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der verbeulte Wagen am Zaren vorbei. Die Mannschaft grüßt militärisch. Der Zar erwidert den Gruß. Die malerische Mili...
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der verbeulte Wagen am Zaren vorbei. Die Mannschaft grüßt militärisch. Der Zar erwidert den Gruß. Die malerische Militärkapelle, die vor dem Generalstabsgebäude aufgezogen ist, bläst einen schneidigen Marsch. Das Volk jubelt. Schnell wie ein Traum ist schließlich alles vorbei. Der Protos kehrt zum Hotel zurück, begafft und bestaunt von der Menschenmenge, über die nächsten Empfänge, die den Fahrern zu Ehren veranstaltet werden, breitet sich schon der Schatten des Abschieds. In feierlichen Zeremonien werden den Rennfahrern der 1000Dollar-Preis und eine Siegerurkunde überreicht. Dann bricht die 29
Kolonne auf, um den Protos auf seinen letzten beiden Etappen, Petersburg — Berlin und Berlin — Paris, zu begleiten. Vier Tage hinter ihnen folgt der Thomas. Und trotzdem sind seine Fahrer die wirklichen Sieger. Ihr Vorsprung im ersten, amerikanischen Teil des Rennens war zu groß gewesen. Noch viel weiter zurück liegt der Züst, dessen tapfere italienische Mannschaft aber ebenfalls den bösesten Teil der Strecke bereits hinter sich gebracht hat.
Dem Ziel entgegen Über für damalige Begriffe gute Chausseen näherten sich die Wagen schnell der deutschen Grenze. Eines Tages tauchte vor den Protos-Fahrern ein schwarz-weißer Schlagbaum auf — die preußischen Farben. „Ostpreußen", sagte Knape. Dann zog er die Bremsen an. Mit einem Ruck kam der Wagen zum Stehen. Im Augenblick waren die Männer umringt von deutschen Zollbeamten und Männern des Grenzschutzes. Auch eine staatliche Delegation war erschienen. Den Heimkehrenden wurde ein riesiger Blumenstrauß überreicht, und eine kleine Musikabordnung spielte „In der Heimat, in der Heimat, da gibt's ein Wiedersehn". Schon ging es weiter. Immer bekannter wurden die Städtenamen: Schneidemühl — Landsberg — Küstrin. Schließlich lag Berlin vor ihnen, 'die glanzvolle Stadt aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Wie im Triumphzug fuhr die Autokolonne mit dem Protos an der Spitze in die Stadt ein, durch die östlichen Vororte, über den Alexanderplatz und den Spittelmarkt und schließlich durch die Lindenstraße in die Kochstraße. Lachend und glücklich saßen die drei auf ihrem Vehikel, Objekt der Bewunderung für Zuschauer, Reporter und Photographen. Blumensträuße wurden ihnen in die Hände gedrückt. In den Fenstern des Verlagshauses der „BZ am Mittag" und vor dem Portal waren sämtliche Belegschaftsmitglieder versammelt. Immer mehr Neugierige strömten herzu. Ein Meer von Hüten wogte um den Wagen. Von den Protos-Werken waren Direktoren und Mechaniker gekommen, um die Männer zu beglückwünschen. Aber noch war nicht das Letzte getan; noch fehlte die Strecke bis Paris, dem Ziel des Rennens. Verglichen mit den Strapazen der bisherigen Reise kam den Protos-Männern dieser letzte Abschnitt vor wie ein gemütlicher Sonntagsausflug mit dem Töff-Töff. Es war warmes Sommerwetter. 30
Pelze, Mäntel und Stiefel waren in Berlin zurückgeblieben. Über das Kopfsteinpflaster der deutschen Landstraßen flitzte der Protos flink nach Westen. Fast kümmerlich nahm sich der stolze Vater Rhein neben den riesigen Flüssen aus, die sie in Sibirien überquert hatten. Auch an der französischen Grenze wurden sie freudig begrüßt. Hier warteten Wagen der Pariser Automobil-Clubs, um sie in Empfang zu nehmen. Als sie von der Grenzstation starten wollten, leistete sich der «Protos eine letzte Mucke. Knape gab Gas und ließ die Kupplung einrasten. In diesem Augenblick gab es einen lauten Knall, und der rechte Vorderreifen schrumpfte in sich zusammen. „Salutschuß für Frankreich", sagte Knape. Hinter ihnen war die Autokolonne ins Stocken geraten. Die Fahrer eilten heran, um zu sehen, was geschehen war. Eigenhändig schleppten die eleganten Sportsmänner vom Auto-Club Wagenheber und Reservereifen herbei und wechselten den Reifen aus, ohne daß die drei Männer von ihrem Wagen herunterklettern durften. In fröhlicher Stimmung ging es weiter durch die malerischen Städtchen Frankreichs. Das war nur noch wie ein Wochenendausflug. Die Leute blieben am Straßenrand stehen und winkten, die weißgestrichenen Häuschen lagen freundlich im Sonnenlicht da. Knape holte aus dem Protos das äußerste heraus. So ringelte sich die Benzinkutschenschlange schnell der Metropole Paris entgegen, wo man mit echt französischer Aufregung diesen ersten Wagen erwartete, der die Fahrt um die Erde geschafft hatte. Als der Protos endlich fauchend und hupend in der Straße des „Paris Matin" auftauchte, sah man von allen Seiten die Menschen heraneilen. Verzweifelte Polizisten versuchten vergeblich, ihm den Fahrweg freizuhalten. Die Herren des Komitees waren von New York herübergekommen und schwenkten ihre Blumensträuße. Die Leute warfen ihre Mützen in die Luft. Aus dem Gebäude der Zeitung stürzte eilig eine Gruppe von Männern mit Musikinstrumenten und begann die französische Nationalhymne zu spielen. Ein Abgeordneter des „Paris Matin" lief vor dem Wagen her und hielt mitten in dem Getöse eine Empfangsrede, von der kein Mensch auch nur ein Wort verstand. Jetzt hatte der Protos endlich unter dem Jubel der Menge das Portal des Redaktionsgebäudes erreicht; das erst war 'der genaue Zielpunkt. Die Lichter von Paris flammten auf, als Koeppen den Schlüssel aus der Zündung zog und hinter dem Steuer hervorkletterte. Die 31
Männer gingen in das Redaktionsgebäude. Fast 20 000 Kilometer hatten sie mit ihrem Protos zurückgelegt. 123 Tage waren sie, oft unter Einsatz ihrer letzten Kräfte und mit dem letzten Tropfen Benzin durch drei Kontinente gereist. Es schien ihnen, als läge ihre Fahrt durch Amerika schon Jahre zurück. Diese 123 Tage waren so reich an Erlebnissen gewesen, daß das Gefühl für die Zeit fast völlig verloren war. Jetzt waren sie die ersten in Paris. Vier Tage später traf auch der Thomas-Wagen ein. Der Empfang des Siegerwagens, der alle Strapazen bis hierher glücklich überstanden hatte, verlief so stürmisch, daß der Thomas fast ein Opfer* der Begeisterung der Pariser geworden wäre. Jeder mußte den Wagen angefaßt haben. Die Thomas-Männer hatten nur 112 Tage gebraucht. 14 Tage später rollte auch der Züst am Ziel ein. Drei Wagen von sechs gestarteten hatten das Rennen um die Erde geschafft. Nach dieser Bravourleistung der Weltumrundung schwand das Mißtrauen gegen den Kraftwagen. Wenn heute mehr als 100 Millionen Kraftfahrzeuge die Straßen der Erde bevölkern und wenn wir von den Rekorden hören, die flinke und schnittige Rennwagen in allen Teilen der Welt aufstellen, dürfen wir nicht vergessen, daß die tapferen Fahrer von 1908 an der Schwelle dieser Entwicklung stehen.
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dohsky Fotos: Ullstein-Bilderdienst
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(Technik)
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IM FALLE EINES FALLES...