Christina Suckow Markenaufbau im Internet
GABLER RESEARCH Entrepreneurship Herausgegeben von Professor Dr. Malte Bret...
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Christina Suckow Markenaufbau im Internet
GABLER RESEARCH Entrepreneurship Herausgegeben von Professor Dr. Malte Brettel, RWTH Aachen, Professor Dr. Lambert T. Koch, Universität Wuppertal, Professor Dr. Tobias Kollmann, Universität Duisburg-Essen, Campus Essen, Professor Dr. Peter Witt, Universität Dortmund
„Entrepreneurship“ ist ein noch relativ junger Forschungszweig, der jedoch in Wissenschaft und Praxis stetig an Bedeutung gewinnt. Denn Unternehmensgründungen und deren Promotoren nehmen für die wirtschaftliche Entwicklung einen zentralen Stellenwert ein, so dass es nur folgerichtig ist, dem auch in Forschung und Lehre Rechnung zu tragen. Die Schriftenreihe bietet ein Forum für wissenschaftliche Beiträge zur Entrepreneurship-Thematik. Ziel ist der Transfer von aktuellen Forschungsergebnissen und deren Diskussion aus der Wissenschaft in die Unternehmenspraxis.
Christina Suckow
Markenaufbau im Internet Identifikation und Analyse zentraler Wirkungselemente der Unternehmensidentität im Rahmen der Einstellungsbildung von Online-Shop-Besuchern Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Tobias Kollmann
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Duisburg-Essen, 2010
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Nicole Schweitzer Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-2855-9
Geleitwort
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Geleitwort Die Bedeutung des Internets für das Marketing ist mit den Jahren immer deutlicher geworden – jedes Unternehmen ist heute gefordert, seinen klassischen Marketingmix durch die Instrumente des Online Marketings anzureichern. Vor diesem Hintergrund wäre es jedoch zu kurz gegriffen, würde man lediglich das traditionelle Marketing auf die Gegebenheiten des Internets übertragen. Die Herausforderung des Online Marketings besteht vielmehr darin, den noch immer verhältnismäßig neuen und in stetiger Veränderung begriffenen Kommunikationskanal Internet unter Berücksichtigung seiner je eigenen Spezifika zielführend zu nutzen. Christina Suckow stellt sich diesen Besonderheiten des Online Marketings und befasst sich schwerpunktmäßig mit der Frage des effektiven Markenaufbaus reiner OnlineMarken (sog. E-Brands). Sie adressiert damit ein trotz anhaltender wissenschaftlicher Diskussion immer noch unentschiedenes Feld – weiterhin herrscht Unklarheit, ob Marken im Internet essentiell oder eher obsolet sind, d.h. ob sie Orientierung in der Informationsflut bieten oder ob der Surfer bzw. der Kunde durch die Spezifika des Mediums zum vermehrt rationalen Verhalten veranlasst wird und folglich Preis immer über Emotion geht. Konkreter gesprochen zielt die Schrift auf die Klärung der Forschungsfrage, welche Elemente der Markenidentität im Internet zum Markenaufbau beitragen, wie sich diese Elemente kommunikativ transportieren lassen, und wie stark diese Einfluss auf die subjektive Kundenwahrnehmung nehmen. Damit wird einerseits die Lücke zwischen Unternehmensidentität und kundenseitiger Wahrnehmung (Image) geschlossen und andererseits darauf abgezielt, die Marketingliteratur zu erweitern, die sich bislang eher darüber ausschweigt, wie Unternehmen ihr Brandingkonzept konkret realisieren können (Implementierungslücke). Der zentrale Beitrag dieser Schrift besteht – neben dem umfassenden Literaturüberblick – sicherlich darin, erfolgreich das Corporate Identity Konstrukt auf der Unternehmensseite und das Einstellungskonstrukt auf der Kundenseite theoretisch miteinander zu verbinden und empirische Belege für diesen Zusammenhang vorzulegen. Weiterhin wird deutlich, wie Corporate Identity im Kontext der Net Economy überhaupt verstan-
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Geleitwort
den werden muss; dies wird geleistet über die kontextangepassten Konzeptionalisierungen von Corporate Behavior, Corporate Communication und Corporate Design. Zusammengenommen setzt Christina Suckow mit dieser Schrift sowohl auf der praktischen als auch auf der theoretischen Seite interessante und bedenkenswerte Impulse, welche mit einigem Potenzial einhergehen, die wissenschaftliche Diskussion entscheidend zu befruchten. Ich wünsche der Arbeit eine sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis verdientermaßen hohe Beachtung und Verbreitung und der Autorin Christina Suckow viel Erfolg bei ihren nächsten beruflichen Schritten.
Prof. Dr. Tobias Kollmann
Vorwort
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Vorwort Seit Jahren etabliert sich das Internet immer stärker als Absatz- und Kommunikationskanal vieler Unternehmen. Im Zuge dieser Entwicklungen ist der Teilbereich der Markenführung im Internet in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zwar angekommen, dort bei weitem aber noch nicht tief verwurzelt, geschweige denn als etablierter Forschungsstrang zu betrachten. Die Herausforderung den Markenaufbau im Internet auch wissenschaftlich zu adressieren lag also einerseits in der fehlenden theoretische Verankerung der entsprechenden Konzepte in der bereitstehenden Fachliteratur, als auch in der gleichzeitig notwendigen Aktualität und Relevanz der Fragestellungen, die in einer so dynamischen und im Werden begriffenen Disziplin schnell obsolet erscheinen. Die Schaffung eines themenbezogenen, theoretischen Fundaments und die Gewinnung von Erkenntnissen mit praktischer Relevanz für den Markenaufbau im Internet waren daher die Aufgabe und das Ziel meiner Arbeit. Der Aufbau der Unternehmensmarke findet vor allem über die Entwicklung und Kommunikation der Unternehmensidentität und der entsprechenden Wahrnehmung der Identität und der darauffolgenden Urteilsbildung bei der Zielgruppe statt. In der traditionellen Markenliteratur wird die Unternehmensidentität häufig über das Corporate-Identity-Konzept erklärt, allerdings fehlt hier der Markenforschung bisher jegliche Bezugnahme zum Kontext der Net Economy, sodass die vorliegenden Arbeit den Transfer der Corporate Identity und die Identifikation internetspezifischer Identitätselemente thematisch aufgreift. Auf Basis der in der Psychologie entwickelten Einstellungstheorie wird Einstellung als bewertetes Resultat der Wahrnehmung bestimmter Reizbündel verstanden, wobei vor allem die Unterscheidung in affektive, kognitive und konative Bewertung und der damit vermuteten mediierenden Wirkung von Affekt und Kognition in meiner Arbeit Rechnung getragen wird. Beide Konstrukte (Identität und Einstellung) bilden die wesentlichen Bausteine des entwickelten Forschungsmodells, über das die Wirkung der internetspezifischen Identitätselemente auf die Einstellungsbildung der identitätswahrnehmenden Kunden empirisch untersucht wird. Vor allem die Frage nach der möglichen Beeinflussbarkeit der Verhaltensintention von Online-Shop-Besuchern über die Veränderung der identitätstransportierenden Elemente der Markenwebseite stellt einen interessanten Wertbeitrag meiner Arbeit für die unternehmerische Praxis dar. Die Schrift entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship der Universität Duisburg-Essen. Während der Erstellung meiner Dissertation habe ich viel Inspiration und Anregung von zahlreichen Personen aus meinem direkten Umfeld erhalten. Die Arbeit wäre aber sicherlich eine andere, hätten
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Vorwort
diese Personen nicht auch ihre ehrliche Kritik und nötige Hilfestellung geliefert. Daher gilt ihnen mein herzlicher Dank. Mein besonderer Dank gilt dabei zunächst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Tobias Kollmann, der mir als wissenschaftlicher und akademischer Mentor jederzeit zur Seite stand. Durch ihn wurde auch die Arbeit am Lehrstuhl zu einer intensiven, lehrreichen und sehr schönen Zeit für mich. Ebenfalls möchte ich Herrn Prof. Dr. Hendrik Schröder für die Übernahmen des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Stefan Eicker für die spontane Übernahme der Rolle des Drittprüfers in meiner Disputation danken. Vielen ehemaligen und aktuellen Mitarbeitern des Lehrstuhls für E-Business und EEntrepreneurship verdanke ich eine wunderbare Zeit, die ich lange in Erinnerung behalten werde. Mit ihnen verbinde ich zahlreiche schöne Erlebnisse an der Universität und wunderbare Freundschaften. Ein besonderer Dank gilt dabei Herrn Dr. Andreas Kuckertz für seine fortwährenden Bemühungen und seine Bereitschaft zu konstruktiven Diskussionen. Hervorheben möchte ich auch Herrn Dr. Matthias Häsel, der mir in meiner Zeit am Lehrstuhl nicht nur als Büropartner sondern auch als Freund ans Herz gewachsen ist. Mein Dank gilt weiterhin Herrn Dr. Christoph Stöckmann für die Unterstützung bei meiner Disputation und Frau Yvonne Meves für das Korrekturlesen meiner Arbeit. Schließlich möchte ich meiner Familie danken, die mir zu jederzeit emotionalen Rückhalt gegeben hat. Vor allem meine Mutter mag es in der Endphase meiner Dissertation und vor meiner Disputation schwer mit mir gehabt haben. Vielen Dank für ihre unschätzbare Geduld, Hilfe und Ermutigungen in dieser aufregenden Zeit. Ein ganz besonderer Dank gilt auch meinem verstorbenen Vater, der mir von Kindesbeinen an als Vorbild diente und in mir nicht nur den Mut zu höheren Zielen sondern auch Fleiß, Ehrgeiz und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten geweckt und gefördert hat. Ohne diesen Grundstein wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen, deshalb widme ich ihm diese Arbeit von ganzem Herzen und erinnere mich liebevoll und in tiefster Dankbarkeit an die prägende und wunderschöne Zeit mit ihm. Zum Schluss gilt es auch meinem aktuellen Arbeitgeber – der FREY.G2 GmbH (The Shopper Marketing Agency) – Dank für die freundliche Unterstützung bei der Veröffentlichung der Dissertation und die entgegengebrachte Anerkennung zu sagen. Christina Suckow
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis Geleitwort ................................................................................................................................. V Vorwort ................................................................................................................................. VII Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................... IX Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ XIII Tabellenverzeichnis ...............................................................................................................XV Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................... XVII 1 Einleitung ............................................................................................................................. 1 1.1 Die Marke im Kontext der Net Economy ........................................................................ 3 1.2 Identifizierung der Forschungslücke ................................................................................ 5 1.3 Aufbau der Arbeit ............................................................................................................ 7 2 Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus ........................................................ 9 2.1 Abgrenzung des Forschungsbereichs ............................................................................... 9 2.1.1 Die Marke ................................................................................................................. 9 2.1.1.1 Die E-Brand...................................................................................................... 10 2.1.1.2 Kontext Net Economy ...................................................................................... 14 2.1.2 Der Markenaufbau im Internet ................................................................................ 17 2.1.2.1 Der Markenaufbauprozess................................................................................ 19 2.1.2.2 Das Branding .................................................................................................... 21 2.1.2.3 Besonderheiten des Branding im Internet ........................................................ 23 2.1.3 Die Implementierungslücke als Praxisproblem ...................................................... 25 2.2 Theoretischer Bezugsrahmen ......................................................................................... 27 2.2.1 Ansätze der Markenführung.................................................................................... 27 2.2.2 Der verhaltensorientierte Ansatz ............................................................................. 30 2.2.2.1 Das Brand Equity Konzept ............................................................................... 31 2.2.2.2 Das Brand Image .............................................................................................. 35 2.2.2.3 Bewertung des verhaltensorientierten Ansatzes für das E-Branding ............... 37 2.2.3 Der identitätsorientierte Ansatz .............................................................................. 39 2.2.3.1 Das Corporate-Identity-Konzept ...................................................................... 41 2.2.3.2 Corporate-Identity-Modelle in der traditionellen Markenforschung ............... 44 2.2.3.3 Bewertung des identitätsorientierten Ansatzes für das E-Branding ................. 49 2.2.4 Die Konkretisierung des Integrationsaspektes als theoretisches Problem .............. 51 2.3 Zwischenfazit und Spezifizierung der Forschungslücke................................................ 53 3 Theoretische Bezugspunkte .............................................................................................. 57 3.1 Theorien der Managementforschung ............................................................................. 58 3.1.1 Market based view .................................................................................................. 59
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Inhaltsverzeichnis 3.1.2 Ressource based view ............................................................................................. 61 3.1.3 Customer based view .............................................................................................. 63
3.1.4 Kritische Würdigung ............................................................................................... 66 3.2 Theorien der Einstellungsforschung .............................................................................. 67 3.2.1 Die Grundlagen der Einstellungsforschung ............................................................ 68 3.2.2 Theorien kognitiver Netzwerke .............................................................................. 70 3.2.2.1 Schematheorie .................................................................................................. 70 3.2.2.2 Imagerytheorie ................................................................................................. 73 3.2.2.3 Duale Kodierungstheorie.................................................................................. 74 3.2.3 Kognitive Konsistenztheorien ................................................................................. 76 3.2.3.1 Konsistenztheorie nach Heider......................................................................... 77 3.2.3.2 Konsistenztheorie nach Festinger..................................................................... 78 3.2.3.3 Konsistenztheorie nach Osgood/Tannenbaum ................................................. 78 3.2.4 Multiattributive Ansätze ......................................................................................... 79 3.2.4.1 Ein- und zweidimensionale Komponentenmodelle.......................................... 80 3.2.4.2 Dreidimensionale Komponentenmodelle ......................................................... 82 3.2.5 Kritische Würdigung ............................................................................................... 85 3.3 Theorien der Kommunikationsforschung ...................................................................... 88 3.3.1 Informationswahrnehmung von Webinhalten ......................................................... 88 3.3.1.1 Medienspezifische Allokation von Aufmerksamkeit ....................................... 89 3.3.1.2 Selektive Wahrnehmung in der Aufnahme webbasierter Inhalte..................... 91 3.3.1.3 Involvement als Moderator .............................................................................. 94 3.3.2 Informationsverarbeitung von Webinhalten ........................................................... 96 3.3.2.1 Zwei-Prozess-Modelle ..................................................................................... 99 3.3.2.1.1 Das Elaboration-Likelihood-Modell ......................................................... 99 3.3.2.1.2 Heuristic-Systematic-Model ................................................................... 102 3.3.2.2 Unimodel ........................................................................................................ 104 3.4 Zwischenfazit und Zusammenfassung der Erkenntnisbeiträge .................................... 106 4 Entwicklung des Forschungsmodells ............................................................................. 110 4.1 Grobkonzeption des Forschungsmodells ..................................................................... 110 4.2 Spezifizierung der Modellkomponenten und Hypotheseentwicklung ......................... 112 4.2.1 Spezifizierung der Identitätselemente ................................................................... 112 4.2.1.1 Literaturrecherche zu den zentralen Konzepten der E-Branding-Forschung . 112 4.2.1.2 Literaturrecherche zu den Identitätselementen .............................................. 114 4.2.1.3 Auswahl der Identitätselemente ..................................................................... 118 4.2.1.4 Darstellung des mehrdimensionalen Corporate-Identity-Konstrukts ............. 119 4.2.2 Spezifizierung des Einstellungskonstrukts............................................................ 124
Inhaltsverzeichnis
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4.2.3 Spezifizierung der moderierenden Effekte ........................................................... 127 4.2.3.1 Situative Faktoren .......................................................................................... 128 4.2.3.2 Personenbezogene Faktoren ........................................................................... 129 4.3 Zusammenfassung der Forschungshypothesen ............................................................ 132 5 Empirische Überprüfung des Forschungsmodells ....................................................... 137 5.1 Das Untersuchungsdesign ............................................................................................ 137 5.1.1 Entwicklung eines Messinstruments ..................................................................... 138 5.1.1.1 Vorgehensweise bei der Operationalisierung ................................................. 138 5.1.1.2 Die Operationalisierung der Identitätselemente einer E-Brand ..................... 139 5.1.1.3 Operationalisierung der Einstellung ............................................................... 144 5.1.1.4 Die moderierenden und demografischen Variablen ....................................... 147 5.1.2 Auswahl der Untersuchungsmethode.................................................................... 149 5.1.2.1 Kausalanalytische Verfahren.......................................................................... 149 5.1.2.2 Auswahl eines geeigneten kausalanalytischen Verfahrens ............................ 151 5.1.2.3 Varianzbasierte Analyse mit PLS .................................................................. 153 5.1.3 Gütebeurteilung ..................................................................................................... 154 5.1.3.1 Gütebeurteilung von Messmodellen............................................................... 154 5.1.3.1.1 Gütebeurteilung reflektiver Messmodelle............................................... 155 5.1.3.1.2 Gütebeurteilung formativer Messmodelle .............................................. 160 5.1.3.2 Messmodelle höherer Ordnung ...................................................................... 164 5.1.3.3 Gütebeurteilung von Strukturmodellen .......................................................... 167 5.1.3.4 Beurteilung von moderierenden Effekten ...................................................... 170 5.1.3.5 Beurteilung von mediierenden Effekten ........................................................ 172 5.2 Erhebung der Daten...................................................................................................... 173 5.2.1 Stichprobengenerierung ........................................................................................ 173 5.2.2 Erhebungsmethode ................................................................................................ 175 5.2.2.1 Erstellung des Fragebogens ............................................................................ 176 5.2.2.2 Pre-Testing des Messinstrumentes ................................................................. 177 5.2.3 Datensammlung und Rücklauf .............................................................................. 179 5.2.4 Charakteristika der Datenbasis.............................................................................. 181 5.2.4.1 Repräsentativität der Daten ............................................................................ 181 5.2.4.2 Verteilung der Daten ...................................................................................... 182 5.2.4.3 Non-Response-, Coverage- und Common-Method-Bias ............................... 183 5.2.4.4 Ausreißer in den Daten ................................................................................... 185 5.3 Auswertung der Daten.................................................................................................. 186 5.3.1 Deskriptive Ergebnisse ......................................................................................... 187 5.3.2 Explorative Faktorenanalyse ................................................................................. 190
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Inhaltsverzeichnis 5.3.3 Ergebnisse der PLS-Analyse ................................................................................. 193 5.3.3.1 Berechnung von Konstrukten höherer Ordnung ............................................ 194 5.3.3.2 Analyse der Messmodelle .............................................................................. 195 5.3.3.2.1 Corporate Behavior ................................................................................. 196 5.3.3.2.2 Corporate Design .................................................................................... 202 5.3.3.2.3 Corporate Communication ...................................................................... 203 5.3.3.2.4 Einstellung zur Corporate-E-Brand-Identity........................................... 208 5.3.3.3 Analyse des Strukturmodells und Hypothesenprüfung .................................. 213 5.3.3.4 Analyse der moderierenden Effekte ............................................................... 220 5.3.3.5 Analyse der mediierenden Wirkung ............................................................... 225 5.3.3.6 Ergebnisse der Kreuzvalidierung ................................................................... 226
6 Modellbewertung und Implikationen für Forschung und Praxis ............................... 232 6.1 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse ..................................................... 232 6.2 Evaluation des Beitrags zur Forschungsliteratur.......................................................... 238 6.3 Implikationen für die Praxis ......................................................................................... 240 6.4 Limitationen ................................................................................................................. 243 6.5 Zukünftiger Forschungsbedarf ..................................................................................... 244 Anhang .................................................................................................................................. 247 Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 253
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ................................................................................................ 8 Abbildung 2: Klassifizierungskriterien zur Abgrenzung der E-Brand..................................... 14 Abbildung 3: Bedeutung des Internets für die verschiedenen Markentypen ........................... 17 Abbildung 4: Die Customer-Based-Brand-Equity-Pyramide von Keller ................................ 33 Abbildung 5: Das Corporate-Identity-Modell von Kreutzer/Jugel/Wiedmann........................ 46 Abbildung 6: Das Corporate-Identity-Modell nach Balmer/Soenen....................................... 47 Abbildung 7: Das Corporate-Identity-Modell nach Brikigt/Stadler ........................................ 48 Abbildung 8: Konzeptionelle Darstellung des markentheoretischen Bezugsrahmens ............. 56 Abbildung 9: Gegenüberstellung der Management- und Markenansätze ................................ 64 Abbildung 10: Beziehungen der Konsistenztheorie ................................................................. 76 Abbildung 11: Zwei Varianten des Drei-Komponenten-Modells der Einstellung .................. 84 Abbildung 12: Das Involvementkonstrukt ............................................................................... 96 Abbildung 13: Das Elaboration Likelihood Model ................................................................ 101 Abbildung 14: Grobkonzeption des Basismodells der Untersuchung ................................... 111 Abbildung 15: Gruppierung der identifizierten Identitätselemente ....................................... 119 Abbildung 16: Mehrdimensionale Spezifizierung des Corporate-Identity-Konstrukts ......... 120 Abbildung 17: Operationalisierung des Einstellungskonstrukts ............................................ 125 Abbildung 18: Das Forschungsmodell (detailliertes Wirkungsgefüge) ................................. 135 Abbildung 19: Das Forschungsmodell (übergeordnetes Wirkungsgefüge) ........................... 136 Abbildung 20: Vorgehensweise der empirischen Untersuchung ........................................... 137 Abbildung 21: Beispiel eines Strukturgleichungsmodells ..................................................... 150 Abbildung 22: Nomologisches Netzwerk .............................................................................. 163 Abbildung 23: Konstrukte 2. Ordnung ................................................................................... 165 Abbildung 24: Verfahren zur Schätzung moderierender Effekte........................................... 171 Abbildung 25: Die konzeptionelle Unterscheidung zwischen Mediator und Moderator....... 173 Abbildung 26: Alter der Teilnehmer ...................................................................................... 187 Abbildung 27: Einkommensstufen der Teilnehmer ............................................................... 189 Abbildung 28: Monatliche Online-Shopping Ausgaben der Teilnehmer .............................. 189 Abbildung 29: Häufigkeiten des Online-Shoppings der Teilnehmer pro Monat ................... 190 Abbildung 30: Messmodell Interaktivität .............................................................................. 197
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 31: Messmodell Benutzerfreundlichkeit .............................................................. 198 Abbildung 32: Messmodell Unterhaltung .............................................................................. 199 Abbildung 33: Messmodell Corporate Behavior ................................................................... 201 Abbildung 34: Messmodell Design ........................................................................................ 202 Abbildung 35: Messmodell Informationsqualität .................................................................. 204 Abbildung 36: Messmodell Personalisierung ........................................................................ 205 Abbildung 37: Messmodell Domainname.............................................................................. 206 Abbildung 38: Messmodell Corporate Communication ........................................................ 207 Abbildung 39: Messmodell Kognition ................................................................................... 209 Abbildung 40: Messmodell Affekt ......................................................................................... 210 Abbildung 41: Messmodell Konation .................................................................................... 211 Abbildung 42: Messmodell Einstellung ................................................................................. 213 Abbildung 43: Ergebnisse des Strukturmodells ..................................................................... 215 Abbildung 44: Ergebnisse des modifizierten, zusammengefassten Strukturmodells ............ 218 Abbildung 45: Einfluss der Wahrnehmung der Identitätselemente auf die Einstellung ........ 220 Abbildung 46: Modellierung der Moderatoreneffekte ........................................................... 221 Abbildung 47: Interaktionseffekt der Moderatorvariable Shopping Involvement ................. 223
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Abgrenzung und Definition von Marken im Internet ............................................. 11 Tabelle 2: Ausgewählte Arbeiten zur Identifizierung der Wirkungselemente im Internet .... 116 Tabelle 3: Zusammenfassung der übergeordneten Forschungshypothese ............................. 133 Tabelle 4: Zusammenfassung der deskriptivenErkenntnisse ................................................. 133 Tabelle 5: Zusammenfassung des ersten explikativen Hypothesenblocks............................. 134 Tabelle 6: Zusammenfassung des zweiten explikativen Hypothesenblocks .......................... 134 Tabelle 7: Zusammenfassung der Hypothesen zu den mediierenden Effekten ..................... 134 Tabelle 8: Zusammenfassung der Hypothesen zu den moderierenden Effekten ................... 135 Tabelle 9: Operationalisierung der Interaktivität .................................................................. 141 Tabelle 10: Operationalisierung der Informationsqualität ..................................................... 141 Tabelle 11: Operationalisierung Benutzerfreundlichkeit, Personalisierung, Design ............. 142 Tabelle 12: Operationalisierung der Unterhaltung ................................................................. 143 Tabelle 13: Operationalisierung des Domainnames............................................................... 143 Tabelle 14: Operationalisierung der Kognition ..................................................................... 145 Tabelle 15: Operationalisierung des Affekts .......................................................................... 146 Tabelle 16: Operationalisierung der Konation ...................................................................... 146 Tabelle 17: Operationalisierung des wahrgenommenen Risikos ........................................... 147 Tabelle 18: Operationalisierung Shopping und Produkt Involvement, Internetnutzung ....... 148 Tabelle 19: Gütemaße zur Beurteilung reflektiver Messmodelle .......................................... 160 Tabelle 20: Gütemaße zur Beurteilung formativer Messmodelle .......................................... 163 Tabelle 21: Gütemaße zur Beurteilung des Strukturmodells ................................................. 169 Tabelle 22: Teilnehmerzahlen ................................................................................................ 180 Tabelle 23: Beruf der Teilnehmer .......................................................................................... 188 Tabelle 24: Bildung der Teilnehmer ...................................................................................... 188 Tabelle 25: Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse ..................................................... 192 Tabelle 26: Kreuzladungen und Fornell-Larcker-Kriterium (Corporate Behavior)............... 200 Tabelle 27: Kreuzladungen und Fornell-Larcker-Kriterium (Corporate Comunication)....... 207 Tabelle 28: Kreuzladungen und Fornell-Larcker-Kriterium der endogenen Variablen ......... 212 Tabelle 29: Ergebnisse des Strukturmodells .......................................................................... 215 Tabelle 30: Korrelationsmatrix und VIF der latenten Strukturvariablen ............................... 216
XVI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 31: Varianzzerlegung der exogenen Variablen ......................................................... 217 Tabelle 32: Ergebnisse des differenzierten Strukturmodells.................................................. 219 Tabelle 33: Evaluation des Moderators Shopping Involvement ............................................ 222 Tabelle 34: Evaluation des Moderators Produkt-Involvement .............................................. 223 Tabelle 35: Evaluation des Moderators wahrgenommenes Kaufrisiko (mit Kaufmotiv) ...... 224 Tabelle 36: Evaluation des Moderators wahrgenommenes Kaufrisiko (ohne Kaufmotiv) .... 224 Tabelle 37: Evaluation des Moderators Medienkompetenz ................................................... 225 Tabelle 38: Validierung der mediierenden Effekte ................................................................ 226 Tabelle 39: Gegenüberstellung der Ladungen zur Überprüfung der Messmodellinvarianz .. 228 Tabelle 40: Gegenüberstellung der Ergebnisse der formativen Konstrukte 2.Ordnung ........ 230 Tabelle 41: Abweichung der Strukturgleichungskoeffizienten .............................................. 230 Tabelle 42: Gegenüberstellung der Gütemaße auf Strukturmodellebene .............................. 231 Tabelle 43: Ergebnisse der Hypothesenprüfung .................................................................... 237
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis AFF ANOVA Anz. Aufl. BEN B2C bzw. ca. CBV CEBI CI Csv DEV DES d.h. DOM EFA E-V ELM et al. etc. f. ff. GoF HSM i.e.S IK INF ITC i.w.S. Jg. KI KMO MBV KON
Affekt Analysis of Variance Anzahl Auflage Benutzerfreundlichkeit Business to Consumer beziehungsweise circa Customer based view Corporate E-Brand-Identity Corporate Identity substantive validity coefficient durchschnittlich erfasste Varianz Design das heißt Domainname Explorative Faktoranalyse Einstellung-Verhalten Elaboration Likelihood Model et alii et cetera folgend (fort)folgende Goodness-of-Fit Heuristic Systematic Model im engeren Sinne Interne Konsistenz Informationsqualität Item-to-Total-Correlation im weiteren Sinne Jahrgang Konditionsindex Kaiser-Meyer-Olkin Market based view Konation
XVII
XVIII KOG MIMIC MK MSA Nr. PER PI PLS Psa RBV S. SGM SI sog. S-R u.a. UNT u.U. v.a. Vgl. VIF vs. WR z.B. z.T.
Abkürzungsverzeichnis Kognition Multiple-Indicators-Multiple-Causes Medienkompetenz measure of sampling adequacy Nummer Personalisierung Produkt-Involvement Partial-Least-Squares proportion of substantive agreement Resource based view Seite Strukturgleichungsmodell Shopping-Involvement sogenannt Stimulus-Response unter anderem Unterhaltung unter Umständen vor allem Vergleich Variance Inflation Faktor versus Wahrgenommenes Risiko zum Beispiel Zum Teil
Einleitung
1
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Einleitung
Die Geschichte der Marke ist so alt wie die Menschheit selbst. Das Markieren von Gütern wird seit jeher zur Abgrenzung von Wettbewerbern und zur Schaffung von Vertrauen eingesetzt und findet sich in jeder Hochkultur wieder.1 Die Ziele der Abgrenzung und Vertrauensbildung durch die Schaffung einer Marke haben ihre Aktualität bis heute nicht verloren.2 Vielmehr tragen die Entwicklungen in den gegenwärtigen Wirtschaftssystemen dazu bei, dass die Bedeutung der Marke wächst. Die Globalisierung der Märkte beispielsweise führt dazu, dass Marken aus ihrer regionalen bzw. nationalen Verankerung heraus immer häufiger in einen globalen Wettbewerb treten müssen und damit ihr relevantes und potentielles ökonomische Umfeld wächst. Kürzer werdende Innovationszyklen, wachsende Konkurrenz und sinkendes Vertrauen der Konsumenten führen dazu, dass nur solche Unternehmen überleben, die sich über ihre Marke von der Konkurrenz abgrenzen und das Vertrauen der Kunden gewinnen können. Der Aufbau einer starken Marke wird dadurch zu einem zentralen Wettbewerbskriterium in allen Wirtschaftsbereichen. Aber nicht nur aus ökonomischer Perspektive ist die Marke ein wertvoller Treiber wirtschaftlicher Tätigkeiten, sie bildet auch für die Seite der Nachfrager eine wichtige psychologische Stütze in ihren Entscheidungsprozessen. Diese sehen sich durch die Möglichkeiten neuer Medien einer wachsenden Informationsflut ausgesetzt, die sie kaum noch effizient bewältigen können. Sie nutzen die Marke als Orientierungspunkt, an dem sie ihr Konsum- und Entscheidungsverhalten ausrichten und der ihnen die Informationssuche und -verarbeitung erleichtert.3 Insbesondere in elektronischen Netzwerken wird die Information zu einem eigenständigen Wettbewerbsfaktor,4 weshalb der Marke im Internet daher sowohl für Unternehmen als auch für die Konsumenten eine höchst bedeutsame Rolle für die Steuerung der Informationsflüsse zukommt. Das innerhalb dieser gesellschaftlichen Entwicklung sowohl quantitativ als auch qualitativ steigende Informationsinteresse der Konsumenten führt dazu, dass die Masse an verfügbaren, bereitgestellten Informationen wesentlich schneller ansteigt als ihre Nachfrage, sodass die Kluft zwischen Informationsangebot und der tatsächlichen Informationsnachfrage immer größer wird. Vor diesem Hintergrund wird die Marke zu einem entscheidenden Parameter der Informationssteuerung und damit Grundlage wesentlicher Entscheidungsprozesse im Internet.
1
Vgl. Leitherer 1994, S. 139ff. Vgl. Langner 2003, S. 1. Vgl. Carpenter 2000, S. 2f. 4 Vgl. Kollmann 2009, S. 29; Weiber/Kollmann 1997, S. 517f. 2 3
C. Suckow, Markenaufbau im Internet,DOI 10.1007/978-3-8349-6198-3_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
Einleitung
Sie soll dem Kunden als Gütesiegel in einer unüberschaubaren Menge an Informationsangeboten und damit als Heuristik für die Kaufentscheidung dienen. Das Ziel des Markenaufbaus liegt jedoch nicht allein darin den Kunden sachlich und möglichst schnell über die Leistung und Qualität von Angeboten zu informieren, vielmehr gilt es, den Kunden emotional zu überzeugen. Dieses Ziel erscheint vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Internet von Natur aus eine höchst informationsbasierte und -orientierte Serviceumgebung darstellt5 einerseits problematisch, andererseits aber auch unbedingt erforderlich zu sein. Dies wird durch die Annahme gestützt, dass Emotionen immer dort von Bedeutung sind, wo der Kunde intensiv und mit starker Beteiligung den Entscheidungsprozess durchläuft, unabhängig davon, ob die Entscheidung rational oder irrational getroffen wird.6 Während in technologiebezogenen Entscheidungsprozessen die Bewertung der objektiven Leistungsfähigkeit in der Tat wichtig ist, so entsteht ein wesentlicher Teil des eigentlichen Wettbewerbsvorteils im Internet nicht auf funktionaler Ebene. Die rein leistungsbezogene Wettbewerbsfähigkeit ist hierbei nur von kurzer Dauer, da funktionale Leistungseigenschaften ohne Weiteres von der Konkurrenz imitiert werden können (sog. Leapfrogging). Sawhney spricht von einem „competitive rat race with no winners” und postuliert eine Differenzierung vom Wettbewerb auf anderer, emotionalerer Ebene. 7 Die Entwicklung einer emotionalen Bindung des Kunden zur Marke stellt im Internet allerdings eine besonders große Herausforderung für den Markenaufbau dar, da das gesamte Leistungsspektrum der Marke und sämtliche Kommunikations-, Vertriebs-, und Marketingaktivitäten allein über die Webseite abgewickelt werden müssen. “All the main elements of the brand, such as the visual style, the tone of voice, the personality, the characteristics and the brand values, need to come through the Web as strongly as they come through any other communication medium.”8 Der potentielle Handlungsspielraum der Marke wird durch die Kanalisierung (bzw. Reduzierung) auf das Medium Internet oftmals als eingeschränkt bezeichnet. Betrachtet man jedoch die Unternehmen, die das Internet heute schon intensiv zum Markenaufbau nutzen, wird deutlich, dass die vielen Möglichkeiten elektronischer Netzwerke mitsamt ihren multimedialen Fähigkeiten ganz neue Handlungsspielräume eröffnen. Die zeitgemäße Nutzung dieses neuen Instrumentariums wird konsequenterweise zum Kernaspekt vieler ökonomischer Fragestellungen im E-Business und damit zum zentralen Untersuchungsbereich der vorliegenden Arbeit.
5
Vgl. Rowley 2004, S. 137. Vgl. Ward/Light/Goldstine 1999, S. 86. Sawhney 2005, S. 201. 8 Ind/Riondino 2001, S. 12. 6 7
Einleitung 1.1
3
Die Marke im Kontext der Net Economy „Online branding faces the challenge of talking to millions of people at once and being relevant to each of them“ Martin Lindström9
Die Diskussion um die Bedeutung von Marken im Internet wurde insbesondere durch die Krise der Net Economy vor einigen Jahren entfacht. In dieser Zeit sprach so mancher Experte der Marke im Internet jegliche Bedeutung ab. Andere waren wiederum der Meinung, dass die Marke in ihrer traditionellen Form im Internet keinen Bestand hat. Sealy beispielsweise argumentiert, dass die traditionelle Markenführung in elektronischen Märkten aufgrund der breiten Spanne an neuen Medien und neuen Techniken wie Interaktivität und Individualität ineffektiv sei und fordert eine gänzlich neue Modellierung der Markenführung im Internet.10 Andere sehen speziell in der Informationstransparenz, die durch die uneingeschränkte Verfügbarkeit von Produkt-, Preis- und Wettbewerbsinformationen entsteht, die größte Gefahr für Marken.11 Für sie ist das Branding im Internet irrelevant, da intelligente Softwareagenten und Suchmaschinen den User bei der Handhabung dieser Informationsfülle ausreichend unterstützen.12 Sinha zufolge stellt das Internet sogar die größte Gefahr für die Fähigkeit von Unternehmen dar ihre Produkte angemessen zu vermarkten, da die Erzielung eines Preispremiums im Internet kaum mehr möglich ist.13 Das Internet trage dazu bei, ein höchst rationales Einkaufsverhalten durch die Möglichkeit leidenschaftsloser Preisvergleiche anzuregen. „And although surfers' increasing use of multimedia will give companies new opportunities to provide sensory cues on-line, the solitary, information rich nature of web shopping will continue to encourage people to make decisions based on reason rather than emotion”.14 Trotz dieser grundlegenden Kritik an der Sinnhaftigkeit von Marken im Internet flachte die Diskussion in den letzten Jahren deutlich ab. Die Mehrzahl der Autoren, die sich eingehender mit der Thematik des Markenaufbaus im Internet beschäftigen, ist inzwischen der Meinung, dass die E-Brand zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Internet geworden ist.15 Das Internet ist ihnen zufolge weniger als eine Revolution der Technologie als eine Revolution der Kommunikation zu sehen, wodurch die Rolle der Marke als Kommunikationsträger wichtiger
9
Lindström 2001, S. 368. Vgl. Sealy 1999, S. 172ff. Vgl. Chen 2001, S. 288f. 12 Vgl. Rowley 2004, S. 131. 13 Vgl. Sinha 2000, S. 43. 14 Sinha 2000, S. 48. 15 Vgl. Carpenter 2000, S. 2; Bauer 2001, S. 60. 10 11
4
Einleitung
wird denn je.16 Das E-Branding dient zudem als Mittel das verzerrte Kräfteverhältnis in elektronischen Märkten zugunsten der zunehmend unbeständigen und weniger loyalen OnlineKunden wieder auszugleichen.17 Die limitierten kognitiven Fähigkeiten, die der wachsenden Informationsflut gegenüberstehen, bringen den Kunden dazu, E-Brands als geistige Stütze bei der effizienten Nutzung eigener Informationsverarbeitungskapazitäten und -zeiten heranzuziehen.18 Die Marke als mentale Stütze und Navigationshilfe nimmt dadurch eine wichtige Funktion in der Steuerung des Kundenverhaltens im Internet ein, da sie nicht nur Zeit-, sondern auch Suchkosten reduzierend eingesetzt wird.19 Im Zuge dieser generellen Diskussion um den Stellenwert der Marke im Internet besteht bei der Mehrheit der Autoren Konsens darüber, dass die Grundgesetze der Markenführung, wie sie sich für die klassische Offline-Markenführung durchgesetzt haben, in der Online-Welt keinesfalls an Relevanz und Gültigkeit verlieren.20 Ganz im Gegenteil, die Missachtung dieser Grundregeln hat in der Vergangenheit zu großen Verlusten in der Internet-Branche geführt.21 Produktnutzen, Benutzerfreundlichkeit, Emotionalität und Funktionalität zählen auch im Internet zu den Erfolgsfaktoren für Marken.22 Eine gänzlich neue Markenlehre ist daher im Rahmen dieser Argumentation nicht erforderlich.23 Trotzdem besteht die allgemeine Überzeugung, dass Marken im Internet an die neuen technischen Möglichkeiten und die damit zusammenhängenden Besonderheiten der Zielgruppenansprache angepasst werden müssen.24 Die Frage, in wieweit sich erfolgreiche Marken dem Medium anpassen bzw. sich dessen Besonderheiten zum Vorteil machen müssen, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Fest steht jedoch, dass der grundsätzliche, wertschöpfende Charakter der Marke auch im Internet erhalten bleibt; was sich lediglich ändert, sind die medienspezifischen Aufgabenstellungen und Funktionsweisen der Marke.25 Mei-Pochtler spricht daher von einer Evolution der Markenführung und nicht von einer Revolution.26 Trotzdem wird in einschlägigen Fachblättern immer noch die fehlende Kompetenz im Markenaufbau als größtes Manko des Werbemediums Internet diskutiert.27 Im Zuge dieser Dis-
16
Vgl. McGovern 1999, S. 321ff. Vgl. Ibeh/Luo/Dinnie 2005, S. 356. 18 Vgl. Einwiller/Geissler/Will 2000, S. 735. 19 Vgl. Rowley 2004, S. 131. 20 Vgl. Riekhof 2001, S. 15; Michael/Schmitz 2001, S. 108. 21 Vgl. Mei-Pochtler 2001, S. 82. 22 Vgl. Wagner/Teege/Baumann 2001, S. 200. 23 Vgl. Michael/Schmitz 2001, S. 119. 24 Vgl. Fantapié Altobelli 2004, S. 189. 25 Vgl. Riekhof 2001, S. 19. 26 Vgl. Mei-Pochtler 2001, S. 82ff. 27 Vgl. Patrzek 2007, S.4. 17
Einleitung
5
kussionen wird immer wieder die verstärkte Ausschöpfung der internetspezifischen Möglichkeiten gefordert. Der Vorwurf der Unfähigkeit von E-Brands, ihre Identität zu transportieren, ist nämlich im Hinblick auf die Zunahme von Breitbandanschlüssen und dem dadurch ermöglichten, vermehrten Einsatz von Bewegtbildern und multimedialen Anwendungen im Web in Zukunft nicht mehr haltbar.28 Zudem wird auch die steigende Konvergenz der Medien als weiterer Grund für die wachsende Notwendigkeit des Markenaufbaus im Internet gesehen, der jedoch von vielen Unternehmen bisher vernachlässigt wurde.
1.2
Identifizierung der Forschungslücke
Die in der Öffentlichkeit zunehmenden Schlagzeilen von Übernahmen und Akquisitionen von E-Business Unternehmen in Millionenhöhe29 lassen eine stärkere Sensibilisierung der OnlineBranche bezüglich der Notwendigkeit des Markenaufbaus erhoffen. Der Aufbau des sog. Goodwill, der in vielen dieser Übernahmen als Werttreiber fungiert, entspricht im Grundsatz dem Gedanken des Markenwertes. Goodwill gilt als Wertanlage und Vertrauenskapital des Unternehmens beim Kunden.30 Es fasst solche unternehmensbezogenen Wissensbausteine zusammen, die zur Identifikation des Unternehmens beitragen.31 In diesem Sinne wird Goodwill auch als Corporate Image verstanden, das die Wahrnehmung der Identifikationsmerkmale eines Unternehmens zusammenfassen soll. Je positiver dieses Unternehmensimage bei der Zielgruppe ausgeprägt ist, desto größer ist das akquisitorische Potential32 der Kundengewinnung und -bindung. Die Unternehmensmarke wird dadurch „zum zentralen immateriellen Wertschöpfer in Unternehmen“33. Die Schaffung eines positiven Unternehmensimages kann durch den gezielten Aufbau unternehmenspezifischer Identifikationsmerkmale und der an den strategischen Unternehmenszielen ausgerichteten Kommunikation dieser Identifikationsmerkmale vom Unternehmen selbst beeinflusst werden. Die Erzeugung eines positiven Unternehmensimages bzw. einer für den Kunden ansprechenden Unternehmensidentität ist jedoch nicht allein für die Steigerung des Unternehmenswertes, sondern auch für die Beziehung des Unternehmens zu seiner Zielgruppe notwendig.34 Die unstabile und unsichere Umgebung des Internets und die Tatsache, 28
Vgl. Schobelt 2007, S. 60. Wie z.B. die Übernahme von Youtube durch Google für 1,3 Mrd. € im Jahr 2006, das Übernahmenangebot von Facebook an Twitter für 500 Mio. $ oder die Übernahme von StudiVZ durch den Stuttgarter Holtzbrinck-Verlag für 85 Mio. € im Jahr 2007. 30 Vgl. Albach 1980, S. 3; Simon 1985, S. 15. 31 Vgl. Simon 1985, S. 24. 32 Vgl. Gutenberg 1979, S. 243ff. 33 Esch et al. 2006, S. 5. 34 Vgl. Frigge/Houben 2002, S. 28. 29
6
Einleitung
dass ein genereller und fundamentaler Vertrauensmangel zwischen Unternehmen und Kunden im Web existiert,35 sind dafür verantwortlich, dass die Identität einer Marke als Referenzpunkt für den Kunden gesehen werden muss, der den Vertrauensmangel auszugleichen vermag. Berry ist der Meinung, dass Vertrauen im Internet noch wichtiger ist als in traditionellen Märkten, da der virtuelle Charakter der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden jeglichen physischen Kontakt zu dem Produkt (der Marke) selbst verbietet.36 Die Identität der Unternehmensmarke wird daher zu einem emotionalen Ankerpunkt für den Kunden im World Wide Web, über den das Kontinuitäts- und Qualitätsversprechen der Marke innerhalb der elektronischen Netzwerke vermittelt werden muss.37 Der Markenaufbau im Internet ist demzufolge eng mit dem Aufbau der Unternehmensidentität verbunden und soll unter diesen Gesichtspunkten in der vorliegenden Arbeit genauer untersucht werden. Aus Perspektive der Unternehmensidentität ergeben sich folgende Fragen für die Analyse des Markenaufbaus im Internet: Welche Identitätselemente tragen zu einem erfolgreichen Markenaufbau im Internet bei? Wie werden die Identitätselemente einer Marke in der Net Economy transportiert? Wie stark wirken diese Identitätselemente auf den Kunden, bzw. wie stark beeinflussen diese Elemente die subjektive Wahrnehmung und Bewertung der Marke? Um den Markenaufbau im Internet aus theoretisch-wissenschaftlicher Perspektive beleuchten zu können, ergibt sich zunächst die Notwendigkeit, den Forschungsstand zur Marke im Internet soweit aufzuarbeiten, dass eine adäquate Ausgangsbasis für die Untersuchung geschaffen werden kann. Da es im Rahmen der Markenforschung im Internet hinsichtlich der theoretischen Fundierung bisher nur wenige Ansätze gibt, muss auf die spezifischen Erklärungsansätze aus der traditionellen Markenforschung zurückgegriffen werden. Aber auch dazu stellt Hellmann fest: „Zweifelsohne kann der Beschäftigung mit Marken der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit längst nicht mehr bestritten werden. [….] Gleichwohl findet sich jedoch kaum eine Arbeit, die dem Anspruch eines Lehrbuches gerecht wird. […] Der Grund für diese Ambivalenz ist möglicherweise darin zusehen, dass die Wissenschaft vom Markenwesen selbst noch im Werden begriffen ist, also noch nicht das Stadium erreicht hat, in dem der Bestand
35 36 37
Vgl. Kollmann/Herr 2005, S. 119ff.; Hoffman/Novak/Peralta 1999, S. 80ff. Vgl. Berry 2000, S. 128f. Vgl. Rowley 2004, S. 131.
Einleitung
7
des schon erreichten Wissens durch Erkenntnisse der noch laufenden Forschung nicht mehr grundlegend gefährdet, d.h. revisionsresistent ist.“38 In diesem Zusammenhang können die traditionellen Markenansätze selbst nur als Ausgangspunkt und keinesfalls als vollständiges Erklärungsgerüst der Forschungsbemühungen betrachtet werden. Es gilt in dieser Arbeit daher den Markenaufbau im Internet aus theoretischwissenschaftlicher Perspektive zu betrachten, um über die theoretische Verankerung die Ableitung fundierter Handlungsempfehlungen für die Optimierung bzw. Gestaltung des Markenaufbaus im Internet für die Unternehmenspraxis zu ermöglichen. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf der Konkretisierung der zwei dominierenden Ansätzen der Markenforschung (identitätsorientierter und verhaltensorientierter Ansatz), wobei speziell die Adaption der identifizierten Identitätselemente an den Kontext der Net Economy im Vordergrund steht. Mittels dieser Konkretisierung soll der in der Theorie geforderte Integrationsaspekt der Kunden- und Unternehmensperspektive auf den Markenaufbau darstellbar gemacht werden. Obwohl die Analyse primär explorativer Natur ist, werden im weiteren Verlauf erste Hypothesen zur Wirkung der identifizierten Identitätselemente aufgestellt, die zur Analyse der Wirkungszusammenhänge herangezogen werden, um entsprechend die Aussagekraft der Ergebnisse hinsichtlich der abzuleitenden Handlungsempfehlungen zu gewährleisten. Denn mit Hilfe eines kausalanalytischen Modells auf Basis der Partial-Least-Square-Methode gibt die Analyse der Wirkungszusammenhänge zwischen den identifizierten Konstrukten Einblicke darüber, wie mit der gezielten Steuerung der Markenidentität auf Unternehmensseite die Bewertung der Marke auf Kundenseite beeinflusst werden kann; um darüber hinaus Handlungsempfehlungen für den Markenaufbau ableiten zu können.
1.3
Aufbau der Arbeit
Zur Bearbeitung der im vorangegangenen Kapitel vorgestellten, übergeordneten Fragestellungen gliedert sich die Arbeit in sechs Kapitel (vgl. Abbildung 1). Nach dem Einleitungskapitel, in dem bereits die Problemstellung und Motivation der Arbeit dargelegt wurde, folgt zunächst die wissenschaftliche Einordnung der Arbeit. Dazu werden zuerst die notwendigen, definitorischen Begriffsabgrenzungen vorgenommen und aufbauend aus den Erkenntnisbeiträgen der Markenforschung ein theoretischer Bezugsrahmen entworfen. Dieser Bezugsrahmen wird in Kapitel 3 vor dem Hintergrund des zu erstellenden Forschungsmodells durch konkrete Theorien aus der Management-, Einstellungs- und Kommunikationsforschung weiter präzisiert. 38
Hellmann 2003, S. 64f.
8
Einleitung
Problemstellung und Motivation
Kapitel 1
- Einführung in die Problemstellung - Identifizierung der Forschungslücke - Aufbau der Arbeit
Wissenschaftliche Einordnung
Kapitel 2
- Definitorische Abgrenzung des Forschungsobjektes - Theoretischer Bezugsrahmen - Spezifizierung der Forschungslücke
Theoretische Bezugspunkte
Kapitel 3
- Theorien der Managementforschung - Theorien der Einstellungsforschung - Theorien der Kommunikationsforschung
Entwicklung des Forschungsmodells
Kapitel 4
- Konzeptionierung des Untersuchungsmodells - Spezifizierung der Modellkomponenten - Ableitung der Forschungshypothesen
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Kapitel 5
- Entwicklung des Untersuchungsdesigns - Erhebung der Daten - Auswertung der Daten und Hypothesenprüfung
Modellbewertung und Implikationen für Forschung und Praxis
Kapitel 6
- Modellbewertung und Diskussion der Ergebnisse - Implikationen für Wissenschaft und Praxis - Limitationen und weiterer Forschungsbedarf
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Auf Basis dieser interdisziplinären Einbettung der Untersuchung wird in Kapitel 4 dann das eigentliche Forschungsmodell entwickelt. Neben der Spezifizierung der einzelnen Modellkomponenten durch eine umfangreiche Literaturbestandsaufnahme werden trotz explorativer Analyse schon erste an die theoretischen Erkenntnisse angeknüpfte Forschungshypothesen aufgestellt. Zur Vorbereitung der empirischen Überprüfung des Modells wird in diesem Kapitel ebenfalls ein geeignetes Messinstrumentarium entwickelt, das als Grundlage für die durchzuführende Erhebung in Kapitel 5 aufgenommen wird. Kapitel 5 widmet sich dann dem Untersuchungsdesign und der Erhebung der Daten. Vor dem Hintergrund der entwickelten Hypothesen werden die Daten im Rahmen der ausgewählten Untersuchungsmethode ausgewertet. Im letzten Kapitel erfolgen die Bewertung des Modells und eine Diskussion der Ergebnisse vor dem Hintergrund der aus diesen Ergebnissen ableitbaren Implikationen für die Theorie und Praxis.
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
2
9
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
Die im Vergleich zu anderen betriebswirtschaftlichen Disziplinen noch recht junge Markenforschung wird in den letzten Jahren zunehmend zum Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. In diesem Kapitel werden die zentralen Erkenntnisse der bisherigen akademischen Bemühungen hinsichtlich der Markenforschung dargestellt, die sich mit dem Markenaufbau auseinandergesetzt haben. Dies geschieht im Hinblick auf das Ziel der vorliegenden Arbeit, ein besseres Verständnis des Identitätsaufbaus und der Identitätsvermittlung von Unternehmensmarken im Internet und der zugrundeliegenden Wirkungsbeziehungen zu erlangen.
2.1
Abgrenzung des Forschungsbereichs
Bevor eine wissenschaftliche Diskussion zum Aufbau von Marken im Internet stattfinden kann, müssen zunächst die Begriffe Marke und Markenaufbau aufgearbeitet werden und im Zusammenhang mit elektronischen Netzwerken wissenschaftlich definiert werden. Dieser Schritt ist notwendig, um ein gemeinsames, eindeutiges Verständnis des Forschungsbereiches zu erzielen, das als Ausgangsbasis der vorliegenden Arbeit dient.
2.1.1
Die Marke
„Das Markenthema ist ein Megathema. Dies betrifft nicht nur die Anzahl der Publikationen, die kaum mehr zu überblicken sind, sondern auch die Vielfalt an Positionen, die zu diesem Thema eingenommen werden.“39 Wie dieses Zitat andeutet, wurde in den letzten Jahren eine Fülle an Beiträgen zum Themenkomplex der Marke veröffentlicht. Die Entwicklung der Marke zum Megathema resultiert allerdings in einer inflationären Verwendung des Wortes Marke (und auch des anglistischen Pendants Brand).40 Bruhn führt diese Vielfalt darauf zurück, dass die Marke zum Gegenstand unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen geworden ist und sich das Begriffsverständnis der Marke in seiner Verwendung immer an dem zu erklärenden Themenfeld ausrichtet.41 Die vorherrschende Begriffsvielfalt rührt aber nicht nur von den teilweise stark divergierenden Interessen aus Forschung und Praxis an dem Konzept Marke, sondern auch von der seit Mitte des 20. Jahrhundert stattfindenden dynamischen Entwicklung des
39 40 41
Hellmann 2003, S. 9. Vgl. Merten 2003, S. 26. Vgl. Bruhn 2003, S. 180.
C. Suckow, Markenaufbau im Internet,DOI 10.1007/978-3-8349-6198-3_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
10
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
Markenverständnisses, so dass die jeweiligen Definitionsansätze nicht mit den realen Entwicklungen in der Praxis übereinstimmten.42 Die vorherrschende Begriffsvielfalt der Marke trifft auch auf die Marke im Kontext der Net Economy zu. Bisher fehlt eine umfassende Aufarbeitung der in der Wissenschaft und Praxis verwendeten Begriffe zur Marke im Internet (E-Brand).43 Die Herausforderung liegt in der Tatsache, dass die Herleitung einer Definition für den Begriff E-Brand zwangsläufig eng an die Definition der Marke allgemein gebunden ist und selbst diese noch nicht eindeutig definiert werden kann. Es stellt sich die Frage, wie der Terminus E-Brand ohne eine konkrete Ausgangsbasis in der bisherigen Literatur trotzdem wissenschaftlich möglichst präzise eingeordnet werden kann. Um der wissenschaftlichen Diskussion in diesem Sinne zumindest eine formale Struktur zu verleihen, wird zunächst ein Klassifizierungsversuch unternommen, der die Aufgabe der Abgrenzung im Anschluss erleichtern soll.
2.1.1.1 Die E-Brand In der wissenschaftlichen Literatur gibt es eine Vielzahl typenbildender Kriterien, die zur allgemeinen Klassifizierung und Systematisierung von Marken herangezogen werden. Häufige Klassifizierungsansätze basieren z.B. auf der Anzahl der markierten Güter (Einzelmarke, Mehrmarke, Markenfamilie, Dachmarke), auf der geografischen Reichweite (regionale, nationale, internationale Marke), auf ihrer institutionellen Stellung (Herstellermarken, Handelsmarken), auf der Art der Markierung (Wortmarke, Bildmarke) oder aber auf der Art ihrer Leistung (Konsumgütermarken, Industriegütermarken, Dienstleistungsmarken).44 Die üblichen Klassifizierungsmerkmale von Marken behalten zu einem großen Teil im Internet ihre Gültigkeit. Auch dort können Einzel-, Mehr- und Familienmarken oder regionale, nationale, internationale und globale Marken unterschieden werden.45 Durch die zunehmende Relevanz von Internettechnologien ist jedoch das Internet in den letzen Jahren selbst zu einem Systematisierungskriterium geworden.46 Anhand dieses Kriteriums lassen sich Marken in OnlineMarken47, Offline-Marken48 und Hybrid-Marken49 unterscheiden. Zur Herleitung einer wis42
Vgl. Bruhn 2004b, S. 5. Vgl. Bongartz/Burmann/Maloney 2005, S. 435. 44 Vgl. Bruhn 2004b, S. 18; 34ff; Fantapié Altobelli 2004, S. 192. 45 Vgl. Bruhn 2004b, S. 17f.; Aaker/Joachimsthaler 2000a, S.8ff. Insbesondere bei der Klassifizierung anhand geografischer Kriterien muss darauf hingewiesen werden, dass die einfache Erreichbarkeit einer Marke über das Internet noch nicht dazu führt, dass diese auch eine internationale Marke im Sinne ihrer „Verkehrsgeltung“ ist. Vgl. dazu Kelz 1989, S. 119ff. 46 Vgl. Sabel 2007, S. 25. 47 auch: .com-Marken, digitale Marken, Internetmarken, virtual brands oder e-brands 48 auch: klassische Marken, traditionelle Marken oder brick and mortar brands 43
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
11
senschaftlichen Definition der E-Brand ist die klare und eindeutige Differenzierung aller drei Markenformen im Internet Voraussetzung. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die bisher verwendeten Abgrenzungskriterien innerhalb der E-Branding Literatur. Kriterium
Definitionsansatz
Quelle
Existenz
Die Marke ist präsent: a) nur online b) online und offline c) nur offline
Kommunikationsstrategie
Die Marke wird kommuniziert: a) nur online b) online und offline c) nur offline
Park/Choi/Kim 2005 Fantapié Altobelli/Sander 2001 Bauer/Rösger/Valtin 2004 Pätzmann 2001 Kastenmüller 2001
Herkunft
Die Marke hat ihren Ursprung in a) der virtuellen Welt c) der realen Welt
Erschließung neuer Märkte
a) Die Marke hat einen neuen Markt erschlossen
Baumgarth 2008 Strebinger/Treiblmaier 2004 Ind/Riondino 2001 Jevons/Gabbott/DeChernatony 2001 Kernstock/Brockdorff/Schubinger 2002 Hermanns/Matzdorf/Riedmüller 2001 Ziems/Ohlenfors 2000
a) Die Fähigkeiten des Bongartz/Burmann/Maloney 2005 markeninhabenden Unternehmens sind spezifisch auf das Internet ausgerichtet Businessmodell a) Das Businessmodell der Marke Anson 2001 ist spezifisch auf das Internet ausge- Ibeh/Luo/Dinnie 2005 richtet Zentrum der MarketingMarketingaktivitäten hauptsächlich Bongartz 2002 aktivitäten a) nur online Specht 2001 b) online und offline c) offline Vertriebskanal Tang/Gan 2004; Smith/Brynjolfsson 2001 Die Marke wird a) nur online b) online und offline c) nur offline vertrieben Leistung Die Marke ist ein markiertes, Eckert 2004 a) rein digitales b) digitales und reales c) rein reales Leistungsbündel Die Angaben gelten für a) Online-Marken, b) Hybrid-Marken, c) Offline-Marken Markenkompetenz
Tabelle 1: Abgrenzung und Definition von Marken im Internet50
49 50
auch: Crossover-Marken oder Konvergenz-Marken In Anlehnung an Sabel 2007, S. 26.
12
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
Viele der aufgelisteten Abgrenzungskriterien sind allerdings kaum in der Lage, eine trennscharfe Differenzierung zwischen Online-, Offline- und Hybrid-Marken herzustellen, die sowohl unternehmensseitig als auch kundenseitig eindeutig ist.51 Eine kritische Betrachtung zeigt beispielsweise, dass die Herkunft einer Marke bei Hybridmarken von Kunden nicht mehr eindeutig zugeordnet werden kann, oder die Leistung einer nur im Internet vertretenen Marke auch durchaus realer Natur sein kann. Um dennoch Klarheit in die Begriffsverwendung der E-Brand oder Online-Marke52 zu bringen, muss die folgende Diskussion auf dem Kriterium basieren, das am ehesten eine überschneidungsfreie Abgrenzung der E-Brand zulässt. Aus diesem Grund wird angenommen, dass der Vertriebskanal als primäres Unterscheidungskriterium ausgewählt werden kann. Unterstützt wird diese Überlegung von Backhaus/ Sabel, die in ihrer Untersuchung dem Kriterium Kaufkanal die höchste Trennschärfe unter allen untersuchten Kriterien attestieren.53 Basierend auf diesem Kriterium kann die Marke also als Online-Marke bezeichnet werden, wenn ihre Kernleistung ausschließlich online erworben werden kann. Entsprechend dieser Abgrenzung ist die Kernleistung bei OfflineMarken nur offline, bei Hybrid-Marken sowohl online als auch offline erwerbbar. Die Eingrenzung auf Basis der Kernleistung schließt zunächst weitere Mischformen durch Berücksichtigung von Sekundärleistungen der Marke aus. Aufbauend auf dieser eher allgemeinen Eingrenzung muss jedoch eine noch differenzierende Typologisierung54 der E-Brand vorgenommen werden, da es auch innerhalb der soeben definierten Online-Marke zu wissenschaftlich bedeutsamen Unterschieden kommt. So kann nach Eckert erst von einer digitalen Marke gesprochen werden, wenn sich die mit der Marke verbundene Leistungskompetenz digitalisieren lässt.55 In diesem Zusammenhang wird der Grad der Digitalisierung weiterhin daran gemessen, ob lediglich die Primärleistung oder aber auch die Sekundärleistungen digitalisierbar sind.56 Kritisch anzumerken ist dabei allerdings, dass Primär- und Sekundärleistungen nicht immer allgemeingültig voneinander abgrenzbar sind. Fantapié Altobelli hingegen bezeichnet diejenigen Marken als E-Brands, bei denen der Ursprung der Geschäftstätigkeit im Internet liegt, unabhängig davon, ob sie zu einem späteren
51
Vgl. Sabel 2007, S. 25ff. Beide Begriffe werden in der folgenden Diskussion synonym verwendet. Vgl. Backhaus/Sabel 2006, S. 52f. 54 Im Gegensatz zu einer Klassifizierung wird bei einer Typologisierung die Erstellung einer Heuristik angestrebt, ohne eine vollständige Klassifikation vornehmen zu müssen. Die Differenzierungsmerkmale müssen demnach nicht hinreichend für die Einteilung der Gruppen sein. Vgl. Friedrichs 1973, S. 87-91. 55 Vgl. Eckert 2004, S. 28ff. 56 Vgl. Eckert 2004, S. 29f. 52 53
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
13
Zeitpunkt auch Offline vertreten sind.57 Da der Ursprung der Geschäftstätigkeit in der Regel auf die Primärleistung zurückzuführen ist, basieren beide Ansätze auf ähnlichen Annahmen. Bezugnehmend auf diese Betrachtungsweise werden im weiteren Verlauf der Arbeit unter EBrands solche Marken verstanden, deren Kern- oder Primärleistung auf digitaler Ebene eingeordnet werden und damit ihren zentralen Beitrag durch die elektronische Wertschöpfung leisten.58 Die Berücksichtigung des Wertschöpfungsprozesses dient zwar einerseits als klares Differenzierungskriterium, andererseits werden dadurch auch wieder neue Fragen aufgeworfen. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob generell alle Marken, deren Wertschöpfungsprozess auf elektronischer Ebene stattfindet, als E-Brand bezeichnet werden können. Eckert merkt dazu beispielsweise an, dass reine E-Brands nur solche Marken sind, deren Produkte digitalisierbar sind.59 Prinzipiell ist diese strenge Auffassung der E-Brand in der Findung eines einheitlichen Begriffsverständnisses zwar hilfreich, sie grenzt allerdings auch solche Marken aus, deren Wertschöpfung zwar elektronisch ist, die Produkte aber realer Natur sind. In der Markenliteratur wird jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Art des Produktes für das Vorhandensein einer Marke nicht ausschlaggebend ist.60 Folglich lässt sich das Kriterium der Digitalisierbarkeit des Kernproduktes nicht als generelles Unterscheidungskriterium zur Abgrenzung der E-Brand anwenden, sondern lediglich zu einer weiteren Differenzierung innerhalb der Gruppe der E-Brands. Schlussfolgernd können drei grundsätzliche Kriterien abgeleitet werden, die zur Klassifizierung und Abgrenzung von E-Brands notwendig sind (vgl. Abbildung 2): der Vertriebskanal (online/offline), die Wertschöpfung bzw. Kernleistung (elektronisch/real) und das Kernprodukt (digital/real). Im weiteren Verlauf der Arbeit gelten diesen Kriterien zufolge solche Marken als E-Brands, die a) ihren Vertrieb über das Internet abwickeln, b) ihre Primärleistung der elektronischen Wertschöpfung zuordnen und c) ihre Produkte sowohl real und/oder digital anbieten.
57
Vgl. Fantapié Altobelli 2004, S. 189. Sie betitelt die reinen Online-Marken als Pure Play, Marken die jedoch auch real existieren als Dual Track. Allerdings sind diese Begrifflichkeiten in der aktuellen Literatur weniger gebräuchlich. 58 Siehe dazu auch die Ausführungen von Kollmann 2004, S. 70ff. 59 Vgl. Eckert 2004, S. 1 und S. 86ff. 60 Vgl. Keller 2003, S. 3f.
14
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
Vertrieb
Wertschöpfung
online
elektronisch
(z.B. amazon.de, google.de)
(Internetverkauf/ Informationssuche)
Kernprodukt(e)
real
E-Brands
digital (google.de: Suchmaschine)
(amazon.de: CDs, Bücher)
hybrid (z.B. otto.de, karstadt.de, spiegel.de)
elektronisch
digital
(Internetverkauf/ Informationsbereitstellung)
(karstadt.de: Software, spiegel.de: E-Magazine)
physisch
real
(Katalogverkauf/Warenahaus/ Informationsbereitstellung)
(otto.de: Kleidung, spiegel.de: Zeitschrift)
offline
physisch
real
(z.B. bmw.de)
(Autoverkauf)
(Auto)
Abbildung 2: Klassifizierungskriterien zur Abgrenzung der E-Brand
2.1.1.2 Kontext Net Economy Nachdem im vorangegangenen Kapitel eine Abgrenzung der E-Brand im Vergleich zu anderen Markenformen vorgenommen wurde, schließt sich in diesem Kapitel eine Analyse der Besonderheiten elektronischer Netzwerke als Umgebung des Markenaufbaus an. Zwar scheint der Markenaufbau aus prozessualer Perspektive unabhängig seines jeweiligen Kontextes stattzufinden, allerdings ist anzunehmen, dass das Umfeld, in dem die Marke aufgebaut werden soll, direkten oder indirekten Einfluss auf die Umsetzung und Gestaltung der Marke hat. Daher erfordert die Auseinandersetzung mit dem E-Branding zunächst die Rolle des Internets im Gesamtkomplex des Markenaufbaus zu bestimmen, um dadurch die Abgrenzung des Untersuchungsobjektes fortführen zu können. Wie sehr das Internet den Markenaufbau beeinflusst, wird bereits daran deutlich, dass die Präsenz der Marke im Web nur über die Einrichtung einer Markenwebseite realisiert werden kann.61 Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Markenhomepage „die Basis für die Ausnutzung der medienspezifischen Informations-, Kommunikations- und Transaktionspotenziale für die Marke“62 darstellt. Insbesondere bei E-Brands, die wie oben definiert das Internet als
61 62
Vgl. Hermanns/Matzdorf/Riedmüller 2001, S. 203. Bongartz 2002, S.19.
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
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primären Absatzkanal nutzen, erhöht sich der Abstimmungsbedarf hinsichtlich der internetspezifischen Kommunikations-, Distributions-, Produkt- und Preispolitik, um die genannten medienspezifischen Potenziale realisieren zu können.63 Informationspotenziale entstehen im Internet im Wesentlichen durch die Erzielung informationsökonomischer Wettbewerbsvorteile. Dabei bildet der wachsende Informationsaustausch über elektronische Netzwerke, der durch Digitalisierung und Komprimierung von Daten und steigender Rechnerleistung erzeugt wird, die Grundlage für die wirtschaftliche Attraktivität des Mediums.64 In der Net Economy stellen Informationen einen eigenständigen Produktionsfaktor dar65 und begründen damit die neue Dimension der Informationsökonomie.66 Die Realisierung von Informationspotenzialen kann lediglich über die Schaffung elektronischer Mehrwerte geschehen, für die der Kunde bereit ist zu zahlen. Dazu zählen Mehrwerte, die z.B. durch Strukturierung, Kommunikation, Abstimmung, Selektion oder Matching von Informationen entstehen oder aber durch die Nutzung von Informationen zur Unterstützung des Abwicklungsprozesses (Transaktionswert) generiert werden.67 In der Net Economy ist es durchaus üblich, dass auch eine multiple Wertschöpfung stattfindet, die in der Erzeugung verschiedener Mehrwerte mündet. Nicht unwesentlich ist dabei jedoch die Form der Informationsvermittlung, die je nach zeitlichen, inhaltlichen oder formalen Gesichtspunkten starken Einfluss auf die tatsächliche Wertschöpfung hat. Zur Realisierung der elektronischen Wertschöpfung stellt sich generell die Frage, wie die relevanten Informationen zunächst gesammelt werden, damit sie anschließend so verarbeitet werden können, dass sie für den Kunden einen Mehrwert erzeugen, der in angemessener Form an diesen übertragen werden kann. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Informationsdreisprung (Sammlung, Verarbeitung, Übertragung von Informationen).68 Diese Art der Wertschöpfung schafft insbesondere für die oben definierten reinen E-Brands wichtige Transaktionspotenziale. Um diese Mehrwerte zu erzeugen, sieht sich jedes markenaufbauende Unternehmen in der Pflicht, den notwendigen elektronischen Wertschöpfungsprozess umzusetzen.69 Werden Informationen zu einer eigenständige Quelle von Wettbewerbsvorteilen, kann unabhängig von der physischen Wertschöpfungskette eine elektronische Wertschöpfungskette implementiert 63
Vgl. Kollmann 2007a, S. 57ff. Vgl. Kollmann/Suckow 2007b, S. 235. Vgl. Weiber/Kollmann 1997, S. 517f. 66 Vgl. Kubicek 1997; Linde 2008, S. 4ff.; Kollmann 2007b, S. 28. 67 Vgl. Kollmann 2006, S. 70f. 68 Vgl. Kollmann 1998b, S. 44ff. 69 Vgl. Amit/Zott 2001, S. 493ff. 64 65
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werden. Das resultierende, elektronische Informationsprodukt eröffnet eine neue, elektronische Handelsebene für die Entwicklung reiner E-Brands und erfordert damit auch neue Kompetenzen in der Erfüllung internetspezifischer Anforderungen im Wertschöpfungsprozess.70 Bei der Betrachtung des Markenaufbaus im Internet sind jedoch nicht nur rein informationsökonomische Aspekte zu berücksichtigen.71 Die stetigen sozialen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen führen nämlich auch zu einer Veränderung in der Art und Weise, wie sich der Informationsaustausch und damit die Kommunikation zwischen den Teilnehmern gestaltet.72 Kommunikationspotenziale eröffnen sich für die Marke durch die vorteilhafte Nutzung dieser Veränderungen, die sich beispielsweise in der Virtualität, Multimedialität, Interaktivität und Individualität der Kommunikation widerspiegeln.73 Virtualität impliziert hierbei die Entkopplung der Kommunikation von Raum und Zeit, was dazu führt, dass das Internet als ubiquitäres Medium eine von der physischen Kommunikationsebene unabhängige virtuelle Kommunikationsebene schafft.74 Die Ausgestaltung des Kommunikationsprozesses lässt sich zudem durch den Einsatz verschiedener Medienformen mehrdimensional gestalten. Da Multimedialität die Übertragung komplexer Inhalte erlaubt, eröffnen sich durch Multimedialität wichtige Kommunikationspotenziale, die beim Aufbau einer Internetmarke berücksichtigt werden müssen. Die Ubiquität des Mediums löst außerdem das ursprüngliche Sender-Empfänger-Schema auf und hebt die Kommunikation durch das Paradigma einer reziproken Kommunikationsbeziehung auf eine globale Ebene.75 In Folge dessen entsteht ein interaktiver Kommunikationsprozess, an dem sich jeder Teilnehmer aktiv beteiligen kann. Werden dabei anfallende Bewegungs-, Transaktions- und Kommunikationsdaten automatisiert gespeichert, bildet Interaktivität die Basis für eine Individualisierung der Kommunikation. Im Anschluss an diese Ausführungen wird der Bezug zu den oben definierten Markenformen mit Hilfe der folgenden Abbildung hergestellt (vgl. Abbildung 3).
70
Vgl. Kollmann/Häsel/Breugst 2009, S. 51ff.; Kollmann/Kuckertz/Breugst 2009, S. 117ff. Vgl. Kollmann/Suckow 2008b, S. 153ff. Vgl. Suckow 2007, S. 192. 73 Vgl. Beck 2006, S. 32ff. 74 Vgl. Kollmann/Suckow 2007b, S. 236f. 75 Vgl. Faulstich 2000, S. 40. 71 72
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
Bedeutung des Internets
Online-Marke
Schwerpunkt der Markenführung im Internet
• Zusätzliches Kommunikationsmedium
• Kommunikation • Werbung • Präsenz
• Medienübergreifende Integration der Markenkommunikation
• Zusätzliches Kommunikationsmedium • Zusätzlicher Verkaufskanal
• Kommunikation • Werbung • Präsenz • Transaktionsanbahnung
• Integration der Markenkommunikation • Koord./Integration der Kanäle • Evtl. Aufbau einer eigenen Online- (Zusatz-) Markenstrategie
• Hauptsächliches Kommunikationsmedium • Hauptsächlicher Verkaufskanal
• Kommunikation • Werbung • Existenz • Transaktionsanbahnung • Transaktionsabwicklung
• Vollständiger Aufbau einer medienspezifischen Marke
Offline-Marke
Hybrid-Marke
Schwerpunkt der InternetAktivitäten
17
Abbildung 3: Bedeutung des Internets für die verschiedenen Markentypen
Handelt es sich beispielsweise um reine Online-Marken, so spielt das Internet eine wesentlich größere Rolle im Markenaufbauprozess als bei anderen Markenformen. Dies ist auf die Notwendigkeit zurückzuführen, nicht nur Kommunikations- sondern vor allem auch Transaktionspotenziale für den Aufbau einer internetspezifischen Marke zu realisieren, da das Internet zugleich primäres Kommunikationsmedium und primärer Verkaufskanal für diese Marken ist. Die Markenführung von Online-Marken konzentriert sich daher auf den medienspezifischen Aufbau der Marke. Handelt es sich jedoch lediglich um Hybrid- bzw. Offline-Marken, können Transaktionspotenziale zunächst vernachlässigt werden, da der Schwerpunkt der Internetaktivitäten vor allem in der Kommunikation und Werbung der Marke liegt. Der Schwerpunkt der Markenführung liegt bei diesen Marken daher auf einer medienübergreifenden Integration der Markenkommunikation.
2.1.2
Der Markenaufbau im Internet
Die Einführung neuartiger Angebote zieht insbesondere im Internet Nachahmer an, vor denen sich Unternehmen durch einen schnellen Aufbau der Unternehmensmarke schützen müssen. Der so genannte First-Mover-Advantage muss dazu genutzt werden, die Eintrittsbarrieren in den womöglich neu geschaffenen Markt durch den Aufbau einer starken Marke zu erhöhen.76
76
Vgl. Fantapié Altobelli 2004, S. 208; Fantapié Altobelli 2002.
18
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
In der Regel schaffen es Wettbewerber bereits innerhalb des ersten Entwicklungsjahres über 70% der Informationen eines Neuproduktes der Konkurrenz in Erfahrung zu bringen, wodurch sie die eigenen Entwicklungskosten um ca. zwei Drittel senken können.77 Dadurch haben potentielle Wettbewerber die Möglichkeit, ihre eigene Unsicherheit bei der Verfolgung einer ähnlichen Einführung allein durch Beobachtung deutlich zu reduzieren und selber mit weniger Aufwand das gleiche Wissen zu produzieren.78 Um dieses Imitationsrisiko zu vermeiden, wird im strategischen Management darauf hingewiesen, dass Unternehmen eine möglichst lange lead time79 bei der Einführung innovativer Produkte aufweisen sollten, um den First-Mover-Advantage vorteilhaft auszuschöpfen. Dieses temporäre Monopol des FirstMovers80 entsteht durch Technologieführerschaft, Lernkurveneffekte, Wechselkosten und Präferenzbildung der Käufer.81 Um die Rolle des First-Movers weiter auszubauen, wird in der Net Economy häufig eine schnelle Internationalisierungsstrategie angestrebt, die es dem Unternehmen erlaubt, die genannten Vorteile möglichst lange auszuschöpfen.82 Die notwendige Realisierung der unternehmerischen Gelegenheit83 wird dabei als die Fähigkeit verstanden, Bedürfnisse des Marktes durch eine kreative Kombination von Ressourcen zu befriedigen und dadurch einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen.84 Eine mögliche Verlängerung der lead time kann demnach dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit der Marke zu stärken85 und bereits früh Kundenpräferenzen für die Marke zu fördern.86 In manchen Fällen zeichnen sich erfolgreiche E-Brands sogar dadurch aus, dass sie durch Hervorrufen neuer Bedürfnisse in der Lage sind, einen neuen Markt zu schaffen.87 Sind die Kunden einmal davon überzeugt, dass die erste Marke einer bestimmten Kategorie eine zufriedenstellende Leistung erbringt, wird diese zum Standard, gegen den alle nachfolgenden Marken beurteilt werden. Folger haben es daher schwerer als die ersten Marken die Kunden davon zu überzeugen, sich intensiv mit der neuen Marke auseinanderzusetzen und über die Qualitäten dieser zu lernen.88 Weiterhin ist es im E-Business wesentlich schwieriger, sich als Nr. 2 erfolgreich und dauer-
77
Vgl. Ghemawat 1986, S. 53. Vgl. Choi/Lévesque/Shepherd 2002, S. 133f. 79 Lead time bezeichnet die Zeitspanne, in der eine Innovation keine oder nur sehr begrenzten Wettbewerb erfährt. Vgl. Huff/Robinson 1994, S. 1371. 80 Vgl. Huff/Robinson 1994, S. 1371. 81 Vgl. Carpenter/Nakamoto 1989, S. 285f.; Lieberman/Montgomery 1988, S.41. 82 Vgl. Christofor 2008, S. 13f. 83 Vgl. Schumpeter 1934; Kirzner 1973. 84 Vgl. dazu die Ausführungen in Kollmann/Kuckertz 2007, S. 52. 85 Vgl. Schmalensee 1982, S. 349ff. 86 Vgl. Carpenter/Nakamoto 1989, S. 285ff.; Huff/Robinson 1994, S. 1371. 87 Vgl. Goldammer 2001, S. 206. 88 Vgl. Schmalensee 1982, S. 360. 78
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
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haft im Markt zu etablieren, da die Vermeidung von Abhängigkeiten des Markführers bei Zwischenhändlern im Internet nicht gegeben ist.89 Der Markenaufbau kann folglich dazu beitragen, Eintrittsbarrieren gegen Wettbewerber zu schaffen. Auch in Internetumgebungen wird die Marke zur Schaffung von Eintrittsbarrieren genutzt, da sie Schutz gegen die zunehmende Konkurrenz verspricht.90 In Bezug zum FirstMover-Advantage unterstützt der Markenaufbau das Unternehmen dabei, die lead time zu verlängern und dadurch die Positionierung der Marke zu forcieren. Vor diesem Hintergrund ist die erhöhte Transparenz und die ohnehin verkürzte lead time in der Net Economy ein wesentlicher Grund für den Bedeutungszuwachs des Markenaufbaus von E-Brands.
2.1.2.1 Der Markenaufbauprozess Bevor der Markenaufbau untersucht werden kann, ist es hilfreich eine zeitliche Differenzierung des Markenaufbaus von der Markenführung vorzunehmen. Aufbau und Führung der Marke erfordern sehr unterschiedliche Maßnahmen innerhalb der Markenpolitik und müssen daher eine separate wissenschaftliche Betrachtung erfahren. Der Markenaufbau umfasst sämtliche Maßnahmen, die zur Markierung der angebotenen Leistung notwendig sind. Die Markenführung hingegen wird als „Durchsetzung, Überwachung und Modifizierung von Strategien der Nutzung von Marken“91 verstanden. Obwohl beide Phasen konzeptionell zumindest ansatzweise beschrieben werden können, lässt sich eine Partition von Aufbau und Führung aus wissenschaftlicher Perspektive nur schwer vollziehen, da mit dem Aufbau der Marke sogleich deren Führung beginnt. Rode definiert das Corporate Branding z.B. als den gesamten „Prozess des Aufbaus der Corporate Brand vom Zeitpunkt der Unternehmensgründung an“.92 Nach ihrer Auffassung ist das Branding dem Brand Management vorgelagert, da es im Wesentlichen nur den Aufbau der Identität umfasst. Die Sicherstellung der konsistenten Identität über alle Unternehmensbereiche hinweg ist hingegen Aufgabe des Brand Managements.93 In diesem Zusammenhang soll auf den dynamischen Charakter des Branding hingewiesen werden. Der Identitätsaufbau ist nicht mit Gründung des Unternehmens oder der Einführung der Marke abgeschlossen, sondern die Identität wird mit dem Markteintritt – obwohl sie sich noch im Aufbau befindet – schon nach Außen kommuniziert und ist damit bereits im Entwicklungsstadium in der Lage, 89
Vgl. Riekhof 2001, S. 25. Vgl. Ibeh/Luo/Dinnie 2005, S. 364. Hammann 2001, S. 284. 92 Rode 2004, S. 19. 93 Vgl. Frigge/Houben 2002, S. 34. 90 91
20
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
den Markenwert aufzubauen, der durch das Brand Management sichergestellt werden muss.94 Die nicht eindeutig durchführbare Trennung von Markenaufbau und Markenführung hat dazu geführt, dass beide Phasen in der Markenliteratur oft undifferenziert betrachtet werden.95 Weitaus differenzierter als die schlichte Unterteilung in Aufbau und Führung nimmt Bruhn eine Phaseneinteilung der Markenentwicklung im Zeitverlauf vor.96 Er lehnt die Phaseneinteilung an das Lebenszykluskonzept an und erstellt einen Markenlebenszyklus. Idealtypisch durchläuft die Marke diesem Zyklus folgend sechs charakteristische Phasen: Markenaufbau, Markenabsicherung, Markendifferenzierung, Markenimitation, Markenspaltung und Markenpolarisierung. Auch wenn den einzelnen Phasen bestimmte Merkmale zugewiesen werden können, die tendenzielle Anhaltspunkte zur Phasenabgrenzung bieten, betont Bruhn, dass die Abgrenzung der Phasen durch allgemeingültige Kriterien kaum möglich ist, da sich eine Vielzahl von Faktoren auf den tatsächlichen Verlauf auswirken. Demzufolge bleibt Bruhn auch in seinen Ausführungen zu den einzelnen Phasen sehr vage und sieht für den Markenaufbau beispielsweise nur die Bekanntmachung der Marke im Markt vor, für die das Unternehmen ein hohes Kommunikationsbudget bereithalten muss.97 Auch bei dem von Fantapié Altobelli/Sander beschriebenen Markenaufbauprozess fehlt eine tiefergehende wissenschaftliche Auseinandersetzung. Die fünf Stufen Markenfindung, Bekanntmachung der Marke, Markenpositionierung, Markenausbau und Markenstabilisierung98 werden nur durch Hinweise auf einzelne Probleme angerissen, eine Konkretisierung bzw. theoretische Abgrenzung der Stufen und deren inhaltliche Bestimmung bleibt aus. In der wissenschaftlichen Literatur lässt sich trotzdem eine Fülle von Modellen zur Thematik des Corporate Branding Prozesses finden. So werden zum Beispiel die Modelle von Marklan/Knox99, Kunde100 oder Hatch/Schultz101 zu den Modellen des Corporate Branding
94
Vgl. Rode 2004, S. 21. Beispielsweise ist Eckert der Meinung, dass beide Konzepte nicht voneinander zu trennen sind. Aus dieser Argumentation heraus legitimiert er die bewusste Vernachlässigung einer differenzierten Betrachtung von Aufbau und Führung und bleibt damit bei seiner Betrachtung auf einer eher oberflächlichen Ebene. Vgl. Eckert 2004, S. 104. 96 Vgl. Bruhn 2004a, S. 432f. 97 Im Rahmen dieser Kritik bleibt anzumerken, dass der von Bruhn beschriebene Lebenszyklus ausdrücklich mit dem Ziel abgeleitet wurde, die unterschiedlichen Lebensphasen verschiedener Markentypen und ihre relative Bedeutung im Zeitablauf zu verdeutlichen. Der fehlenden Präzisierung der einzelnen Phasen ist sich Bruhn bewusst und weist entsprechend auf den geringen Erklärungsgehalt des Modells hin. 98 Vgl. Fanatpié Altobelli/Sander 2001, S. 173. 99 Vgl. Knox/Marklan 1998, S. 47ff. 100 Vgl. Kunde 2000, S. 128ff. 101 Vgl. Hatch/Schultz 1997, S. 356ff. 95
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
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Prozesses gezählt.102 Allerdings wird bei diesen Modellen weniger auf den Prozesscharakter eingegangen als auf inhaltliche Fragestellungen. Einige Ansätze dazu lassen sich lediglich bei Gregory/Wiechmann103 oder Frigge/Houben104 finden. Gregory/Wiechmann fordern beispielsweise eine strikte Reihenfolge bei der Umsetzung des Corporate Branding. Dabei muss zunächst eine genaue Zielgruppenrecherche stattfinden, die durch eine anschließende Marktanalyse zur Definition der Kommunikationsziele komplettiert werden muss. Da sich die Kommunikationsziele an den Unternehmenszielen ausrichten, muss eine strategische Unternehmenspositionierung folgen, die sich langfristig an dem Ausbau der Wettbewerbsvorteile orientiert. Erst dann kann die schriftliche Dokumentation des Unternehmensleitbildes und die konkrete Gestaltung der Corporate Brand stattfinden. Insgesamt wird damit die Identität des Unternehmens festgelegt. Dieser grobe Anriss des Modells lässt jedoch erkennen, dass auch hier – trotz der geforderten Reihenfolge – von einem dynamischen Charakter des Branding ausgegangen wird. Die eindeutige zeitliche Abgrenzung des Markenaufbaus von der Markenführung ist auf Grund dieses dynamischen Prozesscharakters also nicht zu vollziehen. Da eine Präzisierung des Verständnisses des Markenaufbaus für den weiteren Verlauf der Arbeit jedoch notwendig erscheint, wird die Analyse des Branding im folgenden Abschnitt auf inhaltlicher Ebene fortgesetzt.
2.1.2.2 Das Branding Wie bereits im vorangegangenen Kapitel beschrieben, wird in der Markenliteratur für den Markenaufbau auch der Begriff Branding verwendet.105 Der englische Begriff Branding bezeichnet streng genommen lediglich den Akt der Kennzeichnung und kann deshalb mit dem Wort Markierung übersetzt werden. Das Ziel der Markierung liegt in der Individualisierung eines Objekts, um es von anderen Objekten unterscheiden zu können. Ausgehend von dieser offenen Definition wird der Begriff Branding in der einschlägigen Literatur uneinheitlich verwendet.106 Grundsätzlich lassen sich die Begriffsverwendungen dahingehend unterscheiden, dass ihnen entweder eine Definition des Branding im weiteren oder im engeren Sinne zugrundeliegt.107 Unter Branding im engeren Sinne werden alle markierungstechnischen Entscheidungstatbe-
102
Siehe dazu beispielsweise Rode 2004, S. 21ff. Vgl. Gregory/Wiechmann 1998. Vgl. Frigge/Houben 2002, S. 31ff. 105 Vgl. Haedrich/Tomczak/Kaetzke 2003, S. 29. 106 Vgl. Esch/Langner 2005a, S. 577. 107 Vgl. Berndt/Fantapié Altobelli/Sander 1997, S. 132f.; Esch/Langner 2005a, S. 577. Fritz 2004, S. 195. 103 104
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Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
stände im Sinne der Gestaltung von Marken verstanden.108 Darunter fällt also lediglich der Vorgang der Markierung einer Leistung (z.B. die Gestaltung von Markennamen und Markenlogo oder die Produkt- und Verpackungsgestaltung).109 Das Ziel ist die wirkungsvolle, strategische Zusammensetzung der Gestaltungselemente, um ein diskriminierungsfähiges Erscheinungsbild aufzubauen und später auch positionierungsrelevante Assoziationen zu vermitteln.110 Innerhalb dieses engeren Begriffsverständnisses gibt es noch weitere, engere Auffassungen über das Branding. So wird das Branding von manchen Autoren auf die Namensgebung der Marke reduziert.111 Dies führt jedoch zu einer Vernachlässigung anderer visueller Markenelemente (Form, Farben, Bilder), die einen erheblichen Beitrag zur Differenzierung und Positionierung einer Marke beitragen.112 Die Markierung alleine vermittelt jedoch noch keine Inhalte und kann damit noch nicht als ausreichend für den Aufbau der Marke bezeichnet werden. Erst in der zweiten Stufe des Markenaufbaus – also dem Branding im weiteren Sinne – wird die markierte Leistung (das Visuelle) mit Bedeutung versehen.113 Dabei wird der Kern der Marke durch die Strukturierung bestimmter Assoziationen geprägt und nach außen kommuniziert. Bedeutungen auf inhaltlicher Ebene können daher nur durch die Relation bestimmter Assoziationen zueinander entstehen.114 Trotzdem können Design, Name oder Farbe bereits selbständig und losgelöst erste Assoziationen vermitteln, ohne an die inhaltliche Bedeutung der Marke angeknüpft zu sein.115 Für den Aufbau einer konsistenten Identität muss die Gestaltung der visuellen Merkmale demnach in enger Verbindung mit der Entwicklung der inhaltlichen Ebene geschehen, auch wenn diese in der ersten Phase des Branding nur projektiv vorgenommen werden kann.116 Vor diesem Hintergrund hat Keller einen idealtypischen Brandingprozess entwickelt, der die Entwicklung einer Markenpositionierung (aus strategischer Perspektive) als zentralen ersten Schritt des Markenaufbaus vorsieht, da sie richtungsweisend für sämtliche Marketingaktivitäten ist.117 In seinen Ausführungen sieht er den zentralen Aspekt in der Entwicklung der Identität durch die Definition des inhaltlichen Bedeutungsraumes der Marke. Dieser Schritt beinhaltet die Entwicklung von zentralen Markenassoziationen, die in den Köpfen der potentiellen 108
Vgl. Fantapié Altobelli/Sander 2001, S. 10. Vgl. Adjouri 1993, S. 225. 110 Vgl. Tomczak/Brexendorf 2005, S. 109f. 111 Vgl. z.B. Gotta 1989, S. 16; Linxweiler 2004, S. 299ff. 112 Vgl. Langner 2003, S. 4.; Keller 1998, S. 143f. 113 Vgl. Adjouri 2002, S. 113. 114 Vgl. Adjouri 2002, S. 117. 115 Balmer/Gray sprechen in Bezug auf die visuellen Elemente daher auch von secondary communication. Vgl. Balmer/Gray 2000, S. 260. 116 Vgl. Adjouri 2002, S. 113. 117 Vgl. Keller 2003, S. 44f.; Keller/Lehmann 2006, S. 740. 109
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Kunden mit der Marke verbunden werden sollen sowie andere Elemente, die zur Differenzierung der Marke beitragen.118 Keller spricht hier von der Markenpersönlichkeit, die der Marke bestimmte Attribute zuschreibt und den Aufbau von Kundenbeziehungen vereinfachen soll.119 Neben der Entwicklung dieser immateriellen Werte ist für die Entwicklung eines starken Markenimages auch die Hervorhebung sachlicher Markenattribute erforderlich, da diese den notwendigen Qualitätswert der Marke unterstreichen. Der zweite Schritt des Brandingprozesses umfasst die Integration des Brand Marketing, bei der sämtliche Elemente der Marke aufeinander abgestimmt werden müssen. Diese Elemente beziehen sich hauptsächlich auf die visuellen Merkmale der Marke, die im Rahmen der Kommunikationspolitik des Unternehmens für die Umsetzung bzw. Erreichung der Markenpositionierung konsistent und zielführend eingesetzt werden müssen. Sind die Voraussetzungen für den erfolgreichen Aufbau der Unternehmensmarke durch die Positionierung der Marke und die inhaltliche Bestimmung der Markenidentität gegeben und sind die Elemente zur Umsetzung erfolgreich aufeinander abgestimmt, muss die Entwicklung der Marke kontinuierlich im sog. Brand Management System überprüft und verfolgt werden, damit das Wachstum des Markenwertes nachhaltig unterstützt werden kann.120 Wie die Ausführungen erkennen lassen, ist der zentrale Aspekt im Markenaufbau die Entwicklung einer starken Markenidentität. Die Bestimmung der Markenidentität ist eine der ersten und damit wichtigsten Aufgaben im Markenaufbau.121 Erst wenn die Identität sowohl inhaltlich als auch formal genau definiert ist, kann über einen effektiven und zielführenden Transport der Identität das erwünschte Bild der Marke bei den Kunden erzeugt werden.
2.1.2.3 Besonderheiten des Branding im Internet Der allgemeine Markenaufbauprozess wurde in den vorangestellten Kapiteln ohne besondere Berücksichtigung des Net Economy Kontexts untersucht. Im Ergebnis konnte festgehalten werden, dass der entscheidende Faktor des Markenaufbaus in der Definition und Kommunikation der Markenidentität liegt, was zunächst unabhängig von dem zugrundeliegenden Medium geschieht. Wenngleich der eigentliche, formale Prozess des Markenaufbaus in der Literatur nicht medienspezifisch beschrieben wird, so erfordert vor allem die inhaltliche Ausrichtung der Marke in interaktiven Medien eine sensible Herangehensweise. Die Eigenschaften elekt-
118
Vgl. Keller/Sterntahl/Tybout 2002, S. 83. Vgl. Keller 2003, S. 44f.; Keller/Lehmann 2006, S. 741. Vgl. Keller 2003, S. 44. 121 Vgl. Esch/Krieger/Strödter 2008, S. 46. 119 120
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Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
ronischer Netzwerke stellen für die Marke einerseits besondere Potentiale bereit, die bei einer falschen Nutzung oder Nichtberücksichtigung aber auch enorme Risiken für das markenaufbauende Unternehmen implizieren können. Eines der besonderen Eigenschaften des Internets ist beispielsweise seine Multimodalität, die das Vorhandensein mehrerer Modalitäten für die Art und Weise der Sinnesansprache bezeichnet. Aufgrund der Nutzungsmöglichkeit verschiedener Formen der Informationspräsentation (Multimedialität), wie z.B. Text, Sprache, Bilder, Filme, Töne oder Musik,122 kann die Sinnesansprache und Wahrnehmungserfahrung im Internet besser realisiert werden, als in anderen Medien.123 Die Herausforderung einer zielgerichteten Sinnesansprache liegt für markenführende Unternehmen nicht in der einfachen Übertragung der Inhalte aus konventionellen Medien ins Internet (z.B. Text und Bild), sondern in der speziellen Konzeption von Markeninhalten für multimediale Formate (Filme, Musik, Animationen etc.).124 Der Markenauftritt eines Unternehmens im Internet muss nicht nur alle Formate bewältigen, sondern diese auch vorteilhaft für den Markenaufbau nutzen können. Newhagen/Rafaeli sehen in der Interaktivität eine weitere Eigenschaft, die die Kommunikation im Internet substantiell verändert hat.125 „Interaktivität ist die benutzerergonomische Grundlage dafür, dass das Medium sich an den Benutzer adaptieren kann [und damit] eine dynamische Angleichung an mediale und modale Bedürfnisse des Mediennutzers“126 stattfinden kann. Wird das Interaktivitätspotenzial des Internets von der Marke genutzt, so wird diese lebendig und kann in einen echten Dialog mit dem Kunden treten, der in dieser Form in anderen Medien bisher nicht möglich ist. Damit erhält die Marke eine quasi-soziale Kompetenz127 und kann den Kunden als Individuum ansprechen und damit an Glaubwürdigkeit gewinnen. Diese besonderen Eigenschaften des Internets führen dazu, dass Marken im Kontext der Net Economy eine gewisse Informationskompetenz erlangen müssen, die den optimalen Umgang mit dem Medium unterstützt.128 Die Marke muss den global verfügbaren, multimedialen Informationspool integrieren und für sich nutzen können. Ungleich anderer Kommunikationskanäle erlaubt das Internet dem Kunden die Kommunikation weitestgehend zu kontrollieren.129 Diese Kontrolle über den Informationsprozess macht 122
Vgl. Hoogeveen 1997, S. 151; Hamm 2000, S. 101. Vgl. Peterson/Balasubramanian/Bronnenberg 1997, S. 329ff. Vgl. Weidemann 2001, S. 419. 125 Vgl. Newhagen/Rafael 1996, S. 5. 126 Hamm 2000, S. 106. 127 Vgl. Hamm 1997, S. 46; Kastenmüller 2000, S. 223f. 128 Vgl. Hamm 2000, S. 107f. 129 Vgl. Bezjian-Avery/Calder/Iacobucci 1998, S. 23. 123 124
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einen gesteigerten Aufwand für den Kunden notwendig die zur Verfügung stehenden Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Dafür müssen Kunden die Informationen zunächst verstehen, bevor sie den Informationsfluss nach ihren Bedürfnissen steuern können.130 Um diese Aufgabe zu erfüllen besteht also ein erhöhter Bedarf an kognitiven Ressourcen, der besonders in interaktiven Umgebungen wie dem Internet zu einer großen Herausforderung für den Kunden wird und schon frühzeitig beim Markenaufbau berücksichtigt werden muss. 131 Insgesamt zeigen die spezifischen Merkmale des Internets, dass die Kommunikation der Marke und der Umgang mit den Kunden auf einer anderen Ebene stattfinden, als es in klassischen Kanälen der Fall ist. Dies führt dazu, dass die Kontextspezifität des Internets bereits frühzeitig beim Markenaufbau berücksichtigt werden muss, um eine zielgruppen- und mediumgerechte Gestaltung sämtlicher kommunikationspolitischer Maßnahmen zu gewährleisten und damit den Grundstein eines erfolgreichen Markenaufbaus zu legen.
2.1.3
Die Implementierungslücke als Praxisproblem
Zusammenfassend lässt sich die E-Brand als übergeordnetes Forschungsobjekt der vorliegenden Arbeit identifizieren. Die Erarbeitung klarer Definitionskriterien zur Begriffsbestimmung der E-Brand erlaubt die Abgrenzung der E-Brand zu anderen Markenformen. Mit Hilfe dieser Definitionskriterien konnten solche Marken als E-Brands identifiziert werden, die a) ihren Vertrieb über das Internet abwickeln, b) ihre Primärleistung der elektronischen Wertschöpfung zuordnen und c) ihre Produkte sowohl real und/oder digital anbieten.132 Aufbauend auf dieser Definition lässt sich die Rolle des Internets im Aufbau der Marke eingrenzen. Bei reinen Online-Marken wird das Internet zum primären Transaktions- und Kommunikationskanal, was dazu führt, dass für den Aufbau einer internetspezifischen Marke sowohl Kommunikations- als auch Transaktionspotenziale realisiert werden müssen. Die hohe Transparenz und der daraus resultierenden Leichtigkeit mit der Konkurrenten das Angebot des markenaufbauenden Unternehmens imitieren können, führt dazu, dass der Aufbau der Internetmarke frühzeitig umgesetzt werden muss, um die entsprechende Präferenzbildung der Käufer positiv für die eigene Marke zu beeinflussen. Der Prozess des Branding vollzieht sich dabei zunächst über die visuelle Gestaltung der Marke, bei der jedoch die strategische und inhaltliche Ausrichtung der Marke bereits projektive Berücksichtigung finden muss. Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine konkrete Positionie130 131 132
Vgl. Ariely 2000, S. 233. Vgl. Anderson 1983, S. 126ff. Marken, die diesen Kriterien entsprechen, werden im Folgenden auch als reine Online-Marken bezeichnet.
26
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rung im anvisierten Markt angestrebt wird, da über die Formulierung langfristiger Markenziele der Bedeutungsraum der Marke geprägt wird und dies wiederum die optische Erscheinung der Marke bestimmt. Insgesamt strebt der Markenaufbau damit die Schaffung einer einheitlichen, konsistenten und langfristig ausgerichteten Markenidentität an, die den Kern der Marke inhaltlich und gestalterisch bestimmt. Die diesem Prozess unterstellte Dynamik in der Vorgehensweise erschwert jedoch die Konkretisierung des Markenaufbauprozesses erheblich. Wie bereits in Kapitel 2.1.2.2 an Hand des von Keller vorgestellten idealtypischen Brandingprozesses deutlich wurde, ist die inhaltliche Spezifizierung der Markenidentität sowie die Umsetzung bzw. der Transport dieser mit Hilfe geeigneter Elemente ein wesentlicher Schritt des Markenaufbauprozesses.133 Ziel dieser Phase ist die Integration der Markenidentität mit den einzelnen Instrumenten bzw. die Ausgestaltung der identitätstragenden Elemente in konkrete Aktivitäten. Dieser zentrale Aspekt wird in der Markenliteratur jedoch häufig nur stiefmütterlich behandelt,134 was insbesondere deshalb verwunderlich ist, da in der Praxis bereits viele Marken mit einer starken Markenstrategie durch grobe Defizite in der Implementierung am Markt gescheitert sind und damit gezeigt haben, dass die beste Markenstrategie nicht automatisch zu einer erfolgreichen Marke führt. Die größten Defizite sind in der Regel bei der Übertragung strategischer Aspekte auf die operative Ebene der Unternehmensführung zu finden. Oftmals weisen die markenbezogenen Aktivitäten keinen Strategiebezug mehr auf, wodurch Stringenz und Konsistenz der Markenführung verletzt werden und der Marke dadurch langfristig schaden. Diese Lücke zwischen Konzept- und Realisierungsebene wird in der Fachliteratur als Implementierungslücke bezeichnet135 und soll der vorliegenden Arbeit als Ausgangsproblem des Markenaufbaus im Internet dienen. Zur Schließung dieser Lücke muss in erster Linie Klarheit über folgende Fragen herrschen: Übergeordnete, praxisbezogene Forschungsfrage: Welche Elemente der Marke im Internet tragen signifikant zum Markenaufbau und zum Transport der Markenidentität bei und welche Erfolgswirkung haben diese Elemente hinsichtlich der Wahrnehmung und Beurteilung der Marke seitens der Kunden?
133 134 135
Vgl. Keller 2003, S. 44f. Vgl. Miller/Wilson/Hickson 2004, S. 203; Jenner 2003, S. 157. Vgl. Esch 2007, S. 199; Miller/Wilson/Hickson 2004, S. 203.
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
27
Bevor dieser Frage jedoch nachgegangen wird, stellt der folgende Abschnitt den notwendigen Bezugsrahmen auf theoretischer Ebene her, um das dargestellte Problem des Markenaufbaus auch aus wissenschaftlicher Perspektive zu betrachten.136
2.2
Theoretischer Bezugsrahmen
Den Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Aufbau von Marken im Internet bildet die Bezugnahme auf ein zentrales Verständnis der Marke, um darauf aufbauend die Forschungsfrage inhaltlich weiter einzugrenzen. Die seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Marketingwissenschaft aufgeworfenen Ansätze zur Erfassung der Markenführung sind allerdings bis heute von wiederholten Neuausrichtungen und Paradigmenwechseln geprägt.137 Dieser andauernde Entwicklungsprozess eines allgemeingültigen Markenverständnisses spiegelt sich in der Abwesenheit einer umfassenden Theorie wider, die sich mit den relevanten Faktoren der Markenführung auseinandersetzt. Daher ist es notwendig, die bestehenden Ansätze hinsichtlich ihrer theoretischen Aussagekraft zu überprüfen und soweit zu präzisieren, dass sie zur Schaffung eines eindeutigen Markenverständnisses für den weiteren Verlauf der Arbeit herangezogen werden können. Hierzu sollte erwähnt werden, dass die verschiedenen Ansätze nicht in einem konkurrierenden Verhältnis zueinander stehen, sondern lediglich unterschiedliche Sichtweisen zur Annäherung an die Marke darstellen.138 Um die Basis momentan diskutierter Ansätze verständlich zu machen, ist im folgenden Abschnitt zunächst der Entwicklungsprozess dieser Ansätze im historischen Zeitverlauf zu skizzieren.
2.2.1
Ansätze der Markenführung
Auch wenn die Ursprünge der Marke genau genommen sogar bis in die antike Zeit der Ägypter zurückgehen,139 so wurde die Marke erst seit Ende der 1930er Jahre zum Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Bis dahin diente die Markierung von Produkten der Eigentumskennzeichnung und als Herkunftsnachweis.140 Oftmals stand dabei auch die Gründerpersönlichkeit als identitätsstiftendes Moment im Vordergrund. Im Rahmen der Industrialisierung fand jedoch die rasche Verbreitung des von Domizlaff geprägten Konzeptes des klassischen Markenartikels statt. Mit seiner Abhandlung über „die Gewinnung öffentlichen Vertrauens“ hat Domizlaff den Grundstein für eine nicht nur praktisch, sondern später auch wissenschaftlich 136
Zur Bedeutung der Entwicklung eines Bezugsrahmens im Forschungsprozess vgl. Rössl 1990, S. 99ff. Vgl. Meffert/Burmann 2005, S. 19ff.; Kapferer 2004; Keller 2003; Aaker 1996b. Vgl. Baumgarth 2008, S. 21. 139 Vgl. Esch/Langner 2005a, S. 575. 140 Vgl. Meffert 2000, S. 846. 137 138
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Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
weitreichende Disziplin geschaffen.141 Der ursprünglichste Ansatz war demnach der als instrumentell bezeichnete Markenführungsansatz, der Produkte anhand ihrer konstitutiven Merkmale konzipierte.142 Zentraler Aspekt war hier die Kommunikation der hohen und konstanten Qualität der Ware eines Herstellers. Der instrumentale Ansatz wurde Mitte der 1960er Jahre vom funktionsorientierten Ansatz abgelöst.143 Die zu der Zeit erstmals auftretenden, rezessiven Tendenzen der Gesamtwirtschaft führten zu einem Wandel des Verkäufer- zu einem Käufermarkt und damit zu einem breiter gefassten Verständnis der Aufgabenbereiche der Marke, das nun auch die Marktforschung, Produktentwicklung, sowie Preis- und Produktpolitik mit einbezog.144 Die in den 1980er Jahren auftretenden Sättigungstendenzen auf vielen Märkten und die damit einhergehenden nachlassenden Differenzierungsmöglichkeiten der angebotenen Produkte auf qualitativer Ebene führte zu einer weiteren Neuausrichtung der Marke. Im Resultat stand ein nachfrage- und wettbewerbsorientiertes Markenverständnis.145 Dieses löst sich bewusst von dem Gedanken der objektiv bestimmbaren Wareneigenschaften und richtet sich an der subjektiven Wahrnehmung der Marke durch den Konsumenten aus. Vertreter dieses Ansatzes betonen die Bedeutung des Markenimage als Ergebnis aller markengerichteten Aktivitäten. Daher wird diese Richtung auch dem verhaltens- bzw. imageorientierten Ansatz zugeordnet.146 Die Marke wurde damit zu einem sozialpsychologischen Phänomen,147 das sich durch die Zunahme der verhaltenswissenschaftlich geprägten Forschung innerhalb der Betriebswirtschaftslehre zu einem vieldiskutierten Thema entwickelte.148 Parallel zu dieser Entwicklung wuchs die Forderung nach einer funktionsübergreifenden Abstimmung und Vernetzung einzelner Maßnahmen auf Unternehmensebene, die sich deutlich in der Entstehung des technokratisch-strategieorientierten Ansatzes äußerte.149 Hierbei stand insbesondere die Planung, Steuerung und Koordination aller Maßnahmen der Markenführung im Vordergrund. Damit wird die Markenführung in den strategischen Unternehmenszusammenhang eingegliedert und als Führungsinstrument aufgefasst, das zur Integration aller Gestaltungsmaßnahmen der Marke in den Unternehmenskontext eingesetzt wird. Sowohl der verhaltensorientierte als auch der strategieorientierte Ansatz weisen jedoch ein generelles Integrationsdefizit auf, das sich in einer einseitigen Betrachtung der Austauschpartner (Unternehmen/Kunde) widerspiegelt. Die Berechtigung, die beide Ansätze jedoch in der Unterneh141
Vgl. Domizlaff 1939. Vgl. Mellerowicz 1955, S. 39. Vgl. Bruhn 2004b, S. 9; Meffert/Burmann 2005, S. 24. 144 Vgl. Hansen 1970, S. 30f.; Angehrn 1969, S. 21f. 145 Vgl. Meffert/Burmann 2005, S. 25f. 146 Vgl. Berekoven 1978, S. 43ff.; Aaker/Keller 1990, S. 27ff. 147 Vgl. Bruhn 2004b, S. 9. 148 Vgl. Homburg 2007, S. 32. 149 Vgl. Meffert 1988, S. 115f. 142 143
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menspraxis einnehmen, führt zu der Forderung nach einer Integration der Verhaltenskonstruktebene und Unternehmensführungsebene, also der Zusammenführung beider Ansätze.150 Dieser Diskurs zeigt, dass innerhalb der Disziplin eine ständige Ablösung von Erklärungsansätzen thematisiert wird. Allerdings kann hier nicht davon gesprochen werden, dass sich die Ansätze trennscharf voneinander abgrenzen lassen; es handelt sich lediglich um unterschiedliche Perspektiven desselben Untersuchungsgegenstandes.151 Die resultierende, anscheinend immer noch vorherrschende Revisionsbedürftigkeit der Ansätze wird in erster Linie auf die der Marke zugrunde liegende Eigendynamik zurückgeführt und äußert sich letztendlich in dem Fehlen eines allgemeinen Wahrnehmungs- und Bewertungsschemas, das ein pragmatisches Verfahren mit dem Gegenstandsbereich der Marke gestatten würde.152 Ein erster integrativer Ansatz lässt sich jedoch bei dem sog. identitätsorientierten Ansatz finden. Mit diesem Ansatz wird die Verknüpfung des technokratisch-strategieorientierten mit dem verhaltensorientierten Verständnis angestrebt, was in der geforderten Integration der Verhaltens- und der Unternehmensführungsebene resultiert.153 In diesem Zusammenhang wird der identitätsorientierte Ansatz auch als integrativer bzw. holistischer Ansatz bezeichnet, da er die endogene mit der exogenen Perspektive auf die Marke verbindet. Die neue Betrachtungsweise der Marke, die die Entwicklung dieses Ansatzes mit sich bringt, stößt in der Markenforschung auf positive Resonanz.154 Aufgrund der Tatsache, dass der Wandel des Markenverständnisses jedoch noch keineswegs abgeschlossen ist, fehlen in der Forschung bislang grundlegende Erkenntnisse zum identitätsorientierten Markenansatz. Die fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Bereich geben Anlass dazu, eine differenzierte Betrachtung der Marke unter den Prämissen des identitätsorientierten Ansatzes vorzunehmen. In diesem Zusammenhang wird im folgenden Kapitel zunächst ein kurzer Überblick über den verhaltensorientierten Ansatz gegeben, der zu wesentlichen Teilen Einfluss auf die sozialpsychologische Öffnung der Marke innerhalb des identitätsorientierten Ansatzes hat und damit einen wesentlichen Aspekt der Identitätsorientierung darstellt. Im Anschluss daran wird der identitätsorientierte Ansatz vorgestellt und hinsichtlich seiner theoretischen Aussagekraft für die vorliegende Forschungsfrage untersucht. Da die grundlegenden Annahmen des technokratisch-strategieorientierten Ansatzes weitestgehend im identitätsori-
150
Vgl. Bamert 2005, S. 115ff. Vgl. Bruhn 2003, S. 184; Vgl. Hellmann 2003, S. 68. 153 Vgl. Bruhn 2004b, S. 9. 154 Vgl. z.B. Kapferer 1992, S. 39ff.; Upshaw 1995, S. 18ff.; Aaker 1996b, S. 67ff.; Meffert/Burmann 2005, S. 25f. 151 152
30
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
entierten aufgenommen wurden, wird auf eine separate Betrachtung dieses Ansatzes an dieser Stelle verzichtet.
2.2.2
Der verhaltensorientierte Ansatz
Entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Markenführungsansätze hatte das Aufkommen des wirkungsbezogenen, psychologischen Verständnisses der Markenführung, da dieses nicht mehr länger die Perspektive des Markeneigners, sondern vielmehr die des Kunden einzunehmen vermochte und daher als verhaltens- bzw. imageorientierter Ansatz der Markenführung bezeichnet wurde.155 Viele der in den letzten Jahren zum Thema Marke veröffentlichen Schriften greifen immer noch auf diesen verhaltensorientierten Ansatz der Marke zurück.156 Insgesamt führt der verhaltensorientierte Ansatz die Einstellung und das Verhalten des Konsumenten auf dessen subjektive Wahrnehmung der Marke zurück. Einen wesentlichen Aspekt dieses Ansatzes beschreibt Keller als „the differential effect of brand knowledge on consumer response to the marketing of the brand”.157 Die zugrundeliegende Wissensstruktur einer Marke ist hier das ausschlaggebende Instrument für die Art und Weise, wie der Konsument auf die Marke reagiert. Solche Wissensstrukturen werden gemäß Keller hauptsächlich von dem Image, das der Konsument von der Marke hat, geprägt. Er beschreibt Wissensstrukturen mit Hilfe der Assoziativen Netzwerktheorie,158 um zu verdeutlichen, dass die Ausprägung des Image davon abhängt, wie vorteilhaft, stark und einzigartig die in der Wissensstruktur verankerten Assoziationen mit der Marke sind.159 Aufbauend auf diesem Verständnis liegt die zentrale Überzeugung des verhaltensorientierten Ansatzes darin, dass grundsätzlich jede Marketingmaßnahme einer Marke über die Art und Weise der damit verbundenen Assoziationen Einfluss auf das Markenwissen hat und damit elementar für die Bildung des Markenimage ist. Das Markenimage kann also über den Einsatz positionierungsrelevanter kommunikativer Maßnahmen gezielt aufgebaut und beeinflusst werden.160 Je nach Positionierung der Marke werden dazu konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, die dazu führen, dass das Wunschimage der Marke bei den Kunden hervorgerufen wird. Dazu ist es notwendig, den zugrundeliegenden Lernprozess seitens des Konsumenten dahingehend zu unterstützen, dass bei allen Kontakten mit der Marke die gleichen, konsisten155
Vgl. Berekoven 1978, S. 43ff.; Aaker/Keller 1990, S. 27ff. Vgl. Mellens/Dekimpe/Steenkamp 1996, S. 507ff. Keller 1993, S. 8. 158 Vgl. Bower 1981, S. 129ff. 159 Vgl. Keller 2003, S. 64ff. 160 Vgl. Berekoven 1978, S. 46ff.; Keller 1993, S. 14ff. 156 157
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ten Inhalte kommuniziert werden, um die gewünschten Gedächtnisstrukturen möglichst effizient aufbauen zu können.161 In Folge dessen wird die Integration aller Kommunikationsmaßnahmen als gestaltbarer Teil der Wertschöpfungskette betrachtet, der das Entscheidungsverhalten des Kunden gezielt über die Wahrnehmung der Marke beeinflussen kann. Die Integration der Kommunikation muss sowohl auf formaler als auch auf inhaltlicher Ebene erfolgen, um ein konsistentes Gesamtbild der Marke zu erzeugen. Die Verhaltensrelevanz des Markenimage wird entsprechend über die zu erwartende, aus dem Markenwissen abgeleitete nutzenstiftende Wirkung der Marke erklärt. Je nach Art des Nutzens werden andere Bereiche des Markenwissens für die Kaufentscheidung relevant. So wird beim klassischen Grund-/Funktionsnutzen das Wissen über die grundlegenden, funktionalen Produktattribute herangezogen, wohingegen für den Symbolnutzen eher emotionale, assoziative Verknüpfungen relevant sind.162 Eine solche nutzentheoretische Betrachtung der Verhaltensrelevanz hat zur Folge, dass die Motivforschung zu einem wichtigen Bereich innerhalb des verhaltensorientierten Ansatzes gezählt wird. Da die Gestaltung des Markenimage diesem Ansatz nach als wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfungskette eines Unternehmens verstanden wird,163 ist das Verständnis der Wirkungsmechanismen, die bei dem Einsatz verschiedener Maßnahmen zum Tragen kommen und darüber entscheiden, wie die wahrgenommenen Signale beim Rezipienten weiter verarbeitet werden, ein entscheidender Aspekt in der Betrachtung der Markenführung. Im Zusammenhang mit dieser verhlatenswissenschaftlichen Perspektive des Markenaufbaus hat sich das Konzept des Brand Equity in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt. Eine kurze Betrachtung dieses Konzepts soll als Identifikationsgrundlage möglicher psychologischer Erfolgskriterien für die Erfassung der Wirkung der Gestaltungsmaßnahmen dienen, die im weiteren Verlauf der Arbeit als Ausgangsbasis eines eigenen Forschungsansatzes zum EBranding Verwendung finden.
2.2.2.1 Das Brand Equity Konzept Jegliche Maßnahmen, die im Rahmen der Markenführung angestoßen werden, verfolgen das Ziel, das sog. Brand Equity zu maximieren.164 Brand Equity wird auch als Markenkapital bzw. Markenwert bezeichnet und wird häufig als Maßstab für die Messung des Erfolgs der 161
Vgl. Esch/Langner 2005b, S. 614. Siehe dazu die von Park/Jaworski/MacInnis vorgeschlagene Nutzenklassifikation. Vgl. Park/Jaworski/ MacInnis 1986, S. 136ff. 163 Vgl. Fischer/Hieronimus/Franz 2002, S. 5. 164 Vgl. Yoo/Donthu/Lee 2000, S. 197. 162
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Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
Markenführung eingesetzt.165 Vielen Definitionen des Brand Equity Begriffs liegt der Versuch zu Grunde, die Gesamtwirkung der Marke zu quantifizieren und soweit wie möglich in monetären Größen auszudrücken.166 Aus einer solchen finanziellen Perspektive heraus wird der Markenwert teilweise lediglich als „the value of the brand added to the product“167 aufgefasst oder spezifischer als der „Barwert aller zukünftigen Einzahlungsüberschüsse, die der Eigentümer aus der Marke erwirtschaften kann“168. Problematisch erscheint bei solchen Definitionen jedoch die Tatsache, dass sich weder die Erlöse noch die Kosten eindeutig auf die Marke zurückführen lassen. Aus den Überlegungen zu den Wirkungsmechanismen, die dem erfolgreichen Markenaufbau zugrundeliegen, wurde zudem bereits deutlich, dass eine betriebswirtschaftlich-finanzorientierte Sichtweise keinesfalls ausreichend ist, da insbesondere psychologische Faktoren den Wahrnehmungs- und Wirkungsprozess von Marken bestimmen und daher über Erfolg/Misserfolg bzw. die Höhe des Markenwertes entscheiden. Zudem erlaubt die finanzielle Sichtweise auf den Markenwert keine Ableitung relevanter Indikatoren, die im Sinne einer aktiven Gestaltung der Markenführung notwendig erscheint, sondern steht lediglich als Kontrollgröße am Ende des Markenführungsprozesses.169 Vor diesem Hintergrund wurden in den letzten Jahren neben den rein monetären Markenwertmodellen daher zunehmend auch Definitionen entwickelt, die sich dem Markenwert aus einer verhaltenspsychologischen Perspektive nähern. Aaker betrachtet den erzeugten Wert beispielsweise aus Sicht der Konsumenten und sieht insbesondere die Markentreue, die Bekanntheit der Marke, die angenommene Qualität und die Assoziationen mit der Marke als wesentliche Treiber des Markenwertes.170 Der zentrale Aspekt aller verhaltenspsychologischen Definitionen ist die Annahme, dass der Markenwert im Wesentlichen von der Wahrnehmung der Marke im Kopf der Konsumenten bestimmt wird.171 In diesem Zusammenhang ist Keller einer der bekanntesten und anerkanntesten Vertreter der verhaltenspsychologischen Betrachtungsweise des Brand Equity Konzeptes und zählt mit der Entwicklung seiner Customer-Based-Brand-Equity-Pyramide zu den Vorreitern auf diesem Gebiet (vgl. Abbildung 4).172 Aufgrund der dominanten Stellung in der Markenführungslitera-
165
Vgl. Aaker 1996a, S. 102ff. Vgl. Bentele et al. 2005, S. 12. Wyner 2001, S. 4. 168 Kaas 1990, S. 48. 169 Vgl. Bentele et al. 2005, S. 13. 170 Vgl. Aaker 1992, S. 28. 171 Vgl. Schönborn/Molthan 2001, S. 8. 172 Vgl. Keller 1993, S. 8ff. 166 167
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
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tur173 soll diese Markenwert-Pyramide als zentrales Konzept in den weiteren Verlauf der Arbeit Eingang finden und wird daher im Folgenden kurz erläutert. Nach Kellers Auffassung wird der Markenwert über verschiedene Stufen (die Ebenen der Pyramide) aufgebaut.174 Auf der ersten Stufe muss zunächst die Identität der Marke definiert werden, um darüber überhaupt im Markt wahrgenommen werden zu können. Das Ziel ist in dieser Stufe die Bekanntmachung der Marke im Markt über die Schaffung der sog. brand awareness oder brand salience. Diese umfasst sowohl den einfachen Wiedererkennungswert der Marke (recognition) als auch die aktive Verknüpfung der Marke mit ihrer jeweiligen Produktkategorie (recall). Romaniuk/Sharp sprechen in diesem Zusammenhang auch vom share of mind der Marke.175
Relationship Resonance
Response Judgments
Feelings
Meaning Performance
Image
Identity Salience
Abbildung 4: Die Customer-Based-Brand-Equity-Pyramide von Keller176
Über die Schaffung der Identität werden auf der nächsten Stufe bestimmte Assoziationen bei den Kunden geweckt, die aufgrund der subjektiven Wahrnehmung und Interpretation ein spezifisches und individuelles Bild von der Marke im Kopf des Kunden kreieren. Die Entstehung des brand meaning wird durch die verschiedenen Assoziationen geprägt, die der Kunde mit der Marke zu verbinden lernt. Das abgespeicherte Netzwerk von markenrelevanten Assoziationen bezeichnet Keller als Markenwissen und ist Grundlage des individuellen Markenbil-
173
Siehe dazu beispielsweise die Studien von Suckow 2009, S. 211ff.; Kuhn/Alpert/Pope 2008, S. 40ff.; Hedhlia/Chebat 2008, S. 581ff. Vgl. Keller 2003, S. 75ff. 175 Vgl. Romaniuk/Sharp 2004, S. 334. 176 In Anlehnung an Keller 2003, S. 76. 174
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Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
des.177 Entscheidend sind hierbei die extrinsischen Eigenschaften mit denen die Marke verbunden wird. Erst über die Annahme, dass die Marke psychologische und/oder soziale Bedürfnisse befriedigen kann, entsteht ein symbolischer und emotionaler Nutzen, der über den einfachen funktionalen Nutzen hinaus geht. Keller stellt allerdings auch heraus, dass der funktionale Nutzen auf dieser Ebene ebenfalls eine wichtige Bedeutung hat, da der Wert der Marke erst über die Vermittlung von Qualität im Sinne des Leistungsangebots (performance) entstehen kann und die intrinsischen Eigenschaften damit zentrale Voraussetzung für die Schaffung des Markenwertes sind. Das Produkt selbst ist damit der Kern des Brand Equity.178 Nachdem die Bedeutungsfüllung der Marke bzw. ihrer Identität auf Seiten des Kunden vollzogen wurde, erfolgt auf der nächsten Stufe die Reaktion darauf. Diese spiegelt sich sowohl in der Bildung der persönlichen Einstellung und Bewertung der Marke wider (kognitive Reaktion), als auch in der Erzeugung von Gefühlen (affektive Reaktion). Je nach Stärke und Ausprägung des zuvor entstandenen Markenimages und der persönlichen Relevanz, die dieses Image für den Kunden hat, fallen die Reaktionen stärker oder schwächer, bzw. positiver oder negativer aus. Die Spitze der Pyramide stellt die Beziehung zwischen Kunde und Marke dar. Ob diese Beziehung zur Markentreue führt, hängt von der Intensität und Aktivität der Beziehung auf beiden Seiten ab.179 Deshalb unterscheidet Keller auf dieser Stufe die verhaltensbezogene Treue (Gewohnheit) von der einstellungsbezogenen Treue (Überzeugung) und weist auf die damit zusammenhängenden, unterschiedlichen Formen der Identifikation mit der Marke hin. Da diesem Ansatz nach die Markenidentität der zentrale Gestaltungsparameter zur Erreichung eines hohen Markenwertes ist, muss die Identität insbesondere im Prozess des Markenaufbaus zielgerichtet aufgebaut werden. Es ist für das markenaufbauende Unternehmen von enormer Wichtigkeit die Imagebildung im Kopf des Konsumenten und die darauf aufbauende Urteilsentstehung zu verstehen, um diesen Prozess effektiv zu steuern. Als zentrales Element des verhaltensorientierten Ansatzes, das im Weiteren als neuer, wesentlicher Bestandteil auch im identitätsorientierten Ansatz Anwendung findet, stellt das Markenimage immer noch einen höchst unspezifischen Begriff in der Markenforschung dar. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt eine Abgrenzung des Brand-Image-Begriffs vorgenommen.
177 178 179
Vgl. Keller 2005, S. 1309. Vgl. Keller 2003, S. 81. Vgl. Blackston 1992, S. 79ff.
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
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2.2.2.2 Das Brand Image Der Imagebegriff ist in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil nicht nur der wissenschaftlichen Markenliteratur, sondern auch der Alltagssprache geworden. Daher wird das Image als ein „multidisziplinärer Omnibusbegriff“180 verwendet, der vielfältig auslegbar und daher nur sehr schwer greifbar ist. Images haben für den Konsumenten vielfältige Funktionen. Sie dienen dazu Komplexität zu reduzieren und Vertrauen aufzubauen. Da Images in der Lage sind Präferenzen zu schaffen und damit die Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen, gehört der Aufbau eines positiven Images zu den wichtigsten Aufgaben des Markenaufbaus.181 Vor diesem Hintergrund erscheint es wichtig, den Imagebegriff eindeutig von ähnlichen Konstrukten abzugrenzen und damit die vielfältigen Definitionsversuche einzugrenzen. Insbesondere der weit verbreitete Begriff Imagery führt in diesem Zusammenhang oftmals zu Verwirrungen. Die Imageryforschung bezieht sich lediglich und ausschließlich auf die bildhafte, konkret visuelle Komponente eines Eindrucks, wohingegen das Image den Gesamteindruck umfasst und damit sehr viel breiter ausgerichtet ist, als der Imagerybegriff.182 Allgemein kann man unter Image „das Bild, das wir uns von der Wirklichkeit machen, beziehungsweise […] die als solche wahrgenommene Wirklichkeit selbst“183 verstehen. Dieses Abbild der Realität manifestiert sich als Vorstellungsbild, das sich der Rezipient von einem Gegenstand, einer Person oder Situation macht. Damit ist das Image ein höchst subjektives Konstrukt, das theoretisch genauso viele Ausprägungsformen annehmen kann, wie es Rezipienten gibt. Allerdings ist durch die Annahme, dass Images zu einem hohen Maße kognitiv konstruiert werden, davon auszugehen, dass Images bestimmte Schnittmengen untereinander aufweisen. Images basieren auf vorhandenem Wissen über ein Objekt oder eine Person und werden im Laufe der Zeit mit neuen Erfahrungen verknüpft. Das Image ist damit kein statisches, sondern ein dynamische Konstrukt.184 Somit ist das Image Ergebnis sowohl subjektiver Elemente, wie beispielsweise emotional gefärbter Vorstellungen, Ideen, Gefühle und Erfahrungen als auch objektiven Wissens, das ein Individuum von der Marke besitzt, wie beispielsweise die Eigenschaften und der Preis des Produktes.185 Daher sieht Schweiger auch
180
Rühl 1993, S. 55. Vgl. Schweiger 1995, S. 919. Vgl. Schweiger 1995, S. 916. 183 Faulstich 1992, S. 8. 184 Vgl. Rühl 1993, S. 61f. 185 Vgl. Zentes/Swoboda 2001, S. 209; Vgl. Bernstein 1984. 181 182
36
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
„das Gesamtbild, das sich eine Person von einem Meinungsgegenstand macht“ als kleinsten gemeinsamen Nenner der Imagedefinitionen.186 Zur Entstehung eines solchen Gesamtbildes hat Herbst einige charakteristische Merkmale zusammengefasst:187 x
Images entstehen schnell: Zu Beginn reicht eine einzige Information für die Entstehung oder auch die Veränderung eines Bildes aus.
x
Images festigen sich langsam: Die Instabilität des Bildes zu Beginn wird durch die konsequente Anreicherung konsistenter Informationen im Laufe der Zeit in Stabilität umgewandelt.
x
Images sind nie starr: Trotz eines gewissen Grades an Stabilität bleibt das Bild dynamisch, da neue Erfahrungen das Bild anreichern oder verändern können.
Insbesondere die Abgrenzung zum Einstellungsbegriff wird bis heute kontrovers diskutiert. Lange Zeit griff die amerikanische Markenliteratur bei der Behandlung von Image-Fragen auf die Einstellungsmessung zurück.188 Einige deutsche Autoren schlagen deshalb vor, den Imagebegriff durch den Einstellungsbegriff zu ersetzen bzw. beide synonym zu verwenden.189 Allerdings weisen andere Autoren darauf hin, dass es sich dabei um separate Konzepte der Markenforschung handeln muss, da ihnen unterschiedliche Annahmen und Eigenschaften zugrunde liegen.190 Sie bestehen auf die Eigenständigkeit des Imagebegriffs, da dieser weitaus mehr Komponenten umfasse als die Einstellung (z.B. Emotionen, Wünsche, Erwartungen) und auch weniger Bewusstes berücksichtige.191 Andere Autoren hingegen tendieren dazu, Image als das Gesamtbild einer Marke bei der Zielgruppe darzustellen, wohingegen die Einstellung das Bild des Einzelnen darstellt und damit wesentlich schärfer operationalisiert werden kann.192 Damit wird der Imagebegriff als heterogene Einstellung bzw. Gesamtheit aller Einstellungen verstanden.193 Das Image ist demzufolge die in der Zielgruppe vorhandene, interpersonal stereotypisierte Vorstellung (Gesamtbild).194 Nimmt man Bezug auf die Auffassung Kellers und das Brand-Equity-Konzept, so muss das Image als Endprodukt von Wahrnehmung und Assoziation definiert werden, wohingegen die 186
Vgl. Schweiger 1995, S. 915. Vgl. Herbst 2009, S. 73f. Vgl. Kinnear/Taylor 1991, S. 239ff. 189 Vgl. Trommsdorff 2004, S. 182ff. ; Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 210. 190 Vgl. Erickson/Johansson/Chao 1984, S. 695. 191 Vgl. Mazanec 1978, zitiert nach Schweiger/Schrattenecker 2005, S. 23. 192 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 211. 193 Vgl. Ruppel 1965, S. 13; Adjouri 2002, S. 96. 194 Vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, S. 92. 187 188
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
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Einstellung bereits die Beurteilung dieses Wahrnehmungsprozesses umfasst. Bezogen auf die Abgrenzung beider Konzepte sieht Trommsdorff beispielsweise das Image „als mehrdimensionale, kognitiv und emotional bestimmte Grundlage einer Einstellung, als differenziertes aber ganzheitliches Bild vom Objekt der Einstellung“.195 Die Einstellung wird also auf Basis des Images gebildet und impliziert auf diese Weise bereits die Bewertung der Wahrnehmungs- und Assoziationsprozesse. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Entwicklung eines positiven Markenimages als wesentliches Ziel auf dem Weg zu einem hohen Markenwert berücksichtigt werden muss. Aufgrund der aufgeführten Argumente wird das Image in der vorliegenden Arbeit als umfassendes, inhaltlich geprägtes Gesamtbild aufgefasst, das der Kunde über den Meinungsgegenstand Marke im Laufe der Zeit entwickelt und in der Gesamtheit aller Bilder der Kunden betrachtet werden muss. Dieses recht unpräzise und vor allem höchst markenspezifische Konzept, das allein über inhaltliche Aspekte (konkrete Ausprägung der Assoziationen) bestimmt werden kann, lässt noch keinerlei Aussagen über die Relevanz, Bedeutung und Bewertung des Images auf Seiten des Kunden zu und ist daher als Erfolgskriterium des Identitätsaufbaus ungeeignet. Erst wenn die intendierte Wirkung der Kommunikation in einer positiven, starken Einstellung resultiert, ist die Voraussetzung für die Schaffung des Markenwertes gegeben. Die Einstellung wird in diesem Zusammenhang als Gesamturteil begriffen, das der einzelne Kunde aufgrund des entstandenen Bildes und der subjektiven Bewertung dieses Bildes trifft. Schlussfolgernd bedeutet dies, dass die Einstellung über diese Beurteilung konstruiert wird, was auch der Auffassung von Keller im Rahmen der Markenwert-Pyramide entspricht.196 Angelehnt an dieses Verständnis wird die Einstellung als das zentrale psychologische Erfolgskriterium im Markenaufbau identifiziert und als solches in das konzeptionelle Modell der vorliegenden Arbeit aufgenommen.
2.2.2.3 Bewertung des verhaltensorientierten Ansatzes für das E-Branding Der verhaltensorientierte Ansatz eröffnet durch die Definition des Markenwertes aus Sicht der Konsumenten eine neue Perspektive auf die Entwicklung und Führung von Marken. Das Image wird dabei zu einer wichtigen Einflussgröße, über die das Unternehmen die Einstellung zur Marke und damit die Loyalität seiner Kunden erhöhen kann, was wiederum den Wert der Marke steigert. Die Markenidentität gilt dabei als wesentlicher Gestaltungsparameter, der neben dem Produkt an sich zur Bildung des Images zur Verfügung steht.
195 196
Trommsdorff 2009, S. 146. Vgl. Keller 2003, S. 76.
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Markenidentität und Markenimage können folglich als zentrale Steuerungsgrößen des Markenwertes in diesem Ansatz identifiziert werden.197 Diese Steuerungsgrößen stellen die Faktoren dar, über die das markenführende Unternehmen die Wirkung seiner kommunikationspolitischen Maßnahmen beeinflussen kann.198 Das Image bildet in diesem Zusammenhang allein die subjektive Interpretation der Markenkommunikation, die sich erst in der (kognitiven und affektiven) Reaktion bzw. Einstellung zur Marke manifestiert. Daher kann das Unternehmen zwar versuchen, eine bestimmte Bedeutungsgebung über die möglichst konkrete und eindeutige Bestimmung der Markenidentität zu erreichen; ob diese in ihrer intendierten Wirkung vom Kunden angenommen und interpretiert wird, hängt von vielen weiteren Faktoren ab, die allerdings in diesem Ansatz nicht weiter berücksichtigt werden. Im Sinne einer aktiven Markenführung liegt der eigentliche Gestaltungsparameter der Marke diesem Ansatz nach in der Ausprägung und Kommunikation der Unternehmensidentität. Wie dieser Gestaltungsprozess jedoch auszusehen hat, um die entsprechende Wirkung bei den Kunden zu erzielen, bleibt offen. Trotzdem begründet der verhaltenswissenschaftliche Ansatz mit der Verknüpfung von Markenimage und Markenidentität erste Überlegungen zu einer integrierten Betrachtung des Markenverständnisses, die sich in der Entwicklung des darauffolgenden, identitätsorientierten Ansatzes noch weiter konkretisieren. Für das E-Branding hält dieser Ansatz trotz der genannten Kritik erste wesentliche Erkenntnisse bereit. So stellt er insbesondere die Entstehung des Markenimage und die Einstellungsbildung als wesentliche Erfolgsgrößen des Markenaufbaus dar. Da sich die zugrundeliegenden Prozesse aber allein auf der psychologischen Individualebene abspielen, rückt das Medium Internet hier zunächst noch in den Hintergrund. Auch im E-Branding muss der Wert einer Marke auf Seiten der Kunden gesucht werden und kann nur entstehen, wenn das hervorgerufene Markenbild über die kognitive und emotionale Bewertung zu einer positiven Einstellung führt. Diese zentralen psychologischen Wirkungsmechanismen finden weitestgehend unabhängig von dem eigentlichen Medium statt, das zur Imagebildung genutzt wird. Lediglich die Bewertung und Relevanz der gebotenen Stimuli bestimmt darüber, ob der Empfänger ein positives oder negatives Urteil über die Marke trifft. Die Tatsache, dass die Stimuli in Falle des Internets anderer Natur sind als bei realen Marken, mag zwar die Ausprägung des Ergebnisses beeinflussen, nicht jedoch den Prozess, der zu diesem Ergebnis führt. Im Zuge dieser Argumentation kann also davon ausgegangen werden, dass die theoretischen Konzepte Markenimage und Einstellung auch im Kontext des E-Branding ihre Gültigkeit behalten und ohne Adaption in den gegenwärtigen Forschungsbereich aufgenommen werden 197 198
Vgl. Keller 1993, S. 2f.; Esch 1993, S. 61f. Vgl. Esch/Langner 2005b, S. 614.
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können. Um jedoch weitere Einblicke darüber zu bekommen, wie die Entstehung der Einstellung gezielt von Seiten des Unternehmens her gesteuert werden kann, lohnt sich der Blick auf die Weiterentwicklung des verhaltensorientierten Ansatzes, und zwar auf den identitätsorientierten Ansatz. Dieser richtet sein Augenmerk auf den Bereich der aktiven Gestaltung der eigenen Markenidentität, über die die Schaffung eines individuellen und erfolgreichen Markenimages bei der Zielgruppe vollzogen werden soll.
2.2.3
Der identitätsorientierte Ansatz
Die Ursprünge dieser Denkschule gehen in Deutschland bereits in Ansätzen auf die Arbeit von Domizlaff zurück, der in seinem Werk von 1939 die Parallele zwischen Marke und Persönlichkeit zieht und der Marke „ein Gesicht wie ein Mensch“ verleiht.199 Erst einige Zeit später greift Olins diesen Gedanken wieder auf und weist auf den wesentlichen Nutzen einer Unternehmensidentität hin.200 Generell wird in dem identitätsorientierten Ansatz die Kaufverhaltensrelevanz der Marke auf deren Identität zurückgeführt. Die Vertreter dieses Ansatzes gehen davon aus, dass Marken streng genommen lediglich über ihre Identität geführt werden können und sich alle weiteren Facetten der Marke daraus ergeben.201 Die Entwicklung der Markenidentität wird dabei auf Unternehmensebene angesetzt und nicht wie bisher auf Produktebene. Diese grundlegende Veränderung ist vor dem Hintergrund einer allgemeinen Verlagerung der Unternehmensverantwortung weg von Einzelmarken hin zum Gesamtunternehmen einer der Gründe für die wachsende Bedeutung des Ansatzes in der Markenforschung.202 Im Vergleich zu früheren Ansätzen zeichnet sich der identitätsorientierte Ansatz durch die Integration der angebots- und nachfragerorientierten Perspektive aus, wodurch in diesem Ansatz sowohl der Marktorientierung (Outside-In-Perspektive) als auch der Ressourcenorientierung (Inside-Out-Perspektive) ein hoher Stellenwert beizumessen ist.203 Demzufolge wird der Erfolg der Marke sowohl durch die spezifischen Fähigkeiten und Ressourcen des markenführenden Unternehmens als auch durch die Ausrichtung der Markenstrategie an den herrschenden Marktstrukturen bestimmt (vgl. dazu auch Kapitel 3.1).
199
Vgl. Domizlaff 1939, S. 92. Vgl. Olins 1978; Olins 1990a. Vgl. z.B. Burmann 2004, S. 18. 202 Vgl. Rode 2004, S. 13. 203 Vgl. Meffert 1998, S. 709ff. Für eine ausführliche Diskussion über die theoretischen Grundlagen der identitätsorientierten Markenführung im Sinne des Market-based und Resource-based Views siehe Meffert 2004, S. 295ff. bzw. Rode 2004, S. 10-13. 200 201
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In Bezug auf den identitätsorientierten Ansatz des Markenaufbaus sprechen Meffert/Burmann von einem „außen- und innengerichteten Managementprozess mit dem Ziel der funktionsübergreifenden Vernetzung aller mit dem Marketing von Leistungen zusammenhängenden Entscheidungen und Maßnahmen zum Aufbau einer starken Markenidentität“.204 Die Wurzel der Marke, also die Unternehmensidentität und die Unternehmenswerte, werden zum einen im Innenverhältnis an die Mitarbeiter und zum anderen im Außenverhältnis an die Kunden und andere Anspruchsgruppen kommuniziert.205 Somit stehen sich auf der einen Seite das Selbstbild der Marke (Identität) und das Fremdbild der Marke (Image) gegenüber. Vor diesem Hintergrund wird das Markenimage auch als Akzeptanzkonzept verstanden, da das Fremdbild der Marke erst im Laufe der Zeit von den verschiedenen Anspruchsgruppen erlernt bzw. akzeptiert werden muss. Da jedoch die innengerichtete Perspektive dazu führt, dass sowohl die Spezifizierung der Markenidee als auch die Eigendarstellung der Marke und die Formulierung des Kundennutzens in der Markenidentität begründet werden, fungiert die Identität in diesem Zusammenhang als Aussagenkonzept.206 Die diesem Ansatz inhärente innengerichtete Ressourcen- und Kompetenzperspektive wird als Unterscheidungsparameter zum technokratisch-strategieorientierten Ansatz verstanden. Zudem verlagert die sozialpsychologische Prägung der Identitätsorientierung das Markenverständnis von einem deterministischen in einen eher dynamisch ausgerichteten Denkansatz.207 Das theoretische Fundament dieser Denkschule basiert auf der Forderung nach der Gleichzeitigkeit eines strategischen Führungskonzeptes und einer praktisch-normativen Ableitung von Gestaltungsempfehlungen für den Markenaufbau, weshalb dieser Ansatz auch zu der entscheidungsorientierten Ausrichtung der Betriebswirtschaftslehre gezählt wird. 208 Die Erkenntnisse der Markentheorie über die Markenidentität basieren allerdings nicht nur auf der verhaltenswissenschaftlichen Marketingforschung209, sondern auch auf Erkenntnissen der Neuen Institutionenökonomie.210 In diesem Sinne wird das Identitätskonstrukt als Werte- und Normensystem verstanden, das als Rahmenbedingung für das Handeln von Individuen fungiert und somit als bewusst gestaltbare, aber nicht direkt vom Menschen veränderbare Institution gilt.211 Wird die Identität vor diesem Hintergrund als eine Unternehmensressource be204
Meffert/Burmann 2002, S. 30. Vgl. Meffert/Burmann 2005, S. 31f. 206 Vgl. Kapferer 1992, S. 45. 207 Vgl. Meffert/Burmann 2005, S. 31. 208 Vgl. Meffert 2004, S. 295; Heinen 1972, S. 429ff. 209 Übertragung des Identitätskonstrukts von Individuen auf Marken. 210 Vgl. Meffert 2004, S. 295. Mit der Neuen Institutionenökonomie wird die ökonomische Relevanz des Identitätskonstrukts begründet, vgl. Bonus 1995, S. 67f.; Für eine Einführung siehe Erlei/Leschke/Sauerland 1999. 211 Vgl. Meffert 2004, S. 300. 205
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trachtet, die alle Teile der Organisation umfasst, so entsteht ein wertvolles Managementinstrument.212 Die Identität wird dementsprechend als ein Konzept betrachtet, das das gesamte Unternehmen umfasst. Im Zuge der Hervorhebung der strategischen Relevanz der Markenidentität für das gesamte Unternehmen entstand das Corporate-Identity-Konzept, das die Identität nicht nur auf der Ebene der einzelnen Produktmarken, sondern die Identität als Grundlage der Unternehmensmarke betrachtet.213 Vor dem Hintergrund der heute im Internet typischen und häufig einzigen Verwendung der Unternehmensmarke (im Gegensatz zu einzelnen Produktmarken)214 stellt der Corporate-Identity-Ansatz einen wichtigen Ansatz zur Analyse des Markenaufbaus im Internet dar und wird im folgenden Kapitel näher erläutert.
2.2.3.1 Das Corporate-Identity-Konzept Den Aufbau und die Relevanz der Corporate Identity (CI) im Internet zu analysieren erfordert zunächst eine definitorische Bestimmung beider Begriffskomponenten. In diesem Zusammenhang wird bei Kissiling/Babel Corporate mit Körperschaft übersetzt, die in der Regel jegliche Art von Unternehmen umschließt.215 Unter Körperschaft verstehen sie den Zusammenschluss von Individuen, die jedoch als Ganzes in ihrem wirtschaftlichen Kontext auftreten. Der Begriff Identity hingegen rührt aus dem lateinischen Wort identitas und bedeutet so viel wie Übereinstimmung, Wesenseinheit und Einzigartigkeit. Die Auseinandersetzung mit der sozialwissenschaftlichen Identitätsforschung zeigt allerdings, dass bisher keineswegs eine allgemeingültige Definition des Identitätsbegriffs vorliegt, sondern das Begriffsverständnis bisweilen von dem zu Grunde gelegten Forschungszweck und dem jeweiligen Untersuchungsobjekt geprägt wird.216 Unter Verweis auf die häufig in der Markenliteratur verwendete sozialpsychologische Auslegung des Begriffs, gilt Identität zunächst als die Summe aller Merkmale, die ein Individuum oder eine Sache von anderen unterscheidet.217 Bringt man nun die beiden Komponenten zusammen, so bezeichnet Corporate Identity „das [wirtschaftliche] Handeln einer Gruppe von Einzelpersonen, die im Inneren eine Einheit bilden und nach außen als Ganzes [über die Summe aller Merkmale] von anderen unterschieden werden können.“218
212
Vgl. Olins 1995, S. 37. Vgl. Olins 1995, S. 15. Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Gestaltung von Markenarchitekturen in Aaker/Joachimsthaler 2000a, S. 8ff. 215 Vgl. Kiessling/Babel 2007, S. 20. 216 Vgl. Achterholt 1991, S. 29f. 217 Vgl. Meffert 2000, S. 812. 218 Kiessling/Babel 2007, S. 21. 213 214
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Das Feld der Corporate Identity beschäftigt sich dieser Definition zufolge mit der zentralen oder unterscheidenden Idee (bzw. Identität) eines Unternehmens und wie diese einheitlich und konsistent als Ganzes nach außen hin repräsentiert und kommuniziert wird.219 Die CorporateIdentity-Forschung nimmt sich damit der bereits angesprochenen Forderung nach einer Erweiterung des Markenverständnisses zu einer ganzheitlichen und das gesamte Unternehmen umfassenden Betrachtungsweise an. Trotz der vorherrschenden Problematik der Begriffsbestimmung der Corporate Identity ist die Perspektive, aus der die Identität betrachtet wird, als erster Systematisierungsansatz zur weiteren Differenzierung hilfreich. Daraus abgeleitet kann zwischen einer Innen- und einer Außenperspektive der Identität unterschieden werden, die sich in der Markentheorie als Selbstbild (Identität) und Fremdbild (Image) der Marke wiederfinden lassen220 und den Grundgedanken des identitätsorientierten Ansatzes widerspiegeln (vgl. Kapitel 2.2.3). Zur Ausschöpfung der strategischen Erfolgspotenziale der Marke sollten die Kernidentität und das Image der Marke weitestgehend übereinstimmen.221 Die Wahrnehmung der Marke wird dabei von der Position der Marke im Wettbewerb beeinflusst, da der zentrale Nutzen der angebotenen Leistung und vor allem die Kommunikation des Nutzens vom Konsumenten in Relation zu anderen Anbietern gesehen wird. Die Identität einer Marke ist darum nicht nur absolut, sondern auch relativ zum Wettbewerb zu sehen.222 Die andauernde Kontroverse bezüglich der Definition des Identitätsbegriffs im Kontext der Marke bringt verschiedene Definitionsversuche hervor, die im Folgenden einzeln betrachtet werden. Innerhalb der Definitionsversuche muss zunächst zwischen wissenschaftlichen und praxisbezogenen Definitionen unterschieden werden. Die praxisbezogenen Definitionen richten sich überwiegend an die greifbaren Aspekte der Identität, die einfach zu managen sind und vernachlässigen andere, nicht-visuelle Aspekte. Einige Autoren sehen daher die CI einzig und allein als sichtbare Manifestation des Unternehmensimages,223 andere hingegen erweitern dieses Verständnis um strategische Managementaspekte. Olins z.B. definiert Corporate Identity als „the explicit management of all the ways in which the organization presents itself […] to all its audiences“224. Ähnlich allgemein bleiben auch Markwick/Fill, da sie die CI als „the
219
Vgl. Margulies 1977, Olins 1990b; Fombrun 2006. Vgl. Meffert 2004, S. 299. Vgl. Haedrich/Tomczak/Kaetzke 2003, S. 30. 222 Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2007, S. 373. 223 Vgl. Melewar/Jenkins 2002, S. 77. 224 Olins 1995, S. 3. 220 221
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organization’s presentation of itself to its various stakeholders and the means by which it distinguishes itself from all other organizations“225 verstehen. Obwohl diese Definitionen schon einen ersten Hinweis auf die Funktion der CI geben, bleibt eine differenzierte Betrachtung des Konzeptes und dessen Konstitution außen vor. Aufgrund dessen erscheint es hilfreich auch wissenschaftliche Definitionen für die genaue Abgrenzung der CI heranzuziehen. Zunächst sind auch hier viele unterschiedliche und z.T. vage Formulierungen zu finden, die eine Definition bzw. Abgrenzung für die vorliegende Arbeit erschweren. Die sog. Französische Schule beispielsweise erweitert das praxisbezogene CI-Verständnis um eine Image-Perspektive, die sich hauptsächlich auf die Wahrnehmung der Unternehmensidentität durch die Mitarbeiter bezieht.226 Sie versteht die CI dabei jedoch lediglich als „set of interdependent characteristics“227 oder als „system of characteristics“228, das dem Unternehmen Spezifität, Stabilität und Kohärenz verleiht und daher identifizierbar macht. Eine andere Image-Perspektive adressiert Aaker, wenn sie die Identität als „unique set of brand associations“229 definiert. Sie sieht darin ein implizites Versprechen an den Kunden, das über vier Dimensionen nach außen kommuniziert wird: die Produktdimension, die organisationale Dimension, die persönlichkeitsbezogene Dimension und die symbolische Dimension.230 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Aufbau der Corporate Identity in einen kreativen und einen strategischen Part unterteilt werden kann. Aus diesem Grund wird in der Literatur gerne die Unterscheidung zwischen visual und strategic school vorgenommen, die auf die Entwicklung des identitätsorientierten Ansatzes entscheidenden Einfluss ausgeübt hat. Die visuelle Schule liegt in der Diskussion um das Konzept des Corporate Design begründet, das durch die zunehmende Berücksichtigung des identitätsorientierten Ansatzes auch gelegentlich mit Corporate Identity gleichgesetzt wird. Identität wird hier als das äußere Erscheinungsbild der Marke verstanden und weist dadurch Ähnlichkeiten zum Branding-Begriff i.e.S. auf. Die strategische Schule umfasst hingegen die Planung, Realisation und Kontrolle aller Marketing-Maßnahmen, die auf das markierte Unternehmen ausgerichtet sind.231 Damit wird die Corporate Identity auf eine strategische Ebene gehoben, was wiederum die Ähnlichkeit zur Definition des Branding i.w.S. unterstreicht. Der zweifachen Unterscheidung in visual und strategic school der Corporate Identity einerseits sowie der Definition des Branding-
225
Markwick/Fill 1997, S. 397. Vgl. Moingeon/Ramanantsoa 1997, S. 385. Larçon/Reitter 1979, S. 43. 228 Moingeon/Ramanantsoa 1995, S. 253. 229 Aaker 1996b, S. 68. 230 Vgl. auch Haedrich/Tomczak/Kaetzke 2003, S. 33; Tomczak/Brexendorf 2005, S. 19. 231 Vgl. DeChernatony/McDonald 1992, S. 15; Fritz 2004, S. 195. 226 227
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Begriffs im engeren und weiteren Sinne andererseits liegen demzufolge die gleichen Annahmen zu Grunde. Wie bereits im Rahmen der Branding-Definition herausgearbeitet wurde (vgl. Kapitel 2.1.2.2), wird auch die Corporate Identity in dieser Arbeit im weiteren Sinne verstanden. Dies erschließt sich aus der Tatsache, dass der identitätsorientierte Ansatz, in dem das Corporate-Identity-Konzept eingebettet und entwickelt wurde, dem Aufbau der Unternehmensidentität eine durchaus strategische und unternehmensweite Rolle zuspricht, die mit der visuellen Schule nicht vereinbar ist. Welche Aspekte die Corporate-Identity nun umfasst, wird in der Literatur über die Darstellung verschiedener Corporate-Identity-Modell untersucht. Um einen Konsens aus den bereits vorhandenen Identitätsmodellen ableiten zu können, sollen einige der bedeutsamsten Modelle im folgenenden Kapitel vorgestellt werden.
2.2.3.2 Corporate-Identity-Modelle in der traditionellen Markenforschung Die Tatsache, dass der identitätsorientierte Ansatz aus dem Bereich realer Marken herrührt, begründet das Vorhandensein vieler Identitätsmodelle, die die Identität realer Marken zu erklären versuchen.232 Wie die bereits in Kapitel 2.2.3.1 beschriebene Problematik einer fehlenden eindeutigen Begriffsdefinition des Corporate-Identity-Begriffs vermuten lässt, spiegelt sich dies auch in der Entwicklung von Corporate-Identity-Modellen wieder.233 Die Modelle, die in der aktuellen Forschungsliteratur zur Erfassung der Markenidentität existieren, lassen sich daher in ihrer Fülle kaum überblicken, geschweige denn vollständig systematisieren. Beispielsweise sehen einige Autoren die Corporate Identity eher als eine Komponente des Modells, die mit anderen Komponenten in einen übergeordneten Zusammenhang gebracht werden,234 andere hingegen betrachten die Identität selbst als das übergeordnete Konzept, in das sich die anderen Elemente einfügen.235 Zusätzlich zu diesen konzeptionellen Unterschieden richten viele Modelle ihre Perspektive nur auf bestimmte Anspruchsgruppen der Unternehmensumwelt und adressieren die unterschiedlichen Beurteilungs- und Wirkungsweisen der Identität, die in diesem Zusammenhang auftreten. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, sich im folgenden Kapitel lediglich den Modellen zuzuwenden, die den Kunden als primäre Anspruchsgruppe berücksichtigen und andere Anspruchsgruppen (wie z.B. Lieferanten, Behörden, Investoren etc.) bei der Betrachtung zu-
232
Für einen Überblick siehe Alessandri 2001, S. 173ff. und Suvatjis/DeChernatony 2005, S. 809ff. Vgl. Balmer 2001, S. 248ff. Vgl. beispielsweise das Modell von Kreutzer/Jugel/Wiedmann 1986, S. 18ff oder Urde 1994, S. 25ff. 235 Vgl. Birkigt/Stadler 1980, S. 13ff.; Balmer/Soenen 1999, S. 74ff.; Harris/DeChernatony 2001, S. 442ff. 233 234
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nächst außen vor zu lassen. Eine solche Eingrenzung erscheint nicht nur aus Gründen der Übersichtlichkeit notwendig, sondern vor allem auch aufgrund der bereits angesprochenen Relevanz der Wahrnehmung der Identität auf Seiten der Kunden, die als wesentliche Anspruchsgruppe in der Schaffung bzw. dem Aufbau eines Markenwertes berücksichtigt werden müssen. Daher soll ein Gesamtüberblick der vielfältigen Herangehensweisen an dieser Stelle einer exemplarischen Darstellung einiger weniger Modelle weichen, die sich aus Gründen der Zweckmäßigkeit dazu eigenen, Hinweise zur Konstitution und Konkretisierung der Corporate Identity im Zusammenhang mit der Wahrnehmung bei den Kunden abzuleiten. Eines der ersten Modelle innerhalb der Corporate-Identity-Literatur ist bei Kreutzer/Jugel/Wiedmann zu finden.236 Ausgangspunkt dieses Modells ist die Darstellung der Beziehung zwischen Corporate Culture, Corporate Identity und Unternehmensphilosophie (vgl. Abbildung 5). Kern des Modells ist die Unternehmensphilosophie, die die Werte des Unternehmens widerspiegelt. Die Philosophie ist umgeben von verschiedenen „Aktivitätsfeldern“237, die als Corporate Design, Corporate Communication und Corporate Behavior bezeichnet werden. Das Design wird als Summe aller visuellen Elemente beschrieben, dessen Aufgabe in der Sinnvermittlung der Leitidee über die Entfaltung der symbolischen Wirkung liegt. 238 Die Aufgabe der Kommunikation hingegen liegt in der Vermittlung der Identität sowohl innerhalb des Unternehmens als auch an seine externe Umwelt. Als drittes Aktivitätsfeld sehen sie das Corporate Behavior, das sämtliche unternehmensbezogenen Verhaltensweisen zusammenfasst, die intern als auch extern wahrgenommen werden. Die tatsächliche Verinnerlichung der Unternehmensphilosophie innerhalb des Unternehmens prägt dann die Corporate Culture, die das gelebte Verhalten der Unternehmensmitglieder repräsentiert. In diesem letzten Punkt liegt die in der Literatur häufig geäußerte Kritik, da die Corporate Culture im Sinne des Modells immer noch die Unternehmensphilosophie ist und dadurch nicht mehr von dieser klar abgrenzbar ist. Der Corporate Identity wird darüber eine Filterfunktion zugesprochen, die aber nicht näher definiert wird. Ferner stellt sich die Frage, warum die Corporate Culture als gelebtes Verhalten der Identität übergeordnet ist, obwohl es im Sinne des Corporate Behavior auch als Bestandteil der Corporate Identity gezählt wird. Trotz dieser Kritik lässt sich dem Modell ein erster Hinweis auf die drei Bestandteile der Corporate Identity (Design, Kultur, Kommunikation) entnehmen, die als Aktivitätsfelder bezeichnet werden und damit einen gestaltenden Charakter zugesprochen bekommen.
236 237 238
Vgl. Kreutzer/Jugel/Wiedmann 1986, S. 18ff. Vgl. Kreutzer/Jugel/Wiedmann 1986, S. 19. Vgl. Rode 2004, S. 54.
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Unternehmenskultur
Unternehmensidentität
Unternehmensdesign Unternehmensverhalten Unternehmenskommunikation
Unternehmensphilosophie
Abbildung 5: Das Corporate-Identity-Modell von Kreutzer/Jugel/Wiedmann239
Ein weiteres Modell stellen Balmer/Soenen240 auf, indem sie eine klarere Trennung der reinen Identitätskomponenten und dem Management dieser Komponenten vornehmen. Vor diesem Hintergrund stellen sie zwei aufeinander aufbauende Modelle zur Erklärung des Identitätskonzeptes auf, den Corporate-Identity-Mix und den Corporate-Identity-Management-Mix (vgl. Abbildung 6). Der Identitätsmix besteht aus drei sich überschneidenden Kreisen. Die Seele des Unternehmens (‚Soul’) umfasst die Werte, die Kultur und das interne Image und wird aus der Geschichte des Unternehmens abgeleitet. Der Verstand (‚Mind’) setzt die Inhalte der Seele um und formuliert die Vision, Philosophie und Markenarchitektur des Unternehmens. Mit der Stimme (‚Voice’) werden die inneren Werte des Unternehmens nach außen kommuniziert, wozu auch das Verhalten der Mitarbeiter zählt. Der Corporate-IdentityManagement-Mix muss diese drei Kernbereiche im Spannungsfeld von Interessengruppen, Reputation und Unternehmensumwelt erfolgreich umsetzen. Zu diesem Modell ist kritisch anzumerken, dass trotz der Unterscheidung in Komponenten und dem Management der Komponenten das Identitätskonzept weitestgehend unklar bleibt. Nicht nur die unscharfe Differenzierung der Komponenten erscheint fragwürdig, sondern auch die Vernachlässigung möglicher Interaktionen bzw. dynamischer Prozesse zwischen Soul, Mind und Voice. Des Weiteren ist klar zu erkennen, dass es sich hier nicht um zwei Modelle handelt, sondern der Identitäts-Mix lediglich das Instrumentarium des ManagementMixes darstellt und daher wesentlicher Bestandteil dieses Modells ist. Allerdings zeigt dieses
239 240
Vgl. Kreutzer/Jugel/Wiedmann 1986, S. 19. Vgl. Balmer/Soenen 1999, S. 74ff.
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Modell gewisse Ähnlichkeiten im Hinblick auf die bei Balmer/Soenen241 aufgestellten Aktivitätsfelder auf, da dieselben Komponenten als ‚Stimme‘ die Identität transportieren sollen.
Seele Werte Kultur Geschichte
Geist
Seele
Stimme Kommunikation Symbolik Verhalten
Vision Philosophie Produkt & Performance
Geist
Stimme
Umwelt Corporate-Identity-Mix
Corporate-Identity-Management-Mix
Abbildung 6: Das Corporate-Identity-Modell nach Balmer/Soenen242
Eines der bekanntesten konzeptionellen Identitäts-Modelle lässt sich bei Birkigt/Stadler finden (vgl. Abbildung 7), die ihr Identitätskonzept aus den Erkenntnissen der Individualpsychologie ableiten.243 Wie in allen Identitäts-Modellen steht auch hier die Forderung nach der eigenen Identität des Unternehmens im Vordergrund. Die Selbstdarstellung des Unternehmens soll durch die Integration von Erscheinungsbild (Corporate Design), Verhalten (Corporate Behavior), Kommunikation (Corporate Communication) und Persönlichkeit (Corporate Personality) strategisch geleitet werden. Im Zentrum der Identität steht die Persönlichkeit, die als fixiertes Selbstverständnis des Unternehmens alle anderen Bereiche determiniert. Die Persönlichkeit bildet die Basis aller strategischen Corporate-Identity-Maßnahmen und muss vorab als Soll-Image definiert werden, das die Ziele und Philosophie des Unternehmens berücksichtigt.244 Daraus lassen sich die strategischen Selbstdarstellungsweisen des Unternehmens im Rahmen des Identitäts-Mix ableiten, die die Selbstdarstellung nach außen beeinflussen und das Ist-Image des Unternehmens erzeugen.
241
Vgl. Balmer/Soenen 1999, S. 74ff. In Anlehnung an Balmer/Soenen 1999, S. 74f. Vgl. Birkigt/Stadler 1980, S. 13ff. 244 Vgl. Kreutzer/Jugel/Wiedmann 1986, S. 21. 242 243
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Vor allem durch das Verhalten des Unternehmens nach innen und außen wird die Persönlichkeit lebendig. Daher ist das Corporate Behavior nach Birkigt/Stadler auch die wichtigste und wirkungsvollste Komponente dieses Modells. Das Corporate Design dient vor diesem Hintergrund lediglich der Gestaltung und Unterstreichung der Persönlichkeit und muss sich dieser daher unterordnen. Eng damit verbunden ist auch die Corporate Communication, die sowohl auf visueller (Design) als auch auf verbal-inhaltlicher Ebene stattfindet. Obwohl dieses Modell auch die Kommunikation mit externen Zielgruppen adressiert, liegt der Schwerpunkt auf der internen Kommunikation, die die Einbettung der Mitarbeiter in das gesamte Informationsnetzwerk vorsieht.
Unternehmensverhalten
Unternehmenspersönlichkeit
Corporate Image
Corporate Identity
Abbildung 7: Das Corporate-Identity-Modell nach Brikigt/Stadler245
Rode kritisiert an diesem Modell die auf die Unternehmenspersönlichkeit reduzierte Dynamik, da nicht nur die reine Festlegung der Ziele und Werte die Persönlichkeit bestimmt, sondern auch die Atmosphäre und die gelebte Persönlichkeit, die sich auf alle Bereiche der Identität auswirkt und im Laufe der Zeit gewissen Veränderungen unterliegt.246 Des Weiteren ist die Trennschärfe der einzelnen Komponenten dieses Modells kritisch zu hinterfragen. Birkigt/Stadler zählen die visuellen Merkmale sowohl zum Erscheinungsbild als auch zur visuellen Kommunikation. Der wesentliche Beitrag dieses Modells liegt in der umfassenden
245 246
Vgl. Birkigt/Stadler 1980, S. 23; Birkigt/Stadler 2002, S. 24. Vgl. Rode 2004, S. 63.
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Einbeziehung der imageerzeugenden Merkmale, wobei allerdings offen bleibt, welchen Beitrag diese zur Erzielung der angestrebten Wirkung erbringen. Aufbauend auf dem Modell von Birkigt/Stadler247 versucht Rode248 eine Synthese aus den bisher existierenden Identitäts- und Image-Konzepten zu schaffen und erweitert dazu das Modell um die externe Wahrnehmung der Unternehmensidentität. Die Projektion der Identität in die Unternehmensumwelt versteht sie dabei als steuerbare Größe, die über die Kontaktpunkte bestimmter Wirkungskanäle des Unternehmens die Wahrnehmung beeinflussen. Die Ausführungen zum Markenimage bleiben jedoch sehr vage und weisen insbesondere in ihrer Operationalisierung Mängel auf. Trotzdem leisten ihre ausführliche Analyse der Identitäts-Modelle und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen einen wertvollen Beitrag für die Identitätsforschung. Letztendlich resümiert sie nämlich, dass sich die von ihr untersuchten Identitäts-Modelle alle innerhalb eines Rahmens bewegen, der die Persönlichkeit, das Verhalten, das Design und die Kommunikation des Unternehmens umspannt.249 Dabei stellen Verhalten, Design und Kommunikation die identitätsreflektierende Instrumente dar, die für den Transport des Markenkerns bzw. der Markenpersönlichkeit nach außen hin eingesetzt werden. Somit werden die inhaltlichen Aspekte der Marke von den entsprechenden Wirkungskanälen differenziert, über die die Wahrnehmung der Marke und die Imagebildung gesteuert werden kann. Allen Modellen ist damit die generelle Unterteilung der Corporate Identity in Inhaltselemente (z.B. Persönlichkeit, Unternehmensphilosophie) und Wirkungselemente (Aktivitätsfelder, Wirkungskanäle, Instrumente) gleich. Bezug nehmend auf die eingangs gestellte Forschungsfrage nach dem Transport der Identität und der resultierenden Wahrnehmung auf Seiten der Kunden werden im weiteren Verlauf der Arbeit lediglich die Wirkungselemente250 Kommunikation, Design und Verhalten in den Forschungsansatz aufgenommen. Sie werden damit zur Ausgangsbasis für die Konkretisierung der Markenführungsanasätze und die Entwicklung eines geeigneten Modells für den Aufbau der E-Brand.
2.2.3.3 Bewertung des identitätsorientierten Ansatzes für das E-Branding Wird das Image, wie es im identitätsorientierten Ansatz postuliert wird, als das Ergebnis der Ausstrahlung und Übermittlung der Unternehmensidentität verstanden,251 so stellt der Aufbau 247
Vgl. Birkigt/Stadler 2002, S. 23 Vgl. Rode 2004, S. 145f. Vgl. dazu die Analyse von Rode 2004, S. 148ff. 250 Im weiteren Verlauf der Arbeit werden diese Wirkungselemente auch als Identitätselemente bezeichnet und sollten daher nicht mit den inhaltlichen Aspekten der Identität verwechselt werden. 251 Vgl. Klage 1991, S. 27f. 248 249
50
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der Markenidentität einen zentralen Erfolgsfaktor im Markenaufbauprozess dar. Aus strategischer Perspektive muss der Aufbau der Unternehmens- bzw. Markenidentität als Instrument betrachtet werden, das die Organisationsstruktur des Unternehmens und die Rolle der Unternehmensmitglieder auf eine Weise formalisiert, die die Abhängigkeit von rationalen Einzelentscheidungen innerhalb des Unternehmens reduziert.252 Dies impliziert, dass die Identität als geschlossener Rahmen für alle Tätigkeitsbereiche des Unternehmens und alle Handlungen der Unternehmensführung dient und entsprechend dieser Rolle formuliert und konkretisiert werden muss. In diesem Sinne fungiert die unternehmensübergreifende Auffassung der eigenen Markenidentität als Orientierungshilfe in allen Unternehmensbereichen und als Leitprinzip der Unternehmensführung.253 Die Corporate Identity kann daher als Führungsinstrument verstanden werden, welches die Zwecksetzung des Unternehmens interpretiert, die Mitglieder des Unternehmens integriert und jegliche Interaktion zwischen Innen und Außen steuert.254 Als übergeordnete Leitlinie muss die Corporate Identity damit eine langfristige, politische Stellung im Unternehmen einnehmen. Der identitätsorientierte Ansatz spricht der Unternehmensidentität vor diesem Hintergrund im Wesentlichen einen strategischen, unternehmensübergreifenden Stellenwert zu, wobei die geforderte Bezugnahme zur Wirkung und Wahrnehmung der Identität einen ebenfalls wichtigen Aspekt dieses Ansatzes darstellt. In der als Aussagenkonzept interpretierten Identitätsformulierung und -kommunikation wird der wesentliche Gestaltungparameter des erfolgreichen Markenaufbaus gesehen. Die Frage danach, wie das Aussagenkonzept auf Unternehmensseite in ein Akzeptanzkonzept auf der Kundenseite übergeht, wird demnach als wichtiger Ansatzpunkt für die Untersuchung des Markenaufbaus im Internet verstanden. Die dazu erforderliche Konkretisierung der Maßnahmen als auch die Differenzierung der einzelnen Wirkungszusammenhänge zwischen den Maßnahmen und den nachgelagerten, verhaltenspsychologischen Erfolgsgrößen soll im weiteren Verlauf der Arbeit zunächst explorativ untersucht werden. Die explorative Analyse des Zusammenspiels beider theoretischer Ebenen (Unternehmen, Kunde) soll im Rahmen eines Syntheseversuchs der beiden vorgestellten Ansätze über die Konkretisierung des Aussagen- und Akzeptanzkonzeptes vorgenommen werden. Der Schwerpunkt wird auf die Betrachtung der Identität aus Kundenperspektive gelegt, um damit erstmals Aussagen darüber treffen zu können, wie sich die Wahrnehmung der Identität auf die
252 253 254
Vgl. Birkigt/Stadler 1980, S. 15f. Vgl. Schneider 1989, S. 103ff. Vgl. Birkigt/Stadler 1980, S. 39ff.
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
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Akzeptanz der E-Brand auswirkt. Dazu werden entsprechend erste Hypothesen zu der Wirkung der einzelnen Identitätselemente aus den Ergebnissen der Literaturrecherche aufgestellt. Bezogen auf den Markenaufbau im Internet kann der Leitgedanke des identitätsorientierten Ansatzes im Grunde übernommen werden, da auch die E-Brand anfangs über ihre Identität aufgebaut werden muss, um ein entsprechendes Bild beim Kunden hervorrufen zu können. Der wesentliche Unterschied im Vergleich zu realen Marken ist jedoch die Tatsache, dass das Medium Internet für den Marken- und Identitätsaufbau in den Mittelpunkt aller Bemühungen rückt und sich damit die Umsetzung und Gestaltung der Identität aufgrund des WebsiteFokusses ganz neuen Herausforderungen stellen muss.255 Vor allem in ihrer Aufgabe als Führungsinstrument muss die Corporate-E-Brand-Identity (CEBI) die Zwecksetzung des Unternehmens aufgrund des veränderten Kontextes anders interpretieren als reale Marken. Zudem gestalten sich jegliche Interaktionen des Unternehmens/der E-Brand mit seiner Umwelt anders, wenn sie über das Medium Internet stattfinden. Das Konzept der Markenidentität lässt sich also auf den Bereich des E-Branding in seiner theoretischen Funktion übernehmen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich die Identität als Gestaltungsparameter in diesem Kontext anderen Kriterien beugen muss als es bei realen Marken der Fall ist und daher spezifische Identitätselemente im Internet zur Geltung kommen. Da jedoch auch hier keine Konkretisierung der Maßnahmen in der Literatur zu finden ist und keine präzisen Angaben gemacht werden, welche Größen die Identität definieren und wie diese auf den Kunden wirken, so muss auch die Frage der Übertragbarkeit des Identitätskonstrukts auf den Kontext Net Economy in dieser Arbeit beantwortet werden.
2.2.4
Die Konkretisierung des Integrationsaspektes als theoretisches Problem
Wie die vorangegangene Diskussion zeigt, stellt sich die Verbindung von Identität und Image als zentraler Aspekt beider, hauptsächlich aber des identitätsorientierten Ansatzes heraus. Daher ist es überraschend, dass die in der Wissenschaft geforderte Integration der Verhaltenskonstruktebene mit der Unternehmensführungsebene in den aktuellen Markenansätzen bisher kaum explorativ untersucht worden ist. Obwohl die Markenführung beispielsweise beim verhaltensorientierten Ansatz grundsätzlich ein breites Aufgabenspektrum hat, führt der ausgeprägte Imagefokus zu einer Vernachlässigung des geforderten Integrationsaspektes.256 Dies liegt daran, dass aufgrund partialanalytisch-methodischer Vorgehensweisen die Stärken und Schwächen des Unternehmens und seiner Marke und die Abstimmung der einzelnen Maß-
255 256
Vgl. Argyriou/Kitchen/Melewar 2006, S. 575f. Vgl. Hofbauer/Schmidt 2007, S. 25.
52
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
nahmen zur Imagegestaltung nur unzureichend berücksichtig werden.257 Auch die Grundidee des identitätsorientierten Ansatzes einer Verknüpfung von Wirkungs- und Ursachenebene der Marke nähert sich dem Integrationsproblem an, sie hält aber keinerlei Ansatzpunkte für eine weiterführende, explorative Untersuchung bereit und hinterlässt damit eine Konkretisierungslücke. Auf theoretischer Ebene stellen beide Perspektiven wichtige Parameter des Markenaufbaus dar, allerdings fehlen Aussagen darüber, wie die Konkretisierung des Aussagenkonzeptes erfolgen soll und welche Entscheidungsteilbereiche der Marke dabei berücksichtigt werden müssen. Burmann/Meffert stellen dazu fest, dass es in der bisherigen Markenforschung noch keinen endgültigen Ansatz gibt, der sich in ausreichendem Maße mit dem Integrations- und Konkretisierungsproblem auseinandersetzt und angemessene Lösungsvorschläge bereit hält: „Die Analyse der betriebswirtschaftlichen Literatur verdeutlicht letztlich, dass es trotz der umfassenden Auseinandersetzung mit dem Markenphänomen bislang keine Ansätze gibt, die sich systematisch und stringent mit den Komponenten, der Entstehung und der Beeinflussung der Markenidentität und ihrem Verhältnis zum Markenimage und zur Marke befassen.“258 Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, eine für die Markenforschung adäquate Konkretisierung der Ansätze zu erarbeiten, um darüber den Integrationsaspekt in der Markenforschung darstellbar und untersuchbar zu machen. Damit wird angestrebt, den Theorierahmen zum Themenkomplex des Markenaufbaus so weit zu erweitern, dass eine solide Ausgangsbasis für die Erforschung des Markenaufbaus im Internet geschaffen wird. Im Vordergrund steht die Erklärung der Wirkungszusammenhänge zwischen der Identität auf der Unternehmensebene und der Wahrnehmung dieser auf der Kundenseite. Insgesamt wird dabei die Identität aus Perspektive des Nachfragers untersucht, um darüber eine Grundlage für die Ableitung möglicher Handlungsempfehlungen zu schaffen, wie unternehmerische Mittel zum Aufbau und zur Stärkung der Unternehmensmarke gezielt und effizient eingesetzt werden können.259 Diese explorative Untersuchung des Integrationsaspektes zwischen Identität und Image stellt den ersten, wesentlichen Wertbeitrag dieser Arbeit für die betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis dar.
257 258 259
Vgl. Meffert/Burmann 2005, S. 26f. Vgl. Burmann/Meffert 2005, S. 51. Vgl. Kernstock et al. 2006, S. 25.
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus 2.3
53
Zwischenfazit und Spezifizierung der Forschungslücke
Wie in Kapitel 2.1.2 dargestellt, ist die inhaltliche Spezifizierung der Markenidentität sowie die Umsetzung dieser mit Hilfe geeigneter Elemente ein wesentlicher Schritt des Markenaufbaus.260 Trotzdem sind immer wieder Defizite in der Unternehmenspraxis zu erkennen, die die Übertragung strategischer Ziele in operative Maßnahmen erheblich erschweren. Dieser als Implementierungslücke identifizierte Sachverhalt, der die fehlende Übereinstimmung von Konzept- und Realisierungsebene beschreibt,261 wurde als das für die folgende Untersuchung ausschlaggebende Problem der Unternehmenspraxis herausgearbeitet. Im weiteren Verlauf konnte die Implementierungslücke ebenfalls aus theoretischer Sicht bestimmt werden. Die Ausführungen zu den verschiedenen Ansätzen der Markenführung haben gezeigt, dass auch hier noch keineswegs Einigkeit darüber herrscht, wie die konkreten Maßnahmen zum Identitätsaufbau aussehen müssen, um das gewünschte Image bei den Kunden zu erzeugen und über welche Mechanismen die gestaltbaren Identitätselemente ihre Wirkung bei den Kunden entfalten. Zwar konnte der identitätsorientierte Ansatz als der fortschrittlichste Markenansatz herausgestellt werden, allerdings weist auch er immer noch Schwächen auf, die insbesondere in der fehlenden Konkretisierung der kundenseitigen Wahrnehmung der Identität und den fehlenden Aussagen zu den Wirkungsmechanismen der Identitätselemente zu suchen sind. Die übergeordnete Forschungsfrage lautet daher: Übergeordnete, theoriebezogene Forschungsfrage: Wie lassen sich der identitätsorientierte und verhaltensorientierte Ansatz so konkretisieren, dass sie den Transport der Markenidentität im Internet auf konzeptioneller Ebene besser erklären können und damit die Ableitung entsprechender Handlungsempfehlungen ermöglichen? Die übergeordnete Forschungsfrage kann allein aus der Betrachtung der aktuellen Markenliteratur nicht beantwortet und die Konkretisierungsproblematik nicht gelöst werden. Um die thematisierte Konkretisierung der Ansätze vornehmen zu können, erscheint es deshalb sinnvoll, sich der Forschungsfrage schrittweise anzunähern, um über die Beantwortung von untergeordneten Teilfragen zu einer adäquaten Lösung der Forschungsfrage zu gelangen. Ausgehend von einem solchen Vorgehen empfiehlt es sich, zunächst diejenigen Konstrukte zu identifizieren, die eine Präzisierung des Aussagenkonzeptes auf der Unternehmensebene und des Akzeptanzkonzeptes auf der Individualebene erlauben und damit für eine Konkretisierung der 260 261
Vgl. Keller 2003, S. 44f. Vgl. Esch 2005, S. 148; Miller/Wilson/Hickson 2004, S. 203.
54
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
Ansätze auf konzeptioneller Ebene geeignet sind. Die erste konkrete Forschungsfrage lautet daher wie folgt: Untergeordnete Forschungsfrage Nr.1: Welche Konstrukte eigenen sich generell zur Konkretisierung des identitätsorientierten und verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes? Obwohl die traditionelle Markenliteratur keine Antwort auf die übergeordnete Forschungsfrage bereithält, werden die Darstellungen der einzelnen Ansätze trotzdem dazu genutzt, sich der Identifizierung geeigneter Konstrukte zu nähern. Als geeignetes Erfolgskriterium der Identitätswahrnehmung bzw. -wirkung wurde in Kapitel 2.2.2.2 im Rahmen des Brand-EquityKonzepts das Einstellungskonstrukt vorgestellt, das anders als das reine Markenbild Aufschluss über die subjektive, individuelle Bewertung des einzelnen Kunden gibt und damit den Grad der erfolgreichen Wirkung der Identitätselemente benennen kann und zwar unabhängig davon, welche inhaltliche Ausprägung diese haben. Über das Einstellungskonstrukt lässt sich daher die Spezifizierung und Darstellung des Akzeptanzkonzeptes vornehmen. Aufgrund der konzeptionellen Übertragbarkeit auf das E-Branding, konnte die Einstellung zur E-Brand als nachgelagerte und damit abhängige Erfolgsgröße festgelegt werden. Als zentrale Komponente des verhaltensorientierten Ansatzes geht die Einstellung zur E-Brand damit als erstes zu untersuchendes Konstrukt in das Forschungsmodell ein. Zusätzlich dazu konnte bereits eine erste Spezifizierung des Aussagenkonzepts über das traditionelle Corporate-Identity-Konzept erreicht werden, das im Rahmen des identitätsorientierten Ansatzes besondere Aufmerksamkeit in der Markenforschung erfährt. Die Durchsicht der relevanten Publikationen über die Corporate Identity führte zu dem Ergebnis, dass bei vielen Autoren ein Konsens darüber besteht, dass hinsichtlich der Strukturelemente der Corporate Identity zwischen der Unternehmensphilosophie als Kern der Identität und dem Verhalten, der Kommunikation und dem Erscheinungsbild des Unternehmens als Identitätsträger bzw. Wirkungselemente unterschieden werden muss.262 Damit lässt sich aus der Durchsicht der traditionellen Markenliteratur bereits eine Antwort auf die erste Forschungsfrage ableiten. Zur generellen Konkretisierung der Ansätze eignen sich das Einstellungskonstrukt auf der Individualebene als psychologische Erfolgsgröße des Akzeptanzkonzeptes und die Corporate Identity auf der Unternehmensebene als gestaltbare Einflussgröße des Aussagenkonzeptes.
262
Vgl. Achterholt 1991, S. 45ff.; Meffert 1994, S. 85f.; Birkigt/Stadler 2002, S. 18; Burmann/Meffert 2005, S. 51, Rode 2004, S. 145; Balmer/Soenen 1999, S. 74f.
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
55
Aufgrund der fehlenden theoretischen Verankerung des E-Branding in der Forschungsliteratur erfolgt die Identifizierung der Konstrukte auf genereller Ebene jedoch allein über eine Analyse der traditionellen Markenliteratur. Aufbauend auf dieser generellen Betrachtung der Konkretisierungsproblematik muss des Weiteren überprüft werden, ob sich die identifizierten Konstrukte auch auf den Kontext der Net Economy übertragen lassen. Wie bereits festgestellt wurde, lässt sich das Einstellungskonzept in seiner theoretischen Funktion ohne Weiteres auf das E-Branding übertragen. Lediglich die Tatsache, dass die Corporate Identity im Internet anderen Rahmenbedingungen ausgesetzt ist als in traditionellen Märkten legt die Vermutung nahe, dass die Elemente zwar grundsätzlich übertragbar sind, aber eventuell kontextspezifische Anpassungen vorgenommen werden müssen. Die zweite konkrete Forschungsfrage lautet daher: Untergeordnete Forschungsfrage Nr. 2: Wie kann das Corporate-Identity-Konzept auf den Kontext der Net Economy übertragen werden? Da die Konstrukte zur Darstellung eines integrativen E-Branding-Ansatzes verwendet werden sollen, darf keine isolierte Betrachtung der Konstrukte stattfinden. Um die Verknüpfung von Unternehmens- und Individualperspektive zu ermöglichen, müssen Erkenntnisse über die zugrundeliegenden Wirkungsbeziehungen zwischen den Konstrukten geschaffen werden. Die letzte konkrete Forschungsfrage lautet also: Untergeordnete Forschungsfrage Nr. 3: Wie sehen die zugrundeliegenden Wirkungsbeziehungen aus, die die Kausalität zwischen den Konstrukten abbilden? Die konzeptionellen Grundlagen der Markenforschung, wie sie bis hierher betrachtet wurden, werden in Abbildung 8 zusammengefasst. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Abbildung lediglich die für die vorliegende Arbeit relevanten Aspekte darstellt und damit keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit im Sinne eines allumfassenden Markenkonzeptes erhebt. Vielmehr dient es zur Verdeutlichung der zentralen Bedeutung der vorgestellten Konstrukte (Markenkern, Corporate-Identity, Einstellung) im Rahmen des Markenaufbaus. Diese neu konzipierte Darstellung dient fortan als Ausgangsbasis für die Aufarbeitung der E-Branding Forschungsliteratur. Damit die relevanten Erkenntnisbeiträge für die Entwicklung des Untersuchungsmodells spezifiziert werden können, werden im folgenden Kapitel die notwendigen theoretischen Grundlagen geschaffen, die sich den vorgestellten Forschungsfragen aus theoretischer Sichtweise weiter annähern.
56
Wissenschaftliche Einordnung des Markenaufbaus
z.B. CI-Leitfaden
Personenspezifika
(Broschüren, Schriftverkehr, Werbung, Bürogebäude, Webseite, etc.)
(Involvement, Erfahrung, Produktwissen, Motiv, Bedürfnis, etc.) Image Transport
Identität
Einstellung
Unternehmensverhalten Markenkern
Umsetzung IdentitätsorientierterAnsatz
Emotionales Urteil
Unternehmenskommunikation Unternehmensdesign
Wahrnehmung VerhaltensorientierterAnsatz
Merkmalsunterschiede (Persönlichkeit)
Branchenunterschiede (Umsetzung)
Sportlich, jung, klassisch, traditionell, umweltbewusst, etc.
Handel, Logistik, IT, Industrie, E-Business, Versicherung, etc.
Abbildung 8: Konzeptionelle Darstellung des markentheoretischen Bezugsrahmens
+ Rationales Urteil
↓ Verhalten
Stakeholderunterschiede (Wahrnehmung) Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Medien, Institutionen, Behörden, etc.
Theoretische Bezugspunkte
3
57
Theoretische Bezugspunkte
Die in Kapitel 2 formulierten Zielsetzungen der Arbeit liegen in der Identifikation relevanter Identitätselemente und der Ableitung spezifischer Aussagen über die Wirkung der Wahrnehmung der Identitätselemente auf die Einstellung. Sie sollen dazu beitragen, Erkenntnisse über den Transport der Markenidentität im Internet zu gewinnen. Dies erfordert in einem nächsten Schritt, die Konstrukte und ihre Zusammenhänge aus einer theoretischen Perspektive aufzuarbeiten und eine Theoriefundierung der Arbeit vorzunehmen. Aus diesem Grund widmet sich das folgende Kapitel der Darstellung verschiedener Theorien, die sich intensiv mit den aufgeworfenen Fragestellungen auseinandersetzen. Die theoretische Durchdringung des Forschungsvorhabens erfolgt unter Zuhilfenahme von Theorien verschiedener Wissenschaftsbereiche, da eine interdisziplinäre Herangehensweise der Komplexität des Marken- bzw. EBranding-Konstrukts und der zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen besser gerecht wird als eine rein ökonomische oder rein psychologische Betrachtung.263 Zudem veranlasst das bis dato bestehende Theoriedefizit264 der Markenführung dazu, solche Forschungsansätze zu identifizieren, die zu einem nutzbaren Theoriefundament der Markenführung zusammengesetzt werden können. Dieser interdisziplinäre Ansatz wird aufgrund der Annahme verfolgt, dass die Probleme der Praxis sich wirtschaftlich nur analysieren und lösen lassen, wenn die Betriebswirtschaftslehre auch auf die Erkenntnisse anderer Wissenschaften zurückgreift.265 Erst wenn realistische Annahmen über das Verhalten von Wirtschaftssubjekten getroffen werden können, sind die Aussagen für die Betriebswirtschaft gehaltvoll. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung zu verhaltenswissenschaftlichen Theorieansätzen in der Betriebswirtschaftslehre zu beobachten, die den homo oeconomicus als Basis ablehnt266 und deswegen in der Lage sind, neue Erkenntnisse hervorzubringen. Aufgrund der traditionellen, ökonomischen Einbettung des Marketings in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre werden zur Erklärung auftretender Marketingphänomene häufig ökonomische Theorien verwendet. Vor dem Hintergrund des identitätsorientierten Ansatzes wird im ersten Abschnitt dieses Kapitels ( 3.1) auf die in der Managementforschung verankerten Theorien des market based view, resource based view und customer based view zurückgegriffen, über die die geforderte Integration und Konkretisierung von Innen- und Außenperspektive aus dem Blickwinkel der klassischen Betriebswirtschaft näher beleuchtet werden.
263
Vgl. Osterloh 2007, S. 61ff. Vgl. Koers 2001, S. 47ff. Vgl. Heinen 1972, S. 439. 266 Vgl. Meffert 2002, S. 143; Esch/Herrmann/Sattler 2006, S. 17. 264 265
C. Suckow, Markenaufbau im Internet,DOI 10.1007/978-3-8349-6198-3_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
58
Theoretische Bezugspunkte
Die sozialpsychologische Öffnung des Markenverständnisses im Zuge der Entwicklung des verhaltenswissenschaftlichen und identitätsorientierten Ansatzes bringt die Notwendigkeit mit sich, das Theoriefundament der Markenführung mit Theorien der Verhaltenswissenschaften anzureichern, damit auch die zugrundeliegenden kognitiv-psychologischen Wirkungsmechanismen einer theoretischen Basis entnommen werden können. In Kapitel 3.2 werden hierzu Theorien der Einstellungsforschung vorgestellt, die Aufschluss über die Entstehung von Einstellungen und die Konstitution des Einstellungskonstrukts geben. Da jedoch eine holistische Betrachtung des E-Branding in dieser Arbeit angestrebt wird, erscheint es insbesondere vor dem Hintergrund der Wahrnehmung und Wirkung von außengerichteter Kommunikation über die Corporate Identity sinnvoll, die Erkenntnisse der Kommunikationsforschung zusätzlich daraufhin zu untersuchen, ob sie Erklärungsansätze für die zugrundeliegenden Prozesse bereithalten und Aufschluss über die Verknüpfungsmöglichkeiten des identitätsorientierten und verhaltensorientierten Ansatz geben können. In Kapitel 3.3 werden dazu speziell die Erkenntnisse der Informationswahrnehmung und -verarbeitung aufgegriffen und im Rahmen webspezifischer Hintergründe untersucht. Im Anschluss an die Darstellungen der theoretischen Bezugspunkte erfolgt eine kurze Zusammenfassung der Erkenntnisbeiträge, die in Kapitel 4.3 zur Hypothesengenerierung wieder aufgegriffen werden.
3.1
Theorien der Managementforschung
Aufgrund der bis heute andauernden Entwicklung und dem dadurch bedingten stetigen Wandel des Markenverständnisses in der Literatur „besteht in der Marketingwissenschaft bislang keine integrierte Theorie der Markenführung, die das Wesen einer Marke oder markenbildende Faktoren im Ganzen erklären und als Fundament im Hinblick auf eine Entscheidungsunterstützung fungieren kann“267. Der identitätsorientierte Ansatz wurde in Kapitel 2.2.3 jedoch im Zuge dieser Entwicklungen als das die Markenforschung derzeit dominierende Markenverständnis identifiziert. Dieser Ansatz zeichnet sich durch die Auffassung der Marke als Gesamtkonzept aus, das sowohl die angebotsorientierte- als auch die nachfrageorientierte Betrachtungsperspektive in sich vereint. Dieses Wechselspiel zwischen Innen- und Außenperspektive kann aus organisationstheoretischer Sichtweise über die aus dem strategischen Management entstammenden Forschungstheorien der Marktorientierung (market based view,
267
Meffert 2004, S. 296.
Theoretische Bezugspunkte
59
MBV), Ressourcenorientierung (resource based view, RBV) und der Kundenorientierung (customer based view, CBV) erläutert werden.268
3.1.1
Market based view
Die Marktorientierung wie auch die Ressourcen- und Kundenorientierung stellen Ansatzpunkte dar, wie möglichst dauerhafte Wettbewerbsvorteile erzielt werden können.269 Der marktbasierte Ansatz geht dabei vor allem auf die Industrial-Organization-Theorie nach Mason270 und Bain271 sowie auf das darauf aufbauende Structure-Conduct-Performance-Paradigma zurück. Er supponiert, dass langfristiger Unternehmenserfolg durch die Struktur des relevanten Marktes und durch strategisches Verhalten festgelegt wird.272 Generell wird damit die „mehr oder weniger bewusste Ausrichtung von Merkmalen, Entscheidungen und Aktivitäten des Unternehmens und seiner Mitarbeitern an den Gegebenheiten des Absatzmarktes“ 273 bezeichnet. Es dient der strategischen Orientierung eines Unternehmens und der Entwicklung von Leitprinzipien, die zur Anpassung an die Umwelt und ihrer aktiven Veränderung notwendig sind.274 Definitionsübergreifend kann Marktorientierung als Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit am Markt interpretiert werden, wobei in der einschlägigen Literatur keine Einigkeit z.B. darüber besteht, was unter dem Begriff Markt zu verstehen ist oder wie sich die Marktorientierung konkret manifestiert. Deshpandé et al. sind der Meinung, dass der Markt alle potentiellen Kunden des Unternehmens umfasst, was mit dem Konzept der Kundenorientierung vergleichbar wäre.275 Andere Autoren hingegen subsumieren unter dem Marktbegriff nicht nur die Kunden, sondern auch andere Marktteilnehmer und alle Faktoren, die Kundenbedürfnisse beeinflussen.276 Im Zuge dieser Überlegungen konnten einige Autoren sowohl theoretisch als auch empirisch zeigen, dass der Umfang bzw. die Qualität der Kundenbeziehungen und das
268
Vgl. Meffert 1998, S. 709ff. Vgl. Teece/Pisano/Shuen 1997, S. 509f. 270 Vgl. Mason 1939, S. 61ff. 271 Vgl. Bain 1959. 272 Hierzu wird häufig die Kritik vorgetragen, dass das Unternehmensverhalten letztendlich auch nur eine Anpassung an sich ändernde Marktverhältnisse darstellt und dadurch von der Struktur des Marktes beeinflusst wird, vgl. dazu Proff 1998, S. 31. 273 Homburg/Krohmer 2003, S. 1070. 274 Vgl. Noble/Sinha/Kumar 2002, S. 26f.; Manu/Sriram 1996, S. 79. 275 Vgl. Deshpandé/Farley/Webster 1993, S. 27. 276 Vgl. stellvertretend Kohli/Jaworski 1990, S. 3; Day 1990, S. 126. 269
60
Theoretische Bezugspunkte
Verhalten anderer Marktteilnehmer die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen erheblich beeinflusst.277 Wettbewerbsvorteile kann ein Unternehmen durch die richtige Selektion des Zielmarktes sowie der überlegenen Positionierung in diesem Markt erreichen.278 In diesem Zusammenhang wird häufig auf Porter279 verwiesen, der konstatierte, dass ein Unternehmen die Sicherstellung nachhaltigen Erfolgs nur über eine geeignete Positionierung in attraktiven ProduktMarkt-Segmenten erreichen kann, die zu einem verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteil führt. Der Erfolg einer Marke und das markenbezogene Verhalten einer Unternehmung wären hiernach wesentlich von den Charakteristiken der selektierten Branche bestimmt.280 Der Ressourcenbetrachtung kommt eine eher geringe Bedeutung in diesem Ansatz zu, da aufgrund der Ressourcenmobilität angenommen wird, dass die Ressourcen nahezu identisch zwischen den Unternehmen einer Branche verteilt sein müssen.281 Schlussfolgernd bestehen Erfolgsdivergenzen nur aufgrund interindustrieller und nicht intraindustrieller Unterschiede.282 Kritisiert wird an diesem Ansatz, dass die ‚outside-in‘-Perspektive zur Erklärung von Unternehmenserfolg nur unzureichend ist.283 Das Unternehmen an sich wird im MBV als ‚black box‘ betrachtet, die unternehmensinterne Erfolgsfaktoren unberücksichtigt lässt und das Unternehmen daher den Einflüssen der externen Umwelt ausgeliefert ist.284 Überträgt man diese Überlegungen auf die Markenführung, so dürfte es nach dem MBV strenggenommen gar keine Marken geben.285 Alle Differenzierungsbemühungen könnten umgehend von den Wettbewerbern kopiert werden und die Abgrenzung des Leistungsangebotes hinfällig machen. Obwohl der Ansatz allein demnach nicht ausreichend für die Erklärung der Notwendigkeit des E-Branding ist, kommt ihm zumindest hinsichtlich des Brancheneinflusses auf den Aufbau und die Ausrichtung der E-Brand eine gewisse Relevanz zu. Die Zugehörigkeit zu einer Branche sollte soweit die Ausgestaltung der Identitätselemente bestimmen, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden in dem jeweiligen Segment erfolgreich angesprochen werden können und eine bestimmte, branchenspezifische Position der Marke entwickelt werden kann.
277
Zur Wettbewerbsrelevanz von Kundenzufriedenheit vgl. zum Beispiel Matzler/Stahl 2000, S. 626ff.; Ittner/Larcker 1998, S. 11ff.; Anderson/Fornell/Lehmann 1994, S. 53ff. 278 Vgl. Burmann 2002, S. 142. 279 Vgl. Porter 1980. 280 Vgl. Blinda 2007, S. 36. 281 Vgl. Nolte/Bergmann 1998, S. 7. 282 Vgl. Knyphausen 1993, S. 772. 283 Vgl. Freiling 2001, S. 71ff. 284 Vgl. Rühli 1994, S. 36ff.; Barney 1991, S. 100. 285 Vgl. Blinda 2007, S. 39.
Theoretische Bezugspunkte
61
Demzufolge kann vermutet werden, dass auch das Internet als kontextueller Rahmen der Marke Einfluss auf die Gestaltung der E-Brand hat.
3.1.2
Ressource based view
Als Reaktion auf die als zu einseitig empfundene umweltbezogene Ausrichtung an marktstrukturellen Gegebenheiten, wie sie beispielsweise im Rahmen des industrieökonomisch inspirierten Ansatzes von Porter286 vorherrschte, wurde Mitte der 80er Jahre der ressourcenbasierte Ansatz entwickelt, der die Sicht des Unternehmens als Bündel von Ressourcen einnahm und darüber die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen erklärte.287 Diesem Ansatz nach sind die unternehmensspezifischen und einzigartigen Ressourcen einer Unternehmung Grundlage zur Erklärung dauerhafter und überdurchschnittlicher Unternehmensgewinne. Diese Auffassung stützt sich auf die Prämisse, dass Ressourcen wie z.B. Informationen, Wissen und Fähigkeiten zwischen den Wirtschaftssubjekten ungleich verteilt sind und daher Unterschiede in der Nutzung dieser entstehen.288 Diese Heterogenität in der Ressourcenausstattung muss diesem Ansatz nach auch über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben, um darüber einen echten Wettbewerbsvorteil generieren zu können.289 Damit wird das Unternehmen an sich nicht mehr als black box betrachtet, das den Einflüssen der externen Umwelt ausgeliefert ist, sondern die Unternehmung selbst wird über das Vorhandensein wettbewerbsdifferenzierender Ressourcen und Fähigkeiten für den Unternehmenserfolg verantwortlich gemacht.290 Da der Fokus bei diesem Ansatz auf unternehmensinternen Erfolgsfaktoren liegt, wird häufig von einer ‚inside-out‘-Perspektive gesprochen, die jedoch fälschlicherweise suggeriert, dass die Betrachtung des Marktes außen vor bleibt. Der RBV betrachtet jedoch die Ressourcen im Rahmen von aktuellen und wahrscheinlichen Marktbedürfnissen als marktrelevante Größen und postuliert damit – wenngleich implizit – die Notwendigkeit einer symbiotischen Abstimmung zwischen internen und externen Unternehmensfaktoren. Die häufig kritisierte fehlende Marktkopplung des RBV kann damit nicht unterstützt werden.291 Im Zusammenhang mit dem Ressourcenansatz definiert Barney Ressourcen als „all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its effi286
Vgl. Porter 1980. Für einen Überblick über die Entwicklung und Begründer des ressourcenbasierten Ansatzes vgl. Antlitz 1999, S. 43. 288 Vgl. Freiling 2001, S. 95. 289 Vgl. Barney 1991, S. 99ff.; Conner 1991, S. 132f. 290 Vgl. Rasche 1994, S. 38ff. 291 Vgl. Barney 1991, S. 99 f.; Freiling 2001, S. 164. 287
62
Theoretische Bezugspunkte
ciency and effectiveness”292. Ressourcen sind aber nicht allein physischer oder materieller Natur, sondern umfassen auch Fähigkeiten und Eigenschaften der Unternehmung, die zur Wertschöpfung beitragen. Ob es sich bei einer Ressource tatsächlich um einzigartige und Wettbewerbsvorteile schaffende Ressourcen handelt, kann Barney zufolge anhand verschiedener Merkmale überprüft werden: knapp, wertvoll, nicht vollkommen imitierbar und nicht substituierbar.293 Als wertvoll wird eine Ressource beschrieben, wenn sie einen Nutzen stiftenden Charakter aufweist, der die Effektivität und Effizienz des Unternehmens verbessert. Die Werthaltigkeit einer Ressource kann dabei sowohl aus interner (Prozess) als auch externer (Kundenbedürfnisse) Perspektive betrachtet werden, wobei in der Literatur jedoch vermehrt auf die Generierung von marktseitig reflektiertem Nutzen Bezug genommen wird.294 Des Weiteren erhöhen schwierig zu imitierende Ressourcen das Potenzial, eine anhaltende verteidigungsfähige Wettbewerbspositionierung zu erreichen. Die dafür notwendigen Imitationsbarrieren können zum einen künstlich (Lizenzen, Patente, Markenrechte) zum anderen durch die Ressource selbst – aufgrund der unternehmensindividuellen Entwicklung der Ressource oder die nur schwer nachvollziehbaren kausalen Zusammenhänge zwischen den Ressourcen – geschaffen werden. Imitierbarkeit von Ressourcen ist speziell bei neu geschaffenen Ressourcen immer vor dem Hintergrund zeitlicher Kriterien zu beurteilen. Eine geringe Imitierbarkeit der Ressource impliziert in der Regel auch eine schwere Substituierbarkeit, da aufgrund der fehlenden Ersetzbarkeit bzw. Imitierbarkeit der Ressource Konkurrenten kaum ein gleichwertiges Ergebnis erzielen können und daher für den Markt kein Substitut erzeugt werden kann. Niedrige Imitierbarkeit und Substituierbarkeit implizieren gleichermaßen die begrenzte Verfügbarkeit der Ressource.295 Die Knappheit der Ressource ist daher eng mit der Prämisse der Ressourcenheterogenität und -immobilität verbunden, denn erst wenn Ressourcen nur begrenzt verfügbar sind, bedeutet dies, dass sie nicht allen Marktteilnehmern gleichermaßen zugänglich sind. Ressourcenheterogenität wird oft auf die organisationale Verwurzelung der Ressourcen zurückgeführt, da viele Ressourcen den gleichen Ursprung haben, allerdings erst in ihrer Zusammensetzung und Weiterentwicklung innerhalb des Unternehmens zur Wertschöpfung beitragen und damit auch nicht ohne Weiteres von einem zum anderen Unternehmen weitergegeben werden können.296
292
Barney 1991, S. 101. Im Folgenden wird der Begriff Ressource stellvertretend für die von Barney definierten Anlagegüter, Fähigkeiten, Prozesse, Attribute, Informationen und Wissenstrukturen verwendet. Vgl. Barney 1991, S. 105ff. 294 Vgl. Hälsig 2008, S. 42. 295 Vgl. Peteraf 1993, S. 181. 296 Vgl. Dierickx/Cool 1989, S. 1505. 293
Theoretische Bezugspunkte
63
Wird die E-Brand vor diesem Hintergrund betrachtet, so kann auch sie als unternehmensspezifische und einzigartige Kombination verschiedener Ressourcen aufgefasst werden, die zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen beiträgt.297 Die Konzentration auf den Aufbau einer nachhaltigen Ressourcenkombination bei der Bildung einer E-Brand muss zu einer nachhaltigen Differenzierung des Leistungsangebotes gegenüber dem Wettbewerb führen. Ob die Ressourcenkombination erfolgreich ist entscheidet jedoch der Nachfrager, weshalb dieser Ansatz im Rahmen der Markenführung keinesfalls losgelöst von den Marktstrukturen und den darin bestehenden Bedürfnisstrukturen betrachtet werden darf. Der Wert der E-Brand wird erst über die positive Wahrnehmung und Bewertung der Kunden generiert und muss sich deswegen an der Überlegenheit der marktseitigen Nutzengenerierung ausrichten. Insbesondere in der Rolle des strategischen Führungsinstruments wird die Identität der E-Brand zu einer unternehmensinternen Größe, die zur Umsetzung von Wettbewerbsstrategien richtungsweisend eingesetzt wird.298 Je stärker und beständiger sich die Identität der E-Brand von denen anderer Marken abhebt, desto größer ist die vom Kunden empfundene Einzigartigkeit der Marke und desto schwieriger wird es für Wettbewerber die E-Brand zu imitieren und desto weniger können Kunden die E-Brand mit anderen E-Brands substituieren. Ist diese Differenzierungsaufgabe der Marke einmal erreicht, ist die damit erzielte Wirkung bei den Kunden aufgrund ihrer Unternehmensspezifizität eine knappe Ressource. Diese Ausführungen zeigen, dass die E-Brand die entsprechenden Merkmale erfüllt, um als organisationale Ressource betrachtet werden zu können. Im Rahmen der Ressourcenorientierung wird damit die Erfolgswirksamkeit der E-Brand für die Unternehmung untermauert und die Bedeutung des E-Branding-Prozesses für die Sicherstellung langfristiger Wettbewerbsvorteile unterstrichen. Erst über die richtige Kombination von Ressourcen (Fähigkeiten, Attribute, Prozesse) kann eine E-Brand erfolgreich erschaffen werden, weshalb die zielgerichtete Gestaltung dieser Ressourcen als zentrale Aufgabe und Kern der ressourcentheoretischen Perspektive der Markenführung betrachtet werden muss.299
3.1.3
Customer based view
Von zentraler Bedeutung im Zusammenhang mit dem RBV ist die Tatsache, dass in der Regel der Markt über die ökonomische Relevanz von Ressourcen und Fähigkeiten entscheidet und die Ressourcenorientierung daher nicht losgelöst von der Marktorientierung betrachtet werden darf. Letztendlich stellen der RVB mit seiner ‚inside-out‘-Perspektive und der MVB mit sei297 298 299
Vgl. Burmann/Meffert 2005, S. 59. Vgl. Chae/Bateman 2001, S. 62ff. Vgl. Meffert 2004, S. 297.
64
Theoretische Bezugspunkte
ner ‚outside-in‘-Perspektive zwei Seiten ein und derselben Medaille dar.300 Denn intuitiv ist ein an bestimmten Vergleichsmaßstäben gemessener überdurchschnittlicher, wirtschaftlicher Erfolg immer auch das Resultat einer Kongruenz zwischen unternehmensinternen, ressourcenbasierten Handlungsmöglichkeiten und der unter Berücksichtigung von Wettbewerbs- und Nachfragegesichtspunkten implementierten absatzmarktgerichteten Strategie.301 Analog zu der Notwendigkeit einer Synthese der Markt- und Ressourcenorientierung kann dazu auch die Synthese des identitätsorientierten und verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes begründet werden (siehe Abbildung 9).302 In diesem Sinne konstituiert sich die Identität der E-Brand über die langfristigen Wechselwirkungen der marktorientierten Aktivitäten des markenführenden Unternehmens, die aus dem entsprechenden Ressourcenprofil abgeleitet werden (Identitätsaufbau/Positionierung/Markenführung) und der Bewertung dieser Aktivitäten durch den Kunden (Wahrnehmung/Bewertung der Markenidentität hinsichtlich ihres Bedürfnisbefriedigungspotenzials).303 Zentraler Aspekt ist hier die Abhängigkeit bzw. Wechselseitigkeit von Markenimage und Markenidentität. Ressourcenbasierter Ansatz
Marktbasierter Ansatz
Unternehmensinterne Ressourcen (Structure)
Marktstruktur (Structure)
Strategie (Conduct)
Erfolg (Performance)
Extern
Intern
Markenführung/ Positionierung im Markt (Conduct)
Markenwert (Performance)
Bedürfnisstrukturen (Structure)
Identitätsorientierter Ansatz
Verhaltensorientierter Ansatz
Vgl. hierzu die Diskussion bei Spanos/Lioukas 2001, S. 908ff. Vgl. Priem/Butler 2001, S. 64. Vgl. Meffert 2004, S. 298. 303 Vgl. Meffert 2004, S. 298. 301 302
Kundenverhalten (Conduct)
E-Brand-Identität (Structure)
Abbildung 9: Gegenüberstellung der Management- und Markenansätze
300
Marktverhalten (Conduct)
Theoretische Bezugspunkte
65
Vor diesem Hintergrund werden MBV und RBV in der Wissenschaft zwar immer noch kontrovers diskutiert,304 allerdings ist gerade in den letzten Jahren eine deutliche Tendenz zu verzeichnen, sich dem Thema der Wettbewerbsgenerierung aus einer integrierten Perspektive anzunähern. Zur Erklärung des Markenphänomens reicht es nicht mehr aus, den Erfolg von Unternehmen einzig und allein auf die Nutzung vorhandener Ressourcen und die Gegebenheiten des Marktes zurückzuführen. Erst mit der Entwicklung des customer based views nahmen sich Matzler/Stahl/Hinterhuber dieser Problematik an und kombinierten die Erkenntnisse beider Ansätze mit dem Konzept der wertorientierten Unternehmensführung.305 Der Unternehmenswert fungiert dabei als Funktion der Kundenzufriedenheit, die sich aus einer hohen Wiederkaufsabsicht, hohem Cross-Selling-Potenzial, niedriger Preissensibilität und positiver Mundwerbung zusammensetzt und von der Wahrnehmung des Wertes des Leistungsangebotes bestimmt wird. Die Fähigkeit, einen solchen Wert zu schaffen, ergibt sich aus der Ressourcenausstattung des Unternehmens sowie der Effizienz und Effektivität, mit der diese Ressourcen in ein wertvolles Output für den Kunden umgewandelt werden. Der Wert des Leistungsangebotes entsteht hierbei durch die wertschöpfende, an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtete Nutzung der Ressourcen und der Effektivität, mit der Kundenzufriedenheit hergestellt werden kann. Unterstellt wird in diesem Ansatz die Annahme, dass der ökonomische Beitrag des Kunden oder einer Kundengruppe für die Steigerung des Unternehmenswertes verantwortlich ist.306 Dieser Beitrag („Kundenwert“307) entsteht sowohl direkt über die vergangenen und zukünftigen Umsätze der Kunden als auch indirekt über Weiterempfehlungs- und Reputationseffekte.308 Ausschlaggebendes Kriterium in dieser nachfragerorientierten Sicht ist die Entscheidung des Kunden mit dem Unternehmen bzw. der Marke eine langfristige Beziehung einzugehen, damit auch zukünftige Zahlungsströme gesichert werden können. Zwar geht die Konsumentenforschung davon aus, dass Kundenzufriedenheit ein wesentlicher Bestimmungsfaktor von Kundenbeziehungen ist,309 allerdings werden zunehmend kritische Stimmen laut, die eine Pauschalisierung dieser Beziehung hinterfragen und den Einfluss von Moderatoren unterstreichen.310 Kundenzufriedenheit ist damit kein Garant für den erfolgreichen Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen, verfolgt man allerdings die klassische Wirkungskette der 304
Vgl. Knott 2003, S. 929ff.; Hawawini/Subramanian/Verdin 2003, S. 1ff.; McNamara/Aime/Vaaler 2005, S. 1075ff. Vgl. Matzler/Stahl/Hinterhuber 2006, S. 4ff. 306 Vgl. Cornelsen 2000, S. 38. 307 Helm/Günter 2001, S. 6. 308 Vgl. Hippner 2006, S. 23. 309 Vgl. Anderson/Fornell/Lehmann 1994, S. 53ff.; Herrmann/Johnson 1999, S. 579; Anderson/Srinivasan 2003, S. 123ff. 310 Vgl. Stauss 1997, S. 76ff. 305
66
Theoretische Bezugspunkte
Kundenbindung, dann ist die Zufriedenheit der Kunden zumindest wichtige Voraussetzung für den Aufbau von Beziehungen.311 Die Tatsache, dass Kundenzufriedenheit eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung langfristiger Kundenbeziehungen darstellt, muss bei der Betrachtung des CBV und vor dem Hintergrund der erst jungen Entwicklung dieses Ansatzes bei zukünftigen Arbeiten berücksichtig werden.
3.1.4
Kritische Würdigung
Die vorangegangenen Überlegungen zeigen, dass sich der ökonomische Erfolg aus nachfragerorientierter Sicht in den beobachtbaren Verhaltensmustern der Kunden manifestiert und aus angebotsorientierter Sicht durch die Maßnahmen des Unternehmens zielgerichtet beeinflusst aber nicht vollständig kontrolliert werden kann.312 Sämtliche Maßnahmen müssen also zunächst dazu führen, dass Zufriedenheit beim Kunden herrscht bevor langfristige Kundenbeziehungen aufgebaut werden können. Zufriedenheit entsteht nach Aussagen des Confirmation/Disconfirmation-Paradigmas aufgrund eines psychischen Vergleichsprozesses zwischen den Erwartungen und dem tatsächlich wahrgenommenen Leistungsniveau.313 Die Erwartungen liegen in den jeweiligen Bedürfnisstrukturen der Zielgruppe begründet und müssen entsprechend durch die Ausgestaltung der E-Brand möglichst effektiv angesprochen und befriedigt werden. Basierend darauf wird Zufriedenheit häufig mit Einstellung gleichgesetzt, da beide Konzepte objektgerichtete Bewertungsprozesse darstellen.314 Allerdings entsteht Zufriedenheit aufgrund eines existierenden Anspruchsniveaus, wohingegen Einstellung nicht zwangsläufig eine Erwartungshaltung impliziert, sondern lediglich eine Werthaltung zu einem Objekt darstellt. Zwar erkennt der customer based view die Notwendigkeit einer Synthese der Ansätze als übergeordnetes Erklärungsgerüst, doch bleiben auch in diesem Ansatz wichtige Fragen offen. Auf die Frage, wie genau ein von den Kunden wertgeschätztes Output entsteht bzw. aktiv erzeugt werden kann, wird beispielsweise nicht eingegangen. Oberflächlich wird zwar auf den Ressourcenbezug dieser Wertschöpfung hingewiesen, aber Aussagen über die konkrete Ausgestaltung werden nicht getroffen. Zudem wird nur angedeutet, dass Zufriedenheit das Ergebnis eines Bewertungsprozess ist, der jedoch nicht weiter differenziert wird. Auffällig ist außerdem die Eingrenzung des Marktes auf den Kunden, womit andere marktstrukturelle Gegebenheiten wie Zahl, Stärke und Ausrichtung der Wettbewerber gänzlich unberücksichtigt blei311
Vgl. Homburg/Bruhn 2005, S. 10. Vgl. Homburg/Fassnacht 1998, S. 415; Fischer/Herrmann/Huber 2001, S. 1164f. Vgl. Howard/Sheth 1969, S. 145ff.; Oliver 1980, S. 460f. 314 Vgl. Trommsdorff 2009, S. 127. 312 313
Theoretische Bezugspunkte
67
ben. Dieser Aspekt führt dazu, dass die Branchenstrukturen diesem Ansatz nach keinen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben, obwohl ihnen in der Literatur bereits mehrfach eine zumindest indirekte Wirkung z.B. auf die Wahrnehmung der Marke hinsichtlich ihrer Überlegenheit am Markt und der daraus abgeleiteten Bewertung nachgewiesen wurde.315 Diese isolierte Betrachtungsweise scheint im Zuge einer kontextspezifischen Betrachtung der Marke nicht angemessen zu sein und kein ausreichendes Erklärungsgerüst für die vorliegende Arbeit darzustellen. Allerdings lassen sich die Erkenntnisse zumindest ansatzweise für die Entwicklung des Untersuchungsmodells nutzen. Um darüber hinaus Hinweise zur Konkretisierung insbesondere des verhaltensorientierten Ansatzes aus der Psychologie zu bekommen, empfiehlt sich vor allem eine Begutachtung der Einstellungsforschung und den damit verbundenen Theorien.
3.2
Theorien der Einstellungsforschung
Die vorangegangen Ausführungen in Kapitel 2.2.2.1 haben gezeigt, dass die Erreichung ökonomischer Ziele über die Erreichung verhaltenswissenschaftlicher Ziele führt. Erst wenn Unternehmen in der Lage sind, die Aktivitäten im Rahmen des Markenaufbaus so zu gestalten, dass sie eine gewisse Verhaltenswirksamkeit bei der Zielgruppe erzeugen (positive Beurteilung/Einstellung; Kauf der Marke), können über den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen und den darin implizierten wiederholten Kaufentscheidungen auch ökonomische Ziele realisiert werden. Dieses Wissen um die Relevanz verhaltenswissenschaftlicher Aspekte im Markenaufbau führte zu einer psychologischen Öffnung des Markenverständnisses. Insbesondere die Entwicklung des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes spiegelt diesen Gedanken wieder. Im Rahmen dieses Ansatzes spielt die Einstellungsbildung auf der Nachfragerseite eine zentrale Rolle im Aufbau einer starken Marke. Generell wird in der Verhaltens- und Sozialpsychologie Einstellung als die psychische Prädisposition von Individuen verstanden, die zu einer bestimmten Reaktion auf Umwelteinflüsse (Stimuli) führt.316 Die darin implizierte Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten ist in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bisher jedoch keineswegs eindeutig. Trotzdem wird der Einstellung von vielen Autoren eine bedeutsame und steuernde Funktion vor allem im Kaufverhaltensprozess zugesprochen.317 Einigkeit herrscht darüber, dass die psychische Prädisposition auch als wertende Haltung aufgefasst werden kann,
315 316 317
Vgl. hierzu die Ausführungen zu der Wirkung von Branchenimages in Schäfer 2006, S. 39ff. Vgl. Koschnik 1995, S. 79f. Vgl. Steffenhagen 2008, S. 69.
68
Theoretische Bezugspunkte
die auf den objektbezogenen Eigenschaftskenntnissen einer Person und der Wertung dieser Eigenschaften beruht.318 Auch für den Markenaufbau im Internet stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage nach den Möglichkeiten und Bedingungen der Bildung, Beeinflussung und Veränderung von Einstellungen der E-Brand gegenüber. Die neu einzuführende E-Brand muss zu Beginn ihres Lebenszyklus die Einstellungsbildung der potentiellen Kunden positiv anregen, damit diese im Laufe der Zeit zur Grundlage der Markentreue werden kann. Insbesondere bei der Aufnahme, Verarbeitung und Erinnerung von Markeninformationen nimmt die Einstellung eine wichtige Orientierungsfunktion ein.319 Generell kann die Beeinflussungsstrategie einer Marke darauf zielen, Einstellungen zu schaffen, zu verändern oder bestehende Einstellungen in ihrer Intensität zu erhöhen.320 Um ein besseres Verständnis darüber zu bekommen, wie diese Beeinflussung speziell im Kontext der Net Economy aussieht, ist es an dieser Stelle notwendig, die Theorien der Einstellungsforschung aufzuarbeiten, um in Anschluss daran Implikationen für das E-Branding abzuleiten und mögliche Konsequenzen für das zu entwickelnde Forschungsmodell zu diskutieren.
3.2.1
Die Grundlagen der Einstellungsforschung
Der Begriff Einstellung wird in der Forschungsliteratur auf unterschiedliche Art und Weise verwendet, worin auch die uneinheitlichen Auffassungen zum Verständnis von Einstellung begründet liegen. Irle definiert Einstellung beispielsweise als „eine Erwartungshaltung in der Wahrnehmung, die aus früheren Erfahrungen durch Lernen entstanden ist oder ad hoc von der Darbietung der wahrzunehmenden Stimulus-Komplexe aufgebaut wird“.321 Damit jedoch überhaupt eine Erwartungshaltung gegenüber dem Einstellungsobjekt stattfinden kann, muss das vorhandene, im Gedächtnis abgespeicherte Wissen zu diesem Objekt zuerst aktiviert bzw. aufgebaut und bewertet werden.322 Eagly/Chaiken definieren Einstellung daher als „psychologische Tendenz, die ausgedrückt wird durch die Bewertung einer speziellen Entität mit einem bestimmten Ausmaß der Zustimmung oder Ablehnung“.323 Im Unterschied zu den kognitionsbasierten Definitionen greifen einige Autoren vor allem affektbasierte Aspekte der Einstel-
318
Vgl. Steffenhagen 2008, S. 69. Vgl. Hartung 2000, S. 60. Vgl. Frey 1979, S. 31ff. 321 Irle 1966, S. 195. 322 Vgl. Sanbonmatsu et al. 2005, S. 103. 323 Eagly/Chaiken 1993, S. 1; Übersetzung zitiert nach Bierhoff 1998, S. 237. 319 320
Theoretische Bezugspunkte
69
lung auf. So sehen Zanna/Rempel Einstellung als die mit einem Objekt assoziierten Gefühle und Bewertungen.324 Diese sehr unterschiedlichen Begriffsauffassungen zeigen, dass es bis heute noch keine einheitliche, allseits anerkannte Definition des Einstellungsbegriffs gibt.325 Trotzdem können dem Einstellungskonstrukt einige charakteristische Eigenschaften zugesprochen werden, die von Bonfadelli auch als Einstellungsdimensionen bezeichnet werden.326 Ihm zufolge sind Einstellungen hypothetische Konstrukte mit subjektivem Charakter und einer theoretischen Funktion (Erklärung von Verhaltenskonsistenzen). Des Weiteren haben Einstellungen in der Regel immer einen Objektbezug und Systemcharakter. Dies bedeutet, dass Einstellungen auf psychischen Systemen beruhen (kognitiven Strukturen), die zu einem Meinungsgegenstand (Objekt) angelegt sind. Geht man davon aus, dass das Einstellungskonstrukt mehrdimensionaler Natur ist, so kann ihm damit eine gewisse Komplexität zugesprochen werden. Im Zusammenhang mit diesen Eigenschaften steht die Erlernbarkeit der Einstellung. Einstellungen werden durch Sozialisation erworben und beruhen auf den Erfahrungen, die mit dem Einstellungsobjekt gemacht wurden.327 Aus diesem Grund werden häufig lerntheoretische Ansätze zur Erklärung der Entstehung und Beeinflussung von Einstellungen herangezogen.328 Obwohl Einstellungen im Laufe der Zeit als relativ stabil erachtet werden, ist die Lernbarkeit der Einstellung ein aktiver Prozess, der immer auch mögliche Veränderungen der Einstellung durch neue Erfahrungen implizieren kann. Betrachtet man den Erfolg des Markenaufbaus im Internet, spielt die Formung bzw. Beeinflussung der Einstellung durch Erfahrungs- und Wahrnehmungssteuerungsprozesse eine besonders wichtige Rolle. Gunert klassifiziert die unterschiedlichen Auffassungen zum Einstellungskonzept in drei Hauptrichtungen der Einstellungsforschung: Einstellung als Überzeugungssysteme, Konsistenztheorien und multiattributive Ansätze.329 Die unterschiedliche Verwendung des Einstellungskonstrukts innerhalb dieser Denkschulen wird in den folgenden Abschnitten näher erläutert und daraufhin überprüft, ob sie als theoretisches Fundament für ein konzeptionelles Modell zum Markenaufbau im Internet verwertbar sind.
324
Vgl. Zanna/Rempel 1988, S. 319. Vgl. Balderjahn 1995, S. 542; Mayer/Illmann 2000, S. 130. Vgl. Bonfadelli 2004, S. 97. 327 Dazu zählen nicht nur Erfahrungen, die direkt mit dem Einstellungskonzept im Zusammenhang stehen, sondern auch solche, die indirekt (z.B. durch Erzählungen Dritter) an den Rezipienten herangetragen werden. 328 Vgl. Silberer 1983, S. 278ff. 329 Vgl. Grunert 1990. 325 326
70 3.2.2
Theoretische Bezugspunkte Theorien kognitiver Netzwerke
In dieser Denkschule werden die Theorien kognitiver Netzwerke angesiedelt, die Einstellung als System von Überzeugungen (beliefs) verstehen, das sich um ein gemeinsames Objekt organisiert.330 Die relevanten Kognitionen bilden ein strukturelles Gefüge im Gedächtnis einer Person, das die subjektiven Beziehungen zwischen Objekten widerspiegelt.331 Viele Vertreter dieser Theorien nehmen an, dass Überzeugungen aufgrund von Lernprozessen gebildet werden oder aber aus bereits vorhandenem Wissen abgeleitet werden.332 Aus diesem Grund zählen z.B. auch die Schematheorien zu den Theorien dieser Forschungsrichtung. Objekte (Marken, Merkmale) werden in diesem Zusammenhang als semantische Einheiten verstanden, deren Beziehungen untereinander unterschiedlich stark ausgeprägt sein können und damit die subjektiven, kognitiven Strukturen einer Person widerspiegeln. In anderen Theorien hingegen wird angenommen, dass Überzeugungen mehr oder minder zentrale und hierarchisch organisierte Wissensstrukturen sind. Bei der Means-End-Chain-Theorie von Gutman beispielsweise spiegeln Überzeugungen die Mittel-Zweck-Beziehungen wider, die den Handlungen der Konsumenten gegenüber der Marke zugrunde liegen.333 In den folgenden Abschnitten wird ein kurzer Überblick über die verschiedenen Theorien kognitiver Netzwerke gegeben.
3.2.2.1 Schematheorie Trotz einer Vielzahl theoretischer Erklärungsansätze gibt es bisher noch keine allgemeingültige Gedächtnistheorie für die Repräsentation von Wissen.334 Zur Erklärung kleinerer Wissenseinheiten werden häufig Theorien herangezogen, die den semantischen Netzwerken zuzuordnen sind,335 wohingegen komplexe Einheiten häufig durch die Schematheorie erklärt werden.336 Da es sich bei dem Aufbau von Gedächtnisstrukturen für Marken um komplexe Einheiten handelt, erscheint die Schematheorie zur Erklärung solcher Phänomene geeignet. Allerdings lassen sich auch Schemata, wie jede Wissensform, als semantische Netze darstellen.337 Ein Schema umfasst alle relevanten Eigenschaften einer bestimmten Wissenskategorie. Die in dem Schema abgespeicherten Eigenschaften sind sowohl hierarchisch als auch assoziativ mit330
Vgl. Abelson/Black 1986, S. 1ff. Vgl. Grunert 1991, S. 11ff. Vgl. Eagly/Chaiken 1993, S. 392 ff.; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 204. 333 Vgl. Gutman 1982, S. 60ff. 334 Vgl. Best 1992, S. 213. 335 Dazu gehören z.B. die Spreading Acitvation Theory von Collins/Loftus 1975 oder die Netzwerktheorie von Collins/Quillian 1969. 336 Vgl. Fiske/Linville 1980, S. 552. 337 Vgl. Minsky 1975, S. 212. 331 332
Theoretische Bezugspunkte
71
einander verknüpft.338 Innerhalb der Gedächtnispsychologie wird Bartlett339 als Begründer der Schematheorie gesehen, weshalb viele darauffolgende Arbeiten auf seine Überlegungen zurückgehen.340 Trotz der Vielfalt der daraus entstandenen Definitionen gibt es übereinstimmende Merkmale, die in der Lage sind, den Schemabegriff einheitlich abzugrenzen. Esch zählt dazu folgende Merkmale:341 x
Schemata enthalten die wichtigsten Merkmale eines Gegenstandsbereiches
x
Einzelne Elemente bzw. Ausprägungen sind variabel und damit veränderbar
x
Sie enthalten sowohl generisches als auch episodisches Wissen
x
Schemata weisen in der Regel eine hierarchische Struktur auf
x
Schemata verfügen über Vererbungs- bzw. Übertragungsmechanismen
x
Schemata besitzen Prozesskomponenten, die bestimmte Abläufe initiieren
In der Essenz werden Schemata als kognitive Strukturen komplexer Wissenseinheiten verstanden. So definiert Rumelhart ein Schema als „a data structure for representing the generic concepts stored in memory. [……] A schema contains, as part of its specification, the network of interrelations that is believed to normally hold among the constituents of the concept in question.“342 Das Ausmaß der kognitiven Strukturen wird durch das Hinzufügen schemakongruenter und –relevanter Informationen vergrößert und gefestigt. Die Formbarkeit eines neuen Schemas ist schon mit wenigen Informationsbausteinen erreichbar. Je stärker das Schema jedoch ausgeprägt und entwickelt ist, desto starrer wird die zugrunde liegende Struktur.343 Ein Schema organisiert demnach die Vorgänge der Informationsspeicherung und steuert die diesem Prozess vorgelagerte Wahrnehmung der Informationen.344 Die Komplexität der den Schemata zugrunde liegenden Wissenseinheiten rührt aus dem Zusammenspiel verbaler und nonverbaler Reize. Nonverbale Reize können multisensorischer Natur sein und z.B. Bilder oder Gerüche enthalten. Zusätzlich können Schemata im Hinblick auf ihren sachlichen oder emotionalen Gehalt hin differenziert werden. In vielen Schemata sind manche Elemente emotional besetzt und daher in der Lage emotionale Verhaltensweisen auszulösen.345 Emotionen sind demnach integraler Bestandteil der Schemata.346 Diese affek338
Vgl. Schweiger 2007, S. 140f. Vgl. Bartlett 1932. Vgl. z.B. Waldmann 1990; Edwards/Middleton 1987. 341 Vgl. Esch 2006, S. 88. 342 Rumelhart 1980, S. 34. 343 Vgl. Wicks 1992, S. 118f. 344 Vgl. Mandl/Friedrich/Hron 1988, S. 124. 345 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 234f. 346 Vgl. Garramone 1992, S. 146ff. 339 340
72
Theoretische Bezugspunkte
tiven Schemata dienen als Grundlage unterschiedlicher, wiederkehrender Gefühle, die das emotionale Erleben so steuern wie die kognitiven Schemata die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung.347 Die Entstehung bestimmter Gefühlsregungen hängt dabei von folgenden Faktoren ab:348 x
Art und Verfügbarkeit emotionaler Schemata
x
Aktivierung emotionaler Schemata
x
Einfluss des situativen Kontextes
Im Kontext der E-Brand kann Kommunikation entweder entsprechende emotionale Schemata durch Nachempfinden vermitteln oder sie kann Emotionen als Reaktion (wie z.B. Gefallen oder Akzeptanz) auslösen.349 Über den Einsatz von medialen Werkzeugen können auf diese Weise emotionale Erlebnisse erzeugt werden, die auf die Marke übertragen und zu einer Art positiven Konditionierung führen. Zusammenfassend können Schemata als Organisationsform des Markenwissens verstanden werden, die nicht nur die Wahrnehmung neuer Wissensbausteine, sondern auch die Speicherung dieser in den Gedächtnisstrukturen des Menschen steuert.350 Damit werden Schemata in der gegenwärtigen Psychologie als Grundbaustein jeglicher komplexer Informationsverarbeitung aufgefasst.351 Dies ist vor dem Hintergrund des Aufbaus von Markenwissen über die Sendung von Informationsreizen von besonderer Bedeutung, da je nach Aktivierung bestimmter Schemata gewisse Eigenschaften mit der Marke verbunden werden, die wiederum großen Einfluss auf die Bewertung und Präferenzbildung des Kunden ausüben.352 Sobald nämlich ein spezifisches Schema beim Rezipienten aktiviert wird, werden Erwartungen ausgelöst und weitere Stufen der Informationsverarbeitung angestoßen.353 In diesem Zusammenhang haben markenaufbauende Unternehmen die Möglichkeit, sowohl bereits vorhandene Schemata im Gedächtnis des Kunden anzusprechen und auf klassische Schemavorstellungen (z.B. Kindchen-Schema) zurückzugreifen oder sie können versuchen, ein neues, markenspezifisches Schema im Kopf des Kunden aufzubauen, das entweder gänzlich losgelöst von bestehenden Schemata existiert oder partiell an andere Schemata angelehnt wird und trotzdem eigenständig für die Marke wirken kann.
347
Vgl. Boesch 1984, S. 179. Vgl. Ulrich/Mayring 1992, S. 86. Vgl. Esch 2006, S. 87. 350 Vgl. Krober-Riel/Weinberg 2003, S. 234. 351 Vgl. Grunert 1996, S. 90. 352 Vgl. Meyers-Levy/Tybout 1989, S. 40; Mandler 1982, S. 10. 353 Vgl. Trommsdorff 2004, S. 300. Siehe dazu auch die Beschreibung der Wirkungsmodelle in Kapitel 3.3.2. 348 349
Theoretische Bezugspunkte
73
Die Aktivierung vorhandener Schemata kann sowohl auf verbaler als auch auf bildlicher Ebene stattfinden. Die Konfrontation der Konsumenten mit bildlichen Informationseinheiten blieb in der Forschung jedoch lange unberücksichtigt, da sich die Schematheorie lange Zeit hauptsächlich mit der Vermittlung verbaler Kommunikationsformen beschäftigte und ihr damit eine einseitige Gewichtung verlieh. Die wachsenden Erkenntnisse aus diesem Bereich führten jedoch dazu, dass sich das Forschungsfeld seit einigen Jahren vermehrt mit den Konsequenzen nonverbaler Informationsvermittlung für den Aufbau, die Modifikation und den Abruf von Markenschemata beschäftigt.354 Im Resultat dieser Bemühungen steht die Forderung nach einer Erweiterung der Schematheorie um die Erkenntnisse der Imagerytheorie zur Erklärung des Aufbaus relevanter Markenschemata über verbale und nonverbale Kommunikation.355 Diese Forderung wird durch die Vermutung gestützt, dass die Aktivierung der für den Markenaufbau so wichtigen emotionalen Schemata besonders gut über bildliche Kommunikation ausgelöst werden kann. Dass Schemata und Imageryprozesse eng miteinander verknüpft sind, zeigen u.a. die Forschungsergebnisse von Smith/Houston/Childers.356 Sie konnten bestätigen, dass Personen mit Schemata eher zu Visualisierungen beim Abruf von Informationen greifen und über eine bedeutend größere Anzahl innerer Bilder verfügen als Personen ohne Schemata.
3.2.2.2 Imagerytheorie Imagery steht für den englischsprachigen Begriff der Bildverarbeitung und umfasst entsprechend die Analyse sämtlicher Vorgänge des menschlichen Gehirns, die bei der Verarbeitung visueller Reize stattfinden.357 Imagery bezeichnet die gedankliche Entstehung, Verarbeitung und Speicherung von inneren Bildern, also die Kodierung von Informationen im Gedächtnis in einer nicht-verbalen Form.358 Ein wichtiger Betrachtungsschwerpunkt der Imageryforschung ist die Frage nach den möglichen Unterschieden bei der Verarbeitung von verbalen und nonverbalen Reizen. Die Meinungen zu dieser Kernfrage divergieren in einem Spektrum von einer einheitlichen Verarbeitung unterschiedlicher Reize bis hin zu einer separaten Verarbeitung der aufgenommenen Reize.359 Die Tendenz in der aktuellen Forschung geht indes zur Verständigung auf ein Hybridmodell, das sowohl getrennte duale als auch gemeinsame Ver-
354
Vgl. Esch 2006, S. 128. Vgl. Esch 2006, S. 128. Vgl. Smith/Houston/Childers 1985, S. 13. 357 Vgl. Winder 2006, S. 17. 358 Vgl. Leven 1995, S. 928 ; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S: 351. 359 Vgl. Wippich 1984, S. 121ff. 355 356
74
Theoretische Bezugspunkte
arbeitungselemente aufweist.360 Besondere Berücksichtigung findet in diesen Ansätzen neben der Hemisphärenforschung361 die Theorie der dualen Kodierung von Paivio.362 In der Hemisphärenforschung konnte nachgewiesen werden, dass die Wahrnehmungen des linken Gesichtsfeldes mit der rechten Hemisphäre verarbeitet werden und umgekehrt.363 Diese funktionale Aufteilung der Aufgaben bei der Informationsverarbeitung zwischen den Gehirnhälften konnte empirisch in einigen Studien belegt werden.364 Da trotz einer getrennten und weitestgehend unabhängigen Verarbeitung der Reize ein ganzheitliches Bild im Kopf des Menschen entsteht, ist eine Verbindung beider Hemisphären vorhanden, die den Informationsaustausch zwischen rechter und linker Gehirnhälfte ermöglicht. Dieser Austausch (auch Cross Cuing genannt) stellt sicher, dass beiden Hemisphären dieselben Informationen zur Verfügung stehen.365
3.2.2.3 Duale Kodierungstheorie Die Erkenntnisse der Hemisphärenforschung basieren auf dem Kerngedanken der dualen Kodierungstheorie von Paivio, bei dem sowohl von der Existenz zweier unabhängiger Informationsverarbeitungssysteme als auch von einem kommunikativen Austausch beider Systeme ausgegangen wird.366 Dieser Ansatz unterscheidet deshalb zwischen nicht-verbalen, bildlichen und verbalen, symbolischen Prozessen, wobei die Verschlüsselung, Speicherung, Strukturierung und Abfrage von Stimulusinformationen in zwei unabhängigen, aber teilweise miteinander verbundenen Systemen stattfindet.367 Die duale Kodierungstheorie unterteilt die Informationsverarbeitungsprozesse entsprechend in ein verbales und nonverbales Verarbeitungszentrum.368 Im so genannten imagery system werden nonverbale Reize zu inneren, gedanklichen Bildern verarbeitet, wohingegen im verbal system sprachliche Reize verarbeitet werden.369
360
Vertreter dieses integrativen Ansatzes sind z.B. Kieras 1978 oder Denis 1982. Die Hemisphärenforschung unterstützt die Annahme, dass sich die beiden Großhirnhälften in ihrer Funktionalität sehr stark voneinander unterscheiden und ihnen unterschiedliche Aufgaben in der Informationsverarbeitung zukommen. LeDoux 1998 spricht dabei von der rechten Hemisphäre als „emotionales Gehirn“ (bildlichemotionale Reizverarbeitung) und von der linken Hemisphäre als „Wortgehirn“ (für die sprachlich-logische Reizverarbeitung). Vgl. dazu Izard 1981; Springer/Deutsch 1998. 362 Vgl. Paivio 1971; Paivio 1986; Paivio 1991. 363 Vgl. Springer/Deutsch 1998; Coleman/Zenhausern 1979, S. 357ff. 364 Vgl. Coleman/Zenhausern 1979; Springer/Deutsch 1998; LeDoux 1998. 365 Vgl. Springer/Deutsch 1998. 366 Vgl. Paivio 1991. 367 Vgl. Paivio/Csapo 1973, S. 177. 368 Vgl. Paivio 1971. 369 Vgl. Paivio/Csapo 1973, S. 177. 361
Theoretische Bezugspunkte
75
Die Doppelannahme der Unabhängigkeit und Vernetzung der beiden Kodierungssysteme ist für eine theoretische Diskussion der Aufnahme und Verarbeitung von Markeninformationen über das Internet von Bedeutung. Unabhängigkeit bedeutet, dass beide Systeme, je nach Eigenschaft der Reize und Umgebungskonditionen, einzeln aktiviert und genutzt werden können. Daraus lässt sich ein möglicher additiver Effekt auf die Erinnerungsleistung ableiten. Vernetzung der Systeme hingegen impliziert, dass ein Zeichen in das jeweils andere transformiert werden kann. Somit lassen sich Bilder mit Worten benennen und Worte zu Bildern transformieren.370 Diese Transformation hängt stark davon ab, wie konkret die dargestellten Informationen sind.371 So lassen sich z.B. stark abstrakte Worte (z.B. Freiheit) nur schwer, konkrete Worte (z.B. Pferd) hingegen leicht in Bilder umwandeln. Ebenso sind abstrakte Bilder (z.B. Kunstwerke) nur schwer, konkrete Bilder (z.B. Auto) hingegen leicht in Worte umzuwandeln.372 Je konkreter verbale und nonverbale Informationen sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer doppelten Kodierung (verbal und bildlich).373 Eine doppelte Kodierung führt zu einer verbesserten Gedächtnisleistung, weshalb die Einprägsamkeit von markenrelevanten Informationen oftmals bildlich unterstützt wird. In diesem Zusammenhang wird die enge Verknüpfung zwischen verbaler und bildlicher Kommunikation deutlich, die wiederum entscheidenden Einfluss auf den erfolgreichen Aufbau relevanter Markenbilder besitzt. Die Darstellungen zu den Theorien kognitiver Netzwerke verdeutlichen die Ähnlichkeit zu den Ausführungen zum Imagekonstrukt. Das Image kann in diesem Sinne als ein individuelles, markenbezogenes, kognitives Netzwerk betrachtet werden, da dieses ebenfalls bildliche als auch verbale Komponenten beinhaltet, durch neue Informationen veränderbar ist, am Anfang flexibel und formbar ist und im Laufe der Zeit an Stabilität gewinnt. Jede neue, markenbezogene Information wird diesem Netzwerk hinzugefügt und gespeichert. Da die Anordnung der Informationsbausteine und die Verknüpfungen zwischen diesen von subjektiver Natur sind und dazu in der Regel situationsspezifisch, können große inter- und intraindividuelle Unterschiede entstehen. Die daraus resultierende Komplexität lässt sich mit Hilfe der Theorien jedoch noch nicht ausreichend abbilden, wodurch das Imagekonstrukt auch operationalisierungstechnisch nicht mit angemessenem Aufwand zu bewältigen ist. Die Erkenntnisse der Theorien kognitiver Netzwerke sind folglich sehr aufschlussreich in Bezug auf die kognitiven Vorgänge bei der Informationsaufnahme und -verarbeitung, allerdings können ihnen keine Hinweise für die Modellierung eines integrativen E-Branding-Ansatzes entnommen werden.
370
Vgl. Paivio/Csapo 1973, S. 178. Vgl. Neumaier 2000, S. 255. Vgl. Ernest/Paivio 1971. Paivio/Csapo 1991, S. 77. 373 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 356. 371 372
76
Theoretische Bezugspunkte
Im folgenden Kapitel sollen aus diesem Grund die kognitiven Konsistenztheorien untersucht werden, um daraus mögliche Erkenntnisse für das Forschungsmodell ableiten zu können.
3.2.3
Kognitive Konsistenztheorien
Unter die kognitiven Konsistenztheorien fallen solche Theorien, die sich mit der Vermeidung von Inkonsistenzen bzw. Widersprüchen in kognitiven Strukturen (Überzeugungen, Einstellungen) befassen. Konsistenztheoretiker postulieren, dass inkonsistente Zustände aversive Spannungsverhältnisse auslösen und dazu motivieren, die beteiligten Kognitionen in ein konsistentes Verhältnis zu überführen.374 Zu solchen Theorien zählen beispielsweise die Balancetheorie von Heider375 , die kognitive Dissonanztheorie von Festinger376 oder die Kongruitätstheorie von Osgood/Tannenbaum.377 Konsistente Beziehungen: Stabile positive Beziehungen zur Marke Marke
+
+
Person
Marke
_
_
+
Attribut
+
Stabile negative Beziehungen zur Marke
Marke
_
Person
Attribut
Person
Marke
+ _
Attribut
_
Person
_
+
Attribut
Inkonsistente Beziehungen: Instabile positive Beziehungen zur Marke Marke
Person
+
Marke
Marke
_
+
Instabile negative Beziehungen zur Marke
+
Attribut
Person
_
Attribut
376
+
Attribut
_
Person
_
_
Attribut
Attribut
+ Die Person bevorzugt die Existenz des Attributs
- Die Person bevorzugt das Fehlen des Attributs
Person
Marke
+ Die Person präferiert eine bestimmte Marke
- Die Person lehnt eine bestimmte Marke ab
Marke
Attribut
+ Die Marke besitzt das Attribut
- Die Marke besitzt das Attribut nicht
Vgl. Stahlberg/Frey 1997b, S. 214. Vgl. Heider 1946. Vgl. Festinger 1978. 377 Vgl. Osgood/Tannenbaum 1955. 378 Vgl. Woodside/Chebat 2001, S. 478f. 375
Person
+
Person
Abbildung 10: Beziehungen der Konsistenztheorie378
374
_
+
Marke
Theoretische Bezugspunkte
77
Allen kognitiven Konsistenztheorien ist die Annahme gemeinsam, dass Personen konsistente Strukturen von Kognitionen als angenehm und inkonsistente als unangenehm empfinden. Dabei wird den inkonsistenten Strukturen ein motivationaler Charakter zugeschrieben, da Personen bemüht sind, diese Inkonsistenzen entweder durch ein bestimmtes Verhalten oder aber durch Änderung der zugrunde liegenden kognitiven Struktur zu beseitigen. In der Balancetheorie und der Kongruitätstheorie werden in der Regel Triaden von Stimuli betrachtet, zwischen denen positive, negative oder neutrale Beziehungen vorliegen. Beispiele für ausgewogene und unausgewogene Beziehungen bietet Abbildung 10.
3.2.3.1 Konsistenztheorie nach Heider Im Rahmen kognitiver Konsistenztheorien untersucht Heider kognitive Strukturen hinsichtlich einzelner kognitiver Elemente und deren Relation zueinander.379 Er charakterisiert die möglichen Zusammenhänge zwischen Kognitionen als evaluative Beziehungen (Wertrelationen, sentiment-relations) und als vereinigende Beziehungen (Einheitsrelationen, unitrelations), die jeweils wiederum positiv oder negativ ausgeprägt sein können.380 Eine positive Einheitsrelation liegt dann vor, wenn Kognitionen als ähnlich bzw. zusammengehörig interpretiert werden, also eine subjektive Einheit bilden. Eine positive Wertrelation hingegen ist gegeben, wenn die kognitiven Elemente gefühlsmäßig ähnlich bewertet werden.381 Ähnlich wie in Abbildung 10 stellt Heider die Beziehungen als zwei- bzw. dreielementige Struktur dar, bei der die Beziehungen zwischen den Elementen je nach Vorzeichen entweder balanciert sind oder nicht. Balancierte (konsistente) Strukturen entstehen, wenn zwei oder keine negative Relation zwischen den Elementen vorliegt. Hauptkritikpunkte dieser Theorie liegen darin, dass sie sich lediglich auf einfache kognitive Strukturen mit nur zwei oder drei kognitiven Elementen anwenden lässt und keinerlei Aussagen über Art und Änderung kognitiver Strukturen erlaubt. Dies wäre insbesondere vor dem Hintergrund der Verhaltensrelevanz balancierter und unbalancierter Strukturen bedeutsam, die jedoch ebenfalls aus der Theorie ausgeblendet wird. Des Weiteren unterscheidet sie lediglich zwischen positiven und negativen Relationen, vernachlässigt aber den Grad bzw. die Stärke der Beziehungen. Trotzdem hat die Balancetheorie von Heider die Entwicklung weiterer kognitiver Konsistenztheorien wie die von Festinger oder Osgood/Tannenbaum angestoßen.
379 380 381
Vgl. Heider 1958, S. 1ff. Vgl. Heider 1946, S. 107ff. Vgl. Herkner 2004, S. 252.
78
Theoretische Bezugspunkte
3.2.3.2 Konsistenztheorie nach Festinger Germäß Festingers Theorie können Kognitionen in relevanter oder irrelevanter Beziehung zueinander stehen.382 Relevante Beziehungen beruhen auf inhaltlich miteinander verbundenen Kognitionen, die wiederum konsonant oder dissonant sein können. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Beziehung zwischen zwei kognitiven Elementen laut Festinger aus Konsonanz (Übereinstimmung), Dissonanz (Abweichung) oder Irrelevanz (Beziehung bedeutungslos) besteht.383 Das Ausmaß der Dissonanz wird dabei von der Bedeutung der beteiligten Kognitionen und der Anzahl der dissonanten Kognitionsbeziehungen bestimmt. Ähnlich wie Heider geht Festinger davon aus, dass Dissonanzen Motivation erzeugen, um Konsonanz herzustellen. Dies kann entweder durch Addition konsonanter, Substraktion dissonanter oder Substitution von Kognitionen erreicht werden, wobei diejenigen Kognitionen gewählt werden, die den geringsten Änderungswiderstand besitzen.384 Damit nimmt Festiger nicht nur die Kritik an Heiders Theorie der fehlenden Aussagen über die Änderung kognitiver Strukturen auf, sondern er stellt auch die Beziehung zwischen kognitiven Prozessen und Verhalten her.385 Trotz der angesprochenen Verbessrungen im Vergleich zu Heider, hat Festingers Theorie hauptsächlich deswegen Kritik erfahren, da die genauen Rahmenbedingungen der Dissonanzentstehung nicht aufgegriffen werden. Zudem muss angemerkt werden, dass eine Präzisierung der Umstandsbedingungen nur durch deutliche Einschränkungen des Geltungsbereiches der Theorie stattfinden könnte.386 Insgesamt eignet sich Festingers Theorie daher nicht zur Erklärung der Einstellungsbildung.
3.2.3.3 Konsistenztheorie nach Osgood/Tannenbaum Die Kongruitätstheorie von Osgood/Tannenbaum387 ist eine der wenigen Theorien, die die Stärke der Beziehungen zwischen den kognitiven Elementen berücksichtigt. Kongruität besteht dieser Theorie zu Folge erst dann, wenn die kognitive Struktur nicht nur balanciert ist (positiv vs. negativ), sondern auch die Quantifizierung bzw. Gewichtung der Beziehung zwischen den Elementen identisch ist (mäßig positiv vs. extrem positiv). Daher bedient sich die Kongruitätstheorie einer wesentlich engeren Definition von Konsistenz als Heider.388 Eine
382
Vgl. Festinger 1957, S. 11f. Vgl. Festinger 1978, S. 15ff. Vgl. Wicklund/Brehm 1976, S. 98ff. 385 Vgl. Herkner 2004, S. 265. 386 Vgl. Stahlberg/Frey 1997a, S. 221f. 387 Vgl. Osgood/Tannenbaum 1955, S. 42ff. 388 Vgl. Stahlberg/Frey 1997b, S. 217. 383 384
Theoretische Bezugspunkte
79
Stärke der Kongruenztheorie ist die Möglichkeit, mit Hilfe des Polarisationsprinzips Aussagen darüber zu treffen, wie gestörte kognitive Systeme wieder kongruent gemacht werden können. In seiner einfachsten Form besagt die Theorie, dass Einstellungen umso schwieriger zu ändern sind, je extremer (also weiter weg von Null) sie entfernt liegen.389 Dabei ist das Ausmaß einer Bewertungsänderung umgekehrt proportional zum anfänglichen Polarisierungsgrad, was bedeutet, dass sich der Wert eines extrem bewerteten Elements weniger ändert, als der Wert eines schwach bewerteten Elements. Generelles Ziel dieser Theorie ist es, Aussagen über die Stärke möglicher Einstellungsänderungen durch Kommunikation zu treffen, die durch Inkongruenz ausgelöst werden.390 In der Konsumentenverhaltensforschung spielen die Konsistenztheorien nur noch eine untergeordnete Rolle, da sie in empirischen Studien bisher nicht überzeugend bestätigt werden konnten.391 Außerdem sehen sich diese Theorien starker Kritik ausgesetzt, da sie beispielsweise kaum Aussagen darüber treffen, wie Inkonsistenzen abgebaut werden. Es wird ihnen zudem vorgeworfen, dass sie nur kleine, ganz bestimmte Ausschnitte aus tatsächlich wesentlich komplexeren Systemen herausgreifen.392 Damit lassen sie viele weitere Einflussvariablen außer Acht, wie z.B. die Stetigkeit oder Situationsabhängigkeit der angesprochenen Spannungsvermeidung. Sie sind also kaum in der Lage, eine adäquate Beschreibung der Realität zu liefern. Hinzu kommt die Schwerpunktsetzung auf die Veränderung von bereits bestehenden Einstellungen, welche sich hinsichtlich des Erkenntnisinteresses der vorliegenden Arbeit jedoch nicht dazu eignet, Aufschluss über die Einstellungsbildung zu geben.
3.2.4
Multiattributive Ansätze
Die multiattributiven Ansätze der Einstellungsforschung befassen sich primär mit der Struktur des Einstellungskonstrukts. Sie schreiben der Einstellung verschiedene Komponenten zu, weshalb diese Einstellungsstrukturmodelle auch als Komponentenmodelle bezeichnet werden.393 Generell basiert die Auffassung von Einstellung aus Sicht der multiattributiven Ansätze ebenfalls auf der Überzeugung, dass sich die Einstellung zu einem Objekt aus dem Wissen über dessen Eigenschaften und der Bewertung dieser Eigenschaften ableiten lässt. Diese Denkschule erfasst Einstellung jedoch als ein komplexes Konstrukt, das aus zwei oder mehr
389
Vgl. Herkner 2004, S 261. Vgl. Tannenbaum 1968, S. 52. Vgl. Müller-Hagedorn 1986, S. 40ff.; Stahlberg/Frey 1997a, S. 219. 392 Vgl. z.B. Insko 1967, S. 138; Kiesler/Collins/Miller 1969, S. 232ff. 393 Vgl. Doll/Mentz 1992, S. 92. 390 391
80
Theoretische Bezugspunkte
Komponenten besteht.394 Krech/Crutchfield/Ballachey definieren Einstellungen beispielsweise als “enduring systems of positive or negative evaluations, emotional feelings, and pro or con action tendencies with respect to social objects.”395 Ähnlich sehen Rosenberg/Hovland Einstellungen als “predispositions to respond to some class of stimuli with certain classes of responses” 396 und bezeichnen die drei Reaktionstypen als kognitiv, affektiv und konativ. Die Dimensionalität des Einstellungskonstrukts steht dementsprechend im Mittelpunkt der Diskussion innerhalb der multiattributiven Ansätze, weshalb die multiattributiven Ansätze nach ein-, zwei- und dreidimensionalen Komponentenmodellen unterschieden werden.
3.2.4.1 Ein- und zweidimensionale Komponentenmodelle Einige Autoren fassen Einstellung als eindimensionales Konstrukt auf, bei dem die gefühlsmäßige Stellungnahme zu einem Objekt im Vordergrund steht.397 Die meisten Vertreter dieser eindimensionalen Einstellungsmodelle definieren Einstellung daher als affektive bzw. bewertende Reaktion auf Kognitionen.398 Eine der frühesten Definitionen von Thurstone setzt Einstellung mit Affekt für oder gegen ein psychologisches Objekt gleich.399 Die bewertende Reaktion steht aber weiterhin im Mittelpunkt dieser eindimensionalen Einstellungsmodelle, wie auch bei dem Einkomponentenansatz von Fishbein/Ajzen.400 Bei diesen Modellen werden Affekt, Kognition und Konation als weitestgehend separate Konzepte aufgefasst, was dazu führt, dass die Einkomponentenmodelle ihren Fokus auf lediglich einen dieser Komponenten legen, wie z.B. Fischbein401 auf die kognitive Komponente, Zajonc402 auf die affektive Komponente oder Bem403 auf die konative Komponente. Die Einkomponentenmodelle erlauben eine spezifischere theoretische Einbettung und wurden besonders wegen der besseren empirischen Überprüfbarkeit häufig verwendet.404 Der Erklärungsgehalt des Gesamtkonstrukts ist durch die Eindimensionalität allerdings beschränkt, wodurch auch vermehrt Zwei-Komponen-
394
Vgl. Bagozzi/Burnkrant 1979b, S. 295. Krech/Crutchfield/Ballachey 1962, S. 139. 396 Rosenberg/Hovland 1960, S. 3 397 Vgl. Bierhoff 1998, S. 239. 398 Vgl. Fishbein 1963; Rosenberg 1956. 399 Vgl. Thurstone 1931, S. 261. 400 Vgl. Fishbein/Ajzen 1975, S. 216ff. 401 Vgl. Fishbein 1963, S. 233ff. 402 Vgl. Zajonc 1980, S. 151ff. 403 Vgl. Bem 1972, S. 1ff. 404 Vgl. Doll/Mentz 1992, S. 92f. 395
Theoretische Bezugspunkte
81
tenmodelle Eingang in die theoretische Diskussion finden und damit die Entwicklung der multiattributiven Ansätze begründen.405 Sowohl Katz/Stotland als auch Rosenberg sind nämlich der Auffassung, dass Einstellungen sowohl affektive als auch kognitive Komponenten aufweisen, wobei die affektive Komponente die Bewertung des Einstellungsobjektes (positiv/negativ) vornimmt und die kognitive Komponente die instrumentellen Verbindungen des Objektes zu anderen Werthaltungen beinhaltet.406 Grundsätzlich nimmt Rosenberg an, dass Überzeugungen Urteile über die Eignung eines Objekts (perceived intsrumentality) im Hinblick darauf sind, ob sie wünschenswerte Zustände (values) herbeiführen oder das Entstehen nicht wünschenswerter Zustände verhindern können. Die Einstellung (attitude) ergibt sich diesem Modell zufolge aus den mit Bedeutung dieser Zustände (value importance) gewichteten Überzeugungen.407 Ähnlich versteht Fishbein Überzeugungen als subjektive Wahrscheinlichkeit, dass ein Objekt mit anderen Objekten (oder Merkmalen, Sachverhalten etc.) in Verbindung steht.408 Die Einstellung ergibt sich daraufhin aus den gewichteten Überzeugungen derjenigen Objekte, die mit dem Objekt assoziiert werden. Nach Fishbein können Überzeugungen aus eigener Erfahrung, aus Herleitung von Überzeugungen anderer Objekte gegenüber und aus Akzeptanz externer Informationen geformt werden. Das in Rosenbergs Modell zum Ausdruck kommende Prinzip der Means-end Analyse besagt letztendlich, dass eine Einstellung von der subjektiv wahrgenommenen Eignung eines Objekts zur Befriedigung eines Bedürfnisses bestimmt wird. Einstellungen gegenüber der E-Brand reflektieren nach diesem Konzept die Instrumentalität der Marke Bedürfnisse zu befriedigen bzw. die Eignung der Marke, die Motive des Konsumenten zu erfüllen und den gewünschten Zustand herzustellen.409 Bestrebungen nach wünschenswerten Zuständen werden durch Veränderungen der affektiven oder kognitiven Komponente herbeigeführt, was dieser Theorie nach eine Änderung der jeweils anderen Komponente impliziert. Auch Bagozzi/Burnkrant sind in ihrem Zwei-Komponentenmodell davon überzeugt, dass Einstellungen aus den Einstellungskomponenten Affekt und Kognition bestehen, die beide gleichzeitig für die Verhaltensprädisposition verantwortlich sind, auch wenn sie unter Umständen unterschiedlich stark Einfluss nehmen.410 Sie sehen die Verhaltensintention als verbundene aber nicht notwendigerweise konstituierende Komponente der Einstellung und wei-
405
Zur Diskussion dieser Modelle vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 201; Bagozzi/Burnkrant 1979b, S. 295ff.; Andritzky 1976, S. 223ff. Vgl. Katz/Stotland 1959, S. 429; Rosenberg 1956, S. 367ff. 407 Vgl. Rosenberg 1956, S. 367ff. 408 Vgl. Fishbein 1963, S. 233ff. 409 Vgl. Balderjahn 1995, S. 551. 410 Vgl. Bagozzi/Burnkrant 1979b, S. 295. 406
82
Theoretische Bezugspunkte
sen darauf hin, dass in vielen multiattributiven Modellen die Verhaltenskomponente als abhängige Variable behandelt wird und damit nicht zum Einstellungskonstrukt hinzugezählt werden kann.411 Auch Stroebe begreift in seinem Zwei-Komponenten-Ansatz Einstellungen als Gefühle oder Meinungen (Wissen), die zu der Bereitschaft einer positiven oder negativen Bewertung führen.412 Die Unterscheidung zwischen affektiver und kognitiver Komponente wurde bereits in mehreren empirischen Studien aufgegriffen und nachgewiesen. In diesen Studien konnte beispielsweise belegt werden, dass die Korrelation innerhalb der Komponenten höher ist als zwischen den Komponenten413, dass beide Komponenten zur Vorhersage eines Globalmaßes der Einstellung beitragen414, dass man zwischen affektbasierten und kognitionsbasierten Einstellungen unterscheiden kann415 und dass die Komponenten unterschiedliche Beziehungen zu anderen Variablen wie z.B. Erfahrung416 oder Verhaltensintention417 aufweisen. Die den Zwei-Komponentenmodellen zugrunde liegende Means-end Konzeption definiert Einstellung also als Zusammenspiel von kognitiven und affektiven Prozessen, wobei die Verhaltensintention als Ergebnis und daher abhängige Größe betrachtet werden muss. 418 Die dadurch postulierte verhaltensantreibende und –steuernde Wirkung der Einstellung wird in der sog. E-V-Hypothese (Einstellungs-Verhaltens-Hypothese)419 formuliert, die wiederum in der wissenschaftlichen Diskussion ausschlaggebend für die Konzeption dreidimensionaler Komponentenmodelle der Einstellung war.
3.2.4.2 Dreidimensionale Komponentenmodelle Zu den bekanntesten Ansätzen, die die Einstellung als mehrdimensionales Konstrukt erkennen, zählt insbesondere die Drei-Komponenten-Theorie,420 die im Wesentlichen auf die Arbeit von Rosenberg/Hovland421 zurückzuführen ist. In dieser Theorie wird Einstellung als bewertender Zustand verstanden, der den Zusammenhang zwischen Reizen und beobachtba-
411
Vgl. z.B. Tittle/Hill 1967, S. 199ff.; Warner/DeFleur 1969, S. 153ff. Vgl. Stroebe 1980. 413 Vgl. Ostrom 1969. 414 Vgl. Breckler 1984; Breckler/Wiggins 1989; Crites/Fabrigar/Petty 1994; Eagly/Mladinic/Otto 1994; Haddock/Zanna/Esses 1993. 415 Vgl. Edwards 1990; Edwards/von Hippel 1995; Millar/Millar 1990. 416 Vgl. Breckler/Wiggins 1989; Verplanken/Meijnders/van de Wege 1994. 417 Vgl. Millar/Tesser 1986. 418 Vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, S. 66. 419 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 170. 420 Vgl. Katz/Stotland 1959; Rosenberg/Hovland 1960 (tripartite theory). 421 Vgl. Rosenberg/Hovland 1960, S. 1ff. 412
Theoretische Bezugspunkte
83
ren Reaktionen systematisiert.422 Die kognitive Reaktionskomponente beinhaltet dabei Kognitionen gegenüber dem Einstellungsobjekt im Sinne von Vorstellungen, Erwartungen und Bewertungen. Die affektive Reaktionskomponente beinhaltet objektgerichtete Emotionen und Gefühle. Beide Komponenten gelten dann als gemeinsamer Indikator für die verhaltensbezogene Reaktionskomponente, die objektgerichtete Verhaltenstendenzen oder tatsächliches Verhalten beschreibt.423 Ähnlich sieht McGuire in der Einstellung eine relativ beständige Bereitschaft, auf ein Objekt affektiv, kognitiv oder konativ zu reagieren.424 Auch hier kann die Einstellung als wertende Haltung einer Person eine emotionale, eine kognitive und/oder konative Disposition aufweisen.425 Nach Robinson/Huefner/Hunt können der emotionalen Disposition Gefühle und Emotionen, der kognitiven Disposition Vorstellungen und Wissen gegenüber dem zu bewertenden Objekt zugeschrieben werden. Die konative Disposition hingegen ist dann als Verhaltenstendenz bzw. -intention aufzufassen.426 Ursprünglich wurden die drei Komponenten als Bestandteile (Anatomie) der Einstellung427 bzw. als mögliche Reaktionen auf einen Stimulus 428 verstanden. In späteren Arbeiten wurde diese Sichtweise der Drei-Komponenten-Theorie jedoch teilweise modifiziert, da die Einstellung vielmehr als Entität gesehen wurde, die sich anhand von Affekt, Kognition und Verhalten unterscheiden lässt.429 So gesehen besteht die Einstellung nicht aus diesen drei Elementen sondern ist stattdessen bewertende Zusammenfassung der Informationen, die von diesen Komponenten ausgehen.430 Ein formales Drei-Komponenten-Modell würde nach Eagly/Chaiken ohnehin nicht in der Lage sein, Einstellungen abzubilden, was jedoch nicht bedeutet, dass die Dreiteilung nicht als konzeptioneller Rahmen für die Untersuchung der drei Reaktionsarten sinnvoll eingesetzt werden kann.431 Obwohl aus diesem Grund bereits sehr früh Einigkeit über die Dreiteilung des Einstellungskonzeptes in Affekt, Kognition und Konation herrschte,432 dauert die grundlegende Kontro-
422
Vgl. Eagly/Chaiken 1993, S. 14ff. Die Komponenten der Einstellung werden auch als Affekt, Kognition und Konation bezeichnet, vgl. Koschnik 1995, S. 180. 424 Vgl. McGuire 1976, S. 302ff. 425 Vgl. Day 1972, S. 279. 426 Vgl. Robinson/Huefner/Hunt 1991, S. 44. 427 Vgl. Smith 1947, S. 508. 428 Vgl .Rosenberg/Hovland 1960. S. 1ff. 429 Vgl. Cacioppo/Petty/Geen 1989, S. 292ff.; Zanna/Rempel 1988, S. 319. 430 Vgl. Crites/Fabrigar/Petty 1994, S. 619ff. 431 Vgl. Eagly/Chaiken 1993, S. 14. 432 Vgl. Bagozzi et al. 1979, S. 88ff. 423
84
Theoretische Bezugspunkte
verse über die richtige Darstellung der Struktur der Einstellungskomponenten bis heute an. Sie begann bereits in den frühen 70er Jahren433 und wurde insbesondere von der von Holbrook angeregten Diskussion um die multiattributive Repräsentation der Einstellungsstruktur stark geprägt.434 Es geht darin hauptsächlich um die Frage, in welcher Relation die einzelnen Komponenten der Einstellung zu einander stehen und welche Verhaltensrelevanz sie aufweisen. Insgesamt existieren sehr verschiedene Interpretationen der Drei-Komponenten-Theorie, die sich in ihren Annahmen über die Kausalstruktur der Komponenten unterscheiden (vgl. Abbildung 11).435 Der explanative bzw. strukturale Ansatz der Einstellungsforschung beschäftigt sich dabei mit der Beziehung zwischen den Komponenten, wohingegen der prädikative Ansatz die Beziehung zwischen den Komponenten und dem beobachtbaren Verhalten untersucht.436
Kognitive Komponente Affektive Komponente
Umweltreize
Verhalten
Intentionale Komponente
Kognitive Komponente
Intentionale Komponente
Umweltreize
Verhalten
Affektive Komponente
Abbildung 11: Zwei Varianten des Drei-Komponenten-Modells der Einstellung437
Diese primär in der Sozialpsychologie angesiedelte Diskussion um die multiattributiven Einstellungsmodelle ist bis heute nicht abgeschlossen. Die stattfindende Anreicherung der diesen Modellen inhärenten Auffassung von Einstellung durch die Erweiterung der Einstellungsdiskussion auf die Bereiche der Marktforschung, der Präferenzforschung sowie der Urteils- und Entscheidungsforschung machen das Einstellungskonstrukt zu einem immer differenzierter zu 433
Vgl. Day 1972, S. 279ff. Vgl. Holbrook/Hulbert 1975, S. 375ff; Holbrook 1976; Holbrook 1977, S. 165ff. Vgl. Bagozzi/Burnkrant 1979a; Trommsdorff 2004, S. 164. 436 Vgl. Day 1972, S. 279. 437 Vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, S. 65. 434 435
Theoretische Bezugspunkte
85
betrachteten Gebilde. Die Vielfalt der bestehenden Modelle438 und die daraus wachsende Komplexität kausalanalytischer Aspekte soll in der vorliegenden Arbeit durch die Beschränkung auf die bereits vorgestellten Erkenntnisse der Sozialpsychologie auf ein vertretbares Maß begrenzt werden.
3.2.5
Kritische Würdigung
In den multiattributiven Theorien wird Einstellung einerseits als bewertender Zustand verstanden, der den Zusammenhang zwischen Reizen und beobachtbaren Reaktionen systematisiert.439 Gleichzeitig wird auf der anderen Seite postuliert, dass sich die Struktur von Einstellungen in drei unterschiedlichen, aber miteinander verbundenen Reaktionsarten gegenüber spezifischen Einstellungsobjekten manifestiert. Insgesamt lassen sich viele der bestehenden Einstellungsdefinitionen in dieses Spannungsfeld aus einer rein äußerlich feststellbaren Verhaltenskonsistenz und einem latenten, psychischen Prozess einordnen.440 Die Problematik, mit der die meisten dieser Definitionen behaftet sind, ist die unklare Stellungnahme, ob mit der Einstellung ein Zustand beschrieben wird oder ihr durch die Integration der Reaktionstypen ein prozessualer Charakter zugestanden werden muss. Die Ausführungen zu den Einstellungstheorien haben gezeigt, dass Einstellung als psychischer Bewertungsprozess der wahrgenommenen Reize aufgefasst werden muss, der zu einer beobachtbaren und in der Regel einstellungskonsistenten Reaktion führt. Ein weiterer Kritikpunkt an allen multiattributiven Ansätzen ist die Nichtberücksichtigung externer bzw. situativer Einflussgrößen, die eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess von Einstellung spielen.441 Die Berücksichtigung solcher Größen würde dazu beitragen, die notwendigen Voraussetzungen, unter denen das Resultat des Bewertungsprozesses tatsächlich in einem einstellungskonsistenten Verhalten mündet, besser zu verstehen.442 Zudem wird bei den Modellen das resultierende Verhalten als singulärer Akt verstanden; Verhaltensprozesse, die
438
Multiattributive Modelle aus angrenzenden Forschungsbereichen sind z.B. das Vektormodell der Präferenzen von Ahtola 1975, das adequacy importance model von Mazis/Ahtola/Klippel 1975, das information integration model von Anderson 1971 oder das Kriteriumsunabhängige Wahlmodell von Albert/Aschenbrenner/Schmalhofer 1989. 439 Vgl. Eagly/Chaiken 1993, S. 14f. 440 Vgl. Bonfadelli 2004, S. 96. 441 Vgl. Balderjahn 1993, S. 78. 442 Die Diskussion um die generelle Annahme der Kausalität zwischen Einstellung und Verhalten wird im Rahmen der sog. Einstellungs-Verhaltens-Hypothese (E-V-Hypothese) geführt, vgl. dazu Ajzen/Fishbein 1977, S. 888ff.; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 171f.
86
Theoretische Bezugspunkte
sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, werden darin aber nicht erfasst, weshalb z.B. Gewohnheiten mit diesen Modellen nicht erklärt werden können.443 Des Weiteren wird das Einstellungsobjekt isoliert und unabhängig von anderen Alternativen bewertet ohne mögliche Austauschbeziehungen zu berücksichtigen, die sich zwischen unterschiedlichen Eistellungen ergeben können. Außerdem ist es möglich, dass verschiedene Einstellungen zu demselben Objekt koexistieren und sich hinsichtlich ihrer Evaluationsstärke differenzieren.444 All diese Aspekte bleiben jedoch weitestgehend unberücksichtigt und können aufgrund ihrer Komplexität in dieser Arbeit nicht aufgegriffen werden. Zusätzlich dazu unterscheiden sich viele der multiattributiven Modelle in ihrer Auffassung bezüglich der richtigen Anordnung der Komponenten innerhalb der Einstellungsstruktur. Die verschiedenen Versuche, die multidimensionale Behandlung des Einstellungskonstrukts empirisch zu unterstützen, führen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Woodmansee/Cook445 konnten in ihrer Studie die drei Komponenten nicht nachweisen. Ostrom und Kothandapani hingegen behaupten, dass ihre Studien die drei Komponenten widerspiegeln, allerdings konnte dies in Bagozzis Überprüfung der Ergebnisse nur für Ostroms Studie bestätigt werden.446 In einer weiterführenden Studie zur empirischen Überprüfung der Dimensionalität des Einstellungskonstrukts vergleichen Bagozzi/Burnkrant447 eindimensionale und mehrdimensionale Modelle miteinander. Im Ergebnis dieser Studie steht die Feststellung, dass zweidimensionale Modelle unter den gegebenen Bedingungen den ein- und mehrdimensionalen Modellen überlegen sind. Generell wird die Auffassung der konzeptionellen Dreiteilung des Einstellungskonstrukts jedoch durch zahlreiche theoretische und empirische Arbeiten gestützt; allerdings kann sie bisher nicht eindeutig empirisch belegt werden.448 Trotz dieser immer noch fehlenden empirischen Validierung und der andauernden Kritik soll die Drei-Komponenten-Theorie der Einstellungsforschung in dieser Arbeit zumindest als „heuristisches Orientierungsschema“449
443
Vgl. Oulette/Wood 1998, S. 54ff.; Gollwitzer 1999. Vgl. Wilson/Lindsey/Schooler 2000, S. 101ff. Vgl. Woodmansee/Cook 1967, S. 240ff. 446 Vgl. Ostrom 1969, S. 12ff.; Kothandapani 1971, S. 321ff.; Bagozzi 1978, S. 9ff. 447 Vgl. Bagozzi/Burnkrant 1979b, S. 295ff. 448 Vgl. Allport 1935; Katz/Stotland 1959; Rosenberg/Hovland 1960, Ostrom 1969; Kothandapani 1971, Breckler 1983; Carlson 1985; Chaiken/Stangor 1987; Shaver 1987. 449 Krober-Riel/Weinberg 2003, S. 197. 444 445
Theoretische Bezugspunkte
87
dienen.450 Die Auseinandersetzung mit der Einstellungsstruktur ist empirisch also nicht abschließend zu klären, sondern bleibt eine untersuchungsspezifische Definitionsfrage.451 Auch wenn sich die heutige Einstellungsforschung immer noch um die Komponentenstruktur der Einstellung und die Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten dreht, geht es weniger um die Frage, ob Einstellungen tatsächlich das Verhalten bestimmen, sondern vielmehr darum, wann Einstellungen das Verhalten bestimmen.452 Diese Frage ist besonders im Zusammenhang mit Kaufentscheidungsprozessen von Konsumenten interessant, da hier weniger der erklärende Wert sondern vielmehr der prognostische Wert des Einstellungskonstrukts bedeutsam ist. Wildt/Bruno/Ginter sehen daher die multiattributiven Modelle als potentiell aussagekräftiger, da sie mehr der relevanten Charakteristika berücksichtigen und daher besser mit den Komponenten des Kaufentscheidungsprozesses verknüpft werden können.453 Dies führt zu der Annahme, dass die multiattributiven Modelle durchaus in der Lage sind, eine geeignete Darstellung der Einstellungsbildung für die vorliegende Arbeit zu liefern. Sie werden deshalb als theoretisches Fundament in die weitere Untersuchung aufgenommen. Wird Einstellung also im Folgenden als mehrdimensionales Konstrukt aufgefasst, so muss ihr generell eine handlungsmotivierende Funktion zugesprochen werden.454 Die Vertreter multidimensionaler Ansätze unterstützen die sog. Einstellungs-Verhaltens-Hypothese, da sie davon ausgehen, dass die Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten umso stärker ist, je konsistenter die Komponenten sind.455 In diesem Sinne gilt die Einstellung als Einflussfaktor von Aktivitäten des Reizrezipienten, die – neben zahlreicher anderer Wirkungsphänomene – insbesondere die Informationsverarbeitung sowie die ihr vor- und nachgelagerten kognitiven Prozesse betrifft.456 Six sieht beispielsweise die ausgelösten interpretierenden Schlussfolgerungen und Urteilsbildungen, die u.a. durch den Abgleich mit vorliegenden Erwartungen und der Hinzufügung von Assoziationen und Attributionen entstehen als beeinflusste Aktivität. Zu solchen Aktivitäten zählt sie ebenfalls die Hinwendung/Zuwendung zu den angebotenen Stimuli, die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit bei der Stimulirezeption sowie die Einordnung, Deutung und Bewertung der rezipierten Stimuli anhand der Aktivierung bestehender kognitiver Schemata.457 Vor diesem Hintergrund sollen im folgenden Kapitel die Prozesse der Informationswahrnehmung und Informationsverarbeitung insofern untersucht werden, als dass sie 450
Vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, S. 66. Vgl. Witte 1992, S. 56. Vgl. Cialdini/Petty/Cacioppo 1981, S. 366. 453 Vgl. Wildt/Bruno/Ginter 1981, S. 61. 454 Vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, S. 65. 455 Vgl. Ajzen/Fishbein 1977, S. 888ff.; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 171f. 456 Vgl. Six 2007, S. 98f. 457 Vgl. Six 2007, S. 98f. 451 452
88
Theoretische Bezugspunkte
mögliche Aussagen über die Wirkungszusammenhänge zwischen der Wahrnehmung markenspezifischer Stimuli und den möglichen Konsequenzen für die Urteilsbildung zulassen.
3.3
Theorien der Kommunikationsforschung
Wie bereits im vorangegangen Kapitel angedeutet, wird mit Hilfe der Einstellung die Komplexität von Wahrnehmungs- und Bewertungsprozessen reduziert.458 Soll die Einstellung als Instrument der Komplexitätsbewältigung bei der Bewertung eines Einstellungsobjektes (z.B. die Marke) genutzt werden, so muss diese zuerst aus dem Gedächtnis aktiviert und abgerufen werden.459 Zugänglichkeit von Einstellungen sowie die Allokation von Aufmerksamkeit und die resultierende selektive Wahrnehmung von Informationen spielen bei der Einstellungsbildung gegenüber E-Brands eine bedeutende Rolle und werden im folgenden Kapitel erläutert.
3.3.1
Informationswahrnehmung von Webinhalten
Die Erforschung des Markenaufbaus im Internet setzt voraus, dass die Prozesse, die bei der Interaktion zwischen Kunde und E-Brand stattfinden, genauer untersucht werden. Insbesondere die Gründe der Zuwendung zu bestimmten Inhalten ist für die Beantwortung der Forschungsfrage interessant, da Erkenntnisse über die zugrunde liegenden Vorgänge dazu genutzt werden können, die Informationsaufnahme der Rezipienten gezielt und positiv für den Aufbau der E-Brand zu beeinflussen. Beim Markenaufbau wird durch die Sendung markenspezifischer Signale versucht, in den Köpfen der potentiellen Kunden ein gezieltes Bild bzw. eine besonders positive Einstellung der Marke gegenüber zu schaffen. Allerdings können nur diejenigen Signale aufgenommen und verarbeitet werden, denen die Kunden ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit entgegenbringen.460 Maßgeblich für den erfolgreichen Markenaufbau ist daher die Erzielung von Aufmerksamkeit innerhalb der Identitätsübertragung, also der Sendung identitätsstiftender Signale, die als Grundlage einstellungsbildender Prozesse dienen. Die zunehmende Wettbewerbsintensität ist Anlass für einen wachsenden Kampf um die begehrte Aufmerksamkeit des Internetnutzers, der durch die aktive Kontrolle und Auswahl der Informationen, mit denen er sich auseinandersetzen will, bereits selbst die Zuwendung von Aufmerksamkeit entscheidend beeinflusst. Sobald sich der Nutzer auf der Markenwebseite 458 459 460
Vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, S. 64. Vgl. Bierhoff 1998, S. 240. Vgl. Große Holtforth 2001, S. 128.
Theoretische Bezugspunkte
89
befindet, wird die Aufmerksamkeit zu einem zentralen, aber schwer kalkulierbaren Aspekt des Markenaufbaus, der lediglich durch zielführende Lenkung und Orientierung der Nutzer auf der Webseite beeinflussbar ist. Die Wahrnehmung spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, da sie der Orientierung des Individuums in seiner physikalischen und sozialen Umwelt dient.461
3.3.1.1 Medienspezifische Allokation von Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit ist die intensive, gerichtete Wahrnehmung. Sie hat die Aufgabe, die Empfangsbereitschaft des Organismus für subjektiv wichtige Reize herzustellen. Durch diese selektive Funktion ist die Allokation von Aufmerksamkeit ein wichtiger Faktor innerhalb der Selektions- und Rezeptionsprozesse der menschlichen Wahrnehmung.462 Jedes Individuum kann nur auf eine beschränkte Kapazität zur Aufnahme und Verarbeitung von Umweltreizen zurückgreifen,463 was dazu führt, dass Aufmerksamkeit gezielt nur denjenigen Reizen zugeteilt wird, die für die stattfindende Informationsverarbeitung relevant erscheinen.464 Die Grundannahme, die hinter solchen Überlegungen steht, ist die hinreichende Medienkompetenz des Rezipienten, die den Umgang mit hohen Informationsmengen wie sie im Internet vorzufinden sind, beeinflusst. Medienkompetenz umfasst dabei nicht nur die Fähigkeit Strukturen, Formen und Wirkungen des Internets zu durchschauen (Wahrnehmungskompetenz), sondern auch die Fähigkeit, das Internet zielgerichtet und angemessen mit der nötigen kritischen Reflexivität zu gebrauchen (Nutzungskompetenz) und entsprechend der eigenen Interessen und Bedürfnisse aktiv zu gestalten (Handlungskompetenz).465 Weiß der Rezipient mit dem Medium Internet umzugehen, so ist er in der Lage, Aufmerksamkeit und Selektion auf diejenigen Inhalte zu lenken, die ein gewisses Maß an Relevanz für die vorliegende Nutzungsepisode aufweisen, um damit den kognitiven Aufwand der Informationsverarbeitung zu minimieren. Aufmerksamkeit dient aber nicht nur der Fokussierung der Wahrnehmung auf relevante Reize und der Ignorierung irrelevanter Reize (Selektion), sondern auch der mentalen Ressourcenverteilung, die zur Wahrnehmung und Verarbeitung notwendig ist.466 Aufmerksamkeit wird darum auch als mentale Energie aufgefasst, die ein Individuum zur Wahrnehmung und Verar461
Vgl. Fischer/Wiswede 2002, S. 165. Vgl. Beck 2006, S. 69. Vgl. dazu das Limited-Capacity-Model von Lang 2000. 464 In diesem Zusammenhang wird die Rolle der Aufmerksamkeit auch als „Gatekeeper“ bzw. Filter verstanden. Vgl. z.B. White 1950, S. 383ff. 465 Vgl. Schorb 1997, S. 236f. 466 Vgl. Manstead/Hewstone 1996, S. 33; vgl. auch Kapitel 3.3.1.3. 462 463
90
Theoretische Bezugspunkte
beitung bestimmter Umweltreize einsetzt.467 Damit ist vor allem die Leistungsfähigkeit und bereitschaft gemeint, die das Individuum zum Zeitpunkt der Informationsaufnahme aufweist.468 Der Grad der Zielorientierung bei dieser generellen Aufmerksamkeit ist von der dahinter liegenden Motivation abhängig, die in der Literatur oftmals mit dem noch später vorzustellenden Involvement-Konzept begründet wird.469 Der Aufmerksamkeit wird damit zwar eine Schlüsselrolle bei der Selektion und Perzeption von Informationen zugewiesen, allerdings existiert bisher keine hinreichend exakte Definition des Begriffs, die diese Rolle spezifiziert. Unklar bleibt zudem, ob Aufmerksamkeit Voraussetzung oder Folge von Selektion ist.470 Einerseits kann nur das selektiert werden, was vorher zumindest oberflächlich wahrgenommen wurde und damit ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit erfahren hat, andererseits kann gesteigerte Aufmerksamkeit als Folge von zielgerichteter Selektion und Rezeption aufgefasst werden. Wirth versteht Aufmerksamkeit als Aspekt der Handlungsvorbereitung (Selektion) und schlussfolgert, dass Aufmerksamkeitsprozesse zwangsläufig zu einer Selektion einiger bzw. Nichtselektion anderer Stimuli führt.471 Andererseits können sich die im Zuge der Wahrnehmung stattfindenden Identifikationsprozesse auf die Aufmerksamkeit auswirken und diese beeinflussen.472 Vor dem Hintergrund dieser Problematik erscheint es sinnvoll, zwischen kontrollierter und unkontrollierter Aufmerksamkeit zu unterscheiden.473 Willkürliche Aufmerksamkeit ist die intentionale, aktive Zuwendung zu Inhalten, die vom Individuum selbst kontrolliert wird. Sie ist zumeist motivationsgesteuert, da die Informationsaufnahme durch Vorwissen und Erwartungen gelenkt wird und dient der Reduzierung der Reizfülle bzw. der Erstellung von Präferenzordnungen. Durch die notwendige Ressourcen-Allokation wird diese Art der Aufmerksamkeit auch als „von innen gesteuerte Handlung“474 verstanden. Unwillkürliche Aufmerksamkeit wird durch Umweltreize ausgelöst und verläuft unkontrolliert, aber bewusst ab. Diese von außen gesteuerte Aufmerksamkeitsfokussierung475 wird dabei z.B. durch Reize ausgelöst, die vorhandene, latente Selektionsdispositionen wie individuelle Schemata ansprechen.476
467
Vgl. Schweiger 2007, S. 198. Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 60. 469 Vgl. Kapitel 3.3.1.3 470 Vgl. Beck 2006, S. 69. 471 Vgl. Wirth 2001, S. 73ff. 472 Vgl. Theis-Berglmair 2001, S. 59. 473 Vgl. Wirth 2001, S.73f. 474 Theis-Berglmair 2001, S. 73. 475 Vgl. Theis-Berglmair 2001, S. 74. 476 Vgl. Schweiger 2007, S. 138. 468
Theoretische Bezugspunkte
91
Damit stellt sich die Frage, wie die von der E-Brand gesendeten und medial vermittelten Reize Aufmerksamkeit bei den Besuchern der Webseite hervorrufen und damit Einfluss auf die Selektion bzw. Perzeption der Inhalte nehmen kann.477 Während beim Fernsehen die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Nutzers nicht beeinflussbar ist, erlaubt das Internet umfangreiche Kontrollmöglichkeiten.478 Dazu stehen den markenaufbauenden Unternehmen auf der Gestaltungsebene verschiedene webspezifische Mittel zur Verfügung, die zielgerichtet zum Einsatz gebracht werden müssen. Präsentationsmerkmale wie beispielsweise Text- und Seitenlänge, Linkgestaltung, Farbnutzung, Logoeinbindung, Navigationspfade, Multimediaeinbindung etc. haben einen starken Einfluss darauf, wie die Webseite und damit ein wichtiger Teil der Identität der E-Brand wahrgenommen wird und wie intensiv sich der Besucher mit den Angeboten auf der Seite auseinandersetzt. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Informationsqualität (Umfang, Tiefe, Übersichtlichkeit) eine wesentliche Bedeutung zu. Zusätzlich zu dieser reizgesteuerten Aufmerksamkeitslenkung ist die Allokation von Aufmerksamkeit davon abhängig, mit welchem Motiv die Seite besucht wird. Die willkürliche Aufmerksamkeitszuteilung sieht bei einer konkreten Suche nach Produkten/Informationen anders aus, als bei einem einfachen, ungerichteten Browsing. Festzuhalten ist jedoch die Tatsache, dass beide Allokationsformen nicht unabhängig voneinander stattfinden, da der interaktive Charakter des Webs und die damit zusammenhängenden Navigationsentscheidungen den Selektions- und Perzeptionsprozess immer wieder von Neuem bestimmen. Die Allokation von Aufmerksamkeit im Web steht daher im Vergleich zu anderen Medien in einem wesentlich engeren Zusammenhang mit der Handlungsaktivierung des Besuchers. Allerdings ist bisher noch völlig offen, wie sich die Aufmerksamkeitsprozesse im Internet durch das Vorhandensein von multimedialen Elementen und den veränderten Rahmenbedingungen auf die Verarbeitungsleistung auswirken.479
3.3.1.2 Selektive Wahrnehmung in der Aufnahme webbasierter Inhalte „Aus psychologischer Perspektive sind Medien Umweltreize, mit denen ein Individuum agiert.“480 Die Flut von Umweltreizen in der heutigen Medienwelt zwingt jedes Individuum dazu, Informationen nur gezielt wahrzunehmen.481 Bei jedem Wahrnehmungsvorgang (Informationsverarbeitung) finden daher sog. Selektionsprozesse statt, die entweder durch die Aus-
477
Vgl. Beck 2006, S. 70. Vgl. Wirth/Schweiger 1999, S. 59. Vgl. Wirth 2001, S. 85f. 480 Schweiger 2007, S. 137. 481 Vgl. Kapitel 3.3.1.1 zur Allokation von Aufmerksamkeit. 478 479
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Theoretische Bezugspunkte
prägung eines externen Reizes oder durch interne Annahmen oder Motive gesteuert werden. Selektionsprozesse werden benötigt, um Angebote und Inhalte im Internet auf ihren erwarteten Nutzen hin zu evaluieren. Bei der Wahrnehmung von Marken im Internet kommen innerhalb dieser Selektionsprozesse spezielle kognitive und motivationale Aspekte zum Tragen. Bevor aber eine Selektion stattfinden kann muss der Rezipient den dargestellten Informationen ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit schenken. Aufmerksamkeit, die Besucher den dargestellten Informationen auf der Webseite zuteil kommen lassen, wird damit zu einem knappen Gut,482 mit dem das markenaufbauende Unternehmen vorsichtig umgehen muss. Aufmerksamkeit durch das Überwinden von Selektionsprozessen zu vermehren ist infolgedessen eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die durch die Markenidentität ausgesendeten Reize überhaupt wahrgenommen werden. Die Rolle von Aufmerksamkeit und Selektionsprozessen im Umgang mit dem Internet wird deutlich, wenn man sich bereits einfache Vorgänge anschaut, die für die Nutzung des Internets notwendig sind. Hier ist das Navigationsverhalten von Usern in E-Shops ebenso zu nennen, wie die Informationsauswahl bei Anfragen in Suchmaschinen oder das einfache Browsing. Das Internet wird in der Fachliteratur auch als Extremfall der Aufmerksamkeitsthematik bezeichnet, da in keinem anderen Medienbereich der Gegensatz zwischen Informationsüberangebot und der Knappheit seiner Nutzung so groß ist wie dort. Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsprozesse werden so zur zentralen Voraussetzung jedweder Kommunikation im Internet.483 Notwendige Selektionsentscheidungen im Internet basieren auf einer Bewertung verschiedener Selektionsoptionen hinsichtlich ihres Potenzials, zu einem vom Motiv anhängigen zufriedenstellenden Ergebnis zu führen. Diese kognitive Evaluation kann allerdings erst durch die Rezeption der gewählten Reize stattfinden. Das zugrunde liegende Wechselspiel von Reizselektion und Reizaufnahme kann entweder im Rahmen einer zielgerichteten Informationssuche oder in Gestalt des Browsing erfolgen.484 Im Falle einer gerichteten – also gezielten – Informationssuche wird das Informationsangebot auf der Webseite bezüglich der Informationsqualität bewertet, die sich in Tiefe und Breite der bereitgestellten Informationen und damit den Nutzungsmöglichkeiten hierarchischer Links widerspiegelt. Bei einer ungerichteten Informationssuche (Browsing) hingegen werden in der Regel eher die Nutzungsmöglichkeiten refe-
482 483 484
Vgl. Franck 1998, S. 10. Vgl. Theis-Berglmair 2001, S. 58; Große Holtforth 2001, S. 123f. Vgl. Schweiger 2001, S. 62.
Theoretische Bezugspunkte
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rentieller Links und damit der Verweis auf andere Inhalte bewertet.485 Solche Überlegungen stehen daher in einem engen Zusammenhang mit Navigationsstrukturen von Webseiten. Will die E-Brand ein umfangreiches aber trotzdem übersichtliches Informationsangebot bereitstellen, so sollten Struktur- und Inhaltsinformationen effizient miteinander kombiniert werden, damit verschiedene Navigationsmuster486 der User antizipiert werden können und die Usability der Seite erhöht wird.487 Navigation impliziert in diesem Zusammenhang die Anwendung bestimmter Selektionsprozesse der Nutzer, die nach Donsbach die bewusste oder unbewusste Auswahl und Vermeidung von Signalen steuern.488 Diese Definition wird von Wirth/Schweiger insofern ergänzt, als dass sie die Selektion als Teilprozess der Nutzung und Rezeption von Signalen vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen sehen.489 Hierbei kann insbesondere der Bezug zur bereits vorgestellten Dissonanztheorie hergestellt werden, da es sich um die selektive Suche nach neuen, einstellungsverstärkenden Informationen handelt.490 Die selektive Wahrnehmung ist eine psychische Strategie mit der auf auftretende Dissonanzen reagiert werden kann, da nur solche Informationen rezipiert werden, die vorhandene Dissonanzen reduzieren bzw. neue Dissonanzen vermeiden.491 Die Usability492 der Seite wird vor diesem Hintergrund zu einem zentralen Instrument über das ein markenaufbauendes Unternehmen die Informationsaufnahme und -wahrnehmung der Website-Besucher steuern kann. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Benutzerfreundlichkeit allein noch nicht über die Art und Weise der Auseinandersetzung mit den dargestellten Inhalten entscheidet, da in erster Linie die persönliche Relevanz der Inhalte für den Besucher darüber entscheidet, wie intensiv er sich mit der Seite auseinandersetzen will. Je größer die innere Beteiligung ist, desto stärker die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Einstellungsobjekt (E-Brand) und desto differenzierter die darauf folgende Bewertung.493 Damit wird das Involvementkonstrukt als Parameter der inneren Beteiligung zu einer moderierenden Größe der in dieser Arbeit zu untersuchenden Wirkungsprozesse und findet in einem eigenen Kapitel nähere Betrachtung.
485
Vgl. Beck 2006, S. 77. Typische Navigationsmuster sind bei Schweiger 2001, S. 114 zu finden (z.B. Nabe & Speiche, Spike, Ring & Loop, Path). 487 Vgl. Bucher/Barth 1998. 488 Vgl. Donsbach 1991, S. 28. 489 Vgl. Wirth/Schweiger 1999, S. 46. 490 Vgl. Cotton 1985, S. 11ff. 491 Vgl. Krober-Riel/Weinberg 2003, S. 184; Balderjahn/Scholderer 2007, S. 69. 492 Der Ausdruck Usability kommt aus dem Englischen und ist gleichbedeutend mit Benutzerfreundlichkeit. 493 Vgl. Antonides/van Raaij 1998, S. 118. 486
94
Theoretische Bezugspunkte
3.3.1.3 Involvement als Moderator Das Involvementkonstrukt ist in der Marketingforschung zu einem Basiskonstrukt der Marketingtheorie geworden.494 Involvement wird mitunter bei der Erforschung des Konsumentenverhaltens häufig als Grundlage für die Erklärung von Unterschieden in Kauf- und Konsumentscheidungen verwendet.495 Bei extensiven Kaufentscheidungen finden ausgeprägte kognitive und emotionale Prozesse statt, da sowohl das ökonomische Risiko als auch das psychosoziale Risiko beim Kauf relativ hoch sind.496 Bei solchen Entscheidungsprozessen spricht man auch von einem High-Involvement der Konsumenten. Sie setzen sich aktiv und bewusst mit der anstehenden Entscheidung auseinander und können sich mit dem Produkt identifizieren bzw. sprechen dem Produkt einen hohen Stellenwert in ihrem Leben zu. Bei LowInvolvement Situationen hingegen ist der kognitive und emotionale Anteil an dem Entscheidungsprozess relativ gering und dem Produkt wird nur wenig Bedeutung beigemessen. Ein geringes Involvement ist besonders bei Routineentscheidungen zu finden. Die passive Informationsaufnahme bzw. -verarbeitung erschwert bei diesen Produkten den Auf- und Ausbau fest verankerter Markenschemata deutlich. Vor diesem Hintergrund wird dem Involvement in der Konsumentenforschung eine wichtige, moderierende Rolle innerhalb der psychologischen Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozesse zugesprochen.497 Die Ursprünge des Involvement gehen zurück auf die Assimilations-Kontrast-Theorie von Sherif/Hovland,498 die Involvement als die subjektive Wichtigkeit des Einstellungsobjektes für eine Person bezeichnen. Ähnlich definiert Antil Involvement als “the level of perceived personal importance and/or interest evoked by a stimulus (or stimuli) within a specific situation.“499 Involvement besteht sowohl aus der persönlichen Verbundenheit eines Rezipienten mit dem jeweiligen Medieninhalt als auch aus dem „Grad seiner psychischen Interaktion mit dem Medium […], also der Rezeptionsintensität im Sinne einer kognitiven und affektiven Auseinandersetzung mit dem Stimulus.“ 500 Im Zusammenhang damit wird das Konstrukt mit der auf Informationsprozesse ausgerichteten Aktiviertheit, also der Intensität der inneren Erregtheit, gleichgesetzt,501 da der Aktivierungsgrad bzw. die Motivstärke die objektgerichtete Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung 494
Vgl. Trommsdorff 2004, S. 55f.; Balderjahn/Scholderer 2007, S. 109. Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 368ff. Vgl. Haedrich/Tomczak/Kaetzke 2003, S. 28. 497 Vgl. Miniard et al. 1991, S. 92ff. 498 Vgl. Sherif/Hovland 1961; Sherif/Cantril 1947; Sherif/Sherif/Nebergall 1965. 499 Antil 1984, S. 204. 500 Schweiger 2007, S. 164. 501 Vgl. Kroeber-Riel 1992, S. 55ff. 495 496
Theoretische Bezugspunkte
95
und -speicherung steuert. Die durch einen spezifischen Reiz ausgelöste phasische Aktiviertheit erlaubt dem Organismus zwischen relevanten und irrelevanten Reizen zu unterscheiden.502 Die Relevanz ist dabei subjektiv und basiert auf vorhandenen kognitiven Strukturen. Die Weiterverarbeitung eingehender Reize hängt stark vom subjektiven Reizempfinden ab und kann zu unterschiedlichen Reaktionen führen. Bei Involvement handelt es sich demnach um eine motivationale Größe, die als Zwischenstufe in der Erklärungskette des Verhaltens Bedeutung findet. Sie wird zum Grundbaustein für komplexere kognitive Vorgänge wie Wahrnehmung, Bewertung und Entscheidung.503 Einige Autoren weisen jedoch darauf hin, dass Involvement nicht mit Aufmerksamkeit gleichgesetzt werden darf,504 da Aufmerksamkeit lediglich das individuelle, auf stimulusspezifische Bedingungen zurückzuführende Aktivierungsniveau des Menschen bezeichnet, Involvement jedoch das a priori gegebene Niveau der Verarbeitungsbereitschaft darstellt.505 „Involvement wird hier interpretiert als das individualspezifische und reizunabhängige Niveau der Bearbeitungsbereitschaft […] Aufmerksamkeit als die reizgesteuerte Veränderung des Bearbeitungsniveaus.“506 Unklar ist bis heute jedoch, ob das Involvement im Rahmen der Mediennutzung eher als Maß der Rezeptionsintensität507 im Sinne der bereits angesprochenen Allokation von Aufmerksamkeit betrachtet werden muss (Involvement als Attribut), oder als Rezeptionsmotivation508 den Antrieb zu einer intensiven Rezeption darstellt (Involvement als Voraussetzung). Einig sind sich die Autoren jedoch darüber, dass Intensität und Art der Informationsverarbeitung mit der Stärke des Involvements variieren.509 Aus diesem Grund wird vermutet, dass das Konstrukt in der vorliegenden Arbeit ebenfalls zur Erlärung möglicher Varianzen in den Wirkungszusammenhängen beitragen kann.
502
Neben der phasischen Aktiviertheit gibt es auch noch die tonische Aktiviertheit, die sich auf den tageszeitlichen Verlauf der Leistungskurve beschränkt und daher auch einen gewissen Grad der Aktiviertheit erklären kann. 503 Vgl. Trommsdorff 1995, S. 1068. 504 Vgl. Krugman 1965, S. 355. 505 Vgl. Leven 1991, S. 40f. 506 Leven 1991, S. 42. 507 Vgl. Krugman 1965, S. 349ff. 508 Vgl. Petty/Cacioppo 1986b, S. 123ff. 509 Vgl. Batra/Ray 1983, S. 131ff.
96
Theoretische Bezugspunkte
Person
Informationsaufnahme
(Produkt)
Stimulus (Medium)
Involvement
Situation
Informationsverarbeitung
Informationsspeicherung
Abbildung 12: Das Involvementkonstrukt510
Da das Involvement eine komplexe und mehrdimensionale Größe darstellt (vgl. Abbildung 12), wird in der vorliegenden Arbeit zusätzlich zwischen intrinsischen, situativen und kommunikativen Aspekten innerhalb des Involvementkonstrukts unterschieden. Intrinsische Aspekte zeigen sich in dem Interesse am Produkt selbst (Produktinvolvement), situative Aspekte in den situativen Bedingungen der Kaufentscheidung (Situationsinvolvement) und kommunikative Aspekte in der Intensität der Auseinandersetzung einer Person mit dem Medium (Medieninvolvement).511 Hervorzuheben ist dabei sicherlich das Produktinvolvement, das in Bezug auf die gestellten Forschungsfragen als möglicher Einflussfaktor auf die Wahrnehmung und Verarbeitung identitätsstiftender Merkmale der E-Brand hat. Vor allem in Beiträgen zum E-Commerce wird das Situationsinvolvement und das Medieninvolvement häufig aus komplexitätsreduzierenden Gründen als Online-Shopping-Involvement zusammengefasst.512
3.3.2
Informationsverarbeitung von Webinhalten
Eine Konsequenz der ständig wachsenden Informationsmenge ist die daraus resultierende Informationsüberlastung. Diese wird als das Unterschiedsverhältnis zwischen angebotenen und nachgefragten Informationen definiert und erreichte bereits Anfang der 80er Jahre einen
510 511 512
In Anlehnung an Deimel 1989, S. 154f. Vgl. zu den verschiedenen Arten des Involvement z.B. Esch 2006, S. 116ff. Vgl. Balabanis/Reynolds 2001, S. 105ff.
Theoretische Bezugspunkte
97
Wert von über 98%.513 Im Resultat dieser Informationsüberlastung steht die Marke vor der Aufgabe durch Kommunikation nicht nur wahrgenommen, sondern auch verstanden zu werden.514 In diesem Zusammenhang spricht Esch von einem nachlassenden Informationsinteresse der Konsumenten, das die generellen Anforderungen hinsichtlich einer erfolgreichen Markenkommunikation noch weiter erhöht.515 Die Mechanismen der Informationsverarbeitung zählen daher zu den wichtigsten Aspekten, die beim Markenaufbau berücksichtig werden müssen.516 Informationsverarbeitungstheorien haben ihren Ursprung in der Psychologie und sehen das Individuum als offenes, informationsverarbeitendes System, das Informationen aus der Umwelt aufnimmt, verarbeitet, speichert und wieder ausgibt.517 Diese Theorien sollen erklären, wie äußere (physikalische) Reize und innere Signale (neuronale Erregungsmuster, Gedächtnisinhalte, etc.) mit der Reaktion des Individuums zusammenhängen. Angenommen wird, dass den Informationsverarbeitungsprozessen unterschiedliche reiz- und individualgesteuerte Bearbeitungsprozesse zugrunde liegen.518 Der Informationsbegriff wird in diesem Zusammenhang jedoch sehr viel weiter gefasst, als es etwa bei betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorien der Fall ist. Dort werden Informationen als entscheidungs-, aufgabenoder zweckorientiertes Wissen verstanden,519 wohingegen die empirische Verhaltensforschung alle reaktionsauslösenden Ereignisse als Informationen betrachtet und den Begriff mit Reiz bzw. Stimulus gleichsetzt. Im Marketing existiert eine Vielzahl von Wirkungsmodellen zur Erklärung der Wirkung kommunikativer Reize, die von Medien und Werbung ausgehen. Sie versuchen, latente Variablen als Funktion unterschiedlicher Merkmale zu erklären, die das tatsächliche Kaufverhalten von Individuen möglichst genau widerspiegeln.520 Ursprünglich basierten die theoretischen Ansätze dieser Wirkungsmodelle auf dem Verständnis einer senderorientierten Vorstellung des Wirkungsbezuges, bei der der rezipierende Mensch lediglich passiv am Wirkungs-
513
Vgl. Kroeber-Riel/Esch 2004, S. 13ff. Als Informationsüberlastung bezeichnet man sowohl ein Zuviel an verfügbaren Informationen, das zur Beeinträchtigung der Informationsverarbeitung führt, als auch einen Informationsüberschuss, der dadurch entsteht, dass nur ein Teil der verfügbaren Informationen aufgenommen wird. Informationsüberlastung ist nicht wertend und darf daher nicht mit Informationsstress gleichgesetzt werden. Zu diesen Begriffen vgl. auch Hagemann 1988. 514 Vgl. Kroeber-Riel/Esch 2004, S. 18. 515 Vgl. Esch 2006, S. 6. 516 Vgl. Moser 2007, S. 107. 517 Vgl. Hussy 1984, S. 36. 518 Vgl. Leven 1991, S. 20. 519 Vgl. Wessling 1991, S. 35ff.; Mag 1977, S. 5. 520 Vgl. Kiss 2005, S. 81.
98
Theoretische Bezugspunkte
prozess teilnahm. Als Beispiel dieser behaviorisitischen Ansätze können die klassischen S-R (Stimulus-Response) Modelle genannt werden.521 Aus diesem Grund wurde dieser Forschungsbereich lange Zeit von den Stufenmodellen der Werbewirkung dominiert,522 die besagen, dass zwischen Einstellung und Verhalten gegenüber einem Objekt ein kausaler Zusammenhang besteht (die Einstellungs-Verhaltens-Hypothese).523 Zu den klassische Stufenmodellen zählen u.a. das AIDA-Modell von Lewis,524 das DAGMAR-Modell von Colley525 oder das 6-Stufen-Modell von Lavidge/Steiner.526 Stufenmodelle werden auch als hierarchische Modelle bezeichnet, da sie von einer streng linearen Ausrichtung der Wirkungsbeziehungen ausgehen.527 Es werden zu diesen Modellen auch die sog. Hierarchie-von-Effekten-Modelle gezählt, die einzelne Aspekte der Wirkungseffekte untersuchen und damit verschiedene Stufen des Wirkungsprozesses adressieren.528 Viele der nachfolgenden empirischen Befunde der Einstellungsforschung ließen sich jedoch nicht mit dieser Grundannahme der linearen Wirkungshierarchien vereinbaren,529 da die Beeinflussung des Kaufverhaltens bzw. die Bildung von Einstellungen nicht wie angenommen entlang eines einheitlichen, hierarchischen Informationsverarbeitungsprozesses verläuft,530 sondern Einstellung und Verhalten vielmehr in einer wechselseitigen und daher dynamischen Relation zueinander stehen. Die Unzulänglichkeiten der traditionellen Ansätze zur Erklärung des Wirkungsphänomens führten deshalb zu einem Paradigmenwechsel in der Kommunikationsforschung mit der Grundvorstellung des aktiven Rezipienten.531 Ausgangspunkt dieser Annahme ist, dass der Konsum von Medien und Werbung aufgrund der erwarteten Bedürfnisbefriedigung zielorientiert abläuft und der subjektive und individuelle Nutzenwert zum zentralen Auswahlkriterium wird. Daher wurde der Paradigmenwechsel vor 521
Zu den Begründern des Behaviorismus sind v. a. Pawlow und Watson zu zählen. Vgl. Pawlow 1927; Watson 1924. Neuere Erkenntnisse über diesen Zweig der Verhaltenswissenschaft lassen sich z.B. bei Cadogan/Simintiras 1996; Moore 1998; Zimbardo/Gerrig 2004 finden. 522 Vgl. Aaker/Batra/Myers 1996, S. 180f. 523 Vgl. Ajzen/Fishbein 1977, S. 888ff.; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 171f. Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 3.2.4.2. 524 Vgl. Lewis 1898 zitiert aus Reed/Ewing 2004, S. 92. 525 Vgl. Colley 1961. 526 Vgl. Lavidge/Steiner 1961. 527 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 612. 528 Ray unterscheidet beispielsweise drei Hierarchie-von-Effekten-Modelle: die Lernhierarchie (learn-feel-do), die Dissonanz-Attributions-Hierarchie (do-feel-learn) und die Geringers-Involvement-Hierarchie (learn-dofeel). Ausgangspunkt dieser Modelle ist die Überlegung, dass kognitive, affektive und konative Komponenten in Wirkungsmodellen unterschieden werden müssen. Vgl. Ray 1973; Moser 2007, S. 16ff.; Bruner/Kumar 2000, S. 35ff. 529 Vgl. beispielsweise Smith/Swinyard 1982, S. 82; Petty/Cacioppo 1986a, S. 21f. 530 Vgl. Chaiken/Wood/Eagly 1996, S. 707. 531 Vgl. Burkart 2002; Maletzke 1998, S. 55.
Theoretische Bezugspunkte
99
allem mit dem Nutzenansatz oder auch dem Uses-and-gratifications-Ansatz vollzogen.532 Seither steht nicht mehr das reine Reiz-Reaktionsmuster im Fokus der Betrachtung, sondern die zwischen diesen Stufen stattfindenden psychologischen Mechanismen. Mit der Entwicklung der Zwei-Porzess-Modelle (dual process models) in den 1980er Jahren konnte darauf aufbauend ein theoretischer Rahmen definiert werden, der die empirischen Ergebnisse zu unterschiedlichen Wirkungsverläufen besser umfassen konnte. Die Modelle gehen im Wesentlichen auf die Arbeiten von Chaiken533 (heuristic systematic model) und Petty/Cacioppo534 (elaboration likelihood model, ELM) zurück, wobei das ELM die weiteste Verbreitung in der Einstellungsforschung erfahren hat.
3.3.2.1 Zwei-Prozess-Modelle In den Zwei-Prozess-Modellen wird auf die Grundüberlegungen zu den Hierarchie-vonEffekten-Modellen zurückgegriffen. Damit wird die Annahme, dass die Wirkung von Kommunikation auf der systematischen und kognitiv-begründeten Informationsverarbeitungsebene stattfindet fortgeführt, allerdings wird diesen Modellen ein weiterer Verarbeitungsprozess zugeordnet, der auch die weniger systematische und kognitive Verarbeitung der Informationen berücksichtigt (daher Zwei-Prozess-Modelle). Gemeinsam ist diesen Modellen die Beschreibung zweier idealtypischer Arten der Einstellungsänderung durch Kommunikation. 535 In Abhängigkeit von Motivation und Fähigkeit wird die Einstellungsänderung entweder durch den zentralen (bzw. systematischen) oder den peripheren (bzw. heuristischen) Weg bestimmt. Im Bereich der Wirkungsforschung wird diesen Modellen ein hoher Stellenwert beigemessen, da sie in der Lage sind, zentrale Wirkungsmechanismen in Bezug zur Einstellungsbildung zu beschreiben. Die große Aufmerksamkeit, die diese Modelle in den letzten Jahren erfahren haben, rührt hauptäschlich von der weiten Verbreitung des elaboration likelihood models (ELM).536 3.3.2.1.1 Das Elaboration-Likelihood-Modell Das Elaboration-Likelihood-Modell (Verarbeitungs-Wahrscheinlichkeits-Modell) wurde von Petty/Cacioppo als sozialpsychologisches Modell zur Beschreibung von allgemeinen Einstellungsänderungen konzipiert (vgl. Abbildung 13).537 Grundgedanke ist die Annahme, dass Re532
Vgl. Maletzke 1998, S. 189. Vgl. Chaiken 1980, S. 752f. Vgl. Petty/Cacioppo 1981. S. 265f. 535 Vgl. Erb et al. 2005, S. 62. 536 Vgl. Petty/Wegener 1999, S. 41. 537 Vgl. Petty/Cacioppo 1986b, S. 123ff. 533 534
100
Theoretische Bezugspunkte
zipienten bei der Informationsverarbeitung neue Stimuli mit bereits vorhandenem Wissen verknüpfen (cognitve responses).538 Die kognitiven Reaktionen können eine unterstützende, neutrale oder behindernde Funktion in der Vermittlung von Kommunikationsbotschaften einnehmen. Das ELM unterscheidet zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege einer solchen Verarbeitung. Der zentrale Weg beschreibt die Informationsverarbeitung bei intensiver kognitiver Verarbeitung (high involvement) der Stimuli, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften und stabilen Einstellung steigt. Beim peripheren Weg werden die Stimuli gefühlsmäßig und weniger kognitiv aufgenommen und führen zu instabilen Einstellungsänderungen. Dieser Ansatz fordert die grundsätzliche Berücksichtigung des Involvements, da mehr involvierte Rezipienten eher die Informationsqualität und wenig involvierte Rezipienten eher die äußere Gestaltung der Stimuli beurteilen.539 Grundsätzlich folgt das ELM dem Least-Effort-Prinzip, da Personen Informationen so lange unbewusst und geringfügig verarbeiten, bis sie zu mehr motiviert werden.540 Dies kann gleichermaßen als Aufmerksamkeitsfilter betrachtet werden, der selektiert, welchen Informationen Aufmerksamkeit geschenkt wird.541 Je höher die Motivation und Fähigkeit des Rezipienten ist, desto aufmerksamer werden die Informationen verarbeitet und desto wahrscheinlicher findet der Informationsverarbeitungsprozess auf dem zentralen Wege statt. Die Überlegungen dazu basieren auf der cognitive response theory, nach der Einstellungen gedankliche Reaktionen sind, mit der ein Rezipient auf die Konfrontation mit beeinflussenden Botschaften reagiert.542 Die Kritik an dieser Theorie, die zur Entwicklung des ELM geführt hat, betraf im Wesentlichen die Nichtberücksichtigung von unbewussten Prozessen und Einstellungsänderungen, die nicht mit aktiven Denkprozessen zu erklären sind. Bei geringer Motivation/Fähigkeit ist nicht der Überzeugungsgehalt einer Botschaft oder die Qualität der Argumente entscheidend für die Beeinflussung der Einstellung, sondern die in der Botschaft enthaltenen peripheren Reize, die die Attraktivität der formalen Gestaltung erhöhen.543 Bei diesen peripheren Prozessen werden einfache Entscheidungsregeln angewandt, sog. Heuristiken.544
538
Vgl. Meyers-Levy/Malaviya 1999, S. 47. Vgl. Park/Lee/Han 2007, S. 130; Petty/Cacioppo/Schumann 1983, S. 135ff. Vgl. Chaiken/Wood/Eagly 1996, S. 710. 541 Vgl. Moskowitz/Skurnik/Galinsky 1999, S. 27. 542 Vgl. Greenwald 1968, S. 147ff.; Petty/Ostrom/Brock 1981. 543 Vgl. Petty/Cacioppo 1986a, S. 3; Aaker/Batra/Myers 1996, S. 185. 544 Vgl. Perloff 2003, S. 129. 539 540
Theoretische Bezugspunkte
101
Kommunikation
Motivation zur Verarbeitung? Involvement, Relevanz, Zustimmung, dissonante Erregung, Bedürfnis nach Kognition, usw.
NEIN
Zeitweilige, periphere Einstellungsänderung
JA Fähigkeit zur Verarbeitung? Ablenkung, Verständlichkeit der Botschaft, Vorwissen, verfügbares Verarbeitungsschema, usw.
NEIN
JA JA Art der kognitiven Verarbeitung? ursprüngl. Einstellung, Qualität der Argumente, usw. überwiegend positiv
überwiegend negativ
weder positiv noch negativ (neutral)
Änderung der kognitiven Struktur? Wurden neue Kognitionen aufgenommen? Sind andere Reaktionen gegenüber früher aufgetreten? JA (pos.) anhaltende positive Einstellungsänderung (Überzeugung)
Periphere Reize vorhanden? positive, negative Gefühle, attraktive Quellen, Experten, Zahl der Argumente NEIN
NEIN
JA (neg.) Anhaltende negative Einstellungsänderung (Boomerang)
Anfangseinstellung beibehalten oder wiedererlangt
Abbildung 13: Das Elaboration Likelihood Model545
Die Verarbeitungstiefe wird also durch die zwei Determinanten Motivation und Fähigkeit bestimmt.546 Die Motivation wird hauptsächlich vom Involvement des Rezipienten beeinflusst, da erst die persönliche Relevanz einer Botschaft dazu motiviert, diese intensiv und kognitiv zu verarbeiten. Die Fähigkeit der Verarbeitung wird wiederum von andern Faktoren beeinflusst. Dazu zählen z.B. Störfaktoren in der Umgebung oder relevantes Vorwissen, aber auch das Kommunikationsmedium an sich.547 Da es zahlreiche Abstufungen zwischen dem peripheren und dem zentralen Verarbeitungsweg gibt, wird hier auch von einem Kontinuum der Verarbeitungstiefe gesprochen.548 Je zentraler der Weg (also je intensiver die Verarbeitung), desto stabiler ist die dadurch hervorgerufene Einstellung und desto größer die Verhal-
545
Petty/Cacioppo 1986b, S. 126. Vgl. Behrens 1996, S. 293; Perloff 2003, S. 129. Vgl. Petty/Cacioppo 1983, S. 6f. 548 Vgl. Petty/Wegener 1999, S. 45; Kiss 2005, S. 84. 546 547
102
Theoretische Bezugspunkte
tensrelevanz. Der periphere Weg allein führt folglich nicht zu verhaltenswirksamen Einstellungsänderungen, sondern wirkt lediglich unterstützend.549 3.3.2.1.2 Heuristic-Systematic-Model Ähnliche Aussagen wie die von Petty/Cacioppo werden auch von Chaiken550 getroffen, die in ihrem heuristisch-systematischen Modell (HSM) die Informationsverarbeitung und Einstellungsänderung ebenfalls auf Basis zweier Wege erläutert. Dazu zählt zunächst die Urteilsbildung über die intensive kognitive Auseinandersetzung mit den zur Verfügung stehenden Informationen. Auf der anderen Seite unterstreicht sie jedoch auch die Verwendung von Heuristiken, die die Informationsverarbeitung begrenzen und so die kognitive Anstrengung reduzieren. Diese Differenzierung beschreibt in ähnlicher Weise die Einstellungsänderung wie sie von Petty/Cacioppo551 vorgenommen wurde, da Einstellungsänderungen entweder über den zentralen/systematischen Weg oder den peripheren/heuristischen Weg stattfinden. Auch bei Chaiken stellen Motivation und Fähigkeit der Verarbeitung zwei zentrale Größen des Wirkungsmechanismus dar. Je fähiger und motivierter der Rezipient ist, desto höher der kognitive Aufwand und desto bedeutender der Inhalt der Botschaft. Bei geringer Motivation und Fähigkeit verlagert sich die Bedeutung des Inhalts hingegen auf die peripheren Hinweisreize.552 Die Fähigkeit zur Verarbeitung einer Botschaft ist dabei eine Funktion des Vorwissens und der kognitiven Kapazitäten während der Konfrontation mit der Botschaft.553 Obwohl die Grundüberlegungen des HSM mit denen des ELM übereinstimmen gibt es einige Unterschiede zwischen beiden Modellen, die für die weiteren Überlegungen zur Wirkung der Markenkommunikation im Internet von Bedeutung sind. Einer der wesentlichen Unterschiede besteht in der Annahme von Petty/Cacioppo, dass die Verstärkung des einen Weges eine Abschwächung des anderen mit sich bringt (trade-off-hypothesis).554 Im HSM hingegen wird die Möglichkeit berücksichtigt, dass die heuristische und die systematische Informationsverarbeitung gleichzeitig stattfinden können (co-occurrence).555 In ihrer Arbeit fanden Maheswaran/Chaiken heraus, dass selbst bei hoher Motivation heuristische Hinweisreize Einfluss auf die Urteilsbildung haben.556 Demnach kann bei hoher Motivation und Fähigkeit die Informationsverarbeitung sowohl systematisch als auch heuristisch stattfinden. Daraus ergeben sich 549
Vgl. Petty/Cacioppo 1986a, S. 21f. Vgl. Chaiken 1987, S. 3ff.; Chaiken/Liberman/Eagly 1989, S. 212ff. Vgl. Petty/Cacioppo 1986b, S. 123ff. 552 Vgl. Chaiken/Liberman/Eagly 1989, S. 212ff. 553 Vgl. Erb et al. 2005, S. 62. 554 Vgl. Petty/Cacioppo 1986a, S. 20-21. 555 Vgl. Chaiken/Liberman/Eagly 1989, S. 215-216. 556 Vgl. Maheswaran/Chaiken 1991, S. 13ff. 550 551
Theoretische Bezugspunkte
103
nach Chaiken/Liebman/Eagly verschiedene Möglichkeiten des Zusammenspiels beider Prozesse.557 Zunächst ist es möglich, dass der Informationsinhalt in seinem Einfluss auf die Urteilsbildung stärker ist als der Einfluss heuristischer Informationen (attenuation) und somit lediglich ein „simpler Haupteffekt der Argumentenqualität“558 vorliegt. Zudem kann die Urteilsbildung durch inhaltliche und heuristische Informationen unabhängig voneinander erfolgen (additivity) wenn diese in ihrem Umfang und ihrer Bedeutung gleichwertig sind und dadurch zwei Haupteffekte bedingt werden. Als dritte Möglichkeit kommt eine Verzerrung der inhaltlichen Argumente durch vorgelagerte heuristische Reize in Betracht (biased processing). Die Hinweisreize können in Abhängigkeit ihrer Valenz Botschaftsinhalte entweder verstärken oder abschwächen, wobei dieser Effekt hauptsächlich bei Inhalten auftritt, die weder eindeutig überzeugend noch eindeutig schwach sind. Die letzte der vier Möglichkeiten besteht darin, dass die heuristischen Reize Erwartungen wecken, die inhaltlich argumentativ aber nicht erfüllt werden (contrast). Die große Aufmerksamkeit, die die Zwei-Prozess-Modelle erfahren haben, ist allerdings nicht ohne Kritik geblieben. Zu den grundlegendsten Kritiken zählt die fehlende Berücksichtigung von Kontextvariablen, die die Wirkung der Kommunikation möglicherweise beeinflussen.559 Auch die Annahme, dass die Informationsverarbeitung prinzipiell auf zwei unterschiedliche Prozesse zurückzuführen sei, stieß bei einigen Autoren auf Kritik.560 Die Entwicklung theoretischer Wirkungsmodelle im Rahmen der Markenkommunikation kann aufgrund dieser bestehenden Kritik mit den hier vorgestellten Zwei-Prozess-Modellen noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Vielmehr finden sie in zahlreichen nachfolgenden Studien konzeptionelle Ergänzung bzw. Modifikation.561 Vor allem die Ein-Prozess-Konzeption (Unimodel), die ursprünglich auf die Arbeit von Kruglanski/Thompson562 zurückgeht, findet in der wissenschaftlichen Diskussion großen Anklang.
557
Vgl. Chaiken/Liberman/Eagly 1989. Erb et al. 2005, S. 62ff. Erb et al. 2005, S. 62. Vgl. Moser 2007, S. 21. 560 Vgl. Erb/Kruglanski 2005, S. 117ff.; Kruglanski/Thompson 1999, S. 83ff. 561 Vgl. Erb et al. 2005, S. 63. 562 Vgl. Kruglanski/Thompson 1999, S. 83 ff. 558 559
104
Theoretische Bezugspunkte
3.3.2.2 Unimodel Das Unimodel563 kritisiert die Annahme der Zwei-Wege-Verarbeitung und postuliert die Informationsverarbeitung als einen einheitlichen Urteilsprozess, der sowohl den zentralen als auch den peripheren Weg umfasst. Diesem Modell zufolge sind es stets Evidenzen, die die Urteilsbildung beeinflussen. Evidenzen können sowohl heuristische Hinweisreize als auch inhaltliche Argumente sein, die allerdings erst zu Evidenzen werden, sofern sie jeweils mit relevantem Hintergrundwissen in Beziehung gesetzt werden können und eine Schlussfolgerung für die Urteilsbildung ermöglichen.564 Beide Arten von Evidenzen werden in Abhängigkeit ihrer subjektiven Evidenzstärke auf vergleichbare Weise verarbeitet, weshalb keine qualitative Unterscheidung der Prozesse vorausgesetzt wird. Obwohl inhaltliche Argumente aufgrund ihrer meist komplexer ausfallenden Struktur mehr Motivation und Fähigkeit zur Verarbeitung benötigen, ist der Weg der Verarbeitung für beide Evidenzen gleich.565 Aus diesen Überlegungen lässt sich ableiten, dass „sich Hinweisreize und Argumente weder bezüglich des zu Grunde liegenden Prozesses der Nutzung von Evidenz, noch bezüglich ihrer Anforderungen an den Verarbeitungsaufwand“566 unterscheiden und sich demnach auch nicht in ihrer Wirkung auf die Urteilsbildung unterscheiden. Die Wirkung einer Information ist also eine Funktion des Hintergrundwissens und der jeweiligen Gültigkeit, die der Rezipient diesem Wissen in verschiedenen Situationen zuschreibt. Erb/Kruglanski sprechen in diesem Zusammenhang auch von dem ‚Relevanzpotenzial’ einer Information.567 Das Relevanzkriterium bildet demnach zwar das Hauptargument des Unimodels, allerdings werden auch weitere Parameter, die die Relevanz einer Information beeinflussen, berücksichtigt. Dazu zählen die erlebte Schwierigkeit der Urteilsbildung, die motivationale Verzerrung, die Verarbeitungssequenz und der Verarbeitungsaufwand.568 Die erlebte Schwierigkeit der Urteilsbildung hängt von der Länge und Komplexität der dargebotenen Informationen und der Verfügbarkeit des entsprechenden Hintergrundwissens im Gedächtnis ab. Je schwieriger die Urteilsbildung fällt, desto weniger urteilsrelevant werden die Informationen. Die motivationale Verzerrung beschreibt die Tatsache, dass Evidenzen, die ein angestrebtes, erwünschtes Urteil fördern, bevorzugt werden und Evidenzen, die zu unerwünschten Urteilen führen, ignoriert werden. Ein weiterer Parameter ist die Verarbeitungsse-
563
Vgl. Kruglanski/Thompson 1999, S. 83ff.; Kruglanski et al. 2002, S. 331ff.; Erb/Kruglanski 2005, S. 117ff. Vgl. Erb et al. 2005, S. 63; Erb/Kruglanski 2005, S. 119. Vgl. Moser 2007, S. 22. 566 Erb et al. 2005, S. 63. 567 Vgl. Erb/Kruglanski 2005, S. 120. 568 Vgl. Erb/Kruglanski 2005, S. 120. 564 565
Theoretische Bezugspunkte
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quenz. So kann es z.B. sein, dass frühe Schlussfolgerungen dazu führen, dass der nachfolgende Verarbeitungsprozess abgekürzt oder beeinflusst wird. Auch der Verarbeitungsaufwand beeinflusst den Informationsverarbeitungsprozess. Er wird von der Verarbeitungsmotivation und den verfügbaren kognitiven Ressourcen bestimmt. Die Frage, ob der Verarbeitungsaufwand jedoch das Postulat zweier qualitativ unterschiedlicher Prozesse rechtfertigt oder nicht, dominiert den wissenschaftlichen Diskurs zwischen den Zwei-Prozess-Modellen und dem Unimodel.569 Bei dem Unimodel findet die Urteilsbildung auf Grundlage relevanten Hintergrundwissens statt und daher im Gegensatz zu den Zwei-Prozess-Modellen unabhängig vom jeweiligen Inhalt der Information. Obwohl dieser Prozess zunächst einfacher erscheint, erfordert die Isolation relevanter Evidenzen aus der Vielzahl der vorhandenen Informationen einen erheblichen kognitiven Aufwand. Daher spielen auch bei diesem Modell die Motivation und Fähigkeit der Informationsverarbeitung eine bedeutende Rolle. Allerdings hebt das Unimodel die Dichotomisierung der Zwei-Prozess-Modelle hinsichtlich des kognitiven Aufwandes auf und erlaubt eine vielfältigere Ausprägungsform. Trotz der anscheinenden Plausibilität der Überlegungen zum Unimodel lassen sich in der Literatur auch kritische Äußerungen.570 Häufig wird das Modell mit der Tatsache konfrontiert, dass eine Vielzahl von Studien scheinbar Evidenz dafür liefert, dass die Unterschiede zwischen Hinweisreizen und inhaltlichen Argumenten doch existieren.571 Diese scheinbare Evidenz konnte durch die Metastudie von Pierro et al. größtenteils revidiert werden, weil in vielen dieser Studien die Hinweisreize leichter und schneller zu verarbeiten waren und vor allem vor den Argumenten dargeboten wurden.572 „We find that it is relative brevity and ordinal position rather than contents that ultimately explain the differences in persuasive impact between cue/heuristic versus message argument information. In so far as both cues and message arguments can vary in brevity and order with which they are presented, these findings are consistent with the view that these two information types do not necessarily differ in their persuasive impact.“573 Wie diese Diskussion zeigt, ist die Kontroverse zwischen Ein- und Zwei-Prozess-Modellen bisher noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht, um eindeutige Aussagen über die
569
Vgl. beispielsweise Lavine 1999, S. 141ff.; Manstead/van der Pligt 1999, S. 144ff.; Miller/Pedersen 1999, S. 150ff.; Strahan/Zanna 1999, S. 170ff. Vgl. Chaiken/Duckworth/Darke 1999, S. 118ff.; Petty/Wheeler/Bizer 1999, S. 156ff. 571 Vgl. hierzu anstatt vieler Petty/Cacioppo/Goldman 1981. 572 Vgl. Pierro et al. 2005, S. 458ff. 573 Pierro et al. 2005, S. 458. 570
106
Theoretische Bezugspunkte
Wirkung von Kommunikation zu machen. Daher gilt es diese Modelle zunächst noch genauer bezüglich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erforschen. Nach Meinung von O’Keefe sind die Unterschiede gar nicht so substantiell, wie allgemein angenommen.574 Gerade die Tatsache, dass das ELM nicht grundsätzlich von zwei unterschiedlichen Prozessen spricht, sondern gelegentlich von einem Verarbeitungskontinuum, dessen Extrema nur durch die zwei Verarbeitungswege verdeutlicht werden sollen, lässt O’Keefe vermuten, dass es sich nicht zwangsläufig um zwei Prozesse handelt, sondern um ein Modell, das dem Unimodel vom Wesen her sehr ähnlich ist. Die fortdauernde Darstellung der Extrema mag auch dazu geführt haben, dass Hinweisreize und Argumente gar nicht – wie weithin vermutet – vom ELM als zwei verschiedene Arten von Inhalt verstanden werden, die sich funktional unterschiedlich auf die Urteilsbildung auswirken, sondern vielmehr sollen sie lediglich die mögliche Variation zwischen den Verarbeitungswegen kontrastieren. Wenngleich sich die Zwei-Prozess-Modelle und das Unimodel in vielerlei Hinsicht voneinander unterscheiden, so enthalten beide Ansätze die gleiche Annahme, dass der kognitive Aufwand der Informationsverarbeitung das Ergebnis der Verarbeitung (also die Urteilsbildung/Einstellung) entscheidend mitbestimmt. „Daher ist es in empirischen Tests zu diesen Modellen wichtig, diesen kognitiven Aufwand zu erfassen.“575 Rückschlüsse auf den Verarbeitungsaufwand werden bei vielen Standard-Methoden aus der Stärke der Einstellungsurteile gezogen, da auf eine Botschaft mit starken Argumenten eine positivere Einstellung folgt, als auf eine Botschaft mit schwachen Argumenten. Unter geringer Motivation und Fähigkeit bleibt dieser Effekt jedoch aus.576
3.4
Zwischenfazit und Zusammenfassung der Erkenntnisbeiträge
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln ein umfangreicher Überblick über diejenigen Theorien gegeben wurde, die mögliche Erklärungsansätze für das vorliegenden Forschungsvorhaben bereitstellen, werden daraus im Folgenden die relevanten Erkenntnisbeiträge zusammengefasst. Der Erkenntnisgewinn aus den einzelnen Theoriebereichen hat unmittelbar Auswirkung auf die Konzipierung des Forschungsmodells und wird daher später im Rahmen der Hypothesenentwicklung als Ausgangspunkt für die Ableitung kontextbedingter Konsequenzen für das zu untersuchende Forschungsmodell wieder aufgenommen.
574 575 576
Vgl. O’Keefe 2002, S. 160. Erb et al. 2005, S. 64. Vgl. Erb et al. 2005, S. 64.
Theoretische Bezugspunkte
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Aus den Ansätzen, die im Zuge des strategischen Managements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen diskutiert wurden, lassen sich folgende Erkenntnisse für das E-Branding zusammenfassen: Das dem identitätsorientierten Ansatz zugrundeliegende Wechselspiel zwischen Innen- und Außenperspektive kann aus organisationstheoretischer Sicht über die aus dem strategischen Management entstammenden Forschungstheorien des market based view und resource based view theoretisch fundiert werden. Der market based view dient als Erklärungsansatz für die Annahme, dass zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen der jeweilige Brancheneinfluss zu berücksichtigen ist. Aufbauend darauf wird angenommen, dass auch das Internet als kontextueller, branchenspezifischer Rahmen der Marke Einfluss auf die Gestaltung der E-Brand hat. Der resource based view untermauert den Stellenwert der Marke als wichtige organisationale Ressource, die zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beiträgt. Die zielgerichtete Gestaltung dieser Ressource ist also die zentrale Aufgabe und der Kern der ressourcentheoretischen Perspektive der Markenführung,577 auch im Kontext der Net Eoconomy. Der customer based view bestätigt, dass sich der ökonomische Erfolg aus nachfragerorientierter Sicht in den beobachtbaren Verhaltensmustern der Kunden manifestiert und aus angebotsorientierter Sicht durch die Maßnahmen des Unternehmens zielgerichtet beeinflusst, aber nicht vollständig kontrolliert werden kann. Die Fähigkeit der Wertschöpfung ergibt sich aus der Ressourcenausstattung des Unternehmens sowie der Effizienz und Effektivität mit der diese Ressourcen in ein wertvolles Output für den Kunden umgesetzt werden. Zusätzlich zu den Theorien der Managementforschung lassen sich auch aus den Theorien der Einstellungsforschung wichtige Erkenntnisbeiträge für die Ausgestaltung der abhängigen Erfolgsgröße, die im Rahmen des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes der Markenforschung als Einstellung identifiziert wurde, ableiten: Die Einstellung zur E-Brand wurde als geeignetes Kriterium identifiziert, das die von der Wahrnehmung beeinflusste Bewertung der E-Brand erfasst und als abhängige Erfolgsgröße für den Markenaufbau im Internet verwendet wird. Einstellungen basieren auf erlernbaren, kognitiven Schemata und müssen über eine konsistente und integrierte Markenkommunikation im Laufe der Zeit stabilisiert werden, da sie insbe577
Vgl. Meffert 2004, S. 297.
108
Theoretische Bezugspunkte
sondere zu Beginn über die Aufnahme und Speicherung neuer oder irreführender Informationen einer hohen Volatilität unterliegen. Die kognitiven Konsistenztheorien postulieren in diesem Zusammenhang, dass inkonsistente bzw. widersprüchliche kognitive Strukturen (Einstellungen) dazu motivieren, diesen Zustand entweder durch Verhalten oder durch Änderung der Einstellung zu beseitigen. Innerhalb der multiattributiven Ansätze herrscht zwar Einigkeit über die Dreiteilung des Einstellungskonzeptes (Affekt, Kognition, Konation), allerdings existieren verschiedene Interpretationen der Drei-Komponenten-Theorie, die sich in ihren Annahmen über die Kausalstruktur der Komponenten unterscheiden. Für eine holistische Betrachtung des E-Branding konnten auch die Theorien der Kommunikationsforschung insoweit beitragen, als dass sie bestimmte Erklärungsansätze für die zugrundeliegenden Informationsprozesse bereithalten und Aufschluss über die möglichen Wirkungsweisen der wahrgenommenen Identitätselemente der E-Brand geben. Im Rahmen der reizgesteuerten Aufmerksamkeitslenkung muss die Webseite der E-Brand so ausgerichtet sein, dass sie die Empfangsbereitschaft des Besuchers für subjektiv wichtige Reize erhöht und damit eine intensive, gerichtete Wahrnehmung der einstellungsrelevanten Inhalte unterstützt. Die aktive Aufmerksamkeitslenkung wird vor dem Hintergrund notwendiger Selektions- und Entscheidungsprozesse im Internet notwendig, da die Benutzerfreundlichkeit bzw. Antizipation der Benutzerbewegungen auf der Seite zu einem zentralen Instrument des E-Branding wird, über das die Informationsaufnahme und -wahrnehmung gezielt gesteuert werden muss. Über die stimulusspezifische Aufmerksamkeit hinaus bezeichnet das Involvement das a priori gegebene Niveau der Verarbeitungsbereitschaft und ist damit entscheidendes Element in der objektgerichteten Informationsverarbeitung. Im Rahmen der theoretischen Ansätze zur Informationsverarbeitung wird angenommen, dass den Informationsverarbeitungsprozessen unterschiedliche reiz- und individualgesteuerte Bearbeitungsprozesse zugrunde liegen, und dass der Konsum von Medien und Werbung aufgrund der erwarteten Bedürfnisbefriedigung zielorientiert abläuft. Nach Annahmen des Elaboration-Likelihood-Modells wird die Einstellung zur E-Brand bei einer zentralen Verarbeitungsroute über die sorgfältige, kognitive Verarbeitung qualitativer Informationsargumente gebildet, wohingegen die Einstellung zur E-Brand bei einer peripheren Verarbeitungsroute über die Anwendung einfacher Entscheidungsregeln entsteht.
Theoretische Bezugspunkte
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Aus den Wirkungsmodellen der Kommunikationsforschung lässt sich insgesamt eine positive Abhängigkeit der Einstellung zur E-Brand von der Wahrnehmung der Wirkungselemente der E-Brand-Identity ableiten. Obgleich der Erklärungsgehalt der betrachteten Theorien für das Forschungsvorhaben bereits dazu beigetragen hat, wesentliche Teilaspekte des Forschungsansatzes differenzierter zu betrachten und damit relevante Implikationen für die durchzuführende Untersuchung aufzudecken, konnte noch keine nähere Betrachtung eines der zentralen Teilaspekte dieser Arbeit aus der Theorie heraus vorgenommen werden. Es handelt sich dabei um die Übertragbarkeit des Corporate-Identity-Konzeptes auf den Online-Bereich und der Frage, inwieweit die Dimensionen der Identität vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Internetmediums angepasst oder erweitert werden müssen. Der Entwicklung des Forschungsmodells geht im nächsten Kapitel daher eine umfangreiche Literaturrecherche voran, mit der relevante Quellen der EBusiness-Forschung ausgewertet und für das Forschungsvorhaben nutzbar gemacht werden sollen.
110
4
Entwicklung des Forschungsmodells
Entwicklung des Forschungsmodells
Die Zielsetzung dieses Kapitels ist der Aufbau eines geeigneten Forschungsmodells zur Untersuchung der Wirkungselemente der Corporate Identity einer E-Brand auf die Einstellungsbildung beim Kunden. Obwohl das Vorgehen der vorliegenden Arbeit zu großen Teilen explorativ verankert ist, erfolgt in diesem Kapitel bereits die Ableitung erster Hypothesen über die in diesem Modell wirksamen Effekte, um konkrete Handlungsempfehlungen am Ende der Arbeit geben zu können. Als zentrale Untersuchungsinhalte wurden in den vorangegangenen Kapiteln die Einstellung zur E-Brand einerseits und die Wirkungselemente der EBrand-Identity als mögliche Einflussgrößen der Einstellung andererseits herausgestellt. Dies legt die Konzeption eines zweistufigen Forschungsmodells nahe, das in der ersten Stufe die für den Kontext der Net Economy relevanten Wirkungselemente identifiziert und in der zweiten Stufe die Wirkung dieser Elemente auf die Einstellungsbildung beim Kunden abbildet.
4.1
Grobkonzeption des Forschungsmodells
In diesem Kapitel erfolgt zunächst die Grobkonzeption bzw. Entwicklung des übergeordneten Untersuchungsmodells, das in den folgenden Kapiteln weiter spezifiziert und konkretisiert wird. Als erstes stellt sich die Frage nach der Wahrnehmungswirkung der Identitätselemente. Das in Kapitel 2.2.2.1 im Rahmen des verhaltensorientierten Ansatzes vorgestellte BrandEquity-Konzept diente zunächst als Identifikationsgrundlage eines geeigneten, nachgelagerten Erfolgskriteriums zur Erfassung dieser Wirkung. Die Wahl eines Kriteriums auf relativ niedriger Hierarchiestufe erlaubt die Abgrenzung der Wirkung der Identitätswahrnehmung von anderen Einflüssen. Daher empfiehlt sich für die vorliegende Arbeit das in Kapitel 3.2 theoretisch diskutierte Einstellungskonstrukt als geeignetes psychologisches Erfolgskriterium. Anhand der Literaturauswertung konnte festgestellt werden, dass das Einstellungskonstrukt als guter Indikator für die Erreichung psychologischer Markenziele genutzt werden kann. Eine Rekursion auf den verhaltensorientierten Ansatz macht deutlich, dass eine Integration des Identitätsaspektes in die verhaltensrelevanten Mechanismen des Markenaufbaus innerhalb des Brand Equity Konzeptes von Keller578 erfolgt. In seinem Modell stellt die Wahrnehmung der Identität einen direkten Einflussfaktor der Einstellung dar. Die Modellierung eines Zusammenhangs zwischen der Wahrnehmung der Wirkungselemente und der Einstellung als nachgelagertes, psychologisches Kriterium des Wirkungserfolges wurde bereits als Ziel der
578
Vgl. Keller 2003, S. 76ff.
C. Suckow, Markenaufbau im Internet,DOI 10.1007/978-3-8349-6198-3_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Entwicklung des Forschungsmodells
111
Erstellung eines integrativen E-Branding-Ansatzes hervorgehoben. Dieser Zusammenhang wird als übergeordnete Forschungshypothese folgendermaßen formuliert: H 1: Die positive Wahrnehmung der Corporate Identity hat einen positiven Einfluss auf die Einstellung zur E-Brand. In der vorliegenden Arbeit stellt der Zusammenhang zwischen den Dimensionen der Identitätswahrnehmung und dem Einstellungskonstrukt das Basismodell der Untersuchung dar (vgl. Abbildung 14).
Identitätsdimension (D1) Identitätsdimension (D2)
Einstellung zur E-Brand
Identitätsdimension (D3) Identitätsdimension (Dn) Wahrnehmung
Abbildung 14: Grobkonzeption des Basismodells der Untersuchung
Aufbauend auf diesem Basismodell werden in einem weiteren Schritt nun die einzelnen Modellkomponenten spezifiziert und konkretisiert, damit eine anschließende Wirkungsanalyse durchgeführt werden kann. Dazu muss im folgenden Kapitel zunächst überprüft werden, ob sich die aus der klassischen Corporate-Identity-Literatur abgeleiteten Identitätsdimensionen (Kommunikation, Verhalten, Design) auch auf den Kontext der Net Economy übertragen lassen und/oder durch weitere Dimensionen ergänzt bzw. modifiziert werden müssen. Dazu gilt es jedoch zuerst diejenigen Elemente zu identifizieren, die in der E-Branding-Literatur diskutiert werden, um zu überprüfen, ob sich mit diesen Elementen die Dimensionen abbilden und präzisieren lassen und für eine quantitative Erhebung messbar gemacht werden können. In Anlehnung an die aus der Theorie stammende Diskussion um die Konstitution des Einstellungskonstrukts wird in Kapitel 4.2.2 die konzeptionelle Dreiteilung der Einstellung wieder aufgegriffen und für das Forschungsmodell konkretisiert. Auch die in der Theorie gefundenen Moderatoren sollen Eingang in das Modell finden und in Kapitel 4.2.3 weiter spezifiziert werden.
112 4.2
Entwicklung des Forschungsmodells Spezifizierung der Modellkomponenten und Hypotheseentwicklung
Der erste Schritt in der Spezifizierung der Modellkomponenten besteht in der Identifizierung gültiger und für den E-Business Kontext relevanter Wirkungselemente der E-Brand-Identity, die den Merkmals- und Bedeutungsraum der Identitätsdimensionen abdecken und damit das Identitätskonstrukt hinreichend beschreiben. Außerdem wird in diesem Schritt eine Spezifizierung derjenigen Variablen vorgenommen, die einen möglichen moderierenden Effekt auf die Wirkungsbeziehungen ausüben. In einem zweiten Schritt müssen die identifizierten Dimensionen messbar gemacht werden, damit sie als Basis einer kausalen Wirkungsanalyse herangezogen werden können. In der Literatur wird dazu angemerkt, dass „die Bearbeitung dieser Teilaufgaben […] vor dem Hintergrund einer umfassenden Literaturrecherche erfolgen“579 sollte. Ferner bieten sich für diesen Prozess Expertengespräche an, die die Inhaltsvalidität und die Indikatorenverständlichkeit sicherstellen.
4.2.1
Spezifizierung der Identitätselemente
Über eine umfassende Literaturbestandsaufnahme können zunächst die relevanten Dimensionen des Identitätskonstrukts identifiziert werden, um sie im Anschluss daran durch Experteninterviews zu validieren und zu ergänzen bzw. zu überprüfen, ob sich über diese Elemente die traditionellen Identitätsdimensionen wiederfinden lassen. Die Literaturdurchsicht erfolgt dabei zunächst auf allgemeiner Ebene, um diejenigen Konstrukte zu identifizieren, die in der EBranding-Forschung eine dominierende Stellung einnehmen. Im Anschluss daran werden spezifische Identitätselemente über eine umfangreiche Literaturbestandsaufnahme herausgefiltert und soweit konkretisiert, dass sie als Komponenten in das Untersuchungsmodell aufgenommen werden können.
4.2.1.1 Literaturrecherche zu den zentralen Konzepten der E-Branding-Forschung Wie bereits in Kapitel 2.2.3.1 festgehalten werden konnte, muss die Corporate Identity als mehrdimensionales Konstrukt aufgefasst werden, das aus den Aspekten Kommunikation, Verhalten und Design besteht. In diesem Zusammenhang wurde aber auch festgestellt, dass es keine derartige Konzeptionierung im Kontext der Net Economy gibt, die eine eins-zu-eins Übertragung des Corporate-Identity-Konzepts erlauben würde. Zudem wurde deutlich, dass die drei Identitätselemente als zusammenfassende Aspekte des Bedeutungsraumes des Identitätskonstrukts verstanden werden müssen und daher als übergeordnete Konzepte zum Ver579
Giere/Wirtz/Schilke 2006, S. 683.
Entwicklung des Forschungsmodells
113
ständnis der Corporate Identity dienen. Vor diesem Hintergrund wird angenommen, dass sich die Corporate Identity im Internet hinsichtlich ihrer konzeptionellen Dreiteilung in Kommunikation, Design und Verhalten nicht von der traditionellen Corporate Identity unterscheidet. Für die Spezifizierung des Forschungsmodells müssen die kontextspezifischen Wirkungselemente der Markenidentität im Internet identifiziert werden, die den Merkmalsraum des Identitätskonstrukts ausreichend abdecken und den zuvor identifizierten Dimensionen unterzuordnen sind bzw. diese ausreichend abdecken. Mit Hilfe einer umfangreichen Literaturauswertung werden diejenigen Quellen herausgefiltert, die mögliche Anhaltspunkte für die Konstitution der Markenidentität im Internet bereithalten.580 Im Vordergrund der vorliegenden Arbeit steht die Wahrnehmung und Wirkung internetspezifischer Identitätselemente. Daher sollte die Betrachtung der Markenliteratur so ausgelegt sein, dass die internetspezifischen Identitätselemente aus einer rezipientenorientierten Perspektive untersucht werden können. Aufgrund der informationsökonomischen Ausrichtung internetbasierter Unternehmen (vgl. Kapitel 2.1.1.2) steht daher sicherlich die Perzeption von Inhalten (bzw. Informationen) im Vordergrund. Durch die vielfältigen Möglichkeiten, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Webinhalten existieren, kommt auch der Darstellung und der Nutzbarkeit dieser Inhalte für Rezipienten eine besondere Bedeutung zu. In der internationalen Zeitschriftendiskussion zur Wahrnehmung von Webseiten lassen sich zunehmend Beiträge finden, die das Zusammenspiel dieser drei Aspekte (Inhalt/Information, Benutzerfreundlichkeit,581 Darstellung) thematisieren.582 DeAngeli/Sutcliffe/Hartmann untersuchen z.B. den Einfluss, den die Wahrnehmung von Ästhetik, Inhalt, Informationsqualität und Usability auf die Bildung von Kundenpräferenzen hat.583 Sie konnten feststellen, dass die wahrgenommene Qualität der Inhalte stark von der Gestaltung der Schnittstellen abhängt und daher insbesondere dem Design eine zentrale Bedeutung in der Bildung von Kundenpräferenzen zukommt. Allerdings attestieren sie auch eine starke kontextuelle Abhängigkeit dieser Wirkungsbeziehung. Dass die Wahrnehmung von Webinhalten und Style der Seite einen signifikanten Einfluss auf die Attraktivität des Unternehmens haben, konnten Cober et al. in ihrer Studie belegen.584 Unter Style fassen sie sowohl 580
Vgl. Kollmann/Suckow 2008a. In der englischsprachigen Literatur wird die Benutzerfreundlichkeit als Usability bezeichnet. Dieser Begriff findet auch zunehmend Eingang in den deutschen Wortschatz und soll auch in dieser Arbeit als Synonym für die Benutzerfreundlichkeit verstanden werden. 582 Vgl. Ruckelshauß/Prenzel 2007, S. 264; DeAngeli/Sutcliffe/Hartmann 2006, S. 271ff.; Palmer 2002, S. 151ff.; Cober et al. 2003, S. 158ff. 583 Vgl. DeAngeli/Sutcliffe/Hartmann 2006, S. 271ff. 584 Vgl. Cober et al. 2003, S. 158ff. 581
114
Entwicklung des Forschungsmodells
die Ästhetik der Seite als auch die Benutzerfreundlichkeit zusammen, da sie beiden Konzepten viele Gemeinsamkeiten zusprechen. Allerdings wurde die Attraktivität des Unternehmens in dieser Studie von Arbeitssuchenden hinsichtlich der Attraktivität des Unternehmens als zukünftiger Arbeitgeber untersucht. Im Hinblick auf die Bedeutung einer ganzheitlichen Online-Markenstrategie unterstreichen Ruckelshauß/Prenzel die Rolle der Marke als Gestaltungsvorgabe für Inhalt, Struktur und Gestaltung der Website.585 Sie sehen in der Optimierung des inhaltlichen Angebotes, der Optimierung der Informationsarchitektur und der Optimierung des User Interface Design die zentralen Aspekte der Markenführung im Internet. Vorgaben zur Optimierung der Webseite sind auch bei Palmer zu finden.586 Gegenstand seiner Untersuchung ist der Erfolg der Website, den er über das Konzept der Kundenzufriedenheit ermittelt. Seine Ergebnisse zeigen, dass der Erfolg der Seite direkt von der Usability, dem Design und der Performance der Seite abhängen und diese damit zu den zentralen Erfolgsfaktoren der Website-Wahrnehmung gezählt werden müssen.587 Zusammenfassend lässt sich nach diesem kurzen Literaturüberblick festhalten, dass sich die zentralen Konzepte der E-Branding-Forschung auf die Konzepte Inhalt, Benutzerfreundlichkeit und Design eingrenzen lassen. Mit diesem Ergebnis lassen sich allerdings noch keine zufriedenstellenden Aussagen über die Eignung der Konzepte als elektronische Pendants zu den traditionellen Identitätsdimensionen machen. Daher soll im Rahmen einer umfangreichen Literaturrecherche untersucht werden, über welche elektronischen Identitätselemente der Bedeutungsraum der einzelnen elektronischen Identitätsdimensionen abgebildet und konkretisiert werden kann.
4.2.1.2 Literaturrecherche zu den Identitätselementen Die zentrale Anforderung an die einzelnen Modellkomponenten ist ihre Erfassbarkeit aus Kundensicht, da die Wahrnehmung der Identität und die Bewertung der Identität aus dieser Perspektive die zentralen Aspekte der Untersuchung darstellen. Für die umfassende Literaturrecherche wurde in erster Linie auf die für die Betriebswirtschaft sehr bedeutsame und umfangreiche Datenbank Ebscohost sowie den Social Science Citation Index zurückgegriffen, da sich ein Großteil der in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung angesiedelten Publikati-
585 586 587
Vgl. Ruckelshauß/Prenzel 2007, S. 264. Vgl. Palmer 2002, S. 151ff. Unter Performance werden in dieser Studie insbesondere die technischen Aspekte der Website zusammengefasst, wie z.B. die Erreichbarkeit der Seite oder die Ladedauer.
Entwicklung des Forschungsmodells
115
onen in dieser Datenbank wiederfinden lässt. Gesucht wurde gezielt nach publizierten Beiträgen, die (1) insbesondere in hochrangigen Journalen588 veröffentlich wurden, (2) sich zumindest ansatzweise mit den aufgeworfenen Fragestellungen auseinandersetzen und (3) empirische Befunde zu Identitätselementen im Internet präsentieren. Aufgrund der Fülle der gefundenen Studien, denen sich Anhaltspunkte für die Entwicklung eines geeigneten Untersuchungsmodells entnehmen lassen, werden in Tabelle 2 nur einige ausgewählte Arbeiten präsentiert.589 Dabei handelt es sich überwiegend um Studien, die sich mit dem Themenkomplex der Online-Servicequalität auseinandersetzen, wohingegen nur einige wenige Studien gefunden wurden, die die Wahrnehmung von Webseiten im Hinblick auf die Markenidentität direkt adressieren. Die Ergebnisse der Literaturrecherche zeigen, dass sich die aktuelle Forschung sehr intensiv mit den einzelnen Wirkungselementen auseinandersetzt. Daher ist es umso mehr verwunderlich, das es bis dato noch keine ernsthaften Bemühungen in der E-Branding-Forschung zur Erstellung eines geeigneten übergeordneten Konzeptes gibt, mit dem sich die Menge an Elementen strukturieren lässt. Zwar sind viele der aufgelisteten Arbeiten im Bereich der Webservice-Quality-Literatur angesiedelt, allerdings wird damit ein Themenfeld adressiert, das wesentliche Aspekte der E-Branding-Forschung, wie Produktqualität, Imageaspekte oder Identitätsverankerung, bewusst ausgrenzt. Eine der ersten Studie, die sich mit der Gestaltung von Webseiten auseinandergesetzt hat, ist die Studie von Chen/Wells.590 Sie identifizieren über eine umfangreiche Skalenentwicklung die Faktoren Information, Unterhaltung und Organisation als Einflussgrößen der Einstellung zur Webseite. Allerdings lassen sich die Skalen, wie sie in dieser Studie entwickelt wurden nicht für die Messung kundenseitiger Wahrnehmung nutzen und sind damit für die vorliegende Arbeit ungeeignet.
588
Als hochrangig wird in dieser Arbeit ein Journal bezeichnet, das laut VHBJourqual-Ranking 2008 mindestens mit B bewertet wurde und damit einen Impact Factor von 7 oder höher besitzt. Ein Gesamtüberblick ist in Anhang I zu finden. 590 Vgl. Chen/Wells 1999, S. 27ff. 589
116
Entwicklung des Forschungsmodells
Autor(en)
Elemente
Anhängige Variable
Childers et al. 2001
Navigation Bequemlichkeit Ersetzbarkeit der pers. Produktprüfung Unterhaltung Nutzen Informationsqualität Einfachheit/Verständnis Intuitive Bedienung Interaktivität Vertrauen Reaktion Navigation Interaktion Reaktion Information/Inhalt Personalisierung Interaktivität Informationsangebot Bequemlichkeit Design Design Informationen Bequemlichkeit Angebot Transaktionssicherheit Personalisierung Produktinvolvement Generelle Einstellung Reputation Werbung Sicherheit Vertrauenswürdigkeit Design Konsistenz Nutzen Nutzerfreundlichkeit Unterhaltung Vertrauen Reaktionszeit Kommunikation Kontrolle Reaktion
Einstellung
Loiacono/Watson/Goodhue 2002
Palmer 2002
Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002
Evanschitzky et al. 2004
Lee/Miller 2006
Goode/Harris 2007
Loiacono/Watson/Goodhue 2007
Song/Zinkhan 2008
Verhaltensintention
Zufriedenheit Verhaltensintention Nutzungshäufigkeit Kundenbindung
Zufriedenheit
Einstellung Verhaltensintention Verhaltensintention
Verhaltensintention
Einstellung Zufriedenheit Seitenqualität Verhaltensintention Wiederkauf Mundpropaganda
Tabelle 2: Ausgewählte Arbeiten zur Identifizierung der Wirkungselemente im Internet591
591
Eine ähnliche Sammlung ist auch bei Meeder zu finden, die in ihrer Arbeit die Sitegestaltung vor dem Hintergrund der Werbewirksamkeit untersucht und über die Identifizierung der Elemente ein Messinstrument zur Werbewirkungsmessung im Internet entwickelt, vgl. Meeder 2007, S. 64ff.
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Großen Einfluss auf die Online-Forschung hatte der einige Zeit später erschienene Beitrag von Srinivasan/Anderson/Ponnavolu über die Antezedenzien und Konsequenzen von Kundenbindung im Online-Business-to-Consumer (B2C) Kontext.592 In dieser Studie konnten sieben Faktoren identifiziert werden, die signifikanten Einfluss auf die E-Loyalität der Kunden haben. Obwohl die zu diesen Faktoren entsprechenden Skalen validiert wurden, werden einige Faktoren konzeptionell nicht klar voneinander abgegrenzt und können inhaltlich daher kaum spezifiziert werden. Den Faktor care definieren sie z.B. als “the attention that an eretailer pays to all the pre- and postpurchase customer interface activities” was inhaltlich dem Faktor cultivation ähnelt, der beschrieben wird als „the extent to which an e-retailer provides relevant information and incentives to its customers in order to extend the breath and depth of their purchases over time”.593 Andere Faktoren haben sich hingegen in der Online-Forschung bereits etabliert und werden immer wieder zur Messung bestimmter websitespezifischer Aspekte herangezogen.594 Einen weiteren einflussreichen Beitrag zur Online-Forschung leisten Goode/Harris mit ihrer Studie über die Einflussgrößen von Verhaltensintentionen bei Online-Shoppern.595 Sie sehen die positive Verhaltensintention als wichtige Voraussetzung für die Schaffung von Kundenbindung und erstellen ein Modell, das verschiedenen Antezedenzien und Moderatoren als Ursache für das Vorhandensein positiver Verhaltensintentionen darstellt. Insbesondere die wahrgenommene Reputation des Unternehmens und die Gestaltung der Seite haben ihrem Modell nach den größten direkten Einfluss auf die Verhaltensintention. Der Gestaltung von transaktionsbasierten Webseiten (E-Shops) haben sich auch Loiacono/Watson/Goodhue im Rahmen der Entwicklung ihrer WebQualTM-Skala gewidmet.596 Auf Basis von Nutzer- und Experteninterviews bildet die Skala die Charakteristika der Websitegestaltung ab, die sich speziell bei E-Shop-Seiten ergeben. Zusammenfassend lässt sich nach diesem Literaturrückblick festhalten, dass es auf der einen Seite sehr viele Artikel in der Online-Forschung gibt, die sich mit den verschiedenen Elementen der Websitegestaltung und -wahrnehmung auseinandersetzen, allerdings werden in keinem dieser Beiträge die Elemente vor dem Hintergrund der Wahrnehmung der CorporateIdentity untersucht. Entsprechend können die untersuchten Modelle lediglich als Partialmodelle aufgefasst werden, die sich ohne weitere Untersuchung nicht vollständig in ein Mo592
Vgl. Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002, S. 41ff. Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002, S. 43. Vgl. dazu beispielsweise DaSilva/Alwi 2008, S. 1045; Gunawan/Ellis-Chadwick/King 2008, S. 365; Steenkamp/Geyskens 2006, S. 142. 595 Vgl. Goode/Harris 2007, S. 512ff. 596 Vgl. Loiacono/Watson/Goodhue 2007, S. 51ff. 593 594
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dell zur Untersuchung des Markenaufbaus im Internet überführen lassen. Aufgrund dessen werden die für das Forschungsmodell notwendigen Identitätselemente der E-Brand im Rahmen einer qualitativen Einordnung der in der Forschungsliteratur zu findenden Konzepte entwickelt und mit Hilfe von Expertengesprächen inhaltlich auf ihre Gültigkeit und Angemessenheit überprüft.
4.2.1.3 Auswahl der Identitätselemente Ausgangsbasis für die Selektion geeigneter Identitätselemente ist zunächst die grobe Zusammenfassung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die in der Literatur für die verschiedenen Konzepte verwendet werden. Dazu wurden alle 63 Studien durchsucht, die in der Literaturrecherche als besonders relevant identifiziert werden konnten.597 Viele der Begrifflichkeiten ließen sich relativ einfach gruppieren und zu Kategorien zusammenfassen, so dass neun übergeordnete Konzepte identifiziert werden konnten. Nichtsdestotrotz gab es aber auch Begriffe, die sich keiner Kategorie eindeutig zuordnen ließen, in ihrer Summe aber auch keine sinnvolle neue Kategorie ergaben und daher eliminiert wurden.598 Die Sinnhaftigkeit der Zuordnung wurde im Anschluss daran durch Hinzunahme von Experten überprüft.599 Insgesamt stimmten alle Experten der Richtigkeit der Zuordnung zu und bestätigten die inhaltliche Ähnlichkeit der Begriffe. Gemeinsam wurden dann Begriffe formuliert, die die Kategorien so spezifisch wie möglich betiteln können (vgl. Abbildung 15). So wurde unter Transaktionsqualität all das zusammengefasst, was zu einem reibungslosen Ablauf einer Transaktion notwendig ist: Transaktionssicherheit, Transaktionstransparenz, Zuverlässigkeit (der Prozesse), Vertrauen, finanzielle Sicherheit. Durch dieses Vorgehen konnten insgesamt neun Faktoren identifiziert werden: Informationsqualität, Personalisierung, Unterhaltung, Interaktivität, Benutzerfreundlichkeit, Domainname, Design, Transaktionsqualität und Angebot/Nutzen. Anzumerken ist hier allerdings die Tatsache, dass aufgrund der konzeptionellen Überlegungen zwei Kategorien in der weiteren Untersuchung unberücksichtigt bleiben müssen, da sie nicht für die Situation des erstmaligen Besuchs einer Webseite geeignet sind. Bei einem erstmaligen Besuch kann weder die Transaktionsqualität noch das Angebot an sich (Produkte) beurteilt werden, da die Transaktion entwe597
Siehe dazu abermals die Tabelle in Anhang I. Beispiele hierfür sind: Anzahl der Features auf der Webseite, die virtuelle Erfahrung oder die Synchronisation mit offline Aktivitäten. 599 Als Experten dienten vier Wissenschaftler aus dem E-Business-Bereich der Universität Duisburg-Essen, sechs Online-Shopper, die regelmäßig über das Internet einkaufen, sowie drei Geschäftsführer von jungen EShops, die sich derzeit intensiv mit dem Thema Markenaufbau auseinandersetzen. 598
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der erst während oder nach dem erstmaligen Besuch getätigt werden konnte600 und daher auch noch kein kommerzielles Angebot des Shops wahrgenommen wurde. Letztendlich können über die ausführliche Literaturrecherche also sieben Identitätselemente identifiziert werden und als solche in das Untersuchungsmodell aufgenommen werden (vgl. Abbildung 15).
Kategorie
Begrifflichkeiten
Ausgewählte Quellen
Informationsqualität
Information, Informationsqualität, Inhalt Informationsgehalt, Informations- und Servicequalität, Produktinformationen, Kommunikation, Zusatzinformationen, Lesbarkeit des Inhalts, Inhaltsqualität, Text, Aktualität, Glaubwürdigkeit
Novak/Hoffman/Yung 2000, Szymanski/Hise 2000, Palmer 2002, Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002, Evanschitzky/Iyer/Hessea/Ahlert 2004, Song/Zinkham 2008
Benutzerfreundlichkeit
Organisation, Bequemlichkeit, Systemnutzung, Komplexität, Einfachheit der Bedienung, Navigation, Wahrgenommene Kontrolle, Intuitive Bedienung, Benutzerfreundlichkeit, Komplexität, Irritation
Szymanski/Hise 2000, Childers et al. 2001, Koufaris/ Kambil/Labarbera 2001, Palmer 2002, Srinivasan/ Anderson/Ponnavolu 2002 Dailey 2004, Evanschitzky/ Iyer/Hessea/Ahlert 2004, Song/Zinkham 2008
Interaktivität
Interaktivität, Multimedia, Flexibilität, Reaktion, Verhalten, Unterstützung/Betreuung, Reaktionszeit
Novak/Hoffman/Yung 2000, Palmer 2002, Srinivasan/ Anderson/Ponnavolu 2002, Song/Zinkham 2008
Design
Design, Kreativität, Shop-Atmosphäre, Website-Design, Gestaltung, Ästhetik , Layout, Farben, Bilder, Grafiken
Szymanski/Hise 2000, Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002, Mathwick/Malhotra/Rigdon 2002, Evanschitzky/ Iyer/Hessea/Ahlert 2004, Eroglu/Machleit/Davis 2003
Unterhaltung
Unterhaltung, Kaufvergnügen, Erlebnisqualität
Novak/Hoffman/Yung 2000, Childers et al. 2001, Koufaris/Kambil/Labarbera 2001, Mathwick/Malhotra/ Rigdon 2002
Personalisierung
Personalisierung, Individualität, Konfiguration
Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002
Domainname
Name, Markenname, Domainname, Zugangsadresse, Erreichbarkeit, Domain-Registrierung
Bauer/Grether/Leach 1998
Angebot/ Nutzen
Angebot, Nutzen, Funktionalität, Funktionale Qualität, Service, Qualität, Kernnutzen, Zusatznutzen
Szymanski/Hise 2000, Childers et al. 2001, Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002, Evanschitzky/Iyer/Hessea/Ahlert 2004
Transaktionsqualität
Transaktionssicherheit, Sicherheit, Finanzielle Sicherheit, Vertrauen, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Transkation, Prozess
Szymanski/Hise 2000, Evanschitzky/Iyer/Hessea/Ahlert 2004
Abbildung 15: Gruppierung der identifizierten Identitätselemente
4.2.1.4 Darstellung des mehrdimensionalen Corporate-Identity-Konstrukts Obwohl die Identifizierung der Identitätselemente der E-Brand mit der Literaturrecherche abgeschlossen ist, muss in einem nächsten Schritt noch die Übertragbarkeit der traditionellen Identitätsdimensionen auf den Online-Kontext überprüft werden. Um die dazu notwendige empirische Untersuchung des Modells jedoch im Vorfeld zu vereinfachen, wurden abermals die Experten gebeten, sich mit den vorgeschlagenen Kategorien auseinanderzusetzen und darüber zu diskutieren, welche Elemente welche Dimensionen abbilden und diesen damit zuzu-
600
Um sicherzustellen, dass die Teilnehmer der Studie tatsächlich Erstbesucher sind und keine Erfahrung mit dem Transaktionsprozess oder dem Angebot des E-Shops haben, muss zu Beginn der Befragung eine sog. Filterfrage integriert werden, über die die Erstbesucher anschließend eindeutig identifiziert werden können.
120
Entwicklung des Forschungsmodells
ordnen sind. Zwar war die Zuordnung nicht bei allen Elementen eindeutig, allerdings konnte sich auf eine Zuordnung geeinigt werden.601 Das Ergebnis ist in Abbildung 16 dargestellt. Die Elemente Interaktivität, Unterhaltung und Benutzerfreundlichkeit wurden von den Experten dem Corporate Behavior zugeordnet. Interaktivität stellt den Prozess der Kommunikation bzw. Modifikation von Inhalten innerhalb eines Mediums dar.602 Hierzu zählt insbesondere die Qualität der Zwei-Wege-Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager, als auch die Art und Weise wie der Anbieter auf eine Aktion bzw. Bewegung des Nachfragers reagiert.603 Damit besitzt Interaktivität sowohl eine kommunikative als auch eine verhaltensbezogene Komponente. Vor dem Hintergrund des E-Branding bezieht sich Interaktivität auf einer Shopseite auf den Austausch von Informationen und Inhalten zwischen Unternehmen und Kunden und ist dabei immer mit einer Interaktion verbunden. Damit ist ein gewisser Grad an aktivem Verhalten sowohl auf Unternehmens- als auch auf Nutzerseite notwendig, weshalb Interaktivität von den Experten zum Unternehmensverhalten gezählt wird. manifeste Dimensionen der latenten Konstrukte
latente Dimensionen des latenten Konstrukts
latentes Konstrukt
Interaktivität Unterhaltung
Corporate Behavior
Benutzerfreundlichkeit
Design
Corporate Design
E-BrandIdentity
Informationsqualität Personalisierung
Corporate Communication
Domainname
Abbildung 16: Mehrdimensionale Spezifizierung des Corporate-Identity-Konstrukts
Auch der Unterhaltungswert wird zu einem großen Teil als aktives Verhalten der Unternehmung aufgefasst. Dies hängt damit zusammen, dass der Stimulationswert einer Webseite so601
Die Zuordnung fand im Rahmen eines sog. Item-Sorting-Pretests statt. Die Experten wurden bei diesem Test gebeten, die zufällig angeordneten Elemente den drei Dimensionen zuzuordnen. Über die Eindeutigkeit und inhaltliche Relevanz bezüglich der Zuordnung vgl. die Ausführungen in 5.3.3.2. 602 Vgl. Hoffman/Novak 1996, S. 50ff.; Macias 2003, S. 32ff. 603 Vgl. Alba/Lynch 1997, S. 38.
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wohl auf den Inhalt selbst, als auch auf den Grad der Mediennutzung zur Darstellung der Inhalte zurückzuführen ist. Entscheidend dabei ist, dass über die Form der Inhaltspräsentation die Sinne des Nutzers so angesprochen werden, dass damit die Abrufbarkeit bzw. Verarbeitung von Informationen im Gedächtnis erleichtert wird.604 Unterhaltung ist damit ein Konzept, das zwar Ähnlichkeiten zum Design aufweist, wie dieses aber nicht die visuelle Erscheinung, sondern vor allem den Medieneinsatz und den Grad der darüber erreichten aktiven Stimulation umfasst. Meeder beschreibt unter diesen Gesichtspunkten Unterhaltung als Aktivierung des Nutzers bzw. die Lebendigkeit der Seite.605 Die Wahrnehmung der Lebendigkeit der Seite wird über die eingesetzten Stimuli gesteuert, die wiederum allein von den technischen Charakteristiken des Mediums abhängen.606 Ob der Grad der Unterhaltung jedoch als angenehm bzw. angemessen empfunden wird, hängt vor allem von den inter- und intraindividuellen Bedürfnissen der Nutzer ab.607 Unabhängig davon konnten Childers et al. in einer Studie über die funktionalen und hedonistischen Dimensionen des Online-Shoppings darstellen, dass ein positiv empfundener Unterhaltungswert einer E-Shop-Seite ein starker Prädikator der Einstellung gegenüber der Webseite ist.608 Zudem bestätigen Studien über die FlowTheorie609 die Bedeutung der wahrgenommenen Unterhaltung auf die Verweildauer der Besucher auf der Website und die Motivation, sich mit den Inhalten intensiv auseinanderzusetzten, was wiederum einen positiven Effekt auf die Akzeptanzentscheidung des Besucher hat.610 Der Grad der Mediennutzung ist auch im Zusammenhang mit der Benutzerfreundlichkeit der Seite zu sehen. Über die Benutzerfreundlichkeit einer Seite muss sichergestellt werden, dass die jeweiligen Ziele der Nutzer effektiv, effizient und zufriedenstellend erreichbar sind.611 Dazu sollte möglichst wenig kognitiver Aufwand zur Navigation innerhalb der Shopseiten notwendig sein. Ein wesentlicher Aspekt ist daher die logische, und intuitiv nachvollziehbare Strukturierung der Inhalte und die Antizipation möglicher Navigationspfade der Nutzer. Allerdings ist unter Benutzerfreundlichkeit nicht allein die Art und Weise zu verstehen, wie die Informationsstrukturen auf der Seite ausgelegt sind, sondern auch die Unterstützung der Navigation über die technischen Merkmale einer Seite (Ladezeiten etc.).
604
Vgl. Steuer 1995, S. 42. Vgl. Meeder 2007, S. 93. Vgl. Steuer 1995, S. 42. 607 Vgl. Katz/Blumler/Gurevitch 1973, S. 509. 608 Vgl. Childers et al. 2001, S. 511ff. 609 Zur Flow-Theorie vgl. Nakamura/Csikszentmihalyi 2002, S. 90; Bauer/Grether/Borrmann 2001, S. 17ff. 610 Vgl. Bauer/Falk/Reder 2007, S. 166. Für einen Überblick über verschiedene Akzeptanzmodelle vgl. Kollmann 1998a. 611 Vgl. Thielsch 2008, S. 15. 605 606
122
Entwicklung des Forschungsmodells
Unter den identifizierten Identitätselementen ist das Design das einzige Konstrukt, das die Designdimension der Corporate Identity abbilden kann. Eine Unterscheidung in manifeste und latente Dimensionen der Corporate Identity ist für das Design daher nicht sinnvoll. Anders als das Unternehmensverhalten und die Unternehmenskommunikation kann das Design direkt abgebildet und als eigenständige Dimension in das Modell aufgenommen werden. In Abgrenzung zu den anderen Identitätselementen stellt das Design die rein visuelle Wahrnehmung der Website dar und beschreibt das ästhetische Empfinden der Nutzer bei der Betrachtung der Seite. Als manifeste Dimension der Unternehmenskommunikation zählt nach Meinung der Experten die wahrgenommene Informationsqualität der Seite. Die Qualität der dargebotenen Informationen muss zur Verbesserung des Kaufentscheidungsprozesses des Nutzers beitragen und sollte daher vor allem den Kriterien der Verständlichkeit und Glaubwürdigkeit genügen.612 Informationsqualität wird häufig an Hand der vier Dimensionen beurteilt, die von Wang/Strong zum konzeptionellen Verständnis des Konstrukts differenziert werden: intrinsische Qualität, kontextuelle Qualität, visuelle Qualität und Erreichbarkeit der Informationen.613 Die Erreichbarkeit der Informationen ist einerseits bedingt durch die technische Qualität der Seite, wie z.B. die Geschwindigkeit des Seitenaufbaus oder Downloads, auf der anderen Seite aber auch durch die Zugänglichkeit der Webadresse im Sinne einer leichten Einprägsamkeit und Abrufbarkeit des Domainnamens.614 Des Weiteren stellt auch das Format in dem die Informationen dargestellt werden eines der Kriterien zur Beurteilung der Informationsqualität dar. Die visuelle Qualität beschränkt sich allerdings nicht auf das Website-Design (z.B. Logo, Farben etc.), sondern umfasst auch die Aufbereitung von Inhalten über multimediale Elemente zur Unterhlatung und damit Erleichterung der Informationsaufnahme.615 Sowohl das Design als auch der Unterhaltungswert der Seite werden aufgrund ihrer Bedeutsamkeit als eigentständige Identitätselemente erfasst und separat betrachtet. Intrinsische Qualität bezeichnet die Qualität der Informationen an sich und bezieht sich auf die Genauigkeit, Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Informationen.616 Die medienimmanenten Ansprüche an die Informationsqualität im Internet sind im Vergleich zu den klassischen Medien erheblich höher.617 Zu diesen Ansprüchen zählen auch Aspekte wie die Aktualität der
612
Vgl. Gräfe/Maaß 2008, S. 175. Vgl. Wang/Strong 1996, S. 5ff. Vgl. Huang/Lee/Wang 1999, S. 47. 615 Vgl. Strong/Lee/Wang 1997, S. 39. 616 Vgl. Huang/Lee/Wang 1999, S. 41. 617 Vgl. Zeithaml/Parasuraman/Malhotra 2002, S. 363. 613 614
Entwicklung des Forschungsmodells
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bereitgestellten Informationen, die Vollständigkeit der Produkt- und Unternehmensinformationen im Sinne von Tiefe und Breite der Informationsbasis als auch die Relevanz der Inhalte für die jeweilige Aufgabe.618 Die Relevanz der Inhalte entspricht der kontextuellen Qualität und bezeichnet das Ausmaß, mit dem die Informationen die zu bewältigenden Aufgaben des Besuchers unterstüzten.619 Sie ist eng mit der Personalsierung der Informationen verbunden, da nur solche Inhalte angezeigt werden sollen, die der Nutzer zur Befriedigung seines Bedürfnisses benötigt. In diesem Zusammenhang wird in der E-Branding-Forschung auch von Individualisierung über die Nutzbarmachung von individuellen Kundenprofilen gesprochen. Profile können aufgrund der bei jeder Interaktion mit dem Kunden anfallenden Daten gebildet werden und die angezeigten Informationen entsprechend des jeweiligen aktuellen Aufgabenbzw. Bedürfniskontextes des Nutzers anpassen. Personalisierung ist daher auch mit der Beeinflussung struktureller Aspekte durch den Nutzer verbunden, da eine dynamische Auswahl der benötigten Information erst über die zugrundeliegende Informationsarchitektur und dem passenden Matching mit dem Informationsbedürfnis ermöglicht wird. Als letztes Element wird der Domainname zur Unternehmenskommunikation gezählt. Der Domainname spielt aufgrund der fehlenden Möglichkeit zur physischen Überprüfung des Produktes bei der Vertrauensbildung eine wichtige Rolle. Der Domainname muss besonders dem Kriterium der ungestützten Abrufbarkeit genügen,620 da die Nutzer aktiv die Webseite der E-Brand aufsuchen müssen und dies voraussetzt, dass sie die Domain der E-Brand kennen und mit dem dort erhältlichen Angebot in Verbindung bringen. Außerdem ist die Vielfalt der Informationsangebote im Internet ausschlaggebend dafür, dass ein starker Domainname den limitierten kognitiven Fähigkeiten der Konsumenten und der immer geringer werdenden Medieneffizienz entgegen kommen muss. Aus diesen Überlegungen heraus lassen sich die folgenden, ersten deskriptiven Erkenntnisse zu der Konstitution der Corporate Identity im Internet ableiten: Die Wahrnehmung der Interaktivität, der Benutzerfreundlichkeit und des Unterhaltungswertes über die Webseite der E-Brand kann als Wahrnehmung des Corporate Behaviors zusammengefasst werden. Die Wahrnehmung der Informationsqualität, der Personalisierung und des Domainnamens über die Webseite der E-Brand kann als Wahrnehmung der Corporate Communication zusammengefasst werden. 618 619 620
Vgl. Bauer/Hammerschmidt/Falk 2005, S. 153ff. Vgl. Strong/Lee/Wang 1997, S. 39. Vgl. Kollmann/Suckow 2007a, S. 5.
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Entwicklung des Forschungsmodells
In Anknüpfung an die Diskussion relevanter, theoretischer Bezugspunkte und den ersten abgeleiteten deskriptiven Erkenntnisse können erste explikative Hypothesen erstellt werden: H 2.1: Die positive Wahrnehmung des Corporate Design hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Bewertung der E-Brand. H 2.2: Die positive Wahrnehmung des Corporate Behavior hat einen positiven Einfluss auf die affektive Bewertung der E-Brand. H 2.3: Die positive Wahrnehmung des Corporate Design hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Bewertung der E-Brand. H 2.4: Die positive Wahrnehmung des Corporate Design hat einen positiven Einfluss auf die affektive Bewertung der E-Brand. H 2.5: Die positive Wahrnehmung der Corporate Communication hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Bewertung der E-Brand. H 2.6: Die positive Wahrnehmung der Corporate Communication hat einen positiven Einfluss auf die affektive Bewertung der E-Brand. Im Rahmen dieser Hypothesen kann jedoch kaum davon ausgegangen werden, dass die den Identitätsdimensionen zugrundeliegenden Identitätselemente in gleichem Maße die Einstellungsbildung beim Kunden beeinflussen. Wie sich die Elemente in ihrer Einflussstärke unterscheiden ist hinsichtlich der Ableitung relevanter Implikationen für die Unternehmenspraxis von Bedeutung und soll daher über folgende Hypothese untersucht werden. H 2.7: Es bestehen Unterschiede in der Wirkung der Wahrnehmung der einzelnen Identitätselemente auf die Einstellung zur E-Brand.
4.2.2
Spezifizierung des Einstellungskonstrukts
Zur Spezifizierung des Einstellungskonstrukts ist es zunächst notwendig zwischen einer theoretisch-begrifflichen und empirisch-methodischen Ebene zu unterscheiden. Während auf der theoretisch-analytischen Ebene bereits für eine kompositionelle Dreiteilung des Einstellungskonstrukts plädiert wurde,621 wird auf der empirisch-methodischen Ebene häufig eine summarische Pro-Contra-Bewertung des Einstellungsobjektes vorgenommen, die auf den ersten
621
Vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, S. 87.
Entwicklung des Forschungsmodells
125
Blick die eindimensionale Auffassung der Einstellung unterstützt.622 Dieser scheinbare Widerspruch erweist sich bei genauerer Betrachtung für das vorliegende Forschungsvorhaben trotzdem als verträglich. Der Drei-Komponenten-Ansatz erfasst das Einstellungsobjekt auf einem niedrigeren Abstraktionsgrad als die summarische Pro-Contra-Bewertung und ist deshalb in der Lage, wesentlich spezifischere Gesichtspunkte zu differenzieren. Allerdings fließen auch hier die Bewertungen der Komponenten zu einem Globalurteil zusammen und können daher ebenfalls als summarische Bewertung der Einstellung verstanden werden, die aber komplexer und differenzierter ist, als bei eindimensionalen Messungen (vgl. Abbildung 17).
Konstrukt (theoretische Ebene)
Dimensionen (theoretische Ebene)
Indikatoren (empirische Variablen)
Skala (Zahlenzuordnung)
Item 1 affektive Merkmale
1
Item 2 Item 3
2
Item 1
Einstellung
kognitive Merkmale
Item 2
3
Item 3 Item 1 intentionale Merkmale
4
Item 2 Item 3
5
Abbildung 17: Operationalisierung des Einstellungskonstrukts623
Zusätzlich kann bei einer solchen Betrachtung die globale Bewertung durch unterschiedliche Gewichtungen der Komponenten individuell angepasst werden, um mögliche Unterschiede in der Bedeutung der Komponenten zu erlauben. Vor diesem Hintergrund wird das Einstellungskonstrukt gemäß der Drei-Komponenten-Theorie auf verschiedenen Ebenen betrachtet. Der abstrakte Einstellungsbegriff wird auf erster Ebene durch die drei Komponenten konkretisiert, die dann ihrerseits durch noch konkretere Indikatoren bestimmt werden. Im einfachs-
622 623
Vgl. Witte 1992, S. 44f. In Anlehnung an Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 238; Kroeber-Riel 1992, S. 183.
126
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ten Falle würden dadurch drei vergleichbare Skalen entstehen, die miteinander korrelieren und zusammen zu einer einzigen Dimension aggregiert werden.624 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aus der Gliederung in Kognition, Affekt und Handlungstendenz keine eindeutigen Richtlinien für die Gestaltung von Erhebungsinstrumenten ableitbar sind. Aufgrund der theoretischen Ausführungen in Kapitel 3.2.4.2 konnte das Einstellungskonstrukt jedoch schon als dreikompositionelles Konstrukt spezifiziert werden. Daraus ergibt sich die Frage, in welcher Relation die einzelnen Komponenten zueinander stehen und wie die Struktur des Konstrukts zu interpretieren ist. Wie in diesem Kapitel ebenfalls bereits angedeutet wurde, bewegen sich die meisten Interpretationen zwischen strukturalem und prädikativem Ansatz.625 Da in dieser Arbeit nicht die Beziehung der Komponenten zueinander im Vordergrund steht, sondern der Einfluss von Affekt und Kognition auf das Verhalten, wird der prädikative Ansatz zur Anordnung der Komponenten in dieser Studie bevorzugt. Diesem Ansatz nach gelten die Komponenten als weitestgehend unabhängig voneinander, was besonders in der motivationstheoretisch geprägten Zweck-Mittel-Konzeption der Einstellung deutlich wird.626 Einstellung wird in diesem Zusammenhang als Zusammenspiel von kognitiven und affektiven Prozessen definiert, die dann die Verhaltensintention und das Verhalten selbst beeinflussen und diese daher als abhängige Variable gesondert modelliert.627 Die Auffassung, dass Konation als nachgelagerte, abhängige Größe für Kognition und Affekt betrachtet werden muss, wird auch über die sog. E-V-Hypothese formuliert.628 Daraus abgeleitet ergibt sich foglende deskriptive Erkenntnis: Die Einstellung zur E-Brand konstituiert sich über die Komponenten Affekt, Kognition und Konation. Zusammenfassend lassen sich aus der vorangegangenen Diskussion folgende Forschungshypothesen für die vorliegende Arbeit ableiten: H 3.1: Je stärker das kognitive Urteil über die E-Brand ausfällt, desto stärker ist die daraus resultierende Verhaltensintention gegenüber der E-Brand.
624
Vgl. Witte 1992, S. 49. Vgl. Day 1972, S. 279. Vgl. Balderjahn/Scholderer 2007, S. 66. 627 Vgl. Diller 2007, S. 85. 628 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 217. 625 626
Entwicklung des Forschungsmodells
127
H 3.2: Je stärker das affektive Urteil über die E-Brand ausfällt, desto stärker ist die daraus resultierende Verhaltensintention gegenüber der E-Brand. In der empirischen Konsumentenforschung treten immer wieder Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der direkten Messung von einstellungsbezogenen Verhaltensweisen auf, da das faktische Verhalten selbst nicht nur durch die Einstellung, sondern durch eine Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst wird und damit nicht immer von einer Konsistenz zwischen Einstellung und Verhalten ausgegangen werden kann.629 Daher wird häufig auf die Verhaltensintention – wie sie auch in der Drei-Komponenten-Theorie zu finden ist – zurückgegriffen. Mit der Messung der Verhaltensintention wird lediglich die Absicht des Konsumenten, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten, gemessen. In diesen Zusammenhang wird Konation auch als entscheidungsbezogene Absicht definiert. Es ist davon auszugehen, dass eine geäußerte Verhaltensabsicht sowohl die Einstellung gegenüber der Marke, als auch die subjektive Einschätzung der zu erwartenden situativen Bedingungen und damit die antizipierten Einflüsse widerspiegelt. Sind Affekt und Kognition diesem Konstrukt vorgelagert, so können sie innerhalb des Forschungsmodells als Mediatoren betrachtet werden, die als Vermittler in der Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Identitätselemente und der Verhaltensabsicht zwischengeschaltet sind. Daraus werdden folgende Hypothesen abgeleitet: H 4.1: Die affektive Bewertung mediiert die Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Identität und der Verhaltensintention der E-Brand gegenüber. H 4.2: Die kognitive Bewertung mediiert die Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Identität und der Verhaltensintention der E-Brand gegenüber.
4.2.3
Spezifizierung der moderierenden Effekte
Einhergehend mit der im vorangegangenen Kapitel dargestellten Strukturinterpretation liegt die Schwierigkeit in der empirischen Validierung des Einstellungs-Verhaltens-Zusammenhangs, da die Einbeziehung weiterer Variablen notwendig wird, die in der Lage sind, das Ausmaß der Beziehung und damit die Prädiktorqualität der Einstellung zu erhöhen.630 Dies gilt nicht nur für die Vorhersage tatsächlichen Verhaltens, sondern bereits für die Verwen629 630
Vgl. Bonfadelli 2004, S. 99f. Vgl. Mummendey 1988, S. 2f.
128
Entwicklung des Forschungsmodells
dung der Verhaltensintention. Die Integration sog. Dritt- bzw. Moderatorenvariablen eignet sich gerade für solche Modelle weitaus besser, da Variablen, die Einfluss auf die Beziehung zwischen Verhaltensintention und tatsächlichem Verhalten haben, nicht berücksichtig werden müssen und damit die Zahl möglicher Einflussgrößen geringer ist. Fazio/Zanna stellen die situativen Bedingungen und das Involvement in diesem Zusammenhang als potentiell wichtigste moderierende Einflussgrößen auf den Wirkungsverlauf dar.631 Werden solche Aspekte nun als mögliche Moderatorenvariablen berücksichtigt, so sollte zumindest die gemeinsame Varianz zwischen den Einstellungsmaßen und der Verhaltensintention größer werden, was wiederum präzisere Aussagen über die Beziehung zwischen diesen zulassen würde. Zumindest in einigen Studien wurden bereits deutlich höhere Vorhersagekoeffizienten bei der gemeinsamen Betrachtung von Einstellung und Moderatorenvariablen gefunden.632 Insgesamt lassen sich die Moderatoren, die sich in der Einstellungsforschung bisher als signifikante Einflussgröße herausgestellt haben, in situative und personenbezogene Faktoren unterscheiden.
4.2.3.1 Situative Faktoren Abgeleitet aus der bisherigen Forschungsliteratur werden personen- und situationsbezogenen Merkmale unterschieden, die als Konnektoren oder Inhibitoren die Beziehung zwischen Einstellung und Verhaltensintention erhöhen, respektive erniedrigen.633 Wilke/Lanzetta konnten beispielsweise die Relevanz bereits gemachter Erfahrungen mit dem Einstellungsobjekt für die Verhaltensintention demonstrieren.634 Da in der vorliegenden Studie jedoch nur Erstbesucher der Seite befragt wurden, kann Erfahrung als Moderator ausgeschlossen werden. Eine weitere Variable stellt das zugrundeliegende Motiv des Shop-Besuchers dar. Mathwick/ Malhotra/Rigdon haben in ihrer Studie gezeigt, dass das Motiv des Nutzers einen signifikanten Einfluss auf die Wahrnehmung der Identitätselemente hat.635 Sie konzentrieren sich dabei auf das Ziel des Shop-Besuchs und damit der extrinsischen Motivation des Nutzers. Auch Nysveen/Pedersen haben die Wirkung einer zielorientierten Suche auf die Verhaltensintention untersucht und einen signifikanten Zusammenhang festgestellt.636 Im Zuge dieser Untersuchung stellte sich ebenfalls das wahrgenommene Risiko für den Kauf eines Produktes (Motiv) 631
Vgl. Fazio/Zanna 1981, S. 165. Vgl. z.B. Wicker 1971, S. 18ff. Vgl. Six 1980, S. 74. 634 Vgl. Wilke/Lanzetta 1970, S. 488ff. 635 Vgl. Mathwick/Malhotra/Rigdon 2002, S. 51ff. 636 Vgl. Nysveen/Pedersen 2005, S. 288. 632 633
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129
als besonders starke Einflussgröße dar. Das wahrgenommene Kaufrisiko wird als Unsicherheitsgefühl in der Entscheidungssituation bezüglich der Handlungsfolgen aufgefasst.637 Da sich die Erstbesucher der Shop-Seite aber nicht zwangsweise in einer tatsächlichen Entscheidungssituation wiederfinden, wird angenommen, dass das wahrgenommene Kaufrisiko lediglich für Besucher mit einem konkreten Kaufmotiv von Bedeutung ist: H 5.1: Das wahrgenommene Kaufrisiko hat einen signifikanten Einfluss auf die Beziehung zwischen Wahrnehmung der Identität und der Einstellung zur E-Brand. Neben diesen situativen Faktoren wurden in der Forschungsliteratur auch einige personenbezogene Faktoren als mögliche Einflussgrößen auf die Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Identitätselemente und der Einstellung etabliert.
4.2.3.2 Personenbezogene Faktoren Unter den personenbezogenen Faktoren stellt das Involvement die bedeutsamste Einflussgröße auf die Wahrnehmung der Identitätselemente dar, da das Involvement den gesamten Prozess der Informationsverarbeitung beeinflusst und darüber erheblichen Einfluss auf den Aufbau von markenspezifischen Gedächtnisstrukturen haben kann.638 Das Involvementkonstrukt wurde im Wesentlichen von der sozialpsychologischen Einstellungsforschung der 40er Jahre geprägt und bezeichnet den Grad der subjektiven persönlichen Betroffenheit.639 Im Marketing hat sich das Involvement später als Bestandteil verhaltenstheoretischer Grundlagen etabliert und „zählt nun zu den wichtigsten Konstrukten zur Beschreibung, Erklärung, Prognose und Beeinflussung des Käuferverhaltens“.640 Involvement ist der Grad der Ich-Beteiligung bzw. das Engagement, das mit einer objektgerichteten Informationsverarbeitung und dem resultierenden Verhalten verbunden wird. Involvement wird allgemein definiert als „an internal state variable that indicates the amount of arousal, interest, or drive,“641 welches durch einen bestimmten Stimulus (z.B. Produkt) oder einer Situation hervorgerufen wird.642 Die Ausprägung des Involvements wirkt sich auf die Richtung und Intensität der Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung
637
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 436. Vgl. Esch 2006, S. 80. Vgl. Sherif/Sherif 1967, S. 190ff. 640 Trommsdorff 1995, S. 1067. 641 Beatty/Smith 1987, S. 88. 642 Vgl. Mitchell 1979, S. 191. 638 639
130
Entwicklung des Forschungsmodells
aus,643 was zu unterschiedlichen Informationsbedürfnissen innerhalb von Entscheidungsprozessen führen kann.644 Stärker involvierte Kunden sind motivierter für die Evaluation eines Objektes kognitive Prozesse in Gang zu setzen.645 Somit ist bei High-Involvement folgender Vorgang zu beobachten: Zunächst werden Informationen aufgenommen (Perzeption) und verarbeitet (Kognition) und im Anschluss daran Einstellungen gebildet, die im positiven Fall zu Sympathie und Präferenz führen.646 Führt das darauf erfolgte Handlungsergebnis zu Zufriedenheit, wird die Handlung wiederholt. Beim Low-Involvement hingegen folgt auf die Perzeption und Kognition direkt eine Handlung. Die Bewertung der Handlung (die gemachte Erfahrung) führt dann zu einer markenbezogenen Einstellung. Diese gravierenden Unterschiede in der Informationsverarbeitung haben weitreichende Konsequenzen für das Branding, da beim High-Involvement bereits während der präaktiven Phase über die Kommunikation eine positive Einstellung zur Marke erreicht werden kann, beim Low-Involvement kann in dieser Phase lediglich die Markenbekanntheit hergestellt werden. Demzufolge werden Einstellungen bei High-Involvement Situationen eher über die Vermittlung produktbezogener Informationen, bei Low-Involvement eher über die Vermittlung peripherer Informationen erreicht, die den assoziativen Kontext der Marke ansprechen und damit in der Lage sind, Emotionen zu wecken.647 Involvement wird also als die Motivation, Fähigkeit und Gelegenheit definiert, sich mit den Argumenten der Botschaft auseinanderzusetzen. Je höher das Involvement ist, desto eher wird die Qualität der Argumente vom Rezipienten beurteilt, wohingegen Einstellung bei abnehmenden Involvement eher durch gestalterische Formen der Botschaft und die Häufigkeit der Präsentation geprägt wird. Dieser Zusammenhang wurde bereits im Rahmen des Elaboration-LikelihoodModells von Petty/ Carcioppo648 näher betrachtet (vgl. Kapitel 3.3.2.1.1) Das stimulusspezifische Involvementkonstrukt muss aufgrund der inhaltstheoretischen Vorüberlegungen für die vorliegende Untersuchung in das Produkt- und Shopping-Involvement unterteilt werden.649 Beim Produkt-Involvement weckt die Produktgruppe selbst das persönliche Interesse des Konsumenten und ist unabhängig von einer spezifischen Kaufsituation.650
643
Vgl. Celsi/Olson 1988, S. 210ff.; Trommsdorff 2004, S. 56. Vgl. Kapferer/Laurent 1985, S. 48. 645 Vgl. Foxman/Muehling/Berger 1990, S. 175. 646 Vgl. Abel 2001, S. 48. 647 Vgl. Abel 2001, S. 48f. 648 Vgl. Petty/Cacioppo 1986b, S. 123ff. 649 Vgl. Mittal 1989, S. 697ff. 650 Vgl. Venkatraman 1989, S. 231. Ein hohes Produkt-Involvement ist vor allem bei jenen Produkten zu beobachten, die einen hohen Stellenwert für Konsumenten besitzen und die soziale Akzeptanz fördern (Vgl. Bloch/Richins 1983, S. 74). Konsumenten erwerben sich dabei aktiv Wissen und Expertise. 644
Entwicklung des Forschungsmodells
131
Es kann davon ausgegangen werden, dass die neuen Eigenschaften einer Marke eher von Personen wahrgenommen werden, die ein hohes Involvement mit der zugrundeliegenden Produktkategorie aufweisen,651 und das Produktinvolvement deshalb die Stärke der Beziehung zwischen Wahrnehmung und Einstellung beeinflusst. Daraus lässt sich folgende Hypothese für die vorliegende Arbeit ableiten: H 5.2: Das Produktinvolvement hat einen signifikanten Einfluss auf die Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Identiät und der Einstellung zur E-Brand. Über das Produkt-Involvement hinaus konnte in diversen empirischen Studien zudem festgestellt werden, dass das generelle Shopping-Involvement für das sog. approach behavior – also der Verhaltensintention – von Bedeutung ist.652 Wakefield/Baker konnten aufzeigen, dass ein höheres Interesse am Einkaufen dazu führt, dass die Kunden mehr Zeit für die Suche nach Produkten und Produktinformationen aufbringen und sich entsprechend länger in dem jeweiligen Geschäft aufhalten.653 Übertragen auf das Shopping-Involvement in OnlineUmgebungen kommen Balabanis/Reynolds zu einem ähnlichen Ergebnis. Kunden mit einem hohen Shopping-Involvement sind eher bereit, mehr Informationen auf der Seite zu suchen und neue Stimuli zu entdecken.654 In diesem Zusammenhang haben auch Kwak/Fox/Zinkhan gezeigt, dass Kunden mit einem hohen Online-Shopping-Involvement generell mehr Produkte online einkaufen als Kunden mit einem niedrigen Online-Shopping-Involvement.655 Daraus lässt sich folgende Hypothese für die vorliegende Arbeit ableiten: H 5.3: Das Shoppinginvolvement hat einen signifikanten Einfluss auf die Beziehung zwischen Wahrnehmung der Identität und der Einstellung zur E-Brand. In einigen Studien wird auch das situationsbezogene Involvement herausgestellt. Das situative Involvement entsteht allerdings nur temporär, da sich der Kunde erst dann eingehend mit einem Produkt befasst, sobald eine produktbezogene Entscheidung ansteht. In der Regel ist in solchen Entscheidungen kein grundsätzliches Produktinteresse vorhanden; es werden lediglich die Informationen evaluiert, die zur Vermeidung eines Fehlkaufs notwendig erscheinen. Folglich muss einem situativen Involvement nicht zwangsläufig eine Produkt-Involvement
651
Vgl. Gierl/Stumpp 2000, S. 279. Vgl. Kim/Fiore/Lee 2007, S. 99. Vgl. Wakefield/Baker 1998, S. 515ff. 654 Vgl. Balabanis/Reynolds 2001, S. 105ff. 655 Vgl. Kwak/Fox/Zinkhan 2002, S. 23ff. 652 653
132
Entwicklung des Forschungsmodells
vorausgehen.656 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung spielt das situative Involvement nur eine untergeordnete Rolle, da aufgrund des aktiven Aufsuchens der Seite bereits ein situatives Involvement vorliegt und die Besucher sich daher in dieser Hinsicht nicht voneinander unterscheiden. Generell wird das Internet daher im Rahmen des Medien-Involvements ähnlich wie Printmedien auch als High-Involvement-Medium aufgefasst.657 Eng mit dem generellen Medien-Involvement verbunden ist die sog. Medienkompetenz eines Besuchers. Im Falle einer hohen Medienkompetenz liegt in der Regel der Gebrauch eines sog. situationsadäquaten Ablaufschemas bzw. Skripts vor, das als schnelle und einfache Selektionsheuristik genutzt wird.658 In diesem Zusammenhang haben Bruner/Kumar in ihrere Studie festgestellt, dass eine hohe Kompetenz in dem Umgang mit dem Medium Internet zu einer positiveren Einstellung zur Webseite führt.659 Je häufiger ein spezifisches Ablaufschema Anwendung findet, desto routinierter wird der Informationsselektions- und Wahrnehmungsprozess ausgeführt.660 Gournaris/Dimitriadis/Stathakopoulos konnten zeigen, dass das Ausmaß kognitiver Vorgänge einen großen Einfluss auf den Wahrnehmungsprozess und damit die Einstellungsbildung hat.661 Schlussfolgernd wird vermutet, dass eine geringe Medienkompetenz aufgrund fehlender, routinierter Wahrnehmungsprozesse und dem daraus resultierenden, erhöhten kognitiven Aufwand bei der Informationsverarbeitung einen starken Einfluss auf die Beziehung zwischen Wahrnehmung der Identitätselemente und der Einstellung hat. Bezüglich der Medienkompetenz wird folgende Hypothese aufgestellt: H 5.4: Je geringer die Medienkompetenz, desto stärker ist der Einfluss auf die Beziehung zwischen Wahrnehmung der Identiät und der Einstellung zur E-Brand.
4.3
Zusammenfassung der Forschungshypothesen
In der Einleitung des Kapitels wurden zunächst die für die Forschungsfrage I und II notwendigen übergeordneten Forschungshypothesen dargelegt. Aufgrund der theoretischen Überlegungen zu dem identitätsorientierten und verhaltensorientierten Ansatz wird angenommen, dass die positive Wahrnehmung der Identitätselemente einen hohen Erklärungsanteil an der
656
Vgl. Schweizer 2004, S. 121. Vgl. Trommsdorff 2009, S. 53. Vgl. Ottler 1998, S. 131ff.; Martínez-López/Luna/Martínez 2005, S. 312ff. 659 Vgl. Bruner/Kumar 2000, S. 36. 660 Vgl. Abelson 1967, S. 33ff.; Betsch et al. 2001, S. 23ff. 661 Vgl. Gournaris/Dimitriadis/Stathakopoulos 2005, S. 675. 657 658
Entwicklung des Forschungsmodells
133
positiven Einstellung zur E-Brand hat und darüber die Verknüpfung der beiden Ansätze generell möglich wird (H 1).
Hypothese H1
Übergeordnete Untersuchungshypothesen Exogene Variable Endogene Variable Wahrnehmung der Corporate Identity Einstellung zur E-Brand
Vorzeichen +
Tabelle 3: Zusammenfassung der übergeordneten Forschungshypothese
Des Weiteren konnte bereits die Dreidimensionalität des Identitätskonstrukts aus der Literatur abgeleitet werden, wobei jedoch die Frage aufgeworfen wurde, ob sich diese Konstitution auch auf den Kontext der Net Economy übertragen lässt. Da die Dimensionen als übergeordnete und im Wesentlichen konzeptionelle Aspekte des Bedeutungsraumes des Identitätskonstrukts aufgefasst werden, wird angenommen, dass sie sich ebenfalls für die Corporate Identity im Internet nutzen lassen. Die vorangegangenen Darstellungen haben zusätzlich erste Erkenntnisse über die Dimensionalität bzw. Konstitution der relevanten Konstrukte geliefert. Diese umfassen die deskriptiven Erkenntnisse, dass sich das Unternehmensverhalten über die Elemente Interaktivität, Benutzerfreundlichkeit und Unterhaltung und die Unternehmenskommunikation über die Elemente Informationsqualität, Personalisierung und Domainname abbilden lassen, als auch die Erkenntnis, dass sich die Einstellung zur E-Brand aus den Komponenten Affekt, Kognition und Konation zusammensetzt. Dimensionalität der Konstrukte Komponenten/Dimensionen/Elemente Corporate Behavior, Corporate Design, Corporate Communication
Konstrukt Identität
Interaktivität, Benutzerfreundlichkeit, Unterhaltung
Corporate Behavior
Informationsqualität, Personalisierung, Domainname Kognition, Affekt, Konation
Corporate Communication Einstellung zur E-Brand
Tabelle 4: Zusammenfassung der deskriptivenErkenntnisse
Auf diesen Erkenntnissen aufbauend lassen sich die aufgestellten Hypothesen in verschiedene Gruppen unterteilen. Die aufgeworfene Frage, wie die kognitive und affektive Bewertung durch die Wahrnehmung der Identitätselemente der E-Brand beeinflusst wird, bildet die Grundlage des ersten Hypothesenblocks innerhalb der explikativen Hypothesen. Obwohl für alle drei Dimensionen der Corporate Identity angenommen wird, dass sie einen Positiven signifikanten Einfluss auf die kognitive und affektive Bewertung der E-Brand haben (Hypothesen H 2.1 - H 2.6), wird unterstellt, dass das Ausmaß bzw. die Wirkung der Wahrnehmung der einzelnen Dimensionen auf die Bewertung unterschiedlich stark ausfällt (Hypothese H 2.7).
134
Hypothese H 2.1 H 2.2 H 2.3 H 2.4 H 2.5 H 2.6 H 2.7
Entwicklung des Forschungsmodells Wirkungselemente der E-Brand-Identity → kognitive und affektive Bewertung Exogene Variable Endogene Variable Vorzeichen Corporate Behavior Kognition + Corporate Behavior Affekt + Corporate Design Kognition + Corporate Design Affekt + Corporate Communication Kognition + Corporate Communication Affekt + Unterschiede zwischen DimensioKognition, Affekt nen
Tabelle 5: Zusammenfassung des ersten explikativen Hypothesenblocks
Im Bereich der endogenen Variablen wird vermutet, dass sich sowohl die kognitive als auch die affektive Bewertung der wahrgenommenen Identitätselemente der E-Brand signifikant auf die Verhaltensintention des Websitebesucher auswirken (H 3.1, H 3.2).
Hypothese H 3.1 H 3.2
kognitive und affektive Bewertung → Verhaltensintention Exogene Variable Endogene Variable Kognition Konation Affekt Konation
Vorzeichen + +
Tabelle 6: Zusammenfassung des zweiten explikativen Hypothesenblocks
Als wesentlicher Bestandteil der explikativen Forschungshypothesen gelten auch die Hypothesen über die mediierenden und moderierenden Effekte. So wird aufgrund der aus der Einstellungstheorie abgeleiteten Erkenntnisse vermutet, dass die affektive und kognitive Bewertung der Verhaltensintention vorgelagert sind und diese damit als abhängige Größe von Affekt und Kognition bezeichnet werden kann (H 4.1, H 4.2).
Hypothese H 4.1 H 4.2
Mediator Affekt Kognition
Mediierende Effekte Beziehung Wahrnehmung CI → Konation Wahrnehmung CI → Konation
Tabelle 7: Zusammenfassung der Hypothesen zu den mediierenden Effekten
Zusätzlich zu diesen mediierenden Effekten werden moderierende Effekte vermutet (vgl. Tabelle 8). Darunter fällt die Annahme, dass bei Vorliegen eines Kaufmotives das wahrgenommene Risiko einen signifikanten Einfluss auf die Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Identitätselement und der Einstellung zur E-Brand hat (H 5.1). Weiterhin wird vermutet, dass das in der Konsumentenforschung häufig verwendete Involvementkonstrukt einen moderierenden Effekt auf die Beziehung ausübt. Vor allem das Ausmaß des Shopping- und ProduktInvolvements trägt dazu bei, wie intensiv sich der Besucher mit den dargestellten Inhalten auseinandersetzt und zur Einstellungsbildung nutzt (H 5.2 - H 5.3). Als letzter Moderator wird
Entwicklung des Forschungsmodells
135
in der vorliegenden Arbeit die Medienkompetenz des Besuchers untersucht. Es wird vermutet, dass eine niedrige Medienkompetenz dazu führt, dass die zur Einstellungsbildung notwendigen kognitiven Prozesse umfangreicher ausfallen als bei hoher Medienkompetenz und daher einen signifikanten Einfluss auf die Wirkungsbeziehung der Wahrnehmung der identitätsspezifischen Stimuli auf der Website und der Beurteilung der E-Brand aufweisen (H 5.4).
Hypothese H 5.1 H 5.2 H 5.3 H 5.4
Moderierende Effekte Moderator Moderierte Beziehung Wahrgen. Risiko bei Kaufmotiv Wahrnehmung der CI → Einstellung Produkt Involvement Wahrnehmung der CI → Einstellung Shopping Involvement Wahrnehmung der CI → Einstellung Medienkompetenz Wahrnehmung der CI → Einstellung
Wirkung Stärker Stärker Stärker Schwächer
Tabelle 8: Zusammenfassung der Hypothesen zu den moderierenden Effekten
Die entwickelten Hypothesen können nun innerhalb des aufgestellten Forschungsmodells visualisiert werden. Da nicht alle Hypothesen in einer Abbildung untergebracht werden können, werden zwei verschiedenen Darstellungen des Forschungsmodells verwendet. In Abbildung 18 wird das detaillierte Wirkungsgefüge dargestellt.
Interaktivität
Benutzerfreundlichkeit
Corporate Behavior
H 2.1/H 2.2
Kognition
H 3.1
Unterhaltung Corporate Design
H 2.3/H 2.4
Informationsqualität
Personalisierung
Konation
Affekt
Corporate Communication
H 3.2
H 2.5/H 2.6
Domainname
Abbildung 18: Das Forschungsmodell (detailliertes Wirkungsgefüge)
In der zweiten Abbildung folgt eine zusammenfassende Darstellung des Forschungsmodells, um auch die Einordnung der übergeordneten Forschungshypothesen und der Hypothesen bezüglich der moderierenden Effekte darstellen zu können (vgl. Abbildung 19).
136
Entwicklung des Forschungsmodells
H1 Identität
Einstellung
H 5.1
Wahrg. Risiko
H 5.2/H 5.3
Produkt-/ Shopping Involvement
H 5.4 Medienkompetenz
Abbildung 19: Das Forschungsmodell (übergeordnetes Wirkungsgefüge)
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
5
137
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Im vorangegangenen Kapitel wurden die zu untersuchenden Konzepte inhaltlich bestimmt und erste Hypothesen zu den Wirkungsbeziehungen aufgestellt. Dieses Vorgehen dient als Grundlage für Kapitel 5, das die Hypothesen mit Hilfe einer geeigneten Methodik empirisch überprüft. Hierzu wird in Kapitel 5.1 ein adäquates Design für die empirische Untersuchung konzipiert, deren Durchführung in Kapitel 5.2 beschrieben wird. Kapitel 5.3 widmet sich der Auswertung der Ergebnisse und der Hypothesenprüfung. Das Vorgehen der empirischen Untersuchung in dieser Arbeit orientiert sich an den allgemeinen, methodischen Vorgehensweisen der empirischen Forschung662 und ist in Abbildung 20 dargestellt. Entwicklung des Messinstruments Literaturrecherche
• Literaturrecherche zu möglichen Messmodellen der in Kapitel 4 entwickelten Konzeptionierungen
Vorläufige Operationalisierung, Fragebogenentwurf
• Operationalisierung auf Basis bestehender Messmodelle • Ggf. Modifikation bei abweichender Konzeptionierungen
Pre-Tests
• Validierung der Operationalisierung • Sicherstellung von Eindeutigkeit und Verständlichkeit des Fragebogens
Revidierte Operationalisierung, finaler Fragebogen
Auswahl der Methode
Datenerhebung
Datenanalyse
Kapitel 5.1
• Überarbeitung der ursprünglichen Operationalisierung • Feinabstimmung des Fragebogens
• Bewertung verschiedener kausalanalytischer Verfahren • Varianzbasierte Auswertung mit PLS
• Quantitative Untersuchung mittels Online-Befragung
Kapitel 5.2
• Gütebeurteilung der Messmodelle • Gütebeurteilung des Strukturmodells • Analyse moderierender Effekte
Kapitel 5.3
Abbildung 20: Vorgehensweise der empirischen Untersuchung663
5.1
Das Untersuchungsdesign
Zu Beginn des Kapitels wird ein geeignetes Messinstrument für das Untersuchungsmodell durch die Operationalisierung der Modellkonstrukte entwickelt. Darauf folgt eine kurze Sys662 663
Vgl. Bühner 2009; Atteslander 2008; Bortz/Döring 2006; Schnell/Hill/Esser 2008. In Anlehnung an Brinkmann 2008, S. 149.
C. Suckow, Markenaufbau im Internet,DOI 10.1007/978-3-8349-6198-3_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
138
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
tematisierung kausalanalytischer Verfahren, um ein geeignetes Analyseverfahren für das vorliegende Forschungsmodell auszuwählen (vgl. Kapitel 5.1.1). Dieses Vorgehen ist besonders wichtig, da bei der Bestimmung des Untersuchungsdesigns bereits Klarheit über die anzuwendende Auswertungsmethodik herrschen sollte und alle verfahrensspezifischen Anforderungen ausreichend berücksichtigt werden können.664 Darauf aufbauend werden die verschiedenen Gütemaße vorgestellt, die zur Beurteilung von Messmodellen geeignet sind und Aufschluss über die Qualität der eingesetzten Skalen für das Forschungshaben geben.
5.1.1
Entwicklung eines Messinstruments
Bevor die empirische Überprüfung des entwickelten Untersuchungsmodells durchgeführt werden kann, ist es notwendig, ein geeignetes Messinstrument zur Erhebung der Daten zu entwickeln. Dieser Vorgang wird auch als Operationalisierung bezeichnet.665 Im Rahmen der Operationalisierung werden für jede latente Variable Befragungsindikatoren festgelegt und die Art der Beziehung dieser zur latenten Variable definiert.666 Die Art der zugrundegelegten Beziehung hat nicht nur entscheidenden Einfluss auf die Vorgehensweise der Operationalisierung, sondern auch auf die Interpretation der ermittelten Konstrukt- und Indikatorenwerte, da jeweils andere Kriterien zur Gütebeurteilung der Messmodelle herangezogen werden. Ob diese Beziehung formativer oder reflektiver Art ist, hängt von der unterstellten Wirkungsbeziehung zwischen Indikatoren und latenter Variable ab. Die Art des zugrunde liegenden Messmodells hat entscheidenden Einfluss auf die Vorgehensweise bei der Operationalisierung und demnach auch auf die Interpretation der gemessenen Indikatoren- und Konstruktwerte.
5.1.1.1 Vorgehensweise bei der Operationalisierung Als Operationalisierung wird der Entwicklungsprozess der Messung von theoretischen Konstrukten bezeichnet.667 Grundlage der Operationalisierung von Konstrukten ist die Bestimmung des Datenerhebungsinstruments und die Auswahl der Indikatoren, die eine möglichst präzise Zuweisung realer Sachverhalte zu den Konstrukten ermöglichen sollen. Die Entscheidung darüber, wie die Operationalisierung eines Konstrukts aussieht, erfolgt über die Anwen-
664
Vgl. Robson 2002, S. 58. Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 5. Vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 717. 667 Vgl. Schnell/Hill/Esser 2008, S. 10. 665 666
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
139
dung spezifischer, aus der Literatur entwickelter Kriterien.668 Oberstes Kriterium ist die Richtung der Kausalität zwischen den Indikatoren und der latenten Variable (reflektiv/formativ).669 Generell lassen sich die Operationalisierungsmethoden reflektiver und formativer Messmodelle anhand der Schritte (1) inhaltliche Spezifikation der Konstrukte, (2) Generierung des Itempools, (3) Selektion der Indikatoren, (4) Sicherstellung der Inhaltsvalidität, Eindeutigkeit und Verständlichkeit, (5) Bereinigung des Messinstrumentes sowie (6) Validitätsprüfung unterscheiden. Eine Gegenüberstellung der Methoden wird bei Churchill und Diamantopoulos/ Winklhofer vorgenommen.670 Die inhaltliche Spezifikation des Konstrukts erfordert zunächst die genaue Abgrenzung des Definitionsbereichs, damit alle Dimensionen des Bedeutungsgehaltes vollständig abgedeckt werden.671 Daraufhin ist über eine umfassende (Literatur-)Recherche eine möglichst umfangreiche Ausgangsmenge von geeigneten Indikatoren zu sammeln, die nach ihrer Relevanz für die zugrunde liegende Stichprobe in einem weiteren Schritt eingegrenzt werden muss.672 Dabei steht vor allem die inhaltliche Argumentation der Indikatorverwendung im Vordergrund, die die selektierten Indikatoren auf Verständlichkeit und Eindeutigkeit überprüft.673 Nach der eigentlichen Erhebung der Daten ist in einem weiteren Schritt die Bereinigung der Indikatorbasis über die hinreichende Erfüllung statistischer Gütemaße, wie z.B. das Cronbach‘sche Alpha, vorzunehmen. Im Anschluss daran können zusätzliche Reliabilitäts- und Validitätstests durchgeführt werden.674 Das schrittweise Vorgehen bei der Operationalisierung erlaubt eine systematische Annäherung an die letztendlich im Forschungsmodell verwendete Indikatormenge und wird damit zur wesentlichen Grundlage für die Erstellung des Erhebungsinstruments. Erst nach der Erhebung der Daten kann dann die Beurteilung der Güte der Konstruktmessung im Rahmen der Reliabilitäts- und Validitätsprüfung erfolgen.
5.1.1.2 Die Operationalisierung der Identitätselemente einer E-Brand In diesem Abschnitt werden die zuvor in Kapitel 0 identifizierten und selektierten Wirkungselemente der E-Brand-Identity operationalisiert. Auch hier werden für alle Konstrukte bereits 668
Vgl. beispielsweise Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 216. Vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 47. Vgl. Churchill 1979, S. 66; Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 274f. 671 Vgl. Bohrnstedt 1970, S. 92; Nunnally/Berstein 1994, S. 484. 672 Vgl. DeVellis 2003, S. 63f. 673 Vgl. Rossiter 2002, S. 326. 674 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 5.3. 669 670
140
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
entwickelte und validierte Skalen der relevanten Forschungsliteratur entnommen. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass etablierte Skalen häufig in anderen Forschungskontexten entwickelt wurden und daher nicht immer eins-zu-eins übernommen werden können. Daher empfiehlt es sich, sowohl die Übersetzung als auch jegliche Anpassungen der Indikatoren stets im Sinne des zugrundeliegenden Forschungsziels durchzuführen.675 Bei nicht eindeutigen oder unpassenden Formulierungen müssen Adaptionen auf die Weise vorgenommen werden, dass sie den inhaltlichen Bedeutungsraum des ursprünglichen Indikators nicht verändern, aber trotzdem zweckmäßig für den eigenen Forschungskontext eingesetzt werden können. Werden solche Anpassungsmaßnahmen notwendig, kann es passieren, dass sich die Güte des Messmodells verändert. Ob die modifizierten Indikatoren nach den Veränderungen immer noch als reliabel und valide Skala aufgefasst werden können, muss im Rahmen der Analyse der Messmodelle, wie es in Kapitel 5.3.3.2 vorgenommen wird, überprüft werden. Die Operationalisierung beginnt mit dem ersten identifizierten Element, der Interaktivität. Gemäß der aufgestellten Hypothese wird vermutet, dass eine positive Wahrnehmung der Interaktivität dazu beiträgt, eine positive Einstellung der E-Brand gegenüber zu entwickeln. Um dieses Element zu operationalisieren, bietet es sich an, auf die bereits im vorangegangenen Kapitel vorgestellte Studie von Song/Zinkhan676 zurückzugreifen. Sie sehen die wahrgenommene Interaktivität als eines der wesentlichen Elemente einer Website. Aus der dafür entwickelten dreiteiligen Skala werden aber lediglich die Indikatoren verwendet, die explizit auf die Zwei-Wege-Kommunikation zwischen E-Brand und Website-Besucher ausgerichtet sind, da die übrigen Indikatoren sich entweder auf die eigenen Fähigkeiten beziehen, sich auf der Webseite zu bewegen (Kontrolle) oder auf die Schnelligkeit, mit der die geforderten Informationen auf der Seite dargestellt werden (technische Reaktionsgeschwindigkeit). Beide Aspekte beeinflussen die wahrgenommene Interaktivität nur indirekt, indem sie die Wahrnehmung verstärken oder abschwächen, sie sind jedoch nicht Teil der eigentlichen, von der EBrand ausgehenden Interaktivität. Damit kann ihnen höchstens eine moderierende, keinesfalls aber eine direkte Wirkung zugesprochen werden. Die entsprechenden Indikatoren, die sich auf die kommunikativen Aspekte der Interaktivität beziehen und für die vorliegende Untersuchung verwendet werden, werden in Tabelle 9 dargestellt.
675 676
Das Vorgehen zur Übersetzung der Indikatoren wird in Kapitel 5.1.3.6 näher beschrieben. Vgl. Song/Zinkhan 2008, S. 111.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells Interaktivität (reflektiv) int_1 int_2 int_3 int_4 int_5
Über die Shopseiten kann ich mit dem Shopbetreiber kommunizieren Die Shopseite ermöglicht es mir, Fragen zu stellen Dieser Shop ermutigt Besucher nicht dazu, Feedback zu geben (R) Die Seite ermöglicht einen echten Dialog mit dem Shopbetreiber Der Shopbetreiber bemüht sich sehr um das Feedback der Besucher
141 Quelle Song/Zinkhan 2008
Tabelle 9: Operationalisierung der Interaktivität
Als zweites Element folgt die Informationsqualität der Webseite, für die in der Literatur unterschiedliche Skalen zur Operationalisierung zu finden sind. Als geeignete Skalen kommen speziell diejenigen in Betracht, die zur Beschreibung von E-Servicequalität genutzt werden, da sie auf ähnliche Weise messbar machen wollen, wie sich die wahrgenommene Informationsqualität auf die Beurteilung einer Website auswirkt. Eine dieser Skalen ist bei Loiacono/Watson/Goodhue677 zu finden. Sie bezeichnen ihre Skala als Informational Fit-toTask, da sie den besonderen Mehrwert der Informationsbereitstellung in der Unterstützung des Kunden sehen, das gesetzte Ziel, wie z.B. den Produktkauf, zu erreichen. Sämtliche Ziele der Kunden müssen daher von dem E-Brand Unternehmen antizipiert werden, damit entsprechende Informationen bereitgestellt werden können. Es wird vermutet, dass der Kunde erst dann eine positive Einstellung der E-Brand gegenüber bildet, wenn sein Informationsbedürfnis angemessen befriedigt wird, d.h. seine Erwartungen darüber, welche Informationen er auf der Seite bekommt, erfüllt werden. Auch bei dieser Skala stellt sich das Problem, dass nur drei Indikatoren zur Verfügung stehen, was u.U. dazu führen kann, dass bei einer Eliminierung eines Indikators zu wenige Indikatoren für die Entwicklung eines guten Messmodells übrig bleiben. Daher werden weitere Indikatoren einer zweiten Skala hinzugefügt. Für die vorliegende Untersuchung wird dazu die Skala von Gounaris/Dimitriandis/Stathakopoulos678 verwendet, da auch sie eine Skala für die Messung der Informationsqualität vor dem Hintergrund der Webservice-Qualität entwickelt haben. Die Indikatoren der zusammengeführten Skala sind in Tabelle 10 dargestellt. Informationsqualität (reflektiv) inf_1 inf_2 inf_3 inf_4 inf_5
Die dargestellten Informationen in diesem Shop sind nicht glaubwürdig (R) Die Informationen werden in einem angemessenen Format präsentiert Die Informationen sind nicht ausreichend (R) Die Shopseite erfüllt mein Informationsbedürfnis angemessen Die Informationen helfen mir, mein Ziel zu erreichen
Tabelle 10: Operationalisierung der Informationsqualität
677 678
Vgl. Loiacono/Watson/Goodhue 2007, S. 83. Vgl. Gounaris/Dimitriadis/Stathakopoulos 2005, S. 699.
Quelle Loiacono/Watson/ Goodhue 2007; Gounaris/Dimitriadis/ Stathakopoulos 2005
142
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Skalen für die Elemente Benutzerfreundlichkeit, Design und Personalisierung werden der Studie von Srinivasan/Anderson/Ponnavolu679 entnommen, in der sie die Einflüsse verschiedener Identitätselemente auf die Wirkung von E-Loyalty untersuchen. Insbesondere die drei Skalen convenience (Benutzerfreundlichkeit), customization (Personalisierung) und character (Design) erzielten in der Studie qualitativ sehr gute Ergebnisse. Dies spricht dafür, dass die Skalen für die vorliegende Untersuchung weitestgehend ohne weitere Modifikation bzw. Anreicherung übernommen werden können. Lediglich der Indikator „shopping at this website is fun” wird eliminiert, da er sich nicht eindeutig auf das Design des Shops bezieht. Der Indikator wird durch den Indikator „the website displays visually appealing design“ von Loiacono/Watson/Goodhue680 ersetzt, da er als wesentlich eindeutiger für die Bewertung des Designs eines Shops empfunden wird. Die Indikatoren der jeweiligen Skalen sind in Tabelle 11 dargestellt. Benutzerfreundlichkeit (reflektiv) ben_1 ben_2 ben_3 ben_4 ben_5
Die Navigation auf den Shopseiten ist nicht intuitiv (R) Ein Erstkäufer kann in diesem Shop ohne viel Hilfe einen Kauf tätigen Man braucht viel Zeit, um in diesem Shop einen Kauf zu tätigen (R) Dieser Shop ist benutzerfreundlich Die Nutzung des Shops ist komfortabel
des_1 des_2 des_3 des_4
Dieser Shop ist nicht einladend gestaltet (R) Das Design des Shops spricht mich an Das Design des Shops finde ich attraktiv Der Shop zeichnet sich durch ein angenehmes Design aus
per_1 per_2 per_3 per_4 per_5
Im Shop kann ich Produkte bestellen, die auf mich zugeschnitten sind Werbung und Angebote, die ich von dem Shop erhalte, passen zu mir Der Shop gibt mir nicht das Gefühl, ein einzigartiger Kunde zu sein (R) Ich glaube, dass dieser Shop genau zu meinen Bedürfnissen passt Der Shop gibt Empfehlungen, die zu meinen Bedürfnissen passen
Design (reflektiv)
Personalisierung (reflektiv)
Quelle Srinivasan/Anderson/ Ponnavolu 2002
Quelle Srinivasan/Anderson/ Ponnavolu 2002; Loiacono/Watson/ Goodhue 2007 Quelle Srinivasan/Anderson/ Ponnavolu 2002
Tabelle 11: Operationalisierung Benutzerfreundlichkeit, Personalisierung, Design
Ein weiteres Element, das als mögliches Transportelement der E-Brand-Identity untersucht werden soll, ist der Unterhaltungswert der Seite. In einer Studie über die funktionalen und hedonistischen Dimensionen des Online-Shoppings konnten Childers et al.681 nachweisen, dass der empfundene Unterhaltungswert einer E-Shop-Seite ein starker Prädikator der Einstellung gegenüber der Webseite ist. Da in der vorliegenden Untersuchung überprüft wird, ob der
679 680 681
Vgl. Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002, S. 48. Vgl. Loiacono/Watson/Goodhue 2007, S. 83. Vgl. Childers et al. 2001, S. 511ff.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
143
wahrgenommene Unterhaltungswert der E-Shop-Seite ebenfalls ein starker Prädikator der Einstellung gegenüber der E-Brand ist, wird die Skala in kontext-adaptierter Form übernommen. Die Skala und ihre Indikatoren werden in Tabelle 12 dargestellt. Unterhaltung (reflektiv) unt_1 unt_2 unt_3 unt_4 unt_5 unt_6
Der Besuch dieses Shops macht einfach Spaß Diesen Shop zu besuchen ist langweilig (R) Der Besuch dieses Shops gibt mir ein gutes Gefühl Diesen Shop zu besuchen ist aufregend Diesen Shop zu besuchen ist angenehm Der Besuch des Shops ist fesselnd/mitreißend
Quelle Childers et al. 2001
Tabelle 12: Operationalisierung der Unterhaltung
Als letztes Element soll die Wirkung des Domainnamens auf die Einstellungsbildung des Website-Besuchers untersucht werden. In der Literatur existiert bisher keine geeignete Skala zur Messung bzw. Bewertung der Wahrnehmung des Domainnamens, die als Vorlage für diese Untersuchung dienen könnte. Da es jedoch einige Studien gibt, die normative Qualitätskriterien zur Bewertung von Domainnamen entwickelt haben, können diese als Grundlage für die Entwicklung einer neuen Domainnamen-Skala dienen. Dazu gehören insbesondere die von Kohli/LaBahn682entwickelten Kriterien, denen Markennamen entsprechen sollten, um positiv zum Markenaufbau beitragen zu können. Vorreiter hinsichtlich der Beurteilung von Domainnamen im Zusammenhang mit dem Markenaufbau ist Keller,683 der in seinen Ausführungen ganz ähnliche Anforderungen aufzählt, sowohl an den Markennamen als auch an den Domainnamen. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnissse werden aus den beiden Quellen alle relevanten Indikatoren entnommen, die sich konkret auf den Imageaufbau beziehen und damit entscheidenden Einfluss auf die Einstellungsbildung haben. Tabelle 13 stellt die formulierten Indikatoren aus diesen ausgewählten Kriterien dar. Domainname (reflektiv) dom_1 dom_2 dom_3 dom_4
Der Domainname ist für diese Produktkategorie nicht relevant (R) Der Domainname des Shops weckt positive Assoziationen in mir Der Domainname des Shops ist einzigartig Der Domainname passt zum Image des Shops
Tabelle 13: Operationalisierung des Domainnames
682 683
Vgl. Kohli/LaBahn 1997, S. 72. Vgl. Keller 2003, S. 191.
Quelle Keller 2003; Kohli/LaBahn 1997
144
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
5.1.1.3 Operationalisierung der Einstellung Die Einstellung ist ein hypothetisches Konstrukt, das als Element einer Theorie seine inhaltliche und funktionale Zweckbestimmung erhält.684 Auf der empirischen Ebene müssen messbare Größen (Indikatoren) gefunden werden, die in einer vermuteten Beziehung zu diesem inhaltlichen, theoretischen Einstellungsbegriff stehen. Die Aufstellung eines Messmodells dient der Indikatorfestlegung und der Darstellung der Beziehung der Indikatoren zum Einstellungskonstrukt. Für den ersten Schritt der Operationalisierung wird das von Jarvis/Mackenzie/Podsakoff vorgestellte Kriterium der Kausalität herangezogen.685 Im vorliegenden Fall sind die Indikatoren der drei Konstrukte jeweils beobachtbare Bewertungsreaktionen auf die Wahrnehmung der Identitätselemente und sind als Konsequenz der Wahrnehmung zu interpretieren. Das Einstellungskonstrukt gilt damit als endogene, abhängige Variable des Modells. Bei der theoretischen Diskussion über die richtige Konzeptionierung der Einstellung konnte bereits festgestellt werden, dass bei der Einstellungsbildung drei unterschiedliche, aber miteinander in Beziehung stehende Komponenten zum Tragen kommen. Die Einstellung wird demnach als ein latentes Konstrukt aufgefasst, das über die drei Konstrukte Affekt, Kognition und Konation abgebildet wird. Da auch diese Konstrukte wiederum latenter Natur sind, müssen jeweils manifeste Indikatoren gefunden werden, mit denen die Einstellungskomponenten messbar gemacht werden können. Um die Vorgehensweise zur Operationalisierung reflektiver Konstrukte zu vereinfachen, wird oftmals der Einsatz etablierter Konstrukte zur Entwicklung der Messmodelle empfohlen.686 Dies macht hauptsächlich dann Sinn, wenn es sich um eine einmalige Datenerhebung handelt und über die Verwendung etablierter Konstrukte eine Vermeidung von Messfehlern erreicht werden kann. Daher wird zur Operationalisierung der Konstrukte auf bereits entwickelte, validierte Skalen zurückgegriffen. In der Einstellungsliteratur sind viele verschiedene Einstellungsskalen zu finden,687 die jedoch von nur einer Einstellungsebene ausgehen und die Einstellung über verschiedene Adjektivdimensionen skalieren. Eine der wenigen Fälle, in denen die drei Komponenten separat im Kontext der Einstellungsbildung und des Treueverhaltens von Kunden operationalisiert wurde, ist die Studie von Harris/Goode688. Nach ihnen bezieht sich Kognition auf die Existenz des
684
Vgl. Balderjahn 1995, S. 548. Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 203. Siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 5.1.3. Vgl. Churchill 1979, S. 67f. 687 So z.B. die Skalen von Fishbein 1967; Orth 1985; Dohmen/Doll/Orth 1986. 688 Vgl. Harris/Goode 2004, S. 139ff. 685 686
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
145
Glaubens, dass die Marke bestimmte Eigenschaften besitzt, die im positiven Fall dazu führen, dass sie anderen Marken überlegen und diesen daher vorzuziehen ist. Affekt hingegen reflektiert das allgemeine Wohlwollen und Gefallen an der Marke, das bei ausreichender Ausprägung zu einer positiven Einstellung führen kann. Die dritte Komponente, Konation, umfasst die Bildung von Verhaltensintentionen, die aus einer tieferen, durch Kognition und Affekt beeinflussten Einstellungsebene herrühren. Im weiteren Verlauf wird nur die über reflektive Indikatoren erstellte Skala für Kognition von Harris/Goode verwendet, da die Operationalisierung der anderen beiden Komponenten zu unspezifisch für das Vorhaben der vorliegenden Untersuchung erscheint und insbesondere die Formulierung der Indikatoren zur Konation voraussetzt, dass bereits ausreichende Erfahrungen mit der Marke gemacht wurden, was bei einem erstmaligen Besuch der Markenwebsite jedoch nicht der Fall ist. Da diese Skala nicht explizit zur Messung der Einstellung, sondern für die Untersuchung von Kundentreue entwickelt wurde, wird die Skala von Harris/Goode zusätzlich mit einer einfachen Beurteilungsskala, wie sie z.B. von Bruner/Hensel689 entwickelt und von Childers et al.690 im Rahmen der Einstellungsmessung modifiziert wurde, angereichert, um sicherzustellen, dass das Konstrukt auch für die vorliegende Untersuchung messbar gemacht wird. Tabelle 14 listet die Indikatoren auf, mit denen das Konstrukt Kognition erfasst wird. Kognition (reflektiv) kog_1 kog_2 kog_3 kog_4 kog_5 kog_6 kog_7
Ich finde, der Shop ist in seinem Bereich derzeit der beste Shop Der Service in diesem Shop ist besser als bei der Konkurrenz Ich benutze diesen Shop lieber als andere Ich finde, dass die Eigenschaften dieses Shops nicht zu mir passen (R) Ich finde diesen Shop schlecht (R) Ich finde diesen Shop langweilig (R) Ich finde diesen Shop nützlich
Quelle Harris/Goode 2004 Childers et al. 2001
Tabelle 14: Operationalisierung der Kognition
Aufgrund der Problematik, Studien zu finden, die alle drei Komponenten der Einstellung gleichzeitig und über separate Skalen erfassen, muss auf Skalen zurückgegriffen werden, die jeweils die Komponenten isoliert betrachten. Eine häufig verwendete Skala zur Messung der affektiven Beurteilung einer Marke stellt die brand affect-Skala von Chaudhuri/Holbrook691 dar, deren drei Indikatoren für die Messung von Affekt übernommen werden. Auch hier werden weitere Indikatoren hinzugefügt, da es trotz eines Alpha-Wertes von 0,96 bei Chaudhuri/Holbrook durchaus möglich ist, dass sich die Güte der Skala verringert, wenn sie in einem 689 690 691
Vgl. Bruner/Hensel 1996. Vgl. Childers et al. 2001, S. 520. Vgl. Chaudhuri/Holbrook 2001, S. 87.
146
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
leicht veränderten Kontext verwendet wird. Müsste ein Indikator in der Untersuchung eliminiert werden, so wäre das in der empirischen Forschung geforderte Mindestmaß von drei Indikatoren unterschritten.692 Deshalb werden drei Indikatoren von Homburg/Koschate/Hoyer693 hinzugefügt, mit denen sie den Einfluss von Affekt auf die Zufriedenheit der Kunden untersuchen. Sie erfassen das Konstrukt über die Aspekte Begeisterung, Freude und Genuss, welche in der Einstellungs- und Zufriedenheitsforschung bereits häufig zur Messung der affektiven Bewertung verwendet wurden.694 Affekt (reflektiv) aff_1 aff_2 aff_3 aff_4 aff_5 aff_6
Ich fühle mich gut, wenn ich diesen Shop nutze Dieser Shop macht mir keinen Spaß (R) Diesen Shop zu besuchen, ist wenig reizvoll (R) Ich genieße es, diesen Shop zu besuchen Dieser Shop begeistert mich Dieser Shop macht mich glücklich
Quelle Chaudhuri/Holbrook 2001; Homburg/Koschate/Hoyer 2006
Tabelle 15: Operationalisierung des Affekts
Zur Messung der dritten und letzten Komponente der Einstellung, der Konation, wird eine Skala von Song/Zinkhan695 übernommen, die die Intention, sich der Marke gegenüber in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten, erhebbar macht. Die ursprünglich von Zeithaml/Berry/Parasuranan696 entwickelte Skala zur Messung der verhaltensrelevanten Konsequenzen wahrgenommener Servicequalität konnte von Song/Zinkhan für die Wahrnehmung von Webseiten (spezielle der Interaktivität) weiter angepasst werden. Sie reduzieren ihre Skala auf die beiden zentralen Aspekte Word-of-Mouth und Repurchase.697 Eine Übersicht der korrespondierenden Indikatoren zu diesen Aspekten gibt Tabelle 16. Konation (reflektiv) kon_1 kon_2 kon_3 kon_4 kon_5
Ich werde auch in Zukunft in diesem Shop einkaufen Ich ermutige Freunde und Bekannte, in diesem Shop einzukaufen Ich sage Positives über diesen Shop zu anderen Ich würde diesen Shop anderen Shops bevorzugen Würde mich jmd. um Rat fragen, würde ich d. S. nicht empfehlen (R)
Quelle Song/Zinkhan 2008
Tabelle 16: Operationalisierung der Konation
692
Vgl. Thurstone 1947; Kim/Müller 1978, S. 68; Homburg/Baumgartner 1995a, S. 1093. Vgl. Homburg/Koschate/Hoyer 2006, S. 24. Vgl. Holbrook/Batra 1987, S. 407; Oliver 1993, S. 423; Westbrook 1987, S. 262. 695 Vgl. Song/Zinkhan 2008, S. 111. 696 Vgl. Zeithaml/Berry/Parasuranan 1996, S. 38. 697 Vgl. Song/Zinkhan 2008, S. 104. 693 694
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
147
5.1.1.4 Die moderierenden und demografischen Variablen Für die vorliegende Untersuchung wurden in Kapitel 4.2.3 bereits verschiedene, exogene Größen definiert, von denen angenommen wird, dass sie als Moderatoren die Form und Stärke der Beziehung zwischen der Wahrnehmung der E-Brand-Identity (Prädikator) und der Einstellung (Zielvariablen) beeinflussen. Im Zusammenhang mit einer Kaufentscheidung wurde ein moderierender Effekt des wahrgenommenen Risikos auf die Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Identitätselemente und der Bewertung der E-Brand vermutet. Um diesen Effekt überprüfen zu können, gilt es, ein adäquates Messmodell für diese Variable zu verwenden. Dazu wird auf die von Schlosser/White/Lloyd entwickelte Skala online risk perception zurückgegriffen698 und folgendermaßen für die vorliegende Arbeit verwendet (vgl. Tabelle 17). Wahrgenommenes Risiko (reflektiv) wr_1 wr_2 wr_3 wr_4
Persönliche Informationen im Internet weiterzugeben ist riskant Man kann ohne großes Risiko Produkte über das Internet bestellen Kreditkarteninformationen im Internet herauszugeben ist riskant Man kann sich ohne großes Risiko auf Internetseiten registrieren
Quelle Schlosser/White/Lloyd 2004
Tabelle 17: Operationalisierung des wahrgenommenen Risikos
Zwei weitere Variablen – Involvement und Medienkompetenz – werden auch bei Mathwick/Rigdon699 eingesetzt, wobei aber nur das Involvement als Moderator behandelt wird. Das Ausmaß der Medienkompetenz700 sehen sie als direkte Einflussgröße der positive information search experience. 701 Trotzdem stellen beide Skalen geeignete Mittel zur Messung der Moderatoren dar. Besonders die Involvementskala, die eine reduzierte Form des von Zaichkowsky702 entwickelten personal involvement inventory darstellt, eignet sich dazu, nicht nur das spezifische Produkt Involvement zu messen, sondern auch das generelle Shopping Involvement. Die von Mathwick/Ridgon abgeleiteten Indikatoren für die drei Skalen werden in Tabelle 18 dargestellt. Zusätzlich zu den Moderatorvariablen werden in dieser Arbeit einige demografische Variablen erhoben. Diese Art von Variablen hat in der allgemeinen, empirischen Konsumentenforschung eine besondere Bedeutung. Über demografische Variablen werden all diejenigen
698
Vgl. Schlosser/White/Lloyd 2004, S. 146. Vgl. Mathwick/Rigdon 2004, S. 331. Medienkompetenz bezeichnet in diesem Zusammenhang die Intensität und Fähigkeit der generellen Internetnutzung. 701 Mathwick/Rigdon 2004, S. 331. 702 Vgl. Zaichkowski 1985, S. 341ff. 699 700
148
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Merkmale erfasst, die zur einfachen Bevölkerungsbeschreibung geeignet sind. Häufig werden daher Merkmale, wie Geschlecht, Alter, Bildung, Beruf und Einkommen als soziodemographische Variablen herangezogen.703 Die Erhebung solcher Variablen ist speziell für die Beschreibung der Stichprobe von Bedeutung und ermöglicht die Segmentierung deskriptiver Ergebnisse. Zudem weisen diese Variablen in vielen Studien eine hohe Erklärungskraft auf und machen damit einen großen Teil der auftretenden Varianzen aus. Shopping Involvement (reflektiv) si_1 si_2 si_3 si_4 si_5 si_6
Im Internet einzukaufen ist für mich generell nützlich Im Internet einzukaufen ist für mich generell langweilig (R) Im Internet einzukaufen ist für mich generell faszinierend Im Internet einzukaufen ist für mich generell mitreißend Im Internet einzukaufen ist wichtig für mich Im Internet einzukaufen ist aufregend
pi_1 pi_2 pi_3 pi_4 pi_5 pi_6
Die Produkte von xyz finde ich nützlich Die Produkte von xyz finde ich langweilig (R) Die Produkte von xyz finde ich faszinierend Die Produkte von xyz finde ich mitreißend Die Produkte von xyz sind wichtig für mich Die Produkte von xyz finde ich aufregend
mk_1 mk_2 mk_3 mk_4 mk_5 mk_6 mk_7
Ich verbringe viel Zeit im Internet Ich würde mich selber als Internet-Junkie bezeichnen Ich besuche in einer Woche sehr viele verschiedene Webseiten Im Vergleich zu anderen, verbringe ich viel Zeit im Internet Ich kann sehr gut mit dem Internet umgehen Ich weiß sehr viel über die Techniken im Internet Ich weiß genau, wie ich die Informationen bekomme, die ich suche
Quelle Mathwick/Rigdon 2004
Produkt Involvement (reflektiv)
Quelle Mathwick/Rigdon 2004
Medienkompetenz (reflektiv)
Quelle Mathwick/Rigdon 2004
Tabelle 18: Operationalisierung Shopping und Produkt Involvement, Internetnutzung
Besonders das Einkommen findet im Zuge der Konsumentenforschung große Beachtung, da es Aufschluss über die Konsummöglichkeiten der Konsumenten gibt. Zusammen mit der Bildung ist die Einkommensvariable daher in der Lage, den sozioökonomischen Status des Konsumenten besonders gut abzubilden. Auch die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind in der empirischen Konsumentenforschung bereits häufig nachgewiesen worden704 und werden auch in der vorliegenenden Arbeit berücksichtigt. Ebenfalls sind Unterschiede hinsichtlich des Alters der Teilnehmer zu erwarten, da durch das Internet eventuelle Sozialisationsunterschiede zwischen Jungen und Alten vorliegen, die einen deutlichen Einfluss auf die Wahrnehmung und Wirkung von Identitätsmerkmalen von E-Brands haben können. Im Zuge 703 704
Vgl. Schweiger 2007, S. 269f. Siehe z.B. Holtz-Bacha 1995, S. 254ff.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
149
der Untersuchung von E-Shops erscheint es außerdem interessant zu sein, zu wissen, wie hoch die Ausgaben der Besucher für das Shopping im Internet sind.
5.1.2
Auswahl der Untersuchungsmethode
Wie die inhaltliche Spezifizierung des Forschungsmodells bereits gezeigt hat, können die einzelnen Konstrukte aufgrund ihrer höchst subjektiven Natur nicht direkt beobachtet werden. Da jedoch der Einfluss der wahrgenommenen Identitätselemente auf die Einstellung untersucht werden soll, muss eine Quantifizierung der Variablen vorgenommen werden. Für die Messbarkeit der Variablen und der zugrunde liegenden Zusammenhänge zwischen den Variablen wird daher eine statistische Methodik gewählt, die diese Anforderungen erfüllt und latente Variablen verwendbar macht. Zu diesem Zweck wird auf kausalanalytische Verfahren zurückgegriffen, die zum Testen sog. Strukturgleichungsmodelle geeignet sind.705 Mit Hilfe dieser Verfahren wird die Prüfung von Kausalzusammenhängen dadurch ermöglicht, dass sie eine durch die unabhängige Variable bedingte Veränderung der abhängigen Variablen messbar machen und damit Kausalität bestätigen können.
5.1.2.1 Kausalanalytische Verfahren Kausalanalytische Verfahren kommen dann zum Einsatz, wenn Abhängigkeitsbeziehungen zwischen mehreren Variablen untersucht werden sollen, wie es in der vorliegenden Arbeit der Fall ist. Aus modelltheoretischer Sicht stellt die Kausalanalyse eine Synthese aus konfirmativer Faktorenanalyse und Strukturgleichungsanalyse dar. Damit erlaubt die Kausalanalyse die simultane Behandlung zweier Kernprobleme des wissenschaftlichen Arbeitens, und zwar die Messung komplexer Konstrukte und die Messung komplexer Abhängigkeitsstrukturen.706 Durch diese im Vergleich zu den uni- bzw. bivariaten Analyseverfahren erweiterten Analysemöglichkeiten707 hat sich die Kausalanalyse in der empirischen Forschung etabliert.708 Grundsätzlich werden kausalanalytische Verfahren zur Analyse komplexer Wirkungszusammenhänge in einem Kausalmodell verwendet. Dabei werden Relationen identifiziert, die zwischen sog. latenten, nicht beobachtbaren Variablen vorliegen. Die latenten Variablen werden
705
Vgl. Backhaus et al. 2008, S. 511. Vgl. Homburg/Baumgartner 1995a, S. 1092. In diesen Verfahren können z.B. auch multiple endogene und exogene Variablen, latente Variablen und Messfehler in die Analyse einbezogen werden, vgl. dazu Betzin/Henseler 2005, S. 50. 708 Vgl. Fornell 1987, S. 408f. 706 707
150
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
auch als Konstrukte bezeichnet709 und werden in der Regel durch mehrere manifeste, beobachtbare Variablen gemessen.710 Das resultierende Messmodell (äußere Modell) beschreibt demnach die Beziehung von latenten Variablen und ihren zugeordneten Indikatoren.711 Den Kern der Kausalanalyse bildet das Strukturmodell (inneres Modell), das die aus der Theorie abgeleiteten Beziehungen bzw. gerichteten Abhängigkeiten zwischen den latenten Variablen abbildet.712 Je nach Richtung der Wirkungsbeziehung spricht man von einer latent exogenen bzw. unabhängigen Variable (ξ), die ein anderes Konstrukt beeinflusst, oder von einer latent endogenen bzw. abhängigen Variable (η), die von einem anderen Konstrukt beeinflusst wird.713 Zusammen mit der Gesamtheit aller Messmodelle ergibt das Strukturmodell das Strukturgleichungsmodell (vgl. Abbildung 21).
Strukturgleichungsmodell Strukturmodell Reflektives Messmodell δ1
x1
δ2
x2
δ3
x3
ξ1
ζ1
Exogene Variable η1
Formatives Messmodell
δξ
x4
x5 x6
Endogene Variable
Reflektives Messmodell
y1
ε1
y2
ε2
y13
ε3
ξ2 Exogene Variable
Abbildung 21: Beispiel eines Strukturgleichungsmodells714
Abhängig von der unterstellten Wirkungsbeziehung unterscheiden sich die Messmodelle grundlegend dadurch, ob sie reflektiver oder formativer Natur sind. Bei einem reflektiven Messmodell sind die Indikatoren als beobachtbare Konsequenzen der latenten Variable zu 709
Vgl. Homburg/Baumgartner 1995b, S. 163. Vgl. Edwards/Bagozzi 2000, S. 156. Vgl. Byrne 2001, S. 12. 712 Vgl. Backhaus et al. 2006, S. 350f.; Hildebrandt/Görz 1999, S. 4. 713 Vgl. Bentler 1982, S. 104. 714 In Anlehnung an Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 716; Backhaus et al. 2006, S. 340-341; Brinkmann 2008, S. 152. 710 711
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
151
betrachten. Sie sind die fehlerbehafteten Messungen der latenten Variable.715 In diesem Fall können über die Indikatoren Rückschlüsse auf das Konstrukt gezogen werden. Verändert sich das latente Konstrukt, dann verändern sich auch alle Indikatoren.716 Bei einem formativen Messmodell hingegen sind die Indikatoren als komplementäre Bestandteile der latenten Variable zu sehen, die in ihrer Summe das Konstrukt vollständig abbilden. Die Gewichtung der Indikatoren beschreibt dabei den Anteil, den die jeweiligen Indikatoren am gesamten Definitionsbereich des Konstrukts haben.717 Verändert sich ein Indikator, dann ändert sich demzufolge auch das latente Konstrukt.718 Bei der Ermittlung der dem Modell zugrunde liegenden Parameter können lediglich Schätzungen vorgenommen werden, weil die Populationskennwerte nur aus den Stichprobendaten abgeleitet werden können.719 Zur Schätzung der Parameter lassen sich die zur Verfügung stehenden kausalanalytischen Verfahren je nach ihrer Verwendung von kovarianz- oder varianzbasierter Schätzverfahren unterscheiden. Während kovarianzbasierte Verfahren eine simultane Schätzung aller Modellparameter vornehmen720 um eine möglichst genaue Replikation der empirisch beobachtbaren Kovarianzmatrix durch die Kovarianzmatrix des Modells zu erreichen,721 nutzen varianzbasierte Verfahren die Kovarianzen nur blockweise. Hier werden die über die Gewichte berechneten Konstruktwerte zur Bestimmung der Zusammenhänge im Strukturmodell herangezogen,722 um die Residualvarianzen der abhängigen Variablen zu minimieren und den Erklärungsanteil der Varianz der abhängigen Variablen zu maximieren.723
5.1.2.2 Auswahl eines geeigneten kausalanalytischen Verfahrens Die unterschiedlichen Vorgehensweisen der beiden Verfahren verdeutlichen, dass das varianzbasierte Verfahren nicht eine Alternative zum kovarianzbasierten Verfahren darstellt, sondern als eigenständiger Analyseansatz betrachtet werden muss.724 Deshalb sollte die Entscheidung für eines der beiden Verfahren allein auf Grundlage der Eignung für das jeweils vorliegende Forschungsvorhaben basieren.725 Aspekte wie die Komplexität des Modells, die
715
Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 6. Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 200; Fassot/Eggert 2005, S. 37. 717 Vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 718. 718 Vgl. Christophersen/Grape 2007, S. 105. 719 Vgl. Rost 2004, S. 301. 720 Vgl. Backhaus et al. 2008, S. 524. 721 Vgl. Diamantopoulos 1994, S. 112; Scholderer/Balderjahn 2005, S. 92. 722 Vgl. Huber et al. 2007, S. 9f. 723 Vgl. Chin/Newsted 1999, S. 313. 724 Vgl. Fornell/Cha 1994, S. 52. 725 Vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 35. 716
152
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Größe der Stichprobe aber auch die Verteilung der Daten können dabei als Entscheidungskriterien hilfreich sein.726 Varianzbasierte Verfahren zeichnen sich z.B. durch ihre Robustheit auch bei relativ kleinen Stichproben aus, wohingegen kleine Stichproben bei kovarianzbasierten Verfahren als problematisch angesehen werden.727 Zudem ist bei der Kovarianzstrukturanalyse eine multivariate Normalverteilung der Daten für den Einsatz der Schätzverfahren notwendig, die bei dem varianzbasierten Verfahren hingegen aufgrund fehlender, strikter Verteilungsannahmen nicht gegeben sein muss.728 Zusätzlich erleichtern varianzbasierte Verfahren im Gegensatz zu kovarianzbasierten Verfahren die Untersuchung von Modellen, die sowohl reflektive als auch formative Konstrukte aufweisen. Allerdings neigen varianzbasierte Verfahren dazu, Ladungen zu überschätzen und Pfadkoeffizienten zu unterschätzen.729 Dieses als ‚Consistency at large‘ bezeichnete Problem kann durch eine Vergrößerung der Stichprobe bei gleichzeitiger Erhöhung der Indikatorenzahl abgeschwächt werden.730 Auf der einen Seite liegen dem varianzbasierten Verfahren weniger restriktive Annahmen zugrunde, die auf der anderen Seite aber auch zu statistisch weniger exakten Auswertungen führen. Bei der Überprüfung von Theorien werden fehlerfreie Modelle benötigt, die sich dementsprechend nur über kovarianzbasierte Verfahren erstellen lassen. Das primäre Forschungsziel ist dabei der Validitätsnachweis eines a priori bestimmten Modells.731 Anders finden hingegen varianzbasierte Verfahren meist dann Anwendung, wenn das zu untersuchende Modell noch nicht hinreichend im entsprechenden Theoriezusammenhang verankert bzw. bestätigt worden ist.732 Es bietet sich vor allem dafür an, Verbindungen zwischen latenten Variablen zu identifizieren, selbst wenn dazu noch keine theoretischen Erkenntnisse vorliegen. Da die Verknüpfung des identitätsorientierten und verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes bisher in der Literatur nicht aufgegriffen wurde und die Corporate Identity in dieser Form und in diesem Kontext noch nicht Gegenstand empirischer Forschung war, erscheint es in Bezug zur vorliegenden Arbeit sinnvoll, auf ein varianzbasiertes Verfahren wie z.B. das PartialLeast-Squares Verfahren (PLS)733 zurückzugreifen. Die Wahl eines varianzbasierten Ansatzes für die vorliegende Untersuchung wird zudem durch die Komplexität des Ausgangsmodells und die Annahme unterstützt, dass – wie es in vielen wissenschaftlichen Forschungsprojekten
726
Für einen Vergleich der Verfahren und weitere Kriterien siehe Bliemel et al. 2005, S. 10f. Vgl. Baumgartner/Homburg 1996, S. 149. Vgl. Yuan/Bentler 1998, S. 365. 729 Vgl. Chin 1998a, S. 329. 730 Vgl. Chin/Marcolin/Newsted 2003, S. 205. 731 Vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 40. 732 Vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 721. 733 Vgl. Bliemel et al. 2005, S. 9ff. 727 728
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
153
der Fall ist734 – keine Multinormalverteilung der Variablen vorliegt. Zusätzlich wird die Option offen gehalten, sowohl formative als auch reflektive Konstrukte in das Modell aufzunehmen. Nicht zuletzt wird aufgrund der Größe und des Alters der Shops und der damit einhergehenden geringen Anzahl potentieller Teilnehmer nur eine relativ kleine Stichprobe erwartet. Zusammengenommen weisen diese Argumente darauf hin, dass eine varianzbasierte Analyse für diese Arbeit besser geeignet ist, als eine Kovarianzanalyse und wird daher im nächsten Kapitel näher erläutert.
5.1.2.3 Varianzbasierte Analyse mit PLS Wie bereits dargestellt, wird erwartet, dass die strikten Anforderungen der Kovarianzstrukturanalyse in der vorliegenden Arbeit nicht erfüllt werden. Deshalb wird in der Untersuchung auf das varianzbasierte Verfahren mittels PLS zurückgegriffen, da es sich speziell für Modelle anbietet, „in denen Relationen zwischen Konstrukten, aber auch Beziehungen zwischen den Indikatoren und Konstrukten nicht von Beginn an klar definiert sind.“735 Ziel der PLSAnalyse ist die Durchführung einer Kompatibilitätsprüfung zwischen theoretisch begründeten Abhängigkeitsstrukturen und empirisch erhobenen Korrelationen.736 Diese Kompatibilitätsprüfung erfolgt durch die partielle Kleinstquadratmethode, bei der die Modellschätzung iterativ vorgenommen wird. Dazu werden konkrete Schätzwerte für die latenten Variablen unter der Annahme berechnet, dass die latenten Variablen der anderen Variablenblöcke bekannt sind.737 Der anschließende Iterationsalgorithmus zur Approximation der Pfadkoeffizienten mittels Kleinstquadrat-Regression wird dann schrittweise für jeden Variablenblock separat durchlaufen.738 Danach werden Mittelwerte und das konstante Glied für die lineare Regression geschätzt.739 Dieser Prozess wird solange fortgeführt, bis der Veränderungswert zwischen den Iterationen einen vorher als Abbruchkriterium definierten Wert unterschreitet und die Schätzungen damit ausreichend Stabilität aufweisen.740 Bedingt durch die partielle Schätzung und fehlender empirischer Verteilungsannahmen bei PLS existiert bislang noch kein globales Gütemaß zur Beurteilung des Kausalmodells. Die traditionellen, parametrisch ausgerichteten Signifikanztests zur Anpassungsgüte von Kovarianzen eignen sich nicht für die PLS-Methode, weshalb Wold vorschlägt, nicht-parame734
Vgl. Scholderer/Balderjahn 2005, S. 91. Huber et al. 2007, S. 14. Vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 722. 737 Vgl. Lohmöller 1989, S. 28. 738 Vgl. Betzin/Henseler 2005, S. 61; Fornell/Bookstein 1982, S. 441. 739 Vgl. Chin/Newsted 1999, S. 319; Lohmöller 1989, S. 30f. 740 Vgl. Chin 1998a, S. 302. 735 736
154
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
trische, schätzungsorientierte Gütemaße zu verwenden, die dem verteilungsannahmefreien Charakter des Verfahrens besser Rechnung tragen können.741 Da PLS keine Verteilungsannahmen voraussetzt, können die mit diesem Ansatz geschätzten Modelle nicht im inferenzstatistischen Sinne getestet werden.742 Bei der Anwendung von PLS ist zur Überprüfung eines Strukturgleichungsmodells deshalb die bestmögliche Erklärung der Varianz einer Zielvariablen von Interesse. Für eine Evaluation der Modellgüte können verschiedene Kriterien wie das Bestimmtheitsmaß latenter endogener Variablen, der Stone-Geisser-Test zur Bestimmung der Schätzvarianz, die von Fornell/Larcker743 entwickelte durchschnittlich extrahierte Varianz zur faktoranalytischen Bestimmung oder Verfahren wie Bootstrapping und Jackknifing zur Schätzungsstabilität herangezogen werden.744
5.1.3
Gütebeurteilung
Die Beurteilung der Modellgüte erfolgt, um zu überprüfen, wie gut sich das geschätzte Modell an die empirischen Daten anpasst. Wie bereits in Kapitel 5.1.2.3 angedeutet, besteht die Schwierigkeit bei PLS-Analysen darin, dass keine globalen Gütemaße zur ausreichenden Beurteilung der Messergebnisse existieren. Es wird versucht, über die Beurteilung von Teilstrukturen des Modells eine zuverlässige Schätzung des Gesamtmodells vorzunehmen. Vor der Überprüfung der Messergebnisse des Strukturmodells ist es aus diesem Grund sinnvoll, zunächst die äußeren, reflektiven und formativen Messmodelle der latenten Variablen zu überprüfen, denn nur wenn zuverlässig geschätzte latente Variablen vorliegen, kann die Beziehung zwischen den latenten Variablen überprüft werden.745
5.1.3.1 Gütebeurteilung von Messmodellen Bei der Entwicklung von Messmodellen kommt es darauf an, dass sie eine möglichst präzise und fehlerfreie Messung der latenten Konstrukte erlauben. Zur Beurteilung der Qualität des Messmodells stehen in der Forschungspraxis die Untersuchung der Reliabilität (Zuverlässigkeit) und der Validität (Gültigkeit) im Vordergrund.746 Während die Gütemaße der Reliabilität die interne Konsistenz der Indikatoren schätzen und daher maßgeblich für die Qualität reflektiver Konstrukte sind, muss die konzeptionelle Richtigkeit der Konstruktmessung bei allen
741
Vgl. Wold 1980, S. 47ff.; Chin/Newsted 1999, S. 328. Vgl. Hahn 2002, S. 104. Vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46. 744 Vgl. Chin 1998a, S. 316ff.; Fornell/Cha 1994, S. 68ff.; Lohmöller 1989, S. 49ff. 745 Vgl. Ringle/Spreen 2007, S. 212; Anderson/Gerbing 1988, S. 417ff.; Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 727. 746 Vgl. Churchill 1979, S. 65; Homburg/Giering 1996, S, 6f. 742 743
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155
Konstrukten mit Hilfe verschiedener Prüfkriterien validiert werden. Generell werden der vorliegenden Untersuchung folgende Validitätskriterien zugrunde gelegt: Konvergenzvalidität: Konvergenzvalidität bezeichnet die Homogenität mehrerer Messungen eines theoretischen Konstrukts.747 Das Kriterium der Konvergenzvalidität setzt voraus, dass die dem Konstrukt zugeordneten Indikatoren eine ausreichend starke Beziehung zueinander aufweisen müssen. Eine hohe Korrelation wird jedoch nur bei reflektiven Konstrukten angenommen. Diskriminanzvalidität: Diskriminanzvalidität bezeichnet das Ausmaß, mit dem sich die Konstrukte tatsächlich unterscheiden. Dazu wird überprüft, ob die Assoziation zwischen den Indikatoren eines Konstrukts größer ist als die Assoziation mit anderen Konstrukten. 748 Inhaltsvalidität: Nach Bohrnsted wird durch die Inhaltsvalidität sichergestellt, dass die Indikatoren eines Messmodells den gesamten Bedeutungsraum des zu messenden Merkmals inhaltlich-semantisch abdecken.749 Zwar kann bei fehlender vollständiger Erfassung eines Konstrukts eine explorative Faktorenanalyse vorgenommen werden, die die zugrunde liegende Faktorstruktur quantitativ ermittelt,750 allerdings ist die einschlägige Literatur mehrheitlich der Meinung, dass die Inhaltsvalidität hauptsächlich qualitativ zu bewerten ist.751 Nomologische Validität: Dieses Kriterium bezeichnet das Ausmaß, mit dem sich Vorhersagen bezüglich eines theoretischen Konzepts im Kontext einer übergeordneten Theorie bestätigt werden können.752 Aufgrund der unterschiedlichen Spezifizierung der Konstrukte können formative und reflektive Messmodelle nicht gleichermaßen geprüft werden. Daher wird im Folgenden näher auf die spezifischen Prüfschemata und Gütekriterien von reflektiven und formativen Messmodellen eingegangen. 5.1.3.1.1 Gütebeurteilung reflektiver Messmodelle Bei der Verwendung reflektiver Messmodelle muss darauf hingewiesen werden, dass die einzelnen Indikatoren fehlerbehaftete Messungen des zugrunde liegenden Konstrukts darstel747
Vgl. Bagozzi 1980, S. 125. Vgl. Bagozzi/Philipps 1982, S. 469. Vgl. Bohrnstedt 1970, S. 92. 750 Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 12. 751 Vgl. z.B. Rossiter 2002, S. 308; Parasuraman/Zeithaml/Berry 1988, S. 28. 752 Vgl. Bagozzi 1982, S. 14. 748 749
156
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
len.753 Unabhängig von den zufälligen Messfehlern, die durch all diejenigen Faktoren entstehen, die ohne erkennbare Systematik die Ergebnisse der Konstruktmessung beeinflussen, treten systematische Messfehler bei jeder Messwiederholung immer wieder in gleicher Höhe auf.754 Eine Messung kann demnach als vollständig reliabel bezeichnet werden, wenn der zufällige Messfehler den Wert Null annimmt und als valide, wenn zusätzlich der systematische Messfehler ebenfalls den Wert Null aufweist.755 Auf dieser Grundlage kann nun eine umfassende Vorgehensweise zur Gütebeurteilung reflektiver Konstrukte erfolgen. Homburg unterscheidet die Methoden der 1. Generation und der 2. Generation.756 x
Methoden der 1. Generation
Die Reliabilität des Messmodells wird mit Hilfe des sog. Cronbach’schen Alpha ermittelt.757 Das Alpha kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei höhere Werte auf eine bessere Reliabilität bzw. auf eine höhere interne Konsistenz des Messmodells hindeuten. Falls das Cronbach’sche Alpha den Grenzwert von 0,7 unterschreitet,758 können zur Bereinigung des Messmodells schrittweise die Indikatoren mit der niedrigsten Item-to-Total-Korrelation eliminiert werden.759 Da die Reliabilität aber nur eine notwendige und keine hinreichende Bedingung für eine korrekte Messung ist, muss zusätzlich die ausreichende Validität des Messinstruments als hinreichende Bedingung gewährleistet sein. Erste Hinweise auf Validität gibt die explorative Faktorenanalyse (EFA), die den Begründungszusammenhang zwischen den verwendeten Indikatoren und dem dazugehörigen latenten Konstrukt überprüft bzw. diesen Zusammenhang bestätigt. Die Faktorenanalyse ist daher ein Verfahren zur Schätzung des Beziehungsgrades zwischen beobachtbaren Indikatoren und latenten Konstrukten innerhalb des Messmodells.760 Wichtig für die Durchführung der EFA ist, dass für jeden substanztheoretisch zu erwartenden Faktor mindestens drei Indikatoren verwendet werden.761 Liegen bereits konkrete Annahmen
753
Vgl. Krafft/Götz/Liehr-Gobbers 2005, S. 73. Vgl. Churchill 1987, S. 381f. 755 Vgl. Chrurchill 1987, S. 65. 756 Vgl. Homburg 2000, S. 70. 757 Vgl. Cronbach 1951, S. 331. 758 Vgl. Nunnally 1978, S. 245. 759 Die Item-to-Total Korrelation ist definiert als die Korrelation eines Items (Indikators) mit der Summe aller Indikatoren, die demselben Faktor zugeordnet sind, vgl. Churchill 1979, S. 68. 760 Vgl. Backhaus et al. 2008, S. 519. 761 Vgl. Thurstone 1947; Kim/Müller 1978, S. 68; Homburg/Baumgartner 1995a, S. 1093. 754
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
157
über die zugrundeliegende Faktorenstruktur vor, so raten Homburg/Giering dazu, die explorative Faktorenanalyse lediglich auf Ebene der einzelnen Faktoren anzusetzen.762 Die generelle Sinnhaftigkeit der Durchführung einer Faktorenanalyse lässt sich zunächst mit einer einfachen Prüfgröße aufdecken. Dazu wird die von Kaiser/Meyer/Olkin entwickelte Prüfgröße ‚measure of sampling adequacy‘ (MSA) als Entscheidungskriterium herangezogen.763 Dieses MSA-Kriterium bzw. Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium wird in der Literatur bisher als das beste zur Verfügung stehende Verfahren zur Prüfung der Korrelationsmatrix gesehen.764 Das KMO-Kriterium kann maximal den Wert 1 annehmen. Ein Wert von 0,9 und höher gilt als großartig, von 0,8 bis > 0,9 als lobenswert, von 0,7 bis > 0,8 als mittel, von 0,6 bis > 0,7 als zweitklassig, von 0,65 bis > 0,6 als sehr schlecht und von weniger als 0,6 als inakzeptabel.765 Zudem sollten die MSA-Werte der einzelnen Variablen den Wert von 0,5 überschreiten.766 Zur eigentlichen Extraktion der Faktoren lassen sich verschiedene Verfahren unterscheiden. Die Hauptachsenanalyse wird dazu verwendet, die Zusammenhänge der Indikatoren auf latente Faktoren zurückzuführen, wohingegen die Hauptkomponentenanalyse767 zur Datenreduktion eingesetzt wird. Zur Bestimmung der Faktorenzahl lassen sich verschiedene statistische Kriterien anwenden. Als erstes Kriterium dient das Kaiser- (bzw. Eigenwert) Kriterium. Dazu werden zuerst die Eigenwerte als die Summe der quadrierten Faktorladungen eines Faktors über alle Variablen errechnet. Das Kaiser-Kriterium sieht vor, dass die Zahl der zu extrahierenden Faktoren von der Zahl der Faktoren mit einem Eigenwert größer eins abgeleitet werden können, da ein Faktor, dessen Varianzerklärungsanteil kleiner ist, weniger Varianz erklärt als eine einzelne Variable.768 Für eine ausreichende Validität sollte der extrahierte Faktor mindestens 50% der Varianz der zugrundeliegenden Indikatoren erklären. Außerdem sollten die Faktorladungen der einzelnen Indikatoren mindestens 0,4 anzeigen.769 Generell weisen die Gütemaße der 1. Generation einige Schwachstellen auf, die hauptsächlich in der fehlenden Möglichkeit liegen, die Messfehlereinflüsse der Indikatoren zu untersu-
762
Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8ff; Homburg/Giering 1998, S. 127ff. Vgl. Kaiser 1970, S. 405f. 764 Vgl. Stewart 1981, S. 57; Dziuban/Shirkey 1974, S. 360f. 765 Vgl. Kaiser/Rice 1974, S. 111ff. Auch der Bartlett-Test auf Sphärizität würde mit einem Signifikanzniveau von 0,000 die Hypothese bestätigen, dass die Stichprobe aus einer Grundgesamtheit stammt, in der die Variablen unkorreliert sind, vgl. dazu Dzuiban/Shirkey 1974, S. 358f. Backhaus et al. merken dazu jedoch an, das die Anwendung des Bartlett-Tests voraussetzt, dass die Variablen in der Erhebungsgesamtheit einer Normalverteilung folgen, was in der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht der Fall ist und der Test damit hinfällig wird. Vgl. Backhaus et al. 2008, S. 335. 766 Für die detaillierte Bewertung des MSA-Werts siehe Backhaus et al. 2008, S. 336. 767 oder auch Principal Component Analysis (PCA). Für einen Überblick über die Verfahren siehe z.B. S. 541. 768 Vgl. Backhaus et al. 2008, S. 353. 769 Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 12; Gerbing/Anderson 1988, S. 189. 763
158
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
chen.770 Aufbauend auf dieser Kritik wurden die Gütemaße der 2. Generation entwickelt. Hierbei stellt die konfirmative Faktorenanalyse eine Methode dar, die eine detaillierte Analyse des Messmodells erlaubt, indem sie die a priori Hypothesen über die zugrundeliegende Faktorenstruktur mit Hilfe der erhobenen Daten überprüft und über inferenzstatistische Tests die Messfehlereinflüsse untersuchbar macht. Die Überlegenheit der konfirmativen Faktoranalyse und ihrer Methoden ist gegenüber den Ansätzen der 1. Generation in der Marketingforschung mittlerweile unumstritten.771 x
Methoden der 2. Generation
Ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Messmodelle stellt die Indikatorreliabilität dar. Sie gibt an, welcher Anteil der Varianz eines Indikators von dem zugrunde liegenden Konstrukt erklärt wird. 772 In diesem Zusammenhang sollte der als Ladung bezeichnete Wert der Indikatoren 0,7 überschreiten, da in diesem Fall mehr als 50% der Varianz des Indikators durch das zu messende Konstrukt erklärt werden (Indikatorreliabilität > 0,5).773 Da jedoch bei explorativ verankerten, empirischen Forschungsarbeiten auch geringere Ladungen auftreten können, sollten lediglich Indikatoren mit Ladungen geringer als 0,4 eliminiert werden.774 Zusätzlich zu der Indikatorreliabilität muss auch die Konstruktvalidität (bzw. Faktorreliabilität) überprüft werden.775 Sie ermittelt, wie gut das Konstrukt durch die Gesamtheit aller seiner Indikatoren erfasst wird.776 Als Kriterium zur Messung der Reliabilität einer Indikatorengruppe kann in diesem Zusammenhang auch die interne Konsistenz nach Werts/Linns/ Jöreskog ermittelt werden.777 Dieses Maß berücksichtigt die aktuelle Faktorladung und geht nicht von einer Gleichgewichtung aus, wie es beim Cronbach’schen Alpha beispielsweise der Fall ist. Sollte das Dillon-Goldstein’s ρ eines Indikators bei der Überprüfung der internen Konsistenz 0,7 unterschreiten, so muss dieser aus dem Variablenblock entfernt werden.778 Dazu gilt die folgende Formel:
=
770
∑
∑ ∑ ( )
(5-1)
Vgl. Bagozzi/Philipps 1982, S. 484; Homburg/Giering 1998, S. 120f. Vgl. Homburg/Giering 1998, S. 121. 772 Vgl. Hulland 1999, S. 198 ff. 773 Vgl. Carmines/Zeller 1979, S. 27. Ladungen unter 0,4 sollten aus dem Modell eliminiert werden, vgl. Hulland 1999, S. 198. 774 Vgl. Hulland 1999, S. 198. 775 Vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 45. 776 Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 10. 777 Vgl. Werts/Linn/Jöreskog 1974, S. 24ff. 778 Vgl. Nunnally 1978, S. 245; Dillon/Goldstein 1984, S. 271ff. 771
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
159
Bei dieser Formel stellt die Ladung zwischen einer Indikatorvariablen und einer latenten Variablen dar. Während die interne Konsistenzreliabilität aber ausschließlich die Konstruktreliabilität berechnet, bezieht die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) auch das Verhältnis von Konstrukt- und Messfehlervarianz mit ein.779 Der Wertebereich der DEV liegt ebenfalls zwischen 0 und 1, allerdings sollte der Wert für eine ausreichende Faktorreliabilität 0,5 nicht unterschreiten.780 Die DEV wird folgendermaßen definiert: DEV =
∑
∑ + ∑ ( )
(5-2)
Nachdem die Homogenität der zusammengefassten manifesten Variablen überprüft wurde, muss im Anschluss die Heterogenität der Messungen verschiedener Konstrukte untersucht werden. Die sog. Diskriminanzvalidität stellt sicher, dass eine latente Variable mehr Varianz mit ihren zugehörigen Indikatoren teilt, als mit den anderen latenten Variablen.781 Dafür kann die DEV ebenfalls zur Messung der Diskriminanzvalidität herangezogen werden. Das Fornell-Larcker-Kriterium fordert in diesem Zusammenhang, dass die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) eines latenten Konstrukts größer ist als jede quadrierte Korrelation dieses Konstrukts mit anderen latenten Konstrukten.782 Außerdem geben die Kreuzladungen Aufschluss über das Vorliegen von Diskriminanzvalidität. Die Ladung eines Indikators sollte größer auf die ihm zugeordnete latente Variable sein als auf alle anderen latenten Variablen.783 Eine Zusammenfassung der Kriterien zur Gütebeurteilung der äußeren, reflektiven Messmodelle stellt Tabelle 19 dar.
779
Vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 45f. Vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46; Homburg/Baumgartner 1995b, S. 170. Vgl. Hulland 1999, S. 199. 782 Vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46. 783 Vgl. Chin 1998a, S. 321. 780 781
1.Generation
160
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells Reflektive Messmodelle
Methode
Reliabilität
Cronbach’sche Alpha Item-to-Total-Korrelation (ITC)
Konvergenzvalidität (expl. Faktorenanalyse)
Kaiser-Meyer-Olkin (KMO) Indikatorladung Erklärte Varianz Höhe der Faktorladung Indikatorreliabilität Sig. der Faktorladung (t-Statistik)
2.Generation
Indikatorreliabilität
Konstruktreliabilität Diskriminanzvalidität
Interne Konsistenz (Dillon-Goldstein‘s ρc) Durchschnittlich Erfasste Varianz (DEV) Fornell-Larcker-Kriterium Kreuzladungen
Anforderungen ≥ 0,7 ≥ 0,5 ≥ 0,4 ≥ 50 % ≥ 0,7 ≥ 0,5 1,282 (10%) 1,645 (5%) 2,326 (1%) ≥ 0,7 ≥ 0,5 DEV > quadrierte Korr. Ladung auf Faktor > Ladung auf anderen Faktor
Tabelle 19: Gütemaße zur Beurteilung reflektiver Messmodelle
5.1.3.1.2 Gütebeurteilung formativer Messmodelle Aufgrund ihrer unterschiedlichen Konzeption der Kausalrichtung können formative Messmodelle nicht mit den bereits vorgestellten Gütemaßen beurteilt werden.784 Als erstes Kriterium der Messmodellgüte dient die Validierung der Modellspezifikation durch Experten im Rahmen eines umfassenden (item sorting) Pretests (vgl. Kapitel 5.2.2.2). Dazu werden Experten gebeten, die zufällig angeordneten Indikatoren den Konstrukten zuzuordnen, wobei die Eindeutigkeit der Zuordnung über den sog. PSA-Index (proportion of substantive agreement) und die inhaltliche Relevanz über den CSV-Index (substantive validity coefficient) von Bedeutung sind.785 Der PSA-Index kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei ein höherer Wert mit einer größeren Übereinstimmung gleichzusetzen ist. Der CSV-Index kann Werte zwischen -1 und +1 annehmen, allerdings weisen nur hohe positive Werte auf eine hohe inhaltliche Relevanz hin. Da bei formativen Konstrukten die Indikatoren substanzielle Bestandteile des Konstrukts sind, lehnt Rossiter den Einsatz weiterer statistischer Verfahren zur Bereinigung der Konstrukte nach der Datenerhebung grundsätzlich ab, um eine mögliche Veränderung der Konstruktdefinition durch Elimination von Indikatoren zu vermeiden.786 Aus praktischer Sicht kann dieser Verzicht allerdings aufgrund des Multikollinearitätsproblems schwerwiegende
784 785 786
Vgl. Diamantopoulos 1999, S. 453f. Vgl. Anderson/Gerbing 1991, S. 734. Vgl. Rossiter 2002, S. 318ff.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
161
Folgen haben. Zeigen sich starke lineare Abhängigkeiten zwischen den Indikatoren, so ist der singuläre Einfluss eines Indikators im Messmodell nicht isolierbar und sollte eliminiert werden.787 Im Zuge dieser Untersuchung wird jedoch keine rein kriteriengestützte Bereinigung vorgenommen, vielmehr wird die Verletzung der Gütekriterien als Hinweis auf mögliche Probleme der Operationalisierung aufgefasst. Einen Hinweis auf Multikollinearität geben hohe Korrelationskoeffizienten. Werte nahe 1 deuten auf ein hohes Maß an Multikollinearität hin.788 Bei Regressionsanalysen gelten Werte ab 0,6 als kritisch. Allerdings zeigen Simulationsstudien, dass es bei PLS zu einer Verzerrung der Schätzer kommt, wenn die Korrelation der Indikatoren 0,7 übersteigt.789 Da mit Hilfe der Korrelationsmatrix lediglich bivariate Korrelationen überprüft werden, muss über die Berechnung mehrerer linearer Regressionen auch der Anteil bestimmt werden, den die anderen Indikatoren an der Gesamtvarianz eines Indikators haben. Das anerkannteste Prüfmaß stellt in diesem Zusammenhang der variance inflation factor (VIF) dar.790 =
1 1 −
(5-3) VIF-Werte, die größer als der Minimalwert von 1 sind, zeigen an, um welchen Faktor sich die Varianzen der betroffenen Indikatoren durch Multikollinearität vergrößern. Als Faustregel gilt, dass der Wert 10 nicht überschritten werden sollte, wobei immer wieder darauf hingewiesen wird, dass ein solch kritischer Wert vorwiegend aufgrund inhaltlicher Überlegungen geprüft werden muss. Neben dem VIF kann in Abhängigkeit der Eigenwerte auch der Konditionsindex (KI) zur Überprüfung von Multikollinearität herangezogen werden.791
=
787
!"#$"%& ' !"#$"%
Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 272. Vgl. Huber et al. 2007, S. 38; Backhaus et al. 2008, S. 89. Vgl. Cassel/Hackl/Westlund 1999, S. 443f. 790 Vgl. Krafft/Götz/Liehr-Gobbers 2005, S. 79. 791 Vgl. Belsley/Kuh/Welsch 1980, S. 117f. 788 789
(5-4)
162
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Werte größer 30 weisen auf substanzielle Multikollinearität hin, wobei jedoch empfohlen wird, das Verfahren durch Varianzzerlegung zu ergänzen. So kann überprüft werden, welche Varianzanteile der Regressionskoeffizienten durch Konditionsindizes erklärt werden.792 Zusätzlich schlagen Reinartz/Krafft/Hoyer vor, die externe bzw. nomologische Validität ebenfalls als Gütekriterium für die Bewertung formativer Messmodelle heranzuziehen.793 Dazu lassen sich nach Diamantopoulos/Winklhofer verschiedene Verfahren zur konfirmativen Prüfung der Konstruktreliabilität anwenden, die jedoch unterschiedliche Anforderungen an die Daten stellen.794 So kann beispielsweise über ein MIMIC-Modell (multiple indicators multiple causes) jedes latente Konstrukt sowohl durch formative als auch reflektive Indikatoren gemessen werden, um stabile Schätzparameter zu erreichen. Dies bedingt allerdings einen erheblichen Mehraufwand bei der Erhebung der Untersuchungsdaten. Ein weiteres Verfahren stellt die Einbindung des formativen Konstrukts in ein nomologisches Netzwerk dar. Das Konstrukt wird darin über die Pfadbeziehung mit einem anderen, kausal vor- oder nachgelagerten latenten Konstrukt verknüpft. Dieses Verfahren bietet sich insbesondere dann an, wenn keine reflektiven Indikatoren zur Verfügung stehen und das formative Konstrukt als Prädikator anderer, latenter Variablen fungiert.795 Problematisch hierbei erscheint die Tatsache, dass das formative Konstrukt mit der Verbindung nur eines nachgelagerten Konstrukts noch nicht identifiziert ist. MacKenzie/Podsakoff/Jarivs schlagen daher Folgendes vor: „One way that it would be identified is if the theoretical structure being tested included paths from […the second order construct] to two unrelated latent constructs with reflective indicators.”796 Die Konstruktion des nomoligschen Netzwerks mit Hilfe zweier nachgelagerter, reflektiver, latenter Konstrukte wird von MacKenzie/Podsakoff/Jarvis als Modell A bezeichnet und folgendermaßen dargestellt (vgl. Abbildung 22). Die nomologische Validität wird diesem Verfahren nach anhand des Pfadkoeffizienten β zwischen reflektivem und formativem Konstrukt geprüft. Als Indiz für die nomologische Validität der Messmodelle gilt ein signifikant positives β. Außerdem kann dazu die erklärte Varianz R2 des endogenen Konstrukts als Kriterium herangezogen werden. In der Regel fällt das R2 in Partialmodellen eher gering aus, da das endogene Konstrukt normalerweise von mehr als einem Faktor beeinflusst wird.797
792
Vgl. Hair et al. 1998, S. 220f. Vgl. Reinartz/Krafft/Hoyer 2004, S. 298f. Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 272f. 795 Vgl. Eggert/Fassott 2003, S. 9. 796 MacKenzie/Podsakoff/Jarvis 2005, S. 726. 797 Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 274; Herrmann/Huber/Kressmann 2006, S. 51. 793 794
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
163
λ21
ξ2
x11
λ22
x21
x22
λ23
π11
β21 x23
x12
π12
ξ1 β31
π13
λ31
x13
x31
λ32 x32
ξ3 λ33
x33
Abbildung 22: Nomologisches Netzwerk
Das Verfahren über nomologische Netzwerke hat den Vorteil, dass bereits bei der Gütebeurteilung der formativen exogenen Faktoren, Anhaltspunkte zu ihren kausalen Beziehungen zu den endogenen Variablen gegeben werden, was im Rahmen der Zielsetzung dieser Arbeit als durchaus wünschenswert anzusehen ist. In der folgenden Tabelle werden die Prüfmaße formativer Messmodelle zusammengefasst. Formative Messmodelle
Methode
Expertenvalidität
Item-Sorting-Pretest: - Eindeutigkeit der Zuordnung - Inhaltliche Relevanz Interpretation der Gewichte - Indikatorgewichtung - Signifikanz (p) Prüfung auf Multikollinierarität - Korrelationen - Variance Inflation Index (VIF) - Konditionsindex (KI) Sign. der Pfadkoeffizienten (p)
Indikatorrelevanz
Nomologische Validität
Tabelle 20: Gütemaße zur Beurteilung formativer Messmodelle
Anforderungen PSA-Index CSV-Index ≥ 0,1 < 0,1 < 0,7 < 10 < 30 < 0,05
164
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
5.1.3.2 Messmodelle höherer Ordnung Die in Kapitel 5.1.3.1 vorgestellten Kriterien zur Beurteilung der Messmodelle beziehen sich auf die Messung einfacher, einfaktorieller Konstrukte.798 Solche Konstrukte werden als Konstrukte erster Ordnung bezeichnet, da sie die einfache Beziehung zwischen manifesten Indikatoren und latenten Konstrukten darstellen.799 In der empirischen Betriebswirtschaftslehre werden jedoch vermehrt auch mehrfaktorielle Konstrukte, also Konstrukte höherer Ordnung, modelliert. Diese Konstrukte werden nicht direkt durch manifeste Variablen erfasst, sondern werden aus mehreren latenten Variablen abgeleitet.800 Beispielsweise setzten sich Konstrukte zweiter Ordnung aus mehreren formativen und/oder reflektiven Konstrukten erster Ordnung zusammen, die dann als Dimensionen des Konstrukts 2. Ordnung fungieren.801 Damit stellt das Konstrukt 2. Ordnung eine theoretische Abstraktion dar, die einzelne Dimensionen zusammenfasst.802 Ob ein Konstrukt ein- oder mehrdimensional modelliert wird, hängt also im Wesentlichen vom Abstraktionsgrad der Betrachtung ab.803 Häufig werden Konstrukte 2. Ordnung ähnlich einer konfirmativen Faktorenanalyse aufgefasst, wobei zu beachten ist, dass es sich bei Konstrukten 2. Ordnung um ein wesentlich abstrakteres Modellierungsniveau handelt, bei dem die Indikatoren selbst latente Konstrukte darstellen.804 Je nach Operationalisierung der Konstrukte erster Ordnung und ihrer Beziehung zum Konstrukt zweiter Ordnung können unterschiedliche Formen von Konstrukten zweiter Ordnung unterschieden werden. Die wesentliche Unterscheidung wird dabei im Hinblick auf die Beziehung zwischen dem Konstrukt zweiter Ordnung und seinen Dimensionen (Konstrukte erster Ordnung) gemacht. Wird diese Beziehung als reflektiv konzeptioniert, so sind die Dimensionen als manifeste Indikatoren des latenten Konstrukts aufzufassen. Sie werden in der Literatur generell als subordinate constructs bezeichnet.805 Wird die Beziehung hingegen formativ konzeptioniert, so werden die Dimensionen zu einem generellen Konzept (das Konstrukt zweiter Ordnung) zusammengefasst. Man spricht in diesem Zusammenhang daher auch von aggregate constructs.806 Insgesamt müssen für multidimensionale Konstrukte jedoch die Korrespondenzbeziehungen aller Abstraktionsstufen bestimmt werden. Im Falle von Konstrukten 2.
798
Vgl. Anderson/Gerbing/Hunter 1987, S. 435. Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 204. 800 Vgl. Homburg/Giering 1996, S. 6. 801 Vgl. Law/Wong/Mobley 1998, S. 741ff.; Edwards 2001, S. 144ff. 802 Vgl. Bagozzi 1985, S. 43ff.; Homburg/Giering 1996, S. 15ff.; Law/Wong/Mobley 1998, S. 741. 803 Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 204. 804 Vgl. Chin 1998b, S. x. 805 Vgl. Edwards 2001, S. 146f. 806 Vgl. Edwards 2001, S. 147f. Edwards/Bagozzi bezeichnen diese beiden Modelltypen auch als indirect reflective models und indirect formative models, vgl. Edwards/Bagozzi 2000, S. 162f. 799
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
165
Ordnung ergeben sich demnach vier Hauptformen (vgl. Abbildung 23), da die Konstrukte sowohl auf der 1. als auch auf der 2. Abstraktionsebene sowohl formativer als auch reflektiver Natur sein können.807
Konstrukte 2. Ordnung (theoretische Ebene)
subordinate construct
Konstrukte 1. Ordnung (theoretische Ebene)
Manifeste Indikatoren (empirische Ebene)
Modelltyp
ξ1
x11
x12
Typ III
aggregate construct
ξ2
x13
x21
x22
Typ I
ξ1
x23
x11
x12
ξ2
x13
Typ IV
x21
x22
x23
Typ II
Abbildung 23: Konstrukte 2. Ordnung808
Der Einsatz multidimensionaler Konstrukte wird in der Forschung kontrovers diskutiert.809 Häufig wird der Einwand hervorgebracht, dass multidimensionale Konstrukte in der Regel nicht eindeutig konzeptioniert werden können und es deshalb schwierig sei, Theorien zu entwickeln, die die Beziehung zwischen einem multidimensionalen Konstrukt und anderen Konstrukten erklären, da unterschiedliche Erklärungen für die jeweiligen Dimensionen vorliegen könnten.810 Auf der anderen Seite wird jedoch postuliert, dass Theorien eine gewisse Generalität aufweisen sollten und multidimensionale Konstrukte besser in der Lage sind, komplexe Phänomene ganzheitlich auf einer Abstraktionsstufe zu erfassen.811 Wie sich zeigt, führt die Debatte um multidimensionale Konstrukte zur generellen Theorieebene. Sie spiegelt die vorliegenden ideologischen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Entwicklung bzw. Verwendung von breiten vs. spezifischen Theorien wider. In neueren Pub-
807
Für eine Übersicht der vier Hauptformen vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 205. In Anlehnung an: Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 204. Vgl. Edwards 2001, S. 148ff.; Giere/Wirtz/Schilke 2006, S. 678ff. 810 Vgl. Hattie 1985; Johns 1998, S. 453ff. 811 Vgl. Edwards 2001, S. 148. 808 809
166
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
likationen verlagert sich die Diskussion allerdings zunehmend auf die eigentliche Spezifizierung von multidimensionalen Konstrukten und fördert damit eine differenzierte Betrachtung der Thematik. Vor diesem Hintergrund lässt sich bei Albers/Götz eine kritische Bewertung der Spezifizierungsmöglichkeiten finden, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird.812 Wie bereits dargestellt, ist vor allem die Kausalität zwischen Dimensionen und Konstrukten von Bedeutung. Eine reflektive Spezifizierung von Konstrukten 2. Ordnung würde die Austauschbarkeit der Dimensionen implizieren, was eine mehrstufige Spezifikation des zugrunde liegenden Konstrukts überflüssig machen würde, da man keine unterschiedlichen Dimensionen unterstellt. Daher ist es wenig sinnvoll, die Modellkomplexität durch ein multidimensionales Konstrukt zu erhöhen, obwohl dieses auch eindimensional definiert werden könnte. Damit wird generell die Sinnhaftigkeit von Typ I und Typ III Modellen im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Forschung angezweifelt (vgl. Abbildung 23).813 Die vorangegangene Argumentation zeigt, dass Konstrukte 2. Ordnung nur dann definiert werden sollten, wenn die Dimensionen verschiedene Facetten darstellen und damit das Konstrukt 2. Ordnung bilden. Damit ist klar, dass die formative Spezifikation des Identitätskonstrukts auf 2. Ebene in der vorliegenden Untersuchung sinnvoll und richtig ist, da die Dimensionen Kommunikation, Verhalten und Design verschiedene Facetten der Identität darstellen. Daran anschließend stellt sich jedoch die Frage, wie die Konstrukte 1. Ordnung (Dimensionen) spezifiziert werden. Wesentliches Kriterium ist hier die Zielsetzung bzw. Vorgehensweise der Untersuchung. Werden für ein Konstrukt z.B. über Experteninterviews und Literaturrecherche verschiedene Aspekte gefunden, so werden diese mit einer explorativen Faktorenanalyse auf die zugrunde liegende Faktorenstruktur überprüft. Die einem Faktor bzw. einer Dimension zugeordneten Indikatoren sind aufgrund ihrer Interkorrelation reflektiver Natur; die Faktoren sind jedoch per Definition unabhängig und können nur formative Indikatoren des Konstrukts 2. Ordnung sein. Da diese Vorgehensweise in der vorliegenden Untersuchung angestrebt wird, lässt sich das Identitätskonstrukt eindeutig als Typ II (Konstrukte 1. Ordnung reflektiv, Konstrukt 2. Ordnung formativ) spezifizieren (vgl. Abbildung 23). Zur Überprüfung der Validität der Konstrukte 2. Ordnung werden die gleichen Gütekriterien verwendet wie für die Konstrukte 1. Ordnung.814
812 813 814
Vgl. Albers/Götz 2006, S. 672f. Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 199ff.; Diamantopoulos/Riefler/Roth 2008, S. 1205ff. Vgl. Ping 2004, S. 133.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
167
5.1.3.3 Gütebeurteilung von Strukturmodellen Im zweiten Schritt der Beurteilung der Modellgüte werden die Messergebnisse im Strukturmodell (inneres Pfadmodell) überprüft. Im Rahmen der PLS-Analyse wird häufig argumentiert, dass kein globales Gütemaß existiert, das die Qualität des Modells beurteilen könnte.815 Zwar werden bei PLS globale Gütemaße wie der normierte Bentler-Bonett-Fit-Index816 ausgewiesen allerdings basieren solche Maße auf der Annahme, dass die Modellparameter so geschätzt werden, dass sie die Differenz zwischen beobachteter und reproduzierter Kovarianzmatrix minimieren – eine Annahme, die bei PLS nicht gewährleistet ist.817 Aus diesem Grund werden zur Analyse der Qualität des Strukturmodells hauptsächlich andere Maße verwendet, die zumindest eine Annäherung an die Beurteilung der globalen Modellgüte erlauben. Beispielsweise kann das aus der Regressionsanalyse bekannte Bestimmtheitsmaß R2 der endogenen Variablen ermittelt werden, das den Anteil der über die Regressionsgleichung erklärten Varianz an der Gesamtvarianz angibt. Werte für R2 von 0,19; 0,33 und 0,67 sind jeweils als schwach, durchschnittlich bzw. substanziell einzustufen.818
R2 =1-
Varianzungeklärt ∑Nn=1(yn -y,)2 =1- N Varianzgesamt ∑n=1(yn -y.)2
(5-5)
Über die Bestimmtheitsmaße der endogenen latenten Variablen hinaus, wird der Effekt einer unabhängigen latenten Variable auf die abhängige Variable ermittelt. Die Änderung des R2 bei Eliminierung oder Hinzufügung von Variablen lässt dabei Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Effektstärke (ƒ2) zu.819 ƒ =
#/0 − "3/0 1 − #/0
(5-6)
Werte für ƒ2 von 0,02; 0,15 und 0,35 geben Auskunft darüber, ob ein schwacher, moderater oder substanzieller Einfluss vorliegt.820 Damit festgestellt werden kann, ob die im Modell implizierten gerichteten Beziehungen statistisch signifikante Ergebnisse aufweisen, lassen sich für das innere Modell die Signifikanzen der Pfadkoeffizienten ermitteln. Dazu wird das 815
Vgl. Ringle 2004, S. 23. Vgl. Bentler/Bonett 1980, S. 588ff. Vgl. Hulland 1999, S. 202. 818 Vgl. Chin 1998a, S. 323. 819 Vgl. Cohen 1988, S. 410f. 820 Vgl. Chin 1998a, S. 316. 816 817
168
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
sog. Resampling angewendet, bei dem eine Anzahl an Fällen aus den erhobenen Daten unterdrückt wird, um anschließend mit den restlichen Fällen die fehlenden Werte neu zu schätzen. Die Beurteilung der Güte des geschätzten Modells kann entweder durch bootstrapping oder jackknifing821 erfolgen, die als nicht-parametrische Verfahren die Reliabilität der Pfadkoeffizienten anhand von t-Werten überprüfen.822 In der Regel wird das Bootstrap-Verfahren bevorzugt, da hier die auszuschließenden Fälle zufällig gewählt werden. Beim Jackknifing hingegen werden die Fälle (meist ein Fall) systematisch unterdrückt, weshalb dieses Verfahren lediglich als Approximation an das Bootstrap-Verfahren aufgefasst wird und generell durch seine geringere Effizienz als nachteilig bewertet wird.823 Anschließend kann zusätzlich die Prognoserelevanz einer latenten endogenen Variable anhand des Stone-Geisser-Kriteriums (Q2) ermittelt werden.824 Hierbei wird über die sog. Blindfolding-Prozedur ein Teil der Rohdatenmatrix als fehlend angenommen und dann geprüft, wie gut die ermittelten Parameterschätzungen diesen Teil rekonstruieren können.825 Q2 ist demzufolge das Maß dafür, wie gut die empirisch erhobenen Daten ohne Verlust von Freiheitsgraden durch das Modell geschätzt werden können.826 Sofern das Kriterium größer Null ist, kann man davon ausgehen, dass eine Schätzrelevanz eines Blocks manifester Variablen vorliegt und die darüber erfolgte Schätzung der latenten Variable als sicher anzusehen ist. Die Formel zu diesem Kriterium sieht folgendermaßen aus: 4 = 1 −
∑5 5 ∑5 65 (5-7)
Darin stellt
5
die Quadratsumme der Prognosefehler und 65 die Quadratsumme der Diffe-
renzen von geschätzten Werten und dem Mittelwert der verbleibenden Daten der Blindfolding-Prozedur dar. Auch wenn bereits argumentiert wurde, dass es keine zuverlässigen, globalen Gütemaße für die PLS-Analyse gibt, so soll an dieser Stelle ein Versuch vorgestellt werden, sich diesem
821
Vgl. Krafft/Götz/Liehr-Gobbers 2005, S. 83. Vgl. Krafft/Götz/Liehr-Gobbers 2005, S. 83. Als kritische t-Werte (einseitiger Test) werden hier 1,282 für das 10%-Niveau, 1,645 für das 5%-Niveau und 2,326 für das 1%-Niveau herangezogen. Die Werte können einer Tabelle zur Normalverteilung (bzw. t-Verteilung mit df →∞) entnommen werden. Vgl. z.B. Böhler 1992, S. 240f. 823 Vgl. Efron/Tibshirani 1993, zitiert aus Chin 1998a, S. 320. 824 Vgl. Stone 1974, S. 111ff.; Geisser 1974,S. 101ff. 825 Vgl. Tennenhaus et al. 2005, S. 174ff. 826 Vgl. Chin 1998a, S. 317. 822
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
169
Problem anzunehmen. Tennenhaus et al.827 haben dazu den Goodness-of-Fit-Index (GoF) über den Mittelwert aller durchschnittlich erfassten Varianzen auf Messmodellebene und dem R2 für die abhängigen Variablen auf Strukturebene errechnet, um zu einem globalen Wert für die Güte des Modells zu gelangen. GoF = 7.................. /899:#0;%< × ....
(5-8)
Aufgrund der Richtwerte, die sich in der Literatur zu der durchschnittlich erfassten Varianz (> 0,5) als auch dem R2 (> 0,19) finden lassen, würde ein Mindestwert von 0,13 als akzeptabel gelten.828 Der errechnete Wert kann zwar zu einem gewissen Maße die Güte des Gesamtmodells darstellen, allerdings werden auch hier nur die Ergebnisse der Teilmodelle verwendet, die in ihrer Zusammenführung jedoch streng genommen keine Aussagen über die Qualität des Modells in seiner Gesamtheit erlauben, da auch diese nur über partielle Schätzungen ermittelt wurden. Trotzdem wird im weiteren Verlauf der GoF als Annäherung an ein globales Gütemaß aufgefasst und an den entsprechenden Stellen ausgewiesen. Tabelle 21 fasst die Gütemaß auf Strukturmodellebene zusammen. Inneres Strukturmodell Bestimmtheitsmaß (R2)
Pfadkoeffizienten (t-Statistik bei Bootstrapping)
Effektstärke (ƒ2)
Prognoserelevanz (Stone-Geisser-Kriterium) (Q2) Goodness-of-Fit-Index (GoF)
Tabelle 21: Gütemaße zur Beurteilung des Strukturmodells829
827 828 829
Vgl. Tennenhaus et al. 2005, S. 173. Vgl. Ringle/Wende/Will 2009. in Anlehnung an Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 731.
Anforderungen 0,19 0,33 0,67 1,282 1,645 2,326 0,02 0,15 0,35 >0 0,13 0,23 0,47
Schwach moderat stark 10% 5% 1% Schwach moderat stark Schwach moderat stark
170
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
5.1.3.4 Beurteilung von moderierenden Effekten Basierend auf den formulierten Forschungsfragen soll auch der Einfluss von moderierenden Konstrukten auf das Strukturgleichungsmodell überprüft werden. Moderatoren werden als exogene Größen aufgefasst, die die Form und Stärke der Beziehung zwischen einem Prädikator und der Zielvariablen beeinflussen.830 Bei moderierenden Effekten wird demnach angenommen, dass die Beziehung zwischen unabhängiger und abhängiger Variable nicht immer gleich stark ausgeprägt ist.831 Die Wirkungsbeziehungen können entweder von weiteren unabhängigen Variablen beeinflusst (Interaktion) oder mediiert (Mediation) werden.832 Interaktionseffekte liegen vor, wenn das Ausmaß des Zusammenhangs zwischen einer unabhängigen und einer abhängigen Variable vom Wert einer dritten Variable abhängt, welche dann als Interaktionsvariable bzw. Moderator bezeichnet wird.833 Ist der Interaktionseffekt positiv, so bedeutet dies, dass die Wirkungsbeziehung der unabhängigen auf die abhängige Variable mit steigendem Wert des Moderators verstärkt wird.834 Für die Untersuchung moderierender Effekte gibt es unterschiedliche Verfahren: die multiple Gruppenanalyse und die moderierte Regression.835 In der Regel eignet sich besonders die multiple Gruppenanalyse, da sie sowohl für kategoriale als auch metrische Moderatorvariablen einsetzbar ist.836 Sollen in der Analyse metrische Daten von Moderatorvariablen untersucht werden, so müssen diese zuvor in kategoriale Daten transformiert werden. Demzufolge ist diese Methode zwar weitaus weniger komplex als z.B. die Schätzung von Interaktionseffekten, aber über die Dichotomisierung (bzw. Trichotomisierung) der metrischen Moderatorvariablen geht häufig ein großer Informationsverlust einher.837 Um dies zu vermeiden werden mögliche moderierende Effekte in der vorliegenden Untersuchung mit Hilfe von Interaktionstermen überprüft. Zudem handelt es sich nur um wenige Strukturparameter, die von den Moderatoren beeinflusst werden könnten, so dass die Komplexität der Umsetzung in einem angemessenen Rahmen bleibt (vgl. Abbildung 24).
830
Vgl. Darrow/Kahl 1982, S. 35ff.; Baron/Kenny 1986, S. 1174. Vgl. Sharma/Durand/Gur-Arie 1981, S. 291ff. Vgl. Müller 2006, S. 257ff. 833 Vgl. Jaccard/Turrisi/Wan 1990, S. 7; McClelland/Judd 1993, S. 376ff. 834 Vgl. Giering 2000, S. 93f. 835 Vgl. Homburg/Giering 2001, S. 52; Darrow/Kahl 1982, S. 35ff.; Cohen et al. 2003. 836 Vgl. Jaccard/Wan 1996, S. 23ff. 837 Vgl. Davis 1994, S. 1; Huber/Heitmann/Herrmann 2006, S. 696f. 831 832
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
171
Schätzung von Moderatoren
Typ der moderierenden latenten Variable
metrisch
Anzahl der beeinflussten Strukturparameter
ein / wenige Parameter
viele Parameter/ Gesamtes Kausalmodell
Verfahren
Interaktionsterm (nicht-lineares SGM)
Multiple Gruppenanalyse
kategorial
Multiple Gruppenanalyse
Abbildung 24: Verfahren zur Schätzung moderierender Effekte838
Neben der Beziehung zwischen exogener und endogener Variable wird zur Analyse moderierender Effekte nicht nur ein direkter Einfluss der Moderatorvariable (>) auf die endogene Variable (), die als Produkt aus exogener Variable (3) und Moderatorvariable (z) berechnet wird. Zentrales Element der moderierten Regression ist daher der Interaktionsterm. Die Formel der moderierten Regression lautet wie folgt:839 < = + ?@ 3 + ? > + ?A 3> (5-9) Die Hypothese bezüglich des moderierenden Effekts wird unterstützt, wenn der Pfadkoeffizient zwischen dem Interaktionsterm und der abhängigen Variable signifikant ist (?A3>) und demnach ein signifikanter Interaktionseffekt vorliegt.840 Dieser Effekt ist unabhängig davon, welche Ausprägung die Pfadkoeffizienten der exogenen Variable (?@ 3) oder der Moderatorvariable (? >) haben. Zusätzlich kann eine Effektstärke über den R²-Anstieg ermittelt werden.
838 839 840
Vgl. Braunstein 2001, S. 238f. Vgl. Cohen et al. 2003, S. 257. Vgl. Baron/Kenny 1986, S. 1174.
172
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
5.1.3.5 Beurteilung von mediierenden Effekten Wird vermutet, dass die Beziehung zwischen einer unabhängigen und einer abhängigen Variable über die Zwischenschaltung einer weiteren Variable besser erklärt werden kann, so muss im Rahmen der Untersuchung überprüft werden, ob solche mediierenden Effekte im Untersuchungsmodell vorliegen. Baron/Kenny definieren eine Mediatorvariable als eine intervenierende Variable, die den Zusammenhang zwischen einem Prädiktor (unabhängige Variable) und einem Kriterium (abhängige Variable) erklärt.841 Ihnen zu folge lassen sich solche Effekte mit Hilfe mehrerer linearer Regressionsanalysen nachweisen. Belegt die einfache Regression, dass die unabhängige Variable sowohl auf den Mediator (β1) als auch auf die abhängige Variable (β2) einen signifikanten Einfluss übt, und darüber hinaus der Mediator in der multiplen Regression die abhängige Variable signifikant beeinflusst (β3) und damit den Einfluss der unabhängigen Variable auf die abhängige Variable im Vergleich zu einer einfachen Auswertung verringert, dann kann von einem mediierenden Effekt gesprochen werden. Bei einer reinen Mediation entfällt durch die Hinzunahme des indirekten Pfades die direkte Wirkung der unabhängigen Variable auf die abhängige Variable. Wird dieser Zusammenhang nur signifikant reduziert, nicht aber aufgehoben, liegt eine partielle Mediation vor. Die Effektstärke kann in einem solchen Fall über den Quotienten aus dem direkten und dem totalen Effekt ermittelt werden, der den prozentualen Anteil des mediierenden Effekts angibt (VAF = variance accounted for).842 B =
?@ ∙ ?A ?@ ∙ ?A + ?
(5-10)
Baron/Kenny weisen darauf hin, dass bei latenten Variablen die Aufdeckung möglicher Mediatoreneffekte nicht über eine gewöhnliche Regressionsanalyse, sondern im Rahmen einer messfehlerbereinigten Strukturgleichungsanalyse erfolgen sollte.843 Die konzeptionelle Unterscheidung des Mediators zum Moderator wird in Abbildung 25 verdeutlicht.
841 842 843
Vgl. Baron/Kenny 1986, S. 1177. Vgl. Eggert/Fassott/Helm 2005, S. 106. Vgl. Baron/Kenny 1986, S. 1177.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
173
Mediator
β3
β1
Unabhängige Variable (Prädikator)
Moderator
β2
Abhängige Variable (Kriterium)
Unabhängige Variable (Prädikator)
βmod
Abhängige Variable (Kriterium)
Abbildung 25: Die konzeptionelle Unterscheidung zwischen Mediator und Moderator
5.2
Erhebung der Daten
Nach der Entwicklung und Überprüfung konkreter Messmodelle für die zu untersuchenden latenten Variablen und der Überführung dieser in ein formales Befragungsinstrument erfolgt im folgenden Kapitel die eigentliche Datenerhebung. Dafür wird in Kapitel 5.2.1 zunächst der Auswahlprozess der Unternehmen beschrieben, die für eine Befragung geeignet sind. Im Anschluss daran wird die Erhebungsmethode vorgestellt (Kapitel 5.2.2) und die Datensammlung (Kapitel 5.2.3) sowie die Charakteristika der Daten (Kapitel 5.2.4) beschrieben.
5.2.1
Stichprobengenerierung
Zur Generierung einer geeigneten Stichprobe ist es notwendig, eine Teil- bzw. Zielpopulation aus der Grundgesamtheit für die Beantwortung der Forschungsfrage zu definieren. Als Grundgesamtheit werden alle potentiell untersuchbaren Einheiten bezeichnet, die ein oder mehrere Merkmale gemeinsam haben.844 Es ist also notwendig, die Grundgesamtheit anhand verschiedener, für die Untersuchung geeigneter Merkmale zu definieren und diese zur Eingrenzung der Grundgesamtheit auf die relevante Teilmenge anzuwenden. Zur Grundgesamtheit zählen für die vorliegende Arbeit grundsätzlich alle Erstbesucher einer Online-ShoppingWebsite. Dieser Fokus wird vor allem deshalb gelegt, weil die Besucher möglichst keinerlei vorherige Erfahrung bzw. Kontakt mit der Marke haben sollen, um den Effekt der Identitätswahrnehmung auf die Einstellungsbildung frei von weiteren Einflussvariablen (wie z.B. vorherige Erfahrung mit der Marke) untersuchen zu können. Um sicherzustellen, dass es sich tatsächlich nur um Erstbesucher bei den Teilnehmern handelt, wurde im Fragebogen eine Filterfrage eingebaut, über die allerdings nicht unterschieden werden kann, wie lange sich der Teilnehmer mit der Markenwebseite vor Beantwortung des Fragebogens auseinandergesetzt hat. Findet eine Befragung unter den genannten Bedingungen statt, so muss an dieser Stelle 844
Vgl. Bortz 2005, S. 86.
174
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
darauf hingewiesen werden, dass lediglich ein sehr begrenzter Ausschnitt des Markenaufbaus untersucht werden kann, nämlich die Wahrnehmung und Wirkung der Identität zum Zeitpunkt des ersten Websitebesuchs. Alle weiteren vor- und nachgelagerten Aspekte des Markenaufbaus werden aus Gründen der Komplexitätsreduzierung und Übersichtlichkeit zumindest im empirischen Teil der Arbeit ausgeblendet. Die Auswahl der Stichprobe wird des Weiteren auf Basis junger Internetunternehmen gestützt, die sich im Prozess des Markenaufbaus befinden und über deren Webseite geeignet Erstbesucher adressiert werden können. Wie bereits in Kapitel 2.1.2.1 deutlich wurde, ist eine temporale Bestimmung des Markenaufbauprozesses schwierig. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass sich der Prozess hauptsächlich über die ersten 1-2 Jahre eines Unternehmens erstreckt. Als erstes Auswahlkriterium dient daher der Zeitpunkt der Gründung, der in diesem Fall zum Zeitpunkt der Erhebung höchstens zwei Jahre zurückliegen sollte. Zweifelsohne kann über dieses Kriterium keine absolute Aussage darüber getroffen werden, ob es sich tatsächlich um ein Unternehmen im Markenaufbau handelt, allerdings lässt sich darüber die Anzahl der infrage kommenden Unternehmen auf ein gesundes Maß reduzieren. Als weiteres Auswahlkriterium wird die Branchenzugehörigkeit herangezogen, da lediglich solche Unternehmen berücksichtigt werden sollen, die eindeutig der Net Economy zugeschrieben werden können. Dies ist notwendig, da die Forschungsfrage auf den Aufbau reiner OnlineMarken abzielt und damit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zwangsläufig ein elektronischer Wertschöpfungsprozess zugrunde liegen muss.845 Werden nun auch die dispositionalen Faktoren der Internetznutzer berücksichtigt, so zeigt sich, dass viele informationsorientierte Angebote im Internet durch Anonymität und Unverbindlichkeit der Nutzer gekennzeichnet sind. Anders sieht es bei transaktionsorientierten Angeboten aus. Dabei werden die Nutzer persönlich identifiziert und ihr Handeln ist verbindlich und mit Konsequenzen behaftet.846 Für Unternehmen eines solchen Angebots ist demnach der Markenaufbau besonders erstrebenswert, da ihnen und ihren Leistungen die physische Identität fehlt und die für die Abwicklung von Transaktionsprozessen notwendigen vertrauensbildenden Maßnahmen in der Regel nur virtuell stattfinden können.847 Aus diesem Grund werden Unternehmen ausgewählt, die einen eindeutigen kommerziellen Fokus haben und dem Geschäftsmodell E-Commerce zugeordnet werden können, womit das letzte Qualifikationskriterium das Geschäftsmodell des Unternehmens darstellt.
845 846 847
Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 2.1.1.2. Vgl. Abel 2001, S. 35f. Vgl. Fritz 2004, S. 196.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
175
Als Basis zur Auswahl geeigneter Unternehmen wird die Auflistung deutscher Start-ups auf www.deutsche-startups.de genutzt. Diese Liste kann zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, ihr Umfang lässt jedoch darauf schließen, dass zumindest eine Vielzahl der deutschen Neugründungen im Internet abgedeckt ist (662 Unternehmen)848. Aus dieser Liste lassen sich diejenigen Unternehmen herausfiltern, die eindeutig transaktionsorientiert und in erster Linie verkaufsorientiert ausgerichtet sind. Als sog. E-Shops werden 63 Unternehmen aus der Liste identifiziert. Da es jedoch auch innerhalb dieser Gruppe deutliche Unterschiede hinsichtlich des Geschäftsmodells gibt, finden ausschließlich diejenigen Unternehmen Eingang in die Untersuchung, die als reine E-Shops betrachtet werden können und nicht wie z.B. Live-Shopping oder Social-Commerce Modelle ein etwas anderes Geschäftsmodell besitzen. Übrig bleiben 39 Unternehmen, von denen insgesamt 27 Unternehmen das Gründungsjahr 2006 oder jünger aufweisen und daher als potentielle Untersuchungsobjekte in die vorliegende Untersuchung aufgenommen werden. Über eine Telefonakquise konnten 7 Unternehmen dazu gewonnen werden, sich an der Untersuchung zu beteiligen und ihre Shop-Seite für eine Befragung zur Verfügung zu stellen. Die anderen kontaktierten Unternehmen waren entweder nicht bereit, den Fragebogen auf ihrer Seite zu platzieren oder hegten Bedenken hinsichtlich der Weiterleitung ihrer Kunden zu einer externen Seite. Die relevante Stichprobe der vorliegenden Untersuchung umfasst somit prinzipiell alle erstmaligen Besucher der jeweiligen Webseite der sieben selektierten Online-Shops. Richtigerweise muss in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass sich damit sieben unterschiedliche Stichproben ergeben, da für jeden Shop eine andere Stichprobe generiert wird. Auf diesen Aspekt wird jedoch später noch detaillierter eingegangen.
5.2.2
Erhebungsmethode
Die dargestellten Aspekte im Zuge der Modell- und Hypothesenentwicklung legen den Einsatz einer schriftlichen Befragung nahe. Der Schwerpunkt der Befragung liegt auf der subjektiven Wahrnehmung und Bewertung der Identität und ist damit nur schwer zu beobachten. Als Erhebungsinstrument wurde eine internetbasierte Befragung gewählt, die über das Softwaretool von Unipark zusammengestellt wurde. Der Grund für die Wahl einer Online-Befragung orientiert sich an den generellen Vorteilen des Internetmediums bezüglich der Überwindung von räumlichen und zeitlichen Restriktionen.849 Zudem hält sich der zu betreibende Aufwand für die Generierung hoher Fallzahlen bei Internet-Befragungen im Vergleich zu anderen Befragungsmethoden in Grenzen. Insgesamt zeichnet sich diese Erhebungsmethode durch As848 849
Zu Beginn der Erhebungsphase (Stand 23.07.2008) Vgl. Kuckertz/Lomberg 2007, S. 561ff.
176
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
pekte wie Schnelligkeit, Effizienz, Interaktivität und geringe Kosten aus.850 Außerdem tritt die Repräsentativitätsproblematik, wie sie bei Online-Befragungen häufig kritisiert wird, für das vorliegende Untersuchungsobjekt und die ausgewählte Grundgesamtheit nicht auf, da ausschließlich onlineaktive Teilnehmer befragt werden. Neben den bereits angesprochenen Vorteilen der Online-Befragung sind auch Nachteile zu erkennen, die z.B. die Selbstselektion und Erreichbarkeit der Teilnehmer umfasst. Auf diese Punkte wird in Kapitel 5.2.4.3 genauer eingegangen. Des Weiteren erscheint auch die Mehrfachteilnahme an der Befragung problematisch. Das Softwaretool von Unipark erlaubt allerdings die Speicherung der IP-Adresse der Teilnehmer. Über den Abgleich mit bereits teilgenommenen IP-Adressen kann eine Mehrfachteilnahme zwar nicht ausgeschlossen, aber zumindest kann dieser ein Stück weit entgegengewirkt werden. Als letzter Aspekt wird das Problem fehlender Daten (missing values) angesprochen. Auch hier bietet die Software von Unipark eine Möglichkeit, wichtige Fragen als Pflichtfragen zu markieren. Damit lässt sich sicherstellen, dass eine Fortführung der Teilnahme nur unter der Bedingung möglich ist, dass alle markierten Fragen beantwortet wurden. Ein entsprechender Hinweis wird bei Verletzung dieser Bedingung automatisch von der Software angezeigt. Auch wenn dieses Vorgehen nicht gänzlich unumstritten ist und unter Umständen eine Erhöhung der Abbruchquote bedingt, lässt sich auf diese Weise das Problem fehlender Daten bereits frühzeitig umgehen. Eine a posteriori Eliminierung bzw. Imputation von Daten, die wiederum mögliche Verzerrungen der Ergebnisse verursachen könnte, wird damit vermieden.
5.2.2.1 Erstellung des Fragebogens Die Erstellung des Fragebogens orientiert sich grundsätzlich an den Empfehlungen der einschlägigen Literatur.851 Insgesamt ist der über einen Link erreichbare Online-Fragebogen an die bereits vorgestellte Operationalisierung der Konstrukte angelehnt. Auf der Startseite wird dem Teilnehmer zunächst für seine Bereitschaft, an der Umfrage teilzunehmen, gedankt. Es folgen Instruktionen zum Ausfüllen des Fragebogens, die Versicherung der Anonymität und des Datenschutzes, sowie die Bitte, möglichst ehrlich zu antworten, um die soziale Erwünschtheit852 im Antwortverhalten zu minimieren.
850 851 852
Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2001, S. 112. Für eine Übersicht der Vorteile siehe Batinic 2003, S. 6ff. Vgl. Schnell/Hill/Esser 2008, S. 319 ff.; Bühner 2009, S. 45ff. Die soziale Erwünschtheit beschreibt ein Antwortverhalten, bei dem die Wirkung der Antworten berücksichtigt und damit entsprechend nicht die ehrliche Antwort des Teilnehmers widerspiegelt wird. Vgl. Schnell/Hill/Esser 2008, S. 355ff.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
177
Nach den einleitenden Worten folgen auf den ersten Seiten allgemeine Fragen zu den Gewohnheiten und der Nutzung des Internets als Shoppingkanal, sowie dem generellen Shopping-Involvement. Daran anschließend ist die sog. Filterfrage zum Erstbesuch des Shops als auch die Frage nach dem Motiv des Shopbesuchs eingebunden. Erst danach gliedern sich die konkreten Fragen zu der Wahrnehmung der Identitätselemente sowie Fragen zur Einstellung des Besuchers zur E-Brand in den Fragenbogen ein. Der Schluss des Fragebogens ist mit der Abfrage soziodemografischer Merkmale versehen. Die zentralen Fragen zu den unabhängigen und abhängigen Konstrukten wurden mittels einer fünfstufigen Likert-Skala abgefragt. Der Einsatz einer solchen Skala wird in der Literatur häufig empfohlen.853 Aufgrund der durchgängigen Verwendung einer Skala kann der Fragebogen über eine Matrixdarstellung vereinfacht dargestellt werden und erleichtert damit die Beantwortung der Fragen. Die fünf Stufen der Skala zeigen eine ausreichendende Differenziertheit und erlauben gleichzeitig eine zügige Beantwortung. Wichtigstes Kriterium bei der Wahl dieser Skala ist das Vorliegen der sog. Äquidistanz,854 die Gleichheit der Abstände zwischen den Skalenstufen. Je nachdem welcher Fragetyp verwendet wird, unterscheiden sich die Bezeichnungen der Skalenstufen. In jedem Fall sollten die Bezeichnungen so gewählt werden, dass sie eine möglichst prägnante Denotation und eine geringe Konnotation aufweisen.855 Hinsichtlich der Abstufungen der verwendeten Skalen ist diejenige Alternative zu wählen, die die höchste Messgenauigkeit aufzeigt und das tatsächliche Differenzierungsempfinden der Befragten am ehesten widerspiegelt. In der Literatur zur empirischen Sozialforschung wird vor diesem Hintergrund die Verwendung einer fünfstufigen Likert-Skala empfohlen.856
5.2.2.2 Pre-Testing des Messinstrumentes Die in Kapitel 5.1.1 vorgenommene Operationalisierung der Modellkonstrukte erlaubt im nächsten Schritt die Erstellung einer ersten Fragebogenvariante. Als Ausgangsbasis der Fragebogenkonzeption dient die Zusammenstellung des Indikatorpools, wobei für alle Modellkonstrukte hauptsächlich auf bereits validierte Skalen zurückgegriffen wird. Die Herausforderung besteht darin, die ausgewählten Operationalisierungsmöglichkeiten an das Untersuchungsdesign der vorliegenden Arbeit anzupassen. Zur Sicherstellung von Eindeutigkeit und Verständlichkeit der verwendeten Indikatoren muss der konzipierte Fragebogen zusätzlich einigen Pre-Tests unterzogen werden, da während der Beantwortung bei einer Online-Erhe853
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 224. Vgl. Rohrmann 1978, S. 222. Vgl. Kuckertz 2006, S. 162. 856 Vgl. Bryman 2004, S. 139. 854 855
178
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
bung aufgrund der zeitlichen und räumlichen Distanz zwischen Untersuchungsleiter und Teilnehmer keine Unklarheiten und Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden können. Das Hauptziel des Pre-Testings liegt folglich darin, für jedes Konstrukt die für den vorliegenden Kontext relevantesten Indikatoren zu identifizieren und so zu formulieren, dass sie der Ausdrucksweise der beantwortenden Person möglichst nahe kommen und keinerlei Verständnisprobleme auslösen. Besonders die Übersetzung der in der Regel englisch formulierten Ursprungsindikatoren stellt eine nicht zu unterschätzende Quelle von Fehlinterpretationen der Fragestellungen dar. Aus diesem Grund ist es ratsam, die Übersetzung der aus der Operationalisierung abgeleiteten Indikatoren von mehreren Personen unabhängig voneinander durchführen zu lassen. In einigen Quellen wird darauf hingewiesen, dass die Relevanz und inhaltliche Qualität der Indikatoren einer stringenten Eins-zu-Eins-Übersetzung in den meisten Fällen vorgezogen werden sollten857, weil so die praktische Relevanz der Untersuchung gewährleistet wird. Die Pre-Tests wurden im Juni/Juli 2008 schrittweise durchgeführt, damit die Ergebnisse immer wieder direkt im Fragebogen umgesetzt und als Basis des nächsten Pre-Tests verwendet werden konnten. Insgesamt wurde der Fragebogen somit vierzehn Pre-Tests unterzogen. Davon waren sechs Testpersonen eindeutig Experten auf dem Feld des Online-Shoppings, weitere drei Testpersonen waren zumindest mit dem Internetmedium vertraut und hatten selber auch schon online eingekauft. Außerdem konnten fünf Geschäftsführer der teilnehmenden Online-Shops dazu bewogen werden, den Fragebogen kritisch zu begutachten. Die Heterogenität der Pre-Tester wurde als wichtig empfunden, da der Fragebogen somit aus unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachtet wurde und damit mögliche Schwachstellen minimiert werden konnten. Die Verbesserung des Fragebogens durch die Pre-Tests lag vor allem in einer Reduzierung der Antwortzeiten sowie in einer Veränderung der Anordnung der Fragen. Außerdem mussten einige Fragen umformuliert werden, da sie nach Angaben der Testperson nicht eindeutig genug waren. Die Eindeutigkeit der Fragestellungen nahm durch das schrittweise Vorgehen von Pre-Tester zu Pre-Tester zu, so dass im Ergebnis der Anpassung ein hinreichend stabiles Messinstrument zur Verfügung stand, das für die eigentliche Datenerhebung genutzt werden konnte.858
857 858
Vgl. Rossiter 2002, S. 305ff.; DeVellis 2003, S. 85ff. der endgültige Fragebogen ist in Anhang I zu finden. Die Ansprache der Teilnehmer mit „Du“ wurde gewählt, um sich dem Sprachstil der Webseiten, auf denen die Befragung durchgeführt wurde, anzupassen.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells 5.2.3
179
Datensammlung und Rücklauf
Die sieben selektierten Unternehmen wurden im August 2008 telefonisch eingeladen, das Forschungsprojekt zu begleiten und die Datenerhebung zu unterstützen. Die Geschäftsführer der interessierten Unternehmen wurden über Hintergrund und Inhalt der Studie informiert. In einer ersten Runde wurde ihnen ein Link zum Online-Fragebogen geschickt. Alle Unternehmen haben sich daraufhin bereit erklärt, an dem Forschungsprojekt teilzunehmen und den Link zu dem erstellten Fragebogen auf ihren jeweiligen Webseiten zu platzieren. In einer zweiten Runde wurde der Online-Fragebogen visuell an die jeweils teilnehmenden Shops angepasst, so dass insgesamt sieben individuelle Fragebögen erstellt wurden. Bedingt durch den Anpassungsprozess wurden die jeweiligen Fragenbögen sukzessive nacheinander für drei Monate online gestellt. Insgesamt wurden die Daten in dem Zeitraum von August 2008 bis Januar 2009 erhoben. Zur Wahrung der Anonymität forderten die teilnehmenden Shops, dass sie nicht namentlich genannt werden. Daher werden die sieben Shops aus Gründen der Unterscheidbarkeit lediglich mit Buchstaben versehen. Die größte Schwierigkeit bei der Datenerhebung bestand darin, genügend Teilnehmer pro Shop zu finden, um die Rechnung eines Strukturgleichungsmodells zu ermöglichen. Da aber gerade junge Online-Shops noch nicht über hohe Besucher- und Kundenzahlen verfügen, stellte sich die Befragung in den meisten Shops als sehr mühsam heraus. Obwohl die Befragung über einen längeren Zeitraum online gestellt wurde, konnte in vier der teilnehmenden Shops nur eine sehr geringe Teilnehmerzahl gewonnen werden. Eine Übersicht über die Antwortquoten gibt Tabelle 22.859 Angaben zu den jeweiligen Rücklaufquoten können aufgrund der fehlenden Kenntnisse über die Grundgesamtheit nicht gemacht werden. Die ungezielte Ansprache860 der Teilnehmer über die Platzierung des Fragebogen-Links auf den jeweiligen Shopseiten kann die Kriterien einer echten Zufallsauswahl nicht erfüllen, da die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an der Befragung unmittelbar mit der Nutzungsintensität der Webseite zusammenhängt.861 Kutsch stellt in diesem Zusammenhang fest, dass das Problem der mangelnden Repräsentativität bei OnlineBefragungen bisher nicht gelöst werden konnte und die in der Forschung eingesetzten Verfahren ebenfalls nicht zu diesem Ziel führen.862 Deshalb kann an dieser Stelle keine Aussage zur Repräsentativität der Stichprobe gemacht werden, was vor dem Hintergrund der explorativen 859
Aufgrund der von den teilnehmenden Shops geforderten Anonymität der Shops, werden die Shops lediglich mit A, B, C, etc. zur Unterscheideung gekennzeichnet. Vgl. Theobald 2000, S. 35ff. 861 Vgl. Lütters 2004, S. 76. 862 Vgl. Kutch 2007, S. 83. 860
180
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Natur des Forschungsmodells allerdings unproblematisch erscheint. Aufgrund der Angaben der Shops zu den durchschnittlichen Besucherzahlen der Seite kann lediglich geschätzt werden, wie viele Besucher die Seite im Befragungszeitraum aufgesucht haben, um sich darüber einer Rücklaufquote annähern zu können. Shop
Seitenbesucher gesamt863
Link angeklickt
Fragebogen beendet
A
≈ 847.800
375 ( ≈ 0,04%)
233 ( ≈ 0,002%)
B
≈ 368.000
479 ( ≈ 0,13%)
158 ( ≈ 0,042%)
C
≈ 48.000
514 ( ≈ 1,07%)
101 ( ≈ 0,210%)
D
≈ 33.000
208 ( ≈ 0,63%)
83 ( ≈ 0,251%)
E
≈ 108.000
91 ( ≈ 0,08%)
59 ( ≈ 0,054%)
F
≈ 13.300
53 ( ≈ 0,40%)
35 ( ≈ 0,026%)
G
≈
22 ( ≈ 0,24% )
9 ( ≈ 0,098%)
9.100
Tabelle 22: Teilnehmerzahlen
Wie die Tabelle zeigt, konnte nur in einem Online-Shop eine außerordentlich hohe Teilnehmerzahl erreicht werden. Im Vergleich zu den sonst üblichen und eher geringen Besucherzahlen von jungen Online-Shops weist dieser Shop eine relativ hohe durchschnittliche Besucherzahl auf. Es wird vermutet, dass dies auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass der Shop aufgrund vieler Auszeichnungen im Bereich der Gründerszene in Deutschland eine sehr hohe Medienaufmerksamkeit erfahren hat und daher eine entsprechend hohe Besucherfrequenz aufweist. Da aufgrund einer geringen Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus den unterschiedlichen Shops jeweils unterschiedliche Modelle im Rahmen der Datenauswertung gerechnet werden müssen, bietet es sich an, die Hypothesenprüfung zunächst mit diesem umfangreichen Datensatz durchzuführen und im Anschluss daran die Ergebnisse mit den anderen Datensätzen im Rahmen einer sog. Kreuzvalidierung864 zu überprüfen. Aufgrund der Empfehlungen von Chin/Newsteed865 eignet sich für eine Kreuzvalidierung jedoch lediglich Shop B, da die geringen Fallzahlen der anderen Shops keine Schätzung eines Strukturgleichungsmodells zulassen würden. Daher werden die Daten aus Shop C, D, E, F und G in der weiteren Untersuchung nicht berücksichtigt.
863
Die Zahl stellt die geschätzte Gesamtzahl der Seitenbesucher dar, die den Shop als unique visitors im Befragungszeitraum aufgesucht haben. Vgl. Balderjahn 1998, S. 371ff. 865 Vgl. Chin/Newsted 1999, S. 326f. 864
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells 5.2.4
181
Charakteristika der Datenbasis
In einem ersten Schritt werden die Daten so aufbereitet, dass sie für die Auswertung nutzbar sind. Die Datenvorbereitung beinhaltet die Betrachtung der vorliegenden Verteilung der Daten, die Untersuchung möglicher Ausreißer sowie das Ersetzen fehlender Werte.866 Da aber fehlende Werte im Datensatz nicht vorliegen, ist dieser Punkt zu vernachlässigen.867
5.2.4.1 Repräsentativität der Daten Nach der Erhebung der Daten wird in der empirischen Forschung gefordert, die Datenbasis daraufhin zu überprüfen, ob die gewonnenen Teilnehmer ein valides Abbild der Grundgesamtheit bilden.868 Wie bereits angesprochen, ist es nicht möglich, ein vollständiges Bild der Grundgesamtheit aller erstmaligen Websitebesucher zu generieren,869 weshalb prinzipiell keine Repräsentativität der Stichprobe angenommen und damit auch keine Aussage über die Validität der Stichprobe getroffen werden kann. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit das Kriterium der Repräsentativität überhaupt erfüllt werden muss. Wie von der Lippe beschreibt, setzt Repräsentativität voraus, dass aus der Grundgesamtheit bewusst eine Teilmenge selektiert wird, die die Grundgesamtheit möglichst genau widerspiegelt.870 Aus den Ergebnissen sind statistisch gesehen keine Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit möglich, da den Daten keine Zufallsauswahl zu Grunde liegt. Erst zufällig ausgewählte Stichproben lassen eine Extrapolation der Ergebnisse und die Nutzung inferenzstatistischer Tests zu. Da jedoch aufgrund der Selbstselektion der Teilnehmer auch keine Zufallsauswahl erfolgen kann, wird in der vorliegenden Untersuchung weder Repräsentativität noch Zufälligkeit der Daten erzielt. Der Konflikt einer solchen Betrachtungsweise liegt darin, dass Repräsentativität und Zufallsauswahl sich gegenseitig ausschließen und viele Studien nicht in der Lage sind, beide Kriterien zu erfüllen. Vor allem bei Online-Befragungen konnte dieses Problem bisher nicht zufriedenstellend gelöst werden. Um trotzdem zu einem Erkenntnisgewinn zu gelangen, müssen diese Qualitätskriterien vernachlässigt und die gewonnen Daten als hinreichend aussagekräftig für die Grundgesamtheit aufgefasst werden.
866
Vgl. Kline 2005, S. 48ff. Die Erhebungssoftware von Unipark ermöglicht es, Einstellungen in der Weise vorzunehmen, dass die Teilnehmer den Fragebogen vollständig ausfüllen müssen. 868 Vgl. Diekmann 2008, S. 430f.; Bortz/Döring 2006, S. 224; Atteslander 2008, S. 61. 869 In der Online-Forschung existiert nicht einmal ein annähernd vollständiges Verzeichnis der Internetnutzer, aus dem eine Stichprobe generiert werden könnte. Vgl. Pfleiderer 2001, S. 57. 870 Vgl. von der Lippe/Kladroba 2002, S. 139ff. 867
182
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt wie bereits angedeutet auch auf der Wirkungsweise verschiedener Elemente der Corporate Identity im Internet. Dazu werden die Besucher der jeweiligen Shopseite nach ihrer subjektiven Wahrnehmung und Einstellung zur E-Brand befragt. Bei einem solchen Fokus auf die Individualebene erscheint die Forderung nach Zufälligkeit und Repräsentativität ohnehin nicht maßgeblich für die Interpretation der Ergebnisse. Zwar liegt aufgrund der bewussten Entscheidung, die jeweilige Webseite aufzusuchen mit Sicherheit eine Verzerrung der Befragung in dem Sinne vor, als dass womöglich nur potentiell interessierte und positive gestimmte Besucher an der Befragung teilnehmen, allerdings liegt die Vermutung nahe, dass sich daraus ebenso die Wirkungsweise der Identitätselemente hinsichtlich der Einstellungsbildung ablesen lässt, wie bei uninteressierten oder negativ gestimmten Besuchern. Die Ausprägung der Antworten dürfte in diesen Fällen generell positiver ausfallen, wenngleich davon ausgegangen wird, dass die Stärke der Urteilsbildung davon nicht beeinflusst wird. Dies zu überprüfen überschreitet jedoch den Rahmen dieser Arbeit und bleibt Gegenstand zukünftiger Forschung. Zusammenfassend ist vor dem Hintergrund der aufgestellten Forschungsfragen der Aspekt der Repräsentativität nicht abschließend zu beurteilen. Trotzdem sollten mögliche Konsequenzen für die später folgende abschließende Interpretation und Beurteilung der Ergebnisse in Betracht gezogen werden.
5.2.4.2 Verteilung der Daten Für eine angemessene statistische Auswertung sind das Skalenniveau und die Verteilungsform der Datenbasis von zentraler Bedeutung. Wie bereits angedeutet, wurden bis auf wenige Ausnahmen alle Variablen mit Likert-Skalen erhoben und sind daher intervallskaliert. Für diese Variablen muss im nächsten Schritt die Verteilungsform der Daten untersucht werden, da für die Verwendung parametrischer Tests eine Normalverteilung der Daten erforderlich ist. Für die notwendige Normalverteilungsprüfung liegen verschiedene Methoden, wie die visuelle Überprüfung des Histogramms, der Chiquadrat-Test oder der Kolmogorov-Smirnov-Test bereit. Da sich der Kolmogorov-Smirnov-Test auch für kleinere Fallzahlen eignet,871 wird dieser Test für die Überprüfung der Normalverteilung verwendet. Die Betrachtung des Histogramms gibt bereits Hinweise darauf, dass zu einem großen Teil nicht von Normalverteilung ausgegangen werden kann. Diese Annahme wird durch den Kolmogorov-Smirnov-Test bestätigt. Da alle Variablen ein hohes Signifikanzniveau auswei-
871
Vgl. Brosius 2004, S. 404.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
183
sen, muss die Annahme der Normalverteilung eindeutig verworfen werden. Die Möglichkeit einer Transformation der Variablen, um Normalverteilung herzustellen, erscheint angesichts der Anzahl der nicht normalverteilten Variablen wenig sinnvoll. Im Zuge der Datenauswertung wird daher auf parameterfreie Verfahren zurückgegriffen, die eine Vergleichbarkeit der Aussagen auch bei nicht normalverteilten Daten erlaubt.
5.2.4.3 Non-Response-, Coverage- und Common-Method-Bias Die empirische Erhebung mittels einer Befragung birgt verschiedene Risiken, die mit Verzerrungen in den erhobenen Daten zusammenhängen und damit die Qualität des Datensatzes beeinflussen. Daher muss der Datensatz vor der Auswertung daraufhin überprüft werden, ob solche Verzerrungen vorliegen und damit die Aussagekraft der Ergebnisse beeinträchtigt wird. Eines dieser Risiken ist die Verzerrung der Daten durch Nichtantworter aufgrund der bereits angesprochenen Selbstselektion der Teilnehmer. Obwohl davon ausgegangen werden kann, dass dieser non repsonse bias für Online-Befragungen nicht höher oder geringer ist als für papierbasierte Befragungen,872 so sollte doch überprüft werden, ob sich eine signifikante Verzerrung durch Nichtantworter identifizieren lässt.873 Die Schwierigkeit besteht darin, das Ausmaß einer möglichen Verzerrung ohne Rückgriff auf statistische Vergleichstests nachzuweisen.874 Üblicherweise wird deshalb ein Vergleich von Früh- und Spätantwortern vorgenommen, da davon ausgegangen werden kann, dass sich die Spätantworter von den Nichtantwortern nur geringfügig unterscheiden875 und so aufgrund der fehlenden Möglichkeit der direkten Nachbefragung von Nichtantwortern eine zumindest annähernde Aussage hinsichtlich einer möglichen Verzerrung gemacht werden kann. Die Schwierigkeit dieser Überprüfung liegt in dieser Arbeit vor allem darin, dass keine Möglichkeit existiert, Früh- von Spätantwortern zu unterscheiden. Das hängt damit zusammen, dass der Link zum Online-Fragebogen über einen längeren Zeitraum auf den E-Shop-Seiten platziert war und die Besucher der Seite jederzeit an der Befragung teilnehmen konnten. Es ist also nicht möglich zu sagen, wann der Besucher auf die Befragung aufmerksam wurde und wie lange es dauerte, bis er tatsächlich den Fragebogen ausgefüllt hat. Auch die Methode des n-ten Besuchers löst das Problem der Selbstselektion nicht, da auf diese Weise lediglich die Anzahl potentieller Teilnehmer reduziert wird, die Teilnehmer aber immer noch selber entscheiden, ob sie den Fragebogen ausfüllen oder nicht. Letztendlich kann eine Verzerrung der 872
Vgl. Hudson et al . 2004, S. 240. Vgl. zu diesem Vorgehen das Verfahren von Armstrong/Overton 1977. Vgl. Robson 2002, S. 233. 875 Vgl. Holm 1975, S.193f. 873 874
184
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
Ergebnisse demnach nicht vollständig ausgeschlossen werden, allerdings führt der Nachweis eines non response bias in der Literatur bisher zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, so dass nicht in jedem Fall zwingend von einer systematischen Verzerrung ausgegangen werden muss.876 Im Zusammenhang mit dem non response bias bei Online-Erhebungen stellt auch häufig der sog. coverage bias ein grundsätzliches Problem dar.877 Damit sind Verzerrungen gemeint, die durch Unterschiede in der Nutzung des Internets und der Online-Erreichbarkeit der Befragungsteilnehmer auftreten. So kann beispielsweise ein systematischer Fehler dadurch entstehen, dass Personen aufgrund ihrer Nicht-Erreichbarkeit und der damit zusammenhängenden Auswahlwahrscheinlichkeit von 0 nicht befragt werden, obwohl sie zur Zielgesamtheit gehören. Problematisch wird die Online-Befragung also dann, wenn Teile der Erhebungsgrundgesamtheit systematisch ausgeschlossen werden, da sie nicht über einen Internetanschluss verfügen bzw. Zugang zum Medium haben.878 Da der Schwerpunkt der Arbeit jedoch auf der Betrachtung von reinen Online-Marken liegt, die ihre Existenzberechtigung ausschließlich dem Internet verdanken, wurden für die vorliegende Studie bereits die Erstbesucher der Webseiten für die Befragung ausgewählt. Daher kann die Zielgesamtheit der Befragung vollständig durch eine Online-Befragung erreicht werden. Demzufolge kann festgestellt werden, dass in dem erhobenen Datensatz keine systematische Verzerrung in Form eines coverage bias vorliegt. Ein weiteres Problem in der Datenerhebung kann das Vorliegen von Verzerrungen aufgrund eines singulären Erhebungsdesign sein. Dieser als common methos bias bezeichnete systematische Messfehler unterstellt, dass die Korrelationen zwischen endogenen und exogenen Variablen nicht auf den tatsächlichen Zusammenhang zwischen diesen Variablen, sondern auf die Methodik der Erhebung zurückzuführen ist.879 Die Ursachen eines solchen Messfehlers können vielfältig sein. Findet die Erhebung beispielsweise über die Nutzung einer einzigen Datenquelle statt, so besteht die Gefahr eines single source bias.880 Zudem können sowohl uneindeutige Formulierungen (item characteristics) als auch der Kontext, in dem die Items abgefragt werden (item context) und in dem die Befragung stattfindet (measurement context) 876
Vgl. Granello/Wheaton 2004, S. 389f. Vgl. Bandilla et al. 2009, S. 129ff. Vgl. Dillmann/Bowker 2001, S. 160. 879 Vgl. Ernst 2003, S.1259ff. 880 In der Literatur wird immer wieder darauf hingewiesen, dass ein single source-Design u.U. auch sinnvoll sein kann, wenn beispielsweise zu bestimmten Befragungsinhalten nur eine Datenquelle existiert (z.B. persönliche Einstellungen, Gefühle etc.; Vgl. Söhnchen 2007, S. 141), wie es in der vorliegenden Studie der Fall ist. Daher ist die Tatsache, dass das gesamte Messinstrumentarium jeweils von derselben Person abgefragt wurde, in diesem Fall als unkritisch einzustufen. 877 878
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
185
zu verzerrten Antworten führen.881 Podsakoff et al. haben sich intensiv mit dem CommonMethod-Bias und dessen Ursachen und Lösungen auseinandergesetzt.882 Sie schlagen verschiedene methodologische als auch statistische Verfahren zum Umgang mit einem CommonMethod-Bias vor. Als einfaches statistisches Prüfkriterium gilt in diesem Zusammenhang die Anwendung des Harman’s single factor test, bei dem alle Variablen anhand einer explorativen Faktorenanalyse verdichtet werden.883 Es wird überprüft, ob die unrotierte Faktorlösung darauf hinweist, dass ein Großteil der Kovarianz zwischen den Variablen durch einen einzelnen Faktor erklärt. Nach diesem Test werden in der vorliegenden Studie jedoch mehrere Faktoren extrahiert, was darauf hinweist, dass vermutlich keine Verzerrung vorliegt. Vorbeugend wurden zudem auch auf methodologischer Ebene bereits im Vorfeld der Befragung Maßnahmen getroffen, die das Auftreten eines Methoden-Bias reduzieren sollten. Dazu wurde beispielsweise die Anonymität der Teilnehmer garantiert und darauf hingewiesen, dass es keine richtigen oder falschen Antworten gibt, um sozial erwünschtes Antwortverhalten zu vermeiden. Zudem wurde die Eindeutigkeit der Item-Formulierungen im Rahmen des Pre-Testing (vgl. Kapitel 5.2.2.2) überprüft. Um ‚Ja-Sage-Effekte‘ zu vermeiden wurden weiterhin Itemformulierungen negiert, damit sich die Teilnehmer nicht an ein bestimmtes Antwortverhalten gewöhnen. Auch wenn ein Common-Method-Bias nie ganz ausgeschlossen werden kann, so lassen diese Maßnahmen und das Ergebnis des Single-Factor-Text darauf schließen, dass kein Common-Method-Bias in der Erhebung vorliegt.
5.2.4.4 Ausreißer in den Daten Nachdem den Variablen in der Gesamtheit ihrer Messungen keine Normalverteilung attestiert werden konnte, wird der Datensatz in einem nächsten Schritt auf mögliche Ausreißer untersucht. Als Ausreißer können Antworten bezeichnet werden, die sich merklich von den anderen Antworten unterscheiden.884 Dass heißt, Ausreißer weisen extreme Ausprägungen bei einem oder mehreren Indikatoren auf und/oder zeigen insgesamt ein untypisches Antwortverhalten. Um komplette Datensätze auf Ausreißer zu untersuchen, eignen sich multivariate Methoden, die Ausreißer über mehrere Indikatoren hinweg identifizieren können. Eine solche Methode basiert beispielsweise auf der quadrierten Mahalanobis-Distanz. Sie misst, wie stark ein Fall sich von den anderen Fällen auf der Ebene der Indikatorvariablen unterscheidet. Ein 881
Vgl. Podsakoff et al. 2003, S. 881. Vgl. Podsakoff et al. 2003, S. 879ff. Vgl. Harman 1967, S. 137, 304.; Podsakoff/Organ 1986, S. 536. 884 Vgl. Hair et al. 2006, S. 73. 882 883
186
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
hoher Distanzwert ist als Indiz für eine ungewöhnliche Ausprägung der Indikatorvariablen aufzufassen und könnte demzufolge einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse haben.885 Bezugnehmend auf die Ausführungen von Tabachnick/Fidell886 wird in der vorliegenden Untersuchung ein konservatives Signifikanzniveau von p 5.000 €
0 ≤ 1.000 €
1.001 € 2.000 €
2.001 € 3.000 €
Abbildung 27: Einkommensstufen der Teilnehmer (n=218)
Geringe Summen sind auch bei den durchschnittlichen, monatlichen Ausgaben für OnlineShopping überproportional vertreten (vgl. Abbildung 28). Der weitaus größte Teil der Teilnehmer gibt weniger als 100 € im Monat für Einkäufe im Internet aus.
monatliche Online-Shopping-Ausgaben in € Anzahl 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0
68,1%
20,6% ≤ 100 €
101 € 200 €
6,4%
2,1%
0,9%
0,4%
201 € 300 €
301 € 400 €
401 € 500 €
> 500 €
Abbildung 28: Monatliche Online-Shopping Ausgaben der Teilnehmer (n=225)
Dass nur geringe Summen im Internet ausgegeben werden, liegt vermutlich daran, dass das fehlende Vertrauen des Distanzhandels tendenziell bei geringwertigen Waren (wie z.B. CDs, DVDs, Büchern etc.) in Kauf genommen wird als bei hochpreisigen Waren. Dies wird mit
190
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
dem Ergebnis unterstützt, dass ca. 66% der Befragten nur 1-2 mal im Monat im Internet einkaufen. Trotzdem geben knapp 5% an, sogar mehr als 6 mal im Monat im Internet einzukaufen (vgl. Abbildung 29).
Häufigkeit des Online-Shoppings pro Monat Anzahl 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0
66,1%
19,7%
3,4%
4,7%
3-4 mal
5-6 mal
> 6 mal
6,0% gar nicht
1-2 mal
Abbildung 29: Häufigkeiten des Online-Shoppings der Teilnehmer pro Monat (n=233)
Mit Hilfe dieser Ergebnisse konnte ein umfassendes Bild über die Merkmale der Befragungsteilnehmer gewonnen werden. Obwohl die erhobenen Daten nicht direkt in die Überprüfung der Hypothesen eingehen, so sind sie doch von Bedeutung, wenn es um die Interpretation der Ergebnisse geht. Daher wird die Beschreibung der Teilnehmer in der Diskussion um die Ergebnisse der Hypothesenprüfung in Kapitel 5.3.3.3 wieder aufgenommen und als Interpretationshilfe an geeigneter Stelle genutzt.
5.3.2
Explorative Faktorenanalyse
Bevor eine umfangreiche PLS-Analyse durchgeführt werden kann, muss eine gemeinsame explorative Faktorenanalyse für alle betrachteten Indikatoren durchgeführt werden. Diese gibt Aufschluss über den Begründungszusammenhang zwischen den verwendeten Indikatoren und dem latenten Konstrukt. Zwar ist diese Form der Analyse hauptsächlich dann erforderlich, wenn keine Vermutungen über die zugrundeliegende Faktorenstruktur vorliegen, allerdings wird dazu geraten, bei empirischen Untersuchungen immer eine Überprüfung mittels explorativer Faktorenanalyse vorzunehmen, um den Begründungszusammenhang zu überprüfen bzw. zu bestätigen.888 Da in der vorliegenden Studie ausschließlich auf bereits validierte
888
Vgl. Homburg/Giering 1998, S. 115f.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
191
Skalen für die Messung der latenten Konstrukte zurückgegriffen wurde, kann davon ausgegangen werden, dass eine später stattfindende konfirmative Faktorenanalyse die Verwendung der Indikatoren bestätigt. Um jedoch ein einwandfreies Messmodell zu entwickeln, empfiehlt es sich zu überprüfen, ob die verwendeten Skalen aus der Datenbasis reproduzierbar sind bzw. eindeutige Faktoren erkannt werden können. Dies bietet sich an, da auf diese Weise die verwendeten, etablierten Skalen im Rahmen eines explorativen Untersuchungsvorgangs in einem neuen Kontext validiert werden können. Zur Durchführung einer explorativen Faktorenanalyse lassen sich im Wesentlichen die zwei Methoden Hauptkomponenten- und Hauptachsenanalyse unterschieden. Während die Hauptkomponentenanalyse annimmt, dass die gesamte Varianz eines Indikators vollständig aufgeklärt werden kann, geht die Hauptachsenanalyse davon aus, dass Indikatoren in Kommunalitäten und Restvarianzen unterteilt werden müssen. Dementsprechend ist das Ziel der Hauptkomponentenanalyse die möglichst umfassende Reproduktion der Datenstruktur durch wenige Faktoren und bei der Hauptkomponentenanalyse die Erklärung der Varianz der Indikatoren durch hypothetische Größen (Faktoren).889 Da bei der vorliegenden Untersuchung die Frage nach den zugrundeliegenden hypothetischen Größen von Interesse ist, wird zur Durchführung der Faktorenanalyse die Hauptachsenanalyse verwendet. Über die Hauptachsenanalyse lassen sich mit dem Kaiser-Kriterium insgesamt acht Faktoren identifizieren, die 65,55% der Gesamtvarianz erklären. Allerdings zeigt der achte Faktor einen Eigenwert, der nur minimal über dem Mindestwert von 1 liegt. Zudem spielt die Plausibilität der Faktoren eine wichtige Rolle und da in der Ausgangsituation der Untersuchung von sieben Faktoren (Identitätselementen) ausgegangen wurde, wird in einem weiteren Schritt versucht, durch die Festlegung von sieben Faktoren eine zufriedenstellende Lösung herbei zu führen. Die Entscheidung für eine siebenfaktorielle Lösung geht mit einer Veränderung der statistischen Kenngrößen einher. Mit sieben Faktoren werden jedoch immer noch 62,66% der Gesamtvarianz erklärt. Um Aufschluss über die inhaltliche Interpretation der Faktoren zu bekommen, werden im Anschluss die einzelnen Faktorladungen betrachtet. Zur besseren Interpretierbarkeit werden die Faktoren einer orthogonalen (rechtwinkligen) VARIMAX-Rotation unterzogen, da diese Rotationstechnik im Gegensatz zu einer obliquen (schiefwinkligen) Rotationstechnik keine Korrelation der Faktoren annimmt.890 Sie maximiert die Varianz der quadrierten Ladungen
889 890
Vgl. Backhaus et al. 2008, S. 350. Bei der orthogonalen Rotation wird die Unabhängigkeit der Faktoren angenommen. Wird diese Unabhängigkeit nicht angenommen, eignet sich eher eine oblique Rotation. Vgl. Cureton/Mulaik 1975, S. 183ff.
192
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
der Indikatoren innerhalb der Faktoren um Einfachstrukturen zu erreichen. VARIMAX stellt die am häufigsten angewandte orthogonale Rotationstechnik dar.891
Cronbach’sche Alpha Interaktivität
Informationsqualität
Benutzerfreundlichkeit
Design
Unterhaltung
Personalisierung
Domainname
Gütemaße Eigenwert: Kum. Varianzanteil (%) Bartlett’s Test: KMO:
int_1 int_2 int_3 int_4 int_5 int_6 inf_3 inf_4 inf_5 ben_1 ben_2 ben_3 ben_4 ben_5 des_1 des_2 des_3 des_4 unt_1 unt_3 unt_4 unt_6 per_1 per_2 per_4 per_5 per_6 dom_1 dom_2 dom_3 dom_4
1 ,823 0,719 0,727 0,441 0,676 0,676 0,626
2 ,844
0,655 0,721 0,641
0,316
3 ,829
0,341 0,506 0,617 0,519 0,642 0,627 0,345
0,355
4 ,895
7 ,717
0,520 0,662 0,773 0,762 0,414 0,457 0,784 0,783
0,321
0,384 0,344
0,532 0,454 0,634 0,455
0,346
0,308
0,498 0,671 0,504 0,671 11,912 2,742 34,03 41,86 4510,08 0,911
Tabelle 25: Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse
Vgl. Bühner 2009, S. 205.
6 ,762
0,325
1,879 47,86
1,633 51,89
* Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden nur Ladungen > 0,3 angezeigt ** Verwendet wurde die Hauptachsenanalyse unter Einsatz der VARIMAX-Rotationstechnik
891
5 0,863
1,416 55,94
1,259 59,54
1,092 62,66
h2 0,540 0,559 0,246 0,525 0,521 0,445 0,593 0,640 0,676 0,399 0,570 0,343 0,686 0,646 0,538 0,633 0,837 0,844 0,558 0,567 0,738 0,761 0,486 0,374 0,239 0,607 0,437 0,272 0,568 0,390 0,675
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
193
Gemäß entwickelter Konventionen werden Variablen einem Faktor zugeordnet, wenn sie eine Ladung von mindestens 0,5 aufweisen.892 Zeigt eine Variable bei mehreren Faktoren eine höhere Ladung, so liegt eine hohe Kreuzladung vor und die Variable muss eliminiert werden. Es wird dennoch häufig darauf hingewiesen, dass eine rein kriteriengestützte Eliminierung von Indikatoren gerade bei explorativ veranlagten Studien nicht immer sinnvoll ist, sondern die Verletzung des Ladungskriteriums lediglich als Hinweis auf mögliche Probleme der Operationalisierung zu interpretieren ist. In diesem Sinne werden Indikatoren mit Ladungen geringer als 0,5 zunächst beibehalten, sofern sie eindeutig einem Faktor zugeordnet werden. Die Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse in Tabelle 25 zeigen, dass zwei Indikatoren (per_3, inf_1) eliminiert werden müssen, da sie keinem der Faktoren zugeordnet werden können. Allerdings gibt es weitere Indikatoren, die ähnlich hohe Ladungen bei mehreren Faktoren aufweisen und deshalb als problematisch einzustufen sind. Aus diesem Grund werden zusätzlich drei weitere Indikatoren (inf_2, unt_2, unt_5) aus dem Datensatz entfernt. Indikatoren mit geringen Ladungen, die aber nur einem Faktor zugeordnet werden können, werden vorerst behalten und im Rahmen der weiteren Analyse untersucht. Ob die den Faktoren zugeordneten Indikatoren tatsächlich zur Messung der Konstrukte geeignet sind, wird im Rahmen der Gütebeurteilung der Messmodelle überprüft.
5.3.3
Ergebnisse der PLS-Analyse
Je nach Operationalisierung der Konstrukte wird bei der PLS-Pfadmodellierung von ModusA-Modellen (nur reflektive Indikatoren), Modus-B-Modellen (nur formative Indikatoren) oder Modus-C-Modellen (sowohl formative als auch reflektive Indikatoren) gesprochen.893 Da die verwendeten Messmodelle einen reflektiven Charakter gemäß den Entscheidungsregeln zur Bestimmung des Konstruktcharakters894 aufweisen, liegt eine Modellierung nach Modus A vor. Die Schätzung der Parameter des so modellierten PLS-Pfadmodells erfolgt unter Verwendung des Softwaretools SmarPLS in der Version 2.0. Zur Messung des Kausalmodells findet der in Kapitel 5.1.2.3 bereits beschriebene iterative Schätzprozess statt. Die Schätzung der inneren Gewichte des Modells kann dabei jedoch anhand unterschiedlicher Gewichtungsschemata, und zwar dem zentroiden Gewichtungsschema,
892 893 894
Vgl. Churchill 1979, S. 69; Gerbing/Anderson 1988, S. 189. Vgl. Chin 1998a, S. 304ff. Siehe dazu beispielsweise die Entscheidungsregeln von Fassot/Eggert 2005, S. 43 oder Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 203.
194
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
dem Faktorgewichtungsschema und dem Pfadgewichtungsschema, erfolgen.895 Allerdings konnten Noon/Wold in diesem Zusammenhang feststellen, dass die Wahl des Gewichtungsschemas nur wenig Einfluss auf die Ergebnisse hat.896 Da das Pfadgewichtungsschema das Einzige unter den Dreien ist, das die Richtungsabhängigkeit zwischen den Konstrukten berücksichtigt, ist es besonders für Modelle geeignet, für die Hypothesen über Wirkungsbeziehungen formuliert wurden.897 Demzufolge wird auch in dieser Untersuchung das Pfadgewichtungsschema verwendet. Diesem Schema wird ein Abbruchkriterium des iterativen Schätzprozesses zugrunde gelegt, das eine prozentuale Veränderung der Schätzwerte von nur noch 10-5 erlaubt.
5.3.3.1 Berechnung von Konstrukten höherer Ordnung Die Herausforderung der vorliegenden Arbeit liegt in der messtechnischen Berücksichtigung der multidimensionalen Struktur des Identitätskonstrukts. Prinzipiell ist eine direkte Modellierung von Konstrukten höherer Ordnung mit SmartPLS nicht möglich, da zur Identifizierung eines jeden Konstrukts mindestens ein manifester Indikator erforderlich ist. Trotzdem stehen verschiedene Methoden für die Spezifizierung und Berechnung von Konstrukten höherer Ordnung zur Verfügung, die für eine varianzbasierte Analyse mit PLS geeignet sind und im Folgenden vorgestellt werden. Je nach Spezifizierung von Konstrukten 2. Ordnung können unterschiedliche Verfahren zum Einsatz gebracht werden. Die in der Literatur zu findenden Hinweise zu solchen Verfahren basieren überwiegend auf der Annahme, dass es sich entweder um ein vollständig reflektives oder vollständig formatives Konstrukt handelt. Da dies in der vorliegenden Untersuchung nicht der Fall ist, werden die relevanten Schritte der jeweiligen Verfahren miteinander kombiniert. Auf Basis der Vorschläge von Albers/Götz sowie Giere/Wirtz/Schilke wird für das Typ II Identitätskonstrukt demzufolge auf der ersten (reflektiven) Ebene zuerst eine konfirmative Faktorenanalyse 1. Ordnung für jede Dimension einzeln durchgeführt.898 Indikatoren mit zu geringer Indikatorreliabilität werden eliminiert. Das wohl einfachste Verfahren für die Berechnung der zweiten (formativen) Ebene stellt der hierarchical component approach dar. Diesem nach Wold entwickelten Ansatz der repeated
895
Vgl. Ringle et al. 2006, S. 84. Vgl. Noonan/Wold 1982, S. 75ff. Vgl. Chin 1998a, S. 309. 898 Vgl. Albers/Götz 2006, S. 674; Giere/Wirtz/Schilke 2006, S. 685ff. 896 897
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
195
indicators899 zufolge werden die Indikatoren der Konstrukte 1. Ordnung direkt als manifeste Variablen des übergeordneten Konstrukts zweiter Ordnung definiert.900 Allerdings wird in diesem Zusammenhang gefordert, dass alle Messmodelle die gleiche Indikatorenanzahl aufweisen. Da die Messmodelle der Dimensionen in der vorliegenden Untersuchung unterschiedlich viele Indikatoren aufweisen und daher theoretisch eine unterschiedliche Gewichtung dieser zu erwarten ist, erscheint die Berechnung der Konstrukte 2. Ordnung über diese Methode nicht sinnvoll. Zudem ist der hierarchical component approach zwar für die Berechnung formativer Konstrukte höherer Ordnung (aggregate constructs) ebenfalls geeignet, allerdings hat sich in der wissenschaftliche Praxis eine alternative Methode etabliert, die sich auch in den Empfehlungen von Albers/Götz und Giere/Wirtz/Schilke wiederfinden lässt.901 Der Faktorwert-basierte Ansatz eliminiert eine Ebene von Messmodellen und setzt die im ersten Schritt berechneten Faktorwerte der Dimensionen direkt als formative Indikatoren des Konstrukts 2. Ordnung ein.902 Da in diesem Fall häufig das Problem der Multikolliniearität auftritt, bietet es sich an, das Konstrukt 2. Ordnung als Mittelwert der gewichteten Faktorenwerte zu berechnen. Dazu sind zunächst die Ladungen der künstlichen Indikatoren über eine Hauptkomponentenanalyse zu bestimmen.903 Diese Ladungen werden dann mit den Faktorwerten multipliziert, so dass sie zu einem einzigen Wert für das Konstrukt 2. Ordnung aggregiert werden können.904 Dieser manifeste Wert (auch als composite score bezeichnet) geht dann in die weiteren Berechnungen des Strukturmodells ein. Im Zuge der aktuellen Entwicklungen, die im Zusammenhang mit der Analyse von Konstrukten zweiter Ordnung die wissenschaftliche Forschung bestimmen, gilt diese Methode mittlerweile als gängige und überlegenere Forschungspraxis905 und findet in der Analyse der Identitätskonstrukte Anwendung.
5.3.3.2 Analyse der Messmodelle Die Analyseergebnisse der einzelnen Messmodelle werden in den folgenden Abschnitten näher betrachtet. Dabei werden die Messmodelle einer eingehenden Prüfung der in Kapitel 5.1.3.1 dargestellten Gütekriterien reflektiver und formativer Konstrukte unterzogen. Zunächst werden die im Modell verwendeten exogenen Variablen untersucht, die sich auf Basis 899
Vgl. Wold 1985, S. 581ff. Vgl. Lohmöller 1989, S. 130ff. Vgl. Albers/Götz 2006, S. 674; Giere/Wirtz/Schilke 2006, S. 688f. 902 Vgl. Albers/Götz 2006, S. 674. 903 Die Hauptkomponentenanalyse stellt im Gegensatz zur Hauptachsenanalyse ein rein numerisches Verfahren dar, das nicht von statistischen Modellvoraussetzungen ausgeht. 904 Vgl. zu dieser Methode beispielsweise die Arbeiten von Reinartz/Krafft/Hoyer 2004, S. 298f.; Yi/Davis 2003, S. 160; Edwards 2001, S. 147ff.; Agarwal/Karahanna 2000, S. 683ff. 905 Vgl. beispielsweise Ping 2004. Agarwal/Karahanna 2000, S. 665ff. 900 901
196
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
der konzeptionellen Analyse als relevante Wirkungselemente der Identität identifizieren ließen. Daran anschließend werden die endogenen Variablen des Modells hinsichtlich ihrer Güte für die Verwendung im Modell begutachtet. Diese umfassen die Messmodelle der drei Einstellungskomponenten. 5.3.3.2.1 Corporate Behavior Wie die konzeptionelle Analyse gezeigt hat, wird das Konstrukt Corporate Behavior als formatives, latentes Konstrukt 2. Ordnung aufgefasst und dementsprechend operationalisiert. Um eine abschließende Beurteilung über die Validität des Konstrukts zu erlauben, müssen zunächst die Messmodelle der einzelnen Wirkungselemente, die diesem Konstrukt zugeordnet werden, auf dimensionaler Ebene untersucht und überprüft werden. x
Wahrnehmung der Interaktivität
Die in der Abbildung 30 dargestellten Ergebnisse zeigen, dass alle Indikatoren ausreichend auf das Konstrukt Interaktivität laden. Allerdings lässt sich für den Indikator int_3 eine im Verhältnis zu den anderen Indikatoren relativ niedrige Ladung und eine geringe Item-toTotal-Korrelation erkennen. Da auch das Cronbach’sche Alpha steigt, wird dieser Indikator aus dem Messmodell entfernt. Durch die Eliminierung dieser Indikatoren kann eine Steigerung der Güte des Messmodells ex post vorgenommen werden. 906 Dies ist bei reflektiv operationalisierten Konstrukten als unkritisch anzusehen, da die Eliminierung zu keiner inhaltlichen Veränderung des Konstrukts führt.907 Ursache für die schlechten Werte kann die Tatsache sein, dass es sich bei diesem Indikator und ein sog. reverse item handelt. Wie bereits beschrieben, werden solche absichtlich negativ formulierten Fragen in den Fragebogen eingebaut, um der Tendenz zum Ja-Sagen vorzubeugen. Problematisch wäre dieses Ergebnis, wenn sich bei allen reverse item schlechte Werte zeigen, da in diesem Fall von einer fehlerhaften Messung ausgegangen werden muss. Wie sich in den noch folgenden Ergebnisanalysen zeigt, ist dieser Indikator der einzige, der weniger gute Werte aufzeigt und daher als unproblematisch eingestuft werden kann. Es bleibt zu vermuten, dass einige Teilnehmer schlichtweg das „nicht“ in der Frage überlesen haben und damit zu einem verzerrten Ergebnis beigetragen haben.
906 907
Vgl. Churchill 1987, S. 68. Vgl. Bollen/Lennox 1991, S. 308. Bei der Eliminierung von Indikatoren sollte der Forderung von Hair et al. von mindestens drei Indikatoren pro Konstrukt Rechnung getragen werden. Vgl. Hair et al. 2006, S. 783.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
197
Interaktivität Gütemaße der 1. Generation Item-to-Total Korrelation 0,615
Indikator int_1
Faktorladungen explorativ ( ≥ 0,4) 0,763
Auf xyz kann ich mit dem Shopbetreiber kommunizieren int_2 Xyz ermöglicht es mir, Fragen zu stellen 0,656 0,789 int_3 Xyz ermutigt Besucher nicht dazu, Feedback zu geben 0,440 0,584 (R) int_4 0,628 0,764 Xyz ermöglicht einen echten Dialog mit dem Shopbetreiber int_5 Xyz ermöglicht die einfache Kontaktaufnahme zum 0,629 0,760 Shop int_6 Xyz bemüht sich sehr um das Feedback seiner Besucher 0,610 0,736 Deskriptive Beurteilung Cronbach’sches Alpha ( ≥ 0,7) 0,829 Explorative Faktorenanalyse Kaiser-Meyer-Ohlkin Kriterium 0,791 Extraktionsmethode Hauptkomponentenanalyse (KMO ≥ 0,5) Erklärte Varianz ( ≥ 50 %) 54,12% Anz. Faktoren 1 Gütemaße der 2. Generation (Konfirmative Faktorenanalyse) Lokale Anpassung IndikatorFaktorladung Interne Konsistenz reliabilität Indikator konfirmativ und DEV ( ≥ 0,5) ( ≥ 0,7) 0,577
int_1: Auf xyz kann ich mit dem Shopbetreiber kommunizieren
0,625
int_2: Xyz ermöglicht es mir, Fragen zu stellen
0,617
int_4: Xyz ermöglicht einen echten Dialog mit dem Shopbetreiber
0,641
int_5: Xyz ermöglicht die einfache Kontaktauf nahme zum Shop
0,506
int_6: Xyz bemüht sich sehr um das Feedback seiner Besucher
Signifikanzniveau: *p < 0,1
0,786***
Interaktivität
IK ( > 0,7): 0,879 DEV ( > 0,5): 0,594
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 30: Messmodell Interaktivität
Mit den restlichen Indikatoren konnte über die explorative Faktorenanalyse ein Faktor extrahiert werden, der zu 54,12% durch seine Indikatoren erklärt wird. Auch die lokalen Anpassungsmaße der 2. Generation zeigen allesamt sehr gute Ergebnisse. Sowohl die Indikatorreliabilität als auch die Faktorladungen überschreiten das geforderte Mindestmaß. Zudem liegen gute Werte für die interne Konsistenz (IK) und die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) vor. Insgesamt kann das Messmodell damit als valide eingestuft werden und in die weitere Untersuchung einbezogen werden.
198 x
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells Wahrnehmung der Benutzerfreundlichkeit
Die Ergebnisse des Messmodells zur Benutzerfreundlichkeit zeigen ein ähnliches Bild wie das Messmodell zur Interaktivität (vgl. Abbildung 31). Auch hier genügen zwar alle Indikatoren prinzipiell den Anforderungen, allerdings wird ben_3 aufgrund der schlechten Item-toTotal-Korrelation und der Hinweise des Cronbach’schen Alpha eliminiert, um das Messmodell für die weitere Untersuchung zu optimieren. Hier wird deutlich, dass die Formulierung der Frage nicht eindeutig erkennen lässt, dass es sich um den Zeitaufwand handelt, den die Benutzerfreundlichkeit des Shops verursacht und nicht um den Zeitaufwand, den der Teilnehmer persönlich z.B. für Entscheidung für oder gegen ein Produkt benötigt. Benutzerfreundlichkeit Gütemaße der 1. Generation Item-to-Total Korrelation 0,557 0,671
Indikator ben_1 ben_2
Faktorladungen explorativ ( ≥ 0,4) 0,713 0,804
Die Navigation auf Xyz ist nicht besonders intuitiv (R) Ein Erstkäufer kann dort ohne viel Hilfe einen Kauf tätigen ben_3 Man braucht viel Zeit, um einen Kauf zu tätigen 0,491 0,642 ben_4 Xyz ist benutzerfreundlich 0,734 0,867 ben_5 Die Nutzung des Shops ist komfortabel 0,739 0,871 Deskriptive Beurteilung Cronbach’sches Alpha ( ≥ 0,7) 0,838 Explorative Faktorenanalyse Kaiser-Meyer-Ohlkin Kriterium 0,811 Extraktionsmethode Hauptkomponentenanalyse (KMO ≥ 0,5) Erklärte Varianz ( ≥ 50 %) 61,50% Anz. Faktoren 1 Gütemaße der 2. Generation (Konfirmative Faktorenanalyse) Lokale Anpassung IndikatorFaktorladung Interne Konsistenz Indikator reliabilität konfirmativ und DEV ( ≥ 0,5) ( ≥ 0,7) 0,527
ben_1: Die Navigation auf Xyz ist nicht besonders intuitiv (R)
0,632
ben_2: Ein Erstkäufer kann dort ohne viel Hilfe einen Kauf tätigen
0,797
ben_4: Xyz ist benutzerfreundlich
0,799
ben_5: Die Nutzung des Shops ist komfortabel
Signifikanzniveau: *p < 0,1 Abbildung 31: Messmodell Benutzerfreundlichkeit
Benutzerfreundlichkeit IK ( > 0,7): 0,897 DEV ( > 0,5): 0,688
**p < 0,05
***p < 0,01
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
199
Alle übrigen Indikatoren weisen jedoch gute Ladungen und Reliabilitäten auf, was dazu führt, dass sowohl die interne Konsistenz (IK) als auch die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) zufriedenstellende Werte einnehmen und das Messmodell als valide bezeichnet werden kann. x
Wahrnehmung der Unterhaltung Unterhaltung Gütemaße der 1. Generation Item-to-Total Korrelation 0,615 0,642 0,732 0,698
Indikator unt_1 unt_3 unt_4 unt_6
Faktorladungen explorativ ( ≥ 0,4) 0,780 0,799 0,860 0,843
Der Besuch auf Xyz macht einfach Spaß Der Besuch gibt mir ein gutes Gefühl Xyz zu besuchen, ist aufregend Der Besuch ist fesselnd/mitreißend Deskriptive Beurteilung Cronbach’sches Alpha ( ≥ 0,7) 0,838 Explorativ Faktorenanalyse Kaiser-Meyer-Ohlkin Kriterium 0,729 Extraktionsmethode Hauptkomponentenanalyse (KMO ≥ 0,5) Erklärte Varianz ( ≥ 50 %) 67,44% Anz. Faktoren 1 Gütemaße der 2. Generation (Konfirmative Faktorenanalyse) Lokale Anpassung IndikatorFaktorladung Interne Konsistenz reliabilität Indikator konfirmative und DEV ( ≥ 0,5) ( ≥ 0,7) 0,687
unt_1: Der Besuch auf Xyz macht einfach Spaß
0,674
unt_3: Der Besuch gibt mir ein gutes Gefühl
0,672
unt_4: Xyz zu besuchen, ist aufregend
0,646
unt_6: Der Besuch ist fesselnd/mitreißend
Unterhaltung
Signifikanzniveau: *p < 0,1
IK ( > 0,7): 0,890 DEV ( > 0,5): 0,669
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 32: Messmodell Unterhaltung
Aufgrund der vorangegangen, explorativen Faktorenanalyse wurden bereits zwei Indikatoren des Unterhaltungskonstrukts eliminiert. Die verbleibenden Indikatoren zeigen jedoch über alle Gütemaße hinweg, zufriedenstellende Werte (vgl. Abbildung 32). So können mit diesen Indikatoren immer noch 67,44% erklärte Varianz erzielt werden. Insbesondere das Cronbach’sche Alpha zeigt mit 0,838 einen sehr guten Wert. Zudem liegen alle Faktorladungen über dem kritischen Wert von 0,4 bzw. 0,7 und alle Indikatorreliabilitäten über 0,5. Dies führt dazu,
200
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
dass sowohl die interne Konsistenz (IK) mit 0,890 als auch die durchschnittlich erfasste Varianz weit über dem geforderten Mindestmaß liegen. Zusätzlich ist an dieser Stelle die Diskriminanzvalidität der Messmodelle zu prüfen (vgl. Kapitel 5.1.3.1). Dazu werden die Kreuzladungen der drei Faktoren sowie das Fornell-LarckerKriterium eingesetzt. Tabelle 26 zeigt die Kreuzladungen der exogenen reflektiven Variablen. Benutzerfreundlichkeit
Unterhaltung
0,759 0,791 0,785 0,800 0,712 0,212 0,317 0,377 0,377 0,263 0,173 0,237 0,307
0,252 0,267 0,342 0,367 0,250 0,725 0,795 0,892 0,894 0,567 0,384 0,414 0,425
0,155 0,201 0,312 0,210 0,257 0,411 0,442 0,470 0,517 0,828 0,820 0,820 0,804
Kreuzladungen
Interaktivität
int_1 int_2 int_4 int_5 int_6 ben_1 ben_2 ben_4 ben_5 unt_1 unt_3 unt_4 unt_6
FornellLarckerKriterium
Indikator
Interaktivität
0,594
Benutzerfreundlichkeit
0,153
0,688
Unterhaltung
0,088
0,309
0,669
Tabelle 26: Kreuzladungen und Fornell-Larcker-Kriterium (Corporate Behavior)
Alle Indikatoren laden wesentlich stärker auf die ihnen zugeordneten Konstrukte als auf andere Konstrukte. Die Prüfung mithilfe des Fornell-Larcker-Kriteriums bestätigt dieses Ergebnis. Für alle drei Konstrukte liegt die erklärte Varianz jeweils höher als die Konstruktinterkorellationen. Es ist als von einer diskriminant validen Messung der Konstrukte Interaktivität, Benutzerfreundlichkeit und Unterhaltung auszugehen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Diskriminanzvalidität in der Regel alle reflektiven Konstrukte des Untersuchungsmodells umfassen sollte. Allerdings werden in der vorliegenden Arbeit aus Platzgründen immer nur die direkt miteinander in Verbindung stehenden Konstrukte dargestellt. Selbstverständlich werden die Ergebnisse auch in ihrer Gesamtheit betrachtet (d.h. über alle Konstrukte gleichzeitig) und sofern von Bedeutung (z.B. bei Nicht-Erfüllung der Kriterien) auch an der jeweiligen Stelle erwähnt. Wie bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel dargestellt, werden die drei Dimensionen Interaktivität, Benutzerfreundlichkeit und Unterhaltung zu einem Konstrukt höherer Ordnung zusammengefasst. Es handelt sich um unterschiedliche, aber dennoch verwandte Dimensio-
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
201
nen, die den gemeinsamen Aspekt des Corporate Behavior abbilden. Daher wird das Corporate Behavior als formatives Konstrukt 2. Ordnung spezifiziert, um die Wirkung des Konstrukts mit der Wirkung der anderen Konstrukte auf einem ähnlichen Abstraktionsniveau vergleichen zu können.
Indikator fact_int fact_ben fact_unt
Interaktivität Benutzerfreundlichkeit Unterhaltung
Corporate Behavior VIF biv. Korrelation (< 0,7) ( 0,5): 0,766
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 34: Messmodell Design
Im Rahmen der Literaturrecherche wurde festgestellt, dass das Corporate Design eine grundlegende Dimension des Corporate-Identity-Konstrukts ist. Anders als bei den anderen beiden Dimensionen des Corporate-Identity-Konstrukts kann das Corporate Design jedoch auch di-
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
203
rekt auf reflektive Weise gemessen werden. Die Ergebnisse des Messmodells werden in Abbildung 34 dargestellt. Die ursprünglich von Srinivasan et al.909 übernommene Skala zur Messung des Designs zeigt auch in der vorliegenden Studie sehr gute Ergebnisse. Mit einem Cronbach’schen Alpha von 0,895 und einer erklärten Varianz von 79,66% wird die Eignung des Konstrukts unterstrichen. Ebenso wie die Ladungen der Indikatoren geben auch die interne Konsistenz und die durchschnittlich erfasste Varianz eindeutige Signale für die gute Eignung des Konstrukts im Kontext der vorliegenden Untersuchung. 5.3.3.2.3 Corporate Communication Ähnlich wie das Konstrukt Corporate Behavior wird auch das Konstrukt Corporate Communication als formatives, latentes Konstrukt 2. Ordnung aufgrund der Darstellung innerhalb der konzeptionellen Analyse aufgefasst und entsprechend seiner Dimensionalität operationalisiert. Daher muss bei diesem Konstrukt zunächst eine Beurteilung der Modellgüte auf Messmodellebene stattfinden, um danach eine abschließende Beurteilung über die Validität des Konstrukts zu ermöglichen. Im Rahmen der Spezifizierung der Modellkomponenten wurde die Corporate Communication über die Elemente Informationsqualität, Personalisierung und Domainname spezifziert. Sie wurden als Dimensionen des Corporate Communication Konstrukts 2. Ordnung in das Modell aufgenommen. x
Wahrnehmung der Informationsqualität
Das Messmodell zur Informationsqualität musste bereits aufgrund der explorativen Faktorenanalyse, die über alle Indikatoren durchgeführt wurde, um zwei Indikatoren reduziert werden. Wie die Ergebnisse in Abbildung 35 zeigen, bleiben nach der PLS-Analyse drei Indikatoren übrig, die zusammen jedoch ausreichende Werte aufweisen, um als Messmodell für die weitere Untersuchung verwendet zu werden. Mit hoch signifikanten Ladungen von 0,846 (inf_3); 0,877 (inf_4) und 0,888 (inf_5) und einer IK von 0,903 bzw. einer DEV von 0,758 sind die Ergebnisse trotz weniger Indikatoren erstaunlich gut.
909
Vgl. Srinivasan/Anderson/Ponnavolu 2002, S. 43.
204
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells Informationsqualität Gütemaße der 1. Generation Item-to-Total Korrelation 0,641 0,652 0,634
Indikator inf_3 inf_4 inf_5
Faktorladungen explorativ ( ≥ 0,4) 0,842 0,874 0,861
Die Informationen sind nicht ausreichend (R) Xyz erfüllt mein Informationsbedürfnis angemessen Die Informationen helfen mir, mein Ziel zu erreichen Deskriptive Beurteilung Cronbach’sches Alpha ( ≥ 0,7) 0,839 Explorative Faktorenanalyse Kaiser-Meyer-Ohlkin Kriterium 0,725 Extraktionsmethode Hauptkomponentenanalyse (KMO ≥ 0,5) Erklärte Varianz ( ≥ 50 %) 59,54% Anz. Faktoren 1 Gütemaße der 2. Generation (Konfirmative Faktorenanalyse) Lokale Anpassung IndikatorFaktorladung Interne Konsistenz Indikator konfirmativ und DEV reliabilität ( ≥ 0,7) ( ≥ 0,5) 0,715
inf_3: Die Informationen sind nicht ausreichend (R)
0,769
inf_4: Xyz erfüllt mein Informationsbedürfnis angemessen
0,788
inf_5: Die Informationen helfen mir, mein Ziel zu erreichen
Signifikanzniveau: *p < 0,1
0,877***
Informationsqualität IK ( > 0,7): 0,903 DEV ( > 0,5): 0,758
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 35: Messmodell Informationsqualität
x
Wahrnehmung der Personalisierung
Auch bei der Personalisierung musste im Vorfeld bereits der Indikator per_3 im Rahmen der explorativen Faktorenanalyse eliminiert werden. Die restlichen vier Indikatoren, die in die weitere Analyse eingegangen sind, weisen dagegen durchweg zufriedenstellende Werte auf (vgl. Abbildung 36). Alle Indikatoren laden hoch signifikant auf das Konstrukt, das mit einem Wert von 0,846 intern konsistent (IK) ist und das geforderte Mindestmaß der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) von > 0,5 übersteigt.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
205
Personalisierung Gütemaße der 1. Generation Item-to-Total Korrelation 0,519
Indikator per_1
Faktorladungen explorativ ( ≥ 0,4) 0,724
Xyz ermöglicht mir, Produkte zu bestellen, die auf mich zugeschnitten sind per_2 Werbung und Angebote die ich erhalte, passen zu mir 0,552 0,758 per_4 Ich glaube, dass Xyz genau zu meinen Bedürfnissen 0,622 0,812 passt per_5 0,559 0,761 Xyz gibt Empfehlungen, die zu meinen Bedürfnissen passen Deskriptive Beurteilung Cronbach’sches Alpha ( ≥ 0,7) 0,762 Explorative Faktorenanalyse Kaiser-Meyer-Ohlkin Kriterium 0,705 Extraktionsmethode Hauptkomponentenanalyse (KMO ≥ 0,5) Erklärte Varianz ( ≥ 50 %) 58,41% Anz. Faktoren 1 Gütemaße der 2. Generation (Konfirmative Faktorenanalyse) Lokale Anpassung IndikatorFaktorladung Interne Konsistenz reliabilität konfirmativ und DEV Indikator ( ≥ 0,5) ( ≥ 0,7) 0,576
per_1: Xyz ermöglicht mir, Produkte zu bestellen, die auf mich zugeschnitten sind
0,508
per_2: Werbung und Angebote die ich erhalte, passen zu mir
0,724
per_4: Ich glaube, dass Xyz genau zu meinen Bedürfnissen passt
0,512
per_5: Xyz gibt Empfehlungen, die zu meinen Bedürfnissen passen
Personalisierung
Signifikanzniveau: *p < 0,1
IK ( > 0,7): 0,846 DEV ( > 0,5): 0,580
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 36: Messmodell Personalisierung
x
Wahrnehmung des Domainnamens
Alle ursprünglich aufgestellten Indikatoren, die der Messung der Wahrnehmung des Domainnamens dienen sollten, konnten mit Hilfe der explorativen Faktorenanalyse bestätigt werden (vgl. Abbildung 37). Allerdings halten nicht alle Indikatoren den Prüfkriterien der 1. Generation stand. Obwohl die Ladung von dom_1 den Wert von 0,4 übersteigt, weist er mit 0,362 eine relativ niedrige ITC auf und sollte daher eliminiert werden. Diese Entscheidung wird durch eine Steigerung des Cronbach’schen Alpha auf 0,738 unterstützt. Die Tatsache, dass für die folgenden Berechnungen nur noch drei Indikatoren zur Verfügung stehen, erweist sich als unproblematisch, da die Indikatoren hoch signifikant auf das Konstrukt laden. Auch die übri-
206
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
gen Werte (IK = 0,856; DEV = 0,665) zeigen, dass die Indikatoren durchaus als Messskala für das Konstrukt verwendet werden können. Domainname Gütemaße der 1. Generation Item-to-Total Korrelation 0,362
Indikator dom_1
Faktorladungen explorativ ( ≥ 0,4) 0,582
Der Domainname ist für die Produktkateg. nicht relevant (R) dom_2 Der Domainname weckt positive Assoziationen in mir 0,587 0,811 dom_3 Der Domainname ist einzigartig 0,496 0,738 dom_4 Der Domainname passt zum Image des Shops 0,614 0,827 Deskriptive Beurteilung Cronbach’sches Alpha ( ≥ 0,7) 0,738 Explorative Faktorenanalyse Kaiser-Meyer-Ohlkin Kriterium 0,728 Extraktionsmethode Hauptkomponentenanalyse (KMO ≥ 0,5) Erklärte Varianz ( ≥ 50 %) 55,60% Anz. Faktoren 1 Gütemaße der 2. Generation (Konfirmative Faktorenanalyse) Lokale Anpassung IndikatorFaktorladung Interne KonsisIndikator konfirmativ reliabilität tenz und DEV ( ≥ 0,7) ( ≥ 0,5) 0,656
dom_2: Der Domainname weckt positive Assoziationen in mir
0,553
dom_3: Der Domainname ist einzigartig
0,788
dom_4: Der Domainname passt zum Image des Shops
Signifikanzniveau: *p < 0,1
0,744***
Domainname
IK ( > 0,7): 0,856 DEV ( > 0,5): 0,665
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 37: Messmodell Domainname
Wie auch bei den anderen Konstrukten ist an dieser Stelle wiederum die Diskriminanzvalidität der Messmodelle zu prüfen (vgl. Kapitel 5.1.3.1). Tabelle 27 stellt die Kreuzladungen der exogenen reflektiven Variablen dar. Alle Indikatoren laden wesentlich stärker auf die ihnen zugeordneten Konstrukte als auf andere Konstrukte. Die Prüfung mithilfe des FornellLarcker-Kriteriums bestätigt dieses Ergebnis. Für alle drei Konstrukte liegt die erklärte Varianz jeweils höher als die Konstruktinterkorellationen. Es ist daher von einer diskriminant validen Messung der Konstrukte Informationsqualität, Personalisierung und Domainname auszugehen.
FornellLarckerKriterium
Kreuzladungen
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
207
Indikator
Informationsqualität
Personalisierung
Domainname
inf_3 inf_4 inf_5 per_1 per_2 per_4 per_5 dom_2 dom_3 dom_4
0,846 0,877 0,888 0,506 0,346 0,437 0,320 0,218 0,246 0,397
0,433 0,420 0,533 0,759 0,712 0,851 0,715 0,362 0,322 0,530
0,343 0,216 0,373 0,461 0,291 0,482 0,267 0,809 0,743 0,888
Informationsqualität
0,758
Personalisierung
0,287
0,580
Domainname
0,132
0,431
0,665
Tabelle 27: Kreuzladungen und Fornell-Larcker-Kriterium (Corporate Comunication)
Wie bereits in Kapitel 4.2.1.4 dargestellt, gehören die drei Dimensionen Informationsqualität, Personalisierung und Domainname konzeptionell zusammen und werden daher zu einem Konstrukt höherer Ordnung zusammengefasst. Es handelt sich um unterschiedliche, aber dennoch verwandte Dimensionen, die den gemeinsamen Aspekt der Corporate Communication abbilden. Daher wird Corporate Communication als formatives Konstrukt 2. Ordnung spezifiziert, um die Wirkung des Konstrukts mit der Wirkung der anderen Konstrukte auf einem ähnlichen Abstraktionsniveau vergleichen zu können.
Indikator fact_inf fact_per fact_dom
Informationsqualität Personalisierung Domainname
Corporate Communication biv. Korrelation VIF (< 0,7) ( 0,5): 0,709
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 39: Messmodell Kognition
x
Affektive Bewertung
Die Skala zur Messung des Affekt-Konstrukt wurde aus den Skalen von Chaudhuri/Holbrook und Homburg et al. zusammengesetzt (vgl. Kapitel 5.1.1.2).910 Bereits in diesen Studien konnten hervorragende Werte für das Messmodell erreicht werden, was sich in der vorliegenden Untersuchung ebenfalls widerspiegelt (Abbildung 40). Nicht nur die Gütemaße der 1. Generation werden deutlich übertroffen, sondern auch die der 2. Generation. Auch das Cron910
Vgl. Chaudhuri/Holbrook 2001, S. 87.; Homburg/Koschate/Hoyer 2006, S. 24.
210
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
bach’sche Alpha mit 0,913 und die IK von 0,932, sowie die DEV von 0,698 unterstreichen die sehr gute Eignung der Indikatoren zur Messung des Affekts. Affektive Bewertung Gütemaße der 1. Generation Item-to-Total Korrelation 0,726 0,728 0,746 0,800 0,792 0,754
Indikator aff_1 aff_2 aff_3 aff_4 aff_5 aff_6
Faktorladungen explorativ ( ≥ 0,4) 0,811 0,813 0,828 0,867 0,861 0,833
Ich fühle mich gut, wenn ich Xyz nutze Xyz macht mir keinen Spaß (R) Xyz zu besuchen, ist wenig reizvoll (R) Ich genieße es, Xyz zu besuchen Xyz begeistert mich Xyz macht mich glücklich Deskriptive Beurteilung Cronbach’sches Alpha ( ≥ 0,7) 0,913 Explorative Faktorenanalyse Kaiser-Meyer-Ohlkin Kriterium 0,861 Extraktionsmethode Hauptkomponentenanalyse (KMO ≥ 0,5) Erklärte Varianz ( ≥ 50 %) 69,87% Anz. Faktoren 1 Gütemaße der 2. Generation (Konfirmative Faktorenanalyse) Lokale Anpassung IndikatorFaktorladung Interne Konsistenz Indikator konfirmativ und DEV reliabilität ( ≥ 0,7) ( ≥ 0,5) 0,649
aff_1: Ich fühle mich gut, wenn ich Xyz nutze
0,678
aff_2: Xyz macht mir keinen Spaß (R)
0,702
aff_3: Xyz zu besuchen, ist wenig reizvoll (R)
0,741
aff_4: Ich genieße es, Xyz zu besuchen
0,736
aff_5: Xyz begeistert mich
0,682
aff_6: Xyz macht mich glücklich
Affekt
Signifikanzniveau: *p < 0,1
IK ( > 0,7): 0,932 DEV ( > 0,5): 0,698
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 40: Messmodell Affekt
x
Konative Bewertung
Gute Ergebnisse zeigen sich auch bei der Auswertung des Konstrukts Konation (vgl. Abbildung 41). Auch hier werden alle Gütemaße erfüllt. Teilweise liegen die Werte weit über den geforderten Mindestwerten, weshalb auch hier eine sehr gute Eignung des Messmodells bestätigt werden kann. Alle Indikatoren der ursprünglichen Skala können verwendet werden. Sie
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
211
weisen Ladungen über 0,7 und Indikatorreliabilitäten über 0,5 auf. Zudem wird das Konstrukt mit einem Alpha von 0,876, einer erklärten Varianz von 67,45%, sowie einer IK von 0,911 und einer DEV von 0,674 sehr gut über die Indikatoren messbar gemacht. Konative Bewertung Gütemaße der 1. Generation Item-to-Total Korrelation 0,557 0,671
Indikator kon_1 kon_2
Faktorladungen explorativ ( ≥ 0,4) 0,835 0,873
Ich werde auch in Zukunft bei Xyz einkaufen Ich ermutige Freunde und Bekannte, bei Xyz einzukaufen kon_3 Ich sage Positives über Xyz zu anderen 0,491 0,913 kon_4 Ich würde Xyz anderen Shops bevorzugen 0,734 0,745 kon_5 Würde mich jemand um Rat fragen, würde ich Xzy 0,739 0,724 nicht empfehlen (R) Deskriptive Beurteilung Cronbach’sches Alpha ( ≥ 0,7) 0,876 Explorative Faktorenanalyse Kaiser-Meyer-Ohlkin Kriterium 0,835 Extraktionsmethode Hauptkomponentenanalyse (KMO ≥ 0,5) Erklärte Varianz ( ≥ 50 %) 67,45% Anz. Faktoren 1 Gütemaße der 2. Generation (Konfirmative Faktorenanalyse) Lokale Anpassung IndikatorFaktorladung Interne Konsistenz Indikator reliabilität konfirmativ und DEV ( ≥ 0,5) ( ≥ 0,7) 0,698
kon_1: Ich werde auch in Zukunft bei Xyz einkaufen
0,753
kon_2: Ich ermutige Freunde und Bekannte, bei Xyz einzukaufen
0,828
kon_3: Ich sage Positives über Xyz zu anderen
0,599
kon_4: Ich würde Xyz anderen Shops bevorzugen
0,534
kon_5: Würde mich jemand um Rat fragen, würde ich Xzy nicht empfehlen (R)
Signifikanzniveau: *p < 0,1
0,910***
Konation
IK ( > 0,7): 0,911 DEV ( > 0,5): 0,674
**p < 0,05
***p < 0,01
Abbildung 41: Messmodell Konation
Als letztes Prüfkriterium gilt es die drei Messmodelle auf Diskriminanzvalidität zu überprüfen (vgl. Kapitel 5.1.3.1). In Tabelle 28 werden wie bereits bei den anderen reflektiven Konstrukten die Kreuzladungen der exogenen Variablen dargestellt. Auch in diesem Fall laden alle Indikatoren stärker auf die ihnen zugeordneten Konstrukte als auf die jeweils anderen Konstrukte. Zudem kann die Diskriminanzvalidität durch die Prüfung mithilfe des Fornell-
212
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
FornellLarckerKriterium
Kreuzladungen
Larcker-Kriteriums das Ergebnis bestätigen. Für alle drei Konstrukte liegt die erklärte Varianz jeweils höher als die Konstruktinterkorellationen. Es ist als von einer diskriminant validen Messung der Konstrukte Kognition, Affekt und Konation auszugehen. Indikator
Kognition
Affekt
Konation
kog_1 kog_4 kog_5 kog_6 aff_1 aff_2 aff_3 aff_4 aff_5 aff_6 kon_1 kon_2 kon_3 kon_4 kon_5
0,734 0,851 0,880 0,893 0,500 0,716 0,776 0,509 0,545 0,484 0,643 0,673 0,720 0,562 0,637
0,476 0,640 0,580 0,686 0,805 0,823 0,838 0,861 0,857 0,825 0,669 0,590 0,628 0,629 0,522
0,605 0,649 0,710 0,693 0,590 0,686 0,710 0,575 0,603 0,536 0,835 0,867 0,910 0,747 0,730
Kognition
0,709
Affekt
0,504
0,698
Konation
0,624
0,549
0,674
Tabelle 28: Kreuzladungen und Fornell-Larcker-Kriterium der endogenen Variablen
Anschließend an die Validitäts- und Realibitätsprüfung wird im folgenden Abschnitt untersucht, ob es sich bei dem Einstellungskonstrukt tatsächlich um ein Konstrukt mit drei Dimensionen handelt, oder die Einstellung vielmehr aus drei separaten Konstrukten besteht. Erste Hinweise dazu geben die Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse. Zwar werden aufgrund der Eigenwerte drei Faktoren für die Summe der abhängigen Indikatorvariablen vorgeschlagen, allerdings laden alle Variablen am stärksten auf den ersten Faktor. Dies führt zu der Annahme, dass die Einstellung womöglich nur als ein Konstrukt aufgefasst werden muss. Um diese Annahme bestätigen zu können, wird untersucht, ob das Konstrukt als Konstrukt 2. Ordnung konzipiert werden muss, das sich über die drei Dimensionen manifestiert. Dazu wird eine konfirmative Faktorenanalyse in PLS durchgeführt, die darauf hin deutet, dass die Dimensionen tatsächlich ein übergeordnetes Konstrukt bilden.
Empirische Überprüfung des Forschungsmodells
213
Dem Vorschlag von MacKenzie/Podsakoff/Jarvis911 folgend, wird zur Messung eines formativen, latenten Konstrukts 2. Ordnung die Einstellung zur E-Brand mit den vorgelagerten, reflektiv operationalisierten Konstrukten Personalisierung und Unterhaltung verbunden, um die nomologische Validität des Einstellungskonstrukts sicherzustellen. Einstellung biv. Korrelation (< 0,7) 0,564 0,413 0,296 Nomologische Validität
Indikator fact_kog fact_aff fact_kon
Kognition Affekt Konation
VIF (