Richard P. Feynman
»Kümmert Sie,
was andere Leute denken?«
Neue Abenteuer eines neugierigen Physikers
Zu diesem Bu...
48 downloads
808 Views
2MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Richard P. Feynman
»Kümmert Sie,
was andere Leute denken?«
Neue Abenteuer eines neugierigen Physikers
Zu diesem Buch An diesem Buch hat Richard P. Feynman bis zu seinem Tod 1988 gearbeitet, es kann als das literarische Vermächtnis des Physikers und Nobelpreisträgers gesehen werden. Es ist ein weises, erinnerungsreiches, in Teilen ernstes Buch, das unter anderem den prägenden Einfluss zweier Menschen auf den jungen Feynman zeigt: den seines Vaters, der ihn zu denken lehrte, und den seiner ersten Frau Arlene, die ihn zu lieben lehrte - auch dann noch, als sie in Albuquerque im Sterben lag, während Feynman im nahen Los Alamos an der Entwick lung der Atombombe mitarbeitete. Daneben berichtet Feyn man auch von unbeschwerten Zeiten, von vergnüglichen Er lebnissen und Forschungsabenteuern in Europa, Asien und Amerika. Der zweite Teil des Buches präsentiert Feynmans persönlichen Bericht über die Untersuchung der Ursachen der »Challenger«-Explosion im Januar 1986. Richard P. Feynman, 1918-1988. Ab 1942 Mitarbeiter am »Manhattan Project« in Los Alamos, 1945-1950 Professor für Theoretische Physik an der Cornell University, seit 1950 Professor am California Institute of Technology in Pasadena. Grundlegende Beiträge zur Quantenelektrodynamik, für die er 1965 den Nobelpreis für Physik erhielt.
Gesammelt von Ralph Leighton
Aus dem Amerikanischen von Siglinde Summerer und Gerda Kurz
Mit 41 Abbildungen
Piper München Zürich
Von Richard P. Feynman liegen in der Serie Piper außerdem vor:
»Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!« (1347)
QED - Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (1562)
Vom Wesen der physikalischen Gesetze (1748)
Feynmanns verschollene Vorlesung (David L. Goodstein)
Judith R. Goodstein: 2994)
Was soll das alles? (3316)
Ungekürzte Taschenbuchausgabe 1. Auflage Juli 1996 4. Auflage März 2001
© 1998 Gweneth Feynman und Ralph Leighton
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»What Do You Gare What Other People Think?«,
W.W. Norton & Company, New York, London 1988
© der deutschsprachigen Ausgabe:
1991 Piper Verlag GmbH, München
Umschlag: Büro Hamburg
Umschlagfoto: Piper Verlag, Archiv
Satz: Fotosatz Janß, Pfungstadt
Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany
ISBN 3-492-22166-1
Inhalt Vorwort.............................................................................
7
Teil 1: Ein sonderbarer Kauz .......................................... Die Erziehung zum Wissenschaftler................................ »Was kümmert's dich, was die ändern denken?«........... So einfach wie eins, zwei, drei......................................... Es zu etwas bringen......................................................... Hotel City.......................................................................... Wer, zum Teufel, ist Herman?......................................... Feynman, Machoschwein!............................................... Ob du's glaubst oder nicht,
ich habe ihm grade die Hand gedrückt............................ Briefe, Fotos und Zeichnungen........................................
9
9
17
52
58
60
65
67
71
78
Teil 2: Mr. Feynman geht nach Washington, um die
Challenger-Katastrophe zu untersuchen......................... Vorbemerkungen............................................................. Ein befristeter Selbstmord................................................ Die nackten Tatsachen.................................................... Check Six!........................................................................ Schnüffler......................................................................... Phantastische Zahlen....................................................... Zündstoff im Anhang........................................................ Die zehnte Empfehlung.................................................... Begegnung mit der Presse............................................... Rückblick..........................................................................
099
099
101
103
139
143
161
172
182
188
194
Anhang F: Persönliche Beobachtungen über die Zuverlässigkeit des
Space Shuttle.................................................................. 202
Epilog: Vorwort............................................................................ Vom Sinn der Wissenschaft............................................
221
221
Vorwort Im Hinblick auf den Band »Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!« bedarf es einiger erläuternder Hinweise. .
Erstens: Obwohl im vorliegenden Buch wieder der »neugierige Physiker« im Mittelpunkt steht, erlebt er diesmal doch ganz andere Abenteuer, teils ganz unbeschwerte, teils tragische; meistens aber - wenngleich es oft schwer auszumachen ist - scherzt Mr. Feynman ganz und gar nicht. .
Zweitens: sind die Geschichten in diesem Band ganz lose aneinandergereiht und nicht chronologisch angeordnet wie in »Sie belieben wohl zu scherzen ...«, womit ein gewisser Anschein von Ordnung erweckt werden sollte (was jedoch zur Folge hatte, dass manche Leser das Buch irrtümlicherweise für eine Autobiographie hielten). Mein Anliegen ist schlicht das: Seit ich die ersten Feynman-Geschichten hörte, verspüre ich das dringende Bedürfnis, sie mit anderen zu teilen. Und schließlich wurden die meisten dieser Geschichten nicht, wie die anderen, beim Trommeln erzählt. Dazu im folgenden kurz noch ein paar Anmerkungen. Teil l, »Ein sonderbarer Kauz«, beginnt mit der Beschreibung des Einflusses all jener Personen, die Feynmans Persönlichkeit ganz entscheidend mit geprägt haben - und das waren sein Vater, Mel, und seine erste Liebe, Arlene. Die erste Geschichte ist eine Adaptation der von Christopher Sykes produzierten BBC-Sendung »Die Freude, etwas herauszufinden«. Die Arlene-Geschichte, der der Titel des vorliegenden Bandes entlehnt ist, wurde im Lauf des letzten Jahrzehnts aus sechs verschiedenen, auszugsweise wiedergegebenen Geschichten zusammengestellt. Sie wiederzuerzählen war für Feynman recht schmerzlich. Als sie schließlich abgeschlossen vorlag, war sie ihm besonders lieb, und er wollte sie gern mit anderen teilen. .
.
.
Die anderen Feynman-Geschichten von Teil 1 wurden, obgleich durchweg leichtere Kost, mit aufgenommen, weil kein zweiter Band von SBWZS, MF geplant ist. Besonders stolz war Feynman auf »So einfach wie eins, zwei, drei«; ja, er erwog zeitweise sogar, seine Beobachtungen zu einem Psychologietest auszubauen. Und die Briefe im letzten Kapitel von Teil 1 haben mir freundlicherweise Gweneth Feynman,
-7Freeman Dyson und Henry Bethe zur Verfügung gestellt. Teil 2, »Mr. Feynman geht nach Washington«, schildert Feyn mans leider letztes großes Abenteuer. Die Geschichte ist besonders lang, weil sie noch immer aktuell ist. (Kürzere Fassungen sind in »Engineering and Science und Physics Today erschienen.) Früher konnte sie jedoch nicht veröffentlicht werden, da sich Feynman nach der Arbeit in der Rogers-Kommission seiner dritten und vierten größeren Operation mit nachfolgender Bestrahlungstherapie, Hyperthermie und anderen Behandlungen unterziehen musste. Am 15. Februar 1988, zwei Wochen nach seiner letzten Vorle sung am California Institute of Technology, endete Feynmans zehn Jahre währender Kampf gegen den Krebs. Ich beschloß, eine seiner ideenreichsten und mitreißendsten Reden, »Der Wert der Wissenschaft«, als Epilog aufzunehmen. .
Ralph Leighton; März 1988
Teil 1: Ein sonderbarer Kauz Die Erziehung zum Wissenschaftler Einer meiner Freunde, ein Künstler, äußert immer mal wieder eine Ansicht, der ich mich beim besten Willen nicht anschließen kann. Er hält mir eine Blume hin und sagt: »Schau, wie schön sie ist«, und ich stimme ihm zu. Doch dann fährt er fort: »Ich als Künstler kann die Schönheit einer Blume sehen. Aber du als Wissenschaftler nimmst sie auseinander und zerstörst damit ihren ganzen Reiz.« Das erscheint mir dumm. .
Erstens ist die Schönheit, die er sieht, allen zugänglich - und mir, will ich meinen, auch. Und selbst wenn mein ästhetisches Empfinden sich mit dem seinen nicht zu messen vermag, kann ich doch allemal die Schönheit einer Blume würdigen. Gleichzeitig aber sehe ich mehr in der Blume als er. Ich kann mir die Zellen in ihrem Inneren vorstellen, die eine eigene Schönheit besitzen. Denn es gibt nicht nur eine in Zentimetern messbare Schönheit - Schönheit ist schon in weit kleinerem Maßstab vorhanden. .
In den Zellen laufen komplizierte Vorgänge und andere Pro zesse ab. Allein der Umstand, dass sich eine Blüte farbig entfaltet, um Insekten zur Bestäubung anzulocken, ist interessant; bedeutet es doch, dass Insekten Farben sehen können. Das wiederum wirft die Frage auf: Findet sich unser ästhetisches Empfinden auch bei niedereren Lebensformen wieder? Wissenschaftliche Kenntnisse können zu allen möglichen interessanten Fragen führen, die zu dem aufregenden, ehrfurchtgebietenden Geheimnis einer Blume noch hinzukommen. Sie bedeuten also einen Gewinn. Ich ver stehe nicht, inwiefern sie etwas mindern sollen. .
Ich war stets sehr einseitig auf die Naturwissenschaft ausgerichtet; in jüngeren Jahren habe ich mich fast ausschließlich darauf konzentriert. Damals hatte ich weder Zeit noch die Geduld, mich um die sogenannten Geisteswissenschaften zu kümmern. Wo immer es möglich -9
war, suchte ich mich um die Pflichtkurse zu drücken, die man für das Abschlussexamen an der Universität brauchte. Erst in späteren Jahren, als sich mein Eifer schon etwas gelegt hatte, habe ich mich ein wenig umgeschaut. Ich habe zeichnen gelernt und lese ein bisschen, im Grunde aber bin ich sehr einseitig, und es gibt viele Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Ich besitze eine begrenzte Intelligenz, die ich in einer bestimmten Richtung einsetze. .
Kurz vor meiner Geburt sagte mein Vater zu meiner Mutter: »Wenn's ein Junge wird, wird er einmal Wissenschaftler.«* Als ich noch ganz klein war und in einem hohen Kinderstühlchen saß, brachte mein Vater einen Haufen verschiedenfarbiger kleiner Badezimmerfliesen - zweite Wahl - nach Hause. Wir spielten damit, er setzte sie wie Dominosteine vor mir auf dem Querbrett meines Kinderstuhls senkrecht nebeneinander, und ich gab ihnen einen Schubs, so dass sie alle umfielen. .
Etwas später half ich meinem Vater dabei, sie aufzustellen. Bald schon setzten wir sie in einer komplizierteren Weise zusammen: zwei weiße Kacheln und eine blaue, zwei weiße und eine blaue und so fort. Als meine Mutter das sah, sagte sie: »Lass doch das arme Kind in Ruhe. Lass es eine blaue Kachel nehmen, wenn es eine blaue will.« .
Mein Vater hingegen erklärte: »Nein, denn ich will ihm zeigen, was Muster sind und wie reizvoll sie sind. Es ist eine Art elementarer Mathematik.« Er begann also sehr früh, mir die Augen für die Welt zu öffnen und mir zu demonstrieren, wie interessant sie ist. .
Bei uns zu Hause stand die Encyclopaedia Britannica. Als ich ein paar Jahre älter war, nahm mich mein Vater gern auf den Schoß, um mir aus der Britannica vorzulesen. Zum Beispiel lasen wir über die Dinosaurier. Unter anderem war da die Rede vom Tyrannosaurus Rex, über den es in etwa hieß: »Dieser Dinosaurier ist gut sieben Meter hoch, sein Kopf
* Trotz der vorgefassten Meinung, lediglich Jungen wären für die Wissenschaft bestimmt, erwarb auch Richards jüngere Schwester Joan den Doktortitel in Physik.
.
- 10
einen Meter achtzig breit.«
Mein Vater brach ab und sagte: »Nun wollen wir einmal über
legen, was das bedeutet. Das bedeutet, dass er, wenn er
unten vor unserm Haus stünde, groß genug wäre, um den
Kopf hier zu unserem Fenster hineinzustecken.« (Wir saßen
im ersten Stock.) »Nur, dass er seinen Kopf nicht
hineinstecken könnte, weil er zu dick wäre und nicht durchs
Fenster ginge.« Auf diese Art machte er alles, was er mir
vorlas, so gut es ging, anschaulich.
.
Es war sehr aufregend und äußerst spannend, sich Tiere von
einer solchen Größe vorzustellen, die alle ausgestorben
waren -und niemand wusste, warum. Ich hatte nie Angst, dass
eins dieser Art durch mein Fenster hereinkommen könnte.
Dafür lernte ich von meinem Vater zu übersetzen: Bei allem,
was ich lese, frage ich mich, was es wirklich bedeutet, was es
wirklich heißt.
Den Sommer verbrachten wir, wie die anderen New Yorker, in
den Catskill Mountains. Die Väter kehrten die Woche über zur
Arbeit zurück und kamen nur an den Wochenenden hinaus.
Mein Vater pflegte mich dann auf Spaziergänge in die Wälder
mitzunehmen und zeigte mir, was man hier alles
Interessantes beobachten kann. Als die Mütter der anderen
Kinder das sahen, waren sie davon so angetan, dass sie
deren Väter dazu bringen wollten, gleichfalls mit ihren Söhnen
spazieren zugehen. Sie setzten ihnen schwer zu, aber
erreichten zunächst nichts. Sie baten meinen Vater, er solle
die ganze Kinderschar mitnehmen, aber er wollte nicht, weil er
zu mir ein besonderes Verhältnis hatte. Das Ende vom Lied
war, dass am nächsten Wochenende die anderen Väter ihre
Kinder selber ausführen mussten.
.
.
Am Montag darauf, die Väter waren alle wieder bei der Arbeit,
spielten wir draußen auf einem Feld. Sagte eins der Kinder zu
mir: »Siehst du den Vogel dort? Was für ein Vogel ist das?«
.
»Keine Ahnung«, entgegnete ich.
Darauf er: »Das ist eine Wacholderdrossel. Dein Vater bringt
dir auch rein gar nichts bei!«
.
.
Genau das Gegenteil war der Fall. Er hatte mir das
Wesentliche schon beigebracht: »Siehst du den Vogel dort?«
hatte er gefragt. »Das ist eine Spencer-Grasmücke.« (Ich
- 11
wusste, dass er den wirklichen Namen nicht kannte.) »Nun, auf italienisch heißt er Chutto Lapittida, auf portugiesisch Born da Peida, auf chinesisch Chung-long-tah und auf japanisch Katano Tekeda. Du kannst den Namen des Vogels in allen Sprachen der Welt kennen, aber wenn du sie alle aufgezählt hast, weißt du nicht das Geringste über den Vogel. Du weißt nur etwas über die Menschen an den verschiedenen Orten und wie sie den Vogel nennen. Deswegen wollen wir uns lieber den Vogel selber anschauen und sehen, was er macht darauf kommt es an.« (So lernte ich sehr früh den Unterschied zwischen bloßer Kenntnis des Namens und wirklicher Kenntnis.) »Dieser Vogel da zum Beispiel«, fuhr er fort, »pickt dauernd an seinem Gefieder herum. Siehst du, wie er herumhüpft und an seinem Gefieder herumpickt?« »Ja.« .
.
.
»Und warum«, fragte er, »glaubst du, machen die Vögel das?«
»Vielleicht«, antwortete ich, »weil die Federn beim Fliegen
durcheinandergeraten sind und die Vögel sie wieder
zurechtzupfen müssen.«
.
.
»Gut«, meinte er. »Wenn das der Fall wäre, müssten sie unmittelbar nach jedem Flug besonders eifrig picken. Und würden dann, sobald sie eine Weile am Boden waren, nicht mehr soviel picken - du verstehst, was ich meine?« .
»Ja.«
»Lass uns einmal prüfen, ob sie wirklich mehr picken, wenn
sie gerade gelandet sind.«
.
.
Es war unschwer festzustellen, dass es keinen großen Unter schied machte, ob sie schon länger auf dem Boden herumhüpften oder gerade gelandet waren. So sagte ich: »Ich gebe auf. Warum also pickt ein Vogel an seinem Gefieder herum?« »Weil er von Läusen gepiesackt wird«, erklärte mein Vater. »Die Läuse fressen Proteinflöckchen, die sich von den Federn ablösen.« .
.
»Die Läuse wiederum«, fuhr er fort, »haben eine Art Wachs an den Beinen, das von winzigen Milben verzehrt wird. Aber - 12
die Milben können es nicht vollständig verdauen und scheiden einen zuckerähnlichen Stoff aus, in dem Bakterien gedeihen.« »Du siehst also«, schloss er, »dass sich überall, wo es eine Nahrungsquelle gibt, irgendeine Form von Leben findet, die sie aufspürt.« Nun wusste ich, dass es nicht unbedingt eine Laus sein musste und dass die Laus nicht unbedingt Milben an den Beinen haben musste: dass die Geschichte vielleicht nicht im Detail, wohl aber im Prinzip zutraf. Ein andermal, ich war schon etwas älter, riss er ein Blatt von einem Baum ab. Normalerweise schenken wir beschädigten Blättern nicht viel Aufmerksamkeit. Dieses Blatt wies eine feine braune Linie auf, die sich in einem C-förmigen Schwung ungefähr von der Blattmitte bis zum Rand zog. .
.
.
»Schau dir diese braune Linie an«, forderte er mich auf. »Am Anfang ist sie ganz dünn und wird zum Rand hin breiter. Sie stammt von einer Fliege - einer blauen Fliege mit gelben Augen und grünen Flügeln, die auf diesem Blatt ihr Ei abgelegt hat. Wenn dann aus dem Ei eine Made ausschlüpft (so ein raupenähnliches Ding), verbringt sie ihr ganzes Leben damit, sich durch das Blatt durchzufressen - da hat sie gleich ihr Futter. Und dabei hinterlässt sie diese braune Spur. Nun wächst die Made und hinterlässt, je größer sie wird, eine immer breitere Spur, bis sie, am Rand angelangt, ausgewachsen ist und sich in eine Fliege verwandelt - eine blaue Fliege mit gelben Augen und grünen Flügeln. Dann fliegt sie weg, um auf einem anderen Blatt ein Ei abzulegen.« .
Wieder wusste ich, dass die Einzelheiten nicht unbedingt stimmen mussten - dass es ebenso gut ein Käfer gewesen sein konnte -, aber der Grundgedanke, den er mir zu erklären versuchte, war die amüsante Seite des Lebens: dass alles nur eine Sache der Reproduktion ist. Gleichgültig, wie kompliziert die Sache ist, es kommt bloß darauf an, dasselbe wieder zu tun! .
Da ich nicht viel Erfahrung mit anderen Vätern hatte, ging mir nicht auf, wie bemerkenswert meiner war. Wie hat er die Grund-Prinzipien der Wissenschaft nur herausgefunden, wie die Liebe zu ihr entwickelt, zu dem, was hinter den Dingen steckt und dessentwegen sich alle Mühe lohnt? Ich habe ihn - 13
nie wirklich danach gefragt, weil ich glaubte, Väter wüssten so etwas eben. Mein Vater lehrte mich, die Dinge wahrzunehmen. Eines Tages spielte ich mit einem »Güterwagen«, einem kleinen Wagen mit leiterartigen Seitenteilen. In dem Wagen lag ein kleiner Ball, und jedes mal, wenn ich den Wagen anzog, fiel mir auf, wie sich der Ball bewegte. Ich ging zu meinem Vater und sagte: »Hör mal, Pa, mir ist etwas aufgefallen. Wenn ich den Wagen anziehe, rollt der Ball nach hinten. Und wenn ich ihn eine Weile herumgezogen habe und plötzlich anhalte, rollt er nach vorn. Woher kommt das?« »Das weiß niemand«, entgegnete er. »Der allgemeine Grund satz lautet, dass Dinge, die sich in Bewegung befinden, dazu neigen, sich weiter zu bewegen, während Dinge, die sich in Ruhe befinden, lieber an Ort und Stelle verharren, es sei denn, man versetzt ihnen einen kräftigen Stoß. Diese Tendenz nennt man >Trägheitfalsch