O T T O ZIERER
BILD DER JAHRHUNDERTE EINE WELTGESCHICHTE IN 19 EINZEL- UND 11 DOPPELBÄNDEN
AUSSAAT IM ERDKREIS Unter ...
32 downloads
883 Views
435KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
O T T O ZIERER
BILD DER JAHRHUNDERTE EINE WELTGESCHICHTE IN 19 EINZEL- UND 11 DOPPELBÄNDEN
AUSSAAT IM ERDKREIS Unter diesem Titel ist jetzt der 4. Band des volkstümlichen Geschifft tsWerkes „Bild der Jahrhunderte" erschienen. Das Zeitalter Alexanders des Großen wird hier in spannungsgeladener, farbenprächtiger Schilderung dargestellt.
* Das streitzerrissene Griechentum wird die Beute des militärisch kraftvollen Nachbarstaates Makedonien, Alexander führt noch einmal das Hellenentum in der Idee des Freiheitskampfes gegen den Orient zu= sammen. Geist und Kultur der Griechen beeinflussen die Länder des Ostens bis zum fernen Indien. Mit dem frühen End« Alexanders versinkt die hellenistische Welt in Entzweiung und Ohnmacht. Zur selben Zeit aber beginnt die kleine Bauernstadt Rom über ihre Mauern hinauszuwachsen.
Auch dieser Band ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthält wieder ausgezeichnete Kunstdrucktafeln und zuverlässige historische Karten. Er kostet in der gleichen gediegenen Ausstattung wie die anderen Bände in der kartonierten Ausgabe mit zweifarbigem, lackiertem Einband DM 2.95 und in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung und farbigem Schutzumschlag DM 3.60. Prospekt kostenlos vom
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU/MÜNCHEN
KLEINE B I B L I O T H E K DES WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
2006 digitalisiert von Manni Hesse
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU/MÜNCHEN
"ie Erde ist eine Kugel und keine Scheibe, die in den Ozeanen schwimmt!" Zage und furchtsam hatten die Menschen des Abendlandes seit der Mitte des 15. Jahrhunderts diesen Umsturz ihres bisherigen Weltbildes vollzogen. Auf einmal waren alle Horizonte zu eng. Der Erdball, darauf die Meere und Festländer lagerten und die Menschenschicksale lasteten, war ohne Grenzen und konnte umrundet werden. Ob man gegen Morgen oder gegen Abend fuhr, immer mußte man dahin zurückkehren, von wo man ausgegangen war. Handel und Wandel Europas drängten gegen Osten in das größte Handelsmeer der Zeit, den Indischen Ozean. Seitdem aber im Jahre 1453 auf den goldenen Kuppeln von Byzanz-Konstantinopel der Halbmond an die Stelle des Kreuzes getreten war, waren die Landund Seestraßen des Morgenlandes den Kauffahrern aus dem Westen versperrt. Den Karawanenweg über die Landenge von Suez beherrschte der Sultan Ägyptens, die Wasserwege des Roten Meeres, des Persischen Golfes und die Weite des Indischen Ozeans befuhren 2
einzig die arabischen, äthiopischen und türkischen Galeeren, die Geschwader des persischen Schahs, indische und chinesische Handelsdschunken und die Pilgerschiffe, die nach Mekka segelten. Damals begann in den Hafenstädten Portugals, Spaniens und Oberitaliens, wo die Handelskönige Europas ihren Sitz hatten und wo es von seebefahrenen Abenteurern, Kauf leuten und Kreuzfahrern wimmelte, der Wettlauf der Kapitäne um neue Zugänge in das verschlossene Meer. Europa hatte sich seit den Kreuzzügen an die Reichtümer gewöhnt, die aus dem Umkreis dieses Ozeans kamen. Unentbehrlich aber waren sie den Herrenmenschen der Renaissance: Die orientalischen Damaste, Teppiche und Perlen, der indische Tee, fernöstliche Seiden und Porzellane und vor allem die köstlichen Gewürze, die allein auf den Molukken, den „Gewürzinseln" am Ostrande des Indischen Meeres, gediehen. Kaiser und Könige gierten nach Gold für die Heerfahrten wider die Mauren im Süden und den Islam im Osten. Die Kirche suchte nach neuen Äckern für das Missionswerk der Christenheit. Erd- und Naturforscher träumten vom Ruhm größter wissenschaftlicher Entdeckungen. So verbanden sich Ritter und Mönche, Händler und Gelehrte, Abenteurer und Kolonisten zu kühnsten Unternehmungen. Die Erde war rund. Also mußte es auf Umwegen — und führten sie auch rings um den Globus — Zugänge nach Indien, China und zu den ersehnten Gewürzinseln geben. Portugiesische Seefahrer suchten den Zugang auf Südkurs, tasteten sich immer weiter an der Küste Afrikas entlang, bis sich am Ende des 15. Jahrhunderts dem Kapitän Bartholomeu Diaz und nach ihm dem Admiral Vasco da Gama am Kap der Guten Hoffnung die Südost-Durchfahrt in das Indische Meer eröffnete. Flotte um Flotte ging seitdem in den Häfen Portugals unter Segel, und an den Küsten Indiens wehte schon bald über zahlreichen Faktoreien und Forts das Königsbanner der großen Handelsmacht. Die Spanier, die inzwischen den Indischen Ozean in einer Weltumseglung auf Westfahrt hatten gewinnen wollen, waren auf halber Strecke liegen geblieben. Ihr Großadmiral Christoph Kolumbus war einem verhängnisvollen Irrtum zum Opfer gefallen. Um fast 20 000 Kilometer hatte er den Umfang der Erde unterschätzt; was er nach der Durchquerung des Atlantik für die Küste Chinas und Indiens gehalten hatte, war das Festland Amerika, das noch um eine volle Erdkugelhälfte vom Reiche der Mitte und den Pagodenstädten Indiens entfernt lag. Der zu seiner eigenen Überraschung entdeckte, daß es diese jenseitige Hälfte der Erde gab, daß also der Erdball um das Doppelte größer war, als es Kolumbus vermutet, war der 39jährige Fernando 3
de Magellanes, Sohn eines portugiesischen Edelmannes. Als Kadett und später als Seeoffizier hatte er im Gefolge Vasco da Gamas die Kolonialgründungen der Portugiesen entlang der Indischen Küsten mit erkämpft und war weit nach Osten bis in die Nähe der Philippinen und Gewürzinseln gelangt. Heimgekehrt, festigte er in sich den Gedanken, daß man diese Inseln durch eine Vmseglung der Erdkugel auch von der anderen Seite her erreichen könne; und es gelang dem kleingewachsenen, kriegsverkrüppelten Manne, der indes in spanische Dienste getreten war, die Herren von Sevilla für seinen Plan einer Erdumfahrung in Westrichtung zu gewinnen. Die Schatulle des Königs öffnete sich weit, und so rüstete Magellan im Sommer des Jahres 1519 im Flußhafen von Sevilla eine Flotte von fünf Karavellen für das ungeheure Wagnis aus. Da der weitsichtige Mann sich einen schriftgewandten Italiener namens Pigafetta verpflichtete, der das Tage- und Logbuch der Flotte führen sollte und das Tagebuch der Nachwelt erhalten blieb, ist uns diese Weltumseglung des Generalkapitäns Magellan fast mit ihren täglichen Begebenheiten bekannt. Die folgende Ausivahl aus dem umfangreichen Tagebuch Pigafettas beginnt mit der Ausfahrt der Flotte aus Sevilla und wird ergänzt durch einige Zwischentexte, die den Verlauf der „großartigsten aller je unternommenen Seereisen" verständlicher machen. -x Die fünf Karavellen Magellans überqueAtlantik und fahren an derKüste Brasiliens entlang bis zum La Plata
renden
Ruhmreiche Ausfahrt
August 1519: Heute, Mittwoch, morgens, als das Geschwader alles, Nötige und seine aus 265 Mann bestehende Besatzung an Bord hatte, kündigte eine Salve der Kanonen die Abfahrt an. Den Guadalquivir abwärts segelnd, kamen wir nach San Lucar. Hier ist der spanische Hafen, aus dem man in den Atlantischen Ozean gelangt. Einige Tage hernach traf auch der Oberbefehlshaber mit den Kapitänen der anderen Schilfe auf Schaluppen von Sevilla in San Lucar ein, und man vollendete die Versorgung der Schiffe mit\ den nötigen Vorräten. Was die breiten Schiffsbäuche fassen konnten, wurde hineingepackt. Daß es keine Spazierfahrt war, zu der man rüstete, dafür zeugte das Waffenarsenal, das in den Lasträumen verstaut wurde. Feldgeschütze und Bordkanonen, Donnerbüchsen und Mauerbrecher kamen an Deck, dazu Batterien von Pulverfässern und von eisernen und steinernen Kanonenkugeln, schwere Lasten Blei und Kugelgießformen. Die Waffenkammern der Mannschaften füllten sich mit Handbüchsen, Pulverhörnern, Armbrüsten, Pfeilen, Wurfspießen, Lanzen, Schilden, Panzern, Schulterblechen und Sturmhauben. Schiffsmeister und Köche überwachten das Einbringen des Geschirrs und des Proviants. Für mehr als zweitausend Zentner 4
Zwieback, für die mächtigen Lasten an Mehl, Reis, Bohnen, Erbsen, Linsen, getrocknetem Obst und Küchenkräutern, für die Fässer und Büchsen mit gesalzenem Speck und Fischen, mit Speiseöl und Wein und für zahllose Behälter mit Trinkwasser war Platz geschaffen. Da man die Gefahr des Skorbuts kannte, gingen lebende Kühe und Schweine mit auf die Reise. Besonders umsichtig hatten die Handwerker der Flotte vorgesorgt und neben ihrem Handgerät Feldschmieden, Reservemasten, Reservesegel, Ballastsäcke, Flaschenzüge, Pumpen, Tauwerk, Ersatzanker und Werg, Teer und Häute zum Abdichten der Schiffswände eingekauft. Die besten Seekarten der Zeit, Kompasse, Sand- und Wasseruhren, Sternhöhenmesser, Quadranten, und was sonst an Instrumenten erforderlich war, hatten die Schiffspiloten beschafft. Schwer beschlagene und ständig bewachte Geldtruhen enthielten den Sold der Mannschaft. Für den Unterwegs-Einkauf von Gewürzen und Proviant war dagegen ein Reservelager an Tauschwaren gestapelt: Viele Zentner Quecksilber, Zinnober, Kupfer, Elfenbein, Blei und Alaun, dicke Ballen fertiger Tücher und kostbarer Stoffe, und dann ein Lagerhaus an billigem Tand: Farbige Mützen, bunte Halstücher, tausend Kupfer- und Blecharmbänder, Blechgeschirr und Trinkgläser aus billigstem Glas, 20 000 Schellen, 5000 Messer, 600 Scheren, 1100 Spiegel, 10 000 Fischangeln, fünf Zentner Glasperlen und spiegelnde Kristallstücke, so wie sie die Eingeborenen ferner Länder lieben. September 1519: H e u t e , D i e n s t a g , den 20. September, stachen wir von San Lucar in See und segelten in südwestlicher Richtung auf die Kanarischen Inseln zu. Um das Geschwader ständig zusammenzuhalten, hatte Magellan allen K a p i t ä n e n u n d S t e u e r l e u t e n folgende B e f e h l e gegeben: Sein Schiff segelte stets den andern voran. Damit s i e : ihn aber während der Nacht nicht aus dem Gesichte verloren, führte er eine hölzerne Fackel am Heck seines Schiffes. W e n n er außer dieser Fackel noch eine Laterne oder ein Stück eines Binsenseiles anzündete, mußten die anderen Schiffe dasselbe tun, damit er sich ü b e r z e u g e n k o n n t e , daß sie i h m folgten. Mehrere F e u e r oder einige Kanonenschüsse kündigten an, daß wir nahe am Lande oder an U n t i e f e n wären und daher mit Vorsicht segeln müßten. D e r Oberbefehlshaber f o r d e r t e die strengste Manneszucht von d e m Schiffsv o l k e , um dadurch die Sicherheit der Fahrt zu erhöhen. Die F l o t t e hatte folgenden B e s t a n d : Schiff Trinidad unter Kapitän Fernando de Magellanes mit 65 Mann, Schiff San A n t o n i o unter Kapitän Juan de Cartagena mit 65 Mann, Schiff Concepcion unter K a p i t ä n Gaspar de Quesada mit 50 Mann, Schiff Victoria unter Kapitän Luis de Mendoza mit 45 Mann, Schiff Santiago unter Kapitän Juan Serrano mit 40 Mann. Es w a r e n also fünf Schiffe mit 265 Mann. H e u t e , am 26. S e p t e m b e r , nach vierzehntägiger Fahrt, gingen wir bei Teneriffa, einer der Kanarischen Inseln, vor A n k e r . Hier in Teneriffa hielten wir uns drei Tage lang auf, um Fleisch, Wasser und Holz e i n z u n e h m e n . W ä h r e n d des A u f e n t h a l t e s auf den Kanarischen Inseln langte ein Proviantschiff mit Fischvorrat für die F l o t t e an, zugleich erhielt Magellan eine Warnung seines Schwiegervaters, sich R
vor den andern Kapitänen in acht zu nehmen; die Kapitäne haßten ihn, wohl weil er Portugiese, sie Spanier waren. Oktober 1519: Um Mitternacht des 3. Oktober wurde die Fahrt in südlicher Richtung fortgesetzt. Bei stürmischem Wetter sahen wir oft das, was man als St. Elmsfeuer bezeichnet. Es erschien bei sehr dunkler Nacht wie eine schöne Fackel an der Spitze des großen Masts, zwei Stunden lang verharrend. Das war uns mitten im Sturm ein großer Trost, ein Ereignis, das wir mit Freudentränen begrüßten. Wir fuhren dann viele Tage längs der Küste von Guinea hin. Während dieser Zeit hatten wir fortwährend ungünstigen Wind oder gänzliche Windstille mit Regen bis zum Äquator, und dieses Regenwetter dauerte 60 Tage, entgegen der Meinung der Alten, die glaubten, daß es zwischen den Wendekreisen nie regne und daß diese Gegenden deswegen unbewohnbar seien. November 1519: An heiteren und ruhigen Tagen schwammen große Fische, die man Haifische nennt, um unsere Schiffe herum. Diese Fische haben mehrere Reihen fürchterlicher Zähne, und wenn sie unglücklicherweise einen Menschen im Meer finden, fressen sie ihn auf der Stelle auf. Wir fingen einige derselben mit eisernen Angeln; die großen taugen aber gar nicht zum Essen, und auch die kleinen Bind nicht viel wert. Ferner sah ich fliegende und andere Fische, die bisweilen in so großer Zahl beisammen waren, daß sie eine Bank im Meere zu bilden schienen. Der langsame Fortschritt der Reise verursachte bereits Angst über das Ungenügen der Proviantvorräte; die Rationen wurden auf etwa zwei Liter Wasser und eineinhalb Pfund Brot verringert. Diese außergewöhnlichen Mühseligkeiten wurden vom Schiffsvolk als schlechte Vorbedeutung für das Gelingen der Expedition gedeutet. Wir überschritten in der Nähe des Meridians den Äquator und, gegen Südsüdwest fahrend, verloren wir den Polarstern aus dem Gesichtskreis. Wir steuerten jetzt quer über den Ozean bis zu dem Lande Brasilien. Dezember 1519: Am Tage der Santa Lucia (13. Dez.), nachdem wir das Kap Frio umfahren hatten, traten wir in die prächtige, zwei Meilen lange, mit viel Inseln und guten Anlegeplätzen ausgestattete Mündungsbucht des Rio de Janeiro ein, die wir dem Tag zu Ehren Bahia, das heißt Bai, Bucht von Santa Lucia benannten. Brasilien hat Überfluß an Waren aller Art und ist so groß wie Spanien, Frankreich und Italien zusammengenommen. Es gehört dem König von Portugal, der eingeborene Häuptling des Landes heißt Cacike. Die Eingeborenen sind keine Christen, beten aber auch keine 6
Götzenbilder an; der natürliche Instinkt ist ihr einziges Gesetz. Ihre Wohnungen bestehen aus langen Hütten, welche sie Boi nennen. Sie schlafen darin in großen, baumwollenen Netzen oder Hamaks, deren beide Enden an zwei starke Balken befestigt sind. Darunter machen sie Feuer an, um ihr Bett anzuwärmen. Ein solches Boi enthält zuweilen 100 Männer nebst ihren Weibern und Kindern, und es herrscht darin beständig ein großer Lärm. Ihre Kähne, Kanus genannt, sind aus einem Baumstamme verfertigt, der mit Hilfe eines Steinmessers ausgehöhlt ist; denn die Steine dienen an Stelle des Eisens, das ihnen unbekannt ist. Ein einziges Kanu faßt oft 30 bis 40 Mann und wird durch Ruder, ähnlich den Rührhölzern unserer Bäcker, fortbewegt. Der Zufall wollte, daß sie Hochachtung und Verehrung für uns faßten. Es herrschte nämlich seit zwei Monaten eine große Dürre im Lande, und da eben im Augenblicke unserer Ankunft der Himmel Regen sandte, so schrieben sie dies unserer Gegenwart zu. Während wir am Lande Messe hielten, wohnten sie dieser stillschweigend und mit ganzer Aufmerksamkeit bei, und als sie bemerkten, daß wir unsere an den Seiten der Schiffe befestigten Schaluppen ins Meer ließen und die Boote den Schiffen folgten, meinten sie, daß dies die Kinder des Schiffes seien und daß das letztere jene nähre. Die Frauen haben die mühsamsten Arbeiten zu verrichten, und oft sieht man sie mit schwer beladenen Körben auf ihren Köpfen von den Bergen herabkommen; aber nie gehen sie allein, ihre Männer, die sehr eifersüchtig sind, begleiten sie beständig, Pfeile in der einen, einen Bogen in der anderen Hand. Der Bogen ist aus schwarzem Palmenholz hergestellt. Wenn die Frauen Kinder bei sich haben, so hängen sie die Kleinen in einem baumwollenen Netze an ihren Hals. Die Eingeborenen essen runde, weiße Brote, die wir zwar nicht nach unserem Geschmack fanden; man bereitet sie aus dem Mark oder vielmehr aus dem Splint, der zwischen der Rinde und dem Holz des Brotbaumes liegt und Ähnlichkeit mit geronnener Milch hat. Hier versahen wir uns reichlich mit Hühnern und Pataten, süßen Erdäpfeln, mit Ananas, einer den Tannenzapfen ähnlichen, sehr süßen Frucht von vortrefflichem Geschmack, mit süßem Zuckerrohr und mit Tapirfleisch, das dem Kuhfleisch ähnlich ist. Auch trieben wir hier einen sehr vorteilhaften Handel. Für eine Angel oder für ein Messer erhielten wir fünf bis sechs Hühner, für einen Kamm zwei Gänse; für einen kleinen Spiegel oder für eine Schere so viel Fische, daß sich zehn Personen davon sättigen konnten; für eine Schelle oder ein Band brachten uns die Einwohner einen ganzen 7
Korb Pataten. Mit ebenso großem Gewinn vertauschten wir Figuren aus den Spielkarten; für einen Kartenkönig gab man mir sechs Hühner und glaubte, noch einen sehr guten Handel gemacht zu haben. Die Brasilianer erbauten uns ein Haus, da sie dachten, daß wir längere Zeit bei ihnen weilen würden. Aber wir blieben m Brasilien nur 13 Tage. Dann gingen wir, reichlich mit Geflügel und Früchten versehen, wieder unter Segel. Januar 1520: Unter steter Beobachtung der Küste, die uns stark aufhielt, und vom stürmischen Wetter hin- und hergeworfen, erreichten wir 14 Tage nach der Abfahrt vom Janeiro-Fluß den mächtigen La-Plata-Strom, der den Abschluß einer Bucht zu bilden scheint. An dieser Küste wohnen Menschenfresser. Hier war es auch, wo im Jahre 1515 Juan de Solis, der wie wir zur Entdeckung neuer Länder ausgefahren war, von den Kannibalen, denen er zu sehr getraut hatte, mit 60 Mann seines Schiffsvolkes gefressen wurde. Man glaubte früher, daß man von hier aus in das Indische Meer dringen könne, denn noch niemand vor uns war über die'sen Punkt hinaus weiter nach Süden gekommen. Doch weiß man jetzt, daß dies nicht das Ende des Festlandes, sondern nur die breite Mündung des La-PlataStromes ist. Magellan erzwingt gegen den Willen der meuternden Kapitäne die Weiterfahrt nach dem Süden Inzwischen hatte das Schiff „Santiago" die Küstenbuchten erforscht, um nach einer Durdifahrt zu suchen. Nach fünfzehntägiger Abwesenheit kam der Segler mit der Meldung zurück, daß keine Durchfahrt existiere. Magellan ließ deshalb die Schiffe zur Abreise rüsten, nachdem das Schiff „San Antonio", das ein Leck hatte, repariert worden war. Februar 1520: Auch in den nächsten Tagen, während wir unsere Fahrt nach Süden fortsetzten, wurde die Küste genau durchforscht, ob sich nicht eine Durchfahrt finde. Je weiter aber die Reise südwärts ging, desto schlechter und kälter wurde das Wetter, so daß die Schiffe oft genötigt waren, sich zu trennen, um sich dann nach drei bis fünf Tagen wieder zu vereinigen. In dem flachen,unbewohnten,baumlosen Lande kam am 27. Februar eine Bucht in Sicht mit zwei vorgelagerten, von Pinguinen und Seelöwen bewohnten Felseneilanden. Der Generalkapitän sandte ein mit sechs Matrosen bemanntes Boot an die Küste, um Holz und Wasser zu fassen; doch sie wurden vom Sturme überrascht und genötigt, die Nacht über auf einer dieser Inseln zu verharren, unter Magellan Setzt »ich durch
8
steter Furcht, von den Seelöwen aufgefressen zu werden oder vor Kalte sterben zu müssen. Am anderen Morgen rettete eine große Schaluppe die Bedrängten. Zwischen den Inseln hatten wir schreckliche Stürme auszustehen, die beinahe den Untergang der Flotte herbeiführten; hauptsächlich das Admiralsschiff, dem die Takelung fast ganz weggefegt wurde, erlitt großen Schaden. Während der Stürme ließen sich zu wiederholten Malen an den Spitzen der Masten St. Elmsfeuer sehen. Im Augenblick ihres Verschwindens legte sich auch sofort die Wut des Unwetters. März 1520: Wochenlang hatten die unaufhörlichen Stürme und das schlechte, kalte Wetter jede Orientierung unmöglich gemacht. Aber wir fuhren in ununterbrochener Fahrt weiter die Küste dieses Festlandes entlang, das so weit nach Süden sich erstreckte, daß wir den Wendekreis des Steinbocks um viele Grade überschritten. Hier fanden wir einen guten Hafen, und der Generalkapitän beschloß, in der buchtartigen Flußmündung die günstigere Jahreszeit zur Weiterfahrt abzuwarten; als er aber den Befehl gab, Hütten am Lande zu errichten und die Rationen zu kürzen, um die Schiffsvorräte zu schonen, stieß er bei den Kapitänen und der Mannschaft auf lebhaften Widerspruch. Sie forderten ihn auf, umzukehren und sie nicht bei seiner Jagd nach einem Gespenst alle in den Tod zu führen, sie seien bereits weiter vorgedrungen, als irgendein Spanier. Magellan dagegen bezeichnete es als die größte Schande, umzukehren, ehe sie die Straße oder das Ende des Landes gefunden hätten. Die kalte Jahreszeit werde rasch vorüber sein und dem gefürchteten Hunger werde man leicht durch die Erträgnisse der Jagd und des Fischfanges begegnen. Über das fortgesetzte Seufzen und Klagen wurde er schließlich so zornig, daß er einige Rädelsführer festnehmen und strafen ließ. Magellan stützte sich dabei auf den Befehl des Kaisers. Bis jetzt hätten sie noch nichts Großes geleistet, was ihre Umkehr nur irgendwie rechtfertigen könnte. Die Portugiesen führen alle Jahre an der Küste Afrikas ebensoweit nach Süden, wenn sie das Kap der Guten Hoffnung umsegelten. In der Tat kam die Meuterei bald zum Ausbruch. Noch in derselben Nacht drang Juan de Cartagena, welcher an der Spitze der Verschwörung stand, mit 30 bewaffneten Matrosen von der „Concepcion" auf die „San Antonio" und legte den Kapitän des Schiffes in Fesseln. Der Schiffsmeister der „Concepcion" wurde beauftragt, die Geschütze der „San Antonio" in Bereitschaft zu stellen, nachdem deren Mannschaft entwaffnet worden war. Gleichzeitig wurden den Matrosen Wein und Lebensmittel nach Gelüsten verabreicht. 0
Da auch Luis deMendoza auf der „Victoria" zu den Verschworenen zählte, so besaßen diese am andern Morgen drei Schiffe, während Magellan außer seinem Schiffe „Trinidad" nur die „Santiago" mit dem Kapitän Serrano treu blieb. Der Überfall war so in aller Stille geschehen, daß der Oberbefehlshaber erst beim Morgengrauen, als er von der „San Antonio" Leute zum Wasserfassen aufbieten wollte, die Situation erfuhr. Die Meuterer hatten bereits die entschiedene Übermacht. Magellan forderte sie auf, zu ihm auf sein Schiff zu kommen, dort werde er ihre Klagen anhören und nach Recht verfahren. Dagegen ließen sie ihm wieder sagen, sie trauten ihm nicht, er möge zu ihnen kommen, sie seien sämtlich auf der „San Antonio" vereinigt. (Siehe Karte Seite 14.) Daraufhin legte sich Magellan nun mit seinen Schiffen vor den Ausgang des Hafens, um das Entfliehen der Meuterer zu verhindern. In der Nacht löste sich die „San Antonio" von ihrem Anker und trieb mit der Ebbe an das Schiff Magellans heran. Hier wurde sie von der „Trinidad" mit großem Geschütz- und Gewehrfeuer empfangen, während von der andern Seite die bewaffneten Matrosen der „Santiago" an ihr Bord sprangen. Für wen erklärt ihr euch? rief Magellan dem aufgeschreckten Schiffsvolk zu: „Für den König und Eure Gnaden!'* erscholl es als Antwort. So fiel denn dieses Schiff und bald nachher auch die „Concepcion", deren Kapitän Juan de Cartagena, jeden Widerstand aufgab, in Magellans Gewalt. Die Rädelsführer ließ Magellan gefangennehmen. Mendoza wurde gevierteilt, Quesada durch seinen eigenen Diener enthauptet, und Juan de Cartagena wurde am Strande ausgesetzt und seinem Schicksal überlassen. Magellan beschloß nun, in dem Hafen seine Schiffe und Schaluppen einer gründlichen Reparatur zu unterwerfen, daran vierzig verurteilte Meuterer in Ketten sich betätigen mußten; und zu diesem Reparaturzwecke wurde am Strande ein steinernes Haus mit Schmiede errichtet. Die Flotte verliert die „San-
JSnche n a c h der D u r c h f a h r t
tia
3°° und überwintert an
der südamerikanischen Küste Mai bis August 1520: Das Schiff „Santiago" wurde nun nach Süden ausgesandt, um die Küste nach einer Durchfahrt abzusuchen. Am 22. Mai aber wütete ein Sturm mit solcher Gewalt, daß er das ganze Takelwerk der „Santiago" mit sich fortriß, das Steuer zerschmetterte und das Schiff an die Küste warf. Es scheiterte zwischen den 10
Felsen, aber die ganze Schiffsmannschaft wurde wie durch ein Wunder gerettet: zwei Matrosen kamen zu Land nach dem Hafen, wo wir vor Anker lagen, um uns das Unglück zu melden. Der Oberbefehlshaber schickte auf der Stelle eine Hilfskolonne mit einigen Säcken Zwieback ab. Die Mannschaft des gescheiterten Schiffes hielt sich zwei Monate an dem Orte auf, wo sie Schiffbruch erlitten hatte, um die Trümmer des Schiffes und die Waren, die das Meer nach und nach an Land spülte, zu sammeln. Während dieser Zeit versah man sie mit den nötigen Lebensmitteln, obgleich der Weg äußerst unbequem und ermüdend war; er ging durch Dornen und Gesträuche; man mußte bei großer Kälte die Nacht im Freien zubringen und hatte kein anderes Getränk als Eis, das man in Stücke brechen und auflösen mußte. Die ganze Besatzung, mit Ausnahme eines Negers, gelangte schließlich auf dem gleichen beschwerlichen, tief mit Schnee bedeckten Landwege zurück, indem sie sich so gut es ging von Kräutern und Seelöwen nährten; sie litten stark unter der heftigen Kälte und den furchtbaren Anstrengungen. Wie sehr Magellan den Verlust der „Santiago" bedauerte, so sehr freute er sich über die Rettung der Schiffbrüchigen, die er mit Wein, Brot und anderen Lebensmitteln versah. Er ließ nun die Mannschaft der „Santiago" sowie die Geräte und Waren, die vom Schiffbruch nach dem Winterhafen gebracht wurden, auf die übrigen vier Schiffe verteilen. Zwei Monate verliefen, ohne daß wir einen Einwohner des Landes gewahr wurden, so daß wir nicht mehr daran zweifelten, uns in einem unbewohnten Lande zu befinden. Eines Tages aber erblickten wir zu unserem Erstaunen an der Küste einen Mann von Riesengröße, der unbekleidet tanzte und sang, indem er sich Sand über den Kopf warf. Unser Oberbefehlshaber schickte sofort einen Matrosen ans Land, dem er befahl, diese Gebärden als Freundschafts- und Friedenszeichen nachzuahmen; der Riese begriff dies und ließ sich auf eine kleine Insel zu unserem Kapitän führen. Der Oberbefehlshaber ließ unserem Riesen zu essen und zu trinken reichen; unter anderen Kleinigkeiten wurde ihm auch ein stählerner Spiegel gezeigt; da er keinen Begriff von einem solchen Gegenstand hatte und zum ersten Male seine Gestalt darin sah, fuhr er so erschrocken zurück, daß er vier Mann, die hinter ihm standen, zu Boden warf. Man gab ihm Schellen, einen kleinen Spiegel, einen Kamm und einige Glasperlen; dann ließen wir ihn durch vier wohlbewaffnete Soldaten wieder ans Land begleiten. Sechs Tage hernach, während unsere Leute beschäftigt waren, Holz 11
für das Geschwader zu fällen, sahen sie einen anderen Riesen, gekleidet wie der frühere und in gleicher Weise mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. Indem er sich ihnen näherte, berührte er Kopf und Leib und hob dann die Hände gen Himmel; die Matrosen ahmten die Gebärden nach. Der Befehlshaber, davon benachrichtigt, schickte das Boot ans Land, um ihn auf die kleine Insel zu bringen, die im Hafen liegt und auf welcher man das Haus für die Schmiede und für ein Warenmagazin errichtet hatte. Dieser Mann war von noch größerem und schönerem Wuchs als der andere und hatte sanftere Manieren. Vor Freude tanzte und sprang er jedoch mit solcher Heftigkeit, daß seine Füße mehrere Zoll tiefe Eindrücke in den Sand machten. Er brachte einige Tage bei uns zu. Der Befehlshaber schenkte ihm ein Hemd, eine Weste, eine tuchene Hose, einen Hut, einen Spiegel, einen Kamm, Schellen und andere Kleinigkeiten. Er kehrte zu den Seinigen zurück und schien sehr zufrieden mit uns. Am folgenden Tag überbrachte er dem Befehlshaber ein Lama, ein Tier mit Kopf und Ohren eines Maultieres, dem Leib eines Kamels, den Beinen eines Hirsches und einem Pferdeschweif. Es ist in diesem Lande sehr häufig. Der Mann erhielt dann noch verschiedene Geschenke, für welche er uns auch wiederum einige Gegengeschenke machte. Aber seit dieser Zeit kam er uns nicht wieder zu Gesicht, und wir vermuteten, daß seine Gefährten ihn getötet hatten, weil er so viel Anhänglichkeit an uns verriet. August bis Oktober 1520: So sehr diese Riesenmänner noch im Stande der Wildheit leben, so besitzen sie doch eine gewisse Arzneiwissenschaft. Wenn sie zum Beispiel am Magen leiden, stoßen sie sich einen Pfeil sehr weit in den Mund, um dadurch zum Brechen zu reizen. Bei Kopfweh machen sie sich einen Schnitt an die Stirne. und so verfahren sie mit allen Teilen ihres Körpers, an welchen sie Schmerzen empfinden, um viel Blut aus den angegriffenen Stellen abzulassen. Ihre Vorstellung, die uns von einem der Eingeborenen mitgeteilt wurde, ist folgende: Der Schmerz, sagen sie, komme vom Blut, welches nicht mehr in dem oder jenem Teile des Körpers bleiben wollte, folglich müsse der Schmerz aufhören, wenn man dem Blut einen Ausweg schaffe. Diese Völker kleiden sich in die Haut eines Tieres und mit einer gleichen Haut bedecken sie auch ihre Hütten, welche sie da, wo es ihnen eben gut dünkt, hintragen, denn diese Leute haben keinen festen Wohnsitz, sondern lassen sich wie die Zigeuner bald an dem, bald an jenem Orte nieder. Gewöhnlich nähren sie sich von rohem Fleisch und von einer süßen Wurzel, Chapae benannt. Sie sind sehr starke Esser; von den zweien, welche wir gefangen nahmen, aß jeder 12
täglich einen Korb voll Zwieback und trank in einem Atem einen halben Eimer Wasser. Mäuse wurden ganz roh, sogar ohne ihnen die Haut abzuziehen, verzehrt. Die Haare tragen diese Wilden in Form eines Heiligenscheines beschnitten, wie die Mönche, aber länger; rund um den Kopf werden sie mit einer baumwollenen Schnur festgehalten. Diese Schnur dient den Eingeborenen auch zur Aufbewahrung der Pfeile, wenn sie auf die Jagd gehen. Ist es sehr kalt, so tragen sie eine primitive Leibbinde. Unser Kapitän gab diesem Volk den Namen Patagonier = Großfüßler. Wir pflanzten auf dem Gipfel eines nahen Berges, den wir Monte Christo nannten, ein Kreuz auf und ergriffen von diesem Lande im Namen des Königs von Spanien Besitz. Die sämtlichen Arbeiten der Instandstellung der Schiffe waren unterdessen beendigt und das Geschwader lag segelfertig. Die „Trinidad" führte der Generalkapitän Magellan mit 75 Mann, die „San Antonio" Alvaro de Mezquita mit 70 Mann, die „Concepcion" Juan Serrano mit 55 Mann, die „Victoria" Duarte Barbosa mit 51 Mann. Da nun Magellan die Stürme des Meeres und die Härten des Winters gemildert sah, wurde am 24. August der Kurs längs der Küste wieder aufgenommen. Nach zwei Tagen liefen wir in die Bucht ein, in der das Schiff „Santiago" zerschellt lag. Wir brachten hier ungefähr zwei Monate zu, um die Schiffe mit Wasser und Holz zu versehen. Auch fingen wir Fische, die ungefähr zwei Fuß lang, stark mit Schuppen bedeckt und sehr gut zu essen sind; doch konnten wir nicht so viele, als unser Bedürfnis forderte, fangen.
Magellan findet die Meerenge
Magellan entdeckt Feuerland und die Durchfahrt in den Großen Ozean. Die „San Antonio" flieht
Oktober 1520: Die ganze, ziemlich geräumige Bucht war in allen ihren Winkeln und Verstecken untersucht worden, um zu erforschen, ob sie nicht irgendwo einen Auslaß nach Westen habe. Da diese heiß gewünschte Straße aber auch hier nicht existierte, erteilte Magellan seinen Kapitänen den Befehl, diese Küsten so lange abzusuchen, bis man die Straße nach dem Südmeer finde. Erst dann wolle er von seinem Unternehmen abstehen und den Weg nach Osten ums Kap der Guten Hoffnung und die Insel Madagaskar nach den Molukken nehmen. 13
Nachdem die noch vorhandenen Überreste vom Schiffbruch der „Santiago" unter die verbleibenden vier Schiffe verteilt waren, brach das Geschwader zur Ausführung dieses Befehls auf. Indem wir unsern Weg gegen Süden fortsetzten, erblickten wir am 21. Oktober ein Vorgebirge, das wir „Kap der 11000 Jungfrauen" nannten, weil dieser Tag ihnen gewidmet war. Die ganze Schiffsmannschaft war überzeugt, daß die von diesem Kap markierte Bucht keinen Ausgang nach Westen haben könne. Unser Generalkapitän aber schickte die zwei Schiffe „San Antonio" und „Concep-
Die Entdeckung der Südwest-Durchfahrt (Magellan-Straße) im Oktober 1520 14
cion" ab, um zu untersuchen, wie weit sich diese Bucht erstrecke; wir andern warteten am Eingang derselben mit der „Trinidad" und der „Victoria". Die beiden ausgesandten Schiffe mußten sich den Winden überlassen, so daß sie jeden Augenblick fürchteten, zu scheitern. Aber eben da sich alle für verloren hielten, zeigte sich zu ihrem Glück eine Öffnung, in welche die Schiffe nun einliefen. Sie bemerkten, daß dieser Kanal nicht verschlossen war und fuhren daher fort, ihn zu untersuchen, wodurch sie in eine zweite Bucht gelangten, in welcher sie weitersegelten, bis sie noch eine Meerenge fanden, die wiederum in eine Bucht führte, und zwar in eine noch größere als die vorherigen. Da angekommen, erachteten sie es für zweckmäßig, umzukehren, um dem Befehlshaber von ihrer Entdeckung Nachricht zu geben. Zwei Tage waren indes verflossen, ohne daß wir diese zwei zur Untersuchung der Bucht abgeschickten Schiffe wieder erscheinen sahen; wir glaubten daher, daß sie in einem Sturm, den wir selbst erfahren hatten, untergegangen wären; und da wir Rauch auf dem Lande gewahr wurden, so schlössen wir daraus, daß die, welche das Glück gehabt hätten, sich zu retten, diese Feuer angezündet hätten, um uns ein Zeichen ihres Lebens und ihres Unglücks zu geben. Doch während wir uns in dieser Ungewißheit über ihr Schicksal befanden, bemerkten wir die beiden Schiffe mit vollen Segeln und mit wehenden Flaggen auf uns zukommen; als sie uns nahekamen, gaben sie einige Kanonenschüsse ab, und die Mannschaften stießen ein Freudengeschrei aus. Wir taten dasselbe und erfuhren nun von ihnen, daß sie die Fortsetzung der Bucht oder vielmehr die Meerenge gefunden hätten, worauf wir alle Gott und der heiligen Maria dankten. Doch selbst hier am Ziele hatte Magellan noch seine ganze Beharrlichkeit und Ausdauer nötig, um die Durchfahrt durch die Straße zu bewerkstelligen. Er berief in der Nähe des Vorgebirges der 11 000 Jungfrauen seine Kapitäne, Piloten und Erdkundigen zu einer Beratung. In dieser Versammlung wurde festgestellt, daß man noch für drei Monate hinreichende Lebensmittel habe. Auch waren die meisten, da sie ihren Generalkapitän so vertrauensvoll sahen, guten Mutes zur Fortsetzung des Unternehmens. Einer der Piloten, ein Portugiese vom Schiffe „San Antonio", sagte dagegen, es sei dies ein tollkühnes Wagnis, die Lebensmittel wären nicht hinreichend, weil man nach dieser Straße vermutlich noch andere große Meeresgolfe durchsegeln müsse, um zu den Molukken zu gelangen. Er schlug daher 15
vor, man sollte jetzt vorläufig wieder nach Spanien zurückkehren und dann mit einer neuen Flotte, besserer Ausrüstung und frischer Mannschaft wiederkommen. Magellan aber erwiderte: Und wenn er gewiß wüßte, daß er das Leder am Segelwerk der Schiffe verzehren müsse, wolle er doch durch diese Straße hindurch, um sein dem Könige gegebenes Wort zu halten. Alsdann ließ er durch einen Herold auf allen Schiffen den strengen Befehl kund tun, daß bei Todesstrafe niemand mehr von Heimkehr und von den Lebensmitteln sprechen dürfe. Die Fahrzeuge sollten sich für den anderen Morgen segelfertig halten, weil er alsdann westwärts ins Land hineinfahren wolle. November 1520: Das ganze Geschwader fuhr darauf in die Meeresstraße hinein. Ein Boot wurde an die Küste gesandt, um diese rauhe und kalte Gegend zu erkunden. Die Bemannung desselben fand etwa eine Meile vom Strand eine Grabstätte mit mehr als 200 Gräbern; am Ufer selbst lag ein toter Walfisch von außergewöhnlicher Größe und eine Menge Knochen dieser Tiere, was auf heftige und zahlreiche Stürme deuten ließ. Im Süden der Meerenge erblickte Magellan nachts viele Feuer und benannte deshalb das Land südlich der Meeresstraße Tierra de los fuegos = Feuerland. Der Oberbefehlshaber schickte nun die beiden Schiffe „SanAntonio" und „Concepcion" ab, um zu erforschen, ob dieser Kanal sich in ein Meer öffne. Das erste Schiff „San Antonio" segelte unverzüglich mit vollem Segel fort, ohne das zweite zu erwarten; es hatte — wie wir nachher erfuhren — die Absicht, dieses zurückzulassen, denn der Steuermann wollte die Dunkelheit der Nacht benützen, um nach Spanien zurückzusegeln. Die „Concepcion", die der „San Antonio" nicht folgen konnte, kreuzte hierauf am Eingang des Kanals, ihre Rückkehr erwartend; aber umsonst, denn die „San Antonio" entfloh während der Nacht durch die gleiche Straße, durch die wir gekommen waren. Sie richtete ihren Kurs direkt nach Afrika und von da an der Goldküste entlang nach Norden und traf am 6. Mai 1521 in San Lucar ein. ' Das zweite Weltmeer
Entdeckung; des „Stillen Ozeans"
wird in 3
Monaten u.
20 Tagen durchquert Während dieser Zeit entsandten wir eine gut ausgerüstete Schaluppe, um die Küste des anderen Meeres zu suchen. Die hierzu ausgeschickten Matrosen kamen am dritten Tage wieder zurück und verkündeten uns, daß sie das Kap und ein großes Meer gesehen hätten. 16
Der Generalkapitän weinte vor Freude und nannte dieses Kap „Das ersehnte Kap", da wir in der Tat seit langer Zeit das große Verlangen hegten, dasselbe endlich zu erreichen. Wir hatten also die Straße gefunden, die in das Meer zwischen dem Festland der spanischen Majestät und Indien führte. Magellan hielt sich selbst für den glücklichsten Menschen, der je auf Erden gelebt habe und konnte sich vor Freude nicht fassen darüber, daß ihm nun die Wege zu der asiatischen Inselwelt und um den Globus herum offen ständen. Er dachte auch an seinen König und Kaiser Karl und an die großen Gnaden und Belohnungen, die er ihm erteilen würde. Wir nannten die Meerenge „Patagonische Meerenge", andere „Victoriastraße", weil das Schiff „Victoria" sie zuerst erkannte; oder unserem Generalkapitän zu Ehren „Magellanstraße"; der Generalkapitän selbst taufte sie: „Allerheiligen-Kanal", da dieser Tag auf den 1. November fällt. Am Mittwoch, dem 28. November 1520, verließen wir die Meerenge und kamen in ein großes Meer, das wir später Mar pacifico, „Stiller Ozean", nannten. Mit Freuden stellte Magellan fest, daß sich nun die Küste des Kontinents nach Norden hinzog, woraufhin er beschloß, mit den ihm nun noch bleibenden drei Schiffen „Trinidad", „Concepcion" und „Victoria" mit 177 Mann schleunigst diese unfreundliche, kalte Zone zu verlassen. Der Wind war der Fahrt günstig, da aber das Meer seit dem Ausgang aus der Meerenge stets sehr bewegt war, gestaltete sich die Schiffahrt trotzdem zu einer sehr mühsamen, dies um so mehr, als bereits die Nahrungsmittel anfingen, knapp zu werden, und das Trinkwasser schlecht wurde. Dezember 1520 bis März 1521: Magellan sah, daß sich das Land immer noch direkt nördlich erstreckte und sich die bereits östlichen Passatwinde bemerkbar machten. Er befahl deshalb, den Kontinent rechts liegen zu lassen und in Nordwest-Richtung in jenes große, mächtige, unbekannte Meer hineinzusteuern, welches wohl noch von keinem andern als von diesen drei spanischen Schiffen befahren wurde, und in westlichem Kurs nach Osten wiederum die heiße Zone zu erreichen und so zu den Molukken zu gelangen, von denen Magellan sicher wußte, daß sie im fernen Osten in der Nähe des Äquators liegen mußten. Das Meer hatten wir mit Recht „Stiller Ozean" genannt, weil wir während der ganzen Zeit unserer Fahrt auf demselben nicht den geringsten Sturm erlebten und ziemlich günstigen Wind hatten. Wir entdeckten aber auch während dieser Zeit kein Land, zwei Inseln ausgenommen, wo wir nur Bäume und Vögel bemerkten, und denen 17
wir den Namen „Unglückliche Inseln" gaben. Wir segelten diese drei Monate und zwanzig Tage beinahe 12 800 Seemeilen, ohne die geringste frische Nahrung zu genießen. Der Zwieback, den wir aßen, war kein Brot mehr, sondern bloß Staub, der mit Würmern, die die gute Substanz des Zwiebacks aufgezehrt hatten, vermischt und überdies durch den Unrat von Mäusen von einem unerträglichen Gestank durchdrungen war. Das Wasser, das wir zu trinken uns genötigt sahen, war ebenfalls faul und übelriechend. Um nicht Hungers zu sterben, waren wir sogar gezwungen, das Rindsleder zu essen, mit dem die große Rahe zum Schutze der Taue umwunden war. Diese beständig dem Wasser, der Sonne und den Winden ausgesetzten Lederstücke waren so hart, daß wir sie erst vier bis fünf Tage lang im Meere einweichen mußten, damit sie ein wenig zarter wurden; dann brieten wir sie auf Kohlen, um sie verzehren zu können. Oft kamen wir sogar in die Lage, Sägespäne essen zu müssen, und selbst Mäuse, so widrig sie den Menschen sind, waren eine so gesuchte Speise geworden, daß man bis zu einem halben Dukaten für das Stück bezahlte. Dies war aber noch nicht alles. Ein noch größeres Unglück sollte uns treffen: eine Krankheit, die uns überfiel, durch welche unseren Leuten das Zahnfleisch im Ober- und Unterkiefer so anschwoll, daß es die Zähne bedeckte und der Kranke keine Nahrung zu sich nehmen konnte (Skorbut). 19 Mann unserer Schiffsmannschaften starben an diesem Übel. Außer den Toten lagen 25 bis 30 Matrosen an Schmerzen in den Armen, in den Beinen und in anderen Teilen des Körpers krank darnieder, sie wurden aber wiederhergestellt. März 1521: Endlich am 16. März, bei Sonnenaufgang, fanden wir uns an einem hochliegenden Lande (einer Insel der Marianen). Diese Insel war von vielen Klippen umgeben; wir richteten deshalb unseren Bug nach Süd und wurden einer andern kleinen Insel gewahr. Da Magellan hier zwei Boote vom Ufer kommen sah und somit diese Insel als bewohnt erkannte, steuerte er nach Westen, wo eine weitere kleinere Insel in Sicht war. Diese zeigte sich als unbewohnt. Hier, wo er sich sicher fühlte, befahl der Oberbefehlshaber zu landen, um die Schiffe mit Wasser zu versehen und nach einer so langen, beschwerlichen Reise die erschöpfte Mannschaft einige Ruhe genießen zu lassen. Er ließ alsobald zwei Zelte für die Kranken aufschlagen und ein Schwein schlachten. Wir blieben acht Tage an dieser Insel. Der Oberbefehlshaber ging täglich an Land, um die Kranken zu besuchen und brachte ihnen Palmwein, der sich ihnen als sehr wohltätig erwies. Am Montag, dem 18. März, nachmittags, sahen wir eine Barke mit 18
neun Männern auf uns zukommen. Der Oberbefehlshaber gebot allen, sich ganz ruhig zu verhalten und ohne seine Erlaubnis kein Wort zu sprechen. Sobald sie gelandet hatten, wandte sich ihr Oberhaupt an Magellan und bezeugte mit Gebärden das Vergnügen, das er empfinde, uns zu sehen. Die vier vornehmsten derselben blieben bei uns, die andern holten ihre Gefährten, die mit Fischfang beschäftigt waren, herbei. Da der Oberbefehlshaber sie so friedlich gesinnt sah, ließ er ihnen zu essen geben und bot ihnen einige rote Mützen, kleine Spiegel, Kämme, Schellen, Bocassins (Leinwand), einige Kunstsachen von Elfenbein und andere ähnliche Kleinigkeiten an. Die Insulaner, entzückt über die Artigkeit unseres Oberhauptes, überreichten ihm Fische, ein Gefäß mit Palmwein, Bananen und zwei Kokosnüsse. So waren sie bald familiär zu uns; wir konnten daher von ihnen die Benennung vieler Dinge und auch die Namen der von hier aus sichtbaren Inseln erfahren. Diese Insulaner sind höflich und ehrlich. Aus Freundschaft führte sie unser Oberbefehlshaber auf das Flaggschiff und zeigte ihnen die Warenmagazine, worin sich Gewürznelken, Zimmet, Pfeffer, Muskatnüsse, Gold usw. befanden. Sie gaben uns durch Zeichen zu erkennen, daß das Land, zu welchem wir segelten, jene Waren im Überfluß habe.
n e n V n . l K . i i Sa* I...,... . . . . . . . . . . . Wer *ird ball ISt bezwangen
Magellan landet auf den Philippinen u. erreicht hier von Osten her d i e Meeresbreiten, die er von Westen her schon durchfahren hatte
April 1521: Donnerstags kamen wir nach der Insel Mazaua, wo wir des Nachts Feuer wahrgenommen hatten. Wir begaben uns nach dem königlichen Palast, der sich mit einem Heuschober vergleichen läßt. Er war mit Blättern des Bananenbaumes bedeckt und ruhte auf vier starken Pfählen, so daß wir einer Leiter bedurften, um hineinzusteigen. Daselbst angekommen, ließ der König uns auf Bambusdecken, mit kreuzweise unterschlagenen Beinen, wie die Schneider in ihren Werkstätten, niedersetzen. Eine halbe Stunde hernach brachte man eine Schüssel mit gebratenem Fisch, frischem Ingwer und Wein. Der älteste Sohn des Königs war indessen auch herbeigekommen und setzte sich an unsere Seite. Man trug dann zwei weitere Schüsseln mit gesottenem Fisch und Reis auf, um mit dem Thronerben zu speisen. Mein Reisegefährte trank so unmäßig, daß er betrunken wurde. 19
Unterdessen war es Nacht geworden. Die Lichter, die diese Insulaner gebrauchen, sind aus einer Art arabischem Gummi gemacht, der zu diesem Zweck in Palmen- oder Feigenbaumblätter eingewickelt wird. Jetzt gab uns der König durch Zeichen zu verstehen, daß er schlafen gehen wolle und entfernte sich, uns mit seinem Sohne zurücklassend, mit welchem wir auf einer Bambusdecke schliefen; unter dem Kopfe hatten wir Kissen aus Palmblättern. Wir verweilten sieben Tage an dieser Insel, während welcher wir Gelegenheit hatten, die Sitten und Gebräuche ihrer Einwohner zu beobachten. Sie tätowieren sich und gehen nackt; nur die Hüften mit einem Stück Zeug bedeckend. Die Frauen tragen einen Rock aus Baumrinde, der ihnen von den Hüften bis zu den Knien geht, ihre Haare sind schwarz und reichen zuweilen bis auf den Boden; in den Ohren tragen sie Ringe und goldene Ohrgehänge. Sie sind große Trinker und kauen beständig eine Frucht, die Areca heißt und einer Birne ähnlich ist; diese schneiden sie in vier Teile, wickeln sie in die den Maulbeerblättern gleichenden Blätter desselben Baumes, der Betel genannt wird, und mischen ein wenig Kalk hinzu. Wenn sie diese Mischung recht durchgekaut haben, spucken sie sie aus, und ihr Mund wird ganz rot davon. Alle Insulaner kauen dieses Betel; sie behaupten, daß sein Genuß das Herz stärke und versichern sogar, sie würden sterben, wenn sie sich desselben enthalten müßten. Von Mazaua nahmen wir unsern Weg nach Nordwest und kamen zu fünf Inseln und nach Gatigan. Von Mazaua nach Gatigan beträgt die Entfernung 64 Seemeilen. Von Gatigan steuerten wir wieder nach Westen. So kamen wir nach der Insel Zebu, die von Gatigan 48 Seemeilen entfernt liegt. Sonntag, den 7. April, liefen wir in den Hafen von Zebu ein. Der Oberbefehlshaber schickte einen unserer jungen Leute mit dem Dolmetscher als Gesandte an den König von Zebu. Bei ihrer Ankunft in der Stadt fanden sie diesen von einer großen Menge Volk umgeben, die vom Donner unserer Kanonen erschreckt waren. Der Dolmetscher suchte sogleich den König zu beruhigen und erklärte ihm, daß dies so Brauch wäre und diese Kanonenschüsse nur einen Gruß bedeuteten, der als Zeichen des Friedens und der Freundschaft und als eine Ehrenbezeugung für den König und die Insel gelte. Diese Erklärung beruhigte jedermann. Der König ließ durch seinen Minister den Dolmetscher fragen, was uns in seine Insel führte. Dieser antwortete, sein Herr, der das Geschwader befehlige, sei Kapitän in den Diensten des größten Königs auf der Erde. Der König von Mazaua, bei dem er gelandet sei, habe ihm so große Lobeserhebungen von der Person des Königs von Zebu gemacht, daß der 20
Oberbefehlshaber selbst hierher gekommen sei, um das Vergnügen zu haben, ihn zu besuchen und um zugleich Erfrischungen gegen unsere Waren einzutauschen. Als wir selbst dann in die Stadt kamen, trafen wir den König in seinem Palast mit seinem großen Hofstaate. Er saß zur Erde auf einer Decke von Palmblättern. Nachdem wir den König begrüßt hatten, sagte ihm der Dolmetscher, daß der Oberbefehlshaber, sein Herr, ihm einige Geschenke übersende, nicht als Bezahlung für die Lebensmittel, die wir haben möchten, sondern als ein Zeichen der aufrichtigen Freundschaft, die er mit ihm geschlossen habe. Wir legten ihm sodann ein Kleid an, das wir mitgebracht hatten, setzten ihm eine Mütze auf den Kopf und überreichten ihm die übrigen Gaben. Bei der Darreichung von einigen wertvollen gläsernen Pokalen küßte ich sie und hob sie über meinen Kopf. Der König machte bei der Empfangnahme dieselbe Zeremonie. Dann hieß er uns von den Eiern essen und von seinem Wein durch Schilfrohre trinken. Der Prinz, sein Schwiegersohn, führte uns darauf in sein eigenes Haus. Die Häuser sind aus Balken, Brettern und Schilf zusammengesetzt und haben Gemächer wie die unsrigen. Sie werden auf Pfählen erbaut, so daß man nur auf Leitern hinaufkommt. Der untere leere Raum dient als Stall und Behältnisse für Schweine, Ziegen und Hühner. Wir öffneten unser Magazin und legten unsere Waren aus, die die Insulaner mit Erstaunen betrachteten. Für Messing, Eisen und andere größere Stücke gaben sie uns Gold. Unsere Tändeleien und kleineren Sachen tauschten sie gegen Reis, Schweine, Ziegen und andere Lebensmittel ein. Man gab uns zehn Goldstücke, jedes anderthalb Dukaten an Wert, für vierzehn Pfund Eisen.
Der Tod des GeneralkapitänS
Magellan, der als Erster die Erde umrundet hat, erliegt im Kampf mit Eingeborenen von Matan
In der Nähe der Insel Zebu liegt eine andere, Matan, die mit Zebu die Bucht bildete, wo unsere Schiffe ankerten. Magellan ließ den Häuptlingen von Matan, die die Oberherrschaft des Königs von Zebu abgeschüttelt hatten, sagen, daß er ihre Niederlassungen in Brand stecken werde, falls sie nicht sofort dem König von Zebu und auch dem König von Spanien huldigten und ihm, Magellan, einen Tribut leisteten. 21
Einer der beiden Häuptlinge der Insel Matan schickte dem Oberbefehlshaber seinen Sohn mit zwei Ziegen; wenn er dem Generalkapitän nicht mehr schicke, ließ er dabei ausrichten, so sei das nicht seine sondern die Schuld des andern Häuptlings, der die Macht des Königs von Spanien nicht anerkennen wolle. Auf diese Nachricht entschloß sich der Oberbefehlshaber, selbst mit drei Schaluppen nach der Insel Matan abzugehen; wir baten ihn, nicht in Person diesem Unternehmen beizuwohnen; er antwortete uns aber, daß er als guter Hirte seine Herde nicht verlassen dürfe. 27. April 1521: Wir fuhren um Mitternacht ab, an der Zahl 60 Mann, mit Panzern und Helmen bewaffnet. Die Insulaner ließen sich von unseren Drohungen nicht schrecken. Uns gegenüber standen mehr als 1500 Insulaner in drei Scharen geteilt. Zwei Scharen griffen uns von der Seite, die dritte von vorne an. Unser Oberbefehlshaber teilte seinen Haufen in zwei Kolonnen; so begannen wir den Kampf. Die Musketen- und Armbrustschützen schössen etwa eine halbe Stunde lang von weitem auf den Feind, ohne ihm großen Schaden zu tun. Da die Insulaner sahen, daß unser Schießen keine Wirkung hatte, beschlossen sie unter Geheul, fest zu bleiben, und machten einen fürchterlichen Lärm. Sobald unsere Geschütze abgefeuert waren, sprangen sie hin und her und schleuderten unter dem Schutze ihrer Schilde Wolken von Pfeilen und Rohrlanzen, einige mit Eisenspitzen, auf den Generalkapitän, sowie im Feuer gehärtete Pfähle, Steine und Erde, so daß wir uns kaum verteidigen konnten. Ihre Zahl und ihr Ungestüm, mit welchem sie uns angriffen, schien sich zu vermehren. Ein vergifteter Pfeil durchbohrte den rechten Schenkel des Oberbefehlshabers; da befahl er sogleich, uns langsam und in guter Ordnung zurückzuziehen; aber der größte Teil unserer Leute nahm in voller Übereilung die Flucht, so daß wir nur 7 bis 8 Mann bei dem Oberbefehlshaber blieben. Die Insulaner richteten nun alle ihre Pfeile, Lanzen und Steine gegen unsere Beine, weil diese ungeschützt waren, und zwar in so großer Anzahl, daß wir ihnen weichen mußten. Die Kanonen der Schaluppen waren uns von keinem Nutzen, weil sie zu weit entfernt waren. Wir zogen uns so nach und nach unter beständigem Fechten zurück und waren schon bis an die Knie im Wasser, als die Insulaner, die uns auf dem Fuße folgten, die Lanzen fünf- bis sechsmal auf uns warfen und sich dann wieder zurückzogen. Da sie unseren Oberbefehlshaber kannten, richteten sie ihre Würfe hauptsächlich gegen ihn, so daß sie ihm zweimal den Helm vom Kopf rissen; er als tapferer Ritter wich indessen nicht; so kämpften wir in sehr geringer Anzahl an seiner Seite. Dieser ungleiche Kampf dauerte mehr als eine Stunde, 22
Lage der Molukken (Gewürzinseln) und Kurs der Magellan-Schiffe und da Magellan sich nicht weiter zurückziehen wollte, gelang es einem Insulaner, denselben mit der Spitze seines Speeres im Gesicht zu verwunden. Der Oberbefehlshaber durchbohrte den Gegner sofort mit seiner Lanze, die er in dessen Leib stecken ließ. Er wollte dann seinen Degen ziehen, vermochte ihn aber nur halb aus der Scheide zu bringen, weil sein rechter Arm schwer verwundet war. Die Insulaner, die dies gewahr wurden, drangen alle auf ihn ein, und einer von ihnen versetzte unserem Generalkapitän einen so heftigen Säbelhieb in das linke Bein, daß er auf sein Gesicht fiel; in dem 23
gleichen A u g e n b l i c k w a r f e n sich die F e i n d e auf i h n , m i t i h r e n Eisenund Rohrlanzen, mit ihren Säbeln, und so k a m der um, der unser t r e u e r F ü h r e r , u n s e r Licht, u n s e r e S t ü t z e w a r . W ä h r e n d der Oberbefehlshaber von den Feinden v e r w u n d e t w u r d e , w a n d t e e r sich m e h r m a l s g e g e n u n s , u m z u s e h e n , o b w i r u n s h ä t t e n auf die B o o t e r e t t e n k ö n n e n . N a c h d e m w i r s a h e n , d a ß e r g e t ö t e t w o r d e n w a r u n d w i r selbst alle v e r w u n d e t w a r e n , b e g a b e n w i r u n s schleunigst z u d e n S c h a l u p p e n , die i m Begriffe w a r e n , a b z u s e g e l n . So v e r d a n k t e n wir u n s e r e m O b e r b e f e h l s h a b e r unsere R e t t u n g , da i m l e t z t e n A u g e n b l i c k e alle I n s u l a n e r sich u m i h n s c h a r t e n . Nachmittags ließen w i r den E i n w o h n e r n von M a t a n sagen, wenn sie u n s die L e i c h n a m e d e r g e t ö t e t e n S o l d a t e n u n d h a u p t s ä c h l i c h den des O b e r b e f e h l s h a b e r s h e r a u s g e b e n w ü r d e n , s o w o l l t e n w i r i h n e n soviel W a r e n ü b e r l a s s e n , als sie v e r l a n g t e n ; a b e r sie a n t w o r t e t e n : „ A l l e R e i c h t ü m e r d e r W e l t k ö n n e n u n s nicht d a z u b e w e g e n , d e n L e i c h n a m e i n e s M a n n e s , wie e u e r O b e r h a u p t , a u s z u l i e f e r n . W i r w e r d e n i h n als ein D e n k m a l des Sieges ü b e r euch a u f b e w a h r e n . " M a g e l l a n s R u h m w i r d s e i n e n T o d ü b e r l e b e n . E r w a r m i t allen Tugenden geschmückt; mitten in d e r größten Gefahr bewies er eine u n e r s c h ü t t e r l i c h e S t a n d h a f t i g k e i t ; auf d e m M e e r u n t e r w a r f e r sich selbst g r ö ß e r e n B e s c h r ä n k u n g e n als die ü b r i g e M a n n s c h a f t . E r b e s a ß eine g e n a u e r e K e n n t n i s d e r S e e k a r t e n u n d d e r S c h i f f a h r t s k u n s t als i r g e n d e i n Mensch auf E r d e n . D a ß dies d e r F a l l w a r , g e h t k l a r d a r a u s h e r v o r , d a ß k e i n a n d e r e r s o viel Geist u n d W a g e m u t b e s a ß , u m die E r d e z u u m s e g e l n , wie e r dies b e i n a h e v o l l f ü h r t h a t t e . Mit 2 Schiffen erreicht Magellans MannSchaft die'Gewürzinseln und nimmt sie für die spanische Krone in Besitz
DftS Ziel ist eiTeicllt
Mai 1521: Die M a n n s c h a f t d e r d r e i Schiffe v e r l i e ß Z e b u t r a u r i g u n d n i e d e r g e s c h l a g e n , nicht n u r w e g e n des T o d e s i h r e s F ü h r e r s u n d d e r E r m o r d u n g s o v i e l e r i h r e r G e f ä h r t e n , s o n d e r n auch h a u p t s ä c h lich, weil i h r e Z a h l n u n z u r S t e u e r u n g i h r e r Schiffe s o s t a r k v e r m i n d e r t w a r . D i e M a n n s c h a f t w a r j e t z t auf 1 0 8 M a n n z u s a m m e n geschmolzen, d a r u n t e r viele V e r w u n d e t e u n d K r a n k e . D a w i r s a h e n , d a ß diese L e u t e für die B e d i e n u n g u n s e r e r d r e i Schiffe nicht m e h r g e n ü g e n d w a r e n , beschlossen w i r , e i n e s d e r s e l b e n , die „ C o n c e p c i o n " , das schlechteste u n d ä l t e s t e u n s e r e r Schiffe, z u v e r b r e n n e n . Als w i r a u ß e r Sicht des L a n d e s w a r e n , ging die „ C o n c e p c i o n " i n F l a m m e n auf. V o r h e r a b e r h a t t e n w i r alles, w a s w i r noch d a v o n g e b r a u c h e n k o n n t e n , auf die b e i d e n a n d e r e n Schiffe g e b r a c h t . W i r w ä h l t e n n u n
24
zum Oberbefehlshaber des Geschwaders den früheren P i l o t e n der „Concepcion": J. Lopez de Carvalbo. Er war zugleich K a p i t ä n der „Trinidad" mit 65 Mann. De Espinosa wurde zum K a p i t ä n der „Victoria" mit ca. 48 Mann ernannt. A l l e versprachen, die B e f e h l e des Kaisers getreulich zu v o l l f ü h r e n .
*
*
*
Mai bis November 1521: Sechs Monate lang segelten nun die beiden letzten Karavellen der Magellanflotte durch das Gewirr der Inselwelt, die man später Indonesien genannt hat. An vielen Eilanden gingen die Spanier vor Anker, besuchten die Inselkönige in ihren Palasthütten und schlössen im Namen ihres Kaisers iFreundschaft mit ihnen, unterzeichneten die Bündnisse nach Landesbrauch mit ihrem Blut und taten sich 'gütlich' an Palm- und Reiswein, an Reis, süßen Pataten, Kokosnüssen; auch an Fleisch und Wasser fehlte es nun nicht mehr. Auf dem Rücken festlich geschmückter Elefanten hielten sie glorreichen Einzug am mohammedanischen Hofe von Bomeo, wo sie vor dem juwelenprunkenden König ihre Geschenke niederlegten: Samtgewänder, Polstersessel, Scharlachtücher, Mützen, silberbestickte Schuhe, silberne Nadelbüchsen, vergoldete Glaspokale, goldenes Schreibzeug und kostbares Schreibpapier. Brokat, goldgestickte Tücher und mancherlei Hilfe bei der Instandsetzung der Schiffe waren die Gegengabe. Oft aber flohen isie auch mit vollen Segeln, um dem Verrat heimtückischer Gastgeber zu entgehen, und immer wieder mußten sie erfahren, daß man sie auf ihrer Suche nach den Gewürzinseln auf falschen Kurs schickte, damit sie sich verirrten. Bis sie zuletzt einen vertrauenswürdigen Lotsen fanden, der der Gegend kundig war und ihnen endlich am 6. November 1521 den Ausweg aus dem Labyrinth wies. Ganz im Osten Indonesiens tauchten hohe Inseln vor ihnen auf. November 1521: Der Lotse sagte uns, daß das die Inseln der M o l u k k e n wären. Da dankten wir alle Gott und gaben vor F r e u d e n eine Salve aus u n s e r e n sämtlichen Artilleriegeschützen. D i e große F r e u d e , die wir b e i m Anblick dieser Inseln empfanden, w i r d m a n verstehen, w e n n man b e d e n k t , daß wir bloß um ihretwillen 27 Monate w e n i g e r 2 Tage die M e e r e durchstrichen und unzählige Inseln umfahren haben. Freitag, den 8. N o v e m b e r , um 3 Uhr mittags, liefen wir in den Hafen der Insel Tadore ein u n d f e u e r t e n u n s e r e ganze Artillerie ab. D i e s e Insel erschien uns als die reichste an Gewürznelken, den teuersten Spezereien, der K ö n i g v o n Tadore wurde als der humanste und weiseste dieser I n s e l w e l t geschildert. Tags darauf kam der K ö n i g selbst zum Besuch unserer Schiffe. Nachdem alle sich gesetzt hatten, erklärte der K ö n i g , daß er u n d seine U n t e r t a n e n für i m m e r treue F r e u n d e und Vasallen des Königs v o n Spanien sein w o l l t e n , und daß er uns wie seine e i g e n e n K i n d e r auf seiner Insel aufnehmen w o l l e ; wir sollten ans Land gehen und dort w o h n e n wie in unseren eigenen Häusern, und seine Insel solle künftig aus Anhänglichkeit an den K ö n i g , unsern Herrn, nicht m e h r T a d o r e , sondern K a s t i l i e n h e i ß e n . 25
Wir schenkten ihm darauf den Stuhl, auf dem er saß, und das Kleid, das wir ihm umgehängt hatten. Außerdem gaben wir ihm ein Stück gelben Damast und andere indische in Gold und Seide gewirkte Stoffe, ein Stück weiße, cambayische Leinwand, zwei Mützen, sechs Schnüre kleiner Glasperlen, zwölf Messer, drei große Spiegel, sechs Scheren, sechs Kämme, verschiedene vergoldete Glasschalen und andere Sachen. Seinem Sohne überreichten wir ein Stück indischen Stoff aus Gold und Seide, einen großen Spiegel, eine Mütze und zwei Messer. Ein jeder von den neun Vornehmen, die ihn begleiteten, bekam ein Stück seidenen Stoff, eine Mütze und zwei Messer. Auch den übrigen Leuten seines Gefolges machten wir kleine Geschenke, dem einen eine Mütze, dem andern ein Messer und anderes, so daß der König uns endlich selbst sagte, wir sollten nichts mehr geben. Er bedauerte zugleich, daß er nichts hätte, womit er dem König von Spanien ein Geschenk machen könnte, das seiner würdig wäre; es sei denn seine eigene Person. Er riet uns auch, die Schiffe näher ans Land zu legen. Hierauf verließ er uns befriedigt, ohne aber nur ein einziges Mal sein Haupt zu neigen, so viele Verbeugungen wir ihm auch machten. Bei seinem Weggehen gaben wir eine Salve aus unserer ganzen Artillerie. Ohne Zweifel wird es angenehm sein, von den Inseln, wo der Nelkenbaum wächst, einige nähere Nachrichten zu erhalten. Es sind deren fünf: Tadore, Tarenate, Mutir, Machian und Bachian. Es sind kaum 50 Jahre her, seit die Araber diese Inseln erobert, besetzt und ihre Religion dorthin gebracht haben. Vor der Eroberung durch die Araber wohnten Heiden da, die sich nicht viel um die Nelkenbäume bekümmerten. Heute existieren nur noch wenige heidnische Familien, zurückgezogen in die Gebirge, wo der Nelkenbanm am besten gedeiht. Neben den Gewürznelken erzeugen die Molukken Ingwer, Muskat, Sagu, das Holz, wovon sie Brot bereiten, Reis, Kokosnüsse, Feigen, Bananen, Mandeln, die größer als die unsrigen sind, süße und saure Granatäpfel, Zuckerrohr, Melonen, Gurken, Kürbisse, Guave, die dem Pfirsich gleicht und andere schmackhafte Früchte, ferner Kokosund Sesamöl. Der Nelkenbaum erreicht eine beträchtliche Höhe, und sein Stamm ist ungefähr mannsdick. Seine Blätter gleichen den Lorbeerblättern, und die Rinde ist olivenfarbig. Die Gewürznelken wachsen an der Spitze kleiner Zweige in Büscheln von 10 bis 20. Zuerst ist die Frucht weiß, während der Reife wird sie rötlich, und wenn sie trocken wird, schwarz. Man erntet zweimal des Jahres, einmal zu Weihnachten, das andere Mal zu Johannis, wo die Luft in diesen Ländern am 26
mildesten ist. In warmen, trockenen Jahren beträgt die Ernte auf jeder Insel zwischen 70 000 bis 100 000 Kilo Gewürznelken. Es gibt sonst nirgends Nelkenbäume, als auf den fünf Molukken-Inseln. Jeder Einwohner besitzt etliche Bäume, über die er selber wacht, und wovon er die Früchte einerntet, ohne sich indessen um ihre Kultur irgendwie zu bekümmern. Die Muskatnuß hat viel Ähnlichkeit mit unseren Nüssen, sowohl in der Frucht selbst als in den Blättern. Zur Zeit der Ernte gleicht sie einer kleinen Quitte in der Farbe und dem rauhen Überzug. Die äußere Schale ist so dick wie die grüne Schale unserer Walnüsse. Unter dieser befindet sich ein feines Gewebe, und dann kommt die sogenannte Macis, von lebhafter roter Farbe. Diese umschließt die hölzerne Schale, in der die eigentliche Muskatnuß steckt. Das Gewächs, von dem der Ingwer stammt, ist kein eigentlicher Baum, -sondern ein Gesträuch, welches aus der Erde spannenlange Sprößlinge und Blätter treibt, dem Schilfrohr gleich. Die Schößlinge taugen zu nichts; nur die Wurzel macht den Ingwer aus, der im Handel gebraucht wird. Die Zimmetbäume sind kahl, sie lieben die Trockenheit und gleichen den Granatapfelbäumen. Die Sonnenhitze spaltet ihre Rinde, welche dann abgeschält und an der Sonne getrocknet wird. Diese trockene Rinde ist unser Zimmet. Da die Gewürznelken das wertvollste Produkt dieser Inseln sind und in diesem Jahre in größter Fülle vorhanden waren und sie überdies in den Schiffen am wenigsten Platz erforderten, befrachteten wir diese hauptsächlich mit Gewürznelken. Der König ließ einen Schuppen für unsere Tauschwaren bauen, der in einem Tage fertig wurde. Wir brachten dahin fast alle unsere zum Tauschhandel bestimmten Waren und stellten drei unserer Leute zur Wache. Auf folgender Basis wurde der Wert der Waren, die wir gegen Gewürznelken austauschen wollten, festgesetzt, wir hatten für je ein Bahar Gewürznelken, der gleich fünf Zentner ist, zu liefern: 10 Ellen gutes rotes Tuch, oder 15 Ellen Tuch mittlerer Qualität, oder 26 Ellen grobe oder 25 Ellen feine Leinwand, oder 10 Ellen indisches Tuch, oder 14 Ellen gelbes Tuch, oder 35 Trinkgläser, welche sich der König alle aneignete, oder 17 Cathils Zinnober oder Quecksilber, oder 150 Messer, oder 50 Scheren oder 15 Beile, oder 40 Mützen, oder 1 Zentner Kupfer, oder 3 unserer Pauken. Auf diese Weise machten wir gewiß einen sehr vorteilhaften Handel; indessen haben wir doch nicht so viel Vorteil daraus gezogen, als uns geboten war, weil wir uns sehr beeilten, um bald nach Spanien zurückzukehren. Wir erfuhren nämlich auf den Molukken, 27
der König von Portugal hätte nach dem Vorgebirge der Guten Hoffnung und dem Vorgebirge am Rio de la Plata in Brasilien Schiffe geschickt, um unseren Schiffen den Weg in das indische Meer zu versperren; sie hätten uns aber nicht angetroffen. Da dann der König nachher erfahren habe, daß Magellan durch ein anderes Meer gefahren wäre, um nach den Molukken zu gelangen, so hätte er seinem Oberbefehlshaber in Indien, Sichera, befohlen, sechs Kriegsschiffe nach den Molukken gegen ihn zu schicken. Sichera aber hätte eben damals Bericht erhalten, daß die Türken eine Flotte gegen den Hafen Malakka ausrüsteten und wäre, um sie davon abzuhalten, genötigt gewesen, 60 Fahrzeuge ins Rote Meer gegen sie zu schicken. Diese hätten die türkischen Galeeren an der Küste nahe bei der schönen, befestigten Stadt Aden gestrandet gefunden und sie alle verbrannt. Durch diese Expedition wäre der portugiesische Oberbefehlshaber verhindert worden, etwas gegen uns zu unternehmen. Nicht lange Zeit darauf aber hätte er ein großes Kriegsschiff mit zwei Reihen Kanonen uns entgegengeschickt.
T J n d W i e d e r in S a l i L t l C a i '
Todesfahrt der „Trinidad" und abenteuerliche Heimfahrt der „Viktoria" über das Kap der Guten Hoffnung
Dezember 1521: Mitte Dezember versahen wir unsere Schiffe mit neuen Segeln, auf welchen das Kreuz des heiligen Jakobus von Galizien mit der Inschrift: „Dies ist das Zeichen unserer glücklichen Fahrt", gemalt war. Auf jedem Schiff nahmen wir 80 Tonnen Wasser ein. Holz sollten wir auf der Insel Mare bekommen, bei der wir vorbei mußten. Am folgenden Tage, Mittwoch früh, war alles zu unserer Abreise in Bereitschaft. Die Könige der Molukkeninseln wären erschienen, um uns bis zur Insel Mare zu begleiten. Sie brachten noch viele rote und weiße Papageien, Bienenhonig, indische Waffen und andere Kleinigkeiten an Bord; sie ließen auch einige Jünglinge einschiffen, damit wir sie nach Spanien mitnähmen. Das Schiff „Victoria" lichtete zuerst die Anker und gewann bald das offene Meer, wo es auf die „Trinidad" wartete. Diese aber hatte große Schwierigkeit, den Anker zu heben; dabei wurden die Matrosen gewahr, daß das Schiff ein starkes Leck im Boden des untersten Schiffsraumes hatte. Die „Trinidad" wurde zum Teil ausgeladen, damit man auf das Leck kommen und dasselbe verstopfen könnte. Allein, obgleich man das Schiff auf die Seite gelegt hatte und das 2R
Wasser beständig wie durch eine Röhre hineindrang, waren wir doch nicht imstande, die schadhafte Stelle zu finden. Es wurde nun vereinbart, daß der Kapitän del Cano die „Victoria" allein auf dem W e g e der portugiesischen Ostindienfahrer, möglichst entfernt von den portugiesischen K ü s t e n , und um das Kap der Guten Hoffnung nach Spanien zurückführen u n d die Schreiben der molukkischen Könige für den Kaiser Karl V. m i t n e h m e n solle. W e i t e r wurde bestimmt, daß K a p i t ä n de Espinosa das Schiff „Trinidad", sobald es ausgebessert w ä r e , nach der Landenge von Panama zu führen, dort zu entladen u n d die Ladung über Land nach dem Atlantischen Ozean und auf diesem W e g e nach Spanien zu bringen habe. Dezember 1521 bis September 1522: Die „Trinidad" erreichte die Landenge von Panama nie. Notdürftig instandgesetzt und 1300 Zentner Gewürze im Werte von zwei Millionen Mark und viele Geschütze zurücklassend, nahm der Dreimaster am 6. April 1522 Nordostkurs und kreuzte in schwerer 'Fahrt bis in die Meeresbreiten im Osten Japans. Doch zwangen Wassernot, Hunger, Skorbut and die Stürme zur Umkehr. Von den 48 Mann der Besatzung waren 27 tot, Takelwerk und Hinterkastell waren von Bord gefegt, als das todwunde Schifl nach siebenmonatiger Irrfahrt wieder die Gewürzinseln erreichte. Hier aber sank es in die Tiefe. Die erschöpfte Mannschaft fiel in die Hand der Portugiesen, die inzwischen auf den Molukken erschienen waren. Fünf Jahre später erst gelang es der spanischen Krone, die vier letzten überlebenden der „Trinidad" heimzuholen —• es waren der Kapitän, der Priester Morales, der spanische Matrose Gines de Maira und der deutsche Matrose Hans. Zu eben der Zeit, da die „Trinidad" am nördlichsten iPunkt ihrer Unglücksfahrt wenden mußte, um zu den Molukken zurückzukehren, Anfang September 1522 warf die „Viktoria" nach einer Not- und Todesfahrt ohnegleichen an der Mole von San Lucar die Anker aus. Von den 60 Mann, die am 17.Dezember 1521 auf den Molukken zur Heimreise an Bord der „Victoria" gegangen waren, lebten nur noch 18. 'Planken und Balken des Schiffes waren von Würmern zerfressen, die Masten zersplittert, die Segel zerfetzt. Aber noch wehte die Fahne des Königs. Sobald die „Victoria" festgemacht hatte, sandte der Kapitän Juan Sebastian del Cano den ersten Bericht über die Vollendung dieser denkwürdigen Fahrt an den Kaiser. Dieser Brief verzeichnet auch all das, was sich noch auf dem Wege von den Molukken bis zur spanischen Küste zugetragen, und mit ihm schließen wir die Chronik derer, die mit der Umseglung des Erdballs die Welt gewaltig erweitert haben. Der Brief del Canos aber hat folgenden Inhalt: „ A n Seine Hochgeehrteste Majestät! Eurer Hohen Majestät geben wir zur Kenntnis, daß wir angek o m m e n sind: nur noch 18 Mann mit e i n e m der 5 Schiffe, die Eure Majestät aussandte, um die Spezereien zu entdecken, unter dem Kapitän Fernando de Magellanes ruhmreichen A n g e d e n k e n s . D a m i t Sie über die wichtigsten Ereignisse unserer Reise unterrichtet seien, schreibe ich in Kürze f o l g e n d e s : Wir gelangten bis 54 Grad ü b e r die Linie der Tag- und Nachtgleiche hinaus, woselbst wir eine Straße fanden, die in das Meer 29
zwischen dem Festlande von Brasilien und Indien führte. Diese Straße hat eine Länge von 300 Seemeilen. In dieses Meer hineinsteuernd, trafen wir, obgleich vom Winde begünstigt, während 3 Monaten und 20 Tagen kein Land an, ausgenommen zwei kleine bewohnte Inseln; dann kamen wir in ein Gebiet vieler goldreicher Inseln. Hier starb unser Kapitän Fernando de Magellanes mit vielen andern. Da wir wegen Mangel an Leuten nicht weiter navigieren konnten, takelten wir ein Schiff ab, und mit den zwei übrigen fuhren wir von Insel zu Insel, bis wir mit Gottes Hilfe die Molukken entdeckten, was acht Monate nach dem Tode unseres Kapitäns geschah. Wir befrachteten daselbst die zwei Schiffe mit Gewürznelken. Euere Majestät möge wissen, daß wir, zu diesen Molukken-Inseln segelnd, Kampfer, Zimt und Perlen entdeckten. Als wir diese Inselü verlassen wollten, um nach Spanien zurückzukehren, bemerkten wir ein großes Leck in einem der zwei Schiffe, das nicht anders zu reparieren war, als durch Entladung des Schiffes. Da dadurch viel Zeit verging, bis die Schiffe bereit waren, um über Java und Malakka zurückzusegeln, beschlossen wir, entweder zu sterben oder ehrenvoll Eurer Majestät zu dienen, damit wir Ihnen über die genannte Entdeckung berichten können, und mit einem Schiffe allein abzureisen, dasselbe Gottes Gnade überlassend. Auf diesem Wege entdeckten wir noch viele, sehr reiche Inseln, darunter Bandam, wo die Muskatblüte und die Muskatnüsse wachsen, und Zabba, wo der Pfeffer, und Timor, wo das Sandelholz gedeiht; auf allen diesen Inseln gibt es auch sehr viel Ingwer. Muster aller dieser Spezereien, auf den betreffenden Inseln entnommen, bringen wir mit, um sie Eurer Majestät zu zeigen. Desgleichen überbringen wir Friedensverträge aller Könige und Herren genannter Inseln, von ihren eigenen Händen unterzeichnet, worin sie versprechen, als Könige und Fürsten Eurer Majestät zu gehorchen. Nachdem wir von der letzten Insel abgefahren waren, liefen wir während fünf Monaten, uns nur von Korn, Reis und Wasser nährend, kein Land an, aus Furcht vor dem König von Portugal, der in allen seinen Ländern Vorbereitungen getroffen hatte, unser Schiff zu kapern, damit Eure Majestät nie mehr etwas von demselben hören sollte. Auf diesem Wege starben 22 Mann aus Hunger; der Mangel an Nahrungsmitteln zwang uns, an den Kapverdischen Inseln anzulegen. Der portugiesische Gouverneur nahm uns unsere Schaluppe mit 13 Mann weg und wollte mich mit der ganzen Besatzung in einem Schiff, das mit Spezereien beladen von Indien kam, nach Portugal 30
senden, i n d e m er sagte, daß n i e m a n d außer den P o r t u g i e s e n S p e z e r e i e n entdecken dürfe. Um sich unser zu bemächtigen, rüstete er vier Schiffe. Ich beschloß aber mit m e i n e r Mannschaft eher zu sterben, als in die Hände der P o r t u g i e s e n zu fallen, und so gelang es uns, unter den größten A n s t r e n g u n g e n , da wir Tag und Nacht beständig Wasser aus dem Schiffe p u m p e n m u ß t e n , so erschöpft w i e nur je Menschen sein k ö n n e n , mit Gottes und der heiligen Maria Hilfe unter Segel zu g e h e n u n d nach einer dreijährigen Fahrt in den Hafen v o n San Lucar einzulaufen. Ich b i t t e nun Eure Majestät, für die Befreiung der 13 L e u t e , die Ihnen so lange gedient haben, b e i m König von Portugal besorgt sein zu wollen. Sie w e r d e n es zu schätzen wissen, daß wir die ganze Rundheit der Erde entdeckt u n d u m f a h r e n haben; nach W e s t e n ausfahrend, sind wir durch den Osten zurückgekehrt. Auch bitte ich Eure Majestät in A n e r k e n n u n g der harten Arbeiten, Schweißtropfen, Hunger und Durst, Kälte u n d Hitze, die unsere Mannschaft im D i e n s t e Eurer Majestät erduldet hat, ihr die Zollabgaben auf ihre heimgebrachten W a r e n gnädigst zu erlassen. Hiermit schließe ich, Eurer Majestät die F ü ß e und die Hand küssend. Geschrieben auf Schiff Victoria, in San Lucar, am 6. S e p t e m b e r 1522, der K a p i t ä n Juan Sebastian del Cano." Ein Jahr später erhielten auch die 13 gefangenen S e e l e u t e ihre Freiheit zurück.
Umschlaggestaltung und Karten: Karlheinz Dobsky Als Quelle für den vorliegenden Lesebogen wurde die vorzügliche Übersetzung von Oskar Koelliker benutzt („Die erste Umseglung der Erde, dargestellt nach den Quellen", Piper-Verlag 1908), außerdem die Übertragungen, die im Verlag August Mylius 1775 und Justus Perthes 1801 erschienen sind.
L u x - L e s e b o g e n 97 / Preis d i e s e s H e f t e s 2 0 P f g . Natur- und kulturkundliche Hefte — Bestellungen (s. Anzeige in diesem Heft) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, Murnau-München — Druck; Buchdruckerei Mühlberger, Augsburg
31
Sechs neueLux^Lesebogert, die bis Mitte Juni erscheinen: Nr. 99 Island - Insel zwischen Feuer und Eis Nr. 100 Sterninseln im Weltall Nr. 101 Buddha - Der Erleuchtete Nr. 102 Schatzsucher - Versunkene Schiffe Nr. 103 Das Wunder derVererbung Nr. 104 Erdöl - Das flüssige Gold
Wer kennt noch nicht
Was interessant, lehrreich und wissenswert ist, greifen die Autoren der „ L u x - L e s e b o g e n " auch weiterhin auf. Wenn wir im Zuge der allgemeinen Teuerung nunmehr doch gezwungen sind, den Preis für die .LuxLesebogen" auf 25 Pfennige festzusetzen, so wird der Verlag nun erst recht sein Prinzip: „Immer mehr leisten" durchführen, so daß jeder „Lux-Lesebogen" erhöhte Freude, noch unterhaltsamere Stunden und noch Wissenswerteres bringen wird. Viertel Jahresabonnement (6 Hefte) neuer Preis DM 1.50
VERLAG SEBASTIAN LUX M U R N A U vor München
die reichhaltige, bebilderte englische Sprachlehrzeitschrift mit leicht geschriebenen Erzählungen, Anekdoten, Witzen, längeren Geschichten voller Abenteuer, einem internationalen Briefkasten usw.? Anfänger wie Fortgeschrittene lernen und gewinnen durch sie. Verlangt Probenumraer gratis und franko vom BEACON-VERLAG, 13a Rimpar 8 bei Würzburg