Nr. 389
Kampf um Atlantis Die Invasoren kommen von Hans Kneifel
Der Flug von Atlantis-Pthor durch die Dimensionen ist...
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Nr. 389
Kampf um Atlantis Die Invasoren kommen von Hans Kneifel
Der Flug von Atlantis-Pthor durch die Dimensionen ist erneut unterbrochen worden. Der Kontinent, der auf die Schwarze Galaxis zusteuerte, wurde durch den Korsallophur-Stau gestoppt. Pthor ist nun umschlossen von Staub und planetarischen Trümmermassen, die von einem gewaltigen kosmischen Desaster zeugen, das sich in ferner Vergangenheit zugetragen hat. Auch wenn durch diesen Zwangsaufenthalt Pthors die von der Schwarzen Galaxis zu erwartende Gefahr gegenwärtig ignoriert werden kann – die Situation sieht für Atlan, den neuen König von Pthor, und seine Untertanen trotzdem relativ kritisch aus. Der fliegende Kontinent und seine Bewohner bekommen es nämlich mit den wilden und kriegerischen Krolocs zu tun, den Beherrschern des Korsallophur-Staus. Diese spinnenähnlichen Intelligenzen sehen in dem so plötzlich aufgetauchten Weltenbrocken ein Objekt, das es zu erobern und ihrem Herrschaftsbereich einzuverleiben gilt. Nun, nach ausgedehnten Erkundungsunternehmen und anderen Vorbereitungen, naht die Stunde, da die Krolocs gegen die Neuankömmlinge im Stau zum Angriff antreten, voller Vertrauen auf die Überlegenheit ihrer Waffen und die Unbesiegbarkeit ihrer Krieger. Unter diesen Vorzeichen entbrennt der KAMPF UM ATLANTIS …
Kampf um Atlantis
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Die Hautpersonen des Romans: Thalia, Sigurd und Heimdall - Die Kinder Odins kämpfen um die Freiheit ihrer Heimat. Sator Synk und Binoos - Leiter der Luft- und Bodentruppen von Pthor. Tagger Blyhs - Kommandant der krolocischen Invasoren. Atlan - Der König auf dem Rückflug nach Pthor.
1. Jetzt, kurze Zeit vor dem Start des goldenen Raumschiffs, befanden sie sich alle in der Zentrale. Sechs männliche Wesen von bemerkenswert unterschiedlichem Aussehen. Gurankor, der Eripäer, fühlte sich im Innern der GOL'DHOR sichtlich wohl. Starkes Licht und große Helligkeit begeisterten ihn. Er breitete die Arme aus und warf den fünf von Pthor freundliche Blicke zu. »Ohne euch wären wir Sklaven der verdammten Krolocs geworden. Ihr habt das unvorstellbar grausame Schicksal abzuwenden geholfen. Ihr seid mächtige Kämpfer und entschlossene Verbündete.« Atlan entgegnete mit leichter Ironie: »Die GOL'DHOR hat unserem Mut den notwendigen Schutzpanzer hinzugefügt.« »Ich sehe, daß euer Land Pthor viele Männer von bestechender Intelligenz und geschliffenen Umgangsformen hat«, unterstrich Gurankor und verneigte sich vor Atlan und Razamon. »Wir haben unseren Weg durch den Korsallophur-Stau mit Blut geschrieben!« donnerte Balduur gutgelaunt. Die Aussicht, in Kürze diesem stauberfüllten Universum der Krolocs den breiten Rücken zu kehren, ließ ihn wieder einmal pathetisch werden. Er lachte Razamon breit an. »Nun, Pona und die Bulzerdon-Sippe haben wir abgesetzt. Die Bulzerdons sind Künstler, wie ich hörte, und sie besitzen meiner Meinung nach ein überdurchschnittlich hohes Überlebenspotential.« »Was willst du damit sagen?« fragte der Weltenmagier mürrisch. Auch er dachte an die Gefährdung Pthors. »Daß sie dieses Abenteuer vermutlich schneller verarbeiten und besser überstehen
als wir«, gab Razamon zurück. »Atlan! Ich glaube, wir sollten die Lichtung verlassen und uns um Pthor kümmern.« »Dies wäre mein nächster Vorschlag gewesen«, sagte der Eripäer und verbeugte sich vor Atlan. »Zumal wir mehrere Krolocs gefangen haben. Wir überwanden unsere Scheu vor ihrem barbarischen Aussehen und unterzogen sie einer Befragung.« Sein Gesichtsausdruck zeigte, daß er im Grund ein gnadenloser Pragmatiker sein konnte, wenn es die Umstände erforderten. Er fuhr fort: »Unseren ausgeklügelten Verhörmethoden konnten sie nicht lange widerstehen. Erwartungsgemäß sagten sie aus, daß die Invasion gegen Pthor unmittelbar vor dem Beginn steht. Wir hörten einige interessante Einzelheiten. Tagger Blyhs wird seine Kriegsfarben anlegen; eine persönliche Marotte. Spank Vhroon wird sein Adjutant sein. Wir identifizieren diesen Namen mit Terror und Schrecken. Es wird ebenso SpaccahForts auf Pthor geben wie auch im Gebiet des Korsallophur-Staus. Nicht weniger als siebentausend oder achttausend Spaccahs aller Größen sollen eingesetzt werden. Allerdings wußten auch die Krolocs den genauen Zeitpunkt des massierten Angriffs nicht.« »Ich höre«, meinte der Arkonide, »daß die Klugheit der Eripäer beträchtlich ist. Eine solche Mitteilung habe ich erwartet. Es überrascht mich nicht, leider. Pthor ist in Gefahr, das ist sicher. Und nicht erst seit kurzer Zeit.« Der Weltenmagier stöhnte auf und starrte Atlan mit großen, funkelnden Basaltaugen an. »Auch wir haben es geahnt, Atlan. Du bist der gewählte Herrscher von Atlantis. Du bist verpflichtet, etwas zu unternehmen.« »Ich bin fest entschlossen, etwas zu unter-
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Hans Kneifel
nehmen. Dessen kannst du sicher sein, Copasallior!« »Zurück nach Pthor!« sagte Koratzo. »Einverstanden!« antwortete Atlan. Gurankor streckte die Hand aus und ergriff Atlans Arm. »Ich danke dir im Namen aller, denen du geholfen hast. Du mit deinem goldenen Raumschiff. Ich gehe von Bord – fliegt ihr zurück in eure Heimat. Wir würden euch gern weiter als Gäste und Freunde hier sehen. Aber wichtigere Dinge rufen euch. Lebt wohl!« sagte der Eripäer und verabschiedete sich von Atlan. Die Leute von Pthor brachten den Eripäer zur Schleuse des goldenen Schiffes und schüttelten ihm nacheinander die Hand. Dann schloß sich die Schleuse, sie gingen zurück in die Zentrale. Invasion! Tagger Blyhs und Spank Vhroon! Siebentausend oder mehr Spaccahs! Du solltest so schnell wie möglich starten, denn auf Pthor erwartet dich das Chaos! sagte eindringlich der Logiksektor. Atlan, assistiert von Razamon, startete das Schiff und merkte in schweigender Freude, daß die GOL'DHOR schneller wurde und sich durch das seltsame Stück des Universums ihren Weg nach Pthor suchte.
2. Unverändert herrschte über Pthor das erstickende Halbdunkel; ein konturloses Grau, das jede Lebensäußerung begleitete und in den Herzen der Pthorer nistete. Jedermann dachte in diesen Momenten nur an wenige Dinge. Sie waren alle gleichermaßen negativ und niederdrückend – wie das vage Halbdunkel. Heimdall zwirbelte seinen Bart und sagte dumpf: »Ich gehe hinaus. Sie brauchen mich. Ich starte die Zugors.« »Gib auf dich acht, Heimdall!« sagte Thalia besorgt. »Versuche, den Pthorern zu sagen, wie sie sich richtig verhalten sollen.« »Wird verdammt schwierig sein, Schwe-
ster!« sagte er einsilbig. »Keine Ahnung vom Kampf und von Disziplin.« Heimdall trug sein Lederkleid, die Khylda und seinen Waffenrock. Er stiefelte aus der großen Pyramide hinaus und kletterte mit rasselnder Rüstung in den Zugor. Schweigend steuerte ein Dello den Apparat, an dessen Bug an einer langen Lanze Heimdalls gelber Wimpel flatterte, zwischen den Bäumen und Monumenten hindurch. Das Gebiet rund um die FESTUNG hatte sich in ein gigantisches Heerlager verwandelt. »Bringe mich zu Synk!« befahl Heimdall mit seiner tiefen, durchdringenden Stimme und deutete nach vorn. »Selbstverständlich, Sohn Odins«, antwortete der Dello. Er trug lederne Kleidung und eine Halbrüstung, die aus schweren Metallplatten bestand. Auf dem Kopf trug der Dello eine Art Helm. Die Oberarme steckten in dicken Metallröhren. Heimdall unterdrückte ein geringschätziges Gelächter, als er die Verzierungen sah, die der Dello mit Pinsel und Lack ausgeführt hatte. Sie sahen schauerlich aus. Vielleicht erschrecken die Krolocs, dachte der Odinssohn. Der Zugor schwebte aus dem Gelände des Parks hinaus, durch die offenen Tore und auf das Heerlager zu. »Wo ist Synk? Wo ist sein Kommando?« fragte Heimdall und hob die Khylda. Die Schneiden der riesigen Streitaxt blinkten stumpf in dem hellgrauen Halblicht. »Dort drüben, Herr. Zwischen dem Hügel und den Felsen.« Thalia, Heimdall und Sigurd versuchten, die Vorbereitungen zur Abwehr der Invasion zu leiten. Es war ein Unterfangen, das alle ihre Fähigkeiten überbeanspruchte. Sie hatten etwa vierzehntausend Zugors zusammenrufen können. Es handelte sich um Maschinen aller Größen und in jedem denkbaren Zustand; riesige alte, zerbeulte, mit spuckenden Maschinen waren ebenso vertreten wie funkelnagelneue kleine, die aus bisher verschlossenen Magazinen hervorgezerrt wurden. Diese riesige Flotte lagerte mitsamt ihrer Besatzung mehr oder weniger rund um
Kampf um Atlantis die FESTUNG. Nach Möglichkeit hatten die einzelnen Kommandanten ihre Fluggeräte versteckt. Jeder kannte die Gefahr. Sie kam von oben, die Spaccahs schwebten ungehindert durch den Luftraum über den Wäldern, Wüsten und Ebenen Pthors. Mit knirschendem Geräusch setzte der Zugor zwischen einer riesigen, schräg stehenden Felsplatte mit ausgewaschenen Löchern und einigen knorrigen Bäumen auf. Geschrei, Durcheinander und eine wild zusammengewürfelte Gruppe von Zugorbesatzungen empfingen Heimdall. Er holte tief Luft, hob seine Waffe und donnerte: »Ruhe!« Es half nicht viel. Hier machten sich die Steuermänner und die Besatzungen von etwa hundert Zugor fertig. Fast alle Gruppen Pthors waren vertreten. Die Männer wimmelten durcheinander, und niemand schien zu wissen, was der andere tat. Heimdall fiel auf, daß einige Männer an ihm vorbeiliefen, die breite weiße Binden an den Oberarmen hatten. Er streckte seine Pranke aus und griff einen Mann aus der Menge heraus. »Was soll das?« fragte er und zeigte auf das Band. Mit unverkennbarem Stolz sagte der halbnackte Mann aus dem Blutdschungel: »Ich bin Pilot eines Zugors. Ich fliege tollkühne Manöver.« Heimdall ließ ihn los, schüttelte seinen Schädel und murmelte verblüfft: »Odin schütze Pthor.« Der Mann sah ihn geradezu herausfordernd fröhlich an und verschwand im Getümmel. Von einer überdachten, mit Erdreich und Felsen geschützten Plattform kam Sator Synk herunter und lief auf Heimdall zu. Synk war drei Fingerbreit größer als eineinhalb Meter und so breitschultrig wie der Hüne Heimdall. Ein feuerroter Bart, der fast das gesamte Gesicht bedeckte und bis zur Brust reichte, gab ihm das Aussehen eines wütenden Kobolds. Er funkelte Heimdall mit hellblauen Augen an. »Du willst uns helfen, Herr?« rief er mit
5 dröhnender Stimme. »Wir starten gerade zu einem ersten Abwehrflug.« »Und du bist sicher, daß alle deine Piloten die Zugors steuern können?« erkundigte sich Heimdall mißtrauisch. »Mehr oder weniger. Guter Wille und wilder Kampfesmut werden hier und da die echten Fähigkeiten ersetzen müssen!« war die Antwort. »Dieser Pöbel aus den Wäldern und die Troglodyten aus den Uferhöhlen werden das Material vernichten, ehe sie der Feind zu sehen bekommt. Ich hasse es, auch nur einen Gedanken an Erfolg zu verschwenden!« sagte eine laute, arrogante Stimme von links. Heimdall drehte sich herum und sah aus den Augenwinkeln, wie sich Männer mit Waggus, mit Pfeil und Bogen, mit Armbrüsten und Schleudern, einige sogar mit schweren, funkelnden Energiewaffen, auf die runden Zugors zubewegten. Jeder schien zu erraten, in welchen Flugapparat er gehörte. Ein hochgewachsener Gordy, dessen Gesicht übergroße Distanz und kühle Abneigung ausstrahlte, kam heran und machte eine schlenkernde Handbewegung. »Danke, Sohn Odins«, sagte er geziert, »daß du uns mit deiner Erscheinung beehrst. Vielleicht kannst du diesem rotbärtigen Schrecken der Pilze erklären, daß wir nicht gegen Wolken oder Singvögel kämpfen.« »Du wirst über deine Satzstellung stolpern, Binoos!« schrie Synk. »Kümmere dich lieber um die zweite Flotte, wie ich es dir befohlen habe.« »Befohlen?« Das Wort klirrte förmlich wie splitterndes Eis. »Du? Mir befehlen? Ich gehorche lediglich dem übergeordneten Gebot der Stunde, sonst würde ich euch Orxeyaner nicht einmal wahrnehmen!« Heimdall sagte in unüberhörbarer Schärfe: »Ich schlage gleich eure Schädel gegeneinander. Vielleicht macht euch das zur Zusammenarbeit bereit.« »Schwerlich«, sagte der Gordy herablassend. »Trotzdem bemühe ich mich, meine Arbeit zu tun. Ich sage dir, schon beim Start
6 wird die Flotte halbwegs sich selbst vernichten.« »Wir haben keine vierzehntausend ausgebildeten Piloten!« stellte Heimdall fest. »Thalia, Honir und Sigurd wissen es so gut wie ich.« Synk und Binoos waren die beiden Kommandanten der Luftflotte beziehungsweise der erdgebundenen Verteidigung. Natürlich überlappten sich ihre Verantwortungsbereiche. Sie gehorchten, Abneigung hin oder her, derselben Not. Die Angst vor der Versklavung vereinte die gegensätzlichsten Charaktere. In großer Höhe flog eine schwarze Spaccah von Süden nach Norden. Die Fremden schwebten herausfordernd langsam und schienen die Konzentrationen der Truppen zu beobachten. Sator Synk deutete nach oben und schrie: »Die ersten fünfzig Zugors! Startet! Schießt diesen aberwitzigen Fremden ab!« »Verstanden!« Als die erste Maschine, mit einem Dello, zwei Technos und zwei Kuroden besetzt, sich schräg vom Boden erhob, sprangen Binoos und Heimdall rechts und links zur Seite und warfen sich zu Boden. Ein Dello steuerte. Der Zugor beschleunigte, beschrieb einen flachen Bogen, schrammte entlang einiger Steinbrocken und heulte dann schräg auf die deckende Felsplatte zu. Angstschreie ertönten aus der Besatzung. Eine Handbreit vor dem Felsen fing der Pilot den Zugor ab, steuerte nach links und erreichte in einem kühnen Sprung mehr Höhe. Dadurch entging er knapp dem Zusammenstoß mit zwei anderen Fluggeräten, die nach ihm gestartet waren. »Du Idiot von einem Dalazaaren!« brüllte Synk aufgeregt und hob beide Arme, »erinnere dich, was ich dir gesagt habe! Langsam! Keine hastigen Rucke!« Der Zugor wurde abgebremst, beschleunigte wieder, schüttelte die Insassen durch und stieg dann kreiselnd aufwärts wie ein Blatt im Sturm. Dann machte er einen langen, geraden Satz und wurde schneller.
Hans Kneifel Rasch verkleinerte sich der Punkt und flog ungefähr in die Richtung des dahinschwebenden Krolocs. Nach und nach startete der Rest der ersten Gruppe. Donnernd krachten die Bordwände gegeneinander. Ein Zugor schürfte über einen anderen hin und köpfte sechs Mann der Besatzung. Das andere Fluggerät raste weiter, nahm direkten Kurs auf die FESTUNG und prallte dicht unter der Spitze gegen die große Pyramide. Der Zugor stürzte ab und detonierte irgendwo zwischen den Bäumen des Gartens. Eine Stichflamme kennzeichnete den Ort der Zerstörung. Kreischende Schreie der Wut und der Angst hallten zwischen den Felsen. Ein Zugor nach dem anderen versuchte, möglichst richtig zu starten. Jeder, der auch nur in bescheidener Weise in der Lage war, eine solche Maschine zu steuern, trug ein weißes Band um den Arm. In heilloser Unordnung erhob sich der Schwarm, flog aufwärts und abwärts, hin und her im Zickzack und in wirren Kurven. Die etwa fünfzig Zugors verhielten sich wie ein großer Schwarm dicker, dunkler Flugkäfer, die allesamt betrunken waren. Trotzdem behielt das Geschwader ungefähr die Form einer Kugel bei. Synk kauerte am Boden, preßte die Hände gegen das Gesicht und fluchte. Heimdall und Binoos sahen den Fliegern nach. Endlich brach der Gordy das betretene Schweigen. »Wenn sie zurückkommen, können sie fliegen – vorausgesetzt, es kommt der eine oder andere tatsächlich zurück.« »Danke für den Zuspruch an Mut und Zuversicht«, knurrte Heimdall. »He, Synk! Geht es wirklich nicht besser?« »Herr!« schrie der Oberbefehlshaber. »Ich habe tagelang versucht, vierzehntausend Piloten zu finden. Etwa fünftausend konnten es. Der Rest wurde von denen ausgebildet. Du siehst den Erfolg.« Heimdalls Augen verfolgten den Schwarm. Es war eine Spur mehr Ordnung in die Formationen gekommen. Die Gleiter-
Kampf um Atlantis formation wirkte ebenso bunt zusammengewürfelt wie ihre Besatzung. Einige Zugors sonderten sich ab und wurden schneller, stießen aus dem wirren Pulk hervor und verfolgten die Spaccah. Wieder schüttelte sich Heimdall. Der Versuch war gut gemeint, aber mehr als dilettantisch. Im Blutdschungel oder in den Gassen von Aghmonth mochten die Männer grausame und schnelle Kämpfer sein. Aber nicht, wenn sie sich technischem Wunderwerk ausgesetzt fühlten. Das galt vermutlich für mehr als drei Viertel aller Truppen. Zwischen der Spaccah und den etwa zehn Zugors blitzten Energieschüsse auf. »Ich sehe, daß wir wenig Chancen haben werden«, murmelte Heimdall und sah zu, wie der vorderste Zugor getroffen wurde und brennend abstürzte. Einzelne Gestalten wurden herausgeschleudert. »Immerhin«, bemerkte Gordy mit deutlicher Herablassung, »kämpfen Angehörige von Gruppen nebeneinander, die bisher erbitterte Gegner waren. Die drohende Gefahr hat sie zusammengeschweißt.« »Auch das wird uns nicht zum Sieg verhelfen«, rief Sator Synk. »Es wird die Niederlage hinauszögern«, gab Heimdall zu. Eine zweite Gruppe Zugors hatte sich der schwarzen fliegenden Scheibe genähert und nahm sie unter Beschuß. In archaischer Weise feuerten die Besatzungsmitglieder aufeinander und auf die Apparate. Flammen und Blitze loderten und zuckten aus dem Unterteil der Spaccah. Synk schlug die Faust in die Fläche der Hand und rief: »Das wird ihnen Aufschwung geben! Nur Mut, meine Freunde! Zeigt es ihnen!« »Eine Spaccah von vielen Tausenden wird abgeschossen. Das ist so, als wenn man eine einzelne Ameise zertritt!« bemerkte der Gordy-Anführer säuerlich. »Wirklich! Welch ein Optimismus.« Er drehte sich um und ging mit herausfordernd langsamen Schritten zu seinen Unterführern zurück. Es waren fast ausnahmslos Gordys, aber auch einige wildverwegen aus-
7 sehende Piraten waren darunter. Tausende von Pthorern, verteilt in verschieden große Gruppen, starrten ununterbrochen zum Himmel und verfolgten den Kampf zwischen der Spaccah und den Zugors. Nun schlugen lange Flammen aus Unterteil und Rand der Flugscheibe. Die Spaccah fing an, sich zu drehen, kippte nach vorn und stürzte in einer langgezogenen Spirale ab. Lauter Jubel erhob sich zwischen den Pthorern. Einzelne Zugors kamen zurück. Ihre Piloten schienen etwas dazugelernt zu haben; jedenfalls flogen die kleinen Formationen jetzt exakter, langsamer und kontrollierter. Nacheinander und ohne wesentliche Unfälle landeten die Fluggeräte. Heimdall betrachtete schweigend diesen Teil des Heerlagers, dann sagte er zu Sator Synk: »Ich fliege zu einer anderen Gruppe. Sieh zu, daß einige Robotbürger da sind, um die Verbindung zur FESTUNG und zu uns nicht abreißen zu lassen.« Synks Finger zogen breite Furchen in den leuchtendroten Bart. »Wir tun unser Bestes, Heimdall!«
* Rund um die FESTUNG kampierten Tausende und aber Tausende Pthorer. Das Land war abwechslungsreich und bot unzählige Verstecke, aber auch genügend Gelegenheit, sich in den verschiedenen Waffentechniken zu üben. An unzähligen Stellen befanden sich Unterstände und einfache Bunker, in denen die verschiedenen Gruppen hausten und sich auf den Kampf vorbereiteten. Ein kleiner, zerbeulter Zugor landete zwischen den Steinbrocken und der festgestampften Erdschicht im Norden der FESTUNG. Ein Gordy mit leuchtend blauen Augen und kurzgeschorenem schwarzem Haar stieg aus. Er trug sowohl die Binde des Zugorpiloten als auch ein Schild an der Brust, das ihn als einen der vielen Unterführer von Binoos auswies. Schnell ging er auf die Gruppe zu, die zwischen den Baumstäm-
8 men des Einganges auftauchte. »Ich bin Saant«, rief er. »Und ihr bewacht das Geschütz. Wo sind die Technos?« Die Berserker, zerlumpt und schmutzig, starrten ihn mißtrauisch an. Nach einer langen Wanderung waren sie hier angekommen und hatten sich Verstecke geschaffen. Zwischen den Höhlen und Bunkern befand sich eines der alten, fest eingebauten Geschütze. Die Energie bezog es aus unergründlichen Quellen, die tief im Boden Pthors verankert waren. Die Nachkommen der einst gefürchteten Berserker waren nicht fähig, das Geschütz zu bedienen. Aber die Technos konnten es. »Dort, Herr. Sie putzen an dem Rohr herum und geben unverständliche Sätze von sich.« Saant lächelte verächtlich. Die Berserker waren mit Schleudern, Lanzen und Knüppeln bewaffnet, die mit Scherben und Metallsplittern gespickt waren. Sie würden, das wußte er, den kleinen Stützpunkt bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. »Für mich sind sie nicht unverständlich. Führt mich zu ihnen.« Zwei Zugors flogen über ihre Köpfe hinweg. Saant hob beide Arme und winkte. Die Maschinen wurden langsamer, flogen einen Halbkreis und hielten vor ihm in der Luft an. Sie waren mit Technos, Dellos und zwei Kelotten bemannt. »Ihr seht alles aus der Luft. Wie ist diese Stellung verborgen?« schrie der Gordy. »Ziemlich gut, Unterführer. Aber die Eingänge sind leicht zu erkennen. Das Geschütz blinkt, wenn es sich bewegt.« »Ich habe verstanden. Sonst etwas zu bemerken?« »Nein. Wir sind nach Wolterhaven unterwegs und holen andere Robotbürger!« »Dann fliegt so schnell wie möglich«, rief ihnen der Gordy nach und wandte sich an die Berserker. »Tarnt die Eingänge. Werft mehr Steine und Erde über die Dächer, schüttet Wasser darüber und stampft sie fest. Ich gehe zu den Technos.«
Hans Kneifel Sie machten sich an die Arbeit. Noch vor einigen Tagen hätten sie Saant überfallen und ausgeraubt. Jetzt zitterten sie einerseits vor dem Angriff und andererseits vor Entschlossenheit, ihre Freiheit zu verteidigen. Die Technos arbeiteten seit Tagen fieberhaft an dem Geschütz. Zuerst hatten sie einige Schüsse abgefeuert und argwöhnisch darauf geachtet, daß sich nirgendwo einer der Invasoren zeigte. Dann begannen sie, sämtliche Schalter und Verbindungen durchzusehen, die verschiedenen Zieleinrichtungen und Bewegungsmechanismen zu ölen und gängig zu machen. Die vielen Abwehreinrichtungen und Fallen rund um die FESTUNG wurden wieder aktiviert und so eingerichtet, daß sie von den Bewohnern Pthors selbst bedient werden konnten. Neben den Technos blieb Saant stehen und sah ihnen aufmerksam zu. »Ihr seid in der Lage, das Geschütz zu bedienen?« fragte er. »Ja. Es geht immer besser. In einem Tag haben wir alles im Griff. Wann kommen die Invasoren?« »Niemand weiß es«, antwortete der Gordy kühl. »Aber es kann schon in der nächsten Stunde sein.« »Wir haben einzelne Spaccahs gesehen«, murmelte der Techno, der auf dem leichten Sitz kauerte und die Zieloptik putzte. »Wir fürchten diese Kundschafter nur dann, wenn sie einzelne Stellungen ausspähen können. Wenn ihr einen Gegner seht, dann feuert nur, wenn er nicht überleben wird. Verstanden?« »Das ist uns allen klar.« »Gibt es sonst etwas, das ich an Binoos oder an die FESTUNG weitergeben sollte?« »Nein. Oder doch … wir brauchen mehr und besseres Essen, auch für die Berserker. Sie sind hungrig.« »Ich werde jemanden schicken, der euch etwas bringt«, versprach der Gordy und ging zu seinem Fluggerät zurück. Die Berserker arbeiteten schon an der besseren Tarnung ihrer unterirdischen Bauten. Dies war nur eines der unzähligen Nester, die sich buch-
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stäblich überall auf Pthor befanden. Die Wesen, von denen jene »Bodenarmee« gebildet wurde, hatten von Binoos und dessen Unteranführern praktisch nur einen einzigen Befehl erhalten: Verbergt euch, wartet die Invasion ab und kämpft gegen die Krolocs. Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen wie Partisanen aus dem Untergrund kämpfen, mit allen Waffen, die wir finden. Der Zugor stieg auf und jagte in nördlicher Richtung davon, auf die Zonen der Dunklen Region zu. Auf den ersten Blick erkannte niemand, welche Aufregung tatsächlich jedes intelligente Wesen auf Pthor ergriffen hatte. Jedermann, der in der Lage war, die Zusammenhänge zu begreifen, wartete auf den ersten wichtigen Zusammenstoß. Es gab keine Wahl – die Invasoren konnten an beliebiger Stelle und in jeder Anzahl den Wölbmantel durchstoßen. Erst in dem Augenblick, wenn größere Mengen von Spaccahs sich in einer bestimmten Entfernung vom Boden befanden, konnten sie wirksam angegriffen werden. Auch Saant wußte, daß es unter den Pthorern verheerende Verluste geben würde. Trotz der deutlichen Verachtung, die er und nahezu alle anderen Bürger von Donkmoon gegenüber den meisten Geschöpfen auf Pthor empfanden, würde er alles tun, um die Invasoren zurückzuwerfen.
3. Thalia und Kargentoff verließen den breiten, hellen Kiespfad und traten in das tiefe Halbdunkel, das unter den mächtigen Ästen der Bäume lag. Hier standen etwa drei Dutzend der größten und besten Zugors, die auf Pthor zu finden waren. Rund hundert Pthorer bildeten die Elitetruppe, die in fliegenden Einsätzen mehr würde ausrichten können als alle anderen Kämpfer. Thalia selbst hatte dafür gesorgt, daß diese Hundertschaft mit der besten Ausrüstung bedacht wurde. Jene Männer waren die letzte Hoffnung von Atlantis.
»Viele von ihnen werden wir nicht mehr lebend wiedersehen«, knurrte Kargentoff neben Thalia. »Du hast recht. Aber es bleibt niemandem eine andere Wahl«, entgegnete sie. Es existierten nicht viel mehr Raumanzüge auf Pthor als jene hundert. Es mochten in unbekannten Magazinen noch mehr versteckt sein, aber es gab gegenwärtig keine Chance, sie zu finden. Die Männer arbeiteten an den Anzügen, reinigten die Waffen, sahen sie durch und versuchten, die Anzüge mit Metallplatten zu armieren. Thalia blieb mitten unter den Männern stehen. »Ihr seid nervös«, sagte sie. »Es wird nicht mehr lange dauern, dann müßt ihr kämpfen und die Verbindung zwischen den Gruppen herstellen!« »Wir sind bereit.« Viele Männer hielten mächtige Skerzaals in den Händen. Die Geschosse trugen nadelfein zugeschliffene Spitzen mit langen Widerhaken. Der hellblaue Körper des Robotbürgers bewegte sich mit knackenden Gelenken zwischen den Zugors und den aufgeregten Kämpfern hin und her. »Meine Diener werden in Notfällen als Kommunikationseinheiten tätig werden«, versicherte Kargentoff und berührte mit einem schimmernden Tentakel Thalias Schultern. »Es ist nicht schwer, aber die Diener sind nur einfache Geräte. Ihr müßt versuchen, richtig mit ihnen umzugehen.« Einige der Metallkonstruktionen dieses Robotbürgers waren in den Zugors verteilt. Auf dem Umweg über ihren Herrn würden die Zugorbesatzungen auch ohne Funkgeräte ihre Einsätze in bescheidenem Rahmen koordinieren können. Thalia brauchte nicht erst diese Gruppe anzusehen, um zu erkennen, daß es auf Pthor praktisch an allem fehlte – die Chancen lagen eindeutig beim Gegner. Sie sehnte Atlans Rückkehr geradezu fiebernd herbei. »Ich werde euch helfen, so gut ich es vermag«, sagte sie beteuernd. Die Kämpfer und Piloten schlugen ihre Waffen gegen die primitiven Panzer und Schilde.
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»Und ich versuche, die Koordination so perfekt wie möglich durchzuführen«, versprach der wuchtige Robotbürger. Er hatte den Herren der FESTUNG gut gedient, und jetzt würde er seine Fähigkeiten dem neuen Herrscher von Pthor zur Verfügung stellen. Die Robotbürger seiner Truppe waren über einen großen Teil des Weltenfragments verteilt und unterrichteten ihn über jeden wichtigen Vorgang. »Die Krolocs stehen vor Pthor«, sagte Thalia entschieden. »In Kürze werden wir anfangen, Unsicherheit in ihre Reihen zu bringen.« Die Männer schrien zurück: »Wir warten auf deinen Befehl!« Einige kleine Zugors wagten sich von Zeit zu Zeit durch den Wölbmantel hinaus und versuchten, mit exakten Ortungsergebnissen zurückzukommen. Ab und zu lieferte auch das Wache Auge undeutliche Bilder. Aber noch hatte sich keine der beiden Seiten entschlossen, einen ernsthaften Vorstoß zu unternehmen. Thalia wollte die Krolocs dazu verleiten, mit einer so kleinen Streitmacht zuzuschlagen, daß die Abwehr überhaupt möglich und sinnvoll war. Würde ihr Plan Erfolg haben? fragte sie sich ängstlich, als sie zwischen den kleinen Pyramiden wieder auf das Zentrum der FESTUNG zurückging, den Robotbürger neben sich, der zu seinem Trog in einem der Pyramiden-Räume rollte.
* Ein Dello hielt Thalia auf, als sie durch den Eingang kam. »Neuigkeiten?« fragte sie knapp. »Wir haben alle, wie es befohlen wurde, nach Grizzard und dem Stummen gesucht.« »Mit Erfolg?« »Nein. Wir bedauern. Weder von dem einen noch dem anderen fand sich eine Spur. Es ist, als wären sie verschwunden. Und vor wenigen Minuten hörte ich vom Vertreter einer anderen Kommandogruppe, daß auch niemand Koy den Trommler gesehen hat. Niemand ahnt, wo er sein könnte.«
Thalia senkte bekümmert den Kopf. »Dann können wir also nicht einmal auf dieses Hilfsmittel zurückgreifen, auf Koys vernichtende Broins.« »Es tut mir leid, keine andere Botschaften ausrichten zu können«, entgegnete der Dello förmlich. »Nicht deine Schuld. Geh hinaus und hilf denjenigen, die Waffen suchen, oder anderen, von denen Rüstungen und Helme geschmiedet werden.« »Ich werde mit ihnen kämpfen.« Mit einer Geste der Hoffnungslosigkeit zuckte Thalia die Schultern. Langsam erwachten in ihr Gedanken an die alte Zeit, in der sie in der Maske und Rüstung von Honir gekämpft hatte. Sie würde die Rüstung bald wieder anlegen. Sigurd kam aus dem Innern der FESTUNG und hob die Hand. »Deine Freunde, die Magier, haben sich gemeldet. Sie versprachen, immer dort einzugreifen, wo es für uns gefährlich ist. Sie fragen, ob wir in der FESTUNG wissen, wann Copasallior und Koratzo zurückkommen. Ich sagte ihnen, was wir wissen.« »Es ist wenig, was wir wissen. Nur, daß die Invasionsflotte geradezu gigantisch ist und Pthor vermutlich versklavt wird.« »Ich teile deinen Pessimismus nicht, Schwester«, antwortete er. »Balduur wird zurückkommen und an unserer Seite kämpfen. Heimdall muntert die pthorischen Krieger auf?« »Sofern sie aufzumuntern sind!« murmelte sie. »Was können wir tun? Jetzt, bevor noch die ersten Kämpfe ausgebrochen sind?« Sigurd breitete die Arme aus und sagte entschlossen: »Mit einigen Zugors und den Elitekämpfern werde ich den Wölbmantel durchstoßen und Furcht und Terror unter die Angreifer tragen. Ein Steuermannfragment hat noch einen Raumanzug hervorgezaubert.« »Ich wünsche dir viel Glück, Bruder!« »Viel Glück wird nötig sein«, antwortete Sigurd.
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Es war die Ungewißheit, die alle marterte. In dem Moment, da die Kämpfe losbrachen, würden alle anderen Gedanken ausgelöscht sein. Nur noch ein Wunsch oder besser die feste Entschlossenheit galt dann: Pthor mußte frei bleiben, um aus der Dunkelheit zu entkommen und das ausführen zu können, was der neue Herrscher zu tun versprochen hatte.
4. Spank Vhroon hob grüßend seine Strahlenlanze, als er die große Schleuse der Kommandospaccah verließ. Die vier Wachen grüßten zurück, indem sie ihre Kopfarme zusammenschlugen. Hinter den Krolocs waren in das Metall der Korridorwand Darstellungen eingeätzt, auf denen Vhroon ein kleines Kapitel der Geschichte wiedererkannte. Der Aufstieg der Krolocs, dargestellt durch die Vorkommnisse der Zweiten Erhebung in und um Pioza Velgorann; ein Kampf, der die Brut der Tagger ein für allemal unsterblich berühmt gemacht hatte. Einer der Posten erklärte unbewegt mit seiner präzisen Stimme: »Tagger Blyhs legt gerade seine Kriegsfarben an. Nur du sollst zu ihm, Vhroon.« »Beim Staub«, gab Tagger zurück. »Ich weiß diese Ehrung zu schätzen.« Gewisse Vorgänge der körperlichen Manipulation waren das unveräußerliche Recht des einzelnen Individuums, selbst und gerade bei den Krolocs, die Disziplin und Unterordnung als höchste Tugenden kannten. Daß Tagger ihm erlaubte, bei dieser Handlung anwesend zu sein, grenzte an BrutVertraulichkeit. Spank glitt durch den Korridor und in die Kommandozentrale des Kriegsherrn hinein. Tagger tauchte gerade einen dicken Markierungsstift in die helle Flüssigkeit und zog eine breite Linie um die Basis seines linken ersten Fußes. »Achttausend Spaccahs sind bereit, auf mein Zeichen zuzuschlagen!« begrüßte Tagger den persönlichen Adjutanten. Vhroon senkte die Lanze und sah gebannt zu, wie
von dem Kreis um das Gelenk aus eine Linie zu einem der Augen gezogen wurde. Er erkannte klar die Bedeutung der Stunde. »Unser Reich wird eine vielgestaltige und herrliche Kolonie gewinnen«, bestätigte Spank. »Natürlich werden wir schnell und verlustlos siegen.« »Nicht so verlustlos wie an anderer Stelle und zu anderer Zeit«, schränkte der Kommandant ein. »Wir wissen, daß die Bewohner von Pthor – oder wenigstens einige von ihnen – entschlossene Kämpfer sind. Ich weiß, wie die ersten Gefangenen entkamen.« »Es waren zwei von vielen. Uns helfen die große Zahl und die mörderische Entschlossenheit unserer Kämpfer«, entgegnete Vhroon. »Wie lauten die letzten Meldungen?« Bedächtig wechselte Tagger den Stift in die Klauen der anderen Kopfhand. Die Linien, ein uraltes, rituelles Muster, zerteilten den Doppelkörper in kleine, unregelmäßige Zonen. »Die Wesen auf Pthor erwarten den Angriff.« »Sie sind nach wie vor unverändert? Keine neuen Waffen aus unterirdischen Magazinen? Was sagen die letzten Patrouillen?« Spank mußte erkennen, daß er gezwungen war, einige Rückschläge zuzugeben. Er erklärte vorsichtig: »Von zehn Kundschaftern, die ich losschickte, kehrten nur zwei zurück. Sie berichteten, daß sich viele Bewohner verkrochen haben.« »Mit welchen Waffen wurden sie getötet?« »Es gibt fliegende Schüsseln, bemannt von Wesen, die simple ballistische Geschosse schleudern. Aber auf jede Spaccah stürzten sich so viele Abwehrkräfte, daß die Übermacht die Kundschafter abschoß.« »Begreiflich. Ein Umstand, der sich rasch ändern sollte, wenn die Festungsspaccahs mit der Durchdringungsenergie durch den Schirm schlüpfen. Die Abwehrmaßnahmen sind geradezu herausfordernd lächerlich – oder gibt es neue Erkenntnisse, die dieser
12 Einsicht widersprächen?« »Keineswegs. Eher das Gegenteil. Sie scheinen sich vor Angst zu verkriechen.« »Indessen kann aus vielen Schlupflöchern Gefahr hervor kommen. Das Gebiet um die Pyramiden ist das strategische Angriffsziel der zweiten Welle.« »So wird es ausgeführt, so wurde es angeordnet, Kriegsherr!« bestätigte Spank und senkte die Kopffüße. Die Anzahl der Linien vergrößerte sich, das Muster der Kriegsfarbe verwirrte. Es war ein uraltes Ritual, das in der jüngsten Generation fast vergessen worden war. Nur Professionelle und Angehörige der alten, berühmten Kasten wendeten es an. »Dreißig oder mehr dieser lächerlichen fliegenden Schalen sind gerade ein Gegner für eine gute Spaccah-Besatzung«, sagte Tagger leidenschaftlich. »Ich habe den Angriff für die nächsten acht Stunden angeordnet. Wann sollen wir den Befehl geben?« »Sie werden sich nicht aus dem Feld hervorwagen, das um ihre Welt liegt. Lassen wir unseren Invasionsstreitkräften noch eine Ruhepause. Die Transportspaccahs haben noch nicht alle Güter verteilt.« »Das ist wichtig für den Sieg? Ich rechne unverändert damit, daß er uns leicht in die Klauen fällt.« »Würdiger Kommandant, Sonne der Streitkräfte, Verkünder großer Befehle«, sagte der Adjutant, »niemand zweifelt an der Kühnheit und Klugheit der geringsten deiner Entscheidungen. Aber du solltest den Gegner nicht unterschätzen. Wir könnten eine empfindliche Verzögerung der Invasion erleiden, wenn wir nicht auch die Möglichkeit erbitterten und deshalb erfolgreichen Widerstands in unsere Überlegungen aufnähmen. Die Waffen-Spaccahs mögen furchtbare Geräte sein, aber wir haben nur wenige davon.« Mehrere Augen hefteten sich eindringlich auf Spank Vhroon, dann trillerte und pfiff der Kriegsherr nachdenklich: »Einen solchen Einwurf von dir – ich hätte ihn nicht erwartet. Er zeigt deine Klugheit. Gib Befehl, daß sich die Streitkräfte auseinanderziehen, und veranlasse, daß
Hans Kneifel sämtliche Entladearbeiten schneller ausgeführt werden. In fünf Stunden greifen wir an. Drei der strategischen Viertel. Der Rest bleibt für die akute Einsatzreserve.« »Ich weiß«, bestätigte Vhroon, »daß deine Klugheit uns zum Sieg führen wird.« »Ich weiß es nicht, aber ich habe keinen Grund zur gegenteiligen Annahme«, pflichtete ihm der Kommandant bei und ließ den Stift fallen. Der Körper war jetzt mit einem Wirrwarr symbolischer Linien überzogen. Sie sagten aus, daß der Kommandant alles, was er besaß, für das Gewinnen der Schlacht opfern würde. Dort, wo bei anderen Sektorenkommandanten leuchtende Mineralien eingepflanzt waren, hatte sich Tagger Blyhs dunkle Metallscheiben anheften lassen. Er wirkte drohend wie eine waffenstarrende Spaccah mitten im Staubnebel. Vhroon schauerte zusammen und machte eine Gebärde von großer Ergebenheit. »Ich werde allen deine Entscheidungen mitteilen. Besonders …« Ein heulendes Geräusch von einigen Sekunden Länge ertönte von der Arbeitsplatte des Kommandanten. Mit zwei Sätzen war Tagger an dem Signalgerät und drückte einen Hebel. Dann fistelte eine aufgeregte Stimme aus den Lautsprechern. »Angriff! Ein Pulk von wahnsinnigen Verteidigern hat sich auf das Zentrum der wartenden Flotte gestürzt!« Tagger und Spank starrten einander verblüfft an. Dann erzeugte Tagger ein knarrendes Geräusch der gelassenen Heiterkeit. »Verschafft ihnen den Genuß eines Todes, der tollkühner Kämpfer wert ist«, schrie er zurück. Er wirkte nicht im mindesten überrascht. »Und studiert die Art ihres Kampfes. Sie wird aufschlußreich sein. Bewahrt Ruhe und Besonnenheit!« »Zweifellos wollen sie uns zwingen, nach ihren Regeln zu kämpfen«, sagte der Adjutant knapp. »Zweifellos. Sie haben es mit Sicherheit auf unsere überlegenen Waffen abgesehen. Wir werden die Ereignisse aus der Nähe,
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aber in sicherer Position miterleben. Wartet deine Kommando-Spaccah?« »Sie hat an der großen Schleuse festgemacht«, sagte Spank und schloß, während sie hinauseilten, den Kopfteil seines Raumanzugs. Als der Kommandant auftauchte, schleppten die Posten den schwarzen Raumanzug mit den vielen metallenen Gelenkkapseln heran und halfen ihrem obersten Vorgesetzten, den Anzug anzulegen. Ungeduldig wartete Spank Vhroon. Er wollte sehen, wie die Fremden von dem riesigen Weltenfragment kämpften und starben.
* Sigurd sah, als er im Zugor kauerte, wie eine Sagengestalt aus. Über den eng anliegenden Raumanzug spannten sich Waffenrock und Wams. Die blauen Metallbeschläge waren stumpf, die Lederstiefel und die Stulpenhandschuhe wirkten in dem vagen Licht des Weltraums wie Fremdkörper. Als die keilförmige Formation der Zugors aus dem Wölbmantel hervorstieß, hörten die Federn des Helmschmucks schlagartig mit ihren Bewegungen auf. Den Schulterumhang hatte er in der FESTUNG zurückgelassen. Im Gürtel steckten zwei Waggus, in den Händen hielt Sigurd die breite, geschliffene Garpa, dieses Zwischending aus Speerblatt und Schwert. Sofort sah er den Verband der Spaccahs, in dessen Zentrum eine riesige Scheibe schwebte. Er legte schwer eine Hand auf die Schulter des gepanzerten Piloten und deutete auf den Koloß, der von kleinen Spaccahs umschwirrt wurde. »Dorthin!« murmelte er. Nur wenige Pthorer verstanden ihn. Die meisten Raumanzüge waren ohne Funkgerät. »Wir entern das Ding und zünden es an!« versicherte ächzend eine helle Stimme. Sie gehörte einem der Gordy-Piloten. Elf andere schnelle Zugors folgten in Keilformation dem großen Gerät. Die Ptho-
rer kauerten sich hinter die hochgewölbte Brüstung der Maschinen. Nur die Spitzen der Armbrüste und andere Waffen sahen darüber hervor. Die Aktion erfolgte blitzschnell. Einige Spaccahs wurden passiert; kein einziger Kroloc schien die Eindringlinge bisher gesehen zu haben. Die ausnehmend große Spaccah kam immer näher. Der Vergleich mit den anderen Raumflugkörpern ließ erst ihre wahre Größe erkennen. Sie war hochbeladen mit würfelförmigen Behältern, zwischen denen sich schmale Korridore zeigten. An vielen Stellen befanden sich dünne, graue Planen, die straff an den Fronten anlagen. Sigurd hob die Hand. Der Keil führte eine schnelle Schwenkung durch. Es waren die besten Piloten, die auf Pthor zu finden gewesen waren. Sie verstanden ihr Geschäft hervorragend. Die hintere Hälfte des Verbandes flog geradeaus weiter, während Sigurd mit den anderen Zugors die abgewandte Seite des wuchtigen Lastenoder Waffenflugkörpers zu erreichen versuchte. Die Krolocs wurden jetzt auf die Eindringlinge aufmerksam und handelten schnell und zielsicher. Lange Feuerstrahlen aus Energiewaffen blitzten auf. Sigurd schalt sich einen Narren, daß er nicht versucht hatte, die Beutewaffen aus den abgestürzten Scout-Spaccahs an sich zu bringen – dann hätten sie sich erfolgreicher wehren können. Aber die Skerzaalschützen in seinem Zugor feuerten ihre Waffen ab. Hier, im schwerelosen Raum, arbeiteten die Waffen mit einem hervorragenden Wirkungsgrad. Die Raumanzüge einiger Krolocs wurden zerfetzt, die Wesen starben und ließen die Steuerhandgriffe ihrer Spaccahs los. Eine erste Welle der Verwirrung begann sich auszubreiten. »Wir versuchen, die Spaccah in Brand zu setzen oder zu sprengen«, ordnete Sigurd an. »Verstanden.« Von allen Seiten blitzten die Schüsse aus den Energielanzen. Die wenigsten trafen, denn offensichtlich hatte der Überfall die Krolocs doch mehr überrascht, als die Pthorer es sich hätten wünschen können. Hin und
14 wieder schlug eine Energieladung in einen Zugor ein und sprengte Fetzen aus Metall und Kunststoff davon. Keiner der Angreifer hatte einen Blick für das riesige Panorama aus Staub, Schatten und Lichtbalken. Ein Zugor detonierte gleichzeitig an drei Stellen, ging in Flammen auf und kam aus dem Kurs. Die Antriebsmaschinen schleuderten ihn und die sterbende Besatzung schräg nach vorn. Der dicke Rauchvorhang, der sich zwischen die umherschwirrenden Spaccahs und die Keilspitze legte, verbarg die Angreifer ein wenig. Lautlos fluchte Sigurd und schwor sich, dieses Riesending dort zu vernichten. Der Zugor rammte eine Spaccah, schleuderte die Scheibe zur Seite und nahm direkten Kurs auf die hochgetürmte Ladung. Die Krolocs waren an allen Stellen in fieberhafter Eile dabei, die würfelförmigen Stücke der Ladung auf ihre kleineren Spaccahs zu transportieren. An vielen Stellen der Scheibe wimmelte es von kleinen, vielgliedrigen Gestalten in faltenreichen und aufgeblähten Raumanzügen. Dann bremste der Pilot Sigurds Zugor ab. Der Zugor stieß mit der Seitenwand gegen die Ladung der Spaccah. Direkt vor dem Odinssohn klaffte eine Lücke, in der sich zwei arbeitende Krolocs befanden. Mit einem gewaltigen Satz schnellte sich Sigurd, die Garpa schlagbereit erhoben, aus dem Flugapparat. Seine Waffe bewegte sich hin und her. Die Energielanzen der Krolocs wurden ihnen aus den Klauen gerissen. Überall schlugen die Schüsse der Verteidiger ein. Der Zugor war zwischen den Ladungsteilen verkeilt. Sigurd rammte die Spitze der Garpa in einen Würfel hinein, ergriff eine Energielanze und suchte den Abzug. Es dauerte nur Sekunden, dann ertönte in den wenigen Empfängern sein wildes Gelächter. »Sammelt euch und bereitet den Rückflug vor!« schrie er aufgeregt und feuerte lange Strahlschüsse in die Ladung, in den Boden und auf jeden Kroloc, den er entdeckte. Einer der Technos sprang auf die Spaccah her-
Hans Kneifel über, schleppte die Garpa und die zweite Strahlwaffe mit sich zurück zum Zugor. Augenblicklich begann er, die heranrasenden Spaccahs unter Beschuß zu nehmen. Zwischen der Ladung explodierte ein Mechanismus der Spaccah, der tief im Material der Scheibe verborgen war. Lange Funken und kristallweiße Stichflammen schossen nach allen Seiten. Ein Teil der Ladung begann zu brennen und erzeugte einen dunklen Qualm, der sich blitzschnell ausbreitete. Schwere Vibrationen durchliefen den Körper der großen Spaccah. »Zurück!« donnerte Sigurd in das Mikrophon und ging langsam rückwärts, bis er an den Rand des Zugors stieß. Dicht über seinem Kopf schlug ein Schuß in die Ladung ein. Er duckte sich, zielte in die Richtung, in der er den Schützen vermutete und sandte einen langen Feuerstrahl dorthin. Dies, sagte er sich, war eine herrliche Waffe. Ein wenig unhandlich wegen der Länge, aber unerhört leistungsfähig. Die kleine Spaccah, die herangerast war, löste sich in einem glühenden Hagel aus Trümmern auf. Die Trümmer schlugen ihm die schwelenden Teile der Ladung ein. Sigurd sah sich um. Auf zwei Seiten waren sein Zugor und er von den riesigen Rauchschwaden umgeben. Auf der anderen Seite wehrten sich die Pthorer mit Schleudern, Harpunen und Skerzaals. Mehrere tote Pthorer lagen in den Zugors oder hingen über den wulstigen Rand. Sigurd schwang sich an Bord des Zugors und rief: »Rückzug, Freunde!« Der Pilot begriff und warf die Strahlenlanze einem Techno zu. Sofort versuchte dieser Pthorer, die Verteidiger abzuhalten. Er feuerte im Halbkreis auf alles, was ihm als gefährlich erschien. Der Zugor stieß zurück, drehte sich und schoß wie ein Meteor durch die Staubwand, die mit Rauch vermischt war. Wieder erfolgte ein wütendes Gefecht zwischen Krolocs und Pthorern. Aber die Zugors sammelten sich, nahmen schnell Fahrt auf und rasten davon. Deutlich war Pthor zu erkennen, und ebenso deutlich
Kampf um Atlantis sahen die Angehörigen des kleinen Kommandos, daß die Krolocs erbitterte Gegner waren. Von drei Seiten schossen die Zugors heran, vereinigten sich wieder zu einem Keil und verteidigten sich nach rückwärts. Immer wieder setzten Sigurd und sein Nachbar die erbeuteten Waffen ein. Sie zielten hervorragend und schafften es, zwischen die letzten Zugors und die ersten, wieder herandrängenden Spaccahs einen immer größer werdenden Abstand zu legen. Sigurd zählte. Er merkte, daß sie drei Zugors verloren hatten, und in den anderen Fluggeräten, die ihm folgten, lagen Tote und verletzte Pthorer. Einige Sekunden später, als er einen Moment Zeit hatte, sah er die große Spaccah. Sie brannte, an vielen Stellen zerrissen kleine Explosionen das Monstrum, die Lasten wurden brennend weggeschleudert. Von allen Seiten kamen die Spaccahs heran und nahmen die Verfolgung auf. Gezielte Schüsse hielten die ersten Verfolger in achtungsvollem Abstand. Die Pthorer warfen noch einen langen Blick auf die Staubmassen, dann tauchte der Rest des Kommandos durch den Wölbmantel und raste im Steilflug dem Boden entgegen. Ein Pthorer, dessen Raumanzuggeräte noch funktionierten, sagte mit dunkler Stimme: »Ein großer Erfolg für uns. Es scheint, daß wichtige Güter vernichtet wurden.« Sigurd gab zurück: »Es war ein Nadelstich, nicht mehr!« Die Zugors rasten in einer engen Spirale auf das Gelände der FESTUNG zu. An zwei Stellen gab es Luftkämpfe, die aber ziemlich dicht über dem Boden stattfanden. Die Übermacht der Zugors zwang eine Plattform zur Landung und vernichtete die andere, größere Scheibe. Sigurd klappte seinen Raumanzugshelm zurück und sagte zum Steuermann: »Bringe mich zu Thalia und Heimdall, ja?« »Sofort, Odinssohn.« Die anderen Zugorpiloten landeten wieder
15 zwischen den Baumstämmen des FESTUNGs-Parks. Sigurd hob die Garpa und die erbeutete Waffe, sprang hinaus und rannte auf die größte Pyramide zu. Dellos kamen aus einigen kleinen Beiboot-Pyramiden und aus anderen Gebäuden und kümmerten sich um die Toten und Verletzten. Auf einem anderen Weg hörte Sigurd unverkennbar schwere, schnelle Schritte. Er fuhr herum und erkannte seinen Bruder, der ebenfalls auf den Eingang zulief. »Heimdall! Wie steht es mit unseren Armeen?« rief Sigurd und riß den Helm vom Kopf. Der Bruder schüttelte den Kopf. »Pthor wird die Invasion nicht überleben.« »Wir haben schwere Verluste«, bekannte Sigurd. »Aber ich habe eben erlebt, daß die Krolocs nicht unbesiegbar sind. Wir haben eine Transportspaccah vernichtet.« »Gut«, meinte Heimdall. »Was ist das?« Er deutete auf die Strahlenlanze. Sigurd sagte im Tonfall tiefsten Bedauerns: »Eine vorzügliche Waffe. Jeder unserer Gegner hat eine solche Lanze. Wir haben zwei von ihnen erbeutet. Wir sollten zwanzigtausend davon haben. Hier, sieh selbst, Heimdall!« Er richtete das glühende Ende auf die Kante zwischen Mauer und Dach eines nahestehenden Gebäudes und betätigte den Auslöser. Fauchend und röhrend heulte ein langer Feuerstrahl aus dem Projektorende. Er traf die Kante und zerfetzte Stein und Metall in einer krachenden, harten Detonation. Trümmer und weißglühende Tropfen wurden nach allen Richtungen geschleudert. »Vielleicht entscheiden diese Waffen, wenn wir genügend davon erbeuten, den Kampf«, brummte Heimdall. »Vielleicht. Wo ist Thalia?« »Zusammen mit Kargentoff in der Pyramide. Die Vorbereitungen gehen weiter. Fast jeder weiß, was uns erwartet.« »Ich jedenfalls weiß es«, antwortete Sigurd. »Die Invasion bricht in ganz kurzer Zeit aus.«
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5.
*
Durch die halbkugeligen Augenöffnungen des Raumanzugs bohrte Tagger Blyhs den Blick seiner zahlreichen Augen in die seines Adjutanten. »Vielbeinigkeit Tagger«, erklärte Spank. »Ich habe gesehen, wie die Pthorer kämpfen. Sie sind schnell und erbarmungslos. So wie wir haben sie eine lange Tradition in Kampf und Krieg, in Niederlagen und Siegen. Denke nicht, o Vielbeinigkeit, daß wir schnell eine neue Kolonie gründen werden.« »Ich weiß, wie groß unsere Flotte ist«, sagte der Kommandant und blickte schweigend den Trümmern nach. An der Stelle, wo sich vor wenigen Minuten noch die große Transport-Spaccah befunden hatte, zusammen mit einigen Dutzend kleiner Kriegsplattformen und deren Besatzungen, breitete sich jetzt ein diffuser Ball aus glühenden Gasen aus. »Und unsere Reserven sind gewaltig«, fügte Blyhs hinzu. »Bereit, Vhroon?« »Ich bin bereit. Unsere Flotte ist bereit. Wir fiebern den Kämpfen entgegen. Wir werden jeden Quadratzentimeter von Pthor besetzen. Du gibst den Befehl, Tagger?« »Ich gebe den Befehl! Greift an! Alle!« Der Adjutant winkte dem Funker. Rund achttausend Spaccahs warteten seit Stunden auf den Befehl. Gleichzeitig setzten sich sämtliche Einheiten in Bewegung. Die einzelnen Kommandos fügten sich zusammen und drangen auf den Wölbmantel Pthors vor. Hinter ihnen kamen die Spaccahs, von denen Ausrüstungen, Nachschub und Waffen transportiert wurden. Dahinter schwebten die noch größeren Flugscheiben. Sie hatten die Bodentruppen an Bord und deren logistische Ausrüstung. Tausende und aber Tausende der vielbeinigen Wesen rückten heran. Die Schutzschirme der Spaccahs zerteilten den Staub, und sie durchdrangen auch den Wölbmantel, der Pthor bisher geschützt hatte.
Unter ihnen lag ein annähernd keilförmiges Land in dem halben Licht, das die Augen der Krolocs gewohnt waren. Einzelne Kommandoeinheiten, aus vielen Spaccahs mit speziell ausgebildeten Invasionstruppen zusammengesetzt, wurden schneller und jagten auf die vorher bezeichneten Ziele zu. Jeder Stoßkeil hatte eine klar definierte Aufgabe und einen ebensolchen Standort, von dem aus die Invasoren ausschwärmen würden. Eine der ersten Gruppen nahm Kurs auf Orxeya. Die Heimatstadt von Sator Synk. Es waren etwa 250 Spaccahs, die sich in mehreren Formationen auf die Stadt und das Land ringsum stürzten. Ihr Angriff erfolgte schnell und nahezu lautlos; das Heulen des Fahrtwinds hörten die Verteidiger am Boden erst, als die Spaccahs direkt unmittelbar über ihre Köpfe hinwegflogen. Vor dem Bekanntwerden der Invasion hatten hier etwa achttausend Wesen gewohnt; jetzt schien die Stadt ausgestorben zu sein. Atlan hatte entsprechende Befehle und Verhaltensmaßregeln gegeben. Rund um den Seelenmarkt, von Lehmziegelgebäuden mit nassen Strohdächern umgeben, waren die Waffenschmiede an wenigen Stellen verborgen. Lange Rohre richteten sich gegen den Himmel, gespannte Federn knirschten. In tönernen Gefäßen befanden sich Säuren und eine sirupartige Flüssigkeit, die leicht entzündlich war. Todesruhe lag über der Stadt voller winkliger Gassen und hölzerner Palisaden. Die erste Staffel der Spaccahs raste über die Dächer hinweg. Über den Rand der flachen Scheiben hingen die Köpfe der Krolocs. Die glimmenden Speerspitzen richteten sich auf die Dächer und die Fenster. Als der Luftzug einen kümmerlichen Baum bewegte, feuerten mindestens zwanzig Krolocs auf dieses vermeintliche Ziel. Die zweite Staffel näherte sich langsamer
Kampf um Atlantis und in breiter Front. Die Krolocs waren für den ersten Augenblick unsicher und verwirrt. Sie waren darauf eingestellt, erbitterte Gegenwehr im Keim ersticken zu müssen. Das Mißtrauen machte sie übernervös. Aus vielen versteckten Öffnungen schossen senkrecht schwere Metallpfeile mit großen Schneiden in die Höhe. Es gab klirrende und schnarrende Geräusche, als die ballistischen Geschosse die Führungsrohre verließen. Tonkrüge, die einen winzigen Rauchfaden hinter sich herschleppten, wirbelten in hohen Kurven durch die Luft und fielen senkrecht wieder herunter. Die Gefäße zerplatzten in den Spaccahs, auf den Raumanzügen der Krolocs und in den Gassen Orxeyas. Überall dort, wo die Flüssigkeit auseinanderspritzte, brannte sie augenblicklich. Steuerlose Spaccahs begannen zu taumeln, wurden langsamer oder schneller, zogen in die Höhe oder krachten in die Dächer der Gebäude. Strahlenlanzen wirbelten wie Knüppel durch die Luft. Jeder Kroloc, der seine Waffe handhaben konnte, begann sofort zu schießen, auf echte oder eingebildete Ziele. Die dritte Reihe der Spaccahs landete vor der Stadtmauer mit den Wachtürmen und den Toren. Die Krolocs strömten hinaus und verwüsteten die angelegten Felder wie auch den Rand des Blutdschungels. Sie bildeten einen halbkreisförmigen Wall, der sich bewegte wie eine langsam heranrückende Brandungswelle. Hin und wieder öffnete sich eine Fallgrube. Spitze Stäbe drangen durch Raumanzüge und Körperpanzer der Angreifer, aber für jeden, der starb, kamen Dutzende andere von hinten. Die Stadtbevölkerung war noch immer kaum zu sehen; nur hin und wieder huschten dunkle Gestalten durch Rauch und Flammen, um sich die Energielanzen zu holen. Das Wissen über diese Waffen hatte sich wie ein Lauffeuer über Pthor ausgebreitet, kaum daß die ersten Lanzen erbeutet worden waren. Zwischen den Büschen des Dschungels
17 lauerten die Angehörigen der wilden Stämme. Sie waren Meister darin, sich unsichtbar zu machen. Mit vergifteten Pfeilen und in Gift getauchten Metallsplittern, die ihnen die Schmiede gebracht hatten, schossen sie zwischen den borkigen Stämmen hinaus und blieben weiterhin versteckt. Im Hintergrund brannten Teile der Stadt. Einige Schußwechsel setzten einen breiten Streifen Gebüsch und kleine Bäume in Brand. Eine lodernde Flammenwand trieb die Blutdschungelleute zurück in die Tiefen des Waldes, dessen feuchte Hitze die Flammen schnell erstickte. Eine kleine Gruppe todesmutiger Händler, auf gepanzerten Yassels reitend, griff eine Abteilung Krolocs an und starb mitsamt den Tieren im konzentrierten Abwehrfeuer. Mindestens zwei Dutzend Spaccahs brannten an verschiedenen Stellen. Überall lagen tote Krolocs; die verwundeten Angreifer krochen zwischen Flammen und niederbrechenden, glühendheißen Lehmziegelmauern herum wie blind. Ein einzelner Zugor erschien zwischen den Spaccahs. Zuerst hielten die Krolocs die vermummten Gestalten für einige der ihren. Aber als der Mann neben dem Piloten nacheinander mit der Energiewaffe sieben Besatzungen tötete und sechs Spaccahs zum Absturz brachte, vereinigten sich die brüllenden Feuerstrahlen auf ihn. Die Strahlenlanze explodierte in genau dem Moment, in dem sich auch der Zugor auflöste und eine Transportspaccah rammte. Beide Fluggeräte krachten zu Boden und kippten ihre Besatzungen aus zweihundert Metern Höhe in das flammende Inferno. Schwerter, die an langen Stangen befestigt waren, töteten im Nahkampf die Krolocs. Aber mehr und mehr der vielgliedrigen Wesen strömten heran. Nur noch wenige Rohre schleuderten lange Eisenpfeile. Die Bevölkerung steckte in Höhlen, war im Wald oder unter den Feldhütten versteckt; in der Stadt hatte es während des ersten Angriffs nicht mehr als vierhundert Männer gegeben.
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Sie wehrten sich wie die Rasenden. Die Krolocs erlitten gewaltige Verluste. Aber binnen einer Stunde war die Stadt von einem Ring gelandeter Spaccahs eingeschlossen, deren Besatzungen auf das Zentrum zu vorrückten und siegen würden, trotz der Verluste. Die ersten Brände erloschen und hinterließen riesige schwarze Rauchsäulen. Es waren Signale für die Pthorer, daß die erste Stadt vom Feind besetzt worden war. Die Invasion war in vollem Gang.
* Tagger Blyhs, »Seine Vielbeinigkeit«, hatte fast jeden Bericht eines jeden Kundschafters genau gelesen. Er hatte auch die Karten intensiv studiert, die von den Scouts aufgenommen worden waren. Er fürchtete kein einziges lebendes Wesen auf Pthor, auch die legendären Kämpfer nicht. Aber er fürchtete, daß die Robotbürger von Wolterhaven – diesen Namen konnte er nicht richtig aussprechen, wie so viele andere Bezeichnungen, die ihm von den Scouts genannt worden waren – ihm persönlich gefährlich werden konnten. Er kannte Roboter und wußte, daß solche Maschinen nicht leicht zu vernichten waren. Er selbst war einer der ersten, die sich der Stadt Wolterhaven näherte, die im Westen lag, dicht am Ende des Landes, das er für die Krolocs erobern wollte. Seine Spaccah, voller Nachrichtengeräte und den sie bedienenden Krolocs, näherte sich in großer Höhe der Stadt. Im Norden lagen scheinbar endlose Wälder aus riesigen Bäumen, im Süden die mächtigen Berge, von denen man behauptete, daß dort Magier hausten, also Wesen, die ohne Waffen töten und ohne Feuer verbrennen konnten. »Gibt es Nachrichten von der BrutSpaccah?« fragte der Kommandant. »Sie hält sich verborgen. Noch sind die Reserven nicht abgerufen worden«, war die Antwort. »Verständlich, denn ich gab keinen Befehl«, schrillte Tagger. »Gut geschützt, tief
im Stau verborgen?« »Wie deine Befehle gelautet haben, Kriegsherr!« »Man soll dem Kommandanten der BrutSpaccah sagen, daß er, wenn man ihn ruft, in größter Eile kommt. Denn wenn ich ihn rufe, brauchen wir die Waffen und die Geräte samt den Elitekämpfern.« »So wird es geschehen.« Diese Spaccah war ein strategisches Mittel ersten Ranges. Sie war nicht nur gigantisch, sondern enthielt alles, was für eine kleine Invasion gebraucht wurde. Sie war autark und in der Lage, eine verlorene Schlacht zu entscheiden, indem sie doch noch gewonnen wurde – weil dieser stählerne Asteroid eine komplette kleine Armee enthielt, die einzig und allein auf einen solchen selbstmörderischen Einsatz trainiert worden war. Tagger deutete nach vorn. Seine Spaccah, der dreihundertfünfzig andere Flugkörper folgten, befand sich in unerreichbarer Position. Schräg vor ihr dehnten sich große morastige Flächen aus, zwischen denen eine Art Straße verlief. Die Stadt bestand aus rechteckigen und würfelförmigen Gebäuden, die ebenso wie die halbrunden Hallen auf einer Art dickem Gitterwerk zu stehen schienen. Auch diese Stadt schien verlassen zu sein. Nichts regte sich. Nachdenklich betrachtete Tagger Blyhs, dessen Kommandoeinheit nicht sehr schnell, aber unaufhaltsam und unangefochten vorrückte, die anderen Bildschirme. Sie zeigten fast ausnahmslos dieselben Bilder: Städte und Siedlungen wurden angegriffen. Es gab schwache Gegenwehr. Sie wurde mit Hilfe der Strahlenlanzen schnell zurückgeschlagen. Viele Teile der Siedlungen brannten. Die Krolocs landeten nach den ersten Kämpfen außerhalb der Stadt oder Siedlung, aber so nahe daran, daß sie binnen weniger Minuten die Gassen und Häuser überfluteten und den Raum ausfüllten, den sie abzusuchen begannen. Sie waren fast an jeder Stelle in der Übermacht und nach kurzer Gegenwehr meist vollkommen siegreich.
Kampf um Atlantis »Es geht ausgezeichnet. Nach meinem Plan«, sagte sich Tagger leise. Er war zufrieden. Aber sie befanden sich erst in der Primärphase der Invasion. Und … das wichtigste Ziel war die FESTUNG. »Wenn wir das gesamte Land unter Kontrolle haben, ist die FESTUNG ohne Wirkung«, bestätigte ein Unteranführer. »Dies ist unser zweiter Schritt.« Wolterhaven kam näher, deutlichere Einzelheiten zeichneten sich ab. Mit leichtem Erstaunen sah Tagger, daß der Dschungel weit vor der Stadt haltmachte. Zwischen den Bauwerken gab es so gut wie keinen Baum, kein Grün. Blau war die dominierende Farbe der Gebäude und der Verbindungen zwischen ihnen. Nichts und niemand bewegte sich in der Stadt. »Wir landen!« befahl Tagger Blyhs. »Wir haben verstanden, Vielbeinigkeit!« Hundert Spaccahs der gleichen Größe, jeweils mit sieben Krolocs bemannt, stürzten sich in einem verwegenen Winkel schräg hinunter. Niemand wehrte sich in Wolterhaven. Nur die wuchtigen Kopfteile der Raumanzüge und jeweils zwei Drittel der Strahlenlanzen sahen über den Rand der Flugscheiben. Deutliche Spannung ergriff den Kommandanten, als er den in klassischer Manier vorgetragenen Angriff ansah. Seine Streitkräfte kämpften, wie es die uralten Regeln vorschrieben. Sie waren immer erfolgreich gewesen. Tagger wußte, daß diese Stadt von Wesen bewohnt war, die sich nicht so leicht wie die Bewohner der brennenden Siedlungen besiegen lassen würden. Mit seinen Augen erfaßte er das gesamte Bild der Stadt und der Umgebung. Die ersten dreieckigen Formationen der rasenden Spaccahs flogen in selbstmörderischer Manier dicht über die blaumetallisch schimmernden Dächer dahin. Noch immer keine Gegenwehr. Tagger sah sich in seinem Konzept des Angriffs enttäuscht. Er hatte gerade an diesem Punkt mit entschlossenen Verteidigern gerechnet. »Wir landen, und wir gehen vor, so wie meine Befehle lauten!« sagte er schärfer, als
19 es notwendig gewesen wäre. »Es gibt trotz der veränderten Umstände keinen anderen Weg.« »Die ersten Spaccahs setzen bereits auf.« Wieder richtete Tagger seine Augen auf die verschiedenen Kommunikationsbildschirme. Der Vormarsch der Krolocs ging planmäßig vor sich. Überall brannten die Städte, nur hier gab es bis jetzt keinen Grund, die Waffen einzusetzen. »Ich sehe, was geschieht!« gab er zurück und bedeutete dem Piloten, näher an das Geschehen heranzugehen. Alle Spaccahs der ersten Angriffswellen waren einmal über die Dächer hinweggerast und bremsten ab. Dann drehten sie sich herum. Einige landeten auf dem schmalen Geländestreifen zwischen der jenseitigen Stadtgrenze und dem Ende von Pthor. Die anderen bildeten wieder kleinere Gruppen und durchkämmten die Räume zwischen den Bauwerken. Noch immer fiel kein einziger Schuß. Die Unruhe unter den Truppen wuchs – sie wuchs immer angesichts solcher Vorkommnisse. Warum, dachte Tagger nervös, versuchte nicht eine der Maschinen sich zu wehren? Die zweite Angriffswelle machte vor der diesseitigen Stadtgrenze Halt. Die Spaccahs senkten sich in einem schönen Manöver fast senkrecht ab und landeten am Rand des morastigen Bodens. Bald war der dunkle Untergrund mit schwarzen Scheiben bedeckt, zwischen denen nur schmale Gänge freiblieben. Die Krolocs kletterten hinaus, hoben die Lanzen an und marschierten auf die Stadt zu. Taggers Spaccah flog in großen Kreisen über der Stadt Wolterhaven. Die Ruhe entnervte ihn. Der Kommandant blickte hierhin und dorthin. Während die letzten Transportscheiben landeten und sich Hunderte Krolocs der Stadt näherten, herrschte Totenstille. Als die ersten, von Osten kommenden Krieger die Gerüste und die Rampen erreichten, schien sich ihrer eine seltsame Verwirrung zu bemächtigen. Sie rannten hierhin und dorthin, nur nicht gera-
20 deaus. »Was geht dort vor?« wunderte sich Tagger, aber er schaltete sich noch nicht in den Kampf ein. Dutzende Krolocs kletterten über die Gerüste, die schmalen Treppen und die Rampen auf die Außenbezirke der Stadt zu. Sie kamen von drei Seiten. Aber in sämtliche Züge und Kolonnen war eine deutliche Unruhe gekommen, eine Desorientierung, die erst aus dieser Höhe klar zu erkennen war. Tagger versuchte sich an die vielfältigen Methoden zu erinnern, mit denen die Völker des Korsallophur-Staus versucht hatten, sich gegen die Invasion zu wehren. Er fand keine Parallele. Die Verteidiger von Wolterhaven hatten offensichtlich eine neue Methode gefunden, die Invasion empfindlich zu stören. »Hier spricht Tagger Blyhs, der Kommandant!« schrie er plötzlich in die Mikrophone seines Raumanzugs. Ihm fiel ein, daß er ihn öffnen konnte; die Luftverhältnisse waren in den Asteroiden, den Raumanzügen und über diesem rätselhaften, reichen Land absolut identisch. »Greift an! Laßt euch nicht verwirren oder ablenken. Ich spreche mit den Bodentruppen. Durchkämmt die Stadt, und ihr werdet den Grund für die rätselhaften Ausstrahlungen rasch finden.« Es antwortete niemand; auf diesen Befehl gab es wohl keine geeignete Erwiderung. Aufmerksam starrte er nach unten, während seine Spaccah als einziger Flugkörper sich über der Siedlung befand und schweigende Kreise zog wie ein Aasvogel. Deutlich erkannte er die einzelnen Kommandos, die jetzt den Zwischenraum erreicht hatten, der sich jeweils zwischen zwei Bauwerken erstreckte. Die Krieger zögerten, wichen zurück, stießen mit den nachdrängenden Krolocs zusammen und wichen seitlich aus, während die nachfolgenden über sie hinwegkletterten und ebenfalls, als wären sie gegen eine unsichtbare Grenze gestoßen, seitlich davonkrabbelten. Einige konnten sich, von der Masse der schiebenden und drängelnden Individuen bedrängt, nicht mehr halten und
Hans Kneifel fielen, hilflos mit den Gliedmaßen rudernd, von dem jeweiligen Gerüst. In Wirklichkeit hatte noch kein einziger Kroloc diese Stellung betreten, obwohl sich mehr als tausend tapfere Krieger rund um Wolterhaven drängten. Tagger hob einen Arm. Zwei Verbindungsleute drehten ihre Körper und sahen ihn durch die Augenfenster der Anzüge an. »Die Spaccahs der ersten Welle sollen starten und Löcher in die Metallgebäude schießen. An die Sturmtruppen ergeht der Befehl, zu warten. Klar?« »Klar!« Die Funker arbeiteten mit rasender Eile. Sie wußten, was von der schnellen Nachrichtenübermittlung abhing. Dreihundert Meter unter der Kommandospaccah drehten sich viele Krolocs herum und rannten auf die kleinen Flugscheiben zu. In exakter Ordnung erhoben sich etwa hundert Spaccahs, formierten sich und flogen in einzelnen, langgestreckten Keilen über die Siedlung hin. Langsam öffnete Blyhs seinen Raumanzug und rollte die Helmfolie im Nacken zusammen. Noch immer beobachtete er den lautlosen und ereignisarmen Kampf. Die ersten Mannschaften begannen zu feuern. Die weißen, glühenden Strahlen fraßen sich durch die Dächer der Gebäude. Hin und wieder explodierten im Innern unbekannte Geräte oder Maschinen. Aus den runden oder langgezogenen Öffnungen loderten Flammen. An einigen Stellen schwelte schwarzer Qualm in die Höhe. Binnen kurzer Zeit wirkte auch diese Siedlung wie alle anderen – sie brannte an mehreren Stellen. Dann fiel der Blick des Kommandanten auf die wartenden Krolocs. Sie benahmen sich ganz und gar närrisch, aber ihre Bewegungen bedeuteten, daß sie starben oder wahnsinnig wurden. Sie rissen sich die Raumanzüge von den Körpern und feuerten aufeinander. Je näher sich die Kämpfer an der deutlich sichtbaren Stadtgrenze befanden, desto schneller und entschlossener bewegten sie sich. Und desto schneller starben
Kampf um Atlantis sie, weil sie ebenso erbittert gegeneinander kämpften, wie sie die Pthorer hätten bekämpfen sollen. »Zerstört mehr!« rief der Kommandant. »Sie haben seltsame Strahlungen, die auf unsere Krieger wirken. Brennt die Bauwerke nieder!« Sekunden später erreichten seine Befehle die Piloten und die Schützen in den Spaccahs. Die kreisenden Spaccahs feuerten ununterbrochen auf die Gebäude. Die Flammen schlugen höher. Die zusammengeballten schwarzen Fahnen der Rauchwolken erhoben sich an mehr Stellen in den grauen Himmel der zukünftigen Kolonie. Dutzende toter Krolocs lagen rund um die Stadt vor den ersten Gebäuden. Die anderen zogen sich schnell zwischen die gelandeten Spaccahs zurück. Immer wieder tauchten die Flugscheiben abwärts und wurden hochgezogen, während sich die Strahlen aus den Feuerlanzen an bestimmten Punkten vereinigten und die Gebäude und deren Inhalt zerstörten. Dann, ganz plötzlich, spürten alle Krolocs, wie ein fast unhörbarer Ton nach ihnen griff und sich ausbreitete. Es war ein grelles, schrilles Pfeifen, nicht einmal unmelodisch, am Rand der Hörbarkeitsgrenze. Es zitterte sinnverwirrend in den Hörorganen der Krolocs und schraubte sich höher und höher. Die Wirkung dieses Tones war, als er nicht mehr zu hören war, für viele Krolocs tödlich. »Aufwärts und zurück!« kreischte der Kommandant. Der Pilot der Spaccah handelte augenblicklich und mit gewohnter Perfektion. Er ließ die Scheibe senkrecht hochsteigen und driftete, als sie eine weitaus größere Höhe erreicht hätte, schräg zur Seite. Dann gab es weit unten eine schmetternde Explosion. Mehrere Gebäude detonierten. Ihre Dächer blähten sich für den Bruchteil eines Moments auf und flogen dann in unzähligen Splittern davon. Stichflammen und Blitze zuckten daraus hervor. Die Krolocs, die von den unhörbaren Schallwellen getroffen wor-
21 den waren, rasten in blinder Panik umher und betätigten unablässig die Auslöser ihrer vernichtenden Waffen. Viele Invasoren töteten sich gegenseitig, ohne sich zu erkennen. Sie handelten wie unter dem Zwang eines fremdartigen Befehls. Aber alle, die von den Stadtgrenzen aus radial nach außen flohen, überlebten. Sie blieben unschlüssig in der Nähe des zweiten Kreises der gelandeten Spaccahs stehen. Jetzt erkannte der Kommandant wenigstens teilweise, warum die Stadt derart ausgestorben gewirkt hatte, und er ahnte auch, daß dies alles der Teil eines maschinenhaft perfekten Planspiels gewesen war. Genau diese Vorahnungen hatten ihn beschäftigt. Jetzt kannte er die Wahrheit. Noch immer, trotz der Flucht, waren in seinen Höröffnungen und seinem Verstand diese schrillen, tonlosen Geräusche, die durch die Nerven schnitten wie scharfgeschliffene Sägeblätter. »Sie zerstören die Stadt. Gut so!« Ganz plötzlich rissen die Schwingungen und die daraus resultierenden Sinnesverwirrungen ab. Es war offenkundig ein Problem der Entfernung. Je mehr sie von Wolterhaven entfernt waren, desto weniger wirkten die Schwingungen. Tagger spürte, wie der Druck plötzlich von ihm wich. Zur gleichen Zeit zuckten Stichflammen und lange Blitze aus einem Gebäude in der Mitte der Siedlung zum Himmel. Die Gefahr der Schwingungen schien vorbei. »Die Überlebenden sammeln sich!« ordnete er schroff an. »Sie beginnen bereits damit!« hörte er aus den Lautsprechern. An anderen Stellen ging die Invasion schneller vonstatten. Er mußte, wenn diese Siedlung unter Kontrolle war, sich um die FESTUNG kümmern – ein vordringlicher Aspekt der Invasion. »Die Toten werden liegengelassen. Man kann sich später darum kümmern. Bringt die Stadt unter unsere Kontrolle!« schrie er erregt. »Es gibt keinen bemerkenswerten Widerstand mehr!« »Erobert Wolterhaven!«
22
Hans Kneifel
Tagger Blyhs hatte mit erheblichen Verlusten gerechnet. Er wußte, daß Invasionen niemals leicht waren. Aber in diesem Fall überraschte ihn die Fähigkeit der Verteidiger, mit Mitteln intelligenter Forschung und Ergebnissen von Wissenschaft und Technik operieren zu können. Zumindest was Wolterhaven betraf, war er überrascht worden und hatte diese Überraschung mit dem Tod von Hunderten seiner Kämpfer bezahlen müssen. Aber mit dem Brand und der Zerstörung eines der größten Metallbauwerke schienen die Probleme dieser Art erledigt zu sein. Er wandte sich wieder an seinen Piloten und deutete auf einen Bildschirm. »Bringe mich an diesen Ort. Aber vergiß nicht, daß ich unmittelbar an der Eroberung der Stadt unter uns interessiert bin.« »Wir sind bereits unterwegs, Vielbeinigkeit.« Die Spaccah nahm direkten Kurs auf Donkmoon. Schräg dahinter lag der Regierungsbezirk dieser Welt, der sich die FESTUNG nannte. Dort würden die meisten Spaccahs angreifen. Und dort würden auch die meisten Verteidiger versammelt sein. Was bedeutete, daß dort auch die erbittertsten Kämpfe tobten. Die Bildschirme zeigten charakteristische Ausschnitte davon.
6. Zwischen Donkmoon und dem Land um Taamberg im Norden erstreckte sich eine weitestgehend unbewohnte, aber keineswegs abwechslungsarme Landschaft. Nur wenige Karawanen zogen durch die saftigen Hügel, die trockenen Flächen aus Sand und Stein, die Täler mit den schmalen Wasserläufen. Das Gelände im Norden von Heimdalls Lettro war, abgesehen von den Plantagen der Gordys, ereignislos. Aber die Gordy-Familien, die sich aus der Stadt in die Einsamkeit geflüchtet hatten, waren gut versteckt. Sie wußten, worum es ging. Selbst die Kinder waren bewaffnet und
hielten Ausschau nach den dunklen Flugscheiben. Immer wieder rasten einzelne Scheiben, kleinere oder größere Verbände in V-Form über das Land. Sie flogen unerreichbar hoch. Keine Waffe trug bis dorthin, und solange die Fremden nicht landeten, war nicht an Gegenwehr zu denken. Eine Gruppe von etwa dreißig Gordys verbarg sich in diesem Gelände. Sie hatten genügend Nahrungsmittel mit sich geschleppt und waren so gut bewaffnet, wie es möglich war. Zwei Dellos, deren Zugor ausgefallen und notgelandet war, stießen kurz darauf zu ihnen. Dann entdeckte die Gruppe, die sich unter Ausnutzung aller Deckungsmöglichkeiten in die Richtung auf die FESTUNG bewegte, drei Technos, die schwer bewaffnet waren. »Vielleicht überleben wir«, sagte einer der Gordys und musterte die zusammengewürfelte Schicksalsgemeinschaft. Er wünschte sich, nach der zurückgeschlagenen Invasion niemals wieder etwas mit solchen Kreaturen zu tun haben zu müssen. Dellos! Technos! Abschaum von Pthor, bedeutungsloser und überflüssiger Bodensatz der atlantischen Kulturen! »Wenn die Gordys es schaffen würden«, meinte tonlos einer der Dellos, »sich entsprechend zu integrieren, würden wir die Krolocs zurückschlagen.« Der Gordy deutete nach oben. »Solange Tausende von Spaccahs in die Richtung der FESTUNG fliegen und wir nichts vom neuen Herrscher von Pthor wissen, gestatte ich mir, meine Gedanken laut zu äußern. Selbst wenn sie für Dellos überheblich klingen mögen.« »Atlan wird kommen. Er wird rechtzeitig erscheinen und uns alle retten«, versicherte der Dello leidenschaftlich. »Hoffen wir es. Er sollte sich beeilen!« knurrte einer der Gordys. Sie wanderten entlang einer Felskante, die ein wenig mehr in der Dunkelheit lag und der Gruppe mehr Versteckmöglichkeiten bot. Vereinzelte dürre Büsche wuchsen in Felsspalten. Sand und
Kampf um Atlantis Geröll knirschten unter den Schritten der Wandernden. Sie hatten eigentlich vor, sich irgendwo in den Hängen des Taamberg-Massivs zu verstecken. Hinter ihnen ertönte ein winselndes Fauchen. Ruckartig blieben sie stehen; niemand wagte zu sprechen, keiner bewegte sich. Dann stieß der Techno keuchend hervor: »Die Krolocs! Sie haben uns gesehen!« Drei Spaccahs näherten sich in schnellem Flug von Süden her. Sie schwebten etwa fünfzig Meter über dem Boden. Undeutlich erkannten die Flüchtenden dunkle, zusammengekauerten Gestalten. Mehrere stabförmige Gegenstände ragten schräg in die Höhe. Ihre Spitzen glühten oder leuchteten. »Das sind die Waffen, von denen man gesprochen hat …« Die Spaccahs rasten die Felsspalte entlang nach Norden und verschwanden hinter dem bewachsenen Hügel und den Bäumen. Mit langen Sätzen verschwanden die Mitglieder der Gruppe hinter Felsbrocken und in Erdspalten, drängten sich zwischen die Büsche und warteten zitternd. Einige Minuten vergingen. Hin und wieder gab es raschelnde Geräusche. Ein Stein polterte einen Hang hinunter. Aus der Ferne hörten die Wartenden undeutlichen Lärm. Es klang wie ein Gewitter. Manchmal schien es, als ob die Felsen unter ihnen bebten. Dann kam eine der Spaccahs zurück. Was die Fremden suchten, konnte sich keiner denken. Die Plattform flog diesmal langsam und dicht über dem Boden. Hinter den Felsen hoben beide Technos die gespannten Skerzaals und zielten, indem sie mit dem Visier der Bewegung der Spaccahs folgten. »Es sind fünf!« flüsterte jemand. Es war nicht zu erkennen, ob die Invasoren jemanden oder etwas suchten. Die Spitzen der Strahlwaffen deuteten noch immer in die Höhe, nicht auf den Boden oder auf bestimmte Ziele. Als die Plattform lautlos an den zwei Technos vorbeischwebte, schwirrten die Saiten der Armbrüste. Der Pilot wurde von der Steuerung weggeschleudert, zuckte mit seinen vielen Gliedmaßen und
23 kippte langsam, als die Spaccah ruckartig anhielt, über den Rand. Ein zweiter Invasor ließ seine Waffe fallen und taumelte in die Höhe. Die Waffe fiel krachend in einen dürren Busch, hinter dem ein Gordy kauerte. Er handelte schnell, griff nach dem Schaft des glänzenden Stabes und richtete die glühende Mündung auf die Spaccah. Zwei Sekunden später, als die ersten Schüsse rings um ihn in die Felsen einschlugen, feuerte er auf die restlichen Insassen der Spaccah. Er tötete denjenigen, der auf ihn schoß, und traf einen weiteren, der herumfuhr und auf ihn anlegte. Rechts von ihm schrie jemand. Die Spaccah kippte langsam, stieß einige Meter hoch und ließ die Körper darauf erst auf die eine, dann auf die andere Seite rutschen. Der fünfte Kroloc fiel herunter und schlug zwischen die Felstrümmer. »Du bist verrückt!« schrie ein Gordy aus der Deckung. »Die anderen bringen uns um!« Der Mann aus Donkmoon schoß weiter. Die Spaccah summte auf, stellte sich fast senkrecht und schleuderte alle Insassen heraus. Dann sank sie selbst hinterher und zermalmte eines der toten oder schwer verwundeten Geschöpfe. Die Technos und die Dellos verließen die Verstecke und rannten auf die Stellen zu, an denen die Strahlenlanzen lagen. Plötzlich standen sie in einer Gruppe zusammen. »Das war mehr Glück als erwartet«, murmelte der Gordy. Ein Techno antwortete: »Wir haben eine Spaccah und fünf Waffen. Wir könnten ein hervorragendes Einsatzkommando bilden. Die Krolocs halten uns für ihresgleichen.« »Meinetwegen. Wenn wir uns nicht an zu große Gegner heranwagen …?« »Und die anderen?« Einige Gordys versuchten, den zunächst liegenden Kroloc-Körper in eine Spalte zu ziehen. Immer wieder blickten sie sich um und schauten zum Himmel, ob sich dort die Umrisse weiterer Scheiben abzeichneten. Jetzt packten auch die anderen mit an und
24 schoben und zerrten die Körper von der deutlich einsehbaren Fläche herunter. »Wer soll die Spaccah steuern?« fragte eine Gordyfrau. »Vermutlich ich«, erklärte ein Dello. »Ich kann einen Zugor steuern. Nicht gut, aber immerhin.« »Du wirst es schnell lernen. Oder wir sterben.« Binnen kurzer Zeit hatten sie die Körper, teilweise in geöffneten, zum anderen Teil in noch geschlossenen Schutzanzügen, versteckt. Keiner der Krolocs regte sich mehr. Ihre eigenen Waffen und die Bolzen der Skerzaals waren tödlich gewesen. Der Dello kletterte vorsichtig auf die Platte und näherte sich dem säulenartigen Steuerstand. Er sah nur verschieden große und unterschiedlich geformte Haltegriffe. »Ich frage noch einmal«, sagte laut die hochgewachsene Gordy. »Was sollten wir unternehmen?« »Euch dort verstecken, wo wir es beabsichtigt hatten. Wir kommen zurück und holen euch ab.« »Wenn wir überleben«, antwortete der Dello und versuchte den ersten Hebel. Die Spaccah hob sich und schrammte entlang des Bodens. Ein anderer Hebel, ein anderer, großer Schalter; das Gerät machte verschiedene Bewegungen nach beiden Richtungen und aufwärts. Schließlich rief der freiwillige Pilot: »Ich habe es begriffen. Schnell! Kommt zu mir, und dann zeigen wir es den Krolocs.« Fünf Männer stiegen zu. Es gab fünf dieser furchtbaren Waffen. Der Pilot winkte kurz zu den Zurückbleibenden hinunter und steuerte dann, immer sicherer werdend, den fremden Flugkörper in die Richtung der FESTUNG. Die anderen starrten den Verteidigern schweigend nach. Sie ahnten, daß auch verzweifelter Mut kein Ersatz für nicht genügende Ausrüstung und kaum vorhandene Koordination der Befehle sein konnte. Trotzdem würden diese fünf Männer und ihr Pilot bis zur letzten Sekunde kämpfen. Die
Hans Kneifel Spaccah, auf der sich die Dellos, Technos und der Gordy zusammenduckten und an den Griffen festhielten, war aus einiger Entfernung nicht von einer Flugplattform der Invasoren zu unterscheiden.
* Als der erste Schwarm Spaccahs durch den Wölbmantel durchbrach und direkten Kurs auf die FESTUNG nahm, wurde er bereits erwartet. Hunderte von Zugors schwebten am Himmel; einige davon durchstießen den Mantel nach außen und hefteten sich hinter den Spaccahs an den eindringenden Feind. Etwa hundertfünfzig Spaccahs bildeten den ersten Keil. Er sah aus wie ein Spitzkegel, der auf die große Pyramide deutete. Flugkörper aller Größe, voller Krolocs und Strahlenlanzen, fielen wie eine gewaltige dunkle Wolke dem Boden entgegen. Die Verteidiger verfügten über elf Strahlenlanzen, die ausnahmslos auf verschlungenen Wegen in den Bereich der FESTUNGs-Armee gekommen waren. Sigurds kleine Gruppe der Zugorbesatzungen mit funktionierenden Raumanzügen jagten hinaus in den Weltraum, flogen eine enge Kurve und stießen wie Stormocks auf die noch ahnungslosen Krolocs der Nachhut herunter. Sigurd hatte die Parole ausgegeben, nur dann zu feuern, wenn der Erfolg sicher schien. Das Dutzend der raumtüchtigen Besatzungen raste heran, versuchte, soviel Krolocs wie möglich zu töten, und jagte wieder davon, so schnell die Zugors flogen. Die Pthorer, die nicht mit den gegnerischen Beutewaffen ausgerüstet waren, feuerten Skerzaals ab und kippten innerhalb des Wölbmantels scharfkantige Steine über die Bordwände der Zugors. Die Steine flogen abwärts und schlugen in die Spaccahs ein. Nicht alle trafen, aber einige von ihnen richteten erhebliche Schäden an. Waggus schossen, aber sie vermochten nichts im Vergleich zu den glühenden Strahlschüssen der Fremden. Der erste Angriff der Zugors hatte
Kampf um Atlantis den Vorteil der Überraschung gehabt. Viele Spaccahs brannten, stürzten ab, rammten andere Flugscheiben oder kippten um und schleuderten ihre Insassen in die Luft. Der zweite Angriff, der bereits innerhalb des Wölbmantels stattfand, hatte diesen Vorteil nicht mehr. Die Menge der Zugors war erheblich, aber die Bewaffnung reichte nicht. Sie war ausgesprochen jämmerlich und unwirksam. Nur Zufälle oder Momente, in denen ihnen das Glück half, erbrachten Erfolge gegen die Eindringlinge. Ein Bolzen aus der Skerzaal traf hier, ein Felsbrocken zerschmetterte dort einen Piloten, eine Harpune nagelte an anderer Stelle einen Kroloc an das Metall der Spaccah. Aber die Angreifer versuchten ihrerseits, nicht zu nahe an die Phalanx der Eindringlinge heranzukommen, andererseits feuerten die Krolocs auf alles, was sich außer ihnen am Himmel befand. Sie trafen dabei auch einige Spaccahs. Sigurd hetzte mit seinem Zugor hin und her. Auf seinem Zugor befanden sich zwei Strahlenlanzen. Ununterbrochen feuerten die Männer, und sie trafen hervorragend. Aber sie konnten nicht überall sein, und die Übermacht der Spaccahs war so groß, daß jeder erfolgreiche Angriff nicht mehr sein konnte als ein Nadelstich. Mehrere Krolocs vereinigten die Schüsse ihrer Waffen auf einen Zugor. Sie töteten den Piloten und brachten die Maschine zum Absturz. Aber die straffe Ordnung der Spaccah-Formation geriet vorübergehend in Unordnung. Zwei andere Zugors kamen in den Wirkungsbereich der weit tragenden Strahlen und wurden ebenfalls vernichtet. So würde es weitergehen, sagte sich Sigurd und bedeutete dem Piloten, auszuscheren und in einer weiten Kurve, näher am Boden, wieder auf den Pulk der Angreifer zuzufliegen. Über ihren Köpfen donnerten einige Schüsse wirkungslos dahin, die Energie verlor sich irgendwo in der Luft. Deutlich war zu erkennen, daß die Krolocs sich von der Gegenwehr der Pthorer keineswegs beeindrucken ließen. In der Art,
25 wie sich die riesige Menge Spaccahs bewegte, war zu sehen, daß sie die Verteidigung ausgesprochen vernachlässigbar fanden. Sie hatten, das sah Sigurd als erfahrener Kämpfer, keinerlei Zweifel daran, daß sie binnen kurzer Zeit ihre Invasion erfolgreich durchgeführt haben würden. Der gegnerische Kommandant war mindestens ebenso erfahren wie Sigurd, Heimdall oder Thalia. Er würde dasselbe denken und danach handeln – ebenso wie Sigurd. Dies ging dem Odinssohn durch den Kopf, als sich der Zugor wieder der Spitze des Angriffskeils näherte. Die Zugorangriffe würden in kurzer Zeit sinnlos geworden sein und nur noch drastische Verluste hervorbringen. Dies ist der letzte massierte Angriff, dachte er, senkte die Strahlenlanze und zielte auf den ersten, anführenden Piloten der Spaccahflotte. Das Erscheinen des winzigen Geschwaders der Pthorer in Raumanzügen war das Signal für hundert andere Zugors. Sie stürzten sich abermals auf den riesigen Schwarm der Spaccahs. Alle Arten von Waffen wurden entschlossen eingesetzt, die Pfeile und Bolzen schwirrten, die Speere flogen in Bündeln durch die Luft, Steine pfiffen hinüber zu den Krolocs, einige Strahlschüsse töteten den einen oder anderen Piloten, und der gewaltige Hagel weißglühender, röhrender Strahlen, der den Zugors entgegenschlug, machte alle Befürchtungen Sigurds wahr. Er verdrängte die Gedanken und zwang sich dazu, so viele Gegner wie möglich zu töten. Die Waffe in seinen Händen bebte und zitterte, wenn sie ihre weißglühenden Strahlen ausstieß. Jeder Schuß oder fast jeder Schuß tötete einen Kroloc. Aber es gab unzählige andere, die den Tod ihrer Kameraden zu ignorieren schienen. Sie erinnerten Sigurd mehr denn je an Ameisen oder andere Insekten, die ihre eigene Existenz derjenigen ihres Staates unterordneten. Die Schlacht war, wenn seine Ansicht richtig war, jetzt bereits für Pthor verloren.
26 »Aber sie darf nicht verlorengehen!« flüsterte er wütend und schoß wieder. Wieder starb ein Pilot, wieder donnerten zwei Spaccahs im schnellen Landeanflug zusammen und stürzten ab. Die Krolocs, die sich in panischer Furcht an den Griffen festklammerten, fielen nacheinander in qualvoller Langsamkeit hinunter in den großen Park rund um die Pyramiden der FESTUNG. »Zurück! Wir kämpfen am Boden weiter. Gebt Signale, Freunde!« schrie er. Noch während der Pilot den Zugor beschleunigte und versuchte, in einem spiraligen Kurs den Schüssen zu entgehen, schoß Sigurd. Die Masse der Zugors floh ebenfalls; die Signale waren erkannt worden. Die Spitzen der Pyramiden kamen näher und wuchsen aus dem Boden. Ein Zugor nach dem anderen huschte in die Deckung zurück, unter die Bäume, zwischen Felsen, in die vielen höhlenartigen Unterstände auf dem Gelände rings um den wichtigsten Ort von Pthor. Fast gleichzeitig mit den Zugors traf die Spitze der Spaccahs ein. Das Geschütz weit vor der FESTUNG begann zu arbeiten. Schuß um Schuß löste sich aus den konvexen Projektoren und donnerte aufwärts. Jeder Schuß vernichtete eine Spaccah oder mehrere. Die Reaktion erfolgte sofort. Die Formation der Spaccahs schwenkte nach Westen. Die Maschinen wurden fast in synchroner Schnelligkeit herumgerissen, setzten ihre Geschwindigkeit herauf und rasten in flacherem Winkel weiter. Es gab noch einige kleinere Gefechte, in denen Zugormannschaften versuchten, die Flugscheiben zu entern, von denen keine Gegenwehr mehr erfolgte. Aber die Masse der Spaccahs schoß auch diese Verteidiger ab. Nur wenige Zugors konnten Bordwaffen einsetzen, aber auch die Flugscheiben des Feindes waren nicht mit starren oder eingebauten Geschützen versehen. Sigurd sprang aus seinem gelandeten Zugor und warf einen langen Blick zum Himmel. »Es geht auf dem Boden weiter«, knurrte
Hans Kneifel er und begann, auf den Eingang der großen Pyramide zuzurennen. Das verborgene Geschütz feuerte noch immer und holte die Angreifer herunter. In einem Nachrichtenraum traf er Heimdall und Thalia. In einem Tank unweit der Bildschirme lag Kargentoff, der Robotbürger. Schweigend starrte Sigurd auf die Schirme und sah, daß Pthor an allen denkbaren Stellen brannte, daß die Bewohner vieler Siedlungen in erbitterte Kämpfe verwickelt waren. »Wie ist die Lage?« rief er. Sofort erwiderte Thalia: »Die Fremden haben alle wichtigen Städte angegriffen und haben dort auch teilweise erhebliche Verluste erlitten. Die Einwohner sind ausnahmslos geflohen und versuchen jetzt, zum Partisanenkampf überzugehen.« »Solange die Krolocs nicht alle Einzelheiten der Bodenformationen kennen, haben wir noch einige Erfolge!« brummte Heimdall. »Ich bin im Aufbruch. Wir werden versuchen, das Land um die FESTUNG freizuhalten.« »Ich gehe mit dir, Heimdall«, versicherte Sigurd. »Besondere Gefahren?« »Noch nicht. Gerade jetzt – hier sind die Bilder! – landen die Spaccahs. Ihr habt gut gekämpft!« »Es waren nur schwache Versuche, Brüderchen«, gab Sigurd zurück. »Balduur und Atlan müßten hier bei uns sein.« »Sie wissen, wie groß die Gefahren sind. Wenn sie nicht hier sind, werden sie an anderer Stelle aufgehalten worden sein«, beharrte Thalia, die nicht daran glaubte, daß Razamon, Balduur, die Magier und Atlan tot sein könnten. »Jede Sekunde, die sie früher kommen, mit dem goldenen Raumschiff, hilft uns. Kommst du, Heimdall?« fragte Sigurd. »Ich komme sofort!« rief Heimdall mit einer Stimme, die erkennen ließ, daß er mehr als wütend und entschlossen war. »Der Kampf in der Luft ist praktisch bereits entschieden.« »Nicht zu unseren Gunsten«, mußte Si-
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gurd bekennen. »Obwohl es noch sehr viele flugtüchtige Zugors gibt.« »Wir sollten sie einsetzen, um Entfernungen zu überbrücken«, warf Thalia ein, »nicht, um zu kämpfen.« »In diesen Augenblicken versuchen die Gegner, Wolterhaven zu besetzen. Sie werden nur die Robotbürger und wenige ihrer Truppen finden. Ich habe mit meinen Freunden ausgemacht, daß sie sich passiv oder völlig unbeweglich verhalten. Dafür sollen die Sekundärmaschinen versuchen, den Gegner zu schwächen. Etwa zweihundert Spaccahs und alle ihre Besatzungen sind allein jetzt schon bei Wolterhaven gebunden.« Der Robotbürger hatte gesprochen. Viele seiner untergeordneten Maschinen halfen ihm und den Verantwortlichen, ein einigermaßen richtiges Bild der Situation zu haben. Thalia hatte bereits Teile ihrer Honir-Rüstung angelegt und deutete auf den Ausgang des Raumes. »Sator Synk rief eben an. Er versicherte uns, daß jede zweite Spaccah, die im Bereich der FESTUNG landet, vernichtet wird.« In diesem Augenblick merkten sie, daß die Geräusche des Geschützes aufgehört hatten. Es gab zwei Erklärungen: Entweder war die Besatzung überwältigt worden, oder die Schützen hatten deswegen, weil sie Entdeckungsgefahr befürchteten, das Geschütz abgeschaltet und wieder getarnt. »Wir gehen!« entschied Heimdall und schulterte die Khylda.
* Tausende von Höhlen, die einst tödliche Fallen der Herren der FESTUNG gewesen waren, eine gewaltige Menge von Löchern und neu gegrabenen Unterständen, löcherige Felsen, hohle Bäume ebenso wie felsige Hänge, kleine Gebäude und Haufen von Geröll – all das umgab die FESTUNG, und in jedem Loch steckten Pthorer. Jeder von ihnen war entschlossen, seine Heimat zu verteidigen. Tausende warteten auf den Mo-
ment, an dem sie einen Gegner vor sich hatten und gegen ihn kämpfen konnten. Über allem lag das vage, graue Licht des konturlosen Himmels. Die Frauen und Männer und die Halbwüchsigen, die sich seit Tagen in den Löchern verborgen und auf diesen Augenblick vorbereitet hatten, warteten mit steigender Ungeduld. Der Befehl Sator Synks und die kalten Anordnungen von Gordy Binoos lauteten, alle Spaccahs landen zu lassen. Die Flugscheiben kamen, nachdem sie die größere Höhe verlassen hatten, von allen Seiten dicht über dem Boden heran. Sie waren eindeutig so gestaffelt, daß sie nach und nach die FESTUNG umzingeln und mit einem undurchdringlichen Wall umgeben würden. Sobald die ersten Kundschafter über das Gelände geflogen waren, markierten sie die Stellen, indem sie Kreise flogen. Anschließend landete Spaccah um Spaccah. Die Krolocs schwärmten aus, und die Transportscheiben begannen, ihr Material auszuladen. Noch immer warteten die Verteidiger, wütend und ungeduldig. Eine gewisse Unruhe breitete sich aus, als viele Scheiben gelandet waren und die Krolocs sich zu kleinen Gruppen formierten. Strahlenlanzen blinkten auf, die Züge drangen schnell und fast lautlos vor. Die meisten Krolocs hatten ihre Raumanzüge geöffnet. Die Verteidiger, die ihre Waffen hoben, sahen die großen Augen, die am Schädel angewachsenen Handlungsarme, die Klauen und Scheren, von denen die Waffen gehalten wurden. Leise, sehr hohe, fast zwitschernde Laute kamen aus winzigen Empfängern der Angreifer. Als die ersten Krolocs sich etwa zweihundert Meter von ihren gelandeten Scheiben entfernt hatten, ertönte eine dumpfe Explosion. Binoos hatte das Signal gegeben; ein böllerartiges Rohr wurde abgefeuert. Die Verteidiger versuchten, schnell und erbittert zu kämpfen, ohne sich selbst allzu sehr zu gefährden. Von überall her ertönten die schwirrenden und harten Geräusche, die
28 entstanden, wenn schwere Skerzaals abgeschossen wurden. Die geschliffenen Bolzen bohrten sich durch die Schutzanzüge und die hornigen Körper der Invasoren. Die harpunenartigen Waffen der Uferbewohner heulten aus den Führungsrohren. Steinsplitter surrten durch die Luft und schlugen mit klatschenden Geräuschen in die Körper. Gruben öffneten sich unter dem Gewicht der Krolocs. Die dünne Decke brach zusammen, die Körper spießten sich an den zugespitzten Stäben auf. Schlingen flogen über Büsche und Steinbrocken und legten sich um die Energiewaffen. Ein unvorstellbares Chaos brach los – das Land schien auf seltsame Weise lebendig geworden zu sein. Ab und zu erbeuteten die Verteidiger eine der begehrten Strahlwaffen und verwendeten sie augenblicklich. Nach dem ersten, blitzschnellen Überfall, der eine Menge Opfer kostete, fingen sich die Krolocs bewundernswert schnell. Sie bildeten sofort Gruppen, die sich einigelten. Fauchend und dröhnend entluden sich die Waffen und schickten ihre blitzähnlichen Energiesäulen in jedes Loch, jede sichtbar gewordene Öffnung im Boden. Von wenigen Stellen wurde mit Energiewaffen zurückgeschossen. Auch die Besatzungen der Spaccahs, die die Landung sicherten, begriffen schnell, daß die Bodentruppen in eine Falle getappt waren. Die schwarzen Plattformen huschten heran und nahmen die Verstecke von oben herab unter Beschuß. Sekunden später brannten Büsche und Bäume und die hölzernen Decken und Abstützungen. Schwarze Rauchsäulen und knisternde, gelbe Flammen wuchsen in die Höhe. Wer die Deckung verließ und zu flüchten versuchte, wurde erbarmungslos getötet. Die Krolocs lösten ihre igelartigen Verbände auf und drangen weiter auf die FESTUNG vor. Ab und zu brüllte der kleine Kartapertor auf, das verborgene Geschütz. Es war so wichtig und so einzigartig, daß die Schützen es nur dann einsetzten, wenn sie sicher waren, nicht beobachtet zu werden.
Hans Kneifel Eine große Transportspaccah explodierte und zerlegte sich in der Luft. Die Trümmer fielen herunter und erschlugen viele Krolocs. Aber die nächste landende Spaccah schüttete zweihundert Krolocs aus, die sofort die Getöteten ersetzten. Die Verteidiger zogen sich schnell zurück und versteckten sich wieder, sie warteten auf die nächste Chance von ähnlicher Größe und Wirksamkeit. Zwischen den Bränden, den Explosionskratern und den Leichen und Trümmern kämpften sich die Krolocs weiter. Zwischen den ersten Bäumen des Parks schossen plötzlich zwanzig Zugors hervor. Die Besatzungsmitglieder waren schwer gepanzert; metallene Helme, röhrenförmige Armschütze, dicke Platten vor Brust und Schulter, dazu merkwürdige Waffen, die primitiv aussahen, aber unverkennbar Drohung und Vernichtung ausstrahlten. Die Zugors beschleunigten schnell, rasten den ersten Krolocs entgegen und schwebten nach rechts und links zur Seite. Ein Hagel aus Pfeilen und Bolzen schwirrte heran. Steine und Metallfetzen wurden von kleinen ballistischen Waffen geschleudert. Töpfe mit leicht entflammbarem Inhalt zerplatzten und versprühten ihre Flüssigkeit, die sich in Verbindung mit der Luft sofort entzündete. Die Raumanzüge der Krolocs fingen augenblicklich zu brennen und zu schmoren an. Einige der Zugor-Besatzungen verfügten bereits über Beutewaffen und legten einen Wall aus Blitzen und Strahlen zwischen die äußerste Grenze des FESTUNGs-Geländes und die Angreifer. In einem der Zugors kauerte Sator Synk und handhabte die Strahlenlanze, als ob er sein ganzes Leben lang keine andere Waffe benutzt hätte. Er wußte, daß dieser Einsatz das Vordringen nur für kurze Zeit würde anhalten können, aber sie taten, was sie konnten. Die Gegenwehr der Krolocs war erbittert; sie waren vorbereitet. Aber es ging alles viel zu schnell – die vernichtenden Strahlen trafen auf die schweren Metallplatten, verdampften die wild farbigen Malereien darauf und prallten ab. Auch die
Kampf um Atlantis Zugors waren auf dieselbe Weise gepanzert und überstanden den Angriff mit nur geringen Schäden. Lanzen, Harpunen und Steine, Lähmwaffen und Speere, abermals eine Reihe von zerplatzenden Tongefäßen und dazwischen immer wieder die Feuerstrahlen Synks richteten Verwirrung an. Der Angriff kam zum Stehen. Die Zugors drehten ab, rasten aus dem Bereich der Strahlwaffen heraus und schwebten zurück in die Deckung. Sator Synk sprang aus dem Zugor, der ein paar neue Schrammen und Brandspuren trug. Er rannte auf Binoos zu. »Es ist hoffnungslos!« sagte er keuchend. »Es sind zu viele.« »Ich weiß. Die Zugorflotte kann nicht wirklich etwas ausrichten. Trotzdem gibt es Luftkämpfe an allen Orten Pthors.« »Wie gehen wir vor? Ich meine, in den nächsten Stunden? Der Ring um die FESTUNG beginnt sich zu schließen.« »Er ist erst zur Hälfte geschlossen«, schränkte der Gordy ein. »In kurzer Zeit werden die Bodentruppen Pthors eingreifen. Wo ist Atlan?« »Wäre der Herrscher hier, würden wir alle Mut schöpfen«, erläuterte der Mann aus Orxeya. »Thalia sagt, daß sie ihn erwartet.« »Wir erwarten ihn nicht weniger dringend. Ich wiederhole meine Frage: Wir sollten uns gegen die Krolocs wehren. Wie? Auf welche Weise? Mit welchen Waffen?« »Zunächst mit der Armee der Dellos. Die Züchtungen werden bis zur Selbstauflösung kämpfen!« »Einverstanden. Du gibst die Befehle, Binoos?« »Ja. Ich setze mich an die Spitze der Verteidiger!« Sie wechselten einen langen Blick des Einverständnisses. Binoos und Synk wußten, daß die nächsten Stunden und Tage das Schicksal ihrer Welt entschieden. Freiheit oder Versklavung durch die Krolocs, diese Frage stellte sich. Während sie hier standen und beratschlagten, landeten an anderen Stellen rund um die FESTUNG andere Ver-
29 bände von Spaccahs und schlossen den Ring mehr und mehr. Binoos hob die Strahlenlanze und winkte einer Gruppe, die sich im Hintergrund aufgehalten hatte. Hier grenzte ein Wall aus riesigen Felsbrocken die Umgebung gegen die Ränder des Parks und die Mauern ab. »Nistet euch ein, und die andere Hälfte geht mit mir. Wir halten die Krolocs auf«, rief er. Ein Dello kam herangelaufen und schrie: »Botschaft von Kargentoff! Viele Spaccahs sind in der Ebene von Kalmlech gelandet und in der Wüste Fylln. Kostlohr ist in den Händen des Feindes, ebenso die Oase Spahlln. Die Magier aus der Barriere haben ein Kommando von mindestens hundert Spaccahs vernichtet und in die Schluchten stürzen lassen.« Er rannte weiter, um die Nachricht an anderen Orten zu verbreiten. Binoos blickte den Orxeyaner hochmütig an und erwiderte: »Es ist nicht ganz so hoffnungslos, wie deine zitternde Stimme es machen will, Synk. Raffe dich zusammen!« »Mann der Überheblichkeit«, schrie Sator zurück. »Auch deine Stunde wird kommen!« »Zweifellos, aber sie wird im Zeichen des Sieges stehen. Wir Gordys wissen, wie man trotz Übermacht weiterlebt.« Es hatte einen Augenblick Ruhe gegeben. Jetzt setzten die Kämpfe wieder ein. Auf dieser Seite der FESTUNG drangen die Krolocs schrittweise vor. Die Energiebarriere, die einst die FESTUNG geschützt hatte, war nicht verwendungsfähig. Selbst der Gordy glaubte nicht mehr daran, was er selbst eben geantwortet hatte. Er lief zurück in die große Pyramide, über die verschmutzten Pfade aus farbigen Leuchtkristallen, vorbei an einem See, in dem allerlei Abfall schwamm. Vor der riesigen Pyramide blieb er stehen, als er die Gruppe um Thalia erkannte. Sigurd winkte ihn heran. »Dank Kargentoffs Roboterarmee haben wir einen ziemlich genauen Überblick«, sagte er knapp. »Sieht schlecht aus, Freunde.« »Viele kleine Siedlungen sind erobert, die
30 meisten brennen noch. In die Barriere sind sie bisher nicht eingedrungen. Auch Wolterhaven scheinen sie nicht erobern zu wollen.« »Gibt es Überläufer oder Fälle von Zusammenarbeit?« Heimdall funkelte den Gordy an. »Bisher wurde nichts festgestellt. Die Landung in Kalmlech macht mir Sorgen.« »Wir könnten die Zugors nehmen und dort einige Blitzangriffe vortragen«, schlug Synk vor. »Sigurd … würdest du mit uns fliegen?« »Wir haben viele Zugors hier versammelt. Es könnte wirken.« Wieder unterbrach sie das Geräusch des Geschützes. Ein greller Blitz fuhr schräg in den Himmel hinauf. Dort zerbarst eine große Spaccah und löste sich in Glut und Flammen auf. »Greifen wir also an.« Das Gelände der FESTUNG hatte eine große Ausdehnung. Einst war sie gekennzeichnet durch die Umrisse des Energiemantels von rund hundertsiebzig zu fünfzig Kilometer. Diese Grenzen waren von den Krolocs längst durchbrochen worden; die Kämpfe spielten sich viel näher am Kern des Geländes ab, das aus der riesigen Pyramide und rund hundertzwanzig anderen Bauwerken bestand. Sator Synk hob den Arm. »Kann Kargentoff feststellen, wie groß die Menge der gelandeten Spaccahs ist? Ich meine in der Ebene?« »Ich weiß es. Etwa eintausend Spaccahs.« »Das können zehntausend und mehr Krolocs sein. Eher viel mehr als zehntausend«, meinte Gordy. »Diese Menge kann nur aus der Luft bekämpft werden.« Die Ebene Kalmlech war leer. Für die Krolocs konnte sie ein hervorragendes Aufmarschgebiet abgeben. Dort konnten sie landen und mehr oder weniger unbelästigt ihren Nachschub an Kriegern und Kriegsmaterial ausladen und die Kampfkolonnen formieren. Ein Lautsprecher dröhnte auf. »Kargentoff spricht. Ich habe viele Informationen aus allen Teilen Pthors zusammen-
Hans Kneifel gefaßt. Weit außerhalb von Pthor, in einer Staubmasse oder Staubwolke versteckt, gibt es das zentrale Nachschublager der Krolocs. Es scheinen einige gigantische Flugscheiben zu sein. Dort sammeln sich die einzelnen Truppen, rüsten sich aus und werden hierher in Marsch gesetzt.« Sigurds Leute hatten einige dieser Informationen beigebracht. Andere Messungen stammten vom Wachen Auge. Wieder zusätzliche Hinweise kamen aus den Flugrouten der neu landenden Spaccahs. »Wir werden uns nach diesem Einsatz darum kümmern!« sagte Sigurd grimmig. »Mit dir zusammen, Synk!« »Wenn ich von Kalmlech lebend zurückkomme, gern!« »Einer fürchtet sich immer. Meist ist es jemand aus Orxeya«, spottete Binoos. Synk griff in seinen Bart und verfluchte den Gordy lautlos und grimmig. Dann ging er zu der Gruppe der Zugor-Piloten, die neue Vernichtungsgeräte in die Flugapparate luden und sich auf den nächsten Einsatz vorbereiteten.
* Es waren dreiundvierzig Zugors, die nacheinander aus dem Gelände der FESTUNG aufstiegen und zuerst nach Norden, dann nach Westen flogen. Die Flugapparate stiegen höher und höher und hatten in den ersten Minuten keinen Zusammenstoß mit Spaccahs. An der Spitze der Kolonne kauerte Sator Synk hinter einem halbrund gekrümmten Eisenschild und spähte nach allen Seiten. »Dort vorn, Synk!« rief sein Pilot. »Dort landen sie.« »Ich sehe sie.« Praktisch aus einer Stelle des Wölbmantels, die direkt über dem Mittelpunkt Pthors lag, kamen die Invasoren. Ein breites Band von Spaccahs flog völlig ungehindert schräg auf die Kalmlech-Ebene zu. Das geringe Licht ließ keine deutliche Beobachtung zu, und der Boden war nicht zu sehen. Sator
Kampf um Atlantis Synk drehte sich herum und beobachtete den Luftraum hinter seinem Zugor. Zweiundvierzig Zugors, angefüllt mit den exotischen und meist primitiven Waffen, von Kelotten, Kuroden, Technos besetzt, die sich auf alle denkbare Weise gepanzert hatten, waren hinter ihm. Die Männer waren voll schweigender Entschlossenheit, und ihre Hände umklammerten die Waffen und die Haltegriffe. »Wir werden ihnen ein paar ungemütliche Erlebnisse bereiten«, knurrte der rotbärtige Orxeyaner und winkte nach hinten. Seine Männer rückten auf, die Zugors glitten durch den sausenden Fahrtwind höher und bildeten eine langgezogene Linie. Immer mehr näherten sie sich der Säule aus schnell abwärts schwebenden Zugors, wichen seitlich aus und gingen bis fast an die Grenze des Wölbmantels. Noch hatten die Krolocs nicht bemerkt, daß sich ihnen ein Pulk Verteidiger entgegenwarf. Sator senkte den Arm und gab das Signal. Mit seinen Piloten war jede Einzelheit abgesprochen worden. Sein Zugor raste vor, kippte nach links, und die Männer schossen ihre Skerzaals leer. Dann schleuderten sie die Tongefäße auf die Spaccahs hinunter. Fast jedes der Geschosse traf im ersten Anflug sein genaues Ziel. Binnen weniger Sekunden brannte es auf zwei Dutzend Spaccahs. Sator Synk hatte seinen Arm um einen Haltebügel geschoben, umklammerte die Strahlenlanze und schwenkte die Projektorspitze herum. Er schoß gezielt und noch immer ruhig; jeder Schuß traf entweder einen Spaccah-Piloten oder die Steuereinheit der Plattform. Der Pilot setzte zum zweiten Sturzflug an und schien sich nicht um das Blitzgewitter der Feuerstrahlen zu kümmern, die ihm entgegenschlugen. Wieder fauchte und röhrte die Waffe Synks auf und vernichtete Spaccahs und Piloten. Hinter ihm schrie jemand gellend auf; ein Zugor war getroffen worden und stürzte ab. Während des Stürzens brannten die Tongefäße aus, die Pthorer wurden herausgeschleudert. »Zurück! Und wieder nach oben!« brüllte
31 Sator Synk. Drei seiner Maschinen versuchten sich zu retten. Verwundete und sterbende Pthorer lagen zwischen den Bordwänden. An einigen Stellen brannten die Maschinen und jagten schräg, von den Spaccahs weg, dem Boden entgegen. Hoffentlich erreichten sie den Boden lebend, dachte Sator und sah, wie vor ihm sich das Panorama aus grauem Himmel, braunem Wüstenboden und der endlosen Masse von Maschinen im Landeanflug drehte und kippte. Es waren nur noch drei Dutzend Zugors, die ihrem Kommandanten folgten. Der Rest war abgeschossen oder befand sich auf dem Rückzug. Der letzte Sturzflug. Der Zugor kippte. Die letzten Waffen und Explosionskörper wurden über Bord geschleudert oder abgeschossen. Der Rotbärtige versuchte, möglichst viel Gegner zu treffen und sah, daß der erbitterte Kampf mindestens hundert Spaccahs zerstört oder kampfunfähig gemacht hatte. An vielen Stellen erhob sich in dem Schlauch der landenden Fahrzeuge dicker Rauch. Ab und zu scherte eine Maschine aus dem Verband und taumelte in wirren Kurven und Linien hinunter. Synk wartete nicht ab, bis die ersten Maschinen aufschlugen und explodierten, sondern gab im richtigen Moment das Signal zum Rückzug. Augenblicklich rasten alle Zugors nach verschiedenen Richtungen davon. Hunderte Schüsse jagten ihnen nach und trafen meist nur die schwere Panzerung. An einer höher gelegenen Stelle, die durch Sators Zugor gekennzeichnet wurde, sammelte sich der zusammengeschmolzene Pulk und schleppte sich zur FESTUNG zurück. »Jedenfalls wissen die Krolocs, daß wir sie zu jeder Zeit und an jeder Stelle überfallen können«, knurrte der Anführer der Zugors. Er blickte nach unten und sah, daß die Krolocs im Zentrum der Ebene einen Brückenkopf errichtet hatten. Gewaltige Reihen von Spaccahs lagen dort, kubische Haufen von Ausrüstungsgegenständen stapelten sich zu unübersehbar langen Reihen
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und Blöcken. Es dauerte nicht mehr lange, und dann gab es mehr Invasoren als Bewohner Pthors, sagte sich Synk voll Bitterkeit und hoffte, daß die Mission von Sigurd und ihm draußen im Stau erfolgreicher sein würde.
* Furcht war eine Eigenschaft, die keiner der Bewohner des geheimnisvollen Blutdschungels zu kennen schien. Weder die Dalazaaren noch die Grendts, die schwerbewaffnet und versteckt den Überfall der Krolocs auf Orxeya mitansahen, hatten Angst vor den Geschöpfen, die sich wie riesige Insekten verhielten, wie Ameisen oder Spinnen. Tnarccs, der Anführer der Grendts, zeigte zwischen den Büschen nach vorn und sagte leise: »Und wenn sie uns verfolgen, versinken sie im Morast. Wir müssen so viele ihrer wunderbaren Waffen erbeuten, wie irgend möglich.« »Wenn sie versinken, versinken auch die Feuerstäbe.« »Wahr! Genau das müssen wir verhindern. Ihr kennt die Lianen!« Die Gruppe, dreißig Mitglieder stark, hatte von einem abgehetzten Dello die Nachricht gehört. Die Landung der Krolocs hatte sie keineswegs überrascht; jeder von ihnen war schweigend und verbittert auf einem Ast gesessen und hatte miterleben müssen, wie sich die Invasoren der Stadt Orxeya bemächtigten. Luftkämpfe waren beobachtet worden, in denen die Zugors reihenweise abgeschossen wurden. Die Jäger, deren zweite Natur das Verstecken und lautlose Überfallen war, hatten beschlossen, den Blutdschungel von Invasoren freizuhalten und jeden umzubringen, der es wagte, das Gebiet zu betreten. Zwischen dem Rand des Dschungels und der Stadt erstreckte sich ein freier Streifen Gelände, von trockenen Büschen und stacheligen Moosen bewachsen. Vor Jahren waren dort Obstplantagen gewe-
sen. »Die Lianen! Das ist die Lösung.« Blasrohre mit vergifteten Pfeilen, Bögen und kurze Pfeile, pektoähnliche Harpunen ohne Führungsleinen, Stachelgeschosse und Wurfäxte waren die Waffen der Grendts. Sie drangen langsam, geduckt und in einer langen Reihe, auf die Stadt vor. Schon nach einigen Schritten sahen sie die Spaccahs, zwischen denen sich Krolocs befanden. In diesem Moment schienen die Fremden irgendwelche Befehle erhalten zu haben. Sie bildeten Gruppen, formierten sich zu Zweierreihen und hoben die Lanzen senkrecht in die Höhe. Dann hörten Tnarccs und seine Männer schrille Rufe. Die Krolocs setzten sich in Bewegung, und Tnarccs stieß seinen Nebenmann an. »Wie Spinnen!« sagte er. »Und ebenso ekelhaft.« »Du hast gesagt, was ich denke. Unseren Wald werden sie nicht entweihen.« An anderer Stelle lauerten die Jäger der Dalazaaren auf Eindringlinge und waren ebenso entschlossen, sie mit blutigen Köpfen zurückzuschlagen. Die Krolocs verließen den Platz zwischen ihren Flugkörpern und tappten auf den Wald zu. Welchen Befehl sie erhalten hatten, war den Jägern unklar. Aber er schien mit ihnen und dem Dschungel zusammenzuhängen. Vermutlich sollten die Invasoren auch den Umkreis der Stadt sichern. Die Brände waren inzwischen in der Stadt erloschen, viele Häuser lagen in Schutt und Asche. Tnarccs sagte scharf: »Wir locken sie tiefer hinein. Ihr wißt, was zu tun ist.« Die Krolocs hatten die Raumanzüge abgelegt. Jetzt glichen sie noch mehr riesenhaften Insekten. An ihren Körpern waren mit breiten Bändern kleine, schachtelartige Geräte befestigt. Überraschend schnell kamen sie dem Waldrand näher. Die Jäger zogen sich zurück und verschmolzen mit Stämmen, Blättern und den herunterhängenden Blütenranken. Zwischen den Stämmen herrschte, wie immer, kochende Hitze. Feuchtigkeit breitete sich aus, und jedes Blatt troff vor
Kampf um Atlantis Nässe. Die Krolocs tappten über den trockenen Grund, walzten die stacheligen Gewächse nieder und schoben sich zwischen den ersten Stämmen in den eigentlichen Wald hinein. Unter ihren Klauen begann der Boden zu schwanken. In den Fußstapfen blieb schwarzes, faulig riechendes Wasser stehen. Je tiefer die Truppe – inzwischen war sie auf etwa hundert Krolocs angewachsen – in den Dschungel hineinkam, desto langsamer wurde das Vordringen, und die Abstände zwischen den einzelnen Invasoren wurden größer. Unsichtbar glitten neben ihnen und parallel zu dem kaum sichtbaren Pfad die Grendts durch das Unterholz. Die schwarzhäutigen großen Gestalten waren lautlos, und für die Krolocs war diese Umgebung völlig fremd. Irgendwann, etwa eine Stunde später, nachdem die ersten Krolocs die feuchten Ruinen passiert hatten, flüsterte Tnarccs: »Wir greifen die letzten Krolocs zuerst an!« Sie würden sich nach diesem Kampf am Ufer des Lägiro verstecken, wo sich ihre Baumhäuser befanden und die Unterkünfte, die auf hohen Stelzen standen. Jetzt ertönten zwischen den Geräuschen der Vögel und Insekten zwei, drei fauchende Laute. Handlange und nadelartige Pfeile, an den Enden von einem ballartigen Bündel umgeben, flogen unhörbar durch die Räume zwischen den tropfenden Blättern und den betäubend riechenden vielfarbigen Blüten. Sie bohrten sich in die Köpfe der drei zuletzt vordringenden Krolocs. Die Fremden wurden langsamer, schrien schrill und gaben pfeifende Töne von sich. Als sie zu taumeln anfingen und sich ihre Lanzen haltlos hin und her bewegten, schwangen sich drei Grendts an federnden Lianen heran, packten die Stabwaffen und rissen sie aus den Klauen der Invasoren. Auf der anderen Seite des Pfades verschwanden sie so schnell und unerwartet, wie sie herangeschwebt waren. Dann dröhnten drei Strahlwaffen auf und töteten die nächsten drei Krolocs. Stille, unterbrochen nur vom erschreckten
33 Kreischen der Tiere, breitete sich wieder aus. Langsam versanken die sechs Körper neben dem Pfad im schwarzen, gurgelnden und blasenwerfenden Morast. »Weiter!« Immer wieder erfolgten die unheimlichen Überfälle. Zweimal versuchten Spaccahs, den Krolocs zur Hilfe zu kommen. Aber die Feuerstrahlen brachten nur den Moorboden zum Kochen, Dampfwolken breiteten sich fauchend aus, und die Feuchtigkeit erstickte jeden Brand augenblicklich. Wieder wurde eine Strahlenwaffe erbeutet, abermals versuchten sich die Krolocs einzuigeln und feuerten, ohne jemanden wirklich zu sehen, nach allen Seiten wild um sich. Das Projektil einer Pekto, ein riesiger Harpunenpfeil, nagelte einen Kroloc an den meterdicken Stamm eines Baumriesen. Wieder schwang sich ein schwarzer Dschungeljäger durch die aufkrachenden Zweige und eroberte eine der begehrten Waffen. Die Krolocs erkannten die Gefahr nicht. Die Krieger merkten nur, daß immer wieder ein unsichtbarer Gegner zuschlug, ihre Kameraden schnell und erbarmungslos tötete und die Waffen erbeutete. Die Krolocs igelten sich wieder ein, drangen in verschiedene Richtungen vor und versuchten, sich in den Ruinen zu verschanzen. Pfeile heulten auf sie zu und bohrten sich in die Köpfe, ein Moorloch öffnete sich und verschlang drei Invasoren. Wieder erfolgte ein wütender Schußwechsel, abermals wechselten einige Strahlenlanzen die Besitzer. Eine Stunde später lebte nur noch der Anführer der Krolocs; er kauerte in einem Winkel der feuchten, schimmelbedeckten Ruinen unweit eines Lägiro-Seitenzuflusses und schoß voller Panik ungezielt auf alles, was sich zu bewegen schien. Ein Pekto-Projektil aus einer Wargoon-Waffe beendete sein Leben. Hundert Dschungeljäger besaßen die schweren Strahlwaffen und schleppten sie in die Tiefe des Waldes. Als die Jäger auf andere Gruppen von Grendts oder Dalazaaren stießen, verteilten sie die Waffen. Von den
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Krolocs kam nicht ein einziger zurück, und die Spaccahs, die über das Blätterdach des Blutdschungels flogen und die Kommandos suchten, fanden nicht einmal die Körper. In den nächsten Stunden und Tagen versuchte nicht ein einziger der Fremden, in den Dschungel einzudringen. Orxeya blieb von den Krolocs besetzt.
* Thalia schüttelte langsam den Kopf und sagte zu Sigurd: »Ich bin sicher, daß es besser ist, du brichst in das Waffenlager auf. Sator Synk soll mit Heimdall zusammen in den Korsallophur-Stau eindringen.« Vor kurzer Zeit hatten sich die beiden Brüder an eine alte Legende erinnert. An einem bestimmten Punkt der Straße der Mächtigen, zwischen Donkmoon und Aghmonth, sollte ein uraltes Lager geheimnisvoller Waffen sein. In Zeiten der echten Gefahr sollten die Waffen aus dem subpthorischen Lager jeden, der sie fand, zum Sieg über den Feind führen. »Vielleicht hast du recht. Es mag besser sein. Außerdem dauert es sicherlich nicht sonderlich lange. Falls wir die versteckten Waffen finden.« »Sator wartet!« dröhnte Heimdall. »Ich fliege mit ihm. Du bleibst hier, Thalia?« »Ja. Zusammen mit Kargentoff versuche ich, die Kämpfe zu koordinieren. Ich habe eben gehört, daß die Magier eine große Staffel Spaccahs an den Zinnen der Tronx-Kette haben scheitern lassen.« »Viel Glück, Schwester.« Natürlich konzentrierten sich die Verteidigungsanstrengungen auf das Gebiet rund um die FESTUNG und die FESTUNG selbst. Überall befanden sich Krieger in abenteuerlicher Ausrüstung. Fast von jeder Gruppe, die auf Pthor lebte, gab es hier Vertreter. Koy der Trommler war gesucht, aber bisher noch immer nicht gefunden worden. Von Atlan war auch noch keine Nachricht eingetroffen.
»Ich kann das Glück dringend brauchen.« Sie befanden sich in der Schaltzentrale der großen Pyramide. Ununterbrochen liefen Meldungen ein. Es gab ebenso Beispiele, in denen es den Pthorern gelang, die Krolocs zurückzuschlagen und ihnen Spaccahs und Waffen abzunehmen, aber die Meldungen von eingenommenen Siedlungen waren häufiger. Fast einen ganzen Tag lang dauerte die Invasion bereits; von Minute zu Minute versammelten sich mehr Krolocs auf Pthor. »Ich habe im Lichthaus Kartenmaterial«, erinnerte sich Sigurd weiter. »Ich werde das Versteck finden, wenn es vorhanden ist.« »Nimm deinen Zugor, ein paar Dellos, und dann beeile dich. Ganz Pthor wartet auf die Wunderwaffen«, rief Heimdall und zwängte sich wieder in den Raumanzug. »Wir werden wieder die Krolocs dort treffen, wo sie es am wenigsten erwarten.« »Alles Glück auch für euch!« rief Sigurd dem Bruder nach. Der Gordy Binoos trat herein und hob den Arm. »Ich habe soeben gehört, daß fünf Zugorbesatzungen unweit Orxeyas von Dschungeljägern mit Strahlwaffen ausgerüstet worden sind. Sie sind auf dem Weg in die Ebene Kalmlech und wollen dort zuschlagen.« »Gut. Ich denke, daß kein Kroloc im Dschungel die geringste Chance, hat. Aber am Gesamtgeschehen ändert dies nicht das Geringste.« »Leider.« Sigurd packte seine Waffen, winkte der Begleitung und stapfte hinaus. Nach einigen Sekunden folgten ihm Sator Synk und Heimdall. Beide Männer wußten, daß sie für den Vorstoß ins All ganze vierundzwanzig Zugors und sechzig Männer hatten, von denen allerdings vierzig Kämpfer über erbeutete Strahlwaffen verfügten. Der Start der vierundzwanzig schnellen Zugors wurde von den Krolocs entweder nicht bemerkt oder nicht angegriffen. Kurz darauf schossen die Flugmaschinen durch den Wölbmantel und versuchten, das versteckte Ziel zu erreichen.
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7. Für eine lange Minute gestattete sich Tagger Blyhs, seine Vielbeinigkeit, ein paar Augenblicke Gedanken an Entspannung. Er streckte alle seine Beine von sich und sank auf das runde, harte Kissen im Zentrum seiner Kommandospaccah. Die Flugscheibe lag, umgeben von anderen Spaccahs, auf einem runden Geröllhügel der Ebene von Kalmlech. Seit er die Kriegsfarben angelegt hatte, war ein strategischer Erfolg nach dem anderen errungen worden; von seinem Konzept der Invasion gab es nur minimale Abweichungen. Sein Nachrichtenspezialist wandte sich nach einer Weile an ihn und sagte: »Seine Mehrbeinigkeit, Pemar Gayn, wünscht sofortigen Kontakt.« Tagger deutete auf die Geräte, öffnete ein Auge nach dem anderen und sagte, als erwache er aus langer und tiefer Erstarrung: »Besteht die Verbindung?« »Wir sind sprechbereit.« Als sich Blyhs dem Bildfunkgerät zuwandte, fiel sein Blick auf die gigantische Ansammlung von Spaccahs, die den Hügel und das umliegende Land bedeckte wie ein Pflaster aus unzähligen runden Elementen. Er hob die Kopfarme in der traditionellen Geste und fragte: »Du hast mich zu sprechen gewünscht, Mehrbeinigkeit? Was darf ich dir berichten?« »Wie groß ist der Fortschritt? Die Invasion dauert bereits etliche Zeitmaße!« Tagger Blyhs begann aufzuzählen. »Von den etwa achttausend Spaccahs der Invasionstruppe sind mehr als siebentausendsechshundert gelandet, nachdem sie den lächerlichen Schutzschirm durchstoßen haben. Etwa dreihundert wurden abgeschossen oder flugunfähig gemacht. Wir haben wenig Schwierigkeiten gehabt, die meisten großen Siedlungen zu besetzen; es sind im Moment noch sechs Punkte, die sich erfolgreich wehren. Das Regierungszentrum von Pthor, das
auch Atlantis genannt wird, ist fast völlig eingeschlossen.« »Seid ihr zum Sturm angetreten?« »Noch nicht, Gayn. Noch haben alle Umzingelungstruppen nicht die ihnen ausreichende Bewaffnung und Ausrüstung. Die Brut-Spaccah wird in kurzer Zeit eine neue Sendung losschicken. Und überall dort, wo wir gelandet sind – zum Beispiel hier in der Ebene westlich der FESTUNG –, beherrschen wir uneingeschränkt das Feld.« »Die feindliche Luftarmee?« »Sie hatten schätzungsweise vierzehntausend der kleinen Fluggeräte. Davon sind bestenfalls noch achttausend flugfähig. Eine gut gedrillte Spaccah-Besatzung wird mit zwanzig Gegnern dieser Art fertig. Seit Stunden geht die Anzahl der Luftkämpfe kontinuierlich zurück.« Hinter dem Kommandanten der Invasion standen zwanzig Krolocs. Es waren Angehörige der persönlichen Leibwache. Sie hielten die Strahlenlanzen, an denen breite Markierungsbänder funkelten, senkrecht in die Höhe. Die Krieger bewegten keinen Muskel und zwinkerten nicht mit einem einzigen Auge. Mit Wohlgefallen bemerkte Tagger, daß der Blick seines Vorgesetzten immer wieder zu diesem Bild militärischer Durchschlagskraft abirrte. Stolz erfüllte sie beide und auch die Kroloc-Krieger. »Wenige Luftkämpfe also. Wann werdet ihr die Zentrale stürmen und schleifen?« »In etwa einem Tag nach dem Maß dieses Landes hier, Mehrbeinigkeit.« »Gibt es Widerstände, die diesen Zeitplan umwerfen können?« »Ich sehe keinen einzigen.« »Wie wehrt sich der Gegner?« »Verbissen und tapfer. Wir werden sehr kämpferische Kolonisten für unsere Expansionsbewegungen haben, wenn wir erst alle ihre wichtigen Anführer gefangen haben. Aber …« »Ja?« Eine Spur Mißmut schien die Frage der Mehrbeinigkeit zu unterstreichen. »Aber ihre Bewaffnung ist, wie die
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Scouts richtig feststellten, jämmerlich. Sie werfen Steine nach uns!« »Vermutlich wissen sie damit auch zu treffen. Es gibt also keinen ernsthaften Grund, am Erfolg meines Vorhabens zu zweifeln?« Tagger Blyhs verneinte energisch. »Nicht den geringsten. In drei Tagen sind wir die Herren von Pthor, und ich bringe dir die Anführer in Fesseln.« »Ausgezeichnet. Zögere nicht, Nachschub an Material und Kriegern anzufordern, wenn es nötig ist.« »Es wird nicht nötig sein!« »Deine Erläuterungen hören wir gern; wir zweifeln nicht daran. Es ist schön, einen Gegner zu besiegen, der sich trotz waffentechnischer Unterlegenheit tapfer wehrt.« »So ist es, Pemar Gayn!« Der Vorgesetzte schaltete die Verbindung aus. Blyhs gestattete sich eine starke Empfindung von Zufriedenheit, dann verlangte er Spank Vhroon zu sprechen, der sich in der Nähe der FESTUNG befinden mußte. Die letzten Schritte der Invasion mußten abgestimmt werden.
* Abermals breitete sich vor ihnen die düstere Pracht des Korsallophur-Staus in alle Richtungen aus. Staubwolken und Zusammenballungen fast aller Abstufungen des Braun und von Grau. Einzelne Lichtinseln und verschieden dicke, scheinwerferartige Bahnen grellen Sonnenlichts. Hier und dort eine einzelne Spaccah, deren unsichtbarer Schild aus Durchdringungsenergie die Staubwolken durchpflügte und zur Seite schob. Ab und zu das Geräusch aus den Vibrationen, wenn kleine Trümmerstücke gegen die Wände der Zugors oder gegen die Panzerungsbleche krachten wie Projektile. Die Spaccahs kamen alle aus einer Richtung. Die Scheiben glitten aus einer dunklen, großen Wolke heraus, deren Ränder zerfa-
sert waren. Binoos tippte Sator Synk auf die Schulter und zeigte mit der glühenden Spitze der Beutewaffe auf die Wolkenstrukturen. »Dort ist dieses Monstrum versteckt, furchtsamer Rotbart.« »Du kannst deinen Mut an jener Stelle kühlen, arroganter Gordy«, gab Synk zurück. »Und dort wirst du auch den gallebitteren Geschmack des Todes kennenlernen.« »Du kennst ihn bereits?« erkundigte sich der Gordy hochfahrend. »Ich kenne ihn. Ich war ihm schon oft sehr nahe. Deswegen bin ich hier und ziemlich ungerührt«, war die kühle Antwort. Aus dem Helmlautsprecher des Anzugs kam Heimdalls dunkle Stimme: »Spart eure Energie für den Überfall auf. Und keine vorwitzigen Schüsse auf Spaccahs. Sie sollten uns für ihresgleichen halten.« »Verstanden, Sohn Odins«, gab der Gordy zurück. Die Zugors steuerten schnell den Punkt an, aus dem die Spaccahs in den Weltraum vorstießen. Die Masse des Weltenfragments Pthor wurde kleiner und verschwand in dem grauen, lichtarmen Einerlei des Hintergrundes. Trotzdem würde es keine Schwierigkeiten geben, dorthin zurückzufinden. Die Zugors rasten geradeaus. Die Besatzungen erwarteten in dem Versteck eine gigantische Spaccah oder einen Verband aus großen Flugscheiben, der voller Ausrüstungsgegenstände war. Da offensichtlich das Gros der Invasoren auf Pthor gelandet waren, konnte die Bewachung nicht so intensiv sein wie während des ersten Vorstoßes. Die Männer schwiegen und bereiteten sich auf die vor ihnen liegende Aufgabe vor. Sator Synk und Binoos befanden sich in der ersten Flugmaschine, Heimdall sicherte im letzten Gerät nach hinten. Die Raumanzüge waren in Ordnung. Der Luftvorrat reichte aus; die Panzerung der Männer war ebenso improvisiert wie stets während der Kämpfe. Lautlos schwebten die Zugors in die ersten Ausläufer des grauen Nebels hinein. Immer wieder trafen kleine
Kampf um Atlantis Gesteinsbrocken die Flugapparate. Jedesmal, wenn die Vibrationen durch das Metall der Zugors klirrten, fuhren die Pthorer erschreckt zusammen. Im Bereich des grauen Staubes ging die Sicht schlagartig drastisch zurück. Einerseits sahen die Pthorer wenig, aber gleichzeitig war die schlechte Sicht ein Schutz für sie. Die Geschwindigkeit des kleinen Pulks verringerte sich kaum. Sie drangen ein, weiter und weiter – einmal, zweimal schnitten vollbesetzte Last-Spaccahs dicht an ihnen vorbei durch das dunkle Grau. »Das Ziel müßte bald auftauchen. Ich ahne es!« murmelte der Gordy. Jetzt schien er viel von seiner Überheblichkeit abgelegt zu haben. »Du und deine Ahnung. Ahnst du deinen nahen Tod und unser Ende?« erkundigte sich Synk, der noch immer fest damit rechnete, lebend zurückzukehren und in den Kampf um die FESTUNG eingreifen zu können. »Ich ahne, daß wir die Krolocs abermals überraschen.« »Still!« donnerte Heimdall. Und dann tauchte die Spaccah aus dem Dunkel auf. Sofort verringerten alle Piloten die Geschwindigkeit des Zugors. Es war die gewaltigste Spaccah, die man sich in den kühnsten Träumen vorstellen konnte. Die Zugors veränderten die Formation, in der sie bisher geflogen waren. Aus einer lang auseinandergezogenen Linie wurde wieder ein Angriffskeil. Eine Spaccah jagte vorüber; niemand bemerkte die Pthorer, kein Kroloc schoß oder gab erkennbare Signale. »Sucht einen Eingang!« brummte Heimdall. »Wenn wir das Gerät nicht zerstören können, steuern wir es vielleicht nach Pthor.« »Einverstanden!« Keuchende Atemzüge und leise Ausrufe des Schreckens und der Verwunderung drangen aus den Helmlautsprechern. Synk legte seine Hand im schweren, mit Metallplättchen gepanzerten Handschuh auf die Schulter des Piloten und dirigierte die Schal-
37 tungen des Dalazaaren mit mehr oder weniger Druck. In der Rechten hielt der Anführer der fliegenden Truppen die Energielanze schußbereit. Noch immer gab es keinen sichtbaren Alarm durch die Krolocs. Die Spaccah war ein gepanzertes Fort, mehr eine Scheibe als eine Plattform, etwa ein Viertel mal so hoch, wie der Durchmesser betrug. Eine Schätzung ergab, daß der Durchmesser kaum geringer als einen Kilometer sein konnte. »Der Urvater aller Spaccahs!« stöhnte jemand. Einige kleinere Flugscheiben hingen wie Insekten an kleinen Luken und wurden beladen. Noch merkte kein Kroloc etwas von den Pthorern. Langsam umrundeten die ersten Zugors das Mittelteil der Riesenspaccah. Aus der Rundung der Flanke schob sich aus dem Dunkel eine große, deutlich abgegrenzte Luke hervor. Sie war von einem rohrstutzenähnlichen Umbau verziert, aus dem Innern schimmerte schwach Licht hervor. Jeder Zugor war klein genug, um durch diese Öffnung zu passen. »Hineinfliegen, Heimdall?« fragte Binoos angespannt. »Ohne zu zögern. Sucht die wichtigen Räume!« Als die Zugors nahe genug an der Schleuse waren und ihre Geschwindigkeit abermals verringerten, vergaßen die Insassen die Größe der Flugscheibe. Die leicht nach außen gewölbten Flächen waren rechteckig eingegrenzt, als bestünden sie aus riesigen zusammengenieteten Platten oder Bauelementen. Überall gab es Poller, schwere Haltegriffe und einfache Greifer. Sator Synk nickte seinen Männern zu. Die erste Mannschaft raste durch die offene Schleuse in einen niedrigen, aber breiten Korridor hinein. Drei Krolocs, die sich unmittelbar hinter dem Eingang befanden, wurden überrascht und niedergewalzt. Und wo sind die wichtigen Räume? fragte sich hilflos der Orxeyaner. Nacheinander drangen die Zugors ein, alle vierundzwanzig Maschinen. Der Korridor
38 schien die Spaccah auf dieser Ebene zur Gänze zu durchteilen. Synk und drei nachfolgende Besatzungen ließen ihre Zugors wieder schneller werden, gingen blitzschnell nach allen Seiten in Schußposition und rasten geradeaus weiter. Zweimal warfen sich ihnen Krolocs entgegen, die eindeutig überrascht worden waren. Lange Feuerstrahlen fegten durch den luftleeren, Korridor und vernichteten die Verteidiger. Hinter Synk und Binoos bogen einzelne Zugors nach rechts und links ab. Eine stärkere Gruppe – mindestens fünf Maschinen unter der Leitung von Heimdalls Piloten – schwebte eine Rampe aufwärts. Die riesige Spaccah war ein reichlich primitives Gerät, das wirklich nur dem Transport und dem Umschlag gewaltiger Mengen von Material diente. Rohe Metallverbindungen, eckige Stahlsäulen, einfach befestigte Tiefstrahler und beleuchtete Schilder mit schriftlichen Hinweisen, ein gummiartiger Bodenbelag mit feinen runden Noppen, stufenlose Rampen und immer wieder riesige, bis an die dunkle Decke reichende Stapel von Containern, Ballen und riesigen Kisten – damit schien das Innere ausgefüllt zu sein. Die Stapel reichten stellenweise hundertfünfzig Meter oder höher hinauf. »Das werden wir niemals vernichten können!« rief Heimdall. »Viel zu viel Material!« Einzelne Scheinwerfer fingen aufgeregt zu blinken an. Offensichtlich war jetzt Alarm gegeben worden. Synks Zugor wurde langsamer; sie hatten den jenseitigen Ausgang erreicht. Die Spaccah war kein Raumschiff, sondern ein hohler Transportkörper; vermutlich herrschte nahezu überall das stauberfüllte Vakuum des Weltalls. Als der erste Zugor den Bereich des Einfluglochs erreicht hatte, blinzelten die Männer, um ihre Augen an die Dunkelheit vor ihnen besser zu gewöhnen. Vor dem riesigen Transportgerät schwirrten einige kleine, teilweise beladene Spaccahs aufgeregt hin und her. Auf den Flugscheiben befanden sich entweder keine be-
Hans Kneifel waffneten Krolocs, oder die Wesen erkannten die Gefährdung ihrer Nachschubbasis noch nicht. »Zurück! Versuchen wir, zerstörbare Anlagen zu erkennen.« »Verstanden, Binoos!« Die Zugors drehten und schwebten wieder zurück. Eine einzelne Maschine schob sich nach vorn und blieb im Sichtschutz eines kleineren Stapels zurück. Die Pthorer legten die Strahlenlanzen an, einige Männer stiegen aus und machten sich an den Kisten und Containern zu schaffen, blieben aber in erreichbarer Nähe. Als Synk die erste, links abzweigende Rampe sah, sagte er scharf: »Dort hinein. Vielleicht finden wir den Steuerstand.« Die Ausdehnung der Spaccah garantierte fast die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Pthorer verirrten. Binoos und Synk überlegten fieberhaft, was sie am besten unternehmen sollten; Zerstörung allein ergab keine zufriedenstellende Lösung. Das Problem war, wie die Spaccah, zu groß für die Handvoll mutiger Angreifer. Inzwischen hatten die Besatzungen zweier kleiner Spaccahs, insgesamt neun Krolocs, das Feuer auf die Zugors innerhalb des Hauptkorridors eröffnet. Die Pthorer schossen zurück und befanden sich in vorzüglicher Deckung. Die Krolocs zerstörten selbst ihre Vorräte; die Energiewaffen brannten tiefe Löcher und hinterließen brennende Krater in den Wandungen der Container. Binoos und Synk schwebten durch die Abzweigung, die ebenfalls nichts anderes war als ein Korridor im Licht von Tiefstrahlern zwischen gewaltigen Stapeln. Wenn auch dieser Gang gerade verlief, würde er den Rand der Spaccah berühren, wie jede rechtwinklig verlaufende Abzweigung. Bisher war nicht ein einziges Gerät zu erkennen gewesen, das der Steuerung der Spaccah dienen konnte oder andere, wichtige Funktionen erfüllte. Die Zugors schwebten tiefer hinein, folgten einer weiteren Abzweigung und hielten an, als sie eine Art Schlucht er-
Kampf um Atlantis reichten, die sich zwischen den dunklen Wänden ausbreitete. Hier gab es mehr Licht aus mehr Scheinwerfern. Die Strahlenkegel fielen schattenlos auf Pulte, Reihen von Schaltern und Bänke voller technischer Anordnungen. Es mußten Schaltungen sein, denn sie waren in genau der Höhe angebracht, in der sie von den Klauen der Krolocs erreicht und bedient werden konnten. »Ausgezeichnet!« rief Binoos, ließ anhalten und sprang mit einem Satz über die Seitenwand des Zugors. »Hier können wir ihnen einen nachhaltigen Schaden zufügen. Los!« Mehrere Männer kletterten hinaus und fingen systematisch damit an, die Pulte und die Schaltungen zu zerstören. Die weißen Strahlen fraßen sich schnell und funkensprühend durch das Metall und zerschnitten unsichtbare Verbindungen. Bisher hatten nur wenige Scheinwerfer geblitzt, jetzt begannen alle denkbaren optischen Signale zu rotieren, zu blinken und eine gesteigerte Lichtmenge zu verströmen. Aber die Pthorer waren schnell und voller Wut, entschlossen, dem Gegner soviel Schaden wie möglich zuzufügen. Synk dachte kurz daran, wie es aussehen mochte, wenn sie die brennende Spaccah zu verlassen versuchten – er schüttelte sich und zwang sich, nicht einen Gedanken mehr daran zu verschwenden. »Hoffentlich«, rief eine Stimme durch das allgemeine Chaos aus Atemzügen, keuchenden Lauten, Flüchen und Kommandos, »werden wir nicht hier eingeschlossen.« Zwei Drittel der Anlage waren unrettbar vernichtet. Aus den klaffenden Löchern zuckten Flammen und Lichtbogen. Die Beleuchtung aller Instrumente war erloschen. Aus den Führungsrillen der Regler kam dicker Qualm, der im wechselnden Licht seltsame Farben und Strukturen annahm. Mit wenigen Feuerstößen zerstörten die Pthorer den Rest der Anlage und brannten tiefe, kraterförmige Löcher in den metallenen Boden. Unterdrückt rief Sator Synk: »Heimdall! Wo seid ihr? Habt ihr Er-
39 folg?« Auf seinen Wink und die leisen Kommandos von Binoos schwangen sich die Pthorer wieder in die Zugors. Ratlos blickte sich Synks Pilot um. »Wir scheinen die Steueranlage gefunden zu haben. Ziemlich sicher. Aber draußen wimmelt es von Krolocs. Noch haben sie uns nicht entdeckt.« »Ich denke, wir sollten zusammenbleiben. Wir versuchen, zu dir vorzudringen. Klar!« »Einverstanden.« Synk bedeutete seinem Piloten, geradeaus zu steuern. Die anderen Zugors folgten und verließen den Schacht, der hoffnungslos zerstört war und an den Rändern zu den Stapeln hin zu brennen begann. Hin und wieder schossen die Pthorer in die Container oder Ballen hinein. Es gab Stichflammen und Explosionen, die sich kettenartig fortsetzten. Der nächste Korridor war so schmal, daß sich die Zugors nur schlecht manövrieren ließen, aber die Gruppe kam durch, ohne auf einen einzigen Kroloc zu stoßen. Minuten später schrie jemand über die Funkanlage: »Es sind zu viele! Wir ziehen uns zurück. Zum Mittelpunkt!« »Es kommen noch mehr Spaccahs!« »Vorsicht, sie sind über uns!« Synk konnte sich denken, daß die Gruppen an den Schleusen oder Eingängen in ernsthafte Schwierigkeiten gekommen waren. Wenn sie sich zurückzogen und die Krolocs nachdrückten, würden die Spinnenwesen sich hüten, zuviel zu schießen – sie zerstörten sonst ihr eigenes Material. »Seid ihr in Gefahr?« rief er und hoffte auf Antwort. Es kamen weder Schreie noch Kommandos zurück. Die vorstoßenden Zugors ließen Rauch und Feuer hinter sich. Dann, plötzlich, merkten sie alle, daß sich die Spaccah bewegte. Es waren entweder die langwelligen Vibrationen von schweren Explosionen oder tatsächlich eine Vorwärtsbewegung, ausgelöst durch Heimdalls Schaltungen. Die Flugkörper wurden schneller, Binoos und Synk ließen nach rechts abbiegen und befan-
40 den sich in dem Korridor, den Heimdalls Gruppe eingeschlagen hatte. Der Korridor war voller kämpfender Gruppen. »Nach rechts und links feuern. Steigt höher«, stieß Synk hervor und zielte bereits auf eine kleine, heranrasende Spaccah, »setzt euch über sie und beschießt sie von oben!« »Geht in Ordnung, Rotbart«, gab Binoos ruhig zurück. Zwei Zugors stiegen zwischen den Stapelwänden fast senkrecht und sehr schnell hoch. Eine Spaccah, aus fünf Waffen unter konzentrierten Beschuß genommen, schlug seitlich gegen eine aufglühende Wand, wurde zurückgeschleudert und prallte schwer gegen die andere Seite der künstlichen Schlucht. Dort kippte der Flugkörper und wirbelte seine Insassen hinaus. Ein Zugor wurde von drei Spaccahs angegriffen und abgedrängt. Die Pthorer schossen nach allen Seiten. Ein Pilot wagte ein selbstmörderisches Manöver. Er stürzte sich, während die Besatzung versuchte, die anderen Pthorer zu retten und das Feuer auf sich zu ziehen, schräg abwärts und rammte denjenigen Verteidiger, der das Gefährt der Pthorer am meisten bedrohte und beschoß. Beide Flugapparate krachten in hohem Tempo zusammen und gingen in Flammen auf. Einige Pthorer, die aus den Zugor gesprungen waren, hatten den Verschluß eines Containers aufreißen können. Sie zogen ungebrauchte Strahlenlanzen hervor und verwendeten sie sofort dazu, um lange Feuerstöße auf die Krolocs abzugeben. Dann schrie einer von ihnen: »Hierher! Wir haben Tausende Feuerlanzen gefunden!« Jeder von ihnen hielt zwei oder drei der schweren, langen Waffen in den Händen, betätigte gleichzeitig zwei oder drei Auslöser und feuerte auf Spaccahs und Krolocs. Die mächtigen Glutstrahlen schleuderten die Verteidiger zurück, ließen die Spaccahs explodieren und hinterließen, wo sie in die Wände und Container einschlugen, gewaltige Löcher. Überall breitete sich das Inferno
Hans Kneifel aus. Scheinwerfer erloschen, und ab und zu schienen lange Kabel oder Drähte hoch über den Stapeln aufzuglühen wie kalte, lautlose Blitze. Synk schrie durch das Chaos: »Sammeln! Kommt alle hierher!« Noch immer fuhren mächtige Strahlenbündel nach rechts und links. Eine Spaccah raste führerlos davon und schlug am Ende des Korridors in den Boden. Einer der Pthorer schoß in den sich rasch ausbreitenden Glutball hinein und rannte dann geduckt auf Sator Synk zu. »Hier bin ich. Wenn wir dort hineinschießen, explodiert ein Großteil dieser Basis.« Binoos erwiderte kalt: »Dort entlang! Holt mehr Waffen und helft Heimdall!« »Aber …« »Wenn wir den Container voller Strahlenlanzen in die Luft jagen, bringen wir uns um«, schränkte Synk ein. »Und wenn nicht, dann machen wir wahrscheinlich unseren Rückzug unmöglich. Wir sind, selbst wenn man uns umzingelt und einschließt, bei Heimdall in der Steuerkanzel, oder wie sich der Platz auch nennen mag, am sichersten! Los! Dorthin! Keine Widerrede!« »Das ist richtig. Kommt! Hier entlang!« Die Männer schwangen sich, inzwischen mit den fremden Waffen bestens ausgerüstet, in die Zugors. Pthorer und Zugors waren weniger geworden; für den Augenblick hatte der Kampf in der Spaccah seinen Höhepunkt überschritten. Der erste Flugapparat war überladen, aber er schwebte mit ständig steigender Geschwindigkeit geradeaus und auf den flackernden Lichtschein zu, der am Ende des Korridors leuchtete. »Noch immer spüre ich den versprochenen Todesgeschmack nicht«, meinte Binoos versöhnlich und schlug dem kleinen Orxeyaner auf die Schulter. »Kommt noch, Gevatter! Ganz sicher«, erklärte Synk und beobachtete sichernd den Aufbruch der zusammengeschmolzenen Gruppe. Der Zugor, der ihn hierher gebracht hatte, funktionierte noch. Auch der Pilot leb-
Kampf um Atlantis te. Aber der Boden des Korridors war nach beiden Richtungen, so weit man zwischen den Rauchschwaden sehen konnte, mit toten Pthorern, den Trümmern von Zugors und Spaccahs und mit bewegungslosen Krolocs bedeckt. Zwei Dalazaaren, die jeweils mindestens ein Dutzend Strahlenlanzen schleppten, kamen auf den letzten Zugor zu und schoben die Last über die Bordwand. »Schneller! Wir müssen hier weg. Sie werden gleich mit Verstärkung kommen!« rief Synk drängend. Der Zugor schwebte langsam an. Die Besatzung rettete sich ans andere Ende des abzweigenden Ganges. Hier schienen sich inzwischen tatsächlich alle Überlebenden versammelt zu haben. Fremde Waffen gab es mehr als genug, für jeden lebenden Pthorer mindestens zwei Strahlenlanzen. Synk zählte schweigend und beklommen fünfzehn Zugors, die reichlich ramponiert aussahen. Als er die Zählung seiner Männer beendet hatte, fühlte er kaltes Grauen aufsteigen. Ihn eingeschlossen gab es noch zweiundvierzig Männer. Sechzig waren hierher aufgebrochen. »Achtzehn von uns fehlen. Wahrscheinlich sind sie tot«, sagte er hohl. »Heimdall?« »Ich höre?« Der Hüne drehte sich um. Teile der Schaltungen waren demoliert, an anderen arbeiteten Heimdall und die Männer seiner Gruppe. »Wir sollten ein Loch durch die Wand schneiden und flüchten, solange wir noch flüchten können.« »Noch nicht. Das Loch könnt ihr brennen, aber es macht die Krolocs auf uns noch mehr aufmerksam.« »Warum … noch nicht?« fragte Binoos kühl. »Weil wir vermutlich die Spaccah steuern können. Wohin, das ist ziemlich gleichgültig. Ihr müßt verhindern, daß die Krolocs eindringen.« Synk und Binoos blickten gleichzeitig in die Höhe und dann um sich. Alle Pthorer befanden sich in einer annähernd runden Abteilung, deren Boden von Pulten und Schal-
41 tungen in ansteigenden, zweihundertvierzig Grad umfassenden Blöcken bedeckt war. Vor den Pulten befanden sich zahllose kleine Bildschirme, die an einem Gittergerüst angebracht waren und im Augenblick einen zusammenhängenden Ausschnitt des Kosmos zeigten. Wieder die Wolken, Lichtstrahlen, Helligkeitsinseln und Staubmassen. Und natürlich Spaccahs, die sich von allen Seiten in immer größer werdenden Anzahl der riesigen Transportplattform näherten. Etwa sieben Gänge, ausnahmslos durch Spalten oder Öffnungen zwischen den deckenhohen Stapeln gebildet, mündeten am Rand der ausgesparten Zone. Binoos stöhnte auf. »Dieser Punkt ist so gut wie gar nicht zu verteidigen.« »Wir müssen es versuchen. Sieben Zugors, sieben Piloten, vierzehn Mann mit genügend Waffen!« rief Synk. »Dort hinauf. Und in den entscheidenden Momenten gut gezielt feuern. Vielleicht könnt ihr euch auf den Stapeln ganz oben verstecken.« »Verstanden.« Eine halbe Minute später schwebten die Flugkörper senkrecht nach oben. Hinter Zugors und schnell aufgetürmten Teilen der Ausrüstung nahmen die anderen Pthorer Deckung. Nur Heimdall und ein paar andere Männer versuchten, die gigantische Spaccah zu bewegen. Sie zogen Hebel, rannten hierhin und dorthin, betätigten Schalter und erreichten – nichts. Heimdall und Synk ahnten, ohne miteinander gesprochen zu haben, daß die Ruhepause, die man ihnen ließ und die schon mehrere Minuten dauerte, in ganz kurzer Zeit vorbei sein würde. Die Spaccahs sammelten sich; auf dem riesigen MosaikBildschirm waren Teile der Armada deutlich zu erkennen. Bald würden sie angreifen, und dieser Angriff würde der letzte, günstigstenfalls der vorletzte sein. Die Kühnheit der Pthorer hatte sie in eine selbstgewählte Falle geführt. Heimdall schwor sich, die Spaccah zu sprengen, wenn es ihm nicht gelang, sie in Bewegung zu setzen. Die riesige Konstruktion wurde immer
42 wieder erschüttert, aber sie glitt nicht, wie erhofft, geradeaus. Sie warteten schweigend und beklommen, ängstlich und wütend. Einige Minuten vergingen auf diese Art. Immer wieder schwankte die riesige Konstruktion. Die Stapel der Ausrüstungscontainer schwankten mit; unhörbar knirschten sie in den Verstrebungen und an den Halterungen. Dann kamen die Spaccahs, vollbesetzt mit Krolocs. Die Invasoren hatten eindeutige Befehle bekommen. Sie sollten offensichtlich in selbstmörderischen Angriffen jeden Eindringling töten und die Spaccah besetzen. Die Korridore und Hohlräume füllten sich. Die ersten Strahlschüsse leuchteten auf. Die Krolocs gingen schnell und mit vernichtender Disziplin vor. Von den Pthorern kam augenblicklich konzentrierter Widerstand, und fast jeder Mann feuerte mit zwei Waffen gleichzeitig. Im Gegensatz zu allen vorher geäußerten Meinungen nahmen die Krolocs nicht die geringste Rücksicht auf das wertvolle Material, das in der Spaccah gestapelt war. Sieben Feuerwalzen kamen langsam, aber unaufhaltsam näher; die Spaccahs schwebten zu zehnt übereinander und waren mit jeweils mindestens acht Krolocs besetzt. Flammen und Rauch kennzeichneten den Vormarsch der Verteidiger. »Das ist das Ende!« sagte Sator Synk laut und schoß, hinter Kisten und Ballen versteckt, unterarmdicke Strahlen gegen die am tiefsten fliegende Spaccah ab. »Ich glaube, ich verstehe jetzt, was du meinst«, erwiderte Binoos. Ein gellender Schrei, der plötzlich abriß, unterbrach ihn. Ein brennender Körper schlug auf dem Boden auf. »Ich schmecke Todesangst.« Heimdalls Stimme war unverkennbar und unüberhörbar, als er schrie: »Ich kämpfe mit euch – und ich zerstöre die Steuerung.« Hinter den Pthorern schossen die Glutbalken der Waffen hervor. Ein mörderisches Gefecht ohne jede Taktik und ohne Rücksicht entbrannte. Keiner der Pthorer in ihren
Hans Kneifel Raumanzügen konnte ahnen, was die Krolocs dachten oder empfanden. Aber trotz der Anstrengungen des Gefechts wußte jeder, daß es nur auf eine Art enden würde. Nach und nach starb ein Pthorer, dann der nächste, schließlich waren sie alle getötet worden. Keiner von ihnen, auch Heimdall nicht, der wie ein Rasender kämpfte, würde diesen massierten Angriff überleben. Abermals war die Übermacht zu groß und zu mächtig.
* In der großen Schaltzentrale der FESTUNGs-Pyramide hockte Thalia, noch immer halb in der Honir-Rüstung, in ihrem Sessel. Ihr Blick ging schweigend und in ständig steigendem Entsetzen von Bildschirm zu Bildschirm. Keinerlei neue Aktivitäten in und um Wolterhaven. Orxeya, brennend und teilweise eingeäschert, fest in der Hand der Krolocs. Ein Zug von Invasoren auf der Straße der Mächtigen zwischen Orxeya und Zbahn. Starke Verbände in der Wüste Fylln gelandet. Kämpfe im Blutdschungel und entlang fast aller seiner Ränder. Eine riesige Ansammlung von Spaccahs mitten in der Ebene Kalmlech. Ein siegreicher Vorstoß von mehreren Zugor-Besatzungen gegen die Belagerer der FESTUNG. Krolocs in der Senke der Verlorenen Seelen. Kroloc-Verbände an den Ufern und im Mündungsgebiet des Flusses Xamyhr und am Regenfluß. Vereinzelte Gefechte rund um die äußeren Zonen der FESTUNG. Keine Nachricht von Atlan und Razamon! Keine Nachricht von Heimdall und seinen raumtüchtigen Zugors! Abermals ein Verband Spaccahs offensichtlich von den Magiern von Oth vernichtet – die Flugscheiben waren auf der Route zwischen Zbohr
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und dem Haus Balduurs zuletzt gesehen worden. Und auch keine Nachricht von Sigurd, der das versteckte Waffenlager suchte … Thalia stöhnte auf und wandte sich an den Robotbürger. Mit zaghafter Stimme erkundigte sie sich: »Und was sagen deine Meldungen und Analysen, Kargentoff?« Der Roboter brauchte nicht zu überlegen. Er antwortete sofort: »In spätestens drei Stunden beginnt der Sturm auf die FESTUNG selbst, auf den innersten Kern, also auf diese große Pyramide. An allen Orten bemächtigt sich der Krolocs eine Unruhe, die deutlich zu sehen ist. Das kann nur eine Bedeutung haben.« »Ich verstehe«, murmelte sie niedergeschlagen. »Und, müßig zu fragen – es gibt keine Nachricht von Atlan, dem König von Pthor?« »Ich habe keine Nachricht und keine dahin weisenden Informationen. Wir müssen wohl diesen Kampf durchstehen und, wahrscheinlich, verlieren.« »Wir werden kämpfen …«, flüsterte sie und verließ mit schnellen Schritten die Zentrale. Der Umstand, daß die Krolocs die Große Barriere von Oth deutlich mieden, besagte in der gesamten Auseinandersetzung nichts. So gut wie jede wichtige Siedlung war in der Hand der Invasoren. Daß es an tausend verschiedenen Punkten erbitterten Widerstand gab, und daß es immer wieder kleinen Gruppen von Pthorern gelang, weitaus größere Verbände der Krolocs zu vernichten, besagte auch nur, daß an vielen Stellen echter Heroismus erlebt wurde. Für den großen Rahmen hatten diese winzigen Siege keine Bedeutung. Thalia eilte hinaus, um sich in den bevorstehenden letzten Kampf zu stürzen. Sie hoffte auf ein Wunder. Aber sie rechnete nicht mehr damit.
8. Für einige Sekunden war der Angriff der Krolocs zum Stehen gebracht worden. Die
Pthorer schossen ununterbrochen; die Waffen in ihren Händen wurden unerträglich heiß. Eine Spaccah nach der anderen explodiert, als sie mit den brennenden und detonierenden Vorräten in den Stapeln in Berührung gekommen war. Immer wieder geschah es, daß irgendwelche Ausrüstungsgegenstände getroffen wurden, die in den Containern verborgen waren und ihre Energie in blendenden Stichflammen freisetzten. Fast an allen Stellen verdunkelte dichter Rauch die Sicht. Von oben zuckten die Glutbahnen der letzten noch handlungsfähigen Pthorer herunter und trafen erstaunlicherweise immer wieder Krolocs oder die Spaccahs. »Es geht zu Ende, Binoos!« rief ächzend der kleine rotbärtige Orxeyaner. Eine verblüffende Ruhe und Abgeklärtheit hatten ihn ergriffen. Er reagierte mit der kalten Präzision eines Robotbürgers. »Noch nicht. Heimdall versucht, uns freizuschießen!« gab der Gordy zurück. Blitzschnell warf Synk einen Blick nach hinten. Er sah zweierlei. Heimdall und ein anderer Pthorer, verborgen hinter brennenden Schaltbänken, schnitten mit ihren Waffen eine große Öffnung in den Stahl der senkrechten Verbindungsbleche zwischen den zwei Plattformen. Zwei der Schnitte waren bereits fertig und zeigten nur noch glühende Ränder. Und … Auf den vielen Schirmen, die zusammen ein einziges Bild ergaben, zeichnete sich ein erstaunliches Geschehen ab. Obwohl Heimdall dieses Bild sehen mußte, unterbrach er seinen Versuch nicht. Er schoß weiter, und der Energiestrahl durchschnitt die Wand und verlor sich außerhalb, eine breite Spur durch den dünnen grauen Staub ziehend. Es wirkte wie ein Signal, das immer wieder aufzuckte. »Ein Raumschiff!« schrie Synk auf. Er duckte sich, als ein Kroloc auf ihn schoß und mehrere der Bildschirme traf. Die Geräte lösten sich in kleinen Explosionen auf. »Wo ist ein Schiff? Welches? Wer?« rief
44 Binoos durch den Lärm aus den Lautsprechern. »Draußen. Es leuchtet wie Gold!« Heimdall rief voll deutlicher Erleichterung: »Es ist die GOL'DHOR mit Atlan und Razamon!« Wieder riskierte ein Pthorer, diesmal war es der Gordy, einen Blick nach hinten. Tatsächlich raste das Schiff heran, das trotz des geringen Lichts wie Gold leuchtete und die unverkennbare Form eines stilisierten Insekts hatte. Ein mächtiger Schutzschirm, durch den verdrängten Staub sichtbar geworden, umgab das Schiff, das gerade jetzt einige Spaccahs zur Seite rammte und weit weg schleuderte. »Sie retten uns! Sie haben uns gesehen!« schrie abermals der Odinssohn auf. »Haltet noch ein paar Sekunden aus!« Die Pthorer versuchten, den Abstand zwischen den Schüssen noch zu verkleinern und noch genauer zu treffen, was fast unmöglich war. Der Rauch verbarg die Gegner voreinander; man konnte nur noch geradeaus in die Zwischenraume hineinzielen und hoffen, etwas zu treffen. Die Energiebahnen schufen in dem Rauch dünne, aufglühende Kanäle, die augenblicklich wieder zusammenflossen. Vor der Riesenspaccah, aus deren Seite noch immer die Glutbahnen herausfuhren, begannen die Raumplattformen der Krolocs eine heillose Flucht. Fast ehrfürchtig sagte jemand: »Es ist der König von Pthor. Er ist gekommen, als wir mit unserem Leben abschlossen!« »Unsinn«, dröhnte Heimdall. »Er kam, weil er die Brände und die zuckenden Energiestrahlen gesehen hat.« Die breiten Schnittbahnen trafen einander. Ein gewaltiges Stück der Seitenwand kippte langsam nach außen. Als Heimdall in die Mitte hineinfeuerte, beschleunigte sich die taumelnde Bewegung. Die GOL'DHOR glitt näher; der König schien die Lichterscheinungen richtig gedeutet zu haben. Wieder konzentrierten die
Hans Kneifel Pthorer ihre Schüsse auf die Sektoren, aus denen die Krolocs noch hervorschossen. Ein Pthorer sprang auf und rannte auf das Loch zu, blieb davor stehen und schwenkte die Waffe, die einen ununterbrochenen Feuerstrahl ausspie. Im aufglimmenden Staub zeichneten sich Schriftzeichen ab; undeutlich und verwischt, aber für einen Geübten zu erkennen. Dann geschah abermals etwas, das die Überlebenden verwunderte. Das Feuer der Krolocs hörte auf. Eine Welle von Unruhe ergriff vorübergehend die Pthorer, dann kam eine große Ruhe über sie. Als wären sie Marionetten, standen sie aus den Deckungen auf. Aber keiner von ihnen ließ die erbeutete Strahlwaffe fallen. Das goldene Raumschiff schwebte noch näher heran, drehte sich und legte fast an der Öffnung der Spaccah an. Die Schleuse glitt auf, Scheinwerfer schalteten sich ein und machten die eigentümliche Struktur dieses einmalig schönen Schiffes deutlich. In der offenen Luke stand Atlan. Er trug den goldenen Anzug der Vernichtung und winkte mit beiden Armen. Heimdall rief lachend: »Einer nach dem anderen, Freunde! Mit einem kurzen Anlauf durch das Loch und direkt in die GOL'DHOR. Schnell!« Das letzte Wort hätte er nicht auszusprechen brauchen. Nacheinander rannten die Pthorer, halb außer sich vor Erleichterung und von den seltsamen Schwingungen der Ruhe entspannt, auf die Öffnung zu und schwebten, als sie außerhalb der Spaccah aus dem Bereich der künstlichen Schwerkraft gerieten, auf Atlan zu. Synk, Binoos und Heimdall blieben stehen und zählten die Männer. Die Verluste waren verheerend. »Die Zugors?« fragte Heimdall. »Ich glaube nicht, daß noch ein einziger Zugor funktioniert«, erklärte Synk und wunderte sich, warum er nicht vor Wut und Hoffnungslosigkeit raste. »Und ich habe dir den Gefallen nicht tun können«, sagte der Gordy. Synk registrierte verblüfft, daß Binoos ihm ausgesprochen ka-
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meradschaftlich den Arm um die Schultern legte. »Es wird sich nachholen lassen«, murmelte er und folgte Binoos und Heimdall, die die brennende und rauchende Spaccah verließen. Es war im Moment nicht eine einzige der fremden Plattformen zu sehen. Synk fand sich in der leeren Schleuse wieder, ergriff Atlans Hand und fühlte mehr, als er sah, wie hinter ihm die Schleusentür zuglitt. Atlan sagte: »Wir bemerkten eine Konzentration von Spaccah-Flugbahnen, dann sahen wir die Glutbahnen der Waffen. Wie steht es auf Pthor?« »Pthor ist wahrscheinlich jetzt schon erobert«, antwortete Synk, während er den Helm des Raumanzugs öffnete. Atlan lächelte nicht, als er sagte: »Dann werden wir versuchen, soviel wie möglich von dem Geschehen rückgängig zu machen. Die GOL'DHOR hat direkten Kurs auf Pthor.« »Niemand«, antwortete Synk und sah zu Boden, »kann Tote lebendig machen.« Das Schiff nahm schnell Fahrt auf. Hinter der GOL'DHOR blieb, allmählich hinter den Staubmassen verschwindend, die brennende und rauchende Riesenspaccah zurück. Aber mit Sicherheit war es bereits zu spät, die Invasion aufzuhalten. Dies schienen auch Atlan und Razamon zu wissen.
9. Tagger Blyhs hatte befohlen, daß seine Kommandospaccah Teil des Bunkersystems werden sollte. Der Hügel in der Ebene Kalmlech war verändert worden. Mächtige Elemente aus Stahl waren zusammengefügt und bildeten eine Art von Asteroid-Innerem. Gänge, Säle und kleine Hallen, die in Wirklichkeit versenkte Spaccahs waren, verbunden von Rohrelementen, von einer dicken Schicht Erdreich, Geröll und Felsen bedeckt. Diese Schicht war mit Energiestrahlen verdichtet
und zusammengeschweißt worden. In den Kammern und Hallen war es warm, künstliches Licht schuf die Illusion, sich in einem der Kroloc-Asteroiden tief im KorsallophurStau zu befinden. Seine Vielbeinigkeit kam in das Kommunikationszentrum hinein und sagte: »Ich habe eine Synchronschaltung zu allen Unterkommandanten verlangt. Steht diese Leitung?« »Wie du befohlen hast, Kommandant«, sagte der Adjutant. »Und wo befindet sich Spank Vhroon?« »Er wartet mit einem besonderen Verband, wie befohlen, im Norden der FESTUNG.« »Gut so.« Der Kommandant der Invasoren, ausgerüstet mit einem gigantischen Potential an Kämpfern und Material, hob beide Arme mit der zeremoniellen Waffe hoch. Seine Augen funkelten, die Linien der Kriegsfarbe erzeugten verwirrende Muster. Jeder einzelne Kroloc auf Pthor würde seine Worte hören, jeder Unteranführer würde ihn sehen. Die Kommunikation war vollkommen, die Systematik war in vielen Einsätzen seit undenkbar langer Zeit getestet. Seine Vielbeinigkeit Tagger Blyhs sagte langsam und deutlich: »Wir haben den ersten, schweren Schritt der Invasion beendet. Jeder Krieger ist satt, ausgeruht und bestens ausgerüstet. Nahezu jeder wichtige Ort auf Pthor, unserer Kolonie, ist unter unserer Kontrolle. Alle Verbände, die nicht zur Sicherung unserer Überlegenheit dienen, stehen zum Sturm bereit.« Er machte eine Pause von unnachahmlicher Wirksamkeit. Er wußte, daß er nicht die reine Wahrheit sprach: Wolterhaven machte ihm Sorgen, tausend kleine Gefechte, die auch jetzt unverändert Krieger banden und deren Leben kosteten, machten ihm zu schaffen. Aber der zweite Schritt würde alles ändern – diese Nadelstiche waren nicht koordiniert. Er fuhr fort: »Wenn ich zu sprechen aufhöre, geben die Unteranführer die Befehle. Spank
46 Vhroon wird den Sturm auf die Zentrale aus der Luft sichern. Alle anderen Truppen greifen die FESTUNG an. Binnen kurzer Zeit wird jede Gegenwehr erloschen sein. Der Feind ist schlecht ausgerüstet, hat keinerlei nachrichtentechnische Verbindung und zittert vor Angst. Krolocs! Wir greifen an! Ehre und Sieg für uns! Kämpft!« Er bewegte die Waffe, senkte die Arme und sah zu, wie der Spezialist die Anlage ausschaltete. In diesem Moment setzten sich Tausende Spaccahs in Bewegung. Sie kamen in langen Wellen von überall her und kannten nur ein Ziel. Gleichzeitig gingen sämtliche Krolocs, die sich seit langem in der Nähe der FESTUNG befanden, auf dem Boden vor und würden jeden Widerstand überrollen. Keine Klauenbreit Boden, den sie erobert hatten, würden sie zurückgeben. Der Luftraum gehörte bereits den Krolocs. Nun würde ihnen auch der Boden dieses herrlichen, offenen Landes gehören. Er ließ sich auf das Ruhepolster fallen und dachte nach. Ein hartes Signal riß ihn nach einigen Minuten aus der Ruhe. »Seine Mehrbeinigkeit will dich sprechen, Kommandant.« Sofort richtete sich Tagger auf, nahm die Befehlshaltung ein und wartete, bis auf dem Bildschirm sein Gesprächspartner auftauchte. Der Ausdruck des Obersten Kriegsherren verhieß nichts Gutes. »Ich höre, Pemar Gayn?« »Ich höre eben, daß ein winziges Kommando von besiegten Pthorern mit primitiven Waffen und in einer undenkbar kurzen Zeit die Brut-Spaccah nahezu restlos unbrauchbar und einen Großteil aller Nachschubvorräte zerstört hat. Ich hoffe, es wird die Invasion beschleunigen?« Hohn troff aus dem Vorwurf. Tagger erfaßte, was vorgefallen war und erstarrte vor Wut und Ärger. Er behielt seine starre Haltung bei und erwiderte: »Wie du sicher auch erfahren hast, habe ich soeben den Befehl gegeben, die Invasion
Hans Kneifel zu beenden und unseren Sieg vollkommen zu machen. Unter diesen Umständen ist der schmerzliche Verlust von Ausrüstungen wohl zu kompensieren.« »Alles ist zu kompensieren, nur nicht der Verlust, den unser Ansehen erlitten hat. Es soll nur eine Handvoll gewesen sein, die sich innerhalb der Brut-Spaccah mit unseren Waffen ausrüstete. Kämpfen deine Invasionskrieger mit den Waffen der furchtsamen Eingeborenen?« »Mehrbeinigkeit«, brachte Tagger hervor und schwor sich, nicht den geringsten Funken von ritterlicher Gnade walten zu lassen, »dein Vorwurf und dein Sarkasmus treffen mich zutiefst. Wir haben …« »Das war beabsichtigt. Nur übermütige Krieger vermögen Gefahren nicht realistisch abzuschätzen.« »Ich bin nicht übermütig. Ich werde mich an die Spitze aller Krieger setzen und die Herren dieses Landes in Kürze als Geiseln in deine Gefängnisse schicken.« »Laßt uns auf diesen Ausgang der Kämpfe hoffen. Indessen weiß ich, daß jeder von euch sein Bestes tun wird.« »Das war stets so, und dies bleibt auch so.« Ohne Antwort ließ seine Mehrbeinigkeit die Verbindung abschalten. Tagger Blyhs rannte voller Zorn aus dem Raum und brüllte einen Wächter an. »Meine Spaccah! Meine Garde! Die Translatoren! Ich werde die FESTUNG berennen und die letzten Widerstandsnester schleifen. Schnell!« »Sofort, Vielbeinigkeit!« Überraschend kurze Zeit später raste eine Staffel von sieben blitzenden Spaccahs, mit bis an die Augen bewaffneten Gardisten besetzt, unter Leitung der fähigsten Piloten, auf die FESTUNG zu. Der letzte Kampf hatte begonnen.
* Der Robotbürger sagte: »Der Angriff beginnt. Alle Krolocs, die
Kampf um Atlantis
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sich rund um die FESTUNG eingegraben hatten, rücken vor. Unsere Freiheit wird jetzt in entscheidendem Maß bedroht. Wenn wir überleben, ist Pthor entvölkert. Selbst um diesen Preis, Thalia, Tochter des Odin?« »Ich sehe keine Alternative. Wir waren niemals Sklaven.« »Vielleicht hilft es dir beim Kampf, wenn ich dir versichere, daß die Robotbürger mit ihren Truppen gerade jetzt zuschlagen wollen. Binnen Stunden ist das Gebiet um Wolterhaven frei von Invasoren.« »Mir hilft jede Meldung dieser Art«, gab Thalia zu. Sie sah jetzt aus wie Honir, trug dessen Waffen und ging auf die innerste Verteidigungslinie zu. Sie befand sich kurz vor der Masse der Gebäude, und früher, als ihr lieb war, würde der Kampf hier stattfinden. Das Geräusch des schweren Geschützes dröhnte auf; das Echo brach sich an den Flanken der Pyramide. Es war totenstill. Jedes lebende Wesen, das Waffen tragen konnte, befand sich an der Stelle, an der es kämpfen würde. Honir-Thalia verschwand unter den Baumkronen und stieg in einen der wenigen Zugors. »Die Krolocs kommen. Wagt keine Luftgefechte, sondern greift die Bodentruppen an. Ich kämpfe mit euch und an der Spitze.« »Wir haben verstanden. Noch keine Nachricht von unserem König mit seinem goldenen Raumschiff?« »Vergeßt ihn. Selbst ich glaube nicht mehr an dieses Wunder. Los!« Der Zugor startete, schwebte einige Meter dicht über dem zertrampelten Rasen und erhob sich dann. Jemand drückte ihr eine Strahlenlanze in die Hand. Thalia hielt nach Gegnern Ausschau, aber sie erkannte nur in mittlerer Höhe die Verbände der Krolocs, die Bodenkämpfer heranbrachten und die vorrückenden Mehrfüßler unterstützten. Aus Gräben und hinter Felsbrocken hervor, hinter Baumstämmen und aus den Höhlen
winkten ihr die Verteidiger zu. Dreißig Kilometer in östlicher Richtung etwa trafen die Zugors mit den ersten kämpfenden Krolocs zusammen. Der Kampf fing sofort an. Die Verteidiger erkannten Honir-Thalia und verdoppelten ihren Eifer. Natürlich waren im Gebiet rund um die FESTUNG die stärksten und zahlreichsten Truppen konzentriert. Thalia zweifelte nicht, daß jeder Pthorer bis zu seinem Tod wie ein Berserker kämpfen würde. Sie schloß sich nicht dabei aus. Die Zugors landeten. Sämtliche Frauen und Männer, die über Strahlenlanzen verfügten oder über weitreichende ballistische Waffen, sprangen von Deckung zu Deckung und feuerten auf jeden Kroloc, der sich bewegte. Aus den Verstecken kamen die Verteidiger und schleppten die begehrten Waffen weg, nachdem die Angreifer getötet waren. Thalia rannte hin und her, griff hier ein, rief dort Verteidigern Mut zu, tötete eine große Menge Krolocs und zog sich wieder mit den anderen zurück, als Spaccahs heranschwebten und Hunderte ausgeruhter Kämpfer abluden. Die Krolocs in den Spaccahs nahmen die Bodentruppen unter Beschuß und trieben sie zurück. Ein Verband von Zugors raste heran, überflog diesen Kampfabschnitt und holte sechs Spaccahs aus der Luft. Brände, Staubsäulen und Fontänen aus hochgeschleudertem Sand verdunkelten die Szene. Die Verteidiger wichen Schritt um Schritt zurück. Das Ende des freien Pthor rückte mit jedem dieser Schritte näher heran. Tiefer Schmerz erfüllte Thalia, aber sie zwang sich, weiterzukämpfen. Auch wenn es sinnlos schien …
ENDE
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