Ernst Fiala
Mensch und Fahrzeug
Aus dem Programm Kraftfahrzeugtechnik
Handbuch Verbrennungsmotor herausgegeben von ...
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Ernst Fiala
Mensch und Fahrzeug
Aus dem Programm Kraftfahrzeugtechnik
Handbuch Verbrennungsmotor herausgegeben von R. van Basshuysen und F. Schäfer Lexikon Motorentechnik herausgegeben von R. van Basshuysen und F. Schäfer Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik herausgegeben von H.-H. Braess und U. Seiffert Bremsenhandbuch herausgegeben von B. Breuer und K. H. Bill Verbrennungsmotoren von E. Köhler Fahrsicherheit von F. Kramer Automotive Software Engineering von J. Schäuffele und T. Zurawka Motorradtechnik von J. Stoffregen Nutzfahrzeugtechnik herausgegeben von E. Hoepke Motorkolben von S. Zima Die BOSCH-Fachbuchreihe • Ottomotor-Management • Dieselmotor-Management • Autoelektrik/Autoelektronik • Sicherheits- und Komfortsysteme • Fachwörterbuch Kraftfahrzeugtechnik • Kraftfahrtechnisches Taschenbuch herausgegeben von ROBERT BOSCH GmbH
vieweg
Ernst Fiala
Mensch und Fahrzeug Fahrzeugführung und sanfte Technik Mit 304 Abbildungen
ATZ/MTZ-Fachbuch
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage Mai 2006
Alle Rechte vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ewald Schmitt Der Vieweg Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vieweg.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Technische Redaktion: Hartmut Kühn von Burgsdorff, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN-10 3-8348-0016-3 ISBN-13 978-3-8348-0016-9
V
Vorwort Der Verkehr, der Transport von Menschen und Gütern, steht in engem Zusammenhang mit der stetig zunehmenden Wirtschaftsleistung der Menschheit. Wir legen heute im globalen Durchschnitt 3 000 km pro Kopf und Jahr zurück und pro Kopf werden 1 500 Tonnenkilometer befördert. Für die nächsten 50 Jahre ist mit einer Steigerung von etwa 3 % pro Jahr zu rechnen, also mit einer Vervierfachung. Der Straßenverkehr macht den größten Teil des Transportvolumens aus. In Westeuropa werden über 90 % der Personenkilometer und über 70 % der Tonnenkilometer auf der Straße befördert. Und gerade dort ist der Kontakt zwischen Mensch und Fahrzeug am größten. Nirgendwo sonst kommt ein so großer Anteil der Bevölkerung mit einem technischen Produkt in eine so intensive Wechselwirkung. Das verantwortliche Führen eines Fahrzeugs ist eine Herausforderung, der sich fast alle Menschen stellen. Der Verkehr ist infolge der in ihm gespeicherten kinetischen Energie eine potentielle Gefahr. Er beansprucht einen immer größer werdenden Anteil des globalen Energieumsatzes und seine Emissionen werden oft an Stellen freigesetzt, welche die höchste Konzentration von Menschen aufweisen. In den wirtschaftlich entwickelten Ländern sind 15 % der Menschen in Berufen beschäftigt, die Voraussetzung für den Verkehr schaffen. Und fast alle Menschen sind im Verkehr tätig: als Fußgänger, Zweiradfahrer, am Steuer eines PKWs, Busses, LKWs oder Traktors. Die aktuelle Herausforderung an Politik und Wirtschaft ist die steigende Zahl von Arbeitslosen. Vor 30 Jahren hat uns das Wirtschaftswachstum geängstigt, die angeblich drohende Erschöpfung der Ressourcen und Vergiftung der Umwelt. Wir haben darauf mit der Idee der Nachhaltigkeit reagiert. Aber es macht keinen Sinn, Ressourcen zu schonen, die im Überfluss vorhanden sind. Wir drohen an der vollen Schüssel zu verhungern, benutzen Nachhaltigkeit als Vorwand vor notwendiger Aktivität. – Wir berufen uns auf die Kardinaltugend „Mäßigung“, interpretieren sie als Maßhalten im Wirtschaftswachstum. Aber wir müssen auch im Maßhalten Maß halten: übertriebene Sparsamkeit ist Geiz. Es gibt offenbar ein richtiges Maß für Wirtschaftswachstum. Das mag mit der wirtschaftlichen Entwicklung abnehmen, aber es muss größer als Null sein, solange die Effizienz der Arbeit schneller steigt als die Arbeitszeit sinkt. Wie weit die Arbeitszeit sinken kann wird von der Wettbewerbsfähigkeit bestimmt. Denn der Erfolg im Wettbewerb ist unabdingbare Voraussetzung für das Wirtschaftswachstum einer Gruppe. Und das Wachstum der Wirtschaft ist Voraussetzung für neue Arbeitsplätze in der betreffenden Gruppe. Mäßigung ist auch bezüglich der Veränderung der Umwelt notwendig. Unsere Aktivitäten, unser Dasein, verändert die Welt. Das Tempo dieser Veränderung wird davon bestimmt, welchen Teil der Welt wir anderen biologischen Arten überlassen wollen. – Umweltschutz kostet Geld, Arbeitsaufwand, Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Bevölkerungsgruppen können ihre nationale Umwelt vernachlässigen und damit einen Wettbewerbsvorteil erringen. Inwiefern das zulässig ist, können nur internationale Handelsverträge bestimmen. Globale Umweltprobleme (z. B. die Veränderung des CO2-Pegels) müssen global angegangen werden, um Wettbewerbsverzerrungen auszuschließen. Dieses Buch macht es sich zur Aufgabe, das Zusammenwirken von Mensch und Fahrzeug zu untersuchen. Die Wechselwirkungen werden als das Zusammenspiel des Reglers Mensch mit
VI
Vorwort
der Regelstrecke Fahrzeug gesehen. Es werden die Fähigkeiten des Menschen zum Führen eines Fahrzeugs untersucht (o 1. Kapitel) und die Eigenschaften des Fahrzeugs, die auf diese hin zu entwickeln sind (o 2. und 3. Kapitel). Es wird nach der Erträglichkeit mechanischer Schwingungen gefragt, die aus der Bewegung des Fahrzeugs folgen (o 4. Kapitel), und nach der Erträglichkeit von Belastungen in einem Unfall (o 5. Kapitel). Mensch und Fahrzeug sind in das Wirtschaftsgeschehen eingebunden als Werkzeug und Arbeitgeber, als Wirtschaftsfaktor, der Arbeit und Wohlstand schafft (o 6. Kapitel). Wie plant man das Produkt Auto, wie macht man es zu einem wirtschaftlichen Erfolg? (o 7. Kapitel). Auch die Belastung der Umwelt durch den Verkehr und sein Energiebedarf werden im 2. Kapitel untersucht. Wie immer ist das Schreiben für den Autor ein Vergnügen: er stellt die Zusammenhänge für andere da und beginnt dabei sie selbst zu verstehen. Die Umgebung des Autors leidet aber an seiner Zurückgezogenheit. Deshalb gilt mein Dank zunächst meiner Familie, die die geistige Abwesenheit hingenommen hat. Dann meinen Hörern an der TU-Wien, die an vielen Stellen auf Deutlichkeit gedrungen haben. Nicht zuletzt den Redakteuren des Vieweg Verlags, den Herren Ewald Schmitt, Reinhard Dapper, Andreas Meißner und Hartmut Kühn-von Burgsdorff, die mit Geduld und hilfreicher Aufmerksamkeit das Werk begleitet haben. Die Bildquellen wurden sorgfältig recherchiert. Soweit mit der Verwendung einverstandene Inhaber gefunden weden konnten, wird ihnen herzlich gedankt. Sofern die Inhaber nicht auffindbar waren, werden sie gebeten sich nötigenfalls mit dem Autor in Verbindung zu setzen. Wien, April 2006
Ernst Fiala
VII
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ...........................................................................................................................
1
Das Fahrzeug in Zeit und Raum.....................................................................................
1
1 Mensch als Regler – Human Operator ......................................................................
9
1.1 1.2
Human Operator .................................................................................................... Experimente zur Erforschung des Human Operators ............................................ 1.2.1 Seitliche Störkraft....................................................................................... 1.2.2 Fahrsimulatoren.......................................................................................... 1.2.3 Folgeaufgaben ............................................................................................ Signalflussbilder .................................................................................................... Fahrhilfen .............................................................................................................. 1.4.1 Automatische Fahrzeugführung ................................................................. Assistenzsysteme ................................................................................................... 1.5.1 Funktionsverknüpfung ............................................................................... 1.5.2 Fahrer-Assistenzsysteme ............................................................................ 1.5.2.1 Assistenzsysteme mit Warnung oder Hinweis für den Fahrer...... 1.5.2.2 Assistenzsysteme mit Eingriff ins Fahrzeug................................. 1.5.3 Automatische Fahrzeugführung ................................................................. 1.5.4 Zusammenfassung......................................................................................
10 16 17 17 20 21 22 25 29 30 30 32 32 37 37
2 Fahrzeugführung längs ...............................................................................................
39
1.3 1.4 1.5
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Folgen.................................................................................................................... Anhalten ................................................................................................................ Fortpflanzung einer Störung.................................................................................. Fahrspurkapazität .................................................................................................. Fahrwiderstand, Verbrauch, Leistungsbedarf, Getriebe ........................................ Antriebsmotor........................................................................................................ Verbrauchsverbesserung ....................................................................................... 2.7.1 Angepasste Steigung .................................................................................. 2.7.2 Intermittierendes Beschleunigen ................................................................ 2.7.2.1 Schwungnutzautomatik (SNA 1) .................................................. 2.7.3 Hybrid-Antrieb........................................................................................... 2.7.3.1 Serien-Hybrid ............................................................................... 2.7.3.2 Verzweigungs-Hybrid ..................................................................
39 43 44 45 47 53 62 62 62 63 65 66 81
3 Lenken – Fahrzeugführung quer ...............................................................................
97
3.1 3.2 3.3 3.3 3.4
Lenken ................................................................................................................... Reales Fahrzeug, Fahrdynamik ............................................................................. Reifen und Lenkmoment ....................................................................................... Stationäres Fahren ................................................................................................. Einfluss der Luftkräfte...........................................................................................
98 101 117 123 132
VIII 3.5 3.6 3.7
Inhaltsverzeichnis Allradlenkung ........................................................................................................ 134 Kraftkorrigierte Lenkgeometrie............................................................................. 138 Straße..................................................................................................................... 139
4 Fahrzeugführung vertikal, Federung ........................................................................ 145 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6
4.7 4.8
Fahrzeuge ohne Federung – Ochsenkarren ........................................................... Ideale Federung –Transrapid ................................................................................. Erträglichkeit mechanischer Schwingungen, Federungskomfort .......................... 2-Masse Federungsmodell .................................................................................... Verbesserungsmöglichkeiten................................................................................. Nichtlinearitäten .................................................................................................... 4.6.1 Nichtlineare Federn .................................................................................... 4.6.2 Nichtlineare Dämpfer ................................................................................. Mehrachsigkeit und Mehrspurigkeit...................................................................... Ausgleichsfederung ...............................................................................................
147 148 149 150 155 158 158 158 159 160
5 Sicherheit ...................................................................................................................... 161 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6
Rückhalteeinrichtungen (restraint systems)........................................................... Fußgänger- und Zweiradfahrer-Schutz.................................................................. Biomechanik.......................................................................................................... Experimentelle Sicherheitsforschung .................................................................... Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit ............................................... Kompatibilität........................................................................................................
163 165 166 167 168 173
6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt ..................................................................................... 177 6.1 Bruttoinlandsprodukt (BIP) ................................................................................... 6.2 Ressourcen............................................................................................................. 6.3 Emissionen und Umweltschutz.............................................................................. 6.4 Flächenbedarf ........................................................................................................ 6.5 Minutenmaut, Marktwirtschaft im Verkehr...........................................................
180 186 195 200 202
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg ............................................................... 209 7.1 7.2 7.3
7.4
Produktplanung und Ertragsmaximierung............................................................. Kundenwert ........................................................................................................... Ansprüche ans Auto .............................................................................................. 7.3.1 Abmessungen ............................................................................................. 7.3.2 Fahrleistungen ............................................................................................ 7.3.3 Sicherheit.................................................................................................... 7.3.4 Design ........................................................................................................ 7.3.5 Befriedigung aller Sinne............................................................................. 7.3.6 Qualität ....................................................................................................... Evolution der Bauform .......................................................................................... 7.4.1 Standardbauform ........................................................................................ 7.4.2 Frontblock .................................................................................................. 7.4.3 Heckblock................................................................................................... 7.4.4 Exoten ........................................................................................................
210 212 217 217 218 219 219 224 227 228 229 231 232 233
Inhaltsverzeichnis
7.5
IX
7.4.5 Retro........................................................................................................... 234 Sanfte Technik....................................................................................................... 235
8 Anhang ......................................................................................................................... 239 8.1
Eine kurze Geschichte der Fahrzeugführung ........................................................ 8.1.1 Fahrrad ....................................................................................................... 8.1.2 Auto (siehe Tabellen T8-2 und T8-4) ........................................................ 8.1.3 Richtungsstabilität...................................................................................... 8.2 Festigkeit, Steifigkeit, Material ............................................................................. 8.2.1 Selbsttragende Karosserie .......................................................................... 8.2.2 Leichtbau.................................................................................................... 8.3 Geregelte Federung ............................................................................................... 8.4 Kettenloses Fahrrad (Kurbelantrieb) ..................................................................... 8.5 Entwicklungshilfe, Ethik und Wirtschaft .............................................................. 8.6 Akustikbahn – minimaler Fahrwiderstand ............................................................ T8-1: Zeittafel Fahrradentwicklung ................................................................................ T8-2:Zeittafel Fahrzeugentwicklung von Daimler und Benz......................................... T8-3: Zeittafel Fahrzeugentwicklung und Erfinder......................................................... T8-4: Zeittafel Illustrierte Fahrzeugentwicklung ............................................................
239 239 239 242 243 245 247 248 251 252 258 265 266 267 268
Historische Bilder ............................................................................................................... 271 Sachwortverzeichnis ......................................................................................................... 289
1
Einleitung
Das Fahrzeug in Zeit und Raum
Bild 0-1 Geschichte der Erfindungen.
Die Menschen sind seit jeher auf Mobilität angewiesen. Bis vor 10 000 Jahren musste in der aneignenden Wirtschaftsform dem Angebot von Nahrung (Früchte, Wild) und den Klimaveränderungen nachgezogen werden. In den Megalithkulturen und den Hochkulturen am Euphrat, Nil und Jang-tse waren riesige Lasten zu schleppen, was die Erfindungen von Hebel und Rolle zu Rad und Wagen vorangetrieben hat. Der Wunsch nach raschem Transport hat dann zu Reitund Zugtieren, zum Bau leichterer Wagen (Speichenrad) geführt. Eine neue Dimension kam in die Entwicklung durch die Kraftmaschine: Dampfkraft (1825), elektrischer Strom (1859 mit Bleibatterie) und Verbrennungsmotor (1886). Weniger beachtet als Fortschritte an Motor und Getriebe, aber für den Erfolg des Kraftfahrzeugs aber genau so wichtig, hat sich die Fahrbarkeit (Fahrstabilität und Lenkung) entwickelt. Der wohl schon den Kelten bekannte aber erst im 13. Jahrhundert endgültig angewandte Drehschemel ist zwar für den von Zugtieren gezogenen Wagen, die ihn an der langen Deichsel steuern können, ausreichend, nicht aber für das von Hand gesteuerte Fahrzeug. Unebenheiten und kleine Hindernisse auf der Fahrbahn führen zu unbeherrschbaren Lenkmomenten. Die Straßendampffahrzeuge hatten daher vorwiegend ein einzelnes lenkbares Vorderrad und auch Carl Benz hat sich daran gehalten. Allerdings noch ohne Nachlauf, was zunächst bezüglich Fahrbarkeit offenbar Schwierigkeiten gemacht hat. Aber in fünf Jahren war mit dem Mercedes von Daimler/Maybach ein modernes Fahrzeug entstanden mit Achsschenkellenkung und Lenkrad.
2
Einleitung
Daten zur Fahrzeugentwicklung Jahr –4000 –2000 –500 1000 1250 1450 1550 1650 1687 1765 1767 1801 1825 1829 1885 1901
Scheibenrad Speichenrad Spurrillen, in Riemen hängender Wagenkasten (Homer? Kummet Lenkschemel Wagenkasten beweglich aufgehängt Spurrillen aus Holz Stahlfeder Handantrieb von Farffler Dampfmaschine von J. Watt Spurrillen aus Eisen, Spurkranz Pferdebahn (1825 Linz-Budweis) Dampffahrzeuge Dampflokomotive „Rocket“ von Stephemson Motorwagen von Daimler Mercedes
Bild 0-2 Daten zur Fahrzeugentwicklung
Bild 0-3 PKW-Bestand je 1 000 Einwohner.
Die Stagnation bzw. der Rückgang in den USA ist auf das Vordringen der Geländefahrzeuge (SUVs) zurückzuführen, die dort nicht als PKW sondern als Nutzfahrzeug gezählt werden. In
Das Fahrzeug in Zeit und Raum
3
Deutschland ist in Ost und West die Entwicklung zunächst unterschiedlich verlaufen. Nach der Wiedervereinigung haben die neuen Länder aber rasch aufgeholt. – Alle Einwohner eines Landes könnten gleichzeitig in PKWs Platz nehmen sobald die Fahrzeugdichte 250 je 1 000 Einwohner übersteigt und in jedem PKW durchschnittlich vier Personen Platz haben.
Bild 0-4 Tatsächliche Entwicklung des PKW-Bestands und Prognosen dafür zu den angegebenen Zeitpunkten. Immer wieder wurde die Entwicklung unterschätzt. Der Ausbau der Verkehrswege ist daher hinter dem Bedarf weit zurückgeblieben (nach Braess, H. H.: Verkehr der Zukunft, ME 3/1992)
Bild 0-5 Entwicklung der Transportleistung (Personen- und Güter-Tonnenkilometer) verschiedener Verkehrsträger für West-Europa nach >Lit. 0-1@. Heute finden mehr als 93 % des Personentransports und mehr als 71 % des Gütertransports auf der Straße statt, Tendenz steigend.
4
Einleitung
Damit hat eine stürmische Entwicklung begonnen, die alle anfänglichen Erwartungen weit übertroffen hat. Die rasante technische Entwicklung muss in die Evolution eingebettet gesehen werden. Nach unserem heutigen Verständnis haben sich Klima und biologische Arten im Wechselspiel zueinander entwickelt. Dabei war die Natur zunächst übermächtig. Aber die Menschen haben nach und nach eine Vormachtstellung gegen allen anderen Arten errungen (wenigstens außerhalb des mikroskopischen Bereichs) und beginnen nun mehr als bisher in die Evolution einzugreifen: die Sphären verändern sich unter ihrem Einfluss anders. Der steigende CO2-Pegel der Atmosphäre ist ein Beispiel, das auch Hydrosphäre und Boden betrifft. Noch erfassen wir gar nicht alle Veränderungen oder können nicht absehen, ob sie für bestimmte biologische Arten wünschenswert sind. Der Wunsch, dass sich nichts verändern möge, ist naiv. Die Welt hat sich seit Anbeginn täglich verändert und wird das weiter tun. Das Leben hat von Anfang an in die Entwicklung eingegriffen (Bild 0-6 und -7). Die Veränderungen sind aber unbewusst verlaufen, gleichsam wie auf einer Bühne ohne Zuschauer. Nun beginnen wir zu verstehen, warum sich alles verändert und dass wir die Verursacher sind. Wir fühlen die Verantwortung für unser Tun und glauben es steuern zu können. Wie weit das ein Trugschluss ist, wird sich in den nächsten Jahrzehnten heraus stellen.
Bild 0-6 Sauerstoffproduktion (Heintz, A.: Chemie und Umwelt, Vieweg 1990). n(CO2 + H20) = (C H2 O)n + n O2 (Heutige Masse der Atmosphäre 0.513 10^16 t) Würde der gesamte C (aus CaC03, MgCO3, organisch, fossil) als CO2 in Luft abgegeben, dann bestünde die Erdatmosphäre aus 96 % CO2, 3.2 % N2, 0.8 % O2, Druck 40 bar. Photosynthese heute: 120 Mrd. t C/a, 60 veratmet, 60 verwesen.
Schon bald nach der Abkühlung der Erde vor 4 Milliarden Jahren entsteht Leben, das Sauerstoff produziert (etwa sechs mal so viel wie die heutige Luftmasse). Der größte Teil dieses Sauserstoffs oxidiert die Oberflächenmetalle. Erst vor 2 Milliarden Jahren beginnt ein langsamer Anstieg des Sauerstoffpegels in Atmosphäre und Wasser, der sich erst vor 600 Millionen Jahren (im Kambrium) beschleunigt und schließlich zum heutigen Sauerstoffpegel von 21 %
Das Fahrzeug in Zeit und Raum
5
führt. Im linearen Zeitmaßstab drängt sich die Menschheitsgeschichte auf Strichstärke zusammen.
Bild 0-7 Erst in einem logarithmischen Zeitmaßstab entzerren sich die geologischen Prozesse entsprechend unserer Zeitwahrnehmung.
Der Sauerstoffpegel (O2 %) steigt erst allmählich an und tauscht vor etwa 500 Millionen Jahren mit dem Kohlendioxidpegel (CO2%) den Platz. Temperatur und CO2-Pegel sinken bis zum Beginn der regelmäßigen Eiszeiten immer weiter ab. Nach der letzten Eiszeit steigt die durchschnittliche Temperatur von 11 auf 16 °C, der CO2-Pegel von 180 auf 250 ppm. Es müsste sich eine neue Eiszeit anbahnen, wenn nicht der Mensch durch steigende CO2-Emission eingriffe. Der CO2-Pegel ist auf 360 ppm angestiegen, die Temperatur auf über 15°C. Die biologische Art homo war lange Zeit ebenso wenig erfolgreich wie die anderen Primaten, Bild 0-8. Eine recht kümmerliche Zahl von Individuen hat sich vor 1 Million Jahren über die ganze alte Welt ausgebreitet, ist aber überall wieder ausgestorben. Mühsam haben unsere Vorfahren mit Geiern und Hundeartigen in der Savanne operiert, physisch hoffnungslos schlechter ausgestattet als die Futterkonkurrenten. Mühsam haben sie das Feuer nutzen gelernt, immer bessere Waffen und Werkzeuge anzufertigen. Aber gerade das war die Herausforderung für die intellektuellen Fähigkeiten die entscheidend für ein vor Fressfeinden und Unwetter gesichertes Dasein bei ausreichender Verpflegung war. Erst neue Erfindungen wie die Neolithische Revolution vor 10 000 Jahren, die zu geplanter Versorgung und Arbeitsteilung geführt hat oder die Industrielle Revolution, die mit Kraftmaschinen unsere physischen Fähigkeiten überlegen macht, Bild 0-9. Teil dieser Überlegenheit manifestiert sich im Auto, das beileibe nicht nur Transportmittel ist. Es versichert uns nach einem Druck aufs Gaspedal über Energien zu verfügen, die unsere angeborenen um das Hundertfache übersteigen. Das ist die neue Herausforderung. Nicht in Hybris zu verfallen sondern bescheiden auf unserem Platz in der Natur zu bleiben.
6
Einleitung
Bild 0-8 Evolution der Primaten im logarithmischen Zeitmaßstab.
Die Entwicklungslinien von Mensch und Schimpansen trennen sich vor etwa 7 Millionen Jahren. Es entstehen mehrere Australopithecus-Arten, die alle aussterben bis auf die Fortsetzung zum homo habilis und homo sapiens, der vor 300 000 Jahren den Neandertaler abspaltet. Vor 170 000 Jahren lebt die Eva der Mitochondrien, von der alle heute lebenden Menschen abstammen. Alle anderen Zweige sind demnach ausgestorben. Weniger sicher ist das yChromosom, das alle Männer gleich haben und das auf einen einzigen Stammvater hindeutet. – Die nächsten Schübe in der Evolution treten mit der Erfindung von Ackerbau und Viehzucht vor 10 000 Jahren und dem Beginn der Industriellen Revolution vor 250 Jahren ein. Wie alle anderen biologischen Arten auch füllt die Art homo ihr Siedlungsgebiet bis zur Tragekapazität, bis zur Erschöpfung des Nahrungsangebotes (Bild 0-9). Erst die Erfindung von Ackerbau und Viehzucht ermöglicht den Anstieg von etwa 10 auf 500 Millionen Menschen. Die Neuzeit erschließt neue Lebensräume und die Industrielle Revolution ermöglicht mit der Mechanisierung der Landwirtschaft, dem Verstehen der Bodenchemie und der wissenschaftlichen Züchtung ertragreicher Sorten einen neuerlichen Schub. – Nun aber geschieht etwas, was es in der Geschichte des Lebens noch nie gegeben hat: die Bevölkerungszunahme hört auf bevor die Tragekapazität der Erde erreicht ist. Damit kann anderen biologischen Arten bewusst Platz gelassen werden.
Das Fahrzeug in Zeit und Raum
Bild 0-9 Die Zahl der Menschen wächst in Schüben.
Literatur >0-1@ Dieckmann, A.: Towards More Rational Transport Policies, div 1995
7
9
1 Mensch als Regler – Human Operator 1 Mensch als Regler
Fahren macht Spaß. Kinder begreifen mit zwei Jahren die Kinematik eines Dreirades. Mit drei Jahren beherrschen sie die Dynamik eines Tretrollers und bald auch die eines Fahrrades. Und bald sehnen sie sich nach einem Motor, der ihnen die Mühe der Energieeinspeisung, des Tretens abnimmt. War es Jahrtausende der Traum jedes Kindes, ein Pferd zu reiten oder mit einem Pferdewagen zu fahren, so hat die Industrielle Revolution erst den Traumberuf Lokomotivführer und dann den weit realistischeren des Autofahrers gebracht. Fortschrittliche Staaten haben den Fahrschulunterricht zum Schulgegenstand gemacht und erlauben 16-jährigen am motorisierten Verkehr teilzunehmen. Motorrad und Auto sind aus dem modernen Leben nicht wegzudenken, obwohl es durchaus Fälle geben mag, in denen auf den persönlichen Besitz eines Autos verzichtet wird. Aber niemand wird auf die motorisierte Ver- und Entsorgung verzichten wollen, ganz abgesehen von Feuerwehr und Krankenwagen. Die erste und letzte Fahrt unseres Lebens legen wir im Auto zurück: von der Gebärklinik nach Haus, vom Totenbett zum Friedhof. Hier geht es aber gar nicht um Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern um die Voraussetzungen, die uns dazu befähigten, ein Auto zu führen und dabei noch Freude zu empfinden. (Wenn diese getrübt wird, dann liegt es nur selten am Fahrzeug, sondern meist am fehlenden Verkehrsraum, dessen notwendigen Ausbau lebensfeindliche Ideologen im dümmlichen Kampf gegen den technischen Fortschritt verhindern.) Mit allen höher entwickelten Arten teilen wir die Fähigkeit, dynamische Bewegungsabläufe koordinieren zu können. Um ein in die Luft geworfenes Futterstück zu fassen, braucht die Möwe die gleichen Fähigkeiten wie wir, um im Tennis einen Flugball zu schlagen; oder eben ein Fahrzeug präzise auf einen vorgegebenen Kurs zu führen. Wir üben die dazu notwendigen Bewegungsabläufe, erlernen sie und speichern sie für zukünftige Anwendung ab. Das bereitet uns keine Mühe. Im Gegenteil: die Wiederholung des Bewegungsablaufes erzeugt Befriedigung, Freude – Freude am eigenen Geschick, Bewegungsabläufe zu beherrschen. – Ohne geeignete Ausleuchtung der Fahrbahn wäre ein Fahren bei Nacht nicht möglich. Stetig verfeinerte Scheinwerfer-Technik trägt heute in entscheidendem Maß dazu bei, dass auch eine Fahrzeugführung in der sonst dunklen Umgebung möglich wird, Beispiel 1.
Beispiel 1: Prototyp des Projektionsmoduls mit IR-durchlässigem Abschatter bestückt mit H7-Halogenlampe
10
1 Mensch als Regler
Der Regler Fahrer steuert die Regelstrecke Fahrzeug auf den notwendigen Umwegen, unter Beachtung vieler Nebenziele, ins Ziel. Das Fahrzeug muss auf dem richtigen Kurs geführt werden, bei angepasster Geschwindigkeit, dem richtigen Gang, mit kleinstmöglichem Verbrauch, geringen Emissionen, mit kleinstmöglicher Belästigung anderer, unter Beachtung aller Vorschriften und vor allem ohne mit anderen Verkehrsteilnehmern oder Hindernissen zusammenzustoßen. Dazu stehen eine Reihe von Informationen zur Verfügung: optisch wird die Situation relativ zu Straße und anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen, die Richtung, in der das Fahrzeug steht und sich bewegt, die Drehbewegung um die Hochachse, Beschleunigungen, das Lenkmoment, Geräusche von Motor, Reifen und Fahrbahn. Wie der Fahrer die einzelnen Informationen abhängig von der Situation bewertet, ist unbekannt. (Untersuchungen in dieser Hinsicht wurden in den 60er Jahren an der TU-Berlin durchgeführt. Dazu wurden dem Fahrer abwechselnd optische Informationen, Lenkmoment, Geräusch weggenommen, während das Fahrzeug einen Seitenkraftimpuls ausgesetzt war. Wie viele Forschungsergebnisse aus dieser Zeit wurden Vertiefung und Auswertung durch Androhung der bis heute nicht durchgeführten Universitätsgesetze zunichte gemacht.) Aus allen Informationen zusammen leitet der Fahrer ab, was er zu tun hat: Lenken, Gas, Bremse, Kupplung, Gangschalthebel, Blinker, Lichtschalter, usw. Die meisten Informationen werden wohl unbewusst verarbeitet. Der Fahrer weiß nach der Fahrt nicht mehr, an welcher Stelle er was getan hat. Erst wenn etwas Außerordentliches passiert, tritt das Ereignis ins Bewusstsein und wird eventuell gespeichert. (Ein Unfall, eine Fahrbahnumleitung oder andere Vorkommnisse, in denen bewusst entschieden werden muss.) Die Informationsverarbeitung braucht Zeit, auch wenn sie unbewusst und daher sehr schnell erfolgt. Weil das für jeden Regler von Nachteil ist, muss der Fahrer einen Vorhalt bilden. Und weil das einen Arbeitsaufwand bedeutet, versucht der Fahrer die Information so zu sehen, dass sich aus ihr ein Vorhalt ergibt. Er beurteilt z. B. nicht nur den augenblicklichen Abstand seines Fahrzeuges vom Straßenrand, sondern beobachtet den Abstand eines Punktes voraus in der Fahrzeuglängsachse vom Straßenrand. Er schätzt damit die Position, die sein Fahrzeug nach Zurücklegen dieser Vorhaltestrecke einnehmen wird und gewinnt damit den erwünschten Vorhalt. Auch andere Informationen wirken in der gleichen Richtung: die gefühlte Querbeschleunigung bq ist die 2. Ableitung nach der Zeit seines augenblicklichen Kurses, sie sagt ihm voraus, wohin sich sein Fahrzeug bewegen wird. (Nach t Sekunden um bq t2/2 entgegengesetzt zu der Richtung, in die die Beschleunigung wirkt.) Die wahrgenommene Drehgeschwindigkeit um die Hochachse hat denselben Effekt.
1.1 Human Operator Auf die über alle Sinnesorgane (vorwiegend optisch) einströmenden Informationen reagiert der Fahrer in den aufsteigenden Schichten: Reflexe und genetisch programmiertes Verhalten (z. B. die Hilfestellung in Gefahr) in wenigen Hundertstel Sekunden, bedingte, eingeübte Reflexe in Zehntel Sekunden, Bild 1-1. Vieles wird wahrgenommen, gelangt aber nicht ins Bewusstsein. Wenige Sekunden lang kann es rückwirkend abgerufen werden (z. B. die vergangenen Schläge einer Uhr). Unbewusst entstehende Bedürfnisse unterliegen mehr oder weniger der bewussten Kontrolle (z. B. Gähnen). – Nur sehr wenig (< 1 ppb) der eingehenden Information erreichen das Bewusstsein („Bewusstseinsenge“). Bewusst können auch nur wenige Informationen abgegeben werden, 5–10 bit/s. Gleichzeitig gibt ein Redner aber durch Mimik, Gestik, Lautfärbung, usw. viel mehr Informationen ab, unterstreicht oder stört damit seine Glaubwürdigkeit.
1.1 Human Operator
11
Bild 1-1 Informationsfluss im Menschen (Fahrer).
Wir wissen, welche Informationsflut auf den Menschen, also auch auf den Fahrer, einströmt, Bild 1-1. Eine Milliarde Informationseinheiten pro Sekunde (bit/s), in einer Lebenszeit von 80 Jahren ein paar hundert TByte. Freilich dringt nur ein winziger Bruchteil davon ins Bewusstsein vor (Bewusstseinsenge). Aber wer selektiert die Information, wer entscheidet, was ins Bewusstsein gelangt, was auf „unteren“ Ebenen erledigt wird und was unbeachtet bleibt? Es ist wie in einem großen Unternehmen: auf alle Mitarbeiter strömen Informationen ein. Was ins Spitzenmanagement durchdringt, ist nur ein Bruchteil davon. Das meiste wird in den „unteren“ Etagen erledigt, unterdrückt oder nach „oben“ gereicht. Unternehmenskultur prägt diesen Entscheidungsprozeß. Die Verantwortung dafür, dass es funktioniert, hat das oberste Management, das Bewusstsein, in unserem Fall. Die „Beantwortung“ der eingehenden Informationen dauert umso länger, je höher die Entscheidungsebene liegt. Reflexe (Lidschlag, Patellarreflex, Hautreaktionen) dauern hundertstel Sekunden, bedingte Reflexe (das ist nicht nur die Speichelproduktion der Pawlow´schen Hunde, sondern ein großer Teil der Reaktionen des Fahrers) auf Informationen aus Fahrzeug und Umgebung dauern eine Zehntelsekunde. Dabei werden unbewusst ganze Bewegungsketten aufgerufen und durchgeführt, z. B. das Zurückschalten mit Zwischengas. Der Fahrer kann nach der Fahrt nicht mehr sagen, wie oft er diesen eingeübten Prozess hat ablaufen lassen oder ob überhaupt. Aber es verschafft ihm Befriedigung, dass er so eine komplizierte Sache, die er gar nicht beschreiben kann, fehlerlos beherrscht. Und wahrscheinlich verschafft ihm der unbewusste Ablauf auch eine unbewusste Befriedigung. Aber das ist Spekulation. – Real sind die langen Zeiten, die bewusste Entscheidungen erfordern. Ob man bei einer Umleitung besser links oder rechts abbiegt, kann ganze Sekunden dauern und noch wichtigere Entscheidung überschläft man besser. Da hat der Organismus Zeit, Bewusstes und Unbewusstes zu reflektieren. Das Zentralnervensystem (ZNS) bearbeitet die eingehenden Informationen, macht aus den über die Sensorik eingehenden motorische Informationen (Sprechen, Lenkrad-, Gas/Bremse-
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1 Mensch als Regler
Betätigung), Bild 1-2. Der vegetative Teil des ZNS sorgt dafür, dass die Voraussetzungen für den Informationsfluss gegeben sind (Energiebereitstellung, Verdauung). An der Grenze zwischen vegetativem und sensorischem ZNS greifen die genetisch entstandenen und bewusst geplanten Einflüsse an. – Bewusst verstehen können wir nur einen kleinen Teil der ablaufenden Prozesse. Die Vernunft beurteilt sie nach Zweckmäßigkeit und ethischen Gesichtspunkten. Zur Transzendenz kann man sich nicht äußern (Wittgenstein). ZNS und Computer sind gleich organisiert. In jedem Fall sind fünf Elemente vorhanden: x Eingabe (Sensorik), x Ausgabe (Motorik), x ein CPU (Central Processing Unit, das Gehirn), x unveränderliche Programme (ROM = Read only Memory), das genetisch entstandene Grundprogramm für unser Verhalten, die Hormone, die uns antreiben, das zu tun, was für den Erhalt unseres Lebens und unserer biologischen Art notwenig ist), x ein Gedächtnis (RAM = Random Access Memory) für Merken und wieder Verwenden. Gelegentlich ist von einer neuen Computergeneration die Rede, die völlig anders konstruiert sein soll, eine andere Organisation haben soll. Bisher ist es bei den Ankündigungen geblieben.
Bild 1-2 Zentralnervensystem (ZNS).
Wir wissen nicht sicher, wie Informationen langfristig gespeichert werden, Bild 1-3. Jedenfalls scheint es mehrere Speicherarten zu geben: aus dem Kurzzeitgedächtnis können wir Informationen, die weniger als zwei Sekunden zurückliegen, abrufen. Zum Beispiel die Zahl der Glockenschläge, wenn wir erst nach mehreren auf den Glockenschlag aufmerksam werden. Ins Langzeitgedächtnis gelangen die zu speichernden Informationen erst nach Stunden oder Tagen (in einer Schlafphase?). Die dort gespeicherten Informationen müssen erst abgerufen werden, was unterschiedlich lang dauern kann (Nachdenken). – Zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis muss es noch eine Zwischenablage geben: das Mittelzeitgedächtnis.
1.1 Human Operator
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Bild 1-3 Gedächtnis nach Popper, K. und Eccles, J: Der Mensch und sein Gehirn
Was der Computer nicht hat, aber der Mensch (und wahrscheinlich auch höher entwickelte Tiere), ist das Bewusstsein. Wir haben es, aber wir wissen nicht, was es eigentlich ist, wie es arbeitet. Karl Steinbuch meint, es sei wie ein Lichtstrahl, der über die neuronalen Prozesse huscht und für einen Augenblick verständlich macht, was da geschieht. Rupert Riedel liefert eine schauerliche Sichtweise: das Bewusstsein kann einen Blick in eines der wenigen zugänglichen Zimmer des Riesengebäudes werfen, das sein Zentralnervensystem darstellt. – Wir wissen nicht, was Bewusstsein ist, wir haben es. Wir können aufsteigend unterscheiden, wenn wir einen Zusammenhang verstehen, wenn wir ihn vernünftig beurteilen können („Fünfe grad sein“ lassen können), wenn uns der Schauder des Transzendenten ergreift, bei ergreifender Musik (der dämonischsten Kunst) oder jeder ergreifenden Kunst (die wohl nur solches ist, wenn sie ergreift). Vieles Lesenswerte wurde über das Bewusstsein geschrieben: x Karl Jaspers:
Der philosophische Glaube
x Konrad Lorenz: Das so genannte Böse x Karl Popper:
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
Gibt es einen Menschen, dem noch nie der heilige Schauder über den Rücken gelaufen ist, wenn er meint, die letzten Dinge zu spüren? Auch wenn Konrad Lorenz erklärt, dass das nur die Rückenhaare sind, die wir wie unsere Vorfahren aufstellen, um uns den Feinden größer erscheinen zu lassen, wenn wir in den heiligen Krieg zur Verteidigung unserer Familie ziehen: es ist eine Regung, die den Computer nie ergreifen wird. Was der Computer nicht hat, ist das Bewusstsein, dessen Wirkungsweise wir nicht beschreiben können. Wir stellen aber verschiedene Stufen fest. Wir verstehen, wie die Erscheinungen um uns zusammenhängen, welche Konsequenzen eine Aktion voraussichtlich haben wird, was zweckmäßig ist und was nicht. Die Vernunft stellt das Verstandene in einen übergeordneten Zusammenhang, gleicht Widersprüche aus, ergänzt unvollständig Verstandenes.
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1 Mensch als Regler
Schließlich gibt es noch Erscheinungen, die wir wahrnehmen, aber nicht erklären können, z. B. die Schönheit eines Bildes oder Musikstückes. Jeder Mensch kann begreifen, hat Verstand, Vernunft und Transzendenz, wenn auch in unterschiedlicher Ausbildung und Tiefe. Der Computer hat nichts dergleichen. Der menschliche Organismus kann eine viel größere Informationsleistung aufnehmen und abgeben, als er bewusst verarbeiten kann, Bild 1-1. Diese „Bewusstseinsenge“ wirft die Frage auf, wodurch die eingehenden Informationen gefiltert werden, und wodurch diejenigen ausgewählt werden, die bis ins Bewusstsein vordringen. Wie in einem großen Unternehmen werden an der Peripherie weit mehr Entscheidungen getroffen, als an der Spitze des Unternehmens. In diesem Fall entscheidet die Unternehmensorganisation, wahrscheinlich eher die Unternehmenskultur, welche Informationen weitergegeben und welche entschieden werden. – In diesem Prozess wird auch klar, dass Information eine ganz andere Wesenheit als Materie und Energie hat. Information is information, no matter nor energy. >Norbert Wiehner, 1.11@ Bei der Fahrzeugführung geht es um einfache Regelprozesse, freilich unter der verantwortlichen Aufsicht des Bewusstseins. Für das Führen eines Fahrzeuges stehen viele Informationen zur Verfügung, die der Fahrer nutzt. Manche nutzt er unbewusst in weniger als einer Zehntel Sekunde. Andere versucht er, bewusst zu erlernen und abrufbar abzuspeichern, um sie im Bedarfsfall rasch zur Verfügung zu haben („Fahrschule“). Manche kommen auf ihn zu, ohne dass er sie schon vorher einmal erlebt hatte. Dann dauert es viel länger, bis er reagiert und es ist ungewiss, ob er das Richtige tut. Verantwortlich für sein Tun ist er in jedem Fall. Er muss „seine Reflexe beherrschen“, sicherstellen, dass das, was er unbewusst tut, den Normen entspricht. Will man den Sachverhalt der menschlichen Reaktion mathematisch fixieren, so ist das mit der folgenden Gleichung möglich >1.4@, >1.8@: xa = SUM (c(i) xe (i) EXP (To(i)) (1 + iw S1(i) + iw S2(i) + …) / (1 + iw T1(i) + iw T2n(i) + …) xa
Reglerausgang (die Reaktion)
xe(i)
Reglereingang der Information i
c(i)
Verstärkung dafür
S1(i), S2(i), …
Vorhaltezeiten
T1(i), T2(i), … Verzögerungen
Insgesamt treffen n Informationen bei ihm ein, die alle in unterschiedlichem Maß und unterschiedlicher Zeit seine Reaktion xa bestimmen.
Mit einer solchen Formel kann man jedes beliebige Verhalten des „human operators“ beschreiben. Man muss dem Ganzen noch eine Streuung überlagern, denn bei jedem Versuch fällt die Reaktion jedes Mal ein bisschen anders aus. Die Formel ist so kompliziert, dass sie unbrauchbar ist. Es geht aber auch viel einfacher: 1. Für jede Situation ist eine Informationsquelle die maßgebende. Die optische Information ist maßgebend, wenn der Fahrer einem vorgegebenen Kurs ohne Störungen folgen soll.
1.1 Human Operator
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2. Die Verzugszeit To erschwert die mathematische Bearbeitbarkeit, weil sie zu keinem Phasenminimumsystem führt. Man ersetzt näherungsweise To durch die T(i). 3. Eine sehr genaue Anpassung verliert ihren Charme durch die überlagerten zufälligen Störungen. In den meisten Fällen begnügt man sich mit xa = c xe (1 + iw S) /(1 + iw T1 – w2 T22)
(Bild 1-4)
oder gar mit xa = c xe / (1 + iw T).
(Bild 1-5)
Bild 1-4 Antwort xa auf ein Eingangssignal xe, das innerhalb von 0.2 Sekunden aufgebaut wird (dxe/dt). Das System antwortet mit einer Kennfrequenz von w0 = 7 und einem Dämpfungsmaß von D = 0.7. Je nach Vorhaltezeit S1 erfolgt die Antwort rascher oder langsamer. – Dieser Fall tritt z. B. ein, wenn eine Versuchsperson den Zeigefinger auf eine bestimmte Stelle legen soll. Wenn sie sich anstrengt, diese Ziel rasch zu erreichen (S1 > 0), dann kommt es zu einem verstärkten Überschwingen. Wenn sie sich betont Zeit lässt (w0 und D größer), dann dauert die Zielerreichung länger, schwingt aber ab D = 1 nicht mehr über.
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1 Mensch als Regler
Bild 1-5 Antwort xa auf ein Eingangssignal xe, das innerhalb von 0.2 Sekunden aufgebaut wird (dxe/dt) in einem System 1. Ordnung. Je nach Verzugszeit T1 wird der Zielwert in rascher oder langsamer erreicht. Für viele Fälle genügt diese Näherung.
1.2 Experimente zur Erforschung des Human Operators Um herauszufinden, wie der Regler Human Operator reagiert, beobachten wir den Fahrer in verschiedenen Situationen. Nehmen wir z. B. an, wir beobachten als Beifahrer den Fahrer, wenn er auf einer schmalen Landstraße entlang fährt. Solange kein besonderes Hindernis in Sicht ist, blickt er weit voraus, vielleicht zwei Sekunden. Wohin er schaut, dorthin lenkt er das Fahrzeug. Dieses folgt dem Blickpunkt auf einer Traktrix, einer Schleppkurve. Dabei werden alle kurzwelligen Störungen geglättet, die Kurven „geschnitten“. Umso mehr, je weiter der Blick voraus gerichtet ist. Das Lenkrad wird nur ganz wenig und langsam (niederfrequent) bewegt. Nähert sich der Fahrer einem Hindernis, zum Beispiel einer Engstelle, hervorgerufen durch ein am Straßenrand parkendes Fahrzeug, dann wird er den Blick auf diese Engstelle richten, die er passieren muss. Er kann nicht mehr so weit vorausschauen. Seine Lenkradbewegungen werden damit rascher (hochfrequenter), denn er muss sein Fahrzeug durch die Engstelle bringen, die nicht viel breiter als sein Fahrzeug ist. Wie im Kapitel 3 beschrieben, erhöht sich die Frequenz der Lenkbewegung und verringert sich ihre Dämpfung. Gleichzeitig wird er vielleicht die Geschwindigkeit zurücknehmen, um rechtzeitig anhalten zu können, wenn sich die Engstelle als zu eng erweist oder jemand hinter dem Fahrzeug hervortritt oder sich eine Tür öffnet. Sobald er glaubt die Engstelle sicher passieren zu können und mit weiteren Störungen nicht mehr rechnen zu müssen, richtet er den Blick wieder weiter nach vorn. Seine Lenkbewegungen werden langsamer und besser gedämpft. Natürlich kann man bestimmte Situationen im Experiment herbeiführen und die Reaktionen messen und auswerten.
1.2 Experimente zur Erforschung des Human Operators
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1.2.1 Seitliche Störkraft Bei einer solchen Versuchsreihe wurde z. B. durch eine im halben Radstand oder am Stoßfänger vorn montierte Heißwasserrakete für einige Sekunden eine Seitenkraft erzeugt, die eine Seitenwindböe simulieren soll >1.1@, Bild 1-6. Es wurden Störkraft, Lenkwinkel, Giergeschwindigkeit um die Hochachse und Schwimmwinkel gemessen. Etwa 0.2 s nach Beginn der Störung beginnt die Fahrerreaktion, die nach etwa 1.2 s zum maximalen Lenkwinkel führt. Der eigentliche Sinn der Untersuchung war es herauszufinden, wovon die Fahrerreaktionen abhängen und wie schnell die Reaktion erfolgt. Der Fahrer hört das Geräusch der Rakete, fühlt Querbeschleunigung und Lenkmoment und sieht die Spurabweichung infolge der Seitenkraft. Von diesen Informationen wurden nacheinander die dafür möglichen ausgeschaltet: das Geräusch wurde durch Kopfhörer + Störmusik eliminiert; das Lenkmoment durch Einbau eines zweiten „toten“ Lenkrades ohne Lenkmoment; die Spurabweichung durch Verbinden der Augen. Die Querbeschleunigung blieb unausschaltbar. Es hat sich gezeigt, dass das Lenkmoment für eine rasche Reaktion am wichtigsten war, die optische Information für ein hinreichend genaues Einhalten der Fahrspur aber unerlässlich ist.
Bild 1-6 Lenkreaktionen bei Seitenwind >1-1@. Eine Heißwasserrakete (Impuls max. 3 250 x 1 Ns) simuliert einen Seitenwindböe. (Versuche auf dem Flugfeld Tempelhof, die freundlichst von der US-Army ermöglicht wurden.) a fixed control, b free control, c lenkt blind, taub, totes Lenkrad, d voll aktiv
1.2.2 Fahrsimulatoren Versuche mit dem realen Fahrzeug setzen eine geeignete Fahrdynamikfläche voraus, sind immer mit einem Restrisiko verbunden und insgesamt aufwendig. Man strebt daher an, die
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1 Mensch als Regler
Untersuchungen ins Labor zu holen, wo sie weniger aufwendig aber natürlich nur mit einem Abstrich an Realität durchführbar sind. Bild 1-7 zeigt die Ergebnisse eines solchen Simulatorversuches, der anlässlich der Deutschen Industrieausstellung 1968 in Berlin durchgeführt wurde. Dabei haben sich beliebig viele Versuchspersonen angeboten, die eine breite Datenbasis geliefert haben. Sie wurde bezüglich Alter, Geschlecht, Fahrpraxis, usw. ausgewertet >1.6@. Das grundsätzliche Verhalten des Fahrers kann aber schon an sehr einfachen Simulatoren untersucht werden, >1.10@. In Bild 1-8 ist das Ergebnis einer Untersuchung angegeben, bei der die Versuchsperson einer sich sprungartig ändernden Fahrspur folgen sollte. Mit einer bestimmten Verzögerung und einem Überschwingen nach dem Sprung kann die Versuchsperson die Aufgabe lösen. Aber auch wenn die Krümmung konstant ist, onduliert der Lenkwinkel. Störungen aus dem Nervensystem und eine unzureichende Dämpfung sind die Ursache. Nun war es interessant, die dabei auftretende Frequenz und die Amplitudenverteilung kennen zu kernen: die Frequenz liegt zwischen 0,5 und 1 Hz, die Amplituden sind annähernd normal verteilt.
1.2 Experimente zur Erforschung des Human Operators
19 Bild 1-7 Kursfolgen an einem Simulator: dem im Maßstab 1 : 250 dargestellten Kurs von real 1,75 km Länge und einer Fahrbahnbreite von 7,5 m soll mit einem Fahrsimulator gefolgt werden >1-6@. Oben die dabei tatsächlich gefahrene Krümmung im Vergleich mit der Sollkrümmung dargestellt. Darunter die tatsächlich gefahrene und die mögliche Fahrgeschwindigkeit bei Einhalten der Mittellinie, bzw. Nutzen der Fahrbahnbreite.
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1 Mensch als Regler
Bild 1-8 Soll- und Istspur an einem einfachen Fahrsimulator aus >1-10@. Bei allen diesen Versuchen zeigt sich, dass die Versuchspersonen mit einer Frequenz von 0.5–1 Hz folgen. In dieser Arbeit wird auch nachgewiesen, dass die Störungen etwa normal verteilt sind.
1.2.3 Folgeaufgaben Man kann sich natürlich von Fahrzeugmodellen ganz freimachen und einfach danach fragen, wie der human operator eine Folgeaufgabe löst. Bild 1-9 veranschaulicht eine solche Untersuchung. Die Versuchsperson sieht nicht nur den Sollwert, sondern auch die Zukunft desselben. Die gezackte Kurve rechts stellt diesen Verlauf dar. Diese Kurve bewegt sich nach unten, gewissermaßen auf die Versuchsperson zu. Sie kann einen Vorhalt bilden. Nun kann man versuchen durch die Wahl der Parameter eines human operator-Modells eines zu finden, dass einer bestimmten Versuchsperson entspricht. Oder man kann die Vorausinformation verkürzen, was etwa einer Fahrt im Nebel entspricht. Man kann aber auch untersuchen, welche Werte des human operator-Modells zur besten Anpassung führen. Im vorliegende Fall führt eine Vorhaltezeit von S = 0.46 s bei einer Verzugszeit von T = 2 s zu einer Abweichung (xe-xa)eff von 0.01. Konkrete Fahraufgaben, wie z. B. ein genormtes Spurwechselmanöver, können eingeübt werden: nach einigen Versuchen bleibt die rhythmische Abfolge der Lenkeinschläge haften, der Fahrer ruft sie ab und versucht sie von einem Mal auf das andere Mal zu verbessern. Solche in sich geschlossenen Regelprozesse gibt es an vielen Stellen der Straße. Sie werden dort eingeübt, wo man sie täglich passiert. Aber abgesehen davon ist jeder Fahrer in der Lage, eine nie zuvor befahrene Strecke zu befahren.
1.3 Signalflussbilder
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Bild 1-9 Folgesimulation. Rechts In diesem Fall hat die Versuchsperson die Aufgabe, den Istpunkt (xa) dem Sollpunkt (xe) nachzuführen, rechts. Dabei sieht sie nicht nur die augenblickliche Reglerabweichung sondern auch den zukünftigen Verlauf der Sollwerte. Links ist ein Ergebnis dargestellt (Kreise entsprechen dem Istpunkt).
Bild 1-10 Fahrzeugführung.
1.3 Signalflussbilder Auch der akustische Regelkreis ist von Bedeutung: Seitenwindböen und Pfützen werden akustisch wahrgenommen, auch Steinchen, die mit größerer Häufigkeit gegen den Fahrzeugboden prasseln, wenn das Fahrzeug die normale Fahrspur verlässt. Mancher Autofahrer wurde dadurch schon aus dem Schlaf gerissen. Im Straßenbau sind Riffelungen der Fahrbahnbegrenzung von Vorteil, weil sie die Aufmerksamkeit wecken. In Tunnel mit Gegenverkehr werden sie z. T. angewendet.
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1 Mensch als Regler
Der Fahrer steuert das Fahrzeug durch Eingabe von Lenkwinkel, Gaspedalstellung und Bremsbetätigung. Das Fahrzeug wird außerdem von Störungen beeinflusst (Seitenwind, Unebenheiten der Fahrbahn, unterschiedliche Haftbeiwerte links und rechts). Daraus ergibt sich die Bewegung des Fahrzeugs, seine Position auf der Straße und im Verkehr. Diese sieht der Fahrer und schließt damit den Regelkreis. – Im Regelkreis gibt es außerdem noch Kurzschlüsse, die besonders für rasche Reaktionen wichtig sind: Querbeschleunigung und Lenkmoment informieren über die Krümmung der Fahrspur, also über den zukünftigen Verlauf der Fahrspur. Das Lenkmoment liefert außerdem noch Informationen über die Straßenbeschaffenheit (Welligkeit, Haftbeiwert). Akustisch wird der Fahrer durch Motor-, Luft- und Reifengeräusch über Geschwindigkeit, Luftbewegung, Längs- und Querbeschleunigung informiert.
1.4 Fahrhilfen Fahrhilfen unterstützen den Fahrer bei seiner Aufgabe, ohne ihm die Verantwortung dafür zu nehmen, Bild 1-11. Die Eingriffsmöglichkeiten in die Leistungsregelung („elektronisches Gaspedal“), in die Bremsfunktion (ABS) und in die Lenkung (Servolenkung, Aktivlenkung) ermöglichen eine ganze Reihe von Funktionen, die dem Fahrer helfen, bestimmte Situationen, besser zu meistern, Tabelle 1-1. Tabelle 1-1 Fahrhilfen (Fahrerassistenzsysteme): Eingriffe Eingriff in
Anfahrschlupf- Geschwindigregelung keitsregelung ASR
GRA
Differential- Antisperre blockierregelung EDS ABS
StabilitätsRegelung
Spurhalten, Seitenwindkompensation
ESP
Leistung
X
X
?
?
?
–
Bremsen
–
?
X
X
X
?
Lenkung
–
–
?
–
?
X
X bedeutet den wesentlichen Eingriff ? einen möglichen Eingriff – unwesentlicher Zusammenhang
Anfahrschlupfregelung:
Übersteigt die Beschleunigung der Raddrehzahl ein bestimmtes Maß („durchdrehende Räder“), wird die Leistung zurückgenommen.
Geschwindigkeits- Durch Leistungseingriff wird die vom Fahrer eingestellte Geschwindigkeit eingeregelt. Wird zusätzlich der Abstand zum Vorausfahrenden ermittelt, regelung: dann kann über den Leistungseingriff (und Bremseingriff) eine Abstandsregelung erfolgen. Dynamik und Modifikation der Sensierung durch das Navigationsprogramm. Differentialsperre: Übersteigt die Beschleunigung der Raddrehzahl ein bestimmtes Maß („durchdrehende Räder“), dann wird es gebremst, um das Reibungspotential des anderen Rades der Achse auszunutzen. Entsprechendes gilt für die Räder eines Fahrzeugs mit Mehrachsantrieb.
1.4 Fahrhilfen
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Antiblockierregelung:
Regelung des Radschlupfs zur Nutzung des maximalen Reibwertes für Längs- und Querkräfte am Rad. Der Bremsassistent baut die Verzögerung rascher auf.
Stabilitätsregelung:
Durch Bremseingriff an einzelnen Rädern wird die Giergeschwindigkeit um die Hochachse eingeregelt, die Lenkeinschlag und Fahrgeschwindigkeit entspricht.
Spurhalten, Seitenwindkompensation:
Durch Lenkeingriff (Lenkwinkel und/oder Lenkmoment) wird das Fahrzeug auf der sensierten Spur gehalten, Störungen werden kompensiert.
Im weiteren Sinn werden durch Lichtsensoren Licht und Lichtart (abblenden) geschaltet, durch Regentropfen der Wischer, durch Fahrgeschwindigkeit oder eingelegten Gang die Wischgeschwindigkeit usw.
Bild 1-11 Fahrhilfen: wie Bild 1-10, jedoch mit einem Regler, der Informationen an den Fahrer liefert (z. B. Radio) oder nach Vorgabe des Fahrers ins Fahrzeug eingreift (z. B. Geschwindigkeitsregelung).
Die älteste Fahrhilfe ist das Radio. Die Radioantenne war Jahrzehnte lang das einzige nach außen gerichtete „Sinnesorgan“ des Fahrzeuges. Verbesserungen beziehen sich darauf, dass die letzten Verkehrsmeldungen abgerufen werden können und dass vorzugsweise die Meldungen gemeldet werden, die relevant sind: Behinderungen (Nebel, Unfälle) die „voraus“ in der wahrscheinlichen Fahrstrecke liegen. Der Fahrgeschwindigkeitsregler (Geschwindigkeitsregelanlage GRA) hält mit der Leistungsregelung als Stellgröße die Fahrgeschwindigkeit konstant oder meldet es dem Fahrer, wenn das nicht möglich ist, weil die Steigung zu groß ist (der Fahrer muss dann zurückschalten oder eine kleinere Geschwindigkeit akzeptieren) oder das Gefälle durch Leistungsrücknahme nicht mehr ausge-
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1 Mensch als Regler
glichen werden kann. Der Fahrer muss dann bremsen, zurückschalten oder mit einer höheren Geschwindigkeit fahren als er eingestellt hat. Eine Ergänzung dazu ist ein Entfernungsmesser, der vorausfahrende Fahrzeuge sensiert und einen einstellbaren Zeitabstand dazu hält. Diese Regelung kann außerdem in die Bremse eingreifen. Die Besonderheit der Entfernungsmessung liegt darin, dass entgegenkommende Fahrzeuge ausgeblendet werden. Meist schaltet die Geschwindigkeitsregelung unterhalb einer bestimmten Geschwindigkeit ab (30 km/h), aber im Prinzip könnte die Führung auch die Geschwindigkeit 0 beinhalten. Das Fahrzeug führe dann auch wieder automatisch an, wenn sich das davor stehende in Bewegung setzt. Die Entfernungssensoren legen z. B. eine Keule mit einem Öffnungswinkel von 8° bis 15° und einer Länge von 150 m vor das Fahrzeug (67 GHz). Alle Objekte (oder nur die, die sich mit gleichgerichteter Geschwindigkeit bewegen), die sich in dieser Keule befinden, werden verwertet. Die Dynamik des Eingriffs und/oder die Lage der Keule kann abhängig vom Lenkwinkel oder der Straßenart (Autobahn, kurvige Landstraße, Ortsgebiet) oder dem ins Navigationssystem eingegebenen Ziel gesteuert werden. Bei der Annäherung an eine Ausfahrt wird dann die Geschwindigkeit zurückgenommen. Für das Nahfeld werden Sensoren mit 80° Öffnungswinkel (24 GHz) verwendet.
Bild 1-12 Bei der automatischen Fahrzeugführung kann der Fahrer nicht mehr direkt ins Fahrgeschehen eingreifen. Die Verantwortung dafür hat er an das System abgegeben. Der Regler steuert das Fahrzeug verantwortlich. Der Fahrer kann die Verantwortung für die Fahrzeugführung jederzeit verlangen, erhält sie aber erst nachdem sichergestellt ist, dass er die Fahrsituation beherrscht.
Ein Lenkassistent kann entweder dem Vorausfahrenden folgen oder nach einer Bildauswertung auf der Fahrspur bleiben. Beides ist problematisch. Firmen, die so etwas anbieten, binden die Funktion daran, dass beide Hände auf dem Lenkrad liegen. Bei gesetztem Blinker kann ein nach schräg hinten gerichteter Sensor prüfen, ob man nicht gerade selbst überholt wird, und in diesem Fall eine Warnung von sich geben.
1.4 Fahrhilfen
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Grüne Welle Eine wichtige, aber fehlende Information für den Fahrer ist die richtige Geschwindigkeit in der Grünen Welle. Der Fahrer weiß meist nicht, mit welcher Geschwindigkeit die Grüne Welle läuft, noch ob er sich am Anfang oder am Ende der Grünen Welle befindet. Diese beiden Informationen müssen vor der infrage kommenden Kreuzung (am besten an der Kreuzung davor) zugespielt werden. (In der Form: wie weit ist die Kreuzung entfernt und wann springt dort die Ampel auf grün.) Der Fahrer wird dann informiert, ob er rascher oder langsamer fahren soll, um in dem Augenblick an der Kreuzung anzukommen, wenn die Ampel auf grün springt. Er kann dann bei unveränderter Geschwindigkeit die Kreuzung passieren und entsprechend den neuen Informationen die nächste Kreuzung ansteuern. An dieser Stelle wird klar, dass das Einschalten des Fahrers ein Umweg ist: das Fahrzeug kann ohne Zutun des Fahrers die Geschwindigkeit wählen, die es zu dem Augenblick an der Kreuzung ankommen lässt, wenn die Ampel grün wird. Der breiten Einführung steht die fehlende Entschlossenheit der Städte entgegen, etwas für den Autoverkehr zu tun. Lieber baut man Straßen zurück und verdrängt die Tatsache, dass sich schikanierte Menschen weder der Politik noch anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber gern kooperativ verhalten. Die richtig organisierte Grüne Welle führt dazu, dass sich zwischen den Kreuzungen Konvois bilden, die mit unverminderter Geschwindigkeit die Kreuzung passieren. Das ist deshalb zweckmäßig, weil die Straßenfläche der Kreuzung doppelt so dicht belegt ist wie die übrige. An der Kreuzung muss die Geschwindigkeit hoch sein, wenn man die Straßenkapazität hinaufsetzen will. Die übliche Verkehrsregelung tut genau das Gegenteil: die Fahrzeuge werden an der Kreuzung angehalten und passieren sie mit kleiner Geschwindigkeit. Eigentlich ist kein Wunder, dass viele Verkehrsplaner zu ihrer Aufgabe ein mehr als getrübtes Verhältnis haben: sie wollen den Verkehr „vermeiden“, am besten abschaffen. Die Gesellschaft, die sich das gefallen lässt, muss dann in Kauf nehmen, dass auch die wirtschaftliche Weiterentwicklung „vermieden“ wird, sie im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb zurückfällt, statt aufzuholen. Hohe Arbeitslosigkeit ist dann die Folge, der viele Politiker hilflos gegenüberstehen, weil sie den Zusammenhang nicht sehen wollen. Zu den Fahrhilfen können auch alle Funktionen gezählt werden, die äußere Signale (hell/dunkel, Regentropfen) oder innere (z. B. den Getriebe-Gang) auswerten. Dann werden Lichter ein- oder ausgeschaltet, heller oder weniger hell geschaltet, Spiegel abgekippt oder im Reflexionsgrad verändert, Wischer ein- und ausgeschaltet oder die Wischgeschwindigkeit verändert. Allen Fahrhilfen kann man vorwerfen, dass sie sich in die Fahrzeugführung einmischen, ohne Verantwortung zu übernehmen. Sie lenken den Fahrer ab, verändern das Fahrverhalten. Wenn man z. B. sich darauf verlässt, dass der Abstandsautomat die richtige Entfernung zum Vorausfahrenden hält, er aber versehentlich abgeschaltet oder gar nicht angeschaltet ist, kann das zu bösen Überraschungen führen. Das Fahrzeug wird gewissermaßen zum Diener zweier Herren. Für den Fahrer sind Fahrhilfen manchmal eine zusätzliche Belastung und werden daher von vielen abgelehnt.
1.4.1 Automatische Fahrzeugführung Die automatische Fahrzeugführung wird da beginnen, wo der Automat dem menschlichen Fahrer eindeutig überlegen ist: bei einfachen Fahraufgaben, die eine fortwährende hohe Aufmerksamkeit erfordern. Also z. B. bei der Kolonnenfahrt. Zu diesem Zweck können (müssen aber nicht) zusätzliche Fahrspuren eingerichtet (z. B. der Grünstreifen genutzt) werden. Die Teilnahme an der automatischen Fahrzeugführung ist freiwillig: der Fahrer entscheidet, ob er
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1 Mensch als Regler
die Fahrzeugführung ins System abgeben will, oder ob er selbst das Fahrzeug steuern will. Will er in die automatische Fahrzeugführung wechseln, dann wechselt er unter Beachtung der dafür üblichen Regeln auf die CONVOY-Spur (Bild 1-13 und 1-14). (Das muss keine zusätzliche Spur sein, aber es muss Platz für ein neues, automatisch geführtes Fahrzeug vorhanden sein.)
Bild 1-13 Automatische Fahrzeugführung CONVOY und TRAIN. Im oberen Bildteil ist der Querschnitt einer dreispurigen Autobahn mit Standspur und Grünstreifen mit den Spurkapazitäten dargestellt. Gesamtkapazität 3 200 Fahrzeuge pro Stunde. Bei automatischer Fahrzeugführung beträgt die Gesamtkapazität 13 900 Fahrzeuge pro Stunde, das 4.3-fache.
Dort zeigt er dem Automaten an, dass er die Fahrzeugführung abgeben möchte. Dieser prüft die Funktionstüchtigkeit und andere Voraussetzungen (z. B. ob genügend Kraftstoff für die Mindestdistanz vorhanden ist). Wenn das der Fall ist, bestätigt der Automat die Übernahme der Fahrzeugführung. Der Fahrer kann nun nicht mehr direkt in die Fahrzeugführung eingreifen. Der Automat hält das Fahrzeug in geringem Abstand zur durchgehenden Leiteinrichtung durch Messung des Seitenabstandes und bringt das Fahrzeug auf eine Geschwindigkeit, die etwas höher als die CONVOY-Geschwindigkeit ist, z. B. 125 km/h. Das Fahrzeug wird daher die vorausfahrende CONVOY-Kolonne, die mit der CONVOY-Geschwindigkeit von z. B. 120 km/h fährt, einholen. Der Abstandssensor in Längsrichtung stellt die Datenverbindung mit dem letzten Fahrzeug der Kolonne her und führt ein Andockmanöver aus. Das Fahrzeug ist damit Mitglied der CONVOY-Kolonne geworden, die wie ein Zug gemeinsam bremst und beschleunigt. Der kleine Abstand zum vorherfahrenden Fahrzeug reduziert den Luftwiderstand und damit Verbrauch und Emission. Der Fahrer des Fahrzeugs kann sich nun anderem zuwenden: er kann arbeiten, lesen, fernsehen, telefonieren, schlafen. Der Automat wird ihn auf Besonderheiten aufmerksam machen, sofern es nicht das Fahrzeug tut: irreguläre Messdaten (Tankinhalt, Temperaturen, Reifendruck, ...), notwendige Abzweigungen, das baldige Erreichen des eingegebenen Ziels. Wenn der Fahrer dem Automaten mitteilt, dass er die Fahrzeug-
1.4 Fahrhilfen
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führung wieder selbst übernehmen möchte, bringt dieser das Fahrzeug in einen Zustand, in der das der Fahrer kann (Abstand zum Vorausfahrenden und Folgenden). Dann fordert er den Fahrer auf die Führung zu übernehmen. Das bestätigt der Fahrer und wechselt unter Beachtung der üblichen Regeln auf die Überholspur und kehrt in den nicht-automatischen Verkehr zurück. Entsprechend verhält sich der Fahrer eines LKWs: nach der Auffahrt auf die Autobahn bleibt er gleich auf der TRAIN-Spur und fordert den Automaten auf, die Fahrzeugführung zu übernehmen. Dieser klinkt sich in die seitliche Führung ein, prüft das System und fährt mit etwas höherer Geschwindigkeit als das TRAIN-System auf die davor fahrende TRAIN-Kolonne auf, dockt dort an und wird damit ein Mitglied dieser Kolonne. Wenn er aber die automatische Fahrzeugführung nicht annehmen will, dann fährt er mit einem weiteren Spurwechsel unter Beachtung der üblichen Regeln auf die Fahrspur. (Die TRAIN-Kolonnen dürfen nur eine begrenzte Länge haben. Zwischen ihnen muss ein Abstand liegen, der es den PKWs ermöglicht, auf die Straße aufzufahren oder sie zu verlassen und auffahrenden LKWs das Beschleunigen ermöglicht.)
Bild 1-14 Grundriss. Die PKW im oberen Bildteil werden im System CONVOY durch seitliche Abstandsmessung an der linken Leitplanke geführt und durch Abstandsmessung zum Vorder- und Hintermann in Längsrichtung. Außerdem stehen sie miteinander im Datenverbund, der bewirkt, dass eine Bremsverzögerung gleichzeitig erfolgt (Zugbildung). Die PKWs auf der Fahr- und Überholspur befinden sich im freien Verkehr unter verantwortlicher Führung des Fahrers. – Die LKWs werden seitlich vom Ausleger (Bild 1-13) geführt. Untereinander stehen sie wie die PKW im CONVOY in Datenverbindung.
Die automatische Fahrzeugführung hat folgende Vorteile: x Die Straßenkapazität wird deutlich (auf das Vier- bis Fünffache) erhöht. Zwar sind die Zu- und Abfahrten dem höheren Verkehrsaufkommen anzupassen, ebenso die Verbreiterung infolge einer zusätzlichen Fahrspur auf Brücken und in Tunneln (wenn man nicht vorübergehend auf die Überholspur mit einer Kapazität von 1 200 Fzg/h verzich-
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1 Mensch als Regler ten kann). Es muss eine durchgehende Leitplanke links vorhanden sein und deren Ende muss für den Automaten erkennbar signalisiert sein. Die Ausleger und durchgehende Spurführung für TRAIN sind zu bauen. Aber dieser Aufwand ist immer mit der Alternative zu vergleichen, die den Bau von drei oder vier parallelen Autobahnen erforderlich macht. x Der Fahrer wird von einer ermüdenden, langweiligen Aufgabe befreit. Er kann sich sinnvolleren Tätigkeiten zuwenden oder ruhen. x Die engen Fahrzeugabstände führen zu einer Verringerung des Luftwiderstandes (bis 30 % beim PKW) und damit des Verbrauchs und der Emissionen. x Die Sicherheit wird (um den Faktor 10?) erhöht. Unfälle infolge Einschlafens hören auf. Der Automat beherrscht sicher Probleme, die Fahrer gelegentlich überfordern, z. B. einen plötzlichen Druckverlust in einem Reifen. (In diesem Fall stellt der Automat über die Datenverbindung einen ausreichenden Abstand her, übergibt nach Aufforderung die Fahrzeugführung des stabilisierten Fahrzeugs an den Fahrer, der wie im nichtautomatischen Verkehr das Fahrzeug auf die Abstellspur bringt.) Der Abstandsmesser des Führungsfahrzeugs der Kolonne verzögert die ganze Kolonne im Bedarfsfall (z. B. Hindernis auf der Fahrbahn). Selbst wenn eine Brücke unmittelbar vor der Kolonne auf die Fahrbahn stürzt, sind die Insassen der Fahrzeuge um so weniger belastet, je weiter hinten sie in der Kolonne sind: für die Verzögerung ihres Fahrzeuges nutzen sie die Deformation der Vorder- und Hinterwagen aller Fahrzeuge vor ihnen. Nur die letzten Fahrzeuge der Kolonne erfahren wieder eine etwas größere Verzögerung, weil die nachschiebenden Fahrzeuge fehlen. x Die automatische Fahrzeugführung ermöglicht eine Stromzufuhr von der Leitplanke her oder der Seitenführung (dem Fahrdraht) des TRAIN-Systems. Die Fahrzeuge beziehen ihre Antriebsenergie von der Stromschiene und laden ihrer Batterie voll, solange sie sich im System befinden. Die kürzeren Strecken außerhalb des Systems (Stadt- und Zubringerverkehr) nutzen sie Batterie oder ein Hilfstriebwerk.
Für die automatische Fahrzeugführung gibt es verschiedene Möglichkeiten, es ist hier nur eine relativ einfache beschrieben. Wichtig ist die Passivität der Infrastruktur: die einzige Anforderung ist die durchgehende Leitplanke (zum großen Teil bereits vorhanden) und die TRAINSeitenführung. Wäre eine Führung gestört, würde der Automat Alarm auslösen und den Fahrer zur sofortigen Übernahme der Verantwortung auffordern. Die Zweiflern an der Wahrscheinlichkeit der Einführung einer automatischen Fahrzeugführung müssen einsehen, dass sie bei immer weiter zunehmender Fahrzeugdichte des LKW-Verkehrs kommen muss: die LKW-Züge fahren alle mit der vorgeschriebenen, automatisch geregelten höchstzulässigen Geschwindigkeit von 85 km/h. Sie können nicht überholen, müssen aber dicht aufschließen, um die knappe Spurkapazität auszunutzen. Daher blockiert mit zunehmender Fahrzeugdichte schließlich die LKW-Kolonne die Zu- und Abfahrt von der Autobahn. Die LKWZüge müssen deshalb zu Blöcken zusammengefasst werden, zwischen denen die Zu- und Abfahrt möglich ist. Weil aber der letzte Fahrer des Blocks nicht sehen kann, der wievielte er ist, muss es zu einem Datenverbund kommen. Existiert dieser, dann müssen die LKW nicht mehr den Abstand voneinander halten, der durch die Verzugszeit des menschlichen Fahrers bedingt ist. Der Fahrer kann von der Längsregelung völlig entlastet werden, die automatische Führung hält einen engen Abstand. Diese Entlastung des Fahrers würde aber zu einer weiteren Zunahme der Unfälle infolge Einschlafens führen. (Außerdem ist die Aufgabe, stundenlang hinter einem anderen LKW herzufahren menschenunwürdig.) Also muss es auch eine Seitenführung geben, die dann einen
1.5 Assistenzsysteme
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vollautomatischen Betrieb ermöglicht. Der Fahrer kann eine Ruhezeit nehmen, seine künftigen Aufgaben koordinieren, schlafen. Erst unmittelbar vor der Abfahrt von der Autobahn nimmt er wieder die verantwortliche Führung, nachdem der Automat die dazu erforderlichen Abstände zu dem Vorausfahrenden und Folgenden hergestellt hat. Langfristig gesehen können die Fahrgeschwindigkeiten bei automatischer Fahrzeugführung viel größer sein. Diese Möglichkeit sollte man sich bei der Einrichtung einer automatischen Fahrzeugführung mit konventionellen Geschwindigkeiten nicht verbauen. Die automatische Fahrzeugführung kann mit dem Verladen des Fahrzeugs auf einen Zug verglichen werden: auch in diesem Fall gibt der Fahrer mit dem Abstellen seines Fahrzeugs auf dem Wagon die Verantwortung für die Fahrzeugführung in das System „Eisenbahn“ ab und nimmt sie erst wieder auf, wenn er sein Fahrzeug zum Verlassen des Zugs startet.
1.5 Assistenzsysteme Die Mikroelektronik mit der zugehörigen Datenerfassung, Datenverarbeitung und Datenausgabe bietet unübersehbare Möglichkeiten, Fahrzeugbenutzer zu unterstützen: die Fahrzeugführung zu erleichtern, die Nutzung des Fahrzeugs bequemer und sicherer zu machen. Nach zaghaften Anfängen gewinnt die Elektronik eine immer größere Bedeutung für das Fahrzeug. Die Kosten dafür machen einen steigenden Anteil der Gesamtkosten aus. Die Assistenzsysteme sollen den Fahrer beim Führen des Fahrzeugs unterstützen. Für den Fahrzeugbenutzer ergibt sich eine Fülle von Möglichkeiten, die er oft gar nicht mehr überblickt. Auch eine steigende Zahl von Fehlermöglichkeiten, die bereits zu einer Gegenbewegung geführt hat. Im weitesten Sinn zählen alle Einrichtungen dazu, welche die Bezeichnung „Servo…“, „Power…“, „elektrisch…“ tragen. Servoeinrichtungen zur Verstellung von Fenster, Sitz, Tür, Klappen, Schiebedach, Verdeck,…Feststellbremse,… Auch Fernbetätigung der Türschließung, der Standheizung, Standklimatisierung, usw. Im engeren Sinn zählen Einrichtungen dazu, die dem Fahrer bei der eigentlichen Fahrzeugführung unterstützen (Fahrerassistenzsysteme). Ihr Eingriff kann sich auf die Information des Fahrers beschränken oder direkt in das Fahrverhalten eingreifen. Unter der Bezeichnung Telematik (Telemetrie + Informatik) werden die Möglichkeiten verstanden, die sich aus der Funkverbindung zwischen den Fahrzeugen, Festpunkten (Baken) und zentralen Rechnern ergeben. Der Informationsfluss x vom Rechner (über die Bake) zum Fahrzeug nennt die aktuelle Verkehrssituation (Straßensperren, Unfälle, Überlastung, Straßenglätte, Sichtbehinderung), x vom Fahrzeug zur Bake (und weiter zum Rechner) Fahrgeschwindigkeit (und damit Straßenauslastung, Behinderungen), Fahrzeugdichte. Durch den Einsatz der Telematik kann die Straßenkapazität bis 15 % vergrößert werden, bei der derzeitigen Zunahme des Verkehrs in Mitteleuropa eine straßenbauliche Ergänzung also um 1-4 Jahre hinausschieben. Im Vergleich zum Neubau von Straßen ist sie ein billiges Mittel, hat aber freilich nur eine begrenzte Wirkung. Die Abstandsmessung zu benachbarten Fahrzeugen wird sowohl als Parkhilfe, zum Abstandhalten während der Fahrt (Eingriff in die Geschwindigkeitsregelanlage) als auch zur Warnung
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beim Spurwechsel verwendet. Der Eingriff in die Bremse oder gar Lenkung kann nur in Notfällen (unvermeidlicher Zusammenstoß) erfolgen, bleibt aber auch dann problematisch: der Fahrer ist jederzeit für sein Fahrzeug verantwortlich. Daher kann ihm durch einen unbedingten Eingriff nicht die Entscheidungsfreiheit genommen werden.
1.5.1 Funktionsverknüpfung Bei der Benutzung des Autos ergeben sich bestimmte Funktionsabläufe, für die man das Eintreten der folgenden automatisieren kann. Nähert sich z. B. der Fahrer (eigentlich derjenige, der den Schlüssel trägt) dem Fahrzeug, dann kann die Einstiegsbeleuchtung eingeschaltet und je nach Temperatur die Klimatisierung (Standheizgerät, Wasserumlauf aus dem Wärmespeicher, Klimakompressor) begonnen werden. (Wenn nicht schon vorher per Fernbetätigung die Standheizung oder das Hilfstriebwerk (APU) für den Klimakompressor gestartet wurde.) Beim Öffnen einer Tür oder Klappe geht dann die Innenbeleuchtung an, der Vorglühprozess des Dieselmotors startet und sein Wärmekreislauf beginnt. Sitze und Lenkrad fahren in eine Position, die bequemes Einsteigen erlaubt, bei überhitztem Innenraum (und keinem Regen) öffnet das Schiebedach, das Radio bringt besondere Vorkommnisse die das Auto (Einbruchsversuch, Ausfall einer Fahrzeugfunktion), das Wetter, die Verkehrslage oder politische Ereignisse betreffen. Alle Funktionen werden unterdrückt, wenn die Batterie eine zu geringe Ladung hat. Zweckmäßig wäre daher an dieser Stelle die Inbetriebnahme eines Hilfstriebwerks. Das kann ein 2–5 kW Verbrennungsmotor sein oder eine Brennstoffzelle ähnlicher Leistung, die weiter für ausreichende Stromversorgung einschließlich Fahren im niedrigen Geschwindigkeitsbereich sorgt. (Die erforderliche Leistung für 50 km/h beträgt für den hier gewählten StandardPKW 2 kW, die kinetische Energie für 50 km/h 130 kWs.) Nach dem Einsteigen fahren Sitze, Lenkrad, Pedale usw. in die auf dem Schlüssel programmierte Position. Nach der Inbetriebnahme prüft der Rechner die Betriebsfähigkeit (Lichter, Reifendruck, Öldruck usw.), schaltet je nach Umweltbedingungen Licht, Scheibenwischer ein, an das Anlegen der Sicherheitsgurte wird erforderlichenfalls erinnert. Beim Einlegen des Rückwärtsgangs kippen die Spiegel in eine entsprechende Position, seine Abblendfunktion wird unterdrückt, der Heckscheibenwischer tritt bei Bedarf in Aktion. Das Navigationssystem schlägt die übliche Route vor oder lädt zur Eingabe einer anderen ein, für die dann Besonderheiten gemeldet oder Alternativen vorgeschlagen werden. Nach dem Anfahren tritt die laufende Anpassung von Licht, Spiegel und Scheibenwischer an Umwelt und Fahrgeschwindigkeit in Funktion. (Diese Aufzählung ist nur beispielhaft, nicht vollständig.)
1.5.2 Fahrer-Assistenzsysteme Das Radio ist das älteste und wichtigste Assistenzsystem im Auto. Der Weg bis zum integrierten Radio- und Navigationssystem erscheint nur zu logisch, Beispiel 2. Der Fahrer wird über die großräumige Verkehrslage informiert: über das Wetter, den Straßenzustand, Sperren und Umleitungen, besondere Gefahren (z. B. Nebelbänke, Geisterfahrer), Stau, Unfälle. Die Datenflut ist so groß geworden (und steigt weiter an), dass für eine sinnvolle Selektion gesorgt werden muss. Den Fahrer interessiert in erster Linie das Geschehen in der vor ihm liegenden Gegend und im relevanten Zeitraum. Auch möchte er nicht ununterbrochen Nachrichten hören, sondern die betreffende Nachricht genau dann, wenn sie akut wird, wenn er eine Entscheidung zu fällen hat: abzubiegen, auf einen Stau zu achten, usw. Die Selektion der relevanten Nachricht und Übermittlung zum richtigen Zeitpunkt hängt individuell vom einzelnen Fahrzeug ab und muss auch dort aus der Fülle der laufend gespeicherten Nachrich-
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ten abgerufen werden. Eine besondere Methode ist das „shake hands“-Verfahren: entgegenkommende Fahrzeuge verfügen über Informationen, deren Abwicklung über den Radiosender nicht so schnell erfolgen kann. Zum Beispiel kann ein Unfall oder eine Nebelbank gemeldet werden.
Beispiel 2 Assistenzsystem: Die dreidimenstionale Darstellung ermöglicht eine realitätsnahe Navigation (Werkbild Siemens VDO)
Die Anzeige von Verkehrszeichen im Auto (VZA) ist eine seit langem anstehende Aufgabe. Die Fahrer sind ganz offensichtlich durch die Vielzahl der aufeinander folgenden Verkehrszeichen überfordert. Wer hätte sich noch nicht gefragt, ob im Augenblick Überholverbot sei oder nicht, ob eine Geschwindigkeitsbegrenzung anliegt und wenn ja, in welche Höhe? Die Verkehrszeichen müssen aktiv ins Fahrzeugübertragen werden oder wahrscheinlich aktiv vom Fahrzeug erkannt und dem Fahrer zur Anzeige gebracht werden. Natürlich lässt sich damit eine besondere Warnanzeige verbinden: z. B. wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um einen bestimmten Betrag oder Prozentsatz überschritten wird, wenn im Überholverbot ein Spurwechsel eingeleitet wird usw. Eine Fahrerinformation ist auch notwendig, wenn Leistungsgrenzen eines Assistenzsystems überschritten werden. Wird z. B. die Geschwindigkeit zu groß, weil das Gefälle zunimmt und die Zurücknahme der Motorleistung zum Einhalten der vorgegebenen Geschwindigkeit nicht mehr ausreicht, muss der Fahrer auf diesen Umstand hingewiesen werden. Gleiches gilt für zunehmende Steigung und Handschaltgetriebe: In diesem Fall muss der Fahrer zurückschalten, wenn er die gewünschte Geschwindigkeit einhalten will. Leitsysteme (Navigationssysteme) bilden eine willkommene Verbesserung der Zielfindung (Ziel kann auch eine Tankstelle, ein Rasthaus, ein WC, eine Garage oder ein Parkplatz sein), wenn der Weg dahin unbekannt ist. Gefährlich kann die Zieleingabe sein, wenn sie während der Fahrt erfolgt. Verkehrstelematik Durch automatische Fernbeeinflussung können Kapazität und Sicherheit gesteigert werden. Im Vergleich zu der in der EU um 2-5 % pro Jahr zunehmenden Verkehrsleistung (etwa 2 %/a im Personenverkehr, 5 %/a im Güterverkehr) wird der mögliche Kapazitätsgewinn von 2-15 % nicht hinreichend sein. Trotzdem sind alle Anstrengungen gerechtfertigt, weil der Ausbau der
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Verkehrswege infolge der aufgehäuften Schwierigkeiten nur stockend vorangeht. Es wird noch einige Jahre dauern, bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass der Straßenbau Voraussetzung für eine befriedigende Wirtschaftsentwicklung und zugleich Arbeitgeber ist. Unter der Bezeichnung PROMETHEUS wurde 1987 ein EU-Projekt gestartet, das zu einem Sprung in der Verkehrssicherheit führen sollte. Abgesehen davon, dass die Zielsetzung zu anspruchslos war (die Sicherheit sollte nicht einmal so schnell weiter zunehmen wie bis dahin), ist daraus kein besonderer Einfluss erkennbar. Die Sicherheit nimmt permanent zu. INVENT (Intelligenter Verkehr und nutzergerechte Technik) ist eine Forschungsinitiative für mehr Sicherheit und Effizienz die bis 2005 läuft. (o weitere Information unter www.inventonline.de) 1.5.2.1 Assistenzsysteme mit Warnung oder Hinweis für den Fahrer Die Warnung und Alertierung des Fahrers auf Besonderheiten seiner Person, des Fahrzeugs oder der Umgebung ist eine effektvolle Möglichkeit. Bei der Aufmerksamkeitskontrolle (AMK) der Volkswagen AG z.B. blickt die Elektronik mit einer kleinen Kamera dem Fahrer in die Augen. Werden die Lidschläge häufiger aber langsamer, schließt der Bordrechner auf eine Übermüdung oder Leistungsminderung aus anderen Gründen und mahnt akustisch zu einer Pause oder erhöhter Aufmerksamkeit. Setzt der Fahrer zum Überholen an (Blinkerbetätigung oder besonderer Lenkeinschlag bei bekanntem Straßenverlauf), dann prüft ein Abstandssensor, ob die Nachbarspur frei ist. Wenn nicht, erfolgt eine Warnung (akustisch, Lichtsignal, Rütteln an Sitz oder Lenkrad usw.). Eine Warnung erfolgt auch, wenn eine eingestellte Assistenzfunktion aus dem Bereich läuft. Wenn z. B. die eingestellte Wunschgeschwindigkeit von der Leistungsregelung infolge zu großer Steigung und zu großen Gefälles nicht eingehalten werden kann, folgt eine Warnung. Gleiches gilt für irreguläre Betriebszustände des Fahrzeugs (Öltemperatur, Öldruck, Wassertemperatur, Reifendruck, Bremsverschleiß, Tankinhalt, Waschwasservorrat usw.). Als Einparkhilfe haben sich Sensoren durchgesetzt, die den Abstand zwischen Fahrzeug und Hindernis akustisch interpretieren. Mit steigender Frequenz meldet der Sensor den Abstand bis unmittelbar vor Berührung die Warnung in einen Dauerton übergeht. Bei mehreren Sensoren (vorn, hinten, zur Seite) werden diese Signale in unterschiedlicher Tonhöhe dargeboten, was bei Rangierfahrten in der Garage zu einer nervenaufreibenden Kakophonie führen kann. Vereinzelt werden passive oder aktive Nachtsichtgeräte angeboten, die im Dunklen auf schlecht sichtbare Hindernisse (Fußgänger, Wild, Absperrungen) aufmerksam machen. 1.5.2.2 Assistenzsysteme mit Eingriff ins Fahrzeug Die Geschichte dieser Systeme beginnt mit den Geschwindigkeitsregelanlagen: der Fahrer gibt eine Wunschgeschwindigkeit ein, die das Fahrzeug durch Leistungseingriff einhalten soll, Beispiel 3. Der Fahrer wird von der Aufgabe entlastet, andauernd auf die Geschwindigkeit zu achten, behält aber die Verantwortung für das Einhalten der angebrachten Geschwindigkeit oder einer eventuellen Höchstgeschwindigkeit sowohl was seine Eingabe betrifft als auch die präzise Ausführung seiner Vorgabe. Jeder, der zum ersten Mal eine Geschwindigkeitsregelanlage benutzt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eigentlich das Fahrzeug fährt und er nur dabei ist. Vielleicht geht sie manche Kurve und Verkehrssituation rascher an, als er es täte, wenn er selbst für die Leistungsregelung (per „Gasfuß“) zuständig wäre. Es tritt eine
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Aufspaltung zwischen Ausführung und Verantwortung ein, die vom Fahrer eine besondere, andere Aufmerksamkeit erfordert, als wenn er selbst die Längsregelung ununterbrochen und unbewusst erledigen würde. Er hat es mit zwei verschiedenen Fahrzeugen zu tun: eines das eine gegebene Fahrgeschwindigkeit einhält und ein anderes, das ohne sein Zutun je nach Steigung und Gefälle seine Geschwindigkeit ändert.
Beispiel 3 Assistenzsystem: Fahrerassistenzsystem zur abstandsabhängigen Geschwindigkeitsregelung und Einhaltung vorgegebener oder frei gewählter Tempolimits (Werkbild Continental Temic)
Die Schwierigkeit wird noch größer, wenn sein Fahrzeug außerdem einer Abstandsmessung folgt: zu dem Vorausfahrenden Fahrzeug wird automatisch ein zeitlich einstellbarer Abstand gehalten, so lange die Spur nicht frei ist (Automatische Distanzregelung ADR, ADR + F25 ... bis völligen Stillstand). Wird die Spur wieder frei, beschleunigt der Automat auf die eingestellte Sollgeschwindigkeit. Auch hier wechselt der Fahrer von einer Position als Regler im Regelkreis zu einer beobachtenden Person: er verfolgt die Arbeit des Assistenzsystems, er muss sie verfolgen, denn er ist verantwortlich. Die Frage ist nun, welche Aufgabe leichter ist: das unbewusste Regeln des richtigen, verantwortbaren Abstands oder das beobachten des Assistenzsystems, das noch dazu je nach eingestellter Zeitlücke das Fahrzeug führt. Man kann nun argumentieren, dass das technische System seine Aufgabe genauer und zuverlässiger als der menschliche Fahrer erfüllt. Das trifft in der Regel zu. Aber der Fahrer darf sich nicht darauf verlassen. Er kann z. B. vergessen haben, es zu aktivieren. Er erwartet den Eingriff des Systems und wird vielleicht erst dann aufmerksam, wenn es zu spät ist. Es kann anstrengender sein, das System dauernd zu belauern als die Aufgabe gleich selbst zu lösen. Es kommt auf die Verkehrsdichte an: auf einer wenig befahrenen Autobahn ist die Geschwindigkeitsregelanlage + Abstandssensorik entlastend, im dichten Verkehr eher nicht. Eine wichtige Funktion hat die automatische Geschwindigkeitsregelung in der Grünen Welle: die altbekannte Grüne Welle funktioniert nicht recht, weil die Beteiligten nicht wissen, wie schnell sie fahren sollen. Die richtige Geschwindigkeit in einem vernetzten System von Straßen mit ungleichen Abständen zwischen den Kreuzungen erfordert nämlich eine von diesen Abständen abhängige Fahrgeschwindigkeit. Die Lösung des Problems liegt darin, dass den Fahrzeugen die Entfernung bis zur nächsten Ampel und die Zeit, wann diese wieder auf grün springen wird, zugespielt werden. Der Automat regelt dann die Geschwindigkeit so, dass das betreffende Fahrzeug gerade dann an der Kreuzung ankommt, wenn die Ampel auf grün springt. Dann kann es ohne Verzug mit relativ hoher Geschwindigkeit die Kreuzung passieren. Das ist deshalb wichtig, weil die Kreuzungen mit doppelt so viel Verkehr belastet sind als die
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anschließenden Straßen. Wir bilden heute fälschlich an den Kreuzungen die Kolonnen, die dann langsam über die Kreuzung fahren und vergeuden dabei Straßenkapazität. Grundsätzlich problematisch ist der Bremseingriff. Es ist nie vollkommen sicher, dass Bremsen den sichersten Weg aus der Gefahr darstellt. Möglicherweise ist das ungebremste Ausweichen sicherer als die Vollbremsung. Kaum mehr diskutiert wird das Antiblockiersystem (ABS): Es hat sich die richtige Ansicht durchgesetzt, dass es in der Regel wichtiger ist, das Fahrzeug steuerbar zu halten als die maximale Bremsverzögerung zu erzielen. Das ABS ist zu einer Standardlösung geworden, die außerdem noch andere Eingriffsmöglichkeiten bietet: das elektronische Sperrdifferential oder ein Stabilitätsprogramm. Assistenzsysteme, die das Fahrzeug auf dem gewünschten Kurs halten, haben sich in den letzten Jahren zunehmend unter verschiedener Bezeichnung eingeführt (Integraler Fahrdynamikregler IFDR). Man geht dabei davon aus, dass der Fahrer durch den Lenkeinschlag die gewünschte Krümmung der Fahrspur vorgibt und versucht das Fahrzeug unabhängig von Störungen von außen (Seitenwind, Glatteis) oder aus dem Fahrzeug (die notwendigen Seitenführungskräfte würden die tatsächlich verfügbaren überschreiten) auf dieser Spur zu halten. Grundsätzlich ist das durch Eingriffe in die Lenkung oder das Aufbringen von Bremskräften möglich. Der IFDR kann dann noch einstellbar gemacht werden: der Fahrer kann für sein Fahrzeug eine sportliche oder komfortable Fahrdynamik einstellen.
Bild 1-15 Beeinflussung des Lenkverhaltens durch Bremseingriff an der Haftgrenze. Gleichmäßige Aufteilung der Bremskraft: Moment um die Hochachse M = 0 Nm
Grundriss eines Fahrzeugs, das mit dem gezeichneten Lenkeinschlag eine Kurve befährt, was zu der eingezeichneten Querkraft und entsprechenden Seitenkräften an den Rädern führt. Außerdem ist angenommen, dass bis an die Haftgrenze gebremst wird. An den Rädern treten
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damit die eingezeichneten Kräfte auf, die in diesem Fall kein Moment um die Fahrzeughochachse zur Folge haben. Der gefahrene Kurs kann durch Eingriffe in die Lenkung und/oder Bremsen erfolgen. Meist entscheidet man sich für letzteres: das ABS bietet dafür die teuren Hardware Voraussetzungen. Alles andere ist bis auf den allfälligen Kreiselkompass nur mehr relativ billige Software, (Bild 1-15 bis 1-18). Eingriffe in die Lenkung sind sowohl über das Lenkmoment als auch über den Lenkwinkel möglich. Die übliche Servolenkung (power steering) verstärkt das Moment des Lenkrades. Die neuerdings aufkommende Aktivlenkung vergrößert den Lenkwinkel. Prinzipiell ist es damit möglich, eine Störung (z. B. eine Seitenwindböe) auszugleichen, ohne dass der Fahrer davon überhaupt etwas merkt, und ohne dass eine Spurabweichung auftritt. Schwieriger ist es, das Fahrzeug ohne Zutun des Fahrers auf der richtigen Spur zu halten. Eine Bildauswertung kann im Prinzip das gleiche wie der Fahrer schaffen, der auch je nach Situation unterschiedliche Merkmale für die Spurführung heranzieht. Zunächst sind es die weiß oder farbig aufgebrachten Leit- oder Sperr-Linien, durchgezogen oder unterbrochen. Wenn sie nicht sichtbar sind (abgefahren, von Schnee verdeckt) weicht die Bildauswertung auf weiter entfernte Begrenzungen aus, z. B. auf die Leitplanke. Wenn die Orientierung schwieriger wird, wird der Automat die Geschwindigkeit zurücknehmen. Muss eine solche Schwierigkeit vermieden werden, dann ist eine durchgehende Leiteinrichtung notwendig. Zum Beispiel eine durchgehende Leitplanke links oder eine Oberleitung über der betreffenden Fahrspur.
Bild 1-16 Beeinflussung des Lenkverhaltens durch Bremseingriff an der Haftgrenze. Bremst hinten stärker als vorn: Moment um die Hochachse M = 2016 Nm
Wie Bild 1-15. Es wird an der Hinterachse stärker als an der Vorderachse gebremst. Dadurch entsteht ein Moment um die Fahrzeughochachse, das das Fahrzeug in die Kurve hinein dreht.
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Bild 1-17 Beeinflussung des Lenkverhaltens durch Bremseingriff an der Haftgrenze. Bremst vorn stärker als hinten: Moment um die Hochachse M = 2016 Nm
Wie Bild 1-15. Es wird an der Hinterachse schwächer als an der Vorderachse gebremst. Dadurch entsteht ein Moment um die Fahrzeughochachse, das das Fahrzeug aus der Kurve heraus dreht.
Bild 1-18 Beeinflussung des Lenkverhaltens durch Bremseingriff an der Haftgrenze. Bremst außen stärker als innen: Moment um die Hochachse M = 1642 Nm
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Wie Bild 1-15. Es wird an den kurvenäußeren Rädern stärker gebremst als an den kurveninneren. Dadurch entsteht ein Moment um die Fahrzeughochachse, das das Fahrzeug in die Kurve hinein dreht.
1.5.3 Automatische Fahrzeugführung Dabei geht im Gegensatz zu den Assistenzsystemen die Verantwortung vom Fahrer ins System. Wie beim Verladen des Fahrzeugs auf einen Wagon der Eisenbahn übergibt der Fahrer die Verantwortung durch eine eindeutige Handlung (dem Abstellen auf dem Wagon) die Verantwortung für die Fahrzeugführung in ein anderes System.
1.5.4 Zusammenfassung Ohne Zweifel haben Assistenzsysteme auch im Auto eine große Zukunft vor sich. Welche zum allgemein akzeptierten Standard heranreifen werden, ist noch nicht auszumachen. In jedem Fall scheint ein Schalter, mit dem sie ausgeschaltet werden können wenn ihre Hilfe unerwünscht ist, ein wichtiger Teil zu sein.
Literatur >1.1@ Fiala, E.: Lenkreaktionen bei Seitenwind, Z-VDI 108 (1966), S. 1333 >1.2@ Jaspers, K.: Der philosophische Glaube, Piper 1969 >1.3@ Jürgensohn, T. und Timpe, K. P.: Kraftfahrzeugführung, Springer Berlin Heidelberg New York 2001 >1.4@ McRuer, D. T. und Krendel, E. S.: The Human Operator as a Servo System Element, J. of the Franklin Inst. 267 (1959), S. 381 >1.5@ Popper, K. R.: Alles Leben ist Problemlösen, Piper 1994 >1.6@ Richter, B.: Unterschiedliches Lenkverhalten verschiedener Versuchspersonen, ATZ 71 (1969) >1.7@ Riedel, R.: Die Strategie der Genesis, Piper 1984 >1.8@ Sheridan, T. B.: Vehicle Handling: Mathematical Characteristics of the Driver, SAE-Congress Jan. 1963, 638B >1.9@ Steinbuch, K.: Automat und Mensch >1.10@ Wallner, F.: Das Verhalten des Fahrzeuglenkers als Regeltechnisches Problem, Automob. Ind. 1/67, S. 5462 >1.11@ Wiener, N.: Cybernetics, MIT 1949 [1.12] Wittgenstein, L.: Tractatus Logico-Philosophicus, 1922 [1.13] Mitschke, M., Wallentowitz, H.: Dynamik der Kraftfahrzeuge, Springer 2004 [1.14] Braess/Seiffert: Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik, Vieweg 2005 [1.15] Bosch, Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, Vieweg 2003
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2 Fahrzeugführung längs Als die ersten Menschen in einem Auto gefahren sind, mag ihnen bei aller Beglückung durch die ihnen zukommende Kraft und Beweglichkeit zum Bewusstsein gekommen sein, welche Aufgaben ihnen die Zugtiere abgenommen hatten: ein Pferd bringt auch seinen schlafenden Kutscher nach Haus, ein Auto kann das vorläufig noch nicht. Vielmehr muss nun der Fahrer die Aufgabe übernehmen, sein Fahrzeug in Längs- und Querrichtung zu steuern. Wir wissen aus der Fahrschule, dass in den ersten Stunden am Steuer die Längsführung die größeren Probleme macht: die Betätigung von Gaspedal und Bremse will sorgfältig koordiniert sein, wenn der Motor nicht aufheulen oder abgewürgt werden soll. Nach dem Anfahren muss die Geschwindigkeit der Straße, den anderen Verkehrsteilnehmern und Hindernissen angepasst werden. Gangwechsel mit dazupassender Kupplungs- und Gaspedalbetätigung erfordern Bewegungsabläufe, die eingeübt werden müssen, damit sie dann unterbewusst als bedingte Reflexe ablaufen können. Halb- und vollautomatische Getriebe entlasten den Fahrer, aber er muss immer noch mit Gaspedal und Bremse die Längsbewegung kontrollieren, was verwirrend genug ist, weil die Bewegung des rechten Fußes in die gleiche Richtung sowohl Beschleunigen als auch Bremsen bedeutet. Das führt immer wieder zu Unfällen. Trotzdem konnten sich alle vorgeschlagenen Alternativen bisher noch nicht durchsetzen. Vielleicht vereinfacht sich die Situation eines Tages dadurch, dass alle Autos zumindest eine automatische Kupplungsbetätigung haben, und damit der linke Fuß ausschließlich der Bremse und der rechte ausschließlich dem Gaspedal zugeordnet bleibt. Oder die Längsbeschleunigung wird einem Hebel zugeordnet, der nach vorne gedrückt beschleunigt und zurückgezogen bremst. (Oder umgekehrt?) Abgesehen von der Betätigungsproblematik stellt die Längsregelung aber noch andere Anforderungen an die kybernetischen Fähigkeiten des Fahrzeuglenkers.
2.1 Folgen Eine immer häufiger werdende Aufgabe ist es, einem anderen Fahrzeug in angemessenem Abstand zu folgen, Bild 2-1. Das linke Fahrzeug folgt mit der Geschwindigkeit v dem rechten, das sich mit der Geschwindigkeit u bewegt, mit dem Abstand a. Dieser Abstand verringert sich wenn v größer als u ist und umgekehrt. Die Straßenverkehrsordnung schreibt einen minimalen Abstand vor, der von der Geschwindigkeit v abhängt: 2 Sekunden zeitlichen Abstand oder „die halbe Tachoanzeige“: bei v = 100 km/h also 50 m. Das entspricht einem zeitlichen Abstand von 1.8 Sekunden. Diese Vorschrift ist unzureichend und wird daher häufig verletzt. Wenn der Vordermann mit einer halbwegs konstanten Geschwindigkeit u fährt, kann a kleiner sein. Das passiert im Alltag regelmäßig und wird toleriert, weil es die meist unzureichende Straßenkapazität vergrößert. Andererseits muss a größer sein, wenn v größer als u ist. Der Fahrer muss nicht nur den Abstand a sondern auch den Geschwindigkeitsunterschied (v – u) beachten: asoll = t1 v + t2 (v – u) t1 ist die schon erwähnte Zeitlücke t2 die Zeit, mit der der Fahrer den Geschwindigkeitsunterschied bewertet
Um den richtigen Abstand a einzuhalten, muss der Fahrer sein Fahrzeug beschleunigen, wenn a > asoll, und verzögern, wenn a < asoll:
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2 Fahrzeugführung längs dv/dt = c (a – asoll). c
Die Verstärkung c gibt an, mit welcher Beschleunigung dv/dt der Fahrer reagiert: beschleunigt der Fahrer z. B. mit 1 m/s2 wenn der Abstand a 10 m größer als asoll ist, dann ist c = 0.1 (1/s2)
Aus diesen Beziehungen folgt eine Differentialgleichung 2. Ordnung mit einer Kennfrequenz ω0 = SQR(c) und einem Dämpfungsmaß D = ω0 (t1 + t2)/z. Mit den in Bild 2-1 getroffenen Annahmen ist die Kennfrequenz ca. 0.05 Hz und das Dämpfungsmaß 0.27. Es ist also ein relativ langsamer Prozess mit schlechter Dämpfung. Diese hängt ganz wesentlich von t2 ab, der Einschätzung der Geschwindigkeitsdifferenz. Wäre t2 z. B. 4 s, dann wäre das Dämpfungsmaß bereits 0.87.
Bild 2-1 Das Fahrzeug links folgt mit der Geschwindigkeit v dem rechten, das mit der Geschwindigkeit u fährt. Zwischen den Fahrzeugen liegt der Abstand a, der sich mit dem angegebenen Integral ändert. – Der Fahrer strebt den Sollabstand asoll an, der von seiner Geschwindigkeit v und der Geschwindigkeitsdifferenz v – u abhängt. Der Fahrer beschleunigt sein Fahrzeug abhängig vom Unterschied a – asoll. Die Verstärkung c wählt er aus Erfahrung. Die angegebene Differentialgleichung 2. Ordnung führt zu der Kennfrequenz Z0 = SQR(c) und dem Dämpfungsmaß D.
Die Bilder 2-2 bis 2-4 zeigen die Variation von Verstärkung c und den Bewertungszeiten t1 und t2. Befriedigende Verhältnisse ergeben sich für c = 0.1, t1 = 1.8 und t2 = 4.
2.1 Folgen
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Bild 2-2 Es ist angenommen, dass der Vordermann mit einer konstanten Geschwindigkeit u = 30 m/s = 108 km/h fährt. Das Folgefahrzeug kommt mit 45 m/s = 162 km/h heran. Im Zeitpunkt t = 0 beträgt der Abstand a gleich dem Sollabstand asoll = 141 m. Je nach der hier variierten Verstärkung c verzögert das Fahrzeug mit 1.6 bis 2.1 m/s2. Das erfordert je nach Bremsleistung des Motors und eingelegtem Gang meist einen kurzen Wechsel zum Bremspedal. Rechts im Bild ist der Abstand a aufgetragen. Er stellt sich schließlich in jedem Fall auf t1 u = 54 m ein. Bei der Verstärkung c = 0.05 wird dieser Abstand nach 8 s unterschritten. Für c > 0.1 s nähert er sich a asymptotisch seinen Endwert.
Bild 2-3 Wie Bild 2-2, aber Variation von t1 = 1, 2 oder 3 s. Entsprechend stellt sich ein Endwert des Abstands a mit 30,60 oder 90 m ein. Umso kleiner t1 desto größer ist die maximale Verzögerung –dv/dt, und umso schwächer gedämpft ist der Einschwingvorgang.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-4 Wie Bild 2-3, aber Variation von t2 = 2, 4, 6 s. Je größer t2, umso sanfter wird der Endwert von a = 54 m erreicht.
Der Einfluss eines einfachen Fahrermodells ist in Bild 2-5 dargestellt. Weil die Regelstrecke eine Kennfrequenz von 0.05 Hz hat und gut gedämpft ist, haben Verzugszeiten im Fahrermodell bis 1 s wenig Bedeutung. Erst ab tv = 2 s ergibt sich eine schlecht gedämpfte Schwingung. Tritt diese tatsächlich hervor, wird der Fahrer die Verzugszeit sofort verringern und damit wieder in die Schwingung beenden.
Bild 2-5 Wie die vorhergehenden Bilder mit den „guten Mittelwerten“ c = 0.1 s-2, t1 = 1.8 und t2 = 4 s und dem Fahrer mit dem Zeitverzug tv. Erst eine Verzugszeit von 2 s und mehr bringt eine deutlich sichtbare Veränderung. Die Fahrer müssen also nicht besonders aufmerksam sein.
2.2 Anhalten
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2.2 Anhalten Wird die Geschwindigkeit des Vorausfahrenden als immer kleiner angenommen (Bild 2-6), so kommt es irgendwann dazu, dass angehalten werden muss (u = 0). Weil die Bremsverzögerung –dv/dt nicht beliebig groß werden kann, ist bei den getroffenen Randbedingungen in Bild 2-6 eine Begrenzung auf –4 m/s2 angenommen.
Bild 2-6 Annäherung an ein Fahrzeug, das mit der Geschwindigkeit u vorausfährt. Bei u = 0 (also stillstehendem Fahrzeug, z. B. einem Stauende) steigt die notwendige Bremsverzögerung über die vom Fahrer beherrschte. Es ist daher eine Begrenzung auf 4 m/s2 angenommen. Diese muss der Fahrer auch über 10 s einhalten und kann erst die letzten 10 m an das stehende Fahrzeug heranfahren.
Nun spielt eine Verzugszeit tv doch eine prominente Rolle, Bild 2-7. Während bei tv = 0 noch eine scharfe Geschwindigkeitsabnahme bis 12 s und dann eine sanfte Annäherung an den Stillstehenden erfolgt, setzt bei tv = 2 die Verzögerung verspätet ein und führt nach 12 s bereits zur Berührung mit dem Stillstehenden. Der Fahrer wird zwar aufschrecken, aber es ist zu spät: die Berührung erfolgt noch mit der größtmöglichen Bremsverzögerung. Ist man mit 50 m/s = 180 km/h unterwegs, dann darf man sich keine Verzugszeit von 2 s leisten. Oder man muss die Straße noch weiter voraus im Auge haben. Aber bei den hier getroffenen Annahmen sind das ohnehin schon fast 400 m.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-7 Annäherung an ein stillstehendes Fahrzeug (Stauende) mit 50 m/s = 180 km/h mit den Verzugszeiten tv = 0, 1 und 2 Sekunden. Die Bremsverzögerung (mittleres Bild) ist auf –4 m/s2 begrenzt. Wahrscheinlich kann nur ein Bruchteil der Autofahrer diese Bremsverzögerung bei 40 oder 30 m/s erreichen. Bei der Verzugszeit tv = 2 s wird das stillstehende Fahrzeug bereits berührt (rechtes Bild).
2.3 Fortpflanzung einer Störung In Bild 2-8 ist angenommen, dass die Geschwindigkeit des Führungsfahrzeug bei t = 10 s innerhalb von 5 s von 40 auf 30 m/s abnimmt und dann in 5 s wieder auf 40 m/s zunimmt. (Z. B. Störung durch eine Ablenkung des Fahrers von innerhalb oder außerhalb seines Fahrzeugs.) Die Geschwindigkeit der folgenden Fahrzeuge macht einen geringeren, länger gezogenen Rückgang durch, solange die Verzugszeit klein ist (tv = 0.8 s im linken Bild). Im rechten Bildteil ist ein Zeitverzug von tv = 4 Sekunden angenommen. Nun stoßen alle Fahrzeuge ab dem Neunten gegen ihr Vorausfahrendes. In Wirklichkeit werden kaum beliebig viele Fahrzeuge mit dem kleinstmöglichen Abstand folgen. Auch werden kaum alle Fahrer diese relativ lange Verzugszeit haben.
2.4 Fahrspurkapazität
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Bild 2-8 Staubildung nach einer Störung in der Geschwindigkeit des führenden Fahrzeugs u bei t = 10 s. Bei kleiner Verzugszeit (tv = 0.8 s) ist die Geschwindigkeitsdelle der Folgefahrzeuge zumindest zunächst kleiner (linkes Bild). Bei größerer Verzugszeit (rechtes Bild) nimmt die Geschwindigkeitsdelle aber zu. Das 9. Folgefahrzeug stößt bereits in das Vorausfahrende. – Es ist nur jedes 2. Fahrzeug eingezeichnet: a(2) ist der Abstand des 2. Fahrzeugs vom ersten, usw. (Die Geschwindigkeiten sind auf v > 0 und v < u begrenzt, weil anzunehmen ist, dass die Fahrer bis dahin ihre Verzugszeit verringert haben.)
2.4 Fahrspurkapazität Der Ausbau der Straßenkapazität ist hinter dem Zuwachs der Fahrzeugkilometer pro Jahr immer weiter zurückgeblieben. Das ist ein Phänomen, das mit der grundsätzlichen, ideologisch begründeten Unwilligkeit des Staates zusammenhängt, seinen Bürgern das zu geben, was sie sich wünschen. Der Ausbau der Infrastruktur ist eine Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung und die Kosten dafür kommen vielfach zurück. Der Ausbau der Straßen ist ein gutes Geschäft für den Betreiber. Ideologische Verklemmung führt dazu, dass sich die meisten Politiker zwar nicht getrauen gegen die wirtschaftliche Weiterentwicklung zu sprechen, aber sie indirekt doch dadurch behindern, dass sie den Verkehrsraum verweigern. Nur zu knapper Verkehrsraum könne die unerwünschte Zunahme des Verkehrs verhindern, ist ihr falsches Argument. Warum sollten die Bürger nicht das Recht der Straßenbenutzung haben, wenn sie für die Kosten voll aufkommen? An dieser Stelle folgt dann die Zurechnung der angeblichen Kosten für die Emission von Schadstoffen, CO2 und Lärm, die man aber den konkurrierenden Verkehrsträgern oder anderen Emittenten nicht anrechnet. Oft wird behauptet, es gäbe keinen Platz für Straßen. Das trifft in keinem Fall zu. Ebenso gut wie U-Bahnen kann man auch U-Straßen bauen. Die im Stau verlorenen Kosten reichen für einen hoch qualifizierten Ausbau der Straßen ohne Stau und minimaler Belästigung anderer. Städte und Staaten müssen sich endlich dazu durchringen, Straßen als Wirtschaftsfaktor gelten zu lassen. Wenn sie das nicht können (was leider zu vermuten ist), dann sollen sie die Aufgabe an private Unternehmen abgeben. Eine flächendeckende Maut kann zu einer gerechten Zuord-
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2 Fahrzeugführung längs
nung der Kosten führen. Die Maut beginnt sich, auf Autobahnen durchzusetzen. Das ist wieder das verkehrte Ende der richtigen Entwicklung: man verdrängt den Verkehr vom sichersten und effizientesten Verkehrsweg. Am wichtigsten ist die Maut in der Stadt, am unwichtigsten auf der Autobahn. Inkasso und Kontrolle können einfach durchgeführt werden, wenn man sich dazu durchringt zuzugeben, dass jede Minute Straßenbenutzung ein bestimmtes Entgelt kostet, z. B. 0.1 € pro Tonne Fahrzeuggewicht und Minute für den fließenden und 0.02 € pro Tonne und Minute (in der Innenstadt mehr) für den ruhenden Verkehr. Die Abbuchung im Auto wird optisch und funktechnisch nach außen gemeldet und kann automatisch kontrolliert werden. Damit die Kontrollstellen in einem grobmaschigen Netz liegen, kann die minimale Fahrzeit ½ Stunde betragen: 3 € kostet dann die Inbetriebnahme eines PKWs. Allerdings wird dann ½ Stunde nichts mehr abgebucht. (Eine auch ökologisch sinnvolle Maßnahme, welche die Konkurrenzfähigkeit des Öffentlichen Verkehrs stärkt.) Das häufigste Argument gegen die „Minutenmaut“ ist, dass sie zum Schnellfahren animiere. Das trifft deshalb nicht zu, weil mit der Geschwindigkeit der Verbrauch zunimmt, der auch wieder abgabenbelastet ist. Die minimale Abgabenlast ergibt sich für Geschwindigkeiten, die unterhalb der normalen liegen. Außerdem bewertet jeder Fahrer „seine Zeit“ höher als die Minutenmaut und für Zeiten im Geschäftsverkehr trifft das noch viel mehr zu. Die Lösung des Verkehrsproblems ist eine wirtschaftlich sinnvolle Aufgabe, die neben ihrem wirtschaftlichen Effekt viele neue Arbeitsplätze schaffen wird. Leute, die behaupten, dass mehr Straßen mehr Verkehr erzeugen, gehen davon aus, dass Verkehr etwas Unerwünschtes ist, das man am Besten ganz unterdrücken soll. Sie vergessen, dass Verkehr und Wirtschaftsleistung eng zusammenhängen. Eigentlich behaupten sie, dass auch Wirtschaften schlecht sei. Und das ist eine lebensfeindliche Einstellung. Menschen wollen nicht nur Wohlstand für sich, für den Wirtschaften die Voraussetzung ist. Der Wohlstand versetzt sie auch in die Lage, anderen zu helfen. Aber auch ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkung ist es lebensfeindlich, den Verkehr verringern zu wollen: Mobilität ist eine Grundvoraussetzung des Lebens. So sehr, dass wir den Entzug von Mobilität als Strafe Verordnen (Einsperren). Auf eine gegebene Fahrspur bezieht sich Bild 2-9. Die Spurkapazität hat zwischen 50 und 100 km/h ein Maximum von etwa 1 500 Fahrzeugen pro Stunde und Spur, wenn ein Sicherheitsabstand für unterschiedliche Bremsverzögerung eingerechnet wird. (Für einen nominellen Zeitabstand t1 von 1 s und einem angenommenen Sicherheitszuschlag für db = 0.2 m/s2 ergibt sich eine Spurkapazität von 2 300 Fahrzeugen pro Stunde.)
2.5 Fahrwiderstand, Verbrauch, Leistungsbedarf, Getriebe
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Bild 2-9 Spurkapazität. Zeitlücke ZL = (a + L)/v (s/Fzg), Kapazität Kap = 3600/ZL (Fzg/h), Abstand a = t1 v (m), Fahrzeuglänge v 2 db …erwarteter UnterL = 6 m, Kap = 3600 v/(t1 v + L) (Fzg/h), zusätzlicher Sicherheitsabstand: 2 b2 schied der Bremsverzögerung b = 4 m/s2, db = 0.1, 0.2 und 0.3 m/s2
In der ungestörten Kolonne folgen die mit der gleichen Geschwindigkeit v fahrenden Fahrzeuge mit der Zeitlücke ZL einander. Die Kapazität der Spur errechnet sich daraus und ist im Diagramm abhängig von der Geschwindigkeit v dargestellt. Je kleiner der Abstand a umso größer die Kapazität. Allerdings rechnen die Fahrer damit, dass ihre Bremsverzögerung b um db kleiner als die ihres Vordermanns sein könnte. Daraus folgt ein zusätzlicher Sicherheitsabstand, der zu der gepunktet eingetragenen Kapazität führt (t1 = 1.8, b = 4, db = 0.1, 0.2 und 0.3). Daraus folgt dann eine Kapazität, die ein Maximum bei 14 bis 28 m/s (50 bis 100 km/h) von 1 300 bis 1 600 Fahrzeugen pro Stunde hat.
2.5 Fahrwiderstand, Verbrauch, Leistungsbedarf, Getriebe Die Überwindung des Fahrwiderstands war erst die Voraussetzung für das Auto. Die ständigen Fahrwiderstände (Roll- und Luftwiderstand) haben sich in den letzten 100 Jahren halbiert und sinken weiter. Nach der Formel Bild 2-12 setzt sich der Fahrwiderstand aus masseproportionalen Gliedern und dem Luftwiderstand zusammen. Dem Gewicht m · g proportional sind Roll(fR) und Steigung-(st) Widerstand. Der Bremswiderstand WB hängt wesentlich vom vorausschauenden Verhalten des Fahrers ab. Immer wenn dieser bremsen muss (mit Rad- oder Getriebebremsen, mit dem Motor), hat er zuvor zu viel kinetische Energie investiert, die nun als Wärme verloren geht. Besonders bei hohen Geschwindigkeiten geht viel Energie verloren: beim Abbremsen um 20 km/h geht bei 110 auf 90 km/h 10 mal so viel wie bei 20 auf 0 (112 – 92 = 40, 22 = 4) verloren. Im Stadtverkehr kann die durch Bremsen verloren gehende Energie größer als die zur Überwindung der Fahrwiderstände sein. Bei den „Stadtfahrzyklen“ ist WB
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2 Fahrzeugführung längs
etwa 5 %, fünfmal so groß wie der Rollwiderstand. (Diese Stadtfahrzyklen sind Ausdruck der falschen Organisation des Verkehrsgeschehens. Wir müssen den Verkehrsablauf sinnvoll gestalten: mit möglichst wenigen Verlusten, also möglichst kleinen Bremswiderständen. Dann können die sinnvollen Stadtfahrzyklen zu sinnvollen Verkehrsabläufen entwickelt werden. Die derzeitigen zementieren eine Fehlentwicklung.) Der Seitenkraftwiderstand WS folgt aus dem Schräglaufen der Reifen. Weil die Seitenkraft S proportional v2 ist, der Schräglaufwinkel (b 2.3@
Bild 2-19 Vergleich der Messwerte (Kreise) mit der Näherung nach Bild 2-17
Der spezifische Verbrauch im Leistungskennfeld ist dann in Bild 2-20 dargestellt. Für die Leistung P = 0 steigt der Verbrauch über alle Grenzen und ist deshalb nicht angeschrieben. Für P < 0 erscheinen negative spezifische Verbräuche, was aber nicht heißt, dass Kraftstoff erzeugt wird, sondern dass Kraftstoff für eine negative Leistung aufgewendet werden muss. Soll der Motor mit Z = 400 drehen und dabei nur –10 kW „leisten“, dann muss ein Verbrauch von –154 g/kWh als 1.54 kg/h aufgebracht werden.
2.6 Antriebsmotor
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Bild 2-20 Leistungs-/Drehzahl-Diagramm mit den Werten für den spezifischen Verbrauch bsp (gr/kWh)
Die Angabe in g/kWh entspricht einem bestimmten Wirkungsgrad eta (%) = 9 000/(g/kWh) (je nach Kraftstoff). Im Bestpunkt (Z = 160, P = 25 kW) hat der Motor einen Wirkungsgrad von 9 000/205 = 43.8 %. Die besten Wirkungsgrade liegen für jede Leistung nahe der kleinstmöglichen Drehzahl, Bild 2-21.
Bild 2-21 Leistungs-/Drehzahl-Diagramm mit Linien gleichen Wirkungsgrades eta (%) und Fahrwiderstandslinien für verschiedene Steigungen st (%) des Fahrzeugs W = 132 (1 + st) + 0.6 v2/1.6. Für horizontale Fahrbahn und Windstille wird bei der gewählten Übersetzung i (maximale Höchstgeschwindigkeit, z. B.: 4. Gang) über 70 km/h ein Wirkungsgrad von 33 % nicht unterschritten. Zwischen 80 und 130 km/h liegt er bei eta = 34 %. Der Verbrauch ist um fast 30 % größer, als wenn der beste Wirkungsgrad von 44 % genutzt würde. Verbrauch bei 80 km/h: 2.6 l/100 km, bei 130 km/h: 4.0 l/100 km.
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2 Fahrzeugführung längs
Dort ist auch der Leistungsbedarf für verschiedene Steigungen eingezeichnet. Für das Fahrzeug mit m = 1 320, fR = 0.01, cwA = 0.6 und der Übersetzung i = 0.127, welche die theoretische Höchstgeschwindigkeit ermöglicht, erkennt man, dass der Wirkungsgrad des Motors bei horizontaler Fahrbahn und Windstille, zwischen 70 und 140 km/h zwischen 33 und 36 % liegt. Gegenüber dem besten Wirkungsgrad von 44 % bedeutet das einen Mehrverbrauch von 22 bis 33 %. Der gleiche Sachverhalt folgt aus den Bildern 2-22 bis 2-24.
Bild 2-22 Bei der längeren Übersetzung i = 0.176 m/rad (z. B.: 5. Gang) liegt der Wirkungsgrad zwischen 80 und 130 km/h zwischen 36 und 40 %. (38 % bedeuten 16 % Mehrverbrauch gegen den Bestpunkt.) Verbrauch bei 80 km/h: 2.39 l/100 km, bei 130 km/h: 3.75 l/100 km.
Bild 2-23 Mit dem extrem langen Gang i = 0.221 wird zwischen 125 und 145 km/h ein Wirkungsgrad von über 43 % genutzt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt allerdings nur mehr 155 km/h und bereits bei 1 % Steigung muss zurückgeschaltet werden. (Bei 0 % Steigung liegt der Wirkungsgrad über 80 km/h zwischen 40 und fast 43 %, o vgl. Bild 2-22.) Verbrauch bei 80 km/h: 2.55 l/100 km, bei 130 km/h: 3.58 l/100 km.
2.6 Antriebsmotor
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Wählt man eine längere Übersetzung (2-23), dann kommt man in ein Gebiet günstigerer spezifischer Verbräuche. Die Fahrer lehnen solche langen Gänge erfahrungsgemäß ab, weil sie die zu geringe Überschussleistung unangenehm empfinden: mehr Gasgeben führt nicht zu der als befriedigend empfundenen Reaktion des deutlichen Beschleunigens. Der Fahrer müsste ja nur zurückschalten, wenn er den Leistungsüberschuss wirklich benötigt. Aber das wird von den Meisten abgelehnt. Einen Ausweg bieten automatisch schaltende längere Gänge (Overdrive). Aber auch die haben sich nicht durchgesetzt. Der Fahrer erwartet als Reaktion nicht ein Schalten, sondern den sofortigen Einsatz der Beschleunigung. Bild 2-24a zeigt die Verhältnisse im 2. Gang: 20 % Steigung können mit über 60 km/h befahren werden.
Bild 2-24a Leistungskennfeld für i = 0.043 m/rad (etwa 2. Gang). 25 % Steigung können noch mit 55 km/h und einem Wirkungsgrad von 37 % gefahren werden, 30 % mit 45 km/h und 39 %. Bei horizontaler Fahrbahn 10 % Wirkungsgrad.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-24b Geschwindigkeits-/Drehzahl-Diagramm. Die rechte Skala gibt die zugehörige Leistung an, dünn ist die Motorkennlinie eingezeichnet. Die Zahlen nennt den Mehrverbrauch (%) gegen den Bestpunkt, der in diesem Fall bei etwa 140 km/h mit sehr langen Übersetzungen erreicht würde.
Bild 2-24c Mehrverbrauch gegen den Bestpunkt abhängig von der Übersetzung i (m/rad) bei 80 und 130 km/h. Bei Straßenlast (st = 0 %) und 80 km/h liegt die optimale Übersetzung in diesem Fall bei i = 0.17 m/rad, bei 130 km/h über 0.24.
In Bild 2-25 ist der Verbrauch in l/100 km in den Gängen angegeben. Der 8. Gang bringt fast gar nichts, der 7. wenig. Deshalb sind sie nur von theoretischem Wert. Im 6. Gang beträgt der Verbrauch bei 80 km/h knapp 5 l/100 km, bei 130 6.8 l/100 km.
2.6 Antriebsmotor
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Bild 2-25 Verbrauch (l/100 km) in den Gängen (horizontale Fahrbahn, Windstille). Die Geschwindigkeiten 80 und 130 km/h sind markiert. Dort ist sichtbar, dass ein 7. Gang noch eine spürbare Verringerung brächte. Unter den Kurven ist angegeben, welche spezifischen Verbräuche (gr/kWh) auftreten.
Bild 2-26 Die Kurven geben an, welches Gefälle für eine antriebslose Fahrt erforderlich sind: für PKW und Bus 3.13 und 4.75 % für 80 und 130 km/h, für LKW-Züge 1.7 % für 85 km/h.
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2 Fahrzeugführung längs
2.7 Verbrauchsverbesserung Unbestritten ist ein kleiner Verbrauch erstrebenswert. Wie aber die Erfahrung mit langen Gängen gezeigt hat, ist der Fahrer nicht bereit, auf andere Vorzüge zu verzichten. Der Verbrauch ist nur eine indirekt zu erfassende Größe. Erst beim nächsten Tanken kann ihn der Fahrer ermitteln, was aber selten genug geschieht. Hier schafft die Verbrauchsanzeige Abhilfe. Aber auch sie kann nur über längere Strecken Auskunft geben. Die aktuelle Verbrauchsangabe hängt wesentlich von der aktuellen Steigung ab, die der Fahrer aber nicht genau genug abschätzen kann. Bei allen folgenden Überlegungen zum Kraftstoffsparen darf an keiner Stelle der emotional teilnehmende Fahrer vergessen werden.
2.7.1 Angepasste Steigung Nach einem alten Vorschlag sollte man Straßen so ausführen, dass Steigung und Gefälle so aufeinander folgen, dass man entweder Vollgas geben oder den Motor abschalten kann. Dann würde man den bestmöglichen Wirkungsgrad nutzen oder mit keinem Verbrauch fahren. Die für bestimmte Geschwindigkeiten notwendigen Steigungen, bzw. Gefälle sind für PKW und Busse einerseits und LKW-Züge andererseits sehr verschieden. Die Strecken mit (annähernd) gleicher Steigung oder Gefälle sollten möglichst lang sein. Es kommt aber nicht auf eine genaue Einhaltung an: wenn eine Steigung zu groß oder ein Gefälle zu klein ist, dann behält der Fahrer die Beschleunigungsphase etwas länger bei oder beginnt früher mit ihr und umgekehrt. Mit Rücksicht auf den LKW-Verkehr wird man die Steigung nicht über 2 % bringen können (weil sonst Energie weggebremst werden müsste), was für PKW und Bus relativ wenig ist. Auch haben LKW meist vielstufige Getriebe mit langen Gängen, die einen Betrieb im günstigen Bereich auch bei horizontaler Fahrbahn ermöglicht. Das Abstellen des Motors erfordert besondere Vorkehrungen: Brems- und Lenkhilfe, Wasserumlauf für die Heizung, Antrieb des Klimakompressors müssen auch bei stillstehendem Motor gewährleistet sein. Das erfordert eine größere Batterie oder das Laufen einer APU (auxiliary power unit). Letztere wäre auch aus anderen Gründen wünschenswert: das Fahrzeug könnte vorklimatisiert werden, auch bei abgestelltem Motor bliebe die Batterie voll. (Hier ergibt sich der vorteilhafte Einsatz einer Brennstoffzelle: mit wenig Leistung, guten Wirkungsgrad und langsamen Laständerungen könnte sie für eine immer volle Batterie sorgen.)
2.7.2 Intermittierendes Beschleunigen Der Fahrer beschleunigt z.B. mit Vollgas, wenn die Geschwindigkeit unter 20 m/s = 72 km/h gefallen ist. Er kuppelt aus (und stellt den Motor ab), wenn die Geschwindigkeit 30 m/s = 108 km/h überschritten hat. Links ist dieser Vorgang im Leistungs-Drehzahl-Diagramm dargestellt: Vollgas, wenn Z = 174 unterschritten werden, Kupplung auf, wenn Z = 261 überschritten werden. Beim Beschleunigen nutzt der Fahrer den Bereich über 40 % Wirkungsgrad. Für die Fahrt mit gleicher Durchschnittsgeschwindigkeit v = 25.2 m/s ist der Wirkungsgrad 31 %. Rechts: Der Fahrer beschleunigt 10 s lang von 72 auf 108 km/h und verbraucht dafür 32 cm3 Kraftstoff. Dann rollt das Fahrzeug antriebslos dahin. Wenn der Motor stillsteht, bleibt es beim Verbrauch von 32 cm3, wenn er im Leelauf läuft kommen bis zum Ende der Ausrollphase noch 4 cm3 dazu. Bei konstanter Fahrgeschwindigkeit werden 41 cm3 verbraucht. Das ist ein Mehrverbrauch von 27 % gegen das Ausrollen mit abgestelltem Motor und von 12.5 % gegen den Motor im Leerlauf in der Ausrollphase.
2.7 Verbrauchsverbesserung
63
Bild 2-27 Intermittierendes Beschleunigen.
2.7.2.1 Schwungnutzautomatik (SNA 1) Diese Möglichkeit nutzt gleichfalls abwechselnd die hohen Wirkungsgrade bei Volllast oder Nullverbrauch bei abgestelltem Motor. In einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich beschleunigt das Fahrzeug im günstigen Wirkungsgradbereich abwechseln mit antriebslosem Ausrollen, Bild 2-27. Gegenüber der Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit sind Einsparungen von bis 25 % möglich. Fast zwingend muss der Vorgang automatisiert werden, wobei die schon erwähnten Vorkehrungen für den Betrieb mit stillstehendem Motor zu treffen sind, Bild 2-28.
Bild 2-28 Schwungnutzautomatik SNA 1: konventioneller Antrieb, nur automatische Steuerung.
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2 Fahrzeugführung längs
Der Motor läuft nur wenn Gas gegeben wird oder der Schalthebel auf 1. Gang oder R-Gang steht. Wird kein Gas gegeben und steht der Gangwahlhebel nicht auf 1. oder R, dann öffnet die Kupplung K und der Motor wird abgestellt. Erst bei erneutem Gasgeben schließt die Kupplung und der Motor tritt in Funktion. (Der Motor kann davor in den unteren Gängen angelassen werden um den Einkuppelvorgang zu verbessern.) Das Prinzip (das beim Fahrrad selbstverständlich ist) lautet: der Motor soll nur laufen, wenn Leistung erforderlich ist, beim Stillstand des Fahrzeuges und bei antriebsfreien Rollen muss er daher stillstehen (beim Fahrrad: der Fahrer tritt nur, wenn Leistung erforderlich ist. Sonst rollt er im Freilauf oder stützt sich bei stehendem Fahrrad ab). Es bleibt dem Fahrer überlassen, die Bereiche günstigen Wirkungsgrades zu nutzen. Man kann einen milden Zwang insofern ausüben, als die Leistungsregelung allmählich auf voll geht, so lange der Fahrer das Gaspedal berührt. Wenn die gewünschte Fahrgeschwindigkeit überschritten wird, muss der Fahrer in den nächst höheren Gang schalten oder den Fuß vom Gaspedal nehmen. (Sparmeister heißt dieser Vorschlag.) Aber auch an dieser Stelle erhebt sich die Frage, ob der Fahrer wirklich bereit ist, diese Eingriffe hinzunehmen oder ob er nicht lieber etwas mehr Kraftstoff verbraucht. Für Fahrer, die es mit dem Sparen Ernst meinen, bringt der Sparmeister keine Veränderung. Der Fahrer wird ohnehin entweder mit Vollgas beschleunigen oder antriebslos dahinrollen. Bei allem stellt sich außerdem die Frage, wie ein solches Verhalten in das umgebende Verkehrsgeschehen passt. Die Erfahrung zeigt, dass das bei der notwendigen Sorgfalt normalerweise möglich ist. Allerdings ist der Fahrer gefordert einen weiter vorausschauenden Überblick zu entwickeln. Überraschend ist, dass mehr als die halbe Strecke und auch mehr als die halbe Zeit mit stillstehendem Motor zurückzulegen ist.
Bild 2-29 Schwungnutzautomatik SNA 1 (Mild-Hybrid): Die elektrische Maschine SEM (an Stelle des Schwungrades oder auch RSG = riemengetriebener Starter Generator) tritt an die Stelle von Schwungrad, Starter und Lichtmaschine. Ihr Drehmoment reicht aus, um anzufahren und dabei den Motor mitzuschleppen, bis er starten kann.
2.7 Verbrauchsverbesserung
65
2.7.3 Hybrid-Antrieb Der nächste Schritt auf dem Wege zur Verbrauchsverbesserung ist das Einschalten einer elektrischen Maschine, Bild 2-29. Diese sitzt am besten auf der Kurbelwelle, obwohl auch Vorschläge bekannt sind, bei denen die elektrische Maschine über Keil- oder Zahnriemen auf die Kurbelwelle einwirkt. Sie soll zwischen 0 und 1 000 U/min mindestens 100 Nm haben, also kurzzeitig 10 kW wandeln können.(Besser 150 Nm bis 2500 U/min, das sind 37 kW und bei kurzzeitig möglicher Überlast doppelt so viel.) Der Verbrennungsmotor wird nicht vor dem Anfahren gestartet, sondern beim Anfahren mitgeschleppt. (Eine Dekompressionseinrichtung wäre wünschenswert.) Hat der Verbrennungsmotor z. B. ein Schleppmoment von 17 Nm (o Bild 2-18), dann bleiben für die Beschleunigung des Fahrzeugs noch 100 – 17 = 83 Nm oder im 1. Gang (i = 0.022) eine Zugkraft von Z = M/i = 3800 N. (Eine Dekompressionseinrichtung würde auch die Drehmomentschwankung beseitigen.) Die zu beschleunigende Masse (einschließlich der rotierenden) beträgt z. B. 1 500 kg, die Beschleunigung also rund 2.5 m/s2. Genug um das Fahrzeug in weniger als 1 s auf 2.2 m/s zu beschleunigen, was einer Drehzahl von rund 1 000 U/min entspricht. Dort springt der Motor sofort an und beschleunigt das Fahrzeug normal. Die raschen Veränderungen des Antriebsmoments müssen elektronisch beseitigt werden. Wenn das Getriebe auf keine Kupplung angewiesen ist (z. B. ein CVT-Getriebe), kann die Kupplung K ganz entfallen oder als einfache Klauenkupplung ausgeführt werden, um einen Motorleerlauf zu ermöglichen. Im Normalfall wird man wahrscheinlich doch den Motor vor Beginn der Fahrt starten und auch nicht abstellen, bevor eine entsprechende Motortemperatur erreicht ist. Angefahren wird dann mit der Kupplung K. Das Fahrzeug wird mit Durchschalten der Gänge normal betrieben, wobei jedoch die Motorleistung im Bereich der besten Wirkungsgrade gehalten wird; also in Volllastnähe. Die Überschussleistung wird von SEM in elektrische Leistung umgesetzt und in der Batterie gespeichert. Auch bei der Fahrzeugverzögerung speichert SEM Energie in die Batterie. Andererseits kann SEM aber auch ein zusätzliches Antriebsmoment liefern. Beispielsweise für einen Überholvorgang, bei dem dann nicht zurückgeschaltet werden muss. Für diesen Einsatzfall sind Kondensator-Batterien (Ultracup) besonders geeignet, weil sie kurzzeitig hohe Leistung bei gutem Wirkungsgrad liefern und aufnehmen können, o siehe Kapitel 2.10. Wie schon erwähnt werden lange Gänge abgelehnt, weil beim Zurückschalten statt der erwünschten größeren Zugkraft zunächst sich eine kleinere einstellt. der Motor muss sich selbst auf ein höheres Drehzahlniveau beschleunigen, was auch bei unter Last schaltenden Getrieben einen Leistungseinbruch zur Folge hat. In Bild 2-29a sind die erforderlichen Energiebeträge aufgetragen um diesen Leistungsbedarf zu kompensieren. Ist z.B. eine Drehmasse von 0.2 kgm² in 0.2 s beim Rückschalten zu beschleunigen, dann geben die Zahlen die erforderliche Leistung an (P = 0.2 ex / 0.2). Um bei 144 km/h vom 6. in den 5. Gang zu schalten, sind 16 kW erforderlich. Soll bei 108 km/h vom 4. in den 3. Gang geschaltet werden, dann sind es 56 kW. Allerdings nur für 0.2 s, was eine erhebliche Überlast erlaubt. Aber auch wenn die Leistung der elektrischen Maschine nicht ganz reicht, tritt doch eine wesentlich kleiner Zugkraftminderung auf.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-29a Energiebeträge beim Schalten unter Last.
2.7.3.1 Serien-Hybrid Der Serien- oder Voll-Hybrid, Bild 2-30, trennt die elektrische Maschine SEM von der Kurbelwelle durch eine Kupplung K1. Ist diese offen, dann kann rein elektrisch gefahren werden. Der Rückwärtsgang entfällt, weil SEM in allen vier Quadranten arbeitet. Auch die Kupplung K2 kann entfallen, wenn das Getriebe sie nicht erfordert (z. B. ein CVT-Getriebe). Das Fahrzeug fährt rein elektrisch an. Bei etwa 1 000 U/min schließt K1 (SEM kann den Einschaltruck verbessern) und der Verbrennungsmotor nimmt seinen normalen Dienst auf. Vorübergehend (z. B. für einen Überholvorgang) kann SEM ein zusätzliches Moment liefern, was den erwünschten „Fahrspaß“ bringt: der Fahrer hat durch einen kleinen Druck auf das Gaspedal jederzeit sehr viel mehr Leistung verfügbar. Bei kleiner Last oder im antriebslosen Zustand öffnet K1. Der Motor bleibt sofort stehen, weil er ohne Schwungrad nicht laufen kann. SEM bringt die kleine Last auf (je nach Zustand der Batterie) oder bremst die Batterie aufladend. Wird mehr Leistung gefordert, gibt der Fahrer Gas. Der Verbrennungsmotor übernimmt den Antrieb, wobei SEM die Batterie laden kann, wenn erforderlich und ein Leistungsüberschuss vorhanden ist. Schaltpush ist wie beschrieben möglich. Volkswagen hat 1974 wohl den ersten Hybrid-Antrieb in Form eines Taxis für New York vorgestellt, Bild 2-30b >2.2@. (Es ist eine Definitionsfrage, was als Hybridantrieb gelten kann.)
2.7 Verbrauchsverbesserung
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Bild 2-30a Schwungnutzautomatik 2 (Vollhybrid). Die elektrische Maschine SEM erlaubt es bei geöffneter Kupplung K1 elektrisch zu fahren. So wird auch angefahren. Bei ausreichender Geschwindigkeit schließt K1 und der Motor springt an. (K2 ist nur für den Schaltvorgang und dann erforderlich, wenn der Verbrennungsmotor die Batterie laden soll.)
Bild 2-30b VW-Hybrid, 1974
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2 Fahrzeugführung längs
Im üblichen Sprachgebrauch liegt dann ein Hybridantrieb vor, wenn das Fahrzeug sowohl von einem Verbrennungsmotor als auch von einem Elektromotor angetrieben werden kann. Porsche´s Mixt-Antrieb wurde zwar auch mit einer Batterie ausgerüstet, womit rein elektrisches Fahren möglich war. Aber es war eben nur elektrisches Fahren möglich. Es war ein Elektroantrieb mit einem Verbrennungsmotor zum Aufladen der Batterie. Bei der New Yorker Taxilösung war die elektrische Maschine durch einen Zahnradeingriff ins Getriebe permanent mit dem Achsantrieb verbunden. Bei geöffneter Kupplung konnte rein elektrisch gefahren werden. Durch Schließen der Kupplung wurde der Verbrennungsmotor gestartet und konventionell betrieben. Die elektrische Maschine konnte jederzeit zusätzlichen Schub liefern oder Bremsenergie nutzen. Bild 2-30c zeigt das als Einwellenhybrid 2 bezeichnete Schema. Bei geöffneter Kupplung kann rein elektrisch gefahren werden. EM2 kann auch eine Zugkraftunterbrechung beim Schalten mit Zugkraftunterbrechung im Getriebe abfangen. Beim Hochschalten nutz EM1 die kinetische Energie des verzögerten Verbrennungsmotors. Nachteilig ist, dass EM2 das Getriebe nicht nutzen kann und daher über ein großes Drehmoment verfügen muss.
Bild 2-30c Einwellenhybrid 2
1989 hat Volkswagen einen Voll-Hybridantrieb im Golf in einem Großversuch in Zürich betrieben (Elektrische Maschine anstelle Schwungrad, Lichtmaschine und Starter). Die elektrische Leistung war entsprechend dem damaligen Stand der Entwicklung von Elektromotor und Batterie zu klein (6 kW), die Verbrauchseinsparung nicht überzeugend. Als Vorteil blieb die Möglichkeit des rein elektrischen Betriebes. Dieser wäre aber nur wirklich hervorgetreten, wenn damit Straßen befahrbar geworden wären, die für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gesperrt sind. Das ist bis heute so: Hybridfahrzeuge wären sofort in großen Stückzahlen verkaufbar, wenn man damit dort fahren könnte, wo für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gesperrt sind. Mit dem Fortschreiten der Abgasvorschriften ist diese Maßnahme aber nicht zwingend erforderlich. Heute steigt das Angebot an Fahrzeugen mit Hybridantrieb ständig an, Beispiel 4.
2.7 Verbrauchsverbesserung
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Beispiel 4 Hybridantrieb: Schnell steigendes Modellangebot von Hybrid-Autos im Markt
Bild 2-31 Vergleich eines VW-Bora (links: Drehmoment, rechts: Leistung über Drehzahl) mit 1.9 l TDI 74 kW (5-Gang), 1.9 l TDI 55 kW (Automatik) mit und ohne zusätzlichem E-Antrieb 25 kW >2.3@. Beschleunigung 0-100 km: 12.1, 13.5, 11 s. Verbrauch im NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus): 5.1, 6.5, 3.9. NiMH-Batterie (Panasonic): 288 V, 1.87 kWh, 60 kg, 78 Liter, Pulsleistung 25 kW (4.2 kW/kg, 11 kWs/kg). Der Hybridantrieb übertrifft bei jeder Drehzahl den 74 kW-Antrieb.
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Bild 2-31 zeigt den Vergleich eines Fahrzeugs mit 74 kW-Motor und 55 kW Hybridantriebs. Dafür kann ein kleinerer Motor und eine lange Übersetzung gewählt werden, weil für vorübergehende Mehrleistung (Überholen, kurze Steigung) elektrische Leistung eingesetzt werden kann. Ein kritischer Zustand könnte dann entstehen, wenn der Fahrer im Vertrauen auf zusätzliche Leistung einen Überholvorgang beginnt, und dabei die Leistung infolge leerer Batterie nicht zur Verfügung steht. Eine entsprechende Warnung muss daher vorgesehen werden (low battery).
Bild 2-32 Wirkungsgrad der elektrischen Maschine von Bild 2-31 im Motor-(oben) und GeneratorBetrieb.
In den Bildern 2-32 bis 2-33b ist der Wirkungsgrad der elektrischen Maschinen angegeben, die Leistungsfähigkeit verschiedener Batterien und der Energiebedarf für das Beschleunigen von der Geschwindigkeit v1 auf v2. Für das Beschleunigen auf 50 km/h aus dem Stand sind z. B. für eine Fahrzeugmasse von 1 400 kg 135 kWs erforderlich, für ein Überholmanöver in dem von v1 = 70 km/h auf v2 = 90 km/h beschleunigt wird, 173 kWs, für eines mit 120 auf 140 km/h 280 kWs. Für das Hinauffahren aus einer 10 m tiefen Kellergarage sind 140 kWs erforderlich. Beim Bremsen fällt viel mehr Energie an: wird z. B. von 140 km/h bis zum Stillstand gebremst, dann fallen 1 060 kWs an. Geschieht das mit 2 m/s2, bei einer Bremsleistung von 78 kW. Hat die elektrische Maschine einen Wirkungsgrad von 80 %, dann muss die Batterie 850 kWs bei 62.5 kW aufnehmen. Es wäre ein Ultracap von 40 kg erforderlich, um diesen Strom aufnehmen zu können (o vgl. Bild 2-33a). Andererseits wäre diese Batterie in der Lage, das Fahrzeug viermal aus dem Stand auf 50 km/h zu beschleunigen, ohne den Rückgewinn aus den dazwischen liegenden Bremsmanövern zu rechnen.
2.7 Verbrauchsverbesserung
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Bild 2-32a Näherung für den Wirkungsgrad elektrischer Maschinen nach den angegebenen Gleichungen. Die Näherung wird durch 5 Parameter beschrieben: die Koordinaten des Bestpunkts w0 und m0, der Wirkungsrad im Bestpunkt e0 sowie die Steigung des Wirkungsgrads an den Koordinatenachsen a2 und b2.
Bild 2-32b Wirkungsgrad eta nach den Gleichungen Bild 2-32a abhängig von Moment m und Drehzahl w. Die Schnittlinien m=const und w=const beginnen an der Koordinatenachse mit eta=0 und nehmen von dort entsprechend a2 und b2 zu. Der Bestpunkt liegt auf einer Kuppe. Er wird im angenommenen Fall nicht erreicht.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-33 Wirkungsgrad beim Laden und Entladen einer Nickel-Metall-Batterie.
Bild 2-33a Spezifische Leistung (kW/kg) und spezifische Energie (kWs/kg unten, Wh/kg oben) für verschieden Batterien. Für den Einsatz als Fahrzeugantrieb ist die Angabe der spezifischen Energie in kWs/kg vorzuziehen, weil es um kW geht, die für einige Sekunden eingesetzt werden (Anfahren, Überholen, Bremsen). (1 kWs = 0.27 Wh)
2.7 Verbrauchsverbesserung
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Bild 2-33b Energie, die zum Beschleunigen von der Geschwindigkeit v1 auf v2 für ein Fahrzeug von der wirksamen Masse m = 1 400 kg erforderlich ist.
Die Bilder 2-34 und 2-35 berichten von ausgeführten Anlagen mit DLC (Dubbel Layer Capacitor, Super- oder Ultracups).
Bild 2-34 Vergleich verschiedener Batterien und Hybridauslegungen >2.5@. Der Double Layer Capacitor (DLC) Kondensator hat im Vergleich zur Bleibatterie ein um 9000/400 = 22.5 mal kleineres Leistungsgewicht und eine 1 667 mal höhere Zyklenzahl, ist viel besser für häufige, kurzzeitige Einsätze wir das wiederholte Anfahren und Bremsen geeignet. (Supercap + Bat, aus Gesamtzentrum für Verkehr Braunschweig, 4. 2. 2004 / >2.4@
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-35 Elektrisches System bestehend aus Bleibatterie und UltraCap-Kondensator, die mit einem DCWandler verknüpft sind nach der angegebenen Quelle. >Supercap + Bat, aus Gesamtzentrum für Verkehr Braunschweig, 4. 2. 2004 / H. Michel: EPCOS AG: Ultracap@
Bild 2-36 zeigt die Vorteile des Hybridantriebs. Bei einem Fahrzeug ohne Hybridantrieb würde eine Gesamtübersetzung von etwa i = 0.13 m/rad gewählt. Die Höchstgeschwindigkeit wird gerade bei Höchstleistung erreicht, im mittleren Drehzahlbereich steht ein angenehmer Leistungsüberschuss zur Verfügung: der Fahrer kann ihn durch bloßes Gasgeben abrufen. Zum Beispiel stehen zwischen 125 und 150 km/h mehr als 20 kW Überschussleistung an, über 160 km/h sogar 30 kW. Dafür ist der spezifische Verbrauch bei 72 km/h mit 300 gr/kWh relativ hoch. Bei 144 km/h ist er um 14 % größer als im Bestpunkt. Wählt der Fahrer eine längere Übersetzung, z. B. 0.21 m/rad, dann kann er zwischen 40 und 50 m/s den günstigsten spezifischen Verbrauch nutzen. Bei 30 m/s (108 km/h) verbraucht er 15 % weniger als im kürzeren Gang. Dafür ist nun aber die verfügbare Überschussleistung unbefriedigend: zwischen 30 und 43 m/s hat er gerade noch 10 kW zur Verfügung. Deshalb und wegen des Leistungseinbruchs beim Zurückschalten werden diese langen Gänge von den meisten Fahren abgelehnt. Ein Hybridantrieb ermöglicht den sparsamen Betrieb mit der langen Übersetzung, stellt aber trotzdem kurzzeitig eine ansprechende Überschussleistung zur Verfügung: im gewählten Beispiel zwischen 30 und 40 m/s etwa 25 kW. Einer Einsparung von 15 % steht der Mehraufwand für 28 kW elektrischer Leistung gegenüber. Es kann eine sehr lange, verbrauchsgünstige Übersetzung gewählt werden, weil der Fahrer dessen ungeachtet jederzeit eine Überschussleistung zur Verfügung hat. Aus der 38 % längeren Übersetzung und der genutzten Bremsenergie sollte sich ein Verbrauchsvorteil von 15 % ergeben sowie ein Geräusch- und Verschleißvorteil infolge kleinerer Drehzahl. Freilich erhöhen sich die Fahrzeugmasse und die Komplexität des Systems.
2.7 Verbrauchsverbesserung
75
Bild 2-36 Leistungs-Drehzahl-Diagramm eines Vollhybrid-Antriebs. Mit der Übersetzung i = 0.21 m/rad liegt die Fahrwiderstandlinie bei Straßenlast (horizontale Fahrbahn, Windstille) im Bereich optimalen Wirkungsgrads: im Vergleich mit einer auf maximale Höchstgeschwindigkeit ausgelegten Übersetzung (i = 0.13) beträgt der spezifische Verbrauch bei 40 m/s = 144 km/h 210, statt 240 gr/kWh (-12.5 %), bei 30 m/s = 108 km/h 228 statt 270 gr/kWh (-15.5 %). Trotzdem hat der Fahrer in jedem Betriebspunkt eine Überschussleistung für kurze Steigungen, Überholvorgänge o. ä. zur Verfügung. Die Dauer-Höchstgeschwindigkeit im höchsten Gang beträgt zwar nur 175 km/h, vorübergehend können aber je nach Batteriegröße 206 km/h erreicht werden.
Die Energiebilanz einer kurzen Fahrstrecke zeigt Bild 2-37. Weil die Anfahrenergie kleiner als die Bremsenergie ist, ergibt sich eine elektrische Überschussenergie, die für den immer größer werdenden elektrischen Verbrauch sehr willkommen ist. R. Knorr, M. Deiml und G. Lugert >2.4@ beschreiben ein riemengetriebenes Starter-Generator(RSG)-System mit 3.5 kW, das 200 Nm an der Kurbelwelle zur Verfügung stellt („MildHybrid“). Es ist ein Kondensator mit 150 F vorgesehen, der bei 20 V 30 kWs bei einer Masse von 3 kg speichert. Diese Auslegung ist eher für den Start-Stop-Betrieb als für eine Leistungsunterstützung geeignet. Für ein Fahrzeug mit 1.6 l Hubraum wurde ein integriertes Starter-Generator-(ISG)-System vorgestellt. Es leistet 4 kW und stellt 200 Nm an der Kurbelwelle zur Verfügung. Der Kondensator wiegt 22 kg, hat 208 F und 374 kWs. Damit stehen 10 kW für 37 s zur Verfügung, die sowohl für Überlast als auch für einen Bremsprozess genutzt werden können. (374 kWs bedeuten für eine Fahrzeugmasse von 1 500 kg eine kinetische Energie von 22.4 m/s=80 km/h, bzw. eine Fallhöhe von 25 m.) In verschiedenen Fahrzyklen wird eine Vebrauchseinsparung von 17–22 % erreicht. J. Kuschel u. a. [2.4] berichten über einen diesel-elektrischen MAN-Bus, der mit UltraCaps mit einem Energieinhalt von 520 Wh = 1 880 kWs (650 V) ausgestattet war. Damit konnte 11 s lang mit 100 kW beschleunigt werden. Geräusch und Leerlaufverbrauch an den Haltestellen wurde eingespart, die Bremsenergie genutzt.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-37 Anfahrvorgang, konventionell und mit Vollhybrid
Daimler Chrysler hat einen Hybrid-Sprinter mit 70 kW E-Motor und 14 kWh Batterie der Presse vorgestellt, der ab 2009 auf den Markt kommen soll. Der E-Motor liegt entsprechend Bild 2-30a zwischen der Kupplung K1 und dem automatischen Getriebe. Bei geöffneter Kupplung K1 kann rein elektrisch unter Nutzung des automatischen Getriebes gefahren werden. Ist K1 geschlossen, dann treibt der Verbrennungsmotor Fahrzeug und je nach Ladezustand der Batterie die als Generator arbeitende elektrische Maschine. Während des Bremsens steht der Verbrennungsmotor (K1) offen, das automatische Getriebe hält die elektrische Maschine im günstigen Drehzahlbereich zum Aufladen der Batterie. Der Verbrennungsmotor läuft nur, wenn die elektrische Leistung nicht reicht oder der Ladezustand klein ist in Betriebspunkten, in denen sein spezifischer Verbrauch klein ist. Die Batterieenergie reicht für eine Fahrstrecke von 30 km, was einem durchschnittlichen Fahrwiderstand von 1 680 N x eta entspricht. Die Batterie (zunächst Nickel-Metall 500 kg, später Lithium-Ionen 150 kg, 28 bzw 93 Wh/kg), Bild 2-33a. Die Batterie soll nachts vom Netz nachgeladen werden (Plug-in-Technologie), was mit der Nachladung aus Bremsvorgängen den ganzen Tag reichen könnte. Zwischendurch kann bei Volllastbetrieb des Verbrennungsmotors bei gutem Wirkungsgrad nachgeladen werden. Der Mehrpreis soll 5 000 € betragen. Rein rechnerisch wird die Einsparung zur Deckung der Mehrkosten (Lebensdauer der Batterie?) vielleicht nicht reichen, wenn gleich die Einsparung im Kurzstrecken-Stadtbetrieb beträchtlich sein kann. Aber den Sympathiegewinn des Elektroantrieb im Stadtverkehr kann sich der Betreiber auch gutschreiben. Die Bilder 2-38 bis 2-40 setzen sich mit der Frage der Wirkungsgrade bei kleiner Geschwindigkeit auseinander.
2.7 Verbrauchsverbesserung
77
Bild 2-38 Zugkraft/Geschwindigkeitsdiagramm für ein Hybridfahrzeug mit 1 320 kg bei Straßenlast und der relativ langen Übersetzung i = 0.18 m/rad. Unterhalb von 70 km/h kann nur rein elektrisch gefahren werden, wobei der elektrische Wirkungsgrad (o Bild 2-32) bei 50 km/h nur 60 % beträgt.
Bild 2-39 Wie Bild 2-37, aber mit der Übersetzung i = 0.078. Nun kann der Verbrennungsmotor bereits ab 30 km/h eingesetzt werden.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-40 Wirkungsgrad des Elektromotors bei Straßenlast für die Übersetzungen i = 0.078 und 0.18 m/rad (links) und Beschleunigen des Fahrzeugs mit den verschiedenen Übersetzungen.
Vollhybrid: Zugkraft/Geschwindigkeitsdiagramm für i = 0.18 m/rad für E-Motor allein (gestrichelt), E-Motor + Verbrennungsmotor Rechts: und E-Motor + Verbrennungsmotor mit schleifender Kupplung.
Bild 2-41 Links:
2.7 Verbrauchsverbesserung
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Bild 2-42 Wie 2.41, aber mit i = 0.1 m/rad.
Bild 2-42 untersucht einen Serienhybriden ohne Schaltgetriebe. Diese Auslegung mit i = 0.18 m/rad betreibt das Fahrzeug bei Straßenlast nahe den Minimalverbräuchen. Trotzdem hat der Fahrer zu jeder Zeit einen beträchtlichen Zugkraftüberschuss zur Verfügung (= Fahrspaß). Bei der Dauer-Höchstgeschwindigkeit (48 m/s = 173 km/h) dreht der Motor gerade mit 2 700 U/min, kurzzeitig ist eine Höchstgeschwindigkeit von 64 m/s = 230 km/h möglich. Zum Anfahren steht eine Zugkraft von knapp 3 kN zur Verfügung, mit schleifender Kupplung über 3 kN. Näher untersucht muss eine längere Bergfahrt beleuchtet werden. Soll ein Höhenunterschied von 1 000 m überwunden werden, dann muss der Energieaufwand dafür allein aus der Batterie kommen, weil der Verbrennungsmotor etwa gerade die anderen Fahrwiderstände abdecken kann. Eine Batterie für 13 200 kWs hat etwa eine Masse von 64 kg. Reicht im Extremfall die Batterie nicht, dann muss der Fahrer eine Zwangspause einlegen, in der die Batterie aufgeladen wird. Oder es steht eine APU (auxilary power unit) zur Verfügung, die die Reichweite der Batterie streckt. Wahrscheinlich ist es aber dann doch am einfachsten, eine Fahrstufe Low oder Berggang vorzusehen (Bild 2-42), der verbrennungsmotorisch 12 % Steigung bewältigt oder bei 10 % Steigung zwischen 12 und 29 m/s außerdem die Batterienachladen kann. Anstelle der teuren Batterie könnte dann ein viel leichterer Ultracap verwendet werden und auch der Elektromotor könnte weit schwächer dimensioniert werden (z. B. 20 kW statt 40 kW). Eine andere Besonderheit ergibt sich, wenn das Fahrzeug längere Zeit bei sehr kleinen Geschwindigkeiten betrieben werden muss, z. B. im Stau mit gelegentlichem Nachrücken. Diese kleinen Geschwindigkeiten können nur rein elektrisch gefahren werden, was schließlich doch zur Erschöpfung der Batterie führen wird. In diesem Fall muss in Standpausen der Verbrennungsmotor nachladen. Er wird das nahe dem Bestpunkt des Verbrauchs machen, also z. B. wv = 200 und Pv = 32 kW. Für die halbe Ladung der Batterie von 13 200 kWs würde er bei einem Wirkungsgrad von 80 % 4 Minuten dauern. Dieses Fahrzeug würde alle Wünsche erfüllen: Betrieb nahe der optimalen Betrieblinie, kurzzeitiger Zugkraftüberschuss ohne Schaltvorgang, mäßiger Aufwand, Bremsenergierückgewinnung.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-43a Mehrverbrauch (Bild oben rechts und Bilder unten) eines Vollhybrid: Anfahren im langen Gang (i = 0.18 m/rad), V 1000 = 62 km/h). Gepunktet E-Motor allein. Wenn 100 km/h in 10 s erreicht werden sollen muss der Elektroantrieb mehr als 50 kW leisten und der elektrische Energiespeicher mehr als 550 kWs liefern können.
Bild 2-43b Fahrzyklus (Länge 555 m) eines Hybridfahrzeuges, der 52.4 s dauert. Das Fahrzeug beschleunigt elektrisch in 1.5 s auf 4 m/s = 14.4 km/h, wobei 13 kWs elektrischer Energie verbraucht werden. Dann beschleunigt das Fahrzeug mittels Verbrennungsmotor auf 15 m/s = 54 km/h, setzt dabei 159 kWs mechanischer Energie ein. Von t = 6 bis t = 44 s rollt das Fahrzeug antriebslos, wobei die Geschwindigkeit unter 10 m/s abnimmt. Dort wird mit dem eingezeichneten Wirkungsgrad elektrisch gebremst, was eine Überschuss-Energie von 18.4 kWs bringt (durchschnittlich 350 W, die nicht voll zur Verfügung stehen, weil der Batteriewirkungsgrad zu berücksichtigen ist). Der Verbrauch entspricht 2.24 l/100 km.
2.7 Verbrauchsverbesserung
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2.7.3.2 Verzweigungs-Hybrid Weil der Verbrennungsmotor bei sehr kleinen Drehzahlen kein Moment liefern kann, muss mit Hilfe einer Kupplung angefahren werden. Die Reibleistung geht mit dem Schlupf der Kupplung verloren. Legt man zwischen Verbrennungsmotor und Antrieb ein Verzweigungsgetriebe, so kann ein Elektromotor am dritten Ast die Drehzahl des Motors aufnehmen und anstelle des Verlusts Strom erzeugen, als Generator arbeiten. Schematisch ist eine solche Leistungsverzweigung in Bild 2-44 dargestellt. Dreht z. B. der Verbrennungsmotor V bei zunächst still stehendem Fahrzeug mit 1 500 U/min, so stützt die elektrische Maschine EM1 das Drehmoment Mv ab und erzeugt dabei Strom (arbeitet als Generator), der in die Batterie oder zur elektrischen Maschine EM2 fließt und dort die Zugkraft des Antriebs verstärkt (M = Mv + M2). Für die dort angegebenen Formeln ist überall die Übersetzung 1:1 angenommen, nur der Antrieb setzt die Drehung Z in lineare Geschwindigkeit v nach der Formel v = i · Z (i Übersetzung) um. In der Praxis wird man den elektrischen Maschinen eine höhere Drehzahl zuordnen, was aber an der Gültigkeit der Formeln bezüglich der Leistungen nichts ändert. Beim Anfahren stützt EM 1 das Motormoment Mv ab, einen Strom an Batterie und/oder EM2 liefernd. Bei zunehmender Fahrgeschwindigkeit wird irgendwann ein Punkt erreicht, wo einerseits Antriebsdrehzahl Z und Motordrehzahl Zv und andererseits Antriebsmoment M und Motormoment Mv gleich groß sind. In diesem Fall steht EM 1 still (Z 1 = 0) und EM 2 liefert kein Moment (M 2 = 0). Bei noch größerer Geschwindigkeit kann die Antriebsdrehzahl Z größer als die Motordrehzahl Z v sein. In diesem Fall bremst EM 2 (arbeitet als Generator) und liefert Strom an EM 1, die nun als Motor Drehzahl für die höhere Geschwindigkeit liefert.
Bild 2-44 Verzweigungshybrid. Z v = Z 1 + Z , Mv · Z 1 = M2 · Z , Mv · Z v = (Mv + M2) · Z (bei eta = 1) mit Wirkungsgrad eta: M2 · Z = Mv · Z 1 ·eta2 je nach Richtung des Energieflusses.
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2 Fahrzeugführung längs
Ohne Batterie handelt es sich um eine elektrische Kraftübertragung mit Leistungsverzweigung. Der Verbrennungsmotor V treibt das Verzweigungsgetriebe (Differenzial) mit der Drehzahl Z v und dem Moment Mv. (Alle Übersetzungen sind hier mit 1:1 angenommen.) Dort verzweigt die Leistung zu der elektrischen Maschine EM1 und zum Fahrzeugantrieb, wobei die elektrische Maschine EM2 das Moment M2 addiert. Die dazu erforderliche Leistung liefert EM1 oder die Batterie. Je nach Übersetzung und Fahrgeschwindigkeit kann sich die Drehrichtung Z 1 von EM1 umkehren: dann liefert EM2 Energie für die zusätzliche Drehzahl. – Eine Batterie kann mit entsprechender Regelung überschüssige Leistung abspeichern oder zusätzliche Leistung einspeisen. Die mathematischen Beziehungen sind in den Bildern 2-45 bis 2-50 dargestellt. Bei einem als konstant angenommenen Wirkungsgrad der elektrischen Maschinen folgt der in Bild 2-45 angegebene Gesamtwirkungsgrad eta ges. Bei der Übersetzung M/Mv = 1 fließt keine elektrische Leistung und eta ges ist daher 100 %. In Wirklichkeit muss EM1 das Moment Mv abstützen, was nicht ohne elektrischen Verlust möglich ist. EM1 könnte aber in diesem Fall durch eine Bremse ersetzt werden. EM2 wird auch für diesen Fall Lüfterverluste hervorrufen, die aber gleichfalls unberücksichtigt bleiben. Für alle anderen Übersetzungen M/Mv tritt ein eta ges auf, der z. B. für ein eta = 80 % bei M/Mv = 3 ein eta ges von 73 % ergibt.
Bild 2-45 Gesamtwirkungsgrad der elektrischen Kraftübertragung eta ges, abhängig vom Momentenverhältnis M/Mv.
Aus dem Kennfeld des Verbrennungsmotors Bild 2-46 wird eine einzige Betriebslinie ausgewählt, die nahe dem Verbrauchsminimum für alle vorkommenden Leistungen liegt.
2.7 Verbrauchsverbesserung
83
Bild 2-46 Angenommene optimale Betriebslinie BL im Leistungs-/Drehzahl Kennfeld. Sie liegt in der Nähe der Punkte mit dem besten Wirkungsgrad für die geforderte Leistung. WL bezeichnet die Fahrwiderstandsleistung bei einer bestimmten Übersetzung.
Diese Betrieblinie bildet sich im Kennfeld Bild 2-47 P(Z ) ab, wo dann jedem Punkt eine Motordrehzahl wv und -leistung Pv zugeordnet ist. Einzelne Punkte der Betriebslinie bilden sich als Geraden ab: die Maximalleistung (Pv = 55 kW) als Gerade a, der Punkt größten Drehmoments (Z v = 250, Pv = 48.092 kW) als dachförmiges Geradenpaar b und der Punkt besten Motorwirkungsgrades (Z v = 200, Pv = 32 kW) als Geradenpaar c (o siehe auch Bild 2-53). Gepunktet eingezeichnet sind die Straßenlast-Linien für verschiedene Gesamtübersetzungen i. In Bild 2-48 ist die Leistung der elektrischen Maschine EM2 angegeben (P2) und die Drehzahl der EM1 (Z 1). Um einen guten Gesamtwirkungsgrad zu erreichen müssen P2 und Z 1 so klein wie möglich sein. Bild 2-49 gibt den Gesamtwirkungsgrad der Übersetzung an (etag = eta ges) sowie das Moment der EM2 (M2). Weil EM2 den größten Teil der Zugkraft bei kleinen Geschwindigkeiten aufbringen muss, steigt M2 dort stark an und bestimmt damit den Bauaufwand. Ein Drehmoment M2 von z. B. 615 Nm klingt zwar imposant, es darf aber nicht vergessen werden, dass es kein Getriebe mehr verstärkt. Bei einer Gesamtübersetzung von i = 2 entspricht es einer Zugkraft von 3 075 N. Ein konventioneller Antrieb hat im 1. Gang aber z. B. eine Gesamtübersetzung von i = 0.022: ein Motormoment Mv erzeigt damit eine Zugkraft Z = Mv/i = 9 100 N, also fast dreimal so viel.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-47 Leistungs-/Drehzahl-Diagramm des Verzweigungshybridantriebs P(Z ) auf Basis der Betriebslinie nach Bild 2-45. Linkes Bild Leistung Pv des Verbrennungsmotors, rechtes Bild dessen Drehzahlen. Die Zahlen nennen Leistung Pv (links) und Drehzahl Z v (rechts) des Verbrennungsmotors. Aus dem Verhältnis der Leistung des Hybridantriebs P und Pv ergibt sich der Wirkungsgrad. So müssen z. B. für eine Leistung P = 38 kW 40 bis 55 kW Pv eingesetzt werden, je nach Drehzahl Z . (Dünn ist die für die Straßenlast erforderliche Leistung als Beispiel eingezeichnet. Die dafür gewählte Übersetzung würde zur möglichen Höchstgeschwindigkeit führen.)
Bild 2-48 Wie Bild 2-47, nur sind hier die Leistung der elektrischen Maschine EM2 · P2 = M2 · Z angegeben (links) und die Drehzahl der elektrischen Maschine EM1 · Z1 (rechts).
2.7 Verbrauchsverbesserung
85
Bild 2-49 Wie Bild 2-47, aber mit Angabe des Gesamtwirkungsgrades der elektrischen Kraftübertragung etag (links) und dem Moment M2 der elektrischen Maschine EM2.
Den auf die Leistung am Antriebsrad P bezogene spezifischen Verbrauch bsp (g/kWh) und den Mehrverbrauch (%) gegenüber dem Bestpunkt (231 g/kWh) zeigt Bild 2-50.
Bild 2-50 Wie Bild 2-47, aber spezifischen Verbräuchen (links) und Mehrverbrauch gegen den Bestpunkt (%).
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2 Fahrzeugführung längs
Minimal ist bsp, bzw. der Mehrverbrauch MVB bei der Drehzahl Z = 200/s und der Leistung P = 32 kW: 233 g/kWh, bzw. 1 % Mehrverbrauch. Einen grafischen Vergleich des bsp im Kennfeld des Verbrennungsmotors und des Hybridantriebs zeigt Bild 2-51.
Bild 2-51 „Muscheldiagramm“ des Verbrennungsmotors (links) und des Verzweigungshybriden mit gleichem Verbrennungsmotor, Betriebslinie nach Bild 2-46 (rechts).
Die kleinen Rechtecke zeigen die Leistungsgrenze, die sich beim Verzweigungshybriden bis Z = 0 erstreckt, allerdings mit abnehmendem Wert infolge schlechteren Wirkungsgrades. Gepunktet ist die Fahrwiderstandlinie bei Straßenlast und einer Übersetzung i = 0.2 m/rad eingetragen. Sie entspricht dem Wert Zv = 400 und Pv = 55 kW. Die Felder der Wirkungsgrade, bzw. des spezifischen Verbrauches besp = 240, 260, 300,...g/kWh sind beim Verzweigungshybriden kleiner, der Verbrauch also bei fast allen Geschwindigkeiten größer. In beiden Fällen liegen die minimalen bsp um die Gesamtübersetzung von i = 0.2 m/rad. Der Unterschied liegt darin, dass sie beim Verbrennungsmotor knapp neben der Leistungsgrenze liegt, also keine Überschussleistung bietet, während sie beim Hybridantrieb mitten im Feld liegt. Die Leistungskennlinie des Pv(Zv) Diagrammes wird aus die Gerade im P(w)-Diagramm abgebildet. Dass sich für den Hybridantrieb zwingend eine Gesamtübersetzung nahe i = 0.2 m/rad ergibt, geht aus Bild 2-52 hervor: einem Mehrverbrauch von 1.5 % bei 32 kW steht einem von 17.4 % bei i = 0.3 und von 20.1 % bei i = 0.15 gegenüber. Alle drei Punkte liegen allerdings mit 150 km/h bei Straßenlast außerhalb des Hauptfahrbereiches. Bei 85 km/h beträgt der Mehrverbrauch 32.2/18.5/28.1 %, bei 140 km/h 14/2.6/19.4 % bei der Übersetzung i = 0.3/0.2/0.15. Für die charakteristischen Punkte Pv = 55 kW, 48.1 kW und 32 kW ergeben sich die in Bild 2-53a gezeigten Besonderheiten: P = 48 kW werden vom Punkt Pv = 48 kW (maximales Drehmoment) mit 251 g/kWh geliefert. Erhöht man bei gleicher Drehzahl Z · Pv weiter, dann steigt bsp auf 310 gr/kWh, nicht aber die abgegebene Leistung P. Mit der Gesamtübersetzung
2.7 Verbrauchsverbesserung
87
i = 0.2 m/rad sind nicht mehr als 48 kW zu erreichen. Nur mit der Übersetzung i = 0.125 können 53 kW erreicht werden, entsprechend schlechterem Gesamtwirkungsgrad, (o siehe Bild 2-52). Mit der Übersetzung i = 0.2 geht bei Straßenlast der gesamte Motorbereich über Z v verloren.
Bild 2-52 Leistungs/Drehzahldiagramm P(w) des Verzweigungshybriden mit der Abbildung des Punktes Pv · max und bsp · min sowie dem Mehrverbrauch gegen den Bestpunkt für drei verschiedenen Übersetzungen (eta = 0.8 gilt für den elektrischen Leistungsfluss).
Bild 2-53a Verzweigungshybrid: Leistungs-/Drehzahldiagramm P(w) (links) und Drehmoment/Drehzahldiagramm M(w) (rechts) mit der Abbildungen der Betriebspunkte Pv max, Mv max und bsp min und der spezifischen Verbräuche.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-53b Wie 2-53a, aber für die links angegebenen Punkte des Verbrennungsmotorkennfeldes.
Bild 2-53c Annahmen für den Wirkungsgrad der elektrischen Maschinen eines Verzweigungshybrids. Die horizontal liegende Kurve gibt den Zusammenhang der Asymptote bei ω = ω5 und den Wirkungsgrad eta = LN((ω5 + 1.3)/1.3)/.06 = c1 · ω5/(ω – ω5).
2.7 Verbrauchsverbesserung
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Bild 2-53d Das aus Bild 2-53c folgende Verbrauchskennfeld.
Im Bild 2-53a rechts ist das Momentenkennfeld M(w) für i = 0.2 m/rad dargestellt. Gepunktet sind die Fahrwiderstandslinien für die Steigungen st = 0 bis st = 30 % eingezeichnet, Kennlinien für die Maximalleistung Pv = 55 kW und den Bestpunkt Pv = 32 kW. Der spezifische Verbrauch bsp steigt mit der Steigung rasch an: er beträgt bei Volllast für st = 30 % etwa 400 g/kWh, für st = 20 % 380, für 10 % 355 und für 5 % 335 g/kWh. Bei Betrieb im Bestpunkt fallen bei st 20 % 290 gr/kWh an, wo beim konventionellen Betrieb mit Schaltgetriebe 232 gr/kWh erreichbar wären. Um die schlechten Wirkungsgrade der elektrischen Maschinen nahe ω = 0 und M = 0 zu untersuchen, ist in Bild 2-53c eine Näherung dafür angenommen. Bild 2-53d zeigt die daraus folgenden spezifischen Verbräuche, die nun im Vergleich zu Bild 2-50 nochmals schlechter sind. Bild 2-54 zeigt einen 550 m langen Fahrzyklus mit 50 km/h Höchstgeschwindigkeit. Es ergibt sich ein Überschuss an elektrischer Energie von 90 kWs. Diese könnte bei einer Zykluszeit von 110 s eine elektrische Leistung von 820 W abdecken. 2.7.3.2.1 Verzweigungshybrid für Zweiachsantrieb Wirkt die elektrische Maschine EM2 nicht auf die vom Verzweigungsgetriebe kommenden Antriebswelle (wie in Bild 2-44) sondern auf eine andere Achse, so ergibt sich Bild 2-54a. (Der Toyota Lexus 400 verwendet eine solche Anordnung.) Es gelten die gleichen Gleichungen, nur dass nun das Moment M2 von EM2 auf die andere Achse b wirkt und dort die Zugkraft Zb = M2/i erzeugt. Auf die Achse a wirkt also das Motormoment Mv, ihre Zugkraft ist Mv/i.
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Bild 2-54
Bild 2-54a
2 Fahrzeugführung längs
Fahrzyklus 555 m, vmax = 50 km/h. ev mechanische Energie vom Verbrennungsmotor eel mechanische Energie an der elektrischen Maschine
2.7 Verbrauchsverbesserung
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2.7.3.3 Vergleich Verbrauchseinsparung Minimaler Verbrauch ergibt sich aus möglichst kleinen Fahrwiderständen, also kleiner Masse m (kg), kleiner Luftwiderstandsfläche cwA (m2) und möglichst großem Wirkungsgrad des Antriebs. Diesem Ziel stehen andere Wünsche an das Fahrzeug gegenüber: ausreichender Innenraum (gemessen an den seltenen Bedürfnissen einer großen Urlaubsreise), Sicherheit beim Unfall (Strukturfestigkeit, Rückhalteeinrichtungen), Klimatisierung (Zusatzheizung, Klimakompressor), Servoeinrichtungen (Bremse, Lenkung), Assistenzsysteme (ABS, ESP), Automatikgetriebe, Allradantrieb, Informationsmittel (Radio, Navigation), Fahrspaß, permanenter Leistungsüberschuss, Erfüllung der schärfsten Abgasvorschriften, kleiner Preis. Das für den betreffenden Fall optimale Fahrzeug ergibt sich erst aus der Einschätzung und Abstimmung aller Wünsche aufeinander. Die Spannweite der Antwort hängt von der Breite des Angebotes auf dem Fahrzeugmarkt ab und der Häufigkeit, mit der bestimmte Angebote gewählt werden. Ginge es nur nach dem Verbrauch, dann könnten die Fahrzeuge gar nicht „einsitzig, einzylindrig, einspurig, viertaktik und dieselig“ genug sein. Der Verbrauch eines solchen Fahrzeugs liegt weit unter einem Liter pro 100 Kilometer. Ein Minimalfahrzeug (m = 250 kg, cwA = 0.1 m2) würde im Vergleich zu einem realistischen, sparsamen Fahrzeug (1320 kg, cwA = 0.6 m2) folgende Verbrauchswerte haben (o vgl. Bild 2-12): Vergleich Minimalfahrzeug/Auto v m/s
20 40 40
km/h
172 144 144
st %
0 0 5
Minimalfahrzeug m = 250 kg, cwA = 0.1 m2
Auto m = 1320 kg, cwA = 0.6 m2
FW (kN)
FW (kN)
0.05 0.13 0.25
P (kW) 11.00 15.00 10.00
VB (L/100) 0.39 0.96 1.93
0.28 0.73 1.39
P (kW) 05.64 29.28 55.68
VB (l/100) 02.18 05.65 10.74
st Steigung, FW Fahrwiderstand, P Fahrwiderstandsleistung
Der Hauptfahrbereich liegt zwischen 20 und 40 m/s (72 und 144 km/h) bei der Steigung 0 % (Straßenlast). Leistung und Verbräuche für das Minimalfahrzeug liegen daher zwischen 1 und 5 kW, bzw. zwischen 0.4 und 1 l/100 km, für das „normale“ (günstige) Auto zwischen 5.6 und 29 kW, bzw. 2.2 und 5.7 l/100 km. Die Zeile 40 m/s und 5 % wurde als Wunschziel eingefügt: die Fahrer wünschen eine Motorisierung, die sie eine Autobahnsteigung von 5 % mit voller Geschwindigkeit fahren lässt. 30 kW erlauben zwar das Erreichen der zulässigen Autobahngeschwindigkeit oder 144 km/h bei Straßenlast, aber dieses Fahrzeug ist eigentlich nur für den Stadtverkehr und relativ kurze Entfernungen zu empfehlen. Motorleistung Die Entscheidung zwischen 33 und 55 kW hat aber weit reichende Folgen, Bild 2-55: mit beiden Motoren kann im langen Gang (i = 0.15, bzw. 0.18 m/rad) bei allen Geschwindigkeiten im relativen Verbrauchsminimum gefahren werden. Der Mehrverbrauch gegen den Bestpunkt (= dem absoluten Verbrauchsminimum) liegt aber beim 55 kW Motor bei 90 km/h, bei 20 %, bei 105 bei 10 % und bei 117 km/h bei 5 %. Der beste Wirkungsgrad wird bei 154 km/h erreicht. Dieser Wert liegt beim 33 kW Motor bei 130 km/h, wird also viel häufiger genutzt. Allerdings beträgt auch hier der Mehrverbrauch bei 75 km/h noch 20 %. Durch Intermittierendes Beschleunigen ist also auch noch bei der relativ kleinen Leistung ein Verbrauchsvorteil möglich. Beim 55 kW Motor sind bei 80 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit 30 % zu holen.
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2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-55 Leistungs-/Drehzahlkennfeld Pv(wv) eines 55 kW Motors (links) mit der Leistung für Straßenlast für drei verschiedene Übersetzungen und Linien gleichen spezifischen Verbrauchs. Gepunktet ist die Leistung eines 33 kW Verbrennungsmotors + 27.5 kW Elektromotors eingezeichnet. – Rechts: Leistungs/Drehzahldiagramm eines 33 kW Verbrennungsmotors mit dem Leistungsbedarf bei Straßenlast für i = 0.105 und 1.5 und Linien gleichen spezifischen Verbrauchs. Gepunktet sind die Leistungen des E-Motors allein und des Verbrennungsmotors + E-Motor.
Eine Möglichkeit, den Verbrauch im Teillastgebiet zu verringern, bietet die Zylinderabschaltung. Weil aber die abgeschalteten Zylinder mitgeschleppt werden müssen, liegt der spezifische Verbrauch aber in jedem Fall höher als bei einem entsprechend kleineren Motor. Wenn das Auto nahe dem Verbrauchsminimum betrieben werden soll, ist eine Schwungnutzautomatik (SNA) unerlässlich: der Motor darf nur im Gebiet besten Wirkungsgrads betrieben werden, oder er muss abgestellt sein. Im Stadtverkehr schlägt wegen der langen Stillstandzeiten der Leerlaufverbrauch zu Buche, der der Spitzenleistung etwa proportional ist. Das spricht für den schwächeren Motor. Wenn allerdings der Motor abgestellt wird, wenn keine Leistung erforderlich ist, fällt dieses Argument weg. Der Verbrauchsnachteil des leistungsstärkeren Motors kann abgesehen vom Mehrgewicht durch den SNA Gebrauch weitgehend aufgehoben werden (kein Leerlaufverbrauch). Ordnet man die möglichen Verbrauchseinsparungen nach den einzelnen Faktoren, dann ergibt sich folgendes: x die Fahrzeugmasse geht in den Rollwiderstand und den Beschleunigungs- und Steigungswiderstand ein, der möglicherweise durch Bremsen verloren geht. In den letzten Jahren ist die Fahrzeugmasse eher gestiegen: Ursache ist der Wunsch nach Komfort und Sicherheit (Klimaanlage, Allradantrieb, automatische Getriebe, Airbags, Fahrerassistenzsysteme, SUV (sport utility vehicles) statt PKW), höhere Fahrzeuge wegen besserer Sicht und Zugänglichkeit (Golf Plus, Touran).
2.7 Verbrauchsverbesserung
93
x Die Widerstandsfläche ist wegen der Verbesserung der Luftwiderstandsbeiwerte von etwa 1 auf 0.6 m2 zunächst gesunken, steigt nun aber wegen der oben erwähnten Gründe wieder an. x Der Motorwirkungsgrad ist mit der zunehmender Verdieselung stark gestiegen. Das trifft besonders für den Kurzstreckenbetrieb zu. Der Verbrauch des Ottomotors hat durch den 3-Wegkatalysator, der ein stöchiometrisches Gemisch verlangt, einen Rückschlag erlitten. Mit der Direkteinspritzung kann wenigstens im Teillastbereich dieser Nachteil vermieden werden. x Die Getriebeauslegung bietet in Form der langen Gänge große Einsparpotentiale, die von den meisten Fahrern (und besonders der Motorpresse) abgelehnt werden. Es erscheint zu mühsam, wegen einer sonst kaum wahrnehmbaren Steigung zurückschalten zu müssen. Tatsächlich tritt auch deshalb eine starke Verbrauchsminderung ein, weil Volllastfahrten zu etwas mäßigeren Geschwindigkeiten bei wesentlich geringerem Verbrauch führen. Bild 2-56 zeigt den Vergleich einer „langen“ Übersetzung (i = 0.1 m/rad) zu einer „kurzen“(I = 0.13 m/rad), bei der gerade die absolut mögliche Höchstgeschwindigkeit erreicht wird. Im Hauptfahrbereich zwischen 20 und 40 m/s ist der Mehrverbrauch bei der kurzen Übersetzung um 12 bis 15 %-Punkte größer, Bild 2-56. x Die Akzeptanz eines langen Ganges kann durch einen Hybridantrieb verbessert werden, weil er vorübergehend eine zusätzlich Überschussleistung bietet. (Das Mehrgewicht des Hybridantriebs zieht aber einen prinzipiellen Mehrverbrauch nach sich.) x Ob im Stadtverkehr mit einem Hybridantrieb Verbrauch gespart werden kann, hängt vom Fahrzyklus ab. Die Gesetzgeber setzen immer einen unintelligenten Fahrer voraus, der aus der Höchstgeschwindigkeit einer Phase abbremst. Der intelligente Fahrer wird aber immer den Schwung der Höchstgeschwindigkeit einsetzen, der die Bewegungsenergie mit 100 % Wirkungsgrad nutzt. Damit verringert er den Verlust der Bremsleistung, die auch mit besten E-Motoren, Elektronik und Batterien kaum über 50 % liegen kann.
Bild 2-56 Vergleich verschiedener Konzepte (Verbrauch und Überschussleistung P – Pw)
94
2 Fahrzeugführung längs
Bild 2-57 Überschussleistung P – Pw (kW) mit Fahrwiderstand FW = 132 + 0.6 v2/1.6
Welchen Marktanteil die verschiedenen Hybridantriebe gewinnen werden, ist noch kaum zu übersehen. Der Mild Hybrid (riemengetriebener Starter-Generator (RSG) 2.4, z. B. 5 kW) kann Bremsenergie nutzen und kurzzeitig Mehrleistung bieten. Der Vollhybrid (integrierter StarterGenerator (ISG) 2.3, z. B. 25 kW) kann mehr Fahrspaß vermitteln, schaltungsärmer gefahren werden, jedoch auf ein Getriebe nicht verzichten (Bild 2-57), der Verzweigungshybrid bietet Fahrspaß durch stufenlosen Antrieb, allerdings zu hohen Mehrkosten. Eine Verbrauchseinsparung gegen ein Fahrzeug mit SNA ist kaum möglich. Kleine Gesamtmasse und Widerstandsfläche, guter Gesamtwirkungsgrad durch intelligente Nutzung des Antriebs sind die drei Schlüsselelemente geringen Verbrauchs. Aus wirtschaftlichen Gründen rechnen sich 1.
langer Gang (-15 % bei Straßenlast),
2.
Start-Stop-Automatik (Motor läuft nur, wenn Leistung erforderlich): wenn nur bei stillstehendem Fahrzeug -5 % im Stadtbetrieb, -15 % wenn auch während der Fahrt (intermittierendes Beschleunigen)),
3.
Mild Hybrid zur Wiedergewinnung von Bremsleistung (-5 % im Stadtbetrieb).
Voll-Hybrid und Verzweigungshybrid können nur durch ihren Fahrkomfort punkten, der natürlich dazu führen kann, dass der Fahrer verbrauchssparende Maßnahmen akzeptiert, die er sonst ablehnen würde, z. B. einen langen Gang oder intermittierendes Beschleunigen. Die Bilder 2-56 und 2-57 stellen verschiedene Konzepte in Bezug Verbrauch und Fahrspaß (= Überschussleistung P – Pw) gegenüber. Das Konzept Pv = 55 kW, I = 0.15 m/rad entspricht einer gängigen Auslegung: I = 0.15 ist ein langer, aber nicht zu langer Gang, der sparsam ist und wegen der günstigen Motorkennung von den Fahrern gerade noch akzeptiert wird. Der kleinere Motor Pv = 33 kW bringt bei der gleichen Übersetzung nur eine geringe Einsparung, aber einen beträchtlichen Verlust an Überschussleistung. Versucht man diese durch eine kürzere Übersetzung (z. B. I = 0.105) zu bekommen, dann verschlechtert sich der Verbrauch besonders bei höheren Geschwindigkeiten, ohne dass dort das Ziel Leistungsüberschuss wirklich erreicht wird. Ein Serienhybrid mit einer elektrischen Leistung von 27.5 kW ermöglicht mini-
2.7 Verbrauchsverbesserung
95
malen Verbrauch und großen Leistungsüberschuss (o siehe auch Bild 2-55). Bei dieser Rechnung blieb allerdings die unvermeidlich größere Masse des Hybridantriebs unberücksichtigt. Je nach Größe des elektrischen Energiespeichers steht die Überschussleistung auch nur vorübergehend zur Verfügung. Hier muss noch ein Kompromiss zwischen zusätzlicher Masse und Energiereserve gefunden werden. Der Verbrauch eines Verzweigungshybriden ist bei Volllast durch den Wirkungsgrad der Kraftübertragung benachteiligt, Bild 2-58, bei Straßenlast und nicht zu kleinen Geschwindigkeiten liegt er im Bereich der infrage kommenden Übersetzungen, Bild 2-59.
Bild 2-58 Zugkraft-/Geschwindigkeitsdiagramm für einen 55 kW Verbrennungsmotor mit 6-Gang Getriebe (links) sowie einen Verzweigungshybriden mit der Gesamtübersetzung i = 0.2.
Bild 2-59 Mehrverbrauch gegen den Bestpunkt verschiedener Konzepte
96
2 Fahrzeugführung längs
Toyota biete mit steigendem Erfolg mit der Systembezeichnung Hybrid Synergy Drive (HSD) einen Verzweigungshybrid im Prius an. Die Spannung der Fahrbatterie ist 500 V, weil sich damit bessere Wirkungsgrade für EM1 und EM2 ergeben. Ein Gleichspannungswandler liefert 12 V für die normale Batterie. In diesem Fall wird eine Nickel-Metall-Hydrid-(NiMH)-Batterie eingesetzt (39 kg). VM ist ein 1.5 l Benzinmotor (57 kW), die elektrischen Maschinen sind Synchronmaschinen mit 10 000 U/min. Es werden bipolare Leistungstransistoren (IGBT = Insulated Gate Bipolar Transistors) verwendet. Der Fahrer steuert die Längsbewegung des Fahrzeugs über Gaspedal und Bremse, die Regelung sucht den besten Gesamtwirkungsgrad, bzw. einen befriedigenden Ladezustand der Batterie. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 170 km/h, die Beschleunigungszeit von 0 auf 100 km/h 11 s. Als Normalverbrauch werden 6– 7 l/100 km genannt. Es kann auch rein elektrisch gefahren werden. Die Batterie reicht für 2.5 km. Honda´s Civic 1.3 IMA ist ein Voll-Hybrid mit 6,5 kW Nm elektrischer Leistung (62 Nm). Die Nickel/Metall-Batterie wiegt 26 kg und hat ein Energiespeichervermögen von 7 kWh. Immerhin wird das Drehmoment des Verbrennungsmotors von 119 Nm um 52 % erhöht (mit Überlast?). Literatur >2.1@ Hucho, W. H.: Aerodynamik des Automobils, Vieweg, 2005 >2.2@ Fiala, E.: Was nach dem Auto kommt, Eurotax, 1994, S. 146 >2.3@ Köhle, S.: Der Volkswagen Bora Hybrid, Gesamtzentrum für Verkehr, Braunschweig 2/2004 >2.4@ Knorr, R., Deiml, M., Lugert, G.: Starter Generator zeigt „Biss“, Gesamtzentrum für Verkehr, Braunschweig 2/2004 >2.5@ -- Helium als Arbeitsmedium, VDI-N 31.7. 1968, S.12 [2.6] Hucho, W. H.: Aerodynamik der stumpfen Körper, Vieweg, 2002
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer Das Führen eines Fahrzeugs scheint uns eine ganz einfache Sache zu sein, die offenbar schon von Kindheit an den Menschen Freude macht. Aber es war aber ein langer Weg zum fahrstabilen Kraftfahrzeug. Solange der Wagen von Zugtieren gezogen wurde, war das Lenken kein Problem: er folgte den Ziehenden, gezerrt oder vom Lenkschemel über die lange Deichsel gelenkt. Erst wenn der Fahrer selbst lenken muss, spürt er die Momente um die Lenkachse, die durch unterschiedliche Rollwiderstände an den Rädern hervorgerufen werden. Deshalb sind viele dem Beispiel Stephan Fafflers gefolgt, der 1680 ein Dreirad als Behindertenfahrstuhl gebaut hat, >I-2@. Das eine, gelenkte Vorderrad hat viel kleinere Störmomente. Auch die großen und schweren Dampffahrzeuge hatten meist ein gelenktes Vorderrad >I-5@.
Bild 3-1 Modell zur Fahrzeugführung. (L 3.14@. Die Seitenkraftbeiwerte kv und kh repräsentieren die Eigenschaften der Achse. Fahrdynamik am Einspurmodell: die Eigenschaften der Räder repräsentieren die der Achse M · v2 · k = Sv + Sh, m · i2 · d2psi/dt2 = Sv · av – Sh · ah bv = L + b – av · dpsi/dt, bh = b + ah · dpsi/dt
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik
101
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik In Wirklichkeit hat auch das Fahrzeug infolge seiner Masse und seines Trägheitsmoments um die Hochachse ein Zeitverhalten. Rieckert und Schunck >3.14@ haben 1940 den ersten fahrdynamischen Ansatz geliefert, Bild 3-5. Im einfachsten Fall genügen zwei Gleichungen: •
das Gleichsetzen der Kräfte quer zur Fahrtrichtung fi
•
und der Momente um die Hochachse mit dem Trägheitsmoment m · i2 mal der Gierwinkelbeschleunigung d2psi/dt2.
Infolge der Drehung um die Hochachse weichen die Schräglaufwinkel bv und bh vom Schwimmwinkel b = psi – fi ab. (Die Lösung der Differentialgleichung ist in Bild 3-17 angegeben. Sie gilt für den linearen Zusammenhang von Seitenkraft und Schräglaufwinkel, also etwa bis zu einer Querbeschleunigung v2 · k von etwa 4 m/s2 bei griffiger Straße. Für größere Querbeschleunigungen und dann nichtlinearen Zusammenhang ist eine geschlossene Lösung nicht möglich. Für den stationären Fall (Frequenz = 0) sind Gleichungen für Sv(bv), bzw. bv(Sv) in Bild 3-18 angegeben. Dabei spielen auch Umfangskräfte Uv eine Rolle. Für den stationären und linearen Bereich vereinfacht sich die Lösung auf die angegebenen Gleichungen für L und b.) Natürlich ist es heute möglich dreidimensionale Modelle mit viele Freiheitsgraden und Nichtlinearitäten zu programmieren. Das ist auch wichtig, wenn besondere Probleme untersucht werden sollen. Für das grundsätzliche Verständnis der Fahrdynamik reicht aber diese Vereinfachung, bei der man den Durchblick behalten kann. Der Veröffentlichung von Rieckert und Schunck ist anzumerken, wie wenig zufrieden sie mit ihrem Ergebnis waren. Eigentlich hätten nach ihrer Veröffentlichung alle damaligen Fahrzeuge instabil sein müssen, was sie aber nicht waren. Bild 3-6 zeigt den Zusammenhang von Seitenkraft S und Schräglaufwinkel b. Rieckert und Schunck mussten annehmen, dass bei gleichen Reifen und daher gleichen Seitenkraftbeiwerten an Vorder- und Hinterachse eine kritische Geschwindigkeit erreicht werden müsse. Sie haben daher empfohlen, ah/av groß zu machen, also vorderachslastige Fahrzeuge zu bauen oder hinten größere Reifen als vorn zu verwenden. Teils ist das geschehen durch das Nachvornerücken des Motor-Getriebe-Blocks, was durch die Einzelradaufhängung leichter möglich wurde. Die Folge war freilich die geringere Hinterachslast mit entsprechenden Anfahrschwierigkeiten bei glatter Straße. Auch größere Räder hinten als vorn hat es gegeben. Wegen häufiger Reifenpannen waren aber zwei Reserveräder die Regel. Sollte man nun zwei größere und zwei kleinere mitnehmen? Die Hauptlinie der Entwicklung war aber einen anderen Weg gegangen: zur Einzelradaufhängung mit tiefliegendem Momentanzentrum vorn und hoch liegendem hinten und außerdem noch zum Heckantrieb. Diese Fahrzeuge hätten noch kritischer sein müssen. Und waren es wohl auch. Die Lösung des Problems aber barg die Lenkelastizität für kleinere Querbeschleunigungen und der Drehstabstabilisator für größere. Bild 3-7 zeigt die Abstützung des Rollmoments MR (Moment um die Fahrzeuglängsachse). Es treten dabei Radlaständerungen vorn und hinten auf (dLv und dLh), die von der Lage der Momentanzentren MZv und Mzh und der Härte der wechselseitigen Federung abhängen. Diese Radlaständerungen bewirken die in Bild 3-6 gezeigten
102
3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Veränderungen der Seitenkraftbeiwerte vorn und hinten. Wie noch gezeigt wird, ist eine größere Seitenführungskraft an der Hinterachse erwünscht, also ein kleinerer Radlastunterschied hinten als vorn. Die in den 30er Jahren aufkommende Entwicklung der Einzelradaufhängung hatten den gegenteiligen Effekt: vorn musste das Momentanzentrum tief liegen, um keine Lenkungsunruhe aufkommen zu lassen. Hinten versuchte man es hoch zu legen, um die Kurvenneigung klein zu halten. Dazu kommt noch, dass die Federhärte hinten meist größer als vorn sein muss: die Laständerung durch zusätzliche Fahrgäste oder Reisegepäck erfolgt hauptsächlich an der Hinterachse. Es ist also zunächst das Gegenteil von dem eingetreten, was man bezüglich Fahrstabilität eigentlich wollte: die Seitenführungskraft der Achse hinten wurde kleiner als vorn.
Bild 3-6 Eine auf ein Rad wirkende Seitenkraft S bewirkt den Schräglaufwinkel b, der zunächst proportional zur Seitenkraft zunimmt, links. Überschreitet die Seitenkraft etwa die halbe Radlast, dann nimmt der Schräglaufwinkel b überproportional zu. Der Proportionalitätsfaktor für kleine Schräglaufwinkel heißt Seitenkraftbeiwert k (N/rad). Er ist in der Nähe der Nennlast L des Reifens maximal. Wenn sich bei Kurvenfahrt die Radlast infolge des Rollmoments um die Fahrzeuglängsachse an kurvenäußeren Rad zu Lasten des Kurveninneren erhöht, verringert sich der Seitenkraftbeiwert der Achse, rechtes Bild.
Die Bild 3-8 bis 3-10 zeigen Abhilfemaßnahmen: das Momentanzentrum hinten wurde durch hochliegende Querabstützung („Schwebeachse“) (Bild 3-8b) hoch gelegt. Durch das Tieferlegen der Querabstützung („Panhard-Stab“) (Bild 3-8a) konnte das Momentanzentrum abgesenkt werden. Den gleichen Weg ging die Zweigelenkpendelachse zur Eingelenkpendelachse (Bild 3-8c und d). An der Vorderachse kann das Momentanzentrum bei den üblichen Querlenkeroder McPherson-Achsen beliebig tief gelegt werden (Bild 3-9).
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik
103
Bild 3-7 Abstützung des Rollmoments: das Fahrzeug bewegt sich mit der Geschwindigkeit v (nach rechts oben). Infolge der Querbeschleunigung bQ entsteht das Rollmoment MR, das je nach Höhe der Momentanzentren hMZv und hMZh und Federsteifigkeit cv, bzw. ch an Vorder- und Hinterachse abgestützt wird. Durch die Wahl der Höhe der Momentanzentren und der Federsteifigkeit für wechselseitiges Einfedern kann man das Verhältnis der Radlastdiffernz dL an Vorder- und Hinterachse festlegen.
Bild 3-8 Lage der Momentanzentren an Starr- und Pendelachsen. Den tiefliegenden Panhard-Stab ersetzen Längsfedern, den hochliegenden der „Schwebeachse“ eine hoch liegende Querblattfeder. Innenliegende Federn an der Starrachse verringern die wechselseitige Federrate im Verhältnis des Quadrates von Feder- und Radspur.
104
3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-9 Lage des Momentanzentrums bei Einzelradaufhängung
Bild 3-10 Maßnahmen zur Veränderung der wechselseitigen Federung. a) Drehstab-Stabilisator (nach einem Vorschlag H. Maruhn´s etwa 1930): bei gleichseitigem Einfedern der Achse bleibt der Drehstab wirkungslos; bei wechselseitigem Federn vergrößert er den Radlastunterschied. b) Z-Stab (Porsche, 1960): bei wechselseitigem Einfedern bleibt der Drehstab wirkungslos; gleichseitiges Einfedern wird verhärtet. c) Ausgleichfeder an einer Eingelenk-Pendelachse (Mercedes, 1959): Die Feder verhärtet das gleichsinnige Einfedern, spricht aber bei wechselseitigem Federn nicht an.
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik
105
Besondere Bedeutung hat die Erfindung des Drehstabes (Bild 3-10a) durch Herbert Maruhn >3.1@. Er erlaubt die wechselseitige Federung der betreffenden Achse zu verhärten und damit bei ihr eine Verringerung der Seitenführungskraft zugunsten der anderen Achse zu bewirken. Für die Fahrstabilität im Grenzbereich ist das die wichtigste Maßnahme. Mit härter werdendem Drehstab tritt eine Komfortverschlechterung ein, die man dadurch begrenzen kann, dass man die Radlaständerung an der anderen Achse verringert, durch einen Z-Drehstab oder eine Ausgleichsfeder, Bild 3-10b und c. (Porsche und Mercedes hatten diese Maßnahmen Ende der 50er Jahre.) Bei kleinen Querbeschleunigungen ist die Lenkelastizität bestimmend für die Stabilität des Fahrzeuges >3.7@. In Bild 3-11 ist links ein nach links rollendes Rad in Auf- und Grundriss dargestellt. Unter dem Einfluss einer Seitenkraft S läuft das Rad schräg. Die Seitenkraft greift hinter der Mitte der Aufstandsfläche an. Zusammen mit dem Nachlauf n ergibt sich ein Moment um die Lenkachse LA, das das Rad entsprechend der Elastizität in die Bewegungsrichtung hinein dreht, den Schräglaufwinkel und damit die Seitenkraft verkleinert. Bei festgehaltener Lenkung (fixed control) wirkt an der Vorderachse ein scheinbar kleinerer Schräglaufwinkel. Als Beispiel für ein neutrales Fahrverhalten bei Vorderrad-Antrieb kann der Mini gelten, der dies unter anderem mit seiner Hinterachskonstruktion erreicht, Beispiel 5.
Beispiel 5 Radführung: Agiles, zielgenaues und neutrales Fahrverhalten mit Zentrallenker-Hinterachse (Werkbild BMW/Mini)
106
3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-11 Die Seitenkraft S greift hinter der Mitte der Berührungsfläche des Reifens mit der Fahrbahn an. Dieser „Reifennachlauf“ nimmt mit steigender Seitenkraft ab. Er beträgt zunächst etwa 1/6 der Länge der Berührungsfläche >3.5@. Der Reifennachlauf addiert sich zum Nachlauf aus der Geometrie der Radführung zum Nachlaufmoment, das dem Fahrer eine Information über die Größe der Seitenkraft liefert. – Das Nachlaufmoment führt aber auch zu einer Deformation in der Lenkung zwischen Rad und Lenkrad. Bei festgehaltenem Lenkrad schlägt daher das Rad etwas ein und verringert so den effektiven Schräglaufwinkel.
Geht man davon aus, dass für die Fahrstabilität ein größerer Seitenkraftbeiwert hinten als vorn die notwendige und hinreichende Voraussetzung ist, dann stellt man fest, dass für kleine Querbeschleunigungen die Lenkelastizität, für große Querbeschleunigungen die Radlastdifferenz maßgebend ist. Tatsächlich ist die Lenkelastizität nur eine (wichtige) unter anderen Elastizitäten in der Radführung, Bild 3-12. Dort ist angenommen, dass die Seitenkraft des Rades durch die Feder cQ und das Moment um die Lenkachse durch die Feder cL abgestützt wird. (Auch ein nicht gelenktes Rad hat eine „Lenkachse“: die gedachte Linie, die in der Mitte des Radaufstandspunktes die Fahrbahn durchstößt und um die das Rad lenkt.) Die „elasto-kinetische“ Führung aller Räder bestimmt bei gegebenen Reifenkennwerten die Größe der Seitenkräfte bei einer translatorischen Bewegung des Fahrzeuges.
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik
107
Bild 3-12 Durch Elastizitäten in der Radführung kann der effektive Seitenkraftbeiwert gesteuert werden. Die Elastizitäten stammen aus der Gummilagerung der Radführung, der elastischen Verformung aller Bauteile, insbesondere des Lenkhebels Links ist angenommen, dass die Elastizität der Querabstützung cQ (N/m) kleiner als die der Abstützung des Nachlaufmoments cL ist. Aus dem Schräglaufen des Radpunktes mit dem Winkel ß folgt eine Seitenkraft und ein Nachlaufmoment, das das Rad um den Winkel dß lenkt. In diesem Fall vergrößert dß den Schräglaufwinkel ß. Der effektive Seitenkraftbeiwert k = ko (ß + dß) / ß (ko = Seitenkraftbeiwert des Rades). Rechts ist angenommen, dass die Elastizität der Querabstützung cQ (N/m) größer als die der Abstützung des Nachlaufmoments cL ist. Aus dem Schräglaufen des Radpunktes mit dem Winkel ß folgt eine Seitenkraft und ein Nachlaufmoment, das das Rad um den Winkel dß lenkt. In diesem Fall verkleinert dß den Schräglaufwinkel ß. Der effektive Seitenkraftbeiwert k = ko (ß – dß)/ß.
Andere konstruktive Maßnahmen zur Beeinflussung der Fahrdynamik zeigen Bild 3-13 und 3-14.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-13 Seitenkraftlenken an einer starren Hinterachse, die von den Lenkern L geführt und durch einen elastischen Panhardstab F abgestützt ist. Beim Durchfahren einer Linkskurve (rechtes Bild) verschiebt die Querbeschleunigung (Seitenkraft S) die Achse zum Kurveninneren. Die Lenker L bewirken einen Lenkeinschlag, der das Fahrzeug aus der Kurve führt, stabilisiert.
Bild 3-14 Roll-Lenken an einer starren Hinterachse, die von den Lenkern L geführt wird. Beim wechselseitigen Einfedern lenkt die Achse aus der Kurve heraus.
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik
109
Bild 3-15 Kennfrequenz f0 und Dämpfungsmaß D: Variationen der Kenngrößen um +/– 10 %.
Bild 3-16 Dämpfungsmaß D als Funktion der Kennfrequenz f0 für verschiedene Seitenkraftbeiwerte vorn kv und Fahrgeschwindigkeiten v.
Einen Überblick über Kennfrequenz und Dämpfungsmaß eines PKWs gibt eine Parametervariation Bild 3-15 und Bild 3-16, die Lösung der Bewegungsgleichung und Lösungen bei stationärem Verhalten geben Bild 3-17 und 3-18.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-17 Formeln zu 3-5: S = k · E (linearisiert). A, B, C, D, psi, fi und E sind komplexe (vektorielle) Größen.
Bild 3-18 Formeln stationär mit Umfangskräften. (W … Fahrwiderstand, Uv und Un Umfangskraft am Rad)
Wenn die Seitenkraftbeiwerte an Vorder- und Hinterachse gleich groß sind, dann gibt es eine Geschwindigkeit vkrit, bei der jede Krümmung k mit dem Lenkeinschlag L = 0 gefahren werden kann. Bild 3-19 zeigt diese kritische Geschwindigkeit vkrit in Abhängigkeit von der Lage des Schwerpunktes, dem Verhältnis des Abstandes des Schwerpunktes von der Hinterachse ah und der Vorderachse av unter der Annahme, dass die Seitenkraftbeiwerte kv und kh gleich groß sind.
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik
111
Bild 3-19 Kritische Geschwindigkeit vkrit abhängig von der Schwerpunktlage (Abstand Schwerpunkt-Vorderachse = av, Schwerpunkt-Hinterachse = ah) für gleiche Seitenkraftbeiwerte vorn und hinten (kv = kh).
Bild 3-20 Realteil und Imaginärteil von Schwimmwinkel E, Gierwinkelgeschwindigkeit dpsi/dt und Geschwindigkeit der Fahrtrichtungsänderung dfi/dt = k · v für v = 10 m/s und die angegebenen Fahrzeugwerte. Die Erregerfrequenz f verändert sich von Kreis zu Kreis in der angegebenen Sequenz.
Die Diskussion des Zeitverhaltens des Fahrzeuges kann mit Hilfe der Polbahnen, der Sprungantwort oder des Frequenzganges erfolgen. Bild 3-20 zeigt die Polbahnen von dfi/dt (Änderungs des Richtungswinkels f mit der Zeit), dpsi/dt (Änderung des Fahrzeugwinkels um die Hochachse psi mit der Zeit) und des Schwimmwinkels E für verschiedene Geschwindigkeiten. (Erreger ist der Einheitsvektor, der mit der Kreisfrequenz w = 2 pi · fe rotiert. Es ist jeweils der
112
3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Imaginärteil über dem Realteil aufgetragen, wobei die Frequenz von 0 bis 1 Hz in Stufen von 0.2 Hz, dann mit dem Faktor SQR(2) bis 3 Hz steigt.) Für die Erregerfrequenz fe = 0 (kleiner Kreis in der Polbahn) ist df/dt = dpsi/dt. Mit steigender Erregerfrequenz wird dann dpsi/dt = 0. Der Schwimmwinkel E ist bei kleinen Fahrgeschwindigkeiten v negativ: das Hinterrad des Einspurmodells läuft innerhalb der Spur des Vorderrads. Bei der Fahrgeschwindigkeit v = 11.6 m/s und fe = 0 ist E = 0. Für größere Fahrgeschwindigkeiten ist E > 0. Die Bilder 3-21 bis 3-23 untersuchen die realistische Sprungantwort. Der Lenkwinkel L „springt“ in etwa 0.2 s von 0 auf 0.87°. Richtungswinkel f, Gierwinkel psi und Schwimmwinkel E folgen je nach Fahrgeschwindigkeit gedämpft mit zunehmendem Überschwingen. Der Schwimmwinkel E wird zunächst negativ, weil die Vorderachse die Seitenkraft schneller aufbaut als die Hinterachse.
Bild 3-21 Sprungantwort der Richtungswinkelgeschwindigkeit dfi/dt, Gierwinkelgeschwindigkeit dpsi/dt und des Schwimmwinkels E für die Geschwindigkeiten v = 20, 30, 40 und 50 m/s. Die Lenkwinkelverstellung L wird innerhalb von etwa 0.2 s aufgebracht (rechtes Bild). Das Überschwingen nimmt mit der Fahrgeschwindigkeit zu.
Bild 3-22 zeigt den Einfluss des Seitenkraftbeiwertes vorn kv bei den Fahrgeschwindigkeiten v = 20 und 40 m/s. Bei kleinerem kv steigen die Werte rascher an, sind aber schlechter gedämpft.
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik
113
Bild 3-22 Wie 3-21, aber zusätzlich ist der Seitenkraftbeiwert vorn kv variiert (kv = 40, 60 und 80 kN/rad).
Bild 3-23 Wie 3-22, aber Variation des Seitenkraftbeiwerts hinten (kh = 60, 80, 100 und 120 kN/rad).
Den Einfluss der Lenkradverstellung untersuchen die Bilder 3-24 und 3-25. Die Lenkung wird in Form einer Glockenkurve verstellt, links langsam, rechts hastig. Wird der Lenkwinkel innerhalb einer Sekunde aufgebaut und innerhalb der nächsten wieder zurückgenommen, dann folgt die Krümmung der Fahrspur des Fahrzeugs mit einer Verzögerung von etwa 0.25 s. Bei der hastigen Lenkradverstellung rechts zerfällt die Antwort in zwei Teile: einen direkten Teil und ein Nachschwingen mit der Kennfrequenz des Fahrzeuges. Dieses Nachschwingen wird von den Fahrern negativ beurteilt.
114
3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Die Anforderungen an das Lenkverhalten moderner Pkw’s steigen ständig, so dass auch indirekte Lenksysteme diskutiert werden, siehe Beispiel 6.
Beispiel 6 Lenkverhalten: Hochleistungsreifen mit guten Bremseigenschaften auf nassen Fahrbahnen bei gleichzeitig gutem Handling sowie geringer Geräuschentwicklung (Werkbild Fulda)
Bild 3-24 Antwort der Fahrspurkrümmung k auf eine verschieden rasche Eingabe des Lenkwinkels L. Wird der Lenkimpuls innerhalb von 2 s aufgebracht (was normalem Fahrbetrieb entspricht), dann folgt das Fahrzeug mit einer Verzögerung von etwa 0.25 s. Dauert der Lenkimpuls nur 0.2 s (rechts), dann folgt die Krümmung mit geringer Verzögerung um nach etwa 0.25 s ein zweites Maximum zu erreichen.
Ein Spurwechsel ist in Bild 3-25 untersucht. Die Lenkung wird nach zwei aufeinander folgenden Glockenkurven verstellt, so dass sich im linken und rechten Bild der gleiche Spurwechsel y einstellt. Bei der sanften (normalen) L-Verstellung (links) folgt das Fahrzeug harmonisch, bei der raschen Verstellung aber hektisch. Der unruhige Verlauf der Querbeschleunigung in diesem Fall wird von Fahrer und Insassen als beunruhigend empfunden.
3.2 Reales Fahrzeug, Fahrdynamik
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Bild 3-25 Wie 3-24, aber für verschieden raschen Lenkimpulse zum Spurwechsel.
Eine Untersuchung des Frequenzganges zeigen die Bilder 3-26 bis 3-29. Dabei wird der Lenkwinkel L mit fe Hz verstellt. Bei f = 0 stellt sich je nach Fahrgeschwindigkeit v der stationäre Wert ein. In der Nähe der Kennfrequenz des Fahrzeuges (etwa 0.5 Hz) kommt es aber zu einer Überhöhung. Bild 3-29 zeigt den Vergleich mit einer praktischen Untersuchung, wobei die Annahmen so verändert wurden, dass sich ein ähnlicher Verlauf der Antwortkurven ergibt.
Bild 3-26 Frequenzgang den Schwimmwinkel ß und für die Geschwindigkeit des Richtungswinkels f, des Gierwinkels psi. Erregung L. L = EXP(w · t) = COS (w · t) + i SIN (w · t) (w = 2 pi, fe, fe.. Erregerfrequenz) für verschiedene Fahrgeschwindigkeiten v.
116
3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-27 Wie 3-26, aber Variation des Seitenkraftbeiwerts vorn kv
Bild 3-28 Wie 3-26, aber Variation der Schwerpunktlage (av/ah)
3.3 Reifen und Lenkmoment
Bild 3-29 Frequenzgang und Phasenwinkel, Messwerte im Vergleich zu Rechenwerten >3.20@.
3.3 Reifen und Lenkmoment
Bild 3-30 Vereinfachtes Reifenmodell.
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118
3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Das einfachste Radmodell erzeugt durch seine Abplattung die Aufstandsfläche von der Länge ll und der Breite bb (dargestellt in Auf-, Grund- und Kreuzriss). Auf ihr stützt sich die Radlast (hier mit 3 300 N angenommen) ab mit einer Pressung von p = 27.5 N/cm2, was dem Radinnendruck + dem Druck zur Deformation des Reifens entspricht. Die Lauffläche hat eine Dicke von t. Rollt das Rad mit dem Schräglaufwinkel E, dann verformt sich die Lauffläche, so lange die Schubspannung kleiner als die örtliche Haftung µ · p ist, und erzeugt damit die Seitenkraft S, die im Schwerpunkt des Deformationsdreieck, also um ll/6 hinter der Mitte der Aufstandfläche angreift. Mit dem angegebenen Gleitmodul GM errechnet sich der Zusammenhang von S und Ms mit E (o vergleiche Bild 3.3-1 und 3.3-7). – Bei einer Kurvenfahrt wird die Aufstandfläche gekrümmt, was zu einem Moment Mk = E · J · k führt (E = Elastizitätsmodul = 3 GM, J = Flächenträgheitsmoment der „Aufstandsfläche“, k = Krümmung der Fahrspur). Wird das Rad im Stillstand um die Mitte der Aufstandfläche gedreht, dann entsteht das „Bohrmoment“ Mb = Wp · µ · p (Wp = polares Widerstandsmoment für plastische Verformung, weil fast alle Flächenelemente bis zur Haftgrenze µ · p zunehmen). In Bild 3-30 sind die Kräfte und Momente am rollenden Reifen und deren Zustandekommen qualitativ erklärt. Es ist eine Aufstandfläche ll mal bb angenommen, auf die sich die Radlast gleichförmig verteilt. Für die dort genannten Annahmen ergibt sich ein gleicher Druck von p = 27.5 N/cm2. Das entspricht etwa dem Reifeninnendruck. Verschiebt sich die auf der Straße haftende Auflage gegen das Rad, dann entsteht eine Schubverformung der Lauffläche, die der angreifenden Kraft proportional ist. (Gleitmodul GM) Läuft der Reifen mit einem kleinen Winkel E schräg, dann verformt sich die Lauffläche über die Länge zunehmend. Die dabei entstehende Seitenkraft ist S = GM · bb · ll2/2 · E. Für einen Gleitmodul von 20 N/cm2 ist S = ki · E, wobei ki = 46 800 der Seitenkraftbeiwert des Rades ist. Mit zunehmendem ß wird die Schubspannung die örtliche Haftung überschreiten, die Seitenkraft dann asymptotisch den Grenzwert von Radlast mal Haftbeiwert zustreben. Die Seitenkraft greift für kleine Winkel E um a/6 hinter der Mitte der Aufstandsfläche an, rückt aber für größer werdende E immer näher an die Mitte der Aufstandfläche heran. Das Schräglaufmoment ist zunächst S · a/6, schließlich aber 0. Für E 0 verkleinert den Lenkwinkel): S = 46 800 ß (N) Seitenkraft durch Schräglauf, Ms = 936 ß (Nm) Schräglaufmoment, Mi = -103 k, Mk = 55 k, Mb = 651.
Bild 3-33
Links: Lenkmoment aus Nachlaufwinkel und Krümmung der Fahrspur Rechts: ist außerdem das Lenkmoment aus verschiedenen Seitenkräften (Querbeschleunigung bq) berücksichtigt.
In Bild 3-33 sind links die Momente Mk und Mi dargestellt. M1 = LVA ng SIN(NW) SIN(LW) LVA ng LW
Vorderachslast geometrischer Nachlauf Lenkwinkel
einschlagendes Moment aus Nachlaufwinkel NW
M2 = 100 k rückdrehendes Moment aus Krümmung der Fahrspur (angenommen),
3.3 Stationäres Fahren
123
M3 = Sv (ng + nr) Moment aus der Seitenkraft infolge Querbeschleunigung. M1 hängt von der Achslast, dem geometrischen Nachlauf, dem Nachlaufwinkel und dem Lenkwinkel (für kleine Geschwindigkeiten Radstand · Krümmung k) ab, M2 ebenfalls von der Achslast, vom Reibwert und vom Reifen ab (Schubweichheit der Stollen, Größe der Aufstandsfläche und damit Reifeninnendruck). (Auf Glatteis wird dieses Moment sehr klein: die Lenkung fühlt sich bei kleinen Geschwindigkeiten instabil an.) M3 von der Masse der Vorderachse, der Querbeschleunigung v2 · k und vom geometrischen Nachlauf ng und dem Reifennachlauf nr. Die vorstehenden Überlegungen können nur der prinzipiellen Klärung dienen. Tatsächlich treten andere Faktoren hinzu, von denen der wichtigste der Umstand ist, dass die Lauffläche gegen das Rad über den Torus des Reifenkörpers elastisch abgestützt ist >3.5@. Das bewirkt, dass der Seitenkraftbeiwert mit zunehmender Radlast ein Maximum erreicht und dann wieder abfällt (Bild 3-6, rechts).
3.3 Stationäres Fahren Bewegt sich ein Fahrzeug translatorisch mit der Geschwindigkeit v und ist zufällig ein kleiner Winkel ß zwischen Fahrtrichtung und Fahrzeuglängsachse entstanden (Bild 3-34), dann treten an den Rädern die Seitenkräfte Sv und Sh auf (links). Soll der Störwinkel wieder kleiner werden, dann muss Sv · av < Sh · ah, oder bei av = ah · Ev < Eh sein.
Bild 3-34 Richtungsstabilität infolge der Seiten- und Bremskräfte.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
In Bild 3-34 ist angenommen, dass sich das Fahrzeug mit der Geschwindigkeit v nach vorn bewegt. Durch eine zufällige Störung schließt die Fahrzeuglängsachse mit der Fahrtrichtung den Winkel E ein. Damit entstehen an den Rädern Seitenkräfte, die für kleine Winkel E diesen proportional sind: Sv = kv · E für die Vorderachse, Sh = kh · ß für die Hinterachse. Um die Hochachse entsteht ein Moment kh · E · a – kv · E · a, das linksdrehend sein muss, wenn die Fahrzeuglängsachse in die Fahrtrichtung zurückkehren soll. Das Fahrzeug ist stabil für kv < kh. Der Seitenkraftbeiwert vorn kv muss kleiner als der hinten kh sein, kv < kh. Hat das Vorderrad einen Nachlauf und lässt der Fahrer das Lenkrad los (free control), dann ist kv = 0 und die Forderung nach Stabilität erfüllt. Hält der Fahrer das Lenkrad aber fest (fixed control), dann muss durch andere konstruktive Maßnahmen für kv < kh gesorgt werden. Im mittleren Bild ist angenommen, dass das Hinterrad blockiert. Es entsteht eine gegen die Bewegungsrichtung gerichtete Bremskraft Bh, die das Moment Bh · a · E um die Hochachse erzeugt. Vom Vorderrad stammt das Moment –kv · E · a, das kleiner sein muss, wenn das Fahrzeug stabil sein soll. Die Forderung ist also kv < Bh. Sie ist in der Regel nicht erfüllt, weil z. B. für einen PKW kv = 50 000 N/rad und Bh = 5 000 N. Im rechten Bild ist angenommen, dass das Vorderrad blockiert und damit das abdrehende Moment – kv · a · E um die Hochachse erzeugt, dem das Moment von der Hinterachse kh · E · a entgegensteht. Stabil ist die Fahrtrichtung für Bv · a · E < kh · E · a, oder BV < kh. Diese Forderung ist in der Regel erfüllt (z. B. für einen PKW: kh = 80 000, Bv = 8 000). Ein Fahrzeug mit gleicher Vorder- und Hinterachslast (av = ah) ist stabil, wenn kv < kh. Nach einer Störung verschwindet der Winkel zwischen Fahrzeuglängsachse und Bewegungsrichtung. Ist kv > kh, wird die Störung immer größer, das Fahrzeug ist instabil. Wird an einer Achse blockierend gebremst (rechts), dann muss kv < Bh (Bh = Bremskraft hinten) oder Bv < kh (Bv = Bremskraft vorn) sein, wenn das Fahrzeug stabil sein soll. kv und kh sind z. B. für einen PKW 50 bis 100 kN/rad groß, die Bremskraft je nach Griffigkeit der Fahrbahn kleiner als 10 kN. Das heißt: Stabilität, wenn vorn gebremst wird, Instabilität beim blockierenden Bremsen hinten. Autos waren in den ersten 30 Jahren nur mit Bremsen an den Hinterrädern ausgerüstet. Das Ford Modell T hatte am Ende seines Lebenszyklus zwar einen elektrischen Starter, aber noch immer keine Vorderradbremsen. Der erforderliche Lenkwinkel verändert sich mit der Querbeschleunigung, Bild 3-35. Je nach dem ob kh > kv oder umgekehrt nimmt der erforderliche Lenkwinkel L mit der Querbeschleunigung ab oder zu (unter- oder übersteuerndes Fahrverhalten, kurvenunwilliges oder kurvengieriges Fahrzeug). Weil aus Stabilitätsgründen kv < kh, sind die Fahrzeuge untersteuernd. Ändert sich das Verhältnis kv/kh mit der Querbeschleunigung, dann kann sich diese Eigenschaft mit der Querbeschleunigung ändern. Deutlich tritt diese Erscheinung je nach Antrieb vorn oder hinten auf, Bild 3-36.
3.3 Stationäres Fahren
125
Bild 3-35 Erforderlicher Lenkwinkel L für eine Kreisfahrt von 105 m Radius für unterschiedliche Seitenkraftbeiwerte. Je nach dem wie sich der Zusammenhang von S und ß verändert (beeinflussbar durch die Rollmomentabstützung, Reifengröße, Reifenluftdruck) wird aus dem untersteuernden Fahrzeug mit kv/kh = 0.75 ein übersteuerndes oder aus dem übersteuernden (kv/kh = 1,33) ein untersteuerndes.
Bild 3-36 Wie Bild 3-35, aber mit Umfangskräften entsprechend Bild 3.4-3. Hinterradantrieb verringert den erforderlichen Lenkwinkel, Vorderradantrieb vergrößert ihn. Allradantrieb (Aufteilung 50:50) liegt praktisch auf dem Bedarf für ohne Antrieb. Die erforderliche Antriebskraft (nicht dargestellt) ist beim Vorderradantrieb größer: das Fahrzeug bremst sich stärker ab.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-37 Erforderlicher Lenkwinkel Lv und Lenkmoment ML für ein hinterradgetriebenes Fahrzeug (Uh = 0 bis 5 kN) mit zunehmender Querbeschleunigung bq vorn. Mit steigender Antriebskraft Uh nehmen Lenkwinkel und Lenkmoment zunächst stetig zu. Bei weiter steigender Umfangskraft Uh nimmt dann erst das Lenkmoment ML, dann auch der Lenkwinkel Lv ab.
Lenkwinkel L und Lenkmoment ML Normalerweise erwartet der Fahrer einen mit der Querbeschleunigung zunehmenden Lenkwinkelbedarf und ein dazu proportionales Lenkmoment. Für größere Querbeschleunigungen und Antriebskräfte trifft das beim Hinterradantrieb nicht zu, Bild 3-37. Trägt man den Lenkwinkel Lv über dem Lenkmoment ML auf, dann ergeben sich verschlungene Kurven. Bei kleinen Antriebskräften Uh krümmen sich die Kurven nach oben um mit steigenden Uh sich nach unten zu krümmen und ab Uh = 2.8 kN sich gleich nach unten zu krümmen. Bild 3-38 zeigt einen Ausschnitt aus dem Diagramm 3-37: bei der Antriebskraft Uh = 2 500 N werden die Querbeschleunigungen 5.6 bis 6.6 m/s2 mit dem fast gleichen Lenkwinkel Lv aber den Lenkmomenten ML = 120 bis 90 Nm gefahren. Das Lenkmoment liefert dem Fahrer die notwendige Information um sich mit sinkendem Lenkmoment an die maximal mögliche Querbeschleunigung heranzutasten. Es ist hier die Frage zu stellen, ob das Fahrzeug nicht ohnehin mehr mit dem Lenkmoment als mit dem Lenkwinkel gesteuert wird. Eine Frage, die für Fahrzeuge mit Knüppelsteuerung essentiell ist. Einfacher ist die Darstellung Lv und ML als Funktion der Querbeschleunigung, Bild 3-39, aufschlussreich Lv und ML als Funktion der Umfangskraft hinten Uh, Bild 3-40. Hervorgehoben ist dort die Uh = 2 500 N, wo mit fast dem gleichen Lenkwinkel Lv die Querbeschleunigungen bq = 5.6 bis 6.6 m/s2 gefahren werden können (links) und das Lenkmoment ML ein Maximum durchläuft (rechts). Während es bis bq = 5.5 m/s2 steigt, fällt es ab dann mit zunehmender Querbeschleunigung.
3.3 Stationäres Fahren
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Bild 3-38 Ein Ausschnitt aus Bild 3-37 für bq > 5.4 m/s2. Fährt der Fahrer z. B. mit einer Umfangskraft am Hinterrad von Uh = 2 500, dann kann er durch eine kleiner Veränderung der Gaspedalstellung (und damit von Uh) bei stillgehaltener Lenkung (Lv = 1.92°) die Querbeschleunigung, bzw. die Krümmung der Fahrspur einstellen. Das Lenkmoment informiert ihn dabei über die Querbeschleunigung: es fällt mit steigender bq und umgekehrt.
Bild 3-39 Lenkwinkel Lv und Lenkmoment ML, abhängig von der Querbeschleunigung für Hinterradantrieb. Zwischen bq = 6 und 6.4 kann der Fahrer bei fast unverändertem Lenkwinkel das Fahrzeug führen.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-40 Lenkwinkel Lv (links) und Lenkmoment ML abhängig von der Abtriebskraft an der Hinterachse Uh für verschiedene Querbeschleunigungen bq.
Hervorgehoben ist Uh = 2 500 N, bei der das Lenkmoment bei bq = 5.5 m/s2 maximal ist und nach höheren Querbeschleunigungen rasch abfällt. Der Lenkwinkel Lv (links) muss dazu nur ganz wenig vergrößert werden: die Lenkung ist sehr empfindlich, reagiert auf kleine Lenkwinkeländerungen mit großen Veränderungen von Lenkmoment ML und Querbeschleunigung bq. Bei Vorderachsantrieb sind die Verhältnisse einfacher, Bild 3-41 und 3-42. Bei Allradantrieb liegen sie dazwischen, Bild 3-43 und 3-44.
Bild 3-41 Lenkwinkel Lv und Lenkmoment ML abhängig von der Querbeschleunigung fürVorderradantrieb. Im Vergleich zum Hinterradantrieb 3-39 ist der Verlauf weit weniger dramatisch.
3.3 Stationäres Fahren
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Bild 3-42 Lenkwinkel Lv (links) und Lenkmoment ML abhängig von der Antriebskraft an der Vorderachse Uv für verschiedene Querbeschleunigungen bq.
Bild 3-43 Lenkwinkel Lv und Lenkmoment ML abhängig von der Querbeschleunigung für Allradantrieb.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-44 Lenkwinkel Lv (links) und Lenkmoment ML, abhängig von der Antriebskraft bei Allradantrieb (50–50) für verschiedene Querbeschleunigungen bq. Der Lenkwinkelbedarf fällt erst bei Querbeschleunigungen über 5 m/s2 merklich ab. Dort verringert sich auch das Lenkmoment ML und zeigt damit dem Fahrer die Annäherung an die Grenze an.
Bild 3-45 Überlagerungsgetriebe der Aktivlenkung, die den vom Fahrer eingegebenen Lenkwinkel geschwindigkeitsabhängig vergrößert.
3.3 Stationäres Fahren
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Lenkradwinkel LRW abhängig von der Fahrgeschwindigkeit v (m/s), bzw. dem Kurvenradius R, Querbeschleunigung bq = 1 m/s2 für konstante Lenkwinkelübersetzung LWU = 20 und Geschwindigkeitsabhängige LWU = 40 – 700/(v + 20) Rechts: Lenkradmoment LRM für die Lenkmomentübersetzung LMU = 20 und LMU = 40 und zugehörige Lenkwinkelübersetzung LWU
Bild 3-46 Links:
Unter dem Begriff Servolenkung wird meist eine Lenkraftunterstützung verstanden, obwohl sich der Servo auch auf den Lenkwinkel beziehen kann. Das geschieht z. B. bei der Aktivlenkung, die im ATZ-Sonderheft Der neue BMW 5er, August 2003, S. 100, Bild 3, beschrieben ist. Ein Servomotor addiert einen vom Lenkradwinkel LWR und der Fahrgeschwindigkeit abhängigen Lenkwinkel dazu. Die Übersetzung zwischen LRW und Lenkwinkel am Rad L ist dann nicht mehr konstant (z. B. 20), sondern von der Fahrgeschwindigkeit abhängig, z. B. LRW/L = LWU = 40 – 700/(v + 20). Dabei bleibt aber die Lenkmomentübersetzung konstant 40. Es ergeben sich die in Bild 3-46 dargestellten Verhältnisse. Für kleine Fahrgeschwindigkeiten (v = 2 m/s) sind im Vergleich zu einer Lenkung mit konstanter Übersetzung LWU = 20 Lenkradwinkel LRW und Lenkmoment am Lenkrad etwa halb so groß, bei großer Fahrgeschwindigkeit (z. B. v = 50 m/s) der LRW 50 % größer, das Lenkmoment halb so groß. Die Lenkwinkelübersetzung LWU ist 8.2, bzw. 30. Die Lenkarbeit für den Fahrer ist 20.5, bzw. 75 % der Lenkarbeit wie mit der konstanten LWU = 20. In Bild 3-46 sind Lenkradwinkel LRW und Lenkradmoment MLR abhängig von der Fahrgeschwindigkeit bei einer Querbeschleunigung von bq = 1 m/s2 für eine Lenkung mit konstanter Übersetzung LWU = 20 und einer Aktivlenkung mit LWU = 40 – 700/(v + 20) dargestellt. Die Lenkmomentübersetzung LMU ist konstant 20 bzw. 40. Bild 3-45 vergleicht die Rechenergebnisse mit Messwerten aus dem genannten Sonderheft, dort S. 92, Bild 7. Bild 3-46 zeigt eine andere Auslegung einer Aktivlenkung, bei der die Lenkwinkelübersetzung LWU = 20 (1 + .01 (v – 24)2) bis zur Geschwindigkeit 24 m/s abnimmt. Der am Lenkrad erforderliche Winkel nimmt daher mit der Fahrgeschwindigkeit ab. Bild 3-46 zeigt die von BMW gewählte Auslegung, bei der der erforderliche Lenkradwinkel bis 130 km/h kleiner, darüber größer ist.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
3.4 Einfluss der Luftkräfte Die Wirkung einer Seitenwindböe ist eine allgemein bekannte, wenig geschätzte Folge einer Luftbewegung, die das Auto auf einer Brücke, nach einem Tunnel oder auf einer Lichtung treffen kann. Bild 3-47 zeigt die Wirkung einer solchen Störung, die maximal 1 000 N erreicht und langsam anschwellend und abfallend (nach einer Glockenkurve) etwa 1 s dauert. Variiert ist dabei der Angriffspunkt (an der Vorderachse, 1.3 m vor dem Schwerpunkt, oder +/– 10 % davon entfernt), links und der Seitenkraftbeiwert vorn kv = 60 kN/rad +/– 10 %, rechts. Über der Zeit sind Gierwinkelgeschwindigkeit und Spurabweichung aufgetragen. Überraschend ist vielleicht, dass die Variation von kv den größeren Einfluss hat und dass der kleinere kv-Wert zur kleineren Spurabweichung führt.
Bild 3-47 Einfluss einer Seitenwindböe Pw, die aw vor dem Schwerpunkt angreift (Glockenkurve von etwa 1 s Dauer) auf Gierwinkelgeschwindigkeit dpsi/dt und Spurabkommen y. Links ist der Angriffspunkt der Seitenwindkraft aw und Rechts der Seitenkraftbeiwert vorn kv um +/– 10 % variiert.
Einen oft unterschätzten Einfluss auf das Fahrverhalten hat der auf die Hinterachse wirkende Anteil des Auftriebs: er verringert dort die Seitenführungskraft und verschlechtert damit die Stabilität. Nach einer Störung kehrt das Fahrzeug nur verzögert in den Geradeauslauf zurück, Bild 3-48. Treten zwei Störungen auf, wie z. B. beim Überholen eines Lastzuges bei Seitenwind, dann treten Verhältnisse auf, die für den Fahrer verwirrend und daher beängstigend sind, Bild 3-49.
3.4 Einfluss der Luftkräfte
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Bild 3-48 Bei windschlüpfig gestalteten Bauformen liegt über der hinteren Fahrzeughälfte ein Gebiet mit hohem Unterdruck, das die Hinterachse entlastet. Die damit kleiner werdende Seitenführungskraft an der Hinterachse (rechts) führt zu einem langsamen Ausklingen einer Störung L (links), die für den Fahrer irritierend ist. Abhilfe schaffen Spoiler am Fahrzeugende, die vor sich einen Überdruck aufbauen. Günstige Luftwiderstandsbeiwerte müssen immer gleichzeitig mit dem Heckauftriebsbeiwert gesehen werden.
Bild 3-49 Der hier angenommene Heckauftrieb führt zu unbefriedigenden Reaktionen nach zweimaliger Störung.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
3.5 Allradlenkung In vielen Fällen ist die Hinterradlenkung vorteilhaft, z. B. für Bau- oder Landwirtschaftsfahrzeuge. Auch beim Einparken machen wir uns diesen Vorteil zunutze: nur durch Rückwärtsfahren kann man Vorder- und Hinterachse genau an den Randstein platzieren. Fahrdynamisch bringt die Hinterradlenkung aber Probleme, die nicht ohne weiteres zu beherrschen sind. Bild 3-50 zeigt die Sprungantwort eines hinterradgelenkten Fahrzeugs. Die Krümmung der Fahrspur k ist zunächst negativ, weil der Schwerpunkt zum Einlenken nach außen verschoben werden muss. Erst nach etwa 0.1 Sekunden wechselt sie das Vorzeichen. Bei der Vorderradlenkung springt die Krümmung gleich in die endgültige Richtung und die Gierwinkelbeschleunigung ist dort kleiner. Der Unterschied zwischen Vorder- und Hinterradlenkung wird im Verlauf der Seitenkräfte an den Achsen Sv und Sh deutlich, Bild 3-51. Die Seitenkraft am gelenkten Rad spürt der Fahrer als Lenkmoment, sofern ein wirksamer Nachlauf (Reifennachlauf + geometrischer Nachlauf) vorliegt. Während beim vorderradgelenkten Fahrzeug (links) die Seitenkraft stets positiv ist, wechselt sie bei der Hinterradlenkung das Vorzeichen. Will man eine Hinterradlenkung realisieren, dann muss man den geometrischen Nachlauf negativ machen. Und zwar absolut so groß wie den Reifennachlauf. Das ist eine kritische Aufgabe, weil sich der Reifennachlauf mit Last und Reifenluftdruck verändert. Vergrößert sich dann bei zunehmender Querbeschleunigung der Schräglaufwinkel, dann wird der Reifennachlauf kleiner und es entsteht der notwendige negative Nachlauf für ein Lenkmoment, das mit steigender Querbeschleunigung zunimmt. Bei kleinen Seitenkräften Sh wird sich die Lenkung tot anfühlen, was man durch ein rückstellendes Federmoment beseitigen kann. (So eine Rückstellung hat es einmal beim Renault R4 gegeben. Ob das Stabilität beim Rückwärtsfahren bringen sollte, ist mir nicht bekannt.) Rückdrehend wirkt auch die Krümmung der Aufstandsfläche sowie das Moment um die Lenkachse, das infolge des Nachlaufwinkels entsteht: man wird die Lenkachse nach vorn neigen (Lenkradwinkel LRW < 0), wodurch sich zusammen mit dem negativen Nachlauf n ein rückstellendes Moment ergibt.
Bild 3-50 Sprungantwort bei Hinterradlenkung. Der Lenkwinkel springt in t = 0 auf –1°. Die Krümmung k springt zunächst auf einen negativen Wert, weil das Heck nach dem Kurvenäußeren gebracht werden muss, links. Erst nach 0.1 s wechselt sie das Vorzeichen. Die Gierwinkelbeschleunigung ist größer als bei Vorderradlenkung, weil der größere Winkelbedarf an der Vorderachse durch Drehen des ganzen Fahrzeugs erreicht werden muss.
3.5 Allradlenkung
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Bild 3-51 Seitenkräfte vorn Sv und hinten Sh nach einem Lenkradsprung. Bei der Vorderachslenkung (links) springt Sv mit und leitet die Drehung um die Hochachse ein. Sh steigt langsamer, muss aber nach etwa 0.5 s größer als Sv werden, um die Drehung wieder abzufangen. Bei der Hinterradlenkung (rechts) ist Sh zunächst nach kurvenaußen gerichtet um die Drehung einzuleiten. Nach etwa 0.2 s wechselt sie das Vorzeichen. Hat die gelenkte Hinterachse einen positiven Nachlauf, dann ergibt sich zunächst ein rückstellendes Lenkmoment, nach 0.2 s aber ein den Lenkwinkel vergrößerndes. Der Fahrer muss gegenhalten. Bei einer Linkskurve muss er nach 0.2 s versuchen das Lenkrad nach rechts zu drehen.
Das Rezept für eine fahrdynamisch brauchbare Hinterradlenkung ist also: x negativer Nachlauf, so groß wie der Reifennachlauf, also etwa 1/6 der Länge der Aufstandsfläche. Die Lenkachse durchstößt die Fahrbahn hinter der Mitte der Aufstandsfläche, stationäre Seitenkräfte aus einer Kurvenfahrt führen zu einem Lenkmoment, das mit der Querbeschleunigung zunimmt und aus der Kurve heraus lenkt, x rückstellendes Lenkungsmoment durch steife Lauffläche, nach vorn geneigte Lenkachse und eventuell rückstellendes Federmoment, das den Lenkwinkel auf Lh = 0 bringt (genaue Justierung für einwandfreien Geradeauslauf notwendig). Bisher wurde noch nie ein fahrdynamisch brauchbares Fahrzeug mit Hinterradlenkung entwickelt. Eine solche Lösung könnte aber z. B. für ein Stadtfahrzeug mit hinten enger Spur oder ein aerodynamisches Dreiradfahrzeug durchaus vorteilhaft sein (Einparken in der Stadt, Entfall des Breitenanspruchs für die gelenkten Räder vorn.) Den Verlauf der Seitenkräfte vorn und hinten Sv und Sh bei einem sanften Lenkeinschlag bei Vorder- und Hinterradlenkung zeigt Bild 3-52. Der Vorzeichenwechsel von Sh bei Hinterradlenkung in 0.73 s wird sichtbar. Dieser störende Anteil, der in die Kurve hineinlenkt und zur fortwährenden Lenkungsunruhe führt, muss durch geometrischer Nachlauf = – Reifennachlauf unterdrückt werden. Die größeren Seitenkräfte führen dann infolge kleiner werdendem Reifennachlauf zum erwünschten, aus der Kurve lenkendem Lenkmoment. Obwohl stationär die gleiche Krümmung erreicht wird, ist der Verlauf von Querbeschleunigung (max. 2.6, bzw. 3.2 m/s2), Richtungswinkel nach 2 s (4.26, bzw. 4.32 °) und Querversatz (1.73, bzw. 1,52 m) unterschiedlich zugunsten der Vorderradlenkung. Die maximale Seitenkraft ist in beiden Fällen an der Hinterach-
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
se größer. Absolut sind die Seitenkräfte bei der Hinterradlenkung größer, weil infolge des verzögerten Ansprechens (bis 0.73 s Sh in der „falschen“ Richtung) ein Nachholbedarf entsteht.
Bild 3-52 Seitenkräfte vorn und hinten bei einem Lenkimpuls von etwa 1 s Dauer. Bei der Vorderachslenkung steigt die Seitenkraft Sv mit dem Lenkwinkel an, Sh folgt verzögert und überschreitet später Sv. Das ist zum Einleiten und Abfangen der Drehbewegung um die Hochachse notwendig. Hat die Vorderachse einen positiven Nachlauf, dann ist das Lenkmoment für kleine Schräglaufwinkel Sv proportional. In einer Linkskurve muss der Fahrer ein nach links gerichtetes Lenkmoment ausüben. – Bei der Hinterachslenkung (rechts) schiebt Sv erst nach außen um die Drehung um die Hochachse einzuleiten, steigt dann aber über Sv an.
Bild 3-53 Allradlenkung, links gegensinnig, rechts gleichsinnig. Durch das richtige Verhältnis Lh zu L wird dem Lenkimpuls rascher gefolgt und die Seitenkräfte bleiben beide kleiner.
3.5 Allradlenkung
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Auch die Allradlenkung wird immer wieder vorgeschlagen. Dabei denkt man zunächst an den kleineren Wendekreis, der sich mit gegensinnigem Lenken hinten ergibt. Fahrdynamisch ist eine solche Lösung nicht erstrebenswert, Bild 3-53 links. (Alle Beispiele führen zur gleichen stationären Krümmung k.) Fahrdynamisch vorteilhaft ist hingegen ein gleichsinniges Lenken an Vorder- und Hinterachse, wobei der Lenkeinschlag hinten kleiner als vorn ist. Durch die Wahl eines entsprechenden Faktors Lh/L (Bild 3-24 rechts) kann erreicht werden, dass die maximalen Seitenkräfte vorn und hinten gleich groß sind. Die maximale Querbeschleunigung ist dann 5.6 m/s2, nach 2 s ist der Richtungswinkel nur 4.23 °, der Querversatz 1.87 m. Dieses Fahrzeug reagiert am raschesten und hat dabei die kleinsten Seitenkräfte. Will man beide Vorteile der Allradlenkung nutzen, dann muss das Verhältnis qq (also die Übersetzung zwischen Lenkeinschlag vorn L und hinten Lh) mit der Geschwindigkeit verändert werden: bei kleiner Geschwindigkeit (Einparken, Rangieren) ist z. B. Lh = –L (was einen schmaleren Radkasten bringt), bei großer Geschwindigkeit aber ist LH gleichsinnig mit L. Günstiges Verhalten wird erreicht, wenn die maximalen Seitenkräfte Sv und Sh gleich groß sind. Die Bilder 3-54 und 3-55 zeigen, in welchem Verhältnis Lh zu L stehen muss. Zur Servolenkung ist zu bemerken, dass der Ausdruck power steering und Lenkkraftunterstützung in die Irre führt. Dem Fahrer soll Lenkarbeit abgenommen werden. Das kann über eine Kraft-, aber auch eine Wegunterstützung erfolgen. Möglicherweise ist ein Additionsgetriebe in einer hoch übersetzten Lenkung billiger und bietet mehr Möglichkeiten als die gängige Kraftunterstützung. Mit abnehmender Geschwindigkeit würde der Lenkwinkel des Lenkrades immer mehr vergrößert, so dass der Fahrer infolge der hohen Übersetzung zwar das kleine Lenkmoment, aber einen nicht zu viele Lenkradumdrehungen von Anschlag zu Anschlag hat. Eingriffe zur Spurkorrektur (Seitenwindböen, Spurabeichung durch Fahrbahnglätte) sind leicht möglich.
Bild 3-54 Sollen die Maximalwerte von Sv und Sh gleich groß sein, dann muss sich die Anpassung von Lh an L mit der Geschwindigkeit nach der angegebenen Formel (qq =..) ändern: bei kleinen Fahrgeschwindigkeiten lenkt Sh gegensinnig, bei größeren gleichsinnig mit immer größer werdendem Lh.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-55 Allradlenkung mit geschwindigkeitsabhängiger Übersetzung mit dem Ziel gleich große maximale Seitenkräfte vorn und hinten zu erreichen.
3.6 Kraftkorrigierte Lenkgeometrie
Bild 3-56 Kraftkorrigierte Lenkgeometrie >3.6@
Bei der Auslegung der Achsschenkellenkung hat man zunächst großen Wert auf das saubere Abrollen aller Räder gelegt. Für langsames Rollen z. B. in der Garage oder in der Werkstatt ist das auch heute noch ein erstrebenswertes Ziel. Für realistische Schräglaufwinkel, wie sie bei jeder Fahrt mit von Null verschiedener Geschwindigkeit auftreten, verliert die „präzise“ Achs-
3.7 Straße
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schenkellenkung an Überzeugungskraft, Bild 3-56. Das Momentanzentrum der Fahrzeugbewegung rückt nach vorn. Das führt dazu, dass die Schräglaufwinkel an den weniger Belasteten kurveninneren Rädern größer als die an den kurvenäußeren werden. Erwünscht wäre eher das Gegenteil. Tatsächlich wählt man die Lenkgeometrie mehr in Richtung einer Parallellenkung. Auch die Vorspur an der Vorderachse führt zum gleichen Ziel. Beide Maßnahmen werden aber durch zunehmenden Rollwiderstand bei langsamen Fahrgeschwindigkeiten begrenzt.
3.7 Straße
Bild 3-57 Straßenverlauf mit den Koordinaten k(s), Krümmung k als Funktion des Weges s. s(i) ist die Weglänge der Kurvenscheitel, g(i) die Winkeländerung in der Kurve i und k(i) die Scheitelkrümmung. Die Breite der Straße B hängt von der örtlichen Krümmung nach der angegebenen Formel ab.
Der Verlauf der Straße lässt sich am einfachsten in einem mitgeführten Koordinatensystem k(s) (Krümmung der Straße als Funktion der Weglänge) beschreiben. Als Funktion für den Krümmungsverlauf einer Kurve bietet sich die Gauß´sche Glockenkurve an, die an allen Stellen differenzierbar ist und keine Sprünge in irgendeiner Ableitung aufweist. Für den Straßenverlauf Bild 3-57 sind nur die Krümmungsradien im Kurvenscheitel k(i), die Richtungsänderung in dieser Kurve g(i) und der Ort, in dem der Kurvenscheitel liegt, s(i) erforderlich. Weil die maximale Krümmung (der kleinste Kurvenradius) aus Sicherheitsgründen für einen Straßenzug möglichst gleich groß sein soll (damit sich die Fahrer darauf einstellen können), ist der Kurvenzug mit wenigen Angaben beschrieben. Bild 3-58 gibt den zugehörigen Verlauf von Krümmung k und Richtungswinkel f. Aus diesen Daten können aber noch andere Angaben abgeleitet werden: die Straßenbreite muss in engen Kurven verbreitert werden: z. B. B = 12 + 60 ABS (k). In Bild 3-28 ist das berücksichtigt. Die Straße ist in der Nähe des Wendepunktes (s = 440), und im letzten Stück ist die Straße deutlich schmaler als in der Nähe der Kurvenscheitel. Auch die Querneigung wird sinnvoll der Krümmung proportional gemacht. Schließlich liegt auch die Steigung der Straße als Funktion des Weges vor. Mit diesen Angaben kann auch die Entwässerung (Mindestneigung) untersucht und erforderlichenfalls korrigiert werden >3.1@. Bild 3-59 zeigt das Straßenstück perspektivisch. Es sind Steigung, Breite und Querneigung erkennbar.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Diese Angabe des Straßenverlaufs ist weit zweckmäßiger und mit Hilfe moderner Rechentechnik einfacher als die diskontinuierliche mit Geraden, Bögen und Übergangsbögen dazwischen.
Bild 3-58a Krümmung k und Richtungswinkel f des Straßenverlaufs nach Bild 3-57. Gepunktet ist der Krümmungsverlauf der einzelnen Kurven angegeben. Die Summe ergibt die Krümmung k. Der Richtungswinkel f = INT (k · ds).
Bild 3-58b Verlauf von Querbeschleunigung und Ruck in der ersten Hälfte einer Kurve, Richtungsänderung g = 1 rad = 57.3 °, Fahrgeschwindigkeit v = 30 m/s = 108 km/h. Folgt das Fahrzeug erst einer Klothoide und dann einem Kreisbogen (Rechtecke), dann springt der Ruck bei s = –395 von 0 auf 0.19 m/s3. Nimmt die Querbeschleunigung nach der angegebenen Glockenkurve (Gauß-Kurve) zu, dann ergibt sich für den Ruck (und alle höheren Ableitungen) eine stetige Kurve, was den realen Verhältnissen entspricht.
3.7 Straße
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Bild 3-59 Kurvenverlauf nach Bild 3-57 in räumlicher Darstellung. Steigung, Straßenbreite und Querneigung ergeben sich aus der angegebenen Gleichung. Die Steigung ist 5 % –200 ABS(k): das heißt, dass die Steigung im Kurvenscheitel kleiner als in der Nähe von k = 0 ist. Das umgekehrte trifft auf die Straßenbreite zu: sie ist im Kurvenscheitel breiter als dazwischen.
Bild 3-60 Befahren der Straße nach Bild 3-57 mit v = 15 m/s, Allradantrieb. Die Spurabweichung y führt dazu, dass die Krümmung der Fahrspur k kleiner als die Krümmung der Straße ks ist. Die Kurven werden „geschnitten“.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
Bild 3-61 Wie Bild 3-60, aber mit V = 18 m/s. Die Schräglaufwinkel E sind nun beträchtlich größer, weil die Seitenkräfte in den nichtlinearen Bereich führen.
Bild 3-60 und 3-61 untersuchen das Folgen einer vorgegebenen Strecke, hier der Kurvenzug Bild 3-59. Es ist ein Fahrzeug mit Allradantrieb angenommen. Die Seitenkräfte hängen nichtlinear mit dem Schräglaufwinkel E unter Berücksichtigung der Umfangskräfte zusammen. Die Fahrzeugdaten sind: m = 1 320 kg, a = r = 1.3 m, kv = 60 000 N/rad, S0v = 6 000 N (die maximal übertragbare Seitenkraft vorn), kh = 80 000 N/rad, Sh0 = 8 000. Die Umfangskräfte hängen von der variablen Steigung ab. Fahrgeschwindigkeit 15 m/s = 54 km/h, in Bild 3-37 v = 20 m/s = 72 km/h. Die Spurabweichung y folgt mit geringer Verzögerung der Krümmung der Fahrspur ks. Die Summe der Radumfangskräfte Uv verändern sich mit der Steigung st = 5 – 200 ABS(ks) %. Im Grundriss liegt infolge der Vorhaltestrecke e die Fahrspur immer im Kurveninneren, Bild 3-62. In der Realität schaut der Fahrer aber auch weiter voraus und schätzt dort den Krümmungsradius. Nach dieser Einschätzung wird er die Geschwindigkeit anpassen und die Fahrspur am Kurvenanfang nach außen legen um mit einer kleinen Krümmung der Fahrspur durch die Kurve zu kommen und insbesondere aus der Kurve möglichst früh heraus beschleunigen zu können, Bild 3-63.
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Bild 3-62 Wie Bild 3-57. Die dicke Linie bezeichnet die Fahrspur. Durch die Vorausschau wird die Krümmung der Fahrspur zwar verringert, doch wir diese Möglichkeit nicht voll genutzt, weil das Fahrzeug auf der Mittellinie in die Kurve einfährt.
Bild 3-63 Wie Bild 3-37, aber mit einer Spurkorrektur, die das Fahrzeug vor der Kurve an den äußeren Kurvenrand bringt. Die Scheitelkrümmung der Fahrspur liegt nun vor dem Kurvenscheitel (z. B. bei etwa s = 930, Kurvenscheitel 970), so dass aus der Kurve heraus voll beschleunigt werden kann.
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3 Lenken – Fahrzeugführung quer
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145
4 Fahrzeugführung vertikal, Federung Jede Unebenheit in der Fahrbahn von der Länge L führt beim Überfahren mit der Geschwindigkeit v zu einer Erregung mit der Frequenz f = v/L. Manchmal wird diese Tatsache scherzhaft „Schallplattengleichung“ genannt, weil beim mechanischen Grammophon von den Wellen der Rillen die Frequenzen für die Tonerzeugung geliefert werden. Will man die „regellose“ Fahrbahn statistisch erfassen, dann erfolgt das nach Bild 4-1 bis 4-3. Beim Fahren auf der Straße mit der Längendimension s ergibt sich aus der Funktion x(s) die Funktion x(t), aus den Welllängen l wird die Frequenz f = v /l, aus der Dichte A(l ) = dx2/ f l die Dichte A( f ) = dx2/d f = v /f 2, A(l) (weil d l / d f = v / f 2). x(t) wird als das Integral von unendlich vielen Elementen x = xo EXP(i · w) verstanden. (Z ist die Kreisfrequenz Z = 2 pi · f.) Die Erregergeschwindigkeit dx / dt = i · Z · x, die Erregerbeschleunigung d 2x / dt 2. Die Geschwindigkeitsdichte V( f ) = 4 pi2 v · A(l ), die Beschleunigungsdichte B( f ) = 16 pi4 · v · A(l ) f 2. Das Quadrat des Effektivwerts der Beschleunigung ist beff 2 = INT (Beff · df ). Es ist über den ganzen Bereich der Frequenzen, bzw. Wellenlängen zu erstrecken.
Bild 4-1 Der Längsschnitt durch eine Straße zeigt die Amplitude x als Funktion der Wegstrecke s, x = x(s). Zur statistischen Erfassung wir das Koordinatensystem so gewählt, dass xm = 0. (Die x-Achse liegt „im Schwerpunkt“ von x(s)). Der Effektivwert xeff ist dann ein Maß für die „Unebenheit“. Die Dichte A(l) beschreibt nach der angegebenen Funktion den „Wellenlängengehalt“.
146
4 Fahrzeugführung vertikal, Federung
Bild 4-2 Es kommt aber auch auf die Verteilung der Amplituden über der Wegstrecke an. Meistens kann eine Normalverteilung angenommen werden. Nur unter dieser Voraussetzung gelten die weitergeführten Rechnungen. 68 % der Strecke ist die Amplitude x(s) absolut kleiner als xeff, 95 % kleiner als 2 xeff und 99.7 % kleiner als 3 xeff. Man geht davon aus, dass x(s) > 3 xeff „nicht vorkommt“.
Bild 4-3 Unebenheitsdichte als Funktion der Wellenlänge A(l) (links) und Frequenz A( f )
Straßenoberflächen werden zur Untersuchung ihrer Oberflächenqualität auf verschiedene Art vermessen. Aus diesen Messungen ergibt sich Bild 4-3. Die Unebenheitsdichte A(l) = dx2/dl zwischen l = 0.1 und l = 100 m liegt für unterschiedliche Straßen bei etwa 10–6 m. Wellenlän-
4.1 Fahrzeuge ohne Federung – Ochsenkarren
147
gen unter 0.1 m werden von der Aufstandsfläche der Reifen eingeebnet, Wellen über 100 m Länge lassen die Federung bei den gängigen Geschwindigkeiten nicht ansprechen. Die Grenzkurven gelten für alte Landstraßen in schlechtem Zustand und gute, neue Autobahnen. An die Fahrbahnoberfläche für den Transrapid werden höhere Ansprüche gestellt, z. B. A(l ) = 10–7 m. Die Unebenheitsdichte als Funktion der Frequenz A( f ) errechnet sich daraus zu A( f ) = v · A(l )/f 2. Sie ist in Bild 4-3 für Mittelwert und Grenzkurven bei v = 1 m/s angegeben. Dieser Bereich wird durch die Länge der Aufstandsfläche Lb begrenzt, Bild 4-4.
Bild 4-4 Aufbaubeschleunigung beff am ungefederten Fahrzeug (Ochsenkarren). Das Integral beff = SQR(INT B · df) findet dadurch eine obere Grenze, dass die Unebenheiten der Fahrbahn durch die Länge der Aufstandsfläche begrenzt wird: fmax = v/Lb.
4.1 Fahrzeuge ohne Federung – Ochsenkarren Bewegen sich Fahrzeuge mit der Geschwindigkeit v auf einer gegebenen Fahrbahn, dann lässt sich der Effektivwert der Beschleunigung angeben. Dazu ist die Beschleunigungsdichte über den ganzen Frequenzbereich zu integrieren. Es ergibt sich stets eine obere Grenze durch die Länge der Aufstandsfläche des Rades. Ist sie z. B. 0.1 m lang, dann werden bei einer Fahrgeschwindigkeit von v alle Frequenzen über f = v/l unterdrückt. Abgesehen von allen weiteren Maßnahmen wird man daher versuchen, die Aufstandsfläche so lang wie möglich zu machen. Das ist durch einen möglichst großen Raddurchmesser zu erreichen. In der geschichtlichen Entwicklung wurden die Scheibenräder rasch sehr schwer, weshalb die Erfindung des Speichenrades vor 6 000 Jahren einen großen Fortschritt bedeutet hat. Im Beispiel des Bildes 4-4 beträgt der Effektivwert der Beschleunigung 2.54 m/s2, der „Spitze-Spitze-Wert“ bss = 6 beff = 15.2 m/s2, der Maximalwert bmax = +/– 7.61/s2. Solange man das Fahrzeug als völlig starr
148
4 Fahrzeugführung vertikal, Federung
betrachten kann, würde eine Last auf dem Fahrzeug nicht abheben. Seine Last schwankt zwischen m (g +/– 7.61), also m 2.2 bis m 17.4 N. Tatsächlich ist das Fahrzeug nicht völlig starr. Der Radumfang wird sich unter der konzentrierten Last deformieren, die Achse verbiegen, das Bodenbrett sich durchbiegen, usw.
4.2 Ideale Federung –Transrapid Will man die Nutzlast eines Fahrzeuges von den Beschleunigungen aus der Unebenheit der Fahrbahn isolieren, dann muss ein Element R zwischen Fahrbahn und Fahrzeugmasse M eingeschaltet werden, Bild 4-5. Dieses Element R soll die Last abstützen, also bei f = 0 übertragen, höhere Frequenzen aber nicht durchlassen. Das ist aber nicht möglich, weil das Fahrzeug langen Wellen folgen muss um z. B. einen Hügel zu überwinden oder ein Tal zu durchfahren. Es hängt von dieser Eckfrequenz f0 ab, welche Beschleunigungen übertragen werden und welche Unebenheiten vom Element R geschluckt werden. Die Beschleunigung stammt aus der starren Kopplung an die Fahrbahn zwischen 0 und f0 Hz. Sie ist beff 2 = INT( f = 0 bis f0) (B( f ) df = 16 pi4 · v · A(l) f
2.
Bild 4-5 Ideale Federung. Das Element R überträgt alle Frequenzen unter f0, keine über f0. Dadurch folgt das Fahrzeug den langen Wellen mit niederen Frequenzen ( f < f0), bleibt aber von den höheren Frequenzen unbeeinflusst. Wird z. B. für eine Magnetschwebebahn für den Fahrweg A(l) = 10-7 und eine Fahrgeschwindigkeit von 120 m/s angenommen, dann schwankt der Abstand zwischen Fahrbahn und Führungselement um +/– 3 (xa – x)eff = +/– 10.4 mm: (xa – x)eff 2 = INT( f = 0 bis 1/0) (A( f ) df ) = 3.46 mm, die Aufbaubeschleunigung ist 0.08 m/s2, weil beff 2 = INT( f = 0 to f0) (B( f ) df ) = 64 · 10-4. (B( f ) = 16 pi 4 f 4 v (Al )/f 2)
4.3 Erträglichkeit mechanischer Schwingungen, Federungskomfort
149
Das Element R muss den Wegunterschied zwischen Aufbau xa und Fahrbahn x aufnehmen: (xa – x)eff 2 = INT ( f = f0 bis 1/0) (A( f ) df = v · A(l)/f0 2. Für die Annahmen zum Transrapid (v = 120 m/s = 432 km/h, A(l) = 10–7) errechnet sich eine effektive Beschleunigung beff = 0.239 m/s2 und eine „Federweg“ (xa – x)eff = 3.46 mm. Das Führungselement bewegt sich gegen die Fahrbahn um +/– 10.4 mm.
4.3 Erträglichkeit mechanischer Schwingungen, Federungskomfort Nach ISO 2631/3 und verschiedenen anderen Untersuchungen sind die in Bild 4-6 angegebenen Beschleunigungen für die dort angegebene Zeit t „erträglich“. Geht man für ein Auto von zwei Stunden ununterbrochenem Fahren aus, dann ist z. B. eine Beschleunigung von 0.5 m/s2 bei 0.1 Hz erträglich. Das entspricht einer Amplitude von 0.5/w2 = 0.5 /(4 pi^2 f 2) = 1.27 m. In 5 s bewegt sich der Betroffene um 2.54 m nach oben oder nach unten. Es ist der „Seekrankheitseffekt“, von dem wir wissen, wie groß die individuellen Unterschiede sind. Und welchen Einfluss die Tagesverfassung hat. Bei 1 Hz vertragen wir relativ viel, 1.5 m/s2, bzw. +/– 38 mm. Bei 10 Hz nur mehr 2.3 mm und bei 100 Hz 0.025 mm. Das ist so wenig, dass die Schwingung gewissermaßen gar nicht mehr in den Körper eindringt. Die Erträglichkeitskurve gibt nur eine ungefähre Vorstellung.
Bild 4-6 Wahrnehmungsstärke von mechanischen Schwingungen für den sitzenden Menschen
150
4 Fahrzeugführung vertikal, Federung
4.4 2-Masse Federungsmodell Das einfachste Federungsmodell hat zwei Massen: die Aufbaumasse ma und die Radmasse mr, Bild 4-7. Zwischen Radmasse (Koordinate xr) und Fahrbahn (x) liegen die Reifenfeder cr (N/m) und Reifendämpfung, die meist weggelassen wird, weil sie klein ist und im Normalfall wenig Einfluss hat. Zwischen Rad- und Aufbaumasse liegen Feder c (N/m) und Dämpfer rho (Ns/m). Das Verhältnis in dem xa und xr zu x stehen wenn die Erregung x = x0 EXP(i · Z · t) ist, geben die in Bild 4-7 angeführten Differentialgleichungen. Das Ergebnis ist als Aufbaubeschleunigung ba = –xa · Z 2 bei der Erregergeschwindigkeit x iZ gegeben: ba wegen der Bedeutung, x · iZ deshalb, weil die Erregergeschwindigkeit weniger von der Erregerfrequenz abhängt als die Erregeramplitude x. – Der Extremfall Dämpfungsmaß D = 0 führt zu zwei Polstellen bei etwa 1 und 10.5 Hz, der Extremfall D = 9 999 (= sehr groß) zu einer Polstelle bei etwa 3 Hz: Aufbau- und Radmasse federn zusammen (der Dämpfer ist ja starr) auf der Reifenfeder. An 4 Punkten schneiden sich die beiden Kurven: bei 0 Hz, etwa 1.4 Hz, 10 und 11 Hz. Diese 4 Punkte sind Fixpunkte für alle endlichen Dämpfungen. Durch die Wahl des Dämpfungsmaßes kann man zwar den Verstärkungsfaktor ba/xiZ bei 1 Hz stark beeinflussen, kaum aber bei 10.5 Hz.
Bild 4-7 Aufbaubeschschleunigung xa · Z 2 / Erregergeschwindigkeit dx/dt = x · Z über der Erregerfrequenz f = Z /2 pi. Für das eingezeichnete Modell mit der Aufbaumasse ma und der Radmasse mr, den Kennfrequenzen f1 = SQR(c/m) und f2 = SQR(cr/mr) ist das Ergebnis für verschiedene Dämpfungen D angegeben. Die Schnittpunkte der Kurven für D = 0 und D = 9 999 sind invariant für alle beliebigen D.
Der Verstärkungsfaktor selbst sagt noch nichts über die interessierenden Größen aus. Es kommt auch noch auf die Fahrgeschwindigkeit v und die Unebenheitsdichte A(l) an. Von Interesse sind drei Größen: die Aufbaubeschleunigung (wegen Fahrkomfort und Beanspruchung des Ladeguts), der Federweg (xa – xr), der konstruktiv begrenzt ist und die Reifendeformation (xr – x), die multipliziert mit cr die Radlastschwankung ergibt.
4.4 2-Masse Federungsmodell
151
Die Dichten für die Größen sind: Beschleunigungsdichte des Aufbaus Ba( f )= dxa2/df Z 4= dx2/df (xa/x)2 16 pi4 · f 4= 16 pi4 · f 2 (xa/x)2 v · A(l) Amplitudendichte des Federwegs D(FW) = d(xa – xr)2/df = c · A(l) ((xa – xr)/x)2/f 2 Amplitudendichte der Reifendformation D(RD)= d(xr – x)2/df = c · A(l) ((xr – x)/x)2/f 2 Die Bilder 4-8 bis 4-10 zeigen den Einfluss verschiedener Straßen auf die Aufbaubeschleunigung. Es ist das Integral INT( f = 0 bis f ) (Ba( f ) df aufgetragen. Das Ergebnis ist nur bis f = 20 Hz aufgetragen, weil höhere Frequenzen keinen wesentlichen Zuwachs mehr ergeben. Will man auf der durchschnittlichen Straße (Bild 4-8) ein möglichst kleines baeff erreichen, dann muss das Dämpfungsmaß D = 0.168 gewählt werden. Sowohl D = 0.2 als auch D = 0.1 führen zu höheren baeff. Will man allerdings baeff zwischen f = 0 und 3 minimieren (z. B. weil die Sitzfederung die Frequenzen darüber herausfiltert), dann muss man stärker dämpfen, eine „sportlichere“ Dämpfereinstellung wählen.
Bild 4-8 Aufbaubeschleunigung baeff für das Modell Bild 4-7 auf der Straße A(l) = 10-6 mit der Fahrgeschwindigkeit v = 30 m/s. Mit dem Dämpfungsmaß D = 0.168 wird die kleinste Aufbaubeschleunigung im Frequenzbereich f = 0–20 Hz erreicht.
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4 Fahrzeugführung vertikal, Federung
Auf der guten Straße, Bild 4-9, führt D = 0.2 zum minimalen baeff. Es ist um 35 % kleiner als auf der durchschnittlichen Straße.
Bild 4-9 Aufbaubeschleunigung baeff für das Modell Bild 4-7 auf der guten Straße A(l) = 2.5 · 10-7 · l0.2 mit der Fahrgeschwindigkeit v = 30 m/s. Mit dem Dämpfungsmaß D = 0.2 wird die kleinste Aufbaubeschleunigung im Frequenzbereich f = 0 bis 20 Hz erreicht.
Auf der schlechten Straße, Bild 4-10, muss man eine kleinere Dämpfung wählen, D = 0.118. baeff ist etwa doppelt so groß wie auf der durchschnittlichen Straße.
Bild 4-10 Aufbaubeschleunigung baeff für das Modell Bild 4-7 auf der schlechten Straße A(l) = 10-5 · l-0.4 mit der Fahrgeschwindigkeit v = 30 m/s. Mit dem Dämpfungsmaß D = 0.118 wird die kleinste Aufbaubeschleunigung im Frequenzbereich f = 0 bis 20 Hz erreicht.
4.4 2-Masse Federungsmodell
153
Der Effektivwert des Federwegs FW ist umso kleiner, je stärker gedämpft wird. Auf der durchschnittlichen Straße bei D = 0.3 z. B. 9 mm, oder FWss (Spitze-Spitze) 6 · 9 = 54 mm. Bei einem gesamten Federweg von etwa 200 mm (zwischen den harten Anschlägen) mag das wenig erscheinen. Aber es geht Federweg auch für unterschiedliche Beladung (hier 42 mm für 50 kg Laständerung), für Kurvenneigung (bei 5° und 1 400 mm Spurweite +/– 61 mm) und Brems- und Beschleunigungsnicken verloren. Zum Glück kommen nicht alle Ansprüche immer gleichzeitig vor. Aber die „weichen Anschläge“ beginnen schon früher und begrenzen damit den linearen Bereich der Federung.
Bild 4-11 Federweg (xa – xr)eff für das Modell Bild 4-7 auf der Straße A(l) = 10-6 mit der Fahrgeschwindigkeit v = 30 m/s. Mit zunehmendem Dämpfungsmaß wird der Federweg kleiner.
Die Rad- oder Reifendeformation RD ist für D = 0.43 minimal. Es ist aber nicht gesagt, ob die hohen oder niedrigen Frequenzen schädlicher für die Seitenführung sind. Also muss das Ergebnis 4-12 frequenzbewertet werden. Im Bild 4-13 ist die Aufbaubeschleunigung baeff über Federweg (xa – xr)eff und Radlastschwankung Pr = cr (xe – x)eff aufgetragen. Daraus geht hervor, dass ba wesentlich von der Härte der Federung c abhängt, Federweg und Radlastschwankung aber vom Dämpfungsmaß D. D = 0.2 führt zu einem guten Kompromiss zwischen Beschleunigung, Federweg und Radlastschwankung. Kleinere Federwege und Radlastschwankungen erreicht man unter Aufgabe von Komfort durch eine härtere Dämpfung.
154
4 Fahrzeugführung vertikal, Federung
Bild 4-12 Raddeformation (xr – x)eff für das Modell Bild 4-7 auf der Straße A(l) = 10-6 mit der Fahrgeschwindigkeit v = 30 m/s. Mit dem Dämpfungsmaß D = 0.43 wird die kleinste Raddeformation im Frequenzbereich f = 0 bis 20 Hz erreicht und damit die kleinste Radlastschwankung cr(xr – x)eff.
Bild 4-13 Aufbaubeschleunigung baeff über Federweg (xa – xr)eff und Radlastschwankung Preff. (Die statische Radlast beträgt (m + mr) 9.81= 3 240 N. Für eine Radlastschwankung von Pr = 650 N liegt die Radlast also zwischen 3 240 +/– 3 650 = 1 290 und 5 190 N.) Die Aufbaubeschleunigung ba wird wesentlich von der Federsteifigkeit c beeinflusst, die andererseits geringen Einfluss auf Federweg und Radlastschwankung hat. Das Dämpfungsmaß D bestimmt im interessierenden Bereich (0.1 < D < 0.3) Federweg und Radlastschwankung. Ein guter Kompromiss wird bei D = 0.2 und einer möglichst weichen Federung gefunden.
4.5 Verbesserungsmöglichkeiten
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4.5 Verbesserungsmöglichkeiten Der Fahrkomfort, bzw. die Aufbaubeschleunigung ba wird ganz wesentlich von Radmasse mr und Reifenfeder cr bestimmt. Die invariablen Punkte bei 10 und 11 Hz (Bild 4-7) sind weder durch Fahrzeugfeder c noch Dämpfung rho zu beeinflussen. Der linke Schnittpunkt der Extremfälle D = 0 und D = 9 999 kann durch eine weichere Reifenfeder c abgesenkt werden. Allerdings ist dazu der mögliche Federweg zu vergrößern und/oder eine Niveauregelung vorzusehen. Der störende Anteil der Aufbaubeschleunigung vom 10 Hz-Bereich kann nur durch eine grundsätzliche Veränderung des Federungsmodells erreicht werden, Bild 4-14. Es muss der Aufbau von der Aufgabe entlastet werden, die Radschwingung zu dämpfen. Dafür muss vielmehr ein Massetilger eingesetzt werden, 4.14 rechts. Der Tilger kann so abgestimmt werden, dass die Radlastschwankung bzw. Reifendeformation auf gleichem Niveau gehalten wird, Bild 4-15. Ist der Aufbau damit von dieser Aufgabe entlastet, dann kann der konventionelle Dämpfer rho durch ein elektronisch gesteuertes Element P ersetzt werden, das folgende Vorteile bringt: 1. 2.
3. 4.
Die Eigenschaften des Regelelements P sind rasch veränderlich. Sie werden adaptiv an die Bedürfnisse angepasst. Die Federkraft c (xa – xr + xstat) wird durch die Regelerkraft co (xa – xr) variiert. (xstat ist die statische Einfederung infolge der statischen Radlast. Sie hängt mit der Kennfrequenz der Fahrzeugfederung f0 zusammen: xstat = g/(4 pi2 fo2). (g = Erdbeschleunigung). Für f0 = 1 Hz ist f0 = 250 mm). Ist z. B. co = –c, dann bleibt die xr ohne Einfluss auf xa. Die Dämpferkraft rha dxa/dt hängt nur von der Aufbaubewegung ab (dxa/dt aus der Integration von ba), ist von der Radbewegung xr unabhängig („Skyhook“-Prinzip). Feder c und Reglerelement haben keine feste Reibung (im Gegensatz zum Stoßdämpfer).
Bild 4-14 Weiterentwickelte Federungsmodelle SME und SHE: Im letzteren Fall ist anstelle des Dämpfers ein Regler mit den angegebenen Eigenschaften und ein Massetilger (mt, ct, rt) vorgesehen. Beim Modell SME ist der Regler zusätzlich aber kein Tilger vorgesehen.
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4 Fahrzeugführung vertikal, Federung
Wenn (ca – co) sehr klein, wird das Fahrzeug sanft an den langen Wellen der Fahrbahn entlang geführt. Bild 4-16 zeigt das Ergebnis einer solchen Federungsauslegung (Skyhook + Tilger). Wird ein (xa – xr)eff < 13 mm zugelassen, dann wird gegenüber einer konventionellen Federung mit D = 0.12 ba um 65 % reduziert, die Radlastschwankung bleibt etwa gleich groß. Aufgrund der adaptiven Eigenschaften können aber (xa – xr) < 20 mm zugelassen werden, denn wenn ein schlechteres Straßenstück oder widrige Singularitäten kommen, passt sich die Federung daran an. In diesem Fall deduziert sich ba auf unter 5 %. Die Kraft am Reglerelement Peff ist 77, bzw. 150 N, liegt also durchaus im beherrschbaren Rahmen. Größere Kräfte würden dann auftreten, wenn man dem Element die Abstützung des Roll und Nickmoments überließe. Dafür muss auf andere Weise Abhilfe geschaffen werden (z.B. gesteuerte Drehstäbe). Die Tilgermasse mt muss in der Wirkungslinie der Radmasse liegen. Zweckmäßigerweise wird sie in zwei Einzelmassen aufgeteilt, die vor und hinter der Radmitte liegen, siehe 8.3. Will man den Massetilger vermeiden, dann bietet sich die Lösung Skymix, Bild 4-14, an. Eine konventionelle Federanordnung mit Feder c und Dämpfer rho ist um das Regelelement P mit den angegebenen Eigenschaften ergänzt. Der Gewinn an Fahrkomfort ist bei weitem nicht so groß.
Bild 4-15 Durch eine entsprechende Abstimmung kann eine Tilgermasse von 15 kg die gleiche Raddeformation wie die 20 mal größere Aufbaumasse erreichen. Dabei sind die kleineren Raddeformationen im Bereich 0 bis 8 Hz von zusätzlichem Vorteil.
Wollen Fahrer und Fahrgäste überhaupt eine perfekte Federung, die sie von den Unebenheiten der Straße völlig abkoppelt? Diese Frage ist durchaus berechtigt, umso mehr je besser die Straßen werden. Für den Krankentransport oder die Reise im Bus ist aber eine Komfortverbesserung unbedingt anzustreben. Der Bus, der in Westeuropa heute schon mehr Personenkilometer als die Bahn schafft, sollte einen Komfortvergleich mit ihr nicht scheuen müssen. Verbesserungsmöglichkeiten ergeben sich dadurch, dass die Fahrgäste durch die Sitzfederung von der Aufbaumasse getrennt sind. Verschlechterungen ergeben sich durch andere Massen oder Lasten (z. B. der Motor-Getriebeblock), die von der Aufbaumasse her erregt werden.
4.5 Verbesserungsmöglichkeiten
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Solche Mehrmassemodelle (Bild 4-17) können dann ebenso untersucht werden. Es ist aber zu beachten, dass nicht alle Massen in einer Wirkungslinie liegen.
Bild 4-16 Wie Bild 4-13, aber für die Federungsmodelle SME (Skymix) und SHE (Skyhook+Tilger) im Vergleich zum konventionellen Modell. Es kann eine beträchtliche Absenkung der Aufbaubeschleunigung erreicht werden. Der zusätzliche Vorteil der adaptiven Anpassung an die konkreten Verhältnisse tritt dabei gar nicht ins Bild.
Bild 4-17 Vier-Massenmodell: Der Insasse mi wird gegen die Aufbaumasse m durch die Sitzfederung abgeschirmt. Die 4. Masse ist als Tilgermasse eingezeichnet. Es könnte sich aber auch um eine konkrete Masse handeln, die an die Aufbaumasse angeschlossen ist, z. B. den Motor-Getriebe-Block.
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4 Fahrzeugführung vertikal, Federung
4.6 Nichtlinearitäten Bei allen bisherigen Untersuchungen wurde Linearität angenommen, also die Beschränkung auf kleine Amplituden und lineare Kennungen von Feder und Dämpfer. In der Realität gibt es wesentliche Abweichungen:
4.6.1 Nichtlineare Federn Die Federn wirken häufig an veränderlichen Hebelarmen und sind deshalb nichtlinear. Stärker wird ihre Linearität durch die notwendigen Amplitudenbegrenzer, „Anschläge“ beeinträchtigt. Durch Singularitäten kann die Federung „durchschlagen“ oder das Fahrzeug „abheben“. Die Reifenfeder ist von Haus aus nichtlinear, nach dem Abheben des Rades fällt cr auf 0.
4.6.2 Nichtlineare Dämpfer Dämpfer haben systembedingt unterschiedliche Druck- und Zugstufen. Oft ist die Dämpferkraft außerdem der Geschwindigkeit d(xa – xr)/dt nicht proportional. Die Federung ist mit fester Reibung behaftet: erst wenn die Kraft einen bestimmten Betrag überschreitet, beginnt die Relativbewegung. Betroffen sind alle nichtelastischen Lagerstellen, besonders aber die Dichtungen im Stoßdämpfer und bei hydraulischen Federungen. Deutlich wird die feste Reibung bei allmählich sich verändernder Fahrgeschwindigkeit, Bild 4-18.
Bild 4-18 Es ist die Aufbaubeschleunigung baeff über der Fahrgeschwindigkeit v aufgetragen, a. Mit sinkender Fahrgeschwindigkeit nimmt sie mit SQR(v) solange ab, bis die kleiner werdenden Kräfte das Losbrechen der festen Reibung immer seltener ermöglichen, c. Das Modell wechselt immer häufiger zu dem Modell mit starrem Dämpfer b. Bei sehr kleiner Fahrgeschwindigkeit nimmt die Beschleunigung deshalb ab, weil die kurzen Wellen von der Reifenaufstandsfläche weggefiltert werden.
4.7 Mehrachsigkeit und Mehrspurigkeit
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Ohne feste Reibung nimmt die Aufbaubeschleunigung mit der Wurzel aus der Fahrgeschwindigkeit zu: Ba( f ) = v · A(l) f 2 (xa/x)2, daher ba = INT ( f = 0 bis v/Lb) INT(Ba · df ) proportional SQR(v), solange die Integrationsgrenze v/Lb keine Rolle spielt, also oberhalb von etwa v = 4 m/s. Mit sinkender Fahrgeschwindigkeit werden die übertragenen Kräfte kleiner und die Federung kommt immer häufiger ins Stocken. Steckt sie fest, dann sind Aufbaumasse und Radmasse fest miteinander verbunden und über die Reifenfeder cr abgestüzt, Kurve b. Es stellt sich ein Übergangsbereich etwa nach Kurve c ein. In diesem Bereich kann eine etwas höhere Fahrgeschwindigkeit zu einem höheren Fahrkomfort führen.
4.7 Mehrachsigkeit und Mehrspurigkeit Durch Radstand und Spur werden bestimmte Wellenlängen aus der Erregung herausgefiltert, Bild 4-19. Radstand und Spurweite sind durch die Grundabmessungen des Fahrzeugs soweit eingeengt, dass sie kaum mehr in diesem Sinne angepasst werden können.
Bild 4-19 Zweiachsmodell auf welliger Straße. Für die Wellenlängen L = RS/n (RS = Radstand, n = ganze Zahlen) bewegt sich der Punkt in der Mitte des Radstands mit den Rädern. Für die Wellenlängen 2 RS/(2n – 1) bleibt dieser Punkt aber in Ruhe. Entsprechendes gilt für einen Punkt in Achsmitte für Wellen quer zur Fahrtrichtung.
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4 Fahrzeugführung vertikal, Federung
Bild 4-20 Einfluss der Mehrachsigkeit und Mehrspurigkeit auf einen Punkt in Fahrzeugmitte
4.8 Ausgleichsfederung Die vier oder mehr Aufstandspunkte der Räder führen zur Überbestimmtheit: durch drei Punkte ist die Aufstandsebene schon bestimmt. Unebenheiten führen zu veränderten Radlasten, die zur unerwünschten Verwindungsbeanspruchung, zur Beeinträchtigung der Fahrstabilität (Seitenkraftbeiwerte) und zur Verminderung der Antriebskraft führen. Ausgleichsfedern beseitigen diese Überbestimmtheit, Bild 4-21.Von besonderer Bedeutung ist eine Ausgleichsfederung für Geländefahrzeuge: trotz unebener Fahrbahn bleiben die Radlasten gleich, was optimale Seiten- und Umfangskräfte für Stabilität und Antrieb ergibt. Ein Schweizer Geländefahrzeug hat einen solchen Ausgleich.
Bild 4-21 Ausgleichsfederung. Vorder- und Hinterräder sind durch je einen Drehstab verbunden, die in den ausgefüllten Punkten am Aufbau, in den Kreisen mit dem Ausgleichsbalken AB gelagert sind. Es ist angenommen, dass infolge einer Fahrbahnunebenheit die Räder links vorn (Lv) und rechts hinten (Rh) einfedern müssen, die Räder Rv und Lh ausfedern. Durch die Lagerung im Ausgleichsbalken AB bleiben die Radlasten unverändert. Bei Kurvenfahrt bestimmt das Hebelverhältnis des Ausgleichsbalken AB das Verhältnis der Radlastunterschiede vorn zu hinten. (In diesem Fall ist der Radlastunterschied vorn größer als hinten.)
161
5 Sicherheit In der raschen Bewegung relativ zur Umgebung liegt eine Gefahr: die kinetische Energie. Es kommt nicht auf die absolute Geschwindigkeit an. Wir bewegen uns relativ zum Erdmittelpunkt mit 1 000 km/h um diesen herum, die Erde rast mit 100 000 km/h um die Sonne und diese bewegt sich mit noch höherer Geschwindigkeit auf die Andromeda zu. Das alles bleibt ungefährlich, solange die Geschwindigkeit gleich bleibt. Auch im Verkehr ist es so: die Geschwindigkeit bleibt abgesehen von Fahrwiderständen ohne Konsequenz. Erst wenn sich etwas in den Weg stellt sind die Folgen dramatisch. Je rascher die Geschwindigkeit sich ändert, umso größer sind die auftretenden Beschleunigungen und zerstörerischen Kräfte. Der kinetischen Geschwindigkeit entspricht eine Fallhöhe von h = v2/2 g: es begleitet uns bildlich gesprochen ein Phantomkörper, der bei 50 km/h 10 m über uns liegt, bei 70 km/h 20 m, bei 100 km/h 40 m, bei 140 km/h 80 m und so fort. Aus dieser Höhe stürzt der Phantomkörper herunter, wenn sich die Geschwindigkeit gegen die Umgebung auf 0 reduziert. Zunächst sind alle Maßnahmen zu ergreifen, die einen Unfall vermeiden helfen („aktive Sicherheit“): der Fahrer muss so gut wie möglich informiert werden (Scheinwerfer, Nachtsichtgerät, Kommunikation Fahrzeug-Fahrzeug, die auf Gefahren im voraus liegenden Streckenabschnitt hinweist (Nebel, Glatteis, Unfall), Warnsignal beim Spurwechsel bei befahrener Nebenfahrbahn usw). Das Fahrzeug muss seinen Vorgaben exakt folgen (Bremsassistent, ABS, ESP). Neben der aktiven Beeinflussung des Fahrers auf den Fahrvorgang und der Vermeidung von Kollisionen, hat sich aber auch gezeigt, dass passive Sicherheitssysteme unverzichtbar sind. Diese werden permanent weiter entwickelt, um das Verletzungsrisiko weiter zu reduzieren, Beispiel 8. Die Schuld an Unfallfolgen ist daher dem Quadrat Geschwindigkeit zuzuschreiben. Aber es kommt darauf an, wie die kinetische Energie umgesetzt wird. Wenn sie von den Bremsen in Wärme gewandelt wird, die Beschleunigungen in Rahmen von wenigen m/s2 bleibt, dann ist die Geschwindigkeitsänderung für die Insassen harmlos, weil sie die Massenkräfte gegen das Fahrzeug abstützen können. Seit es Verkehr gibt, gibt es auch Unfälle. Man konnte niedergetrampelt werden, „unter die Räder kommen“. Die ersten Theorien über Unfallstatistik (die noch in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts gelehrt wurden) gingen von einer überproportionalen Zunahme der Unfälle mit der Zahl der Fahrzeuge im Verkehr aus: jedes der n Fahrzeuge konnte allein verunfallen oder mit einem anderen Fahrzeug zusammenstoßen: Die Zahl der Unfälle Z werde mit der Zahl der Fahrzeuge im Verkehr n nach der Gleichung Z = a · n + b · n2 zunehmen. In der ersten Welle der Motorisierung (1950–1970) schien diese Gleichung auch richtig zu sein. Dann aber stieg die Zahl der Unfallopfer so sehr an, dass ernsthafte Maßnahmen an allen verkehrsbildenden Faktoren ergriffen wurden: die Sicherheit der Fahrzeuge und Straßen wurde angegangen, die Verkehrserziehung verbessert, die Überwachung verschärft. Nach einem Maximum von etwa 22 Verkehrstoten pro 100 000 Einwohnern und Jahr (oder etwa 2 % der Sterbefälle) fällt in den vollmotorisierten Ländern die Zahl unter zehn (unter 1 % der Sterbefälle, o Bild 5-12). Dieser Anteil scheint akzeptiert zu werden, obwohl es natürlich anhaltende Bestrebungen gibt, die Zahl der Verkehrsopfer kontinuierlich oder sprunghaft herabzusetzen. Schlichte Gemüter setzen bei der Geschwindigkeit an: weil die Unfallfolgen proportional
162
5 Sicherheit
der umgesetzten Energie im Unfall seien, also proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit, sei die Herabsetzung der Geschwindigkeit das beste Mittel. Leider wird damit auch die Transportleistung herabgesetzt, also das eigentliche Ziel des Verkehrs getroffen. Auch andere paradoxe Vorschläge kehren immer wieder: man müsse dem Fahrer die Geschwindigkeit besser bewusst machen: etwa durch Zugluft im Auto oder unrunde Reifen. Weil bei Eisglätte die Zahl der Verkehrsopfer (nicht die Zahl der Unfälle) abnimmt, könne man die Straßen ja glatter machen. Oder die Haftung der Reifen herabsetzen. Die Realität ist anders herum: die fahrbaren Quer- und Bremsbeschleunigungen werden immer größer. Wenn es z. B. gelingt, den Bremsweg zu verkürzen (wie es mit der Einführung der Antiblockierregelung gelungen ist), dann nimmt die Zahl der Unfälle nicht unbedingt ab: der kürzere Bremsweg erlaubt höhere Fahrgeschwindigkeiten oder kleinere Abstände. Diese Vorteile werden genutzt, aber der erhoffte Gewinn an Sicherheit tritt nicht ein.
Beispiel 8 Sicherheit: Die crash-aktive Kopfstütze. geringeres Verletzungsrisiko, hoher Komfort (Werkbild Keiper)
Die Ursache der Fahrzeugdeformation und der Verletzung der Beteiligten ist meist die rasche Geschwindigkeitsänderung. Überrolltwerden oder Feuer als Unfallursache sind eher selten. Wenn zwei Körper zentral zusammenstoßen (Bild 5-1), dann gibt es einen Augenblick, in dem beide die gleiche Geschwindigkeit haben. Zu dieser Zeit ist ihre Deformation am größten. Es tritt eine Deformationsarbeit AD auf, die dem Geschwindigkeitsunterschied vor dem Stoß
5.1 Rückhalteeinrichtungen (restraint systems)
163
proportional ist. Die Deformationsarbeit teilt sich je nach der Festigkeit der Stoßpartner auf: der weniger feste erleidet die größere Deformation. Wenn eine Stahlkugel ins Sandbett fällt, dann ist ihre Deformation klein, die des Sandes groß. Wenn der Kopf gegen den Dachholm prallt, dann kommt es darauf an, in welchem Verhältnis dessen Festigkeit zu der des Kopfes steht: ist der Dachholm weniger fest, dann drückt der Kopf eine Beule hinein; ist der Dachholm aber fester, dann muss der Kopf die Deformationsarbeit aufnehmen. Es entsteht eine Verletzung, je nach dem, wie groß diese Energie ist. Das „Energiemanagement“ ist die entscheidende Aufgabe zur Sicherung der Unfallpartner >5.2@.
Bild 5-1
Deformationsarbeit im Stoß.
Die Massen m1 und m2 bewegen sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf einer Linie. Wenn sie zusammenstoßen, wird kinetische Energie frei, in Deformationsarbeit umgesetzt, die maßgebend für eine eventuelle Verletzung ist. Je nach Elastizität kommt es anschließend zu einem Auseinanderbewegen. Die Formel für einige Spezialfälle: wenn die Masse m2 sehr groß ist (m2 = 1/0), dann ist die Deformationsarbeit AD = m1 · v2/2. Wenn die Masse m2 gleich groß und in Ruhe ist, dann ist AD = m1 · v2/4. Wenn die Masse m2 mit gleicher Geschwindigkeit entgegenkommt (v2 = –v1), dann ist AD = m1 · v2. AD teilt sich auf die beiden Massen je nach Festigkeit auf: die Stoßkraft ist für beide gleich groß und entgegengesetzt gerichtet.
5.1 Rückhalteeinrichtungen (restraint systems) Die wirkungsvollste Sicherheitseinrichtung für Fahrzeuginsassen ist die Abstützung gegen das Fahrzeug, Bild 5-2. Je früher sie einsetzt, umso kleiner wird die Relativbewegung. Wird das Fahrzeug mit z. B. 200 m/s2 (rund 20 g, dem 20-fachen der Erdbeschleunigung) verzögert, so bewegt sich der unabgestützte Insasse mit der Anfangsgeschwindigkeit weiter und schlägt auf
164
5 Sicherheit
den Innenraum des Fahrzeugs auf. Die physisch mögliche Abstützkraft entsprechend von vielleicht 3 g >5-1@ ist ganz unzureichend. Im Beispiel Bild 5-2 würde der Insasse nach 0.12 s mit über 10 m/s auf den Innenraum (z. B. mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe) stoßen, der zu Stoßbeginn 1 m von ihm entfernt ist. Mit einer Rückhalteeinrichtung, die ihn mit 120 m/s2 verzögert, bewegt er sich nur 0.117 m relativ zum Fahrzeug vorwärts, wenn seine Verzögerung gleichzeitig mit der Fahrzeugverzögerung beginnt. Beginnt sie 0,02 s später (z. B. infolge einer Gurtlose oder der Verzugszeit zur Öffnung des Airbags), dann hat sich der Insasse bereits 0.28 m weiterbewegt und kommt erst nach einer Relativbewegung von über 0.6 m zum Stillstand. Das kann bereits den Aufschlag auf das Fahrzeug bedeuten.
Bild 5-2 Zentraler Zusammenstoß – Einfluss eines Rückhaltesystems. Links: ein Fahrzeug fährt mit 14 m/s (etwa 50 km/h). Im Zeitpunkt t = 0 beginnt eine Verzögerung mit af = 200 m/s2, welche die Geschwindigkeit in 0.07 s auf 0 reduziert (Kreise). Ein Insasse (dicke Linie) stützt sich mit ai = 30 m/s2 >5.1@ ab. Je nach dem Zeitpunkt, zu dem diese Abstützung beginnt, ändern sich Geschwindigkeit und Weg. Rechts: gleiche Fahrzeugbewegung wie links. Der Insasse wird nun aber durch eine Rückhalteeinrichtung (Gurt, Airbag) mit ai = 120 m/s2 abgestützt, dicke Linie, kommt also nach 0.117 s zur Ruhe. Zu diesem Zeitpunkt hat er sich um 0.83 m vorwärts bewegt, 0.33 m gegenüber dem Fahrzeug. Setzt die Verzögerung um 0.02 s später ein, so ist der Relativweg zum Fahrzeug 0.6 m, setzt er 0.02 s früher ein, dann 0.05 m.
Würde andererseits die Verzögerung des Insassen schon 0.02 s vor der Verzögerung des Fahrzeuges beginnen, dann bewegt sich der Insasse zunächst 5 cm relativ nach hinten (ins Sitzpolster) und kommt mit einer relativen Vorverlagerung von 5 cm zum Stillstand. Das ist also der Weg, der einzuschlagen ist: wenn sich ein Hindernis von entsprechender Masse mit entsprechender Geschwindigkeit nähert, wird die Verzögerung durch die Rückhalteeinrichtung ausgelöst. Es muss von Entfernungsmessern ein Schutzraum um das Fahrzeug aufgebaut werden, bei dessen Verletzung die Verzögerung der Insassen eingeleitet wird. Die kritische Frage dabei ist,
5.2 Fußgänger- und Zweiradfahrer-Schutz
165
wie stark die Rückhaltekraft sein soll. Zu große Rückhaltekräfte könnten schon zu Verletzungen führen, zu kleine ein Durchschlagen des Sicherheitsabstands zur Folge haben. Daimler-Chrysler setzt heute eine dreistufige Wirkung des Crashmanagements ein: 1.
2. 3.
PreCrash: nach einer plötzlichen Reaktion des Fahrers (Lenkwinkel, Bremse) oder eines Signals von ESP, ABS,... beginnen reversible Crashvorbereitungen: die Gurte werden angezogen (Größenordnung 100 N), die Sitze in eine aufrechte Position gebracht, Sitz-Seitenwülste aufgeblasen, Kopfstützen hoch und vor gefahren, Fenster und Schiebedach geschlossen. (Die Fensterscheiben dienen den Seitenbairbags als Widerlager.) Crashbeginn: nicht reversible Maßnahmen: pyrotechnisches Vorspannen des Gurts (Größenordnung 1 kN), Auslösen der Airbags Verzögerungsphase: kraftbegrenztes Nachgeben der Rückhalteeinrichtungen und damit Energieaufnahme.
Sinnvoll wäre das Auslösen der Insassenverzögerung vor Crashbeginn. Dazu müsste eine unsichtbare Kappe über das Fahrzeug gelegt werden, die Crashmaßnahmen einleitet, wenn ein schwerer Gegenstand eindringt.
Bild 5-3 Erträgliche Kopfbeschleunigung nach >5.8@ Patrick und HIC, (o in Bild 5-5 angegebene Formel), Geschwindigkeit v und Weg s daraus unter der Annahme, dass v und s in t = 0 ebenfalls 0 sind.
5.2 Fußgänger- und Zweiradfahrer-Schutz Die Struktur des Fahrzeuges umgibt die Insassen wie eine Panzerung, behütet sie vor dem direkten Zusammenprall mit dem Stoßpartner. Der möglichst unverformte Fahrgastraum muss durch außerhalb liegende Deformationselemente verzögert werden; die Insassen müssen vor einem Aufschlag auf den Fahrgastraum von innen geschützt werden. Diese Sicherungsmethode ist für offensichtlich für auf einem Zweirad Sitzende und Fußgänger nicht möglich. Für Motorradfahrer hat sich der Helm durchgesetzt, für Fahrräder kaum (Kinder), für Fußgänger gar nicht.
166
5 Sicherheit
5.3 Biomechanik Die Biomechanik versucht die Fragen nach der Erträglichkeit mechanischer Beanspruchung zu beantworten >5.6@, >5.8@. Für den Kopf hat sich das head injury criterium (HIC) eingeführt, Bild 5-3, oder die ursprünglich von L. M. Patrick vorgeschlagene Definition >5.8@. Nach ihr ergibt sich der notwendige Anhalteweg s aus der Geschwindigkeit v: erfolgt z. B. das Anhalten aus 5 m/s in 6 ms, dann wird bei einem Anhalteweg (= Deformation) von 13 mm und einer Beschleunigung von 90 g die Überlebensgrenze erreicht. Dieser Fall bedeutet z. B. den Fall aus 1.5 m Höhe auf ein unnachgiebiges Hindernis, eine Betonplatte z. B.. Aus einer Geschwindigkeit von 10 m/s braucht man schon einen Anhalteweg von 70 mm, also einen nachgiebigen Stoßpartner also ein Aufschlagpolster oder Sandbett. Der Zusammenhang ist in Bild 5-4 und der folgenden Tabelle dargestellt.
Tabelle 5-1 Erträglichkeitsgrenze für den Kopf Geschwindigkeit (km/h)
Anhalteweg (mm)
Verzögerung (g)
018
014
96
010
076
68
050
155
64
072
328
62
100
649
61
Bild 5-4 Anhalteweg s und dabei auftretende gerade noch erträgliche Beschleunigung b bezogen auf die angegebene Anfangsgeschwindigkeit, bzw. Fallhöhe
5.4 Experimentelle Sicherheitsforschung
167
Die 649 mm Anhalteweg aus 100 km/h wird man nicht mehr in einem Polster, kaum mehr in einem Airbag unterbringen. Aber wenn der Verzögerungsweges des Fahrzeugs (bei 20 g aus 100 km/h, z. B. 400 mm) ein Teil davon ist, dann ist auch diese Geschwindigkeit beherrschbar. Immer mit der Unsicherheit, welche Verzögerung im Einzelfall erträglich ist. Die Streunung scheint sehr groß zu sein >5.6@.
5.4 Experimentelle Sicherheitsforschung Nach dem 2. Weltkrieg hat die US-Luftwaffe festgestellt, dass sie mehr fliegendes Personal im Straßenverkehr verliert als im Flugbetrieb. Sie hat ein Sicherheitsprogramm gestartet, das bald von der Automobilindustrie übernommen und weitergeführt wurde (Stap Conference). Im Mittelpunkt des Interesses stand zunächst die Verträglichkeit von großen Beschleunigungskräften. Raketengetriebene Schlitten wurden gesteuert gebremst und die Verzögerung allmählich gesteigert. Es hat sich gezeigt, dass bei entsprechender Abstützung kurzzeitige Beschleunigungen bis 80 g erträglich sind. (Lokal noch weit mehr.) Daraus hat man erkannt, dass es mehr darauf ankam, die Abstützung zu verbessern. Gepolsterte Schalttafeln, Lenkräder mit Aufprallflächen, die Entschärfung des Fahrgastraumes (nachgiebige Befestigung des Rückblickspiegels, keine scharfen Blechkanten) waren der erste Schritt. Der zweite war die Verbesserung der Sicherheitsgurte. Kampfflieger waren durch breite Hüft- und Schultergurte in ihrem Sitz fixiert. Für das Auto waren diese Gurte aber zu umständlich. Die Entwicklung hat zum 3Punktgurt geführt, der aber von vielen noch immer als zu unbequem und umständlich empfunden wird. Zur Verbesserung der Bequemlichkeit wurde der Automatikgurt (Aufrollen des Schultergurts durch Federkraft) eingeführt. Die automatischen Gurtanleger haben sich nicht durchgesetzt. Durch Vorschriften wurde schließlich die Gurtanlegequote auf 70–80 % gesteigert. Die Funktion des Sicherheitsgurts wird ganz entscheidend durch das Vorspannen verbessert (o Bild 5-1): ein dauernd stramm anliegender Gurt wird als zu unbequem empfunden. Überlässt man die Überwindung der Gurtlose aber dem Bewegungsablauf, dann setzt die Insassenverzögerung zu spät ein. Also wird der Gurt bei Stoßbeginn (besser wäre vor Stoßbeginn) stramm angezogen. Wie stramm ist eine nicht ganz einfach zu beantwortende Frage. Eine hohe Vorlast ist wünschenswert, weil dann die Verzögerung früh beginnt. Aber sie darf auf keinen Fall zu einer Verletzung führen. Vielleicht könnte sie in Abhängigkeit von der Sitzbelastung variiert werden. Der gängige Hüftgurt ist eher unbequem (behindert den Zugang zu den Hosentaschen) und kann durch Hochrutschen gefährlich werden. Eine Alternativlösung ist der Kniegurt, wie in >5.5@ beschrieben. Ohne Einbußen der Bequemlichkeit bieten Airbags Schutz. Auch hier stellt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt des Auslösens: früh genug um die Fahrzeugverzögerung zu nutzen aber nicht zu früh um den Fahrer nicht zu behindern. Die Gurt- und Bag-Entwicklung findet heute mit Verzögerungs- oder Beschleunigungsschlitten statt, eine endgültige Überprüfung muss aber im Fahrzeug durchgeführt werden. Bevor man die teuren Versuche mit dem Gesamtfahrzeug startet, wird man mit Rechenmodellen den grundsätzlichen Bewegungsablauf untersuchen, um Schwachstellen in der Struktur ausfindig zu machen.
168
5 Sicherheit
1968 ist nach einer Idee des unvergesslichen Chefredakteurs der Automobil Revue Bern, Robert Braunschweig, ein „Sicherheitsrennwagen“ namens Sigma Grad Prix entstanden. Pininfarina und Ferrari haben die Ausführung übernommen, die TU-Berlin eingehende Untersuchungen >5.4@. Die Frage nach dem Nutzen des Rennsports (sinnvoll oder nicht) wird immer wieder gestellt. Robert Braunschweig hat gemeint, man solle dabei Methoden für die Sicherheit entwickeln und erproben und gleichzeitig Erfahrungen über erträgliche Grenzwerte sammeln. Ich meine, dass diese Idee nicht nur legitim, sondern auch sinnvoll ist. Die damals gefundenen Grenzwerte und Vorschläge (z. B. die Abstützung des Kopfes über den Helm) haben Eingang in die Rennwagenentwicklung gefunden. Heute anerkannte biomechanische Grenzwerte und Schutzkriterien finden sich in Bild 5-5.
Bild 5-5 Schutzkriterien nach W. Reidelbach
5.5 Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit Zu dieser Aufgabe leisten alle vier verkehrsbildenden Faktoren einen Beitrag (Bild 5-6): • • • •
Straße und Straßenverkehrsordnung, Fahrzeug, Opferversorgung und Fahrer.
Die Straßen weisen an ganz bestimmten Stellen eine Häufung von Unfällen auf, die gezielt angegangen werden müssen. Leider erschöpfen sich diese im Vorschlag einer Geschwindigkeitsbegrenzung, die natürlich unwidersprechbar wirksam ist, weil die Geschwindigkeit v = 0 zu keinen Unfällen führt. Aber das ist die gleiche Trivialität, die das Leben verbietet, um den Tod zu vermeiden. Eine örtlich und zeitlich begrenzte Geschwindigkeit ist sicher zweckmäßig. Sie greift aber in die letztlich entscheidende Verantwortlichkeit des Fahrers ein. Es widerspricht der Grundregel des Verkehrs: andere dürfen nicht gefährdet und nur so wenig wie möglich behindert werden. Der Gesetzgeber gängelt gelegentlich die Verkehrsteilnehmer durch sinnlose Vorschriften (z. B. die gleiche zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Glatteis
5.5 Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit
169
und Nebel wie für Sonnenschein und leere, griffige Straßen) und wundert sich dann, wenn sie Unwillen auslösen und kontraproduktiv wirken. Die generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen hat in der Ausnahme Deutschland dort zu einer besseren Sicherheitsentwicklung wie überall sonst geführt. Ideologen können das nicht begreifen, weil doch die kinetische Energie mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt. Aber es kommt nicht nur auf die Physik, sondern noch mehr auf den Menschen an.
Bild 5-6 Faktoren der Straßenverkehrssicherheit
Die Opferversorgung mit besserer Kommunikation, Hubschraubereinsatz und Notarztausbildung hat große Fortschritte gemacht. Der Faktor Mensch ist der wichtigste Faktor. Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen dauernd in Unfälle verwickelte und vorsichtige, geschickte Verkehrsteilnehmer, die rücksichtsvoll und sicher ihr Fahrzeug steuern. Bei den Maßnahmen am Fahrzeug wird zwischen aktiver und passiver Sicherheit unterschieden, Bild 5-6: Aktive Sicherheit meint Unfälle zu vermeiden, passive Unfallfolgen zu reduzieren. Die Natur gibt eindeutig der aktiven Sicherheit den Vorzug: schnell bewegliche Tiere vertrauen auf ihre Sinnesorgane um Zusammenstöße zu vermeiden. Klappt das nicht (weil z. B. Glasscheiben nicht wahrgenommen werden), dann führt das zu ernsten Verletzungen. Auch für das Fahrzeug sind aktive Sicherheitsmaßnahmen reizvoll. Sie haben nur den Nachteil, dass sie „konsumiert“ werden. Das heißt: der Gewinn an Sicherheit wird als höher mögliche Fahrgeschwindigkeit genutzt. So haben z. B. Versicherungen zunächst gedacht, sie könnten Autobesitzern, deren Fahrzeug ein Antiblockiersystem hat, einen Prämiennachlass gewähren. Bald haben sie aber gemerkt, dass dieses nicht zur Schadensreduktion führen muss. Die Fahrer verlassen sich auf die Einrichtung und fahren dafür etwas rascher, wägen den technischen Fortschritt durch riskanteres Verhalten auf. Für viele anderen Merkmale der aktiven Sicherheit gilt das auch: für bessere Reifen, besseres Fahrwerk, Antiblockierregler, Stabilitätsprogramm usw.. Auch umgekehrt wirkt die Regel: bei Glatteis gibt es weniger ernste Unfälle, weil die Fahrzeuge langsamer unterwegs sind. Es gibt auch nicht ernst zu nehmende Vorschläge, den „Geschwindigkeitsrausch“ der Fahrer auf andere Weise als durch höhere Geschwindigkeit zu befriedigen: durch unrunde Räder, heftigen Luftzug, hohes Geräusch, mit Schmierseife geschmierter Fahrbahn.
170
5 Sicherheit
Bild 5-7 Links:
Entwicklung der Zahl der Verkehrstoten je Million Einwohner und Jahr für die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz, Rechts: sowie die Zahl der Unfalltoten ohne Verkehrstote
Die Zahl der Unfallopfer ist und bleibt zu hoch. Sie nimmt aber in den entwickelten Bevölkerungsgruppen fortwährend ab (Bild 5-7) und ihr Anteil an den Unfalltoten insgesamt ist kleiner als es der Kommentierung in den Medien entspricht. (Zum Beispiel in Österreich: pro Million Einwohner und Jahr 150 Verkehrstote von 650 Unfalltoten insgesamt.) Auch der immer wieder zitierte Einfluss der Emissionen auf die Sterblichkeit findet in der Statistik keine Stützung. Die Sterbefälle an bösartigen Neubildungen der Atmungsorgane (Lungenkrebs, usw.) haben z. B. in Österreich zwischen 1980 und 1996 abgenommen (Bild 5-8), obwohl die Fahrleistung zugenommen hat.
Bild 5-8 Lebenserwartung und bösartige Neubildungen. Möse, J. R.: Mobilität …, Steierm. ArbeitsGemeinschaft für Volksgesundheit, Graz, Juli 1998
5.5 Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit
171
Die Zunahme der Verkehrssicherheit auf der Straße ist trotz der immer zu hohen Zahl der Verkehrsopfer eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Am Beispiel Deutschland (Bild 5-9): die Zahl der Verkehrstoten fällt mit über 4 % pro Jahr, obwohl die Verkehrsleistung zunimmt. Misst man Verkehrssicherheit an der Strecke, die pro Verkehrstoten gefahren wird, dann steigt sie mit über 5 % pro Jahr. Sie erreicht auf Autobahnen über 150 Millionen Fahrzeugkilometer je Getöteten (Bild 5-10), also Werte, die auch von Bahn und Flug gemeldet werden. Und man wird doch Bahn und Flug eher mit Autobahn als Innenstadt vergleichen dürfen. In den einzelnen Ländern ist die Entwicklung recht unterschiedlich, Bild 5-10 und 11.Die Zahl der im Verkehr getöteten je Einwohner oder je Personenkilometer sind proportional. Nur die südeuropäischen Länder passen da nicht ins Bild.
Bild 5-9
Links: Entwicklung der Zahl der Verkehrstoten pro Jahr für Deutschland, Mitte: der Verkehrsleistung (Fahrzeugkilometer pro Jahr) Rechts: und Verkehrsleistung je Verkehrstoten. Die Diskontinuität 1990 stammt aus der Wiedervereinigung.
172
5 Sicherheit
Bild 5-10 Links: Sicherheit auf Autobahnen für verschiedene Länder und Rechts: Sicherheit auf Autobahnen, Landstraßen und im Stadtverkehr in Deutschland
Bild 5-11 Zahl der im Verkehr Getöteten je PKW-Fahrleistung, abhängig von der Zahl der im Verkehr Getöteten je Einwohnerzahl
5.6 Kompatibilität
173
Die rasche Zunahme der globalen Transportleistung bis 2050 von etwa 20 auf 90 · 1012 Personenkilometer und von 10 auf 40 · 1012 Tonnenkilometer >6.1@ wird auch die Zahl der Verkehrstoten erhöhen: von 600 000 in 1995 auf 1.4 Millionen in 2030, Bild 5-12. Wie alle Lebensumstände hängt auch die Verkehrssicherheit vom BIP pro Kopf ab. Bei etwa 9 000 $ pro Kopf und Jahr liegt ein Maximum von über 200 Verkehrstoten pro Jahr und Million Einwohner. Diese Zahl sinkt aber mit steigendem Wohlstand auf 50.
Bild 5-12 Links: Zahl der Verkehrstoten je Einwohnerzahl abhängig von der Wirtschaftsleistung ($(1990, PPP) und Rechts: Hochrechnung über die zu erwartende Entwicklung der Verkehrssicherheit
5.6 Kompatibilität Verschiedene Verkehrsteilnehmer passen in ein und demselben Verkehr schlecht zusammen: weder die schweren LKW-Züge mit den PKW, weder diese mit Fußgängern oder Radfahrern. Am besten soll man sie trennen: auf Gehsteigen, Radfahrwege und eigene Nutzfahrzeugspuren. Der Masseunterschied ist zu groß. Wenn z. B. ein 1 t PKW mit einem 2 t PKW zusammenstößt, dann ist er schlecht dran. Aus dem Masseverhältnis folgt nicht nur die doppelt so große Geschwindigkeitsänderung, sondern die Aufteilung der anfallenden Deformationsenergie ist ungünstig: Vorschriften (Crash-Test gegen eine feste Wand) führen dazu, dass der schwerere PKW auch der festere ist. Also nimmt er nur einen kleinen Teil der Deformationsenergie, obwohl er doch der größere ist und sich eher stärker verformen könnte. Noch krasser ist es, wenn ein PKW mit einem Lastzug zusammenstößt. Da passen noch dazu die Stoßflächen nicht zusammen, was verheerende Folgen hat. Wollte man das Problem ernsthaft angehen, dann müssten die LKW vorn und hinten ausfahrbare Stoßfänger haben, die bei Stoßkräften nachgeben, die für PKW typisch sind. Die Dramatik der Situation geht aus der folgenden Tabelle hervor:
174
5 Sicherheit
Tabelle 5-2 Kompatibilität (Zusammenstoß ungleich schwerer Fahrzeuge) Massen
Geschwindigkeitsdifferenz
Deformationsarbeit weg
Bemerkung
m1
m2
kg
kg
m/s
km/h
kNm
mm
1 200
02 400
14
050
007
0327
PKW/PKW
1 200
12 000
14
050
109
0455
PKW/LKW
1 200
12 000
20
072
218
0909
PKW/LKW
1 200
12 000
28
100
436
3 636
PKW/LKW
(Die Deformationskraft wird zu 240 kN angenommen, wie sie für m1 und für 20 g Verzögerung beim 50 km/h-Crash folgt.)
Der Zusammenstoß zweier PKW (Massenverhältnis 1:2) mit einer Geschwindigkeitsdifferenz von 14 m/s (z. B. Auffahren mit 50 km/h auf ein stehendes Fahrzeug) erfordert einen Deformationsweg von 327 mm, der sich wahrscheinlich mehr auf das Heck des einen als die Front des anderen aufteilt. Es könnten aber auch die beiden PKW mit je 25 km/h frontal gegeneinander stoßen. Dann würde der Deformationsweg fast ganz in das leichtere Fahrzeug gehen, was widersinnig ist. Stößt ein 1.2 t schwerer PKW frontal gegen den zehnmal schwereren 12 t LKW (beide mit 25 km/h), dann würden sich nach dem Stoß beide in Fahrtrichtung LKW mit 20.6 km/h bewegen. Geschwindigkeitsdifferenz für den LKW 4.4, für den PKW 45.6 km/h. Und der Deformationsweg von 455 mm ginge überwiegend zu Lasten des PKW. Fährt ein LKW mit 72 km/h auf einen stehenden PKW auf, dann müsste dieser den Deformationsweg von 909 mm aufnehmen. (Wahrscheinlich mehr, weil die Deformationskraft des PKW-Hecks kleiner als 240 kN ist.) Wollte man einen LKW mit einem ausfahrbaren Stoßfänger ausrüsten und stieße dieser mit einem PKW bei einer Geschwindigkeitsdifferenz von 100 km/h frontal zusammen, dann müsste der Deformationsweg über 3.5 m lang sein, wenn die Deformationskraft des PKW nicht überschritten werden soll. Eine schier unlösbare Aufgabe, die darauf zurückführt, dass der Verkehr langfristig auf eine automatische Führung kommen muss. Zwischen Fußgänger und PKW liegen die Verhältnisse ähnlich. Auch da ist das Masseverhältnis 1:10, die Deformationskraft von der Erträglichkeit (40 g bei 75 kg = 30 kN) begrenzt. Entsprechend sieht die Unfallstatistik aus, Bild 5-13: bei 50 km/h haben nur mehr 50 % der Fußgänger eine Überlebenschance. Hier hilft nur die rigorose Trennung oder die Reduktion der Geschwindigkeit auf unter 30 km/h. Wenn man bedenkt, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit im Stadtverkehr unter 20 km/h liegt, dann stellt das kein unlösbares Problem dar: man muss nur Höchst- und Durchschnittsgeschwindigkeit annähern. Das muss das Ziel einer der Verkehrsführung in der Stadt sein, dem sich endlich die Verkehrsplaner zuwenden sollen statt sich utopischen Ideen hinzugeben, wo Milch, Brötchen und Müll mit der Straßenbahn transportiert werden.
5.6 Kompatibilität
175
Bild 5-13 Häufigkeit von Fußgängerunfällen, abhängig von der Unfallgeschwindigkeit
Literatur >5.1@ Fiala, E.: Abstützkräfte von Fahrzeuginsassen, ATZ 71 (1969), S. 351–355 >5.2@ Fiala, E.: Erträglichkeit mechanischer Stöße, ATZ 72 (1970), S. 167–170 >5.3@ Fiala, E.: Sicherheitsforderungen …, Dt. Verkehrswacht, Heft 5/1967, S. 148 >5.4@ Fiala, E.: Sicherheitsforschung: eine neue Aufgabe für den Rennwagenbau, Automobil Revue (Bern), 11/1969, S. 17–21. >5.5@ Fiala, E.: The Volkswagen ESV, Report 3. intern. Conf. On Experimental Safety Vehicles, U. S. Departm. of Transportaion, 1972 >5.6@ Fiala, E.: Verletzungsmechanik bei Verkehrsunfällen, Hefte zur Unfallheilkunde 98 (1969), S. 31–52 >5.7@ Fiala, E.: Zur Theorie der Leiteinrichtungen, ATZ 65 (1963), S. 276–281 >5.8@ Patrick, L. M.: Human Tolerance to Impact, SAE-pap. n 650–171 [5.9] Kramer, F.: Passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen, Vieweg, 1998
177
6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt Die kulturelle Entwicklung folgt der wirtschaftlichen. Das haben schon die Griechen vor 2 500 Jahren erkannt, und so ist es auch heute. Erst wenn die Wirtschaft eines Landes zu funktionieren beginnt, enden Gewalt und sinnlose Zerstörung, beginnen Demokratie, Bildung und Wohlstand. Diese Wahrheit erleben wir in diesen Tagen in den darnieder liegenden Ländern (Afghanistan, Irak, Kolumbien, Nord-Korea, Sudan); in Ländern, die ihren bescheidenen Wohlstand dadurch vernichten, dass sie ihre Wirtschaft zerstören (Simbabwe); in China und den ehemaligen Ostblockländern, in denen mit den Wirtschaftskräften Frieden und Freiheit erstarken. Verkehr und Wirtschaft hängen eng zusammen: mit dem wirtschaftlichen Aufschwung steigt die Zahl der Fahrzeuge (Bild 6-1a) und die verschiedendsten Länder zeigen pro 1 $ Bruttosozialprodukt 1 Personenkilometer, Bild 6-1c. Das ist kein Naturgesetz, aber es ist überall in der Welt so. Immer wieder wird behauptet, dass Verkehr und Wirtschaftsleistung zu entkoppeln seien. Tatsächlich ist das noch nirgends gelungen, und es gibt auch keine ernst zu nehmenden Vorschläge dafür. Die Verlagerung auf die Schiene ist Wunschdenken, das dem tatsächlichen Prozess widerspricht. Es ist tragikomisch mitzuerleben, wie politische Kräfte vorgeben, dass sie gleichzeitig die Wirtschaft fördern und den Verkehr verringern wollen. Es wäre weit produktiver zuzugeben, dass in der Regel eine höhere Wirtschaftsleistung mehr Verkehr mit sich bringt, ihn sogar voraussetzt. Natürlich bleibt die Aufgabe, diesen Verkehr sicher und umweltfreundlich zu gestalten. Nachhaltig muss alles sein. (Andererseits ist es nicht richtig, im Überfluss vorhandene Ressourcen nicht anzurühren, alle Nachteile einer siechen Wirtschaft zu ertragen und an der vollen Schüssel zu verhungern.)
Bild 6-1a PKW-Bestand BRD (Mio), IST und Prognose (nach Braess, H. H.: Verkehr der Zukunft …, ME 3/1992). Weil die Prognosen dauernd aus falsch verstandener Sparsamkeit und ideologischer Verblendung hinter der tatsächlichen Entwicklung zurückliegen, ist der Straßenbau immer weiter hinter dem Bedarf zurückgeblieben.
178
6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
Bild 6-1b PKW-Produktion pro 1 000 Einwohner, 2004 (Aut. Rev. Bern, 2005, dtv Jahrbuch 2003). BIP und PKW-Produktion hängen zusammen. Traditionelle Autoproduktionsländer wie Italien oder Großbritannien sind gegenüber den neuen Produktionsländern Slowakei, Tschechien, Südkorea und Spanien zurückgefallen.
Bild 6-1c Personenverkehr und Brutto-Sozialprodukt (US$ 1980) (nach Weltbank, Rep. 5206). Bei etwa 500 $ (Kurs) pro Kopf und Jahr beginnt die Motorisierung (Indien 450, China 840), die dann auf etwa 600 PKW pro 1 000 Einwohner abflacht. In den USA findet gerade ein Rückgang statt, weil SUV (sport utility vehicles) auf Kosten des PKW vordringen.
6.1 Bruttoinlandsprodukt (BIP)
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Bild 6-1d PKW-Bestand und Produktion, 2004 (Katalog der Automob. Rev., Bern 2005). Die entwickelten Länder haben 400 bis 600 PKW pro 1 000 Einwohner. In der Produktion pro Einwohner sind drei Gruppen zu unterscheiden.
Verkehr und Wirtschaft in Westeuropa (Dieckmann, [6.2])
Bild 6-1e Entwicklung des Personen- und Güterverkehrs in der EU. Von 1965 bis 1994 sind das Bruttoinlandsprodukt (GSP) durchschnittlich um 2.8 % pro Jahr, der Personenverkehr um 2.3 und der Güterverkehr um 3 % pro Jahr gestiegen.
Mit steigendem BIP pro Kopf nehmen Produktion und Bestand von PKW zu, Bild 6-1b bis 1e, wobei es zu Umschichtungen kommt: die neu in den wirtschaftlichen Aufschwung kommenden Länder produzieren relativ viel (SK, CZ, Korea, Spanien), traditionelle Herstellerländer (GB, I) geben ihre Produktion ab, Bild 6-2. Global wurden 2004 rund 48 Millionen PKW und 17 Millionen Nutzfahrzeuge produziert. Der globale Bestand beträgt mehr als 600 Millionen PKW und 827.5 Millionen PKW und Nutzfahrzeuge zusammen. Allein in den USA verkehren 204 Millionen Autos (191 Millionen Führerscheine).
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
Bild 6-2 Mit der wirtschaftlichen Entwicklung steigt die Zahl der pro Jahr produzierten PKW (ab 2004 Prognose). Wurden im Jahr 2000 etwa 40 Mio. PKW und 17 Mio. Nutzfahrzeuge oder insgesamt 58 Mio. Kraftfahrzeuge produziert, so werden es 2050 vielleicht 280 Mio. sein. Der Bestand könnte von heute zehn Kraftfahrzeugen pro 100 Menschen auf 30 zunehmen.
6.1 Bruttoinlandsprodukt (BIP) Das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts um fast 4 % pro Jahr gestiegen >6.1@ und die meisten Prognosen gehen von einem ähnlichen Wert für die nächsten 50 Jahre aus. In >6.1@ wird der in den Bildern 6-3a und 6-3b gezeigte Zusammenhang angenommen und begründet: Bevölkerungswachstum (dbev) und Wirtschaftswachstum (dbip) hängen von der augenblicklichen Wirtschaftsleistung pro Kopf ab. Daraus kann dann die wahrscheinliche Zunahme von Bevölkerung und Wirtschaftsleistung abgeschätzt werden. Bis zum Jahr 2050 nimmt danach die Bevölkerungszahl von 6 auf 9.5 Milliarden zu (+0.92 %/a, degressiv), das durchschnittliche BIP (Kurs) von 5 500 auf 16 500 $ pro Kopf und Jahr (+2.1 %/a) und das BIP global von 35 auf 155 Billionen $ (+3 %/a). (Die Angaben des dtv Jahrbuches 2003 ergeben ein globales BIP von 31 Billionen, 5138 $/c. a.) In gleicher Weise sind daraus Transportleistung (Personen- und Tonnenkilometer pro Jahr), Verbrauch, Emissionen und die Zahl der Verkehrstoten zu errechnen, Bild 6-4 bis -8.
6.1 Bruttoinlandsprodukt (BIP)
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Bild 6-3a Anzunehmende Zunahme der Bevölkerungszahl dbev (% pro Jahr) und der Wirtschaftsleistung pro Kopf dbip (% pro Jahr) abhängig von der Wirtschaftsleistung (BIP pro Kopf in 1000 $ pro Kopf und Jahr). Entsprechend der in >5.1@ angegebenen Methode sind für 50 Bevölkerungsgruppen damit Bevölkerungszahl und BIP pro Kopf ausgerechnet. Das Ergebnis zeigt, dass bis 2050 die Bevölkerungszahl auf 9 Milliarden und das BIP pro Kopf auf 17000 $ pro Kopf und Jahr ansteigen werden. Die Werte für die einzelnen Bevölkerungsgruppen dienen der Hochrechnung in den folgenden Bildern.
Bild 6-3b Über der globalen Bevölkerungszahl (in %) ist für 25 Bevölkerungsgruppen die Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr für die Jahre 2000, 2020 und 2040 angegeben. Bevölkerungszahl und Wirtschaftsleistung verändern sich entsprechend dem eingeschriebenen Diagramm. In den Ellipsen ist die horizontale Achse der Bevölkerungszahl, die vertikale der Wirtschaftsleistung pro Kopf proportional; die Fläche der Ellipsen damit also der Wirtschaftsleistung der betreffenden Bevölkerungsgruppe.
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
Diese Modellrechnung mag zu optimistisch erscheinen, verspricht sie doch die Vermehrung von Frieden, Bildung und Wohlstand, eine Angleichung des Wohlstandes in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, ein Schließen der Schere des Einkommensunterschiedes, von der fälschlicher Weise immer wieder behauptet wird, dass sie sich mehr und mehr öffnet. In Bild 6-3b ist zu erkennen, wie sich Bevölkerungszahl und Wirtschaftsleistung der Bevölkerungsgruppen im Lauf der Zeit verändern: die heute wirtschaftlich schwachen (links) vergrößern in erster Linie ihre Bevölkerungszahl, die Ellipsen werden breiter; die heute mäßig entwickelten (Mitte) nehmen an Zahl und Wohlstand zu (die Ellipsen werden größer); die heute schon entwickelten verändern sich wenig. Das Bevölkerungswachstum findet in der linken Hälfte des Bildes statt: die Entwicklungslinien weisen nach rechts. Das Wirtschaftswachstum tritt besonders in der Mitte auf: die Wirtschaftsleistung der einzelnen Bevölkerungsgruppen (die Fläche der Ellipsen) werden so groß wie die der entwickelten Bevölkerungsgruppen von heute. Dort sind die Märkte der Zukunft. 80 % der Bevölkerung haben eine Wirtschaftsleistung von mehr als 10 000 $ (2000) pro Kopf und Jahr. Das ist die Vergleichmäßigung des Wohlstands. Es ist freilich nicht zu übersehen, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, die bitter arm bleiben (ganz links). Wie kann diesen geholfen werden? Die übliche Entwicklungshilfe bemüht sich zwar, in erster Linie die Wirtschaftsleistung des betroffenen Landes zu steigern. Aber in der Vergangenheit wurde oft das Gegenteil erreicht: wenn man z. B. Lebensmittel einführt und verteilt, ruiniert man zwangsläufig die Lebensmittelindustrie, die Landwirtschaft, der betreffenden Bevölkerungsgruppe. In Kapitel 8.8 dazu einige Daten (Bild 8.6-1 bis -2b).
Bild 6-4 Angenommene Abhängigkeit der Personen-km pro Kopf und Jahr von der Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr, links. Mit den Werten von >5.2@ folgt daraus die wahrscheinliche Zahl der Personenkilometer pro Kopf und Jahr bis zum Jahr 2050, rechts. Sie wird von heute 20 Billionen Pkm/a auf 80 Billionen Pkm/a (auf das Vierfache) zunehmen.
6.1 Bruttoinlandsprodukt (BIP)
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Bild 6-5 Angenommene Abhängigkeit der Tonnen-km pro Kopf und Jahr von der Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr, links. Mit den Werten von Bild 6-2 folgt daraus die wahrscheinliche Zahl der Tonnenkilometer pro Kopf und Jahr bis zum Jahr 2050, rechts. Sie wird von heute sieben Billionen tkm/a auf 35 Billionen tkm/a (auf das Fünffache) zunehmen.
Wächst die Wirtschaftsleistung pro Kopf und steigt gleichzeitig die Bevölkerungszahl, stellt sich die Frage, ob diese Steigerungsraten naturverträglich sind, ob die Ressourcen reichen und die Umweltbelastung verkraftbar bleibt. Bekanntlich haben global akzeptierte Prognosen das verneint, >6.2@, >6.3@, >6.4@. Danach müsste eine Reihe von Ressourcen heute schon erschöpft sein, Bild 6-9. Diese falschen Prognosen haben zu der verheerenden Aussage geführt, dass die Grenzen des Wachstums erreicht seien. (Aus dem Vorwort zu Literatur >6.3@: „Eine lebenswerte Zukunft muss zu einer Epoche des Rückzugs werden, in der man die Aktivitäten zurückfährt...“) Die negativ-passive Einstellung weiter Bevölkerungskreise zum Wirtschaftsgeschehen, die heute die Wirtschaft der westlichen Welt lähmt, ist auf auch diese falschen Prognosen zurückzuführen. Sie sind bis heute vom Club of Rome nicht als falsch bezeichnet und dementiert worden. Ernst Ullrich von Weizsäcker >6.6@ gibt lediglich zu, dass die Prognosen der beiden ersten Berichte an den Club of Rome >6.2@ und >6.4@ wohl zu pessimistisch gewesen seien, dass doppelter Wohlstand bei halbiertem Naturverbrauch („Faktor 4“) möglich seien. Aber was heißt das? Eine Verdopplung des globalen BIP (wenn dieser als Maßstab herangezogen wird) reicht bei weitem nicht. Wenn die entwickelten Bevölkerungsgruppen mit dem Wohlstand aus ihrer Wirtschaftsleistung zufrieden blieben (was überhaupt nicht der Fall ist) und wir für alle Menschen den gleichen Wohlstand anstreben (z. B. 15 000 $/c.a.), dann müsste das globale BIP für 10 Milliarden Menschen auf 150 Billionen steigen, das ist eine Verfünffachung. Und was heißt Naturverbrauch?
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
Bild 6-6 Links: Angenommene Abhängigkeit des Verbrauchs in Liter pro 100 Personenkilometer (ltr/100 Pkm) und Liter pro 100 Tonnenkilometer von der Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr. Rechts: Mit den Werten von Bild 6-4 und 6-5 folgt daraus der wahrscheinliche Gesamtverbrauch bis zum Jahr 2050. Er wird von heute 1.8 Milliarden t Öläquivalent auf 7 Milliarden t Öläquivalent (auf das fast Vierfache) zunehmen. Es sind noch Angaben aus anderen Quellen eingezeichnet.
Bild 6-7a Links: Angenommene Abhängigkeit der PKW-Emissionen von der Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr. Rechts: Mit den Werten von Bild 6-3 folgt daraus die wahrscheinliche Gesamtemission des Personenverkehrs bis zum Jahr 2050.
Wir verbrauchen die Natur nicht, wir gebrauchen ihre Schätze, richten uns in ihr ein. Für die meisten Menschen ist ein Garten schöner und erstrebenswerter als die Wildnis. Merkwürdiger Weise geben sich viele, die meinen ethisch zu denken, damit zufrieden, dass der größere Teil
6.1 Bruttoinlandsprodukt (BIP)
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der Menschheit in Armut, ohne die Segnungen der Zivilisation, die sie selbst genießen, dahin vegetieren solle. Richtig kann es aber nur sein, für alle Menschen dieser Welt die größtmögliche Bildung und den größtmöglichen Wohlstand anzustreben.
Bild 6-7b Links: Angenommene Abhängigkeit der Nutzfahrzeug-Emissionen von der Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr. Rechts: Mit den Werten von Bild 6-3 folgt daraus die wahrscheinliche Gesamtemission des Personenverkehrs bis zum Jahr 2050.
Bild 6-8
Links: Angenommene Abhängigkeit der Zahl der Verkehrstoten von der Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr. Rechts: Mit den Werten von Bild 6-3 folgt daraus die wahrscheinliche Gesamtzahl bis zum Jahr 2050.
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6.2 Ressourcen Der falsche Denkansatz des Ressourcen- und Natur-„Verbrauches“ muss endlich überwunden werden. Demokrit hat schon vor 2 500 Jahren gewusst, dass Nichts aus dem Nichts kommt, und Nichts ins Nichts verschwindet. Die Ressourcen reichen für alle gegenwärtigen und zukünftigen Generationen. Sie sind in Wahrheit unerschöpfbar, obwohl sie nicht unbegrenzt vorhanden sind. Wir v e r brauchen sie nämlich nicht, wir g e brauchen sie nur. Nichts verschwindet, alles reichert sich im technischen Kreislauf an. Diese Behauptung widerspricht der gegenwärtigen Bewusstseinslage. Sie ist aber aus drei Gründen richtig: x Die derzeitigen und künftigen Stoffströme sind klein im Verhältnis zu den Vorräten und die erforderlichen Energieströme sind klein im Verhältnis zum Energieumsatz der Natur, x die verwendeten Rohstoffe verschwinden nicht, sondern verbleiben im technischen Kreislauf, werden immer wieder verwendet (Schrott) und x es gibt für jede Ressource Ersatz. Der mit der Knappheit steigende Preis schützt alle Ressourcen vor der völligen Erschöpfung, weil Ersatzlösungen irgendwann billiger werden. Die Wahl der Ressource ist immer eine ökonomische Entscheidung. Aus diesem Grund ist aus der Steinzeit die Eisenzeit geworden. Viele Gegenstände des täglichen Gebrauchs sind heute aus Kunststoff, der vor 60 Jahren als „Ersatzstoff“ in Erscheinung getreten ist. Die vier technisch wichtigsten Elemente (O, Si, Al, Fe) sind zugleich die vier häufigsten in der oberen Erdrinde. Nachwachsende Rohstoffe und synthetisch hergestellte sind eine an Bedeutung zunehmende Rohstoffquelle. Friedrich Schmidt-Bleek >6.5@ hat ein neues Angstszenario geschaffen: für einen Ehering aus 10 gr Gold müssen 3.5 t Material bewegt werden. Wenn 9 Milliarden t pro Jahr Kies und Sand (und insgesamt vielleicht 200 Mrd. t pro Jahr) bewegt werden, dann sind das unvorstellbar große Mengen. Aber die Natur bewegt weit größere Mengen: z. B. 500 000 Mrd. t pro Jahr Wasser, die verdunsten und regnen, zum Teil viele tausende Kilometer fließen und nicht nur umgeschaufelt werden wie der Abraum eines Goldbergwerks. Natürlich verändert der Mensch die Erde, wie das Leben schon von Anbeginn die Erdoberfläche verändert hat. Ohne Leben wäre sie wüst und leer wie die Oberfläche unserer Nachbarplaneten, hätte keine Sauerstoffatmosphäre, nicht das herrliche Grün der Pflanzen und Blau des Himmels. Die biologische Art Mensch verdrängt auch andere biologische Arten. Das machen alle Arten so, sonst gäbe es keine Evolution, wären nicht über 99 % der bisherigen Arten ausgestorben. Die Menschheit darf es sich aber als positiv anrechnen lassen, dass sie als erste biologische Art für den Fortbestand anderer Arten sorgt. Und zwar umso mehr, je größer ihre Wirtschaftsleistung pro Kopf ist. Die Bilder 6-9 bis 6-12 geben einen Überblick über den technischen Stoff- und Energiefluss in den auch der Material- und Verbrauchsbedarf des Autos eingebettet ist.
6.2 Ressourcen
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Bild 6-9 Reichweiten in Jahren (= vermutete Reserve/Verbrauch pro Jahr). Mesarovic, M. und Pestel, E.: Menschheit am Wendepunkt, 2. Bericht an den Club of Rome, dva 1974. Rückblickend ist es schwer verständlich wieso eine Bundesanstalt zu so falschen Prognosen kommen konnte und die Welt darauf hineingefallen ist.
Bild 6-10 Stoffströme und „Rucksack“ für die größten Wirtschaftsgüter (Schmidt-Bleek 1994, zitiert aus Faktor 4, S. 269), der Vorrat in der oberen Erdrinde und als Vergleich der Wasserumlauf. – Zum Beispiel Eisen: Es werden etwa 900 Mio. t pro Jahr Rohstahl erzeigt, aus 400 Mio. t Roheisen und 500 Mio. t Schrott. Im technischen Kreislauf befinden sich etwa 6 t pro Kopf, insgesamt also 36 Milliarden t. In 100 Jahren mögen es 20 t pro Kopf sein, dann 200 Milliarden t. Aber in der zugänglichen Erdrinde gibt es 100 000 mal so viel Eisen. – In der zugänglichen Erdrinde gibt es z. B. 75 t Silber pro Kopf. Auch wenn nur 1 Promille verwertbar sein sollte, sind es noch immer 75 kg pro Kopf.
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Bild 6-11 Globaler Energiebedarf. World Energy Forecasts 1996, +2. 11%/a (2050: 25 Mrd t OE/a = 31 Mrd kW). Der globale Energiebedarf steigt mit etwa 2.1 % pro Jahr. In der Aufteilung liegen die fossilen Energieträger vorn. Wasser- und Kernkraft werden in diesem Vergleich unter ihrem Wert geschlagen. Ihre Energie wird in elektrischen kW gezählt. Das trifft auch auf die alternativen Energien zu, die aber zusammen nur etwas mehr als 1 Promille beitragen.
Natürlich könnte man auch heute schon ein Auto bauen, das vorwiegend aus Holz und Keramik besteht. Das wäre aber unwirtschaftlich und unterbleibt daher. Schwieriger ist die Situation beim Kraftstoff. Die Erdöllager sind endlich. – Obwohl die so genannte „Reichweite“ seit 50 Jahren fortwährend größer wird, muss sich der Verkehr langfristig nach Kraftstoffalternativen umsehen. Das nächstliegende ist die Verwendung nachwachsender Energieträger: Rapsöl wurde von Karl dem Großen zur Herstellung von Lampenöl nördlich der Alpen eingeführt. Obwohl unwirtschaftlich erobert es einen zunehmenden Anteil im Kraftstoffsektor. Der Einsatz von aus Zuckerrohr gewonnenem Äthylalkohol wurde in Brasilien unter weitgehender Unterschätzung der wirtschaftlichen Unterlegenheit versucht. In Südafrika wird im großen Maßstab Benzin aus Kohle hergestellt, in Indonesien Kraftstoff aus Erdgas (gas to fuel). In Deutschland wird nach dem wirtschaftlichsten Weg für die Herstellung von Kraftstoff aus Biomasse gesucht (biomass to fuel). Solange es noch Erdgas (Methan) und Flüssiggas (Propan, Butan) gibt, kann diese in Fahrzeugflotten eingesetzt werden. In der Nähe von Erdgas und Kohlelagerstätten müsste sich die Herstellung von Kraftstoffen rechnen, weil der kWh-Preis für beide Energieträger kleiner als der für Öl ist. Aber was dann, wenn (in 200 Jahren?) die fossilen Energieträger wirklich zu Ende gehen oder wegen des steigenden CO2-Pegels nicht mehr verwendet werden können? Dann bleibt nur der Rückgriff auf die unerschöpflichen Energiequellen: Solarstrahlung, Erdwärme und Kernkraft, Bild 6-12.
6.2 Ressourcen
Bild 6-12 Die globalen Energieströme sind weit größer als der technische Bedarf.
Bild 6-12a Kraftstoffkosten: mit steigendem Erdölpreis werden Alternativen konkurrenzfähig
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Bild 6-12b Stromkosten: Kosten entscheiden die Wahl der Ressourcen
Bild 6-12c Sonneneinstrahlung (kWh pro m² und Jahr) abhängig von Breitengrad und Bewölkung
6.2 Ressourcen
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Bild 6-12d Fläche, Bevölkerungsdichte und angenommene Einstrahlung pro Fläche und Kopf .
Energie muss aber nicht nur vorhanden sein, sie muss auch gespeichert und transportiert werden. Naheliegend ist die Verwendung von Wasserstoff: Wasser gibt es in beliebiger Menge, es wird ja auch nicht v e r braucht sondern nur g e braucht. Leider ist Wasserstoff ein für Lagerung, Transport und Handhabung schlecht geeignetes Medium. Die Natur ist daher seit langem darauf verfallen, Kohlenwasserstoffverbindungen, Kohlehydrate (Stärke) und Kohlehydride (Fette) einzusetzen. Diese Energieträger sind leicht (6–11 kWh/kg), leicht zu lagern, zu transportieren und zu handhaben (weil flüssig oder fest), der Kohlenstoffkreislauf schließt sich über das CO2 der Atmosphäre. Wenn man daher beginnt, geeignete Energieträger zu produzieren, (sobald Alternativen besser geeignet, als die Derivate fossiler Energieträger sind), dann wird man bevorzugt flüssige Energieträger anstreben: Kohlehydride (Öl, Dimethylethan (DME), Benzin) oder Kohlehydrate (Alkohole), Bild 6-13.
Bild 6-13 Möglichkeiten zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Methanol (CH3OH) kann relativ einfach zu Benzin oder Dimethyläthan (DME) weiterverarbeitet werden.
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Eine andere Möglichkeit liegt in der Verwendung von Ammoniak, NH3. Es ist bei relativ kleinem Druck zu verflüssigen, Stickstoff N2 steht überall zur Verfügung. Die häufig gestellte Frage nach der „Reichweite“ des Erdöls ist eigentlich sinnlos: es wird nie zu Ende gehen, weil irgendwann alternative Energieträger billiger sind. Das dann teuer gewordene Erdöl wird man nur dort einsetzen, wo es keine Alternativen gibt (für bestimmte chemische Prozesse z.B.). Bild 6-12a zeigt das Kostenbild: die zum konventionellen Erdöl teureren Alternativen gewinnen mit steigendem Marktpreis ihre Chance. Dieser liegt heute bei etwa 50 +/- 30 $/bbl bzw 4 +/- 1.5 USct/kWh. Zu diesem Marktpreis ist off shore-Förderung konkurrenzfähig und allmählich werden es auch die Ölsande und Ölschiefer in denen es z.B. in Kanada etwa so viel Energie wie in Saudi Arabien gibt. Etwa gleich teuer könnte die Versorgung mit Benzin aus Kohle (coal to liquid, CTL) sein, wie das heute in großem Stil in Südafrika gemacht wird. Oder durch Verflüssigung von Methangas (gas to liquid, GTL). Dafür ist gerade in Indonesien ein große Anlage in Betrieb gegangen. Oder durch Verwendung von Biomasse (biomass to liquid, BTL), wofür sich gerade Shell und Volkswagen engagieren. Noch teurer ist es Rapsöl umzuestern („Biodiesel“) oder Zucker zu vergären, wie es in Brasilien in großem Maß betrieben wird. Alle diese Investitionen sind dadurch gefährdet, dass konventionelles Erdöl eines Tages billiger wird. Wer soll dann die teueren Produkte kaufen? Wird der Anspruch auf CO2-freie Energienutzung getrieben, dann scheidet unbehandeltes Erdöl von vornherein aus. Trotzdem gibt es genug Energie für alle Menschen und alle künftigen Generationen. BTL verwendet Kohlenstoff nur im Kreislauf, wenn Traktoren und chemische Prozesse (Kunstdünger) auch mit Biomasseprodukten betrieben werden. Man kann aber auch fossile Energieträger einsetzen, wenn das C bzw CO2 abgespaltet und „endgelagert“ wird. Auch kann man Kohlehydride als Energieträger verwenden, wenn auf andere Weise dafür gesorgt wird, das der C-Kreislauf geschlossen bleibt. Verwendet man z.B. den Kohlenstoff des Kalksteins (CaCO3) als Kohlenstoffquelle (Abspalten des CO2 durch Brennen: CaCO3 = CaO + CO2), so nimmt der gebrannte Kalk das CO2 wieder aus der Atmosphäre auf. Freilich braucht man Wasserstoff: entweder aus Elektrolyse (Solar- oder Kernenergie) oder aus biologischen Prozessen, oder man setzt Methan ein, wobei allerdings ein Teil des Kohlenstoffs in der Atmosphäre bleibt (siehe Gleichungen in Bild 6-12a). – Analog verhalten sich die Strompreise, Bild 6-12b. Es gibt genug Energie, sie wird nur mit steigenden Ansprüchen immer teurer. Auch hier können fossile Energieträger eingesetzt werden, wenn das CO2 abgespaltet und endgelagert wird. – Die Insolation, die Einstrahlung der Sonne, ist je nach geografischem Breitegrad und Bewölkung unterschiedlich, Bild 6-12c. Ebenso ist es die Bevölkerungsdichte. Bezieht man die eingestrahlte Sonnenenergie auf die Bevölkerungszahl (Bild 6-12d), so ergeben sich überraschende Ergebnisse: z.B. kommen in Bangladesh nur 212 kW pro Kopf, weil zwar die Einstrahlung (1700 kWh/m².a) aber auch die Bevölkerungsdichte (917 Ew/km²)groß sind. Russland erntet 10829 kW pro Kopf, 48 mal so viel, weil sowohl die Einstrahlung (800 kWh/m².a) aber auch die Bevölkerungsdichte (8 Ew/km²) klein sind. Die EU ist gut beraten sich mit dem Südrand des Mittelmeers gut zu stellen: dort gibt es reichliche und intensive Sonneneinstrahlung bei kleiner Bevölkerungsdichte (Algerien 13.15, Libyen 3.07 Ew/km², 66 600 kW/c) in nicht zu großer Entfernung. Die USA sind günstiger dran: ihr eigener Süden ist gut bestrahlt und der Nachbar und Wirtschaftspartner Mexiko ist bei einer Insolation von 1600 kWh/m².a und einer Bevölkerungsdichte von 51.5 Ew/km² ein potenter Lieferant von Solarenergie.
6.2 Ressourcen
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Bild 6-14 Energieproduktion je Erwerbstätigen (kW/ET). Das kann nur eine sehr grobe Schätzung sein, weil sich die Technologie rasch verändert (wie viele Arbeitsstunden sind erforderlich um 1 kWh der betreffenden Energie verfügbar zu machen?) und auch die Zahl der Arbeitsstunden pro Jahr schwer vorauszusagen ist. Die Wasser-, Wind- und Kernkraftenergieproduktion (WWK) ist hier in einen Wert zusammengefasst, obwohl kaum vorauszusehen ist, in welchem Umfang Wasserkraft weiter ausgebaut wird, Windkraft sich durchsetzt (off-shore windparcs) und wie sich die Nutzung von Kernkraft entwickelt (Endlager, Kernfusion).
Im Vergleich zur Raffinerie von Erdöl oder sogar zur Umsetzung von Kohle in flüssige Energieträger werden diese synthetischen Energieträger viel teurer sein, mehr Arbeitsaufwand erfordern. Aber haben wir nicht ohnehin Angst, dass uns „die Arbeit ausgeht“? Suchen wir nicht nach neuen Arbeitsplätzen? Wir müssen abschätzen, welcher Arbeitsaufwand auf die Menschheit zukommt, und ob er leistbar ist. Dazu ist zunächst zu bedenken, dass unsere Zählung des Energiebedarfs recht fahrlässig ist: wir addieren elektrische (Hochtemperatur-) und chemische (Niedertemperatur-) Energie, obwohl man aus elektrischer Energie das Mehrfache an Niedertemperatur machen kann (Wärmepumpe) und umgekehrt elektrische (Hochtemperatur-) Energie nur mit einem bescheidenen Wirkungsgrad aus chemischer Energie zu gewinnen ist. Entsprechend zahlen wir auch im Haushalt für eine elektrische kWh ein Mehrfaches wie für Gas, Öl oder Kohle. Für das Nutzbarmachen eines Liters Benzin (9 kWh) an der Tankstelle ist ein bestimmter Arbeitsaufwand für Prospektion der Lager, Förderung, Transport und Raffinerie aufzuwenden. Dieser Aufwand kommt im Preis (abgesehen von Steuern) zum Ausdruck. Für eine kWh elektrischen Strom im Haushalt ist eine höherer Arbeitsaufwand erforderlich: für den Bau des Kraftwerks, für Kohle, Gas oder Öl, für die Speicherung der Energie (Pumpkraftwerk), für die Stromzuleitung, Bild 6-14. Letzten Endes decken die Preise nur die Arbeitskosten ab, weil Wasser, Wind, Sonnenstrahlung und die Energie der Lagerstätten selbst kostenlos sind. In Bild 6-15 werden die so abgeschätzten Werte auf den ebenfalls abgeschätzten Energiebedarf angewendet. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich der Bedarf an elektrischer (Hochtempe-
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
ratur-) Energie schneller erhöht als der an chemischer (Niedertemperatur-) Energie. Niedertemperatur kann leichter eingespart werden (Isolierung der Häuser), fossile Energie wird fortwährend teurer und die alternativen Energien fallen als elektrische (Hochtemperatur-) Energie an: Windkraft, Solarthermie und Photovoltaik. Trotzdem ist diese Prognose mit großer Vorsicht zu genießen: wenn sich die Welt auf eine wirksame Reduktion der CO2-Emission einigt, wird die alternative Energie (und Kernkraft?) stärker zunehmen, als wenn die Hydromethanlager ausgewertet werden, die dann noch über die angenommenen 100 Jahre hinaus reichen würden. Im Bild 6-15 rechts sind die erforderlichen Arbeitskräfte im Energiesektor aufgezeichnet. Heute arbeiten dort etwa 100 Millionen Erwerbstätige, etwa 3 % der globalen Zahl. 2100 könnten dann dort 450 Millionen Arbeitskräfte erforderlich sein, dann vielleicht 10 % der global Erwerbstätigen. Das sind zwar sehr viele, aber es sind nicht so viele, dass es nicht vorstellbar ist. Außerdem ist der Energiemix flexibel. Normalerweise entscheidet die Wirtschaftlichkeit, welche Ressource zum Einsatz kommt. Wenn man die arbeitsaufwendige Solarenergie durch die billigere Kernkraft ersetzt, dann lassen sich mindestens 30 % der Arbeitskräfte einsparen. Wenn die Zeiträume nicht zu lang wären, könnte man beruhigt Wetten darauf abschließen, wie der Energiemix aussehen wird. Schon heute wirkt die Wettbewerbssituation national auf die Nutzung der billigsten Energie: Windkraft und Biokraft kommen immer mehr unter Druck weil sie die Wettbewerbssituation verschlechtern. Immerhin kann man sich damit trösten, dass alternative Energien entwickelt werden. Was aber nutzt das, wenn sie auch in Zukunft zu teuer sind?
Bild 6-15 Energiebedarf und Erwerbstätige im Energiesektor. Links ist der erwartete Energiebedarf getrennt nach Hochtemperatur-Energie und NiedertemperaturEnergie aufgetragen. Rechts ist daraus die Zahl der Erwerbstätigen im Energiesektor berechnet, die sich aus der in Bild 6-14 angenommenen Effizienz ergibt.
6.3 Emissionen und Umweltschutz
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6.3 Emissionen und Umweltschutz Menschliche Aktivitäten belasten die Umwelt, verändern sie umso mehr, je mehr Menschen es gibt. Wir wissen nicht, wohin sich diese Einflüsse letztendlich addieren, ob die Veränderungen daraus günstig oder ungünstig für das Leben insgesamt oder die Menschheit im Besonderen sein werden. Weil wir das nicht wissen, neigen wir dazu, keine Änderung als wünschenswert anzunehmen. Dieser Wunsch ist berechtigt, aber naiv: nichts ist so sicher wie die fortwährende Änderung. Also ist es vernünftiger sich darauf zu konzentrieren, wie die Veränderungen sein werden, welche günstig und welche ungünstig für welche Lebenskreise sind, und wie wir Einfluss nehmen können. Eine Veränderung der Temperatur der Erdoberfläche muss nicht gleich eine „Klimakatastrophe“ sein, zu der sie von denen hochstilisiert wird, denen es gefällt Andere in Angst und Schrecken zu versetzen. Natürlich sind schon wenige Zehntel Grad von immenser Bedeutung. Aber die globale Durchschnittstemperatur war in den letzten 600 Millionen Jahren um +3 oder -5 °C anders, und der Meeresspiegel ist seit der letzten Eiszeit um 120 m gestiegen. Und das nicht sehr langsam, sondern mit dramatischen Durchbrüchen ins Mittelmeer und ins Schwarze Meer. Verschiedene Bevölkerungsgruppen haben verschiedene Wünsche: die Bangladeschi werden sich keine Temperaturerhöhung wünschen, wenn infolge des damit verbundenen Anstiegs des Meeresspiegels ihr Land überflutet wird. Aber die Sibiriaken könnten sich höhere Temperaturen wünschen, wenn sie auch nicht absehen können, welche Folgen das Aufgehen des Permafrosts für sie und die Welt haben würde. Für einzelne Tierarten trifft das in noch viel größerem Maß zu. Wo ist der Richter in diesen Fragen? „Der Mensch ist sich im dunklen Drange des rechten Weges wohl bewusst“ meint Goethe. Wer macht aber aus dem dunkel Drang kodifiziertes Recht? Wir sind uns offenbar nicht darüber einig, wie viele Menschen auf der Erde leben sollen. Die einen betreiben massive Geburtenbeschränkung, die Anderen loben Gott für die Fruchtbarkeit, die er uns schenkt. Eine Kompromissformel könnte lauten: es sollen so viele Menschen leben, dass das Produkt aus Zahl und Lebensqualität maximal wird. Wie misst man Lebensqualität? Dafür gibt es zahlreiche Vorschläge, z. B. den Human Development Index (HDI) >6.1@. Er liegt für die Industriestaaten bei 0.95, für Entwicklungsländer bei 0.25, steht überall in engem Zusammenhang mit dem BIP pro Kopf [6.1]. Die Kompromissformel läuft auf ein möglichst großes globales BIP hinaus, was sicher von vielen als Ziel bestritten würde. Und kommt es nicht auf alles Leben an, nicht nur auf den Menschen? Und haben nicht alle Lebensarten das gleiche Recht auf Leben? Elefanten wie Ratten, Zaunkönige wie Amöben? Wir sparen diese letzten Fragen aus, weil sie zu weit führen, ins Beliebige. Dafür mäkeln wir an Details, die aber ohne das Große und Ganze eigentlich unerheblich sind. – Und selbst wenn wir uns über die Ziele einig wären: wer hat die Macht sie durchzusetzen? Nehmen wir an, dass ein Konsens darüber bestünde, dass ein Temperaturanstieg vom steigenden CO2-Spiegel verursacht würde. Wie soll man die Bevölkerungsgruppen, die einen Temperaturanstieg wollen, dazu bringen ihn mit Kostenaufwand zu vermeiden? Durch Kriege? Durch Glaubenskriege, die die wahre Geißel der Menschheit sind? Es ist nicht so schwer, eine Bevölkerungsgruppe von einem Unsinn zu überzeugen. Das so genannte „Waldsterben“ ist ein modernes Beispiel. Obwohl in den letzten 50 Jahren in Mitteleuropa der Wald an Fläche und Bestand zugenommen haben, haben wir das Waldsterben beschlossen. Die entwaldeten Flächen des Schwarzwaldes, der Rhön und des Wienerwaldes waren nichts weiter als Angstschimären, die von verantwortungslosen Schamanen aufgebaute und von hilflosen Politikern exekutiert wurden. Der steigende CO2- und NO2-Pegel vergrößert offenbar die Biomasseproduktion. (Die Zunahme der letzten 20 Jahre wird auf 6 % geschätzt, also um einen Energiestrom
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
von 12 Mrd. kW, so viel wie der anthropogene Verbrauch insgesamt.) Alle Meinungen von Bevölkerungsgruppen und auch nicht die der UNO dürfen je zur Gewaltanwendung führen.
Bild 6-16 Belastungsindikatoren A und EU15, UBA A, 1998, ISBN3-35457-413-4
Bild 6-17 Verkehrsemissionen in Deutschland und China
Die Belästigung durch Autoabgase in Ballungsräumen ist unbestritten, von jedem zweifelsfrei nachvollziehbar. An besonderen Stellen der Erde, wie im Becken von Los Angeles oder Denver, lösen sie massive Folgen aus. Aber auch in allen Innenstädten warnt uns die Nase vor
6.3 Emissionen und Umweltschutz
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Bestandteilen, nicht nur lästig sondern auch gefährlich sein können. Auffälligen Geruch haben Kohlenwasserstoffe, Schwefel- und Stickstoffverbindungen. Polyzyklische Aromaten und lungengängige Stäube stehen im Verdacht, Krebs auslösen zu können. Die Entwicklung der Lebenserwartung und der Sterbefälle infolge Krebs der Atmungswege (Bild 5-8) können diesen Verdacht nicht bestätigen. Trotzdem haben seit etwa 1965 in aller Welt schärfer werdende Vorschriften eingesetzt, die den Ausstoß von unerwünschten Stoffen reduzieren. Global werden diese Bestandteile die nächsten 50 Jahre weiter zunehmen. Lokal sind die Konzentrationen bei den entwickelten Bevölkerungsgruppen im Fallen, Bild 6-7a und 6-7b. Die Bilder 6-18 und 6-19 zeigen die schärfer werdenden Vorschriften.
Bild 6-18
Emissionsgrenzwerte PKW-Diesel. H. Lukaschek: Ohne Rauch …, Auto&Wirtschaft, 3/2004
Bild 6-19 Grenzwerte für LKW über 7.5 t
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
Bild 6-20 Partikelemission von PKW-Diesel nach P-News, 3/1999, S. 7.
Das Vordringen des Dieselmotors auch im PKW ruft gelegentlich Sorge über eine zunehmende Belastung durch lungengängigen Feinstaub hervor. Bild 6-21 nennt den Verbrauchsvorteil des PKW-Diesels und stellt ihn der Partikelemission gegenüber.
Bild 6-21 US-Abgasvorschriften (a.. nach 50000, b.. nach 100000 Meilen), MVM 23 (1997), S. 56.
In Bild 6-21 sind Maßnahmen zur Reduktion verschiedener Abgasbestandteile genannt. – Große LKW werden die EURO 5 Stufe wahrscheinlich durch Einspritzung von Harnsäure (32.5 Harnsäure + 67.5 % Wasser; 3.35 cm3/Liter Dieselkraftstoff) ins Abgas vor einem selektiv wirkenden Katalysator (SCR = selective catalytic Reaktion) mit einer Absenkung von 85 % des NOx und 40 % der Partikel des Rohabgases erreichen. In EURO 5 werden besonders auch
6.3 Emissionen und Umweltschutz
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die nicht stationären Betriebszustände erfasst: bei rascher Lasterhöhung führt die verzögerte Reaktion des Turboladers zu einem vorübergehenden Luftmangel, der sich in größerem Partikelausstoß äußert. Umweltschutzmaßnahmen greifen nicht nur beim Abgas. 2002 waren 87 % der Abwässer in Österreich kaum bis mäßig verschmutzt, 3 % stark bis außerordentlich. 1968 war dieser Anteil noch 17 %, Bild 6-22. Der Höhepunkt der Belastung durch Bleistaub ist lange überschritten. Stellenweise findet sich eine höhere Cadmium-Konzentration, deren Herkunft nicht sicher zu erklären ist.
Bild 6-22 Gewässerqualität 1968 und 2002 in Österreich. öko-Projekt, Sonderausgabe 2003, BM f. Land- und Forstwirtschaft.
Bild 6-23 Flächenbedarf Links: Flächenbedarf abhängig vom BIP pro Kopf. – Rechts: Der Flächenbedarf für den „Lebensraum“ der Menschen nimmt zunächst mit ihrer Zahl zu. Infolge der rascher als die Bevölkerungszahl steigenden ha-Erträge ist aber ein Maximum der für die Ernährung erforderlichen Flächen abzusehen. Weiter steigen wird der Flächenbedarf für Wohnen und Arbeiten sowie für den Verkehr. Allerdings auf niederem Niveau, sodass die von Menschen direkt beanspruchte Fläche eher wieder kleiner wird. Nicht erfasst sind dabei Flächen, die aus anderen Gründen „denaturiert“ werden: trockengelegte Moore, Gartenanlagen, Golfplätze u. ä.
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
Mein verehrter Lehrer Leo Kirste meint in seiner Inaugurationsrede 1947 (!) „Es scheint nicht ausgeschlossen, dass die kommende Entwicklung zu einem Mittelding zwischen Schienen- und Straßenfahrzeug führen könnte, was allerdings die Schaffung eines Übergangsgliedes zwischen Schiene und Straße zur Voraussetzung hätte.“ Dieses Übergangsglied ist gefunden: es ist die Datenverbindung zwischen benachbarten Fahrzeugen, die automatische Fahrzeugführung, die Zughacken und Puffer der Bahn ersetzt.
6.4 Flächenbedarf Im Verlauf der Evolution ist der Flächenbedarf pro Kopf fortwährend gefallen. Vor 100 000 Jahren hat die damals neue biologische Art homo sapiens ein paar tausend ha pro Kopf zum Überleben gebraucht. Die Fressfeinde waren stärker, die Futterfeinde schneller, die Pflanzen, der Wald, mächtiger. Von den 50 Mrd ha der Erdoberfläche sind nur 15 Mrd ha festes Land. Davon wieder zwei Drittel zu heiß oder zu kalt, zu trocken oder zu nass. Bleiben 5 Mrd ha als „Lebensraum“, der mit den Konkurrenten geteilt werden musste. Solange Menschen in der aneignenden Wirtschaftsform gelebt haben, war ihre Zahl auf vielleicht 10 Millionen beschränkt. Auf 5 000 ha nutzbaren Landes kam nur ein Mensch unter einer Vielzahl anderer biologischer Arten, die wie er in der aneignenden Wirtschaftsform gelebt haben. Heute kann ein Mensch von durchschnittlich 0.25 ha Ackerland leben, Tendenz fallend, Bild 6-23. Es hat heute den Anschein als würde die Fläche für Wohnen, Arbeiten, Mobilität und Ackerland langfristig sich bei 10 % der Festlandfläche stabilisieren. Verkehrsflächen stellen nur einen kleinen Teil des Flächenbedarfs dar, Bild 6-24 und 6-25. Auf einen EU-Bürger kommen nur 10 m hochrangiger Straßen, 0.2 m Autobahn und 0.5 m Bahnstrecke. Das ist insgesamt etwa 1 % der Fläche. (Österreich hat z. B. 2 000 km Autobahn, 0.25 m pro Einwohner. Rechnet man durchschnittlich 20 m Breite und noch 50 % für Abund Auffahrten dazu, dann ergibt das eine Fläche von 60 km2, 0.07 % der Fläche Österreichs. In anderen Ländern der EU, z. B. in Deutschland, ist die Autobahnlänge je Kopf kleiner.)
Bild 6-24 Länge Straßen- und Eisenbahnnetz Globale Länge des hochrangigen Straßennetzes (gebundene Oberfläche) und des Eisenbahnnetzes abhängig von der Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr, links, und hochgerechnet [6.1] vom Jahr, rechts.
6.4 Flächenbedarf
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Der Anteil des Flächenbedarfs für den Verkehr pro Kopf wird meist überschätzt. Er liegt für entwickelte Bevölkerungsgruppen bei einigen Zehntel Prozent der Fläche des betreffenden Landes >6.1@. Die rasche Entwicklung des Verkehrs, die noch dazu dauernd über den Prognosen lag, hat zu einer Verknappung des Verkehrsraums geführt, die wir bei anderen Gütern des täglichen Lebens nicht kennen. Die Marktwirtschaft ist eine Kundenmarkt: der Kunde ist es gewöhnt alles, was er haben möchte, im Überfluss vorzufinden. Nur so kann er auswählen, dabei die Qualität des Angebots verbessern und neuen Anbietern die Chance bieten, „auf den Markt“ zu kommen. Die Anbieter schaffen Arbeitsplätze, zahlen Steuern und werfen einen Gewinn ab, der dazu führt, dass alles im Überfluss angeboten wird. Im Verkehr ist das – abgesehen vom Flugverkehr – anders: der Staat betreibt eine Mangelwirtschaft, sorgt dafür, dass die Nachfrage größer als das Angebot bleibt. Warum er das tut, ist keine wirtschaftliche sondern eine ideologische Frage: Planwirtschaft wird der Marktwirtschaft vorgezogen, weil sie politischen Kräften erlaubt, den Bürger zu gängeln. Die ökonomischen und ökologischen Nachteile sind bekannt: mehrere Prozent des Produktionsvermögens gehen im Stau, im Umwegfahren und bei der Parkplatzsuche verloren. Es wird Kraftstoff verschwendet, vermeidbares Abgas und Geräusch erzeugt. Viele Arbeitsplätze könnten durch einen die Nachfrage deckenden Ausbau der Verkehrsflächen geschaffen werden. Auf den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsleitung und Verkehrsleistung wurde schon hingewiesen. Warum also weigert sich der Staat sinnvoll zuhandeln? Es sind politische Gruppierungen, die meinen, dass Mobilität schlecht sei. Sie argumentieren, dass es keinen Sinn mache, nicht am Arbeitsplatz zu wohnen und die Früchte der näheren Umgebung zu verzehren. Sie leugnen also den Sinn des Wettbewerbs. Das mag man als begründete Meinung akzeptieren, aber nicht als Diktat einer Minderheit. Die Bevölkerungsgruppen, die sich insgesamt einer Verkehrsfeindlichkeit verschrieben hatten (z. B. Albanien), sind zugrunde gegangen. Das mag man bedauern. Früher konnte man den Verkehrsverweigerern empfehlen, dorthin auszuwandern. Es hätte sie überraschen müssen, dass sich an der Grenze nicht die Einreisewilligen, sondern die Ausreisewilligen gestaut haben. Heute finden verkehrsfeindliche Gruppierungen keine entsprechende Gegenargumentation. Sie argumentieren gegen den Verkehr, meinen aber die negativen Auswirkungen, die es unbestritten gibt und die zu bekämpfen sind. Aber durch weniger Verkehr wird die Welt nicht besser sondern schlechter. Eine Argumentationsrichtung der Bezirkskaiser ist: durch mein Gebiet darf niemand durchfahren, aber meine Bürger durch alle anderen Gebiete. Wünschenswert ist das, aber machbar nur durch Maßnahmen, die man nicht im gleichen Atemzug verneinen darf. Man muss nur dafür sorgen, dass das eigene Gebiet unbemerkt, das heißt meist: unterirdisch, durchfahren wird. Man muss nicht nur U-Bahnen bauen, sondern daneben auch U-Straßen. Wenn man heute eine moderne, lebende Stadt mit Wohnungen, Geschäften, Gasthäusern, Theatern usw. neu bauen würde, würde man wahrscheinlich den gesamten motorisierten Verkehr in eine untere Etage verlagern. Zuunterst die Bahnhöfe für durchgängige Linien. Dann den durchgehenden Autobahnverkehr (kürzer als jede Umfahrung, Anschlüsse an die Verkehrsknoten der Stadt). Darüber den Verteilerverkehr (Buslinien, Belieferung der Geschäfte, Müllabfuhr, Garagen) und dann erst die lebende Stadt mit dem Fußgängerverkehr, reizvollen Gebäuden und Ausblicken, auch motorisierten Verkehr für den Ausnahmefall (Paraden, Staatsbesuche, Hochzeitskutschen). Dieser Verkehr bliebe aber klein, denn die Höchstgeschwindigkeit wäre 30 km/h und die Parkplatzgebühren so hoch, dass es zu jeder Zeit freie Parkplätze gäbe. Ich gebe zu, dass diese Beschreibung utopisch ist. Es bedarf aber einer Utopie, wenn man wissen will, wohin man endlich kommen will. Sicher war es für die Motorisierung der Massen von Vorteil, dass jeder einen kostenlosen Parkplatz in der Nähe seiner Wohnung und (einen
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
zweiten) in der Nähe seines Arbeitsplatzes haben konnte. Aber es musste doch jedem vernünftig Denkenden klar sein, dass die dafür notwendigen Aufwendungen nicht auf die Allgemeinheit umverteilt werden können. Die wahlstrategische Positionierung der politischen Parteien kann kaum einen Ausweg aus der verfahrenen Entwicklung finden. Aber die Notwendigkeit einer Lösung wird immer dringlicher, denn die Städte sterben aus, wenn erst einmal niemand mehr in ihnen Einkaufen will, in ihnen Wohnen will, in ihnen Ausgehen will. Daher muss nach dem Konsens auf die zukünftige Utopie auch der Weg dahin gefunden werden. Der Staat muss sich zunächst aus seiner Rolle des Leviathans begeben, des sterblichen Gottes, der den Menschen die Wohltaten verteilt. Er muss seinen Bürgern klar machen, dass er ihnen nur weniger davon zurückgeben kann, was er ihnen zuvor genommen hat. (Die Notwendigkeit der Umverteilung nach sozialen Gesichtspunkten darf zu keiner Zeit und an keiner Stelle geleugnet werden. Sie darf nur nicht grundsätzlich alle Lösungen versperren.) Das ist eine harte Entscheidung, denn es ist natürlich einfacher, den Wenigen etwas zu nehmen und den Vielen zu geben (weil diese die Stimmenmehrheit haben), wie als ehrlicher Makler zu leben. Hier beginnt die Ethik in der Politik, zu deren Diskussion wir nicht kommen, weil wir diese Diskussion in der Wirtschaft noch nicht zu Ende gebracht haben. Wahrscheinlich ist dieser Anspruch realpolitisch nicht umzusetzen. Aber auch hier sollte das utopische Ziel die Richtung weisen.
6.5 Minutenmaut, Marktwirtschaft im Verkehr Der Ausbau der Straßen ist ein gutes Geschäft für den Betreiber. Ideologische Verklemmung führt dazu, dass sich die meisten Politiker zwar nicht getrauen gegen die wirtschaftliche Weiterentwicklung zu sprechen, aber sie indirekt doch dadurch behindern, dass sie den Verkehrsraum verweigern. Nur zu knapper Verkehrsraum könne die unerwünschte Zunahme des Verkehrs verhindern, ist ihr falsches Argument. Warum sollten die Bürger nicht das Recht der Straßenbenutzung haben, wenn sie für die Kosten voll aufkommen? An dieser Stelle folgt dann die Zurechnung der angeblichen Kosten für die Emission von Schadstoffen, CO2 und Lärm, die man aber den konkurrierenden Verkehrsträgern oder anderen Emittenten nicht anrechnet. Oft wird behauptet, es gäbe keinen Platz für Straßen. Das trifft in keinem Fall zu. Ebenso gut wie U-Bahnen kann man auch U-Straßen bauen. Die im Stau verlorenen Kosten reichen für einen hoch qualifizierten Ausbau der Straßen ohne Stau und minimaler Belästigung anderer. (Jeder Deutsche steht angeblich 60 Stunden pro Jahr im Stau. Dabei werden 8.8 Mio t Kraftstoff (97 Mrd kWh) sinnlos verbrannt. Der volkswirtschaftliche Schaden wird auf 100 Mrd € pro Jahr geschätzt.1 Für dieses Geld könnte man Fahr- und Parkraum schaffen, den Schaden vermeiden, Arbeitsplätze schaffen. Ideologische Verklemmung ist der einzige Grund, das nicht zu tun. Städte und Staaten müssen sich endlich dazu durchringen, Straßen als Wirtschaftsfaktor gelten zu lassen. Wenn sie das nicht können (was leider zu vermuten ist), dann sollen sie die Aufgabe an private Unternehmen abgeben. Eine flächendeckende Maut kann zu einer gerechten Zuordnung der Kosten führen. Die Maut beginnt sich auf Autobahnen durchzusetzen. Das ist wieder das verkehrte Ende der richtigen Entwicklung: man verdrängt den Verkehr vom sichersten und effizientesten Verkehrsweg. Am wichtigsten ist die Maut in der Stadt, am unwichtigsten auf der Autobahn. Inkasso und Kontrolle können einfach durchgeführt werden, wenn man sich dazu durchringt zuzugeben, dass jede Minute Straßenbenutzung ein bestimmtes 1
nach p:news, Volkswagen AG political news.
6.5 Minutenmaut, Marktwirtschaft im Verkehr
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Entgelt kostet, z. B. 0.05 € pro Tonne Fahrzeuggewicht und Minute für den fließenden und 0.02 € pro Tonne und Minute für den ruhenden Verkehr. Die Abbuchung im Auto wird optisch und funktechnisch nach außen gemeldet und kann automatisch kontrolliert werden. Damit die Kontrollstellen in einem grobmaschigen Netz liegen, kann die minimale Fahrzeit ½ Stunde betragen: 1.5 € kostet dann die Inbetriebnahme eines PKWs. Allerdings wird dann ½ Stunde nichts mehr abgebucht. (Eine auch ökologisch sinnvolle Maßnahme, welche die Konkurrenzfähigkeit des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) stärkt.) Das häufigste Argument gegen die „Minutenmaut“ ist, dass sie zum Schnellfahren animiere. Es trifft deshalb nicht, weil mit der Geschwindigkeit der Verbrauch zunimmt, der auch wieder abgabenbelastet ist. Die minimale Abgabenlast ergibt sich für Geschwindigkeiten, die unterhalb der normalen liegen. Außerdem bewertet jeder Fahrer „seine Zeit“ höher als die Minutenmaut und für Zeiten im Geschäftsverkehr trifft das noch viel mehr zu. Die Lösung des Verkehrsproblems ist eine wirtschaftlich sinnvolle Aufgabe, die neben ihrem wirtschaftlichen Effekt viele neue Arbeitsplätze schaffen wird. Leute, die behaupten, dass mehr Straßen mehr Verkehr erzeugen, gehen davon aus, dass Verkehr etwas Unerwünschtes ist, das man am Besten ganz unterdrücken soll. Sie vergessen, dass Verkehr und Wirtschaftsleistung eng zusammenhängen. Eigentlich behaupten sie, dass auch Wirtschaften schlecht sei. Und das ist eine lebensfeindliche Einstellung. Menschen wollen nicht nur Wohlstand für sich, für den Wirtschaften die Voraussetzung ist. Der Wohlstand versetzt sie auch in die Lage, anderen zu helfen. Aber auch ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkung ist es lebensfeindlich, den Verkehr verringern zu wollen: Mobilität ist eine Grundvoraussetzung des Lebens. So sehr, dass wir den Entzug von Mobilität als Strafe Verordnen (Einsperren). Verkehrsplaner in aller Welt versuchen, die Entwicklung des Personen- und Güterverkehr ordnungspolitisch zu lösen. Das führt zur geplanten Behinderung eines notwendigen Prozesses: Wirtschaft und Verkehr wachsen gemeinsam oder gar nicht. Behinderung des Verkehrs bedeutet Behinderung des Wirtschaftswachstums. Ordnungspolitische Maßnahmen führen letzten Endes zur Drosselung: wenn man weniger Verkehr haben will, muss man in der Ordnungspolitik den Verkehrsraum reduzieren. Das geschieht überall und führt neben der Behinderung des notwendigen Wirtschaftswachstums zu vermeidbaren ökonomischen und ökologischen Schäden (verlorene Zeit, vergeudeter Kraftstoff, sinnlose Emissionen). Wie überall liegt die Lösung in der marktwirtschaftlichen Regelung: wer Verkehrsraum gebraucht, muss dafür zahlen. Wird mehr Verkehrsraum gebraucht, kommt mehr Geld herein, und man kann zusätzliche Verkehrswege bauen. Die Fahrer erwarten wie jeder Kunde, dass das erwünschte Gut (hier der Verkehrsraum zum Fahren und Parken) jederzeit zur Verfügung steht. Die Signalisierung freien Parkraums oder verstopfter Straßen ist ein Armutszeugnis der Verkehrsplanung. Die gängige Ausrede, dass für die erforderliche Infrastruktur kein Platz vorhanden sei, trifft nicht zu: in der dritten Dimension ist immer Platz vorhanden. Natürlich ist es schöner durch die Landschaft statt in einem Tunnel zu fahren, natürlich ist die Garage zur ebenen Erde bequemer als die Tiefgarage. Aber überall da, wo sich eine hohe Verkehrsdichte ergibt, bleibt nur dieser Ausweg. Als Maß für die Lösung des Durchgangsverkehrs in einer Stadt bietet sich die Zahl „m Tunnel je Einwohner“ an. Noch im 19. Jahrhundert war der Verkehr durch häufige Zoll- und Mautstationen behindert. Zollvereine haben damals einen wirtschaftlichen Vorteil gebracht. Leider ist damit auch der Zusammenhang von in Anspruch genommener Leistung und Entgelt dafür verloren gegangen. Dieser Nachteil ist aber durch moderne Technik vermeidbar: Mautsysteme können ihn beheben, Bild 6-26. Leider fängt die Lösung des Problems am falschen Ende an: der Verkehr soll
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6 Wirtschaft, Verkehr, Umwelt
nicht in erster Linie für das Fahren auf der sicheren und wirtschaftlichen Autobahn zahlen, sondern da, wo der Verkehrsraum am knappsten ist: in der Stadt. Die deutsche Lösung für das Zollproblem ist noch dazu unnötig kompliziert. Es braucht kein GPS (Global Positionung System) und kein GSM (Global System für Mobile Communication), wenn das Entgelt für die Benützung einer Fahrbahn angehoben werden soll. Nur wenn man zugleich dokumentieren will, wer wann wo wie gefahren ist, bedarf es diese Aufwandes. Wohin der steigen wird, kann man sich ausmalen, wenn man annimmt, dass irgendwann nicht nur LKW mit mehr als 12 t, sondern alle KRAD, PKW und LKW auf allen Fahrtrouten in das Mautsystem eingebunden werden. Die Tragikkomödie beginnt in Brüssel: dort erkennt man, dass Mautsysteme, welche die Fixkosten erhöhen, ungeeignet sind. Dazu zählen die beliebten Autobahnvignetten, die von Wenigfahrern das gleiche Entgelt wie von Vielfahrern nehmen. time related ist out, distance related in. Bei dieser Überlegung ist außer acht geblieben, dass „short time related costs“ durchaus sinnvoll sind. Eine Maut, die minutengenau die Inanspruchnahme von Verkehrsflächen erfasst (Minutenmaut), ist keineswegs abwegig. Der Verkehr fließt (sofern es keinen Stau gibt) mit typischen Geschwindigkeiten dahin: mehr und mehr nahe der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Minutenmaut bedeutet, dass der gefahrene Kilometer der gefahrenen Geschwindigkeit verkehrt proportional ist. Der Autobahnkilometer ist billiger als die gleiche Strecke in der Innenstadt. Bei hochbelasteter Straße sinkt die Fahrgeschwindigkeit, der gefahrene Kilometer wird teurer, was durchaus sinnvoll ist (congestion charging). Der Aufwand für ein toll collectSystem (Bild 6-25) ist völlig sinnlos. Weit sinnvoller ist es, für jede Minute, die das Fahrzeug im Verkehr ist, ein Entgelt zu erheben.
Bild 6-25 LKW-Mauterhebung in Deutschland. Ab 01.01. 2005: Das sinnlos komplizierte und teure Konzept hat zu jahrelangen Verzögerungen geführt.
Dem Bürger ist es schon aufgefallen, dass die teurere Garage unbequemer als der billigere Parkplatz am Straßenrand ist. Deshalb stehen die teuren Garagen leer und die Bürger verstopfen auf Parkplatzsuche die Straßen. Also muss das ordnungspolitisch umgedreht werden: die
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Garagen müssen durch die steigenden Parkgebühren soweit gestützt werden, dass sie sich lohnen, dass neue Garagen gebaut werden, in die die Blechlawinen verschwinden. Der beliebte Parkplatz am Straßenrand muss teurer werden. So teuer, dass es immer einen freien gibt. Wenn man nur einen kurzen Termin für einen Einkauf, einen Besuch beim Friseur oder eine Verabredung im Cafe oder zum Essen hat, kann man leicht einen teuren Parkplatz bezahlen, wenn er minutengenau abgerechnet wird. Vielleicht hilft ein Blick in die Geschichte der Argumentation: als vor ein paar tausend Jahren die ersten teuren Verkehrsbauten errichtet wurden (Brücken), da war es für den Benutzer klar, dass er für das Benutzen der Einrichtung einen Preis zu zahlen hatte: die Brückenmaut. Wie wir aus der Bibel wissen, waren die Mautner kein beliebter und geachteter Personenkreis. Es war ja auch mühsam den ganzen Tag dazusitzen und mit den eventuellen Nutzern ein Entgelt je nach Wert der Ware (oder Stück Rind, oder Gans, oder Ei) auszuhandeln. Heute ist der Wegezoll für die Brücke relativ zur Umgebung kleiner geworden: die Autobahn zu ebener Erde ist kaum billiger und ein Tunnel womöglich noch teurer. Also kann man sich leichter auf einen durchschnittlichen Zoll für die Straßenbenutzung einigen. Naheliegend pro Strecke. Besser überlegt nach Zeit: denn der dichte Verkehr fließt langsamer, dafür sollte in der Zeit, in der die Nachfrage größer ist, ein höherer Preis je Strecke bezahlt werden. Also: jede Minute der Inanspruchnahme der Verkehrsfläche kostet etwas. Natürlich mehr für größere Verkehrsteilnehmer als für kleinere, für Busse und LKW mehr als für PKW und Motorräder. Vielleicht proportional der Achslast, die relativ leicht zu ermitteln ist. Der zeitabhängigen Maut (time related) hat die EU eine Absage erteilt. Zurecht, wenn man als Beispiel die Jahresvignette für die Autobahnvignette im Auge hat. Denn da zahlt derjenige, der viel auf der Autobahn fährt gleich viel wie der, der sie nur selten benutzt. Anders ist es aber, wenn minutengenau abgerechnet wird: da bezahlt jeder nur für die Zeit, in der er die Einrichtung in Anspruch nimmt. Das verleitet zum Rasen, ist das sofort fällige Argument. Was nicht stimmt. Denn wer schneller fährt, verbraucht mehr Kraftstoff, für den er Steuern zahlt. Und wie man leicht ausrechnen kann, ist der Mehraufwand größer als die Einsparung von Mautgebühr. Aber normalerweise wird ohnehin die zulässige Höchstgeschwindigkeit genutzt, so dass sich bezüglich Fahrgeschwindigkeit gar nichts ändert. Auch sind die Zeitkosten für Fahrer und Fahrzeug weit höher als die Mautkosten. Also wäre eine „short time related“ Maut eine richtige und noch dazu einfache Sache. Sie hat den besonderen Charme, dass sie auch für die Parkgebühr funktioniert und stufenlos aus ihr eingeführt werden kann. Parkmaut Die Parkgebühr wird heute vielfältig und höchst umständlich eingehoben. Die Zettelwirtschaft ist ungerecht (man kann leicht zu viel bezahlen, wenn ein Termin unverhofft rascher zu Ende geht) und schwer zu kontrollieren. Dabei ist die Lösung ganz einfach: jedes Auto hat hinter der Windschutzscheibe ein kleines Kästchen, das der Fahrer mittels Zahlkarte lädt und das von diesem Guthaben die Parkgebühr abbucht. Zu Parkbeginn schaltet der Fahrer ein (eventuell nach Eingabe der Postleitzahl, nach der die Höhe der Gebühr gestaffelt ist und nach der die Zuweisung der Zahlung erfolgt). Das Gerät bucht jede Minute ab (z. B. 2 € ct pro Minute), bestätigt nach außen mittels Lichtdiode und Funksignal den ordnungsgemäßen Betrieb. Ein Handgriff der alles regelt, ein Signal, das im Vorbeifahren zu kontrollieren ist. (Ausnahmen gibt es keine: auch Polizei, Stadtrat und Hausarzt bezahlen, Behinderte werden an anderer Stelle bevorzugt.) Die Garage wird wie z. T. schon üblich mit der Bankomatkarte bezahlt. Oder mit einer besonderen Garagenkarte.
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Fahrmaut Wer sein Fahrzeug auf öffentlichem Grund betreibt, zahlt dafür Maut. Die Einnahmen aus der Straßenmaut müssen die Gesamtausgaben für den Straßenbau und -erhalt (+ Haftpflichtversicherung) decken. Ein PKW befährt durchschnittlich etwa 200 Stunden pro Jahr öffentlichen Grund. Bezahlt er z. B. 10 € ct pro Minute, 6 € pro Stunde, dann hat er im Jahr 1 200 € Maut zu bezahlen. Er bezahlt auf der Autobahn (etwa 100 km/h) 6 € ct/km, auf der Landstraße (etwa 75 km/h) 8 € ct pro km, in der Innenstadt (etwa 15 km/h) 30 € ct pro km. Im Jahr bezahlt er 1 200 € Maut. Dafür entfallen Haftpflichtprämie und alle fixen Steuern (Autobahnvignette, NOVA,...). Durchschnittlich bezahlt er nicht mehr. Vielfahrer zahlen relativ mehr, Wenigfahrer zahlen weniger, wie es gerecht ist, Bild 6-26 und 6-27.
Bild 6-26 Kosten Links: Angenommene Kosten für den Verbrauch auf der Autobahn (in € pro 100 km) und für eine Fahrmaut von 10 bis 16 € ct pro Minute. Rechts: Die Summe ist rechts dargestellt. Es ergibt sich ein Minimum bei 100–115 km/h, das auch heute meist überschritten wird.
Bei überlasteter Autobahn sinkt die Fahrgeschwindigkeit und die Kosten steigen infolge der kleineren Durchschnittsgeschwindigkeit. In gewissen Grenzen, wirkt das als congestion charging, bewirkt das Vermeiden überfüllter Straßen. Die Straßenbenutzer werden aber auch berechtigten Druck auf den Verkehrsbetreiber ausüben: sie wollen für ihr Geld eine zügig befahrbare Autobahn.
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Bild 6-27 Gesamtkosten pro Jahr (links) und pro Kilometer (rechts) mit und ohne Fahrmaut. Der Unterschied ist für normale Straßenbenutzer (5–20 000 km pro Jahr) gering.
Diese Regelung ist viel besser als die Autobahnmaut oder gar die Vignette. Der Verkehr wird nicht von der sicheren und wirtschaftlichen Autobahn verdrängt. In der Stadt ist der Kilometer umso teurer, je dichter der Verkehr ist (congestion charging). Die Handhabung ist einfach: bei Fahrtantritt (oder automatisch beim Staren des Motors) wird der Fahrmauttarif eingeschaltet und vom oben erwähnten Kästchen abgebucht. Dieses sendet optisch und elektronisch nach außen die Botschaft von der ordnungsgemäßen Einschaltung. Damit nun nicht fortwährend kontrolliert werden muss, bucht das Kästchen beim Einschalten z. B. gleich 1 € ab, dann aber die ersten 20 Minuten nichts. Damit werden sehr kurze Fahrstrecken zwar teuer, aber es muss nur alle 20 Minuten kontrolliert werden. Das heißt auf der Autobahn alle 35 km, auf der Landstraße alle 25 km, in der Innenstadt alle 7 km. Nach Ankunft (oder Abstellen des Motors) wird die Fahrmaut abgestellt. Was geschieht in der alle zwei Stunden empfohlenen Ruhepause? Wenn er anschließend noch mehr als 20 Minuten weiterfährt, dann stellt er die Fahrmaut ab und beim Fahrtwiederantritt startet er ohne Verlust neu. Gleiches gilt für die Rast im Rasthaus. Wahrscheinlich fährt man anschließend noch länger als 20 Minuten (sonst würde man keine Pause einlegen), so dass kein Verlust eintritt. LKW und Busse zahlen entsprechend Achslast mehr. Konsequenzen: x Fahren kostet etwas (wenngleich die Maut relativ billig ist: der Mechaniker, der zur Wartung der Heizung kommt, verrechnet für die Fahrzeit 20 € pro Stunde). x Der ÖV wird rentabler. Für eine typische Innenstadtstrecke kostet die PKW-Fahrt 3 € Maut. Das hilft sicher den ÖV in Betracht zu ziehen.
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x Einkaufen am Stadtrand wird mindestens 5 € teurer. Dafür kann man sich schon den minutengenau berechneten Parkplatz vor dem Innenstadtgeschäft leisten (z. B. 15 Minuten für 30 € ct). x Weil das Parken am Straßenrand teuer ist, werden die meisten Autofahrer so schnell wie möglich einen Parkplatz in der billigeren Garage aufsuchen und damit neuen Parkplatz und Platz für den fließenden Verkehr schaffen. Weil auch der Parksuchverkehr stark zurückgeht, kann man auf erzwungene Umwege verzichten. Der Verkehr ist nicht länger durch Überlastung begrenzt, sondern durch Kosten. Es stellt sich wie überall sonst ein Kundenmarkt her. Die Bürgermeister müssen nicht länger den Verkehr bekämpfen, sondern können prospektive Kunden einladen, ihre Stadt zu besuchen. Sie finden dort fließenden Verkehr, ausreichende Parkmöglichkeiten am Straßenrand und in Garagen. Der gesamtwirtschaftliche Vorteil liegt auf der Hand: es wird produktive Zeit und Kraftstoff gespart, es werden die Emissionen minimiert. Es entstehen neue Arbeitsplätze, für die das Geld buchstäblich auf der Straße liegt. Es bedarf nur des guten Willens, um so ein Programm zu starten. Bevölkerungsgruppen, die diesen Weg zuerst gehen, werden einen Vorteil gegenüber den anderen haben. Literatur >6.1@ Becker-Boost, E. und Fiala, E.: Wachstum ohne Grenzen, Springer, Wien 2001 >6.2@ Dieckmann, A.: Towards More Rational Transport Policies, DIV 1995 >6.3@ Lomborg: Apokalypse, No! >6.4@ Meadows, D. H. u. a.: Die Grenzen des Wachstums, DVA, Stuttgart 1972 >6.5@ Meadows, D. H. u. a.: Die neuen Grenzen des Wachstums, DVA, Stuttgart 1992 >6.6@ Mesarovic, M. und Pestel, E.: Menschheit am Wendepunkt, DVA, Stuttgart 1977 >6.7@ Schmidt-Bleek, F.: Wieviel Umwelt braucht der Mensch? MIPS, Birkhäuser, Basel/ Berlin, 1994 >6.8@ Weizsäcker, E. U. von: Faktor Vier, Bericht an den Club of Rome, Droemer-Knaur, München 1995
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7 Produktplanung und Unternehmenserfolg Es gibt mehrere Aufzählungen, wie man ein Unternehmen ruinieren könne: am lustigsten sei es mit Frauen, am sichersten durch Börsenspekulation, am schnellsten mit der EDV und so weiter. Wichtiger ist aber das Gegenteil: Wie sichert man den Fortbestand und eine erfolgreiche Entwicklung eines Unternehmens? Dafür gibt es nur eine einzige Möglichkeit, nämlich Innovation. Innovation im Sinne von Joseph Schumpeter: Neuerungen, die von allen nachgemacht werden, die sich in der ganzen Welt durchsetzen. Unschön ist an dieser Tatsache nur, dass die Vorteile einer Innovation dabei allen zugute kommen, als Wettbewerbsvorteil für den Innovator verloren gehen, den Wettbewerbern zugute kommen. Man muss also fortwährend Neues schaffen. Wenn es sich nicht durchsetzt, war es den Aufwand nicht wert. Wenn es sich aber durchsetzt, dann ist der Wettbewerbsvorteil nur vorübergehend. Man kann der USP oder der Main-stream Strategie anhängen: der Unique Selling Preposition, dem einzigartigen Kaufangebot, oder dem „Me-too“-Prinzip“, es so machen, wie es alle, besonders die Erfolgreichen, machen. Was besser ist, hängt davon ab, in welcher Position man sich befindet. Wenn man ein Nischenanbieter ist, dann muss man den USP Weg gehen, wenn man Marktführer ist und billiger als die Wettbewerber produzieren kann, dann kann man im Hauptstrom mitschwimmen. Obwohl das leicht zu durchschauen ist, sind z. B. alle USAutomarken nach dem gleichen Muster verschwunden: sie haben sich mit General Motors angelegt, für die das nicht mehr als eine kurze Belästigung war. American Motor, Nash, Hudson, Studebaker, Packard, Volkswagen of America sind alle den gleichen Weg gegangen, nur weil ein paar Leute gemeint haben, man müsse nur das machen, was eben die Erfolgreichen machen. Der Irrtum liegt nur darin, dass nicht alle die gleiche Einkaufsmacht haben, und vor allem: man kann erst morgen das nachmachen, was die anderen gestern vorgemacht haben. Bis man mit dem Nachgemachten auf den Markt kommt, ist das gestern Erfolgreiche nur mehr eine Auslaufidee. Wie aber kann man die Unique Selling Preposition, die USP, zustande bringen? Durch Marktforschung ist die gängige Antwort. Sie mag für viele Produkte richtig sein, für das Auto ist sie es nicht. Der größte Flop in dieser Hinsicht war der Ford Edsel. Die klugen Marktforscher von Ford haben alle möglichen Leute, besonders aber die aus dem prospektiven Verkaufssegment gefragt, wie sie sich ein Auto wünschen. Die Leute haben richtig geantwortet, und die Befrager die Antworten richtig interpretiert. Nur haben sie vergessen, dass die Leute das Auto beschrieben haben, das sie sich zum Zeitpunkt der Befragung aufrichtig gewünscht haben. Als dann der Edsel auf den Markt kam, nach ein paar Jahren also, hatten sie andere Wünsche, denen er gar nicht mehr gerecht wurde. Der Edsel wäre ein hervorragender Erfolg geworden, wenn er ein paar Jahre früher auf den Markt gekommen wäre. Als er tatsächlich kam, war er nur mehr das Auto von gestern. Ein von mir sehr verehrter Vorgesetzter hat das schon vor 50 Jahren so auf den Punkt gebracht: „Wenn Du wissen willst, wie Du ein Auto nicht machen darfst, dann frage den Verkäufer. Er sagt Dir, was die Leute heute haben wollen. Und das ist für morgen sicher verkehrt.“ Natürlich kam auch die stehende Rivalität zwischen Automobilentwickler und Marktforscher zum Ausdruck. Aber bei aller Wertschätzung der anderen Seite: ich bin zutiefst von der Richtigkeit dieser Einschätzung überzeugt. Aber das ist nur die negative Aussage. Die positive heißt: Beschäftige Dich mit ähnlichen Produkten und frage Dich, was Du Dir anders wünscht, besser wünscht. Beleuchte Deine Antworten von allen möglichen Seiten, streite Dich mit Kollegen, Mitarbeitern, Frau und
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7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
Kindern. Wenn Du sicher bist, dann mache es und Du wirst sehen, dass Dir Wettbewerber folgen und damit die Richtigkeit Deiner Entscheidung bestätigen. Die Neuerungen müssen auch zum richtigen Zeitpunkt kommen. Ein neues Modell braucht keine zusätzlichen Stützen. Aber wenn der Höhepunkt der Nachfrage erreicht ist, muss der nächste Schub kommen.
7.1 Produktplanung und Ertragsmaximierung Natürlich sind die großen Antworten die wichtigsten, die interessantesten. Wie sieht der Nachfolger des T-Models von Ford aus, wie der des Käfers? Besonders schwer ist es, einen Nachfolger zu finden, wen eine grundsätzliche Konzeptänderung ansteht. Wenn eine Firma z. B. über Jahre damit wirbt, dass Luftkühlung richtig sei, weil Luft nicht kocht und nicht gefriert, oder das der Motor hinten liegen müsse, weil man dann dem Lärm davonfährt, dann ist es schwierig, ein Modell mit Wasserkühlung und Frontantrieb zu bringen. Man muss sicher sein, dass die Umstellung (z. B. von Käfer auf Golf) unvermeidlich und richtig ist. Dann muss man halt zu ihr stehen und warten, bis auch die weniger Beweglichen ihr altes Weltbild korrigieren. Das Angebot zu verbessern, den Ertrag zu optimieren, die „Profitmaximierung“, ist eine permanente Aufgabe. Sie lässt nicht nur den Aktionären, den Inhabern des Unternehmens, das Entgelt für ihr Kapital zukommen, sie sichert auch den Fortbestand des Unternehmens, der Arbeitsplätze. Wie kann man den Marktanteil vergrößern, die vorhandenen Kapazitäten optimal nutzen und den Ertrag vergrößern? Man muss sich darüber klar sein, dass jede Preiserhöhung das Absatzvolumen verkleinert. Nach Triffin >7-4@ führt 1 % Preiserhöhung zu E % Absatzrückgang: dV/V = – E · dP/P. P Preis dP Preisänderung dP/P Preisänderung in % V Absatzvolumen dV/V prozentuelle Volumenveränderung E Elastizität Das Minuszeichen besagt, dass auf eine Preiserhöhung um 1 % ein Volumenrückgang um E % folgt.
Die Elastizität (die Preis/Volumenelastizität) ist für die unterschiedlichen Produkte verschieden. Für Autos liegt sie zwischen 2 und 3. – Wenn man die Triffin-Gleichung integriert, kommt man zu V/Vo = (P/Po) – E, Vo Po
(7-1)
Preis vor der Veränderung Volumen vor der Veränderung
(Bild 7-1). Für jede Elastizität gibt es nur einen Preis Popt, der zum größtmöglichen Ertrag führt: ist der Preis zu klein, steigt zwar das Volumen, aber der Ertrag sinkt; ist der Preis groß, dann steigt zwar der Ertrag pro Einheit, aber das Absatzvolumen sinkt und mit ihm der gesamte Ertrag. Wenn der Ertrag ERTRAG = V (P – K) – Fixkosten K proportionale Kosten
(7-2)
7.1 Produktplanung und Ertragsmaximierung
211
ist dann ist der optimale Preis Popt Popt = K – E/(E – 1)
(7-3)
Bild 7-1 Zusammenhang Absatzvolumen und Preis Absatzvolumen V und Preis hängen zusammen. Die Volumen/Preis-Elastizität E ist beim Auto etwa 3. Der Deckungsbeitrag (o 7-3) soll so groß wie möglich sein. Das wird beim Preis Popt erreicht.
Für E = 3 ist zum Beispiel der optimale Preis um 50 % höher als die proportionalen Kosten pro Einheit, für E = 2 doppelt so groß. Die Fixkosten fallen bei dieser Rechnung heraus. Es wird der Deckungsbeitrag D = V (P – K) maximiert. Ob dann noch ein Ertrag überbleibt, hängt von der Höhe der Fixkosten ab. Sind diese größer als der Umsatz V ·P, dann ist der Ertrag negativ, man macht einen Verlust. Aber dieser ist umso kleiner, je größer der Deckungsbeitrag ist.
Bild 7-2 Zusammenhang Preis, Kundenwert und Absatzvolumen Außer dem Preis bestimmt auch der Kundenwert W das Absatzvolumen. Wie die Gleichung E1 zeigt, ändert sich das Volumen nicht, wenn Preis und Kundenwert sich gegenläufig verändern. (Das gilt nur solange keine Klassengrenzen überschritten werden, also für nicht zu große Änderungen.) Mit dem Kundenwert verändern sich die Kosten K. Ist in der angegebenen Gleichung E < 1, dann verändern sich die Kosten weniger als der Kundenwert. Es handelt sich um „billige Merkmale“, die man einführen soll („Anreichern“). Ist E1 > 1, dann handelt es sich um teure Merkmale. Diese muss man aus dem Produkt herausnehmen, man muss „Verbilligen“.
212
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
7.2 Kundenwert Die Preis-/Volumen-Elastizität allein führt zu einer oft ausweglos erscheinenden Situation. Aber die Wirklichkeit bietet noch andere Möglichkeiten. Das Absatzvolumen wird nicht allein vom Preis P bestimmt, sondern auch vom Kundenwert W. Das führt zur Volumen/PreisKundenwert-Elastizität, Bild 7-2. Wenn sich das Preis/Kundenwert-Verhältnis nicht ändert, also P/W = Po/Wo, dann verändert sich auch das Volumen nicht. Wenn ich den Preis um 1 % erhöhe und zugleich den Kundenwert um 1 %, dann ändert sich das Absatzvolumen nicht. Das gilt genau genommen nur für kleine Änderungen. Bei großen kann man die Grenzen der betreffenden Klasse überschreiten und in ein anderes Wettbewerbsfeld kommen, was günstiger, aber auch ungünstiger sein kann. Jedenfalls wird der Kundenwert objektiv definiert, was freilich noch nichts über den tatsächlichen Kundenwert eines bestimmten Merkmales aussagt. Das ist die Definition des Kundenwerts, von dem immer wieder behauptet wird, es gäbe ihn gar nicht. Natürlich kann die Veränderung des Kundenwerts W die Herstellkosten K verändern, Bild 7-2. Da gibt es Maßnahmen, wo man mit einer billigen Veränderung der Herstellkosten K eine große Veränderung des Kundenwerts erreichen kann (E1 < 1). Solche Maßnahmen muss man einführen (Anreicherung des Produkts). Dann gibt es Merkmale, die einen kleinen Kundenwert haben, aber relativ teuer sind (E1 > 1). Die muss man aus dem Produkt herausnehmen (Verbilligung).
Bild 7-3 Zusammenhang von Absatzvolumen, proportionalen Kosten und Deckungsbeitrag. Über dem Absatzvolumen V sind Umsatz = V · P und proportionale Kosten V · K aufgetragen, links. Dazwischen liegt der Deckungsbeitrag. Er deckt die Fixkosten und bringt einen Ertrag, rechts. Dort sind Umsatz und Fixkosten + proportionale Kosten V · K aufgetragen. Sobald der Umsatz diese Summe übersteigt (im break even point), kommt es zu einem positiven Ertrag.
Der Ertrag des Unternehmens wird in Bild 7-3 erläutert. (Diese sehr groben Ansätze können der folgenden Abschätzung genügen.) Man wird den Preis so festlegen, dass der Deckungsbeitrag D maximal wird. Aus der Maxima-Rechnung folgt Popt, Bild 7-1.
7.2 Kundenwert
213
Bild 7-4 Veränderung von Volumen V und Deckungsbeitrag D bei einer Preiserhöhung um 1 %, wenn gleichzeitig billige Merkmale (E1 < 1) eingeführt werden für verschiedene Volumen/Preis-Elastizitäten E und Exponenten E1.
Bild 7-5 Wie Bild 7-4, aber bei einer Preissenkung um 1 % bei gleichzeitiger Herausnahme teurer Merkmale (E1 > 1).
Die Bilder 7-4 und 7-5 zeigen die Veränderungen, die eine Preisänderung von 1 % zur Folge hat, wenn man dabei billige Merkmale einführt oder teure herausnimmt. Man darf eine Veränderung des Deckungsbeitrags um 1 % nicht als zu gering einschätzen. Annahme: ein PKW wird zu V = 200 000 Einheiten pro Jahr produziert. Die proportionalen Kosten betragen K = 10 000 €. Bei einer angenommenen Elastizität von E = 3 wird der Abgabepreis P = Popt
214
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
mit K · E/(E – 1) = 15 000 € festgelegt wird. Der Deckungsbeitrag beträgt dann D = V(P – K) = 1 Mrd €. Wenn die Fixkosten auch so groß sind (F = 1 Mrd €), dann ist der Ertrag +/– 0. Wenn es aber gelingt, den Deckungsbeitrag um 1 % = 10 Mio € zu vergrößern, dann vergrößert sich auch der Ertrag um diesen Betrag.
Bild 7-6 In diesem Polardiagramm für E = 2.5 und E1 = 2.5 wird die geometrische Summe von Preis P und Kundenwert W um 1 % vatiiert. Als Ergebnis sind die Veränderungen von Absatzvolumen V und Deckungsbeitrag D aufgetragen. Verringert man z. B. Preis und Kundenwert um je 0.707 % ( f = –2.356 rad), dann verändert sich das Absatzvolumen nicht, der Deckungsbeitrag steigt aber um 0.87 %.
In den Bildern 7-6 und 7-7 ist wird die geometrische Summe von Preis und Kundenwert um 1 % verändert. In den Polardiagrammen bestimmt der Winkel f das Verhältnis: P/P0 = 1.01 SIN( f ), W/W0 = 1.01 COS( f ). Aufgetragen ist dort die Veränderung von Absatzvolumen V und Deckungsbeitrag D. Man kann nun f so wählen, dass die gewünschten Veränderungen eintreten. Will man das Produkt entfeinern, also teure Merkmale mit relativ geringem Kundenwert herausnehmen (E1 > 1), dann vergrößert sich der Deckungsbeitrag, wenn man P und W um 0.7 % verkleinert, Bild 7-6. Das Absatzvolumen bleibt konstant. Kann man auf Absatzvolumen verzichten (weil die Produktion überlastet ist), dann kann man mit 2.5 % Volumenrückgang ein paar Hundertstel % Deckungsbeitrag mehr erreichen. Will man das Absatzvolumen vergrößern (weil sonst Arbeitskräfte abgebaut werden müssten), dann kann man über 3 % Volumenzunahme erreichen, wenn man dafür einen um mehr als 0.2 % kleineren Deckungsbeitrag in Kauf nimmt. Kennt man Merkmale, die relativ billig sind aber einen guten Kundenwert haben (E1 < 1), dann kann man durch eine Erhöhung des Kundenwerts W um 0.978 % und eine Preisrücknahme um 0.209 % ein um 3 % größeres Absatzvolumen bei einem um 1.4 % größeren Deckungsbeitrag erwirtschaften.
7.2 Kundenwert
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Bild 7-7 Wie Bild 7-6, aber E = 2.5 und E1 = 0.7. Verringert man z. B. Preis um 0.209 % und erhöht man den Kundenwert um 0.978 % ( f = –0.211 rad), dann steigt das Absatzvolumen um 3 %, der Deckungsbeitrag um 1.406 %.
Natürlich sind die Veränderungen nicht auf 1 % beschränkt. Sie können auch mehrere Prozentpunkte betragen. Für zu große Veränderungen droht man den Gültigkeitsbereich und vor allem die Fahrzeugklasse zu verlassen. Die Veränderungen müssen klein sein. (Entschließt man sich z. B. eine Klimaanlage (Kundenwert W = 1 000 €, proportionale Kosten K = 667 €) ohne Mehrpreis in eine Auto mit dem Werksabgabepreis von 20 000 € einzubauen, dann verändert man W um +5 %, P um 0 %, die geometrische Summe also um 5 % (Angenommene Preis-/Volumen-Elastizität E = 2.5). Man entnimmt Bild 7-7 eine Volumenzunahme von 2.6 % je % Veränderung der Vorgabe, also eine Volumenzunahme um 2.6 · 5 = 13 % und eine Zunahme des Deckungsbeitrags um 1.5 · 5 = 7.5 %. Das kann also eine sehr richtige Maßnahme sein, wenn die übrigen Voraussetzungen stimmen. Zum Beispiel verliert man den Ertrag, den man sonst beim Verkauf der Klimaanlagen gemacht hätte.) Die Diagramme Bild 7-6 und 7-7 zeigen, dass ohne Veränderung des Kundenwerts keine Veränderung des Deckungsbeitrags je % Veränderung erreicht werden kann. (Immer unter der Voraussetzung, dass der Preis, der zum maximalen Deckungsbeitrag führt, beibehalten bleibt.) Der Kundenwert ist in Geldeinheiten so groß wie der Preis, den die Kunden dafür bezahlen. Es ist kein objektiv ableitbarer Wert, weil ihn verschiede Käufer anders empfinden. Es ist ein percived-value, ein wahrgenommener Wert, abhängig nicht allein vom Merkmal sondern auch von der persönlichen Befindlichkeit des Bewertenden. Für die Entwickler wird er durch das „Lastenheft“ beschrieben. Das Produkt muss in eine ganz bestimmte Marktklasse passen. Für das Unternehmen ist die Beziehung Kundenwert W zu Kosten K entscheidend: K/K0 = (W/Wo)^E1. E1 Kundenwert/Kosten-Relation W Kundenwert
216
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
E1 klein bedeutet, dass man einen bestimmten Kundenwert W mit kleinen Kosten K erreichen kann. E1 groß heißt, dass man ein bestimmtes Merkmal nur mit großem Kostenaufwand erreichen kann. Für den Kaufentscheid des Kunden ist die Beziehung Kundenwert zu Preis W/P entscheidend: ist W/P groß, dann werden sich viele Kunden finden, wie das die Volumen/Preis/KundenwertGleichung (Bild 7-2) aussagt. Der Kundenwert W hat in jeder Fahrzeugklasse, für jeden Verwendungszweck, in jedem Land, in jeder Zeit eine andere Größe. Kleiner Kraftstoffverbrauch zum Beispiel ist immer ein positiver Kundenwert. Aber er ist größer, wenn die Kraftstoffpreise hoch sind. Oder eine große Höchstgeschwindigkeit ist ein positiver Kundenwert. Er ist höher, wenn man in einem Land mit guten Straßen häufig große Strecken bewältigen muss, kleiner wenn man im Nahverkehr und engen Geschwindigkeitsbeschränkungen das Fahrzeug nutzt. Sicherheitsmerkmale werden individuell unterschiedlich eingeschätzt, ebenso Straßenblage, Federungskomfort oder kurze Bremswege. Als Kundenwert muss auch angesehen werden, dass ein in Aussicht genommenes neues Auto dem Wunsch des Käufers möglichst optimal entsprechen muss. So kann ein Grundfahrzeug z. B. mit ganz unterschiedlichen Dächern ausgestattet sein, Beispiel 9.
Beispiel 9 Kundenwert: Modulares Dachmodul (Werkbild Arvin Meritor)
Ein Lastenheft ist ein umfangreiches Werk, mit dem schon in einem gewissen Grad Erfolg oder Misserfolg des Produktes festgeschrieben werden. Was der interessierte Kunde davon erfährt, liest er in den Testberichten, in denen Abmessungen, Fahrleistungen, Qualität, Design und Sicherheit oft nach Punkten bewertet werden.
7.3 Ansprüche ans Auto
217
7.3 Ansprüche ans Auto 7.3.1 Abmessungen Auch in einem kleinen Auto müssen große und kleine Insassen bequem Platz und gute Sichtverhältnisse finden. Einer meiner groß gewachsenen Enkel hat erst kürzlich die Kaufentscheidung beeinflusst. Obwohl er selten hinten sitzt, haben seine Eltern eingesehen, dass das auch mit nicht eingezogenem Kopf möglich sein muss. Andere Familien werden auf die Sitzabmessungen weniger Wert legen, vielleicht sogar einen Zweisitzer kaufen, aber einen großen Kofferraum für Golfsack, Ski und Fahrrad wünschen. Innen größer als außen ist das unerreichbare Wunschziel. Es besagt, dass die Außenabmessungen eher klein sein sollen. Aber auch das ist nicht immer wahr. Ich kenne Leute, die aus Repräsentationsgründen dem größeren Auto unter sonst gleichen Gegebenheiten den Vorzug geben. Eine besondere Bedeutung hat die Querschnittsfläche, weil sie dem Luftwiderstand proportional ist. Eine hohe Sitzposition ist neuerdings wieder mehr gefragt. Sie und der bequemere Einstieg sind die Gründe für das Vordringen der höhergestellten Fahrzeuge, der Freizeitmobile und „Off-roader“, der SUV (sport utility vehicle), die in den USA in der Produktionszahl gerade die PKWs übertreffen. Man sieht schon: Abmessungen führen zu unterschiedlichen Fahrzeugklassen. Man muss wissen, von welcher Klasse man spricht, wenn man einen Kundenwert für Abmessungen finden will.
Bild 7-8 Näherungsweise Berechnung von cw aus Leistung P (PS), Höchstgeschwindigkeit vmax (km/h) und Breite x Höhe (m2). Nach Hucho >7.2@ ist die Querschnittsfläche annähernd 0.81 B x H. Wenn bei den Angaben zu Leistung und Höchstgeschwindigkeit geschwindelt wird, dann kommen hier Werte heraus, die geschwindelten cwA-Werten widersprechen.
218
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
zu 7-8
7.3.2 Fahrleistungen Ein kleines Leistungsgewicht und damit eine gute Beschleunigung sind positiv für den Kundenwert. Aber Leistung kostet Geld (Versicherungsprämie, oft auch Verbrauch). Also werden gleich verschiedene Motorisierungen vorgesehen. Aber die Abmessung für Motorraum Batterie, Auspuff und Tank werden von der stärksten Motorisierung bestimmt. Die Kosten dafür müssen auch von den Käufern der schwachen Motorisierung mitgetragen werden. Die Fahrleistung wird aber auch von der Höchstgeschwindigkeit bestimmt, also von der Querschnittsfläche und dem cw-Wert (Luftwiderstandsbeiwert). Dieser zieht wieder Kompromisse mit sich, welche die ästhetische oder praktische Werte betreffen (Sichtverhältnisse, Zugänglichkeit). Näherungsrechnung für cw-Wert o siehe Bild 7-8, für den Anteil des Luftwiderstands am Gesamtwiderstand o Bild 7-12. Die Motorleistung ist auch maßgeblich für die Dimensionierung der Bremsanlage: die weg zu bremsende Energie muss ja erst aufgebracht werden; leistungsstarke Fahrzeuge werden meist auch bergab rascher bewegt. Die Straßenlage wird unterschiedlich bewertet: manche lieben es, übersteuernde Fahrzustände auszukosten (power-slide), andere ziehen das in jeder Fahrsituation untersteuernde Fahrzeug vor, bei denen man auch in der Kurve mehr Leistung in die Beschleunigung bringen kann. (Alfa Romeo hat bis in die 60er Jahre Fahrzeuge gebaut, bei denen ein besonders großer Teil des Rollmoments an der Vorderachse abgestützt wurde. Das war gegen den damals gültigen Trend. Ich erinnere mich, wie die Alfa Romeo Ingenieure ihre Daimler Benz Kollegen bei einem Besuch mit Probefahrten mehrmals auf diese Untersteuerungstendenz hingewiesen haben. Wahrscheinlich haben sie mit der Übersteuerungstendenz der damaligen MercedesFahrzeuge ihre Erfahrungen gemacht. Das konnte ich gut nachfühlen.) Auch in dieser Hinsicht ist eine vom Fahrzeugsegment abhängige Bewertung unumgänglich.
7.3 Ansprüche ans Auto
219
7.3.3 Sicherheit Sicherheit verkauft sich schlecht war eine Warnung vieler Gutmeinender als die Automobilindustrie in den 50er Jahren ernste Bestrebungen zur Verbesserung der Sicherheit begann. Ein gewiefter Verkäufer hat mir damals gesagt: „Wenn ich mein Haus verkaufen will, werde ich doch nicht als besonderen Vorteil darauf hinweisen, dass im Keller ein Sarg für einen Todesfall bereitstünde. Der Kunde kauft ebenso wenig ein Haus, um darin zu sterben, wie ein Auto, um damit einen Unfall zu haben.“ An dieser Argumentation ist etwas dran. Wir haben damals verstanden, dass man die überlegene Sicherheit des Produkts nicht direkt mit dem Modell in Verbindung bringen, sondern nur im Hintergrund vertreten darf. Dort ist das Argument richtig und wichtig.
7.3.4 Design „Was die Schönheit aber ist, weiß ich nicht“ schreibt Albrecht Dürer in seinem Buch „Mit Zirkel und Richtscheit“. Ich weiß es auch nicht. Aber ich weiß, dass die Anmutung eines Autos wichtig für den Kaufentscheid ist. Nur ist der Geschmack eben verschieden. Es ist eine alte Frage was besser ist: das Design, das allen gefällt, oder das, das die Meinungen polarisiert. Wichtig ist, dass es im prospektiven Käuferkreis ankommt. Bei der Vorstellung des Golf II gab es vorübergehend viel Kritik. Ein Hauptkritiker versuchte mir zu erklären, was alles anders sein sollte. Also haben wir auf einer Papierserviette seine Ideen zu realisieren versucht. Es kam ein schnittiger, flacher Wagen heraus, der ohne Zweifel sportlicher und eleganter als der Golf II hätte sein können. Als er im Prinzip zufrieden war, hab ich ihn gefragt, ob er dieses Auto denn kaufen würde. „Ich doch nicht“, war seine Antwort, „ich fahr doch keinen Volkswagen!“ Klarer kann man nicht ausdrücken worauf es ankommt: das Auto muss denen gefallen, die als Käufer infrage kommen. Die Kritik der anderen ist völlig unbedeutend. Der Benz Velo von 1894 >hist. Bilder 15@ ist weithin unbekannt, obwohl er das erste fahrbare Auto war und Carl Benz damit die erste Serienproduktion aufzog. Ich glaube, das ist deshalb so, weil er ästhetisch gar nicht befriedigen kann. Der Mercedes Simplex von 1902 > hist. Bilder 20@) macht da viel mehr her. Er ist etwas völlig neues, eine neue Kategorie von Fahrzeugen, keine Kutsche mehr, kein Motor mit Rädern, sondern ein Fahrzeug, das einen Motor hat. Ein Auto eben. Von da an gab es immer Autos, die ihre Form durchgesetzt haben, ästhetische Nachfolger gefunden haben. Nicht immer waren technische Argumente die Entscheidenden: aerodynamische Vorzüge hatten es zum Beispiel schwer. Der Rumpler von 1924 mit einem cw-Wert von 0.28 war seinen Zeitgenossen haushoch überlegen. Aber er konnte sich nicht durchsetzen. Ebenso wenig die Vorschläge von Jaray, Bild 7-9. Es musste die günstige Stromlinie schon anders augenfällig gemacht werden, wie zum Beispiel mit dem Tatra 77 von 1935 mit einem cw-Wert von 0.36 (hist. Bild 20). Dieses Auto hat mich als Kind schon begeistert, als ich es das erste Mal gesehen habe. Und wahrscheinlich auch andere, denn die Bauart hat Schule gemacht, obwohl das Fahrverhalten (Übersteuern, Seitenwindempfindlichkeit) alles andere als vorbildlich war.
220
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
Bild 7-9 Entwicklung des cw-Werts 1931–1935 von Bestformen und US-PKW und Vorschläge von Jaray nach [7.2]
7.3 Ansprüche ans Auto
221
1,0 0,8 0,6 0,4 cw 0,2 Stromlinienkörper c w = 0,15 1920
1930
1940
1950
1960
1970
1980
Entwicklungsjahr
Bild 7-10 Statistische Verteilung des cw-Werts europäischer PKWs 1968–1976 (oben) sowie Entwicklung im Zeitraum 1920–1980. Mit dem Erscheinen des AUDI 100 im Jahr 1982 (cw = 0.3) setzt eine neue Abwärtsbewegung auf dieses Niveau ein [7.2].
Bild 7-11 Auftrieb an der Hinterachse mit und ohne Spoiler am Porsche 911 Carrera. Bei 70 m/s = 252 km/h beträgt der Auftrieb ohne Spoiler 1 320 N. Mit Spoiler werden diese Werte um 87 % gesenkt. 2) [7.2]
222
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
150 mit Spoilern ohne Spoiler
daN 100
AH 50
0 0
10
40
20
m/s
60
V Bild 7-11a
Bild 7-12 Auf der Autobahn sind beim PKW rund 80 % des Gesamtwiderstands Luftwiderstand, bei LKW-Zug 50 %.
7.3 Ansprüche ans Auto
223
Jenseits von technischen Erwägungen haben die Amerikaner das Design ihrer Autos gepflegt. „Hässlichkeit verkauft sich schlecht“ war der Slogan Raymund Loewys (Studebacker von 1951). Aber auch in langen Diskussionen mit Bertone, Colani, Farina, Giugiaro und Graf Goertz ging es immer um die Frage, was im infrage stehenden Detail die bessere Lösung wäre. Immer in Hinblick auf die Erwartungen des Kundenkreises. In der geschichtlichen Entwicklung des Autodesigns kann deutlich die Periode bis 1930 und danach unterschieden werden. Davor waren Chassis und Karosserie deutlich getrennte Baugruppen, danach verschmolzen sie zu einem einheitlichen Ganzen. Die Produktionstechnik hat in den 20er Jahren starken Einfluss genommen. Möglichst wenige, großflächige Pressteile werden seither mit möglichst wenig Schweißpunkten (und möglichst keinen Schweißnähten) zusammengefügt. Die „selbst tragende“ Karosserie übernimmt die tragende Funktion des Rahmens, selbstständige Kotflügel verschwinden, ein möglichst großer Kofferraum wird zwingend. War bis dahin das Dach so breit wie der Boden (oder sogar breiter), so wird nun das Auto nach oben „eingezogen“. Die Kritiker warnen vor dem auf die Sitze fallenden Regen, auf die stärkere Sonneneinstrahlung durch die schräg stehenden Fenster. Bis 1950 hat sich eine recht ähnliche Pontonform herausgebildet: Motorraum, Fahrgastraum, Kofferraum, zwei- oder viertürig, als Coupe mit weniger Platz und höherem Preis. Nun tritt der Kombi hinzu: der Innenraum wird bis hinter die Hinterachse verlängert, bringt einen üppigen Stauraum und überraschender Weise oft einen bessern cw-Wert. Von dieser Regel gibt es prominente Ausnahmen: den Volkswagen „Käfer“ mit luftgekühltem Heckmotor, geteiltem Kofferraum zwischen den Vorderrädern und hinter der hinteren Rückenlehne. Eine ganze Reihe kleinerer Fahrzeuge mit Heckantriebsblock (Renault 4 CV, Fiat 500) oder Front-Antriebsblock (DKW, Citroen 2 CV, Renault R4, Fiat 127 und 128) und einen großen Cadillac mit Vorderradantrieb. In den 60er Jahren beginnen sich Regierungen in die Suche nach mehr Sicherheit einzumischen: die Idee der Experimental Safety Cars (ESV) entsteht und führt nach der Beantwortung der extremen Forderung zur Rücknahme derselben. Gleichzeitig werden stringente Abgasvorschriften laut, treten „Ölkrisen“ auf, die endlich den cw-Wert fast halbieren. Der Erfolg der Kombis führt zu Kurzheck-Lösungen (Fiat 127, Golf), die Variabilität und knappe Abmessungen vereinen. Offene Aufbauten haben eine eigene Entwicklung. Zunächst waren sie für starke Fahrzeuge die Regel: die Abwärme der großen Motoren wäre im geschlossenen Aufbau nicht auszuhalten. Mit dem Vordringen der selbst tragenden Karosserie und den Sicherheitsvorstellungen verschwinden sie fast, um nach 1978 (der Vorstellung des viel kritisierten Golf Cabriolets) eine neue Welle auszulösen. Formal kommt es immer auf Charakter und Harmonie der Form an. Kräftig (aggressiv?) soll der Ausdruck sein, die formale Sprache rundum ähnlich. Besonders wichtig ist die Ansicht von hinten. So präsentieren sich alle Autos den ihnen Folgenden. Es gibt die Meinung, dass nicht die in Prospekten vorherrschende Seiten- und Frontansicht kaufentscheidend wären sondern die Heckansicht. Eine eigene Geschichte haben auch die Stoßfänger hinter sich. Zunächst hat man ihnen einen kaum vorhandenen Einfluss auf das Unfallgeschehen zugesprochen. Aber es waren eher Zierteile, deren Chromglanz noch dazu durch die zunehmende Salzbelastung dauernd gefährdet war. Als man endlich zu weniger empfindlichen Armierungen aus Kunststoff gefunden hatte, kam die unsinnige Mode auf, sie zu lackieren. Nun sind sie kaum noch als Abstandssensoren zu gebrauchen.
224
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
Im Lauf der Entwicklung hat es immer wieder Modeerscheinungen gegeben: Neuerungen, die sich nicht durchsetzen konnten. In den 30er Jahren war es die Pseude-Stromlinie: Chrysler AirFlow, Adler Autobahn, Steyr 100, Volkswagen Käfer. Diese Fahrzeuge waren nicht windschlüpfiger als ihre nicht so „gestylten“ Konkurrenten sondern sahen nur so aus als wären sie es. Den Vogel in dieser Richtung schoss ein Mille-Miglia-Sportwagen ab, der zwar strömungsgünstig aussah, aber einen cw-Wert von 0.68 hatte. Für den cw-Wert schien über viele Jahre ein unterer Grenzwert von 0.4 zu gelten, obwohl schon lange bekannt war, dass die theoretische Untergrenze bei 0.15 liegt. Erst mit dem Audi 100 von 1978 wurden 0.4 deutlich unterschritten. Nun gilt als „normal“ cw = 0.25 bis 0.35, noch immer ein Unterschied von +/– 15 %. Eine andere Mode war die so genannte „Panorama-Windschutzscheibe“: die A-Säule wurde nach vorn geneigt, obwohl die Mitte der Windschutzscheibe nach hinten geneigt war. Die Sicht nach schräg vorne-unten wurde theoretisch verbessert. Praktisch war der Nutzen klein, weil der Steifigkeitsverlust der gekrümmten A-Säule eine stärkere Dimensionierung forderte, die den Nutzen wieder aufgezehrt hat. Nach zehn Jahren war der Spuk vorbei. Ähnlich erging es den Heckflossen. Spektakuläre Unfälle wie der von Bernd Rosemayr und die spürbare Seitenwindempfindlichkeit legte den Wunsch nach mehr Stabilität nahe. Der Tatra 87 stellte eine reizvolle Variante vor, richtige auf ein Kammheck aufgesetzte Seitenleitwerke traten in Erscheinung >7.3@. Der modische Ausdruck fand sich in den hochgezogenen Hinterkotflügel. Dabei wurde die wirkliche Ursache, der an der Hinterachse wirksame Auftrieb, nicht erkannt. Hier brachten erst Heckspoiler eine wirksame Verbesserung. Sie haben die „Heckflossen“ verdrängt. Die Entwicklung des cw-Werts war langwierig, weil es schwierig war, wirksame Maßnahme ästhetisch befriedigend zu gestalten. Der Tatra 87 und die Nachkriegsversion des Tatraplan waren da die Ausnahmen. Sie konnten sich wegen der konzeptionellen Schwierigkeiten nicht durchsetzen: schlechter Kofferraum, fahrdynamische Probleme. Jaray´s richtige Vorschläge haben mit wenigen Ausnahmen zu ästhetisch unbefriedigenden Ergebnissen geführt. Andere Vorschläge haben den kleinen cw-Wert mit einer Vergrößerung der Stirnfläche erkauft. Weil es aber auf das Produkt cw mal Stirnfläche ankommt, war der Gewinn gering. Positive Ansätze lieferte das „Kamm-Heck“: Kamm hat erkannt, dass man die strömungstechnisch ideale, langgestreckte Form ohne großen Verlust abschneiden kann. Seine Vorschläge kamen wohl infolge des Krieges nicht zum Einsatz. Der im Windkanal gemessene cw-Wert von 0.37 lag deutlich unter der Serienlösung des Mercedes 170 V von 0.52-0.55, rund 30 % besser 2). Das hätte eine um 10 % höhere Höchstgeschwindigkeit ergeben. Daher einen um 10 % längeren „direkten“ Gang mit einer entsprechenden Verschlechterung der Elastizität, die man dem kleineren cwWert angekreidet hat. Unvermeidbar ist es tatsächlich, dass Fahrzeuge mit kleinem cw-Wert erst nach längerer Anlaufzeit ihre Höchstgeschwindigkeit erreichen. Fahrzeuge mit schlechtem cw-Wert fühlen sich „elastischer“ an. Den Mehrverbrauch erkennt der Fahrer nicht unmittelbar und die effektiv kleiner Höchstgeschwindigkeit auch nicht.
7.3.5 Befriedigung aller Sinne Das Auto muss nicht nur mit seinen Abmessungen, seinen Fahrleistungen und seinem Aussehen überzeugen, sondern in jeder Hinsicht. Alle Sinne wollen befriedigt sein, wenn der Kunde ein Angebot positiv für das betreffende Produkt entscheiden soll. Wenn er die Tür öffnet, dann muss der Türgriff bequem sein, die mechanischen Geräusche müssen dumpf und wohltönend sein, die Tür mit sattem Klang zufallen.
7.3 Ansprüche ans Auto
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Um den Kundenwert in der Produktion mit akzeptablem Aufwand zu optimieren werden mitunter besondere Maßnahmen notwendig, Beispiel 10 und 11.
Beispiel 10 Kundenwert: Interieur-Design geprägt von Modularität und Zwei-Material-Konzept (Werkbild Smart)
Beispiel 11 Ansprüche an das Auto: Das Panorama-Dach bietet maximalen Frischluftkomfort (Werkbild Webasto)
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7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
Der Geruch muss nach Neuem sein, die Haptik aller Dinge, die er anfassen kann, das Gegenteil von einem scharfkantigen Blech: rund, warm, weich. Wenn er etwas betätigt, so muss der Vorgang geräuschlos, mit definiertem Kraftverlauf vor sich gehen. Das krächzende Quietschen beim Öffnen oder Schließen des Aschenbechers war jahrzehntelang für Raucher und Nichtraucher ein Ärgernis, das Viele von der Entscheidung zum Kauf abgedrängt hat. Dem Frischluftkomfort der Kunden nahe zu kommen, sind auch ungewöhnliche Lösungen nicht abwegig. Der Geruch ist ein besonders wichtiger Sinneseindruck, weil er sich unbewusst in unsere Wahrnehmung einschleicht. Es gibt für jede Geruchskombination eine Konzentration, unterhalb der man ihn nicht wahrnehmen kann (Schwellenwert). Und es gibt eine Konzentration, ab der der Geruch zum Gestank wird. Gar kein Geruch, verarmt den Sinneseindruck, zu viel stößt ab. Am besten ist ein Geruch knapp unterhalb des Schwellwerts. Vielleicht wird er beim Öffnen der Tür gerade noch wahrgenommen, verschwindet dabei aber. Natürlich kommt es noch auf die Art des Geruchs an: Schwefelverbindungen sind eher ungeeignet, süßliche Varianten kaum. Nach Wald, Gras, Leder darf es duften, aber nur sehr dezent. Was man angreift, muss trocken, warm und rau sein. Trocken aus hygienischen Gründen, warm, damit die Temperatur des berührenden Körperteils nicht zurückgeht und nachreguliert werden muss, rau, damit die anfassenden Kräfte klein bleiben können. Die Haptik ist nach dem Geruch der Sinneseindruck, der am leichtesten unser Gefühl beeinflusst. Zwar bieten sich neue Materialien besonders für Experimente um den Ersatz konventioneller Lösungen an, jedoch werden Wahrnehmung wie die Haptik nach wie vor die entscheidende Rolle spielen, Beispiel 12.
Beispiel 12 Ansprüche an das Auto: Kunststofffolien, Werkstoff-Mix und Modulbauweise sind Schlagwörter, welche die Zukunftsvision im Karosseriebau beschreiben (Werkbild BASF)
7.3 Ansprüche ans Auto
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Auch für das Geräusch gilt, dass absolute Abwesenheit (Stille) nicht optimal ist. Bestimmte Geräusche versichern uns, dass unsere Geräuschinformation in Ordnung ist. Zum Beispiel kann das leise Ticken einer Uhr freundliche Gefühle wecken. Als wir in den 80er Jahren die Schwungnutzautomatik (o Kapitel 2.9.3) in einem Großversuch bei der Deutschen Post erprobt haben, war die Sympathie zunächst recht groß: der Fahrer musste nur bei Dienstbeginn starten. Den ganzen Tag über hat der Motor immer abgestellt, wenn er den Fuß vom Gas genommen hat, zum Beispiel ausgestiegen ist, um einen Briefkasten zu leeren, und ist wieder angesprungen, wen er Gas gegeben hat. Aber nach einiger Zeit war die Begeisterung dahin. Die Fahrer gaben verschiedene Gründe an, waren unsicher. Also haben wir einen Psychologen eingeschaltet (Dr. Gerhard Schwarz, Uni Wien), der uns den Misserfolg (mit meinen Worten) so erklärte: „Der Motor ist das Herz des Autos. Wenn das Herz stehen bleibt, dann ist das etwas Beängstigendes. (Erinnerung an das pränatale Dasein?) Ihr müsst eine Tonquelle einführen, die den Herzschlag simuliert, dann werden die Fahrer zufrieden sein.“ Das haben wir dann zwar nicht gemacht, aber von der Richtigkeit dieser Überlegung bin ich überzeugt. Auch das Fahrgeräusch muss eine richtige Information über den Fahrzustand liefern: wir schalten unbewusst in den nächst höheren Gang oder zurück, wenn das Motorgeräusch in bestimmte Frequenzbereiche kommt. Wir hören nicht nur passiv, wir lauschen den Signalen des Fahrzeuges. Daher muss der Motor mit sonorem Klang seine Tätigkeit anzeigen, müssen die Reifen „singen“ oder durch Quietschen das Erreichen der Haftgrenze ankündigen. „Zeige mir wie Du fährst. Dann weiß ich, was für ein Mensch Du bist.“
7.3.6 Qualität Die Summe aller wünschenswerten Eigenschaften eines Produkts wird mit diesem Begriff zusammengefasst: die untadelige Ausführung in jeder Hinsicht und die zeitliche Unveränderlichkeit in der normalen Umwelt. Die Ansprüche besonders in Letzterem sind fortwährend im Steigen. Während man bis in die 50er Jahre voraussetzen konnte, dass ein Auto in der Garage steht und trotzdem fortwährend gepflegt wird, muss man heute davon ausgehen, dass das Auto Zeit seines Lebens im Freien verbringt, überhaupt nicht gepflegt wird, aber wenn es doch einmal gewaschen wird, in jungfräulichem Zustand dastehen soll. Dabei ist die Umwelt zumindest in der Hinsicht aggressiver geworden, weil das Wasser auf der Straße salziger ist. Dieses Salzwasser gelangt in alle Winkel und trocknet dort aus, wobei sich die Konzentration erhöht und bei jeder Neubefeuchtung wieder höchst wirksam wird. Deshalb werden heute besonders gefährdete Partien aus verzinktem Blech hergestellt, dass für diese Art der Beanspruchung am besten geeignet ist. Aber auch die Lackqualität wird fortlaufend verbessert. Heute wird versucht, eine sich selbst reinigende Oberfläche zu erzeugen. Als Vorbild dient dabei das Lotosblatt, dessen Rauhigkeit jede Verschmutzung einem darüber rinnenden Wassertropfen mitgibt. Natürlich gelten die Forderungen trotzdem nicht für Null oder Unendlich. Die Breite der Fugen zum Beispiel kann man sich mit 3 mm vornehmen und weitgehend einhalten. Aber ohne Toleranz geht es nicht: 2.9–3.1 mm könnten zulässig sein. Der penible Kunde wird eine versprochene Fugenbreite von 3 mm aber in der Erwartung prüfen, dass die Toleranz unterhalb seiner Messgenauigkeit liegt und daher tadelnswerte Fehler finden. Mit der Oberflächenqualität des Lacks ist es ähnlich: die Rauhigkeit 0 gibt es nicht, ist nur eine Frage der Toleranz. So wird die Verbesserung der Qualität zur unendlichen Aufgabe.
228
7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
7.4 Evolution der Bauform Gottlieb Daimlers Motorwagen >hist. Bild 12@ und noch viele Fahrzeuge mit Daimler-Motoren danach waren Kutschen mit eingebautem Motor. Der Patent-Motorwagen 1886 von Carl Benz >hist. Bild 11@ war zwar ein eigenständiges Fahrzeug, aber eine Auto wohl kaum. Selbst das Benz-Velo von 1894 > hist. Bild 16@, das erste serienmäßig hergestellte und damals in der größten Stückzahl hergestellte Fahrzeug, kann nur mit Abstrichen als Auto bezeichnet werden. Erst der Mercedes Simplex von 1902 >hist. Bild 20@ und die geschlossene Karosserie dazu von 1907 ist zweifelsfrei als Auto anzusprechen. Bis zum modernen Sportwagen mit selbsttragender Karosserie im Materialmix war es ein weiter Weg, Beispiel 13.
Beispiel 13 Bauformen: Rohbaustruktur des 911 Carrera (Werkbild Porsche)
7.4 Evolution der Bauform
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Bild 7-13a Evolution der Bauform: Lage, Antrieb und Nutzraum.
7.4.1 Standardbauform Henry Ford hat das Auto insofern geschaffen, als er erkannt hat, dass es ein Gegenstand für jedermann ist. Seine Idee der Massenproduktion und der Erschwinglichkeit besonders auch für diejenigen, die es selbst herstellten, hat den Menschen Mobilität in einem Umfang geschenkt, der vorher unvorstellbar war. Henry Fords Name ist sowohl für die Entwicklung des Autos und der Gesellschaft erstrangig. Sein Modell T war insofern das erste Auto, weil es das Transportmittel für alle war. Der Horch von 1911 zeigt den Stand der Technik von damals >hist. Bild 21@. Das Getriebe saß vom Motor getrennt im Rahmen. Das hat den Vorteil, dass am Motor nur das Motormoment abgestützt werden muss, die Lagerung also relativ weich sein kann. Am Getriebe ist dann das in den unteren Gängen größere Moment abzustützen und an der Hinterachse das noch größere Antriebsmoment. (Bei der Blockbauweise muss dieses Moment gleich an der Blocklagerung abgestützt werden, was eine entsprechend härtere Lagerung, eine stärkere Geräuschübertragung mit sich bringt.) Am Getriebe saß noch eine Bremse, dafür fehlte die (wichtigere) an der Vorderachse. Eine Bergstütze hat das Fahrzeug an Steigungen das Zurückrollen verhindert. Der Motorblock hatte noch den größeren Abstand zwischen den mittleren Zylindern, der sich aus unerfindlichen Gründen Jahrzehntelang gehalten hat. Der Kühler, genau über der Vorderachse, galt als Schönheitsvoraussetzung wie der Schornstein genau über der Laufachse der Dampflokomotive. Der Radsturz an der Vorderachse war ein anderes Relikt aus grauer Vorzeit. Stoßdämpfer gab es keine. Die Energie hat die Reibung zwischen den Federblättern herausgenommen. Eine Unzahl von Schmiernippel weist darauf hin, dass es immer irgendwo gequietscht hat. Es war ein „Schmiermaxe“ gefragt, der die Quietschgeräusche den richtigen Schmiernippeln zuordnen konnte. (Ich erinnere mich, dass wir eigentlich bei jeder Ausfahrt
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7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
„Abschmieren“ gingen. Der Besuch bei der Tankstelle war ohnehin häufig notwendig, weil die kleinen Tanks und hohen Verbräuche kaum 200 km Fahrstrecke erlaubten.) Aber es gab auch bald Fahrzeuge, die sehr moderne Merkmale aufwiesen. Zum Beispiel der Fiat 508 (Corsa) von 1927 mit dem 4-Ventiler V6 mit drei Nockenwellen. Der ganze Antrieb war nach links versetzt, um das Gewicht des rechts sitzenden Fahrers zu kompensieren. Die Reibungsstoßdämpfer lagen ziemlich weit innen, dürften also die Trampelbewegung der Starrachsen nur unwesentlich gedämpft haben. Größere Verbreitung fanden die kleineren Brüder dieses Sportwagens. Besonders der Balilla (1 Liter 4-Zylinder, 30 PS). Dieser und die englischen Sportwagen waren die erschwinglichen Ecksteine der Entwicklung. Weniger erschwinglich, aber staunenswert der Bugatti Royal (12.8 l Hubraum) von 1930, dessen Lenkradunterkante um gut 20 cm hinter dem halben Radstand lag. Beim Mercedes 500 K war es kaum anders. Der weit hinten liegende Motor ergab zwar eine schöne lange Kühlerhaube, aber nur knappen Lebensraum für Passagiere und Nutzlast. Deshalb wurde schon früh versucht, den Motor weiter nach vorn zu schieben. Bei den höheren Lastwagen ging das leichter, weil der Motor dort über der starren Vorderachse liegen konnte: Daimler Omnibus von 1898. Radikal Platz schafft eine Patentanmeldung von Lancia von 1934, bei der der Motor vor die Vorderachse und das Getriebe hinter die Hinterachse (Transaxle) verlegt wird. Auch aerodynamisch kann sich das Konzept sehen lassen. Die alte Idee des Fahrersitzes in Fahrzeugmitte ist allerdings nur brauchbar, wenn man die Umständlichkeit des Ein- und Aussteigens für den Fahrer vergisst. Beim Fiat 500 und Steyr 50 von 1936 und auch beim Mercedes Auto 2000 liegt der Motor ganz vor der Vorderachse, was auf Kosten der Belastung der Antriebsachse geht. Querlenkerund McPerson-Achse erlauben es, den Motor zwischen die Vorderräder zu setzen, was seit 1950 allgemein üblich war. Nun rücken die kürzeren Motoren zugunsten der Hinterachsbelastung wieder nach hinten.
Bild 7-13b Evolution der Bauform: Lage, Antrieb und Nutzraum.
7.4 Evolution der Bauform
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7.4.2 Frontblock 1897 gab es schon das erste Auto mit Vorderradantrieb, den Gräf & Stift mit De-Dion-Buoton Motor. Aber den Durchbruch schaffte erst DKW und Citroen, nach Vorläufern: Voran 1924 und Adler 1935, Audi 1936, Wanderer, Cord. Der Citroen Traction Avant von 1934 bot damals kaum irgendwo sonst erreichten Innenraum und hervorragendes Fahrverhalten und der DS 19 von 1955 hat das Frontmotor-Konzept mit Motor hinter und Getriebe vor der Vorderachse zur höchsten Blüte geführt. Aber auch im Kleinwagensektor hat Citroen einmaliges geleistet: den 2 CV von 1948. Schon 1935 hat Citroen an der Arbeit diese einmaligen Fahrzeugs begonnen. Das Entwicklungsziel war 3 l auf 100 km (ein erstes 3-Liter Auto!), Platz für 2 Personen und einen Sack Kartoffel und einen unschlagbaren Preis. Sparsam hat das Fahrzeug immer angemutet, auch wenn im Laufe der Entwicklung sogar ein zweiter Scheinwerfer und ein elektrischer Starter hinzukommen. Dabei ist das Fahrzeug alles andere als primitiv. Es hat eine Ausgleichsfederung (die Längslenker der Räder einer Seite ziehen an der gleichen Feder) und Schwingungstilger, die die Radeigenfrequenz vom Aufbau fern gehalten haben. Der Spitzname „hässliches Entlein“ hat viele nicht davon abgehalten, einen 2 CV zu kaufen. Die Begeisterung für dieses Auto ist auch heute noch weit verbreitet. Natürlich drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, warum der Firma Citroen die geschäftliche Stabilität vorenthalten blieb. Ihre Konstruktionen waren immer anders als die der anderen. Diese Frage wäre einer eigenen Untersuchung wert, die im Hause Citroen durchgeführt werden sollte, solange noch Vertreter dieser Epoche ansprechbar sind. DKW hat mit seinem quer hinter der Vorderachse liegendem Motor-Getriebeblock eine der heutigen Standardlösungen angestoßen. Lloyd hat dann den Motor-Getriebeblock noch vor die Vorderachse gelegt und BMC hat sie mit dem Mini zum Vorbild gemacht. Der Fiat 128 hat daraus die heute am weitesten verbreitete Lösung abgeleitet.
Bild 7-13c Evolution der Bauform: Lage, Antrieb und Nutzraum.
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7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
7.4.3 Heckblock Bei den ersten motorgetriebenen Fahrzeugen lag der Motor hinten, gleichgültig ob es sich um Dampf, elektrischen Strom oder Verbrennungsmotor gehandelt hat. Der Zusammenbau von Motor, Getriebe und Antriebsachse hat seine Faszination beibehalten. Der Tatra 77 von 1934 und 87 von 1937 [hist. Bild 24] hat eine damals überzeugende Lösung geboten. Eine neue Ära schien angebrochen. Der große, durch keine Einbauten gestörte Innenraum und die sichtbare Stromlinie mit einem tatsächlich kleinen cw-Wert (0.36) schienen alle Wünsche zu erfüllen. Und die Epigonen dieses Konzepts reichen über den Volkswagen, den Renault 4 CV bis zum Corvair von 1959. Überzeugendes leistet auch das Konzept beim Volkswagen Transporter von 1949. Ein flach bauender Heckmotor nutzt den Raum zwischen den Hinterrädern und überlässt den Raum zwischen den Rädern der ungestörten Nutzung. Das Verhältnis von Gesamtlänge zu Innenraum ist dafür optimal. Auch wenn der Heckantrieb an der ungelenkten Hinteachse besonders wirtschaftlich realisisert werden konnte, werden stets neue Wege zur Vereinfachung gefunden, Beispiel 14.
Beispiel 14 Bauformen: Das Konzept eines Dachmoduls aus verschiedenen Polymeren, das am Schluss der Automontage nur noch auf die Karosserie gesetzt wird (Werkbild Bayer Leverkusen).
Ein anderer Vorzug des Konzepts ist die starke Belastung der Antriebsachse. Die Steigfähigkeit und Geländegängigkeit des Volkswagen Käfers ist für Fahrzeuge mit Einachsantrieb unübertroffen. Auf der Negativseite des Konzepts stehen die Übersteuerungstendenz und Seitenwindempfindlichkeit infolge des hinten liegenden Schwerpunkts. Die lange praktisch dazugehörende Verwendung einer Pendelachse hat diese Untugenden des Konzepts noch verstärkt und zu seinem Ende geführt.
7.4 Evolution der Bauform
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Bild 7-13d Evolution der Bauform: Lage, Antrieb und Nutzraum
7.4.4 Exoten Aus dieser Gruppe der Aufsehen erregenden sei hier nur der Dymaxion aufgeführt: ein Dreirad mit dem gelenkten Einzelrad hinten, Heckmotor und Vorderradantrieb. Raumnutzung und Aerodynamik bieten ausgezeichnete Möglichkeiten. Über das Fahrverhalten ist nichts bekannt.
Bild 7-14 Einspurfahrzeug (unten) im Vergleich zum „normalen“ PKW (oben).
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7 Produktplanung und Unternehmenserfolg
Einspurige Fahrzeuge haben immer wieder zu (bisher erfolglosen) Vorschlägen geführt. Mit hintereinander liegenden Sitzplätzen lassen sich eine sehr kleine Querschnittsfläche und ein günstiger cw-Wert erzielen, Bild 7-14.
Bild 7-15 Einachsfahrzeug
Auch Einachsfahrzeuge (Bild 7-15) haben ihren Reiz: es kann auf der Stelle gewendet werden, die Räder, die an den Fahrzeugecken den Zugang erschweren, verschwinden von dort. Die für Beschleunigung und Bremsen notwendigen Nickwinkel scheinen prohibitiv. Aber es gibt auch andere Verkehrsteilnehmer mit eingeschränkter Längsbeschleunigung (Straßenbahn, Fahrräder). Schließlich sind auch Einradfahrzeuge denkbar. Einräder spielen als Sportgerät eine zunehmende Rolle. Ein Fahrzeug mit in Fahrzeugmitte liegendem Einzelrad böte die beste Zugänglichkeit, wäre von daher gesehen das ideale Stadtfahrzeug.
7.4.5 Retro Alte Autos üben einen besonderen Reiz aus. Dem wird nicht nur in „Schnauferl-Clubs“ nachgegangen, sondern die Firmen versuchen „ihre“ Merkmale in ihren Autos unterzubringen oder überhaupt Autos im alten Stil zu gestalten: Retros. Das typischste Merkmal ist vielleicht der Mercedes-Kühler, obwohl er von seiner Firma schlecht behandelt wird. Er dürfte eigentlich nicht nur eine eingesetzte Maske sein, und ein unterer Teil müsste von der Stoßstange verdeckt sein. Aber auch Bugatti, Alfa Romeo, Lancia oder Aston Martin haben traditionelle Kühlerformen. Wie sehr sich die besten Firmen um traditionelle Elemente wie den Kühler und dessen Anmutung bemühen, zeigt auch Beispiel 15. Und auch amerikanische. Die gelungenste Reprise ist derzeit der Chrysler PT Cruiser Limited, der die klassische Linie mit der Funktionalität des modernen One-box-design vereint.
7.5 Sanfte Technik
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Beispiel 15 Bauformen: Nach dem Marktstart der A6 Limousine führt Audi den A6 Avant ein (Werkbild Audi)
7.5 Sanfte Technik Durch die Anwendung der Technik verfügen die Menschen heute über Kräfte und Energien die alles übersteigen, was Geschöpfen bisher möglich war. Wir bewegen im Jahr etwa 200 Mrd t Material (o Kapitel 6, Bild 6-11), 33 t pro Kopf und Jahr und setzen 120 Billionen kWh Energie um, etwa 20 000 kWh pro Kopf und Jahr. Im Vergleich zu dem was die Natur oder gar der Kosmos bewegt ist das verschwindend wenig: allein 250 000 km3 Wasser verdunsten pro Jahr = 42 000 t pro Kopf und Jahr. Auf die Erde fallen 177 000 Mrd kW Solarstrahlung, 300 Mio kWh pro Kopf und Jahr. Aber wenn wir ein Kraftwerk oder den schier unendlichen Fahrzeugstrom auf der Autobahn sehen, einen Staudamm oder die Erdbewegung in einem Braunkohlebergbau, dann sind wir überwältigt. Wir leben gefühlsmäßig in einer mesokosmischen Welt, können uns nur Größenordnungen von Masse und Energie vorstellen, die wir im Alltag erleben. Nur mit Hilfe der Mathematik können wir aus dieser Gefühlswelt hinausgreifen und Zahlen nennen, die uns sagen, dass der Material- und Energieumsatz der Natur eben noch viel größer ist als das Menschenwerk. Obwohl die Leistungsfähigkeit eines Autos die des Menschen bei weitem übersteigt (100 kW zu 0.2 kW), möchten wir sie meist so benutzen, dass sie andere (und uns selbst) nicht in Schrecken versetzt. Abgesehen vom Imponier- und Balzgehabe möchten wir das Auto unauffällig,
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angepasst nutzen. Die Fahrzeugentwickler können dazu nur die Möglichkeit schaffen. Es bleibt dem Einzelnen überlassen, wie er sich in das soziale Geschehen des Verkehrs einbringt. Geräuschloses Dahingleiten mit geringem Verbrauch und geringer Emission muss möglich sein, wird aber nicht von allen und zu jeder Zeit als optimal empfunden. Um so mehr kommt es darauf an, schonend mit den Resourcen um zu gehen, wenn schon die Technik so darauf angewiesen ist. Unspektakulär soll sie uns zu Diensten sein und kein Aufhebens darum machen, mit welchem Aufwand z. B. auch Umweltbelastungen zurückgefahren werden. Hier soll die Substitution herkömmlicher Kältemittel mit ihrem hohen Gefährdungspotenzial für die Umwelt durch Kohlendioxid als Beispiel dienen, Beispiel 16.
Beispiel 16 Sanfte Technik: Kohlendioxid-R744 als Kältemittel in Fahrzeug-Klimaanlagen (Werkbild Obrist Engineering)
Gelegentlich wollen wir auch spüren, welche Kraft in unserem Auto steckt, den anderen zeigen, dass wir beim Ampelstart mithalten können. Der tägliche Verkehr bietet unausgesetzt Beispiele für die Möglichkeiten, die im Auto stecken, und welchen Gebrauch die Menschen
7.5 Sanfte Technik
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davon machen. Der Eindruck eines an der Leistungsgrenze betriebenen Fahrzeugs unterscheidet sich vom normalen, maßvollen Betrieb wesentlich. Normalerweise vermeiden wir hohe Drehzahlen, das Reifenquietschen beim Anfahren, Kurvenfahren und Bremsen, das laute Zuschlagen der Türen, den Gebrauch der Hupe. Natürlich kann die Technik den maßvollen Gebrauch nicht nur nahe legen sondern auch erzwingen. Zum Beispiel können Maximaldrehzahl und Zugkraft in den unteren Gängen beschränkt werden, Bild 7-16. Diese Maßnahme würde die Geräuschprüfung wesentlich erleichtern (wenn nicht die Vorschriften nachzögen). Es bleibt aber die Frage, ob die Fahrer eine solche Einbuße an Fahrleistung akzeptieren. Es müssten auch Ausnahmen möglich sein, z. B. für das Befahren steiler Strecken: mit dem Einschalten des Warnlichts wird die Begrenzung aufgehoben. Aber der angepasste Fahrer wird sich ohnehin so verhalten, wie es die Maßnahme erzwingt: Früh Hochschalten ist ein Prinzip, das in der Fahrschule gelehrt und von den Meisten praktiziert wird. Die Technik selbst ist weder sanft noch gewalttätig. Wir können sie aber so oder so nutzen. Es liegt an uns, wie wir uns ins soziale Geschehen, ins Leben, einbringen.
Bild 7-16 Beschleunigen mit begrenzter Höchstdrehzahl wmax. Es sind Geschwindigkeit v(km/h) und Drehzahl w (1/s) über der Zeit aufgetragen. Links oben sind die Übersetzungen i(i) angegeben und die zu beschleunigende Gesamtmasse, die sich mit i(i) ändert. Rechts sind die Zeiten angegeben, die das Fahrzeug zum erreichen von 50 km/h (t50) und 100 km/h (t100) benötigt. Dort finden sich auch Angaben zum Verbrauch bis zum Erreichen von 50, bzw. 100 km/h. – Die Einkuppeldrehzahl ist auf w = 125/s und ein Moment von 125 Nm begrenzt. Im 1. Gang folgt daraus eine Zugkraft von 5 670 N, die schon nahe der Quietschgrenze liegt. (Die Vorderachslast beträgt statisch 6 600 N. Sie wird beim Anfahren mit 4 m/s2 um etwa 2 000 N reduziert.)
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Literatur >7.1@ Fiala, E.: Absatz- und Ertragsplanung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 53 (1983), S. 445/459 >7.2@ Hucho, W. H.: Aerodynamik des Automobils, Vieweg, 2005 >7.3@ Sawatzki, E.: Die Luftkräfte und ihre Momente, Deutsche Kraftfahrforschung, Heft 50, VDI-Verlag, Berlin 1941 >7.4@ Triffin, R.: Monopolistic Competition and General Equilibrium Theory, Cambridge 1947
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8.1 Eine kurze Geschichte der Fahrzeugführung 8.1.1 Fahrrad Der badische Forstmeister K. F. Drais hat 1813 einen muskelgetriebenen Wagen entwickelt, der aber für die damaligen Straßen kaum brauchbar war. Deshalb verfiel er auf die Idee des Laufrads: ein einspuriges Fahrzeug, für das man eher eine fahrbare Spur finden konnte, >hist. Bild 6@. Mit dem modernen Fahrrad hat sein Laufrad wenig zu tun. Um das Laufrad zu fahren, muss man sich mit den Unterarmen auf dem „Balancier“ abstützen und das Fahrzeug mit den Beinen abwechselnd vorwärts stoßen. Man pendelt dann zwischen den abwechselnden Stößen hin und her, mit der Lenkung eine brauchbare Fahrspur suchend. Trotzdem ist Drais damit wiederholt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 km/h gefahren. Seine Erfindung hat im englischsprachigen Raum große Verbreitung gefunden (Hobby Horse). Als erstes Fahrrad muss man Macmillan´s Gefährt bezeichnen >hist. Bild 7@: mit Pedalen wurde das Hinterrad über einen Kurbeltrieb angetrieben, die Lenkung hatte einen Nachlauf (o hist. Bild 6). Damit konnte man fahren. Die Fahrradentwicklung nahm aber einen Umweg: Pierre Micheaux und sein Sohn Ernest >hist. Bild 8@ haben Fahrräder angeboten, die gut fahrbar waren. Eine größere Übersetzung versuchte man durch immer größere Vorderräder zu erreichen, was zum gefährlichen Hochrad geführt hat, das schließlich nur noch artistisch zu benutzen war. Daher wurde das alte Niederrad wieder weiter entwickelt (o Tab. 8-1). Mit kugelgelagerten Achsen, kugelgelagerter Lenkachse und Luftreifen war der Weg zum modernen Fahrrad gefunden. Die diffizile Abstimmung von Nachlauf und Schwerpunktlage des Vorderrads wurde wohl empirisch gefunden.
8.1.2 Auto (siehe Tabellen T8-2 und T8-4) Die Geschichte des Autos ist die Geschichte des Motors. Der Motor hat aus dem altbekannten Fahrzeug etwas ganz Neues gemacht: das Automobil, das Selbstbewegliche. Fahrzeuge waren schon seit Jahrtausenden bekannt, als mechanische Maschine mit der man große Lasten oder sich selbst mit relativ geringer Muskelarbeit der Zugtiere befördern konnte. Das Rad ist eine 5 000 Jahre alte Erfindung. Es gibt dafür kein Vorbild in der Natur. Zur Erfindung des Rades gehört die Achse, die mit der Deichsel den ursprünglichen einachsigen Wagen ergibt. Dieser folgt dem Ziehenden, sei es Mensch oder Tier. Zunächst hat es nur einachsige Karren gegeben, mit Scheibenrädern, die aus drei Teilen zusammengesetzt waren. Seit 3 500 Jahren gibt es das Speichenrad. Es ist viel leichter, kann daher größer gebaut werden, was den Fahrwiderstand verringert und die Unebenheiten der Fahrbahn einebnet. Die Römer hatten nach der Zeitenwende verschiedene ein- und zweiachsige Wagen, die alle die gleiche Spurweite haben: 1.43 m. Offenbar war der Wagenbau in Gallien hoch entwickelt und die Römer haben diese Technik und die Namen dafür übernommen. Wahrscheinlich war auch der Dreh- oder Lenk-
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schemel den Galliern bekannt, doch musste diese Erfindung im 13. Jahrhundert erneut gemacht werden. Davor gab es einen wesentlichen Fortschritt im Geschirr: das Kummet hat die Zugleistung der Zugtiere verdreifacht. Solange die Zugtiere an der langen Deichsel den Wagen gesteuert haben, war das Lenken kein Problem. Es trat erst auf, als der Fahrer versuchte, das Fahrzeug zu lenken: die Lenkschemelachse schlägt unbarmherzig nach der Seite ein, an der der Rollwiderstand größer ist. Die dadurch ausgelösten Stöße eines schweren Wagens auf einer unebenen oder unbefestigten Straße sind nicht ohne weiteres beherrschbar. Ein einzelnes Rad hat diese Stöße nicht, weil die Lenkachse durch die Radaufstandsfläche geht. Seit Stephan Farffler >hist. Bild 2@, der für sich ein Behindertenfahrzeug gebaut hat, findet sich das Dreirad von den schwersten Dampfwagen bis zum Benz Patentmotorwagen. Das wesentliche Problem war aber die fehlende Antriebskraft, die den Muskel der Zugtiere ersetzen konnte, der Motor. Auch er wandelt wie der Muskel chemische Energie (Benzin statt Nahrung, statt Traubenzucker) in Arbeit. Mit dem Motor wird aus dem Fahrzeug eine Maschine der 2. Art, das Kraftfahrzeug. Es hat sowohl die mechanischen Voraussetzung zur Beförderung der Lasten als auch den Antrieb, der die Fahrwiderstände überwindet. Schon lange waren Fahrzeuge von allein ein Gefälle hinabgerollt, oder von Wind (Stevin 1600, >hist. Bild 3@) oder Dampf (Trevithik 1803, >hist. Bild 5@) angetrieben worden. Aber der Wind war unzuverlässig und auch der Betrieb der Dampfmaschine umständlich. Deshalb wurde auf die Scheine ausgewichen, womit auch das Problem der Lenkung gelöst war. Es begann die Erfolgsgeschichte der Eisenbahn, die für 100 Jahre das bevorzugte Transportmittel bleiben sollte. Auf der Straße blieb die Lenkung problematisch. Um 1840 baut Goldsworthy Gurney einen großen Dampfwagen für 20 Personen mit Lenkschemellenkung. An der Spitze der Deichsel, sitzt ein kleines Radpaar, das gelenkt wird. Damit werden die großen Lenkmomente des Lenkschemels abgestützt. Der Motor stand und steht im Mittelpunkt des Interesses, wenn es ums Auto geht. Trotzdem war die Fahrbarkeit wiederholt Hemmnis der Weiterentwicklung. Cugnot´s Dampfdreirad >hist. Bild 4@ ist in eine Mauer, eine Klostermauer noch dazu, gefahren, was die Weiterentwicklung beendet hat. Carl Benz schreibt selbst über seine ersten Erfahrungen: „Es war im Spätherbst 1885; die ersten Fahrversuche gingen gegen die Hofmauern. Vieles musste umkonstruiert werden, und erst als ich die Lenkung einigermaßen beherrschte, wagte ich mich auf die freie Straße.“ (75 Jahre Motorisierung, Jubiläumsbericht der Daimler-Benz AG 1961) Gottlieb Daimler hatte keine solchen Skrupel: er hat seinen leistungsfähigen Motor in alle möglichen Fahrzeuge eingebaut. In das Motorrad von 1885 >hist. Bild 10@, in das Wölfertschtsche Luftschiff 1888, den Triebwagen der Friedrich Krupp AG 1890 und eben auch den Motorwagen von 1886, >hist. Bild 12@. Es war eine sonst unveränderte Kutsche mit einem innenliegenden Zahnkranz um den Lenkschemel, in den das Ritzel der lotrecht stehenden Lenksäule eingriff. Wie weit das Fahrzeug überhaupt fahrbar ist, hängt von der Straßenbeschaffenheit ab. Denn der Lenkrollhalbmesser ist gleich der halben Spurweite, was bei jeder Unebenheit große Lenkmomente liefert. Aus diesem Grund hatte Benz das Dreiradkonzept gewählt, das anscheinend seit Farfler >hist. Bild 2@ sich für alle Fahrzeuge ohne Zugtiere bewährt hat. Die Achsschenkellenkung, die den Lenkradhalbmesser klein (positiv oder negativ) macht, wurde schon 1818 von Ackermann erfunden, aber nur selten verwendet, z. B. von Amédée
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Bollée 1873, für das erste Dampffahrzeug mit Einmannbedienung oder Daimler und Maybach für den Entwurf des Stahlradwagens von 1889. Ein anderes Problem ist der automatische Betrieb des Motors. Mit Holz oder Kohle beheizte Dampffahrzeuge haben einen Heizer, den Chauffeur, erfordert. Den Standard aber hat das Elektroauto gesetzt (sofern die Batterie geladen ist): die Leistung ist einfach und verzugsfrei zu regulieren. Für den Verbrennungsmotor stand zunächst Leuchtgas zur Verfügung, das aber umständlich (in Ledersäcken) und nur in unzureichender Menge mitzuführen war. Deshalb war der Einsatz eines leicht betankbaren, energiedichten Energieträger ein wichtiger Schritt, der wahrscheinlich von Siegfried Marcus von 1870 in einem sonst kaum brauchbaren Fahrzeug gemacht wurde. Angeblich war auch die Kutsche von Delamare-Debouttville (Patent 1884) ein Fahrzeug mit Benzinantrieb (Baumwolle als Oberflächenvergaser). Der Nachbau von 1984 war jedenfalls fahrfähig wenn auch nicht richtungsstabil. Carl Benz und Gottlieb Daimler waren die Konkurrenten in den dramatischen ersten 15 Jahren der Automobilentwicklung, (Tabelle T8-2). Daimler hatte den Vorteil, den leichteren Motor zu haben. Er hat sich aber offensichtlich nicht um die Lenkbarkeit gekümmert. Ganz anders Carl Benz. Nach eigenem Bekunden hat er sich erst auf die Straße getraut, als er glaubte, die Lenkung seines Fahrzeuges zu beherrschen. Und der Ausflug seiner Frau 1888 mit ihren beiden Chauffeuren im kindlichen Alter von 13 ½ und 15 Jahren spricht auch dafür, dass schon der erste Benzwagen gut fahrbar war. Benz hat erst ein vierrädiges Fahrzeug gebaut, nachdem er die an sich bekannte Achsschenkellenkung durch die (Wieder-?) Erfindung der Faustachse praktikabel gemacht hatte, >hist. Bild 14@. Daimler und Maybach haben für ihren Stahlradwagen 1899 zwar auch eine Lenkung nach Ackermann (1813) verwendet, aber die Räder umständlich in Gabeln geführt. Sie sind 1894 noch einmal zum Lenkschemel zurückgekehrt, >hist. Bild 17@. Die Messingkugeln an den Enden der Vorderachse zeigen wo man beim Rangieren anfassen musste. Carl Benz hatte 1893 mit der Viktoria eindeutig die Nase vorn. 1894 ist Theodor von Liebieg mit dem Benz Viktoria >hist. Bild 15@ von Reichenberg in Böhmen nach Reims und zurück gereist. Nach Benz Meinung war dieses Auto aber zu aufwendig. Er kehrte mit dem Velo von 5 auf 1.5 PS (später 3 PS) zurück und hat mit diesem Serienauto die größten Absatzzahlen erzielt: bei einem Verkaufspreis von 2 000 Reichsmark 1895 wurden 62 Velo verkauft, insgesamt 135 Fahrzeuge, 1899 sind es 572 Fahrzeuge. Bis Ende 1899 hat Benz insgesamt 2 000 Fahrzeuge hergestellt, darunter Fahrzeuge mit 2-Zylinder Boxermotoren mit 15 PS. Die Entwicklung des Fahrgestelles und der Anordnung von Motor und Getriebe fand in den neunziger Jahren in erster Linie in Frankreich statt, wo in zahllosen Zuverlässigkeitsfahrten und Rennen alle Varianten verglichen wurden, >hist. Bild 18@. Die Standardanordnung längsliegender Motor vorn, Getriebe, Antrieb hinten wurde erstmals von Panhard & Levassor gezeigt. Auch findet sich dort (oder bei Peugeot) zum ersten Mal die Achsschenkellenkung (wenn nicht nachträglich verändert). Dann allerdings beginnt die Ära Mercedes. Daimler hatte enge Geschäftsbeziehungen nach Frankreich (Panhard & Levassor) und England (Simms) angebahnt, Maybach 1900 einen 4-Zylindermotor für 25 PS entwickelt, der erst 30 PS, später 40 PS geliefert hat. Emil Jellinek verlangt immer mehr Leistung, nennt seinen Daimler Phönix Mercedes (nach seiner Tochter) und entfacht mit seinen die Franzosen überraschenden Siegen in Nizza eine Welle der Begeisterung, >hist. Bild 20@. Die Geschäfte der Firma Benz leiden unter diesen Erfolgen der Konkurrenz. Benz scheidet 1903 als Vorstand aus. Nach einigen Umwegen kommt dann 1904 der Parsifal heraus, der die Reputation Benz wieder herstellt. Benz verschließt sich nicht länger
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der Höhermotorisierung: bis 1909 entsteht der 200 PS Blitzen-Benz, der mit 205 km/h einen Weltrekord aufstellt und diesen 1911 auf 228.1 km/h verbessert. Unter starker Mitwirkung französischer Firmen war die Entwicklung der ersten Autogeneration abgeschlossen. Die leistungsstarken Motoren hatten erneut an die Grenze der Fahrbarkeit geführt. Verkehrstüchtig im modernen Sinn waren diese Autos trotz aller Stärke nicht: Das Bremssystem war völlig unzureichend, >hist. Bild 21@. Einer ganzen Reihe von Rennleitern hat man das zu den Rennfahrern gesprochene Wort in den Mund gelegt: „Ihr sollt nicht bremsen, sondern fahren!“ Tatsächlich hat sich bald gezeigt, dass Anhalten wichtiger als Fahren sein kann. Aber noch lange wurden Fahrzeuge ohne Vorderradbremsen angeboten und vielen Radfahrern ist die Vorderradbremse bis heute suspekt geblieben. Der Ford T hatte ab 1927 zwar einen elektrischen Starter, aber bis zu seinem Auslaufen keine Vorderradbremse. Ab den 20er Jahren gab es dann Fahrzeuge mit Vorderradbremsen. Aber durch das tiefliegende Momentanzentrum vorn (Querlenker) und das hochliegende hinten (Pendelachse) kamen Fahrzeuge in Mode, die übersteuernd und bei größeren Querbeschleunigungen instabil waren. Dazu kam noch das Ideal des Heckmotors, der die erwünschte Belastung der Antriebsachse brachte. Hans Ledwinka hat mit dem Tatra 11 von 1923 und den Tatra 77 >hist. Bild 24@ beide Trends durch überzeugende Fahrzeuge hervorgebracht und verstärkt. Der Volkswagen, zahlreiche Heckmotorfahrzeuge der Nachkriegsjahre bis hin zum Chevrolet Corvair von 1961 zeigen diesen Einfluss. Daneben gab es aber auch die Entwicklung des Vorderradantriebs, der heute zum Standard geworden ist. Aus dem Wagen, einer Maschine der 1. Art (Mechanik zum Transport von Lasten), ist durch den Motor eine Maschine der 2. Art geworden (Energiewandlung). Nun tritt immer mehr mechanische Intelligenz, Datenverarbeitung, hinzu: das Auto wird zur Maschine der 3. Art: Mechanik (Abstützen der Last und Bewegung), Motor zur Überwindung der Fahrwiderstände und Nutzen von Informationen für die sichere und sparsame Fortbewegung. Merkmale, die sonst nur Lebewesen kennzeichnen: Skelett, Muskel und Nerven.
8.1.3 Richtungsstabilität Von einem Fahrzeug erwarten wir, dass es ohne Zutun des Fahrers geradeaus fährt, und dass das Lenkmoment in einem eindeutigen Verhältnis zur Querbeschleunigung steht, es auch krümmungsstabil ist. Auch Rad-Umfangskräfte aus Antrieb oder Bremsen dürfen den Zusammenhang zwischen Querbeschleunigung und Lenkung nicht zu sehr stören. Um die Bremsstabilität war es zunächst schlecht bestellt. Es scheint logisch, dass die Fahrtrichtung nicht gestört wird, wenn man das Fahrzeug hinten zurückhält. Man darf aber den Einfluss der Vorderachse nicht vergessen, der das Auto herumdreht, wenn die Seitenführung an der Hinterachse durch das Blockieren der Räder verloren geht. So hat es 30 Jahre gedauert, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass das stärkere Bremsen an der Vorderachse zur Stabilität führt. Generell gilt: wenn das Fahrzeug instabil wird: Fuß vom Gas- und Bremspedal, Auskuppeln (oder Gang herausnehmen) und Lenkung loslassen. An der Vorderachse kann dann nur eine kleine, durch die Reibung in der Lenkung bedingte Seitenkraft aufgebaut werden, und die Seitenkraft an der Hinterachse bringt die Fahrzeuglängsachse in die Bewegungsrichtung. Das ist freilich leichter gesagt als getan: wenn die Bewegungsrichtung an das Hindernis oder in den Abgrund führt, ist der Fahrer mehr an der Richtungsänderung als an der Stabilität interessiert. Er wird zu lenken versuchen. Dazu müssen die Umfangskräfte an allen Rädern so klein wie möglich sein. Die Richtungsbeeinflussung durch Blockieren der Hinterräder (mit der Handbremse) gehört eher in den Zirkus als auf die Straße.
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– Jedenfalls war das Führen eine übersteuernden Fahrzeuges eine spannende Sache. Solange die Querbeschleunigung (gemessen an der verfügbaren Seitenführungskraft) klein war, konnte man sich durch sanftes Anfassen der Lenkung helfen: man konnte den Aufbau einer zu großen Seitenkraft an der Vorderachse verhindern. Wenn aber die Querbeschleunigung zu groß geworden war, dann hat auch oft das Auskuppeln und Gegenlenken bis zum Anschlag nicht mehr geholfen: das Fahrzeug hat sich um die Hochachse gedreht und im besten Fall nach einer halben Umdrehung den stabilen Zustand, also Hinterachse vorn, erreicht. Bei vielen Unfällen, deren Ursache im Abfall der Seitenführung an der Hinterachse liegt, kann man diesen Hergang beobachten. Der Abfall der Seitenführungskraft kann z. B. der Verlust des Reifendrucks oder eine zu große Umfangskraft an der Hinterachse sein (zu großes Brems- oder Antriebsmoment des Motors, Blockieren des Antriebs, Fehlfunktion der Hinterachsbremse). Der Druckverlust an einem Hinterrad ist gefährlich, wenn die Querbeschleunigung so groß geworden ist, dass der Unterschied der Seitenkräfte vorn und hinten nicht mehr durch Gegenlenken ausgeglichen werden kann. Bei einer Reifenpanne hinten also behutsam bremsen, um diesen Bereich zu vermeiden. Die Gefährlichkeit des Motorbremsmoments hinterradgetriebener Fahrzeuge kann nur durch Auskuppeln, einen Freilauf oder ein elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) vermieden werden. Diesem Nachteil des Hinterradantriebs steht die Fahrfreude gegenüber, die das Nutzen des power slides bringen kann: der gefahrene Krümmungsradius wird nicht nur durch den Lenkwinkel sondern auch durch die Antriebskraft bestimmt. Durch geschicktes aufeinander Abstimmen von Lenkwinkel und Gaspedalstellung wird die Kurve durchfahren, wobei dem Fahrer durchaus bewusst wird, dass er sich in einem indifferenten Gleichgewicht befindet. Die Anordnung von Motor und Antriebsachse bleiben in Diskussion. Für die Frontanordnung des Motors spricht die günstigere Nutzung des Hecks für den Kofferraum und die nahe Kühleranordnung, für den Antriebsblock der einfache Gesamtaufbau, für die getrennt Anordnung von Motor und Antriebsachse das kleinere Abstützmoment des Motors in den unteren Gängen, das eine weichere, akustisch günstigere Lagerung erlaubt. Der Antrieb hinten ist für viele Unfälle verantwortlich, die dadurch entstehen, dass der Fahrer in den unteren Gängen das Gas wegnimmt. Die Umfangskraft an den Hinterrädern baut dort die Seitenkraft ab, was zur Unstabilität führen kann. (Die gleiche Gefahr besteht bei Fahrzeugen mit automatischem Getriebe, das zurückschaltet, wenn die Hinterräder heruntergebremst werden und dann im kleinen Gang eine hohe Umfangskraft liefert, die den Fahrer überrascht.)
8.2 Festigkeit, Steifigkeit, Material Den besonderen Ansprüchen an die Festigkeit und Steifigkeit ist Carl Benz von Anfang an mit einem Stahlrohr-Rahmen entgegengetreten, [hist. Bild 11]. Aus diesem Rohrrahmen wurde bald ein verdrehweicher Leiterrahmen aus U-Profilen. Dieser Rahmen ergibt mit Antrieb und Fahrwerk das Chassis, das in den nächsten 40 Jahren den Karossiers zur Ergänzung zum fertigen Auto nach den Wünschen des Kunden übergeben wurde. Bis zu den fließenden Linien von Exterieur und Interieur heutiger Autos war es ein weiter Weg, siehe Beispiel 17. Diese Vorstellung des tragenden Rahmens auf den die Karosserieteile aufgebaut wurden, hat sich für die selbst drehsteiferen Aufbauten des PKWs (nicht LKWs) bald als unbefriedigend gezeigt. Der Rahmen degenerierte zur Montageerleichterung und später zu getrennten Hilfsrahmen für Vorder- und Hinterachse.
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Beispiel 17 Interieur: Fließende Linien und Flächen (Werkbild Magna/Intier)
Der Aufbau bestand zunächst überwiegend aus Holz, in das der hoch angesehene Stand der Kastenmacher seine Kunst einbrachte. Noch in den 50er Jahren war der „Holzbetrieb“ im Daimler-Benz Werk Sindelfingen ein ausgedehnter Komplex, in dem pro Auto so viele Stunden wie im Rohbau gearbeitet wurde: das Fahrzeuginnere war mit Armaturenbrett und Fensterschlüssel aus Holz ein betont wohnlicher Raum. Der heutige Materialmix hingegen benutzt das Material Holz nur noch selten und ersetzt es durch andere hochwertige Materialien, Beispiel 18.
Beispiel 18 Interieur: Hochwertige Oberflächen betonen die Formensprache (Werkbild BMW/M+H)
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Um dem Bedürfnis des Käufers möglichst nahe zu kommen, ist schon bei der Standardausstattung heutiger Fahrzeuge eine große Bandbreite von Materialien notwendig, Beispiel 19.
Beispiel 19 Interieur: Vielseitiges Material- und Farbkonzept zur individuellen Kombination (Werkbild BMW/M+H)
8.2.1 Selbsttragende Karosserie Als man begann, den Aufbau aus Stahlblech herzustellen, zeigte sich bald, dass dieser steifer als der Rahmen war. Also hat man ihn weggelassen und die tragende Funktion dem selbsttragenden Aufbau überlassen. Weil auch dieser eine nur endliche Steifigkeit hat, traten nun die Kennfrequenzen für Biegung und Torsion hervor. Besonders letztere liegen in unangenehmer Nähe der Radkennfrequenz, weshalb die Steigerung der Drehsteifigkeit des Aufbaus zu den wichtigsten Aufgaben der Karosserieentwicklung zählt. Neben der Steifigkeit der Karosserie gibt es aber auch deren Verformbarkeit, besonders bei Auffahrunfällen, nicht aus dem Auge zu verlieren. Aber auch der Seitenversteifung kommt eine besondere Rolle zu, Beispiel 20.
Beispiel 20 Festigkeit/ Material: Seitentüren mit Verstärkungen (Werkbild BMW)
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Bild 8.2-1 Torsionssteifigkeit eines Parallelepipeds: die obere Seite ist schubweich, alle anderen sind starr, bleiben also bei einer Torsionsbeanspruchung rechteckig. Die obere Seite (der Deckel) verformt sich aber zu einem Parallelogramm (o Bild des Grundrisses): zwei gegenüberliegende Winkel werden größer, die beiden anderen kleiner. Die Torsionssteifigkeit des Körpers wird in diesem Fall allein von der Schubsteifigkeit des Deckels bestimmt. Gleiches gilt aber für den Fall, dass irgendeine andere Fläche allein schubweich ist. In Summe wird daher die Torsionssteifigkeit von der Schubsteifigkeit aller sechs Flächen bestimmt >8-4@.
Die Verdrehsteifigkeit wird von der Schubsteifigkeit der begrenzenden Wände bestimmt. Nimmt man eine offene Schachtel zur Hand, dann kann man das sehr schön sehen: eine Drehmoment führt zur Deformation der offenen Seite, Bild 8.2-1. Aus dem Rechteck wird ein Rhombus. Die rechten Winkel der anderen fünf Seiten bleiben erhalten während sich die Winkel der offenen Seite verschieben. Wie immer man die Schachtel dreht, die eine offene Seite ist für die geringe Drehsteifigkeit verantwortlich. Setzt man den Deckel drauf, dann ist die Schachtel verdrehsteif. Bei der Messung der Drehsteifigkeit kann man nicht ohne Weiteres erkennen, welche Seite in welchem Maß für die Verdrehung verantwortlich ist. Daher misst man die Schubverformung der Ausschnitte (Türen, Fenster, Schiebedach) und setzt dort gezielte Versteifungen ein, wo sie den größten Erfolg versprechen. Besonders kritisch ist die Situation bei offenen Aufbauten. Diese neigen zu besonders deutlichen Drehschwingungen erster Ordnung, bei denen sich der Vorbau nach rechts dreht, wenn sich das Heck nach links dreht und umgekehrt. Der Fahrer sieht die Querbewegung der Windschutzscheibe und merkt, wie sich das Fahrzeug schüttelt. Dagegen gibt es nur die Versteifung des Aufbaus (Drehsteifigkeit der Längsträger) und eventuell geeignete Tilger, als die man den Motorblock oder die Stoßfänger einsetzen kann.
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Die Entwicklungsaufgabe in schwingungstechnischer Hinsicht besteht darin, die vorkommenden Frequenzen so zu ordnen, dass es zu keinen unerwünschten Resonanzerscheinungen kommt. Bevor der Rahmen aufgegeben wurde, kam es noch zum Versuch ihn leicht und steif zugleich zu machen: zum Gitterrohrrahmen. Man dachte, dass er Voraussetzung für die Kunststoffkarosserie sein könnte. Aber auch diese ist inzwischen steifer als der Rohrrahmen. Kohlefasern lassen Steifigkeit und Festigkeit in Bereiche steigen, die sogar Metallen überlegen sind. Leichtmetalle (Aluminium, Magnesium, Lithium) waren wegen ihres geringen spezifischen Gewichtes schon immer anziehend für den Fahrzeugbauer. Der Anteil der Leichtmetalle nimmt wie auch der der Kunststoffe fortwährend zu, Beispiel 21.
Beispiel 21 Festigkeit/ Material: Front- und Heckscheiben, Ausstellfenster, Schiebefächer, Türen und Kofferraumdeckel sowie Schutzleisten aus KautschukDichtleisten und -Profilen (Werkbild DuPont)
8.2.2 Leichtbau Teilt man die Massen eines Autos in solche auf, die der Gesamtmasse Mges proportional sind (tragende und treibende Funktion), Mprop = p · Mges und solche die davon unabhängig sind Mtot, dann kann man den Nutzen des Leichtbaus erkennen: Mges = Mprop + Mtot = p · Mges + Mtot, oder Mges = Mtot / (1 – p). p
ist der kritische Faktor: wenn er zu nahe an 1 herankommt, dann steigt die Gesamtmasse über alle Grenzen.
Mprop Zu Mprop zählen Fahrwerk (Räder. Radführung, Bremsen, Federn), Antrieb (Motor, Getriebe, Auspuff, Tank, Batterieanteil, der sich aus der erforderlichen Starterleistung ergibt)), Tragwerk. Mtot
Zu Mtot zählen die Nutzlast, Umhüllungen (Außenhaut, Fenster) und Ausstattung (Sitze, Betätigungsorgane, Klimaanlagen, elektrische Anlage, Armaturen, Karosserieservos.
Für ein modernes Fahrzeug von Mges = 1320 kg, kann Mprop 620 kg betragen, Mtot = MgesMprop = 700 kg (davon 400 kg Nutzlast). Der Proportionalitätsfaktor p = 620/1 320 = 0.47. Mges = 700/(1-0.47) = 1 320 kg. Gelingt es, p um 10 % kleiner zu machen, also p = 0.43, dann
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verringert sich die Gesamtmasse Mges = 700 /(1 – 0.43) = 1 230 kg um 90 kg. Mprop ist aber nur Mges (0.47 – .43) = 52.7 kg kleiner geworden. Antrieb, Fahr- und Tragwerk werden kleiner, der Verbrauch sinkt und der Materialeinsatz wird kleiner. Also sind alle Anstrengungen aufzubieten. Die Grenze wird von den Kosten gesetzt. Gerade der Einsatz leichter Werkstoffe mit hoher Festigkeit setzt dem Bestreben nach einem günstigen Gestehungspreis aber häufig ein frühes Ende, Beispiel 22. Oft gibt es Stufen, die z. B. aus der Tragfähigkeit der Reifen stammen, oder aus Zulassungsgrenzen (Fahrzeugklassen). Dann dürfen die Entwickler mehr ausgeben als die paar € je kg Einsparung, die oft auch noch für Vorder- und Hinterachse getrennt im Lastenheft vermerkt wird.
Beispiel 22 Festigkeit: Räder für den Porsche 911 (Werkbild Porsche).
8.3 Geregelte Federung Die Federung muss dafür sorgen, dass das Fahrzeug den langen Wellen der Fahrbahn folgt (über Hügel und durch Täler fährt), die kurzen Wellen aber absorbiert, (vgl. Kap. 4). Genauso wichtig ist aber auch die Abfederung des Fahrergewichtes auf dem Sitz, dem gegenüber der früheren Holzbestuhlung der Kutschen besondere Bedeutung zukommt. So wird auf die Sitzentwicklung aus gutem Grund heute besonderes Augenmerk verwendet, Beispiel 23. Bei der konventionellen Federung stören in erster Linie die höherfrequenten Schwingungen in der Nähe der Eigenfrequenzen von Rädern, Motor (in seinen Lagern), Karosserie. Abhilfe schaffen Tilger und eine niedriger Kennfrequenz der Grundfederung.
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Beispiel 23 Bauteil: Für die Bestimmung von Sitzpositionen in Kraftfahrzeugen spielen Sitzreferenzpunkte eine entscheidende Rolle.
In Bild 8.3-1 und 8.3-2 ist schematisch eine konstruktive Lösung vorgestellt. Links der Aufbau mit Radmasse mR, Aufbaumasse mA und Tilgermasse mT. Der Aufbau stützt sich über die Federn c1 und c2 auf der Radmasse ab. Die lasttragende Feder c1 hat eine degressive Kennung, so dass die Summe c1 + c2 klein ist. Ein niederfrequenter Stellmotor verstellt die Federkraft c2 und führt damit die Aufbaumasse niederfrequent der Fahrbahnoberfläche nach. Er stützt aber auch die aus Längs- und Querbeschleunigung errechneten Kräfte auf die Federung und hält damit den Aufbau parallel zur Fahrbahn (oder neigt ihn nach kurveninnen). Die Ziele dieser Anordnung sind: x keine feste Reibung durch Dämpferdichtungen, x Isolierung von den höherfrequneten Schwingungen durch kleine Federzahl c1 + c2, x gesteuerte Abstützung der Roll- und Nickmomente (Kurvenleger), x geringer Energieaufwand infolge niederfrequenter Regelung, x adaptive Anpassung und Fahrbahn und Fahrerverhalten.
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Bild 8.3-1 geregelte Federung: links schematischer Aufbau der Feder-Masse-Systeme mR/cR Rad/Reifen cT/mT Tilger (c1 + c2)/mA Aufbau rechts: Grundriss mit dem Querlenker Q, der Tragfeder TF und den Tilgermassen T
Bild 8.3-2 Querschnitt der geregelten Federung. Die Tragfeder c1 ist infolge des variablen Hebelarms HA degressiv (c1 < 0), so dass sich mit der geregelten Feder c2 eine kleine Federkonstante (c1 + c2) ergibt. Die Verstellung f steuert die Federkraft c2 und übernimmt damit Dämpfung und Führung.
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Die zahlreichen Vorschläge für geregelte Federungen scheitern meist am hohen Energieaufwand, an Störkräften und -geräuschen und an der festen Reibung. Diese Probleme werden durch die niederfrequente Regelung vermieden. Der Regeleingriff erfolgt nur dann, wenn es die Umstände erfordern. Wird das Fahrzeug belastet, sinkt es zunächst ein und wird erst niederfrequent auf die Sollhöhe gebracht. Eine sprungartige Veränderung der Querbeschleunigung würde zum Rollen nach kurvenaußen führen. Bei einer allmählichen Steigerung (die Voraussetzung für komfortbetontes Fahren ist) regelt f die erforderlichen Stützkräfte so, dass kein Rollen oder ein Hineinlegen in die Kurve folgen. Besser greifen Quer- und Längsbeschleunigung in die Verstellung direkt ein um Rollen und Nicken zu verringern, zu vermeiden oder gar ins Gegenteil umzukehren (Kurvenleger).
Bild 8.3-3 Degressive Feder: in der Nähe von f = 55° ist die Federkonstante für P nahe 0.
8.4 Kettenloses Fahrrad (Kurbelantrieb) Die Erfindung Macmillans musste wegen der unphysiologischen Betätigung scheitern. Verwendet man anstelle der Pleuelstangen aber Hebel, dann lassen sich brauchbare Betätigungskurven erzeugen, Bild 8.4-1. Die Drehrichtung muss in der Hinterradnabe umgekehrt werden, was aber kein zusätzliches Problem darstellt, weil es ohnehin eines Übersetzungsgetriebes bedarf. Länge des Schwingarms SA und Knickwinkel des Hebels H können leicht verstellt werden um eine dem Fahrer oder der Fahrsituation angemessene Geometrie zu erreichen. (Um allzu lange Hebel zu vermeiden, könnte ein Zwischenhebel verwendet werden, der dann auch gleich die richtige Drehrichtung bringt.)
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Bild 8.4-1 Fahrradantrieb mit Kurbeln.
8.5 Entwicklungshilfe, Ethik und Wirtschaft Es wird immer wieder der Verdacht geäußert, dass die ethische Entwicklung der wirtschaftlichen nicht folgen könne. Alle Menschen streben bei jedem Geschäft nach ihrem eigenen Vorteil: für eine Ware oder Dienstleistung trachten sie den größtmöglichen Preis zu erzielen; und umgekehrt suchen sie, eine bestimmte Ware oder Dienstleistung für den kleinstmöglichen Preis zu erwerben. Das war wohl schon immer so, auch vor der Erfindung des Geldes als universelles Tauschmittel vor vielen tausend Jahren. Weil aber Altruismus in jedem Fall ethisch dem Egoismus vorzuziehen ist, haben es die Menschen von jeher verschämt getan. Erst Bernard de Mandville hat 1714 mit seiner Bienenfabel die Nützlichkeit des Egoismus in der Wirtschaft behauptet und Adam Smith hat mit seiner Theory of Moral Sentiments (1759) und seinem Standardwerk Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776) eine umfassende Theorie des sozialen Handelns geliefert. In der Wirtschaft, auf dem Markt, dürfen alle in ihrem eigenen Interesse egoistisch handeln. Dadurch werden die Anbieter bevorzugt, die eine Ware oder Dienstleistung mit dem besten Preis/Leistungsverhältnis anbieten. Der Markt optimiert sich selbst. Nicht im rechtsfreien Raum, sondern unter strenger Einhaltung aller Regeln. Tatsächlich unterscheiden wir im Alltag zwischen den normalen Situationen des sozialen Miteinanders und Situationen des Wettkampfes. Wir geben uns die Hand zu Beginn des Boxkampfes und zum Ende des Tennismatches. Damit grenzen wir deutlich die besondere Situation ein, in der das Handeln zum eigenen Vorteil, in der der verpönte Egoismus statt des im sozialen Zusammenleben notwendigen Altruismus erlaubt ist. Dieser auf dem Markt erlaubte Egoismus führt erst zur Funktion des Marktes: der im Rahmen der Regeln erlaubte Wettbewerb verbessert das Angebot, macht den Markt oder die Bevölke-
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rungsgruppe, in der er stattfindet, anderen überlegen. Er ermöglicht es neuen Kräften jederzeit auf den Markt zu kommen. Allerdings sind alle auf dem Markt dauernd gefordert: es kann jederzeit ein neuer Anbieter erscheinen, der das bisherige Angebot durcheinander bringt. Das ist die Härte der Marktwirtschaft. Will man sie vermeiden, dann schließt man die besseren Kräfte aus, was über kurz oder lang zum Nachteil für alle wird. Marktkonformes Verhalten auf dem Markt geht keineswegs mit unsozialem, egoistischem Verhalten im sozialen Zusammenleben einher. Im Gegenteil: das soziale Netz wird mit steigender Wirtschaftsleistung pro Kopf im Großen und Ganzen dichter (vergleiche Indien, Brasilien, USA), die Entwicklungshilfe nimmt zu, Bild 8.5-1.
Bild 8.5-1 Gegebene Entwicklungshilfe pro Kopf abhängig vom BIP pro Kopf. Nur die wirtschaftlich entwickelten Bevölkerungsgruppen können etwas geben und tun es auch. (Die Welt der Zahlen, Der Spiegel, 1999)
Steigende Wirtschaftsleistung ermöglicht die zunehmende Teilnahme am Welthandel, Bild 8.5-2a und b.
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Bild 8.5-2a Export pro Kopf und Wirtschaftsleistung pro Kopf hängen eng zusammen: nur die Teilnahme an der globalen arbeitsteiligen Wirtschaft ermöglicht Wohlstand.
Oder umgekehrt: erst die Teilnahme an der arbeitteiligen Weltwirtschaft (der Globalisierung) bewirkt die größere Wirtschaftsleistung.
Bild 8.5-2b Import pro Kopf und Wirtschaftsleistung pro Kopf hängen eng zusammen: nur die Teilnahme an der globalen arbeitsteiligen Wirtschaft ermöglicht Wohlstand.
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Bild 8.5-3 Die Abhängigkeit Idealisten/Realisten von der Wirtschaftsleistung pro Kopf streut zwar weit, aber die Tendenz ist gut erkennbar (nach Univ. of Mich., Newsweek, 24. 2. 2003).
Geschäftstüchtigkeit, Egoismus am Markt, und soziales Verhalten, Altruismus im normalen Umgang mit anderen, passen zusammen. Die Bilder 8.5-3 und -4 bestätigen das: mit steigender Wirtschaftsleistung pro Kopf nimmt die Ansicht, dass freie Rede und gleiches Recht für alle wichtig im Vergleich zum bloßen Überleben ist. Die Stellung der Frau verbessert sich: in Bild 8.5-5 ist dafür der Unterschied zwischen dem Analphabetismus von Frau und Mann herangezogen.
Bild 8.5-4 Die Meinung, dass freie Rede und gleiche Rechte wichtig seien, nimmt mit der Wirtschaftsleistung zu nach Univ. of Mich., Newsweek, 24. 2. 2003).
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Auch die PISA-Studien zeigen diesen Zusammenhang: je höher das BIP pro Kopf, umso besser ist die Benotung, 8.5-6. Wahrscheinlich wäre eine fortlaufende PISA-Untersuchung als Erfolgskontrolle für die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe geeignet.
Bild 8.5-5 Der Unterschied zwischen dem Analphabetismus von Frau und Mann fällt mit steigender Wirtschaftsleistung. Ausnahme: in China ist die Analphabetenrate der Männer größer als die der Frauen.
Bild 8.5-6 Ergebnis der PISA-Studie 2003. Die Bevölkerungsgruppen mit deutscher, englischer oder romanischer Sprache liegen nur im Mittelfeld oder darunter.
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Bestechlichkeit ist eine besondere Abscheulichkeit, weil sie ethisch unsauberes Handeln dort geschehen lässt, wo Vertrauen in die Ehrlichkeit unabdingbar ist. Bild 8.5-7 zeigt das Ergebnis der dort zitierten Untersuchung. Vielleicht ist die Unterteilung zu grob, die Messbarkeit unbefriedigend: eindeutig nimmt die Bestechlichkeit mit steigender Wirtschaftsleistung pro Kopf ab.
Bild 8.5-7 Bestechlichkeit als Funktion der Wirtschaftsleistung pro Kopf (Die Presse, 21. 10. 2004).
Friedfertigkeit ist die Bereitschaft zur Demokratie, die Bereitschaft sich dem Willen der Mehrheit unterzuordnen. Bild 8.5-8 zeigt einen interessanten Zusammenhang: solange die Menschen arm sind, ihre Wirtschaft gar nicht funktioniert, sind sie friedlich. Mit steigendem Wohlstand nimmt aber die Bereitschaft zu Unruhe und zur Gewalt zu, erreicht bei einer Wirtschaftsleistung von1 500 $ pro Kopf und Jahr ein Maximum, um dann wieder abzufallen: hat der Bürger erst sein Haus und Auto, dann ist er bereit sich zu arrangieren, nicht mehr bereit seinen Besitz aufs Spiel zu setzen. („Irgendwas muss der Mensch sein eigen nennen oder er wird sengen und brennen“ meint Friedrich Schiller.)
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Bild 8.5-8 Die Friedfertigkeit bei kleiner oder großer Wirtschaftsleistung groß, dazwischen aber liegt ein Maximum für die Bereitschaft von Unruhe und Gewalt (FAZ 1998, Nr. 246, Civil wars and riots).
8.6 Akustikbahn – minimaler Fahrwiderstand 8.7 Akustikbahn
E. A. Beach, Herausgeber des Scientific American, hat 1870 die erste (nicht mit Dampflokomotiven getriebene) U-Bahn in New York City errichtet. (London 1890, Budapest 1896, Paris 1900). Die Strecke war nicht einmal 100 m lang und hat sich nach einem Anfangserfolg als wirtschaftlich unrentabel erwiesen. Damit war das Verkehrsmittel mit dem größten Potential für energiesparenden Betrieb mit einem negativen Stigma behaftet. Der Betrieb eines Fahrzeuges in einer Röhre kann den Luftwiderstand vermeiden und die kinetische Energie verlustarm speichern. Genaue Angaben zu Beach´s U-Bahn sind nicht verfügbar. Sie könnte etwa wie in Bild 8.6-1 skizziert ausgesehen haben. Der Wagon mit 20 t Masse in einer Röhre mit dem bekannten Durchmesser von 2.73 m würde sich bei einer angenommenen Kammergröße von 10 000 m3 in 40 Sekunden von einer Station zur anderen bewegen. Der Druckunterschied beträgt 1 950 N/m2 = 0.0195 bar = 195 mm WS, wenn sich der Wagon in einer Station befindet. Dieser Druckunterschied beschleunigt ihn mit anfangs 0.58 m/s2. Die Druckenergie wird in Bewegungsenergie umgewandelt. Wenn der Wagon die halbe Strecke durchfahren hat, kehren sich die Verhältnisse um: er wird nun verzögert und baut mit seinem Schwung den Druck in der anderen Kammer auf. Sobald er zur Ruhe gekommen ist, wird er festgebremst, die Passagiere können aus- und einsteigen. Wird die Bremse gelöst, schwingt er wieder zurück zur anderen Station. Natürlich wird die Amplitude immer kleiner, wenn nicht von der Kammer mit niedrigerem Druck in die mit höherem Druck umgepumpt wird. Das ist die für die Überwindung der Reibungswiderstände erforderliche Energie.
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Außerdem geht etwas Wärmeenergie verloren, weil sich das Gas nach der Kompression aufheizt und die Wand der Kammer heizt bzw. abkühlt (+/– 2.8 °C). Aber beides sind relativ kleine Energiebeträge im Vergleich zum vermiedenen Luftwiderstand und der Bewegungsenergie, die bei der normalen U-Bahn als Bremsenergie verloren geht oder mit den entsprechenden Wirkungsgraden zurück ins Netz geliefert wird.
A.E. Beach’s Akustikbahn (1870) p0 · v^k = p1 (v + Ax)^k = p2 (v – Ax)^k N/m2 d2x/dt2 = A · p0/m (2 A · x)/V)^k Annahmen: m = 20000, A = 6, x0 = 50, V = 10000, k = 1.4, dp = 1950 N/m2, be = 0.58 m/s2
Bild 8.6-1 A. E. Beach´s Akustikbahn von 1870. In dem Rohr, das die beiden Kammern v miteinander verbindet, steckt die Masse m. Bewegt sich diese Masse um x nach rechts, dann sinkt der Druck p1 in der linken Kammer und steigt in der rechten (p2) nach der angegebenen Formel. Der Druckunterschied führt bei losgelassener Masse zu einer Schwingung. In den gedachten Stationen am Ende des Rohrs wird die Masse, die den Wagon darstellt, festgebremst. Eine nicht gezeichnete Pumpe muss Luft von p1 nach p2 pumpen um die Reibungsverluste auszugleichen. Diese Bahn kann nur zwischen 2 Stationen hin und her fahren.
Der Vorteil einer solchen pneumatischen oder akustischen U-Bahn lieg auf der Hand: kein Luftwiderstand (abgesehen von der Reibung der nachströmenden Luft) und Rückgewinnung der Bewegungsenergie. Die Problematik liegt in der Notwenigkeit, relativ große Kammervolumina vorzusehen. Diese werden umso größer, je größer der Abstand zwischen den Stationen ist. Außerdem kann sich eine U-Bahnlinie nicht auf zwei Stationen beschränken. Dieses Problem lässt sich allerdings nach Bild 8.6-2 lösen: eine Ringlinie habe die Stationen 1-12. In einigen stehen festgebremst Züge (durch Kreise symbolisiert). Zwischen den Stationen 1 und 2, 4 und 5, 8 und 9 sowie 11 und 12 herrscht Überdruck, zwischen den anderen Stationen Unterdruck. Werden nun die Bremsen in den Stationen 2, 5, 8 und 11 gelöst, so beschleunigen die zugehörigen Züge bis zum halben Stationsabstand, verzögern dann unter Druckaufbau davor bzw Druckabbau dahinter und kommen in den Stationen 3, 6, 9 und 12 zum Stehen und werden festgebremst. Werden nun die Bremsen der Züge in den Stationen 1, 4, 7, 10 gelöst, so bewegen sich diese Züge zur nächsten Station. Nun beginnt das Spiel von vorn. Während die einen Züge stehen, bewegen sich die anderen. Die Fahrzeit entspricht der Verweilzeit in der Station. Wieder kommen die Vorteile der Akustikbahn zum Tragen: kein Luftwiderstand,
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speichern der Bewegungsenergie für den nächsten Beschleunigungsvorgang. Allerdings tritt auch das alte Problem wieder auf: der Druckunterschied an den Zügen müsste z. B. 1.5 – 0.75 = 0.75 bar betragen, was zu viel zu hohen Beschleunigungen führen würde. Es müssen die notwendigen Volumina geschaffen werden, die zu den erwünschten Beschleunigungen von weniger als etwa 2 m/s2 führen.
Akustikbahn Annahmen: Fahrzeit = Standzeit = T0 = 40 s Haltestellenabstand HA = 400 m
Bild 8.6-2 Akustikbahn. In einem in sich geschlossenen Rohr stecken die Massen 1 bis 12. Zwischen den Massen 1 und 2 herrsche eine doppelt so hohe Druckdifferenz wie zwischen 2 und 4. Bleiben die Massen 1 und 4 festgebremst und wird die Masse bei 2 losgelassen, so bewegt sie sich im Gegenuhrzeigersinn bis nach 3, wo sich die Druckverhältnisse umgekehrt haben. Nun bleiben die Massen 2, 6,… festgebremst und die Massen 1, 4,… werden freigegeben und bewegen sich um eine Station weiter (HA… Haltestellenabstand).
8 Anhang
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Bild 8.6-3 Prinzip der Akustikbahn.
Speicherbetrieb, links: die Masse m bewegt sich mit der Geschwindigkeit v1 in das geschlossene Rohr und verdichtet dort die Luft, was die Geschwindigkeit verringert. Ist v1 = 0, dann hat die Masse die größte Eindringtiefe erreicht und würde wieder zurück beschleunigt, wenn sie nicht festgehalten würde. Im Diagramm sind Weg x, Geschwindigkeit v1 und die Beschleunigung b über der Zeit t für ein Verhältnis von Masse m zu Rohrquerschnitt A m/A = 1 0 000 und eine Rohrlänge von x0 = 2 680 aufgetragen. Bei einer Anfangsgeschwindigkeit von v1 = 30 m/s ist nach 20 s die Masse 390 m, also 14.6 % der Rohrlänge eingedrungen, wobei die Beschleunigung auf –2.4 m/s2 zunimmt. Die gesamte kinetische Energie m · v12/2 ist nun als Druckenergie im Rohr gespeichert. Stoßbetrieb, rechts: im offenen Rohr befindet sich im Abstand x0 vom linken Ende die Masse m2. In das Rohr dringt die gleich schwere Masse m1 mit der Geschwindigkeit v1 ein. Der entstehende Druck dp verzögert die Masse m1 und beschleunigt m2 in der im Diagramm dargestellten Weise. Nach 20 s ist v1 = 0 und v2 gleich der Anfangsgeschwindigkeit der Masse m1. m1 kommt nach 600 m zur Ruhe, dringt also 45 % des ursprünglichen Abstandes zu m2 ein. Die Beschleunigung b ist mit 2.4 m/22 gleich wie im Speicherbetrieb, auch gleich groß aber entgegengesetzt gerichtet für m1 und m2. Der grundsätzliche Zusammenhang zwischen Kompression und Verzögerung ist auf Bild 8.6-3 dargestellt. Die Masse m dringt mit der Geschwindigkeit v1 in das Rohr ein, das eine Querschnittsfläche von A und eine Länge von x0 hat. Weil es am Ende verschlossen ist, baut sich der Überdruck dp auf, der die Masse verzögert und wieder aus dem Rohr stoßen würde, wenn sie nicht festgebremst wird sobald v1 = 0. Der auf die Masse dp wirkende Druckunterschied dp ist dp = p0 (x0/(x0 · x))k –p0 etwa = k · p0 x/x0 k
Polytropenexponent
und die Kennfrequenz Z ist
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Z = SQR(k · p0 · A /(m · x0)). (Nach Linearisierung der Exponentialgleichung unter der Annahme, dass x0 >> x.)
In der rechten Bildhälfte 8.6-3 ist ein anderer Betriebsfall angenommen: im Rohr befindet sich in Abstand x0 von der Mündung noch die Masse m2, die von der mit v1 eindringenden Masse m1 beschleunigt wird. Während beim Speicherbetrieb (linkes Bild) die Beschleunigung bei der Richtungsumkehr der Masse maximal ist, klingt im Stoßbetrieb die Beschleunigung ab, sobald die Masse m1 zur Ruhe gekommen ist. Die Masse m2 hat nun die Anfangsgeschwindigkeit der Masse m1 (vorausgesetzt m1 = m2). Der Betrieb ist in beiden Fällen verlustfrei solange keine Reibungsverluste auftreten. Wie diese ersetzt werden, ist in Bild 8.6-4 dargestellt. Es ist Stoßbetrieb angenommen. Die Masse m1 dringt von links kommend in das Rohr ein (x1 = 0), verdichtet die Luft auf dp nach der angegebenen Gleichung und beschleunigt dadurch die gleichgroße Masse m2, Wegkoordinate x2. An beiden Massen wirken die Reibungswiderstände mit der angenommenen Beschleunigung 0.1 m/s2 gegen die Bewegungsrichtung. Am ursprünglichen Standort der Masse m2 pumpt ein Gebläse den Volumenstrom dV/dt in die Kammer V und leistet damit die als Reibung verloren gehende Arbeit. Die Beschleunigungsstrecke der Masse m2 ist länger als die Verzögerungsstrecke der Masse m1. Das Gebläse steuert zunächst den Einlauf der Masse m1, später die Beschleunigung von m2 und gleicht damit Unterschiede der Masse, der Wegstrecken usw. aus.
Bild 8.6-4 Akustikbahn im Stoßbetrieb.
Zur Zeit t = 0 dringt ein Zug von links (Koordinate x1) in das Rohr ein und verdichtet die Luft auf dp (7500 N/m2 entsprechen 0.075 bar). Luft wird in die Kammer V = 26 500 m3 verdrängt. Der Druck dp beschleunigt den in der Station stehenden Zug (Koordinate x2). Das bei der Station eingezeichnete Gebläse drückt 14.6 m3/s Luft gleichfalls in die Kammer V und deckt damit die Reibungsverluste, die einer Beschleunigung von –1 m/s2 entsprechen (siehe b1 und
8 Anhang
263
b2 der Züge). Nach 26 s kommt der einfahrende Zug in der Station zur Ruhe während der auslaufende Zug noch bis 38 s weiter beschleunigt wird. Durch zeitliche Anpassung der Fördermenge des Gebläses kann der Ein- und Auslauf der Züge kontrolliert werden.
Z
Z G
G
Bild 8.6-5 Akustikbahn, Speicherbetrieb. (Z … Züge, G … Gebläse)
Züge stehen festgebremst in den Bahnhöfen A, B und D. Ein Zug Fährt in t = 0 vom Bahnhof B ab. Er verdichtet nun die Luft in den Kammern p2 und p3. Nach 30 s beginnt er die Luft in p3 zu verdichten, in p1 und p2 zu expandieren. Damit beginnt seine Verzögerung (v2 ist nach 30 s maximal) und er läuft nach 60 s in Station C ein. Während er dort für den Fahrgastwechsel steht, durch laufen die in den Bahnhöfen A und D stehenden Züge den gleichen Prozess. Bild 8.6-5 zeigt eine Phase im Speicherbetrieb. In den Bahnhöfen A und C stehen 50 Sekunden lang festgebremst Züge zum Fahrgastwechsel. Sie schließen das System zwischen den Bahnhöfen A und C ab. Der Druckunterschied zwischen der Kammer mit p1 einerseits und den Kammern mit p2 andererseits beschleunigt 25 Sekunden lang den Zug vom Bahnhof A. Dann kehren sich die Verhältnisse um: der Zug wird verzögert und fährt nach 50 Sekunden in den Bahnhof B ein, wo er für 50 Sekunden festgebremst stehen bleibt, während die Züge von den Bahnhöfen C usw. sich zum nächsten Bahnhof bewegen. Nach 100 Sekunden beginnt das Spiel von vorn. Standzeit und Fahrzeit betragen je 50 Sekunden, die Durchschnittsgeschwindigkeit während der Fahrt 72 km/h, insgesamt 36 km/h. Nachteilig sind die relativ großen Kammervolumen V. Verwendet man dazu das Tunnelvolumen, so muss dessen Querschnitt mehr als dreimal so groß als der des Rohres sein. Die Beschleunigung springt von 0 auf 2 m/s2, die Verzögerung am Ende von –2 auf 0. Durch ein sanftes Lösen und Anziehen der Bremsen kann dieser Sprung mit kleinen Verlusten gemildert werden. Die Verlustarbeit wird durch Umpumpen von den Kammern niedereren Druck in die Kammern höheren Drucks ersetzt. Dabei kann die Bewegung der Massen kontrolliert werden. Zur Halbzeit befindet sich der fahrende Zug zwischen den Bahnhöfen. In allen Kammern herrscht dann der gleiche Druck (z. B. atmosphärischer). Der Zug kann sich hier eine Strecke lang frei bewegen und unterschiedliche Abstände zwischen den Bahnhöfen ausgleichen.
264
8 Anhang
In t = 0 fährt der Zug mit der Geschwindigkeit v1 in die Röhre p1 ein. Er verdichtet dort und in der Kammer p2 die Luft und beschleunigt den Zug v2. Nach 30 s kommt v1 zur Ruhe und v2 hat die zum Erreichen der nächsten Station erforderliche Geschwindigkeit erreicht. Das Gebläse G kann den Prozess steuern: zunächst beeinflusst es das Einlaufen von v1 stärker, dann die Endgeschwindigkeit von v2. Bild 8.6-6 zeigt eine Phase des Stoßbetriebes. Die Kammern sind nur mehr halb so groß, die Beschleunigung baut sich allmählich auf und ab. In allen Kammern herrscht Athmospärendruck mit Ausnahme der Kammern, bei denen gerade der Stoß stattfindet. Das Problem der dynamischen Verkettung ist der zwangsläufige, ununterbrochene Ablauf. Während im Speicherbetrieb bei Stillstand der Züge absolut zur Ruhe kommt, der Betrieb erst dann wieder einsetzt, wenn der Fahrgastwechsel abgeschlossen ist, muss bei der dynamischen Verkettung der Prozess notfalls verlustreich abgebrochen werden.
Bild 8.6-6 Akustikbahn, Stoßbetrieb.
8 Anhang
265
T8-1: Zeittafel Fahrradentwicklung Jahr
Erfinder
Erfindung
1680
Stefan Farfler
Dreirad mit Handkurbelantrieb (Ritzel in Innenzahnkranz)
1813
Karl Friedrich Drais, Freiherr von Sauerbrunn
Laufrad
1820
Denis Johnson
Laufrad (ähnlich Drais) Happy Horse
1822
Luis Gompertz
Hebel-Vorderradantrieb
1839
Kirkpatrick Macmillan
Pedale, die über Pleuel auf Kurbel an Hinterachse wirken, deutlicher Nachlaufwinkel
Phillip M. Fischer
Tretkurbeln an Vorderachse
1855
Pierre Micheaux
Tretkurbeln an Vorderachse
1868
A. Guilmet
Pedale, Hinterradantrieb
1869
Ernest Micheaux
größeres Vorderrad
1872
James Starley und William Hillman
Tretkurbeln an immer größeren Vorderrädern (1878 2.5 m Durchmesser)
1876
Shergold und Lawson
Niederrad mit Kettenantrieb
1879
H. J. Lawson
Kettenantrieb zum Hinterrad
1885
Humber
Stahlrahmen
1888
J. B. Dunlop
Luftreifen
1895
Fichtel & Sachs
beginnen Fabrikation kugelgelagerter Fahrradnaben.
1900
Fichtel & Sachs
Freilaufnabe
266
8 Anhang
T8-2: Zeittafel Fahrzeugentwicklung von Daimler und Benz Jahr Daimler
Benz
1885 „Standuhr“-Motor, Petroleum Reitwagen, 1. Ausfahrt 10.11.
Baubeginn Motorwagen
1886 Bootsantrieb, Baubeginn „Kutsche“
Patent Motorwagen, 1. Ausfahrt 03.07.
andere
1887 Motorwagen, 1. Ausfahrt 04.03., Straßenbahnantrieb 1888 Wölfert´sches Luftschiff
Siegfried Marcus
1889 Stahlradwagen: V2, 565 cm3 1.5 PS, 4 Gänge, Gabel-Ackermann-Lenkung 1890 Triebwagen f. Krupp-AG
Peugeot baut Stahlradwagen nach.
1891
Panhard & Levassor: Motor vornelängs, Antrieb hinten, Achsschenkellenkung (?), verkaufen erstes Auto (30.10.)
1892
Panhard & Levassor verkaufen 19, Armand Peugeot 29 Autos (Daimler Motore von Panhard & Levassor)
1893
Patent Achsschenkellenkung, Viktoria
Duryea 4 PS (AchsschenkelLenkung, Reibradantrieb)
1894 Riemenwagen (Lenkschemel)
Velo (Serienherstellung)
Paris-Rouen
1895
1. Rennen: Paris-Bordeaux, Luftreifen von Michelin
1898
Louis Renault (270 ccm) : Preis 3500 Franc (gegen 4900 für De Dion-Boutton)
1899
E. Mors, 4 PS, Latil (Vorderradantrieb) De Dion-Bouton Serienfahrzeuge. In F 1631, in D 844, in GB 682 Autos produziert
1900 4 Zylindermotor (Maybach): 35 PS, gesteuertes Einlassventil, Bienenwabenkühler, gleiche Räder vo/hi, nieder, langer Radstand
Oldsmobile „curved dash“, 7 PS, (Motor unter Sitz)
1901 Mercedes-Simplex schlägt die Konkurrenz.
Zwischen 1895 und 1901 liefern: Benz 2 566, Peugeot 1 635, Daimler 322, Fiat 105, Opel 65 Autos; zwischen 1900 und 1904 vom Oldsmobile Curved Dash 11 275.
8 Anhang
267
T8-3: Zeittafel Fahrzeugentwicklung und Erfinder Jahr
Erfinder
Erfindung
1818
Ackermann
Lenkung, verweist auf Lankensberger
1863
Lenoir
gasbetrieben, Lenkschemel mit Innenzahnkranz, Vorlauf!
1873
A. Bollée
L´Obeissant: Ackermann (Gabel)
1878
Mancelle
Dampfmotor vorn
1882
E. Delamare-Deboutteville
Dreirad mit Gasmotor (kein Bild erhalten)
1884
Delamare-Deboutteville
Patent für benzingetriebenes Fahrzeug, Lenkschemel, Nachbau 1984
1886:
Benz und Daimler
1888
S. Marcus
1889
Maybach
Stahlradwagen Ackermann/Gabel
1891
Panhard & Levassor
Motor vorn, Achsschenkellenkung (?)
Peugeot
Achsschenkellenkung (?)
1893
Benz Patent
Achsschenkel, Viktoria
1893
Duryea
Achsschenkel
1894
Daimler
Riemenwagen Lenkschemel
1895
Knight
Ackermann/Gabel
1900
Gräf
Vorderradantrieb
Latil
Vorderradantrieb
Braun Favorit IX
Kardanwelle
Mercedes Simplex
1. Daimler mit Achsschenkellenkung
1902
268
8 Anhang
T8-4: Zeittafel Illustrierte Fahrzeugentwicklung Jahr >I 1@
660 v. Chr.
>I 2@
1680
Stephan Farfler
baut sich ein leichtes Fahrzeug mit Handantrieb um seine Behinderung zu überwinden. Zwar ist nicht bekannt, wie er gelenkt hat, aber die Dreirad Konfiguration sollte für vom Menschen gelenkte Fahrzeuge 200 Jahre Vorbild bleiben.
>I 3@
1600
Simon Stevin
baut einen Segelwagen mit dem er am Strand in zwei Stunden 87.6 km zurücklegt. Anscheinend hatte dieses Fahrzeug entsprechend seinem Vorbild Schiff Hinterradlenkung statt Steuerruder.
>I 4@
1769
Joseph Cugnot
baut einen dreirädigen Kraftwagen mit Vorderradantrieb. Der schwere Kessel vor dem gelenkten Vorderrad (bei negativem Nachlauf?) musste unweigerlich zu Instabilität führen. Das Ende des Projekts ergab sich daher nach dem Zusammenstoß mit einer Mauer.
>I 5@
1801
Richard Trevithik
baut erfolgreiche Dampffahrzeuge. Das lenkbare Vorderrad muss wohl einen stabilen Betrieb ermöglicht haben.
>I 6@
1817
Karl Friedrich Drais fertigt für sich ein Laufrad an, das er auch bei Gevon Sauerbronn schwindigkeiten von über 15 km/h beherrschen konnte. Das Lenkrad muss er wohl krampfhaft fest gehalten haben, wobei ihm die Unterarmstütze („Balancier“) geholfen hat.
>I 7@
1839
Kirkpatrick Macmil- Fahrrad mit Pedalen, die mit Kurbeltrieb auf die lan Hinterachse wirkt.
>I 8@
1868
Ernest Michaux
mit seinem eisernen Tretkurbelfahrrad Michauline. Ohne Zweifel bedurfte es einiger Geschicklichkeit um dieses Rad oder die folgenden Hochräder zu bändigen.
>I 9@
1863– 1888
Vorläufer des Erfolgs
Jean Joseeph Etienne Lenoir hatte 1863 ebenso wenig Erfolg wie Edouard Delamare-Deboutville 1883. Der zweite Wagen Siegfried Marcus von 1888 hatte wenigstens eine nach hinten geneigte Lenkachse und damit einen stabilisierenden Nachlauf. Die selbst
In Ninive wird ein Denkmalquader auf einem Plattenweg mit einem Hebel vorwärts geschoben. Brutal angetriebene Arbeiter tragen die Platten nach vorn während andere Baumaterial auf Karren heranschaffen. Die Herrscher lassen sich mittransportieren, die Last erhöhend statt mitzuhelfen.
8 Anhang
269 hemmende Schneckenlenkung weist darauf hin, dass er trotzdem Lenkprobleme hatte.
>I 10@
1885
Gottlieb Daimlers Petroleum Reitwagen
Daimler hat seinen leichten und leistungsstarken Motor in vorhandene Fahrzeuge, Schiffe und Luftschiffe eingebaut. Die Lenkung lässt keine Rückschlüsse auf fahrdynamische Einsichten zu.
>I 11@
1886
Carl Benz Patent Motorwagen
Dieses Fahrzeug hat das Lenkproblem nach anfänglichen Schwierigkeiten gelöst, es war wirklich das erste fahrbare Kraftfahrzeug.
>I 12@
1886
Gottlieb Daimler
hat seinen Motor in eine Kutsche eingebaut. Wie mag es mit der Lenkunruhe auf schlechter Straße ausgesehen haben? Der Lenkrollhalbmesser ist gleich der halben Spurbreite.
>I 13@
1889
Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach
schaffen für ihren V-Motor den Stahlradwagen. Er hat Fahrrad-Vorderräder, deren gekrümmte Gabeln hier keinen Sinn haben. Kein Nachlauf aber eine geheimnisvolle gestrichelte Linie, die bei einem nach hinten geschobenem Vorderrad wieder keinen Nachlauf ergibt.
>I 14@
1891
Panhard & Levassor
längsliegender Motor vorn, Antrieb hinten, Achsschenkellenkung.
>I 15@
1893
Carl Benz
Patent einer Achsschenkellenkung, bei der das kurveninnere Rad stärker einschlägt als das kurvenäußere (Wiedererfindung der Ackermannlenkung und der Faustachse?). Kein erkennbarer Nachlauf.
>I 16@
1893
Benz Viktoria
(5 PS); vierrädig mit spurender Achsschenkellenkung.
>I 17@
1893
Duryea
(4 PS), ein leichtes Fahrzeug mit Achsschenkellenkung und Reibradantrieb.
>I 18@
1894
Benz-Velo
Neuer Motor (1.5 PS) Die Bremse ist noch nicht überzeugend.
>I 19@
1894
Daimler Riemenwagen
(2.5 PS), trotz des Erfolgs des Stahlradwagens ein Rückfall zum Lenkschemel.
>I 20@
1902
Mercedes-Simplex
(4 Zylinder, 40 PS); was war in den 16 Jahren seit 1886 alles geschehen! Die „Standardbauweise“ war gefunden: Motor vorn, Antrieb hinten, zwei gefederte Achsen, Achsschenkel-Lenkung, Lenkrad. (Bremse nur hinten) (MB-Museum S. 24/25)
>I 21@
1911
Horch
Alle Merkmale des ersten Entwicklungsschubs sind vorhanden: Standardantrieb mit noch getrennt gelagertem Getriebe, Kardanwelle, Starrachsen, Tank im Heck. Noch fehlen Vorderradbremsen. Dafür gibt
270
8 Anhang es Bergstützen zum leichteren Anfahren in der Steigung.
>I 22@
1928
Mercedes Benz Nürburg
8 Zylinder, 4.6 Liter Hubraum, 80 PS, Starrachsen: ein ausgereiftes Exemplar der ersten Autogeneration.
>I 23@
1923
Tatra 11 von Hans Ledwinka
Querlenker vorn (querliegende Blattfeder + Lenker), Pendelachse hinten: ein beispielgebendes Auto.
>I 24@
1931
Mercedes Benz 170
“Vollschwingachswagen”. Querblattfedern und Hebelstoßdämpfer sorgen für ein tiefliegendes Momentanzentrum vorn, Zweigelenkpendelachse für ein hoch liegendes hinten. Das damit provozierte Übersteuern im Grenzbereich galt als schick und erstrebenswert.
>I 25@
1934/3
Mercedes Benz 130 H
Querlenker vorn Pendelachse hinten, Heckmotor: das war zu viel Übersteuern.
>I 26@
1937
Tatra 87
Luftgekühlter Heckmotor, tiefliegendes Momentanzentrum vorn und hochliegendes hinten: das war das Leitbild vieler Jahre, das erst nach dem Chevrolet Corvair und Ralph Naders Buch „Unsafe at any speed“ gelöscht wurde.
Chrysler PT
das wohl am besten geglückte Retrodesign (Werbeprospekt)
>I 27@
Literatur [8.1] Harenberg, B.: Chronik der Technik, 1988, Harenberg-Communications [8.2] Mercedes Benz Museum, 1992 [8.3] Daimler Benz AG (Hrsg.): 75 Jahre Motorisierung des Verkehrs, Stuttgart, 1961 [8.4] Fiala, E.: Aufbauten von Personenwagen, in: Bussien: Automobiltechnisches Handbuch, Cram, Berlin 1965, S. 819–890 [8.5] Hucho, W.H.: Aerodynamik des Automobils, Vieweg, 2005
271
Historische Bilder
Ilustration I-1 (660 v.Chr.): In Ninive wird ein Denkmalquader auf einem Plattenweg mit einem Hebel vorwärts geschoben. Brutal angetriebene Arbeiter tragen die Platten nach vorn während andere Baumaterial auf Karren heranschaffen. Die Herrscher lassen sich mittransportieren, die Last erhöhend statt mitzuhelfen [8.1].
272
Historische Bilder
Ilustration I-2: (1680) Stephan Farfler baut sich ein leichtes Fahrzeug mit Handantrieb um seine Behinderung zu überwinden. Zwar ist nicht bekannt, wie er gelenkt hat, aber die Dreirad Konfiguration sollte für vom Menschen gelenkte Fahrzeuge 200 Jahre Vorbild bleiben [8.2].
Historische Bilder
273
Ilustration I-3 (1600): Simon Stevin baut einen Segelwagen mit dem er am Strand in 2 Stunden 87.6 km zurücklegt. Anscheinend hatten dieses Fahrzeug entsprechend seinem Vorbild Schiff Hinterradlenkung statt Steuerruder [8.1].
274
Historische Bilder
Ilustration I-4 (1769): Joseph Cugnot baut einen drei rädigen Kraftwagen mit Vorderradantrieb. Der schwere Kessel vor dem gelenkten Vorderrad bei negativem Nachlauf musste unweigerlich zu Instabilität führen. Das Ende des Projekts ergab sich daher nach dem Zusammenstoß mit einer Mauer [8.1].
Ilustration I-5 (1801): Richard Trevithik baut erfolgreiche Dampffahrzeuge. Auch hier das lenkbare Vorderrad um die Lenkmomente eines Lenkschemels zu vermeiden [8.1].
Historische Bilder
275
Ilustration I-6 (1813): Karl Friedrich Drais von Sauerbronn fertigt für sich ein Laufrad an, das er auch bei Geschwindigkeiten von über 15 km/h beherrschen konnte. Das Lenkrad muss er wohl krampfhaft fest gehalten haben, wobei ihm die Unterarmstütze („Balancierbrett“) geholfen hat [8.1].
Ilustration I-7: Denis Johnson´s „HobbyHorse“ von 1820, ein Laufrad nach Drais. – Louis Gompertz (1822): Der Handhebel zum Antrieb wird sich schlecht mit der Lenkfunktion vertragen haben. – Kirkpatrick Macmillan (1839): Antrieb des Hinterrads mit Pedalen, Nachlauf [8.1].
276
Historische Bilder
Ilustration I-8 (1868): Ernest Michaux mit seinem eisernen Tretkurbelfahrrad „Michauline“. Ohne Zweifel bedurfte es einiger Geschicklichkeit um dieses Rad oder die folgenden Hochräder zu bändigen [8.1].
Historische Bilder
277
Ilustration I-9 (1863-1888): Vorläufer des Erfolgs: Jean Joseeph Etienne Lenoir hatte 1863 ebenso wenig Erfolg wie Edouard Delamare-Deboutville 1883. Der zweite Wagen Siegfried Marcus´von 1888 hatte wenigstens eine nach hinten geneigte Lenkachse und damit einen stabilisierenden Nachlauf. Die selbst hemmende Schneckenlenkung weist darauf hin, dass er trotzdem Lenkprobleme hatte [8.3].
278
Historische Bilder
Ilustration I-10 (1885): Gottlieb Daimlers Petroleum Reitwagen. Daimler hat seinen leichten und leistungsstarken Motor in vorhandene Fahrzeuge, Schiffe und Luftschiffe eingebaut. Die Lenkung lässt keine Rückschlüsse auf fahrdynamische Einsichten zu [8.3].
Historische Bilder
279
Ilustration I-11 (1886): Carl Benz Patent Motorwagen. Dieses Fahrzeug hat das Lenkproblem nach anfänglichen Schwierigkeiten gelöst, es war wirklich das erste fahrbare Kraftfahrzeug. (Lotrecht stehende Kurbelwelle, Kettenantrieb. 984 ccm, 0.9 PS bei 400 UpM) [8.3]
Ilustration I-12 (1886): Gottlieb Daimler hat seinen Motor in eine Kutsche eingebaut. Wie mag es mit der Lenkunruhe auf schlechter Straße ausgesehen haben? Der Lenkrollhalbmesser ist gleich der halben Spurbreite [8.3].
280
Historische Bilder
Ilustration I-13 (1889): Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach schaffen für ihren V-Motor den Stahlradwagen. Er hat Fahrrad-Vorderräder, mit beidseitig gefassten Radachsen und gekrümmte Gabeln. Kein Nachlauf aber eine geheimnisvolle gestrichelte Linie, die bei einem nach hinten geschobenem Vorderrad wieder keinen Nachlauf ergibt. – Gut sichtbar sind Kupplung und 4-Gang-Getriebe mit Schieberäder [8.2].
Historische Bilder
281
Ilustration I-14: Carl Benz Patent von 1893: die an sich seit 1818 bekannte Ackermann Achsschenkellenkung war nur mit in Gabeln gefassten Rädern verwirklicht worden. Benz erfindet hier die Faustachse (rechts unten) und damit die Standardlösung seit damals. Kein erkennbarer Nachlauf [8.3].
282
Historische Bilder
Ilustration I-15 (1893): Benz Viktoria (2915 ccm, 5 PS): Ackermannlenkung mit Faustachse, Lenkrad noch mit Kurbelgriff [8.2].
Ilustration I-16 (1894): Benz-Velo (1045 ccm, 1.5 PS, später mehr): das erste Serienauto. Die Bremse ist auch noch nicht überzeugend [8.3].
Historische Bilder
283
Ilustration I-17 (1894): Daimler Riemenwagen (762 ccm, 2.5 PS): die Lenkschemellenkung ist ein Rückschritt gegen Stahlradwagen und gegen Velo [8.2].
284
Historische Bilder
Ilustration I-18 (1894): Panhard & Levassor- (oben) und Peugeot-Wagen mit Daimler Motoren, Zuverlässigkeitsfahrt Paris-Rouen. Der französische Beitrag zur Entwicklung: fortschrittliche Benz Faustachslenkung und Daimler Motor [8.3].
Historische Bilder
285
Ilustration I-19 (1896-1900): Benz Dos-a-Dos (1728 ccm, 5 PS): Erfolgreiche Weiterentwicklung des Velo [8.3].
Ilustration I-20 (1902): Mercedes-Simplex-Phaeton (5319 ccm, 40 PS): die deutsche Antwort auf die französischen Entwicklungen, die die Führung übernommen hatten [8.2].
286
Historische Bilder
Ilustration I-21 Horch 1911: Alle Merkmale des ersten Entwicklungsschubs sind vorhanden: Standardantrieb mit noch getrennt gelagertem Getriebe, Kardanwelle, Starrachsen, Tank im Heck. Noch fehlen Vorderradbremsen. Dafür gibt es Bergstützen zum leichteren Anfahren in der Steigung.
Historische Bilder
287
Ilustration I-22 (1925): Der junge Bela Baréniy hält seine Ideen zur Triebwerksanordnung fest: entweder Heckmotor hinter der Hinterachse mit Hinterradantrieb oder Frontmotor vor der Vorderachse mit Vorderradantrieb, Zentralrohrrahmen, Querblattfedern, Zahnstangenlenkung hinter der Vorderachse [8.3].
288
Historische Bilder
Ilustration I-23 (1935): Mercedes-Benz 170 H: „Vollschwingachswagen“. Querblattfedern und Hebelstoßdämpfer sorgen für ein tief liegendes Momentanzentrum vorn, Zweigelenkpendelachse für ein hoch liegendes hinten. Das damit provozierte Übersteuern im Grenzbereich galt als schick und erstrebenswert, aber der Heckmotor tat wohl des Guten zu viel [8.3].
Ilustration I-24 (1937-1949): Tatra 87. Luftgekühlter Heckmotor (3000 ccm, 75 PS, Vmax 160 km/h) und Vollschwingachsen: das war offensichtlich das Leitbild dieser Jahre, das erst nach dem Chevrolet „Corvair“ und Ralph Naders Buch „Unsafe at any speed“ gelöscht wurde [8.5].
289
Sachwort- und Namenverzeichnis A ABS 22 Absatzvolumen 212, 214 Achsschenkellenkung 138 Aktivlenkung 22 Akustikbahn 258 f. Allradlenkung 134, 136 Analphabetismus 256 Antriebsmotor 53 APU 30, 62, 79 Armaturenbrett 244 ASR 22 Assistenzsysteme 29, 32, 34, 37 Aufbaubeschleunigung 147, 151 ff. Auftrieb 221 Ausgleichsfederung 160 Autodesign 223 B Bauform 228 Beach 258 Benz 240 Beschleunigen, intermittierend 62 Bestechlichkeit 257 Bevölkerungszunahme 6 Biomechanik 166 Bollée 241 Bremseingriff 35 f. Bremsverzögerung 43 f. Bruttoinlandsprodukt 180 BTL 192 C CO2-Pegel 4 CONVOY 26 f. CPU 12 crash-aktive Kopfstütze 162 Cugnot 240 CVT-Getriebe 65 cw-Wert 220 ff. D Daimler 240 Dämpferkraft 158 Dämpfung 153 Dämpfungsmaß 153 DC-Wandler 74 Deformationsarbeit 163 Deformationsenergie 173
Deformationskraft 174 Delamare-Debouttville 241 Design 219 DLC 73 Drais 239 E EDS 22 Einachsfahrzeug 234 Einspurmodell 100 Einwellenhybrid 68 Einzelradaufhängung 104 Emissionsgrenzwert 197 Energiebedarf, globaler 188 Energiebilanz 75 Energieinhalt, spezifischer 54 Energieproduktion 193 ESP 22, 243 F Fahrer-Assistenzsysteme 30, 33 Fahrgeräusch 227 Fahrhilfe 22 Fahrkomfort 155 Fahrmaut 206 Fahrradentwicklung 265 Fahrsimulator 19 f. Fahrspurkapazität 45 Fahrwiderstand 47, 52 Fahrzeugentwicklung 266 Fahrzeugführung 239 – automatisch 24 f., 37 – längs 39 – quer 97 – vertikal 145 Fahrzyklus 80 Farffler 240 Federung 147, 248 –, geregelte 250 –, ideale 148 Federungskomfort 149 Federungsmodell 150 Flächenbedarf 200 Frischluftkomfort 225 Frontblock 231 G Geräusch 227 Geräuschprüfung 237
290 Geruch 226 Getriebeabstufung 51 Gewässerqualität 199 Gitterrohrrahmen 247 GPS 204 GRA 22 f. GSM 204 Gurney 240 Güter-Tonnenkilometer 3 H Handling 114 Haptik 226 Heckblock 232 Heckmotor 231 Hinterradlenkung 134 f. Höchstgeschwindigkeit 51 Human Operator 9 ff. Hybrid-Antrieb 65, 69, 74 I Ideale Federung 148 IFDR 34 Informationsfluss 11 Interieur-Design 225 Intermittierendes Beschleunigen 62 INVENT 32 J Jellinek 241 K Kältemittel 236 Karosserie, selbsttragende 245 Kohlendioxidpegel 5 Kohlendioxid-R744 236 Kopfstütze, crash-aktive 162 Kraftstoffkosten 189 Kraftstoffverbrauch 48 Krupp 240 Kundenwert 212 ff., 225 L Lastenheft 216 Ledwinka 242 Leichtbau 247 Leistung, spezifische 72 Leistungsbedarf 49, 58 Leistungsgewicht 218 Leistungskennfeld 56, 59 Lenkachse 122 Lenkbewegung 16 Lenken 98
Sachwort- und Namenverzeichnis Lenkimpuls 114 Lenkkraftunterstützung 137 Lenkmoment 17, 22, 126 f. Lenkreaktion 17 Lenkrollhalbmesser 121 f. Lenkschemel 2 Lenkwinkel 114, 124 f. Luftwiderstand 48, 222 M Macmillan 239, 251 Maybach 241 Mehrachsigkeit 159 Mehrmassemodell 157 Mehrspurigkeit 159 Mehrverbrauch 60, 80 Micheaux 239 Minutenmaut 46, 202 f. Mittelmotor 231 Motorkennlinie 60 Motorleistung 91 Motorwirkungsgrad 93 N Nachlauf n 121, 123 Nachlaufwinkel 119, 121 Navigation 31 Navigationssystem 30 f. NO2-Pegel 195 O One-box-design 234 P Panhard & Levassor 241 Panhardstab 108 Parkmaut 205 Partikelemission 198 Photovoltaik 194 PKW-Bestand 177, 179 PKW-Produktion 178 Plug-in-Technologie 76 Produktplanung 210 PROMETHEUS 32 Q Qualität 227 Querbeschleunigung 22, 123 ff., 128 R Radio 30 Radmasse 121 RAM 12
Sachwortverzeichnis Regelkreis 21 Regler 10, 24 Reichweiten fossiler Energie 187 Reifenmodell 117 Retro 234 Richtungsstabilität 123 Rückhalteeinrichtung 163 S Sanfte Technik 235 Sauerstoffpegel 5 Sauerstoffproduktion 4 Scheibenrad 239 Schleppmoment 56 Schräglaufmoment 118 Schräglaufwinkel 101 f., 142 Schwerpunktlage 116 Schwimmwinkel 111 f., 115 Schwungnutzautomatik 63 f. Seitenkraft 101 f., 105 f., 121 Seitenkraftbeiwert 107, 109 f., 116 Seitenwindempfindlichkeit 219 SEM 65 Serienhybrid 94 Servolenkung 22, 131 Sicherheit 219 Sicherheitsgurt 167 Simms 241 Sinneseindruck 226 Speichenrad 1, 239 Spezifische Leistung 72 Spreizwinkel 121 Spurabweichung 17, 132, 141 Spurkapazität 47 Spurkorrektur 143 Standardbauform 229 Steer-by-Wire 119 Stevin 240 Störkraft 17 Straßendampffahrzeug 1 Straßenverkehrssicherheit 169 Straßenverlauf 140 Sturzwinkel 121
291 Supercap 73 SUV 217 T Telematik 29 Technik, sanfte 235 Torsionssteifigkeit 246 TRAIN 26 ff. Transportleistung 173, 180 Trevithik 240 U Überschussleistung 93 f. Übersteuern 219 Übersteuerungstendenz 232 Unfallopfer 170 Unfallstatistik 161 US-Abgasvorschriften 198 USP 209 V Verbrauch 52, 55, 61 f. Verdrehsteifigkeit 246 Verkehrstelematik 31 Verkehrstote 171 Verzweigungs-Hybrid 81, 84, 86 ff., 96 Vollhybrid 67, 76, 78 von Liebieg 241 Vorausschaustrecke 99 Vorderradantrieb 231 W Waldsterben 195 Werkstoff-Mix 226 Wirkungsgrad 57 f., 70 f. Wirtschaftsleistung 182 f. Z Zentrallenker-Hinterachse 105 ZNS 12 Zugkraft 52 Zugkraftüberschuss 50 f. Zweiradfahrer-Schutz 165