Uwe Wolff Medienarbeit für Rechtsanwälte
Uwe Wolff
Medienarbeit für Rechtsanwälte Ein Handbuch für effektive Kanzlei-PR
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1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Barbara Möller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: ITS Text und Satz Anne Fuchs, Bamberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-1460-6
Dieses Buch ist meinen Kindern Sophie, Julian und Vincent gewidmet für all die Zeit, die sie mir von sich abgegeben haben, damit ich dieses Buch überhaupt schreiben konnte.
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis
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Grundlegende Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Warum Medienarbeit für Anwälte? Oder: „Communicate or die!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Was ist Public Relations? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Die Grenzen des Anwalt-Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Nie ohne den Mandanten! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anwälte und Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Ein ungleiches Paar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Die Vorurteile der Journalisten gegenüber Anwälten . . . . . .
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7. Die Vorurteile der Anwälte gegenüber Journalisten . . . . . . .
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8. Die Angst des Anwalts vor den Medien . . . . . . . . . . . . . . . .
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9. Eine teure Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10. Ist die Angst des Anwalts vor den Medien berechtigt? . . . . .
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11. Der Journalist – das unbekannte Wesen . . . . . . . . . . . . . . . .
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12. Was macht und was will der Journalist? . . . . . . . . . . . . . . . .
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13. Wie kommt der Journalist an seine Informationen? . . . . . . .
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Die Welt der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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14. Der Medienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15. Printmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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16. Klassische elektronische Medien (TV, Radio) . . . . . . . . . . . .
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17. Moderne elektronische Medien (Internet, Blogs, Podcasts und andere) . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
18. Warum bloggt ein Rechtsanwalt? Ein Erfahrungsbericht von Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig, Berlin, über seine Arbeit mit modernen Medien . . . . . . . . .
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19. Welche Medienformen sind für den Anwalt interessant? . . .
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Über das Wesen der Nachricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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20. Was ist eine Nachricht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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21. Was ist berichtenswert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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22. Was macht einen juristischen Fall interessant? . . . . . . . . . . .
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Die Checkliste für die Medienarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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23. Die Checkliste: Ist Ihr Fall ein Fall für die Medien? . . . . . . .
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24. Ist der Fall ganz besonders oder einzigartig? . . . . . . . . . . . .
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25. Bietet der Fall sensationelle Fakten? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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26. Geht es um (relativ) große Geldsummen? . . . . . . . . . . . . . .
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27. Handelt es sich bei den streitenden Parteien um wohlbekannte Unternehmen oder Personen ? . . . . . . . . . . .
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28. Könnte der Fall in der regionalen Presse oder in der Fachpresse für Furore sorgen? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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29. Könnte der Fall zu einer neuen Gesetzgebung oder zu einer Erweiterung der bisherigen Gesetzgebung führen? . . . . . . . .
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30. Provoziert der Fall eine neue Anwendung eines alten Gesetzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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31. Behandelt Ihr Fall ein Rechtsgebiet, das von den Medien als „heiß“ betrachtet wird? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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32. Lässt sich dem Fall ein menschliches Gesicht oder eine menschliche Tragödie zuweisen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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33. Steht Ihr Fall für einen Trend? Folgt er einem Trend? . . . . .
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34. Hat der Fall eine politisch oder eine regulatorisch relevante Seite? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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35. Ist Ihr Fall relevant für Verbraucher? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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36. Die Früchte der Medienarbeit. Ein Erfahrungsbericht von Rechtsanwältin Sibylle Schwarz, Wiesbaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kontakte zu den Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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37. Wie kontaktieren Sie die Medien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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38. Die hierarchische Struktur der Medien . . . . . . . . . . . . . . . .
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39. Formen der Kontaktaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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40. Anruf in der Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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41. Einschub: Lies, Anwalt, lies! Ein Plädoyer für eine bessere Allgemeinbildung der Anwälte und ein größeres Medienverständnis, um beruflich weiterzukommen. . . . . . . .
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42. Der Leserbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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43. Der befreundete Journalist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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44. (Medien-)Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Pressemitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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45. Das Wesen der Pressemitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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46. Regeln für eine gute Pressemitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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47. Versand der Pressemitteilung per E-Mail oder Fax? . . . . . . .
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Die Medien melden sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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48. Grundregeln einer effektiven Kommunikation . . . . . . . . . . .
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49. Was tun, wenn ein Journalist anruft? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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50. Tipps für den Umgang mit Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . .
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Das Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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51. Das Wesen des journalistischen Interviews . . . . . . . . . . . . . .
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52. Zwölf Tipps für ein perfektes Interview . . . . . . . . . . . . . . . .
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53. Keine Details, bitte! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
54. Im Namen der Verständlichkeit. Ein Plädoyer der Juristin und Schriftstellerin Hella Dubrowsky für eine bessere Sprache in der Juristerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Tag danach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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55. Falsch zitiert! Was nun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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56. Wie Sie sich gegen falsche Berichte wehren können . . . . . . .
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57. Wann Sie sich nicht gegen die Medien wehren sollten . . . . .
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58. Drei fehlgeschlagene Gegenattacken . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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59. „Klare Ansagen, offene Karten“. Ein Interview mit dem Journalisten Elmar Jehn über Anwälte und Medien . . . . . . .
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Die Sucht nach der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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60. Die Gefahr, immer groß rauskommen zu wollen . . . . . . . . .
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61. Der Ikarus-Effekt – Aufstieg und Fall von Anwälten . . . . . .
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Wenn alles zu viel wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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62. Wann sollten Sie einen Kommunikationsprofi beauftragen? .
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63. Wie Sie einen Profi erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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64. Was kostet ein Profi? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einen Schritt weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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65. Litigation-PR – Prozesse gewinnen mit der Öffentlichkeit . .
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Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung
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Einleitung
Wann immer ich mit Anwälten zusammentreffe, kommt das Gespräch Einleitung unweigerlich irgendwann einmal an den Punkt, an dem diese aus dem Nähkästchen plaudern. Sie berichten dann von wundersamen Ereignissen in der Juristerei, absurden Geschehnissen, pikanten Fällen, empörenden Vorfällen, obszönen Klagen sowie von selbstherrlichen Staatsanwälten und wirren Richtern. Das ist spannend, kurzweilig und vor allem interessant, und jedes Mal frage ich dann kopfschüttelnd, warum ich davon eigentlich niemals etwas in den Medien gelesen, gesehen oder gehört habe. Auf meine Frage an die Anwälte, ob denn schon einmal jemand Kontakt mit einem Journalisten aufgenommen habe, reagieren viele mit verwunderten, andere mit empörten und im besten Falle mit ratlosen Blicken. Das empfinde ich dann immer wieder als sehr, sehr eigenartig. Ich habe nun schon in einer beträchtlichen Zahl von Kommunikationsseminaren versucht, Anwälte davon zu überzeugen, wie man zum eigenen Nutzen erfolgreich mit den Medien zusammenarbeiten kann. Dabei stelle ich oftmals fest, dass viele Advokaten nicht den geringsten Schimmer davon haben, wie Medien eigentlich funktionieren. Sie sind schlichtweg medien-illiterat. Das ist vor allem deshalb so verwunderlich, weil wir in einer extrem medienzentrierten Welt leben. Noch nie wurde um uns herum so viel gedruckt, gesendet, gebloggt und kommuniziert wie in unserer Zeit. Doch diese Entwicklung scheint an der Mehrzahl der Anwälte vorbeizugehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Anwaltschaft sich nicht mehr lange den Luxus leisten kann, neben den Medien her zu leben. In einer juristischen Parallelwelt sozusagen, deren Zugangspforten von einer Handvoll juristischer Fachzeitschriften bewacht werden. Jedes Jahr spucken unsere Unis tausende junger Juristen aus. Jedes Jahr versuchen sich abertausende junge Anwälte auf dem freien Markt und stellen dann mit Erstaunen fest, dass sie in den Unis nicht auf diesen harten Wind vorbereitet wurden, der ihnen da ins Gesicht bläst. Das gilt
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Einleitung
vor allem für diejenigen, die kein Prädikatsexamen in der Tasche haben, die nicht bei einer der 50 größten deutschen Anwaltsfirmen untergekommen sind und die nicht im Staatsdienst oder sonst wo ihr Auskommen finden. Jedes Jahr geben viele Anwälte ihre Zulassung zurück. Sie räumen das juristische Feld, schrauben ihre Kanzleischilder an ihren Mietwohnungen ab, geschlagen, ernüchtert, verschuldet und komplett desillusioniert. Keine Uni, die sie darauf vorbereitet hätte, was da am freien Markt auf sie zukommt. Begriffe wie Marketing, Positionierung, Unique Selling Proposition (USP), Corporate Identity waren nie Teil ihres Curriculums. Und es wurde schon gar nicht vermittelt, welche Wunder eine effektive Medienarbeit für ihren Job bewirken kann. Das gleiche gilt übrigens auch immer mehr für etablierte Anwälte mittlerer und größerer Kanzleien, die sich schon seit einigen Jahren im Markt bewegen. Auch ihnen fliegen die Mandanten lange nicht mehr so selbstverständlich zu, auch sie erfahren eine zunehmende Verhärtung des Marktes und ein verschärftes Konkurrenzverhalten. Sie müssen sich ebenfalls neuer Wege besinnen, die ihnen frische Mandate erschließen, und beginnen inzwischen darüber nachzudenken, wie sie die Medien für ihre Interessen nutzen können. Selbst wenn die Altvorderen des anwaltlichen Berufsstandes darüber die Nase rümpfen, sich die Anwaltsverbände noch etwas schwer tun und die Professoren an der Uni davon nichts hören wollen: Für Anwälte gibt es kaum eine effektivere und bessere Möglichkeit, sich einen Namen zu machen oder neue Mandanten zu gewinnen, als über eine geschickte Medienarbeit. Wer allerdings mit den Medien zusammenarbeiten will, der muss erst einmal begreifen, was die Medien eigentlich wollen und auf was Journalisten anspringen. In meinen Medienseminaren für Anwälte geht es eben genau um diesen Punkt, aber auch um die grundsätzliche Frage: Ist der Fall, an dem ich gerade arbeite, überhaupt für die Medien interessant? Wie verhalte ich mich gegenüber Medien? Wie kontaktiere ich Journalisten, wie spreche ich sie an und was sollte ich dabei tunlichst unterlassen?
Einleitung
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Dieses Buch ist im Grunde eine erweiterte und detaillierte Form meines Seminars. In diesem Buch habe ich auch all meine Erfahrungen mit den Seminarteilnehmern einfließen lassen, ihre Gedanken, ihre Bedenken und ihre Wünsche. Dieses Buch soll dazu beitragen, so manchem Anwalt zu helfen, seinen überkommenen Standesdünkel zu überwinden. Das gilt auch für einige andere Berufgruppen wie Ärzte, Architekten und auch Journalisten, die sich dem Umstand verweigern, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind, welches aber eine solche Attitüde nicht mehr duldet. Wir sind angekommen im Jahrhundert der Medienindustrie, einem Apparat, dessen Taktfrequenz unbarmherzig schnell schlägt. In meinen Seminaren wurde ich immer wieder mit den Fragen von Anwälten konfrontiert, deren Antworten mir bisher nur allzu selbstverständlich erschienen. Ich staunte über Fragen wie „Wo lerne ich eigentlich Journalisten kennen?“ oder: „Was ist eigentlich eine Nachricht?“. Diese und andere solcher Fragen versuche ich in diesem Buch zu beantworten. So einfach wie möglich. Ein Medienprofi, sollte er dieses Buch lesen, wird wahrscheinlich die Augen rollen angesichts dieser „Binsenweisheiten“, dieser „Plattitüden“. Doch gerade diesen Lesern sei es ins Heft geschrieben: Es gibt keine dumme Fragen, und wenn es eine dumme Frage geben sollte, dann sicherlich diejenige, die nicht gestellt wird. Dieses Buch ist für Anwälte geschrieben. Es richtet sich nicht an PR-Profis oder Journalisten. An dieser Stelle noch eine Warnung: Dieses Buch soll nicht als Anleitung dazu dienen, jeden Fall, den Sie als Anwalt bearbeiten, rigoros für die Medien auszuschlachten. Es geht hier darum, wie Sie sich als Anwalt oder Kanzlei in einem immer enger werdenden Markt positionieren können. Das kann und darf nicht auf dem Rücken Ihrer Mandanten geschehen. Sollten Sie an einem interessanten Fall arbeiten, den Sie gerne mit den Medien teilen würden, dann darf das niemals ohne das Einverständnis des Mandanten geschehen. Sie müssen selbst die geringsten Bedenken und Zweifel Ihres Mandanten in Richtung Medien ernst nehmen. Versuchen Sie erst gar nicht, den Mandanten dazu zu überreden.
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Einleitung
Der Mandant bringt Ihnen Vertrauen entgegen. Das müssen Sie honorieren und sei der Fall des Mandanten noch so interessant. Wer seinen Mandanten verrät und verkauft, nur um in den Medien zu erscheinen, der sollte seine Anwaltszulassung zurückgeben. Und das möglichst schnell. Berlin, im Oktober 2009
Uwe Wolff
Grundlegende Fragen
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Grundlegende Fragen
1. Warum Medienarbeit für Anwälte? Oder: „Communicate or die!“ Nun trifft Grundlegende Warum Medienarbeit es also Fragen auch fürdie Anwälte? Anwälte. Oder: Die „Communicate volle Härte derormodernen die!“ Wirtschaftswelt hat die altehrwürdige Juristerei eingeholt. Was Architekten, Ärzte und andere akademische Berufe schon seit längerem erfahren, ist nun auch bei den Anwälten angekommen: der eiskalte Hauch des Wettbewerbs. Tatsächlich ist die Atmosphäre in der Anwaltswelt zunehmend rauer geworden. Der Konkurrenzdruck unter den Juristen steigt. Mehr Anwälte balzen um wenige Mandanten, die noch dazu verstärkt auf ihre Budgets schauen. Gerade die jungen Anwälte bekommen die Klimaveränderung am deutlichsten zu spüren. Sie sind der Unbill des Wirtschaftswetters weitgehend schutzlos ausgesetzt. Sie haben wenig Erfahrung, häufig kaum Rücklagen und womöglich nicht einmal ein Prädikatsexamen, mit dem sie bei einer Großkanzlei anklopfen könnten, um dort Unterschlupf zu finden. Doch selbst für die großen Kanzleien sind die Zeiten vorbei, in denen sich die Partner entspannt in ihren Sesseln zurücklehnen können, um auf die Anrufe lukrativer Mandanten zu warten. Auch hier heißt inzwischen das Motto: Akquirieren, was das Zeug hält! Was ist im Jura(ssic)-Park in den letzten Jahren eigentlich passiert? Wie kommt es, dass sich die hehre Juristerei nun plötzlich mit so profanen Themen wie Wettbewerb, Akquise, Service und anderen unerquicklichen und rechtsfernen Themen abgeben muss? Heribert Prantl, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, beschrieb die neue Welt der Anwälte in einem Gastkommentar der Zeitschrift Anwaltsblatt/Karriere (1/2009) so: „Anwälte dürfen heute per Handzettel, Plakat und Radio für sich werben. Das ist nur ein Indiz dafür, dass sich der Berufsstand, in dem der Anwalt einst unter der strengen, aber gütigen Aufsicht angesehener Kollegen und würdiger Richter den Gerichtsbetrieb betreute, grundlegend gewandelt
Warum Medienarbeit für Anwälte? Oder: „Communicate or die!“
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hat. Da wurden nicht nur alte Zöpfe abgeschnitten – da wurde ein Markt eröffnet.“
Es sind zwei Faktoren, die ganz erheblich dazu beigetragen haben, die Anwaltswelt zu verändern, und die sie in Zukunft noch mehr verändern werden: Zum einen spielt die ständig wachsende Zahl der Juristen eine große Rolle, die jedes Jahr unsere Universitäten verlassen. Seit Jahren registrieren die Rechtsanwaltskammern eine enorme Zunahme von zugelassenen Anwälten, die sich alle an dem vermeintlich großen Mandantenkuchen satt essen wollen. Hans Link, Präsident der Rechtsanwaltskammer Nürnberg, hält angesichts dieser Zahlen den Begriff „Anwaltsschwemme“ für untertrieben. Er spricht viel lieber von einer „Springflut“. Die unschöne Folge dieses Anwalt-Tsunamis: Es gibt Anwälte, die so wenig verdienen, dass sie nebenbei als Lagerist oder als Kassiererin im Supermarkt arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.1 Im Jahr 2005 lag die Zahl der in Deutschland zugelassenen Anwälte bei etwa 133 000; sie hat sich damit seit 1994 verdoppelt. Am 1. Januar 2009 registrierte die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) 150 375 zugelassene Anwälte. Für das Jahr 2010 wird die Zahl der zugelassenen Anwälte auf 200 000 geschätzt.2 Das sind Zahlen, die zu denken geben. Corinna Budras von der FAZ merkte in ihrem Blog-Eintrag „Überflüssige Advokaten“ zu den aktuellen Zulassungszahlen an: „Doch Grund zum Jubeln scheint es für die Kammer nicht zu geben, jedenfalls schenkte sie bei der Verleihung der Zulassungsurkunde an Nummer 150 000 keinen Champagner aus. Wahrscheinlich gab es noch nicht einmal einen Blumenstrauß.“3 Aller Anfang ist schwer und erst recht dann, wenn man während der Ausbildung nicht ausreichend auf die Selbstständigkeit vorbereitet worden ist. Viele der zwischen 27 und 39 Jahre alten Anwälte geben ihre
1 www.politikforum.de vom 3. April 2005. 2 RA Samimi. 3 Corinna Budras, Überflüssige Advokaten, in: F.A.Z.-Blog „Das letzte Wort“, 06.03.2009.
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Grundlegende Fragen
Kanzleien laut BRAK bereits in den ersten Jahren wegen akuten Mandantenmangels auf.4 Doch was sind die Gründe, warum so viele junge (aber auch zunehmend erfahrene und ältere) Anwälte scheitern? Wer die Betroffenen fragt, bekommt fast immer die gleiche Antwort: „Wir wurden weder an der Universität noch im Referendariat auf die Realitäten des Berufslebens vorbereitet.“ Und tatsächlich: Kaum einer der Absolventen kennt die wichtigsten Überlebensregeln des Business. Und eine – wenn nicht die wichtigste – dieser Regeln lautet: „Communicate or die!“ Auf Deutsch: „Kommuniziere oder stirb!“ Das muss nicht das Credo eines guten Anwaltes werden, aber es sollte ein Richtspruch für einen erfolgreichen Anwalt bleiben. Wie jeder gute Kaufmann so müssen sich auch Anwälte jeden Tag erneut folgende Fragen stellen: Wie kann ich Kunden – Mandanten – in meine Kanzlei locken? Wie hebe ich mich von der grauen Masse meiner Mitbewerber ab? Wie kann ich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf mich lenken? Und überhaupt: Wie kann ich mir einen Namen machen? Die Antwort ist so kurz wie einfach: Das geht nur über Kommunikation. Das heißt also, es geht nur über eine Zusammenarbeit mit den Medien.
Die unschlagbare Wirkung der Medienarbeit Eine grundsätzliche Frage tauchte im Zusammenhang mit meinen Seminaren immer wieder auf: Warum sollte ein Anwalt überhaupt mit den Medien arbeiten? Da gibt es sehr verschiedene Gründe, die abhängig sind von jedem einzelnen Anwalt selbst. Aus meinen unzähligen Gesprächen mit Anwälten zum Thema Medienarbeit habe ich eine Hitliste der fünf meistgenannten Gründe erstellt, warum sie die Medien gerne für sich nutzen möchten: 4 uni-Magazin, 05/2003.
Warum Medienarbeit für Anwälte? Oder: „Communicate or die!“
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Sie wollen bekannter werden und auf diese Weise mehr Mandate bekommen. Sie wollen an interessantere Mandate herankommen. Sie wollen sich als Experte auf einem bestimmten Rechtsgebiet etablieren. Sie suchen für einen bestimmten Fall weitere Kläger für eine Sammelklage. Sie wollen mit Hilfe aktiver Medienarbeit Fälle gewinnen (das nennt sich dann Litigation-PR oder strategische Rechtskommunikation).
Gesetzt den Fall, Ihre Ziele sind nun formuliert und klar umrissen, benötigen Sie jetzt nur noch das Vehikel und eine Straßenkarte, um diese gesteckten Ziele zu erreichen. Das am besten geeignete Vehikel, das diese oft schwer passierbaren und holprigen Straßen meistern kann, sehe ich in gezielter und wirksamer Medienarbeit. Im Fachjargon nennen wir so etwas Public Relations. Es soll also – wenn wir den Begriff übersetzen – eine Beziehung zur Öffentlichkeit – also den potenziellen Mandanten, den Kunden – hergestellt werden. So etwas erreicht man durch Medienarbeit, einen Zeitungsartikel, einen Fernsehbericht, in dem Sie positiv genannt werden. Der Unterschied zwischen Marketing und Public Relations/Medienarbeit verhält sich in Sachen Glaubwürdigkeit ungefähr so, wie ein in Ihren Briefkasten eingeworfener Werbeprospekt zu einem redaktionellen Beitrag in einer Zeitung oder einer Zeitschrift. Wenn der örtliche Supermarkt Ihnen donnerstags einen Prospekt in den Briefkasten werfen lässt, in dem er eine gewisse Sorte Hautcreme als besonders wirkungsvoll anpreist, so mag das beim einen oder anderen Kunden vielleicht zu einem Kauf der entsprechenden Creme führen. Sollte allerdings die Stiftung Warentest in ihrem Magazin ebenfalls zu dem Schluss kommen, dass diese Creme nicht nur billig, sondern auch noch gut ist, so wird das ganz sicher zu einem Sturm auf die Einkaufsregale führen. Warum ist das so? Weil ein redaktioneller Beitrag beim Verbraucher ein Vielfaches mehr an Vertrauen genießt als eine Broschüre oder eine Anzeige. Jeder, der das Geld hat, kann eine Anzeige kaufen und seine Dienste anpreisen, aber nicht jeder, der das Geld dazu hat, kann davon ausgehen, dass die Redaktion einer Zeitung seine Dienste anpreist (es
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Grundlegende Fragen
sei denn, er kauft sich mit seinem Geld einen Zeitungsverlag). Werden Sie in einem redaktionellen Beitrag als Experte und Top-Jurist bezeichnet, so ist das etwas ganz anderes, als wenn Sie sich selbst in Ihrer Werbebroschüre als Fachmann und Top-Juristen bewerten. Wussten Sie übrigens, dass gleichgroße Anzeigen, die im redaktionellen Teil einer Zeitung platziert werden, oft wesentlich teurer sind als Anzeigen, die sich im Anzeigenteil wiederfinden? Das hat einen ganz einfachen Grund: Sie sind begehrter, weil das redaktionelle Umfeld mit seiner Glaubwürdigkeit auf den Inhalt der Anzeige ausstrahlt. Es gilt also die Faustregel: Text schlägt Anzeige. Immer! Deshalb vertrete ich auch die Ansicht, dass sich ein Anwalt eher darum bemühen sollte, in einer Zeitung, einer Zeitschrift, im Radio oder im Fernsehen erwähnt zu werden, anstatt sich darin zu ergehen, irgendwelche dekorativen Marketingmaßnahmen auszufeilen. Schauen wir doch einmal, was die Groß-Kanzleien in Deutschland auf diesem Feld treiben: Auch sie haben inzwischen erkannt, was in den USA und in Großbritannien schon lange als Common Sense gilt: PR für die eigene Kanzlei kann im wahrsten Sinne des Wortes bares Geld wert sein. In einer Umfrage5 bewerten inzwischen 75 Prozent der befragten deutschen Kanzleien die Pressearbeit als „unternehmerische Führungsaufgabe“. Eine Studie der Financial Times Deutschland besagt, dass deutsche Anwaltkanzleien inzwischen im Schnitt 2,5 Prozent ihres Honorarvolumens für PR- und Marketingmaßnahmen ausgeben und die Fachzeitschrift JUVE ergänzt: „Lieblingsmaßnahmen sind Kundenveranstaltungen, Buchveröffentlichungen und Pressearbeit in der Wirtschaftspresse. Weit abgeschlagen übrigens: die Anzeige in den Gelben Seiten.“6 Welche Bedeutung die Großkanzleien der Medienarbeit inzwischen zuweisen, zeigen Mammut-Kanzleien wie Freshfields und Clifford Chance. Sie beschäftigen laut Handelsblatt jeweils 15 Mitarbeiter, die sich einzig und allein um die PR der Kanzleien kümmern. Das hat 5 Jan Keuchel, Anwaltskanzleien in Deutschland verstärken PR-Aktivitäten, in: Handelsblatt, 15.12.04. 6 Rechtsmarktsplitter, in: JUVE Rechtsmarkt, 05/2006, S. 20.
Was ist Public Relations?
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schon seinen Grund. Und auch eine entsprechende Wirkung. Doch der Umgang mit den Medien will gelernt sein.
2. Was ist Public Relations? Einige Was ist nennen Public Relations? es „Public Relations“ (PR), wiederum andere sagen „Öffentlichkeitsarbeit“ dazu. Ich spreche an dieser Stelle und in unserem Zusammenhang lieber von „Medienarbeit“, weil es genau das ist, was ich Ihnen beibringen möchte: mit den Medien zu arbeiten, um sich selbst bekannter zu machen. Doch was genau ist denn Medienarbeit? Es gibt unzählige Definitionen des Begriffes Public Relations bzw. der Öffentlichkeitsarbeit. Professor Dieter Herbst, Autor einer ganzen Reihe von Büchern zum Thema Öffentlichkeitsarbeit, schreibt in seinem Buch Public Relations von Wissenschaftlern, die „über 2000 Definitionen mit mehr als 500 Ergänzungen gezählt“ haben.7 Er selbst zitiert im oben genannten Buch die Definition der amerikanischen Autoren James Grunig und Todd Hunt, die da lautet: „Public Relations sind das Management von Kommunikation von Organisationen mit deren Bezugsgruppen.“
Das klingt sperrig. Besser gefällt mir eine andere Definition, die von „aktiver Kommunikationsgestaltung“ spricht. „Öffentlichkeitsarbeit besteht darin, die durch Kommunikation vermittelte Wirklichkeit mitzugestalten und mitzuorganisieren. Öffentlichkeitsarbeit ist das Management von Kommunikationsprozessen für Organisationen und Personen mit deren Bezugsgruppen.“8
Genau das wollen wir ja mit unserer Medienarbeit tun. Wir wollen die Kommunikation aktiv mitgestalten, so dass die Bezugsgruppen, also die potenziellen Mandanten, von unseren Dienstleistungen und Fähigkei7 Dieter Herbst, Public Relations, Berlin 1997, S. 10. 8 Von der Deutschen Public Relations Gesellschaft im November 1989 erarbeitete Vorlage, zitiert in: Wolfgang Reneke, Hans Eisele, Taschenbuch Öffentlichkeitsarbeit, Heidelberg 1991.
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Grundlegende Fragen
ten erfahren. Kommunikation aktiv gestalten heißt, mit den Medien zu arbeiten. Ihnen Informationen zu liefern. Informationen für die Medien entsprechend aufzuarbeiten. Mit den Medien im Dialog zu bleiben.
3. Die Grenzen des Anwalt-Marketings DochGrenzen Die wie kommuniziere des Anwalt-Marketings ich eigentlich als Anwalt meine Fähigkeiten? „Marketing“, flüstert da jemand. „Alleine nur mit Marketing!“ „Quatsch!“ entgegne ich. „Ganz großer Quatsch!“ Marketing bedeutet, dass ich etwas zu Markte trage, etwas anpreise und anbiete, also vermarkte. Wer unter Marketing bloß eine edle oder auch poppige Visitenkarte, ein blank poliertes Messingschild am Kanzleieingang, ein aufwendig gestaltetes Faltblatt sowie bedruckte Kugelschreiber, Aufkleber oder ähnliche Gimmicks versteht, der liegt vollkommen daneben. All dieser Klimbim wird ihn als Anwalt und auch als Unternehmer nicht viel weiterbringen. Effizientes Marketing ist wesentlich komplexer und geht weiter über das hinaus, was Ihnen so mancher „Marketingexperte“ in seinen Broschüren und Büchern sowie entsprechenden Seminaren verkaufen möchte. Geschicktes Marketing muss sehr individuell aufgebaut werden und umfasst einen großen Komplex an Maßnahmen, der in mehrere Dimensionen hineinreicht: Eine zeitliche (Kontinuität!), eine räumliche (Zielgruppe!) und eine gestalterische (Marktposition!). In einem Satz gesagt bedeutet das: Wer seine vorher möglichst genau bestimmte Zielgruppe erreichen will, um dieser seine vorher gut gewählte Marktposition und seine Unverwechselbarkeit nahezubringen, muss die Zielgruppe auch ständig über seine Aktivitäten informieren. Hinzu kommt noch, dass Marketing für einen Dienstleister wie einen Rechtsanwalt wesentlich schwieriger ist als etwa für ein Unternehmen, das handfeste Produkte „zu Markte trägt“. Angenommen, Sie sind der Hersteller eines Kaubonbons. Mittels eines effektiven Marketings bringen Sie tatsächlich mehrere Millionen Menschen dazu, dieses Kaubonbon zu kaufen, es sich in den Mund zu ste-
Die Grenzen des Anwalt-Marketings
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cken und damit zumindest für eine gewisse Zeit den Umsatz Ihres Unternehmens zu steigern. In dem Moment, in dem das Kaubonbon auf die Zunge gleitet, beurteilen eine Million Menschen die Qualität Ihres Produktes. Sie beurteilen den Geschmack, die Verpackung und die Konsistenz des Kaubonbons. Und sie beurteilen in diesem Moment auch, ob ihre Erwartungen an das Kaubonbon, die Sie über Werbung und Marketing bei Ihren Kunden geweckt haben, erfüllt werden. Dienstleister – und das sind Rechtsanwälte heute nun mal, auch wenn es gewisse Standesvertreter nicht gerne hören – haben es in Sachen Marketing etwas schwerer. Sie preisen ein „Produkt“ an, das die Menschen eben nicht so leicht beurteilen können wie den Geschmack und die Konsistenz eines Kaubonbons. Man kann nicht anfassen, riechen oder spüren und nur in den wenigsten Fällen sehen, was der Anwalt macht. (Ich spreche hier nicht von den Schriftsätzen, deren Qualität ein Laie nur in den wenigsten Fällen beurteilen kann.) Und trotzdem muss man diesem „Produkt“ vertrauen. Wer eine Dienstleistung gut verkaufen möchte, der muss bei seinem Kunden für Vertrauen und vor allem auch für Zufriedenheit sorgen. Das ist nicht leicht, zumal die Menschen bei durch Werbung und Marketing angepriesenen Dienstleistungen zurückhaltender in der „Kaufentscheidung“ sind als beispielsweise beim Kauf einer Tüte Kaubonbons. Das hat mit der Natur der anwaltlichen Dienstleistung zu tun, die es schließlich mit sich bringt, dass man einem Fremden (dem Anwalt) sehr intime Einblicke in seine finanzielle oder auch private Situation gewährt. Hinzu kommt noch, dass der Kunde sehr genau weiß, welche Probleme und Komplikationen es mit sich bringt, sich bei etwaiger Unzufriedenheit vom Anwalt zu verabschieden und einen anderen Kollegen aufzusuchen. Die Entscheidung für einen ganz speziellen Anwalt möchte also sehr gut überlegt und begründet sein. Doch bevor der Anwalt einem Mandanten beweisen kann, dass er zufriedenstellend und vertrauenswürdig arbeiten kann, muss er erst einmal einen Mandanten haben. Und genau an diesem Punkt kommen unsere Marketingspezialisten mit einem ganzen Strauß von effektiven Maßnahmen auf die Bühne, die potenzielle Mandanten zu Hunderten
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Grundlegende Fragen
in die Kanzleien locken sollen: Das reicht von einem ganzheitlichen Auftritt (Logo, Visitenkarten, Broschüren, Website etc.) bis zur klassischen Werbung. Marketingexperten fordern von ihren Kunden gerne eine Corporate Identity (Unternehmensidentität), mit der das Profil nach außen hin vertreten und geschärft werden soll. So werden inzwischen jede Menge Seminare zum Thema „Kanzlei-Marketing“ angeboten, und in den juristischen Fachblättern überschlagen sich die „Marketingexperten“ mit teilweise recht abenteuerlichen Tipps für blasse Advokaten. Was früher mit dem Bannstrahl der örtlichen Anwaltskammern belegt worden wäre, ist inzwischen tatsächlich möglich: Der Anwalt darf mittels dezent eingesetzter Werbe- und Marketingmittel auf sich und seine Dienste aufmerksam machen. Es bewegt sich also etwas in der ansonsten recht konservativen Anwaltschaft. Vor allem, seitdem das Bundesverfassungsgericht 1987 das enge Standesrecht der Anwälte per Richterspruch aufgebrochen hat.9 Mit fast zwanzig Jahren Verzögerung greift bei der breiten Anwaltschaft langsam der Gedanke, dass famose Schriftsätze alleine noch kein Garant für einen entsprechenden Mandantenstrom sind. Es ist ja auch richtig so, dass sich dieses alte Denken endlich auflöst. Es war weder zeitgemäß, noch hat es der Anwaltschaft selbst genutzt – im Gegenteil. Die Fachzeitschrift JUVE schreibt zu Recht: „Auch wenn es so mancher Anwalt ungern zur Kenntnis nimmt: Nur gut zu arbeiten reicht kaum noch aus, um Mandanten zu gewinnen.“10 Anwälte sind Dienstleister. Sie bieten einen Service an, so wie ein Reisebüro auch. Und so wie das Reisebüro für seine Dienste und seinen Service Werbung machen darf, so sollten es eben auch Anwälte tun dürfen. Marketing hilft, das Profil des Anwalts nach außen hin zu schärfen. Es beschreibt seinen Auftritt. Es macht ihn – geschickt eingesetzt – tatsächlich auch bekannter. Doch wie bereits gesagt: Mit schicken Visitenkarten, Broschüren, Kanzleischildern und Annoncen macht man sich 9 BVerfGE 76, 191 = NJW 1988, 191. 10 Rechtsmarktsplitter, in: JUVE Rechtsmarkt, 05/2006, S. 20.
Nie ohne den Mandanten!
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nur bedingt einen Namen. Eine schöne Verpackung macht noch lange kein gutes Geschenk.
4. Nie ohne den Mandanten! Ziel ohne Nie diesesden Buches Mandanten! ist es, dass Sie lernen, sich selbst und Ihre Fähigkeiten darzustellen. Sie sollen dabei mit qualitativ hochwertigen und vor allem interessanten Nachrichten an die Medien herantreten. Nicht zu marktschreierisch und nicht zu penetrant. Sie sollten sich dabei immer wieder die Frage stellen: Muss ich denn wirklich jeden meiner Fälle an die Öffentlichkeit tragen? Medienarbeit einer Kanzlei ist gut. Sie ist gut für den Anwalt, gut für die Journalisten, die so an interessante Artikel herankommen, gut auch für die Leser, die nützliche Informationen aus den veröffentlichten Fällen ziehen. Medienarbeit kann aber auch gut für den Mandanten sein, denn mittels einer gezielt eingesetzten Kommunikationssteuerung kann man durchaus Fälle gewinnen. So etwas heißt Litigation-PR oder strategische Rechtskommunikation. Bei der Medienarbeit sollte man genauso verfahren wie bei Arznei. Setzen Sie Öffentlichkeitsarbeit gezielt ein. Treten Sie nur dann an die Medien heran, wenn Sie fest davon überzeugt sind, damit auch etwas erreichen zu können. Meine Warnung, die Medienarbeit gezielt einzusetzen, speist sich aus meiner langjährigen Erfahrung als Journalist. Und vor allem: Fragen Sie immer Ihren Mandanten, bevor Sie mit seinem Fall an die Medien gehen. Er hat das absolute Recht zu erfahren, was Sie mit ihm vorhaben. Willigt der Mandant nicht ein, dann lassen Sie es bleiben. Sie können versuchen, ihn zu überzeugen, aber wenn es Ihnen nicht gelingt, dann vergessen Sie Ihr Anliegen. Im Vordergrund steht immer Ihr Mandant. Und nicht Sie als Anwalt. Wenn man als Journalist in einer Redaktion arbeitet, bekommt man täglich unzählige Anrufe von Menschen, die einem eine Geschichte „verkaufen“ wollen. Am unterhaltsamsten ist es, wenn man bei einer
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Grundlegende Fragen
Boulevard-Zeitung arbeitet. Als junger Redakteur ohne viel Erfahrung machen sich die erfahrenen Kollegen einen Spaß draus, einem alle Irren der Stadt telefonisch zu überlassen. Menschen, die im Kontakt mit Außerirdischen stehen, Menschen, die einen Rettungsplan für die Welt haben oder von ihren Nachbarn mit fiesen Röntgenstrahlen traktiert werden, Erfinder mit den abartigsten Ideen. Sie glauben gar nicht, wie viele das sind und mit welchen Ideen sie ankommen. Hinzu kommen noch unzählige Anrufe von PR-Leuten, die einem PR-Berichte über alles nur Erdenkliche verkaufen wollen: von der Eröffnung eines neuen Restaurants, einer neuen Fluglinie, einem neuen Haushaltsgerät, einem intelligenten Politiker oder einem tollen Unternehmer. Glauben Sie mir, am Ende eines solchen Tages nimmt man das Telefon nur noch widerwillig in die Hand. Wenn dann aber ein Anwalt anruft und einem eine „Story“ anbietet, die auch noch hält, was sie verspricht, dann geht für den geplagten Redakteur an diesem Tag die Sonne ein zweites Mal auf. Ruft dieser Anwalt allerdings wöchentlich mindestens zwei-, dreimal an und bietet einem jedes Mal einen neuen Fall an, dann macht man sich schon Gedanken darüber, ob dieser Anwalt hier nicht ganz koscher arbeitet und seine Mandanten nur als Vehikel benutzt, um in die Medien zu kommen. Mal ehrlich: Würden Sie einem solchen Anwalt trauen? Was würden Sie empfinden, wenn Sie so einem Anwalt gegenüberstünden? Es scheint doch, als würde er sich mehr um die Medienarbeit kümmern als um seine Mandanten. In den USA nennt man Anwälte, die jedem Krankenwagen hinterherfahren und den Opfern ihre Visitenkarte zustecken, „Ambulance Chaser“. Klar, die haben wirklich keinen guten Ruf. Vermeiden Sie es, ein medialer „Ambulance Chaser“ zu werden. Dosieren Sie Ihre Medienarbeit. Das hilft Ihnen, das Vertrauen der Journalisten zu erhalten. Was mit Anwälten passieren kann, die zu oft in der Presse sind, das erkläre ich Ihnen später. In den kommenden Kapiteln werde ich Sie zu einem Medienexperten in eigener Sache aufbauen. Doch vorher sollten Sie erst einmal erfahren, mit wem Sie es zu tun haben. Wer sind eigentlich „die Medien“? Und wer sind eigentlich „die Journalisten“?
Anwälte und Journalisten
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Anwälte und Journalisten
5. Ein ungleiches Paar
Es gibt Anwälte Ein ungleiches nur und wenige Journalisten PaarBerufspaarungen, die auf den ersten Blick so gegensätzlich erscheinen wie Anwälte und Journalisten. Beide begegnen sich mit größtem Misstrauen und größter Vorsicht. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Wenn ein Journalist es mit dem Anwalt zu tun bekommt, dann bedeutet das meistens nichts Gutes. Im Laufe seines Berufslebens bekommt es so ziemlich jeder Journalist zumindest einmal mit einem Anwalt zu tun. Wem das bislang noch nicht passiert ist, der muss sich im Redaktionskeller versteckt oder nie etwas geschrieben und veröffentlicht haben. Kommt der Anruf vom Anwalt oder vom Hausjuristen, dann geht es meistens um einen Menschen, der sich über das ärgert, was der Journalist über ihn geschrieben oder gesendet hat. Doch hin und wieder hat es ein Journalist auch freiwillig mit einem Anwalt zu tun. Das passiert dann, wenn der Journalist für einen Artikel recherchiert, in dem es in irgendeiner Form um eine rechtliche Auseinandersetzung geht. Dann ruft der Journalist den Anwalt an, bittet ihn entweder um ein Statement am Telefon oder vereinbart einen Termin, damit sie sich treffen können. Im letzteren Fall treffen die beiden Berufsgruppen in klassischer Manier aufeinander. Eine dramatische Begegnung, die beste Western-Qualitäten haben kann.
High Noon im Infoland Da sitzt dann auf der einen Seite der Journalist, der nun versucht, möglichst exklusive Informationen aus dem Anwalt herauszukitzeln. Er will Details, Einzelheiten, Fakten, Einschätzungen, Dokumente, die eigentlich unter Verschluss bleiben müssten. Er stellt simple, aber auch manchmal verhängnisvolle Fragen, er schmeichelt dem Anwalt oder legt versteckte Drohungen auf den Tisch. Kurz: Er tut alles, damit der Anwalt ihn mit den besten und exklusivsten Informationen versorgt.
Die Vorurteile der Journalisten gegenüber Anwälten
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Auf der anderen Seite sitzt der Anwalt. Etwas verunsichert, wenn er keine Erfahrungen mit Journalisten hat, oder aber mit einer gewissen Arroganz, wenn er schon etwas mehr Erfahrung haben sollte (und nichtsdestotrotz seine Verunsicherung gegenüber dem Journalisten kaschieren möchte). In jedem Falle aber hegt der Anwalt großes Misstrauen gegenüber dem Journalisten. Er hat schichtweg Angst davor, falsch zitiert zu werden. Er fürchtet sich vor einer Sensationalisierung oder einer Vereinfachung des Falles. Der Anwalt ahnt oftmals, was der Journalist von ihm will. Er ahnt häufig auch, dass er mit verdeckten Karten spielen und nicht alle Informationen auf den Tisch legen sollte. Er ahnt es, wie gesagt. Aber weiß er es auch? Der Anwalt weiß zumindest, dass ihm der Journalist helfen kann. Mit seiner Hilfe bekommt der Anwalt seinen Namen in die Medien und kann vielleicht auch über die Medien seinem aktuellen Mandanten helfen. Doch das geht nur, indem er einen hohen Preis dafür bezahlt, und die Währung, in der er bezahlen muss, heißt „Information“. Eine im wortwörtlichen Sinne für den Juristen harte Währung.
6. Die Vorurteile der Journalisten gegenüber Anwälten Ich habe Die Vorurteile einigeder meiner Journalisten journalistischen gegenüber Kollegen Anwälten befragt, welches Bild sie von Anwälten haben und was sie von ihnen halten. Diese Kollegen haben oder hatten allesamt in ihrer täglichen Arbeit mit Rechtsanwälten zu tun, entweder als Reporter, die Anwälten im Zuge ihrer Recherchen begegnen, oder als Chefredakteure, die es immer wieder mit dem Syndikus des Verlages zu tun haben. Ich gebe nun weitgehend ungefiltert wieder, was die von mir befragten Journalisten über Anwälte behaupten. Aber seien Sie gewarnt, denn es ist wenig schmeichelhaft: 䊏 䊏
Anwälte reden unverständliches Zeug und können sich nicht verständlich ausdrücken. Anwälte können Sachverhalte gegenüber Laien nicht so darstellen, dass man weiß, was denn nun eigentlich relevant ist und was nicht.
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Anwälte und Journalisten
Anwälte verstecken sich hinter ihren unverständlichen Formulierungen. Anwälte wollen sowieso nie mit Journalisten reden und sind froh, wenn man sie erst gar nicht fragt. Anwälte wittern hinter allem eine Arglist. Jeder Anruf von den Medien wird von Anwälten als Bedrohung empfunden. Anwälte sehen in Journalisten ihren natürlichen Feind. Anwälte rufen niemals zurück.
Es geht aber noch weiter. Wir kommen zu den Attributen, mit denen die Journalisten die Anwälte beschreiben. Anwälte sind: 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏
Langweiler, Technokraten verknöchert, verstaubt halbseiden, prinzipienlos, käuflich berechnend, manipulativ, doppelzüngig Spielchen treibende Halunken, Strategen intelligent, aber ängstlich verstockt, steif, humorlos, konservativ, verklemmt selbstherrlich detailversessen.
7. Die Vorurteile der Anwälte gegenüber Journalisten In meinen Die Vorurteile Seminaren der Anwälte frage ich gegenüber an dieser Journalisten Stelle die anwesenden Juristen, wie sie über Journalisten denken und deren Charakter definieren würden. Was dabei herauskommt, ist in aller Regel genauso wenig schmeichelhaft für Journalisten wie das, was die Journalisten über die Anwälte denken. Hier nun die Ergebnisse meiner Befragung. Journalisten sind 䊏 䊏 䊏
käufliche Halunken hinterhältig ungebildet
Der Angst des Anwalts vor den Medien
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neugierig prinzipienlos frech und unverschämt schamlos sensationslüstern ungeduldig haben weder Moral noch Rückgrat haben keine Disziplin tun alles für eine Geschichte bzw. eine „Story“ verstehen keinen komplizierten Sachverhalt.
Was mich immer wieder verwundert, ist die Tatsache, dass es kaum zu einer positiven Bewertung gekommen ist. Weder bei den Journalisten, noch bei den Anwälten. Besonders bemerkenswert finde ich dabei auch, dass eine gewisse Grundaggression in dieser gegenseitigen Bewertung steckt. Die Grundaggression rührt meiner Ansicht nach aus einem gegenseitigen Misstrauen, das stark verbunden ist mit einer gewissen Angst. Doch warum diese Angst?
8. Der Angst des Anwalts vor den Medien Woher Der Angst entspringt des Anwalts diese wechselseitig vor den Medien abweisende, schroffe Haltung, die sich Juristen und Journalisten entgegen bringen? Die Vermutung liegt nahe, dass sie sich aus einer Quelle des Misstrauens und einer damit einhergehenden Angst speist. In der Verhaltensforschung wird in diesem Zusammenhang von Agonismus gesprochen (griech. agonistikos = kämpferisch). Agonistisches Verhalten zeigt sich dann, wenn ein rivalisierender Artgenosse das eigene Verhalten in irgendeiner Weise stört oder beeinträchtigt. Das kann dadurch geschehen, dass ein Artgenosse dem anderen zu nahe kommt und eine räumliche Distanz unterschreitet. Ziele solcher agonistischen Verhaltensweisen bei der kämpferischen Auseinandersetzung mit Sozialpartnern sind „die Sicherung bestimmter Ressourcen, zum Beispiel Nahrung oder Geschlechtspartner. Agonistisches Verhalten kann sich
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Anwälte und Journalisten
äußern als Aggression, Vermeidungsverhalten, Territorialverhalten und Flucht (Fluchtverhalten).“1 Das, was im Tierreich gilt, kann auch im interaktiven Verhalten zwischen einem Journalisten und einem Anwalt beobachtet werden. Auch hier kommt es zu agonistischen Verhaltensweisen der beiden rivalisierenden Gegenüber. Sie versuchen sich anzunähern, bedrohen sich, sie fliehen, und wenn es notwendig ist, versuchen sie es mit Imponiergehabe, wehren ab oder unterwerfen sich. Doch warum diese Angst? „Schrift ist Gift“, wird gerade in Anwaltskreisen gerne mal kolportiert. Das hat seinen Grund: So manchem anwaltlichen Schriftsatz hängen viele Seiten mit „Beweisen“ an. In dieser Liste sind oftmals auch Presseartikel aufgelistet, die so als „Beweise“ gegen die Gegenseite angeführt werden. Ist das die Quelle der Angst des Anwalts vor dem Journalisten? Wie dem auch sei, der Anwalt befürchtet, dass sich seine in den Medien zitierten Aussagen irgendwann einmal gegen ihn selbst richten könnten, dass sie womöglich im Beweisanhang eines gegnerischen Schriftsatzes auftauchen. Die Schrift (oder das vor dem Mikrofon geäußerte Wort), wenn sie denn nicht selbst vom Anwalt in Form eines Schriftsatzes erstellt wurde, ist also Quelle tiefsten anwaltlichen Misstrauens gegenüber den Journalisten. An dieser Stelle mag ein kurzer (und vielleicht auch etwas oberflächlicher) Blick in die Seele der Juristen dienlich sein: Anwälte sind Kontrollfreaks. Sie leben in einer Welt von Gesetzen, Verordnungen, reglementierten Formulierungen und starren Strukturen, deren Verlassen für die Arbeit des Juristen äußerst schädlich sein kann. In der Welt der Juristen bleibt oft nicht sehr viel Raum für Spielereien oder Improvisation. „Kontrolle“ ist für viele Anwälte das Zauberwort, und das ist verständlich, denn die Folgen außer Kontrolle geratener Informationen eines Anwaltes können fatal sein. Das schürt die Angst. Äußert sich ein Anwalt gegenüber einem Journalisten, dann verliert er just in diesem Moment die Kontrolle über das soeben Gesagte. Es bleibt dem Anwalt dann oft nichts anderes übrig, als die Angst vor dem 1 Elke Brechner, Kompaktlexikon der Biologie, Heidelberg 2001.
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nächsten Morgen durchzustehen und dem Moment entgegenzuzittern, in dem die entsprechende Publikation mit seinem Zitat erscheint. Bis zum Erscheinen des Artikels plagen den Anwalt jedoch quälende Fragen: Gibt mich der Journalist falsch wieder oder gar nur entsetzlich verkürzt? Stellt er meine Aussagen in einen falschen Kontext? Wird die Gegenseite nun meine Zitate gegen mich verwenden? Der Anwalt kann das Spiel mit dem Journalisten nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt kontrollieren. Sobald er sich auf ein Gespräch mit einem Medienvertreter einlässt, hat er nur noch wenig Kontrolle – zumindest nicht in dem Maße, wie es sich die meisten Anwälte wünschen. Gerade dieser Umstand bereitet vielen Advokaten großes Unbehagen. Es ist eine Form des Unbehagens, das übrigens sehr viele Menschen kennen und jeden Tag erfahren: Es ist die Angst vor dem Kontrollverlust. Viele Menschen leiden in unterschiedlichsten Formen darunter. Es gibt Menschen, die nicht im tiefen Wasser schwimmen können, die keine absolute Dunkelheit ertragen. Für manche Menschen kommt der Verlust von Kontrolle einer temporären Persönlichkeitsstörung gleich, weil die Angst sie übermannt. Dazu gehören auch Menschen, die unter Flugangst leiden. Die Quelle ihrer Angst resultiert aus der Tatsache, dass diese so genannten Aviophobiker in einem Flugzeug nichts kontrollieren können und dass sie auf Gedeih und Verderb dem Piloten und seinem Flugzeug ausgesetzt sind.2 Sie können während eines Fluges nicht einfach die Tür aufreißen, die Notbremse ziehen oder ähnliches. Sie sind einer absolut „unkontrollierbaren“ Situation ausgeliefert. So haben die Anwälte keine Kontrolle und fliegen im Medienflugzeug, und dabei tauchen bohrende Fragen auf: Wer sind die Piloten im Medienflugzeug? Wie ticken sie? Was wollen sie und was nicht? Kann man ihnen trauen? Wohin fliegt das Flugzeug? Nun zu den Piloten; wieder ein generalisierender, oberflächlicher Blick in die Seele eines Berufsvertreters, der nicht jeden Typus des Medienmenschen repräsentiert, aber doch schon sehr viele. Viele, aber bei weitem nicht alle Journalisten verstehen sich als Menschen, die gegen Unrecht ankämpfen. Sie beschreiben unrechte Situationen, versuchen Ver2 Doris Wolf, Ängste verstehen und überwinden, Mannheim 2005.
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tuschungen aufzudecken, kritisieren die Mächtigen. Ihre Waffe ist das geschriebene oder gesendete Wort und ihre Trutzburg ist ihr Medium. „Journalisten sehen sich als Anwälte des kleinen Mannes“, schrieb Jan Ross in der Zeit3 und rechnet schonungslos mit dem journalistischen Berufsbild ab: „Das ist der Mythos, die Berufslegende, das Filmklischee: der Journalist als verkommener Typ am Tresen oder als unbestechlicher Kontrolleur der Mächtigen, Whiskey oder Watergate, jedenfalls eine Gegenfigur zum Establishment.“ Jan Ross weiter: „Die Kehrseite der Rebellenrolle ist das halb gaunerhafte Image des Journalisten, seine Anrüchigkeit in der guten Gesellschaft.“ Doch ist es nicht gerade diese „Gegenfigur des Establishments“, die von den Anwälten so gefürchtet wird, weil sie selbst das genaue Gegenteil sind? Weil sie im Grunde die pure Antithese zum oben beschriebenen Klischee-Journalisten verkörpern? Konservativ, hierarchienfreudig, paragraphen- und strukturenverliebt? Dazu noch einmal Jan Ross von der Zeit: „Der fortschrittliche, kritische Journalist sieht sich ohnehin im Kampf mit den herrschenden Gewalten von Staat, Kirche, Geld und Tradition.“ Der Beruf des Journalisten hat etwas sehr Archaisches. Es geht um Jagen, und es geht um Sammeln, die beiden ältesten „Jobs“ der Menschheit. Journalisten sind ständig auf der Hatz nach einer guten Geschichte. Gleichzeitig sammeln sie auch bei ihren Recherchen ständig Informationen und Fakten. Dazu gehört es auch, dass sie – ob in Straf- oder Zivilverfahren – an die Anwälte der streitenden Parteien herantreten, um diesen Informationen über den Fall zu entlocken, wohl wissend, dass der Anwalt ihnen womöglich Informationen überlassen wird, nicht etwa, weil dieser die Journalisten so gerne mag, sondern vielmehr deshalb, weil Öffentlichkeit seinem Mandanten und ihm selbst nützen könnte. So stehen sich die beiden Berufsvertreter gegenüber. Sie sind nicht gerade in Liebe vereint, aber sie können gut voneinander profitieren. Oder wie Joachim Jahn, Wirtschafts- und Rechtsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung es so schön beschrieben hat: „Das Verhältnis zwischen Juristen und Journalisten ist, wenn es sich ordentlich ent3 Jan Joss, Gefühlte Außenseiter, in: Die Zeit, 5/2006, 26.01.2006.
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faltet, eine Symbiose zum beiderseitigen Nutzen. Advokaten sollten diese botanische Besonderheit zum Wachsen und zum Blühen bringen.“4 Gerade die Möglichkeit der Journalisten, eigenständig „Ermittlungen“ durchführen zu können, Zeugen zu befragen und ungehemmt mit ihren Fragen an verschiedene Parteien herantreten zu können, sowohl im Inals auch im Ausland, gerade das ist etwas, was Journalisten den Anwälten voraus haben. Journalisten sind kein „Organ der Rechtspflege“ und unterliegen somit nicht den verschiedenen Reglementierungen eines Anwalts oder eines Staatsanwalts. Aber: Hat sich der Journalist im Zuge seiner Recherchen Informationen erarbeitet, die für den Anwalt von Nutzen sein könnten, so kann dieser ihn bitten, ihm diese Informationen zu überlassen. Wenn er Glück hat, dann hilft ihm der Journalist, nicht aber ohne ihm vorher auch etwas abzuverlangen: Er will exklusive Informationen, er will Unterlagen, an die er als Journalist nicht rankommt, dafür aber der Anwalt: Kurz und gut, er will Klageschriften, Einsicht in Ermittlungsakten oder exklusive Interviews mit dem Mandanten. Eine wichtige Voraussetzung für eine Zusammenarbeit des Anwalts mit den Medien ist eine genaue Kenntnis des Medienbetriebs. Wer diese Kenntnis nicht mitbringt und sich bei einer Zusammenarbeit mit den Medien nicht einmal auf eine Art „Instinkt“ verlassen kann, der sollte entweder die Finger davon lassen oder sich um professionelle Unterstützung bemühen. Leider hält sich unter vielen Anwälten der fatale Irrglauben, dass derjenige, der gut plädieren kann, auch gut im Umgang mit den Medien sei. Andererseits meidet so mancher Anwalt die Zusammenarbeit mit den Medien alleine schon deshalb, weil er der Ansicht ist, dass „man sie nicht steuern kann“.5 Tatsächlich lassen sich die Medien nicht steuern. Und je besser das Medium ist, je professioneller und je mächtiger, umso weniger lässt es sich auch beeinflussen. Allerdings kann man mit viel Erfahrung und Geschick dafür sorgen, dass die Medien nicht mit einem Amok fahren. Ein PR-Experte, der verspricht, alle relevanten Medien steuern zu können, 4 Joachim Jahn, Ein bisschen Charme und Gelassenheit helfen, in: Anwaltsblatt 12/ 2005, S. 744-747. 5 Joachim Wagner, Strafprozessführung über Medien, Baden-Baden 1987, S. 52.
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ist unlauter und ein Lügner. Meiden Sie ihn! Keiner kann ein Medium steuern, außer der Chefredakteur selbst. Vielleicht noch der Verleger. PR-Experten sind dazu da, die Wahrscheinlichkeit einer medialen Amokfahrt einzugrenzen und die Chance zu erhöhen, dass auch tatsächlich das publiziert wird, was seitens des Anwalts angestrebt wird. Um es klar vorweg zu sagen: Käuflich sind die wenigsten Journalisten, auch wenn das so mancher glauben mag. Jedenfalls nicht mit Geld. Die Währung, mit der allerdings jedes Medium zu kaufen ist, wird nicht an den Börsen dieser Welt gehandelt. Es ist die exklusive Information, die exklusive Story. Das ist die wahre Währung des Journalisten.
9. Eine teure Angst Ist Ihrteure Eine Misstrauen Angst oder Ihre Angst vor den Medien so groß, dass Sie grundsätzlich die Medien meiden, dann bringen Sie sich damit möglicherweise um ein nettes Sümmchen Geld. Angenommen, Sie bearbeiten einen tollen Fall. Einen, um den sie garantiert von vielen Kollegen beneidet werden. Ein Fall, der in Ihrer Stadt die Runde macht, weil er so „spektakulär“ ist. Und angenommen, ein Journalist kriegt von diesem Fall Wind und ruft Sie an, um an Informationen zu kommen. Was machen Sie? Es gibt da mehrere Möglichkeiten: 䊏 䊏 䊏
Sie verbarrikadieren sich. Sie rufen nicht zurück. Sie ignorieren den Medienvertreter so lange, bis er zu Staub zerfällt.
Das kann Sie, mit Verlaub, sehr, sehr teuer zu stehen kommen. Warum? Nun, weil Sie damit die Chance vergeben, einer breiteren Öffentlichkeit klarzumachen, was für ein toller Anwalt Sie sind, der einen tollen Fall bearbeitet. Es gilt der alte Spruch: Tue Gutes und rede darüber. Auch bei Anwälten. Denn nur so erfahren potenzielle Mandanten auch, dass es Sie gibt. Also, nutzen Sie die Medien. Es ist kostenlose Werbung, kostenlose PR für Sie und Ihre Kanzlei. Reden Sie über Ihre Arbeit, und zwar nicht nur mit anderen Anwälten, sondern auch mit Journalisten (und vergessen Sie im Eifer des Gefechtes bitte nie Ihre Schweigepflicht).
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Indem Sie darüber mit den richtigen Leuten reden, erreichen Sie potenzielle neue Mandanten. Anwaltskollegen verschaffen Ihnen in der Regel wenige neue Mandanten. Die Kollegen des Bauunternehmers, den Sie gerade rausgepaukt haben, die hingegen tun das. Das ist die vielgeliebte Mund-zu-Mund-Propaganda. Journalisten sind Multiplikatoren. Über Journalisten können Sie kostenlose Werbung machen, kostenlose PR für sich und Ihre Kanzlei. Werbung, für die Sie normalerweise Tausende von Euro bezahlen müssten. Denken Sie knallhart in Millimetern. In der Stuttgarter Zeitung beispielsweise kostet der AnzeigenMillimeter in der Wochentagsausgabe 18,14 Euro. Und das nur im Anzeigenteil. Wollen Sie im Textteil eine Anzeige schalten, dann kostet Sie der Millimeter 84,19 Euro laut Preisliste vom 1. Januar 2009. Eine ganzseitige Schwarzweiß-Anzeige kostet schlappe 62 637,75 Euro. Das ist der Gegenwert eines ziemlich guten Autos, würde ich mal sagen. Und nun stellen Sie sich mal bitte vor, Sie als Anwalt hätten nun die Gelegenheit, Ihren Fall, an dem Sie gerade arbeiten, in der Stuttgarter Zeitung darzustellen. Der Artikel ist vielleicht gerade mal 60 Zeilen lang. Das entspricht etwa 220 Millimetern. Und das Ganze findet auch noch im Textteil statt, jenseits der Aldi-Anzeigen, dort wo der Millimeter 79,25 Euro kostet. Sie haben damit 220 Millimeter × 79,25 Euro, also insgesamt 17 435 Euro gespart. Davon könnte man ein gutes Abendessen in einem der besseren Restaurants Stuttgarts kaufen, nicht wahr? Und noch eine Flasche vom besten Wein.
10. Ist die Angst des Anwalts vor den Medien berechtigt? Diedie Ist Furcht Angst desdes Anwalts Anwalts vorvor dem den Journalisten Medien berechtigt? ist berechtigt. Wer etwas anderes behauptet, der weiß es entweder nicht besser, weil er keine Erfahrung mit Journalisten hat, oder er lügt ganz einfach. Für Anwälte kann es tröstlich klingen: Sie sind mit ihrer Furcht nicht alleine. So ziemlich jeder, der es mit einem Journalisten zu tun hat, unterliegt mehr oder weniger diesem Kontrollverlust. Politiker, Prominente, Wissenschaftler. Sie alle fühlen sich oft falsch zitiert oder aus dem Kon-
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text zitiert oder falsch interpretiert. Vor allem Wissenschaftler und Politiker sind der Ansicht, dass Journalisten zur Vereinfachung neigen, und viele von ihnen haben ein gemeinsames Problem: Sie haben nur gelegentlich mit Journalisten zu tun. Und weil sie nur dann und wann einem Journalisten Rede und Antwort stehen, sehen sie deshalb auch keine Notwendigkeit, sich einem „Medientraining“ zu unterziehen, wie es beispielsweise Entertainment-Stars tun und tun müssen. Diese Personengruppe aus dem Film- und Musikgeschäft lässt sich von Profis anleiten, um zu lernen, wie sie mit den Medien derart umgehen, dass es ihnen zum Vorteil gereicht, vor allem im Hinblick auf Interviewsituationen (darauf kommen wir in Kapitel 51 bis 53 zu sprechen). Bei den Prominenten handelt es sich allerdings auch um eine Personengruppe, die sehr stark von der Gunst der Medien abhängig ist. Gute Presse ist für sie im wahrsten Sinne des Wortes bares Geld wert. Die Profis, die solche Entertainment-Stars trainieren, wissen sehr gut, wie empfindsam Journalisten während eines Interviews auf versteckte und weniger versteckte Signale achten und wie man die Journalisten mit gewissen Gesten umschmeichelt. Am leichtesten haben es dabei wohl die Schauspieler, die ihr Talent gleich im Gespräch mit dem Journalisten einsetzen können. So soll beispielsweise Jack Nicholson ein begnadeter Profi in Sachen Interviews sein. Nicht wenige Journalisten verlassen ein Gespräch mit diesem Ausnahmeschauspieler in dem Gefühl, dass er den interviewenden Journalisten als einen guten Freund betrachtet. Er scherzt mit ihm, lacht, erzählt vermeintliche Geheimnisse, erfüllt gerne auch die an ihn gestellten Klischees als Schwerenöter und klopft auch mal am Ende des Gesprächs kumpelhaft auf die Schulter des Journalisten. Jeder Journalist, der ein Gespräch mit Jack Nicholson führen durfte, ist felsenfest davon überzeugt, dass er zu „Jack“ eine ganz besondere Beziehung aufbauen konnte. Viele Prominente wie Jack Nicholson überziehen auch die von den PR-Leuten eingeplanten 15 bis 20 Minuten Interviewzeit um weitere fünf Minuten. Das ehrt die Journalisten umso mehr, weil sie glauben, dass der Star das Gespräch mit ihnen so anregend fand, dass er sich den Weisungen der PR-Leute widersetzte (auch wenn es gerade deshalb so eingeplant war). Das ist viel-
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leicht auch der Grund dafür, dass man über Jack Nicholson praktisch keine schlechten Artikel liest. Doch warum ist an dieser Stelle die Rede von Jack Nicholson? Was hat er mit Anwälten zu tun? Vielleicht, weil wir ein wenig von ihm lernen können? Weil er weiß, wie sehr er die Journalisten für sein Fortkommen und seine Karriere benötigt? Oder weil er weiß, wie wenig die Journalisten benötigen, um glücklich zu werden? Oder wo ihre Eitelkeiten liegen? Andere beispielsweise, wie die Sängerin Mariah Carey, gelten als extrem zickig im Interview und werden auch entsprechend unsympathisch beschrieben. Sie weigern sich kraft ihres enormen Egos, den Journalisten das zu geben, wonach diese lechzen, und wundern sich danach über die schlechte Presse und verteufeln die „bösen Medien“. All diejenigen, die es professionell mit Journalisten zu tun haben, können von Jack Nicholson lernen. Der hat wahrscheinlich den Namen des Journalisten just in dem Moment vergessen, wenn dieser den Raum verlässt, in dem das Interview statt gefunden hat, während der Journalist noch lange von dem „guten Gespräch“ mit Jack Nicholson schwärmen wird. Wir können davon ausgehen, dass auch sehr viele Prominente Angst vor den Medien haben, denn sie sind sich absolut bewusst, was davon für sie abhängt. Auch wenn sie es selbst vielleicht nicht wissen oder es wahrhaben wollen: Diejenigen, die Geschäfte mit ihnen machen, also die Filmverleiher oder die Musikindustrie, wissen sehr gut, um was es geht und wie wichtig eine gute Presse ist. Das ist auch der Grund, warum diese ihren Schützlingen ein entsprechendes Interviewtraining angedeihen lassen. Doch was ist mit den Anwälten? Sie müssen nicht unbedingt ein Interviewtraining durchlaufen, aber sie sollten dennoch wissen, was der Journalist will. Damit schwindet auch ihre Angst vor den Medien. Ich werde in den folgenden Kapiteln aufzeigen, wie der Anwalt im Umgang mit Journalisten die maximale Kontrolle behält, indem er das Gespräch mit dem Journalisten kontrolliert und nicht umgekehrt. An dieser Stelle eine Warnung: Es gibt im Umgang mit den Medien keine 100-prozentige Kontrolle. Niemals. Mit 80 Prozent lässt es sich schon sehr komfortabel leben.
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Um das zu erreichen, muss der Anwalt erst einmal wissen, wie der Journalist tickt, wie die Medien funktionieren und nach was die unterschiedlichen Medienformen verlangen. Wer weiß, wie die Medienstrukturen aussehen, der kann sie auch erfolgreich einsetzen. Genauso wie ein Anwalt über die Prozessordnung Bescheid wissen muss, um seine Mandanten erfolgreich vor Gericht zu vertreten. Die folgenden Kapitel umreißen in einer sehr kompakten Form die aktuelle Medienlandschaft und zeigen auf, nach welchen „Treibstoffen“ sie verlangt.
11. Der Journalist – das unbekannte Wesen Wie sieht Der Journalist er denn – das nununbekannte aus, der Journalist? Wesen Wie denkt er und was macht er den lieben langen Tag? Was sind seine Vorlieben, und was kann er absolut nicht leiden? Verfügt er überhaupt über ein Wertesystem und, wenn ja, wie sieht es aus? Nun, beim Journalisten handelt es sich grundsätzlich mal um ein menschliches Wesen, mit all seinen Fehlern und Eigenheiten. Einige kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung aufzählen. Ich bin der Sohn eines Journalisten. Ich bin mit Zeitungsmenschen aufgewachsen, habe meine Kindheit in Redaktionsstuben verbracht, zwischen Zeitungsstapeln, überfüllten Aschenbechern und ständig klingelnden Telefonen. Ich lernte als Kind einen ebenso ruppigen wie auch struppigen Haufen kennen, der soff und rauchte, was das Zeug hielt. Es waren harte Arbeiter, ständig zwischen Tür und Angel, zwischen Straße und Schreibmaschine. Sie hielten einen unglaublichen Druck aus und rissen selbst unter den tödlichsten Deadlines noch ihre groben Witze. Sie lieferten sich glanzvolle Schlachten mit der Konkurrenz. Schwächen wollten sie nicht zeigen, der Beruf bedeutete für sie alles, und vielleicht war auch das der Grund, warum viele von ihnen Magengeschwüre hatten und mindestens einmal geschieden waren.
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Ich habe in diesem Beruf viele sympathische Großmäuler getroffen, die die unglaublichsten Geschichten erzählen konnten. Es waren fantastische Fabulisten, die es immer wieder verstanden haben, abends, in irgendeiner Kneipe der Stadt, die an sich schon an Wahnsinn grenzende Erzählung ihres Kollegen noch zu toppen. Ich habe Kerle in verknitterten Jacketts und fleckigen Hemden getroffen, die in der Redaktion zwischen den Unmengen an Papierstapeln ihre Nacht verbrachten, die auf klapprigen Maschinen schrieben und ständig am Telefon waren. Es war oftmals genauso wie in diesen alten Spielfilmen. Doch das ist schon lange her. Wer heute eine Redaktion betritt, der erlebt eine ganz andere Welt. In den Zeitungshäusern hat sich sehr viel verändert: Viele Büros sind rauchfrei. Getrunken wird vielleicht einmal ein Glas Prosecco, wenn die Sekretärin Geburtstag hat. Die klappernden Schreibmaschinen wurden durch leise surrende Computer ersetzt, und die Telefone klingeln nicht mehr schrill, sondern sie flöten, piepen, pfeifen. Alte, erfahrene, raubeinige Chefredakteure sind zunehmend durch geschmeidige Controller im Anzug ersetzt worden, durch Managertypen, die teilweise recht leidenschaftslos ihre Blätter verwalten, und die Geschichten der alten Kollegen will keiner mehr hören. Was sich in all den Jahren allerdings kaum geändert hat, ist die grundsätzliche Persönlichkeit des Reportertyps (im Unterschied zum Redakteurstyp, der vornehmlich vom Schreibtisch aus arbeitet). Viele von ihnen sind neugierig. Sie hängen Träumen und Idealen nach, wollen etwas bewegen, aufdecken und exklusiv berichten. Um an Informationen heranzukommen, erweisen sie sich als sehr findig, manchmal schamlos oder gar skrupellos. Manche von ihnen verstehen sich tatsächlich auch noch als Menschen, die mit ihrer Arbeit gegen Unrecht ankämpfen, genauso wie der Anwalt. Ihre Waffe ist das geschriebene Wort, mit dem sie diejenigen richten, die ihre Macht allzu selbstherrlich ausleben. „Journalisten sehen sich als Anwälte des kleinen Mannes“, schrieb – wie gesagt – der Journalist Jan Ross in der Zeit, als er schonungslos mit dem journalistischen Berufsbild abrechnete.6 6 Vgl. Kapitel 8 „Die Angst des Anwalts vor den Medien“.
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Zeit-Autor Jan Ross vergaß allerdings zu erwähnen, dass es sehr unterschiedliche Journalistentypen gibt. Es gibt tatsächlich die „verkommenen Typen am Tresen“, wie er sie beschrieb, und die „Gegenfigur zum Establishment“. Das ist nicht nur ein Mythos. Aber es gibt auch diejenigen Journalisten, die etabliert sind, geschmeidige Menschen, Mainstreamer, diejenigen, die stolz darauf sind, mit den Mächtigen und Berühmten an einem Tisch zu sitzen, in der Hoffnung, dass etwas von deren Glanz auf den Journalisten selbst abfalle. Wie dem auch sei, Sie dürfen eines beim Umgang mit den Medien niemals vergessen: Journalisten sind Jäger. Sie sind ständig auf der Jagd nach guten Geschichten. Sie sind aber auch Sammler, denn sie sammeln beständig Informationen. Sie haben dabei etwas sehr, sehr Archaisches. Auch müssen Sie immer im Hinterkopf behalten, dass es für das Ego des Journalisten das absolut Höchste ist, wenn er eine exklusive Geschichte für sein Medium sichern kann, die dann auch noch von den anderen Medien zitiert wird, und die daher von seinem Chef und seinen Kollegen in der Redaktionskonferenz gelobt wird. Ein Journalist braucht Anerkennung, so wie jeder andere auch. Und um die zu bekommen, benötigt er exklusive und einmalige Informationen. Genau das ist dann der Punkt, den Sie als Anwalt für sich nutzen können. Geben Sie dem Journalisten exklusive Informationen. Geben Sie ihm eine Geschichte – und der Journalist ist ihr Freund. Und für einen Anwalt ist es immer gut, einen Journalisten zum Freund zu haben.
12. Was macht und was will der Journalist? Wie bereits Was macht und erwähnt, was will ist der der Journalist Journalist?am ehesten mit einem Jäger zu vergleichen. Immer auf der Suche nach Geschichten und nach exklusivem Material, nach dem perfekten Gesprächspartner. Er ist aber auch ein Sammler. Einer, der Informationen sammelt, Daten, Fakten, Eindrücke, Zitate oder Bilder. Doch was macht der Journalist mit all dem Erjagten, dem Gesammelten? Er wird seine Informationen zum gegebenen Zeitpunkt verwerten. Er sortiert seine Beute, rearrangiert sie
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und baut sie zu einem in sich logischen Gebilde – also einem Artikel oder einem TV-/Radio-Beitrag zusammen. Manchmal macht er das noch am gleichen Tag, manchmal aber auch erst zu einem späteren Zeitpunkt. Dieses Verwerten des Gesammelten und Erjagten ist ein oftmals sehr komplexer Vorgang. Journalisten müssen die Fähigkeit haben, selbst die kompliziertesten Fälle in wenige Zeilen zu fassen. Beispiele für solche riesigen, in sich sehr komplexen Prozesse sind etwa der Mannesmann-Prozess in Düsseldorf, in dem die Rechtslage weniger als eindeutig war, oder der Prozess gegen Siemens-Manager wegen Schmiergeldzahlungen, in dem gleich mehrere Rechtsgebiete auf einmal ineinandergreifen.7 Hier produzieren sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung mehrere Tausend Seiten Dokumente, um ihre jeweiligen Positionen darzulegen und zu untermauern. Einem Journalisten, der von seiner Redaktion beauftragt wurde, über den Fall neutral zu berichten, stehen dafür vielleicht 100 bis 150 Zeitungszeilen zur Verfügung. Vertritt er eine TV-Anstalt, hat er dazu zwei bis drei Minuten Sendezeit. Das ist der Raum, in dem die gesamte Komplexität eines solchen Mammutverfahrens nachgezeichnet werden muss. Das ist keine leichte Aufgabe. Sie lässt sich etwa damit vergleichen, einen Elefanten in einen Schuhkarton zu stecken. Trotzdem schaffen es viele Journalisten jeden Tag, diese Aufgabe zu meistern. Die einen besser, die anderen schlechter und immer wieder unter dem entsetzten Geschrei der Juristen, die monieren, dass dabei ach so wichtige Einzelheiten verloren gegangen seien. Doch wie schaffen das die Journalisten? Wohl wissend, dass es den allermeisten Juristen extrem schwerfällt, sich kurz zu fassen, wenn sie einen Fall, an dem sie arbeiten, beschreiben sollen, und wohl wissend, dass viele Juristen große Mühe haben, sich bei einer solchen Fallbeschreibung nur auf einige wenige Details zu beschränken, habe ich mir für meine Medienseminare für Juristen eine kleine Gemeinheit einfallen lassen: Ich teile postkartengroße Karteikarten aus und bitte die Seminarteilnehmer, einen aktuellen Fall, an dem sie gerade arbeiten, in 7 Siehe dazu: Stephan Holzinger, Uwe Wolff, Im Namen der Öffentlichkeit, Wiesbaden 2009.
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drei Sätzen zusammenzufassen und diese Zusammenfassung mit einer schlagzeilenartigen Überschrift zu versehen. Keine Schachtelsätze, einfaches, verständliches Deutsch und nicht die Rückseite beschreiben, bitte! Ich gebe ja zu, dass das, was ich in diesem Moment erlebe, meine ureigene und mir innewohnende sadistische Komponente befriedigt. Oftmals sehe ich in diesem Moment 20 bis 30 erwachsene Menschen vor mir, die mich ungläubig und mit offenen Mündern anstarren. Ungefähr so, als hätte ich sie gerade gefragt, ob sie nicht ihre Anwaltszulassung gegen eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin eintauschen wollen. Nach dem ersten Schock und nach den ersten Aufgeregtheiten machen sich die Damen und Herren dann unter großem Heulen und Zähneklappern ans Werk. Zirka 15 Minuten dürfen sie daran arbeiten, bis ich dann die Karteikarten wieder einsammle. Die Ergebnisse dieser Übung sind für mich immer wieder erstaunlich, sowohl inhaltlich als auch formell. Auf die inhaltlichen Ergebnisse dieser Übung möchte ich an einer anderen Stelle dieses Buches eingehen (siehe dazu Kapitel 23: „Die Checkliste: Ist Ihr Fall ein Fall für die Medien?“). Die formellen Ergebnisse der Übung – und ich muss sagen, die meisten Seminarteilnehmer erledigen diese Aufgabe trotz ihres erbärmlichen Gestöhns und Geächzes mit Bravour – zeigen letztendlich das Dilemma, in dem ein Journalist steckt, wenn er über einen Fall berichten soll. Die Übung zeigt allerdings auch, wie schwer es gerade Juristen fällt, ihren Fall ohne überflüssige und für den Nicht-Juristen uninteressante Details zu schildern. Nach dem Einsammeln der Karteikarten lese ich diese laut vor. Die zuhörenden Seminarteilnehmer zeigen sich an den Fällen sehr interessiert und verstehen sie sofort. Details oder juristische Winkelhaken werden hier offenbar nicht vermisst. Erstaunlich ist auch immer wieder, dass so mancher dieser Juristen bei dieser Übung seine Karteikarte mit der Bemerkung abgibt: „Das ist aber jetzt kein so ein interessanter Fall. Da geht es nur um ...“ Wenn ich dann aber seine Fallbeschreibung vorlese, bemerkt der „Autor“, dass sein Fall doch sehr interessant klingt. Das
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bemerkt er vor allem dann, wenn die anderen Seminarteilnehmer mit weiteren Fragen auf ihn einstürmen. Das Ziel meiner Übung ist, dass sich die Seminarteilnehmer zugleich in die Rolle des Journalisten begeben, indem sie versuchen, ihren Fall zusammenzufassen und zu beschreiben. Sie werden damit allerdings auch in die Rolle der Leser/Zuschauer/Zuhörer versetzt, indem sie einen Fall in seiner Essenz geschildert bekommen und beurteilen müssen, welche Fragen danach noch offen bleiben und welche Emotionen diese Fallschilderung bei ihnen erzeugt. Doch kommen wir zurück zum Alltagsgeschäft eines professionellen Journalisten. Bildlich gesehen, steht er jeden Tag vor so einer Karteikarte und vor der Aufgabe, Ermittlungsergebnisse oder Gerichtsverhandlungen in nur drei Sätzen zu beschreiben. Doch wie macht er das? Am besten, indem er erst einmal die Rolle eines Laien einnimmt. Einer, der über keine juristische Vorbildung verfügt und der zum ersten Mal von dem Fall hört. Er lässt sich den Fall schildern und stellt viele „blöde“ Fragen, mit denen er den Kern des Falles herausarbeitet. Und um das geht es ja letztendlich: Die Journalisten müssen sich in die Position ihrer Leser versetzen. Fachjournalisten werden andere Fragen stellen als Journalisten von Tageszeitungen, und diese werden andere Fragen stellen als Journalisten von Boulevardzeitungen oder Illustrierten, einfach deshalb, weil ihr Publikum unterschiedlich ist. Als „Laie“ muss sich der Journalist durch dieses Material wühlen. Er befragt Prozessbeteiligte, Kollegen der Angeklagten, Experten, und er befragt das Archiv. Meinen Seminarteilnehmern gebe ich einen Tipp, bevor sie sich über die Karteikarten hermachen: Versuchen Sie, den Fall so zu schildern, als hätten Sie Ihre Oma vor sich, die ihren Enkel fragt, an was er gerade arbeitet (vorausgesetzt, die Oma hatte in ihren aktiven Jahren nicht gerade einen Lehrstuhl für Gesellschaftsrecht inne). Da bleiben natürlich all die schönen Details auf der Strecke, die Anwälte so lieben. Aber die Chancen stehen dann gut, dass die Oma beim Vortrag nicht einschläft, dass sie weiterhin interessiert zuhört, was der Enkel da zu erzählen hat; und dass sie Fragen stellt und sich dadurch ein für beide Seiten anregender Diskurs ergibt.
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„Aber die Oma kann doch nun wirklich nicht unser Zielpublikum sein“, werden manche Leser an dieser Stelle einwenden. Mag sein, aber es ist eine gute Übung dafür, wie Sie mit einem juristischen Laien sprechen sollten, und die meisten Journalisten sind nun mal juristische Laien, genauso wie deren Leser/Zuhörer/Zuschauer, und dazu zählt auch Ihre Oma. Versuchen Sie es doch einmal, indem Sie an jeden der von Ihnen bearbeiteten Fälle eine Karteikarte anheften, auf der Sie in drei Zeilen zusammenfassen, um was es darin geht. Beherzigen Sie dabei immer eine einfache, aber sehr weit reichende journalistische Redakteursweisheit: „Was nützt uns die beste Geschichte, wenn sie nicht gelesen oder verstanden wird?“
Was will der Journalist von mir? Kommen wir zu der Frage, was der Journalist neben einfachen, verständlichen Informationen von seinem Gegenüber will. Diese Frage ist im Grunde sehr einfach zu beantworten: Er will Informationen, Informationen und noch einmal Informationen. Oder wie es Helmut Markwort, Erfinder, Herausgeber und Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Focus, so unnachahmlich auf sein Publikum einhämmerte: „Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken.“ a. Exklusive Informationen Doch die Informationen, nach denen der Journalist sucht, sollten noch etwas mehr leisten können. Sie sollen möglichst exklusiv sein, es sollen also Informationen sein, die nur ihm und keinem anderen Kollegen zur Verfügung stehen. Diese Exklusivität der Information steigert deren Marktwert um ein Vielfaches. Das kann ein Dokument sein, Unterlagen, Bilder, auf die bislang keiner seiner Kollegen Zugriff hat. Es muss eine jungfräuliche Information sein, die noch nirgendwo in den Medien aufgetaucht ist, ein Fakt, ein Papier, aber auch ein Interviewpartner.
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In meiner Zeit als Amerika-Korrespondent8 für das Nachrichtenmagazin Focus war ich eigentlich ständig auf der Suche nach deutschen Kriminellen, die sich irgendwo in meinem Berichtsgebiet, das sich immerhin von Kanada bis nach Feuerland erstreckte, versteckt hielten. Ob es der Reemtsma-Entführer Thomas Drach war, der in Uruguay und Argentinien sein Kidnapper-Geld mit Koks und Frauen durchbrachte, oder der bis dato gefeierte Geheimagent Werner Mauss, der mit seinen krummen Geschäften in Kolumbien aufflog und in Medellin enttarnt wurde, oder der Baubetrüger Utz Jürgen Schneider, der in einem Apartmentkomplex in Miami Beach sein Toupet vom Kopf zog und sich dort mit seiner Frau vor den Zielfahndern des BKA versteckt hielt. Ziel war es für mich – und all die anderen journalistischen Heerscharen konkurrierender Blätter – diese Menschen „einzufangen“ und sie exklusiv für das eigene Blatt zu interviewen. Wie wertvoll diese Art von Information für die Zeitungen und Magazine ist, lässt sich alleine an den Geldsummen ablesen, die dafür aufgewendet wurden und werden, diese Menschen ausfindig zu machen. Doch warum ist so ein Exklusivinterview für ein Medium so wertvoll? Am Beispiel des Baubetrügers Utz Jürgen Schneider, der die Deutsche Bank und viele Handwerksbetriebe um Milliarden geprellt hat, lässt sich das sehr gut illustrieren. Als der Zusammenbruch seines Imperiums kurz bevorstand, entschloss sich der hessische Unternehmer, zusammen mit seiner Frau ins Ausland zu fliehen. Mit Schneiders Flucht begann auch die Jagd der Journalisten. Ihr Ziel: Herauszufinden, wo sich Schneider aufhält, ihn zu sprechen und zu einem exklusiven Interview zu verpflichten. Tatsächlich wurde Schneider anfangs in allen möglichen Ecken dieser Erde vermutet, in arabischen Ländern, in Asien, in Südamerika und auch in Nordamerika. Über Monate hinweg versuchte die Journalistenmeute den Mann aufzuspüren und scheute dabei weder personellen noch finanziellen Aufwand. Eines Nachts bekam ich in New York den Anruf eines Informanten aus Miami. Ein deutscher Mann und seine Frau seien vom FBI vor einem etwas heruntergekommenen Einkaufszentrum in Miami festgenommen 8 Der Autor war von 1991 bis 2002 US-Korrespondent und baute für das damals neue Nachrichtenmagazin Focus das US-Büro in New York auf.
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worden. Sein Name sei Schneider oder so ähnlich. Ein paar Anrufe später hatte ich dann auch die Bestätigung für meine Vermutung, dass es sich bei dem Festgenommenen um eben diesen Herrn Schneider handelte, den alle Welt suchte. Drei Stunden später saß ich im Flugzeug von New York nach Miami, während meine Kolleginnen in New York die Telefone traktierten, um weitere Details über den Aufenthaltsort und die näheren Umstände von Schneiders Festnahme herauszufinden. Mittlerweile verbreitete sich die Nachricht von Schneiders Festnahme in Windeseile über die Nachrichtenagenturen und beherrschte die Schlagzeilen in Deutschland. Journalistenhorden machten sich per Flugzeug auf, um sich auf die Spurensuche zu begeben und herauszufinden, wie man an ein Exklusivinterview mit diesem Mann kommen könnte. Wir hatten damals in mehrerer Hinsicht Glück: Zum einen kannten wir Miami und seine Menschen sehr genau und wussten, wie sie ticken. Wir hatten die Jahre zuvor hervorragende Verbindungen aufgebaut, die wir nun spielen ließen. Meine Kollegin Annette Utermark (damals Schipprack) verbrachte vom New Yorker Büro aus wahre Recherchewundertaten und dirigierte mich telefonisch zu einem Apartmentkomplex in der 6767 Collins Avenue in Miami Beach. Dort hatten Schneider und seine Ehefrau sowie sein italienischer Helfershelfer Apartments angemietet. Wir fragten nach dem Hausmeister. Es war ein Ehepaar lateinamerikanischer Herkunft. Nach längeren Verhandlungen und diversen Offerten führten sie uns durch Schneiders Versteck, das vom FBI versiegelt worden war. Als Hausmeister hatten sie dennoch Zugang, für den Fall eines Wasserrohrbruchs oder eines Wohnungsbrandes. Während ich wie wild Notizen machte, ließ mein Fotograf die Kamera heißlaufen. Einige der dabei entstandenen Bilder stehen seitdem sinnbildlich für den gesamten Fall Schneider. Man sah den gefallenen Baulöwen mit einer Kostümkrone auf dem Kopf, die Bilder zeigten ihn zusammen mit seiner Frau sonnengebräunt in einem Vergnügungspark in Miami ohne sein Toupet, dafür aber mit Papageien auf den Schultern. Die Chefredaktion von Focus war außer sich vor Freude über unseren Coup. Focus war damals noch ein junges Magazin, „The New Kid on
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The Block“ sozusagen, das sich erst noch gegen die etablierten und mächtigen Konkurrenten Spiegel und Stern durchsetzen musste. Mit der Schneider-Geschichte hatte Focus endgültig seine Marke gesetzt und die Auflage gesteigert. Doch das Rennen war damit noch lange nicht vorbei. Nun galt es, Schneider, der in Miami in Auslieferungshaft saß, zu einem Exklusivinterview zu bewegen. Alle ernstzunehmenden Magazine reichten ihre Offerten bei Schneiders Anwälten ein und versuchten, sich mit teilweise recht obszönen Summen zu überbieten. Die Geschichte zeigt, dass so ein bezahltes Schneider-Interview sehr prominente Vorgänger hat: Marianne Bachmeier, „St. Pauli-Killer“ Werner Pinzner, Monika Weimar, Ingrid van Bergen und viele andere.9 Jürgen Schneider allerdings, der aus irgendeinem seltsamen Grund Gefallen daran gefunden hatte, wie ich die Bilder aus seinem Versteck besorgt hatte und der den dazu im Focus erschienenen Bericht gut fand, rief mich fast täglich aus seinem Gefängnis in Miami an (meistens um zehn Uhr morgens), um mit mir über alle möglichen Dinge zu plauschen. So entwickelte sich so etwas wie eine persönliche Beziehung. Auf der anderen Seite des Teiches entwickelte sich ebenfalls eine persönliche Beziehung, und zwar zwischen Schneiders Anwälten und der Chefredaktion von Focus, die letztendlich dann den Zuschlag für das Interview bekam.10 Kurze Zeit später trafen wir (der heutige Focus Chefredakteur Uli Baur und Redakteur Christian Sturm) Jürgen Schneider im Knast von Miami und sprachen mit ihm ausführlich über das Geschehene und seine Zukunft. Das Interview, das daraufhin erschien, wurde ein Knüller, ein Scoop, um den uns viele Kollegen schwerstens beneideten. Die Auflage von Focus alleine im Raum Frankfurt war innerhalb von drei Tagen ausverkauft. Focus war von da an eine feste Größe auf dem Nachrichtenmarkt. Das machte sich auch in der Auflage bemerkbar. Die Aktion 9 Siehe dazu Stephan Holzinger, Uwe Wolff, Im Namen der Öffentlichkeit, Wiesbaden 2009 sowie Lutz Tillmanns, Mediale Vermarktung von Verbrechen und Grundsätze eines fair trial, in: Andreas Heldrich (Hrsg.), Medien zwischen Spruch und Informationsinteresse (Festschrift für Robert Schweizer), Baden-Baden 1999, S. 227. 10 Autor Uwe Wolff hatte im Sommer 2005 für Focus das Interview in der Haftanstalt in Miami zusammen mit dem heutigen Focus-Chefredakteur Uli Baur und Redakteur Christian Sturm geführt. Das Schneider-Interview erschien am 28. August 1995 in Focus 35/1995.
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war also mehr als nur bares Geld wert gewesen. Auch unter Marketinggesichtspunkten war die Schneider-Story ein Volltreffer. Das gilt übrigens auch für Schneiders Anwalt, dessen Name von nun an in allen Gazetten auftauchte. An diesem Beispiel lässt sich deutlich erkennen, warum Medien so scharf auf exklusive Informationen oder Interviews sind. Sie machen das Medium bekannter, steigern die Auflage und machen es damit wertvoller für Anzeigenkunden. Es zeigt aber auch, dass Anwälte, die den Journalisten exklusive Informationen offerieren, ebenfalls einen Nutzen davon haben, denn sie werden schließlich in den Medien genannt. Vor Missbrauch dieser Deals möchte ich allerdings eindringlich warnen, hier und etwas ausführlicher an anderer Stelle des Buches.11 b. Brisante Informationen Für journalistische Laien mag es vielleicht keinen Unterschied geben zwischen exklusiven und brisanten Informationen. Tatsächlich aber ist der Unterschied enorm. Ein Beispiel: Ich kann ein exklusives Interview mit einem Politiker bekommen. Wir können dabei über seine politischen Ziele sprechen, über den Zustand der Opposition und seine Ambitionen auf ein höheres Amt. Das Interview vermittelt einige nette Innenansichten der gegenwärtigen Politik, es ist exklusiv, weil es kein anderer hat (zumindest zu diesem Zeitpunkt), aber es ist in keiner Weise brisant. Typisches Politikergewäsch, gewissermaßen. Allerdings: Sollte sich im Laufe des Interviews herausstellen, dass der Politiker gerade darüber nachdenkt, die Partei zu wechseln, und es damit zu einer Verschiebung in der Bundestagsmehrheit kommen, steckt in dieser Information eine ganz klare Brisanz. Die Regierung wäre gefährdet. Hier koppelt sich Exklusivität mit Brisanz, was in der Informationshierarchie ganz oben steht. Das ist letztendlich auch eine der Zielrichtungen des investigativen Journalismus, der zum Ziel hat, möglichst exklusive und brisante Informationen zu präsentieren. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Brisanz auch einen durchaus relativen Charakter hat. Ein Biologe mag die Information, dass gewisse biochemische Vorgänge in 11 Siehe Kapitel 61 „Der Ikarus-Effekt – Aufstieg und Fall von Anwälten“.
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einer Zelle erst jetzt entdeckt wurden, für äußert brisant für seine Forschungsarbeit halten, ein Klempner würde eine solche Information für recht wenig brisant erachten. c. Wahre Informationen Kein Mensch mag angelogen werden. Es ist einfach keine schöne Sache. Wenn man aber einige Jahre als Journalist auf dem Buckel hat, so ist man es gewohnt, von verschiedenen Seiten angelogen zu werden oder bewusst falsch interpretierte Informationen präsentiert zu bekommen. Das ist das Los dieses Berufsstandes. Die Menschen lügen aus den unterschiedlichsten Gründen, doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie wollen durch ihre Lügen oder durch ihre Falschinterpretationen ihre aktuelle Lage verbessern. Da lügt der Politiker, weil er Angst vor der Rache seiner Wähler hat. Es lügt der Wissenschaftler, weil er seine Position in der Wissenschaftscommunity verbessern möchte. Ein Einbecher lügt, damit er nicht verurteilt wird, und ein Anwalt lügt, damit er vor seinem Mandanten ein besseres Bild abgibt – und auch vor dem Journalisten, der ihn befragt. Natürlich gibt es auch Menschen, die das, was sie behaupten, auch tatsächlich glauben, obwohl es nachweislich so nie geschehen sein kann. Da vermengt sich das Wunschdenken mit der Realität, und diese Melange wird zum subjektiv Erlebten. Das ist mir im Laufe meiner journalistischen Karriere sehr oft untergekommen, vor allem bei meinen Recherchen in Kolumbien, dem Mutterland des magischen Realismus, der sich so kunstvoll literarisch verwertet in den Büchern des kolumbianischen Schriftstellers Gabriel Garcia Marquez. Mehr als nur einmal sprach ich dort mit Menschen über ihre Erlebnisse, die sie mir in allen Sinneseindrücken detailliert schilderten. Später fand ich heraus, dass sie das gar nicht erlebt haben konnten. Anfangs ärgerte es mich, später akzeptierte ich, dass die Menschen dort ihre eigene Wahrheit haben, doch den Schlüssel dazu habe ich bis heute noch nicht gefunden. Ein Anwalt jedenfalls, solange er nicht gerade Kolumbianer ist, sollte niemals einen Journalisten belügen. Oft findet der Journalist sehr schnell heraus, wenn er vom Anwalt hinters Licht geführt wurde, denn der Anwalt ist schließlich nicht der einzige Mensch, mit dem der Jour-
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nalist über einen bestimmten Fall sprechen wird. In so einem Fall kippt die Stimmung, was sich nachteilig für den Anwalt und dessen Mandanten auswirken kann. Es ist manchmal besser, Dinge unausgesprochen zu lassen, als einen Journalisten anzulügen. Es ist auch besser, einem Journalisten klipp und klar zu sagen, dass man dazu gerade nichts sagen könne, weil... (an dieser Stelle bitte eine brauchbare, wahre Begründung einfügen). Journalisten müssen wahre Informationen verbreiten können. Sie wollen nicht erst jeden einzelnen Fakt dreimal auf seinen Wahrheitsgehalt abklopfen, und sie wollen schon gar nicht erfahren, dass sie einer Lüge aufgesessen sind, nachdem sie ihren Artikel/Beitrag verbreitet haben. Das ist eine unglaubliche Schmach für den Journalisten, für die er sich bei nächster Gelegenheit garantiert rächt. d. Faktische Informationen Journalisten lieben Daten, Fakten und Statistiken. Das gibt ihrer Arbeit etwas Sachliches, Klares, Wissenschaftliches und Autoritatives. Es gibt ihnen etwas, an dem sie sich und ihren Artikel anlehnen und die „These“ ihres Artikels stützen können. Faktische Informationen sind das Skelett eines Berichts. Dazu sollte man auch wissen, dass es verschiedene journalistische Darstellungsformen gibt, wie beispielsweise die Reportage, den Bericht, das Feature, die Glosse, den Leitartikel und den Kommentar. Während die drei erstgenannten ohne faktische Information nicht sein könnten, lehnen sich die drei letztgenannten journalistischen Darstellungsformen als Meinungsartikel bestenfalls an faktischer Information an. Bekommt der Journalist wissenschaftliche Erhebungen einer Forschungsorganisation oder einer Behörde an die Hand, so ist er glücklich. Geben Sie ihm dazu noch brauchbare Vergleichszahlen, dann strahlt er über das ganze Gesicht. Faktische Informationen bedeuten, dass er recherchiert hat, dass er sich reingekniet hat in die Materie. Geben Sie ihm die faktische Information. Liefern Sie ihm Quellen, Zahlen, Daten, Vergleichsnummern.
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e. Schnelle und aufbereitete Informationen Viele Journalisten arbeiten unter enormem Zeitdruck, allen voran die Journalisten der Nachrichtenagenturen, gefolgt von den Tageszeitungsjournalisten und auch von den Online-Journalisten. Haben Sie sich noch nie gewundert, wie die Journalisten es schaffen, jeden Tag eine ganze Zeitung vollzuschreiben? Ja, es ist immer wieder erstaunlich, wie sie das hinkriegen. Das liegt an einem extrem gut eingespielten Redaktionsteam und an einem glatt funktionierenden und tausendmal erprobten System. Dieses System ist auf schnelle Informationen angewiesen. Was ich mit „schnellen Informationen“ meine, sind Informationen, die unverzüglich zugänglich sind, die man also nicht lange recherchieren oder erarbeiten muss. Recherche kostet wertvolle Zeit. Wer dem Journalisten die Recherche abnimmt und ihm aufbereitete und schnell zugängliche Informationen liefert, der hilft ihm, seinen Artikel fertigzustellen. Ein Beispiel: Ein deutsch-amerikanischer Anwalt bat mich in meiner Eigenschaft als Litigation-PR-Experte, ihn und sein Team bei einem extrem komplexen Wirtschaftsstrafverfahren gegen einen britischen Unternehmer zu unterstützen. Der Unternehmer, Chef eines weltweit operierenden Unternehmens, hatte ein deutsches Handelsunternehmen über einen so genannten Leveraged Buyout (LBO) gekauft. Die Finanzierung des Deals war ungefähr so vielschichtig aufgebaut wie eine Symphonie von Gustav Mahler. Letztendlich blickte da keiner mehr durch, erst recht nicht die zuständige Staatsanwaltschaft. Insgesamt 101 Finanzierungsschritte, die in verschiedenen Ländern, über verschiedene Banken und einer ganzen Tüte voll von Unternehmen getätigt worden waren, überforderten die meisten Journalisten. Es kam der Tag der Tage, und die von vielen Journalisten heiß ersehnte Gerichtsverhandlung fand statt. Wohl wissend, dass viele Journalisten heillos mit der Materie überfordert sein würden und dass sie sich deshalb bei ihrer Berichterstattung entweder auf die Angaben der Staatsanwaltschaft oder auf die teilweise sträflich falschen Berichte von gewissen Medien verlassen würden, entschloss ich mich, den über die Gerichtsverhandlung berichtenden Journalisten eine wohl durchkomponierte Medienmappe zukommen zu lassen. Darin fanden die Journalisten alles, was sie für
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ihre Arbeit benötigten, fein säuberlich und verständlich aufbereitet, frei vom hässlichem Juristendeutsch und voll mit Fakten, Daten, Quellen und Definitionen. Die Journalisten fanden eine Zusammenfassung des Falles, eine druckbare Zeitleiste, Grafiken, kurze Biografien der Angeklagten und Anwälte, entsprechende Artikel bestimmter Leitmedien zu dem Thema, Bilder der Angeklagten, eine Beschreibung ihres Unternehmens und Kontaktdaten für weitergehende Recherchen. Die Journalisten staunten nicht schlecht, als sie die Medienmappe in die Hände bekamen, und selbst der Gerichtssprecher des Landgerichts Duisburg bat darum, eine mitnehmen zu dürfen, denn noch nie zuvor wurde in einem deutschen Gericht eine solche Medienmappe an Journalisten verteilt. Sie können nicht glauben, wie dankbar gerade Agentur- und Tageszeitungsjournalisten für das Material waren. Entsprechend schlug sich diese Dankbarkeit in der Berichterstattung nieder, sehr zum Ärger der Staatsanwaltschaft. Die Medienmappe war ein voller Erfolg. Sie sehen: Es zahlt sich aus, sowohl für Ihren Mandanten als auch für Sie als Anwalt, den Journalisten mit fertig aufbereiteten, verständlichen und schnellen Informationen entgegenzukommen. f. Vertrauenswürdige Informationen Vertrauenswürdige Informationen haben nur peripher etwas mit den unter Punkt c. genannten, wahren Informationen zu tun. Der Journalist möchte Ihnen als Informationsgeber vertrauen können. Das erste Treffen zwischen Ihnen und dem Journalisten ist oftmals eine Vertrauenssache. Auf beiden Seiten übrigens. Stellt sich für den Journalisten heraus, dass das, was Sie ihm erzählt haben, so nicht stimmt, dann ist das Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert, und Sie müssen – sollte es jemals wieder zu einem Encounter kommen – hart daran arbeiten, dass er Ihnen wieder Vertrauen entgegenbringt. Wenn ein Journalist Ihnen aber vertrauen kann, so macht das seine Arbeit leichter. Er muss Ihre Aussagen und Angaben einmal weniger nachrecherchieren, was ihm eine Menge Zeit und Aufwand erspart. Auch an dieser Stelle sei noch einmal eindringlich betont: Es bringt nichts, einen Journalisten anzulügen, denn früher oder später kommt es doch heraus, und da Journalisten auch untereinander kommunizieren, egal in welchem konkurrieren-
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den Verhältnis sie zueinander stehen, wird schnell mal kolportiert, dass man Anwalt x oder y nicht trauen kann und man seine Aussagen mit Vorsicht zu genießen habe. Das ist nicht gut für die Medienarbeit eines Anwaltes und nicht gut für seine Reputation. Der Anwalt wird sehr schnell merken, dass ihm eine Lüge einen extremen Imageschaden bescheren kann. g. Die ultimative Information Journalisten träumen von der ultimativen Information oder dem ultimativen Informanten. Sie träumen davon, dass sie den Olymp des investigativen Journalismus erreichen, so wie es Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post geschafft haben, über deren Recherchen und Berichte US-Präsident Richard Nixon zu Fall kam. In jedem Journalisten steckt ein Stück Watergate-Reporter, und so wie ihre Idole aus Washington den Hinweisen des Informanten „Deep Throat“ gefolgt waren, so sind auch alle anderen Journalisten auf die ultimativen Informationen oder Informationsgeber angewiesen, wollen sie die Geschichte ihres Lebens schreiben. Nicht jede Information taugt dazu. Nicht jede Information, von der der Anwalt glaubt, dass sie einen Skandal auslöst, verhält sich auch so. Watergate ist nicht überall. Ich kannte einmal einen Anwalt, ein sehr renommierter Wirtschaftsstrafrechtler, der den Journalisten immer wieder „brisante“ Informationen zukommen ließ. Er war der festen Überzeugung, dass diese Informationen einen Skandal auslösen könnten. Doch was er als Skandal betrachtete, waren ganz normale Geschäftsgebaren seiner Gegner, die, wenn auch nicht gerade schön, dennoch völlig legal waren. Die Journalisten wurden schnell müde, den Mutmaßungen und hochgejazzten „brisanten“ Informationen des Anwalts zuzuhören, und sehr bald schmolz ihr Interesse an seinen Fällen dahin. Eines Tage wurde ich Zeuge, wie eine Journalistin, die wieder mit einer solchen „ultimativen Information“ des Anwaltes beglückt wurde, nur noch müde abwinkte und milde lächelnd sagte: „Ach Herr X., wenn Sie mir doch nur endlich mal Beweise für Ihre Vermutungen bringen würden.“ Es war offensichtlich: Der Anwalt hatte seine Glaubwürdigkeit verspielt und die Journalisten in ihrem Verlangen nach der ultimativen Information für seine Belange ausgenutzt. Ver-
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standen hat das der Anwalt bis heute nicht, denn er steht weiterhin auf dem Standpunkt, „dass die Journalisten nur endlich mal richtig recherchieren müssten, um zu sehen, dass ich Recht habe.“
13. Wie kommt der Journalist an seine Informationen? Wie kommt der Journalist an Informationen? seine Informationen? Ganz einfach: Indem er ständig Augen und Ohren offenhält und indem er andauernd über die Verwertbarkeit der soeben erhaltenen Informationen nachdenkt. Das kann zu einer schlimmen Angewohnheit werden, die so manchen Freund schon die Augen hat rollen lassen, wenn er beispielsweise auf einer Party herumsteht und jemand gibt eine erstaunliche Geschichte zum Besten. Reflexartig sagt dann der Journalist: „Das wäre doch eine tolle Sache für die XY-Zeitung. Sollen wir da nicht mal was drüber schreiben?“ Es ist also kein Wunder, wenn sich mancher nicht sehr wohl fühlt in der Gegenwart eines Journalisten und sich nicht ganz so frei und unverfänglich verhält, wie er es tun würde, wenn der Journalist nicht anwesend wäre. Manche Menschen fühlen sich beobachtet, das gilt ganz besonders für Prominente, von denen einige berechtigterweise eine regelrechte Paranoia gegenüber Journalisten entwickelt haben. Doch Partys sind bei weitem nicht die einzigen Informationsquellen, aus denen Journalisten schöpfen. In aller Regel kommt ein Journalist an Informationen durch ... a. Lesen Ein Journalist hat einen kaum stillbaren Informationshunger, den er vor allem durch Lesen von verschiedenen Materialien befriedigt. Jeden Tag liest er die direkten Konkurrenzblätter, eine Reihe von Tageszeitungen, Nachrichtenmagazinen, Zeitschriften und Fachblättern, die seinen Bereich abdecken. Er liest Newsletter, Bücher, surft im Internet, checkt dort Unternehmensseiten und verschiedene Blogs. Journalisten lernen „querlesen“, was bedeutet, dass sie Zeitungen in rasender Geschwindig-
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keit mit ihren Augen durchpflügen können. Dabei achten sie auf einige wenige „Buzzwords“, also Worte, die ihr Interesse wecken. Diese Buzzwords sehen bei einem Wirtschaftsjournalisten natürlich ganz anders aus als die Buzzwords, auf die ein Politikjournalist oder ein Sportjournalist reagiert. b. Sehen (TV, eigene Beobachtungen) Ich kenne männliche Journalisten, die eine Fähigkeit perfektioniert haben, die in aller Regel nur Frauen zugeschrieben wird: Multitasking. Mein Freund Cornel Faltin beispielsweise, ein langjähriger Korrespondent für große Tageszeitungen in Washington, erwies sich als wahres Informationsmonster. Jeden Morgen um sechs Uhr saß er bereits an seinem Schreibtisch und ackerte sich durch Unmengen an Zeitungen, während er dabei im Fernseher zwischen diversen Nachrichtenkanälen und Morgenshows in einer unglaublichen Lautstärke zappte und auf seinem Computer die neuesten Agenturnachrichten eingingen. Cornel Faltin war für mich immer ein Phänomen, und jedes Mal, wenn ich Zeuge seiner morgendlichen Multimediaveranstaltung wurde, bekam ich plötzlich Kopfschmerzen. Zeitung, Computer und TV gleichzeitig? Für mich war und ist das heute noch mindestens ein Infokanal zu viel. Doch TV ist nur eine von vielen optischen Quellen, die ein Journalist für seine Arbeit nutzt. Er beobachtet seine Umwelt, sieht, wie sich Dinge verändern. Der Lokalchef einer Zeitung bemerkt bei seiner morgendlichen Fahrt ins Büro den schlechten Zustand einer Straße, die erst vor kurzem erneuert wurde. Der Modejournalistin fällt auf, dass die Jugendlichen auf der Straße bestimmte Armbänder tragen, der Wirtschaftsjournalist bemerkt, dass ein Wirtschaftsführer immer blasser und magerer aussieht und fragt nach dessen gesundheitlichem Zustand ... Für einen Journalisten gibt es immer etwas zu sehen, das seine Aufmerksamkeit erregt. Das Gehirn des Journalisten ist darauf trainiert.
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Anwälte und Journalisten
c. Hören Journalisten hören Geschichten so, wie eingangs bereits erwähnt. Sie hören interessante Informationen auf Partys, im Radio, von Freunden, Nachbarn, Kollegen. Sie nehmen akustische Informationen bei Elternabenden auf oder im Gespräch mit ihrem Arzt, dem Automechaniker oder auf Parteitagen. Nicht nur die Augen sind auf die Suche nach journalistisch verwertbaren Informationen trainiert, sondern auch das Gehör. Bereits während meiner Schulzeit begann ich, für die lokalen Zeitungen meines Ortes zu schreiben. Und nicht nur das: Ich fotografierte auch noch. Ich hatte eine sehr gute Kamera und tatsächlich auch noch fotografisches Talent. Fotos waren damals sehr lukrativ, denn wenn sie abgedruckt wurden, gab es gutes Geld. Für jedes abgedruckte Foto bekam ich 20 Mark, dafür hätte ich rund 80 Zeilen schreiben müssen, um bei einem Zeilenhonorar von 23 Pfennig auf ungefähr den gleichen Betrag zu kommen. Mit der Zeit fand ich heraus, dass der schnellste und lukrativste Weg, an Fotos heranzukommen, darin bestand, auf die Sirenen von Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen zu hören, denn das war das Signal dafür, dass es in der Regel auch etwas zu fotografieren gab: brennende Häuser, Unfälle, Verbrecherjagden. Wann immer ich also Blaulichtalarm hörte, rief ich bei der Leitstelle an, fragte, was wo passiert sei, und raste mit meinem Auto und meiner Kamera hinterher. Ich war letztendlich so darauf dressiert, dass ich schon die Polizeisirenen hörte, lange bevor sie andere um mich herum bemerkten. Blaulichtalarm stand in meiner damaligen Welt für journalistisch verwertbare Information. d. Pressemeldungen und -events Jeden Tag tragen die Briefträger säckeweise Briefe in eine Redaktion. Der Großteil davon besteht aus Informationen von Public-RelationsFirmen oder Einladungen zu Veranstaltungen, an denen die Redakteure teilnehmen (und über die sie möglichst auch berichten) sollen. Diese Einladungen kommen von Verbänden, Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Künstlern oder anderen Medien. Einem Journalisten wird, so gesehen, also nie langweilig werden.
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Bei vielen dieser eintreffenden Briefe und natürlich auch E-Mails, die in der Redaktion eintreffen, handelt es sich um Pressemeldungen, verfasst von Pressesprechern oder Public-Relations-Firmen, die im Auftrag ihrer Klienten ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Unternehmenspersonalie, eine Geschäftsentwicklung oder andere Dinge anpreisen. Und gerade da kann einem Journalisten plötzlich sehr langweilig werden, wenn er all das lesen müsste und sollte (Qualität und Aufbau von Pressemitteilungen werden wir in den Kapiteln 45 bis 47 besprechen). Eines ist jedenfalls klar: Pressemeldungen sind in jedem Fall eine wichtige Quelle, aus der der Journalist seinen Informationsdurst stillt. Sicher, es mag extrem unnütze Pressemeldungen geben, bei denen man sich wundert, warum sie überhaupt geschrieben wurden, weil sie nichts, aber auch gar nichts Neues oder Interessantes für die Redaktion bieten, aber die Verfasser werden schon ihre Gründe haben. e. Leserbriefe Es gibt Chefredakteure, die bestehen darauf, jeden einzelnen Leserbrief selbst zu lesen. Das können manchmal recht viele sein, vor allem bei den großen Nachrichtenmagazinen. Die Flut der Leserzuschriften hat sich vervielfacht, seitdem man der Redaktion auch via E-Mail seine Gedanken mitteilen kann. Das ist schneller und einfacher, als einen Brief zu schreiben und ihn zum Postamt zu tragen. Mit Hilfe der Leserbriefe erfährt die Redaktion etwas über die Struktur und Gedankenwelt ihrer Leser, aber sie bekommt durch sie auch bisweilen Anregungen und Informationen für interessante Artikel. Druckt die Redaktion einen Leserbrief ab (große Blätter haben dazu eigens eine Leserbriefredaktion eingerichtet), erfüllt das den schreibenden Leser mit Stolz (und fördert die Leser-Blatt-Bindung) und er fühlt sich ernst genommen. Unrühmlich verfuhr bisweilen die Bild-Zeitung mit ihren Leserbriefen. Unter der Rubrik „Bild hilft ...,“ konnten Leser über ihren Kummer und ihre Probleme schreiben, die sie mit sich selbst, ihrem Partner, dem Nachbarn oder dem Arbeitgeber hatten. Doch anstatt ihrem Leser zu helfen, wurde mancher ahnungslose Leser von der Bild-Redaktion massiv durch den Schlamm gezogen, er wurde Gegenstand einer schmutzigen Pressekampagne, man machte sich über ihn lustig, verspottete ihn und
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brachte wahrscheinlich so manches „Bild hilft“-Opfer dazu, an Selbstmord zu denken oder in anderen Fällen Anwälte gegen die skrupellosen Bild-Redakteure in Marsch zu setzen. Abbildung 1 fasst die Informationsquellen der Journalisten noch einmal zusammen. Woher bekommen die Medien ihre Informationen?
Nachrichtenagenturen
Eigene Recherche
Konkurrenzmedien
Redaktion
Organisationen, Unternehmen, Parteien, Interessengruppen
Leserbriefe, Anrufe, E-Mails, Pressemitteilungen
Abbildung 1: Die Informationsquellen der Redaktionen Copyright: NAÏMA Strategic Legal Services GmbH
Informanten, Polizei, Staatsanwaltschaft, Whistleblower
Die Welt der Medien
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Die Welt der Medien
14. Der Medienmarkt Überlegen Die Der Welt Medienmarkt der SieMedien bitte einmal ganz kurz, welche Medien Sie tagtäglich nutzen, um sich auf dem Laufenden zu halten, privat und auch beruflich. Gedruckte Medien wie auch elektronische. Da kommt schon eine ganze Menge zusammen. Bleiben wir erst einmal bei den gedruckten Medien. Jeden Tag erscheint in Deutschland eine Unmenge an gedruckten Titeln. Die Zeitungsdichte (Zahl der Zeitungen je 1000 Einwohner) liegt in Deutschland zwar noch hinter Norwegen, Finnland, Schweden, der Schweiz, Österreich und England, aber in Europa immerhin an siebter Stelle.1 Dieser verhältnismäßige Mittelplatz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Land der Dichter und Denker sehr viel gelesen wird. Lassen wir an dieser Stelle doch einfach einmal die Zahlen sprechen: 78 Prozent der Bundesbürger lesen täglich Zeitung, durchschnittlich 36 Minuten lang.2 Das sind mehr als Dreiviertel der Bevölkerung (allerdings mit sinkender Tendenz). In der Zeitungslandschaft dominieren die lokale und regionale Tagespresse. Die größten Gesamtauflagen haben die 331 lokalen und regionalen Abonnementszeitungen mit 16,1 Millionen Exemplaren, gefolgt von den acht Straßenverkaufszeitungen3 mit insgesamt 5,4 Millionen Exemplaren. Auch der deutsche Zeitschriftenmarkt ist breit aufgefächert: Einschließlich aller Fachzeitschriften werden fast 10 000 Titel in Deutschland angeboten.4 Der Bereich der Fachzeitschriften ist – bezogen auf die Titelzahl – mit 3 907 der stärkste, die Publikumszeitschriften folgen mit rund 1 800 Titeln. Ein Drittel des Zeitschriftenmarkts entfällt auf Publikationen von Organisationen und Verbänden. So ist beispielsweise die ADAC-Motorwelt des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs mit rund 13 Millionen Exemplaren das auflagenstärkste Blatt unserer Republik. 1 Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) 8/2005. 2 Ebenda. 3 Das sind die so genannten Boulevardzeitungen wie Bild, Express (Köln, Düsseldorf), Abendzeitung (München, Nürnberg), Berliner Kurier, Hamburger Morgenpost, B.Z. Berlin, Dresdner Morgenpost und Bild am Sonntag. 4 Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW).
Der Medienmarkt
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Bei den elektronischen Medien sieht es vergleichbar bunt aus: Jeden Tag werden unzählige Stunden TV- und Radioprogramme produziert, 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche. In Deutschland gibt es rund 39 Millionen angemeldete Radios und 33,4 Millionen Fernseher. Das sind, wohlgemerkt, nur die gemeldeten Geräte.5 Die Zahl der Privatsender ist in den letzten Jahren geradezu explodiert. Hinzu kommt noch eine unübersichtliche Anzahl von verschlüsselten und frei zugänglichen Satellitensendern und jede Menge privater Radiosender. Es gibt Sender, die sich nur um Nachrichten drehen, solche, deren Schwerpunkt auf Wirtschaftsberichterstattung liegt, die reine Sport-, Zeichentrick-, Comedy-, Science Fiction- oder Verkaufssender sind. Die Aufspaltung in immer kleinere Sparten wird in den kommenden Jahren fortgesetzt. Ähnlich sieht es auch im Bereich Rundfunk aus: Während es 1991 nur etwa 100 private Radiostationen gab, wurden 2003 bereits 276 Sender gezählt, die jeweils mindestens 500 000 Hörer erreichen. Auch hier gibt es reine Infokanäle, Kindersender, Musiksender oder vor allem auch Lokalsender. Die neuen elektronischen und auf dem Internet basierenden Medien erleben einen unglaublichen Aufstieg, sehr auf Kosten der traditionellen Medien. Jedes Unternehmen hat seine eigene Webseite, ebenso wie jede Organisation oder mittlerweile auch jede Privatperson, die meint, etwas zu sagen zu haben. Fast alle Zeitungen und Zeitschriften verfügen inzwischen über einen Online-Ableger. Newsletter werden über das Internet vertrieben, Blogs gepostet, ob Video oder Audio. Über YouTube verbreiten sich Videoschnipsel in Sekundenschnelle, soziale Netzwerke wie Xing, Facebook, MySpace und andere fesseln uns über Stunden an den Computer. Wir mailen, chatten und twittern, als gäbe es kein Morgen mehr. All das zeigt, dass wir inmitten einer extrem medienzentrierten Welt leben. Eine Informationsflut ergießt sich über uns, und auf der anderen Seite scheint unser Unterhaltungs- und Informationsbedürfnis auch gestiegen zu sein. Doch von nichts kommt nichts, auch nicht im Medienbereich. Die 24 Stunden am Tag vor sich hindampfende Medienmaschinerie will gefüttert werden, und ihr Treibstoff sind die Informationen. 5 Gebühreneinzugszentrale (GEZ), Geschäftsbericht 2008.
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Deshalb ist so ziemlich alles, was passiert, auch öffentlich oder kann öffentlich gemacht werden. Nie zuvor hat sich eine Information so schnell um den Erdball verbreitet. Falsche Behauptungen oder Rufschädigungen haben allerdings dasselbe Tempo.
15. Printmedien 1. Tageszeitungen Printmedien a. Abonnementszeitungen Grundsätzlich sind das alle Tageszeitungen, die abonniert werden können. Diese werden wiederum unterschieden in: a.a. Überregionale Abonnementszeitungen Das sind Zeitungen, die national vertrieben werden, wie die Süddeutsche Zeitung, FAZ, Die Welt, Frankfurter Rundschau. a.b. Regionale Abonnementszeitungen Das sind Zeitungen, die in großen Städten und Ballungsräumen eine starke Bedeutung haben, allerdings nicht national vertrieben werden, wie beispielsweise der Tagesspiegel/Berlin, der Münchner Merkur, der Kölner Stadtanzeiger, die Stuttgarter Zeitung. a.c. Lokalzeitungen Das sind Zeitungen, die weder überregional noch regional von großer Bedeutung sind, dafür allerdings einen hohen lokalen Stellenwert haben, wie beispielsweise die Schwäbische Post, die Erlanger Zeitung. a.d. Mantelzeitungen Das ist eine spezielle Form der Regional-/Lokalzeitungen. Dabei wird der überregionale Teil der Zeitung mit seinen Ressorts wie Politik, Wirtschaft und Ausland von einem größeren Redaktionshaus hergestellt und an kleine, wirtschaftlich selbstständige Lokalzeitungen, die
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sich so einen „Mantel“ nicht leisten können, verkauft, so dass diese ihren Lesern eine vollwertige Zeitung anbieten können. Ein großer Mantelzeitungslieferant ist beispielsweise die Südwestpresse in Ulm. b. Boulevard- oder Kaufzeitungen Das sind diejenigen Zeitungen mit den großen Überschriften, die man in aller Regel nicht abonnieren kann6 und die jeden Tag aufs Neue am Kiosk oder auf der Straße (Boulevard) um die Gunst und das Kleingeld ihrer Leser buhlen müssen. Die Bild-Zeitung ist dabei von der reinen Auflage her der Elefant unter den Boulevardzeitungen und auch die einzige, die deutschlandweit vertrieben wird und über sehr starke Lokalteile wie u. a. in Hamburg, München und dem Ruhrgebiet verfügt. Die anderen Boulevardzeitungen wie der Express (Köln/Düsseldorf), die B.Z. (Berlin West), der Berliner Kurier (Berlin Ost), die Abendzeitung (München/Nürnberg), die Hamburger Morgenpost und die Dresdner Morgenpost verkaufen weitgehend in den regionalen Ballungsräumen. c. Finanztitel Diese Tageszeitungen wie die Financial Times Deutschland oder das Handelsblatt haben ihren Schwerpunkt im wirtschaftlichen Geschehen. Beide Zeitungen, wie übrigens auch die FAZ, haben eine regelmäßig erscheinende Seite, die sich mit Recht und Rechtsanwälten auseinandersetzt. d. Kostenlose Zeitungen Diese Zeitungen sind ein relativ neues Phänomen, das hier in Deutschland, im Gegensatz zur Schweiz, (noch) nicht greifen will. Die Zeitungen werden kostenlos (meist an Pendler) abgegeben und finanzieren sich über Anzeigen. Sie verfügen über einen vollwertigen redaktionellen Teil, sind eher wie Boulevardzeitungen aufgebaut und entsprechend 6 Mit Ausnahme der Münchner Abendzeitung.
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inhaltlich strukturiert, mit dem Ziel, während der Bahnfahrt gelesen werden zu können.7 In Deutschland konnten diese Zeitungen trotz mehrerer Versuche nicht Fuß fassen, weil sie vom vollen Gegenwind der mächtigen Boulevardzeitungen hinweggefegt wurden.8
2. Wochenzeitungen Dazu gehören Zeitungen, die nur einmal die Woche erscheinen und die ihre Berichterstattung entsprechend vertiefen müssen, weil sie aufgrund ihrer Erscheinungsweise nicht die Aktualität einer Tageszeitung leisten können. In Deutschland gibt es nur noch eine bedeutende Wochenzeitung, nämlich Die Zeit. Dafür gibt es zwei große Sonntagszeitungen: die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) und die Welt am Sonntag. Hinzu kommt noch die Bild am Sonntag, die die Themen naturgemäß im Boulevardstil erarbeitet, aber durchaus auch in Form von längeren Artikeln.
3. Anzeigenblätter Die meisten Anzeigenblätter erscheinen wöchentlich. Sie sind kostenlos und leider redaktionell oftmals entsprechend schwachbrüstig bis erbärmlich. Allerdings gewinnen die Anzeigenblätter vor allem im regionalen Bereich zunehmend Statur, da den lokalen Zeitungen immer mehr Abonnenten abhanden kommen und diese sich stattdessen ihren Informationshunger über die Anzeigenblätter stillen.
7 Deshalb auch der Titel der sehr erfolgreichen kostenlosen Zeitung in Zürich „20 Minuten“. 8 Wie beispielsweise beim so genannten. „Zeitungskrieg“ von Köln, als die ansonsten schwer verfeindeten Boulevardkonkurrenten Bild und Express in einer gemeinsamen Aktion den kostenlosen Neuling der norwegischen Schippstedt-Gruppe durch eigene kostenlose Produkte regelrecht erdrückten und vom Platz fegten.
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4. Magazine a. Nachrichtenmagazine Allen Nachrichtenmagazinen voran (sowohl was die Auflage betrifft als auch die Relevanz) fährt natürlich das Hamburger Dickschiff Der Spiegel. Gleich danach folgt der Münchner Konkurrent Focus. Und das war’s auch schon auf dem deutschen Markt der Nachrichtenmagazine. Ein drittes Nachrichtenmagazin ist derzeit nicht in Sicht. b. General-Interest-Magazine Einstmals war es das Genre schlechthin. Journalistische Schwergewichte wie Quick und Neue Revue versuchten, gegen den allmächtigen Stern des legendären Chefredakteurs Henri Nannen anzukämpfen. Quick und Neue Revue, die zu traurigen Sex-Blättchen mutierten, sind eingestellt worden. Der Stern ist noch das einzige große General-InterestMagazin, was bedeutet, dass die Zeitschrift versucht, zwischen Politik, Reportagen, Autotests und Horoskopen alles anzubieten (deshalb General Interest). Der Stern ist der eigentliche Saurier der Zeitschriftenbranche, der in Würde gealtert ist. c. People-Magazine Im Bereich der Klatschmagazine (neudeutsch: People-Magazine) tut sich sehr viel. Neben der alten Tante Bunte aus München erscheint seit geraumer Zeit auch die frischere, hanseatische Gala. Dazwischen tummeln sich eine wachsende Reihe angeschmuddelter People-Blätter wie In-Touch oder In – Das Starmagazin. Insgesamt ist das Peoplesegment im deutschen Zeitschriftenbereich ein klares Wachstumssegment und unterstreicht damit die Tendenz, dass die Personalisierung von Themen, vor allem auch im Wirtschaftsbereich, stark zunimmt.
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d. Frauenzeitschriften Wer die Entwicklung der Frauenzeitschriften verfolgt, dem wird sehr bald schwindelig angesichts der unzähligen Titel, die jedes Jahr entstehen und auch gleichzeitig wieder vom Markt genommen werden. Klassiker in diesem Segment sind Brigitte (journalistisch die einzig ernstzunehmende Frauenzeitschrift), gefolgt von Elle, Vogue, Cosmopolitan, Glamour und vielen anderen Zeitschriften, die sich inhaltlich und optisch zum Verwechseln ähnlich sind. e. Programmzeitschriften TV Neu, HörZu, Funk Uhr etc.: Ein auflagenstarkes Zeitschriftensegment, das neben den eigentlichen Programmhinweisen auch einen redaktionellen Teil liefert. Dieser kann verschiedene Schwerpunkte haben: Frauen, Spielfilmenthusiasten, Digital-TV. Für uns interessant, weil einige dieser Programmzeitschriften, die teilweise enorme Auflagen verzeichnen, stark ausgebaute Ratgeberteile haben. f. Yellows Heim & Welt, Freizeit Revue, Goldenes Blatt etc.: Alles billig gemachte Blättchen für einen älteren und vor allem weiblichen Leserkreis. Hier werden die Königshäuser dieser Welt redaktionell behandelt. Und auch hier gibt es starke Ratgeberteile. g. Und viele mehr Es gibt Männerzeitschriften, Fußballmagazine, Motorzeitschriften, Gartenmagazine oder Blätter für Architekturinteressierte und Häuslebauer. Jeder Aspekt unseres Alltaglebens scheint seine Entsprechung im Printmedium zu finden.
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h. Fachzeitschriften Ob das Anwaltsblatt, JUVE, NJW oder Magazine wie Rute und Rolle (für den Angler), ob Winzer, Bäcker, Eventmanager, der Flugzeugmodellbauer – jede Berufs- und Interessengruppe hat ihr Magazin, das sich auf eine ganz bestimmte Klientel eingeschrieben hat. i. Verbands-/Vereinspublikationen Die ADAC-Motorwelt erreicht Auflagen, von denen andere Magazine nur träumen können. Jedes ADAC-Mitglied – und das sind nicht wenige – erhält ein Heftchen. Entsprechend verschicken Krankenkassen, Versicherungen, Banken oder auch der Deutsche Anwaltverein Magazine. Jeder Bundesliga-Fußballverein gibt ein Magazin heraus, jede politische Partei, Vereinigungen von chronisch Erkrankten ebenso wie religiöse Vereinigungen oder Kommunen. An Printinformationen scheint es auch in diesem Bereich nicht zu mangeln. j. Kundenzeitschriften Ob im Flugzeug, in der Bäckerei, der Apotheke, als BMW-Fahrer oder im Zug der Deutschen Bundesbahn – überall lässt sich hier ein Medium mitnehmen, das erstaunliche Reichweiten hat. Journalistisch meist belächelt, verfügen gerade diese Magazine über ungeheuer große Leserschaften, wie beispielsweise Die Bahn, Das In-Flight-Magazin der Lufthansa, die Bäckerblume oder die Apotheken Umschau.
5. Bücher Wer von Printmedien spricht, der vergisst gerne auch mal die Mutter aller Printmedien: das Buch. Nach wie vor werden sehr viele Bücher verkauft, ob im Bereich der Belletristik oder im Sachbuchbereich. Ratgeberbücher landen regelmäßig in den Bestsellerlisten und sind gerade für die Medienarbeit der Anwälte ein sehr wichtiges Instrument.
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16. Klassische elektronische Medien (TV, Radio) Klassische elektronische Medien (TV, Radio) Fernsehen Hier sind zu unterscheiden: die öffentlich-rechtlichen Sender (ARD, ZDF), die sich über Gebühren finanzieren, und die privaten (RTL, SAT1, Pro7 etc.), die sich über Werbesendungen finanzieren. Erstere haben einen festgelegten Bildungsauftrag und können deshalb auch Sendungen zeigen, von denen keine hohen Einschaltquoten zu erwarten sind. Letztere sind bedingungslos an Einschaltquoten gebunden, denn diese erst garantieren ihnen auch höhere Preise für Werbesendungen. Gerade im Bereich der privaten Sender ist in nächster Zukunft eine stärkere thematische Segmentierung zu erwarten. Hier wird sich zeigen, wie sich die TV-Sender gegenüber dem Internet und einer wesentlich jüngeren Zuschauergruppe, die das Internet bevorzugt, durchsetzen können.
Radiostationen Auch bei den Radiostationen gilt, was zuvor bei den TV-Sendern beschrieben wurde: Es gibt über Gebühren finanzierte und deshalb nicht so stark von Einschaltquoten abhängige, öffentlich-rechtliche Sender mit Bildungsauftrag (beispielsweise Deutschlandfunk oder die Landessender wie WDR, Bayerischer Rundfunk etc.), sowie die privaten Sender (wie RTL, KissFM etc.).
Moderne elektronische Medien
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17. Moderne elektronische Medien (Internet, Blogs, Podcasts und andere) Moderne elektronische Medien Internet-TV Dabei handelt es sich um Sender, die im klassischen Sinn eigentlich keine TV-Sender sind und trotzdem Eigenheiten der Sender aufweisen. Diese Sender können via Internet genauso wie über Mobiltelefon abgerufen werden. Ein relativ junges Medium, das sich erst noch beweisen muss.
Internet-Radio Viele Sender lassen sich heute schon über Internet anhören. Viele Radiosender stellen ihre Inhalte mittlerweile ins Internet, die man dann abrufen kann, egal wo man sich gerade auf diesem Planeten befindet. Wenn man über einen Internetanschluss verfügt und der Lokalsender die Inhalte ins Internet stellt, ist man in der Lage, von Timbuktu aus Radio Fritz in Berlin zu hören. Inzwischen gibt es auch sehr viele Sender, die einzig und allein über das Internet „senden“. Listen dieser Internetsender sind natürlich über das Internet erhältlich.
Online-Branchendienste Das sind nichts anderes als die im Printbereich genannten Verbands-/ Vereinszeitschriften, die einen entsprechenden Online-Ableger geschaffen haben.
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Online-Publikationen Es gibt reine Web-Publikationen, die nur über das Internet zu lesen sind. Manche von ihnen haben eine sehr treue Gefolgschaft und innerhalb einer gewissen Szene Kultstatus. Doch nicht nur Szene-Magazine beschränken sich auf eine Onlineform, sondern auch Publizisten, die mit der Zeit gehen. So werden aus großen deutschen Verlagshäusern immer wieder auch Magazin-Launches gemeldet, die nur in der Onlinewelt verhaftet sind, oder Magazine, die in der Printwelt einen Tod mangels Leserschaft erleiden mussten, dann allerdings in der Onlinewelt weiter bestehen (z. B. die Zeitschrift Elle-Girl).
Web-Blogs Inzwischen gibt es unzählige Blogs. Blog-Enthusiasten sprechen von einer Demokratisierung des Journalismus oder der Publikationswelt, weil die Produktionsmittel für ein Medium (Print, TV, Radio) nun auch einer breiten Masse zur Verfügung stehen. Genau darin sehen aber auch die Kritiker die Malaise: Jeder, auch wenn er vom Journalismus nicht die geringste Ahnung hat, kann nun publizieren und hanebüchene Behauptungen in die (Internet-)Welt setzen. Auf der anderen Seite gibt es allerdings auch eine Reihe sehr interessanter Fachblogs (z. B. Jurablogs), die sich gewissen Berufsgruppen anbieten. Wer die Zeit hat und auch die Muße mitbringt, sich mit den jeweiligen Befindlichkeiten der jeweiligen Autoren auseinanderzusetzen, der kann inzwischen über eine gigantische Spielwiese verfügen.
Podcasts Podcasts sind (sehr) private TV- und Radiostationen von Privatpersonen. Es gibt sehr erfolgreiche Audioblogs wie Schlaflos in München oder auch sehr erfolgreiche Videoblogs wie den des Ex-Spiegel-Kulturchefs Matthias Matussek.
Warum bloggt ein Rechtsanwalt?
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E-Mail-Newsletter Kaum jemand, der nicht zumindest einen der vielen im Netz verfügbaren E-Mail-Newsletter abonniert hat. Bei manchen Newsletter-Abonnenten geht auch das Gerücht um, dass sie deshalb E-Mail-Newsletter abonnieren, damit sie wenigstens einmal pro Woche eine E-Mail bekommen. Ob wir uns die aktuellen Angebote einer Fluglinie zusenden lassen, die neuesten Seminare einer Weiterbildungsinstitution oder eben News einer Kanzlei, die uns über ihre Tätigkeiten auf dem Laufenden hält – E-Mail-Newsletter sind extrem nützliche und auch nutzbare Instrumente der modernen Kommunikation geworden.
18. Warum bloggt ein Rechtsanwalt? Ein Erfahrungsbericht von Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig, Berlin, über seine Arbeit mit modernen Medien Rechtsanwalt Warum bloggt Carsten ein Rechtsanwalt? R. Hoenig ist Strafverteidiger und Verkehrsrechtler/Motorradrechtler in Berlin und hier vor allem in Berlin-Kreuzberg. Der leidenschaftliche Zweiradfahrer hat schon früh erkannt, dass eine geschickte Außenwirkung durchaus zu mehr Mandanten verhelfen kann. So kaufte sich RA Hoenig einen alten Polizeitransporter (im Kreuzberger Jargon auch „Wanne“ genannt) und ersetzte die Markierung POLIZEI durch das Wort KANZLEI, um das Fahrzeug an prominenten Plätzen der Stadt zu parken. RA Hoenig gilt auch als einer der anwaltlichen Vorreiter in Sachen Blogs. In seinem Beitrag fasst er seine Erfahrungen mit „Blogs“ als Informationsinstrument für Anwälte zusammen. Welche Möglichkeiten bietet das Internet Rechtsanwälten, um sich zu präsentieren? Nachdem das Werbeverbot für Rechtsanwälte zunehmend gelockert wurde, haben die Advokaten für sich auch das Internet entdeckt. Vermehrt wurden Kanzleien auf Anwalts-Homepages im Netz präsentiert. Die Spanne reicht von der einfachen Visitenkarte, bei der lediglich die Kontaktdaten der Kanzlei veröffentlicht werden, bis hin zur umfangreichen Vorstellung der Anwälte und ihrer Spezialgebiete nebst kompletten Sammlungen von Gerichtsentscheidungen und sonstigen Veröffentlichungen. Mit dem Aufkommen des „Web 2.0“ ergaben
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sich weitere Möglichkeiten für einen Anwalt, sich und seine Kanzlei der Öffentlichkeit im Netz zu präsentieren. Moderne Content-Management-Systeme (CMS) ermöglichten auch ohne eine spezielle Informatik-Ausbildung, die Websites recht einfach stets aktuell zu halten: Einfach den Text schreiben, und mit zwei, drei Mausklicks wird er auf der Website veröffentlicht. Im Rahmen dieser Entwicklung entstanden juristische Weblogs, die verschiedentlich auch als „Weblawgs“ oder kürzer als „Blawgs“ beschrieben werden. Einen (unvollständigen) Überblick über die aktuellen Blawgs liefert die Seite www.jura blogs.com, ein Projekt, das dem interessierten Leser einen stets aktuellen Überblick über die Veröffentlichungen zahlreicher juristischer Blogs zur Verfügung stellt. Wer sich in den bei Jurablogs gelisteten Blawgs umschaut, erkennt rasch, dass es „das“ Weblawg nicht gibt. So vielfältig und verschieden Juristen, insbesondere Rechtsanwälte und deren Tätigkeiten sind, so unterschiedlich sind die Weblogs dieser Juristen. Auch hier reicht die Bandbreite von reinen Themenblogs über Entscheidungssammlungen, Kanzleipräsentationen und Prozessberichte bis hin zum juristischen „Smalltalk“. Sie betreiben selbst einen Blog. Was bietet der? Der Blog meiner Kanzlei, der Kanzlei Hoenig Berlin, unter www.kanzleihoenig.info liefert eine besondere Mischung aus alledem. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht, dementsprechend haben die Beiträge in diesem Blawg meist einen Bezug zu den Themen, mit denen sich die Kanzlei alltäglich beschäftigt, eben mit dem Strafrecht. Aber auch die Lage der Kanzlei im Berliner SzeneBezirk Kreuzberg ist dort Gesprächsstoff, genauso wie der Service der Kanzlei – so versorgen wir unsere Mandanten gerne mit exklusivem italienischen Caffè. Schließlich schreibe ich auch Persönliches und präsentiere auf diesem Wege mich selbst und die Kanzlei. Was motiviert einen Anwalt, nahezu täglich mindestens einen Betrag ins Netz zu stellen? Zunächst einmal ist es die Freude am Schreiben. Die tägliche Arbeit stellt spezielle Anforderungen an meine juristische Formulierungen, mit denen ich mich in den meisten Fällen an Juristen richte und die von Laien meist entweder gar nicht oder aber oft missverstanden werden. Spannend wird es, dem juristischen Laien mit legeren – oder flapsigen – Worten schwierige Urteile oder komplizierte Vorschriften zu erläutern. Mit fröhlichen Worten einem Leser den Unterschied zwischen einem „bedingten Vorsatz“ und einer „groben Fahrlässigkeit“ zu vermitteln, ist eine Aufgabe mit hohem Unterhaltungswert.
Warum bloggt ein Rechtsanwalt?
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Worüber schreibt ein Strafverteidiger und Zweiradfahrer? Meine Arbeit, unsere Kanzlei und teilweise mein Leben sind die Themen, die ich in unserem Weblog anspreche; kleine Geschichten, in denen ich über Richter, Staatsanwälte oder Polizisten berichte. Gerichtsentscheidungen oder Kommentierungen von Gesetzen überlasse ich gern den anderen Blawgs. Es sind vorwiegend die menschlichen Begebenheiten aus dem Alltag eines Strafverteidigers, mit denen ich den Lesern vermitteln möchte, dass wir alle eigentlich auch nur mit Wasser kochen. Woher kommen die Ideen für die zahlreichen Beiträge? Im Laufe der Zeit bekommt man ein Auge dafür, was in den Blog passen könnte; ich muss dafür nur die Augen weit genug aufmachen: So stolpere ich beim Durcharbeiten einer Ermittlungsakte oft über Stilblüten. Versuche von juristischen Laien, sich der Verwaltungssprache zu bemächtigen, sind auch immer mal für einen Lacher gut. Aber auch der Ärger über das Verhalten eines Staatsanwalts ist nur noch halb so groß, wenn ich über ihn in einem Blogbeitrag geschrieben habe. Auch das, worüber andere schreiben – andere Blogger oder Journalisten beispielsweise – greife ich gern auf und kommentiere deren Artikel auf meine Art. Finden eigene Mandate Eingang ins Weblog? Grundsätzlich berichte ich nicht über laufende Mandate, allenfalls über Details, aus denen aber keine Rückschlüsse auf unsere Mandanten möglich sind. Wenn allerdings ein potenzieller Mandant mitten in der Nacht über unseren Strafverteidiger-Notruf um Hilfe nachsucht, weil ihm seine zukünftige Exfrau die gemeinsam gehaltene Katze nicht herausgeben will, ist dies durchaus einen Beitrag wert. Kann man mit dem Bloggen Geld verdienen? Ausschließen kann ich es nicht; es gibt Blogger, die veröffentlichen beispielsweise (auch) Werbung in ihren Blogs. Ich betreibe unser Weblog nicht, um Geld zu verdienen. Gewinnt man als Rechtsanwalt mit einem Weblog neue Mandanten? Ich wäre unaufrichtig, wenn ich behaupten würde, das Bloggen sei ein reiner Selbstzweck. Dadurch, dass meine Beiträge von vielen Menschen gelesen wer-
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den, wissen sie auch, an wen sie sich wenden können, wenn sie ein strafrechtliches Problem haben oder sonstigen anwaltlichen Rat benötigen. Zu einer reinen Akquise-Maschine eignet sich ein Weblog allerdings nicht; für die Mandantengewinnung gibt es bessere Möglichkeiten. Wer liest die Beiträge in dem Weblog? Auffallend sind die ebenfalls bloggenden Kollegen, die unser Weblog regelmäßig besuchen (genauso wie ich auch die Blogs der Kollegen lese). Weil Weblogs zu den modernen Medien gehören, sind Leser wohl überwiegend jüngere Menschen, darunter auffallend viele Jura-Studenten und Rechtsreferendare. Aber auch Richter und Staatsanwälte gehören zu unseren Stammlesern. So wies mich vor einiger Zeit einmal ein Kollege auf einen Vermerk eines Staatsanwalts hin, den dieser über einen Blogbeitrag in einer Ermittlungsakte gefertigt hatte. Ansonsten sind es solche Menschen, die einen Internetanschluss und Spaß an „Juratainment“ haben und Nachmittags-Gerichtsshows für groben Unfug halten. Beeinflusst das Weblog die tägliche Arbeit? Nun, es nimmt Zeit in Anspruch. Unter einem anderen Aspekt gab es kürzlich einen konkreten Einfluss auf die Arbeit eines Richters. Ich hatte sehr kritisch über eine Jugendstrafsache berichtet, die sich bereits seit viel zu vielen Jahren hinzog. Der nun zuständige Richter, ebenfalls ein Blogleser, erkannte „seinen“ Fall; in einem informellen Rechtsgespräch unterstützte er mich gegenüber dem Staatsanwalt in meinem Bemühen, das Verfahren nun endlich abzuschließen, mit den ironischen Worten: „... sonst schreibt der Verteidiger in seinem Weblog wieder böse Worte über eine angeblich untaugliche Justiz ...“ Wie reagieren die Leser auf die Veröffentlichungen? Jedes Weblog bietet den Lesern die Möglichkeit, Kommentare zu den jeweiligen Beiträgen zu schreiben. Es gibt Blog-Autoren, die schalten diese Funktion ab oder geben Kommentare erst nach einer Inhaltskontrolle frei. Ich habe gute Erfahrungen damit, Kommentare uneingeschränkt zuzulassen. Nur selten sehe ich mich gehalten, einmal einen Leserbeitrag zu editieren oder zu löschen. Gegen Spam gibt es Filter. Durch die Kommentarfunktion ergeben sich häufig interessante Diskussionen; auch davon lebt ein Blog. Sehr oft weisen mich Leser auf Berichtenswertes hin; auch auf solche Anregungen reagiere ich gern.
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Gibt es einen Grund, mit dem Bloggen aufzuhören? Solange mir ein internetfähiger Rechner zur Verfügung steht: grundsätzlich nicht. Nur der Urlaub mit meiner Partnerin und dabei gutes Wetter zum Fahrrad- oder Motorradfahren sind eine akzeptable Ausrede.
19. Welche Medienformen sind für den Anwalt interessant? Sie stellen Welche Medienformen sich angesichts sindder fürMasse den Anwalt und der interessant? Unterschiedlichkeit der Medien nun sicherlich die Frage, welche Medien für die Medienarbeit eines Anwaltes interessant und relevant sind und welche Ihnen am meisten Nutzen versprechen. Meine Antwort auf diese Frage ist kurz und knapp: Alle Medien sind für Sie interessant. Einfach alle. Ob Fachzeitschriften oder Boulevardzeitungen, Blogs oder Tageszeitungen, Radiosender oder TV-Sender. Deshalb sollten Sie Ihre Frage präzisieren und zwar so: Welche Medienform hilft mir, das Ziel, das ich mir gesteckt habe, am ehesten zu erreichen? Welche Medienformen für Sie in Frage kommen, das ergibt sich aus Ihrer Motivation. Vielleicht arbeiten Sie ja gerade an einem Fall, von dem Sie überzeugt sind, dass er die Öffentlichkeit interessieren könnte? Vielleicht wollen Sie sich auch regional oder gar bundesweit als Spezialist für ein juristisches Fachgebiet darstellen? Vielleicht suchen Sie nach weiteren Mandanten oder ähnlich gelagerten Fällen? Dabei sollten Sie vor allem eine Sache berücksichtigen: Jede einzelne Medienform, die Sie kontaktieren wollen, bedarf einer individuellen, ureigenen Ansprache. Sie müssen das Medium kennen, bevor Sie mit ihm anbandeln. Eine Lokalzeitung beispielsweise hat ihre eigenen Bedürfnisse, genauso wie eine bundesweit verbreitete Zeitung oder eine Boulevardzeitung. Wochenpublikationen denken mit ihrem spezifischen Erscheinungsrhythmus anders als Tageszeitungen. Das gilt ebenso für Illustrierte, Radiosender oder TV.
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Ob Ihr Thema oder Fall grundsätzlich für die Medien interessant sein könnte und wie Sie Thema oder Fall auf dessen Medientauglichkeit hin abklopfen können, darauf werden wir in Kapitel 23 ff. zu sprechen kommen.
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Über das Wesen der Nachricht
20. Was ist eine Nachricht? Wir könnten Über Was ist das eine Wesen Nachricht? an der dieser Nachricht Stelle lange über die Definition des Begriffs „Nachricht“ sinnieren. Es wird uns nicht sehr viel weiterbringen, denn es gibt eine Vielzahl an Definitionen dafür, und letztendlich mündet der Begriff „Nachricht“ immer wieder in der Tatsache, dass Nachrichten einen Neuigkeitswert haben müssen. Und genau das ist das eigentliche Wesen der Nachricht. Der englische Begriff „News“ ist viel treffender als der deutsche Begriff „Nachricht“, der sich aus dem Wort „darnachrichten“1 ableitet, das wiederum aus dem 18. Jahrhundert stammen soll. Diese Neuigkeiten beschreiben in einer Nachricht nichts anderes als eine Veränderung von etwas bisher Bestehendem. „News“ also? Neuigkeiten? Worum drehen sich die Medien denn sonst? Um das Neue, das Außergewöhnliche, das (so) noch nicht Berichtete. Wenn Sie abends die TV-Nachrichten sehen, können Sie zu Recht erwarten, dass Ihnen von den Nachrichtensprechern Ereignisse präsentiert werden, von denen Sie bisher noch nichts wussten; oder Hintergründe zu Ereignissen, die Sie so noch nicht kannten. Sie erwarten etwas Unerwartetes. Etwas, das ihr Wissen verbreitert (Nachricht) oder vertieft (Hintergrund). Wenn ein Medium das nicht liefern kann, können Sie das Medium getrost vergessen. Erkunden wir doch einmal zusammen die Welt und das Wesen der Nachricht. Stellen Sie sich dazu bitte folgende Schlagzeile vor: „Hund beißt Mann“ Wo steckt hier der Neuigkeitswert? Jeden Tag werden unzählige Menschen von Hunden gebissen. Diese Nachricht wird also – mit Verlaub – keinen Hund hinterm Ofen vorlocken. Was allerdings wäre mit folgender Schlagzeile? „Mann beißt Hund“ Das sieht also schon etwas interessanter aus. Warum? Weil es nicht alltäglich ist, weil es etwas Besonderes ist, das die Menschen aus ihrem alltäglichen Rhythmus bringen kann. 1 Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 7, Leipzig 1889, S. 103.
Was ist berichtenswert?
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Natürlich kann der Kern der Nachricht „Hund beißt Mann“ ebenfalls interessant sein, wenn es sich beispielsweise um den Schwergewichtsboxer Wladimir Klitschko handeln würde, der von einem Rehpinscher angefallen wurde. Oder wenn es sich um einen Kampfhund handelt, der einem Mann das Gesicht zerfleischt. Das Ereignis und die handelnden Subjekte müssten also präzisiert werden. Diesen Vorgang nennen Journalisten Recherche. Sie wollen es genauer wissen und fragen nach, so lange, bis eine richtige Story dabei herauskommt – oder auch nicht. Das also ist der Nukleus einer Nachricht: Neu und frisch muss sie sein und anders als das, was wir jeden Tag erleben. Warum sollten die Tageszeitungen jeden Tag darüber berichten, dass soundso viele Flugzeuge sicher auf dem Flughafen Frankfurt gelandet sind? Wäre das wirklich interessant? Regt das wirklich an und auf? Es käme ungefähr dem Neuigkeitswert der Schlagzeile „Morgen geht die Sonne auf“ gleich. Was wirklich neu am Beispiel des Frankfurter Flughafens wäre, ist der Bericht über ein Flugzeug, das nicht sicher gelandet ist, das abgestürzt ist oder das statt auf der Landebahn sicher auf dem Main notwassern konnte. Das ist der Neuigkeitswert, den die Journalisten von Ihnen als Anwalt einfordern werden, wenn Sie die Medien wegen eines Berichts kontaktieren. Das Neue, das Unbekannte – das ist das Schmiermittel, das die Medien am Laufen hält.
21. Was ist berichtenswert? Es stellt Was ist berichtenswert? sich nun zwangsläufig die Frage, was es aus dem Kanzleialltag heraus Berichtenswertes geben könnte. Welche Ereignisse interessieren eigentlich „da draußen“? Im Grunde ist es sehr einfach: Es interessiert alles, was nicht alltäglich ist! Es kann natürlich sein, dass ein Rechtsanwalt, der den ganzen Tag mit rechtsanwaltlichen Dingen umgeht, gewisse Ereignisse und Entwicklungen als ganz normal betrachtet. Auch seine Kollegen sehen das so und vergessen dabei, dass es auch eine andere Gruppe Menschen gibt, für die diese Dinge und Ereignisse vollkommen neu sind, die sie vielleicht sogar sehr aufregend finden. Das sind dann die Nicht-Juristen, diejeni-
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Über das Wesen der Nachricht
gen, die nicht NJW oder JUVE lesen. Deshalb müssen Sie bei Ihrer Medienarbeit vor allem zwei Zielgruppen im Auge behalten: 1. Ihr Fachpublikum: Das Fachpublikum und die damit verbundenen Medienorgane wie Anwaltsblatt, JUVE, NJW und andere juristische Fachzeitschriften richten sich an diejenigen, die mit der Juristerei zu tun haben. An Kanzleien, Anwälte in Unternehmen, Staatsanwaltschaften, Richter, Justizministerium usw. 2. die breitere Öffentlichkeit: Das sind die „Normalos“, die nichts oder nur wenig mit der Juristerei zu tun haben: die berühmte Gabriele Mustermann beispielsweise, Ihre Oma, den interessierten Leser, einfach alle anderen. Aus diesen beiden Gruppen ergeben sich die Themen, die Sie anbieten können. Es versteht sich von selbst, dass Ihre Oma und deren Freundin vielleicht nicht ganz so scharf auf einen Fachartikel aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts sind und Schwierigkeiten haben würden, Ihren Ausführungen hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Fallstricke bei einem Leveraged Buyout zu folgen. Das Fachpublikum interessiert sicherlich Folgendes: 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏
Veränderungen in der Kanzlei. Wer geht zu wem? Wer verlässt wen? fachliche Ausrichtungen einer Kanzlei Kanzleifusionen/-trennungen Wer hat welchen Fall übernommen? rechtliche Würdigungen bestimmter Sachverhalte
Die breitere Öffentlichkeit hingegen interessiert vielleicht Folgendes: 䊏
䊏 䊏 䊏 䊏
Grundsatzurteile aus dem unmittelbaren Lebensbereich der Menschen: Was ist, wenn mein Dackel die Katze der Nachbarin beißt? Wie ist das mit dem Umtauschrecht? Klagen, die viele Menschen betreffen könnten: Aktionärsklagen beispielsweise, Klagen gegen Lebensmittelhersteller Klagen und Urteile aus den Themenbereichen Wohnen, Reisen, Gesundheit, Auto spektakuläre Fälle (dient auch gerne dem Entertainment) Benefizveranstaltungen (Großkanzleien)
Was macht einen juristischen Fall interessant?
䊏
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rechtliche Bewertung von Gesetzesänderungen, die die Masse betreffen (Veränderung beim Arbeitslosengeld, Reiseversicherungen etc.)
Neben dem Neuigkeitswert der Nachricht kommt auch noch der konkrete Nutzwert der Nachricht für den Empfänger hinzu. Dieser Nutzwert ist jedoch abhängig von der Empfängergruppe. Nicht alles, was Sie als Anwalt interessant finden, muss auch andere Menschen interessieren. Wägen Sie also sorgsam ab, welche Zielgruppe Sie ansprechen wollen, ob das Thema für diese Zielgruppe geeignet ist und ob die Medien, über die Sie Ihre Zielgruppe erreichen wollen, die richtigen sind.
22. Was macht einen juristischen Fall interessant? Stellen Was macht Sie sich einen bitte juristischen folgende Fall Situation interessant? vor: Sie bearbeiten einen Fall, bei dem Sie davon überzeugt sind, dass er von größtem journalistischem Interesse sein müsste. Deshalb wollen Sie nun mit einem Journalisten Kontakt aufnehmen, um ihm von Ihrem Fall zu erzählen, in der Hoffnung, dass er darüber schreibt. Sie haben sich auch schon schlau gemacht, wen Sie bei den Medien nun anrufen wollen, und haben bereits den Hörer in der Hand. Halt! Nicht so schnell! Sind Sie sich wirklich hundertprozentig sicher, dass Ihr Fall für die Medien interessant sein könnte? Nicht immer ist das, was dem Anwalt als höchst interessant erscheint, auch für Journalisten der nicht-juristischen Fachmedien interessant. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass Anwälte oftmals gar nicht erkennen, auf welchen Informationsschätzen sie da eigentlich sitzen, weil ihre Sinne dafür nie geschärft wurden. Dann und wann habe ich das Vergnügen, am Rande einer Veranstaltung in ein Rudel Anwälte zu geraten. Das ist oft recht amüsant, vor allem dann, wenn sich die Stimmung lockert und die Herren Advokaten redselig werden. Sie tauschen Gerichtserlebnisse aus, liefern kuriose Zoten von Mandanten und von Fällen, an denen sie gerade arbeiten. Und kaum einem der Juristen käme dabei der Gedanke, dass ein ge-
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Über das Wesen der Nachricht
standener Journalist für die eine oder andere zum Besten gegebene Geschichte glattweg morden würde, käme er dadurch an die entsprechenden Informationen. An was liegt das? Nun, Anwälte werden während ihres Studiums und ihrer Ausbildung nicht darauf geeicht, journalistisch verwertbare Informationen zu erkennen und weiterzureichen. Das bringt ihnen an der Uni niemand bei. Deshalb halten Sie ja auch dieses Buch in der Hand. Wie also erkennen Sie, ob der Fall, an dem Sie gerade arbeiten, für die Medien relevant ist? Bevor eine Zeitung oder ein Magazin eine „Story“ oder „Geschichte“ abdruckt, ehe sie vom TV oder Radio produziert und gesendet wird, muss sie gewisse (journalistische) Kriterien erfüllen. Ich habe eine Liste mit Kriterien erstellt, die bei jedem Journalisten im Gehirn verankert sind und die instinktiv abgefragt werden, sobald Sie ihm eine Information präsentieren. Wir werden in den folgenden Kapiteln die einzelnen Kriterien untersuchen und erläutern. Mit etwas Übung werden Sie dann in Zukunft Ihre Fälle nicht nur unter juristischen Gesichtspunkten prüfen, sondern auch einige journalistische Maßstäbe anlegen.
Die Checkliste für die Medienarbeit
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Die Checkliste für die Medienarbeit
23. Die Checkliste: Ist Ihr Fall ein Fall für die Medien? Auf Seite Die Checkliste Checkliste: 87 finden für Ist die Ihr Sie Medienarbeit Fall eine ein zwölf FallPunkte für dieumfassende Medien? Checkliste. Trifft einer dieser zwölf Punkte auf den Fall zu, an dem Sie gerade arbeiten, dann wäre Ihr Fall auch ein Fall für die Medien. Diese zwölf Punkte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, liefern Ihnen aber zwölf gute Anhaltspunkte dafür, wie die Journalisten ticken und auf was sie anspringen. Diese Checkliste basiert auf meiner langjährigen Erfahrung als Journalist für unterschiedlichste Medien. In jedem einzelnen dieser zwölf Punkte steckt letztendlich die Frage: Was ist neu und was ist anders? In den nachfolgenden zwölf Kapiteln werden wir uns mit jedem einzelnen dieser Punkte ausführlich auseinandersetzen und deren Wertigkeit entlang der Anwaltsarbeit bemessen. Lesen Sie sich jeden einzelnen Punkt gut durch. Vielleicht nehmen Sie dazu auch eine Tageszeitung oder ein Magazin zur Hand. Achten Sie dabei auf Artikel, die in die juristische Sphäre hineinreichen. Sie werden sehr schnell erkennen, dass die Fragen sich in den Artikeln widerspiegeln.
24. Ist der Fall ganz besonders oder einzigartig? Diese Ist derFrage Fall ganz mag besonders Ihnen komisch oder einzigartig? erscheinen. Ist denn nicht jeder Fall auf seine Art und Weise einzigartig? Das mag schon sein, aber was Sie mit „einzigartig“ meinen, muss noch lange nicht mit dem Verständnis von „einzigartig“ der journalistischen Welt übereinstimmen. Ich habe bereits weiter vorne im Zusammenhang mit „der Nachricht“ ein Beispiel für „News“ angeführt, das Journalisten seit vielen Generationen in der Ausbildung beigebracht wird, und zwar die berühmte Zeile: „Hund beißt Mann“ gefolgt von „Mann beißt Hund“. Ich erinnere mich an einen Vorfall in Frankfurt. Ein Mann wird im Bahnhofsviertel von einem Kampfhund attackiert. Bis dahin eine für Frankfurt sicher-
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Ist der Fall ganz besonders oder einzigartig?
Checkliste: Ist Ihr Fall ein Fall für die Medien? 1. Ist der Fall ganz besonders oder einzigartig? Stellt er bisherige Erfahrungen und Normalitäten in Frage? 2. Beinhaltet der Fall sensationelle Fakten oder Superlative? 3. Geht es in dem Fall um große Geldsummen?
ü G G G
4. Handelt es sich bei den streitenden Parteien um (regional, national, international) bekannte Unternehmen oder Prominente aus dem Sport- oder Showgeschäft?
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5. Könnte dieser Fall in der regionalen Presse oder in der Fachpresse für Furore sorgen?
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6. Könnte der Fall zu einer neuen Gesetzgebung oder einer Erweiterung der bisherigen Gesetzgebung führen?
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7. Provoziert der Fall eine neue Anwendung eines alten Gesetzes?
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8. Behandelt der Fall ein Rechtsgebiet, das von den Medien gerade als „heiß“ gehandelt wird?
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9. Hat der Fall eine beeindruckende, anrührende und stark emotionale menschliche oder tierische Seite?
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10. Steht der Fall als pars pro toto für einen aufkommenden, sich verstärkenden Trend?
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11. Hat der Fall eine politisch relevante Seite? Kann es dadurch zu politischen Verwerfungen (regional, national) kommen?
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12. Ist der Fall relevant für Verbraucher und könnte dieser Fall das Verbraucherverhalten in irgendeiner Form beeinflussen?
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lich normale Meldung. Nichts Unübliches. Diese beißwütigen Hunde sind ja schließlich über das gesamte Stadtgebiet verstreut. Doch der attackierte Mann sorgt dafür, dass aus der gewöhnlichen Nachricht eine ganz und gar ungewöhnliche wird. Er schnappt sich den Hund und hält ihn so lange im Schwitzkasten, bis das Vieh schlapp und leblos aus seinen Armen gleitet. Er hat den Hund glattweg erwürgt. Die Schlagzeile für den nächsten Morgen war klar: „Mann erwürgt Kampfhund“ Eine ähnliche Sache ereignete sich auch in Österreich (Spiegel Online, 18. Juli 2000): Kampfhund erwürgt Wien – Ein Österreicher hat seinen Kampfhund erwürgt. Das Tier hatte den 32-Jährigen zuvor angefallen und schwer verletzt. Der Hundebesitzer hatte am Montagabend in Wien versucht, den Staffordshire-Terrier während eines Spazierganges von einer Attacke auf einen anderen Hund abzuhalten. Daraufhin ging das Tier auf seinen Besitzer los und biss ihm in den Oberschenkel und die Arme. Mit letzter Kraft sei es dem Mann gelungen, den Kampfhund am Hals zu packen und zu erwürgen, berichteten österreichische Medien am Dienstag. Der Hundehalter befindet sich nach einer Operation außer Lebensgefahr.
Ein weiteres Beispiel: In meiner Zeit als Korrespondent für ein deutsches Nachrichtenmagazin in den USA habe ich oft von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gehört und gelesen. Selbst deutsche Unternehmen wie das unsere mussten in dieser Hinsicht sehr vorsichtig sein. Schließlich unterlagen auch wir in unserem Büro der US-Rechtsprechung, zumal auch Amerikanerinnen in unserem Büro arbeiteten. Männer wurden in Sachen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz regelrecht geschult, um ja nichts falsch zu machen. Es war also gar nicht erst daran zu denken, den Playboy offen auf dem Schreibtisch herumliegen zu lassen, auch wenn dieses Magazin tatsächlich für redaktionelle Zwecke genutzt wurde. Der Komplex „sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ war zu einem gewissen Zeitpunkt allgegenwärtig. Glaubte man den damals erschienenen Medienberichten, ging die Gefahr immer vom Mann aus.
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Folgt man dem Gesetz der Medien, so nutzen sich irgendwann einmal Schlagzeilen ab. Einst interessant und aufregend, sind sie nach einer gewissen Zeit ermüdend und verbraucht. So kam es, dass die Schlagzeile „Frau am Arbeitsplatz sexuell belästigt“ irgendwann wirklich kein Brüller mehr war. Doch dann, eines Tages, titelte eine amerikanische Zeitung: „Feuerwehrmann von Chefin sexuell belästigt“ Na, das hörte sich schon besser an. Und warum? Erstens natürlich, weil nun ein Mann sexuell belästigt wurde (das geht gegen die Normalität!), und dann war das Opfer auch noch ein Feuerwehrmann (die Jungs gelten in New York schließlich als Helden). Die ganze Affäre wurde dadurch gekrönt, dass die Belästigerin eine Frau und seine Chefin war. Das ist eine Schlagzeile, eine Geschichte, die vollkommen gegen den Strich geht, die bisher Erfahrenes für einen großen Teil der Bevölkerung auf den Kopf stellt. Aber es kam noch besser. Eines Tages stieß ich in einer Londoner Zeitung auf folgende Schlagzeile: Lesbisches Paar verklagt Chefin wegen sexueller Belästigung Von Peter Moore Newscenter London Bureau
„Ein lesbisches Paar erklärte vor dem Arbeitsgericht, dass sie ihre Arbeitsstelle bei Burger King in Salisbury gekündigt hatten, nachdem sie ständig von ihrer Chefin sexuell belästigt wurden. Stacey Mathias und Sian Bowen kündigten nach nur einem Monat und beschuldigten Kate Hibbs, sich ständig an die beiden herangemacht zu haben.“
Auch nicht schlecht, dachte ich damals, und dann sah ich folgenden Artikel: Immer mehr Männer beklagen sich über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Von Stephanie Armour, USA TODAY
„Eine steigende Zahl von Männern behauptet, dass sie Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz geworden sind, eine Sache, die verstärkt Aufmerksamkeit erregt, nachdem James McGreevey, Gouverneur von New
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Jersey, zurücktreten musste, weil er angeblich einen männlichen Mitarbeiter sexuell belästigt hatte.“
Ein Politiker, der wegen sexueller Belästigung angeklagt wird! Das gab es schon des Öfteren. Aber einer, der seinem männlichen Untergebenen an die Wäsche will? Perfektes Boulevardfutter, würde ich sagen. Sie merken sicherlich, auf was ich hinaus möchte: auf das Neue, auf das Eigenartige, das gegen den Strich Gebürstete, das Überraschende. Findet sich solch ein Element in Ihrem Fall, dann haben Sie einen von zwölf Punkten. Behalten Sie aber bitte im Hinterkopf, dass nicht alles, was ein Jurist spannend findet, auch das Herz eines Journalisten höherschlagen lässt. Ein Großteil der Menschheit hat zwar irgendwann einmal mit einem Juristen zu tun, aber eben dieser Großteil versteht in der Regel nichts von dem, was einen Juristen bewegt und berührt. Machen Sie einen einfachen Test. Erzählen Sie den Fall, von dem Sie glauben, dass er so ungewöhnlich ist, einem Nicht-Juristen, Ihrer Mutter beispielsweise, Ihrem Vater, Ihrem seltsamen Onkel. Reagieren diese dann mit aufgerissenen Augen, hat es geklappt. Fallen ihre Augen allerdings während des Erzählens zu – dann vergessen Sie das Ganze wieder.
25. Bietet der Fall sensationelle Fakten? Es gibtder Bietet alleFall möglichen sensationelle sensationellen Fakten? Fakten. Doch was sind eigentlich Sensationen? Vom lateinisch-französischen Wortursprung her hat es etwas mit unseren Sinnen zu tun. Sensationen regen demnach unsere Sinne an und beleben sie. Sie lassen uns erstaunen oder erschauern, provozieren in uns Empfindungen. In den Medien ist das, was uns als Sensation verkauft wird, oftmals sehr einfach gestrickt. Meistens sind es Ereignisse und Fakten, die einen Superlativ darstellen. Was Superlative mit dem Fall zu tun haben können, den Sie gerade bearbeiten? Natürlich hilft es, wenn Sie den dicksten Mann der Republik gegen eine Fast-Food-Kette vertreten. Oder Sie vertreten Miss Germany, die schönste Frau Deutschlands, gegen einen korrupten Finanzmak-
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ler, der ihr ein verlustreiches Produkt angedreht hat. Das sind Nachrichten, die längst nicht mehr nur von der Boulevardpresse aufgegriffen werden. Sensationen! Schlagen Sie nur einmal die Bild-Zeitung auf und schon wissen Sie, was Sensationen sind: Sensationen sind deshalb Sensationen, weil sie sensationell sind. Und um einem selbstgerechten Vorurteil vorzubeugen: Sensationen sind nicht per se unwahr oder unrichtig, nur weil sie Sensationen sind. Ergo: Nicht alles, was in Boulevardzeitungen steht, ist unwahr. Es gibt Menschen, die grundsätzlich der Ansicht sind, dass Sensationen und Superlative nichts in den Medien zu suchen haben. Sie glauben nicht an den Unterhaltungswert von Nachrichten. Unterhaltung ist für diese Menschen per se böse. Auf einer Medienparty traf ich einmal einen TV-Journalisten, der für einen amerikanischen Network-Sender arbeitete. Wir sprachen – wie so oft auf diesen Partys – vor allem über unsere Berufe. Irgendwann im Laufe des Gesprächs fragte ich ihn, was denn im amerikanischen Fernsehen wirklich Zuschauerquoten bringt. Er gab mir eine ganz schlichte, aber sehr beeindruckende Antwort: „Sex, Haie und Hitler“ Davon mal abgesehen, dass nun so mancher selbstgerechte Deutsche mit den pathetischen Worten aufstöhnen mag: „Ach, diese Amis!“, sollten wir jetzt einmal kurz innehalten und uns zwei Fragen stellen: 1. Warum interessiert mich eigentlich eine Sendung, in der es um Sex, Haie und Hitler geht? und 2. Wie viel „Sex, Haie und Hitler“ steckt eigentlich in dem Fall, an dem ich gerade arbeite? Vertreten Sie einen Astronauten? Einen ehemaligen Weltmeister in der Soundso-Disziplin? Tauchen in Ihrem Fall etwa Neo-Nazis auf? Vielleicht die Mafia? Haben Sie die Hells Angels an der Angel oder gibt es Klagen gegen einen Pfarrer wegen Kindesmissbrauchs? Gratuliere! Dann haben Sie wieder einen von zwölf Punkten gewonnen.
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Die Checkliste für die Medienarbeit
26. Geht es um (relativ) große Geldsummen? Geld regiert Geht es um die (relativ) Welt, große und wenn Geldsummen? wir etwas konstant faszinierend finden, dann sind das sicherlich Geschichten, die sich um riesige Geldsummen drehen. Ob Bankraub, Betrug, Falschgeld, Drogenverkäufe, Abfindungen, Unterhaltszahlungen, Schadensersatz, Schmerzensgeld – zuerst einmal wird immer nach der Summe gefragt. Artikel über amerikanische Schadensersatzurteile werden genauso gerne gelesen wie Geschichten über die Milliardäre dieser Welt. Grundsätzlich gilt: Je mehr Geld involviert ist, desto besser und interessanter für die Medien. Schätzen Sie also den „Wert“ Ihres Falles ab, bewerten Sie seine monetäre Seite. Wenn Sie es mit einem hübschen Sümmchen zu tun haben – wir reden hier in aller Regel von mehreren Millionen – dann können Sie sicher sein, dass sich die Medien dafür interessieren. Sie alle kennen diese berühmten Fälle aus Amerika, in denen dem/der Geschädigten mehrere Millionen zugesprochen werden. Die Frau, die McDonald’s verklagte, weil sie sich mit angeblich zu heißem McDonald’s Kaffee verbrüht hatte. McDonald’s wurde zu 2,7 Millionen Dollar Geldstrafe verurteilt, weil sich das Unternehmen so hartherzig, raubeinig und uneinsichtig während der juristischen Auseinandersetzung zeigte. Rund 160 000 Dollar gingen an die 75-jährige Frau. Oder die Klagen der Raucher gegen Tabakfirmen. Millionen werden gefordert. Millionen werden den Rauchern von der Jury zugesprochen. Was letztendlich den Geschädigten bleibt, ist weitaus geringer. Aber: Was beeindruckt, das sind die Zahlen. Enorme Forderungssummen und Entschädigungssummen für eine Tasse Kaffee. Für die selbst verursachten Schäden durch das Rauchen. Für das Essen von Hamburgern. Doch das ständige Umwälzen hoher Summen in den Medien lässt mitunter auch abstumpfen. Nicht nur die Redakteure, sondern auch die Leser. In einer Zeit, in der dreistellige Milliardenbeträge dafür aufgewendet werden, um angeschlagene Banken und marode Autohersteller am Leben zu halten, wirkt eine Nachricht, in der es um fünf Millionen
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Euro geht, geradezu lächerlich. Genau das musste ich erfahren, als ich bei einem Magazin anrief, um eine Geschichte anzubieten: „Ach, wissen Sie, Herr Wolff“, beschied mich der freundliche Redakteur, „unter 50 Millionen stehen wir hier schon gar nicht mehr auf.“ Dennoch, „hohe“ Summen sind relativ. Für einen kleinstädtischen Kleinstunternehmer können 10 000 Euro sehr viel sein. Für ein global agierendes Unternehmen bedeutet es nicht viel, wenn mal die eine oder andere Millionen für etwas vollkommen Unnützes ausgegeben wird. Also: Hohe Forderungs- und Schadensersatzsummen bringen Publizität. Die „Höhe“ ist dabei relativ und ihr Eindruck auf die Medien erschließt sich aus dem Kontext der Geschichte und der handelnden Subjekte. Dabei kann es passieren, dass vor dem Hintergrund millionenschwerer Managerboni auch Kleinstbeträge eine große Medienwirkung haben können. Erinnern Sie sich an die Geschichte der Supermarkt-Kassiererin, der gekündigt wurde, weil sie 1,30 Euro Pfandgeld unterschlagen haben soll. Die Geschichte wäre garantiert nie so hochgekocht, wenn sie nicht vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und der BankerBoni vom Anwalt so „inszeniert“ worden wäre.
27. Handelt es sich bei den streitenden Parteien um wohlbekannte Unternehmen oder Personen? Diese Frage Handelt es sich – sobei wäre denanzunehmen streitenden –Parteien ist rechtum einfach Promiente? zu beantworten, denn so ziemlich jeder kann abschätzen, ob die im Streit involvierten Personen prominent sind oder nicht. Prominenz tummelt sich vornehmlich im Entertainment, in der Wirtschaft in Form von Managern, in der Politik oder im Bereich Gesundheit (in Form prominenter Ärzte), im Sport und so weiter. Prominente Personen stehen unter unserer ganz besonderen Beobachtung. Sie sind deshalb leichter verwundbar und angreifbar. Ist Prominenz auf der einen Seite das Kapital einer Person, so kann es auf der
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anderen Seite auch eine ungeheuere Belastung sein. Das Verhalten und die Aussagen unserer prominenten Mitmenschen werden an einer ungemein feiner skalierten Messlatte vermessen als die Aktionen eines weniger prominenten Mitbürgers. Das kann zuweilen für die Karriere tödlich werden, vor allem dann, wenn die Person aufgrund einer gerichtlichen Auseinandersetzung in die Schlagzeilen gerät. Nehmen wir einmal das Beispiel des ehemaligen Pro7-TV-Moderators Andreas Türck, einst ein sehr bekannter junger Mann und von einer Frauenillustrierten mit dem zweifelhaften Titel des „erotischsten TVEntertainers“ belegt. Herr Türck stand im Jahr 2005 vor Gericht, weil er beschuldigt wurde, eine Frau vergewaltigt zu haben. Das angebliche Opfer behauptete, Türck habe sie auf einer Brücke in Frankfurt am Main unter Androhung von Gewalt zum Oralverkehr gezwungen. Ein Jahr lang war gegen Türck ermittelt worden. In dieser Zeit und auch während des Prozesses gegen ihn wurde er – vor allem von der BildZeitungsgruppe – sozial massakriert. Noch während die Ermittlungen gegen ihn liefen, verlor Türck seine Arbeit, und an eine Rückkehr zum TV-Sender war nicht mehr zu denken. Wäre diese ganze Sache so zwischen Martin Mustermann und Nathalie Normal abgelaufen – es wäre der Presse allenfalls eine Meldung im Lokalteil der Regionalpresse wert gewesen. Doch in diesem Fall handelt es sich um einen prominenten Menschen, um einen, den man aus dem Fernsehen kennt. Das führt dazu, dass diesem Fall von den Medien eine ganz andere Bedeutung zugewiesen wurde. Die Zeitungen und Magazine waren voll mit Türck-Berichten. Der Fall bekam also durch die Prominenz einer der handelnden Personen eine ganz andere Medienrelevanz.1 Im Zuge der Verhandlung kamen starke Zweifel am Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen durch das „Opfer“ auf. Türck wurde letztendlich freigesprochen. Er hatte nun zwar im Gericht gewonnen, in der Öffentlichkeit ist er jedoch bis heute stigmatisiert und hat es – trotz seiner erwiesenen Unschuld – seitdem nicht mehr geschafft, einen Job bei einem Fernsehsender zu landen. 1 Sabine Sasse, Die Justiz und die Medien – Die Berichterstattung im Prozess gegen den TV-Moderator Andreas Türck in: Christian Schertz, Thomas Schuler (Hrsg.), Rufmord und Medienopfer, Berlin 2007.
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Ein anderes Beispiel, an dem sich illustrieren lässt, welche Aufwertung eine sehr alltägliche Sache erfährt, sobald Prominente beteiligt sind, erleben wir immer wieder bei Scheidungen. Wir alle kennen Paare, die sich haben scheiden lassen und deshalb nicht in der Zeitung standen. Wir alle kennen aber auch prominente Paare, die sich trennten und deren Trennung dann genüsslich von den Medien begleitet wurde. Die Titelblätter der Klatschpostillen sind letztendlich nichts anderes als Schaukästen für „Ehe-Glück“, „Schwangerschaft“ und „Ehe-Aus“ der Prominenten. Aber ab wann gilt denn ein Mensch eigentlich als prominent? Auch hier zeigt sich, dass Prominenz – ebenso wie die in Kapitel 26 beschriebenen Geldsummen – äußerst relativ ist. TV-Moderator Andreas Türck ist sicherlich nicht Paris Hilton und schon gar nicht Brad Pitt. Selbst hier in Deutschland kennen ihn (inzwischen) nur noch wenige, und jenseits der Grenzen von Deutschland kräht kein Hahn nach ihm. Prominenz hat also unter anderem auch einen stark geographischen Bezug. Prominent ist auch, wer sich in familiärer oder sozialer Nähe von sehr prominenten Personen befindet. Der Halbbruder des Ex-Kanzlers beispielsweise, der mit Gerhard Schröder – bis auf einen gemeinsamen DNA-Strang – ungefähr so viel zu tun hat wie seine Doris mit Prinzessin Diana. Und trotzdem war Schröders sozial abgestiegener Halbbruder Gegenstand von vielen Titelzeilen der Boulevardpresse. Auch beste Freunde von Prominenten reichen der Presse durchaus aus. Ob es der Butler der britischen Queen ist, das Kindermädchen der Beckhams oder auch die Geschäftspartner von Prominenten. Lesen Sie die Bild-Zeitung. Da stehen sie jeden Tag dickzeilig drin, diese Pilotfische der Prominenten. Es muss ja nicht immer ein berühmter Schauspieler sein. Oder ein Boris Becker, der mit seinem Anliegen auf Ihrem Schreibtisch landet. Oder eine Verona Feldbusch-Pooth. Prominent kann auch der Bürgermeister einer Kleinstadt sein. Aber nur in seiner Kleinstadt eben. Dort kann auch der Bäckermeister sehr prominent sein, ein Mann, nach dem in einem anderen Gebiet der Republik kein Hahn krähen würde. Der Chef des Stadtarchivs, der Pfarrer, der Handwerkskammer-Präsident, ein Stadtratsmitglied, der Schulleiter, der Dorfpfarrer.
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Wenn Sie also abschätzen können, welche Bedeutung eine Person lokal, regional, national oder international hat, so können Sie auch die lokale, regionale, nationale und internationale Medienrelevanz der Person festlegen. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung mag ein gewisser Mensch von geringer, für das Metzinger-Uracher Volksblatt hingegen von überragender Bedeutung sein. Und wenn wir nun schon beim Thema „regionale Relevanz“ sind, lassen Sie uns gleich zu unserem nächsten Punkt übergehen.
28. Könnte der Fall in der regionalen Presse oder in der Fachpresse für Furore sorgen? Ihre Fälle Könnte dermüssen Fall in nicht der regionalen jeden Abend Presse vonfürMarietta Furore sorgen? Slomka im heute journal verlesen werden. Sie müssen nicht immer Titelthema des Spiegels sein oder einen TV-Polit-Talker dazu bewegen, Sie ins Hauptstadtstudio einzuladen. Oft haben die „großen“ bundesweit bedeutenden Medien mit ihren Beiträgen nur eine kleine Wirkung für Ihren konkreten Fall. Doch ist eine möglichst große Wirkung nicht genau das, was Sie als Anwalt mit Ihrer Medienarbeit erzielen wollen? Tatsächlich kann Pressearbeit, die sich auf „kleine“ Medien, also Lokal- und Regionalzeitungen, sowie Fachzeitschriften konzentriert, unter bestimmten Voraussetzungen durchaus wirkungsvoller für Sie sein. Das hat verschiedene Gründe, und einer dieser Gründe liegt darin, dass die Leser von Lokal- und Regionalzeitungen an dem Geschehen in ihrer Region und ihrer unmittelbaren Umgebung stärker teilnehmen als beispielsweise Leser, die ausschließlich Der Spiegel oder Die Zeit lesen. Das gleiche gilt für Leser/Abonnenten von Fachzeitschriften, deren Interessen sich aus beruflichen oder privaten Gründen stark auf ein Thema fokussieren. Eine Zusammenarbeit mit lokalen oder regionalen Medien hat einen weiteren Vorteil für die Medienarbeit eines Anwaltes: Gerade Redakteure von Lokalzeitungen und Fachzeitschriften sind sehr dankbar für Themenhinweise, dankbarer jedenfalls als ihre von Tippgebern gelang-
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weilten Kollegen in Hamburg, München, Berlin und Köln. Redaktionen regionaler Medien freuen sich über Hinweise und Fälle aus Ihrer Kanzlei, vor allem über solche, welche die Gemüter der Menschen in ihrer engeren Umgebung bewegen und Einfluss auf ihr Leben nehmen könnten. Sie als Anwalt haben also die Chance, mit den lokalen Medien in Verbindung zu treten und den Redakteuren zu helfen, interessante und spannende Geschichten zu veröffentlichen. Ein Beispiel: Für einen Ihrer Mandanten gehen Sie gegen den Müllgebührenbescheid des örtlichen Entsorgungsunternehmens vor. Nicht nur Ihr Mandant, sondern auch Sie als sein Rechtsanwalt sind der Ansicht, dass der Müllentsorger von den Bürgern ungerechtfertigt hohe Gebühren kassiert. Damit haben Sie nun einen Fall, der ganz sicher für die Lokalpresse von höchster Bedeutung ist. Noch dazu ist es ein klassisches Verbraucherthema, das ebenfalls gerne von den Medien aufgegriffen wird (siehe Kapitel 35: „Ist Ihr Fall relevant für Verbraucher?“). Überregionale Medien würden angesichts des Themas nur die Nase rümpfen, es sei denn, Sie ziehen mit diesem Fall und im Namen aller betroffenen Bürger am Ende vor das Bundesverwaltungsgericht. In dem Moment, in dem eine Regional-/Lokalzeitung über Ihren Fall berichtet und Sie dazu auch interviewt werden, gelten Sie in der Region, in der diese Medien publizieren, automatisch als Rechtsexperte für diesen Bereich. Das kann dazu führen, dass sich plötzlich viele Menschen aus Ihrer Region bei Ihnen melden, die ein ähnlich gelagertes Problem haben. Hier erzielen die regionalen/lokalen Medien für Sie als Anwalt einen starken Nutzen, der ganz offensichtlich auch ohne die Macht und Reichweite der so genannten „großen“ Medien zustande kommt. In diesem Zusammenhang habe ich eine Bitte: Verfallen Sie nie dem Irrglauben, lokale Medien seien „minderwertige“ Medien und die dort arbeitenden Journalisten seien schlechter ausgebildet. Im Gegenteil. Lokaljournalisten arbeiten wesentlich näher an den Objekten ihrer Berichterstattung. Wenn ein Lokaljournalist heute einen Artikel darüber veröffentlicht, dass der Bürgermeister der Stadt XY seine Verwaltung nicht im Griff hat, dann muss er damit rechnen, dass noch am gleichen Tag eben dieser Bürgermeister den Lokaljournalisten zur Unterredung
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bittet. Oder dessen Chefredakteur bekommt einen Brief vom erbosten Bürgermeister. Schreibt aber die Süddeutsche Zeitung oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass die Bundeskanzlerin/der Bundeskanzler sein Kabinett nicht im Griff hat, so mag das zwar in Berlin zu Verärgerung führen, der Zeitungsredakteur aber wird davon nur relativ wenig mitbekommen, außer vielleicht durch einen leicht säuerlichen Anruf eines Regierungssprechers. Und noch etwas sollten Sie nicht vergessen: Oftmals sind es die überregionalen Medien, die TV-Sender und die Nachrichtenmagazine, die sich Anregungen für ihre Beiträge aus der Regionalpresse holen. Es passiert nicht selten, dass ein Fall lange auf lokaler Ebene in den Medien vor sich hinköchelt, ehe er von einem Medien-"Dickschiff"-Magazin in Hamburg oder München aufgegriffen wird. Ähnliches gilt auch für die Fachpresse. Ich kann mich noch gut an den Fall erinnern, der vor vielen Jahren unter dem Schlagwort „Glykolwein-Skandal“ wochenlang die Presse beherrschte. Im Jahr 1985 wurde erstmals vor Diethylenglykol in deutschem Wein gewarnt. Diese Chemikalie ist den meisten von uns als Frostschutzmittel bekannt. Dem Wein zugesetzt, macht es ihn süßer. Angefangen mit dieser ekligen Panscherei haben die Winzer in Österreich. Die widerliche Weinwelle schwappte jedoch bald schon nach Deutschland hinein, wo skrupellose deutsche Winzer ebenfalls Frostschutzmittel zur „Weinveredelung“ einsetzten. Über Wochen hinweg beschäftigte der Lebensmittelskandal die deutsche Öffentlichkeit. Das Bundesgesundheitsministerium veröffentlichte ständig neue Listen mit verdächtigen Abfüllungen. Der Umsatz bei deutschen und österreichischen Weinen brach drastisch ein, und eine Reihe von Weinunternehmen geriet infolge der Geschehnisse in Schwierigkeiten. Soweit ich mich erinnere, begann alles mit einer schlichten Meldung der Deutschen Presse Agentur (dpa), die das Weinfass zum Überlaufen brachte, allerdings erst, nachdem der Einsatz des Frostschutzmittels Diethylenglykol unter österreichischen und deutschen Winzern schon längst diskutiert worden war. Diskutiert wurde vor allem in Fachpublikationen, die außer Winzern wohl niemand las. Bis eben ein dpa-Journalist – wahrscheinlich in einem Anflug unendlicher Langeweile – ein-
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mal ein solches Blättchen durchblätterte und auf diese Geschichte stieß. Schön für ihn, denn für das „Aufdecken“ des Skandals bekam er dann später einen renommierten Journalistenpreis verliehen. Dieses Beispiel zeigt, dass Ihr Fall, auch wenn er in seinem Fachgebiet noch so beschränkt sein mag, durchaus für bestimmte Medien von hohem Interesse sein kann. Der Vorteil der Fachpublikationen liegt auf der Hand: Sie richten sich an ein streng eingegrenztes Fachpublikum. Die Streuverluste Ihrer Botschaft sind also sehr gering, und Sie können sich diesem Fachpublikum als Rechtsexperte für deren Interessengebiete präsentieren. Fachpublikationen sind für Ihre Pressearbeit äußerst wichtig. Wenn Sie mit Medienarbeit Mandate gewinnen wollen, dann dürfen Sie niemals die Fachpublikationen – und damit meine ich nicht juristische Fachblätter – vergessen. Fachpublikationen gibt es unendlich viele. Die für Sie richtigen und wichtigen Blätter finden Sie im Verzeichnis von www.onlinekiosk.com.
29. Könnte der Fall zu einer neuen Gesetzgebung oder zu einer Erweiterung der bisherigen Gesetzgebung führen? Das ist, wie Könnte der einer Fall zu meiner einer amerikanischen neuen Gesetzgebung Kollegen führen? zu Recht bemerkte, der Punkt auf dieser Checkliste, der die Anwälte am meisten interessiert. Welcher Anwalt träumt nicht davon, einen Paradefall anzuführen, der die bisherige Gesetzgebung auf den Kopf stellt und ein neues Gesetz provoziert? Als Beispiel dafür sei an dieser Stelle das „Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten“ (KapMuG) genannt. Wir erinnern uns: Im Jahr 2001 regnete es massenhaft Prospekthaftungsklagen gegen die Deutsche Telekom AG vor dem Landgericht Frankfurt. Rund 15 000 Klagen und rund 600 Anwaltskanzleien waren daran beteiligt. Wäre jede einzelne Klage gesondert beurteilt worden, hätte diese Klagewelle niemals ein Ende gefunden. Der zuständige Richter
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schätzte die Verfahrensdauer bei Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO) auf etwa zehn Jahre. Deshalb hatte das Gericht zehn Musterklagen ausgewählt, die vorrangig abgehandelt werden sollten. Nur so können Massenprozesse im Kapitalmarktbereich bewältigt werden. Angeführt wurde das Telekom-Verfahren von Rechtsanwalt Andreas W. Tilp, der dadurch zu einer außergewöhnlichen Medienpräsenz kam. Wer heute vom KapMuG spricht, wird kaum umhinkommen, den Namen von RA Tilp zu nennen. Oder nehmen Sie das Thema E-Mail und Internet am Arbeitsplatz. Als dieser Themenbereich noch neu und die Gesetzesgrundlagen noch nicht geschaffen waren, mussten von der Rechtsprechung Grundlagen aufgrund der bestehenden Klagen geschaffen werden. Neue Fragen taten sich auf, wie etwa: Darf ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit im Internet surfen? Wer haftet, wenn vom Betriebsrechner aus Unfug getrieben wird? Dürfen Pornoseiten am Arbeitsplatz angeschaut werden? Wäre das nicht auch eine Form der sexuellen Belästigung? Die Medien zeigten großes Interesse an der Rechtsprechung auf diesem neuen Gebiet, denn etwas Neues ist auch immer eine Nachricht wert. „News“ heißt auf Deutsch nicht nur „Nachrichten“, sondern auch „Neuigkeiten“. Denken Sie daran, wenn Sie Ihren Fall daraufhin abklopfen. Und wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob das wirklich neu ist, was da auf Ihrem Schreibtisch liegt, dann hilft Ihnen sicherlich eine Google-Recherche weiter.
30. Provoziert der Fall eine neue Anwendung eines alten Gesetzes? Für die Medien Provoziert der Fall kann eine es neue auch Anwendung interessant sein, eineswenn altenein Gesetzes? vergessen geglaubtes Gesetz von einem findigen Anwalt hervorgezaubert wird, um damit Einfluss auf ein hochmodernes Thema zu nehmen. Dazu ein Beispiel aus den USA: Vor einigen Jahren, als das Internet noch jung war und die Ideen, was man damit so alles anstellen könnte, nur so sprudelten, stand schon bald das Thema Glücksspiel und Inter-
Provoziert der Fall eine neue Anwendung eines alten Gesetzes?
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netcasinos auf dem Themenplan der New Economy. Glücksspiel via Internet – dagegen verwehrten sich nicht nur die religiösen Rechten der USA, sondern auch die mächtigen Vertreter der Glücksspielverbände in Las Vegas und Reno. Die Steuereintreiber der einzelnen Bundesstaaten befürchteten starke Steuereinbußen, vor allem dann, wenn solche Internetcasinos auf irgendeiner Karibikinsel aufmachten. Nun waren Anwälte gefragt, die das alles verhindern oder zumindest vorerst blockieren sollten. Das taten sie, und zwar mit Erfolg, denn findige Advokaten zauberten ein altes Gesetz hervor, nach dem Wetten und Glücksspieleinsätze nicht mittels Telefon- und Telegrafenleitungen über die Bundesstaatsgrenzen und Landesgrenzen hinweg platziert werden dürfen. Dieser „Federal Wire Communications Act“ stammt aus dem Jahr 1961. Es war ein fast vergessenes Gesetz, an das keiner mehr dachte. Doch einmal hervorgeholt und wieder aufpoliert, tat es seine Wirkung, obwohl es für eine ganz andere Sache ausgelegt war. Die Argumentation lag auf der Hand: Auch das Internet funktioniere zum Großteil über Telefonleitungen, also könne und dürfe via Internet keine Wette platziert werden. Klar, die Gegner führten an, dass das Gesetz geschrieben wurde, bevor das Internet überhaupt geboren war, und dass Datentransfer inzwischen auch via Satellit stattfinden kann. Aber im Großen und Ganzen hatten die Glücksspielgegner ihr Ziel erreicht. Das wäre eine Geschichte, die die Medien unter „Skurriles aus der Rechtswelt“ verbuchen und darüber berichten. Um so etwas für die Medien interessant werden zu lassen, sollte das Gesetz möglichst antiquiert und albern sein. Solche Gesetze finden Sie sicherlich auch in unseren Gesetzbüchern und wahrscheinlich am ehesten auf Landesebene; da gibt es wunderbare Werke wie die „Baden-Württembergische Bestattungsverordnung“ oder die „Sächsischen Tierkörperbeseitigungsvorschriften“. Es sind Gesetze, die uns heutzutage nur die Augen reiben lassen.
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Die Checkliste für die Medienarbeit
31. Behandelt Ihr Fall ein Rechtsgebiet, das von den Medien als „heiß“ betrachtet wird? JournalistenIhr Behandelt unterliegen Fall ein „heißes“ Moden und Rechtsgebiet? Trends in ihrer Berichterstattung. Auch in der Berichterstattung über Rechtsfälle. Zieht sich so ein Trend oder so eine Medienmode erst einmal durch die Gazetten und sind Sie zufällig in der glücklichen Lage, einen entsprechenden Fall in Ihren Händen zu halten, der diesen Trend im Rechtsgebiet abdeckt, eignet er sich für die Berichterstattung. Aber wohlgemerkt: Wir sprechen hier nicht von einem Trend in der allgemeinen Berichterstattung, sondern vielmehr von einem Rechtstrend, dessen „Hippness“ auch den Journalisten nicht verborgen geblieben ist. Eine dieser „trendigen“ Rechtsgeschichten ist das, was durch den Fall Mannesmann einen enormen Schub bekommen hat: die Verantwortlichkeit von Unternehmensvorständen und Managern und ihre Rechte, hohe Abfindungen und Prämien zu kassieren. Ein Thema, das durch die Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 nichts an Brisanz verloren hat. Vertreten Sie also zufällig einen Manager einer regional bedeutenden Firma, der eine saftige Prämie erhalten hat, obwohl sein Unternehmen hart am Rande der Pleite entlang segelt, dann wäre das sicherlich für die Medien interessant – aber auch nur dann, wenn der Manager mit seiner saftigen Prämie nicht zufrieden ist und noch mehr will und deshalb mit Ihrer Hilfe klagt. In so einem Fall kann ich Ihnen allerdings nur raten, nicht an die Medien heranzutreten, denn Ihrem Mandanten wird das Attribut „Raffzahn“ angeheftet werden. Sollten Sie allerdings einen Kleinaktionär vertreten, der gegen das Unternehmen klagt, weil es einem unfähigen Manager mit dem Kündigungsschreiben noch ein paar Millionen hinterherwirft, dann laufen Sie bei den Redaktionen offene Türen ein. Warum das so ist, erkläre ich Ihnen später. Auch an diesem Punkt kann ich Ihnen nur raten: Verfolgen Sie regelmäßig die Medien, lesen Sie Tageszeitungen und Zeitschriften, wann immer Sie können. Selbst Klatschblätter können Ihnen wichtige Eindrücke zu gegenwärtigen Trends vermitteln, die Ihnen helfen, die ak-
Lässt sich dem Fall eine menschliche Tragödie zuweisen?
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tuelle Situation für sich, Ihren Fall und Ihren Mandanten besser einzuschätzen.
32. Lässt sich dem Fall ein menschliches Gesicht oder eine menschliche Tragödie zuweisen? Damitsich Lässt kriegen dem Sie Falljeden eine Journalisten. menschliche Es Tragödie geht hier zuweisen? um Drama; menschliches Drama, reine, pure Emotionen, Tränen der Verzweiflung, Elend und die verzweifelte Suche nach Gerechtigkeit. Jeder kennt die Geschichte von David gegen Goliath. Und jeder von uns sympathisiert sogleich mit dem schwächeren David, diesem belächelten Underdog, der den riesigen Brutalo Goliath mit einem Steinwurf zu Fall brachte. Wir alle hatten schon einmal das Gefühl, gegen eine übermächtige Kraft anzukämpfen, seien es ein Amt, ein Unternehmen oder eine Institution. Wir alle können uns viel mehr mit David als mit Goliath identifizieren. Heutzutage könnte so ein David in Gestalt einer Mutter Ihre Kanzlei betreten; eine Mutter, die gegen die Krankenkasse kämpft, weil ihr die bestmögliche Hilfe für ihr behindertes Kind verweigert wird. Oder in Gestalt einer jungen Familie, die von gierigen Bankern um ihr Häuschen und damit auch um ihren Lebenstraum gebracht wurde. Oder in Gestalt eines kranken Mannes, der ein Medikament eingenommen hat und aufgrund der Nebenwirkungen zum Krüppel wurde. Er verliert seine Arbeit, seine Familie und droht ins Elend abzurutschen, während sich die Pharmafirmen teuerste Anwälte leisten können, um den Mann rechtlich zu neutralisieren. Vielleicht betritt David aber auch in Gestalt eines Pharmaunternehmens Ihre Kanzlei, ein Pharmaunternehmen, das ein unglaubliches Medikament entwickelt hat, das die Leben von unzähligen Kindern retten könnte, aber von seinen übermächtigen Konkurrenten daran gehindert wird, das Medikament zu vermarkten. Sie sehen, mit solchen und ähnlichen Geschichten lässt sich ganz leicht ein Tränchen des Mitleids in die Augen zaubern. Und nicht nur Ihnen,
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sondern auch Millionen von Lesern, Radiohörern und Fernsehzuschauern. Sie selbst, als Anwalt, reagieren empört, wütend, traurig über das, was da Ihrem Mandanten geschieht. Sie sehen eine himmelschreiende Ungerechtigkeit – und genau das ist es, was Journalisten unter dem „menschlichen Gesicht“ oder dem „Human-Touch“ einer Geschichte verstehen. Wenn Bank A auf Bank B losgeht und behauptet, die Konkurrentin sei äußerst listig vorgegangen, weil sie die andere Bank bei den Zinsen unterbietet oder weil sie ihr ein unvorteilhaftes Finanzprodukt angedreht hat, so mag das eine Business-Geschichte sein – aber menscheln tut es dabei überhaupt nicht. Wer hat schon Mitleid mit einer Bank, die sich von einer anderen Bank hat übervorteilen lassen? Ob es menschelt oder nicht, das spüren Sie selbst ganz schnell. Wenn es Sie empört, was da geschehen ist, so stehen die Chancen gut, dass es auch anderen Menschen (Journalisten) so ergeht. Halten Sie sich die beteiligten Personen vor Augen, vergessen Sie Paragraphen, fühlen Sie beim Lesen des Sachverhaltes Ihren Puls. Steigt in Ihnen die Empörung hoch, dann haben Sie gute Chancen, dass dies auch bei einem Journalisten geschieht.
33. Steht Ihr Fall für einen Trend? Folgt er einem Trend? NATO-Nachrüstungsbeschluss, Steht Ihr Fall für einen Trend? Atomkraftwerke, Folgt er einem Trend? Saurer Regen, Eiernudelskandal, Tschernobyl, aufkommender Rechtsextremismus, raffgierige Manager; das alles waren oder sind Trends. Journalisten unterliegen – das haben wir vorher schon festgestellt – gewissen Trends in der Berichterstattung. Immer wieder beißen sich Horden von Journalisten an einem Thema fest und reiten es so lange, bis es tot umfällt. Die Aufzählung, die ich Ihnen gerade gegeben habe, steht für solche totgerittenen Themen. Wir haben vorher über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gesprochen. Auch das wurde zu einem Journalistentrend. Bis das Thema angefangen hat zu langweilen. Die Journalisten genauso wie die Leser.
Hat der Fall eine politisch oder eine regulatorisch relevante Seite?
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Doch bevor so ein Trend dem Tod durch Langeweile anheimfällt, können Sie mit Ihrem Fall noch aufspringen. Wenn Sie Glück haben, steht Ihr Fall stellvertretend für einen Trend, und damit können Sie bei Journalisten andocken. Haben Sie vielleicht einen Mandanten, der bei einer Ebay-Transaktion übers Ohr gehauen wurde? Oder eine rechtschaffene Rentnerin, die von einem skrupellosen Banker um ihr Erspartes gebracht wurde? Dann steht der Fall in einem Berichterstattungstrend über Internetbetrügereien. Um zu erkennen, was der Journalistentrend du jour ist, müssen Sie allerdings jeden Tag die Medien verfolgen. Erst dann erkennen Sie die Trends leichter, und Sie können schneller reagieren.
34. Hat der Fall eine politisch oder eine regulatorisch relevante Seite? Das Land Hat der Fall Brandenburg eine politisch ist in oder deneine Jahren regulatorisch 2008/2009 relevante schwer unter Seite? medialen Beschuss geraten. Der Grund waren rund 10 000 Grundstücke, die sich das Bundesland regelrecht einverleibt hatte. Es handelte sich um Grundstücke von Großgrundbesitzern, die im Zuge der Bodenreform von der DDR den Arbeitern, Kleinbauern und Vertriebenen zu einem angemessenen Kaufpreis überlassen worden waren. Doch die Irrungen und Wirrungen der Nachkriegsgeschichte sorgten in der DDR dafür, dass einige Grundstücksbesitzer in den Westen flüchteten, andere vom Land in die Stadt, oder die Grundstücke in der Familie irgendwie untergegangen sind. Nach der Wende 1989 machten sich die neuen Bundesländer auf die Suche nach den eigentlichen Besitzern und Erben der Grundstücke. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern taten sich dabei nicht gerade durch aktive Erbenerforschung hervor. Eher im Gegenteil: Das Land Brandenburg ließ sich eiskalt als Grundstückseigner bei den Grundbuchämtern eintragen, ohne jemals ernsthaft nach den eigentlichen Besitzern geforscht zu haben. Unter den rund 10 000 kalt enteigneten Grundstücken befanden sich auch solche, die im Baugebiet des Groß-
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flughafens Berlin-Brandenburg (BBI) liegen. Kein Wunder, dass das Land kein Interesse daran hatte, die wahren Besitzer aufzustöbern. Der V. Zivilsenat des BGH geißelte die Machenschaften des Landes in seinem Urteil als „eines Rechtsstaats unwürdig“ und versetzte den Landnehmern im Finanzministerium eine schallende Ohrfeige. Die Aufgabe der Obersten Richter an das Land Brandenburg wurde klar formuliert: Findet die wahren Besitzer und Erben der Grundstücke. So kam die politische Maschinerie in Gang. Der mit diesem Thema vertraute RA Dr. Pups aus Potsdam reicht in diesen Tagen einen Gesetzentwurf ein, der Rechtssicherheit schaffen und Unrecht beseitigen soll. Darüber hinaus wird damit zu rechnen sein, dass dies einigen politischen und daher medialen Wirbel mit sich bringen wird. Die Rechtsvertreter der enteigneten Grundbesitzer, die sich zum Teil mit Interessenverbänden der Geschädigten zusammengetan hatten, haben es dann geschafft, die Politik zu aktivieren und ein neues Regelwerk zu initiieren. Klar, dass die mandatierten Anwälte dabei auch eine prominente Rolle in den Medien spielen. Hier noch einige andere Beispiele, die bei Ihnen in der Kanzlei auflaufen und für die Medien interessant sein könnten: 䊏
Eine Krankenkasse verweigert Zahlungen für experimentelle Behandlungsfelder, obwohl alle klassischen Behandlungen bei der weniger begüterten Patientin versagt haben. Eine Klage könnte zur Folge haben, dass Krankenkassen in Zukunft offener gegenüber alternativen Heilmethoden sein müssen.
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Tabakfirmen werden verklagt, weil sie nicht ausreichend auf die Gefahren des Rauchens hingewiesen haben. Eine Klage hatte zur Folge, dass jetzt alle Zigarettenpackungen als hochgefährlich gekennzeichnet werden müssen.
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Hundebesitzer klagen, weil ein gewisses Hundefutter ihre Hunde krank macht. Eine von Ihnen geführte Klage könnte Tiernahrungshersteller zwingen, alle Inhaltsstoffe aufzulisten, ähnlich wie bei Lebensmitteln für den Menschen.
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Wehrpflichtige klagen gegen ihren Einberufungsbescheid. Eine Klage könnte die Wehrpflicht generell in Frage stellen.
Ist Ihr Fall relevant für Verbraucher?
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Think big. Wenn Sie glauben, Ihr Fall könnte in weitaus größeren Dimensionen aufgehen, dann gehen Sie auf die Medien zu. Doch seien Sie ehrlich mit sich selbst. Nicht hinter jedem Fall steckt eine große Geschichte. Wenn Sie einem Redakteur ein Monster verkaufen, das sich letztendlich als Mäuschen entpuppt, wird er sich beim nächsten Mal nicht mehr die Zeit nehmen, Ihnen zuzuhören.
35. Ist Ihr Fall relevant für Verbraucher? Verbraucherthemen Ist Ihr Fall relevant für sindVerbraucher? extrem medienaffine Themen. Leser lieben Artikel über Tests, Vergleiche oder Berichte über Lebensmittelverunreinigungen und fehlerhafte Produkte. Deshalb lieben auch die Redakteure solche Themen. Sie werden es an sich selbst bemerken, wie gerne Sie den einen oder anderen Testbericht lesen. Ob kostenlose Girokonten, Versicherungen, Telefone oder Erdbeerjoghurt – das Testheft der Stiftung Warentest oder auch das Magazin Ökotest sind äußerst beliebte Zeitschriften. Der eine oder andere wird sich noch an den Fall erinnern, bei dem es um die Hautcreme von Schauspielerin Uschi Glas ging. Sie hatte eine Produktlinie für Hautpflege entwickelt, die sie überaus erfolgreich auf den TV-Homeshopping-Kanälen verkaufte. Dumm nur, dass die Stiftung Warentest im Zuge eines groß angelegten Tests auch die Salben und Lotionen von Uschi Glas untersuchte, genauer gesagt, untersuchen ließ. Die Probandinnen zeigten sich nach der Applikation der UschiCreme alles andere als begeistert. Die armen Frauen gingen nach Angaben des Testberichts mit Pickeln, Pusteln und Hautrötungen vom Platz. In der Meldung von Test vom 30.3.2004 wurde das Ergebnis der Prüfung wie folgt beschrieben: „Gesichtscremes: ,Uschi Glas‘ macht Pickel“ „Schuppen, Flecken, rote Haut: Die Gesichtscreme aus der Pflegeserie von Uschi Glas reizt empfindliche Haut – statt sie zu pflegen. Die Stiftung Warentest hat neun Gesichtscremes getestet. Das gab’s noch nie: Sieben von 30 Frauen brachen den Praxistest mit der Uschi Glas Creme vorzeitig
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ab. Diagnose des Hautarztes: toxisch-irritative Kontaktdermatitis. Mangelhaft für die Uschi-Glas-Creme.“
Kaum war der Creme-Test von Stiftung Warentest veröffentlicht, feierten die Medien ihr ureigenes Schlachtfest und machten sich ungehemmt über Uschis Pickelcremes lustig. Der Absatz ihrer Produkte fiel ins Bodenlose, und Uschi Glas überkam die kalte Wut: Sie verklagte die Stiftung Warentest, sie klagte und klagte und klagte – bisher ohne Erfolg. Ihr Produkt darf weiterhin als „mangelhaft“ bewertet werden. Der hier geschilderte Fall ist ein Paradebeispiel für einen Fall, der regelrecht nach Öffentlichkeit lechzt: Eine Prominente, dazu noch eine polarisierende prominente Schauspielerin, gepaart mit einem Verbraucherthema, das Millionen Frauen interessiert. Eine perfekte Mischung. Sie als Anwalt hätten durchaus auf beiden Seiten stehen können. Auf der Seite von Stiftung Warentest oder auf der von Uschi Glas. In beiden Fällen wäre Ihnen eine hohe Medienaufmerksamkeit sicher gewesen. Preisen Sie die Schutzgötter der Anwälte, wenn Sie so einen Fall in Händen halten sollten. Denn das ist Ihr direkter Weg in die Medien. Ein Postscriptum bleibt: Meines Wissens nach liegt aus mir unerfindlichen Gründen noch keine Klage einer Frau vor, die durch die UschiGlas-Cremes verunstaltet wurde. Wäre tatsächlich eine Frau wegen Körperverletzung gegen Uschi Glas vor Gericht gezogen, so können Sie sicher sein, dass der Anwalt der Klägerin ebenfalls die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen hätte.
36. Die Früchte der Medienarbeit Ein Früchte Die Erfahrungsbericht der Medienarbeit von Rechtsanwältin Sibylle Schwarz, Wiesbaden Die Autorin ist zusammen mit Rechtsanwalt Michael A. Else Partnerin der Kanzlei else.schwarz Rechtsanwälte in Wiesbaden. Während Rechtsanwältin Schwarz sich vor allem im Bereich Bildung bundesweit einen starken Namen gemacht hat, konzentriert sich Rechtsanwalt Michael A. Else auf Beamtenrecht und das Bau- und Denkmalschutzrecht. Durch eine aktive Medienarbeit ist es
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den beiden gelungen, ihre Kanzlei sowohl regional als auch überregional in ihren Fachgebieten zu etablieren. Rechtsanwältin Sibylle Schwarz verzeichnet inzwischen einen stetigen Zustrom von Mandanten aus dem Ausland. Sie gilt unter Journalisten inzwischen als Schulrechtsexpertin schlechthin. 23. Juli 2009. Die Frankfurter Rundschau und der Wiesbadener Kurier berichten über die Einwendungen von Anwohnern gegen den Neubau einer Schule in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft und auch darüber, dass diese von Rechtsanwalt Michael A. Else, von der Kanzlei else.schwarz Rechtsanwälte, vertreten werden. Das sind Früchte einer kontinuierlichen, professionellen Medienarbeit. Wir haben uns vor rund zwei Jahren entschieden, die Öffentlichkeit über ausgesuchte Fälle mit Hilfe professionell erstellter Pressemitteilungen zu informieren. Wir haben dazu einen Profi hinzugezogen, was sich inzwischen mehr als ausgezahlt hat. Über unsere Fälle wurde in Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in Spiegel Online, Bild, Focus Schule, der Welt Online, der Berliner Zeitung, B.Z., taz, dem Tagesspiegel, der Berliner Morgenpost, dem Darmstädter Echo und der Frankfurter Neuen Presse berichtet. Interviews mit mir wurden beim hessischen Privatsender Hit Radio FFH, beim öffentlich-rechtlichen Hessischen Rundfunk und sogar live von Radio Berlin-Brandenburg gesendet. Im Jahr 2008 bekam ich bei der Info-Community zum Thema Bildung (www.edupe dia.de) einen eigenen Blog. Ein Denkmalschutzfall von uns wurde in einem Fernsehbeitrag ausführlich dargestellt, wobei nur unsere Mandanten zu Wort gekommen sind. Ich habe mir den Spaß erlaubt, die Medienbeiträge zu zählen, die mindestens einmal den Namen des Anwalts oder unserer Kanzlei nennen. Ich komme inzwischen auf knapp 80 Beiträge, die in den letzten beiden Jahren erschienen sind. Als Rechtsanwältin bin ich schwerpunktmäßig im Bereich des Schul-, Hochschulund Prüfungsrechts tätig. Dass Bildung gerade ein Modethema ist, kommt mir dabei natürlich zugute. Mein Anwaltskollege arbeitet schwerpunktmäßig im Bereich Beamtenrecht, aber auch in den Rechtsgebieten des Bau- und Denkmalschutzrechts. Und da ist gerade bei örtlichen Bauvorhaben das Interesse lokaler Zeitungen sehr groß. Eine professionelle und damit auch erfolgreiche Medienarbeit setzt in allererster Linie die Bereitschaft voraus zu erkennen, dass man als Anwalt an Grenzen stößt. Wir Anwälte schreiben eher in langen Sätzen und langen Schriftsätzen. Einen komplizierten Fall, vielleicht sogar einen, der sich schon über mehrere
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Instanzen hingezogen hat, in wenigen kurzen Sätzen auf einer Dreiviertel Seite zusammenzufassen, überfordert den Anwalt. Zum anderen besteht bei einem Anwalt, so wie bei vielen anderen Spezialisten, die Gefahr, dass er eine unbegrenzte Freude an detaillierten rechtlichen Ausführungen hat, die den Journalisten kaum und den Zeitungsleser überhaupt nicht mehr interessieren. Anwälte schreiben für Richter, Journalisten hingegen für Leser. Dies zu akzeptieren, ist der erste Schritt, der vielen Anwälten nicht leichtfallen dürfte. Deshalb haben wir unsere Pressemitteilungen von einem Profi schreiben lassen, der uns auch die Bedürfnisse und die Zusammenhänge in der Medienwelt erklären konnte. In den Gesprächen mit den Nachrichtenmachern ist mir aufgefallen, dass sich die Redakteure auffallend oft und ausgiebig für meinen Rückruf bedankt haben. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass meine Anwaltskollegen offenbar nicht immer anständig mit den Journalisten umgehen. Ich habe durchweg mit sehr freundlichen und sehr umgänglichen Medienmenschen telefoniert. Im Umgang mit jedem Menschen sind Respekt und Höflichkeit angezeigt. Es hat noch nie geschadet, „bitte und danke“ zu sagen. Viele unserer Anwaltskollegen scheinen furchtbare Angst davor zu haben, dass die Journalisten etwas schreiben, was die Anwälte eigentlich so nicht gesagt haben und was ihnen und ihrem Fall später schaden könnte. Wir hören dies immer mal wieder von Anwaltskollegen. Uns selbst ist das nie passiert. Redakteure, mit denen wir zu tun haben, bekommen von uns immer sehr viele Hintergrundinformationen. Außerdem gilt: Wenn sich ein Anwalt klar und verständlich gegenüber den Journalisten ausdrückt (die meisten haben schließlich nicht Jura studiert), kann er sicher sein, dass er von seinem Gegenüber auch verstanden und richtig zitiert wird. Alle Beiträge, in denen wir oder unsere Mandanten genannt wurden, waren sehr positiv. Wir wurden noch nie von einem Journalisten in die Pfanne gehauen. Gleichwohl muss man aufpassen, was man gegenüber den Medienvertretern sagt. Für ein Mediengespräch muss man sich erst einmal gründlich vorbereiten. Hinsichtlich der Medienarbeit für Anwälte gilt der Satz, dass ein gewonnenes Verfahren die beste Werbung für einen Anwalt ist. In meiner Zunft der Verwaltungsrechtler ist es mit dem Obsiegen nicht so einfach. Das System sieht es nicht vor, dass der Bürger seinen Rechtsstreit gegen den Staat gewinnt. Aber das ist eine andere Geschichte. Vielleicht demnächst in Ihrer Zeitung.
Kontakte zu den Medien
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Kontakte zu den Medien
37. Wie kontaktieren Sie die Medien? Ich führte Kontakte Wie gehenzu inSie den den aufMedien USA die Medien einmal ein zu?Interview mit einem ziemlich guten Künstler, der in einer sehr schlimmen Ecke von New York aufgewachsen ist. Es war ein junger, farbiger Mann, der seinen Weg nach oben gemacht hat. Im Laufe unserer Unterhaltung sagte er: „Immer wieder werde ich gefragt, wie ich es eigentlich geschafft habe, aus dem Ghetto rauszukommen.“ „Und?“, fragte ich. „Was ist Deine Antwort?“ „I just walked out of it.“ – Ich bin einfach rausgegangen. Diese einfache und klare Antwort hat mich fasziniert. Der Kerl hatte ja so Recht. Einfach rausgehen. Was sonst hätte er tun sollen, um das Ghetto zu verlassen? Wir stehen nun vor der Frage, was Anwälte tun sollten, um in die Redaktionen hineinzukommen. Einfach reingehen? Besser nicht, zumindest nicht, ohne vorher eine Verabredung (telefonisch oder per E-Mail) mit einem Redakteur getroffen zu haben. Doch vor einer Verabredung müssen Sie Folgendes berücksichtigen: 䊏
Redakteure arbeiten in der Regel in einem engen Zeitkorsett. Vormittags sind Redaktionskonferenzen, am späten Nachmittag droht Redaktionsschluss. In dieser Zeit ist es ganz schlecht, mit einem Redakteur zu telefonieren, wenn er denn bei einer Tageszeitung ist. Bei einer Wochenzeitung, die an einem Montag erscheint, ist Freitag der wohl schlechteste Tag, sich mit einem Redakteur zu treffen, denn dann werden große Teile des Heftes „zugemacht“, also für den Druck vorbereitet.
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Redaktionen sind streng hierarchisch aufgeteilt (siehe Kapitel 38). Versuchen Sie vorher herauszufinden, welchen Redakteur Sie ansprechen wollen. In welchem Ressort arbeitet er? Hat er schon mal etwas zu Ihrem Thema veröffentlicht? Es hat keinen Zweck, einen Reiseredakteur dazu zu bewegen, einen Artikel zum Thema Erbrecht zu machen. Versuchen Sie auch gar nicht erst, mit dem Chefredakteur Kontakt aufzunehmen, es sei denn, Sie kennen ihn persönlich. Er ist zu sehr damit beschäftigt, die Redaktion zu führen, damit
Die hierarchische Struktur der Medien
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am nächsten Tag eine Zeitung, eine Sendung oder ein Magazin erscheint. Fallen Sie nie mit der Tür ins Haus. Bereiten Sie sich vor. Bringen Sie Unterlagen mit. Keine Aktenordner. Ein paar Seiten Zusammenfassung genügen. Zeit ist ein äußerst seltener Rohstoff in Redaktionen.
38. Die hierarchische Struktur der Medien Bevor Die hierarchische Sie nun die Struktur Medien kontaktieren, der Medien sollten Sie erst einmal wissen, welche Hierarchien in den Redaktionen herrschen. Das sieht bei den Printmedien in der Regel so aus: 1. Chefredakteur 2. stellvertretende Chefredakteure/geschäftsführende Redakteure 3. Ressortleiter (Politik, Wirtschaft, Vermischtes, Kultur, Lokales etc.) 4. Redakteure (oftmals für bestimmte Themen zuständig) Bei den TV-Sendern verhält es sich ähnlich, nur gibt es da andere Bezeichnungen. Hier die Postenbezeichnungen am Beispiel von RTL: 1. Informationsdirektor / Chef gesamtes Aktuelles 2. Chefredakteur (News und nicht Sport) 3. Redaktionsleiter (Sendungschefs) 4. CvD’s (Sendeverantwortliche) 5. Redakteure Diese Hierarchielisten sollen verdeutlichen, wie es grundsätzlich in den Medien aussehen kann. Unterschiedliche Medien haben unterschiedliche Hierarchien und Bezeichnungen für Funktionsträger. Das Impres-
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sum gibt Ihnen bei den Printmedien einen klaren Überblick, wie das jeweilige Blatt strukturiert ist und wer welche Funktion innehat.
39. Formen der Kontaktaufnahme Es gibt verschiedene Formen der Kontaktaufnahme Wege, mit einem Journalisten in Kontakt zu treten. Nehmen Sie sich noch einmal das Schaubild zur Hand, wie Journalisten an ihre Informationen kommen. Sie müssen Teil dieses Informationsbeschaffungssystems werden. Das können Sie machen, 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏
indem Sie bei der Redaktion anrufen, indem Sie einen Journalisten kontaktieren, den Sie oder einer Ihrer Kollegen kennt, indem Sie eine Pressemitteilung schreiben, indem Sie einen Leserbrief schreiben oder indem Sie an (Medien-)Veranstaltungen teilnehmen und dort Journalisten kennen lernen.
40. Anruf in der Redaktion Ich schlage Anruf in derIhnen Redaktion folgendes Verfahren vor: Finden Sie heraus, wer bei einem bestimmten Medium für Sie zuständig sein könnte. Welcher Journalist Ihrer Tageszeitung beschäftigt sich häufig mit Verbraucherfragen? Wer schreibt über Technologie oder Medizin? Beim regelmäßigen Lesen Ihrer Tageszeitung und Zeitschriften fallen Ihnen bestimmte Autoren auf. Bereiten Sie sich auf den Anruf vor. Schreiben Sie eine knappe Zusammenfassung Ihres Falles (maximal eine halbe Seite). Rufen Sie in der Redaktion an und verlangen Sie die Person, die Sie als möglichen Ansprechpartner identifiziert haben. Melden Sie sich klipp und klar mit „Hier spricht Rechtsanwalt soundso. Ich würde gerne Frau X sprechen.“ Wissen Sie nicht, wen Sie verlangen sollen, fragen Sie die Sekretärin nach dem Ressortleiter oder nach einem für ein bestimmtes Thema zuständigen Redakteur.
Einschub: Lies, Anwalt, lies!
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Haben Sie endlich den Redakteur an der Strippe, vermeiden Sie einen verschwörerischen Ton und ein in den Hörer geflüstertes: „Sie, ich habe da eine brandheiße Geschichte für Sie. Das wird die Welt aus den Fugen heben. Die Infos sind Topqualität. Treffen, im Morgengrauen am Friedhof. Klar?“ Es geht einfacher: Stellen Sie sich kurz vor, sagen Sie kurz und knapp, an was Sie arbeiten und dass Sie dem Redakteur exklusive Informationen zu dem Fall anbieten können. Fragen Sie, ob er Interesse daran hat und wann Sie sich treffen könnten.
41. Einschub: Lies, Anwalt, lies! Ein Plädoyer Einschub: Lies, Anwalt, für einelies! bessere Allgemeinbildung der Anwälte und ein größeres Medienverständnis, um beruflich weiterzukommen Wann immer ich mit Anwälten zusammentreffe, erstaunt es mich, wie wenige von ihnen wissen, was jenseits der Welt der Juristerei geschieht. Alles scheint sich bei ihnen um den Beruf zu drehen: Sie lesen unregelmäßig Zeitungen, kaum Zeitschriften, keine Bücher (höchstens mal Michael Crichton), und kulturelle Veranstaltungen fallen ohnehin ihrem chronischen Zeitmangel zum Opfer. Die paar Freunde, die sie noch haben, sind alle Anwälte, und in den Urlaub fährt man in den Schweizer Jura. Das ist natürlich vollkommen einseitig und übertrieben. Aber die Gefahr ist da: So mancher Anwalt verkommt zum Fachidioten. Wie in jedem Beruf, der seinen Standesvertretern über alle Maßen viel abverlangt, besteht auch im Anwaltsberuf die Gefahr, dass man sich einseitig entwickelt. Man liest oder schreibt Schriftsätze, tagaus, tagein, und am Wochenende verschlingt man anstatt eines guten Buchs die NJW, die JUVE oder einen anderen Juristen-Porno. Ähnlich verhält es sich mit Chirurgen, mit Physikern, Mathematikern und Leistungssportlern. Das Gehirn reagiert dabei auf die einseitig ausgerichtete, intellektuelle Herausforderung ungefähr so ähnlich wie der Körper eines Hochspringers: Er kann zwar sehr hoch springen, doch Sprinten, Kugelstoßen und
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Speerwerfen kann er nicht. Der Zehnkämpfer hingegen hat keine Schwierigkeiten, diese Disziplinen zu meistern. Er trainiert sie ständig und muss sich in allen zehn Bereichen beweisen. Und so ist er von allen Athleten auch der athletischste. Wer als selbständiger Anwalt in den ersten Berufsjahren Erfolg haben will, der muss hart und emsig arbeiten. Ich kenne nur wenige Berufe, in denen so viel gearbeitet wird wie bei den Anwälten. Doch über all die harte Arbeit hinaus sollten sie nicht vergessen, dann und wann mal den Blick jenseits der Gesetzestexte zu wagen, sich vielleicht in ein neues Themengebiet einzuarbeiten, den Horizont zu erweitern. Das lässt sich ganz einfach bewerkstelligen: Lesen Sie Zeitungen, Zeitschriften und fachfremde Bücher. Schauen Sie sich um, was draußen in der Welt passiert, informieren Sie sich, lassen Sie sich unterhalten und erweitern Sie so Ihren Horizont. „Dazu habe ich keine Zeit“, werden die einen nun jammern, und die anderen rechtfertigen sich: „Ich schaue doch mehrmals am Tag auf Spiegel Online nach, um zu sehen, was in der Welt passiert.“ Das sind zwei ganz traurige Statements, die ich immer wieder höre. Diejenigen, die so etwas sagen, werden im weiteren Verlauf ihres Berufslebens sehr bald feststellen, dass diese geistige Verkapselung ihr berufliches Fortkommen nicht gerade fördert. Warum? Nun, ich bin der festen Überzeugung, dass der Unterschied zwischen einem guten und einem brillanten Anwalt darin liegt, dass der brillante Anwalt sehr viel mehr weiß, über eine größere Allgemeinbildung verfügt und mit dem aktuellen Weltgeschehen vertraut ist. Nur so kann er übergreifende Zusammenhänge herstellen und das jenseits des Juristenkosmos angesammelte Wissen und die Erfahrungen sinnvoll in seine tägliche Arbeit integrieren und nutzbringend verwenden.
Hinterm Juristenhorizont In meinen Seminaren „Medienarbeit für Anwälte“ mache ich immer wieder die Erfahrung, dass viele Seminarteilnehmer nicht einmal die essenziellen Grundlagen der Medienwelt beherrschen. Dass sie nicht
Einschub: Lies, Anwalt, lies!
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wissen, wie eine Zeitung entsteht, was eine Nachricht ist, was Journalisten wollen. Viele junge Anwälte (und alte wohl auch) bezeichne ich als schlichtweg medienilliterat. Das ist ja auch gar nicht weiter schlimm, denn zum einen wissen viele Journalisten auch nicht sonderlich viel von der Rechtswelt. Was ich aber umso bedenklicher finde, ist die Tatsache, dass sich Anwälte in dieser zunehmend medienzentrierten Welt, die inzwischen in all unsere Lebensbereiche eindringt, beinahe überhaupt nicht auskennen. Warum? Weil es nicht ihr Fachgebiet ist? Weil sie das für die Ausübung ihres Berufes gar nicht wissen müssen? Falsch! Gerade die jungen Anwälte sollten sehr gut wissen, wie die Medien funktionieren und nach was Journalisten verlangen, um sich aus der konkurrierenden Anwaltsmasse herauszuheben. Wer etwas über Medien und Medienmacher weiß, wer täglich die Zeitung und Zeitschriften studiert und sich dann noch gestattet, gelegentlich in die Niederungen der Popkultur abzusteigen, der hat mehrere Vorteile: 1. Er hält mit seinem Medienwissen den Schlüssel zur erfolgreichen Selbstvermarktung in der Hand. Er weiß, worauf die Medien anspringen, und kann es entsprechend verpacken und liefern, so dass die Medien darüber berichten. Er bekommt ein Gespür dafür, was Nichtjuristen interessiert – und was nicht. 2. Er kann geschickt Referenzen zu historischen oder popkulturellen Themen und Ereignissen herstellen, die vorteilhaft in den Schriftsätzen, in den Plädoyers oder auch bei außergerichtlichen Verhandlungen eingesetzt werden können, um den Fall leichter verdaulich zu machen. 3. Wer über einen breiten Wissenshorizont verfügt, dem öffnen sich auch neue Geschäftsfelder für seine Anwaltsarbeit. Er erkennt wirtschaftliche und soziale Entwicklungen früher, kann sich in einer Nische festsetzen und hat dadurch einen eindeutigen Marketingvorteil. 4. Wer über seinen Tellerrand blickt, der sieht auch andere Berufe, deren Leistungen der Anwalt für seine Arbeit inkorporieren und deren Talente er ausnutzen kann. Er erfährt nutzbringende Techniken,
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Kontakte zu den Medien
neue Recherchehilfen und nutzt vielleicht auch gelegentlich die Dienste eines Psychologen, um in Verhandlungen weiterzukommen. 5. Wer sich regelmäßig mit nichtjuristischen Medien auseinandersetzt, der muss nicht befürchten, dass seine Sprache zu diesem linguistischen Elend verkümmert, das sich „Juristendeutsch“ nennt. Dadurch bleiben mündlicher und schriftlicher Ausdruck klarer. Eine Sache, die übrigens gerade Richter zunehmend begrüßen, die mit teilweise unlesbaren Schriftsätzen zu kämpfen haben. 6. Wer sich lesend mit Medien auseinandersetzt, der steht auch nicht hilflos da, wenn einmal ein Journalist bei ihm anruft und etwas wissen will. Und deshalb fordere ich Sie auf: „Lies, Anwalt, lies!“
42. Der Leserbrief Der Leserbrief eignet sich, meiner Ansicht nach, nur beschränkt zur Informationsverbreitung, weil er als sehr persönlich gefärbte Darstellungsform gilt. Tatsächlich sind die meisten Leserbriefe Meinungsäußerungen von Lesern zu einem Artikel/Beitrag eines Mediums. Leserbriefe werden von Leserbriefredaktionen ausgewählt (bei kleinen Zeitungen sind es oft Volontäre) und bearbeitet. In vielen deutschen Redaktionen werden Leserbriefe noch immer sehr stiefmütterlich behandelt. Zu Unrecht, denn sie werden von den Lesern sehr gerne gelesen. Es gibt allerdings auch Chefredakteure, die höchsten Wert darauf legen, dass Leserbriefe von der Redaktion gewissenhaft beantwortet werden, weil sie wissen, wie wichtig dies für die Leser-Blatt-Bindung ist. Nachrichtenmagazine wie Spiegel und Focus veröffentlichen in jeder Ausgabe mehrere Seiten Leserbriefe. Der Spiegel sogar an prominentester Stelle des Blattes, nämlich auf den ersten Seiten. Das spricht für sich und zeigt, wie beliebt Leserbriefe beim Leser sind und wie ernst sie von namhaften Redaktionen genommen werden. Inzwischen sollte man allerdings besser von „Leserreaktionen“ als von Leserbriefen sprechen, denn eine Vielzahl von Leserbriefen trifft nicht
Der befreundete Journalist
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mehr mittels Briefträger ein, sondern geht per E-Mail an die Redaktionen. E-Mail führt zu einer extremen Verkürzung der Reaktionszeit des Lesers, der sich unmittelbar nach dem Lesen des Artikels (oder nach dem Sehen des TV-Beitrages) an den Computer setzen und seine Meinung dazu mitteilen kann. Musste man früher noch ein Blatt Papier zur Hand nehmen, dieses mittels Stift oder Schreibmaschine beschreiben, einen Umschlag und eine Briefmarke suchen, das Ganze adressieren und zum nächsten Briefkasten tragen, ist die persönliche Meinung heute mit wenigen Tastendrücken der Redaktion mitgeteilt. Das hat auch einen unangenehmen Nebeneffekt für die Leserbrief-Redaktionen: Eben diese extreme Verkürzung der Reaktionszeit führt auch zu einer höheren Emotionalisierung der Leserreaktionen. Ich vermute auch, dass das quantitative Aufkommen der Leserreaktionen sich dadurch vervielfacht hat. Ich würde Ihnen davon abraten, mittels eines Leserbriefes eine Information an die Medien weitergeben zu wollen. Sollten Sie doch einen Leserbrief schreiben, dann fassen Sie sich kurz, nennen Sie den Artikel/ Beitrag, auf den Sie sich beziehen, und vergessen Sie nicht, Namen, Adresse und Kontaktdaten anzugeben.
43. Der befreundete Journalist Das ist Der befreundete immer wieder Journalist ein guter Weg. Vorausgesetzt, Ihr Freund arbeitet nicht gerade bei einer Autozeitschrift, bei Essen & Trinken oder einer Modellbauzeitschrift. Da nützt er Ihnen relativ wenig. Ansonsten kann Ihnen der befreundete Journalist einen Zugang zu einer Redaktion verschaffen. Oder er kennt einen Kollegen, der genau der Richtige für Sie wäre, denn Journalisten haben in der Regel viele Journalistenfreunde. Grundsätzlich lohnt es sich immer, sich mit einem Journalisten anzufreunden. Fragen Sie Freunde und Verwandte. Irgendjemand kennt immer einen Journalisten. Hilfreich sind auch Pressestellen von Verbänden oder Vereinen, die es jeden Tag mit Journalisten zu tun haben. Oder nutzen Sie eines der sozialen Netzwerke im Internet, um herauszufinden, wie Sie mit einem Journalisten in Kontakt treten können.
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Kontakte zu den Medien
44. (Medien-)Veranstaltungen (Medien-)Veranstaltungen Um Journalisten kennen zu lernen, sollten Sie sich unter Leute begeben. Nehmen Sie teil an Kongressen, Verbandsveranstaltungen, Messen etc. Oder schauen Sie in die Zeitung. Es gibt genügend Events in jeder Stadt. Gehen Sie einfach mal hin. Unterhalten Sie sich mit den Journalisten. Sie werden überrascht sein, wie gerne sie mit Ihnen sprechen werden, denn eines wissen Journalisten ziemlich genau: Hinter (fast) jedem Anwalt stecken hundert gute Geschichten. Doch wie erkennt man Journalisten? Zyniker behaupten, man erkenne sie daran, dass sie ständig mit anderen Journalisten herumstehen, mit schlecht sitzenden Anzügen, grellen Krawatten, ausgelatschten Schuhen und immer in der Nähe des Buffets. Die meisten Journalisten sind Rudelmenschen. Sie sprechen gerne über sich und Ihresgleichen. Tatsächlich stechen Journalisten auf solchen Veranstaltungen nicht so heraus, wie man es sich wünschen würde. Man kann sie nicht auf den ersten Blick erkennen. Aber die Chance, dass Sie draußen, auf freier Wildbahn auf einen Journalisten treffen, ist nun mal ungleich höher, als wenn Sie in Ihrer Kanzlei sitzen und darauf warten, dass dort ein Schreiber an Ihre Tür klopft. So treffen Sie natürlich auf unterschiedlichen Veranstaltungen auch unterschiedliche Journalisten: 䊏 䊏 䊏 䊏
Bei Benefizveranstaltungen treffen Sie Klatschreporter und Lokaljournalisten (Krebshilfe, AIDS-Benefiz, placet e.V.-Veranstaltung). Bei Wirtschaftsveranstaltungen treffen Sie Wirtschaftsjournalisten (beispielsweise IHK-Events). Bei Medienveranstaltungen treffen Sie alle möglichen Journalisten und auch noch jede Menge Medienjournalisten. Eröffnungen von Kunstausstellungen, Filmfestivals, Theaterpremieren etc. werden den Feuilletonisten zugesprochen.
Begeben Sie sich in das soziale Netzwerk Ihrer Stadt. Machen Sie mit. Engagieren Sie sich in gemeinnützigen Vereinen. Mit einem bestehenden Kontakt in eine Redaktion haben Sie schon viel erreicht. Doch dafür müssen Sie auch etwas tun.
Die Pressemitteilung
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Die Pressemitteilung
45. Das Wesen der Pressemitteilung EinePressemitteilung Die Das Wesen Pressemitteilung der Pressemitteilung sollten Sie nur dann schreiben, wenn Sie mehrere Medien auf einmal ansprechen möchten und wenn Sie wirklich etwas Wichtiges und Neues zu sagen haben (siehe Kapitel 20: „Was ist eine Nachricht?“). In einer Pressemitteilung können Sie beispielsweise Stellung zu einer aktuellen rechtlichen Entwicklung nehmen. Sie können eine Pressemitteilung auch dann verfassen, wenn das Medieninteresse an einem Fall, an dem Sie arbeiten, sehr hoch ist. In einer Pressemitteilung können Sie auch auf Neuzugänge oder Expansionen Ihrer Kanzlei aufmerksam machen. Eine Pressemitteilung sollte allerdings die Ausnahme bleiben. Wer einmal pro Woche eine Mitteilung an die Medien schickt, wird sehr bald merken, dass das anfangs eventuell vorhandene Interesse der Redakteure sehr schnell erlischt. Sie müssen nicht jeden Fall bekannt geben, nicht jeden juristischen Sieg verbreiten oder jeden neuen Mandanten vermelden. Sie müssen nicht in die Welt hinausposaunen, dass Sie gerade wieder einen Nachbarschaftsstreit für Ihren Mandanten erfolgreich beendet haben. Das wirkt mit der Zeit peinlich und übertrieben. Allerdings: Erkennen Sie hinsichtlich des Nachbarschaftsstreites einen Trend zu bestimmten Arten von nachbarschaftlichen Auseinandersetzungen oder eine Zunahme bestimmter Konflikte, dann könnten Sie sehr wohl eine Pressemitteilung verfassen (siehe Kapitel 33 „Steht Ihr Fall für einen Trend? Folgt er einem Trend?“). Sinnvoll sind Pressemitteilungen auch dann, wenn es nur um „Soft News“ geht. Wenn Sie und Ihre Kanzleimitglieder beispielsweise eine Charity ins Leben rufen und Bedürftige unterstützen. Das dient dann nicht unbedingt der Positionierung als Expertenkanzlei auf einem bestimmten Feld, aber Sie zeigen auf angenehme Weise der Außenwelt, dass Ihre Kanzlei sich um mehr kümmert als nur um die Mandanten. Größere Kanzleien können einen neuen Partner für ihre Kanzlei vermelden, vor allem, wenn es sich um einen prominenten Neuzugang handelt. Oder wenn Sie ein neues Büro eröffnen. Das interessiert aber meist nur Fachkreise und potenzielle Mandanten.
Regeln für eine gute Pressemitteilung
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Bevor wir den grundlegenden Aufbau einer Pressemitteilung behandeln, möchte ich Sie an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass es, was die Form der Pressemitteilung betrifft, verschiedene Schulen gibt. Eine dieser Schulrichtungen fordert, die Pressemitteilung in reiner Nachrichtenform zu verfassen, damit sie der Redakteur möglichst unverändert ins Blatt heben kann. Ich halte diese Schulrichtung für antiquiert, zeitraubend und unnötig. Journalisten, die nur einigermaßen ihr Geld wert sind, werden niemals eine Pressemitteilung so abdrucken/senden, wie sie in die Redaktion hereingeflattert ist. Das widerspricht der Berufsehre eines anständigen Journalisten. Verabschieden Sie sich also von dem Gedanken, dass die von Ihnen so mühsam erarbeitete Pressemitteilung eins-zu-eins Eingang in die Medien findet. Betrachten Sie die Pressemitteilung vielmehr als Informationsquelle, aus der Journalisten Informationen und Anregungen fischen können. Das, was Sie mit einer Pressemitteilung erreichen wollen, ist ganz einfach: die Journalisten auf einen bestimmten Fall aufmerksam zu machen. Und das erreichen Sie mit einer einfachen Meldung am besten. Schreiben Sie eine Pressemitteilung bitte nur, wenn Sie sich sicher sind, dass es sich lohnt. Denken Sie hin und wieder auch einmal an unsere Wälder, die für viele unnütze Pressemitteilungen sterben müssen. Denken Sie selbst dann daran, wenn Sie Ihre Pressemitteilung per E-Mail verschicken.
46. Regeln für eine gute Pressemitteilung Wenn Sie Regeln fürsich eine ganz gute sicher Pressemitteilung sind, dass Sie eine Pressemitteilung schreiben und verteilen wollen, dann sollten Sie folgende Regeln und Tipps berücksichtigen: 䊏
Vergewissern Sie sich, dass Sie auch wirklich etwas mitzuteilen haben! Stellen Sie sich zuerst einmal die Frage, was Sie mitteilen wollen, warum Sie das mitteilen wollen und welches Zielpublikum Sie ansprechen wollen. Helfen Sie den Redakteuren mit Ihrer Pressemitteilung
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Die Pressemitteilung
zu verstehen, warum Ihre Pressemitteilung wichtig ist. Geht es um einen Trend? Um eine neue Gerichtsentscheidung? Um eine große Personengruppe, die von einem Urteil, einem Anlagebetrug etc. betroffen sein könnte? 䊏
Das Wichtigste zuerst! In den ersten Sätzen der Pressemitteilung muss das Wichtigste stehen. Journalisten beschwören in diesem Zusammenhang die „6 goldenen Ws“: Wer? Was? Wann? Wo? Wie? und Warum? Gleich im ersten Absatz muss erkenntlich werden, um was es eigentlich geht.
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Ort, Datum! An den Anfang einer jeden Pressemitteilung gehören der Ort und das Datum. Dann weiß der Redakteur genau, von wann und woher die Pressemitteilung stammt. Also ungefähr so: Frankfurt a. M., 25. November 2009 – Das LG Frankfurt a. M. hat entschieden, dass Hundehalter ...
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Schreiben Sie nachrichtlich! Verwenden Sie keine Superlative, keine Worthülsen, keine Eigenwerbung, keine Mutmaßungen. Lassen Sie Füllwörter und Wiederholungen weg. Bleiben Sie sachlich und nüchtern. Keine Wertungen, kein Eigenlob. Beschreiben Sie Ihre Kanzlei und Ihre Leistungen nicht in Werbefloskeln („Deutschlands bekanntester Anlegeranwalt“). Vermeiden Sie emotional aufgeladene Begriffe und Sätze („schockierendes Urteil“, „Kampfansage an die Staatsanwaltschaft“).
䊏
Schreiben Sie einfache Sätze! Keine Schachtelsätze. Verwenden Sie keine Fachausdrücke, auch wenn Ihnen das schwerfallen mag. Die Verwendung von kraftvollen Verben macht den Pressetext flotter, lebendiger. Folgende Beispiele für einen schlechten und einen guten Einsteig in eine Pressemitteilung habe ich bei der dpa-Tochter newsaktuell gefunden:
Regeln für eine gute Pressemitteilung
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Falsch: „Die absolute Weltneuheit der Aktien AG im innovativen webbasierten Consumer-Servicebereich ist wohl kaum zu toppen – und dabei noch megagünstig. Nur so konnte allemal der Umsatz um 18 % gesteigert werden ...“ Richtig: „In Frankfurt gab am Donnerstag die Aktien AG bekannt, dass der Umsatz im letzten Jahr um 18 Prozent gestiegen ist. Verantwortlich hierfür ist nach Aussage des Vorstands die neue Produktlinie ...“ 䊏
Fassen Sie sich kurz! Beschränken Sie sich auf eine, maximal zwei Seiten. Die Redakteure haben keine Zeit, mehr zu lesen. Sie wollen den Kern der Information auf einen Blick erkennen.
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Helfen Sie bei der Recherche! Geben Sie den Redakteuren in Ihrer Pressemitteilung ein paar zusätzliche, wichtige Informationen mit. Verwenden Sie Links zu relevanten Seiten im Internet, zu Grafiken, Schaubildern, Fotos etc. Ich biete, wenn möglich, auch immer Links, Telefonnummern und E-Mail-Kontakte meiner „Gegner“ an. Das erhöht meine Glaubwürdigkeit und meine Überzeugungskraft bei den Redakteuren. Die Journalisten müssen sowieso immer auch die Gegenseite hören. Warum sollte man sie dabei nicht unterstützen? (Vor allem dann, wenn ich genau weiß, dass die Gegenseite sowieso mit einem „Kein Kommentar“ antworten wird?)
䊏
Bieten Sie nach Möglichkeit auch Bilder an! Egal, was für eine Pressemitteilung Sie auch herausgeben, die Chance, dass sie abgedruckt wird, steigt um ein Vielfaches, wenn Sie ihr ein Bild anfügen. Bei Personenmeldungen empfiehlt sich ein Portraitfoto (vierfarbig). Ansonsten bemühen Sie sich um aussagekräftige, scharfe Bilder, die am besten digital vorliegen sollten. Die können Sie auch ganz einfach via E-Mail an die Redaktionen verschicken.
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Die Pressemitteilung
Machen Sie Absätze! Absätze erleichtern das Lesen eines Textes; lieber zu viele als zu wenige Absätze.
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Formulieren Sie eine zugkräftige Überschrift! Arbeiten Sie intensiv an der Überschrift der Pressemitteilung. So kann der Redakteur in einem Blick erfassen, um was es geht. Überschriften sollen Interesse erwecken, reizen. Überschriften zu machen, ist eine Kunst für sich. Eine gute Überschrift lässt sich auch ins „Subject“-Feld der E-Mail einkopieren, denn die meisten Pressemitteilungen werden heute per E-Mail verschickt. Fangen Sie mit einer Hauptzeile an, schreiben Sie alles weitere in die so genannte Unterzeile. Beispiel: Hauptzeile / Headline: Medienarbeit für Anwälte immer wichtiger Unterzeile: Härtere Wettbewerbsbedingungen und Werbeverbote treiben Juristen zunehmend in Medienseminare – Reichtum und Promistatus garantiert
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Zitieren Sie (nur nicht sich selbst)! Seien Sie wählerisch. Gute Zitate zieren eine gute Pressemitteilung. Aber sie müssen Substanz haben und dürfen sich nicht nach Politikergeschwätz anhören. Es klingt immer komisch, wenn sich der Verfasser der Pressemitteilung selbst zitiert. Verwenden Sie besser ein Zitat einer dritten, beteiligten Person.
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Individualisierte Pressemitteilungen! Wenn Sie Zeit und Energie genug haben, dann sollten Sie Ihre Pressemitteilungen auf das Medium abstimmen, das Sie damit erreichen wollen. Tageszeitungen wollen ihre Informationen oder Interviews schnell haben. Für Wirtschaftsmagazine sollten in der Pressemitteilung die wirtschaftlichen Aspekte Ihrer Nachricht herausgearbeitet sein. TV-Sender und Illustrierte wollen Bilder, die Sie in der Pressemitteilung durchaus mittels geschickter Wortwahl in den Köpfen der Redakteure anregen können.
Regeln für eine gute Pressemitteilung
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Sagen Sie, was Sie tun! Zu jeder Pressemitteilung gehört ein Textbaustein, in dem Sie sich und Ihre Kanzlei beschreiben. Beispiel: „Dr. Karl Fuchs ist Fachanwalt für Erbrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Fuchs & Füchslein, die mit ihren 35 Anwälten bundesweit in mehreren großen Städten vertreten ist. Dr. Fuchs ist Autor mehrerer Fachbücher zum Thema Erb- und Gesellschaftsrecht und hält regelmäßig Vorlesungen an der XY-Universität.“ Halten Sie diesen Textbaustein kurz. Drei Sätze genügen.
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Bleiben Sie erreichbar! Verteilen Sie bitte keine Pressemitteilung, nur um am darauf folgenden Tag in den Urlaub zu gehen. Sie sollten erreichbar sein. Geben Sie mehrere Nummern an. Die der Zentrale, die Ihrer Sekretärin und Ihre Durchwahl. Auch: E-Mail und Faxnummer. Sie wollen ja kommunizieren und nicht nur einseitig mitteilen. Sie wollen und sollen für Rückfragen von Journalisten zur Verfügung stehen. Wenn Sie es nicht sind, dann ist es ganz sicher ein konkurrierender Kollege, den der Journalist anruft.
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Drüberlesen, drüberlesen, drüberlesen! Pressemitteilungen mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern sowie falschen Fakten und Behauptungen sind so peinlich wie ein Soßenfleck auf einem weißen Hemd, mit dem Sie beim Empfang im Bundeskanzleramt herumstehen. Verlassen Sie sich nicht auf das Rechtschreibprogramm Ihres Computers. Achten Sie auf vergessene Zahlen oder Verdreher in den Telefonnummern und vor allem bei Ihrer E-Mail. Lassen Sie andere drüberschauen. Und danach noch einmal eine andere Person. Alles muss stimmen und richtig sein. Alles!
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Wählen Sie den Zeitpunkt der Pressemitteilung geschickt Wer am 24. Dezember, am 31. Januar oder am 30. April Pressemitteilungen rausschickt, der darf sich nicht wundern, wenn er darauf keine Reaktionen bekommt. Die meisten Redaktionen sind nicht besetzt oder ausgedünnt, weil am nächsten Tag keine Zeitung erscheint. Vie-
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le Redaktionen arbeiten an solchen Tagen mit einer Notbesetzung, und wenn Sie nun glauben, die Redakteure würden Ihre Pressemitteilung verwenden, wenn sie wieder aus den Feiertagen zurückgekehrt sind, dann haben Sie sich ein zweites Mal getäuscht. Ihre Pressemitteilung wird dann als veraltet erachtet und weggeworfen, beziehungsweise gelöscht. Schlechtes Timing ist es auch, sich aufgrund eines aktuellen Anlasses, der in den Medien gespielt wird, erst wochenlang Gedanken über die Pressemitteilung zu machen, um sich dann endlich, nachdem das Thema schon seit Tagen nicht mehr in den Medien stattfindet, mit einer Pressemitteilung zu melden. Auch das interessiert niemanden mehr.
47. Versand der Pressemitteilung per E-Mail oder Fax? Mal ehrlich: Versand der Wer Pressemitteilung verwendet denn per heute E-Mailnoch oderein Fax? Fax? Ich kann es Ihnen sagen: fast niemand mehr – außer Anwälten. Der Großteil der schriftlichen Kommunikation läuft außerhalb der Anwaltssphäre über E-Mail, und die sollten Sie auch beim Versand der Pressemitteilungen nutzen. Es ist schneller, zeitsparender, billiger und oftmals effektiver. Hier einige Tipps für den Versand Ihrer Pressemitteilung via E-Mail: 䊏
Versuchen Sie die direkte E-Mail-Adresse von Redakteuren herauszufinden. Vergessen Sie solche Adressen wie leserbriefe@redaktion. de.
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Formulieren Sie eine kurze, informative Betreffzeile. Keine marktschreierischen Zeilen wie „Knallharter Schlagabtausch vor Gericht“ oder Zeilenlangweiler wie: „Eine aktuelle Pressemitteilung der Kanzlei Gähn & Partner“.
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Auch bei der E-Mail gilt: Halten Sie sich kurz.
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Sie können Dateien anhängen, als pdf-Dokument beispielsweise oder in einem weit verbreiteten Textprogramm wie Word.
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Nutzen Sie die Möglichkeit, Links zu Ihrer Homepage zu setzen.
Versand der Pressemitteilung per E-Mail oder Fax?
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Achten Sie darauf, dass Ihr Verteiler für den Empfänger nicht sichtbar ist. Setzen Sie alle Empfänger in das BCC-Feld und nicht in das CC-Feld.
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Bieten Sie Ihren Empfängern an, dass sie auf Wunsch von Ihrer E-Mail-Liste gestrichen werden können.
Vergessen Sie bitte eines nicht: Der Sendeknopf ist schnell gedrückt. Manchmal zu schnell, mit teilweise verheerenden Folgen. Vergewissern Sie sich, dass alles stimmt, alles sitzt und passt, denn wenn die E-Mail erst einmal draußen ist, nimmt das Geschick oder Ungeschick seinen Lauf.
Die Medien melden sich
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Die Medien melden sich
48. Grundregeln einer effektiven Kommunikation Der amerikanische Die Grundregeln Medien melden einer Kommunikationsexperte effektiven sich Kommunikation Frank Luntz ist ein Spezialist, wenn es um die richtige Wahl der Worte geht, und deshalb ist er auch Spezialist für Wahlkampfkampagnen. In seinem spannenden Buch „Words that Work: It’s not what You Say, It’s what People Hear“1, das bisher leider nicht auf Deutsch erschienen ist, beschreibt er zehn Regeln für eine effektive Kommunikation. Diese Regeln lassen sich auch für Anwälte anwenden, die mit ihrer Außenwelt – und speziell den Medien – kommunizieren wollen. Hier nun die zehn Kommunikationsregeln von Frank Luntz: 1. Einfachheit: Gebrauche kleine, einfache Worte. 2. Kürze: Gebrauche kurze Sätze. 3. Glaubwürdigkeit ist so wichtig wie Weltanschauung. 4. Beständigkeit ist wichtig. 5. Neuigkeit: Biete etwas Neues an. 6. Klang und Beschaffenheit sind wichtig. 7. Sprich, sauge auf, verbünde Dich. 8. Visualisiere. 9. Stelle eine Frage. 10. Liefere einen Zusammenhang und erkläre die Bedeutung.
1 Frank Luntz, Words that Work, New York 2008.
Was tun, wenn ein Journalist anruft?
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49. Was tun, wenn ein Journalist anruft? Sie haben Was tun, wenn nun erfolgreich ein Journalist dieanruft? Medien kontaktiert, haben die Idee zu einer guten Story geliefert, und plötzlich klingelt in Ihrer Kanzlei das Telefon. Ihre Sekretärin signalisiert Ihnen, dass ein gewisser Herr Karl Müller vom Tagesanzeiger Sie sprechen möchte. Was tun? 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏 䊏
Einfach auflegen? Niemals zurückrufen? Vertrösten bis in die Unendlichkeit? Anlügen? In Angststarre verfallen? Sofort mit einstweiliger Verfügung drohen? Munter drauflos plappern?
Am besten Sie tun nichts von alledem, denn das ist nun Ihre große Chance, sich, Ihre Kanzlei oder Ihren Fall darzustellen. Mit dem Aussenden einer Pressemitteilung haben Sie ja bereits gegenüber den Medien Kommunikationsbereitschaft signalisiert. Tatsächlich sind einige der häufigsten Beschwerden, die ich von Journalisten hinsichtlich der Zusammenarbeit von Anwälten und Medien höre, dass Anwälte nie zurückrufen, dass sie sich unverständlich ausdrücken und dass sie häufig lügen. Das trägt nicht gerade zu einem guten Verhältnis mit den Medien bei. Das Spiel mit den Medien ist ein ständiges Geben und Nehmen. Sie geben Informationen, und Sie kommen dafür in die Medien. Kein schlechter Deal eigentlich. Gehen Sie gelassen und souverän an die Sache heran. Plappern Sie nicht drauflos, sondern bereiten Sie sich vor. Kaufen Sie sich mit ein paar Tricks ein wenig Zeit, um sich vorzubereiten. Instruieren Sie Ihre Mitarbeiter ebenfalls, wie sie sich zu verhalten haben, wenn die Medien anrufen. Die Kanzlei spricht immer nur mit einer Stimme. Es dürfen keine Widersprüche aufkommen. Wenn die Sekretärin den Journalisten mit dem Hinweis vertröstet, dass „Herr Rechtsanwalt Dr. Fuchs gerade zu Tisch sei“, und Sie später im Gespräch mit dem Journalisten behaupten, die ganze Zeit im Mandantentermin gewesen zu sein, so macht das keinen guten Eindruck.
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Die Medien melden sich
50. Tipps für den Umgang mit Journalisten Tipps für den Umgang siegt! mit Journalisten 䊏 Freundlichkeit Seien Sie freundlich und verbindlich, aber biedern Sie sich auf keinen Fall an. Weder Unterwürfigkeit noch Arroganz bringen Sie weiter. Das Gespräch muss auf Augenhöhe stattfinden. Vergessen Sie nicht, dass beide Seiten von dem Gespräch etwas haben. 䊏
Hilfsbereit! Fragen Sie den Journalisten, der Sie angerufen hat, wie Sie ihm helfen können und um was es geht. Hören Sie dabei aufmerksam zu. Wenn Sie etwas nicht verstanden haben, fragen Sie bitte noch einmal nach.
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Zeitgewinn! Erklären Sie, dass Sie gerade in eine Besprechung oder dringend zu einem Termin müssen – wenn es denn so ist – und zurückrufen werden. Wenn Sie keinen Termin oder Ähnliches haben, dann sagen Sie dem Journalisten, dass Sie ihn gerne zurückrufen möchten.
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Nach Deadline fragen! Journalisten arbeiten unter strengsten Deadlines. Sind Sie mit Ihrer Information jenseits der Deadline, so nützt Ihre Information nichts mehr. Sie sind zu spät. Fragen Sie, bis wann der Journalist spätestens zurückgerufen werden möchte oder ob er Sie vielleicht lieber in der Kanzlei treffen möchte.
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Vorbereiten! Nutzen Sie die so gewonnene Zeit, um sich auf das Gespräch vorzubereiten. Legen Sie sich Ihre Kernaussagen zurecht.
Tipps für den Umgang mit Journalisten
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Versprochen ist versprochen! Rufen Sie auf jeden Fall zurück. Immer! Sonst wird er in Zukunft einen Ihrer Kollegen fragen.
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Nachricht hinterlassen! Sollte der Journalist bei Ihrem Rückruf aus irgendeinem Grund nicht zu erreichen sein, so hinterlassen Sie bitte eine Nachricht. Damit vermeiden Sie einen Satz wie: „Trotz mehrmaliger Versuche konnte der Anwalt von XY nicht für eine Stellungnahme erreicht werden.“ Schließlich haben Sie es ja versucht.
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Keine Lügen! Niemals! Versuchen Sie niemals, einen Medienvertreter anzulügen. Früher oder später fliegt es auf, und dann steht er Ihnen misstrauischer und ungewogener denn je gegenüber. Es geht auch ohne Lügen. Garantiert!
Das Interview
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Das Interview
51. Das Wesen des journalistischen Interviews Hier Wesen Das Interview kommen deswir journalistischen zu einem Kapitel, Interviews über das es bereits eine ganze Reihe von Büchern gibt. Die Mehrheit der Bücher beschäftigt sich vor allem mit der Vorbereitung und den Fragetechniken bei einem journalistischen Interview, aber auch mit der Interviewsituation. (Empfehlenswert ist hier vor allem das Buch „Das Interview“ von Michael Haller, Journalistik-Professor an der Universität Leipzig.) Diese Bücher richten sich allerdings vornehmlich an Journalisten. Wer sich als NichtJournalist mit der Materie intensiver beschäftigen will, kann daraus auch entnehmen, wie Journalisten in einer Interview-Situation auf ihn zugehen werden. Allerdings: Nur die wenigsten Journalisten haben diese Bücher gelesen, und die meisten Interviews entstehen aus dem Bauch heraus und sind lange nicht so geplant, vorbereitet und strukturiert, wie es diese Bücher von den Journalisten verlangen. Ein Interview ist nichts anderes als eine Frage- und Antwort-Situation, in der eine oder mehrere Personen in der Regel eine Person befragen, um so Informationen zu gewinnen. Das Ergebnis eines solchen Interviews kann in einen Artikel einfließen. Dabei werden die Antworten in einen so genannten „Lauftext“ verwoben. Das Ergebnis eines Interviews kann aber auch in einer Frage-Antwort-Form abgedruckt werden, indem die Fragen der Interviewenden den Antworten des Interviewten vorangestellt werden. Dies vermittelt Authentizität, Nähe zum Interviewten und eine gewisse Emotionalisierung. Ein solches Interview wird natürlich nie so abgedruckt, wie es tatsächlich geführt worden ist, sondern es wird vom Redakteur überarbeitet, das heißt, Antworten und Fragen werden gekürzt, sie werden neu geordnet und der Fluss des Interviews wird geglättet, um es lesbarer zu machen. Im Radio und TVInterview werden dann vor allem die „Ähs“ und „Öhs“ rausgeschnitten, das Räuspern, Husten und andere störende Geräusche. Gerade die Überarbeitung eines Interviews führt oftmals zu der Befürchtung beim Interviewten, dass das eigentlich Gesagte verfälscht, verändert und in einen anderen Zusammenhang gestellt wird. In Deutschland hat sich inzwischen die journalistische Unsitte eingebür-
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gert, dass man das Interview dem Interviewten noch einmal vorlegt, damit er es „autorisieren“ kann. Das heißt, er hat die Möglichkeit, ihm unangenehme Stellen zu streichen, eigentlich getroffene Aussagen „auszuradieren“, aber auch unangemessene Veränderungen, die während des Überarbeitungsprozesses entstanden sind, zu verhindern. Vor allem Politiker und Showstars greifen inzwischen massiv in das eigentliche Interview ein. So manches Interview, das geführt worden ist, wird von den Pressestellen und PR-Leuten zum Leidwesen der Journalisten komplett geändert, ganze Interviewstellen ausgestrichen, so dass es mit den eigentlichen Inhalten des ursprünglichen Gespräches nichts mehr zu tun hat. Einige Publikationen, denen das zu bunt geworden ist, haben bereits Interviews mitsamt der durch die PR-Beauftragten des Interviewten geschwärzten Stellen veröffentlicht, und – glauben Sie mir – das sieht nicht sehr hübsch aus und ist eher peinlich für den Interviewten. In den USA gibt es so etwas nicht. Dort gilt das gesprochene Wort. Da hat der Interviewte nach dem Gespräch keinen Zugriff mehr auf das „Produkt“, und das ist auch gut so. Warum? Weil es in Deutschland jetzt oft so ist, dass der Interviewte sich nicht mehr auf das Gespräch vorbereitet und munter drauflosplappert, wohl wissend, dass er sowieso die Möglichkeit hat, alles wieder in seinem Sinne zu verändern. Dieses Verhalten ist meiner Ansicht nach respektlos gegenüber den Journalisten, die sich womöglich sehr viel Mühe gemacht haben, sich auf das Gespräch vorzubereiten, während der Interviewte das nicht mehr machen muss. Ich vertrete die Meinung, dass solche Interviews nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt werden, und doch sind sie in Deutschland leider die Regel. Gut für den Interviewten, werden Sie vielleicht sagen. Und da haben Sie sicherlich zum Teil Recht. Besser wäre es allerdings, wenn Sie sich ebenfalls auf das Interview vorbereiten, so dass es gar nicht zu kompromittierenden Aussagen Ihrerseits kommt. Deshalb gibt es auch eine ganze Reihe von Agenturen, die professionelles Interviewtraining für Unternehmer und Prominente anbieten. Diese Coaches lassen sich ihre Dienste sehr gut bezahlen. Wenn diese Interviewtrainings professionell gemacht werden, dann sind sie aber ihr Geld wert. Ich möchte Ihnen an
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dieser Stelle nicht zu einem Interviewtraining raten, denn für die meisten von Ihnen kommt es nicht in Betracht, weil Sie zu selten interviewt werden. Sparen Sie sich also das Geld und beherzigen Sie die Ratschläge, die ich Ihnen als jemand gebe, der unzählige Interviews in seinem Berufsleben geführt hat. Halten Sie sich daran und sparen Sie ein paar Tausend Euro.
52. Zwölf Tipps für ein perfektes Interview Zwölf 1. Bereiten Tipps für Sie ein sichperfektes gut auf das Interview Interview vor. Sehr gut sogar. Nehmen Sie sich für die Vorbereitung Zeit. Bereiten Sie Dokumente vor, die Sie dem Journalisten mitgeben wollen. Gehen Sie davon aus, dass der Journalist schon einiges über den Fall recherchiert hat und weiß. 2. Entspannen Sie sich Das ist ein wichtiger Punkt. Nervosität überträgt sich. Sie fühlen sich leichter angegriffen, wenn Sie unentspannt sind. Versuchen Sie einen lockeren Plauderton, ohne dabei zu leger zu wirken. Sie wollen ernst genommen werden. Bleiben Sie seriös. 3. Bleiben Sie aufmerksam Selbst wenn der Journalist noch so nett und freundlich ist: Er ist nicht Ihr Freund und schon gar nicht Ihr Verbündeter. Betrachten Sie ihn vielmehr als Geschäftspartner in einer Verhandlung. 4. Bleiben Sie beim Interview-Thema Sie haben vor dem Treffen mit dem Journalisten ein Thema verabredet, und dabei bleibt es auch. Schweifen Sie nicht ab und lassen Sie sich nicht abdrängen. Bestehen Sie darauf, dass Sie über das sprechen, was Sie vorher vereinbart haben. Es kommt immer wieder vor, dass Journalisten vorgeben, Sie zu einem gewissen Thema
Zwölf Tipps für ein perfektes Interview
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interviewen zu wollen, dann aber plötzlich ein Thema anschneiden, das nicht verabredet war und zu dem Sie eigentlich auch nichts sagen wollen. 5. Sagen Sie es klar und deutlich, wenn Sie etwas nicht wissen Schwafeln Sie nicht. Spekulieren Sie nicht. Sagen Sie ganz deutlich: „Darüber habe ich leider keine genauen Informationen.“ Oder: „Darüber weiß ich noch zu wenig, deshalb möchte ich mich dazu auch nicht äußern.“ Spekulationen sind Ihre Eintrittskarte in die Medienhölle. Garantiert. 6. Sagen Sie niemals „Kein Kommentar“ Eine US-Untersuchung hat herausgefunden, dass 40 Prozent aller Menschen davon überzeugt sind, „dass da ja schon was dran sein muss“, wenn gegen eine Person oder ein Unternehmen ermittelt wird. Die Zahl steigt auf 60 Prozent, wenn der Anwalt der betroffenen Person oder des betroffenen Unternehmens „Kein Kommentar“ sagt. Sie können ausweichen, indem Sie etwa Folgendes sagen: „Zu dieser Sache kann ich im Moment nichts sagen, weil ...“ (Mandantenschutz, Ermittlungsstadium, Informationen noch unklar etc.). 7. Passen Sie auch beim Hintergrundgespräch auf Selbst wenn Sie ein Gespräch „Off-the-record“ vereinbart haben, sollten Sie aufpassen, was Sie sagen. „Off-the-record“ bedeutet, dass das, was Sie sagen, so nicht publiziert werden soll. Aber: es gibt viele Wege, Ihre „Off-the-record“-Aussage doch noch an die Öffentlichkeit zu bringen. Verhalten Sie sich also immer so, als seien Sie „On-the-record“. 8. Lassen Sie sich mit den Antworten ruhig Zeit Überlegen Sie, bevor Sie antworten. Schinden Sie Zeit, wenn es sein muss, indem Sie einen vor Ihnen liegenden Papierstapel in Ordnung bringen oder einen Schluck aus dem Wasserglas nehmen.
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9. Wenn Sie eine Frage mehrmals gefragt werden, geben Sie immer die gleiche Antwort Dieselbe Frage mehrmals während eines Interviews zu fragen, ist ein beliebter Trick der Journalisten, um doch noch mehr Informationen herauszukitzeln. 10. Halten Sie Ihre Emotionen zurück Reagieren Sie professionell, auch wenn es Ihnen während des Interviews manchmal schwerfallen sollte oder wenn Sie regelrecht provoziert werden. Keine Wutausbrüche, keine Arroganz, keine Langeweile und keine Anbiederungsversuche. Eine klare, sachliche Distanz sichert Ihnen den Respekt des Interviewers. 11. Verlieren Sie sich um Himmelswillen nicht in Details Bleiben Sie beim Kern der Geschichte. Jede Geschichte hat einen Kern. Auch Ihre Geschichte. 12. Auf keinen Fall lügen Gehen Sie immer davon aus, dass der Ihnen gegenübersitzende Journalist sehr viel weiß. Wer lügt und einer Lüge überführt wird, hat verspielt. Ich zitiere dazu einen amerikanischen Kollegen, der als investigativer TV-Reporter gearbeitet hat und nun Medienberatung macht: „Es gibt ein Gebot hier: Lüge niemals. Die Lüge wird gemeinhin als schlimmer gewertet als das Vergehen, das diese Lüge verdecken sollte. Als ein investigativer TV-Reporter habe ich alles Erdenkliche dafür getan, um Sie vor meiner Kamera zum Sprechen zu bringen. Wenn Sie der Bösewicht waren, für den ich Sie gehalten habe, dann hätten Sie gelogen. Und ich hätte dann die Lüge dazu benutzen können, Sie zu zerstören. Früher konnten Leute, die Reporter angelogen haben, immer noch behaupten, sie seien falsch zitiert worden. Heute geht das nicht mehr. In Zeiten von Tonband und Videokamera lügen Sie nämlich nicht nur einmal. Sie lügen um 18 Uhr, Sie lügen um 23 Uhr, im Frühstücksfernsehen und dann wieder um die Mittagszeit. Wir werden Ihre Lüge abspielen und hören – immer und
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immer wieder, solange Sie leben. Selbst nachdem Sie gestorben sind. Brechen Sie andere Gebote, aber lügen Sie niemals.“1
Ich kann Ihnen aus dem Stand gleich zwei Personen aufzählen, deren Lüge auch noch nach dem Tod weiterlebt: zum einen den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel bei seiner EhrenwortPressekonferenz und natürlich US-Präsident Richard Nixon auf der Höhe des Watergate-Skandals.
53. Keine Details, bitte! JuristenDetails, Keine lieben bitte! Präzision. Sie ängstigen sich vor Ungenauigkeiten, vor Lücken in der Beschreibung eines Sachverhaltes und vor emotionalen Ansprachen. Und genau das drückt die Sprache der Juristen aus: emotionslos, trocken, präzisionssüchtig und vor allem: sterbenslangweilig und für Außenstehende nicht zu verstehen. Nun stellen Sie sich einmal vor, Sie sitzen im Gespräch einer Person gegenüber, die nicht Jura studiert hat (ja, auch das gibt es!) und die nichts mit der Juristensprache anzufangen weiß. Diese Person ist ein Journalist, und die wenigsten Journalisten haben jemals eine Rechtswissenschaftliche Fakultät von innen gesehen. Und jetzt versuchen Sie, diesem Journalisten in bestem Juristendeutsch Ihren Fall zu erklären. Detailliert, damit nur keine Ungenauigkeiten aufkommen, getrieben von der Angst, falsch wiedergegeben zu werden. Sie steigen ein in die juristischen Feinheiten des Falles und zitieren dabei allerhand Paragraphen und die Rechtsprechung. Während Sie das tun, bemerken Sie, dass der Journalist immer ungeduldiger auf seinem Stuhl herumrutscht, verstohlen auf seine Uhr oder seinen Blackberry schaut und – noch schlimmer – den Stift zur Seite gelegt hat und nicht mehr mitschreibt. Das ist der Punkt, an dem Sie sich fragen sollten, was hier falsch läuft. Ist es der Journalist, der intellektuell viel zu minderbemittelt ist, um Ihren Ausführungen zu folgen? Oder sind Sie es viel1 Clarence Jones, Winning with the News Media, Video Consultants Inc, Tampa/Florida (USA) 2001, S. 218.
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leicht, der nicht zum Punkt kommt, nicht in der Lage ist, den Kern des Falles klar herauszuarbeiten, und stattdessen in Details flüchtet? Details sind langweilig. Zumindest für alle Außenstehenden. Keinen Menschen – außer Juristen – interessiert das. Nicht den Journalisten und auch nicht dessen Publikum. Sollten Sie mit Ihrer juristischen Detailversessenheit einmal versuchen, eine Tischgesellschaft zu unterhalten, so garantiere ich Ihnen, dass sich kollektive Konzentrationsschwäche angesichts dieser Ausführungen ausbreiten wird. Ein Schwall an Details, der über einen Journalisten herunterplatscht, wird unweigerlich zu Missverständnissen führen. Ein Journalist muss vereinfachen, und um Missverständnisse während eines Interviews zu vermeiden, müssen Sie das auch. Ein Interview ist nicht der richtige Platz, um mit seinem detaillierten Fachwissen zu prahlen. So entstehen Situationen, in denen sich Juristen immer wieder darüber beschweren, dass der Journalist ja zu dumm sei, den Sachverhalt zu verstehen; dass er „vereinfacht und sensationalisiert“ habe und dass er den Sachverhalt nicht so genau wiedergeben habe, wie ihm das dargelegt wurde. Sollten diese Juristen solche Aussagen dann auch noch mit ein wenig Arroganz untermalen und sich in ihrer Grundaussage bestätigt fühlen, dass es sowieso keinen Zweck habe, mit den Medien zusammenzuarbeiten, dann kann ich leider keinen Funken Mitleid für sie empfinden. Es kann durchaus sein, dass der Journalist irgendwann einmal aufgibt und das Interview gar nicht erst druckt, Sie gar nicht erst in seinem Artikel zitiert. Warum? Weil er nicht verstanden hat, was Sie sagen wollen, und wenn er es nicht versteht, dann versteht es sein Publikum erst recht nicht. Das ist dann schade um die verschwendete Zeit für beide Seiten. Schade auch, weil Sie aufgrund Ihrer Detailverliebtheit dann eine große Chance vergeben haben, sich und Ihren Fall darzustellen. Es liegt an Ihnen, sich verständlich auszudrücken. Sie können es üben. Beim Schreiben, wenn Sie Ihrer Oma von Ihrer Arbeit erzählen, Ihren Kindern. Sie werden sehen: Ihre Fälle bleiben auch ohne juristische Details interessant.
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54. Im Namen der Verständlichkeit EinNamen Im Plädoyer der Verständlichkeit der Juristin und Autorin Hella Dubrowsky für eine bessere Sprache in der Juristerei Hella Dubrowsky ist Juristin und Autorin. Sie arbeitet als Kommunikationsberaterin bei NAïMA Strategic Legal Services Berlin im Bereich der strategischen Rechtskommunikation. Mein Deutschlehrer war es, der mich kurz vor dem Abitur warnte: Um Himmels Willen, du hast eine so schöne Sprache, die wirst du verlieren, wenn du Jura studierst! Ich habe damals nur gelacht, denn ich wusste es nicht besser. Trotzdem war ich zu Beginn des Studiums noch hellhörig, als ich in der Auslage eines Juweliers entzückt Ohrringe entdeckte und meine ebenfalls Recht studierende Freundin meinte: „Also, die finde ich strittig!“ Ich stutzte sie zurecht und machte ihr klar, dass dieser Begriff nicht in den Alltag gehört. Einfach ein hässliches, klangloses Wort. Ich erinnere mich nicht, wann mein Deutsch dann genau verloren ging, das schöne. Jedenfalls war es weg. Und an seine Stelle waren Begriffe, Sätze und Satzkonstruktionen getreten, an denen Mark Twain seine wahre Schadenfreude gehabt hätte: Geballte Substantive, eingepfercht in zahllose Neben- und Einschubsätze; ganz am Ende des Satzes findet der Leser das erlösende Verb, wenn es denn nicht auch noch getrennt war und sein erster Teil sich irgendwo in der Mitte des Sprachmonstrums befand. Kurze prägnante Sätze, die sich einprägen können, verbieten sich einem Juristen. Denn im Studium ist vermeintliche Erhabenheit einer antiquierten Sprache gefragt. Und Exaktheit in einem Satz. Die – das lernt man bereits im ersten Semester – ist nur erreichbar, wenn alle erdenklichen Fakten mitsamt ihren Regeln und Ausnahmen, Feinheiten und Tücken in Parenthesen gepackt sind, keine Lücke lassend, um sie anschließend unter dem Dach eines einzigen Schlusspunktes zu vereinen. Verbindende und satzverlängernde Wörter wie somit, folglich und daher tummeln sich zwischen abstrakten Fachausdrücken, deren Bedeutung sich der Jurist im Laufe seines Studiums einprügelt. Der über lange, anstrengende Jahre ausgebildete Jurist geht aber noch weiter. In den meisten Fällen liebt er die deutsche Sprache mehr als Vertreter anderer Berufsgruppen. Die Sprache und die Genauigkeit in der Wortwahl sind die Grundlage seines beruflichen Tuns. Das eint ihn zunächst mit dem Journalisten, trennt ihn aber auch sofort wieder um das Vielfache von jenem, denn ein Jour-
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nalist nimmt es oft mit der Rechtschreibung nicht sehr genau. Sobald der Jurist dies bei einem Journalisten feststellt, sinkt umgehend der Respekt, denn Rechtschreibfehler mag ein Jurist gar nicht. Und schon wieder ist ein Keil getrieben zwischen den Juristen und den Journalisten, wo doch eigentlich ein verbindendes Element sein sollte. Dieses Deutsch – ganz abgesehen vom Fachvokabular, das sich in den Alltag des Juristen einschleicht – ist für jeden normal deutsch sprechenden Menschen vollkommen unbrauchbar. Es ist anstrengend, und es schleicht sich immer ein Gefühl ein, dieser so sprechende Mensch wolle sich wichtig machen oder nehme sich selbst zu ernst. In extremen Fällen stellt man sich die Frage, ob dieser Mensch überhaupt lebensfähig ist, wenn er zum Beispiel einen Döner kaufen soll. Das ist in den wenigsten Fällen so, aber es entsteht für den neutralen Zuhörer so ein Eindruck. Eigentlich ist der Jurist zutiefst zu bedauern, dass er seine Sprache so leichtfertig hergegeben hat, irgendwann zwischen dem Studium von Palandt und Schönke/Schröder und er dann nicht mehr so einfach den Schalter umlegen kann. Dem gegenüber steht der Journalist. Mit seiner klaren Sprache und seinen begrenzten Anschlägen pro Zeile und einer Masse an Informationsgehalt. Er hat von Anfang an gelernt, möglichst kurz, klar, strukturiert und direkt auf den Punkt zu texten und zu sprechen. Er muss Informationen an eine Vielfalt von Lesern, Zuhörern oder Zuschauern bringen, mit unterschiedlichstem Bildungsniveau und Hintergrund. Er hat gelernt, die Sprache auf Allgemeinverständlichkeit herunterzubrechen. Das ist hohe sprachliche Kunst und gerade bei Fachjournalisten beneidenswert. Wenn sich Juristen und Journalisten begegnen, kann es durch die sprachliche Entfernung nicht nur zu inhaltlichen Missverständnissen kommen, bei denen es dann meist der Anwalt ist, der sich über die mangelnde Richtigkeit der Berichterstattung ärgert. Dabei könnte es so einfach sein. Ich rate Juristen dringend zum Lesen von Romanen, allerdings nicht nach der Art von Thomas Mann. Der beherrschte zwar die hohe Kunst der Schachtelsätze und vermag den Leser sogar über viele Zeilen bis zum Satzende zu fesseln. Aber das Talent hat außer ihm kaum jemand. Und im Alltag, mit Freunden, beim Einkauf, in der Familie schlage ich vor, kurze Sätze zu üben. Drei Sätze statt einem. Bei der Erklärung juristischer Sachverhalte sollte nie auch nur das geringste Fachwissen vorausgesetzt werden. Selbst der juristisch versierte Journalist wird einem dankbar sein. Auch wenn „Das Recht an sich“ im Alltag eines jeden vorkommt, ist es doch ein Unterschied, verklausulierte Definitionen bestimmter Un-
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terbegriffe von Paragraphen zu verstehen. Und die Heranführung zum eigentlichen juristischen Kern kann gar nicht ausführlich genug sein. Sicher ist es eine Kunst, einen juristischen Sachverhalt mit möglichst wenigen juristischen Begriffen darzustellen. Aber es macht Spaß, es zu üben, und wird den Juristen sicher erfreuen, wenn er merkt, dass er nicht länger dazu verdonnert ist, in einer Parallelwelt leben zu müssen, die er auf gleichem Niveau nur beim Juristenstammtisch (der im übrigen sehr viel ausgelassener und amüsanter ist, als es sich der Normalbürger vorstellt) ausleben kann. Gegenüber Mandanten ist es nicht so entscheidend, ob dieser die ihn betreffende Rechtslage in allen Einzelheiten versteht, und doch wird er mit einem anderen Gefühl wiederkommen oder den Anwalt weiterempfehlen, wenn er seine Rechtsposition verständlich vermittelt bekommen hat. Im Hinblick auf Medienarbeit aber ist es Pflicht, mit Journalisten so zu arbeiten, dass sie nach einem Gespräch vollkommen im Klaren darüber sind, worum es im juristischen Sinne in Wahrheit geht, wo der juristische Schwerpunkt oder Knackpunkt liegt, gerade wenn sich der Sachverhalt aus Laiensicht anders darstellen sollte. Es lohnt sich hier, einem Journalisten ein Handout zu fertigen, in dem die wichtigsten Dinge schriftlich fixiert sind und das in einer Sprache, die der Journalist zur Veröffentlichung an ein unwissendes Publikum theoretisch einfach abschreiben könnte. Auch das kann man üben. Ich habe geübt und meine schöne Sprache schließlich wiedergefunden. Es dauerte ein paar Jahre, obwohl ich die Rechtswissenschaft nach meinem 2. Staatsexamen hinter mir ließ und in die journalistische Richtung ging. Eines möchte ich aber zum Schluss nicht vorenthalten: Eine wirkliche und von beiden Seiten intensiv gelebte Gemeinsamkeit zwischen Juristen und Journalisten gibt es nämlich: Die Durchschnittsvertreter beider Berufe sind unglaublich trinkfreudig und trinkfest. Mein Anstand verbietet mir hier, den Tipp zu geben, dass ein Jurist mit einem Journalisten einfach mal einen heben geht.
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55. Falsch zitiert! Was nun? Es kann Der Falsch Tag zitiert! passieren: danach Was nun? Nach dem Gespräch mit einem Journalisten finden Sie sich im darauf publizierten Artikel falsch wiedergegeben – glauben Sie jedenfalls. Das, was Sie dort lesen, war nicht das, was Sie gesagt haben – denken Sie nun. Zwei Fragen sollten Sie sich in diesem Fall stellen: 1. Wie konnte das geschehen? 2. Bin ich wirklich so falsch zitiert/wiedergegeben worden? Auch ich wurde schon des Öfteren beschuldigt, mein journalistisches Gegenüber nicht richtig wiedergegeben zu haben. Das waren in der Regel immer Wissenschaftler, Juristen und Politiker. Letzte Spezies neigt ohnehin überwiegend zu der Annahme, von den Medien ungerecht behandelt zu werden. Das Geheul eines Politikers ist in so einem Falle vollkommen irrelevant. Interessant wird es allerdings, wenn man untersucht, warum Wissenschaftler und Juristen mit solchen Vorwürfen aufkommen. Die Antwort liegt auf der Hand: Beide arbeiten mit extrem komplexen Materien, beide sind extrem detailverliebt. Sie produzieren Unmengen an Papier und verfügen in der Regel nicht über die Fähigkeit, einen Sachverhalt in einem Absatz zu erklären. Wenn dann ein Journalist eine so komplizierte Sache wie die Quantenmechanik oder den Mannesmann-Prozess auf hundert mageren Zeitungszeilchen darstellen muss, dann fallen natürlich sehr viele Späne. Klar, es kann passieren, dass Journalisten Ihre Aussage nicht verstanden haben und Sie falsch wiedergeben. Es kann aber auch sein, dass Sie etwas missverständlich oder gar unverständlich erklärt haben. In den seltensten Fällen liegt es an der Böswilligkeit eines Journalisten. Ich habe es schon einige Male erlebt, dass Anwälte den Journalisten, die sie falsch wiedergegeben haben, glatte Böswilligkeit unterstellten. Das reicht von Unterstellungen der politischen Art („Der ist sowieso links/rechts“), persönlichen Motivationen („er kann Anwälte/Porschefahrer/Krawattenträger nicht leiden“) bis hin zu üblen Unterstellungen
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und Verleumdungen („Er steckt mit Gegner X unter einer Decke / Er ist schwul / Er hasst Hunde“). Meiner Erfahrung nach neigen gerade Anwälte (und auch Politiker) dazu, hinter angeblich falsch wiedergegebenen Zitaten eine Verschwörung zu sehen. Das ist manchmal schon recht putzig, denn oft steht dahinter nichts anderes als ein kleines, unschuldiges Missverständnis.
56. Wie Sie sich gegen falsche Berichte wehren können Angenommen, Wie Sie sich gegen Sie haben falsche sich Berichte sehr, sehr wehren viel Zeit können genommen, um mit einem Journalisten über Ihren Fall zu sprechen. Sie haben Kaffee und Kekse servieren lassen und in stundenlanger, harter Arbeit dem Journalisten die wichtigsten Details des Falles erläutert und die feinsten Feinheiten herausgearbeitet. Gut, der Kerl schien manchmal ein wenig abwesend und in das impressionistische Landschaftsbild an der Wand vertieft – aber durch die Erklärungen musste er durch, wenn er den Fall richtig verstehen wollte, nicht wahr? Am nächsten Tag schlagen Sie die Zeitung auf. Sie greifen sich ans Herz. Sie stehen kurz vor dem Kollaps, weil Sie Ihre Aussagen nicht mehr wiedererkennen. Schlimmer noch: Die Aussagen können Ihrem Ruf, Ihrer Arbeit und Ihrer Beziehung zum Mandanten nachhaltig schaden. Was tun? Wie können Sie sich gegen diesen für Sie schädlichen Artikel wehren? Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen: 䊏
Sie suchen das Gespräch mit dem Journalisten und fragen ihn, wie das geschehen konnte. Greifen Sie keinesfalls spontan zum Telefonhörer. Schreiben Sie auch nicht impulsiv eine wütende E-Mail. Atmen Sie tief durch, beruhigen Sie sich und überlegen Sie, was Sie sagen wollen. Hören Sie dem Journalisten erst einmal zu, und fragen Sie ihn dann, wie er ge-
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denkt, das wieder gutzumachen. Vielleicht kann er eine Berichtigung des Artikels drucken. 䊏
Sie haben die Möglichkeit, einen Leserbrief zu schreiben. Leserbriefe werden erst mit teilweise starker Verzögerung abgedruckt und gelten aufgrund ihres „persönlichen“ Charakters auch als persönliche Darstellung eines Sachverhaltes. Sie sollten also besser auf eine Berichtigung durch die Redaktion abzielen.
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Sie können eine Gegendarstellung einfordern. Wenn Sie sich von einer Medienveröffentlichung in irgendeiner Form negativ beeinflusst sehen, wenn über Sie falsche Tatsachen behauptet wurden oder wenn Sie falsch zitiert wurden, so haben Sie Anspruch auf eine Gegendarstellung. Was damals im Reichspressegesetz verankert war, ist heute in den jeweiligen Pressegesetzen der einzelnen Bundesländer beschrieben. Der Gesetzgeber bezieht sich dabei auf den Grundsatz „audiatur et altera pars“ (lat. für „auch der andere Teil soll gehört werden“). Grundsätzlich ist das Medium also verpflichtet, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, falls die Voraussetzungen erfüllt sind; übrigens unabhängig davon, ob die beanstandete Tatsachenbehauptung falsch oder wahr war. Wenn das Medium die Veröffentlichung Ihrer Gegendarstellung verweigert, haben Sie die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung gegen das Medium zu erlassen.
Sie müssen aber immer davon ausgehen, dass die jeweiligen Medien über sehr erfahrene Presserechtler in ihren Rechtsabteilungen verfügen, die immer bereit sind, eine fehlerhafte Gegendarstellung zu zerpflücken. Deshalb sollten Sie penibel darauf achten, dass Ihre Gegendarstellung formgerecht ist. Dazu einige Tipps: 䊏
Warten Sie nicht zu lange mit Ihrer Gegendarstellung. Sie sollte so schnell wie möglich verlangt werden.
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Ihre Gegendarstellung sollte nicht länger sein als die Textpassage/ Überschrift, die Sie beanstanden.
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Eine Gegendarstellung darf sich nur auf Tatsachen in einem Bericht beziehen und darf auch nur solche enthalten.
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Sie müssen ganz genau den Titel des Artikels, das Medium, das Datum, die Seite etc. benennen.
Viele weitere Tipps und Hinweise zur Gegendarstellung finden Sie auch im Internet. Die meisten Redaktionen haben kein gesteigertes Interesse an einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Sollten Sie eine Gegendarstellung einfordern, wird sich neben der Rechtsabteilung auch die Chefredaktion damit auseinandersetzen. Diese befragt dann erst einmal den zuständigen Journalisten zum Sachverhalt, und in aller Regel kommt es danach zu einem einigenden Gespräch zwischen Redaktion und Betroffenem.
57. Wann Sie sich nicht gegen die Medien wehren sollten KlagenSie Wann ist sich ein natürlicher nicht gegenReflex die Medien eines Anwalts, wehren sollten doch manchmal kann so eine juristische Auseinandersetzung schwer nach hinten losgehen. Sie müssen sich nicht alles bieten lassen, aber Sie müssen auch überlegen, ob es nicht vielleicht effektivere Wege gibt, einen Disput mit einem Medium beizulegen, als mit einer Klage. So mancher Prominente musste schon erfahren, dass eine Klage gegen ein Medium den eigenen Ruf erst richtig ramponiert hat. Die Reue kam in solchen Fällen oftmals zu spät (siehe Kapitel 58: „Drei fehlgeschlagene Gegenattacken“). Noch dazu sollten Sie sich überlegen – vor allem auf lokaler und regionaler Basis – ob es sich lohnt, hinsichtlich eines Mediums, und noch dazu eines regional vorherrschenden Mediums, verbrannte Erde zu hinterlassen. Wer weiß, vielleicht könnte Ihnen ja das Medium zu einem späteren Zeitpunkt wieder nützlich sein? Außerdem müssen Sie berücksichtigen, wenn Sie beispielsweise eine Gegendarstellung durchsetzen, dass die von Ihnen gerügten, falschen Behauptungen in der Gegendarstellung noch einmal abgedruckt wer-
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den müssen. Es kann sein, dass Leser, die den ursprünglichen Artikel nicht gelesen haben, erst durch Ihre Gegendarstellung darauf gestoßen werden. Überlegen Sie es sich deshalb zweimal, bevor Sie gegen Medien klagen.
58. Drei fehlgeschlagene Gegenattacken Hier einige Drei fehlgeschlagene Beispiele dafür, Gegenattacken wie eine Klage gegen ein Medium nach hinten losgehen kann. Es handelt sich ausgerechnet um Beispiele, die Personen betreffen, die es kraft ihres Amtes hätten besser wissen müssen. Alle drei genannten Personen sind Medienprofis.
Beispiel eins: Helmut Markwort Die meisten von Ihnen kennen den Werbespot von Focus, in dem sich die Redakteure während einer Redaktionskonferenz um Chefredakteur Helmut Markwort gruppieren. In der Regel endete das Filmchen damit, dass Helmut Markwort donnert: „Fakten, Fakten, Fakten – und immer an die Leser denken.“ Ein guter, markanter Spruch – werbetechnisch gesehen. Im Dezember 1995 erschien in der Berliner Stadtzeitschrift Zitty eine Karikatur von Olaf Schwarzbach. Die Karikatur zeigte Markwort als Strichmännchen, der an seinem Schreibtisch sitzt und proklamiert: „Ficken, Ficken, Ficken und nicht immer an den Leser denken.“ Markwort klagte gegen Zitty auf 50 000 D-Mark Schmerzensgeld und bekam vom Berliner Landgericht für die Karikatur 15 000 D-Mark zugesprochen. Im Juli des darauffolgenden Jahres veröffentlichte die Frankfurter Satirezeitschrift Titanic diese Karikatur aus Protest gegen das Urteil und bezeichnete in einem Begleittext den Focus-Chefredakteur als „Plumpaquatsch-Figur“. Markwort klagte nun gegen die Titanic auf 60 000 D-Mark Schmerzensgeld.
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Diesmal allerdings stiegen auch Spiegel und Süddeutsche in die Berichterstattung über die Klage gegen Titanic ein und druckten die Karikatur ab. „Ficken, Ficken, Ficken und nicht an den Leser denken“, geriet so zu einem geflügelten Wort, das sich weit über die überschaubaren Leserkreise von Zitty und Titanic ausbreitete. Damit war eine Öffentlichkeit hergestellt, die so eigentlich seitens Markworts nicht gewünscht war.
Beispiel zwei: Kai Diekmann Hat von Ihnen jemals irgendwer die „Wahrheit“-Seite der taz gelesen? Nur die wenigsten kennen diese Seite. Muss man, ehrlich gesagt, auch nicht kennen. Es soll eine Satireseite sein, auf der sich zumeist infantile Erdkundelehrer über etwas lustig machen, das gar nicht lustig ist. Meistens handelt es sich um mäßige bis sehr schlechte Satire. Einer dieser taz-Infantilisten, Autor Gerhard Henschel, hatte am 8. Mai 2002 auf der Satireseite der Zeitung von Gerüchten über eine missglückte Operation des Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann in einer Spezialklinik in Miami geschrieben. Das ist ja an sich schon ziemlich grauenhaft und schlecht, aber noch schlimmer wurde es durch die Reaktion des Bild-Chefredakteurs. Diekmann schickte seine Anwälte los und klagte gegen die taz. Was für ein Fehler. Ähnlich wie im Fall Markwort erfuhr nun eine breite Öffentlichkeit von der Angelegenheit, die ohne Dieckmanns Klage gegen die taz nicht einmal ansatzweise Ausbreitung gefunden hätte. Plötzlich witzelte ganz Deutschland über den Intimbereich des mächtigsten Chefredakteurs der Republik. Im November 2002 einigten sich beide Seiten. Die taz verpflichtete sich fortan, nicht mehr zu behaupten, Dieckmann habe sich einer Penisverlängerung unterzogen, im Gegenzug dazu verzichtete Dieckmann auf seine Forderung von 30 000 Euro Schmerzensgeld.
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Beispiel drei: Gerhard Schröder Im Jahr 2002 hatte die Nachrichtenagentur ddp eine Imageberaterin zitiert, die Kanzler Schröder aufforderte, angesichts seines Alters und zu Gunsten seiner Glaubwürdigkeit auf das Tönen seiner ergrauten Schläfen zu verzichten. Medienkanzler Schröder war aufgrund der ddp-Meldung aus dem Häuschen. Nach Protesten aus dem Kanzleramt zog ddp die Meldung zurück und verbreitete eine Richtigstellung. Als Schröder dann aber noch mit einer einstweiligen Verfügung drohte, wurde es den Agenturchefs zu viel und sie ließen sich von Schröders Anwälten vor Gericht zerren. Damit machte sich Kanzler Schröder mehr als lächerlich. Zwar gewann Schröder den Rechtsstreit vor dem Hamburger Landgericht, in der Öffentlichkeit allerdings stand er als großer Verlierer da. Jede Zeitung Deutschlands berichtete über die Haarfärbeposse, wobei auch immer wieder die Frage aufkam, ob der Kanzler eigentlich nichts Besseres zu tun habe, als sich mit so etwas Lächerlichem zu beschäftigten.
59. „Klare Ansagen, offene Karten“ Ein Interview mit dem Journalisten Elmar Jehn über Anwälte und Medien Der Journalist „Klare Ansagen, Elmaroffene Jehn kann Karten“ eine langjährige Karriere bei verschiedenen Medien, vor allem aber Printmedien (Abonnementszeitungen, Magazine, Boulevardzeitungen) verzeichnen. Wie viele seiner Kollegen auch, erlernte er sein Handwerk als Reporter „auf der Straße“ und schrieb dabei viel beachtete Reportagen aus dem In- und Ausland, bevor er dann in die Chefredaktionen von Deutschlands großen Boulevardzeitungen aufstieg. Heute lebt und arbeitet Elmar Jehn in Berlin und ist dort Mitglied der Chefredaktion des Berliner Kurier. Frage: Welche Erfahrungen haben Sie mit Anwälten gemacht? Elmar Jehn: Sie sind natürlich so unterschiedlich wie die Fälle selbst, um die es ging. Es gibt den knochentrockenen Aktenfresser ebenso wie den schillernden Selbstdarsteller mit Hang zur Gaukelei. Es gibt ausgesprochen kluge Strate-
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gen ebenso wie windige Trickser und Täuscher, es gibt die Arroganten und die Lebensklugen, die Böswilligen und die wirklich um die beste Lösung Bemühten, die Sachlichen und die aggressiven Selbstvermarkter. Erfolgreiche Vertreter dieses Berufsstandes, die mithin auch das Geschäft mit den Medien beherrschen, verbinden meist juristische Kompetenz mit Kommunikationstalent. Wie erkennt man die aggressiven Selbstvermarkter? Die Kollegen von der Financial Times haben mal von den „lauten Advokaten“ geschrieben. Diktiergeräte und Mikrofone ziehen sie magisch an, sie füttern die Medienmaschine mit Show und oft genug reinem Geplapper. Es mag Fälle geben, wo es strategisch durchaus klug ist, mal so richtig auf die Pauke zu hauen. Oft genug jedoch hat man den Eindruck, dass solche Juristen mehr sich selbst als ihren Klienten dienen. Aber profitieren nicht gerade Sie als Journalist von dieser Art von Advokaten? Natürlich. Die bunten Vögel mit ihren oft unkonventionellen Gedanken können einer Story Würze verleihen. Aus Sicht des Journalisten muss man aber auch feststellen, dass solche juristischen Marktschreier einem großen Abnutzungseffekt unterliegen. Sie sind für die schnellen, flotten, überhitzten Statements gut. Doch wer die gründliche, ausgewogene Recherche sucht, wird sich wohl bei anderen Kollegen orientieren. Anwälte werfen Journalisten immer wieder vor, kein Verständnis für die rechtlichen Feinheiten zu haben. Das ist eine merkwürdige Klage. Journalisten sind natürlich meist juristische Laien – genau wie die Menschen draußen auf der Straße, für die sie berichten. Wäre es anders, bräuchten wir die Juristen nicht. Eine der wesentlichen Aufgaben von Rechtsanwälten, die in den Medien bestehen wollen, besteht gerade darin, komplizierte juristische Sachverhalte für jedermann verständlich zu machen. Wer erfolgreiche Juristen kennen lernt, wird feststellen, dass fast allen die Gabe der klaren, einfachen und bildhaften Sprache gegeben ist – nicht unbedingt von Natur aus, so was lässt sich auch lernen. Nach welchen Geschichten sucht man denn als Journalist? Und wo kann der Anwalt helfen? Jenseits der großen Kriminalfälle sind das natürlich vor allem Geschichten, die von einem allgemeinen Interesse sind. Kann mir das auch passieren? Sagt der
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Fall etwas über den Zustand der Gesellschaft aus, oder wirft er vielleicht ganz neue Fragen und Probleme auf, die zum Mitdiskutieren anregen? Die Menschen wollen eine Meinung entwickeln können. Sie wollen nachvollziehen, was da juristisch passiert. Der Großteil der Menschen verbindet mit Justiz noch immer die Suche nach wahrer Gerechtigkeit – auch wenn das manchmal ein etwas idealistischer Anspruch ist. Aber im Grunde funktioniert das wie im Hollywoodfilm: Man will die Guten siegen, die Ausgefuchsten sich winden und die Bösen bestraft sehen. Was wünschen Sie sich von einem Anwalt, der auf Sie zukommt? Klare Ansagen, offene Karten. Wenn Journalisten merken, dass sie quasi nur Teil eines strategischen Spiels sind, kann die Sache sehr schnell nach hinten losgehen. Der Jurist ist Anwalt einer Partei, der Journalist aber für viele tausend Leser da. Das gilt es zu verstehen und zu respektieren. Wie kann oder sollte ein Anwalt auf einen Journalisten zugehen? Er kann direkt in den Redaktionen anrufen und nach seinem für sein Spezialgebiet zuständigen Redakteur fragen. Besser allerdings ist es, sich schon im Vorfeld schlau zu machen und ein wenig Mühe und Zeit in die Recherche des richtigen Ansprechpartners zu investieren. Nicht jede Geschichte ist bei jedem Journalisten gut aufgehoben. Welche Öffentlichkeit will ich erreichen? Wie wichtig ist mir eine breite Streuung, welche Fachmedien kommen in Frage? Davon hängt die Wahl des Ansprechpartners ab. Sollte ein Grundkurs Journalismus in der Ausbildung der Anwälte integriert werden? Unbedingt. Juristen bewegen sich in der Öffentlichkeit, und Öffentlichkeit wird maßgeblich durch Journalisten hergestellt. Wer sich vor Gericht elegant zu bewegen weiß, kann trotzdem in der Öffentlichkeit von einem Fettnäpfchen ins andere stolpern. Sich hier Kompetenz anzueignen, auch in der Bewertung des medialen Potenzials eines Falls, hilft beiden Seiten, der des Anwalts, der von Öffentlichkeit profitiert, und der des Journalisten, der eine gute Story bekommt.
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60. Die Gefahr, immer groß rauskommen zu wollen EineGefahr, Die Sucht ungehemmte nach immer derMedienprostitution groß Öffentlichkeit rauskommen seitens zu wollen des Anwaltes kann fatale Folgen für den Anwalt haben. Das passiert immer dann, wenn er in die Eitelkeitsfalle tappt. Wenn der Investigativ-Journalist Hans Leyendecker von Anwälten berichtet, die Unterlagen nur unter der Bedingung an Journalisten herausgeben, dass sie in deren Medium als „Staranwalt“ bezeichnet werden, dann lässt sich das Verhalten mit Fug und Recht als obszön bezeichnen. Die Financial Times Deutschland überschrieb einen Artikel über stark medienorientierte Anwälte mit der dezent-eleganten Überschrift „Die etwas lauteren Advokaten“1. Da drängen sich Anwälte den Medien regelrecht auf, sie prostituieren sich in schlimmster Weise, blasen die banalsten Sachverhalte auf, diktieren den Reportern unhaltbare Anschuldigungen in den Block oder inszenieren medienwirksame Aktionen vor laufenden Kameras und stellen fadenscheinige Strafanzeigen. Der Gedanke, ob ihr Medienzirkus dem Mandanten etwa schaden könnte, steht bei diesen „lauten Advokaten“ nicht im Vordergrund, denn der ist bereits komplett ausgefüllt mit dem eitlen Ego des Anwaltes selbst.
61. Der Ikarus-Effekt – Aufstieg und Fall von Anwälten Einer, Der Ikarus-Effekt der die Medienklaviatur – Aufstieg und gut Fall beherrschte, von Anwälten war der Münchner Anwalt Rolf Bossi. Er liebte es, sich innerhalb und außerhalb des Gerichts zu inszenieren. Er vertrat Stars, aber auch solche, die durch ihre spektakulären Verbrechen in die Medien gelangten, wie die Geiselnehmer von Gladbeck oder den Kindermörder Bartsch. Bossi war eindeutig ein Vertreter einer offensiven Medienpolitik, bei der allerdings nie ganz klar war, wem diese nun mehr bringen sollte: dem Mandanten oder seinem 1 Ute Göggelmann, Die etwas lauteren Advokaten, in: Financial Times Deutschland, 07.04.2008.
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Anwalt. Obwohl: Klar war zumindest eines: Jeder geschnappte Schwerverbrecher mit Geld, jeder Zuhälter zwischen Kiel und Konstanz drohte ab einem gewissen Zeitpunkt Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht mit „Ich hol’ mir den Bossi!“ Nach einigen Jahren wurden die Medien aber offenbar müde, über den „Staranwalt“ Bossi zu berichten. Es passierte, was mit Sternen passiert: Erst blähen sie sich auf, werden zum weißen Riesen, fallen dann, wenn die Außenhülle das aufgeblähte Innere nicht mehr zusammenhalten kann, in sich zusammen, um fortan als so genannter „Roter Zwerg“ im Universum vor sich hinzuvegetieren. Heute macht Bossi weniger von sich und seinen spektakulären Fällen reden, als vielmehr von seinen persönlichen Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt. Darunter fällt unter anderem „Fahren ohne Führerschein“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“. Was mit Bossi geschieht, ist ein Effekt, den man im Model-Business zur Genüge kennt: Dort nennt man das „Overexposure“. Wenn ein Gesicht zu oft in den Medien zu sehen ist, wenn Prominente zu oft in der Werbung auftreten, dann tritt beim Publikum irgendwann einmal ein gegenteiliger Effekt ein: Es wendet sich gelangweilt und genervt ab. Hat sich der einstige Prominentenanwalt Rolf Bossi in den Medien irgendwann mal selbst aufgebraucht, scheiterten zwei weitere Kollegen an dem, was ich den „Ikarus-Effekt“ nenne. Sie stiegen steil auf und fielen umso tiefer: der US-Anwalt Ed Fagan, der Holocaust-Opfer gegen Schweizer Banken und Versicherungen vertrat, und sein deutsches Pendant Michael Witti. Ed Fagan vertrat den Jüdischen Weltkongress im Verfahren um jüdisches Vermögen, das seit den Kriegsjahren bei Schweizer Banken lagerte und bis dato von niemandem beansprucht wurde, weil die ehemaligen Besitzer entweder umgebracht worden waren oder weil die Nachkommen keine Ahnung von den Schweizer Depots hatten. Dank Fagan kam es zu einer Vereinbarung zwischen Schweizer Banken und Jüdischem Weltkongress, und er kassierte dafür ein Dollar-Honorar in zweistelliger Millionenhöhe. Fagan machte sich so einen Namen, vertrat fortan asiatische Zwangsarbeiter gegen Japan, Apartheid-Opfer gegen Südafrika, Tsunami-Opfer gegen Thailand und das amerikanische Paci-
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fics Tsunami Warning Center. Zusammen mit dem deutschen Anwalt Michael Witti aus München ging er dann so weit, das rumänische Dorf Glod gegen den Filmgiganten 20th Century Fox zu vertreten. Glod war Drehort des Films „Borat“ und fühlte sich von dem Film verunglimpft. Doch nach dem steilen Aufstieg kam der tiefe Fall. Fagan wurde beschuldigt, in Wien Sex mit einer minderjährigen litauischen Prostituierten gehabt zu haben.2 Fagans Stern sank rasend schnell: Er musste sich gegen Vorwürfe verteidigen, Mandanten wegen anderer, lukrativerer Prozesse im Stich gelassen zu haben.3 Im März 2007 meldete Fagan, der inzwischen 9,4 Millionen US-Dollar Schulden angehäuft hatte, in Tampa, Florida, Insolvenz an.4 Ähnlich erging es seinem deutschen Freund und Kollegen Michael Witti aus München. Der Anwalt, der sich einen Namen gemacht hat, indem er zusammen mit Ed Fagan Nazi-Zwangsarbeiter und Opfer des Seilbahnunglücks von Kaprun vertrat, geriet ebenfalls in finanzielle Schwierigkeiten. Nach Medienberichten hatte Witti im Sommer 2007 1,2 Millionen Euro Schulden, das Amtsgericht München hatte einen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn, weil er erstrittene Mandantengelder nicht weitergeleitet hatte.5 Aus den oben genannten Fällen lassen sich wichtige Lehren ziehen: Übertreiben Sie niemals das Spiel mit den Medien. Versuchen Sie nicht ständig und mit aller Gewalt, in die Medien zu kommen. Das ist nicht gut für Ihren Ruf und auch nicht gut für Ihr Ein- und Fortkommen, denn so mancher Mandant hält nicht viel davon, durch die Medien gezerrt zu werden. Betrachten wir den Fall Dieter Bohlen: Dieser Mann wurde auf allen möglichen Kanälen gespielt. Jeder noch so unbedeutende Vorfall aus dem Privatleben des Musikproduzenten und Ex-Modern-Talking-Mannes wurde via Bild-Zeitung bekannt gemacht. Er hat zusammen mit der Ehefrau des Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann eine erfolgreiche Autobiographie geschrieben, er war und ist als Juror bei einer Star2 3 4 5
The Jewish Daily Forward, 07.10.2005. New York Law Journal, 12.08.2004. St. Petersburg Times, 22.03.2007. Focus, 06/2008, 02.02.2008.
Der Ikarus-Effekt – Aufstieg und Fall von Anwälten
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suche-Sendung im TV präsent, und ständig springt er uns via BildZeitung ins Auge. Es kamen Werbeverträge hinzu: mit S. Oliver und Müller-Milch und Weiß-Der-Teufel-Noch-Was. Der Mann hat in Sachen Geld und Medien abgeräumt wie kein Zweiter. Doch dann war plötzlich Schluss. Werbeagenturen haben festgestellt, dass das Publikum das Gesicht dieses Mannes nicht mehr länger ertragen konnte. Er flog raus bei Müller-Milch, und andere wollten ihn auch nicht mehr haben. Die Leute hatten ihn satt. Aus. Schluss. Er war einfach zu oft gesehen. Das nennt man Overexposure.
Wenn alles zu viel wird
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Wenn alles zu viel wird
62. Wann sollten Sie einen Kommunikationsprofi beauftragen? Es ist durchaus Wenn Wann alles zuSie sollten viel möglich, einen wird Kommunikationsprofi dass Sie sich eines Tages beauftragen? in der Situation wiederfinden, dass Ihnen das alles zu viel wird: auf der einen Seite die juristische Arbeit für den Mandanten, auf der anderen Seite die Medienarbeit für die Kanzlei oder einen medienträchtigen Fall. Erreichen Sie diesen Punkt, so ist es Zeit, sich auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist: Ihr Mandant. Dann sollten Sie sich auf das besinnen, was Sie wirklich können und wofür Sie ausgebildet sind: die Juristerei. In so einer Situation sollten Sie (oder Ihre Kanzlei) ernsthaft überlegen, ob Sie nicht besser einen Profi beauftragen, der Ihnen den Rücken in Sachen Medien freihält. Einen, der für Sie bei den Redaktionen anruft, Interviewtermine arrangiert, Pressemitteilungen verfasst, Journalistenanfragen beantwortet. Viele Großkanzleien machen das schon. Entweder bestimmen sie einen „Medienbeauftragten“ aus ihren eigenen Reihen, oder sie holen sich externe Berater. Umfragen unter deutschen Kanzleien zeigen, dass das Thema Öffentlichkeitsarbeit in vielen Kanzleien zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dabei setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass spezielle PR-Berater für diese Aufgabe weitaus besser geeignet sind als ein Anwaltskollege, der beauftragt wird, sich ab einem gewissen Zeitpunkt mehr schlecht als recht mit Öffentlichkeitsarbeit zu beschäftigen. Geben Sie die Medienarbeit ab, sobald Sie das Gefühl haben, dass Sie das überfordert. Effektive Medienarbeit basiert auf Kontinuität, und wenn Sie das nicht mehr leisten können, dann rufen Sie einen PR-Profi an. Ihr Job ist es vornehmlich, juristische Auseinandersetzungen zu gewinnen, und ein gewonnener Prozess ist die beste Werbung für Sie. Nur: Sie müssen das nicht selbst kommunizieren. Lassen Sie es andere machen, Fachleute, die tagein und tagaus nichts anderes machen. Sicher, das kostet Geld, aber es kann sich lohnen.
Wie Sie einen Profi erkennen
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63. Wie Sie einen Profi erkennen So genannte Wie Sie einenPR-Leute Profi erkennen gibt es viele. Manche haben eine zertifizierte Ausbildung zum PR-Fachmann/-frau durchlaufen, andere sind ehemalige Journalisten, die irgendwann einmal die Seiten gewechselt haben und nun von ihren Erfahrungen und Kontakten profitieren. Es gibt auch welche, die haben nichts von beidem. Die nennen sich PR-Berater. Es existiert in der Branche der böse Spruch, dass jeder, der über ein Adressbuch und ein Faxgerät verfügt, nun auch PR-Berater ist. Es gibt allerdings inzwischen auch PR-Profis, die sich ganz speziell auf Kanzlei-PR konzentrieren. Diese Menschen wissen, was Kanzleien/Anwälte wollen. Sie kennen Ihre Bedürfnisse, und sie haben auch mitunter gute Kontakte zu den relevanten Medien. Aber auch hier gibt es, wie in jedem anderen Beruf, schwarze Schafe, Blender, Hochstapler. Wenn Sie vor der Entscheidung stehen, Ihre Medienarbeit auszulagern, dann greifen Sie unbedingt auf einen Kanzlei-PR-Profi zurück. Im Internet finden Sie inzwischen eine ganze Reihe von Angeboten. Das sind Agenturen, die das zusätzlich zu ihrem Angebotsportfolio anbieten, oder Spezialagenturen, die sich allein auf Kanzlei-PR konzentrieren. Erstere sind meist größere Agenturen, bei Letzteren handelt es sich oftmals um One-Man-Shows, die deshalb aber nicht schlechter sein müssen. Dann wiederum gibt es noch eine ganz spezielle Sorte von PR-Menschen, die mit Ihnen zusammen an komplizierten und medienträchtigen Fällen arbeiten, um eine Medienstrategie zu erarbeiten, die zum Ziel hat, dass Sie Ihren Fall gewinnen und dass Ihr Mandant mit möglichst wenig Blessuren aus der juristischen Auseinandersetzung hervorgeht. So etwas nennt sich Litigation-PR oder auch strategische Rechtskommunikation, und ihre Vertreter sind in Deutschland (noch) sehr selten (siehe Kapitel 65 „Litigation-PR – Prozesse gewinnen mit der Öffentlichkeit“). Diese Litigation-PR-Spezialisten sind sehr teuer und treten nur dann an, wenn sich ein Unternehmen, ein Unternehmer oder Prominenter in juristischen Schwierigkeiten befindet und wenn groß angelegte Kampagnen aufzubauen sind. (Der Autor dieses Buches gehört zu dieser in Deutschland recht seltenen Spezies.)
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Wenn alles zu viel wird
Aber wie erkennen Sie, ob ein selbsternannter Kanzlei-PR-Profi auch wirklich etwas taugt und sein Geld wert ist? Stellen Sie sich eine Liste von Kanzlei-PR-Agenturen zusammen, die Sie ansprechen wollen. Legen Sie sich einen Fragenkatalog zurecht, den jede der Agenturen zu beantworten hat. Fragen Sie nach Referenzen. Fragen Sie nach, was genau der Profi für seine „Kunden“ gemacht hat, denn oft wird hier „Name-Dropping“ betrieben, also mit namhaften Prozessbeteiligten geworben, für die aber womöglich nur neue Visitenkarten gefertigt wurden. Fragen Sie nach seinem beruflichen Werdegang und wie lange er das schon macht. Und fragen Sie nach Kanzleien, für die er schon gearbeitet hat. Dort rufen Sie dann an und fragen die Rechtsanwaltskollegen, ob sie mit dem Kanzlei-PR-Profi zufrieden waren. Erklären Sie dem Kanzlei-PR-Profi dann, was Sie von ihm erwarten. Wollen Sie Ihr Profil als Fachanwalt in der Öffentlichkeit schärfen? Wollen Sie die Kanzlei in den Medien verankern? Wollen Sie, dass der Profi Fachbeiträge von Ihnen in gewissen Medien platziert? Um den richtigen Profi für Ihre Kanzlei zu finden, müssen Sie schon etwas Arbeit vorlegen. Es lohnt sich, denn wie gesagt: Es gibt viele Blender in diesem Bereich.
64. Was kostet ein Profi? Was kostet Eine heikle ein Frage. Profi? Und eine Frage, die weitere Fragen aufwirft. Fragen Sie nach Stundensätzen, so gibt es eine große Bandbreite, die bei den meisten zwischen 100 und 150 Euro pro Stunde liegen dürfte. Einige arbeiten projektbezogen und verlangen eine fixe Summe für ein bestimmtes Projekt, eine bestimmte Aufgabenstellung. Andere verlangen eine Monatspauschale und betreuen Sie dann für diesen Betrag von Monat zu Monat, solange Sie eben bezahlen. Andere berechnen noch zusätzlich Pauschalen für das Verfassen einer Pressemitteilung (etwa 300 Euro), das Organisieren einer Pressekonferenz (ca. 2 500 Euro) etc. Wiederum andere verlangen Geld für das Erstellen Ihrer Webseite, das Texten Ihrer Broschüren etc., was sie dann nach Stunden oder über eine
Was kostet ein Profi?
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Pauschale abrechnen. Fest steht: Es gibt keine Festpreise. Alles ist Verhandlungssache. Manchmal mögen Ihnen die Preise der PR-Profis hoch erscheinen. Doch wenn Sie erst einmal den richtigen Profi gefunden haben, dann spielt er Ihnen das Geld schnell wieder ein. Doppelt, dreifach und noch viel mehr. Geiz ist in diesem Falle keine Option. Entscheiden Sie sich nicht für die billigste, sondern für die beste Lösung.
Einen Schritt weiter
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65. Litigation-PR – Prozesse gewinnen mit der Öffentlichkeit1 Der Begriff Einen Litigation-PR SchrittLitigation-PR weiter – Prozesse gewinnen stammt aus mit dem der Öffentlichkeit Englischen und setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zum einen „Litigation“, was wir auf Deutsch mit „Rechtsstreitigkeit“, „Gerichtsverfahren“ und „Prozess“ übersetzen würden. Der zweite Teil (PR) ist nichts anderes als die Abkürzung für Public Relations, was hierzulande als „Öffentlichkeitsarbeit“ bezeichnet wird. Zusammengenommen und vereinfachend dargestellt geht es also bei Litigation-PR um eine wirksame Zusammenarbeit mit den Medien, also der Öffentlichkeit, während juristischer Auseinandersetzungen. James F. Haggerty, amerikanischer Anwalt und Litigation-PR-Spezialist, beschreibt Litigation-PR in seinem Buch „In the Court of Public Opinion“ so: „Litigation-PR lässt sich am besten definieren als das Steuern von Kommunikationsprozessen während juristischer Auseinandersetzungen oder eines gerichtlichen Verfahrens mit dem Ziel, dessen Ergebnis zu beeinflussen oder die Auswirkungen auf die Reputation des Klienten abzupuffern.“2
Wenn ein Unternehmen oder ein Unternehmer vor Gericht steht, wenn es/er einen anderen verklagt oder selbst verklagt wird, dann wird der Streit immer an zwei Fronten ausgetragen: im Gericht selbst und gleichzeitig auch im Gerichtssaal der Öffentlichkeit. Wer heute noch glaubt, dass jemand, der im Gericht Recht zugesprochen bekommt, damit auch gleichzeitig von der Öffentlichkeit die Absolution erhält, der irrt gewaltig. Oft genug urteilen die Richter anders als die Öffentlichkeit. Oft genug verlässt ein Unternehmer oder ein Unternehmen zusammen mit seinen Anwälten als strahlender Sieger den Gerichtssaal, nur um dann sogleich ernüchtert feststellen zu müssen, dass Medien und Öffentlichkeit zu einem ganz anderen Urteil gekommen sind. 1 Siehe dazu ausführlich Stephan Holzinger, Uwe Wolff, Im Namen der Öffentlichkeit, Wiesbaden 2009. 2 James Haggerty, In the Court of Public Opinion, Hoboken, NJ (USA) 2003.
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Gerade für börsennotierte Unternehmen kann eine Niederlage im Gerichtshof der Öffentlichkeit dramatische Folgen haben: Der Aktienkurs des Unternehmens sackt ab, der Börsenwert der Firma sinkt, das Kundenvertrauen und das der Geschäftspartner in das Unternehmen und seine Produkte beziehungsweise Dienstleistungen schwinden, die Mitarbeitermotivation sinkt. So muss eine effiziente Litigation-PR – immer in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Anwälten – während rechtlicher Auseinandersetzungen gleich an mehreren Fronten kämpfen und zwei Ziele erfüllen, die von den amerikanischen Experten Butler, Fitzpatrick und Haggerty folgendermaßen definiert werden: „Das erste Ziel ist es, den Ausgang des Gerichtsverfahrens zu beeinflussen, vielleicht auch um zu einem frühen außergerichtlichen und vorteilhaften Vergleich zu kommen, oder um die Staatsanwaltschaft unter Druck zu setzen, damit sie ihre Klagepunkte abschwächt.“3 Reber, Gower und Robinson definieren dieses Ziel so: „... das Ziel der Litigation-PR ist es, die anwaltliche Strategie und die dahinter liegenden Annahmen des Falles zu verstärken, um einen Sieg sicherzustellen und um den Schaden an Glaubwürdigkeit und Reputation des Unternehmens zu minimieren. Das zweite Ziel ist es, die Reputation des Mandanten zu schützen, und zwar vor und während des Gerichtsverfahrens.“4 Damit kommt Litigation-PR dem so genannten Reputations-Management sehr nahe. Laut Haywood ist es der Zweck einer guten Reputation „Vertrauen aufzubauen, das positive Aktionen bewirkt, die dem Unternehmen nützen.“5 Dazu der Kommunikationsprofessor D. C. Gibson: „Es liegt an der zunehmenden Aufmerksamkeit der Medien in Bezug auf Gerichtsverfahren, dass Litigation-PR zu einer Notwendigkeit für große Verfahren ge-
3 M. Butler, PR Takes Cases to the Court of Public Opinion, in: Corporate Legal Times, June 1996, p. 40; K. Fitzpatrick, Practice Management: The Court of Public Opinion, in: Texas Lawyer, September 30, 1996, p. 30; J. F. Haggerty, In the Court of Public Opinion, Hoboken, NJ (USA) 2003. 4 Bryan H. Reber, Karla K. Gower, Jennifer A. Robinson, The Internet and Litigation Public Relations, in: Journal of Public Relations Research, Volume 18, Issue 1, January 2006, S. 23-44. 5 R. Haywood, Managing your Reputation: How to Plan Public Relations to Build and Protect the Organization’s Most Powerful Asset, 2nd ed., London 2002.
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worden ist.“6 Und weil Litigation-PR sich auf heiklem Grund bewegt, ist sie auch stärker in ihren „Bewegungen“ reguliert als andere PRFormen, zumal die Gefahr sehr groß ist, dass unbedachte Schritte das Verfahren in eine für den Mandanten negative Richtung lenken könnten.7 Dabei muss Litigation-PR auch die Besonderheiten und Unterschiede des Zivil- und des Strafrechts berücksichtigen. Im Zivilrecht kann eine effektive Litigation-PR, die wir auf Deutsch auch als „strategische Kommunikation bei Rechtstreitigkeiten“ bezeichnen wollen, durchaus helfen, bestehende Ansprüche abzuwehren oder zu gewinnen. Im Strafrecht hilft eine wirkungsvolle, strategische Rechtskommunikation, den Mandanten zu entlasten und dadurch gegenüber den Anklägern zu verteidigen. In beiden Fällen geht es auch darum, gleichzeitig die Reputation des Beklagten oder von dessen Unternehmen zu verteidigen. Daneben sehen wir weitere Funktionen einer effektiven Litigation-PR sowohl für die Anwälte, als auch für den Verlauf eines aktuellen Falles und für den Mandanten: Mehr als nur einmal ist es durch entsprechende Medienkampagnen gelungen, dass die Verteidiger in Strafverfahren und Zivilverfahren an Unterlagen herangekommen sind, die ohne öffentlichen Druck oder ohne Medienpräsenz ihres Falles nicht in ihren Besitz gelangt wären. Da ist beispielsweise der verärgerte Mitarbeiter in der Rechtsabeilung einer großen deutschen Bank, der nicht länger mit ansehen wollte, wie sein Arbeitgeber vor Gericht die blanke Unwahrheit sagt, und welcher der gegnerischen Anwaltskanzlei deshalb ein bankinternes Papier zuspielte, das deren Argumentation vor Gericht nachhaltig untermauerte. Oder der Staatsanwalt, der unter dem Druck gezielt lancierter Medienberichte sich doch noch einmal dazu aufraffen konnte, die Büros einer Bank zu durchsuchen, nur um das vom Verteidiger dort vermutete und damit entlastende Material zu Tage zu fördern, was dazu führte, dass essentielle Anklagepunkte fallen gelassen werden mussten. Oder die Medienberichte über einen britischen Unternehmer, der von einer Staatsanwaltschaft im Ruhrgebiet unbotmäßig lange in Untersuchungshaft gehalten wurde. Die Medienberichte führ6 D. C. Gibson, Litigation Public Relations: Fundamental Assumption, Public Relations Quarterly, 1998, 43, pp. 19-23. 7 Ebenda.
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ten letztendlich dazu, dass der Mann kurz vor Weihnachten auf freien Fuß kam, zu seiner Familie zurückkehren und seine während seiner U-Haft ins Schlingern geratenen Unternehmen (und die damit verbundenen, mehrere tausend Arbeitsplätze) noch einmal retten konnte. Bei Anlegerklagen lesen geschädigte Anleger häufig von einer Klage, reihen sich in die Schlange der Klagenden falls möglich noch ein, so dass die anschwellende Masse von Klägern den Forderungen zunehmend mehr Gewicht verleiht. Anlegeranwälte nennen das gerne etwas vermessen: „auf Augenhöhe“ mit den Beklagten sein. Ein geschicktes Zusammenspiel mit den Medien kann durchaus auch dazu führen, dass der Anwalt die Rechercheergebnisse eines „ermittelnden“ Journalisten für seinen Fall nutzen kann. Das bedingt allerdings ein ausgeklügeltes System von Geben und Nehmen, das auf einer ganzen Reihe ungeschriebener Gesetze und einem Verhaltenskodex gegenüber Medienvertretern beruht, die ein Litigation-PR-Spezialist kennen und achten muss. Von einer massiven Publizität profitieren beide ohnehin grundsätzlich, besonders jedoch dann, wenn sich über eine massive Berichterstattung auch bisher unbekannte Sachverhalte und Beweismaterialien, die bis dato irgendwo schlummerten, auf den Weg zu den Kanzleien machen.8 Die Macht der Medien wird aber auch von anderer Seite genutzt und zwar nicht nur vom zivilrechtlichen Gegner, sondern durchaus auch zunehmend von den Staatsanwaltschaften. Journalisten sind – wie Staatsanwälte durchaus einräumen – oftmals die besseren Ermittler, denn im Gegensatz zu den Staatsanwälten müssen sie sich nicht an ermittlungsoder strafprozessuale Vorgaben halten oder unter bürokratischen Hindernissen leiden. Sie können beispielsweise ungehindert ins Ausland reisen, ohne erst Anträge stellen zu müssen, ohne dortige Behörden informieren zu müssen, und sie dürfen nach eigenem Belieben die Menschen jederzeit zum Fall befragen. Ein Spektrum an Möglichkeiten, die sich die Staatsanwaltschaften sicherlich gerne mal zunutze machen würden. 8 Nach dem medial stark begleiteten Auftakt des so genannten Telekom-Prozesses vor dem Frankfurter Oberlandesgericht im April 2008 gingen jedenfalls zahlreiche Hinweise und anonyme Dokumentenzusendungen bei der den Musterkläger vertretenden Anwaltskanzlei ein.
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Die Einsatzgebiete der Litigation-PR sind vielfältig: 䊏
Eine mächtige, effektive Litigation-PR kann es durchaus schaffen, dass sich die streitenden Parteien bei Fällen mit brisanten Themen, hohen Streitwerten und extremer Komplexität zum Aushandeln eines Vergleiches an den Tisch setzen.
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Postulierte Ansprüche können durch eine effektive Litigation-PR wirkungsvoll unterstrichen werden, sowohl gegenüber dem juristischen Gegner als auch in der Öffentlichkeit.
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Bei einem schwachen, zweifelhaften Sachverhalt kann eine effektive Litigation-PR mit ihrem Abschreckungspotenzial auch dazu beitragen, dass Anspruchssteller ihre schwache Position und ausbleibende öffentliche Unterstützung rechtzeitig erkennen und daher konsequent von einem Rechtstreit oder einem Prozess absehen.
Im Unterschied zum Zivilrecht, wo Litigation-PR sowohl für den Kläger als auch den Beklagten eingesetzt werden kann, reduziert sich die Rolle der Litigation-PR im Strafrecht ausschließlich auf die nachhaltige Unterstützung des Angeklagten. Dabei kann sie zu einem extrem wirkungsvollen Instrument der Verteidigung werden: 䊏
Litigation-PR kann ein notwendiges Korrektiv zur Informations- und Deutungshoheit der Staatsanwaltschaft während der Ermittlungsphase darstellen. So kann der oftmals beklagte mediale Vorsprung der Staatsanwaltschaft gegenüber der Verteidigung schnellstmöglich aufgeholt, gegebenenfalls ergänzt oder gezielt korrigiert werden. Schließlich werfen selbst Journalisten der Staatsanwaltschaft manchmal vor, mit einem gefestigten Feindbild zu operieren.9
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Litigation-PR kann die Ermittlungsrichtung der Staatsanwaltschaft beeinflussen, auch die Prioritäten ihrer Ermittlungen. Da es häufig begründete Zweifel an der Neutralität der Staatsanwaltschaft gibt, ist es eine vordringliche Aufgabe der Litigation-PR, die Perzeption des Angeklagten in der Öffentlichkeit und bei den übrigen Verfahrensbeteiligten gezielt zu korrigieren.
9 David Selbach, Scharfe Hunde, Dicke Fische, in: pr magazin, 6/2008, S. 46.
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Eine geschickt inszenierte Litigation-PR kann dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft mit der gesetzten Agenda eine neutralere und relativierende Haltung zum Vorteile des Mandanten einnehmen muss.
Ob in der zivilrechtlichen oder der strafrechtlichen Sphäre: LitigationPR kann das gerichtliche Klima durchaus im Sinne des Mandanten beeinflussen, denn auch Richter, Beisitzer, Schöffen, Staatsanwälte und Zeugen nutzen und interessieren sich für die Medien. Justitia trägt zwar eine Augenbinde, mit Ohrenstöpseln ward sie bis dato allerdings noch nicht gesehen. Gerade in Richtung der prozessführenden Anwälte und Kanzleien sowie deren Mandanten muss eine sorgfältige Litigation-PR noch eine weitere Funktion erfüllen: Sie muss ihnen die medialen Dimensionen und positiven wie negativen Implikationen ihres Falls klarmachen und sie auf die entsprechenden Wechselwirkungen zum Sach- und Rechtsverhalt rechtzeitig hinweisen, etwa durch ein gezieltes Coaching und Medientraining. An die Adresse öffentlichkeitssüchtiger Kanzleien gerichtet ist es an dieser Stelle erwähnenswert, was Litigation-PR auf keinen Fall ist: Eine strategische Rechtskommunikation hat erst mal gar nichts mit herkömmlicher Kanzlei-PR zu tun, die etwa personelle Zugänge und Abgänge der Kanzlei vermeldet, gewonnene Fälle, geschlossene Deals oder Pro-bono-Aktivitäten der Kanzlei ankündigt oder Journalisten anwaltliche Statements zu diversen tagesaktuellen Rechtsproblemen anbietet. Sicherlich wird es im Laufe jeder beachtenswerten Litigation-PR-Kampagne dazu kommen, dass der Name der Kanzlei und des Anwalts in den Medien genannt werden wird, deren Fall jeweils zur öffentlichen Diskussion steht. Das hat gerade in der Zivilrechtssphäre den schönen Effekt, dass dadurch andere, potenzielle Mandanten auf denselben Fall oder generell auf die Kanzlei aufmerksam werden und sich anderen, bereits vertretenen Klägern anschließen. Das hat den ganz einfachen Grund, dass die Nennung eines Kanzleinamens im redaktionellen Teil eines renommierten Mediums von wesentlich höherer Aussagekraft und Glaubwürdigkeit für den potenziellen Mandanten ist als etwa Print-Anzeigen oder andere Marketingtools dieser Kanzlei.
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Schlussbemerkung
Schlussbemerkung
Da sitzen, stehen, liegen Sie nun und lesen die letzte Seite eines Buches, Schlussbemerkung das Ihnen hoffentlich das Rüstzeug für eine effektive und vernünftige Medienarbeit geliefert hat. Sie haben viel gelernt und haben sich dadurch einen entscheidenden Vorteil gegenüber Ihren konkurrierenden Kollegen erarbeitet. Sie werden sehen, dass Sie in Zukunft Ihre Fälle in einem anderen Licht betrachten werden. Sie müssen nun keine Angst mehr haben, wenn ein Journalist anruft, und Sie wissen jetzt, wie man aktiv auf die Medien zugeht. Nutzen Sie Ihre neuen Talente! Ich hoffe nun, dass ich in Zukunft sehr viel über Ihre Arbeit, meine lieben unbekannten Leserinnen und Leser, erfahren werde, in den Tageszeitungen oder in den Nachrichtenmagazinen. Vielleicht sehe ich Sie ja mal im Fernsehen oder höre Sie im Radio. Es würde mich jedenfalls sehr freuen. Freuen würde ich mich auch über Ihre Gedanken und Anregungen zu diesem Buch. Natürlich freue ich mich nur bedingt über Kritik (wer behauptet, das sei anders, ist ein Lügner!), aber auch die nehme ich natürlich entgegen. Lassen Sie mich wissen, welche Erfahrungen Sie mit den Medien gemacht haben, ob Ihnen das Buch wirklich etwas gebracht hat, ob Sie mich live erleben wollen oder mich in die Hölle wünschen. Auch hier gilt:
„Communicate or die!“
Literaturverzeichnis
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Literaturverzeichnis
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Der Autor
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Der Autor
Der Uwe Autor Wolff, Jahrgang 1962, leitet die Kommunikationsberatung NAIMA Strategic Legal Services GmbH mit Büros in Berlin und in Brüssel, die sich auf Litigation-PR / strategische Rechtskommunikation konzentriert. Die Schwerpunkte liegen dabei auf dem Wirtschaftsstrafrecht, im Bereich Banken und Versicherungen, sowie Verbraucherschutz, Gewerkschaften, auf gemeinnützigen und Nicht-Regierungsorganisationen. Als Sohn eines Journalisten ist er in Redaktionsstuben und zwischen Zeitungs- und Zeitschriftenstapeln aufgewachsen. Sein Jura-Studium brach er zugunsten des Journalismus ab. Seine journalistische Laufbahn führte ihn über verschiedene Tageszeitungen und Boulevardblätter nach New York City. 1991 baute er für das damals neu entwickelte Nachrichtenmagazin Focus das US-Büro auf. In New York machte er dann auch Bekanntschaft mit der Litigation-PR und ließ sich von Harvard-Professor Alan Dershowitz in die Beziehungsgeflechte von Juristen und Journalisten einführen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2002 baute er in Berlin die Kommunikationsberatung NAÏMA Strategic Legal Services GmbH auf, die seitdem in Zusammenarbeit mit namhaften Anwaltskanzleien eine Reihe großer nationaler und internationaler Unternehmen und Unternehmer während juristischer Auseinandersetzungen erfolgreich beraten hat. Uwe Wolff hält regelmäßig Vorträge und Seminare für Anwälte, Manager und Gewerkschafter und publiziert in diversen Magazinen, Tageszeitungen und Fachzeitschriften. Gemeinsam mit Stephan Holzinger ist er Autor des Fachbuchs „Im Namen der Öffentlichkeit. Litigation-PR als strategisches Instrument bei juristischen Auseinandersetzungen“ (Gabler 2009). Kontakt:
[email protected] 182
Dank
Dank
Wer ein Buch schreibt, der schreibt es niemals alleine. Immer sind auch Dank andere Menschen direkt oder indirekt daran beteiligt, ohne die so ein Buch nie hätte entstehen können. Deshalb ein großes Dankeschön an Hella Dubrowsky, die in einem unglaublichen Arbeitsakt das Manuskript verarztet hat. Danke an meinen Freund Elmar Jehn, der mir Rede und Antwort stand und immer wieder geduldig mein Geächze ertrug. Eine tiefe Verbeugung vor Ursula Mäder, die mir immer wieder den Rücken freigehalten und mich motiviert hat. Dank auch an RA Hoenig und RA Schwarz für die Bereitschaft, ihre Erfahrungen zu teilen. Herzlichen Dank auch an Barbara Möller vom Gabler Verlag für ihre unendliche Geduld und ihr Verständnis. Ein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Elke Hartmann-Wolff für ihre Liebe, ihre Zuwendung, ihr großes Verständnis, ihre ermunternden Worte und ihren unschätzbaren fachlichen Input. Ganz herzlichen Dank vor allem aber an all diejenigen Rechtsanwälte, die ihren Beruf ernst nehmen, ihre Mandanten vor den Medien schützen, wann immer es notwendig ist, und sie nicht für egogetriebene Medienkampagnen missbrauchen.