Nr. 389
Kampf um Atlantis Die Invasoren kommen von Hans Kneifel
Der Flug von Atlantis-Pthor durch die Dimensionen ist...
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Nr. 389
Kampf um Atlantis Die Invasoren kommen von Hans Kneifel
Der Flug von Atlantis-Pthor durch die Dimensionen ist erneut unterbrochen wor den. Der Kontinent, der auf die Schwarze Galaxis zusteuerte, wurde durch den Kor sallophur-Stau gestoppt. Pthor ist nun umschlossen von Staub und planetarischen Trümmermassen, die von einem gewaltigen kosmischen Desaster zeugen, das sich in ferner Vergangenheit zugetragen hat. Auch wenn durch diesen Zwangsaufenthalt Pthors die von der Schwarzen Galaxis zu erwartende Gefahr gegenwärtig ignoriert werden kann – die Situation sieht für At lan, den neuen König von Pthor, und seine Untertanen trotzdem relativ kritisch aus. Der fliegende Kontinent und seine Bewohner bekommen es nämlich mit den wilden und kriegerischen Krolocs zu tun, den Beherrschern des Korsallophur-Staus. Diese spinnenähnlichen Intelligenzen sehen in dem so plötzlich aufgetauchten Welten brocken ein Objekt, das es zu erobern und ihrem Herrschaftsbereich einzuverleiben gilt. Nun, nach ausgedehnten Erkundungsunternehmen und anderen Vorbereitungen, naht die Stunde, da die Krolocs gegen die Neuankömmlinge im Stau zum Angriff an treten, voller Vertrauen auf die Überlegenheit ihrer Waffen und die Unbesiegbarkeit ihrer Krieger. Unter diesen Vorzeichen entbrennt der KAMPF UM ATLANTIS …
Kampf um Atlantis
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Die Hautpersonen des Romans:
Thalia, Sigurd und Heimdall - Die Kinder Odins kämpfen um die Freiheit ihrer Heimat.
Sator Synk und Binoos - Leiter der Luft- und Bodentruppen von Pthor.
Tagger Blyhs - Kommandant der krolocischen Invasoren.
Atlan - Der König auf dem Rückflug nach Pthor.
1. Jetzt, kurze Zeit vor dem Start des golde nen Raumschiffs, befanden sie sich alle in der Zentrale. Sechs männliche Wesen von bemerkenswert unterschiedlichem Ausse hen. Gurankor, der Eripäer, fühlte sich im Innern der GOL'DHOR sichtlich wohl. Star kes Licht und große Helligkeit begeisterten ihn. Er breitete die Arme aus und warf den fünf von Pthor freundliche Blicke zu. »Ohne euch wären wir Sklaven der ver dammten Krolocs geworden. Ihr habt das unvorstellbar grausame Schicksal abzuwen den geholfen. Ihr seid mächtige Kämpfer und entschlossene Verbündete.« Atlan entgegnete mit leichter Ironie: »Die GOL'DHOR hat unserem Mut den notwendigen Schutzpanzer hinzugefügt.« »Ich sehe, daß euer Land Pthor viele Männer von bestechender Intelligenz und geschliffenen Umgangsformen hat«, unter strich Gurankor und verneigte sich vor Atlan und Razamon. »Wir haben unseren Weg durch den Kor sallophur-Stau mit Blut geschrieben!« don nerte Balduur gutgelaunt. Die Aussicht, in Kürze diesem stauberfüllten Universum der Krolocs den breiten Rücken zu kehren, ließ ihn wieder einmal pathetisch werden. Er lachte Razamon breit an. »Nun, Pona und die Bulzerdon-Sippe ha ben wir abgesetzt. Die Bulzerdons sind Künstler, wie ich hörte, und sie besitzen meiner Meinung nach ein überdurchschnitt lich hohes Überlebenspotential.« »Was willst du damit sagen?« fragte der Weltenmagier mürrisch. Auch er dachte an die Gefährdung Pthors. »Daß sie dieses Abenteuer vermutlich schneller verarbeiten und besser überstehen
als wir«, gab Razamon zurück. »Atlan! Ich glaube, wir sollten die Lichtung verlassen und uns um Pthor kümmern.« »Dies wäre mein nächster Vorschlag ge wesen«, sagte der Eripäer und verbeugte sich vor Atlan. »Zumal wir mehrere Krolocs gefangen haben. Wir überwanden unsere Scheu vor ihrem barbarischen Aussehen und unterzogen sie einer Befragung.« Sein Gesichtsausdruck zeigte, daß er im Grund ein gnadenloser Pragmatiker sein konnte, wenn es die Umstände erforderten. Er fuhr fort: »Unseren ausgeklügelten Verhörmetho den konnten sie nicht lange widerstehen. Er wartungsgemäß sagten sie aus, daß die Inva sion gegen Pthor unmittelbar vor dem Be ginn steht. Wir hörten einige interessante Einzelheiten. Tagger Blyhs wird seine Kriegsfarben anlegen; eine persönliche Ma rotte. Spank Vhroon wird sein Adjutant sein. Wir identifizieren diesen Namen mit Terror und Schrecken. Es wird ebenso SpaccahForts auf Pthor geben wie auch im Gebiet des Korsallophur-Staus. Nicht weniger als siebentausend oder achttausend Spaccahs al ler Größen sollen eingesetzt werden. Aller dings wußten auch die Krolocs den genauen Zeitpunkt des massierten Angriffs nicht.« »Ich höre«, meinte der Arkonide, »daß die Klugheit der Eripäer beträchtlich ist. Eine solche Mitteilung habe ich erwartet. Es überrascht mich nicht, leider. Pthor ist in Gefahr, das ist sicher. Und nicht erst seit kurzer Zeit.« Der Weltenmagier stöhnte auf und starrte Atlan mit großen, funkelnden Basaltaugen an. »Auch wir haben es geahnt, Atlan. Du bist der gewählte Herrscher von Atlantis. Du bist verpflichtet, etwas zu unternehmen.« »Ich bin fest entschlossen, etwas zu unter
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nehmen. Dessen kannst du sicher sein, Co pasallior!« »Zurück nach Pthor!« sagte Koratzo. »Einverstanden!« antwortete Atlan. Gurankor streckte die Hand aus und er griff Atlans Arm. »Ich danke dir im Namen aller, denen du geholfen hast. Du mit deinem goldenen Raumschiff. Ich gehe von Bord – fliegt ihr zurück in eure Heimat. Wir würden euch gern weiter als Gäste und Freunde hier se hen. Aber wichtigere Dinge rufen euch. Lebt wohl!« sagte der Eripäer und verabschiedete sich von Atlan. Die Leute von Pthor brachten den Eripäer zur Schleuse des goldenen Schiffes und schüttelten ihm nacheinander die Hand. Dann schloß sich die Schleuse, sie gingen zurück in die Zentrale. Invasion! Tagger Blyhs und Spank Vhroon! Siebentausend oder mehr Spac cahs! Du solltest so schnell wie möglich starten, denn auf Pthor erwartet dich das Chaos! sagte eindringlich der Logiksektor. Atlan, assistiert von Razamon, startete das Schiff und merkte in schweigender Freude, daß die GOL'DHOR schneller wurde und sich durch das seltsame Stück des Univer sums ihren Weg nach Pthor suchte.
2. Unverändert herrschte über Pthor das er stickende Halbdunkel; ein konturloses Grau, das jede Lebensäußerung begleitete und in den Herzen der Pthorer nistete. Jedermann dachte in diesen Momenten nur an wenige Dinge. Sie waren alle gleichermaßen negativ und niederdrückend – wie das vage Halb dunkel. Heimdall zwirbelte seinen Bart und sagte dumpf: »Ich gehe hinaus. Sie brauchen mich. Ich starte die Zugors.« »Gib auf dich acht, Heimdall!« sagte Tha lia besorgt. »Versuche, den Pthorern zu sa gen, wie sie sich richtig verhalten sollen.« »Wird verdammt schwierig sein, Schwe-
ster!« sagte er einsilbig. »Keine Ahnung vom Kampf und von Disziplin.« Heimdall trug sein Lederkleid, die Khylda und seinen Waffenrock. Er stiefelte aus der großen Pyramide hinaus und kletterte mit rasselnder Rüstung in den Zugor. Schwei gend steuerte ein Dello den Apparat, an des sen Bug an einer langen Lanze Heimdalls gelber Wimpel flatterte, zwischen den Bäu men und Monumenten hindurch. Das Gebiet rund um die FESTUNG hatte sich in ein gi gantisches Heerlager verwandelt. »Bringe mich zu Synk!« befahl Heimdall mit seiner tiefen, durchdringenden Stimme und deutete nach vorn. »Selbstverständlich, Sohn Odins«, ant wortete der Dello. Er trug lederne Kleidung und eine Halbrüstung, die aus schweren Me tallplatten bestand. Auf dem Kopf trug der Dello eine Art Helm. Die Oberarme steckten in dicken Metallröhren. Heimdall unter drückte ein geringschätziges Gelächter, als er die Verzierungen sah, die der Dello mit Pinsel und Lack ausgeführt hatte. Sie sahen schauerlich aus. Vielleicht erschrecken die Krolocs, dachte der Odinssohn. Der Zugor schwebte aus dem Gelände des Parks hin aus, durch die offenen Tore und auf das Heerlager zu. »Wo ist Synk? Wo ist sein Kommando?« fragte Heimdall und hob die Khylda. Die Schneiden der riesigen Streitaxt blinkten stumpf in dem hellgrauen Halblicht. »Dort drüben, Herr. Zwischen dem Hügel und den Felsen.« Thalia, Heimdall und Sigurd versuchten, die Vorbereitungen zur Abwehr der Invasion zu leiten. Es war ein Unterfangen, das alle ihre Fähigkeiten überbeanspruchte. Sie hat ten etwa vierzehntausend Zugors zusam menrufen können. Es handelte sich um Ma schinen aller Größen und in jedem denkba ren Zustand; riesige alte, zerbeulte, mit spuckenden Maschinen waren ebenso vertre ten wie funkelnagelneue kleine, die aus bis her verschlossenen Magazinen hervorgezerrt wurden. Diese riesige Flotte lagerte mitsamt ihrer Besatzung mehr oder weniger rund um
Kampf um Atlantis die FESTUNG. Nach Möglichkeit hatten die einzelnen Kommandanten ihre Fluggeräte versteckt. Jeder kannte die Gefahr. Sie kam von oben, die Spaccahs schwebten ungehin dert durch den Luftraum über den Wäldern, Wüsten und Ebenen Pthors. Mit knirschendem Geräusch setzte der Zugor zwischen einer riesigen, schräg ste henden Felsplatte mit ausgewaschenen Lö chern und einigen knorrigen Bäumen auf. Geschrei, Durcheinander und eine wild zu sammengewürfelte Gruppe von Zugorbesat zungen empfingen Heimdall. Er holte tief Luft, hob seine Waffe und donnerte: »Ruhe!« Es half nicht viel. Hier machten sich die Steuermänner und die Besatzungen von et wa hundert Zugor fertig. Fast alle Gruppen Pthors waren vertreten. Die Männer wim melten durcheinander, und niemand schien zu wissen, was der andere tat. Heimdall fiel auf, daß einige Männer an ihm vorbeiliefen, die breite weiße Binden an den Oberarmen hatten. Er streckte seine Pranke aus und griff einen Mann aus der Menge heraus. »Was soll das?« fragte er und zeigte auf das Band. Mit unverkennbarem Stolz sagte der halbnackte Mann aus dem Blutdschun gel: »Ich bin Pilot eines Zugors. Ich fliege tollkühne Manöver.« Heimdall ließ ihn los, schüttelte seinen Schädel und murmelte verblüfft: »Odin schütze Pthor.« Der Mann sah ihn geradezu herausfor dernd fröhlich an und verschwand im Ge tümmel. Von einer überdachten, mit Erd reich und Felsen geschützten Plattform kam Sator Synk herunter und lief auf Heimdall zu. Synk war drei Fingerbreit größer als ein einhalb Meter und so breitschultrig wie der Hüne Heimdall. Ein feuerroter Bart, der fast das gesamte Gesicht bedeckte und bis zur Brust reichte, gab ihm das Aussehen eines wütenden Kobolds. Er funkelte Heimdall mit hellblauen Augen an. »Du willst uns helfen, Herr?« rief er mit
5 dröhnender Stimme. »Wir starten gerade zu einem ersten Abwehrflug.« »Und du bist sicher, daß alle deine Piloten die Zugors steuern können?« erkundigte sich Heimdall mißtrauisch. »Mehr oder weniger. Guter Wille und wilder Kampfesmut werden hier und da die echten Fähigkeiten ersetzen müssen!« war die Antwort. »Dieser Pöbel aus den Wäldern und die Troglodyten aus den Uferhöhlen werden das Material vernichten, ehe sie der Feind zu se hen bekommt. Ich hasse es, auch nur einen Gedanken an Erfolg zu verschwenden!« sag te eine laute, arrogante Stimme von links. Heimdall drehte sich herum und sah aus den Augenwinkeln, wie sich Männer mit Wag gus, mit Pfeil und Bogen, mit Armbrüsten und Schleudern, einige sogar mit schweren, funkelnden Energiewaffen, auf die runden Zugors zubewegten. Jeder schien zu erraten, in welchen Flugapparat er gehörte. Ein hochgewachsener Gordy, dessen Gesicht übergroße Distanz und kühle Abneigung ausstrahlte, kam heran und machte eine schlenkernde Handbewegung. »Danke, Sohn Odins«, sagte er geziert, »daß du uns mit deiner Erscheinung beehrst. Vielleicht kannst du diesem rotbärtigen Schrecken der Pilze erklären, daß wir nicht gegen Wolken oder Singvögel kämpfen.« »Du wirst über deine Satzstellung stol pern, Binoos!« schrie Synk. »Kümmere dich lieber um die zweite Flotte, wie ich es dir befohlen habe.« »Befohlen?« Das Wort klirrte förmlich wie splitterndes Eis. »Du? Mir befehlen? Ich gehorche lediglich dem übergeordneten Ge bot der Stunde, sonst würde ich euch Or xeyaner nicht einmal wahrnehmen!« Heimdall sagte in unüberhörbarer Schär fe: »Ich schlage gleich eure Schädel gegen einander. Vielleicht macht euch das zur Zu sammenarbeit bereit.« »Schwerlich«, sagte der Gordy herablas send. »Trotzdem bemühe ich mich, meine Arbeit zu tun. Ich sage dir, schon beim Start
6 wird die Flotte halbwegs sich selbst vernich ten.« »Wir haben keine vierzehntausend ausge bildeten Piloten!« stellte Heimdall fest. »Thalia, Honir und Sigurd wissen es so gut wie ich.« Synk und Binoos waren die beiden Kom mandanten der Luftflotte beziehungsweise der erdgebundenen Verteidigung. Natürlich überlappten sich ihre Verantwortungsberei che. Sie gehorchten, Abneigung hin oder her, derselben Not. Die Angst vor der Ver sklavung vereinte die gegensätzlichsten Charaktere. In großer Höhe flog eine schwarze Spac cah von Süden nach Norden. Die Fremden schwebten herausfordernd langsam und schienen die Konzentrationen der Truppen zu beobachten. Sator Synk deutete nach oben und schrie: »Die ersten fünfzig Zugors! Startet! Schießt diesen aberwitzigen Fremden ab!« »Verstanden!« Als die erste Maschine, mit einem Dello, zwei Technos und zwei Kuroden besetzt, sich schräg vom Boden erhob, sprangen Bi noos und Heimdall rechts und links zur Seite und warfen sich zu Boden. Ein Dello steuer te. Der Zugor beschleunigte, beschrieb einen flachen Bogen, schrammte entlang einiger Steinbrocken und heulte dann schräg auf die deckende Felsplatte zu. Angstschreie ertön ten aus der Besatzung. Eine Handbreit vor dem Felsen fing der Pilot den Zugor ab, steuerte nach links und erreichte in einem kühnen Sprung mehr Höhe. Dadurch entging er knapp dem Zusammenstoß mit zwei ande ren Fluggeräten, die nach ihm gestartet wa ren. »Du Idiot von einem Dalazaaren!« brüllte Synk aufgeregt und hob beide Arme, »erinnere dich, was ich dir gesagt habe! Langsam! Keine hastigen Rucke!« Der Zugor wurde abgebremst, beschleu nigte wieder, schüttelte die Insassen durch und stieg dann kreiselnd aufwärts wie ein Blatt im Sturm. Dann machte er einen lan gen, geraden Satz und wurde schneller.
Hans Kneifel Rasch verkleinerte sich der Punkt und flog ungefähr in die Richtung des dahinschwe benden Krolocs. Nach und nach startete der Rest der ersten Gruppe. Donnernd krachten die Bordwände gegen einander. Ein Zugor schürfte über einen an deren hin und köpfte sechs Mann der Besat zung. Das andere Fluggerät raste weiter, nahm direkten Kurs auf die FESTUNG und prallte dicht unter der Spitze gegen die große Pyramide. Der Zugor stürzte ab und detonierte irgendwo zwischen den Bäumen des Gartens. Eine Stichflamme kennzeichne te den Ort der Zerstörung. Kreischende Schreie der Wut und der Angst hallten zwischen den Felsen. Ein Zugor nach dem anderen versuchte, möglichst richtig zu starten. Jeder, der auch nur in be scheidener Weise in der Lage war, eine sol che Maschine zu steuern, trug ein weißes Band um den Arm. In heilloser Unordnung erhob sich der Schwarm, flog aufwärts und abwärts, hin und her im Zickzack und in wirren Kurven. Die etwa fünfzig Zugors verhielten sich wie ein großer Schwarm dicker, dunkler Flugkäfer, die allesamt be trunken waren. Trotzdem behielt das Ge schwader ungefähr die Form einer Kugel bei. Synk kauerte am Boden, preßte die Hände gegen das Gesicht und fluchte. Heim dall und Binoos sahen den Fliegern nach. Endlich brach der Gordy das betretene Schweigen. »Wenn sie zurückkommen, können sie fliegen – vorausgesetzt, es kommt der eine oder andere tatsächlich zurück.« »Danke für den Zuspruch an Mut und Zu versicht«, knurrte Heimdall. »He, Synk! Geht es wirklich nicht besser?« »Herr!« schrie der Oberbefehlshaber. »Ich habe tagelang versucht, vierzehntausend Pi loten zu finden. Etwa fünftausend konnten es. Der Rest wurde von denen ausgebildet. Du siehst den Erfolg.« Heimdalls Augen verfolgten den Schwarm. Es war eine Spur mehr Ordnung in die Formationen gekommen. Die Gleiter
Kampf um Atlantis formation wirkte ebenso bunt zusammenge würfelt wie ihre Besatzung. Einige Zugors sonderten sich ab und wurden schneller, stießen aus dem wirren Pulk hervor und ver folgten die Spaccah. Wieder schüttelte sich Heimdall. Der Versuch war gut gemeint, aber mehr als dilettantisch. Im Blutdschun gel oder in den Gassen von Aghmonth mochten die Männer grausame und schnelle Kämpfer sein. Aber nicht, wenn sie sich technischem Wunderwerk ausgesetzt fühl ten. Das galt vermutlich für mehr als drei Viertel aller Truppen. Zwischen der Spaccah und den etwa zehn Zugors blitzten Energie schüsse auf. »Ich sehe, daß wir wenig Chancen haben werden«, murmelte Heimdall und sah zu, wie der vorderste Zugor getroffen wurde und brennend abstürzte. Einzelne Gestalten wurden herausgeschleudert. »Immerhin«, bemerkte Gordy mit deutli cher Herablassung, »kämpfen Angehörige von Gruppen nebeneinander, die bisher er bitterte Gegner waren. Die drohende Gefahr hat sie zusammengeschweißt.« »Auch das wird uns nicht zum Sieg ver helfen«, rief Sator Synk. »Es wird die Niederlage hinauszögern«, gab Heimdall zu. Eine zweite Gruppe Zu gors hatte sich der schwarzen fliegenden Scheibe genähert und nahm sie unter Be schuß. In archaischer Weise feuerten die Be satzungsmitglieder aufeinander und auf die Apparate. Flammen und Blitze loderten und zuckten aus dem Unterteil der Spaccah. Synk schlug die Faust in die Fläche der Hand und rief: »Das wird ihnen Aufschwung geben! Nur Mut, meine Freunde! Zeigt es ihnen!« »Eine Spaccah von vielen Tausenden wird abgeschossen. Das ist so, als wenn man eine einzelne Ameise zertritt!« bemerkte der Gordy-Anführer säuerlich. »Wirklich! Welch ein Optimismus.« Er drehte sich um und ging mit herausfor dernd langsamen Schritten zu seinen Unter führern zurück. Es waren fast ausnahmslos Gordys, aber auch einige wildverwegen aus
7 sehende Piraten waren darunter. Tausende von Pthorern, verteilt in ver schieden große Gruppen, starrten ununter brochen zum Himmel und verfolgten den Kampf zwischen der Spaccah und den Zu gors. Nun schlugen lange Flammen aus Un terteil und Rand der Flugscheibe. Die Spac cah fing an, sich zu drehen, kippte nach vorn und stürzte in einer langgezogenen Spirale ab. Lauter Jubel erhob sich zwischen den Pthorern. Einzelne Zugors kamen zurück. Ihre Pilo ten schienen etwas dazugelernt zu haben; je denfalls flogen die kleinen Formationen jetzt exakter, langsamer und kontrollierter. Nach einander und ohne wesentliche Unfälle lan deten die Fluggeräte. Heimdall betrachtete schweigend diesen Teil des Heerlagers, dann sagte er zu Sator Synk: »Ich fliege zu einer anderen Gruppe. Sieh zu, daß einige Robotbürger da sind, um die Verbindung zur FESTUNG und zu uns nicht abreißen zu lassen.« Synks Finger zogen breite Furchen in den leuchtendroten Bart. »Wir tun unser Bestes, Heimdall!«
* Rund um die FESTUNG kampierten Tau sende und aber Tausende Pthorer. Das Land war abwechslungsreich und bot unzählige Verstecke, aber auch genügend Gelegenheit, sich in den verschiedenen Waffentechniken zu üben. An unzähligen Stellen befanden sich Unterstände und einfache Bunker, in denen die verschiedenen Gruppen hausten und sich auf den Kampf vorbereiteten. Ein kleiner, zerbeulter Zugor landete zwi schen den Steinbrocken und der festge stampften Erdschicht im Norden der FE STUNG. Ein Gordy mit leuchtend blauen Augen und kurzgeschorenem schwarzem Haar stieg aus. Er trug sowohl die Binde des Zugorpiloten als auch ein Schild an der Brust, das ihn als einen der vielen Unterfüh rer von Binoos auswies. Schnell ging er auf die Gruppe zu, die zwischen den Baumstäm
8 men des Einganges auftauchte. »Ich bin Saant«, rief er. »Und ihr bewacht das Geschütz. Wo sind die Technos?« Die Berserker, zerlumpt und schmutzig, starrten ihn mißtrauisch an. Nach einer lan gen Wanderung waren sie hier angekommen und hatten sich Verstecke geschaffen. Zwi schen den Höhlen und Bunkern befand sich eines der alten, fest eingebauten Geschütze. Die Energie bezog es aus unergründlichen Quellen, die tief im Boden Pthors verankert waren. Die Nachkommen der einst gefürch teten Berserker waren nicht fähig, das Ge schütz zu bedienen. Aber die Technos konn ten es. »Dort, Herr. Sie putzen an dem Rohr her um und geben unverständliche Sätze von sich.« Saant lächelte verächtlich. Die Berserker waren mit Schleudern, Lanzen und Knüp peln bewaffnet, die mit Scherben und Me tallsplittern gespickt waren. Sie würden, das wußte er, den kleinen Stützpunkt bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. »Für mich sind sie nicht unverständlich. Führt mich zu ihnen.« Zwei Zugors flogen über ihre Köpfe hin weg. Saant hob beide Arme und winkte. Die Maschinen wurden langsamer, flogen einen Halbkreis und hielten vor ihm in der Luft an. Sie waren mit Technos, Dellos und zwei Ke lotten bemannt. »Ihr seht alles aus der Luft. Wie ist diese Stellung verborgen?« schrie der Gordy. »Ziemlich gut, Unterführer. Aber die Ein gänge sind leicht zu erkennen. Das Geschütz blinkt, wenn es sich bewegt.« »Ich habe verstanden. Sonst etwas zu be merken?« »Nein. Wir sind nach Wolterhaven unter wegs und holen andere Robotbürger!« »Dann fliegt so schnell wie möglich«, rief ihnen der Gordy nach und wandte sich an die Berserker. »Tarnt die Eingänge. Werft mehr Steine und Erde über die Dächer, schüttet Wasser darüber und stampft sie fest. Ich gehe zu den Technos.«
Hans Kneifel Sie machten sich an die Arbeit. Noch vor einigen Tagen hätten sie Saant überfallen und ausgeraubt. Jetzt zitterten sie einerseits vor dem Angriff und andererseits vor Ent schlossenheit, ihre Freiheit zu verteidigen. Die Technos arbeiteten seit Tagen fieber haft an dem Geschütz. Zuerst hatten sie eini ge Schüsse abgefeuert und argwöhnisch dar auf geachtet, daß sich nirgendwo einer der Invasoren zeigte. Dann begannen sie, sämtli che Schalter und Verbindungen durchzuse hen, die verschiedenen Zieleinrichtungen und Bewegungsmechanismen zu ölen und gängig zu machen. Die vielen Abwehrein richtungen und Fallen rund um die FE STUNG wurden wieder aktiviert und so ein gerichtet, daß sie von den Bewohnern Pthors selbst bedient werden konnten. Neben den Technos blieb Saant stehen und sah ihnen aufmerksam zu. »Ihr seid in der Lage, das Geschütz zu be dienen?« fragte er. »Ja. Es geht immer besser. In einem Tag haben wir alles im Griff. Wann kommen die Invasoren?« »Niemand weiß es«, antwortete der Gordy kühl. »Aber es kann schon in der nächsten Stunde sein.« »Wir haben einzelne Spaccahs gesehen«, murmelte der Techno, der auf dem leichten Sitz kauerte und die Zieloptik putzte. »Wir fürchten diese Kundschafter nur dann, wenn sie einzelne Stellungen ausspä hen können. Wenn ihr einen Gegner seht, dann feuert nur, wenn er nicht überleben wird. Verstanden?« »Das ist uns allen klar.« »Gibt es sonst etwas, das ich an Binoos oder an die FESTUNG weitergeben sollte?« »Nein. Oder doch … wir brauchen mehr und besseres Essen, auch für die Berserker. Sie sind hungrig.« »Ich werde jemanden schicken, der euch etwas bringt«, versprach der Gordy und ging zu seinem Fluggerät zurück. Die Berserker arbeiteten schon an der besseren Tarnung ih rer unterirdischen Bauten. Dies war nur ei nes der unzähligen Nester, die sich buch
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stäblich überall auf Pthor befanden. Die We sen, von denen jene »Bodenarmee« gebildet wurde, hatten von Binoos und dessen Unter anführern praktisch nur einen einzigen Be fehl erhalten: Verbergt euch, wartet die Invasion ab und kämpft gegen die Krolocs. Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen wie Partisa nen aus dem Untergrund kämpfen, mit allen Waffen, die wir finden. Der Zugor stieg auf und jagte in nördli cher Richtung davon, auf die Zonen der Dunklen Region zu. Auf den ersten Blick er kannte niemand, welche Aufregung tatsäch lich jedes intelligente Wesen auf Pthor er griffen hatte. Jedermann, der in der Lage war, die Zusammenhänge zu begreifen, war tete auf den ersten wichtigen Zusammen stoß. Es gab keine Wahl – die Invasoren konnten an beliebiger Stelle und in jeder Anzahl den Wölbmantel durchstoßen. Erst in dem Augenblick, wenn größere Mengen von Spaccahs sich in einer bestimmten Ent fernung vom Boden befanden, konnten sie wirksam angegriffen werden. Auch Saant wußte, daß es unter den Pthorern verheeren de Verluste geben würde. Trotz der deutli chen Verachtung, die er und nahezu alle an deren Bürger von Donkmoon gegenüber den meisten Geschöpfen auf Pthor empfanden, würde er alles tun, um die Invasoren zurück zuwerfen.
3. Thalia und Kargentoff verließen den brei ten, hellen Kiespfad und traten in das tiefe Halbdunkel, das unter den mächtigen Ästen der Bäume lag. Hier standen etwa drei Dut zend der größten und besten Zugors, die auf Pthor zu finden waren. Rund hundert Pthorer bildeten die Elite truppe, die in fliegenden Einsätzen mehr würde ausrichten können als alle anderen Kämpfer. Thalia selbst hatte dafür gesorgt, daß diese Hundertschaft mit der besten Aus rüstung bedacht wurde. Jene Männer waren die letzte Hoffnung von Atlantis.
»Viele von ihnen werden wir nicht mehr lebend wiedersehen«, knurrte Kargentoff ne ben Thalia. »Du hast recht. Aber es bleibt niemandem eine andere Wahl«, entgegnete sie. Es existierten nicht viel mehr Raumanzü ge auf Pthor als jene hundert. Es mochten in unbekannten Magazinen noch mehr ver steckt sein, aber es gab gegenwärtig keine Chance, sie zu finden. Die Männer arbeite ten an den Anzügen, reinigten die Waffen, sahen sie durch und versuchten, die Anzüge mit Metallplatten zu armieren. Thalia blieb mitten unter den Männern stehen. »Ihr seid nervös«, sagte sie. »Es wird nicht mehr lange dauern, dann müßt ihr kämpfen und die Verbindung zwischen den Gruppen herstellen!« »Wir sind bereit.« Viele Männer hielten mächtige Skerzaals in den Händen. Die Geschosse trugen nadel fein zugeschliffene Spitzen mit langen Wi derhaken. Der hellblaue Körper des Robot bürgers bewegte sich mit knackenden Ge lenken zwischen den Zugors und den aufge regten Kämpfern hin und her. »Meine Diener werden in Notfällen als Kommunikationseinheiten tätig werden«, versicherte Kargentoff und berührte mit ei nem schimmernden Tentakel Thalias Schul tern. »Es ist nicht schwer, aber die Diener sind nur einfache Geräte. Ihr müßt versu chen, richtig mit ihnen umzugehen.« Einige der Metallkonstruktionen dieses Robotbürgers waren in den Zugors verteilt. Auf dem Umweg über ihren Herrn würden die Zugorbesatzungen auch ohne Funkgeräte ihre Einsätze in bescheidenem Rahmen ko ordinieren können. Thalia brauchte nicht erst diese Gruppe anzusehen, um zu erkennen, daß es auf Pthor praktisch an allem fehlte – die Chancen lagen eindeutig beim Gegner. Sie sehnte Atlans Rückkehr geradezu fie bernd herbei. »Ich werde euch helfen, so gut ich es ver mag«, sagte sie beteuernd. Die Kämpfer und Piloten schlugen ihre Waffen gegen die pri mitiven Panzer und Schilde.
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»Und ich versuche, die Koordination so perfekt wie möglich durchzuführen«, ver sprach der wuchtige Robotbürger. Er hatte den Herren der FESTUNG gut gedient, und jetzt würde er seine Fähigkeiten dem neuen Herrscher von Pthor zur Verfügung stellen. Die Robotbürger seiner Truppe waren über einen großen Teil des Weltenfragments ver teilt und unterrichteten ihn über jeden wich tigen Vorgang. »Die Krolocs stehen vor Pthor«, sagte Thalia entschieden. »In Kürze werden wir anfangen, Unsicherheit in ihre Reihen zu bringen.« Die Männer schrien zurück: »Wir warten auf deinen Befehl!« Einige kleine Zugors wagten sich von Zeit zu Zeit durch den Wölbmantel hinaus und versuch ten, mit exakten Ortungsergebnissen zurück zukommen. Ab und zu lieferte auch das Wa che Auge undeutliche Bilder. Aber noch hat te sich keine der beiden Seiten entschlossen, einen ernsthaften Vorstoß zu unternehmen. Thalia wollte die Krolocs dazu verleiten, mit einer so kleinen Streitmacht zuzuschlagen, daß die Abwehr überhaupt möglich und sinnvoll war. Würde ihr Plan Erfolg haben? fragte sie sich ängstlich, als sie zwischen den kleinen Pyramiden wieder auf das Zen trum der FESTUNG zurückging, den Robot bürger neben sich, der zu seinem Trog in ei nem der Pyramiden-Räume rollte.
* Ein Dello hielt Thalia auf, als sie durch den Eingang kam. »Neuigkeiten?« fragte sie knapp. »Wir haben alle, wie es befohlen wurde, nach Grizzard und dem Stummen gesucht.« »Mit Erfolg?« »Nein. Wir bedauern. Weder von dem einen noch dem anderen fand sich eine Spur. Es ist, als wären sie verschwunden. Und vor wenigen Minuten hörte ich vom Vertreter ei ner anderen Kommandogruppe, daß auch niemand Koy den Trommler gesehen hat. Niemand ahnt, wo er sein könnte.«
Thalia senkte bekümmert den Kopf. »Dann können wir also nicht einmal auf dieses Hilfsmittel zurückgreifen, auf Koys vernichtende Broins.« »Es tut mir leid, keine andere Botschaften ausrichten zu können«, entgegnete der Dello förmlich. »Nicht deine Schuld. Geh hinaus und hilf denjenigen, die Waffen suchen, oder ande ren, von denen Rüstungen und Helme ge schmiedet werden.« »Ich werde mit ihnen kämpfen.« Mit einer Geste der Hoffnungslosigkeit zuckte Thalia die Schultern. Langsam er wachten in ihr Gedanken an die alte Zeit, in der sie in der Maske und Rüstung von Honir gekämpft hatte. Sie würde die Rüstung bald wieder anlegen. Sigurd kam aus dem Innern der FE STUNG und hob die Hand. »Deine Freunde, die Magier, haben sich gemeldet. Sie versprachen, immer dort ein zugreifen, wo es für uns gefährlich ist. Sie fragen, ob wir in der FESTUNG wissen, wann Copasallior und Koratzo zurückkom men. Ich sagte ihnen, was wir wissen.« »Es ist wenig, was wir wissen. Nur, daß die Invasionsflotte geradezu gigantisch ist und Pthor vermutlich versklavt wird.« »Ich teile deinen Pessimismus nicht, Schwester«, antwortete er. »Balduur wird zurückkommen und an unserer Seite kämp fen. Heimdall muntert die pthorischen Krie ger auf?« »Sofern sie aufzumuntern sind!« murmel te sie. »Was können wir tun? Jetzt, bevor noch die ersten Kämpfe ausgebrochen sind?« Sigurd breitete die Arme aus und sagte entschlossen: »Mit einigen Zugors und den Elitekämp fern werde ich den Wölbmantel durchstoßen und Furcht und Terror unter die Angreifer tragen. Ein Steuermannfragment hat noch einen Raumanzug hervorgezaubert.« »Ich wünsche dir viel Glück, Bruder!« »Viel Glück wird nötig sein«, antwortete Sigurd.
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Es war die Ungewißheit, die alle marterte. In dem Moment, da die Kämpfe losbrachen, würden alle anderen Gedanken ausgelöscht sein. Nur noch ein Wunsch oder besser die feste Entschlossenheit galt dann: Pthor muß te frei bleiben, um aus der Dunkelheit zu entkommen und das ausführen zu können, was der neue Herrscher zu tun versprochen hatte.
4. Spank Vhroon hob grüßend seine Strah lenlanze, als er die große Schleuse der Kom mandospaccah verließ. Die vier Wachen grüßten zurück, indem sie ihre Kopfarme zusammenschlugen. Hinter den Krolocs wa ren in das Metall der Korridorwand Darstel lungen eingeätzt, auf denen Vhroon ein klei nes Kapitel der Geschichte wiedererkannte. Der Aufstieg der Krolocs, dargestellt durch die Vorkommnisse der Zweiten Erhebung in und um Pioza Velgorann; ein Kampf, der die Brut der Tagger ein für allemal unsterblich berühmt gemacht hatte. Einer der Posten erklärte unbewegt mit seiner präzisen Stimme: »Tagger Blyhs legt gerade seine Kriegs farben an. Nur du sollst zu ihm, Vhroon.« »Beim Staub«, gab Tagger zurück. »Ich weiß diese Ehrung zu schätzen.« Gewisse Vorgänge der körperlichen Ma nipulation waren das unveräußerliche Recht des einzelnen Individuums, selbst und gera de bei den Krolocs, die Disziplin und Unter ordnung als höchste Tugenden kannten. Daß Tagger ihm erlaubte, bei dieser Handlung anwesend zu sein, grenzte an BrutVertraulichkeit. Spank glitt durch den Korri dor und in die Kommandozentrale des Kriegsherrn hinein. Tagger tauchte gerade einen dicken Markierungsstift in die helle Flüssigkeit und zog eine breite Linie um die Basis seines linken ersten Fußes. »Achttausend Spaccahs sind bereit, auf mein Zeichen zuzuschlagen!« begrüßte Tag ger den persönlichen Adjutanten. Vhroon senkte die Lanze und sah gebannt zu, wie
von dem Kreis um das Gelenk aus eine Linie zu einem der Augen gezogen wurde. Er er kannte klar die Bedeutung der Stunde. »Unser Reich wird eine vielgestaltige und herrliche Kolonie gewinnen«, bestätigte Spank. »Natürlich werden wir schnell und verlustlos siegen.« »Nicht so verlustlos wie an anderer Stelle und zu anderer Zeit«, schränkte der Kom mandant ein. »Wir wissen, daß die Bewoh ner von Pthor – oder wenigstens einige von ihnen – entschlossene Kämpfer sind. Ich weiß, wie die ersten Gefangenen entkamen.« »Es waren zwei von vielen. Uns helfen die große Zahl und die mörderische Ent schlossenheit unserer Kämpfer«, entgegnete Vhroon. »Wie lauten die letzten Meldungen?« Bedächtig wechselte Tagger den Stift in die Klauen der anderen Kopfhand. Die Lini en, ein uraltes, rituelles Muster, zerteilten den Doppelkörper in kleine, unregelmäßige Zonen. »Die Wesen auf Pthor erwarten den An griff.« »Sie sind nach wie vor unverändert? Kei ne neuen Waffen aus unterirdischen Magazi nen? Was sagen die letzten Patrouillen?« Spank mußte erkennen, daß er gezwungen war, einige Rückschläge zuzugeben. Er er klärte vorsichtig: »Von zehn Kundschaftern, die ich los schickte, kehrten nur zwei zurück. Sie be richteten, daß sich viele Bewohner verkro chen haben.« »Mit welchen Waffen wurden sie getö tet?« »Es gibt fliegende Schüsseln, bemannt von Wesen, die simple ballistische Geschos se schleudern. Aber auf jede Spaccah stürz ten sich so viele Abwehrkräfte, daß die Übermacht die Kundschafter abschoß.« »Begreiflich. Ein Umstand, der sich rasch ändern sollte, wenn die Festungsspaccahs mit der Durchdringungsenergie durch den Schirm schlüpfen. Die Abwehrmaßnahmen sind geradezu herausfordernd lächerlich – oder gibt es neue Erkenntnisse, die dieser
12 Einsicht widersprächen?« »Keineswegs. Eher das Gegenteil. Sie scheinen sich vor Angst zu verkriechen.« »Indessen kann aus vielen Schlupflöchern Gefahr hervor kommen. Das Gebiet um die Pyramiden ist das strategische Angriffsziel der zweiten Welle.« »So wird es ausgeführt, so wurde es ange ordnet, Kriegsherr!« bestätigte Spank und senkte die Kopffüße. Die Anzahl der Linien vergrößerte sich, das Muster der Kriegsfarbe verwirrte. Es war ein uraltes Ritual, das in der jüngsten Generation fast vergessen wor den war. Nur Professionelle und Angehörige der alten, berühmten Kasten wendeten es an. »Dreißig oder mehr dieser lächerlichen fliegenden Schalen sind gerade ein Gegner für eine gute Spaccah-Besatzung«, sagte Tagger leidenschaftlich. »Ich habe den An griff für die nächsten acht Stunden angeord net. Wann sollen wir den Befehl geben?« »Sie werden sich nicht aus dem Feld her vorwagen, das um ihre Welt liegt. Lassen wir unseren Invasionsstreitkräften noch eine Ruhepause. Die Transportspaccahs haben noch nicht alle Güter verteilt.« »Das ist wichtig für den Sieg? Ich rechne unverändert damit, daß er uns leicht in die Klauen fällt.« »Würdiger Kommandant, Sonne der Streitkräfte, Verkünder großer Befehle«, sagte der Adjutant, »niemand zweifelt an der Kühnheit und Klugheit der geringsten deiner Entscheidungen. Aber du solltest den Geg ner nicht unterschätzen. Wir könnten eine empfindliche Verzögerung der Invasion er leiden, wenn wir nicht auch die Möglichkeit erbitterten und deshalb erfolgreichen Wider stands in unsere Überlegungen aufnähmen. Die Waffen-Spaccahs mögen furchtbare Ge räte sein, aber wir haben nur wenige davon.« Mehrere Augen hefteten sich eindringlich auf Spank Vhroon, dann trillerte und pfiff der Kriegsherr nachdenklich: »Einen solchen Einwurf von dir – ich hät te ihn nicht erwartet. Er zeigt deine Klug heit. Gib Befehl, daß sich die Streitkräfte auseinanderziehen, und veranlasse, daß
Hans Kneifel sämtliche Entladearbeiten schneller ausge führt werden. In fünf Stunden greifen wir an. Drei der strategischen Viertel. Der Rest bleibt für die akute Einsatzreserve.« »Ich weiß«, bestätigte Vhroon, »daß deine Klugheit uns zum Sieg führen wird.« »Ich weiß es nicht, aber ich habe keinen Grund zur gegenteiligen Annahme«, pflich tete ihm der Kommandant bei und ließ den Stift fallen. Der Körper war jetzt mit einem Wirrwarr symbolischer Linien überzogen. Sie sagten aus, daß der Kommandant alles, was er besaß, für das Gewinnen der Schlacht opfern würde. Dort, wo bei anderen Sekto renkommandanten leuchtende Mineralien eingepflanzt waren, hatte sich Tagger Blyhs dunkle Metallscheiben anheften lassen. Er wirkte drohend wie eine waffenstarrende Spaccah mitten im Staubnebel. Vhroon schauerte zusammen und machte eine Ge bärde von großer Ergebenheit. »Ich werde allen deine Entscheidungen mitteilen. Besonders …« Ein heulendes Geräusch von einigen Se kunden Länge ertönte von der Arbeitsplatte des Kommandanten. Mit zwei Sätzen war Tagger an dem Signalgerät und drückte einen Hebel. Dann fistelte eine aufgeregte Stimme aus den Lautsprechern. »Angriff! Ein Pulk von wahnsinnigen Verteidigern hat sich auf das Zentrum der wartenden Flotte gestürzt!« Tagger und Spank starrten einander ver blüfft an. Dann erzeugte Tagger ein knarrendes Geräusch der gelassenen Heiterkeit. »Verschafft ihnen den Genuß eines To des, der tollkühner Kämpfer wert ist«, schrie er zurück. Er wirkte nicht im mindesten überrascht. »Und studiert die Art ihres Kampfes. Sie wird aufschlußreich sein. Be wahrt Ruhe und Besonnenheit!« »Zweifellos wollen sie uns zwingen, nach ihren Regeln zu kämpfen«, sagte der Adju tant knapp. »Zweifellos. Sie haben es mit Sicherheit auf unsere überlegenen Waffen abgesehen. Wir werden die Ereignisse aus der Nähe,
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aber in sicherer Position miterleben. Wartet deine Kommando-Spaccah?« »Sie hat an der großen Schleuse festge macht«, sagte Spank und schloß, während sie hinauseilten, den Kopfteil seines Raum anzugs. Als der Kommandant auftauchte, schleppten die Posten den schwarzen Raum anzug mit den vielen metallenen Gelenkkap seln heran und halfen ihrem obersten Vorge setzten, den Anzug anzulegen. Ungeduldig wartete Spank Vhroon. Er wollte sehen, wie die Fremden von dem riesigen Weltenfragment kämpften und starben.
* Sigurd sah, als er im Zugor kauerte, wie eine Sagengestalt aus. Über den eng anliegenden Raumanzug spannten sich Waffenrock und Wams. Die blauen Metallbeschläge waren stumpf, die Lederstiefel und die Stulpenhandschuhe wirkten in dem vagen Licht des Weltraums wie Fremdkörper. Als die keilförmige For mation der Zugors aus dem Wölbmantel her vorstieß, hörten die Federn des Helm schmucks schlagartig mit ihren Bewegungen auf. Den Schulterumhang hatte er in der FE STUNG zurückgelassen. Im Gürtel steckten zwei Waggus, in den Händen hielt Sigurd die breite, geschliffene Garpa, dieses Zwi schending aus Speerblatt und Schwert. So fort sah er den Verband der Spaccahs, in dessen Zentrum eine riesige Scheibe schwebte. Er legte schwer eine Hand auf die Schul ter des gepanzerten Piloten und deutete auf den Koloß, der von kleinen Spaccahs um schwirrt wurde. »Dorthin!« murmelte er. Nur wenige Pthorer verstanden ihn. Die meisten Raum anzüge waren ohne Funkgerät. »Wir entern das Ding und zünden es an!« versicherte ächzend eine helle Stimme. Sie gehörte einem der Gordy-Piloten. Elf andere schnelle Zugors folgten in Keilformation dem großen Gerät. Die Ptho
rer kauerten sich hinter die hochgewölbte Brüstung der Maschinen. Nur die Spitzen der Armbrüste und andere Waffen sahen darüber hervor. Die Aktion erfolgte blitz schnell. Einige Spaccahs wurden passiert; kein einziger Kroloc schien die Eindringlin ge bisher gesehen zu haben. Die ausneh mend große Spaccah kam immer näher. Der Vergleich mit den anderen Raumflugkörpern ließ erst ihre wahre Größe erkennen. Sie war hochbeladen mit würfelförmigen Behältern, zwischen denen sich schmale Korridore zeigten. An vielen Stellen befanden sich dünne, graue Planen, die straff an den Fron ten anlagen. Sigurd hob die Hand. Der Keil führte eine schnelle Schwenkung durch. Es waren die besten Piloten, die auf Pthor zu finden gewesen waren. Sie verstan den ihr Geschäft hervorragend. Die hintere Hälfte des Verbandes flog geradeaus weiter, während Sigurd mit den anderen Zugors die abgewandte Seite des wuchtigen Lastenoder Waffenflugkörpers zu erreichen ver suchte. Die Krolocs wurden jetzt auf die Eindringlinge aufmerksam und handelten schnell und zielsicher. Lange Feuerstrahlen aus Energiewaffen blitzten auf. Sigurd schalt sich einen Narren, daß er nicht versucht hat te, die Beutewaffen aus den abgestürzten Scout-Spaccahs an sich zu bringen – dann hätten sie sich erfolgreicher wehren können. Aber die Skerzaalschützen in seinem Zugor feuerten ihre Waffen ab. Hier, im schwerelo sen Raum, arbeiteten die Waffen mit einem hervorragenden Wirkungsgrad. Die Raum anzüge einiger Krolocs wurden zerfetzt, die Wesen starben und ließen die Steuerhand griffe ihrer Spaccahs los. Eine erste Welle der Verwirrung begann sich auszubreiten. »Wir versuchen, die Spaccah in Brand zu setzen oder zu sprengen«, ordnete Sigurd an. »Verstanden.« Von allen Seiten blitzten die Schüsse aus den Energielanzen. Die wenigsten trafen, denn offensichtlich hatte der Überfall die Krolocs doch mehr überrascht, als die Ptho rer es sich hätten wünschen können. Hin und
14 wieder schlug eine Energieladung in einen Zugor ein und sprengte Fetzen aus Metall und Kunststoff davon. Keiner der Angreifer hatte einen Blick für das riesige Panorama aus Staub, Schatten und Lichtbalken. Ein Zugor detonierte gleichzeitig an drei Stellen, ging in Flammen auf und kam aus dem Kurs. Die Antriebsmaschinen schleu derten ihn und die sterbende Besatzung schräg nach vorn. Der dicke Rauchvorhang, der sich zwischen die umherschwirrenden Spaccahs und die Keilspitze legte, verbarg die Angreifer ein wenig. Lautlos fluchte Si gurd und schwor sich, dieses Riesending dort zu vernichten. Der Zugor rammte eine Spaccah, schleu derte die Scheibe zur Seite und nahm direk ten Kurs auf die hochgetürmte Ladung. Die Krolocs waren an allen Stellen in fieberhaf ter Eile dabei, die würfelförmigen Stücke der Ladung auf ihre kleineren Spaccahs zu transportieren. An vielen Stellen der Scheibe wimmelte es von kleinen, vielgliedrigen Ge stalten in faltenreichen und aufgeblähten Raumanzügen. Dann bremste der Pilot Si gurds Zugor ab. Der Zugor stieß mit der Seitenwand gegen die Ladung der Spaccah. Direkt vor dem Odinssohn klaffte eine Lücke, in der sich zwei arbeitende Krolocs befanden. Mit ei nem gewaltigen Satz schnellte sich Sigurd, die Garpa schlagbereit erhoben, aus dem Flugapparat. Seine Waffe bewegte sich hin und her. Die Energielanzen der Krolocs wurden ihnen aus den Klauen gerissen. Überall schlugen die Schüsse der Vertei diger ein. Der Zugor war zwischen den Ladungstei len verkeilt. Sigurd rammte die Spitze der Garpa in einen Würfel hinein, ergriff eine Energielanze und suchte den Abzug. Es dau erte nur Sekunden, dann ertönte in den weni gen Empfängern sein wildes Gelächter. »Sammelt euch und bereitet den Rückflug vor!« schrie er aufgeregt und feuerte lange Strahlschüsse in die Ladung, in den Boden und auf jeden Kroloc, den er entdeckte. Ei ner der Technos sprang auf die Spaccah her-
Hans Kneifel über, schleppte die Garpa und die zweite Strahlwaffe mit sich zurück zum Zugor. Au genblicklich begann er, die heranrasenden Spaccahs unter Beschuß zu nehmen. Zwischen der Ladung explodierte ein Me chanismus der Spaccah, der tief im Material der Scheibe verborgen war. Lange Funken und kristallweiße Stichflammen schossen nach allen Seiten. Ein Teil der Ladung be gann zu brennen und erzeugte einen dunklen Qualm, der sich blitzschnell ausbreitete. Schwere Vibrationen durchliefen den Kör per der großen Spaccah. »Zurück!« donnerte Sigurd in das Mikro phon und ging langsam rückwärts, bis er an den Rand des Zugors stieß. Dicht über sei nem Kopf schlug ein Schuß in die Ladung ein. Er duckte sich, zielte in die Richtung, in der er den Schützen vermutete und sandte einen langen Feuerstrahl dorthin. Dies, sagte er sich, war eine herrliche Waffe. Ein wenig unhandlich wegen der Länge, aber unerhört leistungsfähig. Die kleine Spaccah, die her angerast war, löste sich in einem glühenden Hagel aus Trümmern auf. Die Trümmer schlugen ihm die schwelenden Teile der La dung ein. Sigurd sah sich um. Auf zwei Seiten wa ren sein Zugor und er von den riesigen Rauchschwaden umgeben. Auf der anderen Seite wehrten sich die Pthorer mit Schleu dern, Harpunen und Skerzaals. Mehrere tote Pthorer lagen in den Zugors oder hingen über den wulstigen Rand. Sigurd schwang sich an Bord des Zugors und rief: »Rückzug, Freunde!« Der Pilot begriff und warf die Strahlen lanze einem Techno zu. Sofort versuchte dieser Pthorer, die Verteidiger abzuhalten. Er feuerte im Halbkreis auf alles, was ihm als gefährlich erschien. Der Zugor stieß zu rück, drehte sich und schoß wie ein Meteor durch die Staubwand, die mit Rauch ver mischt war. Wieder erfolgte ein wütendes Gefecht zwischen Krolocs und Pthorern. Aber die Zugors sammelten sich, nahmen schnell Fahrt auf und rasten davon. Deutlich war Pthor zu erkennen, und ebenso deutlich
Kampf um Atlantis sahen die Angehörigen des kleinen Kom mandos, daß die Krolocs erbitterte Gegner waren. Von drei Seiten schossen die Zugors heran, vereinigten sich wieder zu einem Keil und verteidigten sich nach rückwärts. Immer wieder setzten Sigurd und sein Nachbar die erbeuteten Waffen ein. Sie zielten hervorra gend und schafften es, zwischen die letzten Zugors und die ersten, wieder herandrängen den Spaccahs einen immer größer werdenden Abstand zu legen. Sigurd zählte. Er merkte, daß sie drei Zu gors verloren hatten, und in den anderen Fluggeräten, die ihm folgten, lagen Tote und verletzte Pthorer. Einige Sekunden später, als er einen Moment Zeit hatte, sah er die große Spaccah. Sie brannte, an vielen Stellen zerrissen kleine Explosionen das Monstrum, die La sten wurden brennend weggeschleudert. Von allen Seiten kamen die Spaccahs heran und nahmen die Verfolgung auf. Gezielte Schüsse hielten die ersten Verfolger in ach tungsvollem Abstand. Die Pthorer warfen noch einen langen Blick auf die Staubmas sen, dann tauchte der Rest des Kommandos durch den Wölbmantel und raste im Steilflug dem Boden entgegen. Ein Pthorer, dessen Raumanzuggeräte noch funktionierten, sagte mit dunkler Stim me: »Ein großer Erfolg für uns. Es scheint, daß wichtige Güter vernichtet wurden.« Sigurd gab zurück: »Es war ein Nadelstich, nicht mehr!« Die Zugors rasten in einer engen Spirale auf das Gelände der FESTUNG zu. An zwei Stellen gab es Luftkämpfe, die aber ziemlich dicht über dem Boden stattfanden. Die Übermacht der Zugors zwang eine Plattform zur Landung und vernichtete die andere, größere Scheibe. Sigurd klappte seinen Raumanzugshelm zurück und sagte zum Steuermann: »Bringe mich zu Thalia und Heimdall, ja?« »Sofort, Odinssohn.« Die anderen Zugorpiloten landeten wieder
15 zwischen den Baumstämmen des FESTUNGs-Parks. Sigurd hob die Garpa und die erbeutete Waffe, sprang hinaus und rannte auf die größte Pyramide zu. Dellos kamen aus einigen kleinen Beiboot-Pyra miden und aus anderen Gebäuden und küm merten sich um die Toten und Verletzten. Auf einem anderen Weg hörte Sigurd unver kennbar schwere, schnelle Schritte. Er fuhr herum und erkannte seinen Bruder, der ebenfalls auf den Eingang zulief. »Heimdall! Wie steht es mit unseren Ar meen?« rief Sigurd und riß den Helm vom Kopf. Der Bruder schüttelte den Kopf. »Pthor wird die Invasion nicht überle ben.« »Wir haben schwere Verluste«, bekannte Sigurd. »Aber ich habe eben erlebt, daß die Krolocs nicht unbesiegbar sind. Wir haben eine Transportspaccah vernichtet.« »Gut«, meinte Heimdall. »Was ist das?« Er deutete auf die Strahlenlanze. Sigurd sagte im Tonfall tiefsten Bedauerns: »Eine vorzügliche Waffe. Jeder unserer Gegner hat eine solche Lanze. Wir haben zwei von ihnen erbeutet. Wir sollten zwan zigtausend davon haben. Hier, sieh selbst, Heimdall!« Er richtete das glühende Ende auf die Kante zwischen Mauer und Dach eines na hestehenden Gebäudes und betätigte den Auslöser. Fauchend und röhrend heulte ein langer Feuerstrahl aus dem Projektorende. Er traf die Kante und zerfetzte Stein und Metall in einer krachenden, harten Detonati on. Trümmer und weißglühende Tropfen wurden nach allen Richtungen geschleudert. »Vielleicht entscheiden diese Waffen, wenn wir genügend davon erbeuten, den Kampf«, brummte Heimdall. »Vielleicht. Wo ist Thalia?« »Zusammen mit Kargentoff in der Pyra mide. Die Vorbereitungen gehen weiter. Fast jeder weiß, was uns erwartet.« »Ich jedenfalls weiß es«, antwortete Si gurd. »Die Invasion bricht in ganz kurzer Zeit aus.«
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5.
*
Durch die halbkugeligen Augenöffnungen des Raumanzugs bohrte Tagger Blyhs den Blick seiner zahlreichen Augen in die seines Adjutanten. »Vielbeinigkeit Tagger«, erklärte Spank. »Ich habe gesehen, wie die Pthorer kämpfen. Sie sind schnell und erbarmungslos. So wie wir haben sie eine lange Tradition in Kampf und Krieg, in Niederlagen und Siegen. Den ke nicht, o Vielbeinigkeit, daß wir schnell eine neue Kolonie gründen werden.« »Ich weiß, wie groß unsere Flotte ist«, sagte der Kommandant und blickte schwei gend den Trümmern nach. An der Stelle, wo sich vor wenigen Minuten noch die große Transport-Spaccah befunden hatte, zusam men mit einigen Dutzend kleiner Kriegs plattformen und deren Besatzungen, breitete sich jetzt ein diffuser Ball aus glühenden Gasen aus. »Und unsere Reserven sind gewaltig«, fügte Blyhs hinzu. »Bereit, Vhroon?« »Ich bin bereit. Unsere Flotte ist bereit. Wir fiebern den Kämpfen entgegen. Wir werden jeden Quadratzentimeter von Pthor besetzen. Du gibst den Befehl, Tagger?« »Ich gebe den Befehl! Greift an! Alle!« Der Adjutant winkte dem Funker. Rund achttausend Spaccahs warteten seit Stunden auf den Befehl. Gleichzeitig setzten sich sämtliche Einheiten in Bewegung. Die ein zelnen Kommandos fügten sich zusammen und drangen auf den Wölbmantel Pthors vor. Hinter ihnen kamen die Spaccahs, von denen Ausrüstungen, Nachschub und Waf fen transportiert wurden. Dahinter schweb ten die noch größeren Flugscheiben. Sie hat ten die Bodentruppen an Bord und deren lo gistische Ausrüstung. Tausende und aber Tausende der vielbeinigen Wesen rückten heran. Die Schutzschirme der Spaccahs zerteil ten den Staub, und sie durchdrangen auch den Wölbmantel, der Pthor bisher geschützt hatte.
Unter ihnen lag ein annähernd keilförmi ges Land in dem halben Licht, das die Au gen der Krolocs gewohnt waren. Einzelne Kommandoeinheiten, aus vielen Spaccahs mit speziell ausgebildeten Invasi onstruppen zusammengesetzt, wurden schneller und jagten auf die vorher bezeich neten Ziele zu. Jeder Stoßkeil hatte eine klar definierte Aufgabe und einen ebensolchen Standort, von dem aus die Invasoren aus schwärmen würden. Eine der ersten Gruppen nahm Kurs auf Orxeya. Die Heimatstadt von Sator Synk. Es wa ren etwa 250 Spaccahs, die sich in mehreren Formationen auf die Stadt und das Land ringsum stürzten. Ihr Angriff erfolgte schnell und nahezu lautlos; das Heulen des Fahrtwinds hörten die Verteidiger am Boden erst, als die Spaccahs direkt unmittelbar über ihre Köpfe hinwegflogen. Vor dem Bekannt werden der Invasion hatten hier etwa acht tausend Wesen gewohnt; jetzt schien die Stadt ausgestorben zu sein. Atlan hatte ent sprechende Befehle und Verhaltensmaßre geln gegeben. Rund um den Seelenmarkt, von Lehmzie gelgebäuden mit nassen Strohdächern umge ben, waren die Waffenschmiede an wenigen Stellen verborgen. Lange Rohre richteten sich gegen den Himmel, gespannte Federn knirschten. In tönernen Gefäßen befanden sich Säuren und eine sirupartige Flüssigkeit, die leicht entzündlich war. Todesruhe lag über der Stadt voller winkliger Gassen und hölzerner Palisaden. Die erste Staffel der Spaccahs raste über die Dächer hinweg. Über den Rand der fla chen Scheiben hingen die Köpfe der Kro locs. Die glimmenden Speerspitzen richteten sich auf die Dächer und die Fenster. Als der Luftzug einen kümmerlichen Baum beweg te, feuerten mindestens zwanzig Krolocs auf dieses vermeintliche Ziel. Die zweite Staffel näherte sich langsamer
Kampf um Atlantis und in breiter Front. Die Krolocs waren für den ersten Augenblick unsicher und ver wirrt. Sie waren darauf eingestellt, erbitterte Gegenwehr im Keim ersticken zu müssen. Das Mißtrauen machte sie übernervös. Aus vielen versteckten Öffnungen schossen senkrecht schwere Metallpfeile mit großen Schneiden in die Höhe. Es gab klirrende und schnarrende Geräusche, als die ballistischen Geschosse die Führungsrohre verließen. Tonkrüge, die einen winzigen Rauchfaden hinter sich herschleppten, wirbelten in hohen Kurven durch die Luft und fielen senkrecht wieder herunter. Die Gefäße zerplatzten in den Spaccahs, auf den Raumanzügen der Krolocs und in den Gassen Orxeyas. Überall dort, wo die Flüssigkeit auseinanderspritzte, brannte sie augenblicklich. Steuerlose Spaccahs begannen zu tau meln, wurden langsamer oder schneller, zo gen in die Höhe oder krachten in die Dächer der Gebäude. Strahlenlanzen wirbelten wie Knüppel durch die Luft. Jeder Kroloc, der seine Waffe handhaben konnte, begann so fort zu schießen, auf echte oder eingebildete Ziele. Die dritte Reihe der Spaccahs landete vor der Stadtmauer mit den Wachtürmen und den Toren. Die Krolocs strömten hinaus und verwüsteten die angelegten Felder wie auch den Rand des Blutdschungels. Sie bildeten einen halbkreisförmigen Wall, der sich be wegte wie eine langsam heranrückende Brandungswelle. Hin und wieder öffnete sich eine Fallgrube. Spitze Stäbe drangen durch Raumanzüge und Körperpanzer der Angreifer, aber für jeden, der starb, kamen Dutzende andere von hinten. Die Stadtbe völkerung war noch immer kaum zu sehen; nur hin und wieder huschten dunkle Gestal ten durch Rauch und Flammen, um sich die Energielanzen zu holen. Das Wissen über diese Waffen hatte sich wie ein Lauffeuer über Pthor ausgebreitet, kaum daß die ersten Lanzen erbeutet worden waren. Zwischen den Büschen des Dschungels
17 lauerten die Angehörigen der wilden Stäm me. Sie waren Meister darin, sich unsichtbar zu machen. Mit vergifteten Pfeilen und in Gift getauchten Metallsplittern, die ihnen die Schmiede gebracht hatten, schossen sie zwi schen den borkigen Stämmen hinaus und blieben weiterhin versteckt. Im Hintergrund brannten Teile der Stadt. Einige Schußwechsel setzten einen brei ten Streifen Gebüsch und kleine Bäume in Brand. Eine lodernde Flammenwand trieb die Blutdschungelleute zurück in die Tiefen des Waldes, dessen feuchte Hitze die Flam men schnell erstickte. Eine kleine Gruppe todesmutiger Händler, auf gepanzerten Yassels reitend, griff eine Abteilung Krolocs an und starb mitsamt den Tieren im konzentrierten Abwehrfeuer. Min destens zwei Dutzend Spaccahs brannten an verschiedenen Stellen. Überall lagen tote Krolocs; die verwundeten Angreifer krochen zwischen Flammen und niederbrechenden, glühendheißen Lehmziegelmauern herum wie blind. Ein einzelner Zugor erschien zwischen den Spaccahs. Zuerst hielten die Krolocs die vermummten Gestalten für einige der ihren. Aber als der Mann neben dem Piloten nach einander mit der Energiewaffe sieben Besat zungen tötete und sechs Spaccahs zum Ab sturz brachte, vereinigten sich die brüllenden Feuerstrahlen auf ihn. Die Strahlenlanze explodierte in genau dem Moment, in dem sich auch der Zugor auflöste und eine Transportspaccah rammte. Beide Fluggeräte krachten zu Boden und kippten ihre Besatzungen aus zweihundert Metern Höhe in das flammende Inferno. Schwerter, die an langen Stangen befe stigt waren, töteten im Nahkampf die Kro locs. Aber mehr und mehr der vielgliedrigen Wesen strömten heran. Nur noch wenige Rohre schleuderten lange Eisenpfeile. Die Bevölkerung steckte in Höhlen, war im Wald oder unter den Feldhütten versteckt; in der Stadt hatte es während des ersten An griffs nicht mehr als vierhundert Männer ge geben.
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Sie wehrten sich wie die Rasenden. Die Krolocs erlitten gewaltige Verluste. Aber binnen einer Stunde war die Stadt von einem Ring gelandeter Spaccahs eingeschlossen, deren Besatzungen auf das Zentrum zu vor rückten und siegen würden, trotz der Verlu ste. Die ersten Brände erloschen und hinter ließen riesige schwarze Rauchsäulen. Es wa ren Signale für die Pthorer, daß die erste Stadt vom Feind besetzt worden war. Die In vasion war in vollem Gang.
* Tagger Blyhs, »Seine Vielbeinigkeit«, hatte fast jeden Bericht eines jeden Kund schafters genau gelesen. Er hatte auch die Karten intensiv studiert, die von den Scouts aufgenommen worden waren. Er fürchtete kein einziges lebendes Wesen auf Pthor, auch die legendären Kämpfer nicht. Aber er fürchtete, daß die Robotbürger von Wolterhaven – diesen Namen konnte er nicht richtig aussprechen, wie so viele ande re Bezeichnungen, die ihm von den Scouts genannt worden waren – ihm persönlich ge fährlich werden konnten. Er kannte Roboter und wußte, daß solche Maschinen nicht leicht zu vernichten waren. Er selbst war einer der ersten, die sich der Stadt Wolterhaven näherte, die im Westen lag, dicht am Ende des Landes, das er für die Krolocs erobern wollte. Seine Spaccah, voller Nachrichtengeräte und den sie bedienenden Krolocs, näherte sich in großer Höhe der Stadt. Im Norden la gen scheinbar endlose Wälder aus riesigen Bäumen, im Süden die mächtigen Berge, von denen man behauptete, daß dort Magier hausten, also Wesen, die ohne Waffen töten und ohne Feuer verbrennen konnten. »Gibt es Nachrichten von der BrutSpaccah?« fragte der Kommandant. »Sie hält sich verborgen. Noch sind die Reserven nicht abgerufen worden«, war die Antwort. »Verständlich, denn ich gab keinen Be fehl«, schrillte Tagger. »Gut geschützt, tief
im Stau verborgen?« »Wie deine Befehle gelautet haben, Kriegsherr!« »Man soll dem Kommandanten der BrutSpaccah sagen, daß er, wenn man ihn ruft, in größter Eile kommt. Denn wenn ich ihn ru fe, brauchen wir die Waffen und die Geräte samt den Elitekämpfern.« »So wird es geschehen.« Diese Spaccah war ein strategisches Mit tel ersten Ranges. Sie war nicht nur gigan tisch, sondern enthielt alles, was für eine kleine Invasion gebraucht wurde. Sie war autark und in der Lage, eine verlorene Schlacht zu entscheiden, indem sie doch noch gewonnen wurde – weil dieser stähler ne Asteroid eine komplette kleine Armee enthielt, die einzig und allein auf einen sol chen selbstmörderischen Einsatz trainiert worden war. Tagger deutete nach vorn. Seine Spaccah, der dreihundertfünfzig andere Flugkörper folgten, befand sich in unerreichbarer Positi on. Schräg vor ihr dehnten sich große mora stige Flächen aus, zwischen denen eine Art Straße verlief. Die Stadt bestand aus recht eckigen und würfelförmigen Gebäuden, die ebenso wie die halbrunden Hallen auf einer Art dickem Gitterwerk zu stehen schienen. Auch diese Stadt schien verlassen zu sein. Nichts regte sich. Nachdenklich betrachtete Tagger Blyhs, dessen Kommandoeinheit nicht sehr schnell, aber unaufhaltsam und unangefochten vor rückte, die anderen Bildschirme. Sie zeigten fast ausnahmslos dieselben Bilder: Städte und Siedlungen wurden angegriffen. Es gab schwache Gegenwehr. Sie wurde mit Hilfe der Strahlenlanzen schnell zurückgeschla gen. Viele Teile der Siedlungen brannten. Die Krolocs landeten nach den ersten Kämp fen außerhalb der Stadt oder Siedlung, aber so nahe daran, daß sie binnen weniger Minu ten die Gassen und Häuser überfluteten und den Raum ausfüllten, den sie abzusuchen begannen. Sie waren fast an jeder Stelle in der Übermacht und nach kurzer Gegenwehr meist vollkommen siegreich.
Kampf um Atlantis »Es geht ausgezeichnet. Nach meinem Plan«, sagte sich Tagger leise. Er war zufrie den. Aber sie befanden sich erst in der Pri märphase der Invasion. Und … das wichtig ste Ziel war die FESTUNG. »Wenn wir das gesamte Land unter Kon trolle haben, ist die FESTUNG ohne Wir kung«, bestätigte ein Unteranführer. »Dies ist unser zweiter Schritt.« Wolterhaven kam näher, deutlichere Ein zelheiten zeichneten sich ab. Mit leichtem Erstaunen sah Tagger, daß der Dschungel weit vor der Stadt haltmachte. Zwischen den Bauwerken gab es so gut wie keinen Baum, kein Grün. Blau war die dominierende Farbe der Gebäude und der Verbindungen zwi schen ihnen. Nichts und niemand bewegte sich in der Stadt. »Wir landen!« befahl Tagger Blyhs. »Wir haben verstanden, Vielbeinigkeit!« Hundert Spaccahs der gleichen Größe, je weils mit sieben Krolocs bemannt, stürzten sich in einem verwegenen Winkel schräg hinunter. Niemand wehrte sich in Wolterha ven. Nur die wuchtigen Kopfteile der Raum anzüge und jeweils zwei Drittel der Strah lenlanzen sahen über den Rand der Flug scheiben. Deutliche Spannung ergriff den Kommandanten, als er den in klassischer Manier vorgetragenen Angriff ansah. Seine Streitkräfte kämpften, wie es die uralten Re geln vorschrieben. Sie waren immer erfolg reich gewesen. Tagger wußte, daß diese Stadt von Wesen bewohnt war, die sich nicht so leicht wie die Bewohner der bren nenden Siedlungen besiegen lassen würden. Mit seinen Augen erfaßte er das gesamte Bild der Stadt und der Umgebung. Die ersten dreieckigen Formationen der rasenden Spaccahs flogen in selbstmörderi scher Manier dicht über die blaumetallisch schimmernden Dächer dahin. Noch immer keine Gegenwehr. Tagger sah sich in seinem Konzept des Angriffs enttäuscht. Er hatte gerade an diesem Punkt mit entschlossenen Verteidigern gerechnet. »Wir landen, und wir gehen vor, so wie meine Befehle lauten!« sagte er schärfer, als
19 es notwendig gewesen wäre. »Es gibt trotz der veränderten Umstände keinen anderen Weg.« »Die ersten Spaccahs setzen bereits auf.« Wieder richtete Tagger seine Augen auf die verschiedenen Kommunikationsbild schirme. Der Vormarsch der Krolocs ging planmäßig vor sich. Überall brannten die Städte, nur hier gab es bis jetzt keinen Grund, die Waffen einzusetzen. »Ich sehe, was geschieht!« gab er zurück und bedeutete dem Piloten, näher an das Ge schehen heranzugehen. Alle Spaccahs der ersten Angriffswellen waren einmal über die Dächer hinweggerast und bremsten ab. Dann drehten sie sich her um. Einige landeten auf dem schmalen Ge ländestreifen zwischen der jenseitigen Stadt grenze und dem Ende von Pthor. Die ande ren bildeten wieder kleinere Gruppen und durchkämmten die Räume zwischen den Bauwerken. Noch immer fiel kein einziger Schuß. Die Unruhe unter den Truppen wuchs – sie wuchs immer angesichts solcher Vorkommnisse. Warum, dachte Tagger ner vös, versuchte nicht eine der Maschinen sich zu wehren? Die zweite Angriffswelle machte vor der diesseitigen Stadtgrenze Halt. Die Spaccahs senkten sich in einem schönen Manöver fast senkrecht ab und landeten am Rand des mo rastigen Bodens. Bald war der dunkle Unter grund mit schwarzen Scheiben bedeckt, zwi schen denen nur schmale Gänge freiblieben. Die Krolocs kletterten hinaus, hoben die Lanzen an und marschierten auf die Stadt zu. Taggers Spaccah flog in großen Kreisen über der Stadt Wolterhaven. Die Ruhe entnervte ihn. Der Kommandant blickte hierhin und dorthin. Während die letzten Transportscheiben landeten und sich Hunderte Krolocs der Stadt näherten, herrschte Totenstille. Als die ersten, von Osten kommenden Krieger die Gerüste und die Rampen erreichten, schien sich ihrer ei ne seltsame Verwirrung zu bemächtigen. Sie rannten hierhin und dorthin, nur nicht gera
20 deaus. »Was geht dort vor?« wunderte sich Tag ger, aber er schaltete sich noch nicht in den Kampf ein. Dutzende Krolocs kletterten über die Ge rüste, die schmalen Treppen und die Ram pen auf die Außenbezirke der Stadt zu. Sie kamen von drei Seiten. Aber in sämtliche Züge und Kolonnen war eine deutliche Un ruhe gekommen, eine Desorientierung, die erst aus dieser Höhe klar zu erkennen war. Tagger versuchte sich an die vielfältigen Methoden zu erinnern, mit denen die Völker des Korsallophur-Staus versucht hatten, sich gegen die Invasion zu wehren. Er fand keine Parallele. Die Verteidiger von Wolterhaven hatten offensichtlich eine neue Methode gefunden, die Invasion empfindlich zu stören. »Hier spricht Tagger Blyhs, der Komman dant!« schrie er plötzlich in die Mikrophone seines Raumanzugs. Ihm fiel ein, daß er ihn öffnen konnte; die Luftverhältnisse waren in den Asteroiden, den Raumanzügen und über diesem rätselhaften, reichen Land absolut identisch. »Greift an! Laßt euch nicht ver wirren oder ablenken. Ich spreche mit den Bodentruppen. Durchkämmt die Stadt, und ihr werdet den Grund für die rätselhaften Ausstrahlungen rasch finden.« Es antwortete niemand; auf diesen Befehl gab es wohl keine geeignete Erwiderung. Aufmerksam starrte er nach unten, wäh rend seine Spaccah als einziger Flugkörper sich über der Siedlung befand und schwei gende Kreise zog wie ein Aasvogel. Deut lich erkannte er die einzelnen Kommandos, die jetzt den Zwischenraum erreicht hatten, der sich jeweils zwischen zwei Bauwerken erstreckte. Die Krieger zögerten, wichen zu rück, stießen mit den nachdrängenden Kro locs zusammen und wichen seitlich aus, während die nachfolgenden über sie hinweg kletterten und ebenfalls, als wären sie gegen eine unsichtbare Grenze gestoßen, seitlich davonkrabbelten. Einige konnten sich, von der Masse der schiebenden und drängelnden Individuen bedrängt, nicht mehr halten und
Hans Kneifel fielen, hilflos mit den Gliedmaßen rudernd, von dem jeweiligen Gerüst. In Wirklichkeit hatte noch kein einziger Kroloc diese Stel lung betreten, obwohl sich mehr als tausend tapfere Krieger rund um Wolterhaven dräng ten. Tagger hob einen Arm. Zwei Verbindungsleute drehten ihre Kör per und sahen ihn durch die Augenfenster der Anzüge an. »Die Spaccahs der ersten Welle sollen starten und Löcher in die Metallgebäude schießen. An die Sturmtruppen ergeht der Befehl, zu warten. Klar?« »Klar!« Die Funker arbeiteten mit rasender Eile. Sie wußten, was von der schnellen Nach richtenübermittlung abhing. Dreihundert Meter unter der Kommandospaccah drehten sich viele Krolocs herum und rannten auf die kleinen Flugscheiben zu. In exakter Ord nung erhoben sich etwa hundert Spaccahs, formierten sich und flogen in einzelnen, langgestreckten Keilen über die Siedlung hin. Langsam öffnete Blyhs seinen Rauman zug und rollte die Helmfolie im Nacken zu sammen. Noch immer beobachtete er den lautlosen und ereignisarmen Kampf. Die er sten Mannschaften begannen zu feuern. Die weißen, glühenden Strahlen fraßen sich durch die Dächer der Gebäude. Hin und wie der explodierten im Innern unbekannte Ge räte oder Maschinen. Aus den runden oder langgezogenen Öffnungen loderten Flam men. An einigen Stellen schwelte schwarzer Qualm in die Höhe. Binnen kurzer Zeit wirkte auch diese Siedlung wie alle anderen – sie brannte an mehreren Stellen. Dann fiel der Blick des Kommandanten auf die wartenden Krolocs. Sie benahmen sich ganz und gar närrisch, aber ihre Bewe gungen bedeuteten, daß sie starben oder wahnsinnig wurden. Sie rissen sich die Raumanzüge von den Körpern und feuerten aufeinander. Je näher sich die Kämpfer an der deutlich sichtbaren Stadtgrenze befan den, desto schneller und entschlossener be wegten sie sich. Und desto schneller starben
Kampf um Atlantis sie, weil sie ebenso erbittert gegeneinander kämpften, wie sie die Pthorer hätten be kämpfen sollen. »Zerstört mehr!« rief der Kommandant. »Sie haben seltsame Strahlungen, die auf unsere Krieger wirken. Brennt die Bauwerke nieder!« Sekunden später erreichten seine Befehle die Piloten und die Schützen in den Spac cahs. Die kreisenden Spaccahs feuerten un unterbrochen auf die Gebäude. Die Flam men schlugen höher. Die zusammengeball ten schwarzen Fahnen der Rauchwolken er hoben sich an mehr Stellen in den grauen Himmel der zukünftigen Kolonie. Dutzende toter Krolocs lagen rund um die Stadt vor den ersten Gebäuden. Die anderen zogen sich schnell zwischen die gelandeten Spac cahs zurück. Immer wieder tauchten die Flugscheiben abwärts und wurden hochge zogen, während sich die Strahlen aus den Feuerlanzen an bestimmten Punkten verei nigten und die Gebäude und deren Inhalt zerstörten. Dann, ganz plötzlich, spürten alle Kro locs, wie ein fast unhörbarer Ton nach ihnen griff und sich ausbreitete. Es war ein grelles, schrilles Pfeifen, nicht einmal unmelodisch, am Rand der Hörbarkeitsgrenze. Es zitterte sinnverwirrend in den Hörorganen der Kro locs und schraubte sich höher und höher. Die Wirkung dieses Tones war, als er nicht mehr zu hören war, für viele Krolocs töd lich. »Aufwärts und zurück!« kreischte der Kommandant. Der Pilot der Spaccah handel te augenblicklich und mit gewohnter Perfek tion. Er ließ die Scheibe senkrecht hochstei gen und driftete, als sie eine weitaus größere Höhe erreicht hätte, schräg zur Seite. Dann gab es weit unten eine schmetternde Explo sion. Mehrere Gebäude detonierten. Ihre Dä cher blähten sich für den Bruchteil eines Moments auf und flogen dann in unzähligen Splittern davon. Stichflammen und Blitze zuckten daraus hervor. Die Krolocs, die von den unhörbaren Schallwellen getroffen wor
21 den waren, rasten in blinder Panik umher und betätigten unablässig die Auslöser ihrer vernichtenden Waffen. Viele Invasoren töte ten sich gegenseitig, ohne sich zu erkennen. Sie handelten wie unter dem Zwang eines fremdartigen Befehls. Aber alle, die von den Stadtgrenzen aus radial nach außen flohen, überlebten. Sie blieben unschlüssig in der Nähe des zweiten Kreises der gelandeten Spaccahs stehen. Jetzt erkannte der Kom mandant wenigstens teilweise, warum die Stadt derart ausgestorben gewirkt hatte, und er ahnte auch, daß dies alles der Teil eines maschinenhaft perfekten Planspiels gewesen war. Genau diese Vorahnungen hatten ihn beschäftigt. Jetzt kannte er die Wahrheit. Noch immer, trotz der Flucht, waren in sei nen Höröffnungen und seinem Verstand die se schrillen, tonlosen Geräusche, die durch die Nerven schnitten wie scharfgeschliffene Sägeblätter. »Sie zerstören die Stadt. Gut so!« Ganz plötzlich rissen die Schwingungen und die daraus resultierenden Sinnesverwir rungen ab. Es war offenkundig ein Problem der Entfernung. Je mehr sie von Wolterha ven entfernt waren, desto weniger wirkten die Schwingungen. Tagger spürte, wie der Druck plötzlich von ihm wich. Zur gleichen Zeit zuckten Stichflammen und lange Blitze aus einem Gebäude in der Mitte der Sied lung zum Himmel. Die Gefahr der Schwin gungen schien vorbei. »Die Überlebenden sammeln sich!« ord nete er schroff an. »Sie beginnen bereits damit!« hörte er aus den Lautsprechern. An anderen Stellen ging die Invasion schneller vonstatten. Er mußte, wenn diese Siedlung unter Kontrolle war, sich um die FESTUNG kümmern – ein vor dringlicher Aspekt der Invasion. »Die Toten werden liegengelassen. Man kann sich später darum kümmern. Bringt die Stadt unter unsere Kontrolle!« schrie er er regt. »Es gibt keinen bemerkenswerten Wider stand mehr!« »Erobert Wolterhaven!«
22
Hans Kneifel
Tagger Blyhs hatte mit erheblichen Verlu sten gerechnet. Er wußte, daß Invasionen niemals leicht waren. Aber in diesem Fall überraschte ihn die Fähigkeit der Verteidi ger, mit Mitteln intelligenter Forschung und Ergebnissen von Wissenschaft und Technik operieren zu können. Zumindest was Wol terhaven betraf, war er überrascht worden und hatte diese Überraschung mit dem Tod von Hunderten seiner Kämpfer bezahlen müssen. Aber mit dem Brand und der Zer störung eines der größten Metallbauwerke schienen die Probleme dieser Art erledigt zu sein. Er wandte sich wieder an seinen Pilo ten und deutete auf einen Bildschirm. »Bringe mich an diesen Ort. Aber vergiß nicht, daß ich unmittelbar an der Eroberung der Stadt unter uns interessiert bin.« »Wir sind bereits unterwegs, Vielbeinig keit.« Die Spaccah nahm direkten Kurs auf Donkmoon. Schräg dahinter lag der Regie rungsbezirk dieser Welt, der sich die FE STUNG nannte. Dort würden die meisten Spaccahs angrei fen. Und dort würden auch die meisten Vertei diger versammelt sein. Was bedeutete, daß dort auch die erbittertsten Kämpfe tobten. Die Bildschirme zeigten charakteristische Ausschnitte davon.
6. Zwischen Donkmoon und dem Land um Taamberg im Norden erstreckte sich eine weitestgehend unbewohnte, aber keineswegs abwechslungsarme Landschaft. Nur wenige Karawanen zogen durch die saftigen Hügel, die trockenen Flächen aus Sand und Stein, die Täler mit den schmalen Wasserläufen. Das Gelände im Norden von Heimdalls Lett ro war, abgesehen von den Plantagen der Gordys, ereignislos. Aber die Gordy-Familien, die sich aus der Stadt in die Einsamkeit geflüchtet hatten, waren gut versteckt. Sie wußten, worum es ging. Selbst die Kinder waren bewaffnet und
hielten Ausschau nach den dunklen Flug scheiben. Immer wieder rasten einzelne Scheiben, kleinere oder größere Verbände in V-Form über das Land. Sie flogen unerreichbar hoch. Keine Waffe trug bis dorthin, und solange die Fremden nicht landeten, war nicht an Gegenwehr zu denken. Eine Gruppe von etwa dreißig Gordys verbarg sich in diesem Gelände. Sie hatten genügend Nahrungsmittel mit sich ge schleppt und waren so gut bewaffnet, wie es möglich war. Zwei Dellos, deren Zugor aus gefallen und notgelandet war, stießen kurz darauf zu ihnen. Dann entdeckte die Gruppe, die sich unter Ausnutzung aller Deckungs möglichkeiten in die Richtung auf die FE STUNG bewegte, drei Technos, die schwer bewaffnet waren. »Vielleicht überleben wir«, sagte einer der Gordys und musterte die zusammenge würfelte Schicksalsgemeinschaft. Er wünschte sich, nach der zurückgeschlagenen Invasion niemals wieder etwas mit solchen Kreaturen zu tun haben zu müssen. Dellos! Technos! Abschaum von Pthor, bedeutungs loser und überflüssiger Bodensatz der atlan tischen Kulturen! »Wenn die Gordys es schaffen würden«, meinte tonlos einer der Dellos, »sich ent sprechend zu integrieren, würden wir die Krolocs zurückschlagen.« Der Gordy deutete nach oben. »Solange Tausende von Spaccahs in die Richtung der FESTUNG fliegen und wir nichts vom neuen Herrscher von Pthor wis sen, gestatte ich mir, meine Gedanken laut zu äußern. Selbst wenn sie für Dellos über heblich klingen mögen.« »Atlan wird kommen. Er wird rechtzeitig erscheinen und uns alle retten«, versicherte der Dello leidenschaftlich. »Hoffen wir es. Er sollte sich beeilen!« knurrte einer der Gordys. Sie wanderten ent lang einer Felskante, die ein wenig mehr in der Dunkelheit lag und der Gruppe mehr Versteckmöglichkeiten bot. Vereinzelte dür re Büsche wuchsen in Felsspalten. Sand und
Kampf um Atlantis Geröll knirschten unter den Schritten der Wandernden. Sie hatten eigentlich vor, sich irgendwo in den Hängen des Taamberg-Mas sivs zu verstecken. Hinter ihnen ertönte ein winselndes Fauchen. Ruckartig blieben sie stehen; niemand wagte zu sprechen, keiner bewegte sich. Dann stieß der Techno keuchend hervor: »Die Krolocs! Sie haben uns gesehen!« Drei Spaccahs näherten sich in schnellem Flug von Süden her. Sie schwebten etwa fünfzig Meter über dem Boden. Undeutlich erkannten die Flüchtenden dunkle, zusam mengekauerten Gestalten. Mehrere stabför mige Gegenstände ragten schräg in die Hö he. Ihre Spitzen glühten oder leuchteten. »Das sind die Waffen, von denen man ge sprochen hat …« Die Spaccahs rasten die Felsspalte entlang nach Norden und verschwanden hinter dem bewachsenen Hügel und den Bäumen. Mit langen Sätzen verschwanden die Mitglieder der Gruppe hinter Felsbrocken und in Erd spalten, drängten sich zwischen die Büsche und warteten zitternd. Einige Minuten vergingen. Hin und wie der gab es raschelnde Geräusche. Ein Stein polterte einen Hang hinunter. Aus der Ferne hörten die Wartenden undeutlichen Lärm. Es klang wie ein Gewitter. Manchmal schien es, als ob die Felsen unter ihnen bebten. Dann kam eine der Spaccahs zurück. Was die Fremden suchten, konnte sich keiner denken. Die Plattform flog diesmal langsam und dicht über dem Boden. Hinter den Fel sen hoben beide Technos die gespannten Skerzaals und zielten, indem sie mit dem Vi sier der Bewegung der Spaccahs folgten. »Es sind fünf!« flüsterte jemand. Es war nicht zu erkennen, ob die Invaso ren jemanden oder etwas suchten. Die Spit zen der Strahlwaffen deuteten noch immer in die Höhe, nicht auf den Boden oder auf bestimmte Ziele. Als die Plattform lautlos an den zwei Technos vorbeischwebte, schwirr ten die Saiten der Armbrüste. Der Pilot wur de von der Steuerung weggeschleudert, zuckte mit seinen vielen Gliedmaßen und
23 kippte langsam, als die Spaccah ruckartig anhielt, über den Rand. Ein zweiter Invasor ließ seine Waffe fallen und taumelte in die Höhe. Die Waffe fiel krachend in einen dür ren Busch, hinter dem ein Gordy kauerte. Er handelte schnell, griff nach dem Schaft des glänzenden Stabes und richtete die glühende Mündung auf die Spaccah. Zwei Sekunden später, als die ersten Schüsse rings um ihn in die Felsen einschlugen, feuerte er auf die restlichen Insassen der Spaccah. Er tötete denjenigen, der auf ihn schoß, und traf einen weiteren, der herumfuhr und auf ihn anlegte. Rechts von ihm schrie jemand. Die Spaccah kippte langsam, stieß einige Meter hoch und ließ die Körper darauf erst auf die eine, dann auf die andere Seite rutschen. Der fünfte Kroloc fiel herunter und schlug zwischen die Felstrümmer. »Du bist verrückt!« schrie ein Gordy aus der Deckung. »Die anderen bringen uns um!« Der Mann aus Donkmoon schoß weiter. Die Spaccah summte auf, stellte sich fast senkrecht und schleuderte alle Insassen her aus. Dann sank sie selbst hinterher und zer malmte eines der toten oder schwer verwun deten Geschöpfe. Die Technos und die Del los verließen die Verstecke und rannten auf die Stellen zu, an denen die Strahlenlanzen lagen. Plötzlich standen sie in einer Gruppe zusammen. »Das war mehr Glück als erwartet«, mur melte der Gordy. Ein Techno antwortete: »Wir haben eine Spaccah und fünf Waf fen. Wir könnten ein hervorragendes Ein satzkommando bilden. Die Krolocs halten uns für ihresgleichen.« »Meinetwegen. Wenn wir uns nicht an zu große Gegner heranwagen …?« »Und die anderen?« Einige Gordys versuchten, den zunächst liegenden Kroloc-Körper in eine Spalte zu ziehen. Immer wieder blickten sie sich um und schauten zum Himmel, ob sich dort die Umrisse weiterer Scheiben abzeichneten. Jetzt packten auch die anderen mit an und
24 schoben und zerrten die Körper von der deutlich einsehbaren Fläche herunter. »Wer soll die Spaccah steuern?« fragte ei ne Gordyfrau. »Vermutlich ich«, erklärte ein Dello. »Ich kann einen Zugor steuern. Nicht gut, aber immerhin.« »Du wirst es schnell lernen. Oder wir ster ben.« Binnen kurzer Zeit hatten sie die Körper, teilweise in geöffneten, zum anderen Teil in noch geschlossenen Schutzanzügen, ver steckt. Keiner der Krolocs regte sich mehr. Ihre eigenen Waffen und die Bolzen der Skerzaals waren tödlich gewesen. Der Dello kletterte vorsichtig auf die Platte und näherte sich dem säulenartigen Steuerstand. Er sah nur verschieden große und unterschiedlich geformte Haltegriffe. »Ich frage noch einmal«, sagte laut die hochgewachsene Gordy. »Was sollten wir unternehmen?« »Euch dort verstecken, wo wir es beab sichtigt hatten. Wir kommen zurück und ho len euch ab.« »Wenn wir überleben«, antwortete der Dello und versuchte den ersten Hebel. Die Spaccah hob sich und schrammte entlang des Bodens. Ein anderer Hebel, ein anderer, großer Schalter; das Gerät machte verschie dene Bewegungen nach beiden Richtungen und aufwärts. Schließlich rief der freiwillige Pilot: »Ich habe es begriffen. Schnell! Kommt zu mir, und dann zeigen wir es den Kro locs.« Fünf Männer stiegen zu. Es gab fünf die ser furchtbaren Waffen. Der Pilot winkte kurz zu den Zurückbleibenden hinunter und steuerte dann, immer sicherer werdend, den fremden Flugkörper in die Richtung der FE STUNG. Die anderen starrten den Verteidi gern schweigend nach. Sie ahnten, daß auch verzweifelter Mut kein Ersatz für nicht ge nügende Ausrüstung und kaum vorhandene Koordination der Befehle sein konnte. Trotzdem würden diese fünf Männer und ihr Pilot bis zur letzten Sekunde kämpfen. Die
Hans Kneifel Spaccah, auf der sich die Dellos, Technos und der Gordy zusammenduckten und an den Griffen festhielten, war aus einiger Ent fernung nicht von einer Flugplattform der Invasoren zu unterscheiden.
* Als der erste Schwarm Spaccahs durch den Wölbmantel durchbrach und direkten Kurs auf die FESTUNG nahm, wurde er be reits erwartet. Hunderte von Zugors schweb ten am Himmel; einige davon durchstießen den Mantel nach außen und hefteten sich hinter den Spaccahs an den eindringenden Feind. Etwa hundertfünfzig Spaccahs bildeten den ersten Keil. Er sah aus wie ein Spitzke gel, der auf die große Pyramide deutete. Flugkörper aller Größe, voller Krolocs und Strahlenlanzen, fielen wie eine gewaltige dunkle Wolke dem Boden entgegen. Die Verteidiger verfügten über elf Strahlenlan zen, die ausnahmslos auf verschlungenen Wegen in den Bereich der FESTUNGs-Ar mee gekommen waren. Sigurds kleine Grup pe der Zugorbesatzungen mit funktionierenden Raumanzügen jagten hinaus in den Weltraum, flogen eine enge Kurve und stie ßen wie Stormocks auf die noch ahnungslo sen Krolocs der Nachhut herunter. Sigurd hatte die Parole ausgegeben, nur dann zu feuern, wenn der Erfolg sicher schi en. Das Dutzend der raumtüchtigen Besat zungen raste heran, versuchte, soviel Kro locs wie möglich zu töten, und jagte wieder davon, so schnell die Zugors flogen. Die Pthorer, die nicht mit den gegneri schen Beutewaffen ausgerüstet waren, feuer ten Skerzaals ab und kippten innerhalb des Wölbmantels scharfkantige Steine über die Bordwände der Zugors. Die Steine flogen abwärts und schlugen in die Spaccahs ein. Nicht alle trafen, aber einige von ihnen rich teten erhebliche Schäden an. Waggus schos sen, aber sie vermochten nichts im Ver gleich zu den glühenden Strahlschüssen der Fremden. Der erste Angriff der Zugors hatte
Kampf um Atlantis den Vorteil der Überraschung gehabt. Viele Spaccahs brannten, stürzten ab, rammten an dere Flugscheiben oder kippten um und schleuderten ihre Insassen in die Luft. Der zweite Angriff, der bereits innerhalb des Wölbmantels stattfand, hatte diesen Vor teil nicht mehr. Die Menge der Zugors war erheblich, aber die Bewaffnung reichte nicht. Sie war ausgesprochen jämmerlich und unwirksam. Nur Zufälle oder Momente, in denen ihnen das Glück half, erbrachten Erfolge gegen die Eindringlinge. Ein Bolzen aus der Skerzaal traf hier, ein Felsbrocken zerschmetterte dort einen Piloten, eine Harpune nagelte an ande rer Stelle einen Kroloc an das Metall der Spaccah. Aber die Angreifer versuchten ih rerseits, nicht zu nahe an die Phalanx der Eindringlinge heranzukommen, andererseits feuerten die Krolocs auf alles, was sich au ßer ihnen am Himmel befand. Sie trafen da bei auch einige Spaccahs. Sigurd hetzte mit seinem Zugor hin und her. Auf seinem Zugor befanden sich zwei Strahlenlanzen. Ununterbrochen feuerten die Männer, und sie trafen hervorragend. Aber sie konnten nicht überall sein, und die Über macht der Spaccahs war so groß, daß jeder erfolgreiche Angriff nicht mehr sein konnte als ein Nadelstich. Mehrere Krolocs vereinigten die Schüsse ihrer Waffen auf einen Zugor. Sie töteten den Piloten und brachten die Maschine zum Absturz. Aber die straffe Ordnung der Spac cah-Formation geriet vorübergehend in Un ordnung. Zwei andere Zugors kamen in den Wirkungsbereich der weit tragenden Strah len und wurden ebenfalls vernichtet. So würde es weitergehen, sagte sich Sigurd und bedeutete dem Piloten, auszuscheren und in einer weiten Kurve, näher am Boden, wieder auf den Pulk der Angreifer zuzufliegen. Über ihren Köpfen donnerten einige Schüsse wirkungslos dahin, die Energie verlor sich irgendwo in der Luft. Deutlich war zu erkennen, daß die Kro locs sich von der Gegenwehr der Pthorer keineswegs beeindrucken ließen. In der Art,
25 wie sich die riesige Menge Spaccahs beweg te, war zu sehen, daß sie die Verteidigung ausgesprochen vernachlässigbar fanden. Sie hatten, das sah Sigurd als erfahrener Kämp fer, keinerlei Zweifel daran, daß sie binnen kurzer Zeit ihre Invasion erfolgreich durch geführt haben würden. Der gegnerische Kommandant war min destens ebenso erfahren wie Sigurd, Heim dall oder Thalia. Er würde dasselbe denken und danach handeln – ebenso wie Sigurd. Dies ging dem Odinssohn durch den Kopf, als sich der Zugor wieder der Spitze des An griffskeils näherte. Die Zugorangriffe wür den in kurzer Zeit sinnlos geworden sein und nur noch drastische Verluste hervorbrin gen. Dies ist der letzte massierte Angriff, dach te er, senkte die Strahlenlanze und zielte auf den ersten, anführenden Piloten der Spac cahflotte. Das Erscheinen des winzigen Geschwa ders der Pthorer in Raumanzügen war das Signal für hundert andere Zugors. Sie stürz ten sich abermals auf den riesigen Schwarm der Spaccahs. Alle Arten von Waffen wur den entschlossen eingesetzt, die Pfeile und Bolzen schwirrten, die Speere flogen in Bündeln durch die Luft, Steine pfiffen hin über zu den Krolocs, einige Strahlschüsse töteten den einen oder anderen Piloten, und der gewaltige Hagel weißglühender, röhrender Strahlen, der den Zugors entgegen schlug, machte alle Befürchtungen Sigurds wahr. Er verdrängte die Gedanken und zwang sich dazu, so viele Gegner wie mög lich zu töten. Die Waffe in seinen Händen bebte und zitterte, wenn sie ihre weißglü henden Strahlen ausstieß. Jeder Schuß oder fast jeder Schuß tötete einen Kroloc. Aber es gab unzählige andere, die den Tod ihrer Kameraden zu ignorieren schie nen. Sie erinnerten Sigurd mehr denn je an Ameisen oder andere Insekten, die ihre eige ne Existenz derjenigen ihres Staates unter ordneten. Die Schlacht war, wenn seine An sicht richtig war, jetzt bereits für Pthor ver loren.
26 »Aber sie darf nicht verlorengehen!« flü sterte er wütend und schoß wieder. Wieder starb ein Pilot, wieder donnerten zwei Spaccahs im schnellen Landeanflug zusammen und stürzten ab. Die Krolocs, die sich in panischer Furcht an den Griffen fest klammerten, fielen nacheinander in qualvol ler Langsamkeit hinunter in den großen Park rund um die Pyramiden der FESTUNG. »Zurück! Wir kämpfen am Boden weiter. Gebt Signale, Freunde!« schrie er. Noch während der Pilot den Zugor be schleunigte und versuchte, in einem spirali gen Kurs den Schüssen zu entgehen, schoß Sigurd. Die Masse der Zugors floh eben falls; die Signale waren erkannt worden. Die Spitzen der Pyramiden kamen näher und wuchsen aus dem Boden. Ein Zugor nach dem anderen huschte in die Deckung zu rück, unter die Bäume, zwischen Felsen, in die vielen höhlenartigen Unterstände auf dem Gelände rings um den wichtigsten Ort von Pthor. Fast gleichzeitig mit den Zugors traf die Spitze der Spaccahs ein. Das Geschütz weit vor der FESTUNG begann zu arbeiten. Schuß um Schuß löste sich aus den konve xen Projektoren und donnerte aufwärts. Je der Schuß vernichtete eine Spaccah oder mehrere. Die Reaktion erfolgte sofort. Die Formation der Spaccahs schwenkte nach Westen. Die Maschinen wurden fast in synchroner Schnelligkeit herumgerissen, setzten ihre Geschwindigkeit herauf und ra sten in flacherem Winkel weiter. Es gab noch einige kleinere Gefechte, in denen Zu gormannschaften versuchten, die Flugschei ben zu entern, von denen keine Gegenwehr mehr erfolgte. Aber die Masse der Spaccahs schoß auch diese Verteidiger ab. Nur wenige Zugors konnten Bordwaffen einsetzen, aber auch die Flugscheiben des Feindes waren nicht mit starren oder eingebauten Geschüt zen versehen. Sigurd sprang aus seinem gelandeten Zugor und warf einen langen Blick zum Him mel. »Es geht auf dem Boden weiter«, knurrte
Hans Kneifel er und begann, auf den Eingang der großen Pyramide zuzurennen. Das verborgene Ge schütz feuerte noch immer und holte die An greifer herunter. In einem Nachrichtenraum traf er Heim dall und Thalia. In einem Tank unweit der Bildschirme lag Kargentoff, der Robotbür ger. Schweigend starrte Sigurd auf die Schirme und sah, daß Pthor an allen denkba ren Stellen brannte, daß die Bewohner vieler Siedlungen in erbitterte Kämpfe verwickelt waren. »Wie ist die Lage?« rief er. Sofort erwiderte Thalia: »Die Fremden haben alle wichtigen Städ te angegriffen und haben dort auch teilweise erhebliche Verluste erlitten. Die Einwohner sind ausnahmslos geflohen und versuchen jetzt, zum Partisanenkampf überzugehen.« »Solange die Krolocs nicht alle Einzelhei ten der Bodenformationen kennen, haben wir noch einige Erfolge!« brummte Heim dall. »Ich bin im Aufbruch. Wir werden ver suchen, das Land um die FESTUNG freizu halten.« »Ich gehe mit dir, Heimdall«, versicherte Sigurd. »Besondere Gefahren?« »Noch nicht. Gerade jetzt – hier sind die Bilder! – landen die Spaccahs. Ihr habt gut gekämpft!« »Es waren nur schwache Versuche, Brü derchen«, gab Sigurd zurück. »Balduur und Atlan müßten hier bei uns sein.« »Sie wissen, wie groß die Gefahren sind. Wenn sie nicht hier sind, werden sie an an derer Stelle aufgehalten worden sein«, be harrte Thalia, die nicht daran glaubte, daß Razamon, Balduur, die Magier und Atlan tot sein könnten. »Jede Sekunde, die sie früher kommen, mit dem goldenen Raumschiff, hilft uns. Kommst du, Heimdall?« fragte Sigurd. »Ich komme sofort!« rief Heimdall mit ei ner Stimme, die erkennen ließ, daß er mehr als wütend und entschlossen war. »Der Kampf in der Luft ist praktisch bereits ent schieden.« »Nicht zu unseren Gunsten«, mußte Si
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gurd bekennen. »Obwohl es noch sehr viele flugtüchtige Zugors gibt.« »Wir sollten sie einsetzen, um Entfernun gen zu überbrücken«, warf Thalia ein, »nicht, um zu kämpfen.« »In diesen Augenblicken versuchen die Gegner, Wolterhaven zu besetzen. Sie wer den nur die Robotbürger und wenige ihrer Truppen finden. Ich habe mit meinen Freun den ausgemacht, daß sie sich passiv oder völlig unbeweglich verhalten. Dafür sollen die Sekundärmaschinen versuchen, den Gegner zu schwächen. Etwa zweihundert Spaccahs und alle ihre Besatzungen sind al lein jetzt schon bei Wolterhaven gebunden.« Der Robotbürger hatte gesprochen. Viele seiner untergeordneten Maschinen halfen ihm und den Verantwortlichen, ein einiger maßen richtiges Bild der Situation zu haben. Thalia hatte bereits Teile ihrer Honir-Rü stung angelegt und deutete auf den Ausgang des Raumes. »Sator Synk rief eben an. Er versicherte uns, daß jede zweite Spaccah, die im Be reich der FESTUNG landet, vernichtet wird.« In diesem Augenblick merkten sie, daß die Geräusche des Geschützes aufgehört hat ten. Es gab zwei Erklärungen: Entweder war die Besatzung überwältigt worden, oder die Schützen hatten deswegen, weil sie Ent deckungsgefahr befürchteten, das Geschütz abgeschaltet und wieder getarnt. »Wir gehen!« entschied Heimdall und schulterte die Khylda.
* Tausende von Höhlen, die einst tödliche Fallen der Herren der FESTUNG gewesen waren, eine gewaltige Menge von Löchern und neu gegrabenen Unterständen, löcherige Felsen, hohle Bäume ebenso wie felsige Hänge, kleine Gebäude und Haufen von Ge röll – all das umgab die FESTUNG, und in jedem Loch steckten Pthorer. Jeder von ih nen war entschlossen, seine Heimat zu ver teidigen. Tausende warteten auf den Mo
ment, an dem sie einen Gegner vor sich hat ten und gegen ihn kämpfen konnten. Über allem lag das vage, graue Licht des kontur losen Himmels. Die Frauen und Männer und die Halb wüchsigen, die sich seit Tagen in den Lö chern verborgen und auf diesen Augenblick vorbereitet hatten, warteten mit steigender Ungeduld. Der Befehl Sator Synks und die kalten Anordnungen von Gordy Binoos lau teten, alle Spaccahs landen zu lassen. Die Flugscheiben kamen, nachdem sie die größere Höhe verlassen hatten, von allen Seiten dicht über dem Boden heran. Sie wa ren eindeutig so gestaffelt, daß sie nach und nach die FESTUNG umzingeln und mit ei nem undurchdringlichen Wall umgeben würden. Sobald die ersten Kundschafter über das Gelände geflogen waren, markier ten sie die Stellen, indem sie Kreise flogen. Anschließend landete Spaccah um Spaccah. Die Krolocs schwärmten aus, und die Trans portscheiben begannen, ihr Material auszu laden. Noch immer warteten die Verteidiger, wütend und ungeduldig. Eine gewisse Unruhe breitete sich aus, als viele Scheiben gelandet waren und die Kro locs sich zu kleinen Gruppen formierten. Strahlenlanzen blinkten auf, die Züge dran gen schnell und fast lautlos vor. Die meisten Krolocs hatten ihre Raumanzüge geöffnet. Die Verteidiger, die ihre Waffen hoben, sa hen die großen Augen, die am Schädel ange wachsenen Handlungsarme, die Klauen und Scheren, von denen die Waffen gehalten wurden. Leise, sehr hohe, fast zwitschernde Laute kamen aus winzigen Empfängern der Angreifer. Als die ersten Krolocs sich etwa zweihundert Meter von ihren gelandeten Scheiben entfernt hatten, ertönte eine dump fe Explosion. Binoos hatte das Signal gegeben; ein böl lerartiges Rohr wurde abgefeuert. Die Verteidiger versuchten, schnell und erbittert zu kämpfen, ohne sich selbst allzu sehr zu gefährden. Von überall her ertönten die schwirrenden und harten Geräusche, die
28 entstanden, wenn schwere Skerzaals abge schossen wurden. Die geschliffenen Bolzen bohrten sich durch die Schutzanzüge und die hornigen Körper der Invasoren. Die harpu nenartigen Waffen der Uferbewohner heul ten aus den Führungsrohren. Steinsplitter surrten durch die Luft und schlugen mit klat schenden Geräuschen in die Körper. Gruben öffneten sich unter dem Gewicht der Kro locs. Die dünne Decke brach zusammen, die Körper spießten sich an den zugespitzten Stäben auf. Schlingen flogen über Büsche und Steinbrocken und legten sich um die Energiewaffen. Ein unvorstellbares Chaos brach los – das Land schien auf seltsame Weise lebendig geworden zu sein. Ab und zu erbeuteten die Verteidiger eine der be gehrten Strahlwaffen und verwendeten sie augenblicklich. Nach dem ersten, blitzschnellen Überfall, der eine Menge Opfer kostete, fingen sich die Krolocs bewundernswert schnell. Sie bildeten sofort Gruppen, die sich ein igelten. Fauchend und dröhnend entluden sich die Waffen und schickten ihre blitzähn lichen Energiesäulen in jedes Loch, jede sichtbar gewordene Öffnung im Boden. Von wenigen Stellen wurde mit Energie waffen zurückgeschossen. Auch die Besatzungen der Spaccahs, die die Landung sicherten, begriffen schnell, daß die Bodentruppen in eine Falle getappt waren. Die schwarzen Plattformen huschten heran und nahmen die Verstecke von oben herab unter Beschuß. Sekunden später brannten Büsche und Bäume und die hölzer nen Decken und Abstützungen. Schwarze Rauchsäulen und knisternde, gelbe Flammen wuchsen in die Höhe. Wer die Deckung ver ließ und zu flüchten versuchte, wurde erbar mungslos getötet. Die Krolocs lösten ihre igelartigen Verbände auf und drangen weiter auf die FESTUNG vor. Ab und zu brüllte der kleine Kartapertor auf, das verborgene Geschütz. Es war so wichtig und so einzigartig, daß die Schützen es nur dann einsetzten, wenn sie sicher wa ren, nicht beobachtet zu werden.
Hans Kneifel Eine große Transportspaccah explodierte und zerlegte sich in der Luft. Die Trümmer fielen herunter und erschlugen viele Kro locs. Aber die nächste landende Spaccah schüt tete zweihundert Krolocs aus, die sofort die Getöteten ersetzten. Die Verteidiger zogen sich schnell zurück und versteckten sich wieder, sie warteten auf die nächste Chance von ähnlicher Größe und Wirksamkeit. Zwi schen den Bränden, den Explosionskratern und den Leichen und Trümmern kämpften sich die Krolocs weiter. Zwischen den ersten Bäumen des Parks schossen plötzlich zwanzig Zugors hervor. Die Besatzungsmitglieder waren schwer ge panzert; metallene Helme, röhrenförmige Armschütze, dicke Platten vor Brust und Schulter, dazu merkwürdige Waffen, die pri mitiv aussahen, aber unverkennbar Drohung und Vernichtung ausstrahlten. Die Zugors beschleunigten schnell, rasten den ersten Krolocs entgegen und schwebten nach rechts und links zur Seite. Ein Hagel aus Pfeilen und Bolzen schwirrte heran. Steine und Metallfetzen wurden von kleinen ballistischen Waffen geschleudert. Töpfe mit leicht entflammbarem Inhalt zerplatzten und versprühten ihre Flüssigkeit, die sich in Verbindung mit der Luft sofort entzündete. Die Raumanzüge der Krolocs fingen augen blicklich zu brennen und zu schmoren an. Einige der Zugor-Besatzungen verfügten bereits über Beutewaffen und legten einen Wall aus Blitzen und Strahlen zwischen die äußerste Grenze des FESTUNGs-Geländes und die Angreifer. In einem der Zugors kau erte Sator Synk und handhabte die Strahlen lanze, als ob er sein ganzes Leben lang keine andere Waffe benutzt hätte. Er wußte, daß dieser Einsatz das Vordringen nur für kurze Zeit würde anhalten können, aber sie taten, was sie konnten. Die Gegenwehr der Kro locs war erbittert; sie waren vorbereitet. Aber es ging alles viel zu schnell – die ver nichtenden Strahlen trafen auf die schweren Metallplatten, verdampften die wild farbigen Malereien darauf und prallten ab. Auch die
Kampf um Atlantis Zugors waren auf dieselbe Weise gepanzert und überstanden den Angriff mit nur gerin gen Schäden. Lanzen, Harpunen und Steine, Lähmwaf fen und Speere, abermals eine Reihe von zerplatzenden Tongefäßen und dazwischen immer wieder die Feuerstrahlen Synks rich teten Verwirrung an. Der Angriff kam zum Stehen. Die Zugors drehten ab, rasten aus dem Bereich der Strahlwaffen heraus und schwebten zurück in die Deckung. Sator Synk sprang aus dem Zugor, der ein paar neue Schrammen und Brandspuren trug. Er rannte auf Binoos zu. »Es ist hoffnungslos!« sagte er keuchend. »Es sind zu viele.« »Ich weiß. Die Zugorflotte kann nicht wirklich etwas ausrichten. Trotzdem gibt es Luftkämpfe an allen Orten Pthors.« »Wie gehen wir vor? Ich meine, in den nächsten Stunden? Der Ring um die FE STUNG beginnt sich zu schließen.« »Er ist erst zur Hälfte geschlossen«, schränkte der Gordy ein. »In kurzer Zeit werden die Bodentruppen Pthors eingreifen. Wo ist Atlan?« »Wäre der Herrscher hier, würden wir alle Mut schöpfen«, erläuterte der Mann aus Or xeya. »Thalia sagt, daß sie ihn erwartet.« »Wir erwarten ihn nicht weniger drin gend. Ich wiederhole meine Frage: Wir soll ten uns gegen die Krolocs wehren. Wie? Auf welche Weise? Mit welchen Waffen?« »Zunächst mit der Armee der Dellos. Die Züchtungen werden bis zur Selbstauflösung kämpfen!« »Einverstanden. Du gibst die Befehle, Bi noos?« »Ja. Ich setze mich an die Spitze der Ver teidiger!« Sie wechselten einen langen Blick des Einverständnisses. Binoos und Synk wußten, daß die nächsten Stunden und Tage das Schicksal ihrer Welt entschieden. Freiheit oder Versklavung durch die Krolocs, diese Frage stellte sich. Während sie hier standen und beratschlagten, landeten an anderen Stellen rund um die FESTUNG andere Ver
29 bände von Spaccahs und schlossen den Ring mehr und mehr. Binoos hob die Strahlenlanze und winkte einer Gruppe, die sich im Hintergrund auf gehalten hatte. Hier grenzte ein Wall aus rie sigen Felsbrocken die Umgebung gegen die Ränder des Parks und die Mauern ab. »Nistet euch ein, und die andere Hälfte geht mit mir. Wir halten die Krolocs auf«, rief er. Ein Dello kam herangelaufen und schrie: »Botschaft von Kargentoff! Viele Spac cahs sind in der Ebene von Kalmlech gelan det und in der Wüste Fylln. Kostlohr ist in den Händen des Feindes, ebenso die Oase Spahlln. Die Magier aus der Barriere haben ein Kommando von mindestens hundert Spaccahs vernichtet und in die Schluchten stürzen lassen.« Er rannte weiter, um die Nachricht an an deren Orten zu verbreiten. Binoos blickte den Orxeyaner hochmütig an und erwiderte: »Es ist nicht ganz so hoffnungslos, wie deine zitternde Stimme es machen will, Synk. Raffe dich zusammen!« »Mann der Überheblichkeit«, schrie Sator zurück. »Auch deine Stunde wird kommen!« »Zweifellos, aber sie wird im Zeichen des Sieges stehen. Wir Gordys wissen, wie man trotz Übermacht weiterlebt.« Es hatte einen Augenblick Ruhe gegeben. Jetzt setzten die Kämpfe wieder ein. Auf dieser Seite der FESTUNG drangen die Kro locs schrittweise vor. Die Energiebarriere, die einst die FESTUNG geschützt hatte, war nicht verwendungsfähig. Selbst der Gordy glaubte nicht mehr daran, was er selbst eben geantwortet hatte. Er lief zurück in die große Pyramide, über die verschmutzten Pfade aus farbigen Leuchtkristallen, vorbei an einem See, in dem allerlei Abfall schwamm. Vor der riesigen Pyramide blieb er stehen, als er die Gruppe um Thalia erkannte. Sigurd winkte ihn heran. »Dank Kargentoffs Roboterarmee haben wir einen ziemlich genauen Überblick«, sag te er knapp. »Sieht schlecht aus, Freunde.« »Viele kleine Siedlungen sind erobert, die
30 meisten brennen noch. In die Barriere sind sie bisher nicht eingedrungen. Auch Wolter haven scheinen sie nicht erobern zu wollen.« »Gibt es Überläufer oder Fälle von Zu sammenarbeit?« Heimdall funkelte den Gordy an. »Bisher wurde nichts festgestellt. Die Landung in Kalmlech macht mir Sorgen.« »Wir könnten die Zugors nehmen und dort einige Blitzangriffe vortragen«, schlug Synk vor. »Sigurd … würdest du mit uns fliegen?« »Wir haben viele Zugors hier versammelt. Es könnte wirken.« Wieder unterbrach sie das Geräusch des Geschützes. Ein greller Blitz fuhr schräg in den Himmel hinauf. Dort zerbarst eine große Spaccah und löste sich in Glut und Flammen auf. »Greifen wir also an.« Das Gelände der FESTUNG hatte eine große Ausdehnung. Einst war sie gekenn zeichnet durch die Umrisse des Energieman tels von rund hundertsiebzig zu fünfzig Ki lometer. Diese Grenzen waren von den Kro locs längst durchbrochen worden; die Kämpfe spielten sich viel näher am Kern des Geländes ab, das aus der riesigen Pyramide und rund hundertzwanzig anderen Bauwer ken bestand. Sator Synk hob den Arm. »Kann Kargentoff feststellen, wie groß die Menge der gelandeten Spaccahs ist? Ich meine in der Ebene?« »Ich weiß es. Etwa eintausend Spaccahs.« »Das können zehntausend und mehr Kro locs sein. Eher viel mehr als zehntausend«, meinte Gordy. »Diese Menge kann nur aus der Luft bekämpft werden.« Die Ebene Kalmlech war leer. Für die Krolocs konnte sie ein hervorragendes Auf marschgebiet abgeben. Dort konnten sie lan den und mehr oder weniger unbelästigt ihren Nachschub an Kriegern und Kriegsmaterial ausladen und die Kampfkolonnen formieren. Ein Lautsprecher dröhnte auf. »Kargentoff spricht. Ich habe viele Infor mationen aus allen Teilen Pthors zusammen-
Hans Kneifel gefaßt. Weit außerhalb von Pthor, in einer Staubmasse oder Staubwolke versteckt, gibt es das zentrale Nachschublager der Krolocs. Es scheinen einige gigantische Flugscheiben zu sein. Dort sammeln sich die einzelnen Truppen, rüsten sich aus und werden hierher in Marsch gesetzt.« Sigurds Leute hatten einige dieser Infor mationen beigebracht. Andere Messungen stammten vom Wachen Auge. Wieder zu sätzliche Hinweise kamen aus den Flugrou ten der neu landenden Spaccahs. »Wir werden uns nach diesem Einsatz darum kümmern!« sagte Sigurd grimmig. »Mit dir zusammen, Synk!« »Wenn ich von Kalmlech lebend zurück komme, gern!« »Einer fürchtet sich immer. Meist ist es jemand aus Orxeya«, spottete Binoos. Synk griff in seinen Bart und verfluchte den Gordy lautlos und grimmig. Dann ging er zu der Gruppe der Zugor-Piloten, die neue Ver nichtungsgeräte in die Flugapparate luden und sich auf den nächsten Einsatz vorberei teten.
* Es waren dreiundvierzig Zugors, die nacheinander aus dem Gelände der FE STUNG aufstiegen und zuerst nach Norden, dann nach Westen flogen. Die Flugapparate stiegen höher und höher und hatten in den ersten Minuten keinen Zusammenstoß mit Spaccahs. An der Spitze der Kolonne kauer te Sator Synk hinter einem halbrund ge krümmten Eisenschild und spähte nach allen Seiten. »Dort vorn, Synk!« rief sein Pilot. »Dort landen sie.« »Ich sehe sie.« Praktisch aus einer Stelle des Wölbman tels, die direkt über dem Mittelpunkt Pthors lag, kamen die Invasoren. Ein breites Band von Spaccahs flog völlig ungehindert schräg auf die Kalmlech-Ebene zu. Das geringe Licht ließ keine deutliche Beobachtung zu, und der Boden war nicht zu sehen. Sator
Kampf um Atlantis Synk drehte sich herum und beobachtete den Luftraum hinter seinem Zugor. Zweiundvierzig Zugors, angefüllt mit den exotischen und meist primitiven Waffen, von Kelotten, Kuroden, Technos besetzt, die sich auf alle denkbare Weise gepanzert hat ten, waren hinter ihm. Die Männer waren voll schweigender Entschlossenheit, und ih re Hände umklammerten die Waffen und die Haltegriffe. »Wir werden ihnen ein paar ungemütliche Erlebnisse bereiten«, knurrte der rotbärtige Orxeyaner und winkte nach hinten. Seine Männer rückten auf, die Zugors glitten durch den sausenden Fahrtwind höher und bildeten eine langgezogene Linie. Immer mehr näherten sie sich der Säule aus schnell abwärts schwebenden Zugors, wichen seit lich aus und gingen bis fast an die Grenze des Wölbmantels. Noch hatten die Krolocs nicht bemerkt, daß sich ihnen ein Pulk Ver teidiger entgegenwarf. Sator senkte den Arm und gab das Signal. Mit seinen Piloten war jede Einzelheit abgesprochen worden. Sein Zugor raste vor, kippte nach links, und die Männer schossen ihre Skerzaals leer. Dann schleuderten sie die Tongefäße auf die Spaccahs hinunter. Fast jedes der Geschosse traf im ersten Anflug sein genaues Ziel. Binnen weniger Sekunden brannte es auf zwei Dutzend Spaccahs. Sator Synk hatte seinen Arm um einen Haltebügel geschoben, umklammerte die Strahlenlanze und schwenkte die Projektor spitze herum. Er schoß gezielt und noch im mer ruhig; jeder Schuß traf entweder einen Spaccah-Piloten oder die Steuereinheit der Plattform. Der Pilot setzte zum zweiten Sturzflug an und schien sich nicht um das Blitzgewitter der Feuerstrahlen zu kümmern, die ihm entgegenschlugen. Wieder fauchte und röhrte die Waffe Synks auf und vernich tete Spaccahs und Piloten. Hinter ihm schrie jemand gellend auf; ein Zugor war getroffen worden und stürzte ab. Während des Stür zens brannten die Tongefäße aus, die Ptho rer wurden herausgeschleudert. »Zurück! Und wieder nach oben!« brüllte
31 Sator Synk. Drei seiner Maschinen versuch ten sich zu retten. Verwundete und sterbende Pthorer lagen zwischen den Bordwänden. An einigen Stellen brannten die Maschinen und jagten schräg, von den Spaccahs weg, dem Boden entgegen. Hoffentlich erreichten sie den Boden lebend, dachte Sator und sah, wie vor ihm sich das Panorama aus grauem Himmel, braunem Wüstenboden und der endlosen Masse von Maschinen im Lande anflug drehte und kippte. Es waren nur noch drei Dutzend Zugors, die ihrem Kommandanten folgten. Der Rest war abgeschossen oder befand sich auf dem Rückzug. Der letzte Sturzflug. Der Zugor kippte. Die letzten Waffen und Explosionskörper wurden über Bord ge schleudert oder abgeschossen. Der Rotbärti ge versuchte, möglichst viel Gegner zu tref fen und sah, daß der erbitterte Kampf min destens hundert Spaccahs zerstört oder kampfunfähig gemacht hatte. An vielen Stel len erhob sich in dem Schlauch der landen den Fahrzeuge dicker Rauch. Ab und zu scherte eine Maschine aus dem Verband und taumelte in wirren Kurven und Linien hin unter. Synk wartete nicht ab, bis die ersten Maschinen aufschlugen und explodierten, sondern gab im richtigen Moment das Signal zum Rückzug. Augenblicklich rasten alle Zugors nach verschiedenen Richtungen davon. Hunderte Schüsse jagten ihnen nach und trafen meist nur die schwere Panzerung. An einer höher gelegenen Stelle, die durch Sators Zugor ge kennzeichnet wurde, sammelte sich der zu sammengeschmolzene Pulk und schleppte sich zur FESTUNG zurück. »Jedenfalls wissen die Krolocs, daß wir sie zu jeder Zeit und an jeder Stelle überfal len können«, knurrte der Anführer der Zu gors. Er blickte nach unten und sah, daß die Krolocs im Zentrum der Ebene einen Brückenkopf errichtet hatten. Gewaltige Reihen von Spaccahs lagen dort, kubische Haufen von Ausrüstungsgegenständen sta pelten sich zu unübersehbar langen Reihen
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und Blöcken. Es dauerte nicht mehr lange, und dann gab es mehr Invasoren als Bewohner Pthors, sagte sich Synk voll Bitterkeit und hoffte, daß die Mission von Sigurd und ihm drau ßen im Stau erfolgreicher sein würde.
* Furcht war eine Eigenschaft, die keiner der Bewohner des geheimnisvollen Blutd schungels zu kennen schien. Weder die Dalazaaren noch die Grendts, die schwerbe waffnet und versteckt den Überfall der Kro locs auf Orxeya mitansahen, hatten Angst vor den Geschöpfen, die sich wie riesige In sekten verhielten, wie Ameisen oder Spin nen. Tnarccs, der Anführer der Grendts, zeigte zwischen den Büschen nach vorn und sagte leise: »Und wenn sie uns verfolgen, versinken sie im Morast. Wir müssen so viele ihrer wunderbaren Waffen erbeuten, wie irgend möglich.« »Wenn sie versinken, versinken auch die Feuerstäbe.« »Wahr! Genau das müssen wir verhin dern. Ihr kennt die Lianen!« Die Gruppe, dreißig Mitglieder stark, hat te von einem abgehetzten Dello die Nach richt gehört. Die Landung der Krolocs hatte sie keineswegs überrascht; jeder von ihnen war schweigend und verbittert auf einem Ast gesessen und hatte miterleben müssen, wie sich die Invasoren der Stadt Orxeya bemäch tigten. Luftkämpfe waren beobachtet wor den, in denen die Zugors reihenweise abge schossen wurden. Die Jäger, deren zweite Natur das Verstecken und lautlose Überfal len war, hatten beschlossen, den Blutd schungel von Invasoren freizuhalten und jeden umzubringen, der es wagte, das Gebiet zu betreten. Zwischen dem Rand des Dschungels und der Stadt erstreckte sich ein freier Streifen Gelände, von trockenen Bü schen und stacheligen Moosen bewachsen. Vor Jahren waren dort Obstplantagen gewe-
sen. »Die Lianen! Das ist die Lösung.« Blas rohre mit vergifteten Pfeilen, Bögen und kurze Pfeile, pektoähnliche Harpunen ohne Führungsleinen, Stachelgeschosse und Wur fäxte waren die Waffen der Grendts. Sie drangen langsam, geduckt und in einer lan gen Reihe, auf die Stadt vor. Schon nach ei nigen Schritten sahen sie die Spaccahs, zwi schen denen sich Krolocs befanden. In die sem Moment schienen die Fremden irgend welche Befehle erhalten zu haben. Sie bilde ten Gruppen, formierten sich zu Zweierrei hen und hoben die Lanzen senkrecht in die Höhe. Dann hörten Tnarccs und seine Män ner schrille Rufe. Die Krolocs setzten sich in Bewegung, und Tnarccs stieß seinen Neben mann an. »Wie Spinnen!« sagte er. »Und ebenso ekelhaft.« »Du hast gesagt, was ich denke. Unseren Wald werden sie nicht entweihen.« An anderer Stelle lauerten die Jäger der Dalazaaren auf Eindringlinge und waren ebenso entschlossen, sie mit blutigen Köp fen zurückzuschlagen. Die Krolocs verlie ßen den Platz zwischen ihren Flugkörpern und tappten auf den Wald zu. Welchen Be fehl sie erhalten hatten, war den Jägern un klar. Aber er schien mit ihnen und dem Dschungel zusammenzuhängen. Vermutlich sollten die Invasoren auch den Umkreis der Stadt sichern. Die Brände waren inzwischen in der Stadt erloschen, viele Häuser lagen in Schutt und Asche. Tnarccs sagte scharf: »Wir locken sie tiefer hinein. Ihr wißt, was zu tun ist.« Die Krolocs hatten die Raumanzüge abge legt. Jetzt glichen sie noch mehr riesenhaf ten Insekten. An ihren Körpern waren mit breiten Bändern kleine, schachtelartige Ge räte befestigt. Überraschend schnell kamen sie dem Waldrand näher. Die Jäger zogen sich zurück und verschmolzen mit Stämmen, Blättern und den herunterhängenden Blüten ranken. Zwischen den Stämmen herrschte, wie immer, kochende Hitze. Feuchtigkeit breitete sich aus, und jedes Blatt troff vor
Kampf um Atlantis Nässe. Die Krolocs tappten über den trockenen Grund, walzten die stacheligen Gewächse nieder und schoben sich zwischen den ersten Stämmen in den eigentlichen Wald hinein. Unter ihren Klauen begann der Boden zu schwanken. In den Fußstapfen blieb schwarzes, faulig riechendes Wasser stehen. Je tiefer die Truppe – inzwischen war sie auf etwa hundert Krolocs angewach sen – in den Dschungel hineinkam, desto langsamer wurde das Vordringen, und die Abstände zwischen den einzelnen Invasoren wurden größer. Unsichtbar glitten neben ih nen und parallel zu dem kaum sichtbaren Pfad die Grendts durch das Unterholz. Die schwarzhäutigen großen Gestalten waren lautlos, und für die Krolocs war diese Um gebung völlig fremd. Irgendwann, etwa eine Stunde später, nachdem die ersten Krolocs die feuchten Ruinen passiert hatten, flüsterte Tnarccs: »Wir greifen die letzten Krolocs zuerst an!« Sie würden sich nach diesem Kampf am Ufer des Lägiro verstecken, wo sich ihre Baumhäuser befanden und die Unterkünfte, die auf hohen Stelzen standen. Jetzt ertönten zwischen den Geräuschen der Vögel und In sekten zwei, drei fauchende Laute. Handlan ge und nadelartige Pfeile, an den Enden von einem ballartigen Bündel umgeben, flogen unhörbar durch die Räume zwischen den tropfenden Blättern und den betäubend rie chenden vielfarbigen Blüten. Sie bohrten sich in die Köpfe der drei zuletzt vordrin genden Krolocs. Die Fremden wurden lang samer, schrien schrill und gaben pfeifende Töne von sich. Als sie zu taumeln anfingen und sich ihre Lanzen haltlos hin und her be wegten, schwangen sich drei Grendts an fe dernden Lianen heran, packten die Stabwaf fen und rissen sie aus den Klauen der Inva soren. Auf der anderen Seite des Pfades ver schwanden sie so schnell und unerwartet, wie sie herangeschwebt waren. Dann dröhnten drei Strahlwaffen auf und töteten die nächsten drei Krolocs. Stille, unterbrochen nur vom erschreckten
33 Kreischen der Tiere, breitete sich wieder aus. Langsam versanken die sechs Körper neben dem Pfad im schwarzen, gurgelnden und blasenwerfenden Morast. »Weiter!« Immer wieder erfolgten die unheimlichen Überfälle. Zweimal versuchten Spaccahs, den Krolocs zur Hilfe zu kommen. Aber die Feuerstrahlen brachten nur den Moorboden zum Kochen, Dampfwolken breiteten sich fauchend aus, und die Feuchtigkeit erstickte jeden Brand augenblicklich. Wieder wurde eine Strahlenwaffe erbeutet, abermals ver suchten sich die Krolocs einzuigeln und feu erten, ohne jemanden wirklich zu sehen, nach allen Seiten wild um sich. Das Projektil einer Pekto, ein riesiger Harpunenpfeil, nagelte einen Kroloc an den meterdicken Stamm eines Baumriesen. Wieder schwang sich ein schwarzer Dschungeljäger durch die aufkrachenden Zweige und eroberte eine der begehrten Waffen. Die Krolocs erkannten die Gefahr nicht. Die Krieger merkten nur, daß immer wie der ein unsichtbarer Gegner zuschlug, ihre Kameraden schnell und erbarmungslos töte te und die Waffen erbeutete. Die Krolocs igelten sich wieder ein, drangen in verschie dene Richtungen vor und versuchten, sich in den Ruinen zu verschanzen. Pfeile heulten auf sie zu und bohrten sich in die Köpfe, ein Moorloch öffnete sich und verschlang drei Invasoren. Wieder erfolgte ein wütender Schußwechsel, abermals wechselten einige Strahlenlanzen die Besitzer. Eine Stunde später lebte nur noch der Anführer der Kro locs; er kauerte in einem Winkel der feuch ten, schimmelbedeckten Ruinen unweit ei nes Lägiro-Seitenzuflusses und schoß voller Panik ungezielt auf alles, was sich zu bewe gen schien. Ein Pekto-Projektil aus einer Wargoon-Waf fe beendete sein Leben. Hundert Dschungeljäger besaßen die schweren Strahlwaffen und schleppten sie in die Tiefe des Waldes. Als die Jäger auf an dere Gruppen von Grendts oder Dalazaaren stießen, verteilten sie die Waffen. Von den
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Krolocs kam nicht ein einziger zurück, und die Spaccahs, die über das Blätterdach des Blutdschungels flogen und die Kommandos suchten, fanden nicht einmal die Körper. In den nächsten Stunden und Tagen ver suchte nicht ein einziger der Fremden, in den Dschungel einzudringen. Orxeya blieb von den Krolocs besetzt.
* Thalia schüttelte langsam den Kopf und sagte zu Sigurd: »Ich bin sicher, daß es besser ist, du brichst in das Waffenlager auf. Sator Synk soll mit Heimdall zusammen in den Korsal lophur-Stau eindringen.« Vor kurzer Zeit hatten sich die beiden Brüder an eine alte Legende erinnert. An ei nem bestimmten Punkt der Straße der Mächtigen, zwischen Donkmoon und Agh month, sollte ein uraltes Lager geheimnis voller Waffen sein. In Zeiten der echten Ge fahr sollten die Waffen aus dem subpthori schen Lager jeden, der sie fand, zum Sieg über den Feind führen. »Vielleicht hast du recht. Es mag besser sein. Außerdem dauert es sicherlich nicht sonderlich lange. Falls wir die versteckten Waffen finden.« »Sator wartet!« dröhnte Heimdall. »Ich fliege mit ihm. Du bleibst hier, Thalia?« »Ja. Zusammen mit Kargentoff versuche ich, die Kämpfe zu koordinieren. Ich habe eben gehört, daß die Magier eine große Staf fel Spaccahs an den Zinnen der Tronx-Kette haben scheitern lassen.« »Viel Glück, Schwester.« Natürlich konzentrierten sich die Verteidi gungsanstrengungen auf das Gebiet rund um die FESTUNG und die FESTUNG selbst. Überall befanden sich Krieger in abenteuer licher Ausrüstung. Fast von jeder Gruppe, die auf Pthor lebte, gab es hier Vertreter. Koy der Trommler war gesucht, aber bisher noch immer nicht gefunden worden. Von Atlan war auch noch keine Nachricht einge troffen.
»Ich kann das Glück dringend brauchen.« Sie befanden sich in der Schaltzentrale der großen Pyramide. Ununterbrochen liefen Meldungen ein. Es gab ebenso Beispiele, in denen es den Pthorern gelang, die Krolocs zurückzuschlagen und ihnen Spaccahs und Waffen abzunehmen, aber die Meldungen von eingenommenen Siedlungen waren häu figer. Fast einen ganzen Tag lang dauerte die Invasion bereits; von Minute zu Minute ver sammelten sich mehr Krolocs auf Pthor. »Ich habe im Lichthaus Kartenmaterial«, erinnerte sich Sigurd weiter. »Ich werde das Versteck finden, wenn es vorhanden ist.« »Nimm deinen Zugor, ein paar Dellos, und dann beeile dich. Ganz Pthor wartet auf die Wunderwaffen«, rief Heimdall und zwängte sich wieder in den Raumanzug. »Wir werden wieder die Krolocs dort tref fen, wo sie es am wenigsten erwarten.« »Alles Glück auch für euch!« rief Sigurd dem Bruder nach. Der Gordy Binoos trat herein und hob den Arm. »Ich habe soeben gehört, daß fünf Zugor besatzungen unweit Orxeyas von Dschun geljägern mit Strahlwaffen ausgerüstet wor den sind. Sie sind auf dem Weg in die Ebene Kalmlech und wollen dort zuschlagen.« »Gut. Ich denke, daß kein Kroloc im Dschungel die geringste Chance, hat. Aber am Gesamtgeschehen ändert dies nicht das Geringste.« »Leider.« Sigurd packte seine Waffen, winkte der Begleitung und stapfte hinaus. Nach einigen Sekunden folgten ihm Sator Synk und Heimdall. Beide Männer wußten, daß sie für den Vorstoß ins All ganze vierundzwanzig Zugors und sechzig Männer hatten, von de nen allerdings vierzig Kämpfer über erbeu tete Strahlwaffen verfügten. Der Start der vierundzwanzig schnellen Zugors wurde von den Krolocs entweder nicht bemerkt oder nicht angegriffen. Kurz darauf schossen die Flugmaschinen durch den Wölbmantel und versuchten, das versteckte Ziel zu erreichen.
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7. Für eine lange Minute gestattete sich Tag ger Blyhs, seine Vielbeinigkeit, ein paar Au genblicke Gedanken an Entspannung. Er streckte alle seine Beine von sich und sank auf das runde, harte Kissen im Zentrum sei ner Kommandospaccah. Die Flugscheibe lag, umgeben von anderen Spaccahs, auf ei nem runden Geröllhügel der Ebene von Kalmlech. Seit er die Kriegsfarben angelegt hatte, war ein strategischer Erfolg nach dem anderen errungen worden; von seinem Kon zept der Invasion gab es nur minimale Ab weichungen. Sein Nachrichtenspezialist wandte sich nach einer Weile an ihn und sagte: »Seine Mehrbeinigkeit, Pemar Gayn, wünscht sofortigen Kontakt.« Tagger deutete auf die Geräte, öffnete ein Auge nach dem anderen und sagte, als erwa che er aus langer und tiefer Erstarrung: »Besteht die Verbindung?« »Wir sind sprechbereit.« Als sich Blyhs dem Bildfunkgerät zu wandte, fiel sein Blick auf die gigantische Ansammlung von Spaccahs, die den Hügel und das umliegende Land bedeckte wie ein Pflaster aus unzähligen runden Elementen. Er hob die Kopfarme in der traditionellen Geste und fragte: »Du hast mich zu sprechen gewünscht, Mehrbeinigkeit? Was darf ich dir berich ten?« »Wie groß ist der Fortschritt? Die Invasi on dauert bereits etliche Zeitmaße!« Tagger Blyhs begann aufzuzählen. »Von den etwa achttausend Spaccahs der Invasionstruppe sind mehr als siebentau sendsechshundert gelandet, nachdem sie den lächerlichen Schutzschirm durchstoßen ha ben. Etwa dreihundert wurden abgeschossen oder flugunfähig gemacht. Wir haben wenig Schwierigkeiten gehabt, die meisten großen Siedlungen zu besetzen; es sind im Moment noch sechs Punkte, die sich erfolgreich weh ren. Das Regierungszentrum von Pthor, das
auch Atlantis genannt wird, ist fast völlig eingeschlossen.« »Seid ihr zum Sturm angetreten?« »Noch nicht, Gayn. Noch haben alle Um zingelungstruppen nicht die ihnen ausrei chende Bewaffnung und Ausrüstung. Die Brut-Spaccah wird in kurzer Zeit eine neue Sendung losschicken. Und überall dort, wo wir gelandet sind – zum Beispiel hier in der Ebene westlich der FESTUNG –, beherr schen wir uneingeschränkt das Feld.« »Die feindliche Luftarmee?« »Sie hatten schätzungsweise vierzehntau send der kleinen Fluggeräte. Davon sind be stenfalls noch achttausend flugfähig. Eine gut gedrillte Spaccah-Besatzung wird mit zwanzig Gegnern dieser Art fertig. Seit Stunden geht die Anzahl der Luftkämpfe kontinuierlich zurück.« Hinter dem Kommandanten der Invasion standen zwanzig Krolocs. Es waren Angehö rige der persönlichen Leibwache. Sie hielten die Strahlenlanzen, an denen breite Markie rungsbänder funkelten, senkrecht in die Hö he. Die Krieger bewegten keinen Muskel und zwinkerten nicht mit einem einzigen Auge. Mit Wohlgefallen bemerkte Tagger, daß der Blick seines Vorgesetzten immer wieder zu diesem Bild militärischer Durch schlagskraft abirrte. Stolz erfüllte sie beide und auch die Kroloc-Krieger. »Wenige Luftkämpfe also. Wann werdet ihr die Zentrale stürmen und schleifen?« »In etwa einem Tag nach dem Maß dieses Landes hier, Mehrbeinigkeit.« »Gibt es Widerstände, die diesen Zeitplan umwerfen können?« »Ich sehe keinen einzigen.« »Wie wehrt sich der Gegner?« »Verbissen und tapfer. Wir werden sehr kämpferische Kolonisten für unsere Expan sionsbewegungen haben, wenn wir erst alle ihre wichtigen Anführer gefangen haben. Aber …« »Ja?« Eine Spur Mißmut schien die Frage der Mehrbeinigkeit zu unterstreichen. »Aber ihre Bewaffnung ist, wie die
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Scouts richtig feststellten, jämmerlich. Sie werfen Steine nach uns!« »Vermutlich wissen sie damit auch zu treffen. Es gibt also keinen ernsthaften Grund, am Erfolg meines Vorhabens zu zweifeln?« Tagger Blyhs verneinte energisch. »Nicht den geringsten. In drei Tagen sind wir die Herren von Pthor, und ich bringe dir die Anführer in Fesseln.« »Ausgezeichnet. Zögere nicht, Nachschub an Material und Kriegern anzufordern, wenn es nötig ist.« »Es wird nicht nötig sein!« »Deine Erläuterungen hören wir gern; wir zweifeln nicht daran. Es ist schön, einen Gegner zu besiegen, der sich trotz waffen technischer Unterlegenheit tapfer wehrt.« »So ist es, Pemar Gayn!« Der Vorgesetzte schaltete die Verbindung aus. Blyhs gestattete sich eine starke Emp findung von Zufriedenheit, dann verlangte er Spank Vhroon zu sprechen, der sich in der Nähe der FESTUNG befinden mußte. Die letzten Schritte der Invasion mußten abge stimmt werden.
* Abermals breitete sich vor ihnen die dü stere Pracht des Korsallophur-Staus in alle Richtungen aus. Staubwolken und Zusammenballungen fast aller Abstufungen des Braun und von Grau. Einzelne Lichtinseln und verschieden dicke, scheinwerferartige Bahnen grellen Sonnenlichts. Hier und dort eine einzelne Spaccah, deren unsichtbarer Schild aus Durchdringungsenergie die Staubwolken durchpflügte und zur Seite schob. Ab und zu das Geräusch aus den Vibrationen, wenn kleine Trümmerstücke gegen die Wände der Zugors oder gegen die Panzerungsbleche krachten wie Projektile. Die Spaccahs kamen alle aus einer Rich tung. Die Scheiben glitten aus einer dunklen, großen Wolke heraus, deren Ränder zerfa-
sert waren. Binoos tippte Sator Synk auf die Schulter und zeigte mit der glühenden Spitze der Beutewaffe auf die Wolkenstrukturen. »Dort ist dieses Monstrum versteckt, furchtsamer Rotbart.« »Du kannst deinen Mut an jener Stelle kühlen, arroganter Gordy«, gab Synk zu rück. »Und dort wirst du auch den gallebitte ren Geschmack des Todes kennenlernen.« »Du kennst ihn bereits?« erkundigte sich der Gordy hochfahrend. »Ich kenne ihn. Ich war ihm schon oft sehr nahe. Deswegen bin ich hier und ziemlich ungerührt«, war die kühle Antwort. Aus dem Helmlautsprecher des Anzugs kam Heimdalls dunkle Stimme: »Spart eure Energie für den Überfall auf. Und keine vorwitzigen Schüsse auf Spac cahs. Sie sollten uns für ihresgleichen hal ten.« »Verstanden, Sohn Odins«, gab der Gordy zurück. Die Zugors steuerten schnell den Punkt an, aus dem die Spaccahs in den Weltraum vorstießen. Die Masse des Weltenfragments Pthor wurde kleiner und verschwand in dem grauen, lichtarmen Einerlei des Hintergrun des. Trotzdem würde es keine Schwierigkei ten geben, dorthin zurückzufinden. Die Zugors rasten geradeaus. Die Besat zungen erwarteten in dem Versteck eine gi gantische Spaccah oder einen Verband aus großen Flugscheiben, der voller Ausrü stungsgegenstände war. Da offensichtlich das Gros der Invasoren auf Pthor gelandet waren, konnte die Bewachung nicht so in tensiv sein wie während des ersten Vorsto ßes. Die Männer schwiegen und bereiteten sich auf die vor ihnen liegende Aufgabe vor. Sator Synk und Binoos befanden sich in der ersten Flugmaschine, Heimdall sicherte im letzten Gerät nach hinten. Die Raumanzüge waren in Ordnung. Der Luftvorrat reichte aus; die Panzerung der Männer war ebenso improvisiert wie stets während der Kämpfe. Lautlos schwebten die Zugors in die ersten Ausläufer des grauen Nebels hinein. Immer wieder trafen kleine
Kampf um Atlantis Gesteinsbrocken die Flugapparate. Jedes mal, wenn die Vibrationen durch das Metall der Zugors klirrten, fuhren die Pthorer er schreckt zusammen. Im Bereich des grauen Staubes ging die Sicht schlagartig drastisch zurück. Einerseits sahen die Pthorer wenig, aber gleichzeitig war die schlechte Sicht ein Schutz für sie. Die Geschwindigkeit des kleinen Pulks ver ringerte sich kaum. Sie drangen ein, weiter und weiter – einmal, zweimal schnitten voll besetzte Last-Spaccahs dicht an ihnen vorbei durch das dunkle Grau. »Das Ziel müßte bald auftauchen. Ich ah ne es!« murmelte der Gordy. Jetzt schien er viel von seiner Überheblichkeit abgelegt zu haben. »Du und deine Ahnung. Ahnst du deinen nahen Tod und unser Ende?« erkundigte sich Synk, der noch immer fest damit rech nete, lebend zurückzukehren und in den Kampf um die FESTUNG eingreifen zu können. »Ich ahne, daß wir die Krolocs abermals überraschen.« »Still!« donnerte Heimdall. Und dann tauchte die Spaccah aus dem Dunkel auf. Sofort verringerten alle Piloten die Geschwindigkeit des Zugors. Es war die gewaltigste Spaccah, die man sich in den kühnsten Träumen vorstellen konnte. Die Zugors veränderten die Formation, in der sie bisher geflogen waren. Aus einer lang aus einandergezogenen Linie wurde wieder ein Angriffskeil. Eine Spaccah jagte vorüber; niemand bemerkte die Pthorer, kein Kroloc schoß oder gab erkennbare Signale. »Sucht einen Eingang!« brummte Heim dall. »Wenn wir das Gerät nicht zerstören können, steuern wir es vielleicht nach Pthor.« »Einverstanden!« Keuchende Atemzüge und leise Ausrufe des Schreckens und der Verwunderung drangen aus den Helmlautsprechern. Synk legte seine Hand im schweren, mit Metall plättchen gepanzerten Handschuh auf die Schulter des Piloten und dirigierte die Schal
37 tungen des Dalazaaren mit mehr oder weni ger Druck. In der Rechten hielt der Anführer der fliegenden Truppen die Energielanze schußbereit. Noch immer gab es keinen sichtbaren Alarm durch die Krolocs. Die Spaccah war ein gepanzertes Fort, mehr eine Scheibe als eine Plattform, etwa ein Viertel mal so hoch, wie der Durchmesser betrug. Eine Schätzung ergab, daß der Durchmesser kaum geringer als einen Kilometer sein konnte. »Der Urvater aller Spaccahs!« stöhnte je mand. Einige kleinere Flugscheiben hingen wie Insekten an kleinen Luken und wurden bela den. Noch merkte kein Kroloc etwas von den Pthorern. Langsam umrundeten die er sten Zugors das Mittelteil der Riesenspac cah. Aus der Rundung der Flanke schob sich aus dem Dunkel eine große, deutlich abge grenzte Luke hervor. Sie war von einem rohrstutzenähnlichen Umbau verziert, aus dem Innern schimmerte schwach Licht her vor. Jeder Zugor war klein genug, um durch diese Öffnung zu passen. »Hineinfliegen, Heimdall?« fragte Binoos angespannt. »Ohne zu zögern. Sucht die wichtigen Räume!« Als die Zugors nahe genug an der Schleu se waren und ihre Geschwindigkeit abermals verringerten, vergaßen die Insassen die Grö ße der Flugscheibe. Die leicht nach außen gewölbten Flächen waren rechteckig einge grenzt, als bestünden sie aus riesigen zusam mengenieteten Platten oder Bauelementen. Überall gab es Poller, schwere Haltegriffe und einfache Greifer. Sator Synk nickte sei nen Männern zu. Die erste Mannschaft raste durch die offe ne Schleuse in einen niedrigen, aber breiten Korridor hinein. Drei Krolocs, die sich un mittelbar hinter dem Eingang befanden, wurden überrascht und niedergewalzt. Und wo sind die wichtigen Räume? fragte sich hilflos der Orxeyaner. Nacheinander drangen die Zugors ein, alle vierundzwanzig Maschinen. Der Korridor
38 schien die Spaccah auf dieser Ebene zur Gänze zu durchteilen. Synk und drei nach folgende Besatzungen ließen ihre Zugors wieder schneller werden, gingen blitzschnell nach allen Seiten in Schußposition und ra sten geradeaus weiter. Zweimal warfen sich ihnen Krolocs entgegen, die eindeutig über rascht worden waren. Lange Feuerstrahlen fegten durch den luftleeren, Korridor und vernichteten die Verteidiger. Hinter Synk und Binoos bogen einzelne Zugors nach rechts und links ab. Eine stär kere Gruppe – mindestens fünf Maschinen unter der Leitung von Heimdalls Piloten – schwebte eine Rampe aufwärts. Die riesige Spaccah war ein reichlich primitives Gerät, das wirklich nur dem Transport und dem Umschlag gewaltiger Mengen von Material diente. Rohe Metallverbindungen, eckige Stahlsäulen, einfach befestigte Tiefstrahler und beleuchtete Schilder mit schriftlichen Hinweisen, ein gummiartiger Bodenbelag mit feinen runden Noppen, stufenlose Ram pen und immer wieder riesige, bis an die dunkle Decke reichende Stapel von Contai nern, Ballen und riesigen Kisten – damit schien das Innere ausgefüllt zu sein. Die Sta pel reichten stellenweise hundertfünfzig Me ter oder höher hinauf. »Das werden wir niemals vernichten kön nen!« rief Heimdall. »Viel zu viel Materi al!« Einzelne Scheinwerfer fingen aufgeregt zu blinken an. Offensichtlich war jetzt Alarm gegeben worden. Synks Zugor wurde langsamer; sie hatten den jenseitigen Aus gang erreicht. Die Spaccah war kein Raum schiff, sondern ein hohler Transportkörper; vermutlich herrschte nahezu überall das stauberfüllte Vakuum des Weltalls. Als der erste Zugor den Bereich des Einfluglochs er reicht hatte, blinzelten die Männer, um ihre Augen an die Dunkelheit vor ihnen besser zu gewöhnen. Vor dem riesigen Transportgerät schwirr ten einige kleine, teilweise beladene Spac cahs aufgeregt hin und her. Auf den Flug scheiben befanden sich entweder keine be-
Hans Kneifel waffneten Krolocs, oder die Wesen erkann ten die Gefährdung ihrer Nachschubbasis noch nicht. »Zurück! Versuchen wir, zerstörbare An lagen zu erkennen.« »Verstanden, Binoos!« Die Zugors drehten und schwebten wieder zurück. Eine einzelne Maschine schob sich nach vorn und blieb im Sichtschutz eines kleineren Stapels zurück. Die Pthorer legten die Strahlenlanzen an, einige Männer stiegen aus und machten sich an den Kisten und Containern zu schaffen, blieben aber in er reichbarer Nähe. Als Synk die erste, links abzweigende Rampe sah, sagte er scharf: »Dort hinein. Vielleicht finden wir den Steuerstand.« Die Ausdehnung der Spaccah garantierte fast die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Pthorer verirrten. Binoos und Synk überleg ten fieberhaft, was sie am besten unterneh men sollten; Zerstörung allein ergab keine zufriedenstellende Lösung. Das Problem war, wie die Spaccah, zu groß für die Hand voll mutiger Angreifer. Inzwischen hatten die Besatzungen zweier kleiner Spaccahs, insgesamt neun Krolocs, das Feuer auf die Zugors innerhalb des Hauptkorridors eröffnet. Die Pthorer schos sen zurück und befanden sich in vorzügli cher Deckung. Die Krolocs zerstörten selbst ihre Vorräte; die Energiewaffen brannten tiefe Löcher und hinterließen brennende Krater in den Wandungen der Container. Binoos und Synk schwebten durch die Abzweigung, die ebenfalls nichts anderes war als ein Korridor im Licht von Tiefstrah lern zwischen gewaltigen Stapeln. Wenn auch dieser Gang gerade verlief, würde er den Rand der Spaccah berühren, wie jede rechtwinklig verlaufende Abzweigung. Bis her war nicht ein einziges Gerät zu erkennen gewesen, das der Steuerung der Spaccah dienen konnte oder andere, wichtige Funk tionen erfüllte. Die Zugors schwebten tiefer hinein, folgten einer weiteren Abzweigung und hielten an, als sie eine Art Schlucht er
Kampf um Atlantis reichten, die sich zwischen den dunklen Wänden ausbreitete. Hier gab es mehr Licht aus mehr Scheinwerfern. Die Strahlenkegel fielen schattenlos auf Pulte, Reihen von Schaltern und Bänke voller technischer An ordnungen. Es mußten Schaltungen sein, denn sie waren in genau der Höhe ange bracht, in der sie von den Klauen der Kro locs erreicht und bedient werden konnten. »Ausgezeichnet!« rief Binoos, ließ anhal ten und sprang mit einem Satz über die Sei tenwand des Zugors. »Hier können wir ih nen einen nachhaltigen Schaden zufügen. Los!« Mehrere Männer kletterten hinaus und fingen systematisch damit an, die Pulte und die Schaltungen zu zerstören. Die weißen Strahlen fraßen sich schnell und funkensprü hend durch das Metall und zerschnitten un sichtbare Verbindungen. Bisher hatten nur wenige Scheinwerfer geblitzt, jetzt began nen alle denkbaren optischen Signale zu ro tieren, zu blinken und eine gesteigerte Licht menge zu verströmen. Aber die Pthorer wa ren schnell und voller Wut, entschlossen, dem Gegner soviel Schaden wie möglich zu zufügen. Synk dachte kurz daran, wie es aussehen mochte, wenn sie die brennende Spaccah zu verlassen versuchten – er schüt telte sich und zwang sich, nicht einen Ge danken mehr daran zu verschwenden. »Hoffentlich«, rief eine Stimme durch das allgemeine Chaos aus Atemzügen, keuchen den Lauten, Flüchen und Kommandos, »werden wir nicht hier eingeschlossen.« Zwei Drittel der Anlage waren unrettbar vernichtet. Aus den klaffenden Löchern zuckten Flammen und Lichtbogen. Die Be leuchtung aller Instrumente war erloschen. Aus den Führungsrillen der Regler kam dicker Qualm, der im wechselnden Licht seltsame Farben und Strukturen annahm. Mit wenigen Feuerstößen zerstörten die Pthorer den Rest der Anlage und brannten tiefe, kraterförmige Löcher in den metalle nen Boden. Unterdrückt rief Sator Synk: »Heimdall! Wo seid ihr? Habt ihr Er
39 folg?« Auf seinen Wink und die leisen Komman dos von Binoos schwangen sich die Pthorer wieder in die Zugors. Ratlos blickte sich Synks Pilot um. »Wir scheinen die Steueranlage gefunden zu haben. Ziemlich sicher. Aber draußen wimmelt es von Krolocs. Noch haben sie uns nicht entdeckt.« »Ich denke, wir sollten zusammenbleiben. Wir versuchen, zu dir vorzudringen. Klar!« »Einverstanden.« Synk bedeutete seinem Piloten, geradeaus zu steuern. Die anderen Zugors folgten und verließen den Schacht, der hoffnungslos zer stört war und an den Rändern zu den Stapeln hin zu brennen begann. Hin und wieder schossen die Pthorer in die Container oder Ballen hinein. Es gab Stichflammen und Ex plosionen, die sich kettenartig fortsetzten. Der nächste Korridor war so schmal, daß sich die Zugors nur schlecht manövrieren ließen, aber die Gruppe kam durch, ohne auf einen einzigen Kroloc zu stoßen. Minuten später schrie jemand über die Funkanlage: »Es sind zu viele! Wir ziehen uns zurück. Zum Mittelpunkt!« »Es kommen noch mehr Spaccahs!« »Vorsicht, sie sind über uns!« Synk konnte sich denken, daß die Grup pen an den Schleusen oder Eingängen in ernsthafte Schwierigkeiten gekommen wa ren. Wenn sie sich zurückzogen und die Krolocs nachdrückten, würden die Spinnen wesen sich hüten, zuviel zu schießen – sie zerstörten sonst ihr eigenes Material. »Seid ihr in Gefahr?« rief er und hoffte auf Antwort. Es kamen weder Schreie noch Komman dos zurück. Die vorstoßenden Zugors ließen Rauch und Feuer hinter sich. Dann, plötz lich, merkten sie alle, daß sich die Spaccah bewegte. Es waren entweder die langwelli gen Vibrationen von schweren Explosionen oder tatsächlich eine Vorwärtsbewegung, ausgelöst durch Heimdalls Schaltungen. Die Flugkörper wurden schneller, Binoos und Synk ließen nach rechts abbiegen und befan
40 den sich in dem Korridor, den Heimdalls Gruppe eingeschlagen hatte. Der Korridor war voller kämpfender Gruppen. »Nach rechts und links feuern. Steigt hö her«, stieß Synk hervor und zielte bereits auf eine kleine, heranrasende Spaccah, »setzt euch über sie und beschießt sie von oben!« »Geht in Ordnung, Rotbart«, gab Binoos ruhig zurück. Zwei Zugors stiegen zwischen den Stapelwänden fast senkrecht und sehr schnell hoch. Eine Spaccah, aus fünf Waffen unter kon zentrierten Beschuß genommen, schlug seit lich gegen eine aufglühende Wand, wurde zurückgeschleudert und prallte schwer ge gen die andere Seite der künstlichen Schlucht. Dort kippte der Flugkörper und wirbelte seine Insassen hinaus. Ein Zugor wurde von drei Spaccahs ange griffen und abgedrängt. Die Pthorer schos sen nach allen Seiten. Ein Pilot wagte ein selbstmörderisches Manöver. Er stürzte sich, während die Besatzung versuchte, die ande ren Pthorer zu retten und das Feuer auf sich zu ziehen, schräg abwärts und rammte den jenigen Verteidiger, der das Gefährt der Pthorer am meisten bedrohte und beschoß. Beide Flugapparate krachten in hohem Tem po zusammen und gingen in Flammen auf. Einige Pthorer, die aus den Zugor ge sprungen waren, hatten den Verschluß eines Containers aufreißen können. Sie zogen un gebrauchte Strahlenlanzen hervor und ver wendeten sie sofort dazu, um lange Feuer stöße auf die Krolocs abzugeben. Dann schrie einer von ihnen: »Hierher! Wir haben Tausende Feuerlan zen gefunden!« Jeder von ihnen hielt zwei oder drei der schweren, langen Waffen in den Händen, betätigte gleichzeitig zwei oder drei Auslö ser und feuerte auf Spaccahs und Krolocs. Die mächtigen Glutstrahlen schleuderten die Verteidiger zurück, ließen die Spaccahs ex plodieren und hinterließen, wo sie in die Wände und Container einschlugen, gewalti ge Löcher. Überall breitete sich das Inferno
Hans Kneifel aus. Scheinwerfer erloschen, und ab und zu schienen lange Kabel oder Drähte hoch über den Stapeln aufzuglühen wie kalte, lautlose Blitze. Synk schrie durch das Chaos: »Sammeln! Kommt alle hierher!« Noch immer fuhren mächtige Strahlen bündel nach rechts und links. Eine Spaccah raste führerlos davon und schlug am Ende des Korridors in den Boden. Einer der Ptho rer schoß in den sich rasch ausbreitenden Glutball hinein und rannte dann geduckt auf Sator Synk zu. »Hier bin ich. Wenn wir dort hineinschie ßen, explodiert ein Großteil dieser Basis.« Binoos erwiderte kalt: »Dort entlang! Holt mehr Waffen und helft Heimdall!« »Aber …« »Wenn wir den Container voller Strahlen lanzen in die Luft jagen, bringen wir uns um«, schränkte Synk ein. »Und wenn nicht, dann machen wir wahrscheinlich unseren Rückzug unmöglich. Wir sind, selbst wenn man uns umzingelt und einschließt, bei Heimdall in der Steuerkanzel, oder wie sich der Platz auch nennen mag, am sichersten! Los! Dorthin! Keine Widerrede!« »Das ist richtig. Kommt! Hier entlang!« Die Männer schwangen sich, inzwischen mit den fremden Waffen bestens ausgerü stet, in die Zugors. Pthorer und Zugors wa ren weniger geworden; für den Augenblick hatte der Kampf in der Spaccah seinen Hö hepunkt überschritten. Der erste Flugapparat war überladen, aber er schwebte mit ständig steigender Geschwindigkeit geradeaus und auf den flackernden Lichtschein zu, der am Ende des Korridors leuchtete. »Noch immer spüre ich den versproche nen Todesgeschmack nicht«, meinte Binoos versöhnlich und schlug dem kleinen Orxeya ner auf die Schulter. »Kommt noch, Gevatter! Ganz sicher«, erklärte Synk und beobachtete sichernd den Aufbruch der zusammengeschmolzenen Gruppe. Der Zugor, der ihn hierher gebracht hatte, funktionierte noch. Auch der Pilot leb
Kampf um Atlantis te. Aber der Boden des Korridors war nach beiden Richtungen, so weit man zwischen den Rauchschwaden sehen konnte, mit toten Pthorern, den Trümmern von Zugors und Spaccahs und mit bewegungslosen Krolocs bedeckt. Zwei Dalazaaren, die jeweils min destens ein Dutzend Strahlenlanzen schlepp ten, kamen auf den letzten Zugor zu und schoben die Last über die Bordwand. »Schneller! Wir müssen hier weg. Sie werden gleich mit Verstärkung kommen!« rief Synk drängend. Der Zugor schwebte langsam an. Die Be satzung rettete sich ans andere Ende des ab zweigenden Ganges. Hier schienen sich in zwischen tatsächlich alle Überlebenden ver sammelt zu haben. Fremde Waffen gab es mehr als genug, für jeden lebenden Pthorer mindestens zwei Strahlenlanzen. Synk zähl te schweigend und beklommen fünfzehn Zu gors, die reichlich ramponiert aussahen. Als er die Zählung seiner Männer beendet hatte, fühlte er kaltes Grauen aufsteigen. Ihn eingeschlossen gab es noch zweiund vierzig Männer. Sechzig waren hierher auf gebrochen. »Achtzehn von uns fehlen. Wahrschein lich sind sie tot«, sagte er hohl. »Heimdall?« »Ich höre?« Der Hüne drehte sich um. Teile der Schal tungen waren demoliert, an anderen arbeite ten Heimdall und die Männer seiner Gruppe. »Wir sollten ein Loch durch die Wand schneiden und flüchten, solange wir noch flüchten können.« »Noch nicht. Das Loch könnt ihr brennen, aber es macht die Krolocs auf uns noch mehr aufmerksam.« »Warum … noch nicht?« fragte Binoos kühl. »Weil wir vermutlich die Spaccah steuern können. Wohin, das ist ziemlich gleichgül tig. Ihr müßt verhindern, daß die Krolocs eindringen.« Synk und Binoos blickten gleichzeitig in die Höhe und dann um sich. Alle Pthorer be fanden sich in einer annähernd runden Ab teilung, deren Boden von Pulten und Schal
41 tungen in ansteigenden, zweihundertvierzig Grad umfassenden Blöcken bedeckt war. Vor den Pulten befanden sich zahllose klei ne Bildschirme, die an einem Gittergerüst angebracht waren und im Augenblick einen zusammenhängenden Ausschnitt des Kos mos zeigten. Wieder die Wolken, Licht strahlen, Helligkeitsinseln und Staubmassen. Und natürlich Spaccahs, die sich von allen Seiten in immer größer werdenden Anzahl der riesigen Transportplattform näherten. Et wa sieben Gänge, ausnahmslos durch Spal ten oder Öffnungen zwischen den deckenho hen Stapeln gebildet, mündeten am Rand der ausgesparten Zone. Binoos stöhnte auf. »Dieser Punkt ist so gut wie gar nicht zu verteidigen.« »Wir müssen es versuchen. Sieben Zu gors, sieben Piloten, vierzehn Mann mit ge nügend Waffen!« rief Synk. »Dort hinauf. Und in den entscheidenden Momenten gut gezielt feuern. Vielleicht könnt ihr euch auf den Stapeln ganz oben verstecken.« »Verstanden.« Eine halbe Minute später schwebten die Flugkörper senkrecht nach oben. Hinter Zu gors und schnell aufgetürmten Teilen der Ausrüstung nahmen die anderen Pthorer Deckung. Nur Heimdall und ein paar andere Männer versuchten, die gigantische Spaccah zu bewegen. Sie zogen Hebel, rannten hier hin und dorthin, betätigten Schalter und er reichten – nichts. Heimdall und Synk ahnten, ohne mitein ander gesprochen zu haben, daß die Ruhe pause, die man ihnen ließ und die schon mehrere Minuten dauerte, in ganz kurzer Zeit vorbei sein würde. Die Spaccahs sam melten sich; auf dem riesigen MosaikBildschirm waren Teile der Armada deutlich zu erkennen. Bald würden sie angreifen, und dieser Angriff würde der letzte, günstigsten falls der vorletzte sein. Die Kühnheit der Pthorer hatte sie in eine selbstgewählte Falle geführt. Heimdall schwor sich, die Spaccah zu sprengen, wenn es ihm nicht gelang, sie in Bewegung zu set zen. Die riesige Konstruktion wurde immer
42 wieder erschüttert, aber sie glitt nicht, wie erhofft, geradeaus. Sie warteten schweigend und beklommen, ängstlich und wütend. Einige Minuten ver gingen auf diese Art. Immer wieder schwankte die riesige Konstruktion. Die Sta pel der Ausrüstungscontainer schwankten mit; unhörbar knirschten sie in den Verstre bungen und an den Halterungen. Dann kamen die Spaccahs, vollbesetzt mit Krolocs. Die Invasoren hatten eindeutige Befehle bekommen. Sie sollten offensichtlich in selbstmörderischen Angriffen jeden Ein dringling töten und die Spaccah besetzen. Die Korridore und Hohlräume füllten sich. Die ersten Strahlschüsse leuchteten auf. Die Krolocs gingen schnell und mit vernichtender Disziplin vor. Von den Pthorern kam au genblicklich konzentrierter Widerstand, und fast jeder Mann feuerte mit zwei Waffen gleichzeitig. Im Gegensatz zu allen vorher geäußerten Meinungen nahmen die Krolocs nicht die geringste Rücksicht auf das wert volle Material, das in der Spaccah gestapelt war. Sieben Feuerwalzen kamen langsam, aber unaufhaltsam näher; die Spaccahs schwebten zu zehnt übereinander und waren mit jeweils mindestens acht Krolocs besetzt. Flammen und Rauch kennzeichneten den Vormarsch der Verteidiger. »Das ist das Ende!« sagte Sator Synk laut und schoß, hinter Kisten und Ballen ver steckt, unterarmdicke Strahlen gegen die am tiefsten fliegende Spaccah ab. »Ich glaube, ich verstehe jetzt, was du meinst«, erwiderte Binoos. Ein gellender Schrei, der plötzlich abriß, unterbrach ihn. Ein brennender Körper schlug auf dem Bo den auf. »Ich schmecke Todesangst.« Heimdalls Stimme war unverkennbar und unüberhörbar, als er schrie: »Ich kämpfe mit euch – und ich zerstöre die Steuerung.« Hinter den Pthorern schossen die Glutbal ken der Waffen hervor. Ein mörderisches Gefecht ohne jede Taktik und ohne Rück sicht entbrannte. Keiner der Pthorer in ihren
Hans Kneifel Raumanzügen konnte ahnen, was die Kro locs dachten oder empfanden. Aber trotz der Anstrengungen des Ge fechts wußte jeder, daß es nur auf eine Art enden würde. Nach und nach starb ein Pthorer, dann der nächste, schließlich waren sie alle getötet worden. Keiner von ihnen, auch Heimdall nicht, der wie ein Rasender kämpfte, würde diesen massierten Angriff überleben. Abermals war die Übermacht zu groß und zu mächtig.
* In der großen Schaltzentrale der FESTUNGs-Pyramide hockte Thalia, noch im mer halb in der Honir-Rüstung, in ihrem Sessel. Ihr Blick ging schweigend und in ständig steigendem Entsetzen von Bild schirm zu Bildschirm. Keinerlei neue Aktivitäten in und um Wolterhaven. Orxeya, brennend und teilweise einge äschert, fest in der Hand der Krolocs. Ein Zug von Invasoren auf der Straße der Mäch tigen zwischen Orxeya und Zbahn. Starke Verbände in der Wüste Fylln gelandet. Kämpfe im Blutdschungel und entlang fast aller seiner Ränder. Eine riesige Ansammlung von Spaccahs mitten in der Ebene Kalmlech. Ein siegreicher Vorstoß von mehreren Zugor-Besatzungen gegen die Belagerer der FESTUNG. Krolocs in der Senke der Verlorenen See len. Kroloc-Verbände an den Ufern und im Mündungsgebiet des Flusses Xamyhr und am Regenfluß. Vereinzelte Gefechte rund um die äuße ren Zonen der FESTUNG. Keine Nachricht von Atlan und Razamon! Keine Nachricht von Heimdall und sei nen raumtüchtigen Zugors! Abermals ein Verband Spaccahs offensichtlich von den Magiern von Oth vernichtet – die Flugschei ben waren auf der Route zwischen Zbohr
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und dem Haus Balduurs zuletzt gesehen worden. Und auch keine Nachricht von Sigurd, der das versteckte Waffenlager suchte … Thalia stöhnte auf und wandte sich an den Robotbürger. Mit zaghafter Stimme erkun digte sie sich: »Und was sagen deine Meldungen und Analysen, Kargentoff?« Der Roboter brauchte nicht zu überlegen. Er antwortete sofort: »In spätestens drei Stunden beginnt der Sturm auf die FESTUNG selbst, auf den in nersten Kern, also auf diese große Pyramide. An allen Orten bemächtigt sich der Krolocs eine Unruhe, die deutlich zu sehen ist. Das kann nur eine Bedeutung haben.« »Ich verstehe«, murmelte sie niederge schlagen. »Und, müßig zu fragen – es gibt keine Nachricht von Atlan, dem König von Pthor?« »Ich habe keine Nachricht und keine da hin weisenden Informationen. Wir müssen wohl diesen Kampf durchstehen und, wahr scheinlich, verlieren.« »Wir werden kämpfen …«, flüsterte sie und verließ mit schnellen Schritten die Zen trale. Der Umstand, daß die Krolocs die Große Barriere von Oth deutlich mieden, be sagte in der gesamten Auseinandersetzung nichts. So gut wie jede wichtige Siedlung war in der Hand der Invasoren. Daß es an tausend verschiedenen Punkten erbitterten Widerstand gab, und daß es immer wieder kleinen Gruppen von Pthorern gelang, wei taus größere Verbände der Krolocs zu ver nichten, besagte auch nur, daß an vielen Stellen echter Heroismus erlebt wurde. Für den großen Rahmen hatten diese winzigen Siege keine Bedeutung. Thalia eilte hinaus, um sich in den bevorstehenden letzten Kampf zu stürzen. Sie hoffte auf ein Wun der. Aber sie rechnete nicht mehr damit.
8. Für einige Sekunden war der Angriff der Krolocs zum Stehen gebracht worden. Die
Pthorer schossen ununterbrochen; die Waf fen in ihren Händen wurden unerträglich heiß. Eine Spaccah nach der anderen explo diert, als sie mit den brennenden und deto nierenden Vorräten in den Stapeln in Berüh rung gekommen war. Immer wieder geschah es, daß irgendwelche Ausrüstungsgegenstän de getroffen wurden, die in den Containern verborgen waren und ihre Energie in blen denden Stichflammen freisetzten. Fast an allen Stellen verdunkelte dichter Rauch die Sicht. Von oben zuckten die Glut bahnen der letzten noch handlungsfähigen Pthorer herunter und trafen erstaunlicher weise immer wieder Krolocs oder die Spac cahs. »Es geht zu Ende, Binoos!« rief ächzend der kleine rotbärtige Orxeyaner. Eine ver blüffende Ruhe und Abgeklärtheit hatten ihn ergriffen. Er reagierte mit der kalten Präzisi on eines Robotbürgers. »Noch nicht. Heimdall versucht, uns frei zuschießen!« gab der Gordy zurück. Blitz schnell warf Synk einen Blick nach hinten. Er sah zweierlei. Heimdall und ein anderer Pthorer, verbor gen hinter brennenden Schaltbänken, schnit ten mit ihren Waffen eine große Öffnung in den Stahl der senkrechten Verbindungsble che zwischen den zwei Plattformen. Zwei der Schnitte waren bereits fertig und zeigten nur noch glühende Ränder. Und … Auf den vielen Schirmen, die zusammen ein einziges Bild ergaben, zeichnete sich ein erstaunliches Geschehen ab. Obwohl Heim dall dieses Bild sehen mußte, unterbrach er seinen Versuch nicht. Er schoß weiter, und der Energiestrahl durchschnitt die Wand und verlor sich außerhalb, eine breite Spur durch den dünnen grauen Staub ziehend. Es wirkte wie ein Signal, das immer wieder aufzuckte. »Ein Raumschiff!« schrie Synk auf. Er duckte sich, als ein Kroloc auf ihn schoß und mehrere der Bildschirme traf. Die Geräte lösten sich in kleinen Explosionen auf. »Wo ist ein Schiff? Welches? Wer?« rief
44 Binoos durch den Lärm aus den Lautspre chern. »Draußen. Es leuchtet wie Gold!« Heimdall rief voll deutlicher Erleichte rung: »Es ist die GOL'DHOR mit Atlan und Razamon!« Wieder riskierte ein Pthorer, diesmal war es der Gordy, einen Blick nach hinten. Tat sächlich raste das Schiff heran, das trotz des geringen Lichts wie Gold leuchtete und die unverkennbare Form eines stilisierten In sekts hatte. Ein mächtiger Schutzschirm, durch den verdrängten Staub sichtbar ge worden, umgab das Schiff, das gerade jetzt einige Spaccahs zur Seite rammte und weit weg schleuderte. »Sie retten uns! Sie haben uns gesehen!« schrie abermals der Odinssohn auf. »Haltet noch ein paar Sekunden aus!« Die Pthorer versuchten, den Abstand zwi schen den Schüssen noch zu verkleinern und noch genauer zu treffen, was fast unmöglich war. Der Rauch verbarg die Gegner vorein ander; man konnte nur noch geradeaus in die Zwischenraume hineinzielen und hoffen, et was zu treffen. Die Energiebahnen schufen in dem Rauch dünne, aufglühende Kanäle, die augenblicklich wieder zusammenflossen. Vor der Riesenspaccah, aus deren Seite noch immer die Glutbahnen herausfuhren, began nen die Raumplattformen der Krolocs eine heillose Flucht. Fast ehrfürchtig sagte je mand: »Es ist der König von Pthor. Er ist ge kommen, als wir mit unserem Leben ab schlossen!« »Unsinn«, dröhnte Heimdall. »Er kam, weil er die Brände und die zuckenden Ener giestrahlen gesehen hat.« Die breiten Schnittbahnen trafen einander. Ein gewaltiges Stück der Seitenwand kippte langsam nach außen. Als Heimdall in die Mitte hineinfeuerte, beschleunigte sich die taumelnde Bewegung. Die GOL'DHOR glitt näher; der König schien die Lichterscheinungen richtig gedeu tet zu haben. Wieder konzentrierten die
Hans Kneifel Pthorer ihre Schüsse auf die Sektoren, aus denen die Krolocs noch hervorschossen. Ein Pthorer sprang auf und rannte auf das Loch zu, blieb davor stehen und schwenkte die Waffe, die einen ununterbrochenen Feuer strahl ausspie. Im aufglimmenden Staub zeichneten sich Schriftzeichen ab; undeut lich und verwischt, aber für einen Geübten zu erkennen. Dann geschah abermals etwas, das die Überlebenden verwunderte. Das Feuer der Krolocs hörte auf. Eine Welle von Unruhe ergriff vorübergehend die Pthorer, dann kam eine große Ruhe über sie. Als wären sie Marionetten, standen sie aus den Deckungen auf. Aber keiner von ihnen ließ die erbeutete Strahlwaffe fallen. Das goldene Raumschiff schwebte noch näher heran, drehte sich und legte fast an der Öffnung der Spaccah an. Die Schleuse glitt auf, Scheinwerfer schalteten sich ein und machten die eigentümliche Struktur dieses einmalig schönen Schiffes deutlich. In der offenen Luke stand Atlan. Er trug den goldenen Anzug der Vernichtung und winkte mit beiden Armen. Heimdall rief la chend: »Einer nach dem anderen, Freunde! Mit einem kurzen Anlauf durch das Loch und direkt in die GOL'DHOR. Schnell!« Das letzte Wort hätte er nicht auszuspre chen brauchen. Nacheinander rannten die Pthorer, halb außer sich vor Erleichterung und von den seltsamen Schwingungen der Ruhe entspannt, auf die Öffnung zu und schwebten, als sie außerhalb der Spaccah aus dem Bereich der künstlichen Schwer kraft gerieten, auf Atlan zu. Synk, Binoos und Heimdall blieben ste hen und zählten die Männer. Die Verluste waren verheerend. »Die Zugors?« fragte Heimdall. »Ich glaube nicht, daß noch ein einziger Zugor funktioniert«, erklärte Synk und wun derte sich, warum er nicht vor Wut und Hoffnungslosigkeit raste. »Und ich habe dir den Gefallen nicht tun können«, sagte der Gordy. Synk registrierte verblüfft, daß Binoos ihm ausgesprochen ka
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meradschaftlich den Arm um die Schultern legte. »Es wird sich nachholen lassen«, murmel te er und folgte Binoos und Heimdall, die die brennende und rauchende Spaccah ver ließen. Es war im Moment nicht eine einzige der fremden Plattformen zu sehen. Synk fand sich in der leeren Schleuse wieder, ergriff Atlans Hand und fühlte mehr, als er sah, wie hinter ihm die Schleusentür zuglitt. Atlan sagte: »Wir bemerkten eine Konzentration von Spaccah-Flugbahnen, dann sahen wir die Glutbahnen der Waffen. Wie steht es auf Pthor?« »Pthor ist wahrscheinlich jetzt schon er obert«, antwortete Synk, während er den Helm des Raumanzugs öffnete. Atlan lächelte nicht, als er sagte: »Dann werden wir versuchen, soviel wie möglich von dem Geschehen rückgängig zu machen. Die GOL'DHOR hat direkten Kurs auf Pthor.« »Niemand«, antwortete Synk und sah zu Boden, »kann Tote lebendig machen.« Das Schiff nahm schnell Fahrt auf. Hinter der GOL'DHOR blieb, allmählich hinter den Staubmassen verschwindend, die brennende und rauchende Riesenspaccah zurück. Aber mit Sicherheit war es bereits zu spät, die In vasion aufzuhalten. Dies schienen auch At lan und Razamon zu wissen.
9. Tagger Blyhs hatte befohlen, daß seine Kommandospaccah Teil des Bunkersystems werden sollte. Der Hügel in der Ebene Kalmlech war verändert worden. Mächtige Elemente aus Stahl waren zusammengefügt und bildeten eine Art von Asteroid-Innerem. Gänge, Säle und kleine Hallen, die in Wirklichkeit ver senkte Spaccahs waren, verbunden von Roh relementen, von einer dicken Schicht Erd reich, Geröll und Felsen bedeckt. Diese Schicht war mit Energiestrahlen verdichtet
und zusammengeschweißt worden. In den Kammern und Hallen war es warm, künstli ches Licht schuf die Illusion, sich in einem der Kroloc-Asteroiden tief im KorsallophurStau zu befinden. Seine Vielbeinigkeit kam in das Kommunikationszentrum hinein und sagte: »Ich habe eine Synchronschaltung zu al len Unterkommandanten verlangt. Steht die se Leitung?« »Wie du befohlen hast, Kommandant«, sagte der Adjutant. »Und wo befindet sich Spank Vhroon?« »Er wartet mit einem besonderen Ver band, wie befohlen, im Norden der FE STUNG.« »Gut so.« Der Kommandant der Invasoren, ausgerü stet mit einem gigantischen Potential an Kämpfern und Material, hob beide Arme mit der zeremoniellen Waffe hoch. Seine Augen funkelten, die Linien der Kriegsfarbe er zeugten verwirrende Muster. Jeder einzelne Kroloc auf Pthor würde seine Worte hören, jeder Unteranführer würde ihn sehen. Die Kommunikation war vollkommen, die Sy stematik war in vielen Einsätzen seit un denkbar langer Zeit getestet. Seine Vielbei nigkeit Tagger Blyhs sagte langsam und deutlich: »Wir haben den ersten, schweren Schritt der Invasion beendet. Jeder Krieger ist satt, ausgeruht und bestens ausgerüstet. Nahezu jeder wichtige Ort auf Pthor, unserer Kolo nie, ist unter unserer Kontrolle. Alle Verbän de, die nicht zur Sicherung unserer Überle genheit dienen, stehen zum Sturm bereit.« Er machte eine Pause von unnachahmli cher Wirksamkeit. Er wußte, daß er nicht die reine Wahrheit sprach: Wolterhaven machte ihm Sorgen, tausend kleine Gefechte, die auch jetzt unverändert Krieger banden und deren Leben kosteten, machten ihm zu schaffen. Aber der zweite Schritt würde al les ändern – diese Nadelstiche waren nicht koordiniert. Er fuhr fort: »Wenn ich zu sprechen aufhöre, geben die Unteranführer die Befehle. Spank
46 Vhroon wird den Sturm auf die Zentrale aus der Luft sichern. Alle anderen Truppen grei fen die FESTUNG an. Binnen kurzer Zeit wird jede Gegenwehr erloschen sein. Der Feind ist schlecht ausgerüstet, hat keinerlei nachrichtentechnische Verbindung und zit tert vor Angst. Krolocs! Wir greifen an! Eh re und Sieg für uns! Kämpft!« Er bewegte die Waffe, senkte die Arme und sah zu, wie der Spezialist die Anlage ausschaltete. In diesem Moment setzten sich Tausende Spaccahs in Bewegung. Sie kamen in langen Wellen von überall her und kannten nur ein Ziel. Gleichzeitig gingen sämtliche Krolocs, die sich seit langem in der Nähe der FE STUNG befanden, auf dem Boden vor und würden jeden Widerstand überrollen. Keine Klauenbreit Boden, den sie erobert hatten, würden sie zurückgeben. Der Luftraum ge hörte bereits den Krolocs. Nun würde ihnen auch der Boden dieses herrlichen, offenen Landes gehören. Er ließ sich auf das Ruhe polster fallen und dachte nach. Ein hartes Si gnal riß ihn nach einigen Minuten aus der Ruhe. »Seine Mehrbeinigkeit will dich sprechen, Kommandant.« Sofort richtete sich Tagger auf, nahm die Befehlshaltung ein und wartete, bis auf dem Bildschirm sein Gesprächspartner auftauch te. Der Ausdruck des Obersten Kriegsherren verhieß nichts Gutes. »Ich höre, Pemar Gayn?« »Ich höre eben, daß ein winziges Kom mando von besiegten Pthorern mit primiti ven Waffen und in einer undenkbar kurzen Zeit die Brut-Spaccah nahezu restlos un brauchbar und einen Großteil aller Nach schubvorräte zerstört hat. Ich hoffe, es wird die Invasion beschleunigen?« Hohn troff aus dem Vorwurf. Tagger er faßte, was vorgefallen war und erstarrte vor Wut und Ärger. Er behielt seine starre Hal tung bei und erwiderte: »Wie du sicher auch erfahren hast, habe ich soeben den Befehl gegeben, die Invasion
Hans Kneifel zu beenden und unseren Sieg vollkommen zu machen. Unter diesen Umständen ist der schmerzliche Verlust von Ausrüstungen wohl zu kompensieren.« »Alles ist zu kompensieren, nur nicht der Verlust, den unser Ansehen erlitten hat. Es soll nur eine Handvoll gewesen sein, die sich innerhalb der Brut-Spaccah mit unseren Waffen ausrüstete. Kämpfen deine Invasi onskrieger mit den Waffen der furchtsamen Eingeborenen?« »Mehrbeinigkeit«, brachte Tagger hervor und schwor sich, nicht den geringsten Fun ken von ritterlicher Gnade walten zu lassen, »dein Vorwurf und dein Sarkasmus treffen mich zutiefst. Wir haben …« »Das war beabsichtigt. Nur übermütige Krieger vermögen Gefahren nicht realistisch abzuschätzen.« »Ich bin nicht übermütig. Ich werde mich an die Spitze aller Krieger setzen und die Herren dieses Landes in Kürze als Geiseln in deine Gefängnisse schicken.« »Laßt uns auf diesen Ausgang der Kämp fe hoffen. Indessen weiß ich, daß jeder von euch sein Bestes tun wird.« »Das war stets so, und dies bleibt auch so.« Ohne Antwort ließ seine Mehrbeinigkeit die Verbindung abschalten. Tagger Blyhs rannte voller Zorn aus dem Raum und brüll te einen Wächter an. »Meine Spaccah! Meine Garde! Die Translatoren! Ich werde die FESTUNG be rennen und die letzten Widerstandsnester schleifen. Schnell!« »Sofort, Vielbeinigkeit!« Überraschend kurze Zeit später raste eine Staffel von sieben blitzenden Spaccahs, mit bis an die Augen bewaffneten Gardisten be setzt, unter Leitung der fähigsten Piloten, auf die FESTUNG zu. Der letzte Kampf hatte begonnen.
* Der Robotbürger sagte:
»Der Angriff beginnt. Alle Krolocs, die
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sich rund um die FESTUNG eingegraben hatten, rücken vor. Unsere Freiheit wird jetzt in entscheidendem Maß bedroht. Wenn wir überleben, ist Pthor entvölkert. Selbst um diesen Preis, Thalia, Tochter des Odin?« »Ich sehe keine Alternative. Wir waren niemals Sklaven.« »Vielleicht hilft es dir beim Kampf, wenn ich dir versichere, daß die Robotbürger mit ihren Truppen gerade jetzt zuschlagen wol len. Binnen Stunden ist das Gebiet um Wol terhaven frei von Invasoren.« »Mir hilft jede Meldung dieser Art«, gab Thalia zu. Sie sah jetzt aus wie Honir, trug dessen Waffen und ging auf die innerste Verteidigungslinie zu. Sie befand sich kurz vor der Masse der Gebäude, und früher, als ihr lieb war, würde der Kampf hier stattfin den. Das Geräusch des schweren Geschützes dröhnte auf; das Echo brach sich an den Flanken der Pyramide. Es war totenstill. Jedes lebende Wesen, das Waffen tragen konnte, befand sich an der Stelle, an der es kämpfen würde. Honir-Thalia verschwand unter den Baumkronen und stieg in einen der wenigen Zugors. »Die Krolocs kommen. Wagt keine Luft gefechte, sondern greift die Bodentruppen an. Ich kämpfe mit euch und an der Spitze.« »Wir haben verstanden. Noch keine Nachricht von unserem König mit seinem goldenen Raumschiff?« »Vergeßt ihn. Selbst ich glaube nicht mehr an dieses Wunder. Los!« Der Zugor startete, schwebte einige Meter dicht über dem zertrampelten Rasen und er hob sich dann. Jemand drückte ihr eine Strahlenlanze in die Hand. Thalia hielt nach Gegnern Ausschau, aber sie erkannte nur in mittlerer Höhe die Verbände der Krolocs, die Bodenkämpfer heranbrachten und die vorrückenden Mehrfüßler unterstützten. Aus Gräben und hinter Felsbrocken hervor, hin ter Baumstämmen und aus den Höhlen
winkten ihr die Verteidiger zu. Dreißig Kilo meter in östlicher Richtung etwa trafen die Zugors mit den ersten kämpfenden Krolocs zusammen. Der Kampf fing sofort an. Die Verteidiger erkannten Honir-Thalia und ver doppelten ihren Eifer. Natürlich waren im Gebiet rund um die FESTUNG die stärksten und zahlreichsten Truppen konzentriert. Thalia zweifelte nicht, daß jeder Pthorer bis zu seinem Tod wie ein Berserker kämp fen würde. Sie schloß sich nicht dabei aus. Die Zugors landeten. Sämtliche Frauen und Männer, die über Strahlenlanzen verfügten oder über weitrei chende ballistische Waffen, sprangen von Deckung zu Deckung und feuerten auf jeden Kroloc, der sich bewegte. Aus den Ver stecken kamen die Verteidiger und schlepp ten die begehrten Waffen weg, nachdem die Angreifer getötet waren. Thalia rannte hin und her, griff hier ein, rief dort Verteidigern Mut zu, tötete eine große Menge Krolocs und zog sich wieder mit den anderen zurück, als Spaccahs heranschwebten und Hunderte ausgeruhter Kämpfer abluden. Die Krolocs in den Spaccahs nahmen die Bodentruppen unter Beschuß und trieben sie zurück. Ein Verband von Zugors raste heran, überflog diesen Kampfabschnitt und holte sechs Spaccahs aus der Luft. Brände, Staubsäulen und Fontänen aus hochgeschleudertem Sand verdunkelten die Szene. Die Verteidiger wi chen Schritt um Schritt zurück. Das Ende des freien Pthor rückte mit jedem dieser Schritte näher heran. Tiefer Schmerz erfüllte Thalia, aber sie zwang sich, weiterzukämpfen. Auch wenn es sinnlos schien …
E N D E
ENDE