, und noch unmöglicher war es, die schmale Passage zu durchsegeln, wenn man das Geheimnis der Inseln nicht kannte. Die Seewölfe kannten es, die Rote Korsarin auch, sie kannte es schon länger, und doch war es jedesmal ein unheimliches und beängstigendes Erlebnis die Passage zu durchfahren. Außer dem Seewolf selbst traute sich niemand das zu, selbst der ausgezeichnete Rudergänger Pete Ballie nicht. Das Hindurchsegeln wurde immer zu einem Todesritt über messerscharfe Klippen, vorbei an scharfkantigen Felsen, überhängendem Gestein und reißendem Wasser. Fast immer riskierten sie das Schiff dabei. Der handige Wind blies die schlanke Galeone schnell weiter. Ihr Bug hob und senkte sich, tauchte schäumend in die See, stieg dann wieder hoch, legte sich leicht nach Backbord über und wiederholte den Rhythmus beständig. Es war eine Lust, zu leben, fand der Seewolf, noch dazu in diesem Teil der Welt, nahe den Caicos-Inseln, wo das Sargassomeer in die Karibische See überging, wo es die langen einsamen Strände mit den hohen Palmen gab, das blaugrüne Wasser, den tiefblauen Himmel und die strahlende Sonne. Und dazu gab es dieses herrliche Schiff, die ›Isabella VIII.‹, den Rahsegler mit den schlanken, überhohen Masten, in den sich jeder von der Crew regelrecht vernarrt hatte. Ein letztes Mal suchte der Seewolf das Wasser bis zum Horizont ab. Wäre ein anderes Schiff in der Nähe gewesen, dann hätten sie es nicht riskiert, die Insel anzulaufen, damit das Geheimnis gewahrt blieb. Bedächtig schob er das Spektiv zusammen und reichte es
Ben. Da traf ihn Pete Ballies fragender Blick. Hasard lächelte dem Rudergänger zu. Er wußte den Blick des kleinen stämmigen Mannes zu deuten. »Willst du es nicht versuchen, Pete?« fragte der Seewolf. »Lieber nicht«, wehrte Pete Ballie ab. »Wenn du am Ruder stehst, dann weiß jeder, daß wir heil hindurchsegeln. Du hast die besseren Nerven und außerdem mehr Geschick. Wenn ich dort persönlich hindurchsegele, dann springen die Kerle vorsichtshalber von Bord, weil sie vermuten, daß es Kleinholz gibt. Und dann sind wir das schöne Schiff los. Äh wir sind schon ziemlich nahe dran«, meinte Pete lahm. Hasard sah nach dem Stand der Segel. Alles stimmte. Ben Brighton, Ferris Tucker und Edwin Carberry, der Profos, waren immer darauf bedacht, daß die Stellung der Segel stimmte, daß der Wind geschickt ausgenutzt wurde, und daß man seine Arbeit so selbstverständlich verrichtete, damit niemand unnötige Befehle geben mußte.. Jetzt begann wieder der Nervenkitzel, als der Seewolf selbst das Ruder übernahm. Ein paar Männer versammelten sich auf dem Vorschiff, die anderen gingen an die Brassen und Schoten, um die Segel nach Durchfahren der Passage so schnell wie möglich aufgeien zu können. Ferris Tucker lauerte auf der Back, um auf Hasards Zeichen den Anker zu werfen. Nur noch ein paar hundert Yards bis zu der Passage. Der Wasserschwall, der in die dahinterliegende Bucht drängte, schob das Schiff mit ungeheurer Kraft voraus. Die Segel waren prall mit Wind gefüllt. Im stehenden Gut, den Wanten und Pardunen sang es leise. Wenn der Seewolf jetzt auch nur noch um Handbreiten vom Kurs geriet, waren sie geliefert. Der reißende Wasserschwall, der handige Wind und die Wucht des schnell segelnden Schiffes würden ausreichen, um die Galeone total zu zerfetzen. Immer mehr drängte das Wasser, immer stärker wurde der
Flutstrom, der machtvoll durch die gefährlichen Klippen schoß. Rechts und links rasten die Felswände näher, wahnsinnig schnell, als wollten sie das Schiff zermalmen. Fast berührten sie die Bordwände. Der Seewolf knüppelte die Galeone mit eiserner Hand hindurch und hielt das immer wieder leicht ausbrechende Schiff fest, bis es dem leisesten Druck des Ruders gehorchte. Der Bug raste auf einen mitten im Wasser stehenden Felsen zu. Das war eine der gefährlichsten Stellen, die Hasards ganze Aufmerksamkeit und sein ganzes Können erforderte. Wieder schlossen ein paar von ihnen die Augen, in der Annahme, gleich würde das berstende Krachen erfolgen. Blacky öffnete die Augen wieder und staunte wie die anderen auch. Hasard war in einem eleganten Bogen um den schroffen Felsen herumgesegelt, haarscharf zwar nur, aber er hatte es wieder einmal geschafft. Einem wilden Ungeheuer gleich raste die ›Isabella‹ weiter in die Bucht. Die Seewölfe kannten ihre Arbeit. Niemand konnte sich auch nur eine kleine Atempause gönnen, alles mußte blitzschnell gehen. Die Segel wurden aufgegeit, Ferris Tucker ließ den Anker fallen. Zehn, zwanzig, dreißig Faden, schließlich vierzig. Sehr viel länger war die Ankertrosse auch nicht. »Anker hält!« brüllte der Schiffszimmermann nach achtern. Die Fahrt nahm rapide ab, doch die Wucht, die Bewegungsenergie, die die ›Isabella‹ hatte, ließ sie in einem langen Bogen um das Ankertau schoien, bis sie schließlich zur Ruhe kam. Pete Ballie atmete erleichtert auf. »Das hätte ich nie geschafft«, gab er ehrlich zu. »Meine Nerven flattern jedesmal, wenn wir hier durchfahren.« »Du mußt deine Nerven aufgeien«, sagte der Seewolf lachend. »Oder backbrassen, dann flattern sie nicht mehr!« Vor ihnen lag auf Backbord der weiße Strand mit den
Palmen, dem Dickicht und den dahinter ansteigenden Lavafelsen, unter denen sich der Schlangentempel verbarg, jener geheimnisvolle Tempel, über den sie immer noch nicht viel wußten, nur so viel, daß der Stamm der Araukanerindianer ihn vermutlich hier angelegt hatte. Als an Deck alles klariert war, segelte die Rote Korsarin durch die Passage. Die Seewölfe sahen die schlanke, schwarzhaarige Frau am Ruder stehen. Die blutroten Segel des Zweimasters waren ebenso prall vom Wind gefüllt. Das Schiff sauste haarscharf an den tückischen Klippen vorbei, tanzte wild über die sehr flache Barriere aus gewachsenem Fels, und glitt mit schäumender Bugwelle in die Bucht. Hasard staunte über das seemännische Können Siri-Tongs. Allerdings hatte der Zweimaster wesentlich geringeren Tiefgang als die Galeone und war schmaler und nicht so lang wie die ›Isabella‹. Dennoch brachte sie jedemal ein haarsträubendes Kunststück fertig. Auf dem Zweimaster fiel der Anker, das Schiff wurde langsamer und fuhr ebenfalls in einem Bogen auf die ›Isabella‹ zu. »Ha«, sagte Stenmark, der blonde Schwede, zu Blacky, der am Schanzkleid lehnte und dem Manöver zusah. »Das Weib regt mich verdammt auf. Immer hat sie ihre verdammte rote Bluse zwei Knöpfe geöffnet. Weit und breit keine Weiber, nur sie ...« »Die hat doch nur Augen für Hasard, Mann. Oder hast du das noch nicht bemerkt? Ich schon, denn immer wenn sie sich unbeobachtet glaubt, schießt sie ihre feurigen Blicke auf den Seewolf ab. Aber du hast recht, die möchte ich ...« »Dir möchte ich auch gleich was«, grollte hinter ihm die Stimme des Profos auf. »Nämlich dir die Haut in Streifen von deinem verdammten Affenarsch abziehen. Und nun glotz nicht immer so, du lausiger Bock.«
Blacky drehte sich ärgerlich herum und musterte Carberrys zernarbtes Gesicht und sein gewaltiges Rammkinn, das jetzt angriffslustig vorgeschoben war. »Man wird doch wohl noch glotzen dürfen, was, wie!« äffte er den Profos nach. »Du würdest deine Augen ja am liebsten auf langen Stielen tragen, wenn die Kleine vorbeigeht!« Ihr Geflachse wurde unterbrochen, als der Seewolf mit Ben Brighton in der Kuhl erschien, wo jetzt der größte Teil der Seewölfe versammelt war. »Hört zu«, sagte Hasard zu den Männern, deren Unterhaltung und Anzüglichkeiten augenblicklich verstummten. »Wir laden nachher die Beute ab, und zwar werden wir sie in dem Schlangentempel lagern, da ist sie am sichersten. Wir müssen also der Roten Korsarin unser Geheimnis mitteilen. Soviel ich weiß, hat sie von dem Tempel keine Ahnung. Was meint ihr dazu?« Von der Besatzung hatten bis vor kurzem nicht viele gewußt, daß es den Schlangentempel gab. Der Profos hatte eisern geschwiegen und die Männer, die eingeweiht waren, ebenfalls. Erst nach und nach hatten sie es erfahren. Carberry zuckte mit den Schultern, Ferris Tucker wiegte seinen rothaarigen Schädel hin und her, bei Ben Brighton blieb unklar, was seine vage Handbewegung ausdrücken sollte. »Sie selbst ist bestimmt ehrlich«, sagte Dan O’Flynn. »Aber ihren verlausten Kerlen traue ich nicht über den Weg. Was meinst du, Shane?« wandte er sich an den ehemaligen Waffenschmied von Arwenack. Big Old Shanes imposante Gestalt mit dem eisengrauen Bart und dem haarigen Wald auf der Brust lehnte am Schanzkleid. Wenn er sprach, tat er es bedächtig und überlegt. »Wir sollten sie in das Geheimnis einweihen«, sagte er. »Sie hat das Geheimnis der Barriere offenbart, wir offenbaren unseres. Vorerst sieht es so aus, als würden wir auf lange Sicht miteinander arbeiten, und ich finde, da sollte es keine großen
Geheimnisse geben.« Das war Shanes Meinung. Die anderen überlegten nicht lange. Shane, der große Shane, hatte recht. Geheimniskrämerei würde nur zu bald zu offenem Mißtrauen führen, zu Streit und Hader. »Gut«, entschied der Seewolf, »dann beginnen wir mit dem Umladen. Laßt die Boote zu Wasser!« Während Smoky und Dan die Laderäume öffneten, ließen drei andere die Boote zu Wasser. Es würde eine lange und harte Arbeit werden, die ganze Beute an Land zu bringen und sie in dem Schlangentempel zu deponieren. Etwas später erschien Siri-Tong an Bord. Einer der wüsten Kerle begleitete sie. Es war der Boston-Mann, den sie alle schon kannten, ein Engländer aus Boston, ein großer, hagerer Bursche, der im linken Ohr einen schweren goldenen Ohrring trug. An seiner rechten Hand fehlte der Daumen. Der BostonMann war schweigsam, er sprach kaum ein Wort. Unter seinem roten Kopftuch sah ein hartgeschnittenes, sonnenverbranntes Gesicht hervor. Wenn man bei einem der wilden Kerle von Ehrlichkeit reden konnte, dann bei ihm. Die Rote Korsarin sprang leichtfüßig an Deck. Auf ihren Degen hatte sie diesmal verzichtet. Statt dessen trug sie ein Entermesser im Bund ihrer verwaschenen blauen Schifferhose. Ihre rote Bluse war am Hals zwei Knöpfe geöffnet und gab den Ansatz ihrer festen Brüste frei. Schlagartig änderte sich die Stimmung. In der Nähe der mandeläugigen schwarzen Schönheit schien die Luft zu knistern. Blacky kriegte schon wieder Stielaugen, Stenmarks Blick ruhte hingebungsvoll auf der roten Bluse und Sam Roskill hatte anscheinend Schluckbeschwerden, denn ständig räusperte er sich die Kehle frei. Siri-Tong war das Pulverfaß und die Seewölfe die glimmenden Lunten. Ihre gegenseitige Nähe konnte leicht zu einer Explosion führen, so jedenfalls hatte es einmal Old Shane
ausgedrückt. Sie lächelte spöttisch, als sie die Blicke sah. Diese Seewölfe verhielten sich ja noch einigermaßen diszipliniert. Wenn sie dagegen an die Kerle aus ihrer Crew dachte ... »Was zum Teufel, habt ihr verdammten Burschen denn plötzlich alle in der Kuhl zu suchen?« schrie Ed Carberry. »Habe ich euch nicht gesagt, daß wir mit dem Ausladen beginnen, was, wie! An die Arbeit, ihr lüsternen Kakerlaken, oder ich werde euch die ...« »Bitte nicht«, fiel Hasard ein, »wir haben eine Lady an Bord.« »... die die Ei ... Eierköpfe zusammenschlagen«, stotterte der Profos, der seinen Lieblingsspruch gerade noch bremsen konnte. Die Männer flitzten auseinander. Carberry scheuchte sie an die Arbeit, so schnell es ging. »Los, ‘rauf mit dem Zeug,!« brüllte er lauter, als es nötig gewesen wäre. »In die Boote damit und ab zum Strand.« Siri-Tongs Augen suchten Hasards Blick, versuchten ihn festzuhalten, doch der Seewolf blieb kühl und distanziert, er gab sich höflich und reserviert. »Was gibt es?« fragte er. Ihre Mundwinkel zuckten, der leicht verschleierte Blick wurde klar. Sie ging sofort auf Distanz. »Haben Sie sich schon überlegt, wo wir die Beute lagern werden?« fragte sie. »Im Schlangentempel«, erwiderte Hasard. »Im wo bitte?« »Im Schlangentempel«, wiederholte Hasard lächelnd. »Wissen Sie nicht, daß es hier einen Tempel gibt, der so gut versteckt ist, daß wir ihn nur durch Zufall gefunden haben?« Ihre Überraschung war echt. Erstaunt hob sie die Brauen. »Davon haben Sie mir nichts gesagt«, bemerkte sie kühl. »Bisher hatte ich auch keinen Grund dazu. Aber jetzt sollen
Sie es erfahren, Madame!« Ihre Augen blitzten zornig. Ihre kleinen weißen Zähne nagten an der Unterlippe. »Hören Sie mit dieser ›Madame‹ auf, ich kann es nicht mehr hören.« Der Boston-Mann stand unbeteiligt dabei. In seinem kühn geschnittenen Gesicht zuckte kein Muskel. Nur einmal streifte der Blick seiner dunklen Augen hastig den Seewolf. Hasard erklärte ihr die Lage des unterirdischen Tempels und berichtete von den Kavernen und Irrgängen, die sie entdeckt hatten. Als er endete, war sie total überrascht. »Davon wußte ich wirklich nichts. Aber es scheint ein ideales Versteck zu sein. Ich schlage vor, wir lagern die Beute dort gemeinsam.« »Genau das wollte ich auch vorschlagen«, entgegnete Hasard. »In den Kavernen steigt und fällt das Wasser im selben Rhythmus wie in der Bucht. Niemand kann dort eindringen, der Schatz ist absolut sicher gelagert und der Tempel selbst ist so angelegt, daß er auch bei hoher Flut nicht volläuft.« »Ich hatte noch ein anderes Versteck«, sagte sie nachdenklich. »Es liegt auf der südlichen Seite, eine natürliche Höhle in den Klippen. Aber der Weg dorthin ist beschwerlich und lang. Daher halte ich Ihr Versteck für besser!« »Ich auch«, meinte Hasard. »Seien Sie nur nicht so überheblich«, fauchte sie. Es war erstaunlich, wie schnell sie sich über etwas ärgern konnte, und wie schnell sie wieder zur sanftmütigen Katze wurde. »Schließlich haben Sie den Tempel nur durch Zufall entdeckt.« »Aber immerhin entdeckt.« Sie stieß zischend die Luft aus. Ihre Brüste unter der roten Bluse hoben und senkten sich vor Ärger, daß Hasard immer das letzte Wort behielt. Aus diesem sonnenverbrannten, verwegenen Kerl wurde sie
ohnehin nicht ganz schlau. Eine starke Faszination ging von diesem Seewolf aus, der sie sich nicht entziehen konnte. Doch er blieb immer kühl und distanziert. Lag es nur daran, daß er verheiratet war? Sie hatte es erfahren, auch daß Hasard Vater von Zwillingen war, die er nur kurze Zeit gesehen hatte. Sie warf ihm einen langen, nachdenklichen Blick zu. In ihren schwarzen Mandelaugen lag wieder das verhaltene Feuer. Noch einmal versuchte sie, seinen Blick festzuhalten, doch Hasard wich ihr aus und blickte zum Strand hinüber. »Wir stapeln die Beute zuerst am Strand«, sagte er, »und dann bringen wir sie in die Felsen hoch. Bis wir alles versteckt haben, wird der ganze morgige Tag vergehen. Es ist verdammt viel.« »Ja, es ist verdammt viel«, gab sie lächelnd zu. »Ohne Sie und Ihre Männer hätte ich nicht ein Zehntel der Beute erwischt. Und ohne Sie wäre dieser Hurensohn Caligu immer noch am Leben«, fügte sie leiser hinzu. »Sie haben viel für mich getan, Hasard.« Sie trat einen Schritt näher an den Seewolf heran. Hasard sah, wie sie schneller atmete, wie sich ihr Blick in seinen Augen festbrannte. Die Kleine war wirklich das Pulverfaß, dachte er. Und es würde eine verdammt heiße Explosion werden. Abrupt wandte er sich um. Er sah das mißtrauisch verzogene Gesicht des alten O’Flynn, der mißbilligend herüberstarrte und der Roten Korsarin einen wütenden Blick zuwarf. Er sah aber auch die anderen Gesichter seiner Leute. Stenmark grinste hinterhältig, Ben Brighton verkniff sich das Grinsen nur mühsam, Batuti zeigte seine schneeweißen Zähne, und Matt Davies kratzte sich mit seinem Haken, der seine fehlende rechte Hand ersetzte, über die Bartstoppeln. Bob Grey und Jeff Bowie stießen sich heimlich an. »Mann, hat die Kleine Feuer gefangen«, raunte Bob. »Die bringt hier noch alles durcheinander. Die ist auf Hasard schärfer als ihr Degen, sage ich dir!«
»Du hast vielleicht dämliche Vergleiche«, knurrte Jeff. »Schärfer als ihr Degen du spinnst wohl?« »Ich hab das auch anders gemeint, du Hornochse. Was verstehst du schon von Liebe!« Siri-Tong warf einen letzten Blick auf Hasard, dann wandte sie sich an den Boston-Mann, der bisher noch kein Wort gesprochen hatte. »Wir beginnen ebenfalls mit dem Ausladen. Wir fahren zurück!« Die Männer warfen ihr begehrliche Blicke nach, als sie über das Schanzkleid stieg und ins Boot kletterte. Stenmark und Luke Morgan lösten umständlich das Tau und behinderten sich gegenseitig, bis der Profos wieder einschritt, der mit in die Seiten gestemmten Fäusten schon eine ganze Weile zusah. Auf seiner Stirn schwoll die Zornesader. »Was glotzt ihr Affenärsche ständig in das Boot, was, wie? Und weshalb kriegt ihr das Tau nicht los, he? Verzieht euch, ihr verlausten Hurenböcke, wenn ihr weiterhin so glotzt, hat das Mädchen in einer halben Stunde keine Brüste mehr! Ab mit euch!« »Na, das kann ja heiter werden«, sagte Ben Brighton. »Wenn die sich noch öfter hier blicken läßt, fängt bald das ganze Schiff an zu brennen.« Da war etwas Wahres dran, überlegte Hasard besorgt. SiriTongs Crew zeigte sich zeitweilig leicht aufsässig. Anzügliche Bemerkungen waren an der Tagesordnung. Und bei den Seewölfen war es nicht viel anders. Überall wurde sie angestarrt, mit begehrlichen Blicken verfolgt und regelrecht mit den Augen ausgezogen und verschlungen. Kein Wunder! Eine einzige Frau unter einer Horde wilder, verwegener Kerle. Das konnte auf die Dauer nie gut gehen! Hasard fragte sich, ob die Arbeit, die ihnen bevorstand, die Kerle wenigstens auf andere Gedanken bringen würde. Die Laderäume waren geöffnet. Hasard sah sich noch einmal
um. Nein, die ›Isabella‹ hätte nicht mehr unterbringen können. Sie war bis an die Halskrause beladen. Überall türmten sich Silberbarren. Auf der Backbordseite lagen in langen und hohen Reihen Barren aus reinstem Gold. Dazu kamen die Truhen mit den Perlen und anderen Kostbarkeiten. Ein Schatz von unermeßlichem Wert. Dann begann das Ausladen. Die ersten Barren wurden an Deck gehievt und von dort aus in die Boote verladen. Als das erste Boot beladen war, legte Ferris Tucker ab und pullte es mit zwei anderen Männern zum Strand hinüber. Dort wurde das Silber wieder abgesetzt. Stunde um Stunde verging. Barren um Barren wurde an Land gebracht und aufgestapelt. Schon bald lag ein unermeßlicher Schatz in dem feinen weißen Sandstrand. Auch Siri-Tongs Männer pullten mit wertvoller Fracht an den Strand, fluchten, schrieen sich gegenseitig an, brüllten sich die Kehlen heiser. Sie wühlten gierig in den Schätzen. Tucker sah zu ihnen hinüber und schüttelte den Kopf. »Die reinsten Narren«, sagte er zu Dan. »Die Kerle sind vor lauter Gier halb verrückt. Sieh nur, jetzt werfen sie auch noch mit den Silberbarren herum!« Dans Gesicht war verkniffen, als er entgegnete: »Mir gefällt das alles nicht, Ferris. Diesen lausigen Bastarden traue ich nicht über den Weg, und der Korsarin erst recht nicht.« »Du meinst, sie ist nicht ehrlich?« »Doch, das ist sie«, gab Dan widerwillig zu. »So meine ich es ja auch nicht. Es ist etwas anderes.« » »Du meinst, weil sie Hasard schöne Augen hinwirft?« »Ja«, fluchte Dan, »und das gefällt mir überhaupt nicht. Immerhin ist Hasard mein Schwager, und dieses Weib kriegt ihn noch herum, darauf möchte ich wetten.« »Ach so ist das«, sagte Ferris. »Hasard blieb bis jetzt aber
immer kühl und zurückhaltend, oder ist dir das noch nicht aufgefallen?« Dan gab keine Antwort. Er schmiß die Silberbarren in den Sand und sah erst dann auf, als sich einer aus Siri-Tongs Mannschaft näherte. Den größten Teil der Leute kannten sie. Und wenn Dan diesen Kerl nur von weitem sah, stieg ihm das Essen wieder hoch. Sidi Mansur blieb stehen und grinste schmierig. Mit den bloßen Füßen scharrte er unruhig im Sand, den hinterhältigen und verschlagenen Blick zu Boden gerichtet. »Feine Beute, das, ha?« sagte er. »Wie verteilt ihr denn das so auf die einzelnen? Ha?« Dieses »Ha« trieb Dan jedesmal auf die Palme. »Wir verteilen es überhaupt nicht«, schnauzte er. »Vorerst gehört es uns allen. Und jetzt verschwinde, Kerl!« »Hehe, wird bloß nicht frech!« Ein verschlagener Blick traf Dan. Mansur trat noch einen Schritt näher und knuffte Dan vertraulich in die Rippen. »Sag bloß, du zwackst dir nicht ein paar Perlen ab, Mann! Das merkt doch kein Schwein, so ‘ne kleine Handvoll, ha?« »Verschwinde, du Läuseknacker«, fauchte Dan. »Bei dir muß man ja immer aufpassen, daß nicht an deinen schmierigen Flossen Goldbarren hängen bleiben.« Der Blick des Mannes veränderte sich schlagartig. Seine Augen wurden dunkel und drohend, seine Hand glitt blitzschnell zum Messer am Gürtel, und sein Mund verzerrte sich. »Sieh dich vor«, warnte er heiser. »Du verdammter ...« Eine mächtige Faust enthob ihn jedes weiteren Wortes. Ferris Tucker stand plötzlich hinter ihm, packte sein Genick und hob den verschlagenen Kerl leicht an, noch bevor Dan reagieren konnte. »Hör zu, du lausige Ratte«, brummte der Zimmermann.
»Wenn du hier Stunk suchst, kannst du ihn haben, klar? Ich werde dir dann mal zeigen, wie man mit der Axt umgeht. Mit dieser hier!« In Ferris anderer Pranke tauchte das gefährliche Mordinstrument auf. Diese unheimlich scharf geschliffene blinkende Schneide, die schon manchen Gegner ins Jenseits befördert hatte. Sidi Mansur wich zurück. Sein Blick wurde glasig, als Tucker ihm das Instrument vor den Kopf hielt. Er hatte gesehen, wie Ferris Tucker in der Bucht ihren härtesten Mann, den Schlächter, mit kurzen wilden Schlägen außer Gefecht gesetzt hatte. Den hirnlosen Schlächter, den Siri-Tong schließlich im Zweikampf getötet hatte. Er lief los, zu seinen Kumpanen hinüber, die aufmerksam herüberblickten, sich sonst aber neutral verhielten. Einmal drehte Mansur sich noch um, und Dan und Ferris glaubten, noch nie so einen Blick glühenden Hasses gesehen zu haben. »Das ist eine der schlimmsten Ratten, die sie an Bord haben«, sagte Tucker. »Der klaut seiner eigenen Mutter das Totenhemd und verscheuert es. Nimm dich vor dem Kerl in acht, Dan, der ist nachtragend und vergißt nichts. Außerdem hat er das Messer schnell bei der Hand, und er kann gut damit umgehen.« »Ein hinterhältiger Feigling ist er«, Dan winkte verächtlich ab. »Der stößt einem das Messer bestenfalls in den Rücken.« »Daran sollen auch schon viele gestorben sein«, sagte Ferris mit ernstem Gesicht. »Ich werde ihm mal gelegentlich mit meinem Haken den Arsch bis zu seinem schmierigen Kragen aufreißen«, sagte Matt Davies ruhig. »Der Kerl stinkt mir schon lange. Los, fahren wir zurück!« Am späten Nachmittag türmte sich ein ansehnlicher Berg aus Gold und Silber am Strand. Mit diesem Schatz hätte der Seewolf ganz London kaufen können, so gewaltig war er.
Während die Crew des Seewolfs sich diszipliniert verhielt, sah es bei den Piraten anders aus. Entweder waren sie so fette Beute nicht gewöhnt, oder sie hatten den Verstand verloren. Eine Horde brüllender und tobender Kerle balgte sich am Strand, wälzte sich in dem Gold und Silber, bewarfen sich mit Beuteln voller Perlen und randalierte immer lauter herum. Angewidert sahen die Seewölfe hinüber. Klar, sie freuten sich auch über jede fette Beute, aber das war für sie noch lange kein Grund, verrückt zu spielen. Keiner wäre auf die Idee verfallen, einem anderen Goldbarren an den Schädel zu werfen, wie die Piraten es taten. Siri-Tong beendete den Höllenlärm mit ein paar kurzen Worten. Sie kam herüber, zusammen mit dem Boston-Mann, der sich an der Balgerei nicht beteiligt hatte. »Wir haben alles an Land gebracht«, sagte sie. »Die Kerle sind außer Rand und Band, wenn sie solche Mengen Gold sehen.« Hasard verkniff sich eine Bemerkung. Sollte sie sehen, wie sie mit den wüsten Burschen fertig wurde. Das war nicht seine Sache. »Es wird ihnen gleich vergehen«, sagte er trocken. »Dann nämlich, wenn sie das Zeug in die Felsen schleppen. Ihr braucht uns nur zu folgen. Jeder soll soviel tragen, wie er kann.« »Aye, aye«, erwiderte sie zu Hasards großer Überraschung artig. Der Seewolf runzelte die Stirn und blickte ihr nach. Ihr wohlgerundetes Hinterteil schwang aufreizend in der zu engen Hose. »Ach was, verdammt«, sagte er laut. »Sagtest du etwas?« forschte Carberry. Irritiert sah er den Seewolf an, der in den Sand blickte. »Ich sagte, äh, wir können jetzt endlich anfangen. Wir nehmen den anderen Weg von rechts über die Klippen, der ist
näher, und wir müssen nicht durch die endlos langen Gänge laufen.« »Wollte ich gerade vorschlagen«, sagte Carberry. Gleich darauf scheuchte er die Männer an die Arbeit. Jeder belud sich mit Schätzen, soviel wie er schleppen konnte. Selbst der Kutscher schloß sich nicht aus, und auch der alte O’Flynn mit seinem neuen Holzbein ließ es sich nicht nehmen, ein paar Silberbarren zu schleppen. Siri-Tongs Leute folgten sofort. Allerdings verflog ihre übermütige Laune sehr rasch, als der Aufstieg in die Felsen begann. Viele von ihnen waren barfuß, und nach den ersten hundert Yards über scharfkantiges Lavagestein ging pausenloses Fluchen los. Nach einer knappen Viertelstunde war der jenseitige Eingang der unterirdischen Höhle erreicht. Der schmale Einstieg war kaum zu sehen. »Dort soll ein Tempel sein?« fragte die Rote Korsarin ungläubig. Hasard nickte. Gebückt trat er in den schmalen Gang ein. »Ihr könnt nachkommen!« rief er. Diffuses Halbdämmerlicht herrschte, als er langsam voranging. Hasard hatte den Tempel selbst noch nicht gesehen, den kannten nur Carberry, Davies und drei andere Leute. Nach Carberrys Beschreibung war er jedoch leicht zu finden. Von fern war leises Rauschen zu hören, untermalt von einem dröhnenden Gong, der in regelmäßigen Abständen erklang. Die Korsarin griff nach Hasards Schulter. Ihre Augen waren erstaunt aufgerissen. »Was ist das?« fragte sie. »Wellenschlag in unterirdischen Hohlräumen. Er läßt die Felsen erzittern, hört aber auf, wenn das Wasser wieder abläuft.« Der Gang verbreiterte sich, das Rauschen, anfangs noch weit und leise ertönend, wurde lauter. Gleichzeitig dröhnte auch der
Gong lauter. Carberry, mit Silberbarren beladen, schob sich an seine Seite. »Links abbiegen«, sagte er. »Dort geht es eine schräg geneigte Ebene hinunter, danach folgen wieder Gänge, dann ein Felsendom. Wir sind gleich da!« Die Piraten aus Siri-Tongs Grew beruhigten sich allmählich, als sie erfuhren, daß die Geräusche eine absolut natürliche Ursache hatten. Carberry entzündete nach der Abbiegung eine Fackel, die die Wände um sie herum gespenstisch erhellte und zuckende und tanzende Schatten warf, die auf und niederschwebten. Unheimlich still war es hier unten, sobald der Gong schwieg oder das Rauschen von den Felswänden geschluckt wurde. Dann vernahmen sie nur ihre Schritte und das leise Keuchen der Männer, die die Silberbarren schleppten. Die schräg geneigte Ebene war feucht. Auf dem Boden liefen große Käfer umher. An den ebenfalls feuchten Wänden der Felsen zeigten sich kleine glitzernde Tiere, die davonliefen, sobald der Lichtstrahl sie traf. Hinter ihnen in der Dunkelheit fluchten die Piraten. Grotesk tanzten ihre Schatten auf und ab. Hasard blieb stehen, als die geneigte Ebene zu Ende war und ein glatter künstlich erschaffener Gang auftauchte. Carberry hob die Fackel und leuchtete das Schlangenzeichen an, das die rechte Wand schmückte. Der Seewolf sah auf den ersten Blick, daß dieser Stollen von Menschenhand geschaffen worden war. Es mußte unsägliche Mühen gekostet haben, diesen Stollen so glatt zu bebauen und abzuschleifen. Insgesamt fanden sich zwei Schlangenzeichen an den Wänden. Beim zweiten Zeichen blieb Hasard stehen und betrachtete es genauer. Arkana! Wie aus weiter Ferne klang ihr Name herüber, wie ein Hauch aus einer Ewigkeit. Sekundenlang verschwamm das Bild Arkanas vor seinem geistigen Auge,
wurde zu einem Schemen, der sich in Nichts auflöste. Er hob den Arm und betrachtete den Reif, den die Schlangenpriesterin der Araukaner ihm geschenkt hatte, damals, in jenem geheimnisvollen Tempel. Die Rote Korsarin hatte seinen vergleichenden Blick gesehen. Sie sah den Seewolf an, dessen Gedanken anscheinend in anderen Regionen schwebten. Leicht stieß sie ihn an. »Sie haben genau den gleichen Reif«, stellte sie überrascht fest. »Wo haben Sie ihn her? Von einer Frau?« Ihre Stimme war dunkel und geheimnisvoll, und Hasard glaubte, so etwas wie Eifersucht herauszuhören. »Von einer Priesterin«, erwiderte er geistesabwesend. »Ich suche immer noch nach dem Geheimnis dieses Schlangenzeichens.« Zu seinem grenzenlosen Erstaunen, tat sie die ganze Sache mit einer fast geringschätzigen Handbewegung ab. »Diese Schlangenzeichen gibt es hier wie Sand am Meer. Der Kult der Schlangen ist weitverbreitet. Wir haben schon oft dieses Zeichen gesehen.« »Schon oft?« fragte Hasard. »Ich dachte immer, es ...« »Es steht auf mehreren Inseln. Auf den Caicos-Inseln gibt es diese Zeichen ebenfalls.« Hasard kam es so vor, als hätte er in diesem Augenblick etwas verloren, ohne daß er zu sagen wußte, was es war. Eine leichte Enttäuschung überfiel ihn. Vorher hatte er sich immer wieder gefragt, wie es den Araukanern gelungen sein mochte, hier Fuß zu fassen. Sie hätten die Landenge von Panama durchqueren müssen, was er für unwahrscheinlich hielt. Jetzt mußte er feststellen, daß es dieses Schlangenzeichen der Indianer an mehreren Orten gab, und daß der Kult ziemlich weit verbreitet war. Ohne ein Wort zu sagen ging er weiter, bis sich fast übergangslos die domartige Riesengrotte vor ihnen auftat. Diesmal blieben alle staunend stehen. Der Boden war mit
Wasser bedeckt, das ständig in Bewegung war und entweder abfloß, oder im Boden versickerte. So genau ließ sich das nicht erkennen. »Von dort aus geht es in den Schlangentempel«, dröhnte Carberrys hallende Stimme auf. Sie pflanzte sich an den Wänden fort und kehrte als vielfältiges Echo wieder zurück, bis sie wispernd erstarb. Ein ideales Versteck, überlegte Hasard. Hier kam niemand hin. Eingeborene oder Wilde gab es auf dieser Insel nicht. Jener Stamm, der das Schlangenzeichen hinterlassen hatte, mußte schon seit vielen Jahren wieder von der Schlangen-Insel verschwunden sein. Das restliche Wasser war nur noch sehr flach, als sie hindurchwateten. Es ging weiter durch einen kleinen, niedrigen Stollen, an spitz gewachsenen Felsen vorbei, bis der Schlangentempel auftauchte. Hasard blieb gebannt stehen. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Er glaubte, ein leises Pochen in seinem Schädel zu spüren. Und von irgendwoher aus weiter Ferne drang leise sphärisch klingende Musik herüber. Sie schien aus einer anderen Welt zu stammen. »Was ist, Hasard?« hörte er die Stimme Siri-Tongs. Sie sah seinen leeren, ausdruckslosen Blick, der in weite Fernen gerichtet war. Er schien den Schlangengott mit den glühenden Augen nicht zu bemerken, er sah durch die Statue hindurch. Der Schlangengott war aus purem Gold getrieben, übergroß und wand sich um eine nackte, aus Bronze gearbeitete Indianerin. Und diese Indianerin trug Arkanas Züge! Das war es, was den Seewolf so verblüffte. In seinem Kopf dröhnten dumpfe Trommeln, Geruch nach würzigen Krautern verbreitete sich, er sah den geschmeidigen schlanken Körper der Schlangenpriesterin und versuchte mit aller Gewalt, das Bild vor seinem geistigen Auge festzuhalten. Vergeblich!
Hasard sah sich ernüchtert um. Ihm war, als erwache er soeben aus einem faszinierenden Traum. Aber die Erinnerung verwischte und ließ sich nicht festhalten. Sie wehte davon wie der Wind, der Arkanas Namen trug und ihn weit fortwehte. »Was fesselt Sie so an diesem Mädchen?« fragte die Rote Korsarin. Immer noch hörte Hasard Ärger und Eifersucht aus ihrer Stimme überdeutlich heraus. Er schüttelte den Kopf. Fast wütend wandte er sich ab. »Ich weiß es nicht«, sagte er, »ich glaube, sie zu kennen. Aber immer wenn ich daran denke, taucht eine dunkle Wand auf und alles wird unsichtbar und verschwindet.« Plötzlich brach ein unbeschreiblicher Tumult los. Die hinter den Seewölfen herdrängenden Piraten hatten den goldenen Schlangengott, der sich um die nackte Indianerin ringelte, entdeckt. Obszöne Bemerkungen erfüllten den Tempel. Ein paar der Kerle feuerten ihre Barren auf den Boden und stürmten brüllend vor. Sidi Mansur war der erste, der zur Statue stürmte. »Mensch!« brüllte er mit überkippender Stimme. »Augen aus Edelsteinen. Die holen wir uns!« Don Ravella, Bill the Deadhead, der Mann mit dem goldenen Totenkopf auf der Brust, Juan, der Bootsmann, Rahim Baa und der ewig schmuddelige Muddi sowie ein paar andere Kerle stürmten nach vorn und umringten die Statue. Von den Augen des Schlangengottes schien ein drohendes Leuchten auszugehen. Siri-Tong fuhr wütend herum. »Zurück! Sofort zurück!« schrie sie. Die Kerle hörten nicht. Ihre Gier stieg ins Unermeßliche. Sidi Mansur versuchte, eines der grünlich leuchtenden Augen zu ergreifen, um es herauszubrechen. Da war Hasard mit ein paar schnellen Sätzen bei ihm. »Zurück!« donnerte seine Stimme, daß es laut durch den
ganzen Tempel hallte. Der Mischling war nicht zu halten. Sein Gesicht war verzerrt vor Gier, er stieß Hasards Arm rauh beiseite. Der Seewolf griff zu, und in diesem Griff steckte eine unbändige Wut, die ihn spontan überfiel. Sidi Mansur hatte seinen Arm noch nicht ganz zur Seite gewischt, als eine eisenharte Faust in seinem Nacken explodierte. Der Mischling flog davon, sauste an dem Schlangengott vorbei und schlitterte bis an die Wand. Mit wutverzerrtem Gesicht kam er auf die Beine. Seine rechte Hand riß das Messer aus dem Hosenbund, und mit einem Schrei der Wut und Enttäuschung sprang er Hasard an. »Verschwinde, du Bastard!« brüllte er den Seewolf an. Bastard! Das Wort detonierte in Hasards Schädel. Immer schon hatten sie ihn Bastard genannt, auf der Feste Arwenack, dann in Spanien, als er alles über seine Herkunft erfuhr. Bastard! Und das wagte eine hinterhältige, schmierige Type wie dieser Mansur laut zu sagen. Schnell war er bei ihm, blockte das Messer ab, das auf sein Gesicht zustieß, und ließ die Linke vorschnellen. Sidi Mansur wich nicht mehr schnell genug zurück. Die Faust erwischte ihn mitten im Gesicht, schlug seine Nase platt und schüttelte ihm die Knochen durcheinander. Das Wasser schoß ihm in die Augen. Blindlings vor Wut stach er zu, hieb mit dem Messer wilde Kreise durch die Luft. Hasard ließ ihn rasen, ging ein paar Schritte zurück und verpaßte ihm zwei knallharte Schläge in den Körper, die den schmierigen Kerl nur so schüttelten. Er gelangte mit dem Messer nicht an den Seewolf heran. Ein weiterer Schlag beendete den Kampf. Sidi Mansur streckte sich der Länge nach auf dem Boden aus. Hasard drehte sich um und musterte die anderen aus schmalen Augen. »Wer es noch einmal versuchen will, kann es gleich tun«, sagte er ruhig.
Don Ravella schob sich vor. Niemand wußte, wie er wirklich hieß. Den Namen hatte er sich selbst zugelegt. Er wurde von vielen Hafenbehörden gesucht, seit er die spanische Galeone beraubt hatte, auf der er desertiert war. Einmal hatten die Spanier ihn erwischt und bei der anschließenden Folterung das rechte Auge ausgestochen. Seitdem trug Ravella in der leeren Augenhöhle einen großen funkelnden Diamanten, der ihm, zusammen mit seinem schwarzen Vollbart, ein dämonisches Aussehen verlieh. Sein linkes dunkles Auge funkelte den Seewolf an. Drohend war es auf Hasard gerichtet. »Tu das nicht noch einmal, Mann!« sagte er hitzig. »Dieses verdammte Indianerweib gehört weder dir noch einem anderen. Und ...« »Halt die Schnauze, Schwarzbart«, erklang Carberrys unbeteiligt wirkende Stimme, »sonst fehlt dir das andere Auge auch gleich!« »Aber dann schaut er dich nie mehr an«, sagte Tucker grimmig. Hasard ging auf den Schwarzbart zu. Ganz dicht blieb er vor ihm stehen und musterte ihn von oben bis unten. Er konnte es sich nicht leisten, ständig von diesen verlausten Piraten, Schnapphähnen und Galgenvögeln angepöbelt zu werden. Das heizte nur die Stimmung auf, schuf weiteres Mißtrauen und verschärfte die ganze Lage. Deshalb griff er drastisch durch, egal, ob die Rote Korsarin damit einverstanden war oder nicht. Sein Blick wanderte zu Carberry, der verstehend grinste, noch bevor Hasard auch nur ein Wort gesagt hatte. »Profos!« Die Stimme des Seewolfes klang kühl. »Sir?« »Dieser Mann erhält nach der Rückkehr zehn Schläge mit der Neunschwänzigen wegen Disziplinlosigkeit. Der andere Mann erhält ebenfalls zehn Schläge. Verstanden, Profos?«
»Aye, aye, Sir, verstanden!« Ein paar Sekunden lang herrschte eine unnatürliche Ruhe in dem Schlangentempel. Siri-Tong wandte den Kopf und starrte Hasard an. Er sah, wie sie schluckte. Er sah aber auch den bewundernden Blick, den sie ihm zuwarf. Ja, das war ein Kerl, dachte sie. Ein Mann aus Eisen, der hart durchgriff, wenn es nötig war, der sich nicht scheute ... Ein Schrei klang auf. Sidi Mansur stand wieder und wollte sich auf Hasard stürzen. Don Ravella sprang den Seewolf an. Sein Gesicht glühte vor Zorn, mit geballten Händen ging er Hasard an, der ihn sofort hart und erbarmungslos in die Mangel nahm. Tucker schnappte sich Sidi Mansur und beförderte ihn mit einem Tritt in den Hintern erneut an die Wand. Hasard schlug dem Spanier die Fäuste in den Leib, bis dem Schwarzbart die Luft ausging und er stöhnend am Boden hockte. »Fünfzehn Schläge für diesen Mann, Profos!« sagte er dann. »Aye, aye, Sir, fünfzehn Schläge!« wiederholte Carberry. Damit hatte sich ihr Mütchen gekühlt. Unbeteiligt stand der Boston-Mann dabei, die Hände über der Brust verschränkt. Er tat so, als ginge ihn das alles nichts an. Ravella sah ein, daß er gegen die Crew des Seewolfes nichts ausrichten konnte. Die Kerle waren zu hart und zu wild. Sie würden ihn zusammenprügeln, bis er nicht mehr laufen konnte. Ein höhnisches Grinsen lag in seinem Gesicht, er warf Sidi Mansur einen schnellen Blick zu. Ja, sie beide würden sich rächen, und wenn der Seewolf sie wirklich auspeitschen ließ, sollte er es tun. Die ganze Crew würde dann ihr blaues Wunder erleben, nahm der rachsüchtige Mann sich vor. Sidi Mansur kochte vor Wut. Er dachte ebenfalls nicht daran, diese Schmach auf sich sitzen zu lassen. Dieser hergelaufene
schwarzhaarige Teufel würde es noch bereuen, sich mit ihm angelegt zu haben. Hasard registrierte die Blicke, die die beiden tauschten. Er wußte, daß er sich zwei neue Todfeinde geschaffen hatte, die ihn von nun an aufmerksam belauern würden. Und er war überrascht, als der verschlagene Mansur auf ihn zutrat und falsch lächelte. In seinen Augen aber glomm böser Haß. »Nichts für ungut, Sir«, sagte er heuchlerisch. »Begraben wir den Streit. Uns sind nur die Nerven durchgegangen.« Hasard wandte sich wortlos ab. Er hatte die beiden hinterhältigen Kerle längst durchschaut. 2. Es wurde späte Nacht, bis auch der letzte Barren und die letzte Truhe mit Perlen an ihrem Platz im Schlangentempel standen. Unter diesen Umständen hatte der Seewolf darauf verzichtet, den beiden Männern noch heute ihre Lektion zu erteilen. Das sollte aber am nächsten Morgen nachgeholt werden. Die Männer schliefen tief und fest, bis auf die beiden Wachen, Dan und Roskill, die der Seewolf eingeteilt, und denen er eingeschärft hatte, wachsam zu sein. Er traute der Bande von Siri-Tong nach dem vergangenen Abend nicht mehr über den Weg. Als Morgan und Grey die beiden Männer ablösten, hatte sich nichts getan. Auf dem Schiff der Roten Korsarin war alles ruhig geblieben. Kein Mensch ließ sich blicken, sie hatten auch keine Wache aufgestellt. »Diesen Mistkerlen traue ich nicht«, sagte Dan. »Die planen ganz sicher etwas. Habt ihr nicht die Blicke gesehen, die sie sich dauernd zuwarfen?« »Klar«, erwiderte Morgan. »Aber was können sie tun?
Abhauen geht von dieser Insel nicht. Mit dem Schiff kommen sie in den nächsten drei Tagen nicht heraus.« »Und trotzdem haben die etwas vor«, widersprach Dan. »Mansur, dann dieser verlauste Spanier und die kleine Dreckratte, das gibt einen Verein, der ständig klaut und etwas ausheckt. Wir müssen verdammt scharf auf sie aufpassen.« Darin waren sich alle einig. Nur was die Kerle planten, wollte ihnen nicht in die Köpfe. An diesem Morgen war der Himmel nicht von der gewohnten Bläue, wie sie ihn fast immer von der Schlangen-Insel kannten. Wolkenfetzen jagten über die Felsen, ein steifer Südwestwind blies. Draußen vor der Passage, liefen aufgeregte kleine Wellen kreuzförmig hin und her und gischteten an die spitzen Klippen. Immer mehr überzog sich der Himmel, immer wilder wurde die See, nur hier in der Bucht, da blieb alles still, da war das Wasser ruhig und unbewegt. Es gab keinen geschützteren Platz als diesen für ein Schiff. An Bord der ›Isabella‹ herrschte noch die gewohnte Ruhe. Drei oder vier Männer schliefen in der Kuhl, Matt Devies hatte es sich auf der Back bequem gemacht, und der riesenhafte Batuti schnarchte unter einer Nagelbank. Die anderen schliefen im Vorschiff, bis auf den Kutscher, der gerade verschlafen an Deck trat, ausgiebig gähnte und nach der Pütz griff, um sich einen Eimer Wasser über den Schädel zu gießen. »Heute mittag gibt’s zarte feine Schildkröten«, versprach er den Männern. »Die hab ich gestern noch selbst gefangen. Ho, wird das ein Essen, Leute!« »Und hinterher Bananen«, fiel Dan begeistert ein. »Klar, hinterher Bananen«, versicherte der Kutscher. »Und morgen essen wir gebackenen Fisch, Leute. Hier gibt’s ja alles, was das Herz begehrt.« »Sogar Prügel für die Piraten«, sagte Dan. »Ich bin gespannt, ob sie kommen, um sich die Schläge abzuholen.« »Das glaubst du selbst nicht«, meinte Bob Grey. »Die lassen
sich doch nicht mehr bei uns blicken.« Dan und Roskill hatten nur zwei Stunden Wache geschoben, sie waren putzmunter und wollten sich auch nicht mehr hinlegen. Der heutige Tag war für die Männer frei, jeder konnte also tun und lassen, was er wollte. Faulenzen, schwimmen, angeln oder sich auf der Insel umsehen. Der Schimpanse Arwenack flitzte durch die Kuhl, entdeckte unter der Nagelbank den schlafenden Batuti und hielt ihm die Nase zu, bis der Neger sich regte und losprustete. Bei den anderen Schläfern wiederholte er das Spiel, bis einer nach dem anderen fluchend auf den Beinen war und sich reckte. Eine knappe Stunde später erschienen Hasard und Ben Brighton an Deck. Das Wetter war jetzt noch stürmischer geworden. Vor der Insel donnerte die See an die Klippen, brach sich schäumend und grollend und gischtete in hohen Brechern an den Felsen hoch. In der Bucht lagen sie wie in Abrahams Schoß, ruhig und sicher. Dan sprang über Bord und schwamm ein paar Runden, als Hasard ihm vom Achterkastell aus zurief: »Denk an die Kalmare, Dan. Tauche an den Felsen nicht. Wenn dich eines der Biester erst einmal gepackt hat, dann gibt es kein Entkommen mehr!« »Keine Angst, ich paß auf!« schrie Dan zurück. Er entsann sich noch überdeutlich an den riesigen Kalmar, der die Rote Korsarin so urplötzlich in die Tiefe gezogen hatte, als sie das Wettschwimmen um die Galeone veranstaltet hatten. Hasard hatte im allerletzten Augenblick eingegriffen und dem riesigen Tintenfisch den Lebensnerv zwischen den Augen durchgebissen. Damit hatte er Siri-Tong zweifelsfrei das Leben gerettet, und von da an bewunderte sie insgeheim und manchmal ganz offen den Seewolf, was Donegal Daniel O’Flynn wiederum nicht paßte, weil Hasard mit seiner
Schwester Gwen verheiratet war. Hasard beobachtete die Wolken. Von den Gedanken, die Dan durch den Kopf gingen, ahnte er nichts. Er wußte auch noch nicht, daß seine Frau Gwen einer Intrige von Burton und dem ziegenbärtigen Keymis zum Opfer gefallen und längst tot war. »Sieht nach einem ausgewachsenen Orkan aus«, meinte der Seewolf in Bens Richtung hin. »Wie damals, als wir hier hineingetrieben wurden«, erwiderte Ben. »Aber da war es noch schlimmer.« Ja, als sie im Meer der toten Seelen steckten, hoffnungslos von allem abgeschlossen, da war es wirklich noch schlimmer gewesen. Hasard streifte die Erinnerung ab. Sein Blick wurde hart, als er zum Piratenschiff hinüberblickte, wo es sich jetzt ebenfalls an Deck regte. Er erkannte Muddi, die miese dreckige Ratte, die verschlafen an Deck erschien. Er stand da, hustete und spuckte, bis sein magerer Körper krampfartig geschüttelt wurde. Dann kotzte er ins Wasser und rülpste so laut, daß es bis zur ›Isabella‹ herüberklang. »Mann, sind das Galgenvögel«, sagte Hasard angewidert. »Nicht mal geschenkt möchte ich die Kerle haben.« Zwei, drei weitere Gestalten tauchten hinter Muddi auf, der immer noch am Schanzkleid lehnte, spuckte, würgte und hustete. Wahrscheinlich hatte er sich in der Nacht wieder einmal sinnlos besoffen und jetzt ging es ihm dreckig. Der Wind trug die Worte herüber, die an Bord fielen. Jedes einzelne Wort war deutlich zu hören. »He, guckt euch den mal an!« schrie Juan, der Bootsmann, ein Kreole, der gern die Leute schikanierte. »Ich finde, Muddi stinkt mal wieder wie ‘ne alte Sau. Wollen wir ihn abschrubben? He, Bill, gib mal den Holzkeil her, damit er nicht so schreit!« Die anderen Kerle fielen in das Geschrei begeistert ein. Im Nu hatten sie den kleinen stinkenden Muddi umringt und gepackt.
Bill the Deadhead, der Mann mit dem goldenen Totenkopf auf der Brust, schob dem tobenden und schreienden Muddi einen Holzkeil zwischen die Zähne und schlug mit der Faust hinterher. Ein anderer legte Muddi einen Strick um den Hals, als wollten sie ihn erhängen. Dann wurde Muddi von harten Fäusten gepackt und über Bord geworfen. Er zappelte, schlug wild um sich, versuchte den Holzkeil wieder loszuwerden und zog Wasser durch die Nase, weil er nicht schwimmen konnte. Der Javaner Rahim Baa, den sie vor Monaten halbtot und verhungert auf einer Insel gefunden hatten, beteiligte sich mit satanischer Freude an dem Werk. Niemand hatte ihn je in einem Hemd gesehen. Vermutlich besaß er keins. Sein Körper war narbenübersät, er hatte dunkle kurze Haarborsten und weit abstehende Ohren. Wegen dieser Ohren zogen sie ihn auch ständig auf. Allen Ernstes wurde behauptet, Rahim wäre früher mal als Klüversegel auf einer Austernschaluppe gefahren. Als sie ihn auf der Insel gefunden hatten, da hatte er sich an Kisten voller Gold geklammert, die man ihm später geklaut hatte. Die Seewolf-Crew stand am Schanzkleid und sah zu. Auch Ferris Tucker und Ed Carberry waren an Deck. Sie konnten keine Sympathien für die Kerle empfinden, außer vielleicht für den Boston-Mann, den schweigsamen Burschen mit dem großen goldenen Ohrring, der sich jedoch an der morgendlichen Prozedur nicht beteiligte. Muddi, schon halb ersoffen, wie es schien, wurde wieder an Bord gehievt, am Hals natürlich, bis er fast erstickte. Sie warfen ihn auf Deck, schrubbten ihn ab und hin und wieder goß einer ihm ein paar Pützen Seewasser über den Schädel. Erst als Muddi sich nicht mehr rührte und keinen Ton von sich gab, ließen sie ihn liegen. Er stand erst nach einer geraumen Weile mühsam wieder auf und torkelte an Deck umher, wo ihm einer nach dem anderen ein Bein stellte. »Ich habe nichts gegen rauhe Spaße einzuwenden«, sagte
Hasard, »aber das finde ich zum Kotzen.« Die Mannschaft stimmte ihm bei. Auch auf der ›Isabella‹ hatten sie sich mitunter in der Mangel. Wo rauhe Kerle zusammen waren, blieben rauhe Späße auch nicht aus. Aber noch niemals war ein Wehrloser bei den Seewölfen so behandelt worden. Carberry sah den hinterhältigen Spanier und Sidi Mansur. Er hob die Faust und drohte hinüber. »Kommt her, ihr feigen Hunde, und holt euch die Prügel ab, die man euch gestern versprochen hat!« Die beiden Kerle tippten sich an die Stirn und grölten laut. Da stand unversehens die Rote Korsarin hinter ihnen. Eine leichte Bewegung mit dem Degen an ihren Hälsen ließ die Kerle herumfahren. Siri-Tong lächelte kalt und verletzend. »Habt ihr nicht gehört?« rief sie schneidend scharf. »Mister Killigrew hat euch zu der Neunschwänzigen verurteilt.« »Der Kerl hat uns überhaupt nicht zu verurteilen!« fauchte Don Ravella erbost. »Wir stehen unter Ihrem Kommando, Madame!« »Ihr werdet eure Strafe antreten, und zwar freiwillig. Oder habt ihr etwa Angst vor ein paar Schlägen?« fragte sie höhnisch. Das wollten die beiden nicht auf sich sitzen lassen. Aber sie blieben weiterhin störrisch. »Ich habe keine Angst«, sagte Ravella. »Ich sehe es nur nicht ein. Und ich werde es auch nicht tun.« »Das ist Meuterei. Ich verurteile euch beide. Ihr werdet jetzt sofort zur ›Isabella‹ übersetzen, eure Schläge einstecken und zurückkehren, so wie es sich für Männer gehört.« »Der verdammte Seewolf kann mich ja holen, wenn er will«, erwiderte Ravella giftig. »Und mich auch«, stimmte Sidi Mansur mit ein. Auf der Galeone hörten sie jedes Wort. Ed Carberry lachte leise.
»Das hat es bei uns auch noch nicht gegeben«, sagte er, »daß die Kerle an Bord kommen und sich ihre Prügel selbst abholen.« »Sieht nicht so aus, als würde das der Fall sein«, sagte Hasard. Aber er hatte sich getäuscht. Nicht so sehr in den beiden Kerlen als in der Roten Korsarin. Sie stand einwandfrei hinter Hasard, und das mußte die Kerle natürlich nur noch mehr wurmen. Ravella riß noch einmal den Hals auf. »Befehlen Sie hier, Madame, oder befiehlt neuerdings der Engländer über unser Schiff?« Ihr Degen zuckte durch die Luft. Den ersten Degen, einen kleinen zierlichen, hatte Carberry voller Wut zerbrochen und ihr vor die Füße geworfen. Dieser hier war länger, und von den Piraten traute sich das niemand zu, ihn ihr aus der Hand zu reißen. Don Ravella wollte noch zurückspringen, doch der Degen war schneller. Er ritzte sein Ohr und zog eine Furche hinein, aus der langsam das Blut tropfte. »Damit du in Zukunft weißt, wem du zu gehorchen hast«, stellte sie sehr ruhig fest. »Und wenn du jetzt nicht sofort hinüberfährst, dann lasse ich dich an der nächsten Gaffelrute hängen!« Ein haßerfüllter Blick aus dem einen Auge traf Siri-Tong. »Das wird Ihnen noch leid tun, Madame«, knirschte Ravella. Juan trat auf ihn zu und gab ihm einen derben Stoß in die Rippen. »Zeig dich als Mann, du verdammter Kastanienfresser«, herrschte er den Spanier an. »Und du verlauster Hund auch!« brüllte er den vor Angst schlotternden Mansur an. Ravella hatte keine Angst, das war sicher. Sein Stolz ließ es nur nicht zu, so vor den anderen gedemütigt zu werden. Und daß der Seewolf gleich so hart durchgriff, hätte er sich nie träumen lassen. Dafür würde dieser Hund bezahlen, das schwor
er sich in dieser elenden Minute. Bei Sidi Mansur hingegen sah es ganz anders aus. Er hatte eine höllische Angst vorm Auspeitschen. Schon beim ersten Schlag würde er lauthals losbrüllen, das wußte er. Und die anderen würden sich über ihn halbtot lachen. Aber vermutlich würde der Seewolf ihn nicht auspeitschen lassen oder es nicht können, daran klammerte er sich. Hasard sah, wie sie ins Boot stiegen, begleitet von Siri-Tong, die den beiden Kerlen verächtliche Blicke zuwarf. Sonst hatten sie ihre großen Schnauzen immer ganz oben, besonders, wenn es darum ging, andere zu quälen. Sie verfolgten sie mit gierigen Blicken, zogen sich aber immer sofort zurück, sowie sie es bemerkte. Nein, sie hätte sich tausendmal lieber eine andere Crew gewünscht als diese hinterhältigen Kerle, bei denen man nur dann oben blieb, wenn man hart und unnachgiebig durchgriff. Deshalb bewunderte sie den Seewolf unter anderem, deshalb bewunderte sie die Leute aus seiner Crew und die Zucht, die an Bord herrschte. Und auch aus diesem Grund bestand sie darauf, daß die beiden ihre verdiente Strafe an Bord der ›Isabella‹ empfingen. Der Seewolf wollte ihr zeigen, wie man mit Gesindel umsprang, und er hatte recht. Der eisenharte Kerl gab nie nach. »Die kommen tatsächlich«, raunte Stenmark dem alten Segelmacher Will Thorne zu, der neben Batuti und Shane am Schanzkleid lehnte. Dahinter stand Old O’Flynn mit seinem neuen Holzbein und starrte aus seinem verwitterten Gesicht zu dem anlegenden Boot hinunter. Die ersten Augen begannen aufzuleuchten, als die Burschen von oben hinunter ins Boot lugten und beim Festmachen helfen wollten. Jeder schielte in die rote, am Hals zwei Knöpfe weit geöffnete Bluse der Korsarin, und jeder gab sich Mühe, es vor den anderen nicht merken zu lassen. »Platz da«, sagte der Seewolf.
Die Männer verstanden. Hastig zogen sie sich zurück. Siri-Tong kletterte an Deck. Sofort suchte ihr Blick Hasard, und dabei glitt ein leicht verträumtes Lächeln über ihre ebenmäßigen Züge. Old O’Flynn sah es mit Mißvergnügen. Sein Gesicht verschloß sich noch mehr. Mit dem Holzbein pochte er vernehmlich ans Schanzkleid. Inzwischen hatte sich das Wetter weiter verschlechtert. Der Sturm heulte und toste um die Klippen, pfiff durch die Passage und erzeugte hohl klingende, seltsam klagende Laute. Don Ravellas dämonisches Gesicht sprach Bände. Haßerfüllt sah er einen nach dem anderen an. In seinem künstlichen Auge verfing sich das Tageslicht und ließ es hell aufblitzen. Hochaufgerichtet stand er da und blickte den Profos an, der die Neunschwänzige in der Hand hielt und sein Rammkinn weit vorgeschoben hatte. »Peitsch mich ruhig aus, Narbengesicht«, sagte er leise, »aber einmal kommt der Tag, an dem du es bereuen wirst.« Carberry gab keine Antwort. In seinem narbigen Gesicht zuckte kein Muskel. Er liebte es nicht, andere zu prügeln, im Grund seines Herzens war er ein gutmütiger Kerl, auch wenn er sich nicht so gab und nicht so aussah. Aber Hasard mußte ganz einfach ein Exempel statuieren, das war allen klar. Wenn die Kerle sich angesichts einer indianischen Statue nicht beherrschen konnten, dann würde es auch nicht mehr lange dauern, bis sie die Seewölfe selbst beklauten. Nur deshalb sollte es den beiden eingebleut werden. »Sie wissen, weshalb ich Sie bestrafen lasse, Ravella«, begann der Seewolf. »Wir wissen nicht, welche Tabus wir verletzen, wenn wir gierig und unüberlegt handeln. Es ist uns schon einmal ähnlich auf den Azoren ergangen. Nur weil ein Verrückter sich nicht beherrschte, gab es ein paar Tote. Und ich habe Sie vorher ausdrücklich gewarnt. Wenn Sie ...« »Quatschen Sie nicht solange, fangen Sie an! Ich will den Mist nicht mehr hören. Na, los schon!« schrie Ravella den
Profos an. Hasard trat schweigend zur Seite. Mit diesen Kerlen war nicht zu reden, sie waren Gesindel und würden es immer bleiben. Sie wollten nur klauen, morden, prügeln, saufen und huren. Mehr Platz war in ihren Hirnen nicht. »Fang an«, sagte er zu Ed. »Aye, aye, Sir. Soll ich dich anbinden?« fragte Ed grollend. »Nein!« brüllte Ravella. »Ich laufe nicht weg!« Er beugte seinen Oberkörper leicht über die Nagelbank und hielt sich mit beiden Händen an den Koffeynägeln fest. »Fünfzehn Schläge, Ed«, sagte der Seewolf. Carberry riß ihm das Hemd herunter. Ein narbenbedeckter Rücken erschien. Spuren von Messerstichen und Hieben mit der Peitsche waren zu sehen. Der Spanier hatte also nicht die erste Prozedur dieser Art hinter sich. Danach, wie er aussah, schien er ein verdammt harter und unbelehrbarer Bursche zu sein. Auch diese Tracht Prügel würde ihn nicht ändern, das war sicher. Carberry, der Zuchtmeister, holte mit der Neunschwänzigen aus. Er schlug nicht übertrieben kräftig zu, er schlug aber auch nicht lasch. Schließlich sollte der Kerl wissen, auf was er sich da eingelassen hatte. Nach dem ersten Schlag zuckte der Spanier mit keiner Miene. Er nahm es fast gelassen hin und versuchte verächtlich zu grinsen. Nach dem zweiten Schlag verging ihm das Grinsen und beim dritten verzog sich sein Gesicht schmerzhaft, und sein Mund verzerrte sich. Nach dem fünften Schlag stöhnte er laut. Die Haut platzte auf, und von nun an wurde jeder weitere Schlag immer schmerzhafter. Einer begann laut zu wimmern. Es war aber nicht Don Ravella, sondern Sidi Mansur, der aus großen Augen zusah und jedesmal zusammenzuckte, sobald die Peitsche den Rücken seines Kumpans traf. Er litt mehr als der Spanier, oder er
dachte daran, daß auch er gleich an die Reihe kam und daß es für ihn dann wesentlich schlimmer werden würde. Er tastete sich zum Schanzkleid und wollte mit einem wilden Satz über Bord springen, aber Dan hatte seine Absicht erkannt und hielt ihn fest. Außerdem stand da noch Matt Davies, und der hielt ihm seine scharfgeschliffene Hakenprothese dicht unter die Nase. »Du willst wohl kneifen, du Scheißer, was? Wenn du springst, reißt dieser Haken hier deinen Hintern bis an die Halskrause auf. Das ist schlimmer als zehn lausige Hiebe.« Mansur starrte den mörderischen Haken an, der dicht vor seiner Visage schwebte. Er schluckte und wurde lammfromm, als der Spanier nach dem letzten Schlag zusammenbrach. Der Kutscher leerte einen Kübel Seewasser über sein Kreuz und spülte das Blut fort. Eine zweite Pütz folgte. Don Ravella kam wieder zu sich, taumelte benommen hoch und sah sich wild um. Seine Lippen bluteten, so sehr hatte er vor Schmerz darauf gebissen. »Na wartet«, keuchte er, »das ist noch lange nicht vergessen.« Ein letzter haßerfüllter Blick traf den Seewolf, ein zweiter den Profos. Dann griff Ravella nach seinem Hemd und wollte es überziehen. Der Kutscher hielt ihn zurück. »Komm her, ich verbinde das und packe dir Salbe drauf«, sagte er gutmütig. »In ein paar Tagen ist alles ...« »Hau ab, du Bastard!« schrie der Spanier. »Rühr mich nicht an, du Hund!« »Dann leck mich doch«, brummte der Kutscher. Wutschnaubend und jede Hilfe schroff ablehnend, stieg Ravella ins Boot. Dort hängte er sich mit dem Bauch über die Ducht und versuchte ruhig zu atmen. Siri-Tong hatte keinen Kommentar gegeben. Unruhig wanderte sie in der Kuhl auf und ab. Nur manchmal sah sie verstohlen den Seewolf von der Seite an, sein hartes
männliches Gesicht, die schneeweißen Zähne und die eisblauen Augen, die sie jedesmal in ihren Bann schlugen, wenn sie seinen Blick auffing. Unbewußt seufzte sie leise. Stenmark, Morgan und Bowie sahen nicht hin, als sie Mansur an den Mast binden mußten. Ihre Blicke ruhten wohlgefällig auf dem runden Hinterteil der Korsarin. In ihren überknapp sitzenden blauen Schifferhosen wurden die Formen stark betont. Stenmarks Blick wurde richtig verträumt, Luke Morgan fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, und Jeff Bowie schluckte ständig. Sidi Mansur hing jetzt am Mast. »Zehn Schläge, Ed«, sagte der Seewolf. Carberry nickte und wiederholte den Befehl. In der rechten Hand hielt er die Peitsche, mit der linken fetzte er Mansur das Hemd über dem Rücken auseinander und wollte gerade zuschlagen, als er, wie vom Donner gerührt, zusammenzuckte. Hilflos sank sein Arm mit der Peitsche nach unten. »Das das gibt es doch nicht«, murmelte er betroffen. »Was ist, Ed?« peitschte Hasards scharfe Stimme über Deck. »Willst du nicht endlich anfangen?« »Ich’ ich trau mich nicht, Sir«, sagte der Profos lahm. Weshalb er sich nicht traute, wurde den anderen augenblicklich klar. So einen Rücken hatten sie noch nie gesehen. Ein Ausruf der Verwunderung ging durch ihre Reihen, und alle rückten näher heran. Sidi Mansur grinste lahm. Er hatte es geahnt. Es war nicht das erste Mal, daß er so glimpflich davongekommen war. Bisher hatte sich nur einer getraut zuzuschlagen und das auch nur zweimal. Auf seinem Rücken prangte, dunkelblau eintätowiert, das Bild der drei Gekreuzigten auf Golgatha. Das Kreuz mit dem Sohn des Herrn war scharf herausgearbeitet. Und in dieses Bild sollte der Profos mitten hineinschlagen?
Nein, das konnte er nicht, das brachte er nicht fertig. Sie alle starrten das Bild an. Die meisten von ihnen waren gottesfürchtig. Es wäre eine Todsünde gewesen. Hasard sah das schmierige Grinsen Sidi Mansurs. Mit einem schnellen Satz war er bei ihm. »Du bist doch Moslem«, sagte er hart. »Weshalb hast du dir dann die Kreuzigung auf den Rücken tätowieren lassen, he?« Das Grinsen in dem verschlagenen Gesicht wurde noch schmieriger. »Klar bin ich Moslem, aber ein schlechter«, sagte er breit. »Aber das hier, das hat mir immer noch geholfen, darum!« Mit dem Daumen fuhr er seinen Rücken entlang und grinste wieder. »Hat ‘ne verdammte Stange Gold gekostet!« Er kicherte. Aber geholfen hat es fast immer. Wer schlägt schon dem Herrn ins Gesicht, ha?« »Ich jedenfalls nicht«, verwahrte sich der Profos, »auch wenn es nur ein Bild ist. Es symbolisiert die Leiden, da kann man nicht mit der Peitsche draufschlagen.« »Ed hat recht«, sagte Will Thorne, der Segelmacher. »Ich könnte es auch nicht.« Auch ein paar andere stimmten dem zu, was der Segelmacher sagte. Sogar der alte O’Flynn gab ihm recht. Aber in Hasard stieg die Wut hoch. Dieser miese kleine Schnapphahn wollte sich feige und hinterhältig hinter dem Bild verstecken und ungeschoren davonkommen. »Siri-Tong?« sagte er leise und fragend. Die Rote Korsarin sah ihn schweigend an. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, man sah ihre kleinen schneeweißen Zähne. Ein Blick voller Glut traf den Seewolf. »Ja?« »Würden Sie bitte aufs Achterkastell gehen, Madame?« »Was haben Sie vor?« »Es ist besser, wenn Sie gehen«, erwiderte Hasard.
Sie nickte huldvoll, lächelte leicht und ging mit zierlichen Schritten durch die Kuhl zum Achterkastell hoch. Dort schaute sie gedankenverloren ins Wasser. Hasard trat noch näher an den Gauner heran. »Da bist du ja noch einmal fein davongekommen, was?« fragte er und lächelte dabei. Sidi Mansur feixte jetzt. »Klar!« Er strahlte. »Niemand wird ungestraft den Herrn schlagen. Und jetzt bindet mich los!« »Das werden wir tun«, sagte Hasard. Und dann wandte er sich, immer noch lächelnd, an den Profos. »Laß ihm die Hosen ‘runter. Ed!« »Die Hosen ‘runter, Sir?« fragte der Profos entgeistert. »So sagte ich. Na, wird’s bald?« »He, he, was soll das?« jammerte Sidi Mansur. Aber der Profos fackelte nicht lange. Er riß ihm den Gürtel aus der Hose und warf ihn auf die Kuhl. Sidi Mansurs Hosen begannen zu rutschen. »Wenn du auf deinem verdammten Hintern noch so etwas drauf hast, du Miststück, dann lassen wir dich laufen.« »Aber, ihr ihr könnt doch nicht«, winselte der Pirat. »Er kriegt zwanzig Hiebe, Profos. Zehn dafür, daß er uns für Idioten hält. Die anderen zehn hat er sich ja schon redlich verdient.« »Auf seinen verdammten Affenarsch, Sir?« fragte Ed. »Auf seinen verdammten Affenarsch«, sagte der Seewolf ernst. Carberry grinste noch mehr, als Mansur vorhin gegrinst hatte. »Es wird mir ein Vergnügen sein, Sir«, sagte er. »Ihm werde ich jetzt buchstäblich die Haut von seinem verdammten Affenarsch in Streifen abziehen.« »Die wird sich hinterher sowieso lösen«, sagte Hasard kalt. Und dann schlug der Profos unter dem Gelächter der rauhen Kerle zu.
Ravella hatte es wie ein Mann ertragen, auch wenn er voller Haß war. Aber diese Demütigung eines feigen Halunken wäre ihm dem Tod gleichgekommen. Und Sidi Mansur brüllte und winselte, kreischte, flehte um Gnade, schrie und verfluchte sie alle. Und immer wieder klatschte die Peitsche voller Wucht auf seinen Achtersteven, und diesmal war der Profos gar nicht zimperlich. Fest und kraftvoll schlug er zu. Wieder und immer wieder. Das Gebrüll wurde lauter, tierischer, bis es nach dem fünfzehnten Schlag abbrach und in ein Winseln überging, das dem eines jungen Hundes ähnelte. »Noch fünf Schläge, Ed«, sagte der Seewolf. Flüchtig drehte er sich um und sah zum Achterkastell. Dort stand die Korsarin, die genau wußte, was hier lief, und starrte angestrengt und mit hochrotem Kopf ins Wasser. Sie drehte sich nicht um, aber Hasard sah sie deutlich im Profil. Mansur erhielt die letzten fünf Hiebe und brach aufschreiend zusammen. Carberry warf ihm die Hose an den Kopf, die er durch die heftige Strampelei verloren hatte. »Da, du feiger Hund«, sagte er. »Der Kutscher wird dich abkühlen. Salzwasser heilt.« Der Kutscher hatte schon eine Pütz in der Hand, gefüllt bis an den Rand mit Seewasser. »Soll ich, Hasard?« fragte er. »Macht doch nicht so viele Umstände«, sagte Ferris Tucker. Mit einem Ruck zog er den Schreienden und Tobenden hoch. Dann hob er ihn an und warf ihn kurzerhand über Bord. Es spritzte, als Sidi Mansur in den Fluten versank. Er tauchte gleich darauf wieder auf und paddelte schreiend auf das Beiboot los. Ferris Tucker warf die Hose des Kerls hinunter ins Beiboot. Damit war der Fall erledigt. Die Korsarin kam vom
Achterkastell zurück und gesellte sich zu den Männern. Hasard sah, daß sie sich das Lachen nur sehr mühsam verbiß. »Haben Sie noch mehr so feige Kerle an Bord, Madame?« fragte der Schiff szimmermann. »Leider«, gab sie zu, »vielleicht kriege ich eines Tages doch noch eine anständige Mannschaft zusammen. Männer wie euch«, setzte sie leise hinzu. Hasard erwähnte die Angelegenheit mit keinem Wort mehr. Er sah zu den Wolken hinauf, die jetzt wie ein endloses Band über den Himmel zogen. Mal schwefliggelb, und dann wieder fahl mit dunkel drohenden Wolkenbänken. Und der Sturm pfiff und heulte um das Felsenriff, das Wasser vor der Passage schien zu kochen, so aufgewühlt war es. Niemand aus der Crew wollte jetzt da draußen sein, obwohl sie sturmerprobte und harte Gesellen waren. So manches Schiff würde an diesem Tag zum Teufel gehen, so wild tobte die See. Hasard wußte noch nicht, wie recht er mit diesem Gedanken haben sollte. Er gab den Männern frei. Dan, der Kutscher und Batuti angelten hingebungsvoll nach riesigen Zackenbarschen. Davies, Thorne und Stenmark unternahmen einen kleinen Ausflug auf der Insel. Ben Brighton schwamm ein paar Runden, während Hasard dem Profos und Ferris Tucker erklärte, wie die nautischen Geräte funktionierten, wie man mit ihnen umging und den Standort bestimmte. An Bord der ›Isabella‹ herrschte Sonnenschein, trotz des stürmischen Wetters, das sie in der Bucht überhaupt nicht berührte. Hier pfiff kein Wind, hier war alles still und ruhig. Es war ein Bild des Friedens und der Beschaulichkeit, Nur auf dem Zweimaster der Korsarin war alles ganz anders. 3.
Ravella, Sidi Mansur mit dem lädierten Hintern und Rahim Baa heckten finstere Pläne aus. »Und dann hat dieser verdammte Satan mich auspeitschen lassen«, stöhnte Mansur dem Javaner vor. »Aber wir zahlen es ihm heim, darauf könnt ihr euch verlassen.« Auf seinem Hintern konnte er nicht mehr sitzen, der brannte heißer als das Feuer in der Hölle. Und immer wieder verzog er das Gesicht zu einer Fratze. Der Schmerz machte ihn fast wahnsinnig. Ravella trug es wie ein Mann. Nur der Haß loderte in ihm, ein brennender Haß auf den Seewolf, ein Haß, der sich auch auf Siri-Tong über trug, weil sie es zugelassen hatte, daß der Seewolf sie auspeitschte. Rahim Baa, der Javaner, hörte schweigend zu. Ab und zu nickte er. »Hört zu«, flüsterte Don Ravella. »Daß wir die ganze Crew nicht umbringen können, dürfte wohl klar sein. Die Seewölfe sind zu stark. Aber wir können den Boston-Mann, Bill und Juan umlegen und das Weibstück dazu. Dann nehmen wir den Kahn und hauen ab.« In diesem Moment kreuzte Muddi auf. Eigentlich hieß er Robinson, oder zumindest nannte er sich so, Aber weil er immer dreckig war und stank, hatten sie ihn kurzerhand Muddi getauft, und den Namen hatte er behalten. Beim Anblick seiner Peiniger wollte er zurück ins Vorschiff laufen, doch Ravella krümmte den Zeigefinger und winkte ihn herbei. »Komm mal her! Los, Muddi, komm!« »Ihr wollt mich wieder über Bord feuern, was?« fragte Muddi voller Angst. »Wir wollen was mit dir besprechen. Du gehörst ab jetzt zu uns. Hast du Lust, stinkreich zu werden, Muddi?« »Na klar. Aber wie?«
Ravella setzte ihm und den anderen seinen Plan auseinander. »Wir schnappen uns das Schiff, laden heute nacht die Schätze aus dem Tempel um und verschwinden heimlich.« Muddi schluckte. Mansur kriegte große Augen, und der Javaner nickte beifällig. »Die Galeone kann uns nicht folgen«, erzählte Ravella weiter. »Die kommt nicht über die Barriere, dazu liegt sie zu tief. Aber wir vier werden es schaffen. Wir nehmen nur die Perlen und die Goldbarren, das Silber lassen wir liegen. Und dann hauen wir ab.« »Und sind reiche Männer«, sagte Mansur grinsend. »Aber der Sturm«, gab er zu bedenken. »Quatsch, das bißchen Sturm reiten wir ab, und bis nach Tortuga gelangen wir leicht. Dort können wir den ganzen Kram verscheuern. Na, was meint ihr dazu?« Die Männer waren Feuer und Flamme. Gold! Perlen! Das waren Begriffe für sie, damit konnte man etwas anfangen. Muddi sah sich schon im Geiste in allen Kneipen herumsaufen, Weiber im Arm, angeben, alles kaufen können. Dafür nahm er eine kleine Meuterei gern in Kauf. Und so ganz nebenbei konnte man Juan, Bill, den Boston-Mann und die Rote Korsarin abservieren. Bis die Seewölfe merkten, was hier passierte, waren sie längst aus der Bucht gesegelt. »Vorher würde ich noch die verdammte Galeone in Brand setzen«, sagte Sidi Mansur. »Nein«, erklärte Ravella. »Die sind genug bestraft, wenn wir ihnen ihren Anteil klauen. Die Kerle haben ein paar Truhen mit Perlen versteckt. Schießen wir die Galeone in Brand, dann wird es für uns kritisch. Nein, nein, wir hauen still und leise ab, nachdem wir die Beute umgeladen haben.« »Die haben aber jede Nacht Wachen an Bord«, sagte Muddi. »Na und? Nachts sehen die auch nichts, wenn wir uns am Strand entlang bewegen. Wir nehmen das Boot und fahren von der anderen Seite hinüber. Kein Mensch wird uns da sehen.«
Muddi und Sidi Mansur stellten sich die ungeheure Arbeit vor, die sie heute nacht zu bewältigen hatten. Durch den Stollen kriechen, dann wieder beladen an Bord zurück, das war eine Mordsplackerei. Aber der Lohn, der ihnen winkte, war die Arbeit wert. Außerdem brauchten sie ja bloß die Truhen mit den Perlen und ein paar Goldbarren zu klauen. Dann waren sie reiche Männer. »So, und jetzt gehen wir angeln«, bestimmte Ravella. »Warum denn angeln?« fragte der Javaner entgeistert. »Ich denke, wir wollen die Beute ...« »Natürlich, du Idiot! Aber wenn wir einen großen Fisch fangen und ihn am Strand braten, dann fällt es doch gar nicht auf, oder? Sobald es dann dunkel wird, verschwinden wir und tun so, als wenn wir am Strand pennen würden.« Ravella erhob sich mühsam. Immer wieder platzten die Striemen auf seinem Rücken auf, und immer wieder entrang sich seiner Kehle ein heiseres Stöhnen. Sein Kreuz brannte höllisch, und bei Mansur brannte es weiter südlich noch immer wie das Fegefeuer. Die vier Piraten hatten ihren Entschluß gefaßt. Es gab da zwar noch ein paar »Wenn« und »Aber«, doch das würden sie umgehen. Schließlich waren sie gerissene Halunken. Da die Bucht außerordentlich fischreich war, dauerte es nicht lange, bis sie zwei große Fische am Haken hatten. Niemand kümmerte sich um sie, weder Juan noch Bill. Und die Rote Korsarin befand sich noch auf der Galeone. Gearbeitet wurde nicht, und so konnte jeder tun und lassen, was er wollte. Die vier Kerle schnappten sich die Fische und ruderten an Land. Am Strand entfachten sie etwas später ein Feuer, aßen, grölten herum und soffen erbeuteten Wein. 4.
Hasard war in Begleitung Siri-Tongs und Ben Brightons noch einmal zum Schlangentempel aufgebrochen. Einen Grund dafür konnte der Seewolf nicht angeben, er wußte nicht genau, was es war, aber ein unbestimmtes Gefühl zog ihn mit aller Macht dahin. Ihm war, als suche er nach einem Teil seiner Vergangenheit, die in tiefer Finsternis lag. Im Stollen waren merkwürdige Geräusche zu hören. Dumpfes Brausen erfüllte die unterirdischen Kavernen, der Gong ertönte in regelmäßigen Abständen und immer wieder schien der Untergrund zu erzittern. Aber alle diese Geräusche waren natürlich, und sie waren auch leicht zu erklären, wenn man sie richtig zu deuten wußte. Um die Klippen tobte sich ein Sturm aus, der mit Urgewalten gegen die Felseninsel anrannte, haushohe Brecher hinaufschlagen ließ und nicht zur Ruhe kommen wollte. Die Lavafelsen übertrugen die Geräusche in das hohle Innere und erzeugten auf diese Art die schaurigen, unheimlich klingenden Töne. »Wonach suchen Sie hier eigentlich, Hasard?« hörte er SiriTongs Stimme leise neben sich. Er spürte plötzlich ihre feste kleine Hand in der seinen, als suche sie Schutz bei ihm. »Sie bewegt doch irgend etwas. Was ist es?« Hasard fühlte die kleine feste Hand in der seinen brennen. Vorsichtig löste er die Finger und stieß die Luft aus. »Ich weiß es nicht«, sagte er rauh, »ich weiß es wirklich nicht. Irgend etwas zieht mich hierher. Vielleicht will ich auch nur einmal nach der Beute sehen.« »Ich finde diesen Tempel unheimlich«, sagte sie. »Er wirkt auf mich so fremd und doch wieder so vertraut, als würde ich ihn schon lange kennen.« Hasard wandte ihr das Gesicht zu. Ein rätselhaftes Mädchen, diese Siri-Tong, dachte er immer wieder. Er wurde aus ihr nicht so richtig schlau. Sie schien eine bewegte Vergangenheit hinter sich zu haben. Und merkwürdigerweise war sie in fast
alles verstrickt, was auch ihn anging oder betraf. Das hatte bei ihren unvollständigen Äußerungen angefangen, über die Hasard immer noch grübelte. Über Thorfin Njal, den Wikinger, das Schwarze Schiff mit den schwarzen unheimlichen Segeln, die höllische Bucht mit dem Auge der Götter, einem See, dessen Grund aus Edelsteinen bestehen sollte und der von den Indios scharf bewacht war. Woher nur wußte sie das alles? Hasard selbst kannte diese unheimliche Insel, er hatte auch den Schwarzen Segler El Diabios gesehen und den schwarzen Teufel selbst, der inmitten einer wüsten Orgie gestorben war auf rätselhafte, unerklärliche Art. Als er sie nach Einzelheiten gefragt hatte, war sie ihm mit ein paar nichtssagenden Worten ausgewichen. Auch über Caligu, den KaribikPiraten, wußte sie viel mehr, als sie verraten hatte. Daß dieser Kerl sie einmal auf einer Gräting vergewaltigt hatte, wußte Hasard aus ihren Andeutungen. Aber Caligu war tot, Hasard selbst hatte ihn umgebracht, und trotzdem war da immer noch etwas, das er nicht ergründen konnte. Ben Brighton war den beiden vorausgegangen. Er hatte zwei Fackeln dabei, eine trug er brennend in der Hand, die andere im Hosenbund. Siri-Tong blieb erneut stehen und sah Hasard an. Ihr Blick saugte sich brennend und voller Verlangen an Hasards Gesicht fest, ihre Hand streifte leicht seinen Handrücken, ihre Lippen waren halb geöffnet. Hasard konnte nicht einfach wegschauen, er war nur ein Mann mit allen Fehlern und Schwächen wie andere auch. Und ihre Augen brannten in seinen, ihr Gesicht mit der Pfirsichhaut hob sich ihm entgegen. Hasard war es, als blicke er in die schwarzen Tiefen eines unbekannten Meeres, eines Meeres, in dem man wohlig versinken konnte, vergessen ...
»Hasard!« Ihre Stimme war wie ein Hauch aus weiter Ferne, wie zerfließender Nebel drang sie an sein Ohr. Er schluckte, gab den Blick zurück, gebannt und gleichsam fasziniert von dieser rätselhaften Schönheit. Er mußte sich gewaltsam losreißen, und weil ihm das schwerfiel, wurde er schroff und abweisend. Aber er sah an ihren Augen, daß sie ihn durchschaut hatte. Ihre kleinen schneeweißen Zähne nagten erregt an ihrer Unterlippe. »Auf was warten wir noch?« fuhr der Seewolf sie an. »Wenn wir hier noch lange stehen bleiben, schlagen wir Wurzeln.« »Ich würde gern neben dir Wurzeln schlagen, Hasard!« »Ach, zum Teufel mit Ihrer Samtstimme, Madame! Gehen wir!« Ganz schwach fiel das Licht aus kleinen Rissen und Spalten in den Höhlengang. Auch ohne Fackel konnte man sich einigermaßen gut orientieren. Bevor sie in den Schlangentempel traten, warf Hasard der Freibeuterin noch einen schnellen Blick zu. War er eben zu grob gewesen? War sie beleidigt? Nichts dergleichen, stellte er fest. Wieder lag jenes unergründliche geheimnisvolle Lächeln um ihre Lippen, das sie so interessant machte. Ben Brighton hatte anscheinend nichts gesehen, oder jedenfalls tat er so, als hätte er nichts gesehen. Mit der Fackel in der Hand leuchtete er die Wände ab, dann wieder fiel der Schein des flackernden Lichtes auf die Beute, die Gold und Silberbarren, die eisenbeschlagenen Kisten mit den Kostbarkeiten. Hasard setzte sich auf eine Kiste mit Perlen und versank in dem Anblick des Schlangengottes, dessen Augen wieder zu leben schienen. Eine seltsame Atmosphäre, fand er. Sie nahm ihn immer wieder gefangen, sie faszinierte ihn, hauptsächlich aus dem Grund, weil er hier etwas verloren glaubte, einen Teil seiner Erinnerung vielleicht.
Jedesmal wenn er den Tempel betrat, war ihm, als hätte er übermäßig viel getrunken, bis seine Erinnerung verwischte und sich alles im Dunkel des Vergessens verlor. Siri-Tong war auch in Gedanken versunken. Ihre Gedanken galten jedoch weniger dem Schlangengott als vielmehr dem Beuteschatz, der hier lagerte. Sie war reich, so reich wie noch nie in ihrem Leben, und der Seewolf hatte ihr dazu verholfen. »Ich glaube, es gibt kein idealeres Versteck als dieses hier«, sagte Ben zu der Roten Korsarin. »Hier gelangt die Flut nicht hin, hier wird nur der Boden naß und alles andere steht unter Wasser. Wir werden in nächster Zeit den anderen Eingang wieder zuschütten, so daß nur dieser eine Stollen übrigbleibt.« »Das ist nicht nötig«, sagte sie. »Solange ich die SchlangenInsel kenne, hat sich noch nie ein Mensch hierher verirrt.« »Es könnte trotzdem einmal der Fall sein.« »Dann hat er das Versteck immer noch nicht gefunden. Aber Sie haben recht, es ist vielleicht besser.« »Seht mal da drüben«, sagte Hasard in die entstandene Stille hinein. »Die Nischen sind mir noch gar nicht aufgefallen.« In knapp drei Yards Höhe links über dem Platz, auf dem die Beute lagerte, befanden sich Nischen in der Wand, einige oval, andere kreisrund. Manche hatten einen Durchmesser von mehr als zwei Yards, andere waren kleiner und erinnerten an unterirdische Bestattungsstätten. Niemand hatte sie bisher gesehen, und auch Hasard hätte die Löcher nicht entdeckt, wenn er nicht schon eine ganze Weile die Wand angestarrt hätte. »Ob sie da ihre Toten begraben haben?« fragte Ben. »Das erscheint mir allerdings reichlich unwahrscheinlich. Für Gräber sind die Nischen entschieden zu hoch.« »Sehen wir doch einmal nach«, sagte der Seewolf. Zusammen mit Ben stellte er zwei Kisten voller Perlen übereinander. Mit einem Satz zog er sich hoch. Von hier aus konnte er gut
in die Nischen blicken. Erst nach und nach gewöhnten sich seine Augen an das dahinterliegende Dunkel. Undeutlich erkannte er übereinandergestapelte Dinge, die kleinen Fackeln ähnlich sahen. Mit der Hand tastete er hinein und zog eins der länglichen Dinger hervor. Es war tatsächlich eine Fackel, allerdings nur halb so groß, wie die Seewölfe sie immer benutzten. Er griff noch ein paar heraus und sprang auf den Boden zurück. Die anderen Nischen waren leer gewesen, aber er hatte nur den vorderen Teil gesehen, vermutlich führten sie ein ganze Stück in den Berg hinein. »Fackeln«, sagte auch Ben, als er die Dinger sah. »Damit haben sie früher den Tempel erleuchtet, wenn sie ihren Kult abhielten. Gib mir mal eins der Dinger, bitte.« Als Hasard ihm eine der Fackeln reichte, zündete Ben Brighton sie an der noch brennenden Fackel an, die er in der Hand hielt. Es dauerte eine Weile, bis sie Feuer fing. Ein merkwürdiges Feuer war es. Winzige Funken sprangen von der Fackel, zuerst weißlichgelb, dann grünlich. Hasard nahm ihm die Fackel aus der Hand und steckte sie in die Halterungen der Statue. Insgesamt gab es acht solcher Halterungen. In dem verlassenen Tempel wurde es immer heller. Grünliches Licht verbreitete sich nach allen Seiten. Die Augen des Schlangengottes funkelten und glühten nach allen Seiten, als schienen sie alles in ihrer Nähe zu beobachten. »Er lebt!« schrie Siri-Tong plötzlich. Unwillkürlich wich sie ein paar Schritte vor der überlebensgroßen Statue zurück. Tatsächlich, es hatte den Anschein, als lebe der Schlangengott. Das grüne Licht zauberte Reflexe, und scheinbar rotierte er um das bronzene Indianermädchen, das jetzt ebenfalls zu leben schien. Ihre Züge wurden weicher und gelöster, als grünliches Wabern ihren Körper umhüllte. Und der Schlangengott wand sich immer schneller um sie.
»Er lebt nicht«, sagte Hasard, »das ist nur der Eindruck, den das Licht verursacht.« Gleichzeitig mit den scheinbar zum Leben erwachten Körpern verbreitete sich ein schwerer süßlicher Geruch. Er kroch als grüner Nebel in alle Ecken und von dort die Wände hoch bis an die rauhe Decke. Hasard wußte nicht mehr, ob er wachte oder träumte. Er atmete den süßlichen Duft ein, der schwer war und sich beklemmend auf die Lungen legte. Und in seinem Schädel begann wieder jenes sanfte Pochen, das er verspürte, sobald er das Schlangenzeichen sah. Ben Brighton und die Rote Korsarin verschwammen hinter diesem grünlichen Wabern zu gegenstandslosen Figuren. Sie wurden Schemen, die sich auflösten, wellenförmig davonliefen und verschwanden. Und für Hasard tat sich eine andere Welt auf, getragen wie von leichten Wolken schwebte er davon ... Ein hochgewachsenes schlankes Mädchen, das einen Goldreif von sich windenden grünlichen Schlangen im pechschwarzen Haar trug, trat aus dem Nebel heraus. Sie stand auf einem sandigen Uferstreifen der Insel Mocha und trat Hasard lächelnd entgegen. Noch während die lächelte, verwischte und zerbarst ihr anmutiges Bild in einer grauenhaften Explosion. Hasard fühlte sich weit fortgeschleudert, immer höher hinauf, bis er das Bewußtsein verlor. Als er die Augen aufschlug, beugte sich Arkana über ihn. Besorgt forschten ihre dunklen Augen in seinem Gesicht, betasteten die Wunde, die ihm ein Araukanerpfeil von der rechten Stirnhälfte über die linke Augenbraue zur Wange gerissen hatte. Arkana, die Schlangenpriesterin. Tief atmete er ein, derselbe süßliche Duft, das dämmerige Gewölbe von angenehmer Kühle und der Schein zuckender und tanzender Flammen in metallenen Schalen. Grünlich leuchtende Fackeln erhellten das
Gewölbe, die Wände. Vor ihm wuchs der Schlangengott ins Unermeßliche. Er wurde größer und größer, wand sich in wilden Zuckungen um den Leib der dunkelhäutigen Indianerin, die Arkanas Züge trug. Hasard verspürte fast unerträgliche Schmerzen und wollte hoch von dem weichen Lager, auf das man ihn gebettet hatte, aber Arkana, die Schlangenpriesterin, drückte ihn sanft zurück. Sie rief etwas und gleich darauf erschien ein junger Schlangenkrieger in dem Tempel. In seinen Händen trug er ein Gefäß mit einer grünen Flüssigkeit. Andere Krieger hoben ihn auf und trugen ihn weiter in das Innere des Tempels. Dort lag Ben Brighton in tiefem Schlaf, sein Körper war in eine dichte Lage duftender Kräuter gewickelt. »Bald gesund«, hauchte die Priesterin und ließ den Seewolf wieder zurücktragen. Sie flößte ihm den grünen Trank ein, und sofort verschwamm vor seinen Augen alles. Er fühlte noch, wie das Mädchen lächelnd neben ihn auf das Lager glitt, ihre Hände streichelten sein Gesicht, sie schmiegte sich sanft an ihn. Bevor Hasard in einen abgrundtiefen Schlaf zu sinken glaubte, fühlte er einen brennenden Kuß auf seinen Lippen. Er hatte das Gefühl, mitten im Paradies zu sein. Nur schwer fand er in die Wirklichkeit zurück, die ihm fremd und doch vertraut erschien. Aber hier war alles kälter, hier fehlte die Atmosphäre. Arkana fehlte! Das grünliche Lohen der Fackel war fast erloschen, auch der betäubende Duft, der die Erinnerung zurückrief, verschwand langsam. Hasard erhob sich, etwas taumelnd noch, aber er konnte wieder klar denken. Er sah das verwunderte Gesicht der Roten Korsarin vor sich, dann Ben Brighton, der ihn fast erschrocken anstarrte. »Zum Teufel, das war ja direkt unheimlich«, sagte Ben
verwirrt. »Ich hätte schwören können, daß ich gerade noch auf der Insel Mocha in einem totenähnlichen Schlaf gelegen habe. Ich war in einem Tempel wie diesem hier, ich sah die Schlangenpriesterin so deutlich wie dich jetzt, ich ich verstehe das nicht.« »Beruhige dich«, sagte Hasard lächelnd. »Diese Fackeln verbreiten einen Geruch, der auf irgendeine Art und Weise die Erinnerung zurückholt. Mir ging es nicht anders. Auch ich war in jenem Tempel und Arkana beugte sich über mich. Das hat mir in der Erinnerung immer wieder gefehlt, aber jetzt weiß ich es wieder.« »Und du fühlst dich erleichtert?« »Das kann man wohl sagen. Vorher war alles ungewiß, wie zäher Nebel lag es vor meinen Augen. Arkana naja, lassen wir das jetzt.« Es war besser, wenn er die Erinnerung an jene Nacht im Tempel für sich behielt. Ein Stück davon fehlte ihm immer noch, aber er konnte sich denken, was passiert war. Vielleicht gab es später mal eine Möglichkeit, sich diesen Teil der Erinnerung zurückzuholen. Siri-Tong blickte verständnislos von einem zum anderen. »Ich habe nichts geträumt«, sagte sie. »Mir wurde nur leicht übel, und alles verschwamm vor meinen Augen.« »Geträumt haben wir wahrscheinlich auch nicht«, sagte der Seewolf. »Es war ein durchaus wacher Zustand, glaube ich, man fühlte sich nur wie in der Zeit zurückversetzt. Die Fackeln lassen wir hier, vielleicht benötigen wir sie später einmal.« Da die andere Fackel immer noch brannte, stieg Hasard noch einmal auf die Kisten und leuchtete die Nischen ab. Ganz tief im Innern der Nischen lagen noch mehr dieser Fackeln, zwei andere Nischen waren ganz leer. Siri-Tong starrte ihn fast feindselig an, wie er feststellte. War sie etwa auf seine Vergangenheit eifersüchtig? Dann konnte sie ebensogut auf Gwen, seine Frau, eifersüchtig
sein, überlegte er. Sie ließen die Fackeln, wo sie waren, und Hasard fragte sich, wie es wohl sein mochte, wenn man mehr als eine der Fackeln entzündete. Trat dann die Erinnerung noch stärker hervor? Wurde das Hirn so benebelt von diesem eigenartigen Geruch, daß man seine totale Erinnerung wiederfand? Sie besichtigten noch einmal die riesige Beute, den Schatz, den sie den Spaniern als Wölfe im Schafspelz abgeknöpft hatten. Dann erst kehrten sie wieder den Weg zurück, den sie gekommen waren. An den Klippen toste der Sturm weiter. Brüllend fegten schwere Brecher heran, warfen sich wütend und fauchend gegen die Felsen und zogen sich wieder zurück, gischteten ins Meer hinein, wo sie sich sammelten, und rannten erneut gegen das natürliche Bollwerk. Der Sturm heulte und toste mit elementarer Gewalt. Auf den Klippen spürte man ihn, aber sobald man tiefer zum Strand hinunterging, hörten die Naturgewalten zu toben auf. In der Bucht war alles ruhig, bis auf eine leicht gekräuselte Wasseroberfläche und die Gischt, die sich an der Passage brach. Auf dem Beiboot der ›Isabella‹ angelten immer noch Dan, der Kutscher und Batuti. Im Boot zappelten drei große Zackenbarsche und ein paar Bonitos, die länger als einen halben Yard waren. Der Speisezettel versprach, kräftig angereichert zu werden. »Sie sind zum Essen eingeladen, Madame«, sagte Hasard lächelnd. »Oder gibt es bei Ihnen etwas Besseres?« Spitzbübisch lächelte sie den Seewolf an. »Wohl kaum, denn unser Koch könnte nicht mal einen Fisch backen. Aber ich nehme die Einladung dankend an.« Hasard sah sich nach der Crew der Roten Korsarin um. Aber da war kaum jemand zu sehen. Einer lümmelte träge an Deck herum. Der Boston-Mann hatte sich unter eine Palme am
Strand gelegt und schlief. Und weiter hinten, kurz bevor der Strand in die Felsen überging, flackerte ein Feuer im Sand, vor dem Hasard zwei Kerle erkannte: Mansur und Ravella. Sie brieten sich etwas über der Glut, wahrscheinlich einen gefangenen Fisch. Hasard beschieß, auf die beiden Kerle ein wachsames Auge zu haben. Aber eine knappe Stunde später waren sie verschwunden. Jetzt lag nur noch Muddi neben dem fast erloschenen Feuer. Wie es schien, schlief er ebenfalls. Der Kutscher servierte das Abendessen. Gebackener Fisch in riesigen Mengen, geröstete Bananen in Blättern, dazu spanischen Wein. Ein Festessen, das es nicht alle Tage gab, schon gar nicht auf Schiffen von Freibeutern. Aber heute war das anders, da hatten sie Damenbesuch an Bord, und der Kutscher wollte sich nicht lumpen lassen. 5. Sidi Mansur, Ravella, Muddi und der Javaner Rahim Baa stöberten auf der Insel herum. Die Dunkelheit war hereingebrochen, und noch immer toste an den Klippen die Brandung. Der Sturm hatte etwas nachgelassen, er tobte nicht mehr so wild wie vorher. Jagende Wolkenfetzen zogen am Himmel entlang, und ab und zu lugte rötlichgelb der Mond hervor. Die vier Meuterer schlichen weiter, den Klippen entgegen. Sie wollten sich Gewißheit verschaffen, was der Seewolf und Siri-Tong sowie der Bootsmann der ›Isabella‹ dort im Tempel gewollt hatten. »Und ich behaupte immer noch, sie haben einen Teil der Beute beiseitegeschafft«, murrte Sidi. »Außerdem sind noch ein paar andere Kerle dort oben gewesen. Die gehen doch nicht dahin, um sich die Schätze anzusehen.«
Mit seinem Gerede hetzte er die anderen immer mehr auf. Auch Don Ravella glaubte es jetzt. Klar, die hatten irgend etwas geplant, um sie an der Nase herumzuführen, dachte er. Bestimmt hatten sie sich an den wertvollen Perlen vergriffen. Ravella traute ohnehin keinem, wie auch ihm keiner traute. Als sie die Felsen erreicht hatten, stieg Mansur noch ein Stück weiter hoch. Von hier oben hatte man einen prächtigen Überblick über die ganze Insel, und falls die Seewölfe auf die Idee verfielen, auch nachts nach ihren Schätzen zu sehen, dann gab es keine unliebsamen Überraschungen. Man würde sie früh genug entdecken. Hier oben war es kühl, und der Wind pfiff. Dunkel und geheimnisvoll lag das Meer in endloser Weite vor ihm. Wenn er sich umdrehte, sah er tief unter sich in der Bucht die beiden Schiffe liegen. Mansur wollte gerade wieder zurückkehren, als ihm etwas auffiel. Der Mond beleuchtete sekundenlang ein senkrecht aus dem Wasser ragendes Ding, das einem Schiffsmast verblüffend ähnlich sah. Schnell kletterte er noch höher, blickte dann zu den steil abfallenden Klippen hinunter und fühlte, wie sein Herz einen Sprung vollführte. Kein Zweifel, dort im südlichen Bereich der Klippen, wo sich der Aufstieg von selbst verbot, lag ein Schiff in der Brandung. Jetzt erkannte er deutlich die beiden Masten. Es war eine Karavelle, die der Sturm an die Felsen geworfen hatte. Der eine Mast war angeknickt, ein Segel zerfetzt, die anderen alle aufgegeit. Die Karavelle schien einen fürchterlichen Sturm abgeritten zu haben, ehe Wind und Wasser sie vor die Felsen warfen. An Deck schien sich niemand aufzuhalten, wie Sidi erkannte. Wahrscheinlich waren die meisten Kerle bei dem Sturm über Bord gespült worden und ertrunken. Trotz allem schien das Schiff noch seetüchtig zu sein, wie er auf den ersten flüchtigen
Blick erkannte. Auf und ab tanzte es tief unter ihm in den Wellen. »He, Sidi«, hörte er Ravellas Stimme. »Was stehst du da herum und glotzt? Beeilen wir uns, wir haben ...« Mansur hastete zurück, bis er atemlos bei seinen drei Kumpanen ankam. »Mensch«, sagte er benommen, »da unten an den Klippen ist ein Zweimaster gestrandet. Direkt unter uns.« »Ein Schiff?« fragte Muddi ungläubig. »Gestrandet? Vielleicht ...« »Quatsch nicht, seht es euch an!« Wenn dieser Zweimaster noch intakt war, dann meinte das Schicksal es wirklich gut mit ihnen, dachte er immer wieder. Eine bessere Gelegenheit gab es nicht mehr. So schnell sie konnten, liefen sie nach oben. Dann blieben sie wie vom Donner gerührt stehen und starrten in die Tiefe. »Tatsächlich ein Schiff!« Don Ravella schlug dem Javaner auf den nackten Rücken, daß es nur so krachte. »Das müssen wir uns aus der Nähe ansehen, Mann!« Sidi zeigte in die zerklüfteten, steil abfallenden Felsen. »Und wie wollen wir da ‘runter, ha?« »Da brechen wir uns sämtliche Knochen«, sagte auch Muddi. »Das schaffen wir«, erklärte Ravella. »Stellt euch nur vor, was es bedeutet, wenn wir diesen Kahn flott kriegen. Dann können wir den ganzen Krempel einladen und lachend davonsegeln.« Fieberhafte Nervosität ergriff die Piraten. Dieses Schiff, das war wirklich ein Geschenk des Himmels, das kam wie gerufen. Und sie hatten es nur durch einen reinen Zufall entdeckt. Ravella suchte nach einem Abstieg. Es ging steil hinunter, über schroffe Felsen, über tückische Spalten und Risse und über nadelspitzen Boden mit trügerischen Löchern. »Ob da noch jemand an Bord ist, Don?« fragte Sidi. »Wahrscheinlich. Es sieht aus, als hätten die Brüder dicht vor
den Klippen Anker geworfen. Oder ist das keine Ankertrosse, was da im Wasser hängt?« Sidi starrte angestrengt nach unten. Auch er glaubte so etwas wie ein auf- und abschwappendes Tau zu erkennen, das vom Bug des Zweimasters ins Wasser hing. Aber auf dem Schiff brannte kein Licht, man hörte keine Stimmen, nichts. Der Javaner dachte an Geisterschiffe, die nachts einsame Inseln anliefen, und deren Besatzungen dann auf den Inseln herumgeisterten, aber er hütete sich, das laut werden zu lassen, denn die anderen hätten ihn doch nur ausgelacht. »Los, wir gehen weiter nach Süden, dort sind die Felsen nicht ganz so steil«, befahl Ravella, nachdem er vergeblich einen Abstieg gesucht hatte. Immer wieder drehten sie sich nach dem fremden Schiff um, das in der Brandung mitunter über dem Wasser zu schweben schien, das auf- und abtanzte und von gischtenden Brechern überschüttet wurde. »Hier muß es gehen«, sagte der Spanier nach einer Weile. »Aber seid vorsichtig, sonst brechen wir uns die Ohren.« Er machte sich zuerst an den Abstieg. Auf Händen und Knien kriechend, rutschte er vor, stellte sich dann wieder hin und tastete das Gestein ab. Und immer wieder dachte er daran, daß er hier mehr als hundert Yards in die Tiefe stürzen konnte. Die Nacht war nicht finster, weil ab und zu schwach das Mondlicht durch die Wolken brach und den Weg erhellte. Vorsichtig folgten die anderen dem Spanier, der stehenblieb und sich gegen die Felsen lehnte. Sidi Mansur blieb keuchend neben seinem Kumpan stehen. Sie hatten einen breiten, klaffenden Riß zu überwinden. »Hast du schon mal daran gedacht, wie wir das Zeug abtransportieren wollen?« fragte er. Der kühle Wind, der vom Meer blies, riß ihm die Worte von den Lippen. »Es ist schon lebensgefährlich genug, hier herumzurennen, und wenn dann jeder noch Gold und Silber schleppen muß, wird es beschissen,
ha?« »Was heißt hier beschissen, Sidi? Wir brauchen die Goldbarren und das andere Zeug doch nur hinunterzuwerfen, Mann. Gut, ein paar fallen vielleicht ins Wasser, wen juckt das schon? Jedenfalls haben wir uns eine höllische Arbeit gespart, und außerdem kommt keiner von den Seewölfen hierher. In der Bucht können sie uns leicht entdecken, aber hier oben nicht. Keiner weiß was von dem Kahn.« »Ja, das stimmt«, sagte Sidi nachdenklich. »Die Barren einfach runterfeuern, ha! Vielleicht durch die Spalte hier, dann fallen auch nicht soviel ins Wasser. Mir geht’s nämlich um jeden Barren, weißt du!« »Klar weiß ich das, aber jetzt komm endlich weiter!« »Hör zu, Don, aber dem Schlangengott brechen wir doch noch die Augen ‘raus, oder? Was meinst du, ha?« »Meinetwegen nimm den ganzen Gott mit, du kannst ja doch nie den Hals voll genug kriegen, du hast mir ja schon einmal das Ersatzauge geklaut, du Hund!« »War doch nur ‘n Spaß, Don«, schwächte der Gauner sofort ab. Übervorsichtig kletterten sie weiter. Mit jedem Schritt wurde es gefährlicher und riskanter. Mit Schaudern dachten sie schon an den Aufstieg. Hoffentlich war das Schiff noch in Ordnung, dachte Sidi. Wenn das der Fall war, dann waren sie gemachte Männer, konnten tun und lassen, was sie wollten und brauchten sich den Teufel um den Seewolf oder die Rote Korsarin zu scheren. Schweißüberströmt langten sie nach einer Ewigkeit unten an. Wenn sie jetzt zu den Klippen hochstarrten, dann überfiel sie das Grauen. Himmelhoch, dunkel und drohend türmten sie sich gewaltig auf. Sandstrand gab es hier unten nicht. Man mußte sich ziemlich mühsam den Weg über scharfe flache Felsen bahnen. »Die haben tatsächlich einen Anker ausgebracht«, flüsterte
Ravella, »das bedeutet aber auch, daß noch Kerle an Bord sind. Und das verdammte Schiff scheuert und kratzt an den Felsen. Hoffentlich ist es nicht leckgeschlagen.« »Entern wir auf?« hauchte Sidi. »Sicher, über das Heck. Aber leise. Sollte uns jemand sehen, wird nicht lange gefackelt, verstanden?« »Verstanden, gleich die Messer raus!« In der Takelage und dem stehenden Gut fing sich der Wind, heulend und klagend seufzte er durch die Pardunen, ließ das zerrissene Segel knattern und zerfetzte es immer mehr. Der Zweimaster war dem ihren ähnlich, nur war er etwas kleiner. Sie wateten ins Wasser. Gischt übersprühte sie, ab und zu brach sich donnernd ein Brecher an den Felsen. Dann hob und senkte sich das Schiff, als wolle es sie unter sich begraben. Dem Javaner wurde es immer unheimlicher zumute. Er schritt nur noch zögernd weiter und sah sich immer wieder nach allen Seiten ängstlich um. Das klagende Heulen zerrte an seinen Nerven, die schwarze Silhouette des fremden, halb gestrandeten Schiffes ängstigte ihn. Das Ächzen und Knarren der Taue und Blöcke ließ ihn halb verrückt werden. Ravella blieb stehen und packte ihn grob am Hals. »Vorwärts«, drängte er, »du willst doch auch reich werden, was?« Zögernd gehorchte Rahim Baa. Langsam, Schritt für Schritt, tastete er sich mit den bloßen Füßen auf den unter Wasser liegenden Felsen voran, bis er den auf- und niedersinkenden Schiffskörper mit der Hand berühren konnte. Am Heck des Zweimasters zogen sie sich in die Höhe. Einer nach dem anderen erklomm fast lautlos das Achterkastell. Regungslos blieben sie stehen, starrten in die Dunkelheit und versuchten, auf dem Schiff etwas zu erkennen. Die See hob es hoch, ließ den Bug wieder tief eintauchen und wiederholte das Spiel ständig, wobei ein Brecher nach dem
anderen über die Backbordseite gischtete. Keine Menschenseele war zu sehen. Aber sie hörten das leise Schaben und Krachen, mit dem der Schiffsboden gegen die Felsen stieß und scheuerte. Anscheinend hatte es kein Leck, denn es lag mit normaler Tiefe im Wasser. Ravella rieb sich in der Vorfreude auf die große fette Beute die Hände und überlegte angestrengt. Hatten sie das Gold erst einmal an Bord und waren ein Stück gesegelt, dann konnten Muddi und der Javaner ihren Abschied nehmen. Ein Messer im Kreuz würde deren Probleme schnell lösen und bis nach Tortuga schafften sie es mit dem Kahn, das stand ebenfalls fest. Ravella zog das Messer aus dem Hosenbund, bedeutete den anderen, hier stehenzubleiben und schlich leise den Niedergang des Achterkastells hinunter. Eine Tür knarrte monoton in den Angeln. Wasserberge klatschten ans Achterkastell und mit jedem Heben und Senken schwang die Tür auf und zu, auf und zu. Ravella gelangte in eine Kammer, hielt den Atem an und blickte sich um. Die in der Wand eingelassene Koje war leer, ein Stuhl war umgefallen, eine Schranktür weit geöffnet. Durch die kleinen Bleiglasfenster fiel schwaches Mondlicht. Der Spanier ging wieder zurück, durch den Gang, entdeckte eine ebenfalls offene Tür und sah in einen kleineren Raum. Auch hier war die Koje leer. Über den Boden rollte eine Flasche, mal nach Backbord, mal nach Steuerbord. »Niemand da«, sagte er leise, als er wieder oben auftauchte. »Aber es müssen Leute an Bord sein, vielleicht halten sie sich im Vorschiff auf. Folgt mir, aber leise.« Neben dem Laderaum kauerte eine Gestalt. Ravella sprang im ersten Augenblick hastig zurück, hob das Messer und wollte zustechen. Das war jedoch nicht mehr nötig. Der Mann, der da halb hingekauert neben dem Laderaum hockte, war längst tot. Eine abgerissene Gaffelrute hatte ihm den Schädel eingeschlagen.
Rahim Baa rief im Geist alle Götter an, die er kannte, und erflehte inbrünstig ihren Beistand. Ein Totenschiff, überlegte er. Ein unheimlicher Segler mit Leichen an Bord. Vielleicht war das Schiff verflucht, oder es existierte gar nicht wirklich und war nur eine vorübergehende Erscheinung wie jene Schiffe aus der Java-See, die ganz überraschend auftauchten und mit ihrer längst vermoderten Besatzung genauso geheimnisvoll wieder verschwanden. Am Mannschaftslogis war das Schott ebenfalls offen und schwang im Rhythmus der Wellen auf und zu. Ein dumpfer Knall, dann öffnete es sich wieder, schlug gleich darauf zu. Von unten war ein leises Ächzen und Stöhnen zu vernehmen. Der Javaner zitterte an allen Gliedern. »Ich geh da nicht runter«, wisperte er. »Ich nicht!« Ravella fluchte verhalten. Angsthasen waren genau das, was er noch brauchte. Sobald der Javaner seine Arbeit erledigt hatte, würde er ihn umlegen. »Dann bleib hier und scheiß dir in die Hose«, sagte er zu ihm. Ohne zu zögern, glitt er den Niedergang hinunter. Das Stöhnen wurde lauter, dazwischen vernahm er Töne, die eindeutig auf einen Schläfer hinwiesen, der keine Ruhe fand, der ab und zu mal schnarchte, sich dann unruhig herumwälzte und sein Schnarchen für kurze Zeit unterbrach. Hinter Ravella schlich Sidi Mansur die Treppe hinunter. Ihm folgte Muddi, der sich ebenfalls nicht mehr wohl in seiner Haut fühlte. »Da stöhnt einer«, stellte er überflüssigerweise fest. Die Orientierung war schlecht, aber als die Treppe nach Backbord abbog, sahen sie ein schwaches Licht, das von der Decke hing und verzerrte Schatten warf. Es roch nach altem blakenden Öl, den Ausdünstungen von Menschen und Blut. Süßlich und ekelhaft. Es war eine kleine Kammer, in der Back und Steuerbord zwei Doppelkojen eingebaut waren. Ein Tisch und eine Bank
vervollständigten das dürftige Mobiliar und die Lampe, die an einem eisernen Haken hing und vor sich hin blakte. Zwei Männer lagen in den Kojen. Von einem sah Ravella nur undeutlich den Rücken, von dem anderen das Gesicht. Er schraubte den Docht der Lampe höher. Rußiger Qualm breitete sich aus, aber es wurde sofort heller. Ein blutverschmiertes Gesicht starrte ihn an. Der Mann bewegte die Lippen, brachte aber keinen Ton hervor. Seine Augenbraue war aufgeplatzt, auf der Stirn hatte er eine klaffende Wunde. Sein Hemd war blutgetränkt und naß. Sidi Mansur hob das Messer. »Sollen wir ihn umlegen?« fragte er leise. Zuerst wollte Ravella zustimmen, aber dann besann er sich anders. »Nein, laß ihn! Wecke den anderen!« »Aber ...« »Du sollst den anderen Kerl wecken!« befahl Ravella scharf. Es war nicht mehr nötig, den Schläfer zu wecken. Er drehte sich um, sah die Kerle und schluckte heftig. »Wer wer seid ihr?« stieß er mühsam und in einem schauderhaften Englisch hervor. Don Ravella lächelte ihn freundlich verschlagen an. Sein Auge und sein schwarzer Vollbart verliehen ihm ein dämonisches Aussehen. Er erinnerte den Mann in der Koje an einen leibhaftigen Teufel. »Wir sind gute Freunde«, sagte er und warf Muddi und Mansur einen warnenden Blick zu. »Schiffbrüchige wie ihr. Nur haben wir das Pech gehabt, daß unser Kasten abgesoffen ist.« Der Mann stand schwerfällig auf. Er schien keinen Verdacht zu schöpfen. Er war unrasiert und hatte eine grobe Visage. Vorn fehlte ihm ein Schneidezahn. »Vielleicht können wir uns zusammentun«, fragte er lauernd. »Sicher, ein guter Gedanke. Wir sind schon oft hier gewesen
und haben reiche Beute gemacht. Wir könnten sie an Bord schaffen und teilen, und dann segeln wir gemeinsam. Wo sind eure anderen Leute? Und was ist mit dem da?« fragte Ravella und deutete auf das blutverkrustete Gesicht des Mannes in der anderen Koje. »Sie sind alle tot, ersoffen, über Bord gefallen. Wir waren acht Mann, der da ist verletzt, aber es sieht schlimmer aus, als es ist. Wann seid ihr gestrandet?« »Heute früh«, log Ravella. »Da soff unser Kahn ab, total zersplittert, wir donnerten auf die Riffe, weil unser Ruder gebrochen war. Sieben Mann haben wir verloren.« »Du sprachst von reicher Beute, Freund«, sagte der Unrasierte. »Was heißt das?« »Wir haben schon früher immer diese Insel angelaufen und unsere Beute hier versteckt. Nachdem aber keiner mehr am Leben ist, außer uns vieren, brauchen wir auch nicht mehr zu teilen.« Ravella sah es in den Augen des Kerls aufblitzen. Gier stand darin, nackte Gier. Er sah Schätze vor sich und hatte schon wieder vergessen, daß er gerade noch einmal mit dem Leben davongekommen war. Diese beiden Kerle hatten es jedenfalls geschafft, mit ihrem beschädigten Schiff die Schlangen-Insel zu erreichen. Dann hatten sie noch den Anker geworfen und waren erschöpft in ihre Kojen gefallen. »Du sprachst von vier Mann, Freund Schwarzbart. Wo ist der Vierte?« »An Deck, er wollte dem Mann helfen, der oben neben den Laderäumen liegt.« Der Unrasierte schwang die Beine aus der Koje, stand auf und tat Ravellas Bemerkung mit einer Handbewegung ab. »Dem ist nicht mehr zu helfen, der ist hinüber. Wir haben ihn bloß noch nicht über Bord geschmissen, wir waren einfach erledigt. Und das Schiff hat auch was abgekriegt.« »Es schwimmt aber noch, und das ist wichtig«, sagte Ravella.
»Wir kriegen es schon wieder hin, zusammen natürlich. Ich glaube, ein gütiges Schicksal hat uns zusammengeführt.« »Das glaube ich auch«, sagte Don und lachte. Diese beiden Hornochsen waren willkommene Helfer für ihn. Die sollten erst einmal schuften, bis sie schwarz wurden. Mit sechs Männern ließ sich in einer Nacht mehr als die Hälfte der Beute abtransportieren, wenn vier von ihnen die Barren aus dem Tempel holten und über die Felsen hinunterwarfen. Zwei konnten sie dann an Bord verstauen. Ravella hatte jetzt keine Ruhe mehr. »Wir nehmen die Beute gleich an Bord, Freunde, denn morgen ist das zu riskant. Hier wimmelt es von Piraten, und ich habe keine Lust, mir den Schatz wieder abnehmen zu lassen. Wir laden gleich ein und segeln im Morgengrauen los.« Das klang logisch. Auch der Kerl mit der blutenden Visage nickte, und in seinen Augen stand ebenfalls nackte Gier. »Was für Beute ist es?« fragte der Unrasierte wieder. Der Gedanke an Gold ließ ihn seine Erschöpfung vergessen. Und Ravella verstand es, ihm das unrasierte Maul wäßrig zu machen. »Ein paar Kisten mit Perlen, randvoll, dann eine riesige Menge Gold- und Silberbarren. Wir haben die ganze Nacht zu tun, um das alles zu laden.« »Donnerwetter, da haben wir aber Glück gehabt. Und ihr wollt das mit unsteilen?« Ravella wollte es nicht übertreiben, sonst wurde der Kerl am Ende noch mißtrauisch. »Natürlich nicht zur Hälfte«, sagte er schnell. »Wir sind vier, ihr seid zwei. Ich denke, wir legen insgesamt zehn Anteile zusammen, zwei davon kriegt ihr, der Rest ist für uns. Es ist so viel, daß es für euer ganzes Leben reicht. Mehr als drei Schiffsladungen insgesamt. Ihr könnt euch gleich selbst davon überzeugen.« Jetzt waren sie hellwach, gierig darauf, die Schätze zu sehen.
»Habt ihr Fackeln an Bord?« »Klar, haben wir.« »Wir müssen zu den Felsen hinauf. Das ist ein verdammt beschwerlicher Weg nach oben, aber er lohnt die Mühe. Und jetzt beeilt euch. Ich habe unten in der Bucht ein Schiff gesehen. Piraten wahrscheinlich, da müssen wir verdammt leise sein.« Zusammen stiegen sie an Deck, wo Rahim Baa stand und ihnen ängstlich entgegensah. Er starrte die beiden Männer an wie Geister. Der Unrasierte bückte sich und sagte etwas zu dem anderen, der nach achtern ging und Fackeln holte. Er selbst packte den Toten bei den Füßen und schleuderte ihn in die Brandung, wo er aufklatschend versank. »Der kann uns doch nicht mehr helfen«, sagte er grinsend. Etwas spater begann der gefährliche Aufstieg. Ravella turnte voran, zurück blieben Muddi und der Kerl mit dem blutigen Gesicht. Sie sollten die Barren sofort verstauen, wenn sie unten ankamen. Mit jedem Yard, den sie an Höhe gewannen, wurde es schwieriger. Ravella rutschte ein paarmal ab und fing sich gerade noch im letzten Moment, sonst wäre er in die Tiefe gesaust. Auch der Unrasierte fluchte pausenlos. Mal stieß er sich den Schädel an einem Felsen, mal blieb er in einer Spalte hängen, und immer wenn er nach unten blickte, wurde ihm schlecht. Aber die Gier trieb ihn weiter. Da konnte man sich schon eine Nacht um die Ohren schlagen, selbst wenn man halbtot war. Bis er unter pausenlosem Fluchen oben angelangte, verging mehr als eine Stunde. Die letzten Yards kroch er nur noch. Oben auf den flachen Felsen blieb er erschöpft liegen und pumpte Luft in seine Lungen. Die anderen waren ebenfalls erledigt. Sie mußten rasten, ihre Pulse hämmerten, die Lungen brannten.
»Verflucht, verflucht«, stöhnte der Unrasierte. »Das hält ja kein Mensch aus. Können wir wieder weiter?« »Es ist nicht mehr weit, nur ein paar hundert Yards noch, dann haben wir es geschafft.« Jetzt ging es besser, doch plötzlich blieb der Mann stehen und deutete in die Bucht. »Verdammt, da liegt das Schiff ja«, sagte er. »Und ihr seid sicher, daß es nicht die Beute von den Kerlen ist, die wir holen?« Das Mißtrauen stand in seinem Gesicht geschrieben. »Es ist unsere, die Kerle haben uns noch gar nicht entdeckt. Aber die haben hier sicher auch Beute versteckt.« Damit gab der Bursche sich vorerst zufrieden. Er kannte die Schlangen-Insel nicht, er wußte nichts von den Seewölfen. Er war nur ein kleiner lausiger Pirat unter vielen, die ab und zu ein Handelsschiff kaperten und ausplünderten. An die fetten Brocken hatte er sich noch nie in seinem Leben herangetraut. Daher war es nur verständlich, daß auch durch seinen Schädel Gedanken kreisten, die alles andere als sauber waren. Hatten sie die Beute erst einmal an Bord, dann würde man es diesen Burschen schon zeigen. Weshalb sollte man sich mit einem kleinen Anteil zufrieden geben? Ravella hatte die Höhle erreicht und zwängte sich in den Stollen. »Gib mal eine von deinen Fackeln«, sagte er, »aber zünde hier oben kein Licht an, sonst spannen die Burschen auf dem Schiff etwas.« Es dauerte lange, bis er die Fackel in Brand gesetzt hatte. Schnell kroch er ein paar Schritte weiter in die Höhle. Die anderen folgten aufgeregt und neugierig. Dem Unrasierten wurden die Handflächen feucht, und immer wieder wischte er sie nervös an seiner Hose ab. Die Burschen hatten anscheinend keine Sprüche geklopft mit ihrem großartigen Schatz, dachte er.
Sidi Mansur konnte sich kaum beruhigen, und Rahim Baa sah sich im Geist den Rest seines Lebens nur noch saufend verbringen. Dann standen sie in dem Schlangentempel. Hart stieß der Unrasierte die Luft aus. »Mann«, keuchte er, »o Mann, das gibt es doch gar nicht. Und das alles gehört wirklich euch?« »Sagte ich doch«, schnauzte Ravella. »Und jetzt nichts wie weg mit dem Zeug. Ich und mein Kumpan tragen die Barren zum Stollen, ihr beide tragt sie weiter und werft sie hinunter. Na los schon, Rahim, auf was wartest du noch! Wir haben nicht viel Zeit.« Dem Unrasierten schien es, als gehöre den Kerlen die riesige Beute nicht, aber jetzt war ihm das egal. Soviel Gold und Silber hatte er noch nie auf einem Haufen gesehen. »Was ist in den Kisten?« krächzte er. »Perlen. Aber die Kisten können wir nicht hinunterwerfen, sonst brechen sie auseinander. Wir müssen sie später abseilen.« »Perlen«, wiederholte der andere andächtig. »Sollen wir sie nicht zuerst ...« »Hier bestimme ich, Freund. Los jetzt! Und nehmt gleich ein paar von den Goldbarren mit.« »Das kriegen wir in einer Nacht gar nicht alles weg«, schätzte der Unrasierte. Ravella schob ihn weiter. »Das ist egal, wir haben dann immer noch genug bis an unser Lebensende. Laß den Gott jetzt in Ruhe, Sidi!« fuhr er seinen Kumpan an, der sich schon wieder über die Augen des Schlangengottes hermachte, um sie herauszubrechen. Sidi gehorchte murrend. Zu gern hätte er die Steinchen noch schnell in seiner Tasche verschwinden lassen. Ravella brannte die Zeit unter den Nägeln. Wenn die Seewölfe wach wurden oder etwas merkten, dann stand ihnen einiges bevor. Die Kerle würden nicht lange fackeln und einen nach dem anderen von ihnen an der nächsten Rah aufhängen.
Daher war höchste Eile geboten. Die ersten Barren wurden hinausgetragen. So erschöpft der Unrasierte auch war, aber jetzt konnte er plötzlich Lasten tragen wie ein Esel. Er belud sich mit fast zwei Zentnern Gold, keuchte und schleppte, bis er fast zusammenbrach. Dann warf er seine Beute über die Klippen nach unten. Es polterte und knackte, als sie durch die Rinne fielen und unten auf den anderen Klippen landeten. Aber kein einziger Goldbarren war ins Wasser gefallen. Ravella lachte lautlos hinter ihnen her. Der Idiot schuftete wirklich, bis er zusammenbrach. Dafür würde er später auch seinen Lohn erhalten, aber ganz anders, als er sich das vorstellte. 6. Es war Nacht, als Dan erwachte. Der Sturm war etwas abgeflaut. Er setzte sich in seiner Koje auf und spitzte die Ohren. Schon im Schlaf hatte er ein regelmäßiges Poltern vernommen, ganz entfernt zwar, aber dennoch deutlich. Die anderen schliefen. Neben ihm schnarchte Batuti wie ein Walroß. Dan stieg lautlos an Deck und sah Matt Davies breiten Rücken am Schanzkleid. Der Mann mit der Hakenprothese schien ebenfalls in die Dunkelheit zu lauschen. »He, Matt«, sagte Dan. »Hab dich schon gehört. Kannst du nicht schlafen?« »Ich höre so merkwürdige Geräusche.« »Hab ich auch gehört, aber jetzt weiß ich, was das ist. Es ist der Wellenschlag in den Hohlräumen der Felsen.« Dan O’Flynn stellte sich neben Matt und lauschte weiter in die Dunkelheit hinein.
Nach einer Weile schüttelte er entschieden den Kopf. »Das ist kein Wellenschlag, Matt, und das ist auch nicht die Brandung vor der Küste, das ist etwas anderes.« »Vielleicht lösen sich Felsbrocken ab und poltern hinunter«, meinte Matt Davies. Dan gähnte ausgiebig. »Ja, das wird es wohl sein«, sagte er nach einer Weile. »Soll ich dich ablösen, willst du dich noch ‘ne Stunde aufs Ohr hauen, Matt?« »Ich bin nicht mehr müde. Geh nur wieder schlafen, in ein paar Stunden ist es Tag.« »Bin auch nicht mehr müde«, erwiderte Dan und gähnte erneut. Wieder war ein regelmäßiges leises Poltern zu vernehmen, danach herrschte Stille. Erst nach einer ganzen Weile wiederholte sich das merkwürdige Geräusch. »Hast du schon mal in einem ganz bestimmten Rhythmus Steine so poltern hören?« wollte Dan wissen. »Ich nicht. Das muß noch etwas anderes sein.« »Aber was denn, zum Teufel?« Matt Davies sah sich um. In der Bucht war alles ruhig. Vor dem ab und zu durchschimmernden Mondlicht hob sich scharf und klar die Silhouette des Zweimasters ab. An Bord war niemand zu sehen, aber andererseits hatte Matt auch nicht gesehen, daß die vier Kerle wieder an Bord zurückgekehrt waren, denn eins der Beiboote lag immer noch am Strand, obwohl von Ravella, Mansur und den beiden anderen Piraten nichts zu sehen war. Davies runzelte die Stirn und dachte nach. »Komisch«, sagte er laut, »daß die Kerle nicht an Bord zurückgekehrt sind. Mansur und dieser Einäugige hecken doch sicher etwas aus, um sich für die Prügel zu rächen.« Jetzt wurde Dan hellwach. Seine Augen waren mißtrauisch zusammengekniffen. »Den Himmelhunden traue ich zu, daß sie sich über unsere
Beute hermachen und einen Teil davon beiseite schaffen. Wir sollten mal nachsehen, Matt!« »Ich habe Wache. Nimm einen anderen mit.« Wieder war das Poltern zu hören, so, als fiele etwas von oben nach unten über die Klippen. Wäre der Sturm nicht gewesen, hätte man die Geräusche noch viel deutlicher und lauter gehört. Dan ließ es keine Ruhe mehr. Er dachte an die haßerfüllten Blicke Mansurs und des Spaniers. Ganz sicher heckten die Höllenhunde etwas aus, das ihnen, den Seewölfen, schaden konnte. »Ich geh selbst, um nachzusehen, und nehme den Affen mit«, sagte Dan entschieden. Arwenack sprang schon seit einer ganzen Weile um seinen Liebling Dan herum und griff immer wieder nach seiner Hand. »Sieh dich aber vor, die Kerle spaßen nicht«, warnte Matt. »Ich auch nicht«, erwiderte Dan grinsend. Zusammen mit Arwenack, dem Schimpansen, sprang er ins Boot und pullte leise davon. Dan kannte die Abkürzung, den Weg, auf dem man noch schneller zum Schlangentempel gelangte, wenn man ein wenig in den Felsen herumkletterte. Der Affe sprang voraus. Dan packte ihn und hielt ihm die Schnauze zu, dann erst ließ er ihn wieder laufen. Der kluge Schimpanse wußte, daß er jetzt nicht keckern durfte, denn sein zweibeiniger Freund hatte wieder einmal etwas vor. Und da mußte man sich still und ruhig verhalten, sonst durfte man nicht mehr mit. Alles war still, als Dan oben ankam. Nur der Wind pfiff sein Lied monoton durch die Felsen. Er war schon merklich abgeflaut und würde sich in ein paar Stunden ganz legen. Plötzlich hörte er überlaut das Getöse. Es hörte sich genauso an, als werfe jemand Steine über die Klippen. Hohl und dumpf klang es, polternd, danach war wieder Stille. Die Geräusche waren weit oberhalb des Eingangs zum Stollen zu hören.
Dan konnte damit nicht viel anfangen. Es gab keine logische Erklärung für das Poltern. Lautlos schlich er weiter. Eine ganze Weile verging, dann glaubte Dan, einen Schatten zu sehen, der an der Spitze der Klippen auftauchte. Dan hatte scharfe Augen und er war sicher, daß dieser Schatten ein Mensch war, der auch ihn im selben Augenblick entdeckt hatte. Aber schon war der Schatten wieder verschwunden. »Bleib hier, Arwenack«, sagte er zischend, als der Affe mit großen Sprüngen davonjagen wollte, genau in die Richtung, in die der Schatten verschwunden war. Arwenack gehorchte augenblicklich und blieb hinter ihm. Dan pirschte weiter, immer eng gegen das schroffe Gestein gepreßt. Das Poltern wiederholte sich nicht, alles war still und ruhig. Zu ruhig, wie er fand. Und doch spürte er, daß sich hier ganz in seiner Nähe jemand aufhielt. Er spähte angestrengt zu dem Stolleneingang. Auch dort rührte sich nichts. Doch glaubte er für einen kurzen Augenblick ein Aufflackern von Licht gesehen zu haben. Ein schwacher Schein nur, aber er genügte Dan, um zu wissen, daß er sich nicht geirrt hatte. Im Schlangentempel geisterten ein paar Kerle herum! 7. »Ganz still bleiben«, raunte der Javaner dem unrasierten Piraten zu. »Da kommen zwei Leute!« Er hatte Augen und Ohren wie ein Luchs, und er hatte den Schatten des Affen gesehen und gleich darauf den undeutlichen Umriß eines Mannes. »Bleib hier«, flüsterte er, »ich sage den anderen Bescheid.« Wie eine Schlange kroch er über den Boden, bis er den Eingang des Stollens erreichte. Rasch wand er sich hindurch
und ging erst dann aufrecht, als er die ersten Yards hinter sich hatte. Im Stollen stieß er auf Mansur, der schwitzend ein paar Barren nach draußen schleppen wollte. »Keinen Ton«, hauchte der Javaner. »Löscht die Fackel, da draußen schleichen sich zwei Kerle an. Das können nur Seewölfe sein, von uns ist es niemand.« Mansur erschrak und zuckte heftig zusammen. Vorsichtig legte er die Barren auf den Boden und schlich zurück. Gleich darauf übermittelte er die Botschaft an Ravella weiter. »Verdammt«, knurrte der Spanier. »Die haben das Poltern gehört, die Halunken, und sehen jetzt nach, was los ist. Diese hohlen Scheißfelsen leiten jedes Geräusch weiter.« »Lösch die Fackel«, drängte Mansur, »sonst sehen sie das Licht.« Sie hatten schon einen ganz beträchtlichen Teil der Beute umgeladen und die Klippen hinuntergeworfen. Dort unten schleppten Muddi und der andere Kerl Barren um Barren an Bord, keuchten, schwitzten und fluchten leise von der Anstrengung. Ein oder zwei Barren waren verloren gegangen, alles andere war heil unten angelangt. Und jetzt erschienen die Seewölfe. Ravella löschte die Fackel, zückte sein Messer und zog Sidi zu sich heran. Ganz dicht an seinem Ohr hauchte er: »Wir lassen sie herein, und dann schlagen wir ihnen einen Goldbarren über die Schädel. Danach rücken wir ab und verschwinden mit dem Segler. Wir haben genug beisammen.« »Und die anderen beiden?« »Legen wir anschließend um, dann sind wir sie los.« »Eine feine Idee«, lobte Sidi, der vom Teilen mit anderen auch nicht viel hielt. »Muddi könnten wir vielleicht auch ...« .Er vollführte eine vage Handbewegung, die Ravella aber wegen der Dunkelheit nicht sah. »Klar, Muddi lassen wir abspringen. Still jetzt, ich glaube, da
nähert sich jemand. Paß auf!« * Dan schlich sich übervorsichtig in den Stollen. Er war kaum drin, als er auch schon den Geruch wahrnahm, den eine brennende Fackel verursachte. Der Geruch war unverkennbar. Eng an die nackte Felswand gepreßt, blieb er stehen. Sehen konnte er nichts, hier im Stollen herrschte absolute Finsternis. Aber er spürte es, daß da Leute waren. Er lauschte auf Atemzüge, doch er vernahm keine. Behutsam ging er weiter, darauf bedacht, nur kein Geräusch zu verursachen. Draußen hatte das Poltern aufgehört. In Dan keimte der verrückte Gedanke, die Piraten würden das Gold aus dem Stollen holen und es voller Haß und Wut einfach ins Wasser schmeißen. Ein verrückter Gedanke, gewiß, aber die Kerle waren in ihrer Rachsucht zu allem fähig, und er traute es ihnen ohne weiteres zu. Daß sich dadurch natürlich auch ihr Anteil schmälerte, schien ihnen gleichgültig zu sein. Arwenack, der dicht bei ihm war, verhielt sich ebenfalls mucksmäuschenstill. Er hatte von seinen zweibeinigen Freunden schon eine ganze Menge gelernt. Immer weiter schob sich Dan dem Schlangentempel entgegen. Neben ihm stieß Arwenack zischend die Luft aus. Das warnte O’Flynn, aber um eine Sekunde zu spät. Sein Gegner hatte ihn eher wahrgenommen, weil er das Restlicht vom Dunkel ins Helle ausnutzen konnte. Dan konnte einen einzigen Schlag anbringen, dann krachte etwas gegen seinen Schädel, und er ging benommen zu Boden. Ein zweiter Schlag gegen seinen Hals ließ ihn kurz zusammenzucken. Er kriegte keine Luft mehr, alles war wie abgeschnitten. Er fiel in ein dunkel gähnendes Loch, das kein Ende nahm.
Gleich darauf wurde eine Fackel entzündet, aber davon spürte Dan nichts mehr. »Den haben wir«, sagte Ravella zufrieden, »jetzt den anderen, der wird auch gleich hier ...« Er schrie laut auf, als der Schimpanse ihn ansprang, ihm die Fackel entriß und damit nach seinem Gesicht schlug. Ein Funkenregen stob dem Piraten über die Augen. Fluchend und schreiend versuchte er, sich von dem zottigen Ungeheuer zu befreien, das mit unvorstellbarer Wut auf ihn eindrang. Ravella verlor den Halt, die Fackel rollte auf den Boden und in dem Moment fuhren Arwenacks Hände in sein Gesicht. Der Affe hatte plötzlich den schimmernden Diamanten in der Hand. »Schlag doch das verdammte Vieh tot!« brüllte Ravella. »Stech es ab, Mensch, das Mistvieh beißt mich.« Sidi hatte längst sein Messer in der Faust. Er sprang vor und wollte nach dem Affen stechen, aber der fuhr blitzschnell herum, bleckte sein scharfes Gebiß und sprang den Piraten aus dem Stand an. Noch bevor Mansur richtig die Lage erfaßte, spürte er scharfe Zähne in seinem Hals, fühlte, wie sie sich in sein Fleisch gruben und fest zubissen. Er schrie wie ein Irrer, hüpfte hin und her, versuchte den tobsüchtigen Affen abzuschütteln, doch der ließ nicht mehr los. In der einen Hand hatte er das Diamant-Auge, in der anderen Sidis Messer, das er ihm einfach aus den Fäusten gerissen hatte. Sidi ließ sich fallen, erst auf den Bauch, dann auf sein Hinterteil auf dem er ohnehin nicht sitzen konnte. Er versuchte immer wieder, den wilden Affen abzuschütteln, doch der schien jetzt regelrecht Amok zu laufen. Ravella näherte sich, und dann stürmten Rahim Baa und der Unrasierte in die Grotte. Das war selbst für den kampferprobten Arwenack zuviel. Laut keckernd und zeternd lief er auf die Männer zu, die ängstlich zur Seite spritzten. In der einen Hand das Diamant
Auge, in der anderen das Messer, so flitzte er wie ein Spuk durch den Stollen ins Freie. Hinter ihm tobten und brüllten die Männer. Arwenack aber hetzte in langen Sprüngen die Felsen hinunter und gab ein Geschrei von sich, daß in der Bucht auf den beiden Schiffen alles zum Leben erwachte. »Weg hier, schnell weg!« schrie Ravella. »Das Mistvieh weckt die ganze Gegend auf. Schnell, über die Klippen!« Rahim Baa schnappte sich noch einen Goldbarren, und Sidi klemmte sich ebenfalls noch zwei Barren unter die Arme. Sie waren schwer, aber er ließ nicht locker, rannte, keuchte und schwitzte, bis er draußen war. Auf den Klippen hörten sie immer noch das wilde Geschrei des Affen, und jetzt kriegten sie es mit der Angst zu tun. Keiner kümmerte sich mehr um Dan, der immer noch bewußtlos am Boden lag und sich nicht rührte. Hastig wurden die restlichen Goldbarren hinuntergefeuert, dann kletterten die Männer hinterher. Nicht mehr lange und die harten Teufel würden ihnen im Nacken hocken, und das beflügelte ihre Schritte ganz enorm. An den Felsen gelangten sie jedoch nicht schneller vorwärts. Da genügte ein einziger unvorsichtiger Schritt, und sie stürzten in die gähnende Tiefe. So schnell, wie es ging, verschwanden sie, immer noch das gellende Geschrei des Affen in den Ohren. 8. Matt Davies war der erste, der das Gezeter hörte. Arwenack! dachte er. So verrückt und schrill konnte nur der Affe kreischen. Es ging ihm durch Mark und Bein. Und dann sah er auch schon undeutlich im schwachen Mondlicht die kleine Gestalt am Strand, die keckerte und
kreischte, hin und hersprang und herumzeterte. Die ersten Seewölfe erschienen an Deck. Carberry war durch den Lärm wachgeworden, ebenso Ferris Tucker und der Seewolf. »Was ist los?« fragte Hasard. »Was ist mit dem Affen passiert?« »Dan ging mit ihm fort«, berichtete Matt, »weil wir vor einer Weile so merkwürdige Geräusche hörten. Er wollte wissen, was da los war, und jetzt kommt der Affe allein zurück. Da muß etwas passiert sein, sonst würde er sich nicht so toll gebärden.« »Dann los, in das Boot«, befahl Hasard. »Bestimmt stecken diese lausigen Piraten dahinter. Nehmt Fackeln mit und ein paar Taue. Wir wissen ja nicht, was passiert ist.« Er machte Matt keinen Vorwurf, weil er Dan mit dem Affen allein hatte losgehen lassen. Dan war groß genug, ein erwachsener Mann und nicht mehr das Bürschchen von früher, und wenn er nachgesehen hatte, weil etwas nicht in Ordnung war, fand Hasard das ganz richtig. Aber jetzt war er offensichtlich in die Klemme geraten. Der Seewolf sprang mit einem Satz ins Boot. An Deck wurden zur besseren Orientierung ein paar Öllampen entzündet. Carberry, Tucker und Matt sprangen hinter dem Seewolf her. Und dann wurde es auch auf der Karavelle lebendig. Auch dort wurden zwei Lampen entzündet, und Hasard sah in ihrem schwachen Schein, daß ein paar Gestalten an Deck herumrannten. Niemand von ihnen schien zu wissen, was passiert war. »Was ist los?« schallte es herüber. »Pullt, Männer, pullt, willig, willig«, sagte Hasard statt einer Antwort. Sollten die Kerle da drüben tun, was sie wollten, er hatte im Moment andere Sorgen. Hoffentlich war dem Bürschchen nichts passiert, dachte er immer wieder, auch wenn
das Bürschchen längst ein Mann war, in Hasards Gedanken blieb er eben das Bürschchen in dieser Lage. Am Strand empfing sie kreischend und zeternd der Affe. Hasard nahm ihn auf den Arm, doch Arwenack löste sich sofort von ihm und flitzte aufgeregt durch den Sand kurvend vor ihnen her. »Folgen wir ihm, er wird uns zu Dan führen«, sagte Hasard. Sie kamen nicht so schnell von der Stelle, wie der klettergewandte Arwenack, der weite Strecken übersprang, zurückkehrte und ungeduldig wartete, bis auch die Männer wieder zur Stelle waren. Der Affe führte sie auf direktem Weg zum Schlangentempel. Wie ein kundiger Führer lief er voran, drehte sich um, keckerte, wenn es ihm nicht schnell genug ging, und rannte weiter. »Er rennt zum Eingang des Stollen«, sagte Matt, der den Affen gerade hinter der Felsbiegung verschwinden sah. Tucker packte seine riesige Axt fester. Wenn die Kerle es gewagt hatten, heimlich in den Schlangentempel einzudringen, um Gold zu klauen, dann würden sie die Hölle auf Erden erleben. Arwenack war schon in dem Eingang verschwunden. Carberry entzündete eine der mitgenommenen Fackeln und hielt sie hoch. »Verdammt!« entfuhr es dem Seewolf, als er im Schein des zuckenden Lichtes eine Gestalt auf dem Boden liegen sah, neben der jetzt der Schimpanse hockte. Hasard hob Dans Oberkörper an, schlug ihm leicht auf die Wangen. »Der hat ja eine ganz verdammte Beule am Schädel«, stellte Carberry fest. Dan O’Flynn schlug die Augen auf, murmelte etwas, das niemand verstand und hustete, bis sein Körper sich schüttelte. »Was ist passiert, Dan?« drängte der Seewolf. »Wer hat dir
das Ding verpaßt?« Vor Dans Augen tanzten riesige Schatten auf und ab. Benommen schüttelte er den Kopf. Immer noch verschwamm alles vor seinem Blick. Sein Genick fühlte sich taub an, in seinem Schädel war ein Hämmern und Pochen, als wollte er zerspringen. »Ich weiß nicht«, stöhnte er, »ich habe die Kerle nicht erkannt.« »Kannst du laufen, Dan?« »Ich glaube schon.« Dan versuchte mit Hasards Hilfe, aufzustehen. Er lehnte sich an die kühle Wand und taumelte noch leicht. Aber Dan war ein zäher Brocken, der viel vertrug und auch viel einstecken konnte. »Es geht wieder«, murmelte er. »Laßt uns mal im Tempel nachsehen.« Eine zweite Fackel wurde entzündet, und dann ging es weiter, bis sie in den Schlangentempel kamen. Die Überraschung warf sie fast um. Hasard blickte ungläubig auf die zusammengeschmolzenen Schätze, von denen mehr als ein Drittel fehlte. Gold und Silberbarren türmten sich im wüsten Haufen an den Wänden. Die Kerle, die hier geplündert hatten, waren wahllos vorgegangen. Sie hatten alles heruntergerissen, durcheinander geworfen und einzelne Barren bis an die kleine Barriere hingefeuert. Carberry schüttelte fassungslos den Kopf. »Und das haben diese Idioten einfach ins Wasser geschmissen? Nur um uns zu ärgern? Verstehst du das, Hasard?« »Was haben sie davon?« antwortete der Seewolf mit einer Gegenfrage. »Von der Insel können sie nicht fliehen, sie müssen wissen, daß wir sie früher oder später schnappen. Und wir kriegen sie, darauf könnt ihr euch verlassen!«
Tucker lehnte sich auf den Stiel seiner Axt. In seinen Augen blitzte es sekundenlang ärgerlich auf. »Vielleicht haben diese Halunken ein Boot von der Karavelle abgefiert und sind damit aus der Bucht gefahren«, sagte er. »Dann können sie mit dem Gold schon etwas anfangen.« »Du könntest recht haben, Ferris. Das werden wir aber gleich feststellen.« »Nicht nötig«, sagte eine kühle Stimme vom Eingang her. Dort stand mit zornblitzenden Augen die Rote Korsarin und neben ihr der schweigsame Boston-Mann. Sein linker Ohrring baumelte bis zu seinem Hals. Auch er starrte schweigend auf das Chaos, das die Kerle hinterlassen hatten. Hasard fuhr herum. »Was soll das heißen?« Siri-Tong trat näher. Ihr Blick wanderte von Hasard zu den Barren. »Bei uns fehlt kein Boot«, sagte sie. »Aber Sidi Mansur, Don Ravella, Rahim Baa und Muddi fehlen. Sie sind nicht an Bord, und sie sind auch heute abend nicht zurückgekehrt.« Hasard und die anderen warfen sich bezeichnende Blicke zu. Natürlich, Sidi und Ravella hatten sie selbst schon in Erwägung gezogen. Die mußten sich für ihre Prügel abreagieren, ihr Haß auf Hasard und die Seewölfe war grenzenlos. »Prächtig!« sagte Hasard. »Dann werden wir diese Hurensöhne suchen. Und dann werden sie den Tag ihrer Geburt verfluchen, wenn wir sie gefunden haben.« »Überlaß die Gerichtsbarkeit mir«, sagte die Korsarin kalt. »An meinen Gaffelruten ist noch Platz genug für Meuterer.« »Aufhängen, Madame?« fragte Hasard. »Muß immer gleich das extremste Mittel angewandt werden?« »In diesem Fall schon!« Ihr Blick war eisig, und in ihrem Innern kochte der Zorn, das spürten die Männer deutlich, obwohl Siri-Tong ihre Gefühle gut unter Kontrolle hielt. »Meuterer gehören an den Galgen«, erwiderte sie kühl. »Und
Kerle wie diese kann ich in meiner Crew nicht brauchen!« »Das ist Ihre Sache«, sagte der Seewolf. Sie gingen zurück. Der Sturm hatte sich gelegt. Jetzt briste es nur noch leicht von Nordwest, und die Morgendämmerung ließ sich bereits erahnen. Hasard stieg noch weiter die Felsen hinauf, bis er einen besseren Überblick über die Insel hatte. Ferris Tucker und die Rote Korsarin gesellten sich zu ihm. »Wir können erst in ein oder zwei Stunden mit der Suche beginnen«, sagte Siri-Tong. »Jetzt ist es noch zu dunkel, und wenn sich die Halunken irgendwo zwischen den Klippen versteckt haben, finden wir sie jetzt doch nicht.« Dan kam hinzu. Es ging ihm wieder besser, bis auf das Brummen in seinem Schädel. Die Leichte Brise tat ein übriges, um auch die letzten Schmerzen zu vertreiben. Er blickte auf das tintenschwarze Wasser, sein Blick suchte die Klippen ab, und bei seinen scharfen Augen war es auch kein Wunder, daß er das Schiff zuerst entdeckte. »Ein Schiff!« brüllte er. »Es liegt direkt unter uns zwischen den Klippen!« 9. »Mensch, verdammt, beeilt euch doch!« keuchte Ravella. Seine Hände waren blutig von der Kraxelei, an einem scharfkantigen Felsen hatte er sich das rechte Bein aufgerissen. Den anderen erging es nicht besser. Sidi fluchte pausenlos, Rahim Baa war der einzige, der geschickter hinunterkletterte als die anderen. Am schlimmsten erging es dem Unrasierten, von dem keiner den Namen wußte. Er war zu Tode erschöpft, ausgelaugt und erledigt, und nur die Gier nach den reichen Schätzen ließ ihn
durchhalten. Wenn er erst einmal da unten war, dann wollte er eine ganze Woche lang hintereinander pennen, wie er immer wieder versicherte. Ravella grinste vor sich hin. Der Kerl würde ewig pennen können, sobald er erst an Bord war. Und der andere auch. Hastig kletterten sie weiter. In der Dunkelheit war der Abstieg mehr als gefährlich. Kein normaler Mensch wäre das Risiko eingegangen, zwischen den tückischen Felsen nach unten zu klettern. Aber das Gold trieb und schob sie mit unwiderstehlicher Gewalt immer weiter nach unten, bis sie endlich die Klippen erreichten, die im Wasser lagen. Sidi warf sich ins feuchte Element und schwamm ein paar Yards auf das Schiff zu. Er hatte das Gefühl, als würde er den Zweimaster nie mehr in seinem Leben erreichen, so weit schien er ihm entfernt. Aber dann schaffte er es doch, an Bord zu gelangen. Er enterte auf und ließ sich erschöpft sinken. Muddi und der andere Mann halfen ihm auf die Beine. Sie hatten geschuftet wie noch nie in ihrem Leben, und jetzt lag das Gold und Silber verstaut in dem Laderaum. Rahim enterte ebenfalls auf. Nur Ravella und der Unrasierte befanden sich noch auf den Klippen. »Mann, ich kann nicht mehr«, stöhnte der Mann. Mondlicht beschien sein totenblasses Gesicht, er atmete schwer und keuchend. Dann knickte er in den Knien ein. Seine Hand tastete nach Ravellas Arm. »Bring mich an Bord!« verlangte er. »Ich bin fertig, laß mich hier nicht liegen.« Ravella zog sein Messer und hielt die Klinge so, daß der andere sie nicht sehen konnte. »Keine Sorge, Kumpel«, sagte er grinsend. Jetzt sah er tatsächlich aus wie ein Dämon. Mit seinem schwarzen Vollbart und der leeren dunklen Augenhöhle wirkte er furchteinflößend.
Ein Blick zum Schiff bewies ihm, daß sich keiner um sie kümmerte. Die Kerle hatten genug mit sich zu tun, sie waren ausgelaugt und am Ende ihrer Kräfte. Don Ravella stieß zu. Das Messer verschwand bis zum Heft zwischen den Schulterblättern des Mannes. Ein erstickter Laut drang über seine Lippen, Blut schoß aus seinem Mund, und er brach zusammen. Mit dem Gesicht voran trieb er im Wasser. Ravella zog das Messer aus dem Rücken des Toten und wischte es ein paarmal durchs Wasser. »So, du hast jetzt Ruhe, Kumpel«, sagte er leise. »Kein Mensch wird dich mehr im Stich lassen.« Er lachte leise wie über einen Witz und schwamm die restlichen Yards zum Schiff. Dort halfen ihm die anderen, auf zuentern. »Los, kappt die Ankertrosse!« brüllte er Rahim an. »Und ihr anderen setzt die Segel, ich helfe euch dabei. Wir müssen jetzt ganz schnell hier verschwinden, denn jeden Augenblick können die Kerle hier sein und uns entdecken.« »Und wo ist mein Kumpel?« fragte der Kerl mit der blutenden Visage. »Wie soll ich das wissen, Mann? Eben war er noch im Wasser. Los, Beeilung, sonst sind wir die Beute wieder los!« Die beiden anderen wußten von der Entdeckung noch nichts, aber als Muddi vernahm, daß die Seewölfe jeden Moment aufkreuzen konnten, wurde er plötzlich lebendig. Die Ankertrosse wurde mit zwei Beilhieben gekappt. In aller Eile wurde das Lateinersegel hochgezogen. Ravella übernahm das Steuer, während der andere Mann immer noch nach seinem Kumpan Ausschau hielt, der nicht mehr zu sehen war. Seine Leiche trieb längst mit der leichten Strömung achteraus. »Wenn die anderen Kerle kommen, wie du sagtest«, erklärte er Ravella, »dann werden wir sie mit Musketen empfangen.
Wir haben geladene Waffen an Bord.« »Dann hol sie und steh nicht rum, verdammt! Die können ganz schnell hier sein, und wenn sie uns erwischen, dann ziehen sie uns die Hälse an einem Strick in die Länge.« Der Mann flitzte los und brachte drei Musketen, schwere Dinger, die man ohne Gabelstützen kaum abfeuern konnte. Ravella schielte immer wieder nach oben zu den Klippen. Jeden Augenblick erwartete er das Auftauchen der Seewölfe. Wenn die bewaffnet waren, dann ... Der Zweimaster schwang schwerfällig herum. Sie hatten nur den einen Mast takeln können, an dem anderen ließ sich kein Segel anbringen. Die Gaffelrute lag zerschmettert an Deck. Ein leichter Stoß erschütterte das Schiff. Ravella stieß einen ellenlangen Fluch aus und riß den Kolderstock herum, um den Segler aus den Klippen zu bringen. Doch die leicht auflandige Brise erschwerte das Manöver. Außerdem fehlten Ravella die Fähigkeiten eines Rudergängers. Kaum war der Bug frei, da hob eine lange Dünung das Schiff und versetzte es weiter an die Klippen. Wieder knirschte und krachte es an der Steuerbordseite, und wieder fluchte Ravella los. »Gib her!« schrie der andere Mann der Besatzung, der letzte, der noch an Bord war. Hart griff er nach dem Kolderstock und hebelte ihn herum. Auch er schaffte es nicht, sich von dem auflandigen Wind freizusegeln, und ein paar Kreuzschläge verboten sich von selbst, der vielen Klippen wegen, die links und rechts überall aus dem Wasser ragten. »Verdammt!« schrie Muddi. »Jetzt haben wir das viele Gold und kommen nicht mehr von der Stelle. Zum Kotzen ist das!« »Nimm den Haken, du Idiot, und drück den Kahn ab!« brüllte Ravella zurück, der mit seinen Nerven jetzt ziemlich am Ende war. »Los, ihr anderen auch! Gafft nicht, tut etwas!« Und dann fuhr es ihnen eiskalt durch die Knochen. Wie
gelähmt starrten sie nach oben, wo gerade ein überraschter Ruf erscholl. »Ein Schiff!« klang es deutlich herunter. »Es liegt direkt unter uns zwischen den Klippen.« »Jetzt haben wir die Scheiße«, stellte Sidi Mansur fest. »Und freisegeln können wir uns auch nicht mehr, ha?« Oben auf den Klippen tauchten Gestalten auf. Unter ihnen war auch die zierliche Silhouette der Roten Korsarin. Ravella ließ den Kolderstock fahren, den er gerade wieder übernommen hatte, und schnappte sich eine der geladenen Musketen. Er hockte sich hinter das Schanzkleid und visierte. Bei der Dünung, die das Schiff auf und niederhob, war an ein genaues Zielen nicht zu denken. Aber die Seewölfe sollten merken, daß mit ihnen nicht zu spaßen war. Ravella drückte ab. Die große Muskete entlud sich mit einem höllischen Krachen. Der harte Rückstoß warf ihn zurück. * Hasard glaubte zu träumen, als Dans Ruf ertönte. Tucker, Carberry und Siri-Tong waren mit einem Satz am Rand der Klippen. Da schaukelte tatsächlich ein Schiff mit zwei Masten auf dem Wasser. Die Dünung hob und senkte es, versetzte es näher an die Klippen heran und ließ es tanzen. Ein Schiff! Hier an der Schlangen-Insel! Noch nie hatte ein Schiff diese Klippen angelaufen. Aber dieser beschädigte Zweimaster hatte es geschafft, und die Kerle aus Siri-Tongs Crew hatten die Gelegenheit wahrgenommen. Das Schiff war ihnen buchstäblich wie ein Geschenk des Himmels in den Schoß gefallen. Und natürlich hatten sie sofort einen Plan entwickelt. Hasard sah jetzt klar.
»Der Sturm hat es hier angetrieben«, sagte er, »diese Halunken haben es entdeckt und die Besatzung auf ihre Seite gebracht. Unsere Gold und Silberbarren liegen längst in den Laderäumen.« »Die Banditen haben das Gold über die Klippen geworfen«, sagte Dan. »Das war das Poltern, das Matt und ich hörten. Na, denen werden wir die Suppe versalzen.« »Hoffentlich können wir das noch«, erwiderte der Seewolf. »Wenn sie es schaffen, sich aus den Klippen zu lösen, können sie sich totlachen, denn wir können sie nicht verfolgen.« Sprachlos sahen sie zu, wie tief unter ihnen ein Segel gesetzt wurde. Dunkle Gestalten hetzten über Deck, aber es waren nicht mehr als vier oder fünf Männer. Hasard nahm an, daß der größte Teil der Besatzung umgekommen sein mußte, wenn Siri-Tongs Piraten ihnen nicht vorher das Lebenslicht ausgeblasen hatten. Auf dem Schiff blitzte es auf, und sofort danach rollte ein Donner über die See, brach sich an den Felsen, pflanzte sich fort, bis er langsam verebbte. Ein Bleibrocken orgelte über sie weg und pfiff in den dunklen Himmel. Die Kerle hatten sie entdeckt, und sie wußten, um was es jetzt für sie ging. Da setzten sie alles auf eine Karte. »Schaffen wir es mit der Karavelle durch die Passage?« fragte Hasard die Korsarin. »Es müßte gehen«, erwiderte sie zögernd. Aber bis wir das Schiff seeklar haben, sind die Halunken weg.« »Sie segeln sich nicht frei«, sagte der Boston-Mann, von dem Hasard noch nie einen längeren Satz gehört hatte. »Der auflandige Wind treibt sie immer wieder zurück.« Ja, sie hatten schwer zu kämpfen, das sah man deutlich. Sobald der Bug des Schiffes in die See schwenkte, warf der auflandige Wind das Schiff wieder herum. Immer wieder schurrte es an die Felsen und legte sich hart auf die Seite. Ein zweiter Schuß aus einer Muskete krachte. Ein Blitz, ein
überlauter Knall, und wieder pfiff es in den Nachthimmel, an dem die ersten Zeichen der Morgendämmerung erschienen. Hasard zog die Reiterpistole aus dem Hosenbund. Flach legte er sich auf die Felsen, zielte sorgfältig und drückte ab. Die Kugel bohrte sich in das Segel, aber auf dem Schiff gingen die Männer sofort hinter dem Schanzkleid in Deckung. Tucker war außer sich vor Wut »Diese verfluchten Hurensöhne«, schimpfte er und packte seine Axt fest. »Wie kommen wir nur an die heran? Wenn wir die Klippen hinuntersteigen, knallen sie uns einen nach dem anderen ab.« Wütend hieb er mit der Axt in den Lavafelsen. Der poröse Stein zersprang sofort, ein riesiger Brocken fiel dem Schiffszimmermann vor die Füße. Er hob ihn hoch über seinen Kopf und warf ihn dann mit Schwung hinunter. Der Brocken, schwerer als ein Zentner, landete unter donnerartigem Getöse an Deck und schlug ein Loch in die Planken. »Dan!« rief der Seewolf. »Du läufst zurück an Bord. Alle Männer sollen sich bewaffnen, sie sollen Fackeln, Musketen und Pistolen mitbringen. Auch Brandpfeile! Beeil dich, Dan!« »Aye, aye«, erwiderte Dan und wollte loslaufen. Aber der Boston-Mann hielt ihn zurück. »Ich komme mit«, sagte er. »Wir sind es euch schuldig, daß wir euch helfen.« Hasard sah Siri-Tong an. Er wollte gerade eine ablehnende Antwort geben, als die Korsarin ihm leicht die Hand auf den Arm legte. »Die anderen sind ehrliche Leute«, sagte sie leise. »Ich bedaure diesen Vorfall, aber ...« »Ehrlich?« wiederholte der Seewolf erbittert. »Das ist ein großes Wort, Madame. Sehen Sie sich nur diese Hundesöhne an, die ...« »Ich weiß«, fiel sie ihm ins Wort. »Aber es ist nicht unsere
Schuld. Überall gibt es Halunken.« Hasard nickte. Er traute keinem von der Besatzung, aber der Boston-Mann schien tatsächlich einer von den ehrlichen zu sein. Auch in seiner Mannschaft hatte es Halunken gegeben, dachte Hasard, die erst nach und nach ausgesiebt worden waren. »Also gut«, sagte er. »Holt eure Leute!« Tucker wütete mit der Axt im leichten Lavagestein. Hart fuhr die Schneide in die Felsen und sprengte Stück um Stück heraus. »Damit halten wir sie eine Weile auf«, sagte er grimmig. »Solange, bis die anderen da sind, wird es gehen.« Wieder stemmte er einen Brocken über seinen Kopf und warf ihn voller Wut und mit dem nötigen Schwung hinunter. Es war nicht schwierig, das Schiff zu treffen. Als Ziel bot es sich ideal an. Der Gesteinsbrocken donnerte an Deck, zersprang dort in viele Teile und überschüttete die wüst fluchenden Piraten mit einem Hagel aus kleineren Steinen. Hasard sah es aufblitzen. Diesmal raste die Kugel haarscharf an seinem Kopf vorbei. Er gab den zweiten Schuß aus seiner doppelläufigen Pistole ab, und diesmal klang ein lauter Schrei herauf. An Deck brach eine Gestalt zusammen, taumelte hoch, schrie wieder und brach am Schanzkleid endgültig zusammen. »Das war keiner von uns«, hörte er Siri-Tongs Stimme neben sich. »Das muß einer von der Besatzung gewesen sein.« »Der letzte wahrscheinlich«, sagte Hasard. »Jetzt sehe ich nur noch vier Kerle da unten.« Die kalte Wut packte ihn, wenn er daran dachte, auf welche hinterhältige Weise die Kerle sie hinters Licht geführt hatten. Sie hatten ihr Vertrauen schändlich mißbraucht, sie ausgeplündert und wollten jetzt mit einem großen Teil der Beute auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Tucker und Carberry wechselten sich jetzt gegenseitig damit
ab, große Brocken auf das Schiff zu werfen. Immer wieder schlug es unten ein, und sofort danach ertönte wütendes Gebrüll, wurden Musketen abgefeuert, Fäuste drohend geschüttelt. Unmerklich wurde es heller, und jetzt waren die Gestalten auf dem tanzenden Schiff deutlicher. Aus den Schatten wurden Gesichter, die fahl heraufschimmerten. Sidi Mansur, Don Ravella, Rahim Baa und Muddi waren es, die hinter dem Schanzkleid in Deckung gingen, sobald die ersten Steinbrocken flogen. Die leichte Brise begann abzuflauen und Ravella gelang es zum Ärger der Seewölfe, Ruder zu legen. Das Schiff löste sich von den Felsen. Ganz langsam zwar, aber sie schienen es doch noch zu schaffen, sich freizusegeln. Tucker warf mit faustgroßen Brocken nach Ravella, um ihn vom Kolderstock zu vertreiben. Aber der Pirat ging jedesmal rechtzeitig in Deckung und schimpfte höhnisch. * Muddi hielt die Nervenbelastung nicht mehr aus. Er lag hinter dem Schanzkleid und wimmerte. Ein paar kleinere Steine hatten ihn getroffen. Von seinem rechten Arm lief Blut. »Wir ergeben uns!« schrie er Ravella zu. »Die Kerle machen uns fertig. Lieber ein paar Schläge, als umgelegt zu werden.« »Du bist wohl wahnsinnig, du Idiot!« schrie Ravella. »Ein paar Schläge! Daß ich nicht lache. Wenn die uns kriegen, hängen wir noch heute morgen an der Rah von diesem verdammten Seewolf. Reiß dich zusammen, wir haben es gleich geschafft.« »Ich will nicht mehr!« schrie Muddi in höchster Angst. »Wenn wir freikommen, holen die uns mit der Karavelle und schlachten uns ab. Scheiß auf das Gold!« »Ich stopf dir gleich die Schnauze, du Feigling!«
Ravella konnte nicht mehr zurück. Er konnte sich ausmalen, was ihnen bevorstand, wenn sie den Seewölfen in die Hände fielen. Sein Kreuz schmerzte immer noch wie wahnsinnig. Die Striemen, die die Peitsche hinterlassen hatte, brachen auf und bluteten bei jeder Bewegung. Nein, sie mußten es schaffen, sie mußten den Seewölfen diesen Teil der Beute abjagen, und wenn sie dabei alle vor die Hunde gingen. Sidi und Rahim dachten genauso. Lieber verrecken, als dieser Meute in die Hände fallen. Sie hatten hoch gesetzt, und sie mußten das Risiko in Kauf nehmen. Ein Zurück gab es nicht mehr! Aber Muddi hatte entsetzliche Angst. Er dachte nicht mehr daran, mit der Beute abzuhauen. Der Seewolf würde ihn vielleicht auspeitschen lassen, wenn er jetzt aufgab, aber hängen, nein, hängen lassen würde er ihn sicher nicht. Er lief über das Deck bis zur Back. Dort stellte er sich hin und legte die Hände trichterförmig an den Mund. Seine Stimme überschlug sich vor Angst. »Ich gebe auf!« kreischte er. »Wenn ihr mich nicht hängt, dann ergebe ich mich!« Der Seewolf hatte das Geschrei gehört. Muddi, die kleine dreckige Ratte war das, die da in höchster Angst winselte. »Wir hängen dich nicht!« rief Hasard zurück. »Das verspreche ich dir, du hast mein Wort!« »Aber ich werde diesen Hund aufhängen lassen«, zischte die Korsarin wütend. Ihr Blick war fest auf den Seewolf gerichtet. »Er hat mein Wort«, sagte Hasard kalt. »Und ich pflege mein Wort zu halten, er wird nicht gehängt!« »Er gehört zu meiner Crew, und ich werde ...« »Sie werden gar nichts, Madame!« Hasards Augen blitzten zornig die Korsarin an. Sie sah die eiskalten blauen Augen, in denen Entschlossenheit stand. Sein Blick war so durchdringend, daß sie fröstelte. »Aye, aye!« Ihre Stimme war wie ein Hauch.
Auf dem Schiff unter ihnen sprang Sidi den schmierigen Muddi an. Er schlug ihm die Fäuste ins Gesicht, und als Muddi wimmernd auf den Planken lag, zog Mansur sein Messer und wollte zustechen. Aber Muddi sprang mit einem gewaltigen Satz auf, rannte Sidi um, raste zum Schanzkleid der Backbordseite und schnellte sich mit einem wilden Schrei ins Wasser. Prustend tauchte er auf und paddelte mit wilden, um sich schlagenden Armen im Wasser herum. Sidi nahm grinsend eine der Musketen auf und wollte auf ihn feuern. »Halt!« brüllte der Seewolf. »Laß den Mann an Land schwimmen!« Mansur gab keine Antwort. Rahim Baa legte mit einer anderen Muskete auf den Seewolf an. Da warf Carberry einen Brocken hinunter, groß wie ein Kopf. Ferris Tucker feuerte einen zweiten gleich hinterher. Mansur ließ die Waffe fallen und duckte sich. Rahim Baa, der Javaner, wurde am Arm getroffen. Hinter dem Segel versteckte er sich mit der Muskete, aber er traf nicht mehr, als er schoß. Muddi stieg inzwischen in die Felsen und enterte so schnell auf, wie noch nie in seinem Leben. Vor dem Seewolf schien er jetzt keine Angst mehr zu haben, nur noch vor seinen eigenen Kumpanen, die zweimal hinter ihm herschossen, ohne ihn zu treffen. Und dann hatte der Segler es geschafft. Der Bug wies in die offene See hinaus, das Segel killte einmal und füllte sich dann mit Wind. Und von unten tönte höhnisches Gebrüll herauf. »Geh zum Teufel, du Bastard! Hol uns doch, wenn du kannst!« »Du verdammter Satansbraten!« brüllte Mansur und schüttelte die Fäuste. »Dir werden wir es noch heimzahlen. Und vielen Dank für die fette Beute!« Hasards Gesicht blieb ausdruckslos. Die Kerle würden ihm
nicht entwischen, das war sicher, und wenn er mit der Karavelle der Roten Korsarin hinterhersegeln mußte. Nur Tucker und Carberry hatten wütende Gesichter. Stein um Stein schleuderten sie dem Schiff nach, das sich jetzt langsam entfernte. »Wo, zum Teufel, bleiben denn unsere Leute?« fluchte der Profos. »Die müßten doch längst hier sein.« »Wir nehmen die Karavelle«, sagte Hasard. »Diese Bastarde werden uns nicht entgehen, sie haben nur ein Segel.« Entschlossen wollte er sich umwenden, um zur Bucht zu laufen, aber da tauchte schon die ganze brüllende Horde auf, angeführt von Dan, der ihnen kurz erzählt hatte, was passiert war. Batuti erschien mit seinem riesigen Bogen. Big Old Shane hatte seinen ebenfalls mitgebracht, Ben Brighton trug eine Muskete und zwei Pistolen im Gürtel. Morgan, Grey, Smoky, Blacky, Andrews. Conroy, Roskill und Stenmark, alle waren bis an die Zähne bewaffnet. Und hinter ihnen folgten kleinlaut und verschämt der Boston-Mann, gefolgt von Bill the Deadhead, Juan und noch einem, dessen Namen niemand kannte. In diesem Augenblick enterte Muddi blutverschmiert auf. Er kroch auf allen Vieren aus den Klippen, ein gebrochener Mann, von Angst geschüttelt, winselnd und keuchend. »Gnade!« rief er und warf sich dem Seewolf vor die Füße. »Gnade, Sir, ich bereue, was ich getan habe!« »Steh auf, Kerl, und verschwinde. Über dich reden wir später. Sei froh, daß du rechtzeitig ausgestiegen bist, die anderen werden das Glück nicht mehr haben.« Muddi verzog sich, klein und häßlich schlich er davon und versteckte sich zwischen den Felsen. Inzwischen gewann der Segler weiteren Vorsprung. Don Ravella versuchte verzweifelt, aus dem Bereich der todbringenden Geschosse herauszukommen, als die ersten
Musketen losdonnerten. In den Seewölfen hatte sich eine unbeschreibliche Wut gespeichert, als sie durch Dan von den Halunken erfahren hatten. »Shane, Batuti!« rief der Seewolf. »Feuert Brandpfeile in die Segel, aber beeilt euch, sonst entwischen uns die Halunken doch noch!« Matt Davies hielt schon eine brennende Lunte in der Hand, mit der er die Pfeile zum Glimmen brachte. Dahinter saß eine kleine Pulverladung, die sich nach einer Weile entzündete. Brighton gab das Kommando zum Feuern, nachdem der Seewolf den Piraten noch einmal zugerufen hatte, sie sollten sich ergeben. Die Antwort war ein einziges Hohngelächter. Die Piraten glaubten sich schon in Sicherheit. Die ersten Musketen, auf den Klippenrand gelegt, begannen ihre tödlichen Ladungen zu spucken. Pulverqualm quoll hoch, donnernde Abschüsse ertönten. Batuti und Shane spannten ihre riesigen Bögen mit den glimmenden Pfeilspitzen. * »Die kriegen uns nicht mehr!« Ravella lachte höhnisch. »Und wenn sie mit hundert Musketen feuern. Gleich haben wir die Klippen hinter uns, und dann sind wir reiche Leute.« »Bleibt in Deckung«, warnte der Javaner die beiden Männer. »Die Höllenhunde schießen verdammt genau.« Sidi Mansurs größte Angst war verflogen. Er hockte hinter dem Steuerbordschanzkleid und riskierte nur ab und zu einen Blick zu den steil aufragenden Klippen, wo die Seewölfe lagen und ihre Musketen abfeuerten. Und dann schlug es bei ihnen ein. Fünf oder sechs Treffer klatschten in das Schanzkleid. Holz splitterte, ein paar Brocken
flogen Sidi Mansur um die Ohren. Er wurde blaß. Jetzt waren sie schon fast aus dem Bereich der Felsklippen heraus, und trotzdem trafen diese Hundesöhne immer noch das Schiff. Er konnte den Kopf nicht mehr heben, denn die Kugeln der Seewölfe lagen verdammt gut im Ziel und pfiffen ihm pausenlos um die Ohren. Nur noch hundert Yards, dann hatten sie es geschafft. Dann waren sie frei, und kein Schuß würde sie mehr erreichen. Ravella hatte den Kolderstock festgelascht und sich auf dem Achterkastell in Deckung geworfen. Neben ihm schlug ein Stück Blei ins Deck und riß große Späne aus den Planken heraus. Verdammt! dachte er, sie hatten die Burschen doch gründlich unterschätzt, die trafen immer noch. Wieder jaulte ein Bleibrocken heran. Ravella zog den Schädel ein und blickte zu Rahim Baa hinüber, der mit verstörtem blassen Gesicht am Schanzkleid hockte. Er wagte nicht mehr, seine Muskete zu heben, aus Angst, die Seewölfe würden ihn treffen. Auch er bewunderte insgeheim die Genauigkeit, mit der sie trafen. Und dann stieß es Ravella hart herum. Unwillkürlich schrie er auf. Ein Schuß hatte sein rechtes Bein getroffen und eine riesige Wunde gerissen, aus der warmes klebriges Blut strömte. Schmerzwellen tobten durch seinen Körper. Haßerfüllt versuchte er, aufzustehen, doch das Bein knickte unter ihm weg. Er zog sich hoch, er hielt diesen wahnsinnigen Schmerz nicht mehr aus. Sofort fiel er fluchend und schreiend wieder um und robbte auf den Knien zu Rahim hin. »Die Hunde haben mich erwischt«, keuchte er, »gib mir deine Muskete.« Als er nach dem schweren Gewehr griff, hörte er es unter sich leise plätschern. Ein oder zwei Kugeln hatten die Bordwand unterhalb der Wasserlinie durchsiebt, und jetzt drang das
Meerwasser in die Laderäume ein, wo der riesige Schatz lag. Verbissen richtete er sich hinter dem Schanzkleid auf, hob die Muskete und sah über ihrem Lauf undeutlich und verschwommen das verhaßte Gesicht des Seewolfes. Er drückte ab, spürte den dumpfen Knall und den Rückstoß, warf die Muskete weg und richtete sich stöhnend auf. »Hab ich ihn getroffen?« fragte er den Javaner. Es war die letzte Frage, die er in seinem Leben stellte. Stenmark hatte es aufblitzen sehen, er nahm sorgfältig Maß und drückte ab. Ravella fühlte sich wie von einer mächtigen Faust angehoben. Ein harter Schlag erschütterte seine Brust, er warf beide Arme hoch und griff haltsuchend um sich. Er sah das Deck auf sich zurasen, vor seinen Augen verschwammen die Gestalten oben auf den Klippen, und dann war das Deck plötzlich direkt vor seinem Gesicht. Schwer schlug er auf. Danach umgab ihn tiefste Finsternis. Er war tot, noch bevor er sich ganz auf den Planken ausstreckte. Mansur und Rahim wurden noch bleicher, als sie ihren Kumpan mit zerschossener Brust auf die Planken stürzen sahen. Entsetzt starrten sie sich an. Ravella war nicht mehr zu helfen, jetzt waren sie nur noch zu zweit. Jähe Panik überfiel sie. Sie wußten nicht mehr, ob das Schiff auf die Klippen zulief, oder ob es offene See gewann. Jedenfalls waren sie der tödlichen Gefahr immer noch nicht entronnen. Über ihre Köpfe zischte etwas hinweg, ein leises Fauchen erklang, und steckte ein großer, brennender Pfeil in ihrem Segel. »Das Segel!« schrie der Javaner. »Es fängt an zu brennen!« Mansur standen Tränen der Wut in den Augen, als er nach oben sah. Das stark gelohte Segel brannte am Liek, und das Feuer fraß sich mit unheimlicher Geschwindigkeit weiter nach oben.
Dieses Segel war ihre letzte Rettung gewesen, sie hatten kein anderes mehr, und sie konnten auch keins mehr anschlagen. Ohne auf die Musketenschüsse zu achten, griffen die beiden Piraten nach einer Pütz und schöpften Wasser. Wie die Irren umsprangen sie den Mast und gossen Wasser auf das brennende Segel. Ein zweiter Pfeil bohrte sich in das Segel, gleich darauf ein dritter. Sie steckten noch nicht richtig drin, als wieder das leise Fauchen ertönte, vermischt mit einem gedämpften Knall. Die Pfeile flammten auf, brannten lichterloh, und das Feuer fraß sich gierig an dem Segel weiter, bis es die Gaffelrute erreichte. Rahim schöpfte die nächste Pütz Wasser, als es ihn erwischte. Der Boston-Mann schoß ihm eine Kugel durch den Schädel. Es war mehr ein Glückstreffer gewesen als ein gezielter Schuß. Die Kugel zerschmetterte Rahims Schädel. Die Wucht des Aufpralls trieb ihn bis an das Schanzkleid, wo er zusammenbrach. Auch er war auf der Stelle tot. Jetzt war Sidi Mansur allein, ohne Hoffnung, sich jemals freisegeln zu können. Der leichte Wind ließ das Segel wie Zunder brennen. Da gab es nichts mehr zu löschen, und da gab es auch nichts mehr zu steuern. Der Zweimaster dümpelte in der See, das brennende Segel löste sich in großen Fetzen, die nach unten schwebten. Überall stiegen Funken auf. Der Wind trieb sie über das ganze Schiff. Mansur, der immer noch nicht aufgeben wollte, raste hin und her, um die Funken auszutreten. Mit der Pütz goß er Wasser über die Planken, sprang hierhin, sprang dorthin. Musketenschüsse sirrten ihm um die Ohren. Er hörte sie nicht, er wußte nur, daß das Schiff gleich lichterloh brennen würde, wenn er nicht aufpaßte. Ein brennendes Segelstück fiel ihm auf den Kopf. Er schrie und brüllte, schlug um sich, goß sich Wasser über den Schädel. Seine Haare knisterten, versengten. Einem heulenden Derwisch gleich hüpfte und sprang er über
Deck, von Schmerzen gepeinigt und von hilfloser Angst geschüttelt. Jetzt fing auch der Mast an zu brennen. Der Wind drückte den Bug des Schiffes wieder zurück und ließ es tanzen. Unmerklich scherte es aus dem Kurs und lief zu den Klippen zurück. Und Mansur kämpfte um sein Leben. Es gelang ihm, das Feuer am Mast zu löschen. Auch die Funken, die überall herumsprangen, trat er immer wieder aus oder überschwemmte sie mit Wasser. Er war dem Wahnsinn nahe. Wenn er an seinen erschossenen Kumpanen vorbeihüpfte, grinste er wie ein Teufel. »Liegt nicht »rum!« brüllte er sie an. »Helft mir löschen. Gleich haben wir es geschafft. Hoch, ihr Hunde!« Er erhielt keine Antwort. Rahims Schädel war zerschossen, in Ravellas Brust klaffte ein faustgroßes Loch. Und Mansur wütete weiter. Er vergaß die Welt um sich herum, goß überall Wasser aufs Deck, riß die aus dem Liek hängenden Fetzen des brennenden Segels herunter und trat sie aus. »Steht doch auf, ihr faulen Hunde!« schrie er wieder, daß es gespenstisch bis zu den Klippen hinaufhallte. »Seht ihr denn nicht, daß wir frei sind? Wir haben Gold, Gold! Stinkreich sind wir, Freunde, wir kaufen uns die Welt.« Die Freunde sahen ihn nicht mehr. Ihnen war auch völlig gleichgültig, ob sie Gold hatten oder nicht. Sie jedenfalls brauchten kein Gold mehr auf dieser Welt. »Seht euch diesen Verrückten an«, sagte der Seewolf, der dem Schauspiel ohne jede Gemütsbewegung zusah. »Der scheint in den letzten Minuten buchstäblich übergeschnappt zu sein. Er merkt gar nicht mehr, daß das Schiff auf die Klippen läuft.« Es wurde nicht mehr weiter geschossen. Bis auf Mansur waren sie alle tot, und den Kerl würden sie auch noch erwischen.
Hoch oben am Mast brannte es immer noch, wo Batuti und Big Old Shane ihre Pfeile hineingeschossen hatten. Und der Irre raste laut lachend über Deck, das Feuer bekämpfend, das immer wieder hochzüngelte und neue Brandherde bildete. Nur oben an den Mast kam er nicht heran, der um die Gaffelrute herum in hellen Flammen stand. Inzwischen hatten sich die ersten Männer vorsichtig die Klippen hinabgetastet. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann würde die Dünung den Segler auf die Klippen schmettern. Schon jetzt glitt er mit jeder kleinen Woge schneller an die Felsen heran. Der Boston-Mann hob das Gewehr. »Sollen wir es beenden, Sir?« fragte er Hasard. »Das erspart uns späteren Ärger.« »Er ist wehrlos«, sagte Hasard ernst, »und verrückt ist er auch. Die letzten Minuten haben seinen Verstand zerfressen. Und wir schießen grundsätzlich nicht auf Wehrlose.« »Wie Sie meinen, Sir«, sagte der Boston-Mann und legte die Muskete wieder zur Seite. Hasard wunderte sich nicht einmal, daß der Boston-Mann ihn mit »Sir« angeredet hatte. Nur Carberry hob sein narbiges Gesicht und grinste milde. Jawohl, die Brüder kuschten schon, dachte er. Die ordneten sich dem Seewolf bedingungslos unter, wie es schien. »Jetzt schnappt er ganz über«, sagte Dan und wies nach unten. Die Männer beugten sich vor, um besser sehen zu können. Mittlerweile war die Dämmerung angebrochen und die Einzelheiten ließen sich klar und deutlich unterscheiden. Ein paar der Seewölfe hatten schon die halbe Strecke von den Klippen zum Wasser zurückgelegt. Vorsichtig stiegen sie weiter hinunter. Mansur klomm am Mast hoch. Wie ein Affe kletterte er höher zu der brennenden Gaffelrute hinauf. Das Segel war
verschwunden. An Deck lagen nur noch schwarzverkohlte Reste herum. Er schrie und zeterte und beschwor immer wieder seine Kumpane, sie möchten ihm doch, verdammt noch mal, endlich helfen. Mit den Händen griff er in das lohende Feuer und versuchte, die Flammen, die gierig nach seinen Händen griffen, zu ersticken. Er spürte die Hitze nicht, wütend schlug er nach dem Feuer, bis seine Hände Blasen warfen, und sich die Haut in Fetzen abschälte. Eine Woge hob das Schiff wie mit großen Händen an, eine zweite folgte, ließ es tanzen und querschlagen. Die dritte nahm es hoch und schmetterte es an die Felsen, genau zwischen zwei schroffe kantige Riffe, in denen es unverrückbar festsaß. Der Mast hielt dieser Beanspruchung nicht mehr stand. Er neigte sich, die Gaffelrute löste sich und fiel Sidi Mansur auf den Schädel. Ein letzter gellender Schrei, dann stürzte er zusammen mit der schweren Gaffelrute an Deck. Auch er hatte es hinter sich - das Gold, das reiche Leben und die Hinterhältigkeit, die sein Leben bestimmte. Still und reglos lag er an Deck, erschlagen von dem mächtigen Holz. 10. Etwas später langten die ersten Seewölfe unten an. Es war ein halsbrecherischer Abstieg gewesen, bei dem sie alle paar Yards ihre Knochen riskiert hatten. Das Wrack lag fest, niemand würde es mehr auf See hinausbringen. Es krachte und knackte protestierend in allen Verbänden und neigte sich leicht zur Seite. Stenmark, Morgan und Matt Davies enterten auf. Ravella war tot, Rahim Baa lebte nicht mehr und den Unbekannten hatte es ebenfalls erwischt. Und Sidi Mansur lag tot unter der
Gaffelrute. Matt Davies fand ein Beil. Er reichte es Stenmark und zeigte auf den schwankenden Mast. »Laß ihn über Bord gehen, Sten«, sagte er, »sonst brennt der Kahn aus und die Goldbarren versinken. Und die wollen wir uns doch wiederholen, oder?« »Klar«, sagte der blonde Schwede und packte das Beil fester. Matt Davies konnte mit der Hakenprothese nicht so gut zuschlagen, deshalb übernahm Stenmark die Arbeit. Schlag um Schlag hieb er gegen den Mast, der am Topp immer noch brannte. Holz splitterte und barst, bis sich der schwere Mast zur Seite neigte. Matt Davies half mit. Sein scharfgeschliffener Haken hackte in das Holz, zerrte und fetzte große Splitter dort heraus, wo Stenmarks Beil gewütet hatte. Und Luke Morgan pützte Wasser und goß es auf die stiebenden Funken. Mit einem letzten Schlag fetzte Stenmark das Holz auseinander. Der Mast ging über Bord, riß das stehende Gut mit sich und verschwand zischend in den Fluten. Stenmark hieb auch noch das stehende Gut auseinander, dann erst stiegen sie in den Laderaum. Niemand sagte ein Wort. Da lagen die Schätze, verschrammte Silber- und Goldbarren, manche an den Kanten eingedellt, andere abgeschürft durch den Sturz über die scharfkantigen Felsen. Alles lag in einem wüsten Haufen durcheinander. »Wo lassen wir die Toten?« fragte Morgan. »Sollen wir die Kerle etwa mit Seilen die Klippen hochziehen?« »Das soll der Seewolf entscheiden, oder die Korsarin«, erwiderte Matt Davies. »Im übrigen können das die anderen verlausten Kakerlaken besorgen. Wird sowieso eine verdammt harte Arbeit werden, das ganze Zeug wieder nach oben zu schaffen.« »Eine tagelange Arbeit«, sagte Luke Morgan. »Man kann die
Brocken ja nicht einfach wieder raufschmeißen.« Das Feuer war gelöscht, das Wrack konnte nicht mehr brennen. Was Hasard damit tat, wußten sie noch nicht, aber vermutlich würde er es später verbrennen lassen, sobald die Leichen und der Gold und Silberschatz geborgen waren. Oben, nicht weit von dem Seewolf entfernt, stand Muddi und heulte sich die Seele aus dem Leib. Er zitterte an allen Gliedern, als er das Ergebnis sah. Alle waren sie tot, und ihn hätte es auch erwischt, wäre er an Bord geblieben. Jetzt stand ihm allerdings eine verdammt harte Bestrafung vor, die er gern in Kauf nehmen wollte, wenn nur sein lausiges Leben erhalten blieb. Vorsichtig näherte er sich dem Seewolf. Sein Grinsen war demütig und unterwürfig, am liebsten wäre er auf allen vieren herangerutscht und hätte sich in den Hintern treten lassen wie ein räudiger Hund, der seinem Herrn das letzte Stück Brot geklaut hat, und jetzt seine Prügel erwartet. »Sir«, sagte er leise, »Sir, ich möchte Sie bitten, mich mit mindestens fünfzig Hieben zu bestrafen oder noch mehr, wenn Sie wollen. Ich bin ein Schwein, Sir, ein ...« »... ein dreckiges, stinkendes Schwein«, half der BostonMani, nach. »Und du verdienst es nicht, daß man dich schont. Wenn Mister Killigrew dich nicht aufhängt, kannst du ihm sein ganzes Leben lang dankbar sein, du Ratte.« Hasard sah den winselnden Mann verächtlich an, den die Angst fraß und dessen Zähne klapperten. »Fünfzig Hiebe?« fragte er gedehnt. »Die machen aus dir auch keinen besseren Menschen, du Laus! Aber ich habe etwas Besseres für dich. Weil du so eifrig mitgeholfen hast, die Goldbarren über die Klippen zu werfen, wirst du sie auch genauso eifrig wieder nach oben bringen. Alle, bis auch der letzte wieder in dem Tempel liegt. Und vorher wirst du deine verdammten Kumpane irgendwo begraben. Dann werde ich von einer Bestrafung absehen. Verstanden?«
»Zu gütig, Sir, zu gütig«, winselte Muddi unter den verächtlichen Blicken seiner Kumpane. Siri-Tong trat neben ihn. Ihre schwarzen Mandelaugen blitzten. »Steh auf, du Jammerlappen!« fuhr sie ihn an. »Und tu das, was Mister Killigrew dir auf getragen hat! Und ihr werdet mithelfen!« rief sie laut. »Alle, angefangen vom Boston-Mann bis zu Bill. Ihr alle werdet die Barren heraufholen und die Halunken an den Klippen begraben, sonst hole ich mir einen nach dem anderen vor den Degen. Und das wird bestimmt kein Spaß für euch sein!« »Sie haben recht, Madame«, sagte der Boston-Mann. »Nur so können wir wieder gutmachen, was wir diesen Männern hier angetan haben. Wir verdanken unseren Anteil an der Beute den Seewölfen, und das werden wir nicht vergessen. Wir fangen gleich mit der Arbeit an.« »Tut das«, sagte der Seewolf. Er sah in die Gesichter, aber in keinem las er Protest oder Unwillen. Der Rest, der jetzt noch lebte, schien nicht schlecht zu sein, und sie boten sich geradezu an, die Scharte wieder auszuwetzen. Zwischen den schroffen Felsen wurden die Leichen begraben. Muddi häufte Lavagestein über die Körper, bis sie bedeckt waren. Der Rest des Tages verging damit, das auseinanderbrechende Wrack zu entladen. An den Klippen, halb im Wasser, türmten sich die Barren. Der Boston-Mann band sie an ein langes dünnes Seil, Muddi und die anderen zogen sie herauf und trugen sie in den Tempel. Es war eine Knochenarbeit, und sie dauerte den ganzen Tag, aber dann waren die Barren wieder an dem sicheren Platz im Schlangentempel. Am späten Nachmittag erschien der Seewolf und überzeugte sich vom Fortgang der Arbeiten.
Die kleine Karavelle barst immer weiter auseinander. Kleine harte Wellen schlugen gegen ihren eingeklemmten Rumpf, lösten die Planken und schlugen sie heraus. »Mit dem Wrack können wir nichts mehr anfangen«, sagte der Seewolf. »Und ich will es auch nicht hier liegen lassen, sonst verfällt vielleicht noch jemand auf dumme Gedanken. Ich denke, wir stecken es in Brand, und dann ist der Fall erledigt.« »Sollen Batuti wieder schießen in Brand wie vorhin?« erkundigte sich der Neger in seinem Kauderwelsch bei Hasard. Er hatte noch seinen Bogen und ein paar Brandpeile. Hasard nickte. Wenn das Wrack verschwunden war, kam keiner auf die Idee, nachzusehen, falls ein Schiff an der Insel vorbeisegelte. Batuti schoß einen Brandpfeil ins Deck. Er schlug in die Planken, und die im Pfeilschaft befindliche Pulverladung entzündete sich. Einen zweiten Pfeil setzte der Gambia-Neger ins Vorschiff. Auch dort züngelten gleich darauf kleine Flammen hoch, die sich rasch ausbreiteten und durch das Holz fraßen. Es dauerte nicht lange, bis die kleine Karavelle in Flammen stand. Gierig fraß das Feuer das kleine Schiff, auf dem sich eine große Tragödie abgespielt hatte. Hasard und Batuti sahen zu, wie die Flammen schließlich kleiner wurden, nur noch träger Rauch aufstieg und die Reste der Karavelle zwischen den Klippen versanken. Zurück blieben geschwärztes Lavagestein, ein paar kleine Trümmer, die im Wasser trieben, und herausgerissene Planken. Und dicht daneben ruhten die Toten, schon vergessen von den anderen, denen sie so übel mitgespielt hatten. Die restlichen Männer kehrten an Bord zurück. Am Strand erwartete Hasard die Rote Korsarin. »Wie geht es weiter, Pirat?« fragte sie lächelnd. »Wenn Sie lossegeln, werde ich Ihnen nicht mehr folgen können. Mir fehlen Leute, ich bin stark unterbemannt.«
»Bleiben Sie doch hier und passen Sie auf das Gold auf«, sagte Hasard. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, fauchte sie aufgebracht. »Warum denn immer gleich so aufbrausend?« Hasard lächelte. »Es gibt ja schließlich noch eine andere Möglichkeit.« »Aus Ihnen möchte ich schlau werden«, sagte sie seufzend. Ihr Atem ging flach und schnell. »Welche andere Möglichkeit gibt es noch?« »Ich leihe Ihnen ein paar von meinen Leuten aus. Kommen Sie mit an Bord, auf den Schreck hin werden uns ein paar Flaschen Wein guttun, Freibeuterin. Meine Männer haben es verdient und Ihre auch.« »Sie wollen wirklich ein paar Männer auslernen?« fragte sie ungläubig. Hasard zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Das ist immer noch besser, als wenn Sie hierbleiben müssen. Und in Tortuga können Sie eine neue Mannschaft anheuern. Halt, fallen Sie mir bloß nicht um den Hals«, wehrte der Seewolf ab, als es in ihren dunklen Augen aufglühte. Er drehte sich um und grinste. »Ich tu das nur, damit Sie nicht hierbleiben und mir das Gold klauen, Piratin!« Wieder wechselte ihre Stimmung schlagartig. Fauchend wie eine Katze ging sie auf ihn los, aber Hasard stand schon im Boot und grinste immer noch. Da erst beruhigte sie sich wieder. An Bord der ›Isabella‹ brachte Hasard die Seekarten herauf an Deck. Er rollte sie auseinander und wollte ihr gerade etwas erläutern, als er sah, daß er die falsche Karte heraufgebracht hatte. Es war jene, die sie an Bord eines rätselhaften Schiffes im Sargassomeer gefunden hatten, die Karte mit den geheimnisvollen Zeichen, die kein Mensch lesen konnte. »Moment«, unterbrach ihn Siri-Tong überrascht. »Woher stammt diese Karte? Woher habt ihr sie?« »Auf einem Wrack gefunden, aber wir können nichts mit ihr
anfangen. An Deck des Schiffes befand sich ins Holz eingeritzt dieser Spruch, den ich abgemalt habe.« Erstaunt sah er wie ihre zierlichen Finger nach der Karte griffen. Ihr Mund öffnete sich leicht, und ein verwunderter Ausruf drang über ihre Lippen. Hasard, Brighton, Carberry und Tucker blickten verblüfft auf die Rote Korsarin, mit der eine seltsame Veränderung vorgegangen war. Ihr Blick verschleierte sich, ihr Finger fuhr über die Stelle der Karte, an der der rätselhafte Spruch stand. »Wer hier eingeht, dessen Leben ist für immer verwirkt«, las sie leise vor. »So heißt dieser Spruch!« Hasard war mehr als verblüfft. »Woher kennen Sie diese Schrift?« wollte er wissen. »Sie haben sie mühelos entziffert.« »Ich kenne sie«, antwortete sie leise, und ihre Gedanken waren ganz woanders. »Ich kann auch die Karte lesen und kenne das Land, das diese Karte zeigt.« Der Seewolf schüttelte den Kopf. »Und da sagen Sie, Sie möchten aus mir schlau werden«, murmelte er versonnen. »Sie sind ein rätselhaftes Mädchen, Siri-Tong, genauso rätselhaft wie diese Karte mit den Schriftzeichen. Woher stammen Sie wirklich?« Sie lächelte mit verträumten Augen. »Aus einem Land, das Sie nicht kennen. Es ist ein schönes Land, aber es ist auch gefährlich. Wie viele Männer wollten Sie mir leihweise geben?« Hasard war augenblicklich ernüchtert. Sie liebte es, sich mit rätselhaften Andeutungen interessant zu machen, aber er brauchte jetzt keine Fragen zu stellen, eine Antwort würde sie erst später geben, das wußte er aus Erfahrung. »Vier Mann«, sagte er knapp. »Und morgen laufen wir aus, mit Kurs auf Tortuga. Sind Sie nun zufrieden?« »Sehr«, sagte sie leise.
Der Abend senkte sich über die Schlangen-Insel, es wurde Nacht und wieder Morgen. Am anderen Tag segelten sie los, das Wasser in der Passage reichte gerade aus, um auch die entladene Galeone hinauszulassen. Ihr Kurs war Tortuga. Dort wollte Siri-Tong eine neue Crew anheuern, bessere Leute als die, die sie gerade verloren hatte. ENDE Das Piratennest von Davis J. Harbord In der Grotten-Kneipe auf Tortuga flogen die Fetzen, als die Seewölfe zum Kampf antraten und den Karibik-Wölfen die Zähne zeigten. Denn der Pirat, den man den Marquis nannte, hatte das Maul zu voll genommen und Philip Hasard Killigrew unterschätzt. Aber er hatte ihn beleidigt. Und jetzt zahlten sie zurück, Stich auf Stich, Schlag um Schlag, Hieb auf Hieb. Diego, der Kneipenwirt, verschwand hinter dem Tresen und stieg in den Keller. Jetzt konnte er nur noch beten ...