Florian Sahling Mehrstufige Losgrößenplanung bei Kapazitätsrestriktionen
GABLER RESEARCH Produktion und Logistik Herau...
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Florian Sahling Mehrstufige Losgrößenplanung bei Kapazitätsrestriktionen
GABLER RESEARCH Produktion und Logistik Herausgegeben von Professor Dr. Wolfgang Domschke, Technische Universität Darmstadt, Professor Dr. Andreas Drexl, Universität Kiel, Professor Dr. Bernhard Fleischmann, Universität Augsburg, Professor Dr. Hans-Otto Günther, Technische Universität Berlin, Professor Dr. Stefan Helber, Universität Hannover, Professor Dr. Karl Inderfurth, Universität Magdeburg, Professor Dr. Thomas Spengler, Universität Braunschweig, Professor Dr. Hartmut Stadtler, Technische Universität Darmstadt, Professor Dr. Horst Tempelmeier, Universität zu Köln, Professor Dr. Gerhard Wäscher, Universität Magdeburg Kontakt: Professor Dr. Hans-Otto Günther, Technische Universität Berlin, H 95, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin
Diese Reihe dient der Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse auf den Gebieten der Produktion und Logistik. Aufgenommen werden vor allem herausragende quantitativ orientierte Dissertationen und Habilitationsschriften. Die Publikationen vermitteln innovative Beiträge zur Lösung praktischer Anwendungsprobleme der Produktion und Logistik unter Einsatz quantitativer Methoden und moderner Informationstechnologie.
Florian Sahling
Mehrstufige Losgrößenplanung bei Kapazitätsrestriktionen
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Hannover, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Jutta Hinrichsen Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2073-7
Geleitwort Seit fast 100 Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Analyse von Problemen der Losgrößenplanung, die in einer großen Vielfalt in der industriellen Sachgüterproduktion auftreten. Zu diesem Problembereich wurde daher bereits eine unüberschaubare Zahl von wissenschaftlichen Publikationen vorgelegt. Ein Ende dieser Wissensproduktion ist nicht erkennbar. Losgrößenprobleme sind ganz offensichtlich nicht nur praktisch bedeutsam, sondern auch intellektuell äußerst reizvoll. Aus Sicht der praktischen Anwendung sind vor allem solche Modelle und Verfahren der Losgrößenplanung bedeutsam, die dynamische Bedarfsverläufe, mehrstufige Produktionsprozesse und begrenzte Produktionskapazitäten abbilden können. In der Vergangenheit wurden für derartige Problemstellungen eine Vielzahl hochgradig spezifischer (und damit oft unflexibler und intransparenter) Lösungsverfahren entwickelt. Gegenwärtig zeigt sich dagegen eine starke Tendenz zur Entwicklung von Verfahren auf Basis der mathematischen Programmierung. Dieser Ansatz verknüpft eine hohe Flexibilität der Modellierung mit einer häufig sehr guten Lösungsgüte. In diesem Kontext ist die von Herrn Dr. Sahling vorgelegte Dissertationsschrift einzuordnen. Er entwickelt, untersucht und bewertet eine innovative Methode zur Losgrößenplanung auf Basis der mathematischen Programmierung, die aus mehreren Gründen praktisch und wissenschaftlich bedeutsam erscheint. Zum einen gelingt es ihm, für eine große Zahl untersuchter Testinstanzen bei vergleichsweise kurzen Rechenzeiten Lösungen von sehr hoher Qualität zu ermitteln. Zum zweiten ist der dazu verwendete neue Ansatz sehr gut auf andere dynamische Probleme der Losgrößenplanung übertragbar. Letztlich lässt sich sein Ansatz konzeptionell sehr gut für die weitere Entwicklung so genannter AdvancedPlanning-Systeme heranziehen. Durch seine Forschung zur Losgrößenplanung hat Dr. Sahling einen bedeutsamen wissenschaftlichen Beitrag geleistet, der auf dem Weg über Aufsatzpublikationen in kurzer Zeit schon eine hohe Aufmerksamkeit in der internationalen wissenschaftlichen Diskussion gefunden hat. Die von ihm präsentierte Vorgehensweise ist dabei so klar und transparent, dass sie auch bereits an mehreren Universitäten in die universitäre Lehre eingegangen ist. All dies unterstreicht die außerordentlich hohe Qualität der hier von Herrn Dr. Sahling vorgelegten Monographie, der ich ebenfalls eine sehr gute Aufnahme wünsche. Prof. Dr. Stefan Helber
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Produktionswirtschaft an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Zurückblickend auf die vergangenen fünf Jahre haben mich bei der Erstellung dieser Arbeit zahlreiche Personen unterstützt und damit diese Arbeit erst ermöglicht. An dieser Stelle möchte ich daher die Gelegenheit nutzen, all denjenigen für die erhaltene Unterstützung in dieser Zeit zu danken. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Stefan Helber für die persönliche Betreuung und Förderung meiner Forschungsarbeit. Seine stets vorhandene Gesprächsbereitschaft und Unterstützung haben in dieser Zeit immer wieder zu zahlreichen wertvollen Anregungen geführt und damit dieser Arbeit die entscheidende Richtung vorgegeben. Ebenfalls recht herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Michael H. Breitner für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens sowie bei Prof. Dr. Daniel Rösch für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes. Darüber hinaus möchte ich mich bei allen jetzigen und ehemaligen Kollegen in Hannover für die äußerst angenehme und freundschaftliche Arbeitsatmosphäre am Institut bedanken. Hier gilt mein Dank zunächst Frau Prof. Dr. Katja Schimmelpfeng und Herrn Prof. Dr. Raik Stolletz, die während aber auch nach ihrer Zeit in Hannover immer ein offenes Ohr für mich und meine Losgrößenprobleme hatten. Ein sehr großes Dankeschön geht an meine beiden „Vorzimmerdamen“ Carolin Kellenbrink und Anja Wolter für ihre zahlreichen konstruktiven Verbesserungsvorschläge sowie das unermütliche Korrekturlesen etlicher Versionen meiner Dissertation. Ebenso bedanken möchte ich mich bei Silvia Bertuzies, Michael Grundt und Beier Meng, die in der finalen Version noch die letzten Fehler gefunden haben. Meinen beiden ehemaligen Diplomandinnen Julia Baltzer und Natalia Prischepov möchte ich dafür danken, dass sie mich zum einen im Rahmen ihrer Diplomarbeiten tatkräftig bei der Durchführung von numerischen Untersuchungen unterstützt haben und sie zum anderen einen Großteil meiner Arbeit korrekturgelesen haben. Des weiteren geht mein Dank an Frau Dr. Lisbeth Buschkühl. Bei ihr möchte ich mich besonders für die freundschaftliche Zusammenarbeit bei unseren gemeinsamen Artikeln sowie für die zahlreichen und immer wieder aufmunternden Gespräche und Diskussionen am Telefon bzw. in Köln oder Hannover bedanken. Ein weiterer Dank geht an die Herren Prof. Dr. Horst Tempelmeier, Prof. Dr. Hartmut
VIII
Stadtler und Dr. Christopher Sürie, die mir jeweils eine Implementierung ihrer Lösungsansätze zur Verfügung gestellt haben und mir somit die vergleichenden numerischen Untersuchungen in Kapitel 5 ermöglicht haben. Zu guter Letzt möchte ich mich bei meiner Familie bedanken. Zum einen gilt mein Dank meinen Eltern für die erhaltene Unterstützung während meines Studiums, womit sie mir die Möglichkeit der Promotion ermöglicht haben. Zum anderen geht mein größter Dank an Kirsten für das mir entgegengebrachte Verständnis und die Unterstützung während der Entstehungsphase dieser Arbeit. Nicht nur aufgrund der anfänglichen räumlichen Trennung musste sie in dieser Zeit auf viele gemeinsame Stunden mit mir verzichten. Als kleine Wiedergutmachung möchte ich ihr diese Arbeit widmen. Florian Sahling
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis
XIII
Algorithmenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Symbolverzeichnis 1
Einleitung
2
Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung 2.1 Einordnung der Losgrößenplanung in die kapazitätsorientierte Produktionsplanung und -steuerung . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Bedeutung der Losgrößenplanung in Advanced-Planning-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Klassifizierung von Modellen für die Losgrößenplanung . . . . 2.4 Übersicht über Modellformulierungen für dynamische mehrstufige Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen . . . . . . .
3
Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen 3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ausgangspunkt: Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen (MLCLSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Standardmodellformulierung auf Basis von Produktionsund Lagermengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Erweiterung um die Möglichkeit der Rüstübertragung (MLCLSP-L) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Modellformulierung mit einfacher Rüstübertragung . . .
XVII XXI XXV 1
3 3 6 10 14
19 19 19 19 23 26 26
X
Inhaltsverzeichnis
3.4 3.5
4
5
3.3.2 Modellformulierung mit mehrfacher Rüstübertragung . . 3.3.3 Unterschiede zum MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen und reihenfolgeabhängigen Rüstkosten (MLCLSD) . . . . . . . Komplexität mehrstufiger Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen 4.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Klassifizierungsschema für die Lösungsansätze . . . . . . . . . 4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Mathematische Programmierungsansätze . . . . . . . . 4.3.2 Lagrange-Heuristiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Dekompositions- und Aggregationsansätze . . . . . . . 4.3.4 Metaheuristische Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Problemspezifische Greedy-Heuristiken . . . . . . . . . 4.4 Kritische Würdigung der vorgestellten Lösungsansätze und Definition der Forschungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des mehrstufigen Losgrößenproblems mit Kapazitätsrestriktionen 5.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Lösungsidee der Fix&Optimize-Heuristik: Dekomposition in Unterprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Modellformulierung für das Unterproblem . . . . . . . . . . . . 5.4 Ablauf der iterativen Fix&Optimize-Heuristik . . . . . . . . . . 5.4.1 Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung . . . . opt 5.4.2 Bestimmung der Untermenge KT γ zu optimierender Binärvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Varianten der F&O-Heuristik durch Kombination der Dekompositionsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Numerische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Vorüberlegungen zur Evaluation der Fix&OptimizeHeuristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Numerische Ergebnisse für Testinstanzen ohne Vorlaufverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 32 36 40
43 43 43 49 49 57 59 60 65 66
69 69 69 71 72 72 75 83 85 85 89
Inhaltsverzeichnis
5.5.3
5.6 6
7
Evaluation der Ergebnisse für Testinstanzen mit einer Vorlaufverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L 6.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Modellformulierung für das Unterproblem . . . . . . . . . . . . 6.3 Anpassung der Fix&Optimize-Heuristik für das MLCLSP-L . . 6.3.1 Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung . . . . opt 6.3.2 Bestimmung der Untermengen KT opt γ und KT ω zu optimierender Binärvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Numerische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Beschreibung der verwendeten Testinstanzen . . . . . . 6.4.2 Ergebnisse mit Vorlaufverschiebung und einfacher Rüstübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Ergebnisse mit Vorlaufverschiebung und mehrfacher Rüstübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Abschließende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik auf ein Losgrößenproblem mit reihenfolgeabhängigen Rüstvorgängen aus der Lebensmittelindustrie 7.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Beschreibung des vorliegenden Praxisfalls . . . . . . . . . . . . 7.3 Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen und reihenfolgeabhängigen Rüstvorgängen auf parallelen Maschinen an mehreren Standorten (MLCLSD-PM-ML) . . . . . . . . 7.3.1 Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Modellformulierung für das MLCLSD-PM-ML . . . . . 7.4 Anpassung der Fix&Optimize-Heuristik für das MLCLSD-PMML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Modellformulierung für das Unterproblem . . . . . . . 7.4.2 Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung . . . . opt opt 7.4.3 Bestimmung der Untermengen IKT Mδ und KT Mω zu optimierender Binärvariablen . . . . . . . . . . . . . 7.5 Numerische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1 Beschreibung der verwendeten Testinstanzen . . . . . . 7.5.2 Numerische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102 105
107 107 107 109 109 111 119 119 122 125 127
129 129 129
131 131 133 138 138 140 144 153 153 159
XII
Inhaltsverzeichnis
7.6 8
Abschließende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . .
Betriebswirtschaftliche Bewertung und Ausblick
163 165
Literaturverzeichnis
169
Anhang
185
A Ausführliche Modellformulierung für ein Unterproblem des MLCLSP bei der Fix&Optimize-Heuristik
187
B Ergänzende numerische Ergebnisse der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP 189 B.1 Ergebnisse der ressourcenorientierten Dekomposition . . . . . . 189 B.2 Ergebnisse weiterer Varianten der F&O-Heuristik für das MLCLSP 191 C Ablauf der Fix&Optimize-Heuristik für Modellerweiterungen des MLCLSP
199
D Parameter der Testinstanzen für das MLCLSD-PM-ML
203
Abbildungsverzeichnis 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4.1 4.2 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6
Aufbau eines kapazitätsorientierten PPS-Systems . . . . . . . . . . . Planungsmatrix von Advanced-Planning-Systemen . . . . . . . . . . Klassifizierung von Losgrößenmodellen . . . . . . . . . . . . . . . Grundformen der Erzeugnisstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über Modellformulierungen für dynamische mehrstufige Losgrößenmodelle mit Kapazitätsrestriktionen . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen einer Vorlaufverschiebung und der Disaggregationsfähigkeit in einen zulässigen Maschinenbelegungsplan . . Maschinenbelegungsplan für das Beispiel auf der Basis der Modellannahmen für das MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maschinenbelegungsplan für das Beispiel auf der Basis der Modellannahmen für das MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung . . . . . Maschinenbelegungsplan für das Beispiel auf der Basis der Modellannahmen für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung . . . . Beispiel zur Erläuterung der Subtour-Eliminationsbedingungen beim MLCLSD mit drei Produkten und zwei Perioden . . . . . . . . . . . Klassifizierung von Lösungsansätzen für dynamische Losgrößenprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung des dynamischen Losgrößenproblems als Standortproblem Erzeugnisstruktur für ein Beispiel mit vier Produkten und zwei Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel zum Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel zum Ablauf der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel zum Ablauf der prozessorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlauf der mittleren Lösungsgüte bei der produktorientierten Dekomposition am Beispiel der Problemklassen A+ und B+ . . . . . . . . Anteil der Testinstanzen mit einer Lösung mit Überstunden in Abhängigkeit von der Anzahl der gelösten Unterprobleme am Beispiel der Problemklasse D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 7 11 12 15 22 33 34 35 39 45 52 76 78 80 82 91
92
XIV
Abbildungsverzeichnis
5.7 Verlauf der mittleren Lösungsgüte bei der Variante 1 am Beispiel der Problemklassen A+ und B+ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Verlauf der mittleren Lösungsgüte bei der Variante 4 am Beispiel der Problemklassen A+ und B+ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Beispiel zum Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Beispiel zur Anpassung der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Beispiel zum Ablauf der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Beispiel zum Ablauf der prozessorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Schematischer Produktionsablauf für das Praxisbeispiel . . . . . . . 7.2 Produktionsbereich mit mehreren Standorten und parallelen Maschinen 7.3 Formal zulässige Startlösung für das MLCLSD-PM-ML für ein Beispiel mit vier Produkten und drei Perioden . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Beispiel I für den Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Beispiel II für den Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Beispiel III für den Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Beispiel für das Aufheben zunächst eingeplanter Rüstvorgänge bei der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8 Beispiel für die Auswahl zusätzlicher zu optimierender Rüstvariablen auf Basis eines Rüstzyklus bei der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9 Beispiel I für den Ablauf der prozessorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.10 Beispiel II für den Ablauf der prozessorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.11 Erzeugnisstruktur der Problemklasse 1 für das MLCLSD-PM-ML . . 7.12 Erzeugnisstruktur der Problemklasse 2 für das MLCLSD-PM-ML . . 7.13 Primärbedarfsverlauf für Produkt G2 der Problemklasse 1 für das MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96 97 112 116 117 120 130 131 143 145 146 148
149
150 151 152 154 155 157
Algorithmenverzeichnis 5.1 Initialisierungsphase zur Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung für die F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSP . . . . . . . . 5.2 Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Ablauf der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Ablauf der prozessorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Ablauf der F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSP . . . . . . . . 6.1 Initialisierungsphase zur Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung für die F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . 6.2 Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Ablauf der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Ablauf der prozessorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Initialisierungsphase zur Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung für die F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . . C.1 Ablauf der F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L . . . . . . . C.2 Ablauf der F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSD-PM-ML . . .
74 77 79 81 84 110 113 115 118 143 200 201
Tabellenverzeichnis 3.1 Verwendete Notation für das MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Zusätzliche Entscheidungsvariable für das MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zusätzliche Entscheidungsvariable für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Gegebene Parameterwerte für ein Beispiel mit drei Produkten und vier Perioden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Ergänzende Notation für das MLCLSD . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Übersicht der MP-basierten Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . 4.2 Übersicht der Lagrange-Heuristiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Übersicht der Dekompositions- und Aggregationsansätze . . . . . . 4.4 Übersicht der metaheuristischen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Übersicht der problemspezifischen Greedy-Heuristiken . . . . . . . 4.6 Zusätzliche Entscheidungsvariable für das MLCLSP-SPL . . . . . . 5.1 Ergänzende Notation für das MLCLSP-SUB . . . . . . . . . . . . . 5.2 Untersuchte Problemklassen nach Stadtler und Sürie (2000) für das MLCLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Anzahl der untersuchten Testinstanzen mit einer bekannten zulässigen Lösung ohne Überstunden für das MLCLSP . . . . . . . . . . . . . 5.4 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei einfachem Durchlauf der Dekompositionsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei mehrfachem Durchlauf der Dekompositionsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei einfachem Durchlauf für die untersuchten Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei mehrfachem Durchlauf für die untersuchten Varianten . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Ergebnisse für das MLCLSP bei den Problemklassen A+ und B+ ohne Vorlaufverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Ergebnisse für das MLCLSP bei den Problemklassen C und D ohne Vorlaufverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Ergebnisse für das MLCLSP bei der Problemklasse E ohne Vorlaufverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 29 31 33 37 46 47 47 48 49 52 72 85 86 89 90 94 95 98 99 101
XVIII
Tabellenverzeichnis
5.11 Ergebnisse für das MLCLSP bei den Problemklassen A+ und B+ mit Vorlaufverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12 Ergebnisse für das MLCLSP bei den Problemklassen C und D mit Vorlaufverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13 Ergebnisse für das MLCLSP bei der Problemklasse E mit Vorlaufverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Ergänzende Notation für das MLCLSP-L-SUB . . . . . . . . . . . . 6.2 Anzahl der untersuchten Testinstanzen mit einer bekannten zulässigen Lösung ohne Überstunden für das MLCLSP-L . . . . . . . . . . . . 6.3 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung bei einfachem Durchlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung bei mehrfachem Durchlauf . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung bei einfachem Durchlauf . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung bei mehrfachem Durchlauf . . . . . . . . . . . . . 7.1 Verwendete Indizes und Parameter für das MLCLSD-PM-ML . . . . 7.2 Verwendete Entscheidungsvariablen für das MLCLSD-PM-ML . . . 7.3 Ergänzende Notation für das MLCLSD-PM-ML-SUB . . . . . . . . 7.4 Ergänzende Notation für das TSPm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Übersicht der untersuchten Problemklassen für das MLCLSD-PM-ML 7.6 Maschinenzuordnung der Problemklasse 1 für das MLCLSD-PM-ML 7.7 Maschinenzuordnung der Problemklasse 2 für das MLCLSD-PM-ML 7.8 Auslastungsprofile für die Maschinen der Problemklassen für das MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSD-PM-ML bei den Problemklassen 1 und 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1 Ergänzende Notation für das MLCLSP-SUB . . . . . . . . . . . . . B.1 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei einfachem Durchlauf der ressourcenorientierten Dekomposition . . . . . . . . . . . . B.2 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei mehrfachem Durchlauf der ressourcenorientierten Dekomposition . . . . . . . . . B.3 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei einfachem Durchlauf für die Varianten beginnend mit der ressourcenorientierten Dekomposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.4 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei mehrfachem Durchlauf für die Varianten beginnend mit der ressourcenorientierten Dekomposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102 103 104 108 122 123 124 125 126 134 135 139 141 153 154 156 158 162 187 192 193
194
195
Tabellenverzeichnis
B.5 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei einfachem Durchlauf für die Varianten beginnend mit der prozessorientierten Dekomposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.6 Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei mehrfachem Durchlauf für die Varianten beginnend mit der prozessorientierten Dekomposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D.1 Gegebene Parameterwerte für die beiden Problemklassen für das MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D.2 Nachfrage dkt für das Nachfrageprofil 1 der Problemklasse 1 MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D.3 Nachfrage dkt für das Nachfrageprofil 2 der Problemklasse 1 MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D.4 Nachfrage dkt für das Nachfrageprofil 3 der Problemklasse 1 MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D.5 Nachfrage dkt für das Nachfrageprofil 1 der Problemklasse 2 MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D.6 Nachfrage dkt für das Nachfrageprofil 2 der Problemklasse 2 MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D.7 Nachfrage dkt für das Nachfrageprofil 3 der Problemklasse 2 MLCLSD-PM-ML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
196
197 203 204 204 205 206 207 208
Abkürzungsverzeichnis ACO
Ameisenalgorithmus (engl.: Ant Colony Optimization)
AGK
Produktbezogener Aggregationsansatz
AOS
Abweichung von der besten bekannten oberen Schranke
APS
Advanced-Planning-System
AUS
Abweichung von der besten bekannten unteren Schranke
B&B
Branch&Bound-Verfahren
B&C
Branch&Cut-Verfahren
Bin
Binärbedingung der Rüstvariablen
C&B
Cut&Branch-Verfahren
CLSD
Capacitated Lotsizing Problem with Sequence Dependent Setup Costs
CLSP
Capacitated Lotsizing Problem
CLSP-L
Capacitated Lotsizing Problem with Linked Lotsizes
DAOS
Durchschnittliche Abweichung von der besten bekannten oberen Schranke
DAUS
Durchschnittliche Abweichung von der besten bekannten unteren Schranke
DIR
Richtung der Greedy-Heuristik
DKK
Produktbezogener Dekompositionsansatz
DKT
Zeitbezogener Dekompositionsansatz
EA
Evolutionärer Algorithmus
ERP-System
Enterprise-Resource-Planning-System
EV
Eröffnungsverfahren
F&O
Fix&Optimize-Heuristik
XXII
Abkürzungsverzeichnis
F&R
Fix&Relax-Heuristik
FORM
Modellformulierung
GA
Genetischer Algorithmus
GE
Geldeinheiten
GH
Greedy-Heuristiken
Kap
Kapazitätsrestriktion
LA
Lösungsansatz
Lag
Lagerbilanzgleichung
LH
Lagrange-Heuristiken
lin. MLCLSP
MLCLSP ohne Binärbedingungen
LP
Lineare Programmierung
LPB
LP-basierter Lösungsansatz
LPR
LP-Relaxation
LR
Lagrange-Relaxation
LS
Lokales Suchverfahren
MA
Memetischer Algorithmus
ME
Mengeneinheit
MH
Metaheuristik
MLCLSD
Multi-Level Capacitated Lotsizing Problem with Sequence Dependent Setup Costs
MLCLSP
Multi-Level Capacitated Lotsizing Problem
MLCLSP-L
Multi-Level Capacitated Lotsizing Problem with Linked Lotsizes
MLDLSP
Multi-Level Discrete Lotsizing and Scheduling Problem
MLGLSP
Multi-Level General Lotsizing and Scheduling Problem
MLPLSP
Multi-Level Proportional Lotsizing Problem
MLULSP
Multi-Level Uncapacitated Lotsizing Problem
MSLS
Multi-Level Sequence Dependent Lotsizing and Scheduling Problem
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
MP
Mathematische Programmierung
MRP
Material Requirements Planning
MRP II
Manufacturing Resource Planning
NSV
Nachbarschaftssuchverfahren
PBV
Populationsbasiertes Verfahren
PoD
Produktorientierte Dekomposition
PPS
Produktionsplanung und -steuerung
PzoD
Prozessorientierte Dekomposition
REL
Relaxation
RelR
Relaxierte Restriktionen
RfR
Reihenfolgerestriktionen
RH
Rundungsheuristik
RoD
Ressourcenorientierte Dekomposition
RW
rückwärts
RÜ
Rüstübertragung
RüR
Restriktionen für die Rüstübertragung
SA
Verfahren der simulierten Abkühlung
SLULSP
Single-Level Uncapacitated Lotsizing Problem
SLULSP-L
SLULSP mit Rüstübertragung
SPL
Standortproblem-Formulierung (engl.: Simple Plant Location Problem)
SR
Kürzeste-Wege-Formulierung (engl.: Shortest Route Problem)
SRP
Kürzeste-Wege-Problem
STD
Standardmodellformulierung
STH
Dekompositionsansatz von Stadtler
SUB
Unterproblem
TDH
Lagrange-Heuristik von Tempelmeier und Derstroff
TS
Tabu-Suchverfahren
TSP
Traveling Salesman Problem
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
Var
Variante
VV
Verbesserungsverfahren
VW
vorwärts
WW
Wagner-Whitin-Verfahren
ZE
Zeiteinheit
ZU
Zulässige Ungleichungen
Symbolverzeichnis aki
Direktbedarfskoeffizient bezüglich Produkt k und Produkt i
bkt
hinreichend große Zahl für Produkt k in Periode t
c fl
Kapazität eines Fahrzeugs an Standort l
cpmt
verfügbare Kapazität auf Ressource m in Periode t
cpmt
verfügbare Kapazität von Maschine m in Periode t nach Abzug der bereits fixierten Rüstzeiten
cyl
Lagerkapazität an Standort l
d ∈ Dv
Menge der Dekompositionsstrategien der Variante v
dkt
Primärbedarf nach Produkt k in Periode t
dktn
Nettonachfrage nach Produkt k in Periode t
n
dk
durchschnittliche Nettonachfrage nach Produkt k
Dktl
Hilfsvariable für die Nachfragemenge nach Produkt k, die in Periode t von Standort l erfüllt wird
eck
stufenbezogener Lagerkostensatz für Produkt k
f clh
fixe Transportkosten für eine Lieferung von Standort l zu Standort h
gk
Volumen von Produkt k je ME
hck
Lagerkostensatz für eine ME von Produkt k je Periode
hckl
Lagerkostensatz für Produkt k an Standort l
IKT M
Menge der Quadrupel (i, k,t, m)
XXVI
Symbolverzeichnis
IKT Mδ
f ix
Menge der Quadrupel (i, k,t, m), deren zugehörige Rüstzustände δ iktm im aktuellen Unterproblem fixiert sind
IKT Mopt δ
Menge der Quadrupel (i, k,t, m), deren zugehörige Rüstvariablen δiktm im aktuellen Unterproblem exakt gelöst werden
k, i ∈ K
Menge der Produkte, K = {1, . . . , K}
K
geordnete Menge aller Produkte
K
Untermenge der Menge Km
Kg
Indexmenge für die gemischten Kartons
Km
Menge der Produkte, die auf Ressource m gefertigt werden
Ks
Indexmenge für die sortenreinen Kartons
Kv
Indexmenge für die Vorprodukte
KapZul
boolesche Variable, die angibt, ob bereits eine zulässige Lösung ohne Überstunden bekannt ist
KapZul neu
boolesche Variable, die angibt, ob die aktuelle Lösung keine Überstunden enthält
KT
Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t)
KT γf ix
Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), deren zugehörige Rüstzustände γ kt im aktuellen Unterproblem fixiert sind
KT opt γ
Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), deren zugehörige Rüstzustandsvariablen γkt im aktuellen Unterproblem exakt gelöst werden
KT ωf ix
Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), deren zugehörige Rüstübertragungen ω kt im aktuellen Unterproblem fixiert sind
KT opt ω
Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), deren zugehörige Rüstübertragungsvariablen ωkt im aktuellen Unterproblem optimal gelöst werden
Symbolverzeichnis
XXVII
KT M
Menge der Tripel (k,t, m)
KT Mωf ix
Menge der Tripel (k,t, m), deren zugehörige Rüstübertragungen ω ktm im aktuellen Unterproblem fixiert sind
KT Mopt ω
Menge der Tripel (k,t, m), deren zugehörige Rüstübertragungsvariablen ωktm im aktuellen Unterproblem exakt gelöst werden
l, h ∈ L
Menge der Standorte, L = {1, . . . , L}
Anzahl der Iterationen
max
maximale Iterationsanzahl
m∈M
Menge der Ressourcen, M = {1, . . . , M}
Mkl
Menge der Maschinen an Standort l, die Produkt k herstellen können (Mkl ⊂ M)
Ml
Anzahl der Maschinen an Standort l
Nk
Menge der direkten Nachfolger von Produkt k
Ntlh
Anzahl der Transporte in Periode t von Standort l zu Standort h
Omt
Überstunden auf Ressource m in Periode t
O∗mt
optimale Ausprägung der Entscheidungsvariable Omt
ocm
Kostensatz für eine Überstunde auf Ressource m
pcm
variable Produktionskosten auf Maschine m je ZE
pzk
Produktionszyklus für Produkt k
QFktlh
Transportmenge von Produkt k in Periode t von Standort l zu Standort h
QNktτ
Produktionsmenge für Produkt k in Periode t zur Erfüllung der Nachfrage in Periode τ
QPkt
Produktionsmenge (Losgröße) von Produkt k in Periode t
XXVIII
Symbolverzeichnis
QP∗ kt
optimale Ausprägung der Produktionsmengenvariable QPkt
QPktm
Produktionsmenge von Produkt k in Periode t auf Maschine m
s ∈ Sd
Menge der Unterprobleme der Dekompositionsstrategie d
sck
Rüstkostensatz von Produkt k
sckm
Rüstkostensatz für Produkt k auf Maschine m
scik
Rüstkostensatz für einen Rüstvorgang von Produkt i auf Produkt k
scikm
Rüstkostensatz für einen Rüstvorgang von Produkt i auf Produkt k auf Maschine m
tskm
durchschnittliche Rüstzeit auf Produkt k auf Maschine m
t, τ ∈ T
Menge der Perioden, T = {1, . . . , T }
TI
Gesamtanzahl der Testinstanzen
t pk
Stückbearbeitungszeit von Produkt k
t pkm
Stückbearbeitungszeit von Produkt k auf Maschine m
tsk
Rüstzeit von Produkt k
tsik
Rüstzeit für einen Rüstvorgang von Produkt i auf Produkt k
tsikm
Rüstzeit für einen Rüstvorgang von Produkt i auf Produkt k auf Maschine m
umax
Anzahl der Dispositionsstufen
v
betrachtete Variante
Vk
Menge der direkten Vorgänger von Produkt k
v fk
Transportvorlaufverschiebung für Produkt k
vpk
Vorlaufverschiebung von Produkt k
Symbolverzeichnis
XXIX
Ykt
Lagerbestand von Produkt k am Ende von Periode t
Ykt∗
optimale Ausprägung der Lagerbestandsvariable Ykt
Yktl
Lagerbestand von Produkt k am Ende von Periode t an Standort l
Zk
produktspezifische Kosten für das Produkt k
Z∗
optimaler Zielfunktionswert des Unterproblems
Z alt
bester bekannter Zielfunktionswert der vorherigen Iteration
Z best
bester bekannter Zielfunktionswert für eine Testinstanz
Z F&O
mit der F&O-Heuristik bestimmter Zielfunktionswert einer Testinstanz
Z LP
Zielfunktionswert der LP-Relaxation einer Testinstanz
Z neu
bester bekannter Zielfunktionswert
Z˜ ∗
optimaler Zielfunktionswert der LP-Relaxation
ZTI
Anzahl der Testinstanzen mit einer bekannten zulässigen Lösung ohne Überstunden
Zul
Anteil der gelösten Testinstanzen mit einer zulässigen Lösung ohne Überstunden
γkt
binäre Rüstzustandsvariable für Produkt k in Periode t
γkt∗
optimale Ausprägung der Binärvariable γkt
γ˜kt∗
optimale Ausprägung der relaxiert gelösten Rüstzustandsvariable γkt
γ kt
fixierter Rüstzustand für Produkt k in Periode t
δikt
binäre Rüstvariable von Produkt i auf Produkt k in Periode t
δiktm
binäre Rüstvariable von Produkt i auf Produkt k in Periode t auf Maschine m
XXX
Symbolverzeichnis
δ iktm
fixierter Rüstzustand von Produkt i auf Produkt k in Periode t auf Maschine m
Δs
Anteil der in Unterproblem s optimal zu lösenden Binärvariablen
ηkm
Position von Produkt k im Rüstzyklus auf Maschine m
θ
Anzahl der Perioden, um die ein Planungsfenster verschoben wird
λ
Länge des Planungsfensters
μ(k)
Funktion zur Bestimmung des Index der Ressource, auf der Produkt k gefertigt wird
νmt
Hilfsvariable für Maschine m in Periode t
πkt
Position von Produkt k in der Rüstfolge der Periode t
πktm
Position von Produkt k in der Rüstfolge der Periode t auf Maschine m
ρm
Auslastung der Maschine m
ρikm
Rüstzyklusvariable für einen Rüstvorgang von Produkt i auf Produkt k auf Maschine m
∗ ρikm
optimale Ausprägung der Rüstzyklusvariable ρikm
ϒkt
disponibler Lagerbestand von Produkt k in Periode t
ωkt
binäre Rüstübertragungsvariable für Produkt k in Periode t
ωkt∗
optimale Ausprägung der binären Rüstübertragungsvariable ωkt
ω˜ kt∗
optimale Ausprägung der relaxiert gelösten Rüstübertragungsvariable ωkt
ω kt
fixierte Rüstübertragung für Produkt k in Periode t
ωktm
binäre Rüstübertragungsvariable für Produkt k in Periode t auf Maschine m
Symbolverzeichnis
XXXI
ω ktm
fixierte Rüstübertragung für Produkt k in Periode t auf Maschine m
k ω
Anfangsrüstzustand von Produkt k
km ω
Anfangsrüstzustand von Produkt k auf Maschine m
1 Einleitung Eine Losgröße ist definiert als die „Anzahl gleichartiger Objekte, die auf einem Arbeitsträger unmittelbar nacheinander ohne Rüstvorgänge zu fertigen sind.“1 Losgrößenprobleme müssen immer dann in einer Unternehmung berücksichtigt werden, wenn ein Produkttypwechsel auf einer Ressource Rüstzeiten und/oder Rüstkosten verursacht. Zur Einsparung der Rüstkosten kann versucht werden, Nachfragemengen für ein Produkt zu einem Los zusammenzufassen. Dadurch steigen die Lagerbestände, was wiederum zu einem Anstieg der Lagerkosten führt. Eine Einsparung von Lagerkosten kann erreicht werden, wenn nachfragenah in kleinen Losen produziert wird, allerdings steigen in diesem Fall die Rüstkosten. Bei der Losgrößenplanung besteht somit ein genereller Zielkonflikt aufgrund der gegenläufigen Entwicklung der Rüst- und Lagerkosten.2 Bei Losgrößenproblemen mit Kapazitätsbeschränkungen liegt der Fokus auf der Erstellung eines zulässigen Produktionsplans, der die beschränkten Kapazitäten der Ressourcen beachtet und die gegebene Nachfrage in der Regel vollständig erfüllt. Dieser zulässige Produktionsplan soll die entscheidungsrelevanten Kosten minimieren. Die Struktur des Losgrößenproblems ist abhängig vom Organisationstyp des Produktionssystems. In der industriellen Praxis gibt es unterschiedlichste Typen von Produktionssystemen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Modellformulierung des Losgrößenproblems haben. In den letzten Jahrzehnten wurden in der Literatur zahlreiche Modellformulierungen und Lösungsansätze für die einzelnen Organisationstypen vorgestellt. Beispielsweise wird das dynamische mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen (MLCLSP, engl.: Multi-Level Capacitated Lotsizing Problem)3 für den Organisationstyp der Werkstattproduktion verwendet, bei dem Rüstzeiten eine hohe Relevanz haben. Für derartige Losgrößenprobleme mit Rüstzeiten ist bereits der Nachweis der Existenz einer zulässigen Lösung N P-vollständig.4 Aus diesem Grund scheitern Standardmethoden der mathematischen Programmierung bei der Lösung realistischer Problemgrößen häufig an der mathematischen 1 2 3 4
Domschke et al. (1997), S. 69. Vgl. Günther und Tempelmeier (2007), S. 195. Vgl. Billington et al. (1983). Vgl. Trigeiro et al. (1989) und Maes et al. (1991).
2
1 Einleitung
Problemstruktur. Daher werden in der Literatur zahlreiche problemspezifische Algorithmen für diese Losgrößenprobleme vorgestellt. Bis heute existiert allerdings noch kein Lösungsansatz, der alle anderen Ansätze dominiert oder zufriedenstellende Ergebnisse liefert. Ein solcher Lösungsansatz sollte den spezifischen Anforderungen eines Produktionssystems genügen. Diesen Anspruch erfüllen vor allem mathematisch exakte Verfahren, die auf einer algebraischen Problemspezifikation aufbauen. Darüber hinaus sollte der Anwender mit möglichst geringem Zeitaufwand zumindest einen zulässigen Produktionsplan in akzeptabler Qualität bestimmen können. Ferner sollte dieser entscheiden können, diesen Plan mit zusätzlicher Rechenzeit weiter zu verbessern. Diese Forderungen vereint die in dieser Arbeit vorgestellte Fix&OptimizeHeuristik zur Lösung mehrstufiger Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen. Diese basiert auf mathematisch exakten Verfahren der gemischtganzzahligen Optimierung. In relativ kurzer Zeit liefert diese Heuristik gute bis sehr gute Ergebnisse im Vergleich zu anderen in der Literatur beschriebenen Verfahren. Darüber hinaus eröffnet diese Heuristik die Möglichkeit, die Ergebnisse noch weiter zu verbessern. Zudem kann dieser Ansatz relativ einfach an Modellerweiterungen bzw. veränderte Modellannahmen angepasst werden. Die vorliegende Arbeit ist wie folgt gegliedert. Im zweiten Kapitel wird die Losgrößenplanung in die Produktionsplanung eingeordnet. Darüber hinaus erfolgt in diesem Kapitel eine Klassifizierung von Losgrößenmodellen. Die Modellformulierungen der in dieser Arbeit behandelten mehrstufigen Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen werden im dritten Kapitel beschrieben. Das vierte Kapitel gibt einen umfassenden Überblick über Algorithmen zur Lösung der in dieser Arbeit betrachteten Losgrößenprobleme. Dazu werden die Lösungsansätze wiederum zunächst klassifiziert und anschließend basierend auf dieser Klassifizierung näher erläutert. Im Zentrum der Arbeit stehen die Kapitel fünf bis sieben. Zunächst wird im fünften Kapitel die Fix&Optimize-Heuristik als neuer Lösungsansatz für das MLCLSP beschrieben. Es folgt im sechsten Kapitel die Anwendung dieser Heuristik auf eine Erweiterung des MLCLSP. Im siebten Kapitel wird ein Losgrößenproblem aus der Praxis vorgestellt, dessen Lösung ebenfalls mit der Fix&OptimizeHeuristik erfolgt. Den Abschluss der vorliegenden Arbeit bildet das achte Kapitel mit einer betriebswirtschaftlichen Bewertung der vorgestellten Ergebnisse sowie einem kurzen Ausblick auf weiterführende Forschungsaktivitäten.
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung 2.1 Einordnung der Losgrößenplanung in die kapazitätsorientierte Produktionsplanung und -steuerung Die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) umfasst „die räumliche, zeitliche und mengenmäßige Planung, Steuerung und Kontrolle des gesamten Geschehens im Produktionsbereich.“5 Innerhalb der PPS sind strategische, taktische und operative Entscheidungen zu treffen. Die strategische Planung beinhaltet Entscheidungen über (neue) Geschäftsbereiche und Unternehmensziele für einen langfristigen Zeitraum. Mit Entscheidungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Produktionsprogramms sowie des Aufbaus des Produktionssystems über einen mittelfristigen Zeitraum beschäftigt sich die taktische Planung. Bei der operativen Planung werden Entscheidungen über das kurzfristige Produktionsprogramm, die einzusetzenden Produktionsfaktoren sowie die durchzuführenden Produktionsprozesse getroffen.6 Drexl et al. (1994) stellen die Grundstruktur einer operativen kapazitätsorientierten PPS vor, die einem hierarchischen Planungskonzept folgt.7 Der Aufbau dieses Systems ist in Abbildung 2.1 dargestellt. In der aggregierten Gesamtplanung wird zunächst ein standortübergreifender Produktionsplan für die unterschiedlichen Produkttypen8 für einen mittelfristigen Zeitraum9 bestimmt. Basierend auf den Vorgaben dieses Produktionsplans wird bei der anschließenden kapazitierten Hauptproduktionsprogrammplanung 5 6 7 8
9
Drexl et al. (1994), S. 1022. Vgl. Drexl et al. (1994), S. 1022. Eine ausführliche Beschreibung geben u. a. Drexl et al. (1994) sowie Günther und Tempelmeier (2007). Zu einem Produkttyp werden Produkte mit ähnlicher Kosten- und Nachfragestruktur sowie ähnlichem Produktionsprozess zusammengefasst. Dies ist häufig aufgrund der hohen Variantenzahl der Endprodukte notwendig (vgl. Meyr (1999), S. 23). In der Regel wird ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren, unterteilt in Monate oder Quartale, betrachtet (vgl. Drexl et al. (1994), S. 1031).
4
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung
Aggregierte Gesamtplanung
Kapazitätsorientiertes PPS-System Kapazitierte Hauptproduktionsprogrammplanung
Detaillierte Losgrößen- und Ressourceneinsatzplanung
Segmentspezifische Feinplanung und -steuerung Baustellen- Werkstattproduktion produktion
JITZentrenFließproduktion produktion Produktion
...
Vernetzte Produktionssegmente
Abb. 2.1: Aufbau eines kapazitätsorientierten PPS-Systems (vgl. Günther und Tempelmeier (2007), S. 143)
ein Hauptproduktionsprogramm für einen kurzfristigen Planungszeitraum10 erstellt. Die Hauptproduktionsprogrammplanung umfasst die Hauptendprodukte sowie die wichtigsten Vorprodukte, die auf den Produktionssegmenten einer Produktionsstätte gefertigt werden. Sowohl bei der aggregierten Gesamtplanung als auch bei der Hauptproduktionsprogrammplanung werden die vorhandenen Produktionskapazitäten in aggregierter Form berücksichtigt.11 Für beide Planungs-
10 11
Als Planungszeitraum sind drei bis 12 Monate, unterteilt in Wochen, vorgesehen (vgl. Drexl et al. (1994), S. 1033). Vgl. Tempelmeier (2008), S. 5.
2.1 Einordnung der Losgrößenplanung in die kapazitätsorientierte PPS
5
schritte können lineare Optimierungsmodelle12 formuliert werden, die mit relativ geringem Zeitaufwand exakt gelöst werden können.13 Der Produktionsbereich einer betrachteten Unternehmung kann aus unterschiedlichen Produktionssegmenten bestehen, die u. a. nach dem Prinzip der Werkstattfertigung oder der Fließproduktion organisiert sein können. Für jedes Produktionssegment müssen daher in den nachfolgenden Planungsschritten auf den jeweiligen Organisationstyp zugeschnittene Planungsprobleme definiert und gelöst werden. Der Aggregationsgrad für die Modellierung der beschränkten Kapazitäten der Ressourcen nimmt im Vergleich zur Hauptproduktionsprogrammplanung weiter ab, beispielsweise kann jede Maschine einzeln betrachtet werden oder gleichartige Maschinen können zu einer Ressource aggregiert werden. Die Losgrößenplanung basiert auf dem Hauptproduktionsprogramm, das die Produktionsaufträge für die Endprodukte liefert. Zusätzlich zu diesen Vorgaben müssen die Input- und OutputBeziehungen zwischen den Endprodukten und ihren Komponenten beachtet werden, die sich aus der vorliegenden Erzeugnisstruktur ableiten lassen. Beruhend auf diesen Parametern werden die Produktionsmengen und -termine für die Vorprodukte für einen kurzfristigen Zeitraum14 ermittelt. Im Rahmen des kapazitätsorientierten PPS-Systems lässt sich die Losgrößenplanung als Bindeglied zwischen der kapazitierten Hauptproduktionsprogrammplanung und der Ressourceneinsatzplanung auffassen.15 Der Umfang sowie das Planungskonzept sind bei der Losgrößenplanung und Ressourceneinsatzplanung also abhängig vom zugrunde liegenden Organisationstyp des Produktionssegments. Beispielsweise erfolgt die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei der Fließproduktion gleichzeitig. In den Bereichen der Werkstattfertigung werden dagegen zunächst nur die Produktionsmengen für die Produkte bestimmt.16 Erst bei der anschließenden Ressourceneinsatzplanung wird für diese Segmente mit einem feineren Detaillierungsgrad ein Maschinenbelegungsplan erstellt.17 Abschließend folgt die segmentspezifische Feinplanung und -steuerung. Hier werden die einzelnen Arbeitsgänge unmittelbar vorbereitet und veranlasst.18
12 13 14 15 16 17 18
Zum Begriff des linearen Optimierungsmodells siehe u. a. Scholl (2008), S. 37f. Vgl. Drexl et al. (1994), S. 1032f. Der Planungshorizont beträgt ca. vier bis 12 Wochen, unterteilt in Tage oder Schichten (vgl. Drexl et al. (1994), S. 1034). Vgl. Günther und Tempelmeier (2007), S. 195. Vgl. Drexl et al. (1994), S. 1040. Vgl. Drexl et al. (1994), S. 1037. Vgl. Drexl et al. (1994), S. 1035.
6
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung
2.2 Bedeutung der Losgrößenplanung in AdvancedPlanning-Systemen Das vorgestellte Konzept der kapazitätsorientierten PPS stellt eine methodisch anspruchsvolle Weiterentwicklung der in der betrieblichen Praxis häufig eingesetzten konventionellen PPS-Systeme dar.19 Letztere folgen einem phasenbezogenen Sukzessivplanungskonzept basierend auf dem in der Literatur verwendeten Material Requirements Planning (MRP) sowie auf dessen Erweiterung, dem Manufacturing Resource Planning (MRP II).20 Diese konventionellen PPS-Systeme sind Bestandteil der in der betrieblichen Praxis eingesetzten computergestützten Informationsund Planungssysteme, den sog. Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERPSystem).21 Das Vorgehen bei der Produktionsplanung konventioneller PPS-Systeme wird in der Literatur von zahlreichen Autoren kritisiert.22 Bei diesen Planungssystemen werden die begrenzten Maschinenkapazitäten in fast allen Planungsphasen vernachlässigt. Dies führt zu unzulässigen Produktionsplänen sowie zu erhöhten Zwischenlagerbeständen. Darüber hinaus werden die Produktionsauftragsgrößen isoliert für jedes End- oder Vorprodukt bestimmt, ohne die Abhängigkeiten der Produkte untereinander zu beachten. Diese Abhängigkeiten bestehen aufgrund mehrstufiger Erzeugnisstrukturen sowie der Konkurrenz der Erzeugnisse um die knappen Ressourcen.23 Außerdem werden die spezifischen Planungsprobleme der Produktionstypen in den unterschiedlichen Produktionssegmenten nicht berücksichtigt.24 Diese Schwächen bei der Entscheidungsunterstützung durch konventionelle PPS-Systeme und der Fortschritt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien haben zur Entwicklung der sog. Advanced-Planning-Systeme (APS)25 geführt. Für den Bereich der Produktionsplanung stellen die APS eine planerische Erweiterung der bestehenden ERP-Systeme in Richtung der kapazitätsorientierten PPS dar, bei der in den einzelnen Planungsstufen fast durchgängig beschränkte Kapazitäten berücksichtigt werden.26 19 20 21 22 23 24 25 26
Vgl. Günther und Tempelmeier (2007), S. 311. Einen umfassenden Überblick über den Aufbau konventioneller PPS-Systeme geben u. a. Drexl et al. (1994), Küpper und Helber (2004) sowie Günther und Tempelmeier (2007). Siehe Günther und Tempelmeier (2007), S. 309 zum Begriff des Enterprise-Resource-PlanningSystems. Vgl. u. a. Adam (1988), Fleischmann (1988) und Drexl et al. (1994). Vgl. Tempelmeier (1995), S. 3. Vgl. Drexl et al. (1994), S. 1029. Zum Begriff des Advanced-Planning-Systems siehe u. a. Stadtler und Kilger (2008). Vgl. Günther (2005), S. 6.
2.2 Bedeutung der Losgrößenplanung in Advanced-Planning-Systemen
7
Die APS folgen einem hierarchischen Planungskonzept, bei dem einzelne Module in ein Sukzessivplanungssystem eingebettet sind. Die Ergebnisse der übergeordneten Module stellen die Vorgaben für die untergeordneten Module dar. Dazu ist bei den übergeordneten Modulen eine Aggregation der Daten notwendig. Mit den einzelnen Hierarchiestufen nimmt die Aggregation der Daten ab und der Detaillierungsgrad zu.27 Bezogen auf die Fristigkeit des Planungshorizonts lassen sich die Module eines Advanced-Planning-Systems in eine langfristige (strategische), eine mittelfristige (taktische) und eine kurzfristige (operative) Ebene unterteilen. Darüber hinaus erfolgt eine phasenorientierte Zuordnung zu den Unternehmensbereichen Beschaffung, Produktion, Distribution und Vertrieb.28 In den Modulen werden größtenteils quantitative Optimierungsmodelle zur Entscheidungsunterstützung verwendet. Diese Modelle werden mit Hilfe exakter oder heuristischer Verfahren gelöst.29 Der Aufbau der APS verschiedener Anbieter folgt weitestgehend einer einheitlichen Architektur, die sich anhand einer Planungsmatrix verdeutlichen lässt, wie in Abbildung 2.2 dargestellt. Beschaffung
langfristig
mittelfristig
Produktion
Distribution
Vertrieb
Strategische Netzwerkgestaltung
Hauptproduktionsprogrammplanung Bedarfsplanung
kurzfristig
Materialbedarfsplanung
Produktionsplanung Ressourceneinsatzplanung
Distributions-/ Transportplanung
Globale Verfügbarkeitsprüfung
Abb. 2.2: Planungsmatrix von Advanced-Planning-Systemen (vgl. Rohde et al. (2000), S. 10 und Günther (2005), S. 10)
27 28 29
Vgl. Fleischmann und Meyr (2003), S. 476. Vgl. Corsten und Gössinger (2008), S. 163. Vgl. Günther (2005), S. 8ff.
8
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung
Im Folgenden werden die einzelnen Module eines APS kurz erläutert:30 Das Modul Strategische Netzwerkgestaltung31 ist auf einen langfristigen Planungszeitraum ausgerichtet und beinhaltet Verfahren zur Konfiguration der gesamten Wertschöpfungskette. Zu den Aufgaben der strategischen Netzwerkgestaltung zählen beispielsweise die Errichtung bzw. Schließung von Standorten, der Aufund Abbau von Produktions- und Lagerkapazitäten sowie Entscheidungen über die Fertigungstiefe.32 Bei der Bedarfsplanung werden mit Hilfe von statistischen Verfahren zukünftige Absatzmengen prognostiziert.33 Die Prognose erfolgt auf der Basis vergangener Nachfragedaten unter Berücksichtigung bereits vorliegender Kundenaufträge.34 Die aufeinander abgestimmten Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsmengen werden zentral im Modul der mittelfristigen Hauptproduktionsprogrammplanung ermittelt.35 Dazu werden unter der Zielsetzung der Gesamtkostenminimierung die beschränkten Kapazitäten berücksichtigt. Als Input dienen die Vorgaben der strategischen Netzwerkgestaltung sowie die aggregierten Nachfragedaten für die Produkttypen aus dem Modul Bedarfsplanung.36 Auf die Integration eines eigenständigen Moduls der Materialbedarfsplanung wird häufig in APS verzichtet. Stattdessen wird weitestgehend auf die in den ERPSystemen verankerte Materialbedarfsrechnung konventioneller PPS-Systeme zurückgegriffen. Für den Datenaustausch wird die bestehende Schnittstelle zwischen dem APS und dem ERP-System verwendet.37 Bei der Produktionsplanung werden Produktionspläne aus den Vorgaben der Hauptproduktionsprogrammplanung erstellt. Diese liefern die Vorgabe für die anschließende Ressourceneinsatzplanung. Bei dieser werden die mengen- und terminmäßig gegebenen Aufträge den Ressourcen zugeordnet und die zeitliche Abfolge der Aufträge bestimmt.38
30 31
32 33 34 35 36 37 38
Einen umfassenden Überblick über APS und die dort integrierten Module geben u. a. Fleischmann und Meyr (2003), Günther (2005), Stadtler (2005) sowie Stadtler und Kilger (2008). In der Literatur wird die Strategische Netzwerkgestaltung häufig auch als Netzwerkplanung bezeichnet (vgl. u. a. Fleischmann und Meyr (2003), S. 481 sowie Corsten und Gössinger (2008), S. 163f.). Vgl. Stadtler (2005), S. 580. Einen umfassenden Überblick über das Modul Strategische Netzwerkgestaltung geben u. a. Goetschalcks und Fleischmann (2008). Vgl. Rohde et al. (2000), S. 11. Vgl. Fleischmann und Meyr (2003), S. 487ff. U. a. geben Kilger und Wagner (2008) einen umfangreichen Überblick über das Modul Bedarfsplanung. Vgl. Fleischmann und Meyr (2003), S. 481. Vgl. Rohde und Wagner (2008), S. 161ff. Vgl. Yang (2005), S. 72 und Tempelmeier (2008), S. 417f. Vgl. Fleischmann und Meyr (2003), S. 497ff.
2.2 Bedeutung der Losgrößenplanung in Advanced-Planning-Systemen
9
Die Aufgabe des Moduls Distributions- und Transportplanung beinhaltet die zeitliche Abstimmung der Distributions- und Transportmengen für das gesamte Distributionsnetzwerk.39 Das Modul Globale Verfügbarkeitsprüfung liefert zuverlässige Lieferterminzusagen auf Kundenanfragen. Ferner beinhaltet dieses Modul die Möglichkeit, Kundenaufträge anzunehmen und zu bearbeiten.40 In den APS fehlt die Unterstützung der Losgrößenplanung noch weitestgehend. Die Losgrößenplanung ist eigentlich im Modul der Produktionsplanung als Bindeglied zwischen der Hauptproduktionsprogramm- und Ressourceneinsatzplanung vorgesehen. Sobald Rüstzeiten eine Losbildung erfordern, wird dies im praktischen Einsatz von APS zu erheblichen Problemen führen. Somit wird auch bei den APS „auf eine wichtige modellbasierte Verbindung zwischen den [beiden] Planungsmodulen“41 verzichtet. Darüber hinaus ist kritisch anzumerken, dass bei den meisten APS-Anbietern kein eigenständiges Modul zur Materialbedarfsrechnung vorgesehen ist. Für die Materialbedarfsrechnung werden stattdessen die Funktionen der konventionellen PPS-Systeme verwendet, die in den ERP-Systemen integriert sind. Aus diesem Grund besteht auch hier die Schwierigkeit darin, die Materialbedarfsplanung mit der Losgrößenplanung kapazitätsorientiert abzustimmen.42 Bei einigen APS-Anbietern besteht die Möglichkeit, die Losgrößenplanung in das Modul der Hauptproduktionsprogrammplanung zu integrieren. Aus den ohne Losgrößenaspekte relativ einfach zu lösenden linearen Optimierungsmodellen für die Hauptproduktionsprogrammplanung entstehen auf diesem Weg jedoch sehr schnell kaum lösbare gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle.43 In Modulen zur Ressourceneinsatzplanung ist in wenigen Fällen neben heuristischen Lösungsverfahren für Einproduktlosgrößenprobleme auch die Bestimmung des Sekundärbedarfs integriert.44 In APS fehlen in der Regel Verfahren zur Lösung dynamischer mehrstufiger Losgrößenprobleme.45 Im Bereich der Losgrößenplanung besteht somit bei den APS noch deutlicher Verbesserungsbedarf.
39 40 41 42 43 44 45
Vgl. Fleischmann (2008), S. 231ff. Vgl. Kilger und Meyr (2008), S. 181ff. Günther und Tempelmeier (2007), S. 349f. Vgl. Günther und Tempelmeier (2007), S. 338. Vgl. Tempelmeier (2008), S. 417f. Vgl. Tempelmeier (2008), S. 418. Vgl. Tempelmeier (2008), S. 423.
10
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung
2.3 Klassifizierung von Modellen für die Losgrößenplanung Die in der Produktionsplanung vorzufindenden Losgrößenprobleme sind abhängig vom Organisationstyp der Fertigung sowie vom unterstellten Produktionsprozess. Für die Entscheidungsunterstützung bei derartigen Entscheidungsproblemen46 bieten sich quantitative Optimierungsmodelle47 an, bei denen Handlungsalternativen mit Hilfe einer Zielfunktion bewertet und ausgewählt werden können. Darüber hinaus können auch einzuhaltende Restriktionen berücksichtigt werden.48 Diese Losgrößenmodelle können nach den Annahmen bezüglich des Informationsgrads, der Zeitstruktur, der Produkte und der Maschinen klassifiziert werden.49 In Abbildung 2.3 ist eine Klassifizierung für Losgrößenmodelle dargestellt. Auf der obersten Ebene wird zwischen stochastischen und deterministischen Losgrößenmodellen unterschieden. Bei stochastischen Modellen werden Unsicherheiten vor allem bei der Nachfrage sowie bei den Kapazitäten aufgrund von Maschinenausfällen berücksichtigt.50 Bei deterministischen Modellen werden dagegen die Modellparameter vereinfachend als bekannt angenommen. Durch die Berücksichtigung von Sicherheitsbeständen und Puffern wird versucht, dem stochastischen Einfluss weitestgehend entgegenzuwirken.51 In der vorliegenden Arbeit werden ausschließlich deterministische Modelle betrachtet. Dabei werden die Parameter für die Nachfrage und die Kapazitäten aus der vorgelagerten Hauptproduktionsprogrammplanung als mit Sicherheit bekannt vorausgesetzt. Bezogen auf die Zeitstruktur wird zwischen statischen und dynamischen Losgrößenproblemen unterschieden. Bei statischen Losgrößenmodellen ist die Nachfrage im Zeitablauf konstant. Aus diesem Grund wird bei diesen Modellen ein unendlicher Planungshorizont und somit auch ein unbegrenzt fortgesetzter Betriebsablauf unterstellt. Gleichzeitig wird eine kontinuierliche Zeitachse angenommen. Die Losauflage kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt erfolgen.52 Bei dynamischen Losgrößenmodellen sind einige Parameter zeitlichen Schwankungen ausgesetzt. In der Regel wird die Nachfrage als schwankend angesehen.53 In diesen Modellen wird ein endlicher Planungszeitraum unterstellt, der in T dis46 47 48 49 50 51 52 53
Zum Begriff des Entscheidungsproblems vgl. u. a. Scholl (2008), S. 36. Zum Begriff des quantitativen Optimierungsmodells vgl. u. a. Scholl (2008), S. 36. Vgl. Scholl (2008), S. 36. Vgl. u. a. Derstroff (1995), Domschke et al. (1997), Karimi et al. (2003) und Sürie (2005). Vgl. Stammen-Hegener (2002), S. 13. Vgl. Derstroff (1995), S. 22. Vgl. Schneider et al. (2005), S. 49. Vgl. Corsten und Gössinger (2008), S. 227.
2.3 Klassifizierung von Modellen für die Losgrößenplanung
11
Losgrößenmodelle
deterministisch
statisch
stochastisch
dynamisch
Einprodukt
Mehrprodukt
einstufig
mehrstufig
Einmaschinen
Mehrmaschinen
ohne Kapazitätsbeschränkungen
mit Kapazitätsbeschränkungen
Abb. 2.3: Klassifizierung von Losgrößenmodellen, (in Anlehnung an Domschke et al. (1997), S. 74)
krete Planungsperioden54 unterteilt wird. Vereinfachend ist daher eine Losauflage nur zu diskreten Zeitpunkten möglich.55 Im weiteren Verlauf der Arbeit liegt der Schwerpunkt auf dynamischen Losgrößenproblemen. Auf der nachfolgenden Ebene wird bezogen auf die Produktanzahl zwischen Einprodukt- und Mehrprodukt-Losgrößenproblemen unterschieden.56 Bei den Mehrproduktproblemen kann zwischen ein- und mehrstufigen Erzeugnisstrukturen differenziert werden. Eine einstufige Erzeugnisstruktur wird zugrunde gelegt, wenn keine Abhängigkeiten zwischen Vorgänger- und Nachfolgerprodukten existieren oder die bestehenden Abhängigkeiten unbeachtet bleiben. In diesem Fall 54
In der englischsprachigen Literatur werden Perioden auch als Buckets bezeichnet (vgl. Eppen und Martin (1987), S. 831f.). 55 Vgl. Stammen-Hegener (2002), S. 13. 56 Vgl. Schneider et al. (2005), S. 49.
12
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung
werden nur die (End-)Produkte auf einer Fertigungsstufe betrachtet. Eine mehrstufige Erzeugnisstruktur liegt vor, wenn die bestehenden Vorgänger-NachfolgerBeziehungen explizit berücksichtigt werden müssen.57 In der vorliegenden Arbeit werden ausschließlich mehrstufige Losgrößenprobleme betrachtet. Bei einer mehrstufigen Erzeugnisstruktur kann zwischen vier Vergenztypen der Produktion unterschieden werden.58 In Abbildung 2.4 sind die vier Typen von Erzeugnisstrukturen dargestellt. Höchstens einen direkten Vorgänger und einen direkten Nachfolger besitzt ein Produkt einer seriellen Erzeugnisstruktur. Bei einer konvergierenden Erzeugnisstruktur ist dagegen nur die Anzahl der direkten Nachfolger für ein Produkt auf höchstens ein Produkt beschränkt, jedes Produkt kann aber beliebig viele direkte Vorgänger besitzen. Ein Produkt einer divergierenden Erzeugnisstruktur besitzt maximal einen direkten Vorgänger, während die Anzahl der direkten Nachfolger unbeschränkt ist. Keine Einschränkungen bezüglich der Anzahl direkter Nachfolger und Vorgänger besteht für die Produkte einer generellen Erzeugnisstruktur.59
Serielle Erzeugnisstruktur
Konvergierende Erzeugnisstruktur
Divergierende Erzeugnisstruktur
Generelle Erzeugnisstruktur
Abb. 2.4: Grundformen der Erzeugnisstrukturen
Im Hinblick auf die Anzahl der Ressourcen kann zwischen Ein- und Mehrmaschinenproblemen unterschieden werden. Wenn die Produkte bei Mehrmaschinenproblemen jeweils nur auf einer Maschine gefertigt werden können, so lassen sich diese eindeutig einer Maschine zuordnen. Beim Einsatz paralleler Maschinen ist
57 58 59
Vgl. Meyr (1999), S. 47. Vgl. z. B. Helber (1994), S. 21 und Tempelmeier (2008), S. 103f. Vgl. Sürie (2005), S. 11f.
2.3 Klassifizierung von Modellen für die Losgrößenplanung
13
eine eindeutige Zuordnung der Produkte zu den Maschinen nicht möglich.60 Im weiteren Verlauf der Arbeit werden nur noch Mehrmaschinenprobleme betrachtet. Bei Mehrmaschinenproblemen mit einer mehrstufigen Erzeugnisstruktur liegt eine offene Losweitergabe vor, wenn eine Weitergabe einzelner Werkstücke bereits während der Bearbeitung möglich ist. Bei einer geschlossenen Losweitergabe kann das Los nur geschlossen an die nachfolgende Fertigungsstufe zur Weiterverarbeitung weitergegeben werden.61 Bei einer geschlossenen Losweitergabe wird daher häufig in Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme mit einem diskreten Zeitraster und mehreren Maschinen eine Vorlaufverschiebung für die Produkte betrachtet. Mit dieser Vorlaufverschiebung wird sichergestellt, dass die Vorprodukte für die Fertigung der nachfolgenden Produkte rechtzeitig verfügbar sind.62 Bei Losgrößenproblemen kann die Kapazität der Ressourcen berücksichtigt werden, wenn diese einen Engpass bei der Fertigung darstellt. Die verfügbare Kapazität stellt eine Obergrenze für die maximale Nutzungszeit der Ressource dar. Normalerweise ist die verfügbare Kapazität fest vorgegeben, diese lässt sich aber ggf. durch den Einsatz von Überstunden erweitern.63 Für die Herstellung der Produkte werden Nutzungszeiten auf den Ressourcen berücksichtigt, welche die vorhandene Kapazität verringern. Es wird zwischen den Bearbeitungs- und den Rüstzeiten unterschieden. Als Bearbeitungszeit wird die Zeitspanne bezeichnet, die für die Herstellung einer Mengeneinheit (ME) eines Produkts erforderlich ist. Bei einem Rüstvorgang von einem Produkt auf ein anderes können dagegen Rüstzeiten auftreten. Die Rüstzeit entspricht in der Regel der Zeitspanne für die Durchführung vorbereitender Maßnahmen zur Fertigung des nachfolgenden Produkts. Dazu zählen beispielsweise Werkzeugwechsel, Reinigungs- oder Justierungsprozesse.64 Im weiteren Verlauf der Arbeit werden nur Losgrößenprobleme mit Kapazitätsbeschränkungen betrachtet. Bei der Losgrößenplanung wird eine Minimierung der anfallenden Kosten angestrebt. Bei den Kosten kann u. a. zwischen Lagerhaltungs-, Rüst-, Produktionsund Überstundenkosten unterschieden werden.65 Die Lagerhaltungskosten für ein Produkt lassen sich vom Lagerbestand am Ende einer Periode, bewertet mit einem Lagerkostensatz, ableiten. Der Lagerkostensatz
60 61 62 63 64 65
Vgl. Özdamar und Barbarosoglu (1999), S. 812f. sowie Quadt und Kuhn (2008), S. 62. Vgl. Meyr (1999), S. 46. Vgl. Derstroff (1995), S. 27f. sowie das Beispiel im Abschnitt 3.2 auf S. 21. Vgl. Kuik et al. (1993), S. 7. Vgl. Meyr (1999), S. 47. Vgl. z. B. Tempelmeier (2008), S. 132 und Domschke et al. (1997), S. 71f.
14
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung
besteht in der Regel hauptsächlich aus den Kapitalbindungskosten für ein Werkstück.66 Bei einem Rüstvorgang von einem Produkt auf ein anderes entstehen von der Produktionsmenge unabhängige Rüstkosten. Diese bestehen zum einen aus Kosten für den Verbrauch von Einsatzfaktoren, z. B. Schmierstoffen oder Reinigungsmitteln. Zum anderen können die Rüstkosten schwer schätzbare Opportunitätskosten enthalten, wenn Rüstzeiten innerhalb der Kapazitätsrestriktionen nicht betrachtet werden. Dies ist allerdings nur im Falle knapper Ressourcen notwendig. Mit Hilfe der Opportunitätskosten wird der durch einen Rüstvorgang entgangene Nutzen bewertet. Somit korrespondieren die Opportunitätskosten mit dem entgangenen Deckungsbeitrag der Produkte, die aufgrund mangelnder Kapazität bedingt durch den Rüstvorgang nicht gefertigt werden konnten.67 In einigen Fällen enthalten die Rüstkosten auch Anlaufkosten. Diese können zu Beginn der Fertigung nach einem Produktwechsel anfallen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Einstellungen einer Ressource noch korrigiert werden müssen und diese Einstellungen ggf. zur Produktion von Ausschuss führen.68 Zusätzlich können variable Produktionskosten betrachtet werden.69 Die Produktionskosten müssen innerhalb der Losgrößenplanung nur dann berücksichtigt werden, wenn sich diese im Zeitablauf verändern oder abhängig von der Losgröße bzw. von der ausgewählten Maschine sind. Andernfalls sind diese konstant und somit nicht entscheidungsrelevant.70
2.4 Übersicht über Modellformulierungen für dynamische mehrstufige Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts formulierte Harris unter der Fragestellung „How many parts to make at once?“ ein statisches Losgrößenproblem bei konstanter Nachfrage.71 Eine erste dynamische Modellformulierung stammt von Wagner und Whitin (1958). Dieses einstufige Losgrößenproblem ohne Kapazitäts-
66 67 68 69 70 71
Darüber hinaus können sonstige mengenabhängige Kostenzuschläge, z. B. in Form von Steuern oder Versicherungsprämien, auftreten (vgl. Derstroff (1995), S. 23). Vgl. Tempelmeier (2008), S. 132. Vgl. Zäpfel und Altmann (1978), S. 529. Vgl. Zäpfel und Altmann (1978), S. 529. Vgl. Schneider et al. (2005), S. 47. Vgl. Harris (1913).
2.4 Übersicht über Modellformulierungen
15
restriktionen (SLULSP, engl.: Single-Level Uncapacitated Lotsizing Problem)72 bildet die Grundlagen für zahlreiche weitere Modellformulierungen. Eine Erweiterung des SLULSP stellt das (einstufige) Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen (CLSP, engl.: (Single-Level) Capacitated Lotsizing Problem)73 dar. Die im Folgenden vorgestellten Losgrößenmodelle basieren auf dieser Modellformulierung. Die Abbildung 2.5 gibt eine detaillierte Übersicht über Modellformulierungen für dynamische Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen. Mehrstufige kapazitierte Losgrößenmodelle
Small-BucketModelle
Big-BucketModelle
mit Reihenfolge
MLDLSP, MLPLSP
MLCLSD, MLGLSP
ohne Reihenfolge
ohne Rüstübertragung
mit Rüstübertragung
MLCLSP
MLCLSP-L
Abb. 2.5: Übersicht über Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenmodelle mit Kapazitätsrestriktionen (vgl. Stammen-Hegener (2002), S. 21)
Bei dynamischen Losgrößenmodellen mit einem endlichen Planungszeitraum wird zwischen Small-Bucket- und Big-Bucket-Modellen unterschieden.74 Bei Small-Bucket-Modellen kann in jeder Periode höchstens ein Rüstvorgang erfolgen. Dies bedeutet, dass in einer Periode maximal zwei Produktarten gefertigt werden können.75 Aufgrund dieser Einschränkung wird eine relativ kurze Peri72
73 74 75
Das SLULSP wird von Wagner und Whitin (1958) eingeführt. Aus diesem Grund wird das SLULSP in der Literatur häufig auch als Wagner-Whitin-Problem bezeichnet (vgl. Tempelmeier (2008), S. 138f.). Vgl. Karmarkar und Schrage (1985). Vgl. Karimi et al. (2003), S. 366. Vgl. Tempelmeier (2008), S. 182f.
16
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung
odenlänge unterstellt. Die Perioden werden daher auch als Mikroperioden bezeichnet. Bei den Big-Bucket-Modellen ist dagegen die Anzahl der zu fertigenden Produktarten innerhalb einer Periode nur durch die Produktanzahl beschränkt. Analog werden die Perioden auch als Makroperioden bezeichnet, da die Periodenlänge im Vergleich zu den Small-Bucket-Modellen deutlich länger ist.76 Auf der anschließenden Ebene wird hinsichtlich der Berücksichtigung der Reihenfolgeplanung differenziert. Aufgrund der Komplexität wird bei Losgrößenmodellen häufig auf eine simultane Maschinenbelegungsplanung verzichtet. Bei den Small-Bucket-Modellen wird die Produktionsreihenfolge durch die detaillierte Modellierung der Zeit modellendogen bestimmt, da in jeder Mikroperiode jeweils immer nur für maximal eine Produktart gerüstet werden kann.77 Die Bestimmung der Reihenfolge wird bei Big-Bucket-Modellen häufig erst in einem nachfolgenden Planungsschritt durchgeführt. Lediglich für den Fall reihenfolgeabhängiger Rüstvorgänge wird die Losgrößen- und Maschinenbelegungsplanung simultan durchgeführt.78 In diesem Fall sind die Rüstzeiten und -kosten für ein Produkt abhängig von dem zuvor gefertigten Produkt. Darüber hinaus kann bei den Big-Bucket-Modellen hinsichtlich der Möglichkeit der Rüstübertragung differenziert werden. Einige Modellformulierungen schließen den Erhalt eines Rüstzustands auf einer Ressource über Periodengrenzen hinweg aus. In diesem Fall kehrt die Maschine am Ende einer Periode in einen Nullzustand zurück. Zu Beginn der nachfolgenden Periode ist ein erneuter Rüstvorgang erforderlich, auch wenn ein Produkt in zwei nachfolgenden Perioden gefertigt wird.79 Bei anderen Modellformulierungen kann der Rüstzustand für ein Produkt auf einer Maschine über die Periodengrenzen hinaus übertragen werden. Die Fertigung dieses Produkts kann ohne einen zusätzlichen Rüstvorgang in der nachfolgenden Periode fortgesetzt werden.80 In diesem Fall ist zwischen der einfachen und der mehrfachen Rüstübertragung zu unterscheiden. Bei der einfachen Rüstübertragung besteht die Möglichkeit, auf einer Ressource den Rüstzustand für ein Produkt bis zum Beginn einer nachfolgenden Periode aufrecht zu erhalten.81 Wenn ein Rüstzustand in eine nachfolgende Periode übertragen wird und kein weiterer Rüstvorgang für ein anderes Produkt in dieser Periode erfolgt, geht der übertragene Rüstzustand am Ende dieser Periode verloren.82 Aus hygienischen Gründen kann es z. B. bei der Produktion verderblicher Güter durchaus sinnvoll sein, ledig76 77 78 79 80 81 82
Vgl. Eppen und Martin (1987), S. 832 sowie Meyr (1999), S. 52. Vgl. Tempelmeier (2008), S. 182ff. Vgl. Quadt und Kuhn (2008), S. 62. Vgl. Meyr (1999), S. 48. Vgl. Karimi et al. (2003), S. 367. Vgl. Quadt und Kuhn (2008), S. 62. Vgl. Haase (1998), S. 130f. sowie Tempelmeier und Buschkühl (2009), S. 387f.
2.4 Übersicht über Modellformulierungen
17
lich eine einfache Rüstübertragung zuzulassen. Der Rüstzustand für ein Produkt kann dagegen bei der mehrfachen Rüstübertragung über mehrere Perioden erhalten bleiben, wenn zwischenzeitlich nicht auf ein anderes Produkt gerüstet wird.83 Zu den Small-Bucket-Modellen mit Mikroperioden gehören im mehrstufigen Fall das Multi-Level Proportional Lotsizing Problem (MLPLSP)84 sowie das Multi-Level Discrete Lotsizing and Scheduling Problem (MLDLSP).85 Sowohl beim MLDLSP als auch beim MLPLSP besteht die Möglichkeit der Rüstübertragung. Bei den Big-Bucket-Modellen wird zwischen Modellformulierungen mit bzw. ohne integrierter Reihenfolgeplanung unterschieden. Bei den mehrstufigen Problemen mit Reihenfolgeplanung stellt das Multi-Level General Lotsizing and Scheduling Problem (MLGLSP)86 einen Sonderfall dar. Dieses Modell kann als hybrides Modell aufgefasst werden, da Makroperioden betrachtet werden, die jedoch intern in Mikroperioden aufgeteilt werden. Ein reines Big-Bucket-Modell mit Reihenfolgeplanung stellt hingegen das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen und reihenfolgeabhängigen Rüstkosten (MLCLSD, engl.: MultiLevel Capacitated Lotsizing Problem with Sequence Dependent Setup Costs)87 dar. Bei dieser Modellformulierung werden reihenfolgeabhängige Rüstzeiten betrachtet. Der Erhalt des Rüstzustands ist jeweils in beiden Modellformulierungen integriert. Beim mehrstufigen Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen (MLCLSP)88 geht der Rüstzustand am Ende einer Periode verloren. Die Möglichkeit der Rüstübertragung wird beim mehrstufigen Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen und Erhalt des Rüstzustands (MLCLSP-L, engl.: MultiLevel Capacitated Lotsizing Problem with Linked Lotsizes)89 berücksichtigt. Die Small-Bucket-Modelle werden vorwiegend für den Bereich der Mehrprodukt-Fließproduktion verwendet. Aufgrund der modellendogenen Bestimmung der Reihenfolge wirken sich unvorhergesehene Planänderungen im Produktionsablauf jedoch erheblich auf den erstellten Produktionsplan aus,
83 84 85 86 87 88 89
Vgl. Sürie und Stadtler (2003), S. 1040ff. Vgl. Kimms (1996a, 1997). Vgl. Kimms (1996b). Vgl. Stammen-Hegener (2002). Vgl. Grünert (1998) sowie Abschnitt 3.4 auf S. 36ff. Vgl. Billington et al. (1983) sowie Abschnitt 3.2 auf S. 19ff. Vgl. Sürie und Stadtler (2003) sowie Abschnitt 3.3 auf S. 26ff. Anstelle von Linked Lotsizes wird in der englischsprachigen Literatur häufig auch die Erweiterung Setup Carry-over verwendet (vgl. Gopalakrishnan et al. (1995, 2001) sowie Sox und Gao (1999)).
18
2 Einordnung und Klassifizierung von Problemen der Losgrößenplanung
sodass in den meisten Fällen eine Neuplanung unausweichlich ist. Daher sind die Modelle für die Werkstattfertigung eher ungeeignet.90 Bei den Big-Bucket-Modellen werden nur die Produktionsmengen für die einzelnen Perioden ermittelt. Die Reihenfolge der Bearbeitung der Produktionsaufträge auf den Ressourcen innerhalb der Perioden wird erst in einem nachfolgenden Planungsschritt bestimmt. Der Vorteil bei diesen Modellformulierungen liegt darin, dass die Reihenfolge der Produkte in einer Periode zunächst flexibel ist und somit die ermittelten Produktionspläne robuster gegenüber Veränderungen sind. In solchen Modellen ist es möglich, einen Teil der Produktionskapazität für spätere Planänderungen aufgrund von Eilaufträgen oder Maschinenausfällen zu reservieren.91 Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf mehrstufigen Big-BucketModellen, die für die besonders schwer zu beherrschenden Werkstattproduktionssysteme benötigt werden.
90 91
Vgl. Tempelmeier (2008), S. 188. Vgl. Helber (1994), S. 166.
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen 3.1 Überblick Der Fokus dieses Kapitels liegt auf Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen. Zunächst werden im Abschnitt 3.2 Modellannahmen sowie eine mathematische Standardmodellformulierung für das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen (MLCLSP) basierend auf Produktions- und Lagermengen eingeführt. Eine Erweiterung des MLCLSP um die Möglichkeit des Erhalts des Rüstzustands in nachfolgende Perioden (MLCLSP-L) wird im Abschnitt 3.3 beschrieben. Im Abschnitt 3.3.1 wird die Standardmodellformulierung für das MLCLSP um die Möglichkeit der einfachen Rüstübertragung erweitert. Darüber hinaus berücksichtigt eine zweite Modellformulierung den Fall der mehrfachen Rüstübertragung im Abschnitt 3.3.2. Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen und reihenfolgeabhängigen Rüstzeiten und -kosten (MLCLSD) wird im Abschnitt 3.4 eingeführt. Den Abschluss bilden Anmerkungen zur Komplexität des MLCLSP im Abschnitt 3.5.
3.2 Ausgangspunkt: Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen (MLCLSP) 3.2.1 Modellannahmen Beim MLCLSP wird die Planung von Produktionsmengen (Losgrößen) für mehrere Produktarten über einen endlichen Planungszeitraum betrachtet.92 Dabei werden die folgenden Modellannahmen unterstellt:93 Der Planungszeitraum ist in T diskrete Perioden (t = 1, . . . , T ) unterteilt. Die Herstellung der K Produkte 92 93
Vgl. z. B. Billington et al. (1983), S. 1131 und Stadtler (2003), S. 488ff. Vgl. z. B. Küpper und Helber (2004), S. 193ff. sowie Tempelmeier (2008), S. 229ff.
20
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
(k = 1, . . . , K) erfolgt auf M nichtidentischen Ressourcen (m = 1, . . . , M) mit begrenzten Kapazitäten. Eine oder mehrere Maschineneinheiten, z. B. gleichartige Maschinen oder Arbeitskräfte, werden zu einer Ressource aggregiert. Für jedes Produkt k existiert eine eindeutige Zuordnung zu einer Ressource m. In der Menge Km sind die Produkte k enthalten, die auf Maschine m gefertigt werden. Die Fertigung von Produkt k ∈ Km erfolgt ausschließlich auf dieser Ressource m. Daher kann ein Produkt k auch als Ergebnis eines abgeschlossenen Arbeitsgangs auf einer Ressource angesehen werden. In Periode t steht eine Kapazität cpmt auf Ressource m zur Verfügung. Diese kann durch den Einsatz von Überstunden in jeder Periode erhöht werden. Der Einsatz von Überstunden wird mit Kosten ocm je Zeiteinheit (ZE) bewertet.94 Über die Normalkapazität gibt es bereits eine übergeordnete Entscheidung. Daher können die für die Normalkapazität erforderlichen Kosten als Fixkosten betrachtet werden, die somit im hier betrachteten Entscheidungsfeld nicht entscheidungsrelevant sind. Für die Herstellung einer Mengeneinheit (ME) von Produkt k wird eine Bearbeitungszeit t pk berücksichtigt. Für die Fertigung von Produkt k in Periode t ist ein Rüstvorgang erforderlich, der unabhängig von der Produktionsmenge fixe Rüstkosten sck verursacht und eine Rüstzeit tsk auf der Ressource erfordert.95 Die anfallenden Rüstzeiten und -kosten sind unabhängig von der Reihenfolge der Fertigung innerhalb der Periode. Ein Rüstzustand für das Produkt k in Periode t geht am Ende der Periode t verloren. Somit ist ein Erhalt des Rüstzustands über die Periodengrenze hinaus beim MLCLSP auch dann nicht möglich, wenn ein Produkt k in zwei aufeinanderfolgenden Perioden produziert wird. Das MLCLSP gehört zu der Klasse der Big-Bucket-Modelle, da die Anzahl der zu fertigenden Produktarten innerhalb einer Periode nur durch die Produktanzahl beschränkt ist.96 Für Produkt k ist in Periode t ein Primärbedarf dkt gegeben. Dieser kann im Zeitablauf schwanken und ist ohne Fehlmengen in der jeweiligen Periode t zu erfüllen. Um die Nachfrage in späteren Perioden erfüllen zu können, besteht die Möglichkeit, die Produkte zu lagern.97 Für die Lagerung einer ME von Produkt k fallen Lagerkosten hck je Periode an. Die Produktionskosten werden über den gesamten Planungshorizont als konstant angenommen und sind somit nicht entscheidungsrelevant, da die gesamte Nachfrage zu erfüllen ist.98 94 95
96 97 98
Diese Kosten können auch als Strafkosten angesehen werden. Aufgrund der eindeutigen Zuordnung der Produkte auf die Ressourcen kann auf eine zusätzliche Indizierung, bezogen auf die Ressourcen bei den Bearbeitungs-, Rüstzeiten und -kosten, verzichtet werden. Vgl. Abschnitt 2.4 auf S. 14ff. Voraussetzung dafür ist die Lagerfähigkeit der Produkte. Vgl. Abschnitt 2.3 auf S. 14.
3.2 Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen
21
Input- und Outputbeziehungen zwischen zwei Erzeugnissen k und i werden durch den Direktbedarfskoeffizienten aki dargestellt. Dieser gibt die Anzahl der Mengeneinheiten von Produkt k an, die zur Fertigung einer Einheit seines Nachfolgerprodukts i ∈ Nk benötigt werden. Die Input- und Outputbeziehungen führen zu einem abgeleiteten Sekundärbedarf für die Komponenten. Dieser muss ebenfalls rechtzeitig zur Verfügung stehen, um eine Herstellung der nachgelagerten Produkte zu gewährleisten. Beim MLCLSP wird auf die simultane Bestimmung eines Maschinenbelegungsplans verzichtet. Vielmehr steht die Bestimmung eines zulässigen Produktionsplans im Vordergrund, der sich in einem anschließenden Planungsschritt in einen durchführbaren Maschinenbelegungsplan disaggregieren lässt. Aus diesem Grund wird für jedes Produkt k eine Vorlaufverschiebung vpk berücksichtigt. Somit ist sichergestellt, dass die Komponenten rechtzeitig für die Herstellung nachgelagerter Produkte zur Verfügung stehen.99 Anhand eines Beispiels wird im Folgenden die Problematik aufgezeigt, wenn in Modellen der mehrstufigen Losgrößenplanung keine Vorlaufverschiebung berücksichtigt wird. Das Beispiel basiert auf der in Abbildung 3.1 dargestellten seriellen Erzeugnisstruktur für drei Produkte und zwei Ressourcen. Für die Fertigung einer ME eines übergeordneten Produkts wird jeweils eine ME des jeweiligen Vorprodukts benötigt (a32 = a21 = 1). Die Komponente 3 und das Endprodukt 1 werden auf der Ressource A und das Zwischenprodukt 2 auf der Ressource B gefertigt. Für das Produkt 1 ist in Periode 3 eine Nachfrage von einer ME zu erfüllen. Eine Nachfrage nach Vorprodukten besteht nicht. Die Kapazität der Ressource A reicht in einer Periode aus, um sowohl eine ME von Produkt 1 als auch eine ME von Produkt 3 zu fertigen. Mit der Herstellung einer ME von Produkt 2 ist die Kapazität der Ressource B in einer Periode vollständig aufgebraucht. Für das Beispiel werden zwei Fälle untersucht. Im Fall 1 wird keine Vorlaufverschiebung berücksichtigt (vpk = 0). Im zweiten Fall wird für die Vorprodukte 2 und 3 jeweils eine Vorlaufverschiebung von einer Periode betrachtet (vpk = 1). Im Fall 1 ist der in Abbildung 3.1 dargestellte Produktionsplan bezogen auf die Kapazitätsbeschränkungen zulässig. Die Fertigung der drei Produkte erfolgt in Periode 3, um unnötige Lagerkosten einzusparen. Der ermittelte Produktionsplan lässt sich allerdings nicht in einen zulässigen Maschinenbelegungsplan disaggregieren. Zum einen steht das Vorprodukt 3 nicht rechtzeitig für die Herstellung von Produkt 2 zur Verfügung. Zum anderen kann auch das Produkt 1 noch nicht
99
Vgl. Derstroff (1995), S. 28f. und Buschkühl et al. (2008), S. 5.
22
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
Fall 1: Vorlaufverschiebung vpk=0 (unzulässiger Maschinenbelegungsplan) A
3
1
1 B
2 Periode 1
Periode 2
Periode 3
2
Fall 2: Vorlaufverschiebung vpk=1 (zulässiger Maschinenbelegungsplan)
B
A
3
1
3 A
B
2 Periode 1
Periode 2
Periode 3
Abb. 3.1: Zusammenhang zwischen einer Vorlaufverschiebung und der Disaggregationsfähigkeit in einen zulässigen Maschinenbelegungsplan
hergestellt werden, da die Produktion von Produkt 2 auf Ressource B noch nicht abgeschlossen ist. Dieses Problem lässt sich vermeiden, indem eine Vorlaufverschiebung von einer Periode für die Produkte 2 und 3 berücksichtigt wird (vpk = 1). Der ermittelte Produktionsplan im Fall 2 ist wiederum bezogen auf die verfügbare Kapazität zulässig. Zunächst wird eine ME von Produkt 3 auf Ressource A in Periode 1 gefertigt. In Periode 2 wird diese zur Fertigung von Produkt 2 an die Ressource B weitergegeben. Abschließend kann in Periode 3 das Produkt 1 auf Ressource A gefertigt werden. Dieser Produktionsplan kann in einen zulässigen Maschinenbelegungsplan disaggregiert werden, da alle Vorprodukte rechtzeitig für die Herstellung der nachfolgenden Produkte zur Verfügung stehen. Bei einer Vorlaufverschiebung von einer Periode (vpk = 1) entspricht die planungsinduzierte Durchlaufzeit vom Beginn der Fertigung bis zur Fertigstellung eines Produkts k der Anzahl der zu durchlaufenden Fertigungsstufen in Perioden. Aus diesem Grund ist die planungsinduzierte Durchlaufzeit abhängig von der gewählten Periodendauer. Eine geringe Durchlaufzeit geht daher einher mit einer geringen Periodendauer.100 Als Zielsetzung wird die Minimierung der Gesamtkosten verfolgt. Diese setzen sich aus Lager-, Rüst- und Überstundenkosten zusammen. In der Modellformulie100 Vgl. Helber (1994), S. 18.
3.2 Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen
23
rung wird für die Produktionsmenge von Produkt k in Periode t die Entscheidungsvariable QPkt verwendet. Den Lagerbestand von Produkt k am Ende der Periode t beschreibt die Variable Ykt . Mit der Variable Omt werden die Überstunden auf der Ressource m in Periode t bezeichnet. Ein Rüstzustand für Produkt k in Periode t wird mit der binären Rüstzustandsvariable γkt beschrieben, wobei γkt =
1, 0,
wenn für Produkt k in Periode t gerüstet ist sonst
(3.1)
gilt. Um einen Rüstzustand auf einer Ressource zu erlangen, ist ein Rüstvorgang erforderlich. Durch diesen Rüstvorgang fallen Rüstzeiten und Rüstkosten an. Die Rüstzustandsvariable γkt nimmt immer den Wert 1 an, wenn ein Rüstvorgang für Produkt k in Periode t erfolgt. Dies ist beim MLCLSP erforderlich, da der Rüstzustand am Ende einer Periode verloren geht. Aufgrund der eindeutigen Zuordnung der Produkte zu den Ressourcen kann bei den Produktionsmengen QPkt sowie bei den binären Rüstzustandsvariablen γkt auf eine zusätzliche Indizierung für die Ressourcen verzichtet werden.
3.2.2 Standardmodellformulierung auf Basis von Produktionsund Lagermengen Das MLCLSP kann mit der Notation aus Tabelle 3.1 folgendermaßen mathematisch modelliert werden: Modell MLCLSP:101 min Z =
∑ ∑ (hck ·Ykt + sck · γkt ) + ∑ ∑ ocm · Omt
k∈K t∈T
(3.2)
m∈M t∈T
unter Beachtung der Restriktionen Yk,t−1 + QPk,t−vpk −
∑
k∈Km
∑ aki · QPit −Ykt = dkt
i∈Nk
(t pk · QPkt + tsk · γkt ) ≤ cpmt + Omt
QPkt ≤ bkt · γkt
101 Vgl. Billington et al. (1983), S. 1131 und Stadtler (2003), S. 488ff.
∀ k,t
(3.3)
∀ m,t
(3.4)
∀ k,t
(3.5)
24
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
Tab. 3.1: Verwendete Notation für das MLCLSP
Indizes und Indexmengen k, i ∈ K Menge der Produkte, K = {1, . . . , K} m∈M Menge der Ressourcen, M = {1, . . . , M} t, τ ∈ T Menge der Perioden, T = {1, . . . , T } Menge der Produkte, die auf Ressource m gefertigt werden Km Nk Menge der direkten Nachfolger von Produkt k Parameter aki bkt cpmt dkt dktn hck ocm sck t pk tsk vpk ϒkt
Direktbedarfskoeffizient bezüglich Produkt k und Produkt i hinreichend große Zahl für Produkt k in Periode t verfügbare Kapazität auf Ressource m in Periode t Primärbedarf nach Produkt k in Periode t Nettonachfrage nach Produkt k in Periode t Lagerkostensatz für eine ME von Produkt k je Periode Kostensatz für eine Überstunde auf Ressource m Rüstkostensatz von Produkt k Stückbearbeitungszeit von Produkt k Rüstzeit von Produkt k Vorlaufverschiebung von Produkt k disponibler Lagerbestand von Produkt k in Periode t
Entscheidungsvariablen Überstunden auf Ressource m in Periode t Omt QPkt Produktionsmenge (Losgröße) von Produkt k in Periode t Ykt Lagerbestand von Produkt k am Ende von Periode t binäre Rüstzustandsvariable für Produkt k in Periode t γkt
Yk0 , YkT gegeben
∀k
(3.6)
Omt , QPkt ,Ykt ≥ 0
∀ k, m,t
(3.7)
∀ k,t
(3.8)
γkt ∈ {0, 1}
3.2 Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen
25
Die Zielfunktion (3.2) fordert die Minimierung der Gesamtkosten, bestehend aus Lager-, Rüst- und Überstundenkosten über den gesamten Planungszeitraum. Mit Hilfe der Lagerbilanzgleichungen (3.3) wird sichergestellt, dass sowohl der Primärbedarf dkt als auch der Sekundärbedarf ∑i∈Nk aki · QPit für Produkt k in Periode t vollständig erfüllt wird. Fehlmengen und Nachlieferungen sind nicht zulässig. Zusätzlich ist für Produkt k die Vorlaufverschiebung vpk zu berücksichtigen. Die Kapazitätsrestriktionen (3.4) stellen sicher, dass die Beanspruchung der Ressource m durch Produktions- und Rüstzeiten der gefertigten Produkte die vorhandene Kapazität cpmt in Periode t nicht übersteigt. Wenn die Normalkapazität in einer Periode nicht ausreicht, kann diese durch den Einsatz von Überstunden Omt erhöht werden. Die Nebenbedingungen (3.5) verknüpfen die reellwertigen Variablen für die Produktionsmengen QPkt mit den binären Rüstzustandsvariablen γkt . Wenn Produkt k in Periode t gefertigt wird (QPkt > 0), ist ein Rüstvorgang erforderlich, durch den Rüstzeiten und -kosten anfallen. In diesem Fall nimmt die zugehörige Rüstzustandsvariable γkt den Wert 1 an. Für die Modellierung wird eine hinreichend große Zahl bkt verwendet. Der Wert für den Parameter bkt ist so klein wie möglich zu wählen,102 da ein möglichst kleiner Wert für den Parameter bkt zu einer möglichst großen unteren Schranke für die LP-Relaxation103 führt. Auf diese Weise lässt sich die Rechenzeit bei einem Branch&Bound-Verfahren104 erheblich reduzieren. Der Wert des Parameters bkt darf allerdings den zulässigen Bereich für die Produktionsmenge QPkt für Produkt k in Periode t nicht einschränken. Der hinreichend große Parameter bkt entspricht der Gesamtnettonachfrage für Produkt k von der Periode t bis zum Ende des Planungshorizonts T , sodass bkt =
T
∑ dkτn
τ=t
∀ k,t
(3.9)
gilt.105 Die periodenspezifische Nettonachfrage dktn für Produkt k in Periode t enthält den Primärbedarf sowie den Sekundärbedarf für die Produktion der direkt nachfolgenden Produkte. Bei der Bestimmung der Nettonachfrage dktn ist der mit den Bedingungen (3.6) exogen vorgegebene Lageranfangsbestand Yk0 für das Produkt k zu berücksichtigen. Beginnend mit den Endprodukten kann entlang der Er102 Vgl. Stadtler (1996a), S. 563. 103 Zum Begriff der LP-Relaxation vgl. u. a. Domschke und Drexl (2007), S. 136f. sowie Abschnitt 4.3.1 auf S. 49ff. 104 Für eine Beschreibung des Branch&Bound-Verfahrens vgl. u. a. Land und Doig (1960) sowie Abschnitt 4.3.1 auf S. 49ff. 105 Vgl. z. B. Stadtler (1996a), S. 563f.
26
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
zeugnisstruktur die Nettonachfrage dktn in Periode t rekursiv für jedes Produkt k bestimmt werden, wobei
dktn
= max 0, dk,t+vpk +
∑
i∈Nk
n aki · di,t+vp k
− ϒk,t−1
∀ k,t
(3.10)
ist. Bei der Berechnung ist jeweils der disponible Lagerbestand ϒk,t−1 von Produkt k aus der Vorperiode t − 1 zu berücksichtigen. Dieser ist folgendermaßen definiert:106 ϒkt = max 0, ϒk,t−1 − dk,t+vpk −
∑
i∈Nk
n aki · di,t+vp k
mit ϒk0 = Yk0 .
Der Lageranfangsbestand Yk0 sowie der Lagerendbestand YkT sind mit den Bedingungen (3.6) exogen vorgegeben. Den Abschluss der Modellformulierung für das MLCLSP bilden die Nichtnegativitätsbedingungen (3.7) sowie die Binärbedingungen (3.8).
3.3 Erweiterung der Standardmodellformulierung um die Möglichkeit der Rüstübertragung (MLCLSP-L) 3.3.1 Modellformulierung mit einfacher Rüstübertragung Beim MLCLSP sollte für jede Komponente eine Vorlaufverschiebung von mindestens einer Periode berücksichtigt werden.107 Dadurch lässt sich eine zulässige Lösung in Form eines aggregierten Produktionsplans mit periodenbezogenen Produktionsmengen bei der anschließenden Ressourceneinsatzplanung immer in einen zulässigen Maschinenbelegungsplan disaggregieren. Bei einer Vorlaufverschiebung von je einer Periode (vpk = 1) entspricht die minimale planungsinduzierte Durchlaufzeit eines Produkts k vom Beginn der Fertigung bis zur Fertigstellung des Endprodukts der Anzahl der zu durchlaufenden Fertigungsstufen in Perioden. Die planungsinduzierte Durchlaufzeit hängt damit von der Periodenlänge ab.108 106 Vgl. Stadtler (1996a), S. 563. 107 Vgl. zur Erläuterung das Beispiel im Abschnitt 3.2.1 auf S. 21f. 108 Vgl. Helber (1994), S. 18.
3.3 Erweiterung um die Möglichkeit der Rüstübertragung (MLCLSP-L)
27
Um diese Durchlaufzeit zu reduzieren, sollte die Periodenlänge möglichst kurz gewählt werden. Für den Fall, dass die Periodenlänge zu kurz gewählt wird, kann jedoch nur eine geringe Zahl an Produkten innerhalb einer Periode gefertigt werden. Dies kann dazu führen, dass die Produktion eines Produkts in nachfolgenden Perioden fortgesetzt werden muss. Obwohl die Fertigung in der nachfolgenden Periode ohne neuen Rüstvorgang weitergeführt werden könnte, wird die Fortsetzung der Fertigung bei der Modellformulierung für das MLCLSP als Anlass für einen zusätzlichen Rüstvorgang interpretiert. Der Grund liegt darin, dass die Reihenfolge der Produkte innerhalb einer Periode nicht bestimmt wird. Somit ist auch nicht bekannt, welches Produkt am Anfang bzw. am Ende einer Periode gefertigt wird. Folglich werden häufig zum einen die tatsächlich erforderlichen Rüstkosten und zum anderen der Kapazitätsbedarf überschätzt. Dieses Problem wird mit der nachfolgenden Modellvariante behoben. Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen und Erhalt des Rüstzustands (MLCLSP-L)109 ist eine Erweiterung des MLCLSP und basiert auf dem einstufigen Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen und Erhalt des Rüstzustands (CLSP-L, engl.: Capacitated Lotsizing Problem with Linked Lotsizes) von Haase (1994). In dieser Modellformulierung ist eine partielle Reihenfolgeplanung integriert, da in allen Perioden jeweils das erste und letzte zu fertigende Produkt einer Ressource bestimmt wird.110 Aufgrund der partiellen Reihenfolgeplanung ist eine Aggregation von mehreren (parallelen) Maschineneinheiten zu einer Ressource111 beim MLCLSP-L nicht mehr möglich. Die eindeutige Zuordnung der Produkte auf die Maschinen bleibt allerdings erhalten. Diese Modellformulierung erlaubt die Aufrechterhaltung eines Rüstzustands in der nachfolgenden Periode ohne zusätzliche Rüstzeiten und -kosten, was zu effizienteren Rüstmustern und kürzeren Plandurchlaufzeiten führt. Zusätzlich können aufgrund der realistischeren Betrachtung der Rüstvorgänge häufig auch dann zulässige Produktionspläne bestimmt werden, wenn die Standardmodellformulierung für das MLCLSP an der Erstellung eines zulässigen Produktionsplans scheitert. Dies kann vor allem bei hohen Maschinenauslastungen der Fall sein. Zur Modellierung einer Rüstübertragung wird zusätzlich die Binärvariable ωkt für Produkt k in Periode t eingeführt. Mit dieser wird eine Rüstübertragung für Produkt k von der Periode t − 1 in die Periode t dargestellt. Die Rüstübertragungs109 Vgl. Sürie und Stadtler (2003) sowie Buschkühl (2008). 110 Eine erste Modellformulierung mit Erhalt des Rüstzustands in nachfolgende Perioden beschreiben Dillenberger et al. (1993, 1994). Bei dieser Formulierung wird jedoch die Möglichkeit der Lagerung und somit der bei Losgrößenproblemen bestehende Zielkonflikt zwischen Lager- und Rüstkosten vernachlässigt. 111 Vgl. Abschnitt 3.2.1 auf S. 20.
28
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
variable ωkt ist definiert als ωkt =
⎧ ⎨ 1, ⎩
0,
wenn der Rüstzustand von Produkt k von Periode t − 1 in Periode t übertragen wird sonst.
(3.11)
Wenn die Rüstübertragungsvariable ωkt den Wert 1 annimmt, ist für Produkt k am Anfang der Periode t auf der entsprechenden Maschine m gerüstet. In diesem Fall wird der Rüstzustand aus der Vorperiode t − 1 für dieses Produkt übertragen. Auf einer Maschine m kann höchstens der Rüstzustand für ein Produkt k in eine nachfolgende Periode übertragen werden. Bei einer Rüstübertragung fallen in der neuen Periode weder Rüstkosten noch -zeiten für das Produkt an, da diese bereits in der vorherigen Periode berücksichtigt wurden. Ein Rüstzustand für ein Produkt k kann auch dann von Periode t − 1 in die nachfolgende Periode t übertragen werden, wenn das Produkt k nicht in Periode t − 1 gefertigt wird. Die restliche Kapazität am Ende der Periode t − 1 wird dafür verwendet, um für dieses Produkt zu rüsten. Der Rüstvorgang muss allerdings am Ende einer Periode abgeschlossen sein.112 Bei dem Erhalt des Rüstzustands kann zwischen der einfachen und mehrfachen Rüstübertragung unterschieden werden. Im ersten Fall kann eine Rüstübertragung nur dann erfolgen, wenn ein Rüstvorgang in der vorherigen Periode durchgeführt wurde (einfache Rüstübertragung). Im zweiten Fall kann ein Rüstzustand auch dann übertragen werden, wenn dieser bereits aus einer weiter zurückliegenden Periode übernommen wurde (mehrfache Rüstübertragung).113 Damit ist jedoch ein zusätzlicher Rüstvorgang für ein anderes Produkt auf der gleichen Ressource in dieser Periode unzulässig. Beim MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung kann auf einer Maschine m ein Rüstzustand für jeweils ein Produkt k ∈ Km aus Periode t − 1 in der nachfolgenden Periode t erhalten bleiben. Dies ist nur dann möglich, wenn für Produkt k in Periode t − 1 gerüstet wurde. Für die Erfassung eines Rüstvorgangs wird neben der Rüstzustandsvariable γkt aus (3.1) zusätzlich auf die Rüstübertragungsvariable ωkt aus (3.11) zurückgegriffen. Ein Rüstvorgang für Produkt k in Periode t erfolgt dann, wenn in Periode t für das Produkt k gerüstet ist (γkt = 1) und der Rüstzustand für dieses Produkt nicht in Periode t übertragen wurde (ωkt = 0). Somit lässt sich ein Rüstvorgang für Produkt k in Periode t durch die Differenz aus der Rüstzustandsvariable γkt und der Rüstübertragungsvariable ωkt darstellen, da in diesem Fall γkt − ωkt = 1 gilt. 112 Vgl. Tempelmeier (2008), S. 170. 113 Für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung wird im Abschnitt 3.3.2 auf S. 31ff. eine Modellformulierung vorgestellt.
3.3 Erweiterung um die Möglichkeit der Rüstübertragung (MLCLSP-L)
29
Mit der zusätzlichen Entscheidungsvariable ωkt aus Tabelle 3.2 kann das MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung folgendermaßen mathematisch modelliert werden: Tab. 3.2: Zusätzliche Entscheidungsvariable für das MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung
Entscheidungsvariable binäre Rüstübertragungsvariable für Produkt k in Periode t ωkt Modell MLCLSP-L:114 min Z =
∑ ∑ (hck ·Ykt + sck · (γkt − ωkt )) + ∑ ∑ ocm · Omt
k∈K t∈T
(3.12)
m∈M t∈T
unter Beachtung der Restriktionen Yk,t−1 + QPk,t−vpk −
∑
∀ k,t
(3.13)
∀ m,t
(3.14)
∀ k,t
(3.15)
∀ m,t
(3.16)
ωkt ≤ γk,t−1 − ωk,t−1
∀ k,t
(3.17)
ωkt ≤ γkt
∀ k,t
(3.18)
∀k
(3.19)
∑
i∈Nk
aki · QPit −Ykt = dkt
t pk · QPkt + tsk · (γkt − ωkt ) ≤ cpmt + Omt
k∈Km
QPkt ≤ bkt · γkt
∑
ωkt ≤ 1
k∈Km
Yk0 , YkT gegeben
114 Vgl. für das CLSP-L Haase (1998), S. 130f. sowie für das MLCLSP-L Tempelmeier und Buschkühl (2009), S. 387ff.
30
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
ωk1 = 0 Omt , QPkt , Ykt ≥ 0 γkt , ωkt ∈ {0, 1}
∀k
(3.20)
∀ k, m,t
(3.21)
∀ k,t
(3.22)
In der Zielfunktion (3.12) werden im Gegensatz zur Zielfunktion (3.2) für das MLCLSP nur dann Rüstkosten sck berücksichtigt, wenn für Produkt k in Periode t gerüstet wird und somit γkt − ωkt = 1 gilt. Bei einer Rüstübertragung für Produkt k in Periode t fallen in Periode t keine weiteren Rüstkosten an (ωkt = 1), da aufgrund der Restriktionen (3.18) die Binärvariable γkt den Wert 1 annimmt. Die Lagerbilanzgleichungen (3.13) müssen nicht angepasst werden. Bei den Kapazitätsrestriktionen (3.14) treten ähnliche Änderungen wie bei der Zielfunktion (3.12) auf. Hier fallen für Produkt k in Periode t nur dann Rüstzeiten tsk an, wenn für dieses Produkt in Periode t ein Rüstvorgang durchgeführt wird (γkt − ωkt = 1). Bleibt dagegen ein Rüstzustand aus der vorherigen Periode t − 1 erhalten (ωkt = 1), müssen die Rüstzeiten nicht berücksichtigt werden, da auf der entsprechenden Maschine bereits für dieses Produkt gerüstet wurde (γkt − ωkt = 0). Die Nebenbedingungen (3.15) stellen sicher, dass eine Produktion von Produkt k in Periode t nur dann möglich ist (QPkt > 0), wenn für dieses Produkt auch gerüstet ist (γkt = 1). Dem MLCLSP-L werden im Vergleich zur Standardmodellformulierung des MLCLSP die Nebenbedingungen (3.16) bis (3.18) hinzugefügt. Die Nebenbedingungen (3.16) bewirken, dass auf Maschine m in Periode t höchstens der Rüstzustand für ein Produkt k ∈ Km erhalten bleibt. Die Restriktionen (3.17) verbieten eine mehrfache Rüstübertragung in nachfolgende Perioden. Ein Erhalt des Rüstzustands für Produkt k aus der Vorperiode t − 1 in die nachfolgende Periode t ist nur dann zulässig, wenn in der Vorperiode t − 1 ein Rüstvorgang durchgeführt wurde (γk,t−1 − ωk,t−1 = 1). Mit Hilfe der Nebenbedingungen (3.18) wird sichergestellt, dass ein Rüstzustand (γkt = 1) für Produkt k in Periode t erhalten bleibt, wenn dieser aus der Vorperiode übernommen wird (ωkt = 1). Die Restriktionen (3.19) geben den Lageranfangs- und Lagerendbestand exogen vor. Mit den Nebenbedingungen (3.20) wird festgelegt, dass zu Beginn des Planungshorizonts auf den Maschinen für kein Produkt k gerüstet ist. Den Abschluss der Modellformulierung für das MLCLSP-L bilden die Nichtnegativitätsbedingungen (3.21) sowie die Binärbedingungen (3.22).
3.3 Erweiterung um die Möglichkeit der Rüstübertragung (MLCLSP-L)
31
3.3.2 Modellformulierung mit mehrfacher Rüstübertragung Bei der mehrfachen Rüstübertragung kann ein Rüstzustand nicht nur in der Folgeperiode, sondern auch in weiteren nachfolgenden Perioden erhalten bleiben. Im letzten Fall sind auf der entsprechenden Maschine keine weiteren Rüstaktivitäten in diesen Perioden möglich. Für die Modellformulierung des MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung sind im Vergleich zum MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung zusätzliche Variablen und Nebenbedingungen notwendig. Für die Modellierung wird eine binäre Hilfsvariable νmt verwendet, wobei νmt =
⎧ ⎨ 1, ⎩
0,
falls kein Rüstvorgang auf der Maschine m in Periode t erfolgt sonst
(3.23)
gilt.115 Sobald auf einer Maschine m für mindestens ein Produkt in Periode t gerüstet wird, nimmt die Variable νmt den Wert 0 an. Die Variable νmt nimmt dagegen den Wert 1 an, wenn auf der Maschine m nur das Produkt gefertigt wird, dessen Rüstzustand aus der Vorperiode übernommen wurde.116 Mit der zusätzlichen Notation aus Tabelle 3.3 kann das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung folgendermaßen mathematisch modelliert werden: Tab. 3.3: Zusätzliche Entscheidungsvariable für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung
Entscheidungsvariable νmt Hilfsvariable für Maschine m in Periode t Modell MLCLSP-L:117 (3.12) – (3.16) und (3.18) – (3.22) ωkt ≤ γk,t−1
∀ k,t
(3.24)
115 Vgl. Haase (1994), S. 18ff. sowie Sürie und Stadtler (2003), S. 1043. 116 Obwohl die Hilfsvariable νmt nur die Werte 0 oder 1 annehmen kann, ist es nicht notwendig, diese Variable als Binärvariable zu definieren (vgl. Sürie und Stadtler (2003), S. 1043). 117 Vgl. für das CLSP-L Haase (1994), S. 18ff. und für das MLCLSP-L Sürie und Stadtler (2003), S. 1043 sowie Buschkühl (2008), S. 82.
32
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
ωkt + ωk,t+1 ≤ 1 + νmt
∀ m, k ∈ Km ,t
(3.25)
γkt − ωkt + νmt ≤ 1
∀ m, k ∈ Km ,t
(3.26)
∀ m,t
(3.27)
νmt ≥ 0
Für die Modellformulierung des MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung können die Nebenbedingungen (3.12) bis (3.22) mit Ausnahme der Restriktionen (3.17) vollständig übernommen werden. Die Nebenbedingungen (3.17) werden durch die Restriktionen (3.24) ersetzt. Durch die Restriktionen (3.24) ist eine Rüstübertragung für Produkt k in Periode t auch dann möglich, wenn in der vorherigen Periode t − 1 für dieses Produkt gerüstet ist. Somit ist im Gegensatz zur einfachen Rüstübertragung nicht zwangsläufig ein Rüstvorgang für das Produkt in der Vorperiode erforderlich. Vielmehr kann der Rüstzustand bereits aus einer weiter zurückliegenden Periode übernommen worden sein (ωk,t−1 = 1), da in diesem Fall auch die Rüstzustandsvariable γk,t−1 aufgrund der Nebenbedingungen (3.18) den Wert 1 annimmt. Mit den Restriktionen (3.25) wird sichergestellt, dass ein Erhalt des Rüstzustands von Periode t − 1 bis in Periode t + 1 nur dann zulässig ist, wenn in Periode t auf der entsprechenden Maschine m keine weiteren Rüstaktivitäten für andere Produkte durchgeführt werden (νmt = 1). Sobald in Periode t auf Maschine m für ein anderes Produkt i gerüstet wird (γit = 1, mit i ∈ Km ), nimmt die Variable νmt aufgrund der Nebenbedingungen (3.26) den Wert 0 an. Somit ist eine mehrfache Rüstübertragung für Produkt k ausgeschlossen. In diesem Fall kann jedoch der Rüstzustand für ein anderes Produkt auf dieser Maschine in die Folgeperiode übertragen werden. Den Abschluss bilden die Nichtnegativitätsbedingungen (3.27).
3.3.3 Unterschiede zum MLCLSP Anhand des folgenden Beispiels werden die Unterschiede zwischen dem MLCLSP und dem MLCLSP-L mit einfacher bzw. mehrfacher Rüstübertragung aufgezeigt. Hier wird eine Maschine betrachtet, auf der drei Produkte über vier Perioden produziert werden. In jeder Periode t steht auf der Maschine eine Kapazität cpt in Höhe von 150 ZE zur Verfügung. Diese kann durch den Einsatz von Überstunden erweitert werden. Die Überstundenkosten oc für eine ZE betragen 100 Geldeinheiten (GE). In der Tabelle 3.4 sind der Bedarf dkt sowie die Lagerkosten hck ,
3.3 Erweiterung um die Möglichkeit der Rüstübertragung (MLCLSP-L)
33
Tab. 3.4: Gegebene Parameterwerte für ein Beispiel mit drei Produkten und vier Perioden
k \t 1 2 3
1 30 50 40
2 − 100 40
3 − 140 −
4 20 30 80
hck 1 1 1
sck 10 10 10
t pk 1 1 1
tsk 10 10 10
Rüstkosten sck , Bearbeitungszeiten t pk und Rüstzeiten tsk für die Produkte gegeben. Auf der Grundlage der Modellannahmen für das MLCLSP entsprechen die Produktionsmengen QPkt für Produkt k in Periode t in der optimalen Lösung den entsprechenden Nachfragemengen dkt . Dieser optimale Produktionsplan lässt sich in einen Maschinenbelegungsplan disaggregieren. Ein möglicher Maschinenbelegungsplan ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Periode 1
1
Periode 2
2
3
3
verfügbare Kapazität cp1
Periode 3
2 verfügbare Kapazität cp2
Periode 4
2 verfügbare Kapazität cp3
2
1
3
verfügbare Kapazität cp4
einzuplanender Rüstvorgang
Abb. 3.2: Maschinenbelegungsplan für das Beispiel auf der Basis der Modellannahmen für das MLCLSP
In diesem Fall ist für jedes Produkt in jeder Periode mit einer positiven Produktionsmenge QPkt ein Rüstvorgang erforderlich. Dadurch fallen insgesamt Rüstkosten in Höhe von 90 GE an. In Periode 2 und Periode 4 reicht die vorhandene Kapazität auf der Maschine nicht aus. In diesen Perioden werden zusätzlich jeweils 10 Überstunden benötigt. Die Gesamtkosten für diesen Produktionsplan betragen somit 2.090 GE.
34
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
Die Lösung des beschriebenen Beispiels unter Berücksichtigung der Modellannahmen für das MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung führt zu einem identischen Produktionsplan bezogen auf die Produktionsmengen. Der Rüstzustand kann allerdings hier für ein Produkt k in der direkt nachfolgenden Periode erhalten bleiben. Einen zulässigen Maschinenbelegungsplan auf der Basis der Modellannahmen des MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung skizziert die Abbildung 3.3. Periode 1
1
Periode 2
2
3
3
2
verfügbare Kapazität cp1
Periode 3
verfügbare Kapazität cp2
Periode 4
2 verfügbare Kapazität cp3
3
2
1
verfügbare Kapazität cp4
einzuplanender Rüstvorgang
Abb. 3.3: Maschinenbelegungsplan für das Beispiel auf der Basis der Modellannahmen für das MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung
In Periode 1 wird Produkt 3 zuletzt gefertigt, aus diesem Grund kann der Rüstzustand für dieses Produkt in Periode 2 übernommen werden und die Produktion in dieser Periode fortgeführt werden. Anschließend wird das Produkt 2 in Periode 2 gefertigt. Der Rüstzustand dieses Produkts kann in der Periode 3 aufrechterhalten werden. Dadurch können zwei Rüstvorgänge sowie die Überstunden in Periode 2 eingespart werden. Der Rüstzustand für Produkt 2 kann nicht in Periode 4 übertragen werden, da dieser bereits aus der vorherigen Periode stammt und jeder Rüstzustand höchstens einmal in eine nachfolgende Periode übernommen werden darf. Vielmehr kann die restliche Kapazität in Periode 3 nach der Fertigung von Produkt 2 genutzt werden, indem bereits am Ende dieser Periode auf das Produkt 3 gerüstet wird, ohne dieses Produkt jedoch in dieser Periode zu produzieren.118 Der Rüstzustand kann dann in die folgende Periode übertragen werden. Dadurch fallen in Periode 4 auch keine Überstunden mehr an. Die gesamten Rüstkosten betragen 118 Da die Rüstzeiten und -kosten für das Produkt 1 und 3 identisch sind, ist alternativ auch ein Rüstvorgang für Produkt 1 am Ende der Periode 3 einplanbar. In diesem Fall ändert sich nur die dargestellte Produktionsreihenfolge in Periode 4.
3.3 Erweiterung um die Möglichkeit der Rüstübertragung (MLCLSP-L)
35
somit 70 GE und die Überstunden können im Vergleich zur Lösung des MLCLSP vollständig eingespart werden. Die Gesamtkosten entsprechen somit den Rüstkosten in Höhe von 70 GE. Wenn alternativ die restliche Kapazität der Maschine in Periode 3 für eine vorgezogene Produktion von Produkt 2 verwendet wird, kommen zusätzlich zu den Rüstkosten noch Lagerkosten in Höhe von 10 GE hinzu. Daher wird auf eine vorgezogene Fertigung von Produkt 2 in Periode 3 verzichtet. Bei der Möglichkeit der mehrfachen Rüstübertragung entsprechen die Produktionsmengen ebenfalls der Nachfrage. In diesem Fall kann ein Rüstzustand für ein Produkt auch über mehrere Periodengrenzen hinaus erhalten bleiben, falls auf der entsprechenden Ressource zwischenzeitlich kein weiteres Produkt gefertigt wird. Somit lässt sich aus dem optimalen Produktionsplan der in Abbildung 3.4 dargestellte Maschinenbelegungsplan erzeugen. Periode 1
1
Periode 2
2
3
3
verfügbare Kapazität cp1
Periode 3
2 verfügbare Kapazität cp2
Periode 4
2 verfügbare Kapazität cp3
2
1
3
verfügbare Kapazität cp4
einzuplanender Rüstvorgang
Abb. 3.4: Maschinenbelegungsplan für das Beispiel auf der Basis der Modellannahmen für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung
Für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung kann der Rüstzustand von Produkt 2 von Periode 2 bis Periode 4 erhalten bleiben. Damit lassen sich ein weiterer Rüstvorgang und somit auch Rüstkosten in Höhe von 10 GE einsparen, da kein zusätzlicher Rüstvorgang für Produkt 2 in Periode 4 erforderlich ist. Die zu berücksichtigenden Rüstkosten lassen sich daher auf 60 GE senken. Dies entspricht den Gesamtkosten, da keine Überstunden anfallen. Auch in diesem Fall könnte die restliche Kapazität in Periode 3 für eine vorgezogene Fertigung von Produkt 2 genutzt werden. Dadurch werden jedoch Lagerkosten verursacht, weshalb auch hier auf eine vorzeitige Produktion verzichtet wird.
36
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
3.4 Das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsrestriktionen und reihenfolgeabhängigen Rüstkosten (MLCLSD) Das mehrstufige Losgrößenproblem mit beschränkten Kapazitäten und reihenfolgeabhängigen Rüstkosten (MLCLSD)119 ist eine Erweiterung des von Haase (1996) eingeführten einstufigen Losgrößenproblems mit Kapazitätsrestriktionen und reihenfolgeabhängigen Rüstkosten (CLSD, engl.: Capacitated Lotsizing Problem with Sequence Dependent Setup Costs). Zusätzlich zu den bereits bekannten Modellannahmen vom MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung werden beim MLCLSD reihenfolgeabhängige Rüstkosten und -zeiten unterstellt. Beim MLCLSD handelt es sich im Gegensatz zum MLCLSP-L nicht mehr um ein partielles Reihenfolgeproblem, bei dem jeweils nur das erste und letzte Produkt einer Periode auf jeder Maschine identifiziert wird. Vielmehr wird die Produktionsreihenfolge vollständig bestimmt und somit auch gleichzeitig ein zulässiger Maschinenbelegungsplan ermittelt. Bei der Modellierung des MLCLSD wird für die Bestimmung der Reihenfolge auf einen Teil der Modellformulierung des Handlungsreisendenproblems (TSP, engl.: Traveling Salesman Problem)120 zurückgegriffen. Für die Bestimmung der Rüstreihenfolge werden zunächst binäre Rüstvariablen δikt definiert: δikt =
⎧ ⎨ 1, ⎩
0,
wenn in Periode t ein Rüstvorgang von Produkt i auf Produkt k erfolgt sonst.
(3.28)
Aufgrund der Reihenfolgeabhängigkeit der Rüstvorgänge ist eine Anpassung einiger der bereits vom MLCLSP-L bekannten Restriktionen notwendig. Außerdem sind die Rüstzeiten tsik und die Rüstkosten scik für Produkt k abhängig vom zuvor gefertigten Produkt i. Des Weiteren wird eine Hilfsvariable πkt benötigt, mit der die Produktionsreihenfolge innerhalb einer Periode auf der jeweiligen Maschine bestimmt werden kann. Mit Hilfe der Variablen δikt und πkt lässt sich die Position von Produkt k in der Rüstfolge in Periode t ableiten.121 Eine Rüstübertragung in nachfolgende Perioden ist ebenfalls zulässig. Beim MLCLSD muss auch, wie beim MLCLSP-L, ein Rüstvorgang am Ende einer Pe119 Dieses Modell wird von Grünert (1998) auch als Multi-Level Sequence Dependent Lotsizing and Scheduling Problem (MSLS) bezeichnet. 120 Eine Modellformulierung für das TSP befindet sich im Abschnitt 7.4 auf S. 141f. Siehe u. a. auch Domschke (1997), S. 104ff. 121 Vgl. Tempelmeier (2008), S. 176.
3.4 Erweiterung um reihenfolgeabhängige Rüstkosten (MLCLSD)
37
riode abgeschlossen sein.122 Zur Abbildung einer Rüstübertragung werden weiterhin die binären Rüstübertragungsvariablen ωkt aus (3.11) verwendet. Darüber k für jedes Produkt k bekannt. hinaus ist der Anfangsrüstzustand ω Mit der zusätzlichen Notation aus Tabelle 3.5 lässt sich das MLCLSD folgendermaßen mathematisch modellieren: Tab. 3.5: Ergänzende Notation für das MLCLSD
Parameter Rüstkostensatz für einen Rüstvorgang von Produkt i auf Produkt k scik tsik Rüstzeit für einen Rüstvorgang von Produkt i auf Produkt k k ω Anfangsrüstzustand von Produkt k Entscheidungsvariablen δikt binäre Rüstvariable von Produkt i auf Produkt k in Periode t Position von Produkt k in der Rüstfolge der Periode t πkt Modell MLCLSD:123
min Z =
∑∑
hck ·Ykt + ∑ scik · δikt
k∈K t∈T
i∈K
+
∑ ∑ ocm · Omt
(3.29)
m∈M t∈T
unter Beachtung der Restriktionen Yk,t−1 + QPk,t−vpk −
∑ aki · QPit −Ykt = dkt
i∈Nk
∑
k∈Km
+
∑
tsik · δikt
≤ cpmt + Omt
∀ m,t
(3.31)
∀ k,t
(3.32)
∀t, m
(3.33)
i∈Km
∑
(3.30)
t pk · QPkt
QPkt ≤ bkt ·
∀ k,t
∑ δikt + ωkt
i∈K
ωkt = 1
k∈Km
122 Vgl. Abschnitt 3.3.1 auf. S. 28. 123 Vgl. Haase (1996), S. 53f. für das CLSD und Grünert (1998), S. 52ff. für das MLCLSD.
38
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
ωkt + ∑ δikt −
∑ δk jt = ωk,t+1
∀ k,t
(3.34)
∀t, m, i ∈ Km , k ∈ Km mit k = i
(3.35)
Yk0 , YkT gegeben
∀k
(3.36)
k ωk1 = ω
∀k
(3.37)
∀ k, m,t
(3.38)
∀ i, k,t
(3.39)
i∈K
j∈K
πkt ≥ πit + 1 − |Km | · (1 − δikt )
Omt , QPkt , Ykt , πkt ≥ 0
δikt , ωkt ∈ {0, 1}
Die Zielfunktion (3.29) minimiert die anfallenden Gesamtkosten, bestehend aus Lager-, Rüst- und Überstundenkosten. Zur Bestimmung der reihenfolgeabhängigen Rüstkosten eines Produkts wird zusätzlich noch das zuvor gefertigte Produkt betrachtet. Die Lagerbilanzgleichungen (3.30) bleiben im Vergleich zum MLCLSP unverändert. Bei den Kapazitätsrestriktionen (3.31) ist wie bei der Zielfunktion ebenfalls das Vorgängerprodukt zur Bestimmung der Rüstzeiten von Produkt k zu berücksichtigen. Die Restriktionen (3.5) verknüpfen die binären Rüstvariablen δikt mit den Produktionsmengen QPkt . Eine Produktion von Produkt k in Periode t ist allerdings nur dann möglich (QPkt > 0), wenn von einem anderen Produkt i auf Produkt k gerüstet wird (∑i δikt = 1) oder der Rüstzustand dieses Produkts aus der Vorperiode übernommen wird (ωkt = 1). Die Nebenbedingungen (3.33) erlauben für ein Produkt k ∈ Km auf Maschine m einen Erhalt des Rüstzustands in Periode t. Die Nebenbedingungen (3.34) stellen Flussbedingungen dar. Mit Hilfe dieser Nebenbedingungen lässt sich der Rüstzustand für Produkt k zu Beginn der Periode t + 1 ableiten. Ein Rüstzustand für Produkt k kann in die nachfolgende Periode t + 1 übertragen werden (ωk,t+1 = 1), wenn 1. der Rüstzustand bereits aus der Periode t − 1 übernommen wurde (ωkt = 1) oder
3.4 Erweiterung um reihenfolgeabhängige Rüstkosten (MLCLSD)
39
2. in der Periode t von einem anderen Produkt i auf dieses Produkt k gerüstet wird (δikt = 1). In beiden Fällen darf kein Rüstvorgang ausgehend von Produkt k auf ein anderes Produkt j erfolgen (δk jt = 0). Die sog. Subtour-Eliminationsbedingungen (3.35)124 verbieten eine Rückkehr zu einem Produkt innerhalb einer Rüstsequenz in Periode t. Zusätzlich kann mit diesen Bedingungen die Rüstreihenfolge mit Hilfe der Variablen πkt bestimmt werden, in der die Produkte innerhalb einer Periode gefertigt werden. Wenn in Periode t von Produkt i auf ein anderes Produkt k gerüstet wird (δikt = 1), so gilt πkt ≥ πit + 1 aufgrund der Nebenbedingungen (3.35). Wenn kein Rüstvorgang von Produkt i auf ein anderes Produkt k in Periode t erfolgt (δikt = 0), ist die Nebenbedingung (3.35) immer erfüllt. Die Funktion der Subtour-Eliminationsbedingungen (3.35) wird anhand eines kleinen Beispiels in Abbildung 3.5 mit drei Produkten und zwei Perioden verdeutlicht. Periode 1
Periode 2
2 verfügbare Kapazität b1
2
1
3
verfügbare Kapazität b2
einzuplanender Rüstvorgang
Abb. 3.5: Beispiel zur Erläuterung der Subtour-Eliminationsbedingungen beim MLCLSD mit drei Produkten und zwei Perioden
In Periode 1 wird ausschließlich Produkt 2 gefertigt. Der Rüstzustand bleibt zu Beginn der Periode 2 erhalten und die Fertigung von Produkt 2 wird fortgesetzt (ω22 = 1). Anschließend wird auf das Produkt 1 gerüstet (δ212 = 1) und von diesem Produkt erfolgt ein Rüstvorgang auf das Produkt 3 (δ132 = 1). Dieses Produkt wird bis zum Ende der Periode 2 gefertigt. Da das Produkt 2 in Periode 2 zuerst gefertigt wird, nimmt die Ausprägung für die Hilfsvariable π22 den Wert 1 an. Aufgrund der Nebenbedingungen (3.35) muss π12 ≥ π22 + 1 eingehalten werden, da δ212 = 1 gilt. Aus diesem Grund nimmt die Hilfsvariable π12 den Wert 2 an. Analog muss π32 ≥ π12 + 1 wegen δ132 = 1 gelten, sodass π32 den Wert 3 annimmt. Da kein Rüstvorgang von Produkt 2 auf das 124 Vgl. Tempelmeier (2008), S. 176. Die Problematik der Subtouren beim TSP wird z. B. ausführlich in Domschke (1997), S. 105ff. sowie in Suhl und Mellouli (2006), S. 244f. behandelt.
40
3 Modellformulierungen für mehrstufige Losgrößenprobleme
Produkt 3 in dieser Periode erfolgt (δ232 = 0), ist auch in diesem Fall die Nebenbedingung (3.35) erfüllt, da mit |Km | = 3 immer ein hinreichend großer Zahlenwert abgezogen wird. Darüber hinaus schließen diese Nebenbedingungen einen Rüstvorgang zurück auf das Produkt 2 aus. Sollte beispielsweise von Produkt 1 wieder auf das Produkt 2 gerüstet werden (δ122 = 1), so müsste π22 ≥ π12 + 1 gelten. Dies führt allerdings zu einem Widerspruch, da bereits π12 ≥ π22 + 1 gilt. Somit kann in jeder Periode für jedes Produkt maximal einmal gerüstet sein. Dies ist entweder aufgrund eines Rüstvorgangs oder aufgrund einer Rüstübertragung möglich. Den Lageranfangs- und Lagerendbestand geben die Bedingungen (3.36) exogen k für Produkt k zu vor. Mit den Restriktionen (3.37) ist der Anfangsrüstzustand ω Beginn der ersten Periode gegeben. Abschließend folgen die Nichtnegativitätsbedingungen (3.38) sowie die Binärbedingungen (3.39) für das MLCLSD.
3.5 Komplexität mehrstufiger Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen Florian et al. (1980) zeigen, dass das CLSP bereits im Einproduktfall N Pschwer125 ist. Aus diesem Grund existiert kein Algorithmus, mit dem das CLSP mit polynomialem Zeitaufwand exakt gelöst werden kann. Darüber hinaus zeigen Trigeiro et al. (1989) für den Fall positiver Rüstzeiten (tsk > 0), dass bereits der Nachweis der Existenz einer zulässigen Lösung ohne Überstunden für das CLSP N P-vollständig126 ist. Dafür verweisen Trigeiro et al. (1989) auf das Verpackungsproblem (engl.: Bin-Packing-Problem)127 als Spezialfall des CLSP mit Rüstzeiten.128 Das MLCLSP sowie das MLCLSP-L lassen sich unter Vernachlässigung einiger Variablen und Parameter ebenfalls auf das CLSP reduzieren, sodass beide Problemstellungen ebenfalls N P-schwer sind.129 Das MLCLSD stellt eine Kombination aus MLCLSP und TSP dar. Da sowohl das TSP130 als auch das MLCLSP N P-schwer sind, ist das MLCLSD ebenfalls N P-schwer. Aufgrund der Annahme eines unbeschränkt zulässigen Einsatzes von Überstunden ist bei der in dieser Arbeit verwendeten Modellformulierung für das MLCLSP 125 Für den Begriff N P-schwer siehe u. a. Domschke und Drexl (2007), S. 126f. 126 Vgl. zum Begriff der N P-Vollständigkeit Garey und Johnson (1979), S. 17ff. sowie Goddard (2008), S. 187f. 127 Vgl. z. B. de Carvalho (2002). 128 Siehe Garey und Johnson (1979), S. 124ff. für den Beweis der N P-Vollständigkeit des Verpackungsproblems. 129 Vgl. Maes et al. (1991), S. 134ff. 130 Vgl. Johnson und Papadimitriou (1985).
3.5 Komplexität mehrstufiger Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen
41
mit Überstunden immer die Existenz einer mathematisch zulässigen Lösung gewährleistet. Analog zur Modellierung mit Überstunden ist auch eine Modellierung mit Fehlmengen denkbar, um immer eine mathematisch zulässige Lösung für das MLCLSP zu gewährleisten.131 Der Nachweis der Existenz einer mathematisch zulässigen Lösung für die vorgestellten Modellformulierungen ist dann allerdings nicht mehr N P-vollständig. Die Überstundenvariablen Omt lassen sich auch als Schlupfvariablen interpretieren. Soll der Überstundeneinsatz weitestgehend vermieden werden, so wird dieser mit sehr hohen Strafkosten ocm bewertet. Die hier gewählte Formulierung erweist sich für den in dieser Arbeit entwickelten Lösungsansatz als zweckmäßig, wie der weitere Gang der Untersuchung zeigen wird.
131 Vgl. z. B. Aksen et al. (2003) sowie Absi und Kedad-Sidhoum (2008).
4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen 4.1 Überblick Basierend auf der Klassifizierung von Lösungsansätzen nach Buschkühl et al. (2008) werden in diesem Kapitel Algorithmen zur Lösung des MLCLSP, (ML)CLSP-L sowie Erweiterungen vorgestellt. Zunächst wird die Klassifizierung im Abschnitt 4.2 näher beschrieben. Dieser Klassifizierung folgend werden im Abschnitt 4.3.1 Lösungsansätze erläutert, die auf exakten mathematischen Verfahren basieren. Im Abschnitt 4.3.2 liegt der Schwerpunkt auf Lagrange-Heuristiken. Danach werden im Abschnitt 4.3.3 Dekompositions- und Aggregationsansätze, im Abschnitt 4.3.4 Metaheuristiken und im Abschnitt 4.3.5 problemspezifische Greedy-Heuristiken132 beschrieben. Zum Abschluss werden Kritikpunkte für die vorgestellten Algorithmen im Abschnitt 4.4 aufgezeigt.
4.2 Klassifizierungsschema für die Lösungsansätze Für dynamische Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen werden in der Literatur zahlreiche Modellformulierungen133 und Lösungsansätze vorgestellt. Eine große Autorenzahl gibt daher einen umfassenden Überblick über diese Lösungsansätze und Modellformulierungen. So untersuchen Bahl et al. (1987) ein- und mehrstufige Losgrößenprobleme mit und ohne Kapazitätsbeschränkungen. Maes und van Wassenhove (1988) vergleichen Heuristiken insbesondere zur Lösung des CLSP. Gupta und Keung (1990) betrachten ein- und mehrstufige Losgrößenprobleme ohne Kapazitätsbeschränkungen. Salomon et al. (1991) konzentrieren sich auf dynamische Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen und Algorithmen zur Lösung dieser Probleme. Bei Wolsey (1995) und Brahimi et al. (2006) liegt der 132 Das Wort Heuristik stammt vom griechischen Verb heuriskein, welches im Deutschen mit finden übersetzt werden kann (vgl. Blum und Roli (2003), S. 270). 133 Vgl. Abschnitt 2.4 auf S. 14ff.
44
4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
Schwerpunkt auf Einprodukt-Losgrößenproblemen. Drexl und Kimms (1997) geben einen umfassenden Überblick über Modellformulierungen für Losgrößen- und Reihenfolgeprobleme. Metaheuristiken zur Lösung von Losgrößen- und Reihenfolgeproblemen untersuchen Staggemeier und Clark (2001) sowie Jans und Degraeve (2007). Einen Überblick über Losgrößenprobleme mit Kapazitätsbeschränkungen geben Karimi et al. (2003) sowie Quadt und Kuhn (2008). Darüber hinaus stellen Quadt und Kuhn (2008) zahlreiche Erweiterungen für das CLSP vor. Buschkühl et al. (2008) klassifizieren Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme mit Kapazitätsbeschränkungen und richten den Fokus insbesondere auf Ansätze zur Lösung des CLSP, MLCLSP und CLSP-L. Zunächst werden die in der Literatur beschriebenen Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen klassifiziert. Dazu wird die von Buschkühl et al. (2008) vorgestellte Klassifizierung verwendet. Dieser Klassifizierung folgend werden die Algorithmen in fünf Klassen gruppiert, welche noch weiter unterteilt werden können, wie in Abbildung 4.1 dargestellt.134 Ein großer Teil dieser Lösungsansätze basiert auf Verfahren der mathematischen Programmierung (MP), die im weiteren Verlauf dieser Arbeit als MP-basierte Verfahren bezeichnet werden. Diese Lösungsansätze lassen sich im Gegensatz zu problemspezifischen Heuristiken135 häufig ohne größeren Aufwand auf Modellerweiterungen oder -modifikationen anwenden. Bei diesen Ansätzen wird zwischen exakten Verfahren und Heuristiken unterschieden. Für mathematisch exakte Verfahren lässt sich die Konvergenz gegen ein existierendes Optimum beweisen. Häufig ist die Bestimmung der optimalen Lösung jedoch mit sehr hohem Rechenaufwand verbunden.136 Diese exakten Verfahren bilden die Grundlage für MPbasierte Heuristiken. Diese versuchen, in kurzer Zeit eine gute und möglichst zulässige Lösung in der Nähe des Optimums zu bestimmen, indem nur Teile des Lösungsraums untersucht werden. In Tabelle 4.1 sind MP-basierte Verfahren zur Lösung des MLCLSP und Erweiterungen dargestellt.137 Die zweite Klasse bilden die Lagrange-Heuristiken. Diese iterativen Lösungsverfahren basieren auf der sog. Lagrange-Relaxation. Bei dieser werden kritische Nebenbedingungen eines Problems relaxiert betrachtet. Dazu werden diese mit den sog. Lagrange-Multiplikatoren bewertet und in der Zielfunktion aufgenommen. Somit sind diese Restriktionen nicht mehr im System der Nebenbedingungen enthalten. Die Lagrange-Multiplikatoren können als Strafkosten interpretiert werden, mit denen eine Verletzung der Nebenbedingungen in der Zielfunktion be134 135 136 137
Vgl. Buschkühl et al. (2008), S. 8. Vgl. z. B. Abschnitt 4.3.3 auf S. 59ff. und Abschnitt 4.3.5 auf S. 65ff. Vgl. Domschke und Drexl (2007), S. 127. Eine Beschreibung dieser Ansätze erfolgt im Abschnitt 4.3.1 auf S. 49ff.
4.2 Klassifizierungsschema für die Lösungsansätze
45
Dekompositions-/ AggregationsHeuristiken
Metaheuristiken
Problemspez. GreedyHeuristiken
Branch&BoundHeuristiken
Produktbezogene Heuristiken
Nachbarschaftssuchverfahren
Eröffnungsverfahren
Reformulierungen
Zeitbezogene Heuristiken
MP-basierte Verfahren
LagrangeHeuristiken
Lokale Suchverfahren
Verbesserungsverfahren
Verfahren der simulierten Abkühlung
Zulässige Ungleichungen
Fixierungs- & RelaxierungsHeuristiken
Rundungsheuristiken
Tabu-SuchVerfahren
Populationsbasierte Ansätze
Genetische Algorithmen
Memetische Algorithmen
LP-basierte Ansätze
Ameisenalgorithmen
Abb. 4.1: Klassifizierung von Lösungsansätzen für dynamische Losgrößenprobleme (vgl. Buschkühl et al. (2008), S. 8)
wertet wird. Die Lösung der Lagrange-Relaxation stellt eine neue untere Schranke für das Ausgangsproblem dar. Anschließend wird daraus mit Hilfe einer problemspezifischen Heuristik eine neue zulässige Lösung konstruiert, die als neue obere Schranke für das Ausgangsproblem dient. Zum Abschluss einer Iteration werden die Lagrange-Multiplikatoren aktualisiert. Die Tabelle 4.2 gibt einen Überblick über Lagrange-Heuristiken zur Lösung des MLCLSP und seiner Varianten.138 Die dritte Gruppe umfasst die Dekompositions- und Aggregationsansätze. Die Grundidee der Dekompositions- und Aggregationsansätze besteht darin, die Problemgröße des Ausgangsproblems zu reduzieren. So wird bei den Dekompositionsansätzen das Originalproblem zunächst in kleinere Unterprobleme unterteilt, die jeweils unabhängig voneinander gelöst werden. Nach der Lösung dieser Un138 Diese Ansätze werden im Abschnitt 4.3.2 auf S. 57ff. genauer beschrieben.
46
4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
Tab. 4.1: Übersicht der MP-basierten Lösungsansätze (vgl. Buschkühl et al. (2008), S. 9f.) Referenz Modell FORM REL LA Akartunalı und Miller (2009) MLCLSP STD LP RH,F&R,ZU Almada-Lobo et al. (2007) CLSD STD ZU Belvaux und Wolsey (2000) MLCLSP STD LPR ZU Belvaux und Wolsey (2001) MLCLSP STD LPR ZU Billington et al. (1986) MLCLSP STD LR B&B Clark und Armentano (1995) MLCLSP STD LPR ZU Dillenberger et al. (1993) CLSP-L STD LPR F&R Dillenberger et al. (1994) CLSP-L STD LPR F&R Förster et al. (2006) MLCLSD STD LPR F&R Harrison und Lewis (1996) MLCLSP STD – LPB Katok et al. (1998) MLCLSP STD – LPB Haase und Kimms (2000) CLSD STD LPR B&B Kuik et al. (1993) MLCLSP SPL LPR RH Maes et al. (1991) MLCLSP SPL LPR RH Pochet und Wolsey (1991) MLCLSP STD LPR ZU Rossi (2005) MLCLSP STD LPR F&R Salomon (1991) MLCLSP SPL LPR RH Stadtler (1996a) MLCLSP STD,SPL,SR LPR B&B Stadtler (1997) MLCLSP SR LPR B&B Stadtler (2003) MLCLSP SPL LPR F&R Sürie und Stadtler (2003) (ML)CLSP-L SPL LPR ZU,B&C,C&B Tempelmeier und Helber (1994) MLCLSP SR LPR B&B Abkürzungen FORM Modellformulierung (STD = Standardmodellformulierung, SPL = Standortproblem-Formulierung, SR = Kürzeste-Wege-Formulierung) REL Relaxation (LPR = LP-Relaxation, LR = Lagrange-Relaxation) LA Lösungsansatz (B&B = Branch&Bound-Verfahren, B&C = Branch&Cut-Verfahren, C&B = Cut&Branch-Verfahren, F&R = Fix&Relax-Heuristik, LPB = LP-basierter Lösungsansatz, RH = Rundungsheuristik, ZU = Zulässige Ungleichungen)
terprobleme werden dessen Ergebnisse zu einer zulässigen Gesamtlösung zusammengefügt. Bei den Aggregationsansätzen wird der Detaillierungsgrad des Ausgangsproblems verringert. Beispielsweise können alle Produkte einer Dispositionsstufe zu einer Produktgruppe zusammengefasst und das vereinfachte Problem gelöst werden. Die so bestimmte Lösung wird im Anschluss zu einer zulässigen Lösung für das Ausgangsproblem disaggregiert. Die Tabelle 4.3 zeigt Dekompositions- und Aggregationsansätze zur Lösung des MLCLSP und Erweiterungen auf.139 In der vierten Klasse folgen die metaheuristischen Lösungsansätze. Als Metaheuristik140 wird eine allgemeine Strategie zur Steuerung des Optimierungspro139 Die Dekompositions- und Aggregationsansätze werden im Abschnitt 4.3.3 auf S. 59ff. näher vorgestellt. 140 Der Begriff Metaheuristik wurde von Glover (1986) eingeführt. Dieser setzt sich aus dem griechischen Wort Heuristik und der Präposition meta zusammen (vgl. Blum und Roli (2003), S. 270).
4.2 Klassifizierungsschema für die Lösungsansätze
47
Tab. 4.2: Übersicht der Lagrange-Heuristiken (vgl. Buschkühl et al. (2008), S. 15) Referenz Modell RelR SUB Buschkühl (2008) MLCLSP-L Kap, Lag SLULSP-L Chen und Chu (2003) MLCLSP Bin lin. MLCLSP Grünert (1998) MLCLSD Lag, RfR SLULSP, SRP Moorkanat (2000) MLCLSP Kap, Lag SLULSP Özdamar und Barbarosoglu (1999) MLCLSP Kap, Lag M(S)LULSP Özdamar und Barbarosoglu (2000) MLCLSP Kap, Lag M(S)LULSP Sox und Gao (1999) CLSP-L Kap, RüR SLULSP-L Tempelmeier und Buschkühl (2009) MLCLSP-L Kap, Lag SLULSP-L Tempelmeier und Derstroff (1993) MLCLSP Kap, Lag SLULSP Tempelmeier und Derstroff (1996) MLCLSP Kap, Lag SLULSP Abkürzungen RelR Relaxierte Restriktionen (Bin = Binärbedingung der Rüstvariablen, Kap = Kapazitätsrestriktion, Lag = Lagerbilanzgleichung, RfR = Reihenfolgerestriktionen, RüR = Restriktionen für die Rüstübertragung) SUB Gelöstes Unterproblem (lin. MLCLSP = MLCLSP ohne Binärbedingungen, SLULSP-L = SLULSP mit Rüstübertragung, SRP = Kürzeste-Wege-Problem)
zesses bezeichnet.141 Dabei sollen kombinatorische Optimierungsprobleme möglichst flexibel gelöst werden. Zu den Metaheuristiken zählen Nachbarschaftssuchverfahren142 sowie populationsbasierte Verfahren. In der Tabelle 4.4 sind metaheuristische Ansätze zur Lösung des MLCLSP und CLSP-L dargestellt.143
Tab. 4.3: Übersicht der Dekompositions- und Aggregationsansätze (vgl. Buschkühl et al. (2008), S. 18) Referenz Modell Blackburn und Millen (1984) MLCLSP Boctor und Poulin (2005) MLCLSP Bourjolly et al. (2001) CLSP-L Helber (1994) MLCLSP Helber (1995) MLCLSP Tempelmeier und Helber (1994) MLCLSP Abkürzungen LA Lösungsansatz (AGK = Produktbezogener Aggregationsansatz, positionsansatz, DKT = Zeitbezogener Dekompositionsansatz) SUB Gelöstes Unterproblem
LA DKK AGK DKT DKK DKK DKK
SUB SLULSP CLSP CLSP CLSP CLSP CLSP
DKK = Produktbezogener Dekom-
141 Vgl. Suhl und Mellouli (2006), S. 12. 142 In der englischsprachigen Literatur werden Nachbarschaftssuchverfahren auch als TrajectoryMethoden bezeichnet (vgl. Blum und Roli (2003), S. 272). 143 Eine Auswahl dieser Verfahren wird im Abschnitt 4.3.4 auf S. 60ff. näher erläutert.
48
4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
Tab. 4.4: Übersicht der metaheuristischen Ansätze (vgl. Buschkühl et al. (2008), S. 21) Referenz Modell NSV PBV Barbarosoglu und Özdamar (2000) MLCLSP SA Berretta und Rodrigues (2004) MLCLSP MA Berretta et al. (2005) MLCLSP SA,TS Chen und Chu (2003) MLCLSP LS Gopalakrishnan et al. (2001) CLSP-L TS Gutierrez et al. (2001) MLCLSP GA Haase (1994) CLSP-L LS Haase (1996) CLSD LS Haase (1998) CLSP-L LS Helber (1994) MLCLSP SA,TS GA Helber (1995) MLCLSP SA,TS GA Hung und Chien (2000) MLCLSP SA,TS GA Kuik et al. (1993) MLCLSP SA,TS Özdamar und Barbarosoglu (2000) MLCLSP SA Özdamar und Bozyel (2000) MLCLSP SA Pitakaso et al. (2006) MLCLSP ACO Salomon (1991) MLCLSP SA,TS Salomon et al. (1993) MLCLSP SA,TS Xie und Dong (2002) MLCLSP GA Abkürzungen NSV Nachbarschaftssuchverfahren (LS = Lokales Suchverfahren, SA = Verfahren der simulierten Abkühlung, TS = Tabu-Suchverfahren) PBV Populationsbasierte Verfahren (ACO = Ameisenalgorithmus, GA = Genetischer Algorithmus, MA = Memetischer Algorithmus)
Der letzten Gruppe sind die problemspezifischen Greedy-Heuristiken zugeordnet. Bei diesen Verfahren wird zwischen Eröffnungsverfahren und Verbesserungsverfahren unterschieden. Bei den Eröffnungsverfahren wird zunächst eine Startlösung generiert. Bei den Verbesserungsverfahren wird dagegen versucht, eine gegebene Lösung iterativ zu verbessern. Die Tabelle 4.5 gibt einen Überblick über problemspezifische GreedyHeuristiken zur Lösung des MLCLSP und CLSP-L.144 Häufig werden unterschiedliche Ideen dieser Ansätze miteinander kombiniert, sodass sich einige Ansätze selbst auf der obersten Ebene nicht eindeutig einer Klasse zuordnen lassen.145
144 Die problemspezifischen Greedy-Heuristiken werden im Abschnitt 4.3.5 auf S. 65ff. näher erläutert. 145 Vgl. Buschkühl et al. (2008), S. 27.
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
49
Tab. 4.5: Übersicht der problemspezifischen Greedy-Heuristiken (vgl. Buschkühl et al. (2008), S. 24) Referenz Modell GH Clark und Armentano (1995) MLCLSP VV (WW) França et al. (1997) MLCLSP VV (WW) Gupta und Magnusson (2005) CLSP-L EV, VV Abkürzungen GH Art der problemspezifischen Greedy-Heuristik (EV = Eröffnungsverfahren, VV = ren, WW = Wagner-Whitin-Verfahren) DIR Richtung der Greedy-Heuristik (RW = rückwärts, VW = vorwärts)
DIR VW, RW RW, VW VW Verbesserungsverfah-
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme mit Kapazitätsrestriktionen 4.3.1 Mathematische Programmierungsansätze Das Branch&Bound-Verfahren (B&B)146 gehört zu der Klasse der exakten mathematischen Verfahren. Mit diesem Verfahren kann eine optimale Lösung bestimmt werden, sofern eine solche existiert. Allerdings steigt der benötigte Rechenaufwand zur Lösung kombinatorischer Optimierungsprobleme mit zunehmender Modellgröße exponentiell an.147 Dieser Lösungsansatz148 besteht aus zwei Teilen, dem Branching und dem Bounding. Beim Branching wird mit Hilfe eines Entscheidungsbaums der Lösungsraum systematisch in disjunkte Teilprobleme unterteilt. Dazu werden die Binärvariablen innerhalb eines Teilproblems entweder auf 0 oder 1 fixiert. Anschließend wird beim Bounding für das neuentstandene Teilproblem eine neue untere Schranke bestimmt, indem das Teilproblem relaxiert gelöst wird. Zur Relaxierung eines Teilproblems werden häufig zwei Vorgehensweisen verwendet, die LP-Relaxation149 und die Lagrange-Relaxation150 . Bei der LPRelaxation werden die Ganzzahligkeitsbedingungen für gemischt-ganzzahlige Optimierungsprobleme vernachlässigt, indem die relaxierten Binärvariablen reelle Werte im Intervall zwischen 0 und 1 annehmen dürfen.151 Die LagrangeRelaxation wird im Abschnitt 4.3.2 genauer beschrieben. 146 Vgl. Land und Doig (1960). 147 Vgl. Domschke und Drexl (2007), S. 126f. 148 Eine ausführliche Beschreibung des B&B-Verfahrens befindet sich z. B. in Land und Doig (1960), Taha (2003), S. 373ff. sowie Domschke und Drexl (2007), S. 133ff. 149 Die Abkürzung entstammt dem Ausdruck der Linearen Programmierung (LP). 150 Vgl. Abschnitt 4.3.2 auf S. 57 sowie u. a. Geoffrion (1974). 151 Vgl. Domschke und Drexl (2007), S. 136f.
50
4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
Eine zulässige Lösung eines Teilproblems stellt bei einem Minimierungsproblem eine obere Schranke für das Ausgangsproblem dar. Sobald die untere Schranke eines Teilproblems einen größeren Wert als die derzeit beste obere Schranke annimmt, wird dieses Teilproblem von weiteren Betrachtungen ausgeschlossen. Das Verfahren endet mit der optimalen Lösung, sofern diese existiert.152 Aus einem B&B-Verfahren kann sehr einfach eine Heuristik konstruiert werden, indem das B&B-Verfahren nach einem gegebenen Zeitlimit abgebrochen wird. Alternativ kann dieses Verfahren abgebrochen werden, wenn eine vorher festgelegte relative Abweichung zwischen der besten bekannten Lösung und der unteren Schranke erreicht ist. Die bestimmte Lösung kann als Startlösung für eine anschließende Verbesserungsheuristik dienen.153 Billington et al. (1986) beschreiben ein B&B-Verfahren zur Lösung des MLCLSP basierend auf der Lagrange-Relaxation. Ein B&B-Verfahren zur Lösung des CLSD stellen Haase und Kimms (2000) vor. Dazu werden vorab effiziente Rüstsequenzen bestimmt. Beginnend in der letzten Periode wird für jede Periode eine Rüstsequenz ausgewählt und so eine Lösung für das CLSD generiert. Die LP-Relaxation der Standardmodellformulierung für das MLCLSP liefert äußerst schwache untere Schranken.154 Dies ist ein Grund dafür, dass die Bestimmung des Optimums bereits für kleinere Probleme mit dem B&B-Verfahren zu einem sehr hohen Zeitaufwand führt. Die Güte der unteren Schranke ist abhängig von der Wahl des hinreichend großen Parameters bkt in den Nebenbedingungen (3.5).155 Je größer der Wert für bkt gewählt wird, desto mehr Rechenzeit vergeht im Allgemeinen bis zur Konvergenz der unteren und oberen Schranke. Daher werden in der Literatur weitere Modellformulierungen156 für das MLCLSP vorgestellt, bei denen ein Teil der Entscheidungsvariablen, z. B. die Variablen für die Produktionsmengen, neu definiert wird. Numerische Untersuchungen haben gezeigt, dass die auf diesem Wege verbesserten unteren Schranken der LP-Relaxation die Effizienz des B&B-Verfahrens signifikant steigern.157 Die beiden bekanntesten Formulierungen für das MLCLSP lassen sich analog zum Kürzeste-Wege-Problem (SR, engl.: Shortest Route Problem) sowie zum Standortproblem (SPL, engl.: Simple Plant Location Problem) modellieren. 152 Vgl. Domschke und Drexl (2007), S. 133ff. Bei einem Maximierungsproblem stellt eine zulässige Lösung eine untere Schranke sowie eine relaxierte Lösung eine obere Schranke für das Ausgangsproblem dar (vgl. Taha (2003), S. 373ff.). 153 Vgl. Abschnitt 4.3.5 auf S. 65ff. 154 Vgl. z. B. Stadtler (1996a), S. 574ff. 155 Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 23. 156 Vgl. z. B. Tempelmeier und Helber (1994) sowie Stadtler (1996a, 1997). 157 Vgl. Stadtler (1996a), S. 574ff.
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
51
Der Zielfunktionswert der Standardmodellformulierung stimmt für ein gegebenes Rüstmuster mit dem Zielfunktionswert der beiden alternativen Modellformulierungen überein. Die untere Schranke der LP-Relaxation dieser beiden Modellformulierungen ist allerdings deutlich höher als die der Standardmodellformulierung. Für das CLSP und MLCLSP zeigen Denizel et al. (2008) sowie Stadtler (1996b), dass der Zielfunktionswert der LP-Relaxation für die SR-Darstellung und für die SPL-Darstellung übereinstimmen. Die SR-Modellformulierung für Losgrößenprobleme geht auf Eppen und Martin (1987) für das SLULSP und CLSP zurück. Bereits die Lösung der LP-Relaxation führt für das SLULSP in der SR-Formulierung zur Optimallösung.158 Tempelmeier und Helber (1994) erweitern diese Formulierung für das MLCLSP. Basierend auf dieser SR-Formulierung schlägt Stadtler (1996a, 1997) eine verbesserte Modellformulierung für das MLCLSP vor. Bei dieser nimmt die Anzahl der nichtnegativen Einträge in der Koeffizientenmatrix ab. Dadurch sinkt der benötigte Rechenaufwand zur Lösung der zugehörigen LP-Relaxation.159 Die SPL-Modellformulierung führen Krarup und Bilde (1977) für das SLULSP ein. Darauf aufbauend beschreibt Rosling (1986) eine Modellformulierung für das MLULSP mit seriellen Erzeugnisstrukturen. Diese wird von Maes et al. (1991) um Kapazitätsrestriktionen erweitert. Darüber hinaus berücksichtigt Stadtler (1996a) generelle Erzeugnisstrukturen. Im Folgenden wird die SPL-Darstellung für das MLCLSP genauer vorgestellt, da diese zur Bestimmung von Referenzwerten bei den numerischen Untersuchungen in den Abschnitten 5.5 und 6.4 herangezogen wird. Einem Produktionsstandort entspricht in Anlehnung an das Standortproblem eine Periode t, in der produziert wird. Einem Kunden- bzw. Nachfragestandort entspricht eine Periode τ, für welche die Nachfrage durch Produktion in Periode t erfüllt wird. Die Herstellung eines Produkts k an einem Produktionsstandort t ist nur dann möglich, wenn dieser für Produkt k geöffnet ist. Die Öffnung eines Standorts entspricht einem Rüstvorgang in Periode t, für den Errichtungskosten in Höhe der Rüstkosten anfallen. Die Produktionsmenge QNktτ von Produkt k in Periode t zur Erfüllung der Nachfrage in Periode τ entspricht der Transportmenge vom Produktionsstandort t zum Nachfragestandort τ. Diese Entscheidungsvariable QNktτ kann nur für Perioden τ ≥ t einen positiven Wert annehmen. In Abbildung 4.2 ist die zugrunde gelegte Struktur der SPL-Darstellung für ein Produkt und vier Perioden skizziert. In der Abbildung entspricht jeder Kreis bzw. Knoten einer Periode. Ein oberer Knoten stellt eine Produktionsperiode für das betrachtete Produkt k dar. Ein unterer Knoten skizziert dagegen eine Nachfrage158 Vgl. Eppen und Martin (1987), S. 836 sowie Tempelmeier (2008), S. 142. 159 Vgl. Stadtler (1996a), S. 571ff. und Stadtler (1997), S. 90ff.
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4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
Produktionsperioden (Ä3URGXNWLRQVVWDQGRUWH³) 1
2
N
3
N
Qk11
Qk22
1
Qk44 N Qk24
N Qk13
2
N
Qk33 N Qk23
N Qk12
4
N
N Qk34
N Qk14
3
4
Nachfrageperioden (Ä.XQGHQVWDQGRUWH³)
Abb. 4.2: Darstellung des dynamischen Losgrößenproblems als Standortproblem (vgl. Tempelmeier (2008), S. 146)
periode für das Produkt k. Ein Pfeil beschreibt die Produktionsmenge QNktτ für das Produkt k in der Produktionsperiode t zur Erfüllung des Bedarfs in der Nachfrageperiode τ. Beispielsweise stimmt der Pfeil von der Produktionsperiode 1 zur Nachfrageperiode 2 mit der Produktionsmenge QNk12 für das Produkt k in Periode 1 zur Befriedigung der Nachfrage in Periode 2 überein. Vereinfacht kann das mehrstufige kapazitierte Losgrößenproblem basierend auf der SPL-Darstellung (MLCLSP-SPL) mit der zusätzlichen Notation aus Tabelle 4.6 folgendermaßen mathematisch modelliert werden:
Tab. 4.6: Zusätzliche Entscheidungsvariable für das MLCLSP-SPL
Entscheidungsvariable QNktτ Produktionsmenge von Produkt k in Periode t zur Erfüllung der Nachfrage in Periode τ Modell MLCLSP-SPL:160 (3.2) – (3.4) und (3.6) – (3.8) QPkt =
T
∑ QNktτ
τ=t
160 Vgl. Maes et al. (1991), S. 137f. und Stadtler (1996a), S. 570f.
∀ k,t
(4.1)
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
53
n QNktτ ≤ dkτ · γkt
∀ k,t, τ ≥ t
(4.2)
QNktτ ≥ 0
∀ k,t, τ ≥ t
(4.3)
Die Zielfunktion (3.2) sowie die Nebenbedingungen (3.3), (3.4) und (3.6) bis (3.8) können von der Standardmodellformulierung übernommen werden.161 Die Produktionsmenge QPkt von Produkt k in Periode t wird mit den Gleichungen (4.1) bestimmt. Darüber hinaus werden die Produktionsmengen QNktτ mit den Rüstvariablen γkt in den Bedingungen (4.2) verknüpft. Diese ersetzen die Restriktionen (3.5). Zusätzlich wird die hinreichend große Zahl bkt aus (3.5) durch die n Nettonachfrage dkτ in Periode τ ersetzt. Den Abschluss bilden die Nichtnegativitätsbedingungen (4.3). Bei der Standardmodellformulierung für das MLCLSP wird die Gesamtnettonachfrage als Wert für den hinreichend großen Parameter bkt verwendet.162 Somit wird bei der SPL-Darstellung ein deutlich geringerer Wert verwendet, was zu einer größeren unteren Schranke bei der LP-Relaxation führt. Aus diesem Grund kann die benötigte Rechenzeit bei einem B&B-Verfahren signifikant reduziert werden.163 Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der unteren Schranke der LPRelaxation besteht darin, der Modellformulierung zulässige Ungleichungen hinzuzufügen. Mit diesen Ungleichungen wird versucht, den Lösungsraum des relaxierten Problems zu verkleinern, indem unzulässige Bereiche des gemischtganzzahligen Ausgangsproblems abgeschnitten werden. Bei der Erzeugung zusätzlicher Ungleichungen wurden in der Literatur drei Vorgehensweisen beschrieben. Beim Schnittebenenverfahren von Gomory (1963) werden iterativ neue Ungleichungen generiert, die nicht-ganzzahlige Bereiche des Lösungsraums abtrennen.164 Beim Branch&Cut-Verfahren (B&C) werden der Modellformulierung weitere Ungleichungen während des B&B-Verfahrens dynamisch hinzugefügt. Beim Cut&Branch-Verfahren (C&B) werden dagegen zunächst zulässige Ungleichungen definiert und vor dem Start des B&B-Verfahrens in die Modellformulierung integriert.165 Für das SLULSP und CLSP definieren Barany et al. (1984) zulässige Ungleichungen basierend auf den Variablen für die Produktions- und Lagermengen. Diese Ungleichungen werden von Pochet und Wolsey (1991) und Clark und Armenta161 162 163 164 165
Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 23ff. Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 25f. Vgl. Stadtler (1996a), S. 571ff. und Stadtler (1997), S. 90ff. Vgl. Gomory (1963), Taha (2003), S. 384ff. sowie Pochet und Wolsey (2006), S. 102ff. Vgl. Pochet und Wolsey (2006), S. 104ff.
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4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
no (1995) für das MLCLSP angepasst. Belvaux und Wolsey (2000) stellen das System bc–prod zur Lösung kapazitierter Losgrößenprobleme vor. Dieses lässt sich als zusätzliches Modul in den Standardsolver Xpress-MP166 integrieren.167 Vorbereitend werden problemspezifische168 sowie generelle, zulässige Ungleichungen generiert. Anschließend wird ein B&C-Verfahren zur Lösung verwendet. Eine alternative Modellformulierung für das CLSP-L und MLCLSP-L beschreiben Sürie und Stadtler (2003). Die Restriktionen für die Rüstübertragungen werden neu definiert und zusätzlich weitere zulässige Ungleichungen generiert. Zu diesem Zweck wird der Lagerbestand mit den Rüstvorgängen sowie den Kapazitäten verknüpft.169 Innerhalb eines vorgegebenen Zeitlimits wird versucht, das Optimum bzw. eine erste zulässige Lösung mit der in Xpress-MP integrierten C&Boder B&C-Methode zu bestimmen. Almada-Lobo et al. (2007) beschreiben eine alternative Darstellung der Reihenfolgebedingungen für das CLSD. Darüber hinaus werden der Modellformulierung zulässige Ungleichungen hinzugefügt. Bei einer Fix&Relax-Heuristik (F&R-Heuristik) wird die Anzahl der gleichzeitig zu betrachtenden Binärvariablen reduziert. Vom Ausgangsproblem werden iterativ kleinere Unterprobleme abgeleitet, indem die Binärvariablen innerhalb eines Unterproblems in drei paarweise disjunkte Mengen aufgeteilt werden. Die Optimalwerte der Binärvariablen in der ersten Menge werden im aktuellen Unterproblem ermittelt. Gleichzeitig werden die ursprünglichen Binärvariablen in der zweiten Menge nur relaxiert betrachtet, während die verbleibenden Binärvariablen bereits aus einer vorherigen Iteration fixiert sind.170 Dillenberger et al. (1993, 1994) entwickeln eine F&R-Heuristik für das CLSP-L. Diese besteht hauptsächlich aus einem B&B-Verfahren, bei dem das Branching in der Reihenfolge der Perioden stattfindet. Alle Binärvariablen der gerade betrachteten Periode werden optimal gelöst, während die Rüstvariablen nachfolgender Perioden zunächst nur relaxiert betrachtet werden. Die Rüstentscheidungen vorheriger Perioden wurden bereits fixiert. Zur Lösung des MLCLSP beschreibt Stadtler (2003) einen zeitorientierten Dekompositionsansatz mit sich überlappenden Planungsfenstern. Auf der Basis der SPL-Darstellung werden die Binärvariablen innerhalb eines Planungsfensters optimal bzw. am Ende dieses Fensters relaxiert gelöst. Die Werte der Rüstvaria166 Vgl. http://www.dashoptimization.com/ 167 Vgl. Belvaux und Wolsey (2000), S. 724ff. 168 Dazu gehören u. a. die von Barany et al. (1984), Pochet und Wolsey (1991) sowie Clark und Armentano (1995) beschriebenen zulässigen Ungleichungen. 169 Vgl. Sürie und Stadtler (2003), S. 1046. 170 Vgl. Pochet und Wolsey (2006), S. 109ff.
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
55
blen bereits betrachteter Planungsfenster sind aus einer vorherigen Iteration bereits bekannt und fixiert. Die Binärvariablen nachfolgender Planungsfenster werden zunächst nicht berücksichtigt. Zur Bestimmung einer zulässigen Gesamtlösung müssen die Kapazitäten sowie die Lager- und Rüstkosten sowohl am Ende eines Planungsfensters als auch für die nachfolgenden Planungsfenster angepasst werden.171 Diese Anpassung ist erforderlich, da bei der exakten Lösung dynamischer Losgrößenprobleme eine Fertigung am Ende des Planungshorizonts häufig unattraktiv erscheint. Die anfallenden Rüstkosten für eine Fertigung in den letzten Perioden sind selten niedriger als die Lagerkosten.172 Da Stadtler in seiner Heuristik jeweils nur die Rüstvariablen innerhalb eines Planungsfensters berücksichtigt, werden die Rüst- und Lagerkosten am Ende eines betrachteten Planungsfensters zur Vermeidung des beschriebenen Effekts modifiziert. Somit kann ein zusätzlicher Rüstvorgang am Ende des aktuellen Planungsfensters attraktiver werden. Sürie und Stadtler (2003) sowie Sürie (2005) beschreiben eine Variante des Verfahrens zur Lösung des CLSP-L und MLCLSP-L. Einen ähnlichen zeitorientierten Dekompositionsansatz für das MLCLSP verwendet Rossi (2005). Iterativ wird zunächst der Großteil der binären Rüstvariablen relaxiert betrachtet, während die Rüstvariablen innerhalb eines rollierenden Zeitfensters für alle Produkte optimal gelöst werden. Die Rüstvariablen bereits betrachteter Perioden werden fixiert und innerhalb des Verfahrens nicht mehr verändert. Förster et al. (2006) beschreiben eine F&R-Heuristik mit rollierenden Planungsfenstern zur Lösung des MLCLSD. Zunächst wird ein Großteil der Binärvariablen relaxiert betrachtet, und die übrigen Binärvariablen im Planungsfenster werden optimal gelöst. Die optimal gelösten Binärvariablen werden anschließend fixiert und das Planungsfenster verschoben. Das Verfahren endet, sobald das Ende des Planungshorizonts erreicht ist. Bei einer Rundungsheuristik (RH) werden die ganzzahligen Entscheidungsvariablen eines gemischt-ganzzahligen Optimierungsproblems zunächst relaxiert gelöst. Die nicht-ganzzahlig gelösten Entscheidungsvariablen werden sukzessiv aufbzw. abgerundet. Ein vermehrtes Auf- bzw. Abrunden der Binärvariablen kann bei Losgrößenproblemen mit Kapazitätsbeschränkungen zu unzulässigen Lösungen führen, da die vorgegebene Produktionskapazität nicht für vollständige Rüstvorgänge ausreicht. Häufiges Aufrunden der binären Rüstvariablen kann dazu führen, dass zu viele Produkte in einer Periode gefertigt werden. Entsprechend wird durch das Abrunden der Binärvariablen die Produktion in vorherige Perioden verlagert, was in diesen Perioden zu Kapazitätsengpässen führen kann. Aus diesem Grund 171 Vgl. Stadtler (2003), S. 491ff. 172 Vgl. Tempelmeier (2008), S. 213.
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4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
werden während einer RH zunächst nur die nicht-ganzzahlig gelösten Binärvariablen in kleinen vorgegebenen Wertebereichen auf- bzw. abgerundet.173 Anschließend wird versucht, eine zulässige Lösung für das Ausgangsproblem zu bestimmen. Maes et al. (1991) verwenden Rundungsheuristiken zur Lösung des MLCLSP ohne Rüstzeiten. Basierend auf der SPL-Darstellung werden iterativ die relaxiert gelösten Rüstvariablen mit dem höchsten Wert aufgerundet. Ein ähnlicher Ansatz sieht vor, alle Rüstvariablen in einem Wertebereich nahe der 1 aufzurunden und die Rüstvariablen in einem Wertebereich nahe der 0 abzurunden. Anschließend wird bei beiden Ansätzen die um die bereits fixierten Rüstvariablen reduzierte LPRelaxation erneut gelöst. Eine weitere RH stellen Kuik et al. (1993) für das MLCLSP ohne Rüstzeiten vor. Auch hier wird die LP-Relaxation basierend auf der SPL-Darstellung gelöst. Alle Rüstvariablen in den vorgegebenen Wertebereichen werden entweder auf- oder abgerundet. Für die Initialisierung eines anschließenden lokalen Suchverfahrens wird den übrigen, nicht-ganzzahlig gelösten Binärvariablen zunächst der Wert 1 zugewiesen. Dieses Suchverfahren beschränkt sich nur auf die Veränderung der nicht fixierten Binärvariablen. Einen ähnlichen Ansatz beschreibt Salomon (1991) für das MLCLSP. Akartunalı und Miller (2009) kombinieren eine RH und einen F&R-Ansatz zur Lösung des MLCLSP. Zunächst wird die LP-Relaxation der Standardmodellformulierung mit zusätzlichen zulässigen Ungleichungen gelöst und die Rüstvariablen innerhalb eines vorgegebenen Intervalls fixiert. Danach werden mit einer F&R-Heuristik die Rüstvariablen innerhalb eines Planungsfensters optimal gelöst und anschließend fixiert. Durch das Vernachlässigen bzw. das Fixieren der binären Rüstvariablen γkt entsteht ein signifikant einfacher zu lösendes lineares Optimierungsmodell. Die optimale Lösung kann effizient mit Methoden der linearen Programmierung bestimmt werden. Bei den LP-basierten Ansätzen wird für ein gegebenes bzw. im Voraus bestimmtes Rüstmuster das zugehörige lineare Optimierungsmodell exakt gelöst. Iterativ werden neue Rüstmuster durch kleine Veränderungen des Ausgangsrüstmusters generiert und durch die Lösung des daraus abgeleiteten linearen Optimierungsmodells bewertet.174 Harrison und Lewis (1996) stellen einen iterativen Lösungsansatz für das MLCLSP vor. Durch die Restriktionen (3.5) sind die binären Rüstvariablen und die Variablen für die Produktionsmengen miteinander verknüpft.175 Somit ist ge173 Vgl. Maes et al. (1991), S. 139. 174 Vgl. Hung und Hu (1998), S. 1031f. 175 Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 23.
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
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währleistet, dass die Entscheidungsvariablen für die Produktionsmengen nur einen positiven Wert annehmen dürfen, wenn gerüstet wird. Die beiden Variablen nehmen entweder gleichzeitig einen positiven Wert oder den Wert 0 an. Harrison und Lewis (1996) schlagen eine lineare Modellformulierung für das MLCLSP vor, in der die Rüstvariablen nicht berücksichtigt werden. Stattdessen werden die Bearbeitungszeiten zur Berücksichtigung der Rüstzeiten modifiziert. Die ursprünglichen Stückbearbeitungszeiten werden um anteilige Rüstzeiten pro Mengeneinheit erhöht. Diese Anpassung basiert auf den Produktionsmengen der vorherigen Iteration. Dieses Optimierungsmodell wird mit einem Standardsolver optimal gelöst. Katok et al. (1998) erweitern diese Heuristik, indem zusätzlich die Produktionskosten um anteilige Rüstkosten erweitert werden.
4.3.2 Lagrange-Heuristiken Bei den Lagrange-Heuristiken (LH) werden die Lagrange-Multiplikatoren iterativ angepasst, um eine gute untere Schranke für das Ausgangsproblem zu erzeugen. Unter Verwendung der optimalen Lagrange-Multiplikatoren soll sich die Lösung des relaxierten Problems möglichst dicht an der optimalen Lösung des Ausgangsproblems befinden. Für die Konstruktion einer zulässigen Lösung in der Nähe des Optimums sind dann nur noch wenige Veränderungen notwendig.176 Bei der Lagrange-Relaxation (LR) werden zur Bestimmung einer unteren Schranke die kritischen Nebenbedingungen des Ausgangsproblems in der Zielfunktion relaxiert betrachtet. Durch die Relaxation der Kapazitätsrestriktionen zerfällt das CLSP in K einstufige unkapazitierte Losgrößenprobleme vom Typ SLULSP.177 Beim MLCLSP werden zusätzlich zu den Kapazitätsrestriktionen auch die Lagerbilanzgleichungen relaxiert. Dadurch werden die bestehenden Input- und Outputbeziehungen zwischen den Produkten vernachlässigt. Somit zerfällt auch das MLCLSP in K einstufige unkapazitierte Losgrößenprobleme. Für jedes Produkt k kann ein SLULSP unabhängig von den anderen Produkten gelöst werden.178 Alternativ können beim MLCLSP auch nur die Kapazitätsrestriktionen relaxiert betrachtet werden. Zur Lösung des daraus resultierenden mehrstufigen Losgrößenproblems ohne Kapazitätsrestriktionen (MLULSP, engl.: Multi-
176 Vgl. z. B. Geoffrion (1974), Fisher (1985) und Beasley (1995). 177 Vgl. u. a. Trigeiro (1987) und Trigeiro et al. (1989). 178 Zur Lösung des SLULSP existieren zahlreiche exakte und heuristische Lösungsansätze. Exakte Verfahren haben u. a. Wagner und Whitin (1958), Evans (1985), Federgruen und Tzur (1991) sowie Wagelmans et al. (1992) vorgestellt. Zu den heuristischen Lösungsansätzen zählen u. a. das Verfahren von Silver und Meal (1969, 1973) sowie das Verfahren von Groff (1979).
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4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
Level Uncapacitated Lotsizing Problem)179 sind allerdings noch keine effizienten exakten Lösungsansätze bekannt.180 Die Aktualisierung der Lagrange-Multiplikatoren erfolgt mit dem Ansatz der Subgradienten-Optimierung. Die Subgradienten geben die Richtung zur Anpassung der Lagrange-Multiplikatoren für eine größtmögliche Verbesserung des Zielfunktionswerts an und basieren auf der Verletzung der jeweiligen Restriktion.181 Basierend auf der Modellformulierung von Billington et al. (1986) beschreiben Tempelmeier und Derstroff (1993, 1996) einen Lösungsansatz für das MLCLSP mit Rüst- und Vorlaufzeiten. Zur Bestimmung der oberen Schranke wird für jedes Produkt jeweils ein SLULSP in der Reihenfolge der Dispositionsstufen182 beginnend mit den Endprodukten gelöst. Durch dieses Vorgehen wird der abgeleitete Bedarf entlang der mehrstufigen Erzeugnisstruktur berücksichtigt. Zur Berücksichtigung der Kapazitätsrestriktionen wird eine von Trigeiro et al. (1989) eingeführte Glättungsprozedur angepasst. Tempelmeier und Buschkühl (2009) erweitern diese Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L mit einfacher Rüstübertragung. Darüber hinaus berücksichtigt Buschkühl (2008) die Möglichkeit der mehrfachen Rüstübertragung sowie parallele Maschinen. Moorkanat (2000) stellt einen ähnlichen Ansatz für das MLCLSP mit Rüstzeiten vor. Zusätzlich zu der Glättungsprozedur von Tempelmeier und Derstroff (1996) wird eine weitere Heuristik implementiert, bei der jede Maschine periodenweise betrachtet wird. Der wesentliche Unterschied zum Ansatz von Tempelmeier und Derstroff (1996) besteht darin, dass für die Endprodukte Fehlmengen erlaubt sind. Zur Lösung des MLCLSP mit serieller Erzeugnisstruktur und mehreren Endprodukten kombinieren Özdamar und Barbarosoglu (1999) eine LH mit einem Ansatz der simulierten Abkühlung.183 Einen ähnlichen Lösungsansatz verwenden Özdamar und Barbarosoglu (2000) für das MLCLSP mit genereller Erzeugnisstruktur. Zwei Möglichkeiten der LR werden beschrieben. Bei der ersten werden nur die Kapazitätsrestriktionen relaxiert, dagegen werden bei der zweiten zusätzlich auch die Lagerbilanzgleichungen relaxiert. Ein Verfahren der simulierten Abkühlung sowie eine Greedy-Heuristik werden zur Bestimmung einer zulässigen Lösung verwendet. Bei der LH von Chen und Chu (2003) werden die Binärbedingungen der Rüstvariablen für das MLCLSP relaxiert. Das daraus resultierende lineare Optimierungsmodell wird näherungsweise gelöst. Für die Aktualisierung der Lagrange179 180 181 182 183
Vgl. Jacobs und Khumawala (1982), S. 141f. Vgl. u. a. Derstroff (1995), S. 65 und Tempelmeier (2008), S. 340. Vgl. u. a. Goffin (1977) und Sandi (1979). Vgl. Günther und Tempelmeier (2007), S. 192. Vgl. Abschnitt 4.3.4 auf S. 60.
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
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Multiplikatoren wird die Subgradienten-Optimierung angepasst, indem die Subgradienten nur näherungsweise bestimmt werden. Eine zulässige Lösung wird ermittelt, indem alle Rüstvariablen mit positiven Werten auf 1 und die übrigen auf 0 fixiert werden. Im Anschluss an die LH wird zur Verbesserung der gefundenen Lösung ein lokales Suchverfahren verwendet. Sox und Gao (1999) stellen eine LH für das CLSP-L vor, bei der sowohl die Kapazitätsrestriktionen als auch die Nebenbedingungen für die Rüstübertragung relaxiert werden. Für die Lösung des MLCLSD beschreibt Grünert (1998) eine LH in Verbindung mit einer Tabu-Suche.
4.3.3 Dekompositions- und Aggregationsansätze Bei mehrstufigen Losgrößenproblemen sind die Produktionsstufen durch den abgeleiteten Bedarf in der Lagerbilanzgleichung (3.3) miteinander verbunden.184 Eine Losgrößenentscheidung für ein Produkt wirkt sich sowohl auf die direkten als auch auf die indirekten Vorprodukte aus. Blackburn und Millen (1984) beschreiben einen Dekompositionsansatz zur Lösung des MLCLSP. Bei diesem wird entlang der konvergierenden Erzeugnisstruktur in aufsteigender Reihenfolge der Dispositionsstufen für jedes Produkt ein SLULSP gelöst. Dazu werden vorab die Lagerund Rüstkosten modifiziert. Abschließend wird aus den einzelnen Lösungen eine zulässige Lösung für das Gesamtproblem generiert. Tempelmeier und Helber (1994) stellen einen Dekompositionsansatz zur Lösung des MLCLSP ohne Rüstzeiten vor. Zunächst wird das MLCLSP in mehrere einstufige Losgrößenprobleme vom Typ CLSP zerlegt. Für die Lösung der einzelnen CLSP wird die Heuristik von Dixon und Silver (1981) modifiziert und zusätzlich um einen mehrstufigen Zulässigkeitstest erweitert. Helber (1994, 1995) beschreibt die Anpassung dieses Ansatzes zur Lösung des MLCLSP mit Rüstzeiten. Boctor und Poulin (2005) lösen das MLCLSP für serielle Erzeugnisstrukturen mit produktspezifischen Maschinen. Die Aggregation erfolgt unter der Annahme, dass die Produktionsmengen für ein Produkt auf jeder Stufe identisch sind. Das aus dieser Annahme resultierende CLSP wird mit einer problemspezifischen GreedyHeuristik185 gelöst. Bei den zeitlichen Dekompositionsansätzen wird häufig eine rollierende Planung durchgeführt, indem der Planungshorizont in kleinere, sich überlappende Planungsfenster unterteilt wird. Beginnend in der ersten Periode wird iterativ 184 Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 23. 185 Vgl. Abschnitt 4.3.5 auf S. 65.
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4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
für jedes Planungsfenster ein Unterproblem gelöst, während die Lösung früherer Planungsfenster fixiert wird. Anschließend wird das folgende Planungsfenster betrachtet. Einige zeitliche Dekompositionsansätze wurden bereits im Abschnitt 4.3.1 bei den F&R-Ansätzen vorgestellt. Die Ansätze von Dillenberger et al. (1993, 1994), Stadtler (2003) und Rossi (2005) lassen sich ebenfalls der Gruppe der zeitlichen Dekompositionsansätze zuordnen. Bourjolly et al. (2001) erweitern einen Lösungsansatz von Gopalakrishnan et al. (2001)186 zur Lösung des CLSP-L. Basierend auf einem rollierenden Planungsfenster wird das Problem rekursiv in mehrere Unterprobleme ausgehend von der ersten Periode zerlegt und anschließend das Unterproblem gelöst. Der Produktionsplan für das aktuelle Unterproblem dient jeweils als Startlösung für das folgende Unterproblem. Die Möglichkeit der Rüstübertragung wird erst abschließend berücksichtigt. Dazu werden Rüstvorgänge von Produkten zusammengefasst, die in zwei zusammenhängenden Perioden gefertigt werden.
4.3.4 Metaheuristische Lösungsansätze Metaheuristiken (MH) werden auch der Klasse der Verbesserungsverfahren187 zugeordnet, da diese versuchen, eine gegebene Startlösung iterativ zu verbessern. Für eine Vielzahl der Nachbarschaftssuchverfahren wurden Mechanismen entwickelt, die zwischenzeitlich Verschlechterungen des Zielfunktionswerts zulassen, um lokale Optima wieder verlassen zu können. Bei den populationsbasierten Verfahren werden im Gegensatz zu den Nachbarschaftssuchverfahren mehrere Lösungen gleichzeitig betrachtet. Für einige metaheuristische Verfahren dient die Natur als Vorbild. Häufig werden die allgemeinen Lösungsstrategien der MH mit problemspezifischen Heuristiken kombiniert. Mit diesen hybriden Verfahren soll eine schnellere Konvergenz gegen ein lokales Optimum erreicht werden. Das Verhalten von MH bestimmen maßgeblich zwei Prinzipien, die Intensivierung und die Diversifikation. Bei der Intensivierung wird die Suche auf einen aussichtsreichen Bereich des Lösungsraums fokussiert, die sog. Exploitation. Unter Diversifikation wird die Ausweitung des Suchraums verstanden, wenn längere Zeit keine bessere Lösung mehr gefunden werden konnte, die sog. Exploration.188 Bei den Metaheuristiken für Losgrößenprobleme bietet sich eine an der Standardmodellformulierung189 orientierte Darstellung einer Lösung an. Für die Rüst186 Dieser Ansatz wird im Abschnitt 4.3.5 auf S. 65 vorgestellt. 187 Vgl. Abschnitt 4.3.5 auf S. 65. 188 Vgl. Fink und Rothlauf (2006), S. 5. Die Prinzipien der Intensivierung und Diversifikation werden u. a. ausführlich von Gendreau (2003), S. 45ff. sowie von Blum und Roli (2003), S. 271ff. beschrieben. 189 Vgl. Abschnitt 3.2 auf. S. 19.
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
61
entscheidungen werden Binärvariablen und für die Produktions- und Lagermengen reellwertige Variablen verwendet. Einige Verfahren beschränken sich nur auf die Bestimmung eines Rüstmusters, möglichst in der Nähe des Optimums. Für die Bewertung des zugehörigen Produktionsplans können Methoden der linearen Optimierung190 oder der dualen Reoptimierung191 sowie heuristische Ansätze verwendet werden. Alternativ besteht auch die Möglichkeit einer indirekten Darstellung der Lösung. Beipielsweise benutzen Haase und Kohlmorgen (1995) in einem genetischen Algorithmus eine Parameterfolge für die Darstellung einer Lösung des CLSP. Mit der Hilfe einer Prioritätsregel erfolgt die Dekodierung zu einem Produktionsplan.192 Lokale Suchverfahren (LS) sind eigentlich der Klasse der Verbesserungsverfahren zuzuordnen. Da eine Vielzahl der Nachbarschaftssuchverfahren allerdings den Ideen der LS folgen, werden die LS bereits an dieser Stelle erläutert. Ausgehend von einer gegebenen Startlösung versuchen LS iterativ ein lokales Optimum zu bestimmen, indem eine zuvor definierte Nachbarschaft der Startlösung systematisch untersucht wird. Die Nachbarschaft einer Lösung ist definiert als die Lösungsmenge, die man durch kleine Modifikationen der Ausgangslösung, sog. Schritte, erhält. Bei Losgrößenproblemen bestehen mögliche Veränderungen aus der Verlagerung von Produktionsmengen in frühere oder spätere Perioden sowie aus dem Entfernen bzw. Hinzufügen eines Rüstvorgangs. Die Nachbarschaft kann teilweise oder vollständig untersucht werden. Haase (1994) beschreibt zur Lösung des CLSP-L eine stochastische rückwärtsorientierte Prozedur basierend auf einer Prioritätsregel. Diese Methode erweitert Haase (1998) um ein lokales Suchverfahren, bei dem die Prioritätsregel iterativ angepasst wird, um die Lösung zu verbessern. Haase (1996) passt die stochastische rückwärtsorientierte Prozedur zur Lösung des CLSD an. Chen und Chu (2003) kombinieren eine Lagrange-Heuristik mit einem LS. In jeder Iteration wird versucht, die während der LH konstruierte Lösung zu verbessern, indem jeweils zwei Rüstzustände aus der Nachbarschaft der Ausgangslösung verändert werden. Das Verfahren der simulierten Abkühlung (SA, engl.: Simulated Annealing) und das Tabu-Suchverfahren können als Erweiterungen der LS gesehen werden. Während der Optimierung soll die Möglichkeit bestehen, ein lokales Optimum wieder verlassen zu können, um eine bessere Lösung in noch nicht untersuchten Bereichen des Suchraums zu finden. In diesem Fall ist eine sensible Wahl des Abbruchkri190 Vgl. Hung und Hu (1998). 191 Vgl. Meyr (1999, 2000). 192 Vgl. Haase und Kohlmorgen (1995), S. 372ff.
62
4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
teriums notwendig, um vorübergehend auch schlechtere Lösungen zu akzeptieren und um somit lokale Optima wieder verlassen zu können.193 Das Verfahren der simulierten Abkühlung geht auf Kirkpatrick et al. (1983) zur Lösung kombinatorischer Entscheidungsprobleme zurück. Die SA kann als Kombination aus iterativer Verbesserung und Random Walk gesehen werden. Ausgehend von einer Startlösung wird iterativ eine neue Lösung zufällig aus der Nachbarschaft ausgewählt. Mit Hilfe einer monoton fallenden Annahmewahrscheinlichkeit für schlechtere Nachbarschaftslösungen wird die Suche im Lösungsraum gesteuert. Auf der Basis dieser Wahrscheinlichkeit wird entschieden, ob eine neue Lösung mit einem schlechteren Zielfunktionswert als neue Ausgangslösung akzeptiert wird. Somit können ggf. auch lokale Optima wieder verlassen werden.194 Kuik et al. (1993) kombinieren eine Rundungsheuristik mit einem SA-Ansatz für das MLCLSP ohne Rüstzeiten. Helber (1994, 1995) untersucht Abkühlungsschemata für SA-Ansätze zur Bestimmung eines kostenminimalen Rüstmusters für das MLCLSP. Zusätzlich wird der Einfluss von Startlösungen auf die Lösungsqualität untersucht. Ähnliche SA-Ansätze haben Barbarosoglu und Özdamar (2000), Berretta et al. (2005), Hung und Chien (2000), Özdamar und Barbarosoglu (2000), Özdamar und Bozyel (2000), Salomon (1991) und Salomon et al. (1993) vorgestellt. Das Tabu-Suchverfahren (TS) führt Glover (1986) ein. Bei diesem Verfahren kann sowohl deterministisch als auch stochastisch vorgegangen werden. Die Bezeichnung Tabu-Suche stammt vom charakteristischen Merkmal dieses Verfahrens, der sog. Tabu-Liste. In dieser werden Informationen über bereits betrachtete zurückliegende Lösungen gespeichert. Eine Lösung kann nur dann als neue Ausgangslösung verwendet werden, wenn diese nicht in der Tabu-Liste enthalten ist. Somit ist eine Wiederkehr zu vorherigen Schritten bzw. ein Kreiseln ausgeschlossen. Um vorteilhafte Schritte nicht schon vorab abzulehnen, kann z. B. ein Aspirationskriterium definiert werden, um auch die Ausführung von tabugesetzten Schritten zu erlauben. Die maximale Länge einer Tabu-Liste ist abhängig von der Größe des durchsuchten Lösungsraums.195 Neuere Tabu-Suchverfahren verwenden eine adaptive Tabu-Liste. In diesem Fall wird die Listenlänge an die Lösungsqualität der aktuell betrachteten Lösung angepasst.196 Gopalakrishnan et al. (2001) beschreiben ein Tabu-Suchverfahren zur Lösung des CLSP-L. Zum einen werden zur Modifikation der Rüstübertragungsvariablen Rüstverschiebungen in vorherige oder spätere Perioden vorgeschlagen. Zum an193 194 195 196
Vgl. Henderson et al. (2003), S. 288. Vgl. u. a. Kirkpatrick et al. (1983) und Henderson et al. (2003). Vgl. u. a. Glover (1986). Vgl. z. B. Gendreau (2003).
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
63
deren werden zur Veränderung der Produktionsmengen diese ebenfalls in frühere oder spätere Perioden verschoben. Die weiteren u. a. von Salomon (1991), Kuik et al. (1993), Helber (1994, 1995), Hindi (1996), Hung und Chien (2000), Özdamar et al. (2002) und Berretta et al. (2005) vorgestellten Tabu-Suchverfahren zur Lösung des MLCLSP beruhen größtenteils auf Veränderungen der binären Rüstvariablen. Genetische Algorithmen (GA)197 gehören zu der Klasse der Evolutionären Algorithmen (EA).198 Bei diesen Algorithmen werden im Gegensatz zu den Nachbarschaftssuchverfahren mehrere Lösungen gleichzeitig betrachtet. Die Menge der Lösungen wird auch als Population bezeichnet. Basierend auf der Evolutionstheorie von Charles Darwin wurden GA durch die Prinzipien der natürlichen Selektion inspiriert.199 Eine nachfolgende Generation wird iterativ durch Rekombination, dem sog. Crossover, von jeweils zwei Individuen erzeugt. Diese Individuen werden zufällig aus der aktuellen Population ausgewählt. Dazu werden diese zunächst mit Hilfe einer Fitnessfunktion bewertet. Die anschließende Auswahl, die sog. Selektion, dieser Individuen erfolgt auf der Basis dieser Fitnesswerte. Individuen mit einem höheren Fitnesswert erhalten eine höhere Auswahlpriorität als Individuen mit einem niedrigeren Fitnesswert. Zusätzlich zu den stochastischen Operatoren der Selektion und des Crossovers besteht die Möglichkeit der Mutation. Ein GA endet, sobald ein Abbruchkriterium erfüllt ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die maximale Generationszahl erreicht ist oder eine festgelegte Anzahl an Generationen zu keiner Verbesserung des Zielfunktionswerts geführt hat.200 Häufig besteht die Herausforderung bei der Anwendung eines GA darin, die Darstellung der Lösungen so zu wählen, dass die Kombination zweier Lösungen wieder eine zulässige Lösung ergibt.201 Özdamar und Barbarosoglu (1999) integrieren in einem hybriden Ansatz ein Verfahren der SA und einen GA in einer Lagrange-Heuristik. Hung und Chien (2000) beschreiben ein TS, einen Ansatz der SA sowie einen GA zur Lösung des MLCLSP. Ausgehend von einem Rüstmuster wird eine Nachbarschaftslösung durch einige wenige Veränderungen generiert. Anschließend
197 Eine ausführliche Beschreibung von GA befindet sich u. a. bei Nissen (1994), Mühlenbein (2003) oder Reeves (2003). 198 Zu der Klasse der evolutionären Algorithmen gehören ferner Verfahren der Evolutionären Programmierung sowie Evolutionsstrategien (vgl. Nissen (1994), S. 13). 199 In Anlehnung an die Evolutionstheorie wird eine Lösung als Individuum und die Population einer Iteration als Generation bezeichnet. 200 Vgl. Reeves (2003), S. 64. 201 Vgl. z. B. Nissen (1994), S. 21ff., Blum und Roli (2003), S. 284ff. sowie Reeves (2003).
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4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
wird das zugehörige LP optimal gelöst. Auf der Basis der Schattenpreise der Optimallösung werden die nachfolgenden Schritte ausgewählt. Weitere GA für das MLCLSP werden von Gutierrez et al. (2001), Helber (1994, 1995), Özdamar und Bozyel (2000) und Xie und Dong (2002) vorgestellt. Zu der Klasse der EA zählen auch die Memetischen Algorithmen (MA).202 Bei diesen Ansätzen steht nicht die Analogie zur Biologie im Vordergrund. Vielmehr sollen problemspezifische Lösungsheuristiken sinnvoll mit den Operatoren eines GA verknüpft werden. Dazu können sowohl Heuristiken als auch exakte Lösungsverfahren verwendet werden.203 Berretta und Rodrigues (2004) stellen einen MA für das MLCLSP basierend auf der Heuristik von França et al. (1997)204 vor. Die Grundidee eines Ameisenalgorithmus (ACO, engl.: Ant Colony Optimization)205 basiert auf dem natürlichen Verhalten von Ameisenkolonien bei der Futtersuche, bei der Ameisen einen Pheromonpfad hinterlassen. Nachfolgende Ameisen wählen normalerweise den Weg mit der höchsten Pheromonkonzentration aus. Die Konzentration auf kürzeren Wegen ist im Vergleich zu längeren Wegen höher. Daher wählt eine Ameise mit hoher Wahrscheinlichkeit den kürzesten Weg aus.206 Pitakaso et al. (2006) kombinieren einen Ameisenalgorithmus mit einem Dekompositionsansatz zur Lösung des MLCLSP. Iterativ wird jeweils ein Unterproblem mit einer geringen Produkt- und Periodenzahl betrachtet und es werden auch nur die zugehörigen Restriktionen und Variablen berücksichtigt. Aus diesem Grund ist eine Anpassung der Kapazitäten zur Berücksichtigung der im aktuellen Unterproblem nicht betrachteten Produkte und Perioden erforderlich. Das zugehörige gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodell wird optimal gelöst und die zugehörigen Variablen werden fixiert. Basierend auf der in vorherigen Iterationen aufgebauten Pheromonkonzentration wird mit einem Ameisenalgorithmus das Unterproblem für die nächste Iteration ausgewählt. Anschließend werden die Pheromoninformationen aktualisiert.
202 Häufig werden MA auch als hybride oder parallele GA bezeichnet, da hier Ideen problemspezifischer Heuristiken mit den Prinzipien eines genetischen Algorithmus kombiniert werden (vgl. Merz (2000), S. 42). 203 Vgl. Berretta und Rodrigues (2004), S. 71. 204 Vgl. Abschnitt 4.3.5 auf S. 65f. 205 Eine ausführliche Beschreibung der Funktionsweise von Ameisenalgorithmen geben u. a. Dorigo und Stützle (2003, 2004). 206 Vgl. Deneubourg et al. (1990).
4.3 Lösungsansätze für dynamische Losgrößenprobleme
65
4.3.5 Problemspezifische Greedy-Heuristiken Die problemspezifischen Greedy-Heuristiken (GH) bestehen gewöhnlich aus einem Prioritätsindex sowie einer Zulässigkeitsroutine. Mit dem Prioritätsindex wird der jeweils beste nachfolgende Schritt ausgewählt. Bei der Losgrößenplanung basiert dieser Prioritätsindex auf einem Kostenkriterium. In der Literatur werden zahlreiche Kriterien vorgestellt, die sich aus den Eigenschaften der optimalen Losgröße des statischen Losgrößenproblems207 ableiten lassen. Häufig finden diese Kostenkriterien Anwendung in Heuristiken zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme ohne Kapazitätsbeschränkungen.208 Bei der Zulässigkeitsroutine werden Produktionsmengen in frühere oder spätere Perioden verlagert, in denen keine Kapazitätsverletzungen vorliegen. Die Zulässigkeitsroutine soll die Durchführbarkeit des Produktionsplans gewährleisten, damit die Nachfrage möglichst ohne Fehlmengen bzw. ohne Verletzung der Kapazitätsgrenzen erfüllt werden kann. Hier wird zwischen einem Rückwärts- und einem Vorwärtsabgleich unterschieden. Beginnend in der letzten Periode werden beim Rückwärtsabgleich Produktionsmengen in frühere Perioden verlagert, um Verletzungen der Kapazitätsrestriktionen zu vermeiden. Beim Vorwärtsabgleich werden dagegen beginnend in der ersten Periode Produktionsmengen in spätere Perioden verschoben. Somit können zum einen Lagerkosten eingespart und zum anderen Verletzungen der Kapazitätsrestriktionen vermieden werden. Zu der Klasse der problemspezifischen GH gehören Eröffnungsverfahren (EV) und Verbesserungsverfahren (VV). EV zur Lösung von Losgrößenproblemen beginnen mit einer leeren Startlösung und fügen dieser sukzessiv Komponenten hinzu. Ausgehend von einer unzulässigen oder schlechten Startlösung versuchen VV dagegen, diese Lösung iterativ zu verbessern. Eröffnungsverfahren zur Lösung von Losgrößenproblemen gehen periodenweise entweder vorwärts oder rückwärts vor. Beginnend in der ersten oder letzten Periode werden einem Los für ein Produkt sukzessiv Produktionsmengen mehrerer Perioden hinzugefügt. Das Zusammenfassen erfolgt so lange, bis dies zu einem Kostenanstieg basierend auf dem verwendeten Kostenkriterium führt. Diese Verfahren gehen wenig vorausschauend vor, da zukünftige Kostenveränderungen nicht berücksichtigt werden. Gupta und Magnusson (2005) lösen das CLSP-L mit Rüstzeiten mit einem Eröffnungs- und Verbesserungsverfahren. Beim Eröffnungsverfahren wird ein Pro207 Vgl. Harris (1913). 208 Zu diesen Heuristiken gehören u. a. das Silver-Meal-Verfahren (vgl. Silver und Meal (1969, 1973)), das Verfahren der gleitenden wirtschaftlichen Losgröße (vgl. Tempelmeier (2008), S. 153f.), das Groff-Verfahren (vgl. Groff (1979)) sowie das Stückperiodenausgleichsverfahren (vgl. DeMatteis (1968)).
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4 Algorithmische Ansätze zur Lösung dynamischer Losgrößenprobleme
duktionsplan für das CLSP unter Vernachlässigung der Rüstzeiten erstellt. Erst im Anschluss werden die Rüstzeiten sowie die Möglichkeit der Rüstübertragung in nachfolgende Perioden berücksichtigt. Abschließend wird versucht, die Lösung mit einem Verbesserungsverfahren zu verbessern. Clark und Armentano (1995) beschreiben ein Verbesserungsverfahren für das MLCLSP. Zunächst werden beim Eröffnungsverfahren die Kapazitäten vernachlässigt und eine Lösung für das mehrstufige Losgrößenproblem ohne Kapazitätsbeschränkungen bestimmt. Dazu wird für jedes Produkt ein SLULSP entlang der Produktstruktur gelöst. Anschließend werden bei einem Vorwärts- und einem Rückwärtsabgleich Produktionsmengen zur Verbesserung in spätere oder frühere Perioden verlagert, um einen zulässigen Produktionsplan unter Berücksichtigung der Kapazitätsrestriktionen zu erhalten. França et al. (1997) erweitern diesen Algorithmus um eine zusätzliche Prozedur, bei der ohne Beachtung der Kapazitätsrestriktionen Produktionsmengen in Perioden verlagert werden, in denen bereits ein Rüstvorgang eingeplant wird, um Rüstkosten einzusparen. Sobald eine vorgegebene Anzahl an Iterationen erreicht ist, bricht das Verbesserungsverfahren mit der besten gefundenen Lösung ab.
4.4 Kritische Würdigung der vorgestellten Lösungsansätze und Definition der Forschungslücke Mitte der 90er-Jahre wurden zahlreiche Metaheuristiken zur Lösung des MLCLSP vorgestellt. Umfangreiche numerische Untersuchungen von Helber (1994) zeigen allerdings, dass einfache MH bereits bei der Lösung kleinerer Problemstellungen scheitern und somit unter Umständen in der Praxis nicht anwendbar sind.209 Da Computer und Standardsolver für gemischt-ganzzahlige Optimierungsprobleme immer leistungsfähiger geworden sind, wurden MH mittlerweile durch den Einsatz MP-basierter Lösungsansätze weitestgehend abgelöst. Zu diesen Ansätzen gehört beispielsweise das Verfahren von Katok et al. (1998), für welches Tempelmeier (2008) jedoch in numerischen Untersuchungen aufzeigt, dass häufig unzulässige Produktionspläne bei Problemstellungen mit Rüstzeiten und knappen Maschinenkapazitäten ermittelt werden.210 Zur Klasse der MP-basierten Verfahren lassen sich auch die Fixierungs- und Relaxierungs-Heuristiken zählen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche F&RAnsätze zur Lösung mehrstufiger Losgrößenprobleme mit Kapazitätsbeschränkun209 Vgl. Helber (1994), S. 146. 210 Vgl. Tempelmeier (2008), S. 369f.
4.4 Kritische Würdigung und Definition der Forschungslücke
67
gen vorgestellt. So liefert der Ansatz von Stadtler (2003) für das MLCLSP bezogen auf die Lösungsgüte und Rechenzeit sehr gute Ergebnisse. Mit zunehmender Rüstvariablenzahl steigen die Rechenzeiten allerdings signifikant an. Das Verfahren von Pitakaso et al. (2006) für das MLCLSP liefert im Hinblick auf die Lösungsgüte bessere Ergebnisse als der Ansatz von Stadtler (2003).211 Die mögliche Verbesserung der Lösungsgüte ist jedoch im Vergleich zur deutlich höheren Rechenzeit eher gering. Das größte Defizit beim Verfahren von Stadtler (2003) liegt allein darin, dass bei diesem Ansatz keine Vorlaufverschiebungen für die Vorprodukte berücksichtigen werden können.212 Aus diesem Grund kann dieser Ansatz auch nicht für praxisrelevante Problemstellungen verwendet werden, da somit eine Disaggregation des ermittelten Produktionsplans in einen zulässigen Maschinenbelegungsplan nahezu ausgeschlossen ist.213 In der Literatur wurden bisher nur sehr wenige Lösungsverfahren vorgestellt, bei denen eine Vorlaufverschiebung für die Vorprodukte berücksichtigt wird. Zu diesen wenigen Verfahren gehört u. a. die Lagrange-Heuristik von Tempelmeier und Derstroff (1993, 1996). Eigene numerische Untersuchungen im Abschnitt 5.5 zeigen, dass dieser Lösungsansatz zu den schnellsten für das MLCLSP gehört. Bei den numerischen Untersuchungen wird darüber hinaus deutlich, dass dieser Ansatz bezogen auf die Lösungsqualität noch erheblichen Spielraum für Verbesserungen bietet.214 Darüber hinaus ist die Struktur dieses Ansatzes relativ unflexibel gegenüber Modellerweiterungen, die sich nur mit sehr großem Aufwand in diesen Ansatz integrieren lassen. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass bis heute noch kein Verfahren bekannt ist, das zufriedenstellende Ergebnisse für das MLCLSP mit Vorlaufverschiebungen liefert. Dabei ist insbesondere die Berücksichtigung einer Vorlaufverschiebung von hoher praktischer Relevanz, da sich sonst die ermittelten Produktionspläne nicht in einen durchführbaren Maschinenbelegungsplan disaggregieren lassen. Darüber hinaus lässt sich eine Vielzahl der vorgestellten Ansätze nicht oder nur mit sehr großem Aufwand für Modellerweiterungen anpassen. Mit der im folgenden Kapitel vorgestellten Fix&Optimize-Heuristik soll diese Lücke geschlossen werden. Da dieser Ansatz auf den exakten Verfahren der mathematischen Programmierung basiert, ist dieser auch sehr flexibel auf Modellerweiterungen anwendbar, wie der weitere Gang der Untersuchung zeigen wird.
211 212 213 214
Vgl. Pitakaso et al. (2006), S. 4769f. Vgl. Stadtler (2003), S. 501. Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 21f. Vgl. Abschnitt 5.5 auf S. 96ff.
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des mehrstufigen Losgrößenproblems mit Kapazitätsrestriktionen 5.1 Überblick In diesem Kapitel wird eine neue Lösungsheuristik für das MLCLSP vorgestellt. Ausgehend von der Standardmodellformulierung für das MLCLSP215 werden bei der sog. Fix&Optimize-Heuristik (F&O) iterativ Unterprobleme definiert und mit einem Standardsolver für gemischt-ganzzahlige Optimierungsprobleme optimal gelöst. Die Ausführungen in diesem Kapitel folgen weitestgehend der Arbeit von Helber und Sahling (2009). Eine ausführliche Beschreibung der Lösungsidee der F&O-Heuristik erfolgt im Abschnitt 5.2. Die notwendigen Modellveränderungen zur Formulierung eines Unterproblems werden im Abschnitt 5.3 beschrieben. Der Ablauf der iterativen F&OHeuristik wird im Abschnitt 5.4 erläutert. Es folgen numerische Untersuchungen im Abschnitt 5.5. Diese basieren auf den von Stadtler und Sürie (2000) beschriebenen Testinstanzen. Abschließend folgt im Abschnitt 5.6 eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse dieses Kapitels.
5.2 Lösungsidee der Fix&Optimize-Heuristik: Dekomposition in Unterprobleme Das MLCLSP gehört zu der Klasse der N P-schweren Probleme. Für derartige Problemstellungen sind keine Lösungsansätze bekannt, die alle Probleme dieser Klasse mit polynomialem Rechenaufwand exakt lösen können. Maes et al. (1991) zeigen, dass bereits der Nachweis einer zulässigen Lösung ohne Überstunden für
215 Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 23ff.
70
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
das MLCLSP mit Rüstzeiten (tsk > 0) N P-vollständig ist.216 Bereits die optimale Lösung kleinerer Problemstellungen (mit ca. 250 Binärvariablen, z. B. für 10 Produkte und 25 Perioden) führt für die vorgestellten Modellformulierungen für das MLCLSP zu sehr langen Rechenzeiten.217 Obwohl Computer und Standardsolver für gemischt-ganzzahlige lineare Optimierungsmodelle, wie z. B. CPLEX218 oder Xpress-MP219 , immer leistungsfähiger werden, können selbst kleinere Problemstellungen nicht mehr in angemessener Zeit optimal gelöst werden. Den größten Zeitbedarf beansprucht die Bestimmung des optimalen Rüstmusters für die |K| · |T | binären Rüstzustandsvariablen in Kombination mit den reellwertigen Entscheidungsvariablen. Die Anzahl der reellwertigen Entscheidungsvariablen spielt eine eher untergeordnete Rolle, da für lineare Optimierungsmodelle mit reellwertigen Variablen effiziente Lösungsverfahren existieren. Aus diesem Grund wird während der F&O-Heuristik jeweils immer nur ein kleiner Teil der Binärvariablen betrachtet, eine entsprechende Einschränkung für die reellwertigen Entscheidungsvariablen ist allerdings nicht erforderlich. Iterativ wird bei der F&O-Heuristik jeweils für ein Unterproblem die Optimallösung bestimmt. Diese Unterprobleme lassen sich jeweils aus der Standardmodellformulierung des MLCLSP220 ableiten. In jedem Unterproblem wird jeweils nur für einen kleinen Teil der binären Rüstzustandsvariablen γkt der Optimalwert221 bestimmt, während den übrigen binären Rüstzustandsvariablen im Voraus ein konstanter Rüstzustand zugewiesen wird. Dadurch wird die Optimierung auf einen Teil des Lösungsraums eingeschränkt. Im Anschluss an die Lösung des Unterproblems mit einem Standardsolver für gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle werden die optimal bestimmten Rüstzustandsvariablen γkt auf den gerade ermittelten Wert fixiert. Für das nachfolgende Unterproblem wird eine neue Untermenge zu berücksichtigender Binärvariablen bestimmt und dieses Problem optimal gelöst. Jedes Unterproblem enthält dabei immer alle reellwertigen Ent216 Vgl. Maes et al. (1991) und Abschnitt 3.5 auf S. 40. Für die hier verwendete Modellformulierung existiert immer eine formal zulässige Lösung, da angenommen wird, dass der Einsatz von Überstunden unbeschränkt ist. Das MLCLSP bleibt aber für den Nachweis einer existierenden Lösung ohne Überstunden N P-vollständig. 217 Eigene numerische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Ganzzahligkeitslücke zwischen der besten gefundenen Lösung und der aktuellen unteren Schranke selbst bei der SPL-Formulierung für das MLCLSP nach vier CPU-Stunden Rechenzeit noch durchschnittlich 20 % beträgt. 218 Vgl. http://www.ilog.com/ 219 Vgl. http://www.dashoptimization.com/ 220 Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 23f. 221 Unter optimal sind hier nicht die optimalen Ausprägungen der Entscheidungsvariablen bezogen auf das Ausgangsproblem zu verstehen. Vielmehr handelt es sich bei dieser Lösung um eine lokal optimale Lösung bezogen auf das Ausgangsproblem. Im Folgenden wird der Ausdruck optimal im Zusammenhang mit der Optimierung eines Unterproblems synonym zu lokal optimal verwendet.
5.3 Modellformulierung für das Unterproblem
71
scheidungsvariablen für die Produktionsmengen QPkt , Lagermengen Ykt und Überstunden Omt , die ebenfalls optimal gelöst werden. Daher kann auf eine Fixierung des bestimmten Produktionsplans verzichtet werden. Dies hat den Vorteil, dass im Gegensatz zur Heuristik von Stadtler (2003) eine Anpassung der Rüst- und Lagerkosten nicht erforderlich ist.222 Die Fix&Optimize-Heuristik223 kann sowohl den Verfahren der mathematischen Programmierung224 als auch der Klasse der Dekompositionsverfahren225 zugeordnet werden. Bei der F&O-Heuristik werden im Gegensatz zu den bereits vorgestellten F&R-Heuristiken226 und Rundungsheuristiken227 keine relaxierten Binärvariablen betrachtet. Der Vorteil liegt darin, dass so in jedem Schritt der Heuristik eine formal zulässige Lösung für das Ausgangsproblem vorliegt.
5.3 Modellformulierung für das Unterproblem Einen fixierten Rüstzustand für Produkt k in Periode t innerhalb eines Unterproblems MLCLSP-SUB kennzeichnet der Rüstzustandsparameter γ kt . Für die Identifizierung der optimal zu lösenden Binärvariablen γkt sowie der fixierten Rüstzustände γ kt wird die Menge aller Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t) KT := K × T = {1, . . . , K} × {1, . . . , T }, f ix
in zwei disjunkte Teilmengen KT opt γ und KT γ unterteilt: sind die Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t) zuge• Der Menge KT opt γ ordnet, für welche die Rüstzustandsvariablen γkt im gerade betrachteten Unterproblem optimal gelöst werden. f ix
• Der Menge KT γ sind die Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t) zugeordnet, für welche die Rüstzustände γ kt vorübergehend fixiert sind. Mit der zusätzlichen Notation aus Tabelle 5.1 kann das MLCLSP-SUB mathematisch sehr kompakt formuliert werden, indem denjenigen Binärvariablen γkt ein fixierter Rüstzustand γ kt zugewiesen wird, deren zugehörige Produkt-Periodenf ix Kombinationen (k,t) in der Menge KT γ enthalten sind: 222 Vgl. Abschnitt 4.3.1 auf S. 54. 223 Diese Art von Lösungsansatz wird auch als Exchange-Heuristik bezeichnet (vgl. Pochet und Wolsey (2006), S. 113). 224 Vgl. Abschnitt 4.3.1 auf S. 49ff. 225 Vgl. Abschnitt 4.3.3 auf S. 59f. 226 Vgl. Pochet und Wolsey (2006), S. 109ff. sowie Abschnitt 4.3.1 auf S. 49ff. 227 Vgl. u. a. Maes et al. (1991) und Abschnitt 4.3.1 auf S. 49ff.
72
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
Tab. 5.1: Ergänzende Notation für das MLCLSP-SUB
Indexmengen KT Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t) opt KT γ Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), deren zugehörige Rüstzustandsvariablen γkt im aktuellen Unterproblem exakt gelöst werden KT γf ix Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), deren zugehörige Rüstzustände γ kt im aktuellen Unterproblem fixiert sind Parameter γ kt fixierter Rüstzustand für Produkt k in Periode t im aktuellen Unterproblem mit (k,t) ∈ KT γf ix Modell MLCLSP-SUB:228 (3.2) – (3.8) γkt = γ kt
f ix
∀ (k,t) ∈ KT γ
(5.1)
Für das MLCLSP-SUB werden neben der Zielfunktion (3.2) und den Restriktionen (3.3) bis (3.8) der Standardmodellformulierung für das MLCLSP229 nur die zusätzlichen Nebenbedingungen (5.1) benötigt. Mit diesen wird die Optimieopt f ix rung der Binärvariablen γkt auf die Menge KT γ = KT \ KT γ eingegrenzt. Der verwendete Standardsolver erkennt die bestehenden Redundanzen bei dieser Modellformulierung und beseitigt diese im Voraus.230
5.4 Ablauf der iterativen Fix&Optimize-Heuristik 5.4.1 Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung Die F&O-Heuristik besteht aus zwei Phasen. Während in der Initialisierungsphase ein Startrüstmuster festgelegt wird, beginnt mit der anschließenden zweiten Phase die eigentliche F&O-Heuristik zur Verbesserung der Ausgangslösung. In dieser 228 Im Anhang A befindet sich auf S. 187 eine redundanzfreie Modellformulierung für das MLCLSP-SUB. 229 Vgl. Abschnitt 3.2 auf S. 23f. 230 Vgl. ILOG (2006), S. 262ff.
5.4 Ablauf der iterativen Fix&Optimize-Heuristik
73 f ix
Phase werden durch eine Variation der Mengen KT opt und KT γ iterativ neue γ Unterprobleme vom Typ MLCLSP-SUB definiert. Da jedes MLCLSP-SUB optimal gelöst wird, ist die Existenz einer formal zulässigen Lösung (mit ggf. beliebig vielen Überstunden) notwendig. Für den Fall, dass keine formal zulässige Lösung für ein Unterproblem existiert, da unter Umständen Überstunden nicht erlaubt sind, würde der Standardsolver mit einer Fehlermeldung abbrechen und somit die F&OHeuristik scheitern. Aus diesem Grund wird angenommen, dass der Einsatz von Überstunden unbeschränkt zulässig ist. Um die Überstunden möglichst im Verfahrensablauf zu eliminieren, werden diese mit entsprechend hohen Strafkosten bewertet. In der Initialisierungsphase wird als Startlösung für jedes Produkt k in jeder Periode t ein Rüstzustand eingeplant (γ kt = 1, ∀(k,t) ∈ KT ). Anschließend wird das MLCLSP-SUB für das Startrüstmuster optimal gelöst (KT γf ix = KT ) und der zugehörige optimale Zielfunktionswert Z ∗ ermittelt, indem die optimalen Produk∗ ∗ tionsmengen QP∗ kt , Lagermengen Ykt und Überstunden Omt bezogen auf die Startlösung bestimmt werden. Die boolesche Variable KapZul gibt im Verlauf der Heuristik an, ob bereits eine zulässige Lösung ohne Überstunden bekannt ist. Daher wird dieser Variable der Wert ‘true’ zugewiesen, wenn bereits die Startlösung im Sinne zu vermeidender Überstunden zulässig ist und der zugehörige Produktionsplan somit keine Überstunden enthält. Andernfalls wird dieser Variable der Wert ‘ f alse’ zugewiesen. Der Ablauf der Initialisierung ist im Algorithmus 5.1 dargestellt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann diese Startlösung vollkommen unattraktiv sein. Da für jedes Produkt in jeder Periode gerüstet ist, kann die Anzahl der eingeplanten Rüstvorgänge viel zu groß sein. Unter Umständen kann dies zu einem erhöhten Einsatz an Überstunden führen, besonders dann, wenn Rüstzeiten berücksichtigt werden müssen. Für den Einsatz der F&O-Heuristik ist allerdings nur eine formal zulässige Lösung erforderlich, aber keine (real) zulässige Lösung ohne Überstunden. Die F&O-Heuristik filtert aufgrund der sehr hohen Überstundenkosten und der sehr hohen anfänglichen Rüstkosten unvorteilhafte Rüstvorgänge über den Preismechanismus heraus und entfernt diese aus dem aktuellen Rüstmuster. Auf diesem Weg wird die Ausgangslösung iterativ immer weiter verbessert. Mit der Anzahl |KT opt γ | der gleichzeitig optimal zu lösenden Binärvariablen steigt der Rechenaufwand zur Lösung eines Unterproblems s. Mit 0 < Δs =
|KT opt γ | 0 tsk = 0 tsk > 0 tsk = 0
umax 3 3 5 5 10
Bezeichnungen umax Anzahl der Dispositionsstufen a
Die Anzahl der Perioden ist abhängig davon, ob Vorlaufverschiebungen betrachtet werden. Der erste Wert gibt die Periodenanzahl für den Fall ohne und der zweite die Anzahl für den Fall mit Vorlaufverschiebungen an.
Die Testinstanzen einer Problemklasse unterscheiden sich in Hinblick auf die unterstellte Erzeugnisstruktur. Jede Problemklasse enthält sowohl Testinstanzen mit einer konvergierenden als auch mit einer generellen Erzeugnisstruktur. Nachfragedaten sind jeweils nur für die Endprodukte gegeben, diese können ebenfalls je nach Testinstanz variieren. Darüber hinaus unterscheiden sich die Testinstanzen hinsichtlich der verfügbaren Kapazität der Ressourcen in Abhängigkeit der 239 Eine ausführliche Beschreibung dieser Instanzen befindet sich unter http://www.bwl.tudarmstadt.de/bwl1/forschung/ti_mlclsp/ti_mlclsp.php?FG=bwl1. (Abruf: 9.12.2008)
86
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
unterstellten Auslastung. Außerdem können sich die Rüstkosten und für die Problemklassen B+ und D auch die Rüstzeiten je nach Testinstanz ändern. Einer der Vorteile der F&O-Heuristik liegt im Gegensatz zu anderen Lösungsverfahren darin, dass diese Vorlaufverschiebungen berücksichtigen kann. Die Vorlaufverschiebungen sind besonders für die Praxis von Relevanz, da so ein zulässiger Produktionsplan immer in einen zulässigen Maschinenbelegungsplan disaggregiert werden kann.240 Die ursprünglichen Probleminstanzen von Stadtler und Sürie (2000) berücksichtigen keine Vorlaufverschiebungen. Aus diesem Grund werden die Testinstanzen jeweils um eine Vorlaufverschiebung von einer Periode für die Vorprodukte erweitert. Dafür ist allerdings eine Anpassung der Periodenanzahl notwendig. Dazu wird die Periodenanzahl um die Anzahl der Dispositionsstufen umax − 1 erweitert und der gegebene Primärbedarf der Endprodukte um umax − 1 Perioden nach hinten verschoben. Eine Anpassung des Primärbedarfs für die Komponenten ist in diesem Fall nicht erforderlich, da für diese kein Primärbedarf vorhanden ist. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt auf der Basis der Testinstanzen, für die eine Lösung ohne Überstunden bekannt ist. Die Anzahl der Instanzen für jede Problemklasse ist in Tabelle 5.3 angegeben. Tab. 5.3: Anzahl der untersuchten Testinstanzen mit einer bekannten zulässigen Lösung ohne Überstunden für das MLCLSP
Problemklasse A+ B+ C D E
TI 120 312 180 80 150
ZTI (vpk = 0) 108 312 132 72 150
ZTI (vpk = 1) 116 312 153 74 150
Bezeichnungen TI Gesamtanzahl der Testinstanzen ZTI Anzahl der Testinstanzen mit einer bekannten zulässigen Lösung ohne Überstunden
In der ersten Spalte ist die Gesamtanzahl der Testinstanzen einer Problemklasse angegeben. In der zweiten Spalte folgen Angaben zur Anzahl der Testinstanzen ohne Vorlaufverschiebung mit einer bekannten Lösung ohne Überstunden sowie 240 Vgl. zur Erläuterung Abschnitt 3.2 auf S. 21f.
5.5 Numerische Untersuchungen
87
in der dritten Spalte die Anzahl der Testinstanzen mit Vorlaufverschiebung und einer Lösung ohne Überstunden. Die Evaluation der numerischen Ergebnisse erfolgt in Hinblick auf bekannte Ergebnisse für die verwendeten Testinstanzen. Die besten bekannten Ergebnisse für die Testinstanzen ohne Vorlaufverschiebung werden im Internet von Stadtler und Sürie (2000) bereitgestellt.241 Für die Testinstanzen mit Vorlaufverschiebung existieren in der Literatur keine bekannten Referenzlösungen. Aus diesem Grund wurden diese Referenzwerte auf einem Rechner mit einem GB Arbeitsspeicher und einem Intel Pentium IV Prozessor mit 3,0 GHz ermittelt. Für die Bestimmung dieser Werte wurde die SPLDarstellung für das MLCLSP242 in der Modellierungssprache GAMS 22.3 umgesetzt. Für die Lösung der Testinstanzen wurde der Standardsolver CPLEX 10.0 verwendet. Die Bestimmung einer Referenzlösung mit dem in CPLEX integrierten B&B-Verfahren brach ab, sobald ein vorgegebenes Zeitlimit erreicht wurde. Die Länge des Zeitlimits ist abhängig von der Anzahl der Binärvariablen in der jeweiligen Problemklasse. Für die Problemklassen A+ und B+ wurde je Instanz ein Zeitlimit von 1,5 Stunden, für die Problemklassen C und D eines von je drei Stunden sowie für die Problemklasse E eines von je 6 Stunden verwendet. Die F&O-Heuristik wurde auf einem Rechner mit vier GB Arbeitsspeicher und einem Intel Core 2 Duo Prozessor mit je 2,13 GHz in Delphi 6.0 implementiert. Die Lösung der Unterprobleme erfolgte mit einem Aufruf des Standardsolvers CPLEX 10.0 über die Callable Library, allerdings stand CPLEX nur ein Prozessor zur Verfügung. Die Ergebnisse der F&O-Heuristik werden hinsichtlich der Abweichung von der besten bekannten Lösung und von der unteren Schranke bezogen auf die Lösung der LP-Relaxation untersucht. Mit AOS wird die Abweichung einer Lösung Z F&O der F&O-Heuristik von der besten bekannten Lösung Z best als obere Schranke bezeichnet. Für eine Testinstanz kann die Abweichung AOS folgendermaßen berechnet werden: Z F&O − Z best · 100 %. (5.3) AOS = Z best Mit DAOS wird die durchschnittliche Abweichung von der besten bekannten Lösung aller Testinstanzen einer Problemklasse bezeichnet. Die Abweichung DAOS wird ermittelt, indem die Summe der Abweichungen AOS für alle zulässig gelös241 Die Lösungen werden von Stadtler und Sürie (2000) in Form einer Excel-Tabelle dokumentiert. Diese ist online unter http://www.bwl.tudarmstadt.de/bwl1/forschung/ti_mlclsp/ti_mlclsp.php?FG=bwl1 abrufbar. Es wird jedoch nicht deutlich, mit welchem Ansatz die Ergebnisse bestimmt wurden. 242 Vgl. Abschnitt 4.3.1 auf S. 52.
88
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
ten Testinstanzen ohne Überstunden durch die Anzahl der zulässig gelösten Testinstanzen ohne Überstunden einer Problemklasse geteilt wird. Bei einem positiven Wert für DAOS sind die Ergebnisse der F&O-Heuristik im Schnitt schlechter als die besten bekannten Lösungen. Mit AUS wird die Abweichung einer Lösung Z F&O der F&O-Heuristik vom Zielfunktionswert der Lösung Z LP der LP-Relaxation als untere Schranke basierend auf der SPL-Darstellung für das MLCLSP bezeichnet. AUS ist definiert als AUS =
Z F&O − Z LP · 100 %. Z LP
(5.4)
Analog zur Bestimmung der mittleren Abweichung von der besten bekannten Lösung DAOS lässt sich die mittlere Abweichung DAUS von der LP-Relaxation bestimmen. Zunächst sollen geeignete Varianten der F&O-Heuristik durch Kombination der in den Abschnitten 5.4.2.1 bis 5.4.2.3 vorgestellten elementaren Dekompositionsstrategien bestimmt werden. Durch die Kombination dieser drei elementaren Strategien ergeben sich 15 F&O-Varianten, indem entweder eine, zwei oder alle drei Strategien miteinander kombiniert werden. Für die Auswahl geeigneter Varianten werden im folgenden Abschnitt zunächst die elementaren Dekompositionsstrategien untereinander verglichen. Jede dieser Varianten wird gemäß Algorithmus 5.5 entweder genau einmal (max = 1) oder so lange wiederholt, bis ein lokales Optimum erreicht ist (max = ∞). Bei der F&O-Heuristik wird im weiteren Verlauf bei Anwendung der ressourcenorientierten Dekomposition (RoD) ein Planungsfenster bestehend aus vier Perioden verwendet (λ = 4), das jeweils um zwei Perioden verschoben wird (θ = 2). In Vorabuntersuchungen hat sich diese Parameterkombination bezogen auf die Lösungsgüte und Rechenzeit als geeignet erwiesen. Mit θ = 1 können zwar vergleichsweise bessere Ergebnisse bestimmt werden, bei den größeren Problemklassen wird dazu jedoch annähernd doppelt soviel Rechenzeit benötigt.243
243 Vgl. Tabellen B.1 und B.2 im Anhang B auf S. 189ff.
5.5 Numerische Untersuchungen
89
5.5.2 Numerische Ergebnisse für Testinstanzen ohne Vorlaufverschiebung 5.5.2.1 Vergleich der Ergebnisse der vorgestellten Dekompositionsstrategien Eine vergleichende Übersicht der Ergebnisse der drei Dekompositionsstrategien bei nur einem Durchlauf (max = 1) ist in Tabelle 5.4 dargestellt. Der Anteil der gelösten Testinstanzen ohne Überstunden ist mit Zul gekennzeichnet. Die benötigte Rechenzeit ist in Sekunden gegeben. Tab. 5.4: Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei einfachem Durchlauf (max = 1) der Dekompositionsstrategien
DAOS [%]
DAUS [%]
Zul [%]
Zeit [s]
DAOS [%]
Problemklasse A+ PoD RoD PzoD
4,09 4,75 4,85
26,50 100,00 27,33 100,00 27,61 100,00
8,32 6,97 4,40
25,66 100,00 23,95 100,00 21,12 100,00
Zul [%]
Zeit [s]
Problemklasse B+ 1,16 3,46 1,89
3,82 5,06 5,31
Problemklasse C PoD RoD PzoD
DAUS [%]
26,42 100,00 27,88 100,00 28,31 100,00
1,56 4,30 2,60
Problemklasse D 3,83 19,28 8,10
10,34 14,32 7,10
19,78 100,00 23,68 95,83 16,33 100,00
3,59 7,85 9,42
Problemklasse E PoD 11,01 RoD 14,18 PzoD 7,78
23,14 100,00 26,17 100,00 19,24 100,00
17,68 23,15 37,96
Nach nur einem Durchlauf bestimmt die produktorientierte Dekomposition (PoD) bei den Problemklassen A+ und B+ die besten Ergebnisse in der kürzesten Rechenzeit. Die prozessorientierte Dekomposition (PzoD) ermittelt bei den größeren Problemklassen C, D und E die besten Ergebnisse in Hinblick auf die Lösungsgüte. Dies ist jedoch verbunden mit deutlich höheren Laufzeiten. Bei einem Durchlauf wird die RoD entweder von der PoD oder von der PzoD dominiert. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Rechenzeit als auch bezogen auf die Lösungsgüte.
90
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
Die Ergebnisse der Tabelle 5.5 bei mehrfachem Durchlauf (max = ∞) der drei Dekompositionsstrategien zeigen, dass erneut die PoD die schnellste Strategie darstellt. Sowohl beim einfachen als auch beim mehrfachen Durchlauf benötigt die PoD im Vergleich zu den anderen Strategien eine um die Hälfte geringere Rechenzeit. In Hinblick auf die Lösungsgüte sind die Ergebnisse bei mehrfachem Durchlauf schlechter als bei den anderen Strategien. Mit Ausnahme der Problemklasse E liefert die RoD bezogen auf die Lösungsqualität die besten Ergebnisse. Bei der Problemklasse E werden mit der RoD schlechtere Ergebnisse im Vergleich zur PzoD erzielt. Bei der PzoD wird allerdings die doppelte Rechenzeit benötigt. Tab. 5.5: Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei mehrfachem Durchlauf (max = ∞) der Dekompositionsstrategien
DAOS [%]
DAUS [%]
Zul [%]
Zeit [s]
DAOS [%]
Problemklasse A+ PoD RoD PzoD
2,51 2,28 3,37
24,66 100,00 24,39 100,00 25,80 100,00
5,14 1,14 2,62
22,03 100,00 17,34 100,00 19,09 100,00
Zul [%]
Zeit [s]
Problemklasse B+ 1,71 4,95 2,35
2,20 1,92 3,12
Problemklasse C PoD RoD PzoD
DAUS [%]
24,40 100,00 24,07 100,00 25,61 100,00
2,08 5,29 3,88
Problemklasse D 7,29 24,03 24,79
5,28 2,10 2,91
14,27 100,00 10,80 100,00 11,73 100,00
6,20 12,69 14,39
Problemklasse E PoD RoD PzoD
6,71 3,55 2,76
18,41 100,00 14,58 100,00 13,72 100,00
24,48 26,48 46,99
Der Verlauf der mittleren Lösungsgüte (DAOS) bei der PoD für die Problemklassen A+ und B+ ist in Abbildung 5.5 dargestellt. Die Auswertung der Ergebnisse ergibt, dass die Abweichung der Startlösung aufgrund des Einsatzes von Überstunden und der Durchführung von Rüstvorgängen in jeder Periode im Schnitt mehr als 100 % von der besten bekannten Lösung für beide Problemklassen be-
5.5 Numerische Untersuchungen
91
10% Problemklasse A+
9%
Problemklasse B+
8% 7% DAOS
6% 5% 4% 3% 2% 1% 0% 1
11
21
31
41
51
61
71
81
91
101
Anzahl der bisher untersuchten Unterprobleme
Abb. 5.5: Verlauf der mittleren Lösungsgüte bei der produktorientierten Dekomposition am Beispiel der Problemklassen A+ und B+
trägt. Bereits nach der ersten Iteration244 sinkt die durchschnittliche Abweichung von der besten bekannten Lösung auf knapp 4 %. Für beide Problemklassen ist im Mittel nach vier Iterationen (40 Unterprobleme) ein lokales Optimum erreicht. Dies entspricht bei der Problemklasse A+ einer Abweichung von 2,51 % und bei der Problemklasse B+ einer Abweichung von 2,2 % von der besten bekannten Lösung. In Abbildung 5.6 ist der Anteil an Lösungen mit Überstunden in Abhängigkeit von der Anzahl der gelösten Unterprobleme für die Problemklasse D245 dargestellt. Bei der produktorientierten Dekomposition enthält die Startlösung für ca. 11 % der Testinstanzen noch Überstunden. Bereits nach dem siebten Unterproblem kann die Anzahl auf eine Testinstanz verringert werden, dies entspricht ca. 1,4 % der Testinstanzen bei der Problemklasse D. Mit dem 17. Unterproblem wurde für alle Testinstanzen eine Lösung ohne Überstunden bestimmt. Auffällig ist dabei, dass 244 Die Anzahl der zu untersuchenden Unterprobleme innerhalb einer Iteration der PoD entspricht der Produktanzahl. Im Fall der Problemklassen A+ und B+ werden zehn Produkte betrachtet, somit werden in einer Iteration jeweils zehn Unterprobleme gelöst. Erst nach einer vollständigen Iteration über die zehn Unterprobleme der zehn Produkte ist für jedes Produkt eine (neue) Rüstentscheidung getroffen. 245 Die Problemklasse D enthält 40 Produkte, sodass bei einem einfachen Durchlauf der produktorientierten Dekomposition insgesamt 40 Unterprobleme gelöst werden.
92
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
12% Anteil der Lösungen mit Überstunden 10%
8%
6%
4%
2%
0% 1
3
5
7
9
11
13
15
17
19
21
23
25
27
29
31
33
35
37
39
41
Anzahl der bisher untersuchten Unterprobleme
Abb. 5.6: Anteil der Testinstanzen mit einer Lösung mit Überstunden in Abhängigkeit von der Anzahl der gelösten Unterprobleme am Beispiel der Problemklasse D
bereits nach weniger als der Hälfte der betrachteten Produkte für alle Testinstanzen eine Lösung ohne Überstunden ermittelt wurde. Ziel der F&O-Heuristik ist es, in möglichst kurzer Zeit eine möglichst gute Lösung zu bestimmen. Dieses Ziel kann bereits mit einem Durchlauf der PoD erfüllt werden. Zusätzlich soll die Möglichkeit eröffnet werden, die gefundene Lösung zu verbessern. Dies gelingt beim mehrfachen Durchlauf der PoD nur bedingt. Aus diesem Grund wird im Folgenden der Einfluss auf die Lösungsgüte untersucht, wenn die PoD mit einer anderen Dekompositionsstrategie kombiniert wird. Das Ergebnis der PoD wird als Startlösung für die anschließende Dekompositionsstrategie verwendet. Auf der Basis der Auswahl der PoD als Startdekomposition werden die vier folgenden Varianten der F&O-Heuristik näher untersucht:246 Variante 1: Erst PoD, dann RoD Variante 2: Erst PoD, dann PzoD Variante 3: Erst PoD, dann RoD und dann PzoD 246 Die Bezeichnungen für die hier verwendeten Varianten weichen von den Bezeichnungen in Helber und Sahling (2009) auf S. 5 ab.
5.5 Numerische Untersuchungen
93
Variante 4: Erst PoD, dann PzoD und dann RoD In den nächsten Abschnitten werden die Ergebnisse dieser vier Varianten näher vorgestellt. Beginnend mit der RoD bzw. PzoD als Startschritt lassen sich weitere Varianten ableiten. Die Ergebnisse werden an dieser Stelle nicht weiter betrachtet. Für diese Varianten befinden sich die Ergebnisse im Anhang B. Abhängig von den untersuchten Varianten wurden bei den Problemklassen A+ und B+ zwischen 3 % und 10 % der binären Rüstzustandsvariablen innerhalb eines Unterproblems optimal gelöst. Mit zunehmender Problemgröße nimmt der Anteil der gleichzeitig betrachteten Binärvariablen innerhalb eines Unterproblems ab. So wurden bei den Problemklassen C und D für ca. 1 % bis 7,5 % der Binärvariablen die Optimallösungen bestimmt. Bei der Problemklasse E nimmt dieser noch weiter ab, hier liegt der Anteil bei 0,5 % und 4 % der Binärvariablen. 5.5.2.2 Ergebnisse durch Kombination von zwei Dekompositionsstrategien, beginnend mit der produkt-orientierten Dekomposition In der Tabelle 5.6 sind die Ergebnisse bei nur einem Durchlauf (max = 1) der vier Varianten (Var) dargestellt. Zunächst wird die Variante 1 mit der PoD und RoD verglichen. Erwartungsgemäß steigt die Rechenzeit bei der Variante 1 im Vergleich zur PoD an. Die Rechenzeit ist mit Ausnahme der Problemklasse E im Vergleich zur RoD geringer, obwohl ein Anstieg zu erwarten gewesen wäre. Durch die Kombination der beiden Dekompositionsstrategien können die Ergebnisse bei einem einfachen Durchlauf beträchtlich verbessert werden. Abgesehen von der Problemklasse C erzielt die Variante 2, als Kombination der PoD und PzoD, bei nur einem Durchlauf bessere Ergebnisse im Vergleich zu jeweils einem Durchlauf der Varianten PoD bzw. PzoD. Dies führt aber zu einem Anstieg der benötigten Rechenzeit.247 Die Ergebnisse der vier Varianten bei mehrfachem Durchlauf (max = ∞) sind in der Tabelle 5.7 dargestellt. Durch den mehrmaligen Durchlauf können die Ergebnisse bei der Variante 1 weiter verbessert werden. Bei den Problemklassen A+ und B+ hat die Variante 1 die besten Ergebnisse im Vergleich zur PoD und RoD erzielt. Bei den größeren Problemklassen C, D und E ist die Lösungsgüte durch die RoD höher als die der PoD und die der Variante 1. Bei mehrfachem Durchlauf erreicht die Variante 2 nur für die Problemklassen A+ und B+ bessere Ergebnisse hinsichtlich der Lösungsgüte, was wiederum mit einer höheren Rechenzeit verbunden ist. Bei den anderen Problemklassen liefert die PzoD in kürzerer Zeit bessere Ergebnisse.248 247 Vgl. Tabelle 5.4 auf S. 89. 248 Vgl. Tabelle 5.5 auf S. 90.
94
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
Tab. 5.6: Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei einfachem Durchlauf (max = 1) für die untersuchten Varianten
DAOS [%]
DAUS [%]
Zul [%]
Zeit [s]
DAOS [%]
Problemklasse A+ Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
1,80 2,13 1,13 1,31
23,79 24,20 23,00 23,21
100,00 100,00 100,00 100,00
3,80 4,81 2,11 2,71
20,44 21,65 18,51 19,21
100,00 100,00 100,00 100,00
Zul [%]
Zeit [s]
Problemklasse B+ 2,72 3,03 3,80 4,27
1,52 1,96 0,84 0,99
Problemklasse C Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
DAUS [%]
23,55 24,13 22,71 22,91
100,00 100,00 100,00 100,00
3,32 3,39 4,72 6,18
Problemklasse D 13,80 16,72 18,96 28,82
4,96 5,33 3,34 3,82
13,89 14,33 12,13 12,66
100,00 100,00 100,00 100,00
7,48 11,45 13,72 17,23
Problemklasse E Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
7,27 6,76 4,38 5,21
18,97 18,45 15,62 16,65
100,00 100,00 100,00 100,00
36,15 49,79 67,34 66,39
Der Verlauf der mittleren Lösungsgüte (DAOS) bei der Variante 1 durch Kombination der PoD und RoD für die Problemklassen A+ und B+ ist in Abbildung 5.7 dargestellt. Eine Iteration der Variante 1 entspricht je einem Durchlauf der PoD und RoD. Bei der PoD werden zehn Unterprobleme betrachtet. Die RoD enthält 33 Unterprobleme. Nach der ersten Iteration, d. h. nach 10 + 33 = 43 gelösten Unterproblemen, beträgt die mittlere Abweichung 1,8 % von der besten bekannten Lösung für die Problemklasse A+ und 1,5 % für die Problemklasse B+ . Bei den beiden Problemklassen ist durchschnittlich nach der dritten Iteration das lokale Optimum erreicht. Dies entspricht ca. 130 gelösten Unterproblemen.
5.5 Numerische Untersuchungen
95
Tab. 5.7: Ergebnisse der F&O-Heuristik für das MLCLSP bei mehrfachem Durchlauf (max = ∞) für die untersuchten Varianten
DAOS [%]
DAUS [%]
Zul [%]
Zeit [s]
DAOS [%]
Problemklasse A+ Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
1,03 1,67 0,75 0,78
22,87 23,65 22,54 22,58
100,00 100,00 100,00 100,00
1,57 3,71 1,12 1,16
17,85 20,40 17,36 17,40
100,00 100,00 100,00 100,00
Zul [%]
Zeit [s]
Problemklasse B+ 4,42 3,75 5,18 6,38
0,62 1,30 0,35 0,41
Problemklasse C Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
DAUS [%]
22,43 23,31 22,12 22,20
100,00 100,00 100,00 100,00
5,24 5,13 7,03 8,40
Problemklasse D 26,40 33,88 29,87 40,90
2,72 4,36 2,15 2,17
11,45 13,26 10,85 10,87
100,00 100,00 100,00 100,00
10,96 19,72 22,25 34,40
Problemklasse E Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
3,93 4,81 3,12 3,06
15,09 16,24 14,20 14,11
100,00 100,00 100,00 100,00
49,51 68,30 89,47 98,44
5.5.2.3 Ergebnisse nach Kombination von drei Dekompositionsstrategien, beginnend mit der produktorientierten Dekomposition Beginnend mit der PoD lassen sich die drei Dekompositionsstrategien zu den Varianten 3 und 4 kombinieren. Die Ergebnisse bei einem Durchlauf (max = 1) sind in Tabelle 5.6 dargestellt. Nach nur einem Durchlauf liefern diese beiden Varianten die besten Ergebnisse. Die Variante 3 (PoD, RoD und PzoD) führt im Vergleich zur Variante 4 (PoD, PzoD und RoD) zu einer höheren Lösungsgüte und benötigt in den meisten Fällen weniger Zeit. Dieses Bild setzt sich auch im Falle von mehreren Durchläufen (max = ∞) der F&O-Heuristik fort, wie in Tabelle 5.7 dargestellt. In den meisten Fällen liefert eine der beiden Varianten 3 und 4 immer die besten Ergebnisse. Auch beim mehrmaligen Durchlauf können mit der Variante 4 etwas bessere Lösungen in kürzerer Zeit im Vergleich zur Variante 3 bestimmt werden.
96
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP 10% Problemklasse A+
9%
Problemklasse B+
8% 7% DAOS
6% 5% 4% 3% 2% 1% 0% 1
11
21
31
41
51
61
71
81
91
101
Anzahl der bisher untersuchten Unterprobleme
Abb. 5.7: Verlauf der mittleren Lösungsgüte bei der Variante 1 am Beispiel der Problemklassen A+ und B+
In Abbildung 5.8 ist für die Variante 4 der Verlauf der mittleren Lösungsgüte in Abhängigkeit der gelösten Unterprobleme für die Problemklassen A+ und B+ dargestellt. Die numerischen Auswertungen haben gezeigt, dass die Variante 4 ein lokales Optimum durchschnittlich nach 150 gelösten Unterproblemen erreicht. Zusammenfassend lässt sich als wichtiges Ergebnis festhalten, dass eine leistungsfähige Heuristik immer aus einer Kombination mehrerer Dekompositionsstrategien besteht. Durch einen Perspektivwechsel, also eine andere Dekompositionsstrategie, können die Ergebnisse in der Regel verbessert werden. 5.5.2.4 Vergleich der Ergebnisse der Fix&Optimize- Heuristik mit den Ergebnissen der Verfahren von Tempelmeier/ Derstroff und von Stadtler In diesem Abschnitt sollen die Ergebnisse der vier Varianten und die der drei Dekompositionsstrategien mit zwei als besonders bedeutend eingeschätzten Verfahren zur Lösung des MLCLSP aus der Literatur verglichen werden. Zum einen wird die Lagrange-Heuristik von Tempelmeier und Derstroff (1996)249 (TDH) und zum anderen die zeitliche Dekompositionsheuristik von Stadtler (2003)250 (STH) ver249 Vgl. Abschnitt 4.3.2 auf S. 58. 250 Vgl. Abschnitt 4.3.1 auf S. 54.
5.5 Numerische Untersuchungen
97
10% Problemklasse A+
9%
Problemklasse B+
8% 7% DAOS
6% 5% 4% 3% 2% 1% 0% 1
11
21
31
41
51
61
71
81
91
101
Anzahl der bisher untersuchten Unterprobleme
Abb. 5.8: Verlauf der mittleren Lösungsgüte bei der Variante 4 am Beispiel der Problemklassen A+ und B+
wendet. Von beiden Heuristiken liegt jeweils eine Implementierung der Autoren vor, sodass für die Bestimmung numerischer Ergebnisse derselbe Computer wie für die F&O-Heuristik verwendet werden konnte. Die vorliegende Implementierung der TDH lieferte nicht immer eine zulässige Lösung bezogen auf die Lagerbilanzgleichungen. In diesen Fällen traten in einigen Perioden sehr geringe Fehlmengen auf. Aufgrund dieser Unzulässigkeit wurde nicht der mit der TDH ermittelte Zielfunktionswert unmittelbar als Vergleichswert verwendet, sondern über die Lösung des zugehörigen linearen Optimierungsmodells der optimale Zielfunktionswert für das mit der TDH gefundene Rüstmuster bestimmt. Dazu wurde dieses LP mit CPLEX 10.0 optimal gelöst. Somit ist der auf diesem Wege ermittelte Zielfunktionswert für die TDH häufig besser als der ursprüngliche Zielfunktionswert, da dieser bei der TDH nur heuristisch bestimmt wird. Auf diese Weise wurde demnach zu Gunsten der TDH vorgegangen. Die angegebene Rechenzeit enthält die Zeit für diesen Korrekturschritt allerdings nicht. Für einen aussagekräftigen Vergleich mit der F&O-Heuristik wurde der STH ein Zeitlimit vorgegeben. Dieses Zeitlimit entspricht der maximalen Rechenzeit, welche die F&O-Heuristik zur Lösung einer Testinstanz der jeweiligen Problemklasse benötigte. Das vorgegebene Zeitlimit konnte allerdings nicht immer von der STH eingehalten werden, um eine erste zulässige Lösung zu bestimmen. Aus diesem Grund ist die mittlere Rechenzeit der STH bei einigen Problemklassen höher als das erlaubte Zeitlimit. Für die STH wurde die Parameterkombination verwendet,
98
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
die in den numerischen Untersuchungen von Stadtler (2003) zu den besten Ergebnissen geführt hat. Das betrachtete Zeitfenster enthält vier Perioden und wird jeweils um eine Periode verschoben.251 Die Ergebnisse dieser drei Heuristiken sind für die Problemklassen A+ und B+ in Tabelle 5.8 dargestellt. Die F&O-Heuristik liefert bei allen Varianten für diese beiden Klassen bessere Ergebnisse als die TDH und STH bezogen auf die Lösungsgüte. Die Lösungsgüte der STH entspricht annähernd der Lösungsgüte der PoD bei einem Durchlauf. Die STH benötigt aber mehr als das Zehnfache an LaufTab. 5.8: Ergebnisse für das MLCLSP bei den Problemklassen A+ und B+ ohne Vorlaufverschiebung
Problemklasse A+ DAOS [%] TDH 13,19 STHa 4,14
DAUS Zul [%] [%] 37,95 100,00 26,31 99,07
Problemklasse B+ Zeit [s] 0,08 13,49
DAOS [%] 12,52 4,11
DAUS Zul [%] [%] 37,28 100,00 24,18 84,62
Zeit [s] 0,08 13,50
Einfacher Durchlauf (max = 1) PoD RoD PzoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
4,09 4,75 4,85 1,80 2,13 1,13 1,31
26,50 27,33 27,61 23,79 24,20 23,00 23,21
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
1,16 3,46 1,89 2,72 3,03 3,80 4,27
3,82 5,06 5,31 1,52 1,96 0,84 0,99
26,42 27,88 28,31 23,55 24,13 22,71 22,91
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
1,56 4,30 2,60 3,32 3,39 4,72 6,18
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
2,08 5,29 3,88 5,24 5,13 7,03 8,40
Mehrfacher Durchlauf (max = ∞) PoD RoD PzoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4 a
2,51 2,28 3,37 1,03 1,67 0,75 0,78
24,66 24,39 25,80 22,87 23,65 22,54 22,58
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
1,71 4,95 2,35 4,42 3,75 5,18 6,38
2,20 1,92 3,12 0,62 1,30 0,35 0,41
24,40 24,07 25,61 22,43 23,31 22,12 22,20
Maximale Rechenzeit: 14 s bei Problemklasse A+ , 22 s bei Problemklasse B+
251 Dies entspricht bei Stadtler (2003) dem untersuchten Szenario (4/0/1) (vgl. Stadtler (2003), S. 490ff.).
5.5 Numerische Untersuchungen
99
zeit. Die TDH liefert in vernachlässigbarer Zeit eine Lösung für das MLCLSP. Diese ist mit knapp 13 % Abweichung von der besten bekannten Lösung weitaus schlechter. Der benötigte Zeitaufwand bei der F&O-Heuristik und STH ist im Vergleich zur TDH deutlich höher. Für die Problemklasse A+ entspricht das Zeitlimit 14 Sekunden, für die Problemklasse B+ 22 Sekunden. Die F&O-Heuristik und die TDH finden im Gegensatz zur STH immer eine zulässige Lösung ohne Überstunden. Die STH kann bei der Problemklasse A+ für ca. 1 % der Testinstanzen und bei der Problemklasse B+ für 15,4 % der Testinstanzen keine Lösung bestimmen. In der Tabelle 5.9 sind die Ergebnisse der drei Heuristiken für die Problemklassen C und D dargestellt. Erneut können mit der TDH und F&O-Heuristik alle Tab. 5.9: Ergebnisse für das MLCLSP bei den Problemklassen C und D ohne Vorlaufverschiebung
Problemklasse C DAOS [%] TDH 6,76 STHa 2,14
Problemklasse D
DAUS Zul Zeit [%] [%] [s] 23,07 100,00 0,43 18,33 99,24 279,21
DAOS [%] 5,68 6,99
DAUS Zul [%] [%] 14,80 100,00 14,96 88,89
Zeit [s] 0,28 76,73
Einfacher Durchlauf (max = 1) PoD RoD PzoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
8,32 6,97 4,40 3,80 4,81 2,11 2,71
25,66 23,95 21,12 20,44 21,65 18,51 19,21
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
3,83 19,28 8,10 13,80 16,72 18,96 28,82
10,34 14,32 7,10 4,96 5,33 3,34 3,82
19,78 23,68 16,33 13,89 14,33 12,13 12,66
100,00 95,83 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
3,59 7,85 9,42 7,48 11,45 13,72 17,23
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
6,20 12,69 14,39 10,96 19,72 22,25 34,40
Mehrfacher Durchlauf (max = ∞) PoD RoD PzoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4 a
5,14 1,14 2,62 1,57 3,71 1,12 1,16
22,03 17,34 19,09 17,85 20,40 17,36 17,40
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
7,29 24,03 24,79 26,40 33,88 29,87 40,90
5,28 2,10 2,91 2,72 4,36 2,15 2,17
14,27 10,80 11,73 11,45 13,26 10,85 10,87
Maximale Rechenzeit: 263 s bei Problemklasse C, 81 s bei Problemklasse D
100
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
Probleminstanzen zulässig ohne Überstunden gelöst werden. Die STH findet für ca. 1 % der Instanzen bei der Problemklasse C und für 11,1 % der Instanzen bei der Problemklasse D keine Lösung. Die TDH bestimmt innerhalb weniger Zehntelsekunden jeweils eine Lösung, die im Mittel 6,6 % bzw. 5,7 % von der besten bekannten Lösung für die Klassen C bzw. D entfernt ist. Der STH wird ein Zeitlimit von 263 Sekunden für die Problemklasse C und 81 Sekunden für die Problemklasse D vorgegeben.252 Mit der F&O-Heuristik können, verglichen mit den anderen beiden Heuristiken, wiederum bessere Ergebnisse erzielt werden. Bei einem Durchlauf sind die Ergebnisse der F&O-Heuristik im Vergleich zur TDH für alle kombinierten Varianten besser. Die Lösungen sind allerdings nur für die Problemklasse C mit der Variante 3 bei einem Durchlauf besser hinsichtlich der Lösungsgüte als die der STH. Bei der Problemklasse D liefert die F&O-Heuristik mit den vier Varianten sowie der PoD bessere Ergebnisse. Bei mehrfachem Durchlauf sind die Lösungen aller Varianten bezogen auf die Lösungsgüte besser als die der TDH. Für die Problemklasse C werden bessere Ergebnisse mit den Varianten 1, 3 und 4 sowie mit der RoD als mit der STH in deutlich geringerer Rechenzeit erreicht. Bei der Problemklasse D dominieren alle Varianten die STH in Hinblick auf Rechenzeit und Lösungsgüte. Die Tabelle 5.10 stellt die Ergebnisse der drei Heuristiken für die Problemklasse E dar. Für diese Problemklasse konnten die drei Heuristiken alle Testinstanzen ohne Überstunden lösen. Die TDH benötigt im Schnitt weniger als eine Sekunde zur Lösung einer Testinstanz. Die STH benötigt allerdings durchschnittlich mehr Rechenzeit zur Lösung einer Testinstanz als das vorgegebene Zeitlimit von 397 Sekunden. Die F&O-Heuristik bestimmt bei der Variante 3 bei einem Durchlauf sowie bei den Varianten 1 bis 4 und bei der RoD und der PzoD bei mehrfachem Durchlauf ebenfalls bessere Lösungen als die TDH. Bezogen auf die Rechenzeit benötigt die F&O-Heuristik deutlich weniger Rechenzeit als die STH. Bereits bei einem Durchlauf der Variante 3 und bei mehrfachem Durchlauf der Varianten 1, 3 und 4 sowie der RoD und der PzoD bestimmt die F&O-Heuristik bessere Ergebnisse als die STH. Die besten Ergebnisse werden bei mehrfachem Durchlauf der PzoD erreicht. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die F&O-Heuristik mit mindestens einer der vorgestellten Varianten immer im Durchschnitt bessere Lösungen als die TDH und STH findet. Die TDH liefert in zu vernachlässigender Laufzeit immer eine zulässige Lösung ohne Überstunden, die weitere Verbesserungen zulässt. Die Ergebnisse sind allerdings im Vergleich zur F&O-Heuristik bezogen auf
252 Vgl. zur Erläuterung S. 97.
5.5 Numerische Untersuchungen
101
Tab. 5.10: Ergebnisse für das MLCLSP bei der Problemklasse E ohne Vorlaufverschiebung
TDH STHa
DAOS [%] 6,13 4,66
DAUS [%] 17,60 15,84
Zul [%] 100,00 100,00
Zeit [s] 0,69 420,95
Einfacher Durchlauf (max = 1) PoD RoD PzoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
11,01 14,18 7,78 7,27 6,76 4,38 5,21
23,14 26,17 19,24 18,97 18,45 15,62 16,65
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
17,68 23,15 37,96 36,15 49,79 67,34 66,39
Mehrfacher Durchlauf (max = ∞) PoD RoD PzoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4 a
6,71 3,55 2,76 3,93 4,81 3,12 3,06
18,41 14,58 13,72 15,09 16,24 14,20 14,11
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
24,48 26,48 46,99 49,51 68,30 89,47 98,44
Maximale Rechenzeit: 397 sec
die Lösungsgüte erheblich schlechter. Bezogen auf die Rechenzeit und Lösungsgüte sind die Ergebnisse der STH im Mittel schlechter als die der F&O-Heuristik. Die numerischen Ergebnisse zeigen für die F&O-Heuristik, dass keine Variante die anderen dominiert. Bei mehrfachem Durchlauf liefert in einigen Fällen die RoD und in anderen Fällen die PzoD bessere Ergebnisse. Darüber hinaus finden auch die Varianten 3 und 4, bei denen alle drei Dekompositionsstrategien miteinander kombiniert werden, in einigen Fällen die besten Lösungen für eine Problemklasse. Aus diesem Grund lässt sich keine generelle Aussage treffen. Im weiteren Verlauf der numerischen Untersuchungen wird auf die RoD und PzoD als alleinige Varianten verzichtet und es werden nur die Varianten beginnend mit der PoD betrachtet.
102
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
5.5.3 Evaluation der Ergebnisse für Testinstanzen mit einer Vorlaufverschiebung Die Ergebnisse der F&O-Heuristik für die Testinstanzen unter Berücksichtigung einer Vorlaufverschiebung von einer Periode können nur mit den Ergebnissen der TDH verglichen werden, da die STH keine Vorlaufverschiebungen berücksichtigen kann. Die in den Tabellen angegebene durchschnittliche Abweichung DAOS bezieht sich jeweils auf die mit CPLEX 10.0 bestimmten Referenzwerte.253 In der Tabelle 5.11 sind die Ergebnisse für die Problemklassen A+ und B+ dargestellt. Auch bei der Berücksichtigung von Vorlaufverschiebungen zeichnet sich das gleiche Bild ab wie bei den Testinstanzen ohne Vorlaufverschiebungen. Für alle Probleminstanzen finden beide Heuristiken immer eine zulässige Lösung ohne Überstunden. Die Rechenzeiten der TDH sind erneut zu vernachlässigen. Die Lösungsgüte der TDH ist allerdings in beiden Fällen relativ niedrig. Diese Lösungen
Tab. 5.11: Ergebnisse für das MLCLSP bei den Problemklassen A+ und B+ mit Vorlaufverschiebung
Problemklasse A+ DAOS [%] TDH 12,92
DAUS Zul [%] [%] 34,71 100,00
Problemklasse B+ Zeit [s] 0,10
DAOS [%] 11,38
DAUS Zul [%] [%] 30,82 100,00
Zeit [s] 0,09
Einfacher Durchlauf (max = 1) PoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
3,94 1,66 2,09 0,76 1,16
23,66 20,99 21,51 19,93 20,40
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
1,38 2,81 2,95 5,02 3,97
4,16 1,50 1,71 0,35 0,80
22,11 18,98 19,25 17,61 18,16
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
1,78 3,67 3,65 5,90 6,59
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
2,69 4,66 5,07 6,85 9,77
Mehrfacher Durchlauf (max = ∞) PoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
2,44 0,87 1,52 0,53 0,46
21,93 20,06 20,86 19,65 19,56
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
253 Vgl. Abschnitt 5.5.1 auf S. 85ff.
1,80 4,65 3,56 5,86 5,92
2,11 0,42 1,08 0,07 0,13
19,71 17,70 18,50 17,29 17,36
5.5 Numerische Untersuchungen
103
lassen sich daher noch weiter verbessern. Die F&O-Heuristik erzielt mit allen Varianten deutlich bessere Ergebnisse. Bei der Problemklasse B+ sind die Ergebnisse der Variante 3 bei mehrfachem Durchlauf im Schnitt 0,07 % von den CPLEXReferenzwerten entfernt. Diese Ergebnisse werden bereits nach knapp 10 Sekunden bestimmt, während für die Bestimmung der Referenzwerte ein Zeitlimit von 1,5 Stunden zur Verfügung stand. In der Tabelle 5.12 sind die Ergebnisse für das MLCLSP mit Vorlaufverschiebung für die Problemklassen C und D dargestellt. Erneut liefert die TDH in weniger als einer Sekunde für alle Probleminstanzen eine zulässige Lösung ohne Überstunden, die im Mittel 9,0 % bei Problemklasse C und 7,3 % bei Problemklasse D von den Referenzwerten abweicht. Bei der Problemklasse C bestimmt die F&OHeuristik mit allen Varianten eine bessere Lösung. Diese weicht im besten Fall, bei der Variante 4, 1,02 % von den Referenzwerten ab. Dafür werden durchschnittlich 26 Sekunden Rechenzeit benötigt. Zur Bestimmung der Referenzwerte wurde CPLEX allerdings ein Zeitlimit von drei Stunden vorgegeben. Bei Problemklas-
Tab. 5.12: Ergebnisse für das MLCLSP bei den Problemklassen C und D mit Vorlaufverschiebung
Problemklasse C DAOS [%] TDH 9,00
DAUS Zul [%] [%] 24,20 100,00
Problemklasse D Zeit [s] 0,50
DAOS [%] 7,30
DAUS Zul [%] [%] 15,64 100,00
Zeit [s] 0,30
Einfacher Durchlauf (max = 1) PoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
8,55 3,63 4,63 1,56 2,76
23,65 18,09 19,29 15,71 17,11
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
3,97 10,48 12,20 21,77 16,89
10,04 4,97 5,07 2,69 3,80
18,53 13,04 13,17 10,59 11,79
97,30 97,30 97,30 97,30 97,30
3,65 7,82 10,74 17,74 14,71
97,30 97,30 97,30 97,30 97,30
5,01 11,63 15,61 22,07 24,45
Mehrfacher Durchlauf (max = ∞) PoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
4,64 1,54 3,58 1,19 1,02
19,30 15,68 18,09 15,29 15,09
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
5,97 17,23 21,21 27,69 26,16
4,97 2,74 4,11 2,07 2,12
13,06 10,63 12,13 9,91 9,97
104
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
se D erzielt die F&O-Heuristik im Vergleich zur TDH mit Ausnahme der PoD bei nur einem Durchlauf (max = 1) bessere Lösungen. Nur für zwei Testinstanzen (2,7 % der Testinstanzen) konnte mit der F&O-Heuristik keine zulässige Lösung ohne Überstunden bestimmt werden.254 Im besten Fall weicht die Lösung nach einer mittleren Rechenzeit von 22 Sekunden mit Variante 3 im Durchschnitt 2,07 % von den Referenzwerten ab. Die Tabelle 5.13 stellt die Ergebnisse für die Problemklasse E dar. Nach durchschnittlich etwas mehr als einer Sekunde bestimmt die TDH für alle Testinstanzen eine zulässige Lösung ohne Überstunden. Die Abweichung von der Referenzlösung entspricht im Mittel 7,12 %. Die F&O-Heuristik bestimmt ebenfalls für alle Testinstanzen eine zulässige Lösung ohne Überstunden. Die F&O-Heuristik liefert verglichen mit der TDH nur bei der PoD bei einem Durchlauf im Mittel schlechtere Lösungen. Nach knapp 120 Sekunden Rechenzeit liegt die durchschnittliche Abweichung bei mehreren Durchläufen der Variante 4 bei 2,4 % von der Refe-
Tab. 5.13: Ergebnisse für das MLCLSP bei der Problemklasse E mit Vorlaufverschiebung
TDH
DAOS [%] 7,12
DAUS [%] 16,26
Zul [%] 100,00
Zeit [s] 1,13
Einfacher Durchlauf (max = 1) PoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
9,38 5,36 4,65 3,20 3,57
18,64 14,27 13,54 11,89 12,33
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
21,17 42,88 60,83 97,56 81,33
Mehrfacher Durchlauf (max = ∞) PoD Var 1 Var 2 Var 3 Var 4
4,28 3,27 2,99 2,41 2,28
13,13 11,95 11,70 11,02 10,86
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00
31,39 62,04 83,45 123,38 122,63
254 Mit einem höheren Überstundenkostensatz dürfte sich auch für diese beiden Probleminstanzen eine zulässige Lösung ohne Überstunden bestimmen lassen. Durch eine Erhöhung des Überstundenkostensatzes ist jedoch eine Vergleichbarkeit mit der TDH nicht mehr gegeben.
5.6 Abschließende Zusammenfassung
105
renzlösung. Für die Bestimmung der Referenzwerte stand CPLEX allerdings ein Zeitlimit von sechs Stunden zur Verfügung.
5.6 Abschließende Zusammenfassung Mit der F&O-Heuristik wurde ein sehr leistungsfähiger Lösungsansatz für das mehrstufige Losgrößenproblem mit Kapazitätsbeschränkungen vorgestellt. Obwohl in jedem Unterproblem jeweils nicht mehr als 10 % der Binärvariablen betrachtet werden, liefert die F&O-Heuristik bezogen auf die Lösungsgüte deutlich bessere Ergebnisse als die TDH und die STH. Darüber hinaus benötigt die F&OHeuristik weniger Rechenzeit als die STH. Die Laufzeiten der F&O-Heuristik sind im Vergleich zum Einsatz von Standardsoftware ebenfalls deutlich geringer. Bei der F&O-Heuristik handelt es sich um einen sehr flexiblen Ansatz, der auf exakten Verfahren der mathematischen Programmierung basiert. Dabei lassen sich die betrachteten Unterprobleme jeweils von der Standardmodellformulierung für das MLCLSP ableiten. Aus diesem Grund ist eine Anpassung der F&O-Heuristik auch dann nicht notwendig, wenn Modellerweiterungen in Form von zusätzlichen Nebenbedingungen berücksichtigt werden. So lassen sich z. B. Mindestlosgrößen oder maximale Lagerbestände problemlos in die Modellformulierung integrieren, ohne dabei die F&O-Heuristik anpassen zu müssen. Die TDH hingegen ist sehr unflexibel gegenüber Modellerweiterungen. Bereits das Hinzufügen zusätzlicher Modellannahmen, wie z. B. Mindestlosgrößen oder maximale Lagerbestände, erlaubt keine Lösung des Problems mit der TDH. Eine Anpassung der F&O-Heuristik ist nur dann erforderlich, wenn zusätzliche Binärvariablen eingeführt werden. In diesem Fall werden die Mengen für die Binärvariablen sowie die Unterprobleme neu definiert. Darüber hinaus kann eine Anpassung der Startlösung und der Dekompositionsstrategien notwendig sein. Da diese Veränderungen sehr gering sind, ist auch in diesem Fall eine Anpassung problemlos möglich. Ein weiterer Vorteil der F&O-Heuristik liegt darin, dass auch mehrstufige Losgrößenprobleme mit einer positiven Vorlaufverschiebung sehr gut gelöst werden können. Die Problematik der Vorlaufverschiebung ist besonders praxisrelevant, da nur so ein Produktionsplan immer in einen Maschinenbelegungsplan disaggregiert werden kann. Mit der STH können keine Probleme mit Vorlaufverschiebungen gelöst werden. Neben der TDH gehört die F&O-Heuristik zu den wenigen Verfahren, bei denen auch Vorlaufverschiebungen berücksichtigt werden können. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die F&O-Heuristik sehr gute Ergebnisse hinsichtlich der Lösungsgüte und Rechenzeit für das MLCLSP auch mit Vorlauf-
106
5 Eine iterative Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP
verschiebungen liefert. Außerdem eröffnet die F&O-Heuristik dem Anwender die Möglichkeit, mit akzeptablem Zeitaufwand eine möglichst gute Lösung bestimmen zu können. Mit zusätzlichem Rechenaufwand lässt sich dieser Produktionsplan sogar noch weiter verbessern, indem die Anzahl der gleichzeitig betrachteten Binärvariablen erhöht wird. Die F&O-Heuristik weist somit auch im Hinblick auf die im Zeitablauf immer leistungsfähiger werdenden Computer und Standardsolver eine hohe Flexibilität auf.
6 Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L 6.1 Überblick Die F&O-Heuristik kann mit einigen kleineren Veränderungen zur Lösung des MLCLSP-L mit Übertragung des Rüstzustands verwendet werden. Die Grundidee der F&O-Heuristik bleibt erhalten. Dies verdeutlicht die hohe Flexibilität dieses Dekompositionsansatzes, der auf der mathematischen Programmierung beruht. Die hier dargestellten Ausführungen für die F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L basieren weitestgehend auf der Arbeit von Sahling et al. (2009). Die notwendigen Anpassungen der F&O-Heuristik werden in diesem Kapitel erläutert. Dazu wird im Abschnitt 6.2 dargestellt, wie die Definition eines Unterproblems für das MLCLSP-L angepasst wird, wenn Rüstzustände über Periodengrenzen hinaus übertragen werden können. Im Abschnitt 6.3 wird der Ablauf der F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L beschrieben. Es folgen numerische Untersuchungen im Abschnitt 6.4. Diese basieren auf den um Vorlaufverschiebungen erweiterten Problemklassen von Stadtler und Sürie (2000). Abschließend werden die Ergebnisse im Abschnitt 6.5 noch einmal kurz zusammengefasst.
6.2 Modellformulierung für das Unterproblem Beim MLCLSP-L kann der Rüstzustand ohne zusätzliche Rüstkosten und -zeiten in nachfolgende Perioden übertragen werden.255 Aufgrund der zusätzlich benötigten binären Rüstübertragungsvariablen wird das mathematische Modell allerdings noch komplexer, sodass auch hier Heuristiken zur Lösung notwendig sind. Die F&O-Heuristik kann durch einige Veränderungen auch für das MLCLSP-L genutzt werden. Die Grundidee der F&O-Heuristik bleibt bei dieser Modifikation erhalten. Zur Bestimmung eines Unterproblems für das MLCLSP-L werden die binären Entscheidungsvariablen des Ausgangsproblems wieder in jeweils zwei disjunkte 255 Vgl. Abschnitt 3.3 auf S. 26.
108
6 Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L
Teilmengen unterteilt. Die eine umfasst diejenigen Binärvariablen des Ausgangsproblems, die im gerade betrachteten Unterproblem auf exogen vorgegebene Werte fixiert sind. Die andere, komplementäre Teilmenge beschreibt dagegen die innerhalb des Unterproblems zu optimierenden Binärvariablen. Zusätzlich zu den Rüstzustandsvariablen γkt werden beim MLCLSP-L auch die binären Rüstübertragungsvariablen ωkt berücksichtigt. In Analogie zu einem fixierten Rüstzustand γ kt bezeichnet ω kt eine fixierte Rüstübertragung für Produkt k in Periode t. Zur Identifizierung der innerhalb eines Unterproblems optimal zu lösenden Rüstübertragungsvariablen ωkt wird die Menge KT in zwei disjunkte Untermengen KT opt ω f ix und KT ω unterteilt: opt
• Die Menge KT ω enthält die Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), für welche die Rüstübertragungsvariablen ωkt in einem Unterproblem optimal gelöst werden. • Die Menge KT ωf ix enthält die Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), für welche die Rüstübertragungen ω kt in einem Unterproblem vorübergehend fixiert sind. Alle reellwertigen Variablen QPkt , Ykt , Omt sowie νmt werden in jedem Unterproblem über den gesamten Planungshorizont optimal gelöst. Ein Unterproblem für das MLCLSP-L mit mehrfacher Rüstübertragung (MLCLSP-L-SUB) kann mit der Notation aus Tabelle 6.1 folgendermaßen mathematisch modelliert werden:
Tab. 6.1: Ergänzende Notation für das MLCLSP-L-SUB
Indexmengen Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), deren zugeKT opt ω hörige Rüstübertragungsvariablen ωkt im aktuellen Unterproblem optimal gelöst werden Menge der Produkt-Perioden-Kombinationen (k,t), deren zugeKT ωf ix hörige Rüstübertragungen ω kt im aktuellen Unterproblem fixiert sind Parameter ω kt fixierte Rüstübertragung für Produkt k in Periode t, wobei (k,t) ∈ KT ωf ix
6.3 Anpassung der Fix&Optimize-Heuristik für das MLCLSP-L
109
Modell MLCLSP-L-SUB: (3.12) – (3.16) und (3.18) – (3.27) γkt = γ kt
∀ (k,t) ∈ KT γf ix
(6.1)
ωkt = ω kt
∀ (k,t) ∈ KT ω
f ix
(6.2)
Der Standardmodellformulierung für das MLCLSP-L256 werden lediglich die zusätzlichen Nebenbedingungen (6.1) und (6.2) hinzugefügt.257 Aufgrund der Nebenbedingungen (6.1) wird einer binären Rüstzustandsvariable γkt ein fixierter Rüstzustand γ kt zugewiesen, wenn die zugehörige Produkt-Periodenf ix Kombination (k,t) in der Menge KT γ enthalten ist. Entsprechend nimmt mit den Nebenbedingungen (6.2) eine binäre Rüstübertragungsvariable ωkt den Wert einer fixierten Rüstübertragung ω kt an, wenn die Menge KT ωf ix die zugehörige Produkt-Perioden-Kombination (k,t) enthält. Somit wird die Optimierung der bif ix nären Rüstzustandsvariablen γkt auf die Menge KT opt γ = KT \ KT γ beschränkt. Die Optimierung der Rüstübertragungsvariablen ωkt ist auf die Menge KT opt ω = KT \ KT ωf ix begrenzt. Analog kann auch das MLCLSP-L-SUB bei einfacher Rüstübertragung modelliert werden. Dazu werden der Zielfunktion (3.12) und den Restriktionen (3.13) bis (3.22) zusätzlich die Nebenbedingungen (6.1) und (6.2) hinzugefügt.
6.3 Anpassung der Fix&Optimize-Heuristik für das MLCLSP-L 6.3.1 Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung Die angepasste F&O-Heuristik besteht, wie beim MLCLSP, aus zwei Phasen. Die Anfangsfixierung für die binären Rüstübertragungsvariablen lässt sich aus der Startlösung für das MLCLSP bestimmen, bei der für jedes Produkt k in jeder Periode t gerüstet ist. Dazu wird das zugehörige MLCLSP-L-SUB optimal gelöst, indem alle binären Rüstvariablen fixiert und alle Rüstübertragungsvariablen op256 Vgl. Abschnitt 3.3 auf S. 29ff. 257 Eine redundanzfreie mathematische Modellformulierung – wie für das MLCLSP-SUB im Abschnitt A vorgestellt – ist auch für das MLCLSP-L-SUB möglich.
110
6 Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L f ix
timal gelöst werden (KT γ = KT und KT opt ω = KT ). Auf diesem Weg wird auch der optimale Zielfunktionswert Z ∗ der Startlösung ermittelt. Wenn der Produktionsplan der Startlösung keine Überstunden enthält (∑m∈M ∑t∈T O∗mt = 0), wird der booleschen Variable KapZul der Wert ‘true’ zugewiesen, ansonsten der Wert ‘ f alse’. Abschließend werden die optimal gelösten Rüstübertragungsvariablen ωkt fixiert. Der Ablauf der Initialisierung ist im Algorithmus 6.1 dargestellt. für alle (k,t) ∈ KT Setze γ kt := 1 f ix
Setze KT γ := KT f ix Setze KT ω := 0/ Bestimme Z ∗ für das MLCLSP-L-SUB Setze Z neu := Z ∗ wenn ∑m∈M ∑t∈T O∗mt = 0 dann Setze KapZul:= ‘true’ sonst Setze KapZul:= ‘ f alse’ für alle (k,t) ∈ KT Setze ω kt := ωkt∗ Bezeichnungen optimale Ausprägung der binären Rüstübertragungsvariable ωkt ωkt∗
Alg. 6.1: Initialisierungsphase zur Bestimmung einer formal zulässigen Startlösung für die F&O-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L
Bei der Bestimmung einer Startlösung steht erneut die formale Zulässigkeit der Lösung im Vordergrund. Die ermittelte Lösung kann auch in diesem Fall aus betriebswirtschaftlicher Sicht äußerst unattraktiv sein. Im Verlauf der F&O-Heuristik wird diese Lösung allerdings immer weiter verbessert.258 Im Anschluss an die Bestimmung der Startlösung beginnt die eigentliche F&O-Heuristik. Der generelle Ablauf der F&O-Heuristik ist annähernd identisch mit dem bereits bekannten Ablauf zur Lösung des MLCLSP. Daher wird der Ablauf an dieser Stelle nicht weiter erläutert.259 Aufgrund der Rüstübertragung sind allerdings Anpassungen bezüglich der Dekompositionsstrategien notwendig. 258 Vgl. Abschnitt 5.4.1 auf S. 73. 259 Den detaillierten Ablauf der F&O-Heuristik für das MLCLSP-L beschreibt der Algorithmus C.1 im Anhang C.
6.3 Anpassung der Fix&Optimize-Heuristik für das MLCLSP-L
111
opt 6.3.2 Bestimmung der Untermengen KT opt γ und KT ω zu optimierender Binärvariablen
6.3.2.1 Produktorientierte Dekomposition Bei der produktorientierten Dekomposition korrespondiert ein Unterproblem s mit einem Produkt k. In einer vorgegebenen Reihenfolge K˜ wird für jedes Produkt k jeweils ein Unterproblem betrachtet.260 Die Reihenfolge, in der die Produkte während der produktorientierten Dekomposition betrachtet werden, basiert auf der Lösung der LP-Relaxation der Standardmodellformulierung für das MLCLSP-L.261 Aufgrund der zusätzlich zu berücksichtigenden Rüstübertragungsvariablen wird die Berechnungsvorschrift (5.2) für die produktspezifischen Kosten Zk angepasst:262 Zk
=
∑ (hck ·Ykt∗ + sck · (γ˜kt∗ − ω˜ kt∗ ))
t∈T
+
∗ ˜ kt∗ )) ∑ (t pk · QP∗ kt + tsk · (γ˜kt − ω
t∈T
∗ ˜ it∗ )) ∑ ∑ (t pi · QP∗ it + tsi · (γ˜it − ω
i∈Kμ(k) t∈T
(6.3) · ∑ ocμ(k),t · O∗μ(k),t t∈T
Die Berechnung der produktspezifischen Kosten Zk basiert auf den relaxiert gelösten Werten γ˜kt∗ und ω˜ kt∗ der Rüstzustands- und Rüstübertragungsvariablen. Die Überstundenkosten einer Ressource werden proportional zur Kapazitätsbeanspruchung auf die in Periode t gefertigten Produkte verteilt. Eine Aufteilung nach dem Verursachungsprinzip263 ist auch hier nicht möglich, da sich die Überstunden nicht eindeutig einem Produkt zuordnen lassen.264 Bei der produktorientierten Dekomposition werden die Produkte nach absteigenden Kosten Zk in die geordnete Menge K˜ einsortiert. Mit diesem Vorgehen werden somit zunächst die Rüstentscheidungen für die kostenintensiveren Produkte fixiert. Insgesamt werden K Unterprobleme untersucht. Ein Unterproblem s beinhaltet alle Rüstzustandsvariablen γkt und alle Rüstübertragungsvariablen ωkt für das dem Unterproblem s zugeordnete Produkt k. Darüber hinaus werden auch die Rüstübertragungsvariablen ωit derjenigen Produkte i betrachtet, die auf derselben Maschine wie Produkt k gefertigt werden (i ∈ Kμ(k) ), da diese Produkte um die Möglichkeit 260 261 262 263 264
Vgl. Abschnitt 5.4.2.1 auf S. 76. Vgl. Abschnitt 3.3 auf S. 29ff. Vgl. Abschnitt 5.4.2.1 auf S. 76. Vgl. u. a. Hoitsch und Lingnau (2007), S. 67ff. sowie Schweitzer und Küpper (2008), S. 55. Vgl. zur Erläuterung Abschnitt 5.4.2.1 auf S. 76.
112
6 Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L
einer Rüstübertragung auf dieser Maschine konkurrieren. Diese Betrachtung ist notwendig, weil ein zusätzlich einzuplanender Rüstzustand (γkt = 1) für Produkt k in Periode t insgesamt zu einer Kostenreduzierung führen kann. Aufgrund eines bereits bestehenden Rüstzustands (γk,t−1 = 1) wird so für dieses Produkt in der Vorperiode t − 1 eine Rüstübertragung ermöglicht (ωkt = 1). Gleichzeitig muss allerdings eine bestehende Rüstübertragung (ωit = 1) für ein anderes Produkt i auf derselben Maschine aufgehoben werden. Andererseits kann beispielsweise das Aufheben eines Rüstzustands (γkt = 0) verbunden mit dem gleichzeitigen Aufheben einer Rüstübertragung (ωkt = 0) in die Periode t eine Rüstübertragung für ein anderes Produkt i auf derselben Maschine ermöglichen (ωit = 1). Eine Iteration der produktorientierten Dekomposition endet, sobald für jedes Produkt das korrespondierende Unterproblem betrachtet wurde. Der für die Übertragung des Rüstzustands angepasste Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L ist im Algorithmus 6.2 dargestellt. Die Abbildung 6.1 stellt den Ablauf der produktorientierten Dekomposition anhand des bekannten Beispiels265 dar. Nach der Lösung der LP-Relaxation ergibt sich für das Beispiel, dass die Produkte in der Reihenfolge ihrer Indizie1. Unterproblem: 1 2
3
4
5
6
7
8
2. Unterproblem: 1 2
Produkt 1
Produkt 1
Produkt 2
Produkt 2
Produkt 3
Produkt 3
Produkt 4
Produkt 4
3. Unterproblem: 1 2
3
4
5
6
7
8
4. Unterproblem: 1 2
Produkt 1
Produkt 1
Produkt 2
Produkt 2
Produkt 3
Produkt 3
Produkt 4
Produkt 4 aktuell betrachtetes Produkt optimal zu lösende Rüstzustandsvariable
3
4
5
6
7
8
3
4
5
6
7
8
(vorübergehend) fixierter Rüstzustand optimal zu lösende Rüstübertragungsvariable
Abb. 6.1: Beispiel zum Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L 265 Vgl. Abschnitt 5.4.2.1 auf S. 76f.
6.3 Anpassung der Fix&Optimize-Heuristik für das MLCLSP-L
113
Setze s := 1 für alle k ∈ K˜ für alle t ∈ T Füge (k,t) der Menge KT opt γ hinzu für alle i ∈ Kμ(k) opt Füge (i,t) der Menge KT ω hinzu Setze KT γf ix := KT \KT opt γ f ix Setze KT ω := KT \KT opt ω Bestimme Z ∗ des MLCLSP-L-SUB wenn ∑m∈M ∑t∈T O∗mt = 0 dann Setze KapZul neu := ‘true’ sonst Setze KapZul neu := ‘ f alse’ wenn (Z ∗ < Z neu ) ∧ (KapZul neu ∨ [¬KapZul neu ∧ ¬KapZul]) dann für alle t ∈ T Setze γ kt := γkt∗ für alle i ∈ Kμ(k) Setze ω it := ωit∗ Setze Z neu := Z ∗ wenn KapZul neu dann Setze KapZul:= ‘true’ opt
Setze KT γ := 0/ opt Setze KT ω := 0/ Setze s := s + 1 Alg. 6.2: Ablauf der produktorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L
rung betrachtet werden. Aus diesem Grund enthält das erste Unterproblem die Rüstzustandsvariablen sowie die Rüstübertragungsvariablen von Produkt 1. Zusätzlich werden auch die Rüstübertragungsvariablen von Produkt 2 betrachtet, da beide Produkte auf der Maschine A gefertigt werden. Die Rüstvariablen, d. h. die Rüstzustands- und Rüstübertragungsvariablen der übrigen Produkte bleiben zunächst fixiert. Im Anschluss an die Optimierung erfolgt die Fixierung der optimal gelösten Rüstzustands- und Rüstübertragungsvariablen für die beiden Produkte. Danach wird das zweite Unterproblem optimiert, in dem die Rüstzustandsvariablen von Produkt 2 und die Rüstübertragungsvariablen der Produkte 1 und 2
114
6 Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L
optimal gelöst werden. Analog korrespondiert das dritte bzw. vierte Unterproblem mit den Produkten 3 bzw. 4. In jedem Unterproblem werden neben den jeweiligen Rüstzustandsvariablen des zugehörigen Produkts auch die Rüstübertragungsvariablen beider auf der jeweiligen Maschine gefertigten Produkte betrachtet. Nach der Optimierung des vierten Unterproblems endet eine Iteration der produktorientierten Dekomposition. 6.3.2.2 Ressourcenorientierte Dekomposition Bei der ressourcenorientierten Dekomposition für das MLCLSP-L werden innerhalb eines Unterproblems s jeweils nur die Produkte k ∈ Km einer Maschine m in einem Planungsfenster der Länge λ betrachtet. Im Anschluss an die exakte Lösung eines Unterproblems werden, wie beim MLCLSP, die optimal gelösten Binärvariablen fixiert. Anschließend wird das Planungsfenster um θ Perioden verschoben. Somit überlappen sich zwei nachfolgende Unterprobleme s und s + 1 jeweils um λ − θ Perioden, wenn diese derselben Ressource m zugeordnet sind. Die ressourcenorientierte Dekomposition endet, sobald für jede Maschine die zugehörigen Planungsfenster genau einmal betrachtet wurden. Der Ablauf der ressourcenorientierten Dekomposition für das MLCLSP-L ist im Algorithmus 6.3 dargestellt. Der Ablauf der ressourcenorientierten Dekomposition entspricht in Bezug auf die Rüstzustandsvariablen γkt dem der ressourcenorientierten Dekomposition für das MLCLSP.266 Der einzige Unterschied betrifft die Rüstübertragungsvariablen ωkt . Diese werden ebenfalls für alle Produkte der betrachteten Maschine im Planungsfenster optimal gelöst. Veränderungen der Rüstzustandsvariablen am Ende des betrachteten Zeitraums können sich allerdings auch auf die Rüstübertragungsvariablen in der ersten nachfolgenden Periode auswirken, sodass zusätzlich zu den Perioden im Planungsfenster die erste nachfolgende Periode nach dem Planungsfenster für die Rüstübertragungsvariablen betrachtet wird. Anhand eines Beispiels in Abbildung 6.2 werden mögliche Auswirkungen erläutert. Das aktuelle Unterproblem korrespondiert mit der Maschine B, auf der die Produkte 3 und 4 gefertigt werden können. Dabei wird ein Planungsfenster bestehend aus den Perioden 3 bis 6 betrachtet.267 Wird beispielsweise für Produkt 3 in Periode 6 ein zusätzlicher Rüstzustand (γ36 = 1) eingeplant, so lässt sich dieser möglicherweise zur Kostenreduzierung in die Folgeperiode 7 übertragen. Ein Erhalt dieses Rüstzustands ist allerdings nur dann möglich (ω37 = 1), wenn in der nachfolgenden Periode 7 für Produkt 3 gerüstet ist (γ37 = 1). Entsprechend kann sich für Produkt 4 in Periode 6 der Verlust 266 Vgl. Abschnitt 5.4.2.2 auf S. 78ff. 267 Vgl. dazu das Beispiel im Abschnitt 5.4.2.1 auf S. 76f.
6.3 Anpassung der Fix&Optimize-Heuristik für das MLCLSP-L
115
Setze s := 1 für alle m ∈ M Setze t := 0 solange t < T für τ := t + 1 bis min{T,t + λ } für alle k ∈ Km Füge (k, τ) der Menge KT opt γ hinzu Setze KT γf ix := KT \ KT opt γ für τ := t + 1 bis min{T,t + λ + 1} für alle k ∈ Km opt Füge (k, τ) der Menge KT ω hinzu Setze KT ωf ix := KT \ KT opt ω Bestimme Z ∗ des MLCLSP-L-SUB wenn ∑m∈M ∑t∈T O∗mt = 0 dann Setze KapZul neu := ‘true’ sonst Setze KapZul neu := ‘ f alse’ wenn (Z ∗ < Z neu ) ∧ (KapZul neu ∨ [¬KapZul neu ∧ ¬KapZul]) dann für alle (k, τ) ∈ KT opt γ Setze γ kτ := γkt∗ für alle (k, τ) ∈ KT opt ω Setze ω kτ := ωkt∗ Setze Z neu := Z ∗ wenn KapZul neu dann Setze KapZul:= ‘true’ opt
Setze KT γ := 0/ Setze t := t + θ (wobei 1 ≤ θ ≤ λ ) Setze s := s + 1 Alg. 6.3: Ablauf der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L
eines Rüstzustands (γ46 = 0) auf eine vorherige Rüstübertragung (ω47 = 1) auswirken. Daher werden auch die Rüstübertragungsvariablen ω47 und ω37 für die Produkte der betrachteten Maschine in der Periode 7 nach dem Planungsfenster berücksichtigt. Eine Berücksichtigung der Periode 2 vor Beginn des Planungs-
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6 Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L
1
2
3
4
5
6
7
8
Produkt 1 Produkt 2 Produkt 3 Produkt 4 aktuell betrachtete Produkte optimal zu lösende Rüstzustandsvariable
betrachtetes Zeitfenster der Länge ë=4 (vorübergehend) fixierter Rüstzustand
optimal zu lösende Rüstübertragungsvariable
Abb. 6.2: Beispiel zur Anpassung der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L
fensters ist aufgrund der Definition (3.11) der Rüstübertragungsvariablen ωkt nicht notwendig.268 Das Vorgehen bei der ressourcenorientierten Dekomposition wird anhand des bereits bekannten Beispiels269 in Abbildung 6.3 erläutert. In jedem Unterproblem s wird ein Planungsfenster mit vier Perioden betrachtet. Das Planungsfenster wird für ein neues Unterproblem auf derselben Ressource um zwei Perioden verschoben. Die Betrachtung beginnt mit Maschine A. Im ersten Unterproblem werden die Produkte 1 und 2 gleichzeitig betrachtet und die Rüstvariablen für diese Produkte über die Perioden 1 bis 4 optimiert. Darüber hinaus werden bei der Optimierung auch die Rüstübertragungsvariablen der Periode 5 für beide Produkte sowie alle reellwertigen Entscheidungsvariablen berücksichtigt. Anschließend werden die optimal gelösten Binärvariablen fixiert. Für das zweite Unterproblem wird das Planungsfenster um zwei Perioden verschoben. In diesem Unterproblem werden alle reellwertigen Entscheidungsvariablen und die Rüstzustands- und Rüstübertragungsvariablen der Produkte 1 und 2 für die Perioden 3 bis 6 optimal gelöst. Zusätzlich werden die Rüstübertragungsvariablen der Periode 7 betrachtet. Anschließend werden die Binärvariablen fixiert und das Planungsfenster um zwei weitere Perioden verschoben. In dem so entstan268 Vgl. Abschnitt 3.3 auf S. 28. 269 Vgl. Abschnitt 5.4.2.1 auf S. 76f.
6.3 Anpassung der Fix&Optimize-Heuristik für das MLCLSP-L
1. Unterproblem: 1 2
3
4
5
6
7
8
2. Unterproblem: 1 2
Produkt 1
Produkt 1
Produkt 2
Produkt 2
Produkt 3
Produkt 3
Produkt 4
Produkt 4
3. Unterproblem: 1 2
3
4
5
6
7
8
4. Unterproblem: 1 2
Produkt 1
Produkt 1
Produkt 2
Produkt 2
Produkt 3
Produkt 3
Produkt 4
Produkt 4
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3
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5
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8
3
4
5
6
7
8
5. Unterproblem:
aktuell betrachtete Produkte optimal zu lösende Rüstzustandsvariable
betrachtetes Zeitfenster der Länge ë=4 (vorübergehend) fixierter Rüstzustand
optimal zu lösende Rüstübertragungsvariable
Abb. 6.3: Beispiel zum Ablauf der ressourcenorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L
denen Unterproblem werden die Rüstzustands- und Rüstübertragungsvariablen der Produkte 1 und 2 in den Perioden 5 bis 8 optimiert. Analog werden die Unterprobleme für die Maschine B definiert. 6.3.2.3 Prozessorientierte Dekomposition Bei der prozessorientierten Dekomposition zur Lösung des MLCLSP-L werden innerhalb eines Unterproblems s die Rüstvariablen für ein Produkt k und einen seiner direkten Nachfolger i ∈ Nk betrachtet. Bezogen auf die Rüstzustandsvariablen ergeben sich keine Veränderungen beim Ablauf der prozessorientierten Dekomposition im Vergleich zum MLCLSP.270 Erneut wird der Planungshorizont halbiert, sodass in einem Unterproblem s zunächst die Perioden 1 bis T2 und im 270 Vgl. Abschnitt 5.4.2.3 auf S. 82f.
118
6 Anwendung der Fix&Optimize-Heuristik zur Lösung des MLCLSP-L
anschließenden Unterproblem s + 1 die Perioden T2 + 1 bis T betrachtet werden, wenn diese jeweils den gleichen Produkten k und i zugeordnet sind. Darüber hinaus ergeben sich Veränderungen bezogen auf die zu berücksichtigenden Rüstübertragungsvariablen. 6.4 s := 1 k∈K i ∈ Nk t := 0 t