Bibliothek des Eigentums Im Auftrag der Deutschen Stiftung Eigentum herausgegeben von Otto Depenheuer Band 4
Bibliothek des Eigentums T. von Danwitz, O. Depenheuer, Ch. Engel Bd. 1, Bericht zur Lage des Eigentums 2002, XII, 319 Seiten. 978-3-540-43266-1 O. Depenheuer (Hrsg.) Bd. 2, Eigentum 2005, IX, 167 Seiten. 978-3-540-23355-8 Schwäbisch Hall-Stiftung (Hrsg.) Bd. 3, Kultur des Eigentums 2006, XV, 640 Seiten. 978-3-540-33951-9 D. Blasberg Bd. 4, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen 2008, XII, 218 Seiten. 978-3-540-77738-0 O. Depenheuer, K.-N. Peifer (Hrsg.) Bd. 5, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel? 2008, VIII, 224 Seiten. 978-3-540-77749-6
Daniela Blasberg
Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Das Verhältnis von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG zu Art. 20a GG
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Dr. Daniela Blasberg
[email protected] ISBN 978-3-540-77738-0
e-ISBN 978-3-540-77739-7
DOI 10.1007/978-3-540-77739-7 Bibliothek des Eigentums ISSN 1613-8686 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Für Georg
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2007 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Sie wurde mit dem CBH-Promotionspreis 2008 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln ausgezeichnet. Bis September 2007 erschienene Literatur konnte für die Drucklegung berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater Professor Dr. Otto Depenheuer möchte ich für die Betreuung bei Erstellung dieser Schrift und für deren Aufnahme in die vorliegende Reihe herzlich danken. Herrn Professor Dr. Bernhard Kempen danke ich für die Fertigung des Zweitgutachtens. Die Veröffentlichung wurde durch großzügige Förderung der Deutschen Stiftung Eigentum und des Bundesministeriums des Innern ermöglicht. Meiner Familie gebührt ein ganz besonderer Dank.
Bergisch Gladbach, im Dezember 2007
Daniela Blasberg
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ..............................................................................................................VII A Einführung .........................................................................................................1 I. Konfliktlage zwischen Eigentums- und Umweltschutz ..................................1 1. Eigentum und Umwelt(schutz) als konfligierende Güter im Tatsächlichen ..........................................................................................1 2. Rechtsstaat versus Umweltstaat? – Verfassungstheoretische und verfassungsrechtliche Konfliktlage.........................................................3 a) Ökologisierung der Verfassungsordnung und Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte ............................................5 b) Freiheit und Umweltschutz ..............................................................6 c) Grundrechte und ihr Verhältnis zu Staatszielbestimmungen............9 d) Spezifische Problemkreise des grundgesetzlichen Eigentumsschutzes .........................................................................10 aa) Die Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts .........................11 bb) Eigentumsschutz für Nutzungsmöglichkeiten.......................11 cc) Zurückdrängen des Eigentümers aus seiner Verantwortlichkeit ................................................................12 dd) Verfassungsrechtlicher Sonderstatus des Eigentums an Grund und Boden? ................................................................13 3. Der Konflikt als Problem auf einfachgesetzlicher Ebene......................14 II. Ziel und Gang der Untersuchung ................................................................16 B Grundlagen.......................................................................................................19 I. Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen als Verfassungsrechtsgüter.....19 1. Güterhierarchie im Grundgesetz?..........................................................19 2. Verschiebung der verfassungsrechtlichen Bedeutungsgehalte beider Verfassungsrechtsgüter.........................................................................23 a) Bedeutungszunahme des Umweltschutzes im verfassungsrechtlichen System ......................................................23 b) Staatstheoretische Implikationen: Umweltschutz als Staatszweck.25 c) Bedeutungsverlust des Eigentums mit verfassungsrechtlichen Folgen?...........................................................................................26 3. Fazit: Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen als gleichrangige Verfassungsrechtsgüter.........................................................................32 II. Die verfassungsrechtlichen Normtypen ‚Grundrecht‘ und ‚Staatszielbestimmung‘ ...............................................................................32 1. Beschreibung der Normtypen................................................................33
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Inhaltsverzeichnis
a) Staatszielbestimmungen .................................................................33 b) Grundrechte....................................................................................35 c) Zusammenfassender Vergleich ......................................................35 2. Grundrechte als Staatszielbestimmungen..............................................35 3. Das Verhältnis von Grundrechten und Staatszielbestimmungen im Grundgesetz ..........................................................................................37 a) Normtypenhierarchie im Grundgesetz?..........................................38 b) Unmittelbare Wirkungen von Staatszielbestimmungen auf Grundrechte....................................................................................39 c) Sonstige Wirkungen .......................................................................40 4. Zusammenfassung.................................................................................42 III. Einbettung des Eigentums- und Umweltschutzes in die verfassungsrechtlichen Normtypen ...........................................................43 1. Art. 20a GG als Staatszielbestimmung und Gesetzgebungsauftrag ......43 a) Zuordnung zum Normtypus ...........................................................43 aa) Art. 20a GG als Staatszielbestimmung ..................................43 bb) Art. 20a GG als Gesetzgebungsauftrag .................................45 cc) Prozessuale Auswirkungen dieser Kombination....................48 b) Inhaltliche Aussagen des Art. 20a GG ...........................................49 aa) Schutzgegenstand...................................................................49 bb) Konkretisierung der Schutzpflicht.........................................50 cc) Umweltrechtliche Prinzipien in Art. 20a GG.........................56 2. Das Eigentumsgrundrecht in Art. 14 GG ..............................................57 3. Zusammenfassung.................................................................................58 C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG .............61 I. Konfliktlösung zwischen Art. 20a GG und Art. 14 Abs. 1 und 2 GG ..........61 1. Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie und Art. 20a GG.................62 a) Interpretative Verkürzung der Eigentümerfreiheit unter Umweltschutzgesichtspunkten.......................................................62 aa) Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff und Art. 20a GG ..64 bb) Immanente Begrenzung des Schutzbereiches........................69 cc) Das Eigentumsgrundrecht als Teilhaberecht..........................87 b) Abschließende Stellungnahme .......................................................90 c) Ergebnis..........................................................................................92 2. Grenzen der Ausgestaltungsbefugnis des inhaltsbestimmenden Gesetzgebers im Umweltschutz............................................................92 a) Formelle Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG .............................92 b) Verfassungsrechtliche Bindungen des inhaltsbestimmenden Gesetzgebers ..................................................................................97 aa) Institutsgarantie und verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff als Vorgabe an den Gesetzgeber ................................97 bb) Natürliche Lebensgrundlagen als öffentliche Sachen: Art. 20a GG als Vorgabe an den inhaltsbestimmenden Gesetzgeber.........................................................................103 c) Ergebnis........................................................................................105
Inhaltsverzeichnis
XI
3. Schrankenbestimmungen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen...............................................................................106 a) Inhalt des Auftrages zur Schrankenbestimmung ..........................106 b) Verfassungsrechtliche Vorgaben an den schrankenbestimmenden Gesetzgeber..........................................................107 aa) Umweltschutzspezifische Vorgaben ....................................107 bb) Eigentumsspezifische Vorgaben..........................................111 4. Einfluss des Art. 20a GG auf Ausgleichspflichten im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen ................................................130 5. Zusammenfassung...............................................................................134 II. Nichtkollidierendes Zusammenwirken von Art. 14 GG und Art. 20a GG 136 1. Problemaufriss.....................................................................................136 2. Die Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts .....................137 a) Allgemeine Grundlagen der Schutzpflichtdimension der Grundrechte..................................................................................137 b) Die Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG im Besonderen .......139 aa) Begründung und Umfang der Schutzpflicht ........................139 bb) Subjektivierung der Schutzpflicht .......................................143 cc) Rechtsfolgen bei bestehender staatlicher Schutzpflicht .......144 dd) Das Verhältnis der Grundrechtsdimensionen des Art. 14 GG zueinander ........................................................147 ee) Grundrechtsvoraussetzungsschutz durch grundrechtliche Schutzpflichtdimension........................................................157 c) Zusammenfassung ........................................................................159 3. Das Verhältnis des Umweltschutzauftrages aus Art. 20a GG zur staatlichen Schutzpflicht aus Art. 14 GG............................................160 a) Vergleichbare materielle Aussagegehalte der grundrechtlichen Schutzpflichtdimension und der Staatszielbestimmung...............160 b) Vergleichbarkeit der Dogmatik der Schutzpflichten mit der der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG........................................161 c) Aufgehen des grundrechtlichen Schutzauftrages im Auftrag aus der Staatszielbestimmung ......................................................163 aa) Subjektivierung des Art. 20a GG durch die grundrechtliche Schutzpflicht .......................................................................163 bb) Verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Subjektivierung des Art. 20a GG ..................................................................164 d) Zusammenfassung........................................................................167 4. Verstärkung des Abwehrgehalts der Eigentumsgarantie durch Art. 20a GG ........................................................................................167 5. Zusammenfassung und prozessuale Einkleidung ................................171 III. Verfassungsrechtliche Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen ...................................................................................172 1. Begriffsklärung: Der zugrunde liegende Verantwortungsbegriff........172 2. Staat und Eigentümer als Verantwortungsträger .................................174
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Inhaltsverzeichnis
a) Verantwortung des Staates für die natürlichen Lebensgrundlagen und das Eigentum......................................................174 b) Verantwortung des Eigentümers für die natürlichen Lebensgrundlagen ........................................................................175 aa) Grundgesetzliche Umweltgrundpflicht – Pflichtenbindung des Grundrechtsgebrauchs ...................................................176 bb) Art. 14 Abs. 2 GG als Verfassungserwartung .....................178 cc) Eigentumsgrundrecht und Eigentümerverantwortung .........180 c) Ergebnis........................................................................................181 3. Verknüpfung der Verantwortungsebenen: Eigentümer und Staat als Umweltschutzakteure .........................................................................181 a) Verfassungsrechtliche Problematik geteilter Verantwortung .......181 b) Verfassungsrechtliche Determinanten für das Zusammenwirken von Eigentümer und Staat ............................................................184 aa) Recht und Pflicht des Staates, dem Eigentümer Umweltschutzmaßnahmen aufzubürden ..............................184 bb) Freiheit des Eigentümers zum Betreiben von Umweltschutz .....................................................................186 c) Die Behandlung sich widersprechender Schutzkonzepte am konkreten Beispiel .......................................................................193 4. Zusammenfassung...............................................................................194 Zusammenfassung in Thesen............................................................................195 Literatur .............................................................................................................197 Sachverzeichnis .................................................................................................219
A Einführung
I. Konfliktlage zwischen Eigentums- und Umweltschutz Das Spannungsverhältnis zwischen Belangen des Naturschutzes sowie der Landschaftspflege und dem Individualeigentum an Grund und Boden erfreut sich reger Diskussion.1 Aber nicht nur Naturschutzinteressen kollidieren mit dem Grundeigentum, sondern der gesamte Bereich des Umweltschutzes trifft auf zum Teil gegenläufige Eigentümerinteressen. Grundeigentum und Umweltschutz können in tatsächlicher Hinsicht einen Gegensatz bilden, und zur Bewältigung der mit diesem Gegensatz entstehenden Probleme ist das Recht berufen. Die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Umwelt und Eigentum bzw. Umweltschutz und Eigentumsschutz beruhen darauf, dass ohne Nutzung der Umwelt kein Leben, ohne Eigentum keine Freiheit und ohne Umweltschutz – auf Dauer gesehen – weder das eine noch das andere möglich ist.2 So können Schwächen des Umweltschutzes mit einer Stärkung des Eigentums einhergehen3, ja kann gleichsam die Stärke des einen die Schwäche des anderen bedingen.
1. Eigentum und Umwelt(schutz) als konfligierende Güter im Tatsächlichen Freilich darf „Umwelt“ und deren Schutz nicht als Konservierung „unberührter Natur“ verstanden werden, weil es eine solche in Deutschland faktisch nicht mehr gibt. Vielmehr existiert nur noch eine vom Menschen beeinflusste Kulturlandschaft4, um deren Schutz es geht. Das Grundeigentum, als abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, ist zwingend Bestandteil dieser Umwelt und der vom Menschen gestalteten Kulturlandschaft. Damit drängt sich ein Gegensatz in tatsächlicher Hinsicht zwischen Eigentum und Umwelt nicht ohne weiteres auf. Die tatsächlichen Möglichkeiten, die Grundeigentum eröffnen kann, machen einen Konflikt zwischen Eigentum und Umwelt aber evident: Grundeigentums1
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Vgl. nur Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 7 („latenter Konflikt“); Leisner, DÖV 1991, 781 [782], der den Konflikt im letzten trotz aller Harmonisierungsbemühungen für unauflöslich hält und Breuer, NuR 1996, 537: Spannungsverhältnis „kraft Natur der Sache“. Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [247]. Schulte, NuR 1988, 131 [132]. Breuer, NuR 1996, 537 [541]; Kloepfer, Umweltrecht, § 1, Rn. 18.
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A Einführung
nutzung – egal in welcher Gestalt – ist gleichzeitig auch immer Umweltnutzung. Sie muss damit nicht zwangsläufig Umweltbelastung sein, kann es aber und wird es auch regelmäßig sein. In dieser Form ist Grundeigentum als die natürliche Lebensgrundlage des Menschen zu verstehen: Sein Eigentum wird der Eigentümer zu den von ihm selbst bestimmten, ihm dienlichen Zwecken einsetzen und so zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung nutzen. Gerade die besonders nahe liegenden Möglichkeiten, die der Eigentümer dabei in Betracht ziehen wird – nämlich das Bauen eines Hauses, um es selbst zu bewohnen, die wirtschaftliche Nutzung als Betriebsgrundstück oder als Agrarland, den Abbau der vorhandenen natürlichen Rohstoffe – all dies bedeutet Inanspruchnahme der Umwelt auf verschiedene Weise und in ganz unterschiedlichem Maße. Gleichzeitig erscheint diese Sichtweise des Verhältnisses von Eigentum und Umwelt als verkürzt oder jedenfalls nicht als zwingend5. Der Eigentümer kann sein Eigentum auch einsetzen, um die Umwelt – im oben genannten Sinne als Kulturlandschaft – zu schützen. Er kann die nach den jeweiligen Umständen schonendste Nutzungsart wählen. Ebenso kann er sich dafür entscheiden, das Grundstück unberührt, Flora und Fauna somit ihrem jeweiligen Zustand entsprechend sich selbst zu überlassen. Er kann sogar verbessernde Maßnahmen ergreifen. Da heute statt der „unberührten Natur“ die Kulturlandschaft Bezugspunkt ist, kann nicht jede menschliche Lebensäußerung zugleich eine – primär zu unterbindende – Umweltinanspruchnahme sein. Diese Betrachtungsweise lässt vielmehr der Erkenntnis Raum, dass die Nutzung der Umwelt menschliches Leben überhaupt erst ermöglicht. Viele Lebensäußerungen bedeuten ein Gestalten eben dieser Kulturlandschaft und sind nicht zuvörderst als Umweltbelastung anzusehen. Gleichzeitig stellt sich aber die Frage, welche Handlungsweisen6 geeignet sind, die Umwelt zu beeinträchtigen oder zu schädigen. Vor allem ist entscheidend, wer bestimmt, was eine menschliche Handlung zur Umweltschädigung erhebt. Dabei kann eine Betrachtung des tatsächlichen Konfliktes zwischen Umwelt und Eigentum nicht weiterhelfen: Wie intensiv der Eigentümer die Umwelt schützen oder sein Eigentum in Anspruch nehmen will und darf, ist nicht primär eine tatsächliche Frage, sondern in unserer Gesellschaft zunächst eine Frage nach dem rechtlichen Dürfen und Müssen.7 Festzuhalten bleibt deshalb, dass eine gewisse natürliche Gegensätzlichkeit von Grundeigentum und Umwelt nicht von der Hand zu weisen ist. Eine solche Betrachtungsweise allein berücksichtigt jedoch nicht, dass Grundeigentum aufgrund seiner engen Einbindung in die Umwelt auch in besonderem Maße Einflussmöglichkeiten zugunsten der Umwelt einräumt. Das Recht hat das beschriebene Prob5
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Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 9, lehnt die einseitige Fixierung auf eine konträre Sicht von Natur- und Eigentumsschutz ab, da sie durchaus auch partnerfähig seien. Rauschning, in: VVDStRL 38 (1980), S. 167 [168], der meint, nicht jede Veränderung der Umwelt sei eine Umweltschädigung. Roller, in: FS Rehbinder, S. 87 [88]: Eigentum und Umweltschutz können auch „Hand in Hand“ gehen. So auch Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [213], der das Spannungsverhältnis von Eigentums- und Umweltschutz für offensichtlich hält, nähere Aussagen darüber aber nur zu erhalten meint, wenn der Sinngehalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie betrachtet würde.
I. Konfliktlage zwischen Eigentums- und Umweltschutz
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lem zu bewältigen, insbesondere die Kollisionsnormen zur Auflösung des Konflikts bereitzustellen.
2. Rechtsstaat versus Umweltstaat? – Verfassungstheoretische und verfassungsrechtliche Konfliktlage Wie geht das Recht mit dieser tatsächlichen Problematik um? Die konfligierenden Interessen finden sich in Art. 14 GG und Art. 20a GG auf verfassungsrechtlicher Ebene wieder.8 Die Antwort auf die Frage nach deren Zusammenwirken in der Rechtsordnung beinhaltet die verfassungsrechtliche Konfliktlösung zwischen beiden Interessen. Aufgrund der notwendigen Offenheit einer Verfassung gibt das Grundgesetz allerdings ein wenig konkretes Lösungsprogramm vor. Dies beruht jedenfalls nicht ausschließlich auf den vom Verfassungsgeber des Grundgesetzes gewählten Normkategorien, also dem Verhältnis zwischen der Staatszielbestimmung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG9) und dem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG). Vielmehr trifft der Verfassungsgeber bereits bei der Entscheidung des „Wie“10 der verfassungsgesetzlichen Niederlegung von derlei Schutzkonzeptionen auf Probleme grundsätzlicher Art. Um tatsächlich Kollisionsnormen zur Lösung des Konfliktes bereitstellen zu können, ist das Recht auf Begriffsbildung angewiesen. In der Umweltschutzproblematik fehlt es allerdings an einem einheitlichen Schutzgut; unter den Begriff „Umwelt“ kann nahezu alles gefasst werden, was den Menschen umgibt.11 Der bereits erwähnten – vom Menschen geschaffenen – „Kulturlandschaft“ lässt sich ebenso wenig begriffliche Klarheit zuschreiben, da sie nur zu beschreiben vermag, dass der Mensch nicht mehr in unberührter Natur beheimatet ist. Diesem Dilemma der Begrifflichkeit sah sich auch der verfassungsändernde Gesetzgeber ausgesetzt: Er hat sich mit Art. 20a GG für „die natürlichen Lebensgrundlagen“ entschieden. 8
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Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 12: „Das ... Spannungsverhältnis zwischen Interessen, die latent konfligieren, schlägt sich in einem Spannungsverhältnis zwischen diesen Interessen und dem mit der Aufgabe der Konfliktbewältigung betrauten Recht nieder“. Zur Entwicklung des verfassungsrechtlichen Umweltschutzes Lepsius, Sachherrschaft, S. 436 ff. Vgl. auch Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz. Eingefügt durch Gesetz v. 27. Oktober 1994, BGBl. I, 3146. Durch Gesetz v. 27. Juli 2002, BGBl. I, 2862, wurde der Tierschutz in Art. 20a GG verankert. Die damit eng verbundene Frage des „Ob“, um die vor der Einfügung der Staatszielbestimmung „Umweltschutz“ (Art. 20a GG) in das GG lange Zeit gestritten wurde, soll hier nicht näher behandelt werden. Vgl. dazu Depenheuer, DVBl. 1987, 809 ff.; Isensee, NJW 1993, 2583 [2585]; H.H. Klein, DVBl. 1991, 729 ff.; Kloepfer, Grundrecht auf Umweltschutz, S. 27 ff.; Michel, NuR 1988, 272 [281]; Murswiek, ZRP 1988, 14 ff.; Rauschning, DÖV 1986, 489 ff.; Rupp, DVBl. 1985, 990 ff.; Stern, NWVBl. 1988, 1 ff. Damit besteht die Gefahr, dass in dieses Wort alle Wünsche des Bürgers in einer modernen Industriegesellschaft hineingelegt werden mit der Folge der Konturenlosigkeit, vgl. Leisner, in: Isensee, Leisner, Rechtsschranken des Umweltschutzes, S. 414.
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A Einführung
Es ist zu bezweifeln, dass damit tatsächlich mehr Rechtssicherheit geschaffen wurde.12 Exemplarisch für die schwierige rechtliche Ausgestaltung ist die Diskussion um ein „Recht auf Umweltschutz“: Hier zeigt sich Unklarheit sowohl in Bezug auf den Anspruchsinhalt (Schutz der Umwelt, Natur, Gesundheit?) und den Rechtsträger (der Mensch, die Robbe?), als auch auf den Anspruchsgegner (welche Gewalt?) und vor allem die dogmatische Qualität solcher „Rechte“.13 Neben der im Recht allgemein und speziell im Umweltrecht notwendigen Begriffsbildung fragt sich, wie umweltstaatliche Elemente in den Rechtsstaat freiheitswahrend Eingang finden können.14 Denn Umweltstaat und Rechtsstaat geraten unweigerlich in Konflikt. Im vorliegenden Kontext interessieren dabei die konkreten Spannungen zwischen Eigentumsgrundrecht und Umweltschutz auf Verfassungsebene, die hier zunächst nur angerissen werden sollen. Rechtsstaatlichkeit zeichnet sich durch Orientierung an der liberalen Freiheitsidee und durch die Geltung des allgemeinen „Verteilungsprinzips“ aus, nach dem prinzipiell die staatliche Zuständigkeit begrenzt und die individuelle Freiheit unbegrenzt ist.15 Wichtige Kennzeichen von Rechtsstaatlichkeit haben einen engen Bezug zu der hier zu erörternden Problematik von grundgesetzlichem Umweltund Eigentumsschutz: Grundrechtsgarantien, Gewaltenteilung, Herrschaft des Gesetzes, richterliche Kontrolle und die Gewährleistung ordnungsgemäßer rechtlicher Verfahren. Erscheint die wissenschaftliche Aufarbeitung des Rechtsstaatsprinzips als umfassend, kann dies vom Begriff des Umweltstaates bzw. des Umweltstaatsprinzips nicht behauptet werden. Der Begriff ist negativ belegt, weil er oft mit einem Vorrang des Umweltschutzes gegenüber Freiheitsrechten assoziiert wird.16 Vor allem entbehrt er nach wie vor einer klaren Definition, worin die Negativbesetzungen begründet liegen. Nach Kloepfer ist der Begriff des Umweltstaates gedacht als Sammelbezeichnung für die unterschiedlichen Fragen, die sich stellen, „wenn ein Gemeinwesen die Unversehrtheit der Umwelt zum Maßstab und Ziel seiner Entscheidungen macht“17. Unter der Voraussetzung, dass sich der Umweltstaat – ebenso wie der Sozialstaat – nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes verwirklichen lässt, bestehen gegen diese Begrifflichkeit keine Bedenken, hat der Begriff als solcher aber auch keine große Aussagekraft. 12
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So wird der Begriff „natürliche Lebensgrundlagen“ vielfach als synonym zu dem der „Umwelt“ verstanden, vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 11 f. Ausführlich Kloepfer, Grundrecht auf Umweltschutz; Kloepfer/Vierhaus, in: Kloepfer, Anthropozentrik, S. 29 [44]; Steiger, Mensch und Umwelt. Allgemein zu diesem Problemkreis: Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat. Zum Umweltstaat vgl. Kloepfer, Umweltstaat als Zukunft und dens., in: ders., Umweltstaat, S. 39 ff. Zum Rechtsstaat vgl. Kunig, Rechtsstaatsprinzip; Sobota, Prinzip Rechtsstaat. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 126. Berg, in: FS Stern, S. 424 [440]. Salzwedel, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 3. Aufl., § 97, Rn. 25: der Begriff ist geeignet Missverständnisse auszulösen. Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, Vorwort S. V, S. 39 ff. Das Ladenburger Kolleg „Umweltstaat“ hat sich mit juristischen, ökonomischen und philosophischen Aspekten des Umweltstaates befasst. Die Ergebnisse sind veröffentlicht bei Kloepfer, Umweltstaat als Zukunft.
I. Konfliktlage zwischen Eigentums- und Umweltschutz
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Das Verhältnis Rechtsstaat – Umweltstaat bietet für die vorliegende Arbeit zahlreiche Facetten, die es näher zu beleuchten gilt. Die Diskussion um die Ökologisierung der Verfassungsordnung und die Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte (a) gehört ebenso dazu wie das Verhältnis von Freiheit und Umweltschutz (b). Wie grundrechtliche Freiheit und Umweltschutz in der Verfassungsordnung zueinander stehen, richtet sich auch nach den betroffenen Normkategorien und damit dem Verhältnis von Staatszielbestimmungen und Grundrechten zueinander (c). Letztlich spielen in diesem Zusammenhang auch dogmatische Fragen des in einer rechtsstaatlichen Verfassung nicht wegzudenkenden Eigentumsgrundrechts eine große Rolle (d).
a) Ökologisierung der Verfassungsordnung und Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte Die Diskussion um die „Ökologisierung der Rechtsordnung“18 hat unter anderem die Begriffe des „ökologischen Rechtsstaates“19 bzw. des „ökologischen Verfassungsstaates“20 oder des „Umweltvorsorgestaates“21 hervorgebracht. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wird danach gefragt, ob und wie der Umbau des Staates im Hinblick auf die Anforderungen, die der Umweltschutz an unsere Rechtsordnung stellt, zu erfolgen hat. Daran wird bereits deutlich, dass sich rechtsstaatliche und umweltstaatliche Zielsetzungen nicht ohne weiteres vereinbaren lassen. Schlagwortartig geht es um planerische Vorsorge und Bewirtschaftung, Kooperation und Konsens, Flexibilisierung, Information und Öffentlichkeit, Privatverantwortung, Transparenz, verfahrensorientierte Ermittlung von Tatsachen22. Insbesondere die Entwicklung des Staates zu einem „Präventions- und Vorsorgestaat“ – für einen solchen wird der Umweltstaat gehalten – führt zu einer nachhaltigen Beeinflussung des Rechtsstaates und offenbart insoweit auch scheinbar unüberbrückbare Widersprüche: Der traditionelle Rechtsstaat stellt ordnungsrechtliches Instrumentarium zur Abwehr von Gefahren bereit, während der Umwelt18 19
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Vgl. dazu Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 34. Bosselmann, in: Baumeister, Wege zum Ökologischen Rechtsstaat, S. 53 ff.: Ders. versteht hierunter die fortlaufende Aufgabe des Staates, ökologischen Ausgleich anzustreben und zwar dergestalt, dass die jetzige Industriegesellschaft in eine „nachhaltige Gesellschaft“ umgewandelt wird. Vgl. auch dens., Im Namen der Natur, S. 351 ff. Steinberg, Verfassungsstaat. R. Schmidt, DÖV 1994, 749 ff.: Der Weg zum Umweltvorsorgestaat bedeutet einen Übergang von der traditionellen Gefahrenabwehr zu einer Präventionspolitik mit Folgen für rechtsstaatliche Strukturen, insbesondere auch für die Grundrechtsdogmatik. Nach Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 159 ff. bedeutet der (Umwelt)vorsorgestaat das „Ende aller Freiheit“. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 34 m.w.N. Zum aktuellen Thema des Emissionshandels und dessen rechtsstaatsrelevanten Problemen sowie zur Diskussion über rechtsstaatliche und grundrechtliche Anforderungen an informale, ökonomische Umweltschutzinstrumente Weidemann, DVBl. 2004, 727 [728] m.w.N. Di Fabio bezeichnet diese Instrumente als „Grenzgänger zwischen Freiheit und Zwang“, ders., in: Kloepfer, Selbst-Beherrschung, S. 119.
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A Einführung
staat eher durch die vorausschauende Minderung von Umweltrisiken charakterisiert ist.23 Dieses ökologische Präventionsprinzip schließt den Gedanken umfassender Lenkung zwangsläufig mit ein24, während dieser dem Rechtsstaat fremd ist. Deshalb bedingt der dynamische Vorsorgecharakter die Konfliktlage zwischen Rechtsstaat und Umweltstaat: Im Hinblick auf die klassische liberale Abwehrfunktion der Grundrechte im Rechtsstaat gerät dieser durch den Umweltstaat ins Wanken.25 Als rechtsstaatlich problematisch stellt sich auch der Verlust der Steuerungskraft der Gesetze dar: Sie sind vielfach nur noch Scheinsteuerung einer sich in Wahrheit selbst lenkenden Verwaltung.26 Mit der Diskussion um die Ökologisierung der Verfassungsordnung geht auch das Problem der sog. Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte einher. 27 Im Hinblick auf umweltstaatliche Anforderungen seien die Grundrechte und insbesondere deren Schutzbereiche so zu interpretieren, dass sie nur in Umweltgesichtspunkte berücksichtigender Weise in Anspruch genommen werden dürften. Gerade das Eigentumsgrundrecht in Art. 14 GG, das schon kraft verfassungsrechtlicher Anordnung sozialpflichtig ist, ist im Rahmen dieser Diskussion vielfach für „ökologiepflichtig“ erklärt worden.28 Ob dies tatsächlich der geltenden Verfassungsrechtslage entspricht, mag hier noch dahinstehen. Deutlich wird indes, dass sich der Rechtsstaat potentiell vielfältigen Angriffen von Seiten des Umweltstaates ausgesetzt sieht.
b) Freiheit und Umweltschutz Exemplarisch für den Einfluss umweltstaatlicher Elemente auf den Rechtsstaat ist das Verhältnis von Freiheit29 und Umweltschutz.30 Dieses ist für die vorliegende Untersuchung von großer Bedeutung, weil es wiederum auch einen engen Zusammenhang zwischen Freiheit und Eigentum gibt: „Eigentum ist Freiheit“31. Eigentum und Freiheit bilden keinen Gegensatz, sondern bedingen einander: E23 24 25 26 27
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R. Schmidt, DÖV 1994, 749 ff. Hofmann, in: Kloepfer, Umweltstaat, S. 1 [32]. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 250 f. R. Schmidt, DÖV 1994, 749 [751]. Schon früh stellte Rupp fest, dass Umweltschutz eine „bisher wahrscheinlich noch unbekannte Sozialpflichtigkeit aller Grundrechte“ bedeute, ders., JZ 1971, 401 [403]. Dem ähnlich ist der Gedanke der „Polizeipflichtigkeit“, Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 55. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG stehe unter einem – wenn auch nicht ausdrücklichen – „ökologischen Vorbehalt“, so Huber, Politische Studien 1/2000, S. 45 [51]; als Ökologiepflichtigkeit bezeichnet bei Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 311; für eine grundsätzliche „Ökologiepflichtigkeit des Eigentums“ Bosselmann, Im Namen der Natur, S. 374 ff.; ders., Ökologische Grundrechte, S. 117 ff. Zum Freiheitsbegriff des Grundgesetzes zusammenfassend Stemmler, Das „Neminemlaedere-Gebot“, S. 146 ff. mit zahlreichen Nachweisen. Vgl. hierzu insb. den gleichnamigen Aufsatz von Kloepfer/Vierhaus, in: Kloepfer, Anthropozentrik, S. 29 ff. Dürig, in: FS Apelt, S. 13 [31]. Zu den historischen Grundlagen Andersen, Wandlung, S. 89 ff.
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benso wie Freiheit ohne Eigentum leer bleibt, ist Eigentum ohne Freiheit sinn- und wertlos.32 Auch das Bundesverfassungsgericht betont diese enge Verbindung: Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes ist ein „elementares Grundrecht, das im engen inneren Zusammenhang mit der persönlichen Freiheit steht. Ihr kommt im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern“33. Insoweit kann ein Blick auf das Gegensatzpaar Freiheit und Umweltschutz auch Schlüsse auf das Verhältnis Eigentum und Umweltschutz zulassen. Ein Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass die Grenzen individueller und wirtschaftlicher Freiheit durch verfassungsmäßig garantierte Grundrechte gesetzt werden. Mit der Annahme, dass die Grundrechte und insbesondere das Freiheitsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG die Freiheit zur Umweltverschmutzung verleihen, es mithin „Grundrechtsschutz für private Umweltbelaster“34 gibt, liegt das Spannungsverhältnis von Freiheit und Umweltschutz klar zutage. Der Grundrechtsträger kann selbst bei umweltschädlichstem Wirken Grundrechtsschutz in Anspruch nehmen. Dies ist grundrechtsdogmatisch Folge der klassischen Auffassung, dass staatliche Ge- und Verbote als Freiheitseinschränkungen Grundrechtseingriffe darstellen und sich in die Schrankensystematik einfügen müssen.35 Maßnahmen des Umweltschutzes mit freiheitsbeschränkender Wirkung sind rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe. Dagegen wird vermehrt die Diskussion über die bereits angesprochene Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte36 geführt: Kann angesichts der heutigen tatsächlichen Umweltsituation und der Mengenprobleme im Umweltschutz ein solches Grundrechtsverständnis noch überzeugen? Müssen nicht vielmehr die Grundrechte in einer gewissen Form ökologisch gebunden werden? Welche Einflüsse sich insoweit auf den Schutzbereich des Art. 14 GG ergeben, insbesondere, ob sich verfassungsrechtlich durch Aufnahme der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG im Hinblick auf den Schutzbereich der Eigentumsgarantie neue Deutungsmöglichkeiten auftun, soll später untersucht werden.37 Das Verhältnis von Freiheit und Umweltschutz darf allerdings nicht auf diese Sicht verkürzt werden. Bedeutet einerseits Umweltschutz zwar Freiheitseinschränkung, kann er andererseits auch als Freiheitsvoraussetzungsschutz begriffen werden38: Staatliche Umweltschutzmaßnahmen sind nicht nur Eingriff in grundrechtliche Positionen des einen, sondern gleichzeitig auch Gewährleistung der Voraussetzungen individueller Grundrechtsausübung für alle Grundrechtsträger. Umweltschutz trägt zur Sicherung der menschlichen Existenz bei. Er ist deshalb gleichzeitig auch Gesundheits- und Eigentumsschutz, weil er Belastungen des 32
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Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 11. Zur geschichtlichen Entwicklung hin zu diesem Verständnis vgl. Thormann, Abstufungen, S. 38 ff. BVerfGE 50, 290 [339]. So die Kapitelüberschrift bei Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 54. Kloepfer/Vierhaus, in: Kloepfer, Anthropozentrik, S. 29 [31 f.]. Vgl. R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [953] und soeben lit. a). Vgl. dazu S. 62 ff. Kloepfer/Vierhaus, in: Kloepfer, Anthropozentrik, S. 29 [51]; Kloepfer, in: ders., Umweltstaat als Zukunft, S. 13 f.
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Menschen durch Umwelteinflüsse begegnet.39 Allerdings bedeutet Freiheit des einen Unfreiheit des anderen, weil der Staat durch sein Recht die Freiheitsgrenzen der Bürger gegeneinander abgrenzt, dem einen mithin das zu dulden auferlegt, was dem anderen nicht verboten ist.40 Die naturgemäß nur beschränkt vorhandenen Umweltnutzungsmöglichkeiten und an der Umwelt bestehende Rechte müssen verfassungsgemäß verteilt werden. Die davor liegende Grundentscheidung ist die, wie viel Freiheit und Freiheitsbeschränkung gegenwärtig möglich und nötig sind und wer die ökonomischen Lasten insoweit trägt.41 Dabei ist schon hier hervorzuheben, dass es sich um zwei voneinander unabhängige Fragen handelt: Den Freiheitsaspekt betreffend geht es um das Maß von Freiheitsbeschränkungen beim Eigentümer, während die Verteilungsproblematik die Frage der Zuordnung des Vermögenswertes aufwirft, der mit dem entsprechenden Eigentumsrecht verbunden ist.42 Welchen Anforderungen das staatlich gesetzte Recht zu genügen hat, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben hier insbesondere im Hinblick auf Freiheitsbeschränkungen des Eigentums gelten, soll im Laufe der Arbeit herausgearbeitet werden. Vorwegzunehmen ist schon an dieser Stelle, dass sich das beschriebene Spannungsverhältnis nur bedingt auflösen lässt, weil die freiheitsbeschränkende Wirkung der Staatsaufgabe Umweltschutz notwendige Folge der erforderlichen ökologischen Bindung von Freiheit ist.43 Hier liegt für den Staat eine wichtige Aufgabe. Der Umweltschutz darf nicht nahezu jedes Mittel rechtfertigen und so auf Kosten anderer Rechtsgüter möglich sein. Dies stellte eine Gefahr für unsere freiheitlich verfasste Gesellschaft dar.44 Andererseits muss eine Rechtsordnung, die die Umweltnutzungsfreiheit nicht rechtzeitig auf das ökologisch notwendige Maß begrenzt, diese Freiheitlichkeit später möglicherweise mit umso größerer Unfreiheit bezahlen.45 Denn auch wenn sich die Umweltkrise verschärft, muss das politische und rechtliche System in der Lage sein, unter den dann bestehenden Bedingungen die zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen notwendigen Maßnahmen zu sichern; ob dies unter Aufrechterhaltung des erreichten Freiheitsniveaus möglich ist, erscheint zweifelhaft.46 Dahinstehen soll, ob der Weg zu ei-
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Kloepfer/Vierhaus, in: Kloepfer, Anthropozentrik, S. 29 [51]. Murswiek, JZ 1988, 985 [986]. L. Osterloh, DVBl. 1991, 906 [907]. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 363, spricht im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit von einem rechtsstaatlich relevanten Gleichheitsproblem. Dies wird im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Hinblick auf eine eventuell erforderliche Ausgleichsleistung relevant. Die Frage einer Ausgleichspflicht stellt sich überhaupt erst nach Feststellung der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung. Vgl. dazu S. 130 ff. Kloepfer, Umweltstaat als Zukunft, S. 103, These 2. Kloepfer, in: Baumeister, Wege zum Ökologischen Rechtsstaat, S. 42. Murswiek, JZ 1988, 985 [993]. Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, S. 39 [76].
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nem autoritären ökologischen Staat beschritten ist47, der zwar einerseits die Umwelt und damit Freiheit sichere, andererseits aber hierzu totalitäre Herrschaftsformen einsetze und so die rechtsstaatlichen und demokratischen Freiheiten seiner Bürger zerstöre. Jedenfalls muss der möglicherweise systemsprengenden Kraft des Umweltschutzgedankens im Hinblick auf die Wirksamkeit unserer Verfassung entgegengewirkt werden: schleichende Entwicklungen, wie die ökologische Reduzierung der Grundrechte, die Aufhebung kleinräumiger Entscheidungsstrukturen angesichts weiträumiger Umweltprobleme, die Aushebelung traditioneller rechtsstaatlicher Gewährleistungen wie der Bestandsschutz sind nur einige Beispiele hierfür.48 Das rechtsstaatliche Problem der Freiheitseinschränkungen liegt aber nicht nur bei der einzelnen Maßnahme, sondern in einer unabgestimmten Kumulation verschiedenster Gebote, Belastungen und Verhaltenserwartungen49, mit denen sich der Eigentümer konfrontiert sieht. Dies ist insbesondere Ausfluss dessen, dass staatlicher vorsorgender Umweltschutz häufig bereits vor der Gefahrenschwelle einsetzt und dadurch schwer zu kanalisierende Eingriffskumulationen mit erheblichen Freiheitsgesamtbelastungen entstehen.50
c) Grundrechte und ihr Verhältnis zu Staatszielbestimmungen Mit der Eigentumsgarantie als Freiheitsgrundrecht und der Staatszielbestimmung „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ treffen im Grundgesetz zwei unterschiedliche Normkategorien aufeinander, deren Verhältnis zueinander der Klärung bedarf. Zum Verhältnis des Sozialstaatsprinzips als Staatszielbestimmung zu den Grundrechten verhält sich das Bundesverfassungsgericht wie folgt: „Es ist ... grundsätzlich nicht möglich, aus dem sozialstaatlichen Verfassungsauftrag, der eben ein ‚der konkreten Ausgestaltung in hohem Maße fähiges und bedürftiges Prinzip‘ ist, bestimmte Gestaltungen und Entscheidungen als verfassungsrechtlich geboten abzuleiten. Der Sozialstaatssatz ist nicht ein ‚Verfassungsbefehl‘, mit einem gegenständlich begrenzten und inhaltlich bestimmten Regelungsauftrag an den Gesetzgeber ..., sondern ein ‚Verfassungsprogramm‘, ein sachlicher Richtsatz, der dem Gesetzgeber fortdauernd eine bestimmte Richtung vorschreibt.“51 Hiernach kann dem Sozialstaatsprinzip „Bedeutung für die Auslegung von Grundrechten sowie für die Auslegung und verfassungsrechtliche Beurteilung von – nach Maßgabe eines Gesetzesvorbehaltes – grundrechtseinschränkenden Gesetzen zukommen“; als grundsätzlich nicht geeignet wird es dagegen dafür angesehen, „Grundrechte ohne nähere Konkretisierung durch den Gesetzgeber, also unmittel47
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Kloepfer, in: Baumeister, Wege zum Ökologischen Rechtsstaat, S. 42 [45]; in der an diesen Vortrag anschließenden Diskussion wurde die rechtsstaatlich vertretbare Belastungsgrenze als in weiter Ferne liegend angesehen, vgl. a.a.O. S. 51. Kloepfer, in: Baumeister, Wege zum Ökologischen Rechtsstaat, S. 42 [47 f.]. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 349; Kloepfer, in: Baumeister, Wege zum Ökologischen Rechtsstaat, S. 42. Vgl. auch G. Kirchhof, NJW 2006, 732 ff. zu kumulativen Belastungen durch den Staat. Kloepfer, in: ders., Umweltstaat als Zukunft, S. 12. BVerfGE 52, 283 [298] und 59, 231 [262]. Dazu Badura, DÖV 1968, 446 [449].
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bar, zu beschränken“.52 Ob sich diese Aussagen allgemein auf Staatszielbestimmungen und damit insbesondere auf Art. 20a GG übertragen lassen, wird als Frage im Rahmen der folgenden Untersuchung immer wieder problemspezifisch aufzuwerfen und zu behandeln sein. Über diese Frage der unmittelbaren Beschränkung ohne gesetzgeberische Vermittlung hinaus stellen sich aber auch noch weitere Fragen zum Verhältnis von Art. 14 GG und Art. 20a GG. In Rede steht beispielsweise eine Neuinterpretation des Eigentumsbegriffs bzw. des Schutzbereiches der Eigentumsgarantie unter dem Stichwort der „Ökologiepflichtigkeit“ des Eigentums.53 Außerdem wird zum Teil davon ausgegangen, dass sich bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eigentumseingriffs durch Art. 20a GG die Gewichte in der Abwägung zwischen Umweltschutz und Eigentümerschutz verschoben hätten.54 Des Weiteren wird im Hinblick auf Art. 20a GG ein größerer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums angenommen.55 Während der jahrelangen Diskussion über die Aufnahme einer Verfassungsnorm über den Umweltschutz ist vor derlei nicht vorhersehbaren Wirkungen einer solchen Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz wiederholt eindringlich gewarnt worden: Die Einfügung einer Umweltschutzklausel könne, weil singulär, thematisch und textlich außerhalb des grundrechtlichen Schrankensystems stehend, schnell das feingliedrige und sensible Ausgleichssystem der Verfassung durcheinander bringen.56 Ob sich diese Gefahr durch Aufnahme des Art. 20a GG tatsächlich verwirklicht hat und welche Friktionen sich innerhalb des Grundgesetzes aus dieser konkreten rechtstechnischen Umsetzung von Eigentums- und Umweltschutz ergeben, gilt es im Verlauf der Untersuchung herauszuarbeiten.
d) Spezifische Problemkreise des grundgesetzlichen Eigentumsschutzes Tatsächlich sind es zahlreiche in Art. 14 GG und der auf ihm fußenden Eigentumsdogmatik wurzelnde Streitfragen, die das konfliktreiche Verhältnis des Eigentums- zum Umweltschutz bestimmen: „Wer gefährdet wen: Eigentum ... den Umweltschutz – oder umgekehrt?“, so lautet (verkürzt) der Titel eines Aufsatzes.57 Die dort gegebene Antwort auf diese Frage lehnt die Perspektive einer gegenseiti-
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BVerfGE 59, 231 [262 f.]. Zum Vergleich von Sozialstaatsprinzip und Art. 20a GG Söhnlein, Landnutzung im Umweltstaat, S. 58 ff. und Uhle, JuS 1996, 96 ff. Vgl. dazu schon lit. a). Grzeszick, Agrarrecht 2003, 165 [166]. Führ, NuR 1998, 6 [11]. Rupp, DVBl. 1985, 990 [991]. Ähnlich skeptisch Depenheuer, DVBl 1987, 809 [813 f.], und Isensee, NJW 1993, 2583 [2585]. Schmidt-Preuß konstatiert dagegen, dass sich Art. 20a GG als klassische Staatszielbestimmung erwiesen und bewährt habe und kein Einfallstor für einen expansiv-rigorosen Umweltstaat geworden sei, ders., JZ 2000, 581 [582]. Sendler, UPR 1983, 33 ff.
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gen Gefährdung ab: nicht auf Konfrontation komme es an, ein Ausgleich zwischen Eigentum und Umweltschutz verspreche mehr Erfolg. 58 aa) Die Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts Einen solchen Ausgleich erschwert das Eigentumsgrundrecht freilich. Dies ist unter der Überschrift „Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts“ überzeugend herausgearbeitet worden59: Das Eigentumsgrundrecht ist nicht nur Abwehrrecht gegen staatlichen Umweltschutz, sondern auch Gegenstand staatlichen Schutzes als Ausfluss der Schutzpflichtdimension der Grundrechte. Es kommt als Verursacher wie als Opfer von Umweltgefahren gleichermaßen in Betracht, ist mithin Grenze von Umweltschutz als auch Eingriffstitel für Umweltschutzmaßnahmen. 60 Unter anderem hierauf gründet der schwache Eigentumsschutz im Umweltrecht: Diese Präsenz an beiden Polen des Spannungsfeldes lässt das Eigentumsgrundrecht seine disziplinierende und dirigierende Stringenz verlieren.61 Hieraus den Schluss zu ziehen, Vor- und Nachteile des Umweltschutzes im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht glichen sich von selbst aus, wäre vorschnell: Wie viel Freiheit das Eigentumsgrundrecht gewährt, hängt nämlich entscheidend davon ab, wer über die Realisierung des Umweltschutzes entscheidet.62 Nun steht der grundrechtlichen Freiheit, als Eigentümer Umweltschutz zu betreiben63, die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG gegenüber, die nahe legt, dass verfassungsrechtlich zunächst der Staat für den Umweltschutz verantwortlich und zuständig sei. Im Rahmen der Konfliktlage zwischen Freiheit und Umweltschutz ist bereits dargelegt worden, dass eine Ursache für die Einschränkung von Freiheit auch und gerade die staatliche Entscheidungsübermacht sein kann. Insoweit kann die Verantwortlichkeit des Eigentümers zur Stärkung seiner Freiheit und damit auch des Eigentumsgrundrechts beitragen. bb) Eigentumsschutz für Nutzungsmöglichkeiten Dass dem Eigentümer als Ausfluss seines Eigentumsgrundrechts grundsätzlich Nutzungsfreiheit gewährt ist, diese mithin dem Schutz des Art. 14 GG unterfällt, stellt sich auf den ersten Blick als Selbstverständlichkeit dar.64 Ebenso wie der Markt trennt auch die Verfassung nicht ausdrücklich zwischen „Eigentumsbestand“ und „Eigentumsnutzung“.65 Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG legt schon nach seinem 58 59
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A.a.O. S. 76. Vgl. hierzu grundlegend den gleichnamigen Aufsatz von Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie, S. 3 ff. Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie, S. 3 [8]. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 334. Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie, S. 3 [17]. Vgl. dazu grundlegend Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer. Sieckmann, Modelle, S. 205: „Eigentumsrechte enthalten begrifflich notwendig ein Nutzungsrecht am Eigentumsgegenstand.“ Leisner, in Isensee, Leisner, Rechtsschranken des Umweltschutzes, S. 414 [438]. Anders aber Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 203: Jedes, über die bloße Innehabung eines vermögenswerten Rechts hinausgehende menschliche Verhalten unterfalle nicht der Ei-
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Wortlaut nahe, dass der „Gebrauch“ – also: die Nutzung – im eigenen Interesse garantiert und Wesensmerkmal des verfassungsrechtlichen Eigentums ist.66 Nun sind es im Umweltrecht gerade die sehr tief greifenden Nutzungsbeschränkungen des Grundeigentums, die das zentrale Problem des Eigentumsschutzes ausmachen: Sie können die Innehabung von Eigentum zum „nutzlosen Recht“ im wahrsten Sinne des Wortes machen.67 Exemplarisch hierfür seien die weiträumigen Festsetzungen der Landschafts- und Naturschutzgebiete, mit denen Nutzungsverbote verschiedenster Art einhergehen, angeführt. Um den Eigentumsschutz gegen Nutzungsbeschränkungen ist es nicht gut bestellt. Dies liegt nicht nur daran, dass nach der Rechtsprechung nicht alle Nutzungen bzw. Nutzungsmöglichkeiten Eigentumsschutz genießen.68 Auch wenn sie dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie zugeordnet werden, hängt der Schutz des Eigentümers von der dogmatischen Einordnung der Nutzungsbeschränkungen ab: Sieht man sie als Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG an, wandelt sich die Bestands- in eine Wertgarantie um und der Eigentümer erhält für den Verlust seines Eigentums eine gesetzlich festgelegte Entschädigung. Werden Nutzungsbeschränkungen dagegen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG qualifiziert, so kommt eine Entschädigung zumindest nach dem Wortlaut von Art. 14 GG nicht in Betracht.69 cc) Zurückdrängen des Eigentümers aus seiner Verantwortlichkeit Das Freiheitsrecht des Art. 14 GG hält sein Versprechen, ein solches zu sein, tatsächlich nur dann, wenn es die Entscheidungsfreiheit und Verantwortlichkeit des Eigentümers für sein Eigentum gewährleistet. Dies ist durch das Vordringen des Staates in den Umweltbereich, kombiniert mit dem bereits beschriebenen Spannungsverhältnis von Grundeigentum und Umweltschutz, gefährdet. Je mehr sich der Staat im Umweltschutz engagiert, desto mehr greift er auf das Eigentum zu bzw. wirkt auf dieses ein und drängt die Verantwortlichkeit des Eigentümers zurück – insbesondere durch ordnungsbehördliche Maßnahmen. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass der Eigentümer im Vergleich zum Staat oft der bessere Umweltschützer sein könnte.70
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gentumsgarantie, sondern dem einschlägigen Freiheitsrecht. Als „Gebrauch“ i.S.d. Art. 14 sei nur die Ausübung des eigentumsrechtlichen Verbotsrechts anzusehen, weil Art. 14 nur den Bestand gewährleiste und damit dem Eigentümer lediglich das Recht gebe, Nutzung durch andere zu verbieten. Axer, DVBl. 1999, 1533 [1537]. Leisner, in: Isensee, Leisner, Rechtsschranken des Umweltschutzes, S. 414 [431], der bezweifelt, dass die Eigentumsgarantie hiergegen überhaupt Schutz gewähre. Vgl. dazu S. 69 ff. Zu ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmungen vgl. S. 130 ff. Die Rechtsprechung lehnt generell die Qualifikation einer Nutzungsbeschränkung als Enteignung ab, vgl. die Nachweise bei Axer, DVBl. 1999, 1533 [1538 f.]. Vgl. dazu grundlegend Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer.
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dd) Verfassungsrechtlicher Sonderstatus des Eigentums an Grund und Boden? Das Grundgesetz schützt nicht nur ein Bündel von Eigentumsrechten, sondern das und damit einheitliches Eigentum.71 „Einheitlicher Eigentumsbegriff“ bedeutet danach ein (einheitlich) umfassendes Herrschaftsrecht des Berechtigten über ein eigentumsfähiges Rechtsgut, d.h. keine gesetzliche bzw. interpretatorische Aufspaltung des einheitlichen Eigentums in konkrete Einzelberechtigungen.72 Nur bei einem solchen Verständnis wird die „Einheit der Eigentumsordnung“73 garantiert, und diese wiederum wird als Voraussetzung dafür angesehen, dass nicht das Tor für sachbereichsspezifische Abschwächungen des Eigentumsschutzes oder gegenstandsbezogene Überlagerungen mit Gemeinwohlbelangen geöffnet wird.74 Gerade im Hinblick auf das Grundeigentum ist zu bezweifeln, dass diese Einheitlichkeit gewahrt ist; im Gegenteil: Geradezu umgekehrt besteht nach der Eigentumsdogmatik ein verfassungsrechtlicher Sonderstatus des Eigentums an Grund und Boden.75 Exemplarisch ist die vom Wasserhaushaltsgesetz (WHG)76 vorgesehene Versagung einzelner wirtschaftlich oder ökologisch bedeutsamer Nutzungsberechtigungen und der darauf basierenden Auffassung, dem Grundstückseigentümer stehe kein Eigentumsrecht zur Einwirkung auf das Grundwasser im Rahmen seiner Grundstücksnutzung zu.77 Insbesondere das Bundesverfassungsgericht hat eine Sonderstellung des Eigentums an Grund und Boden angenommen und wie folgt begründet: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit 71 72 73
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Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2. Aufl., § 149, Rn. 46. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 52. Diese „Einheit der Eigentumsordnung“ ist grundsätzlich anerkannt, so Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2. Aufl., § 149, Rn. 47. Burmeister, in: FS Leisner, S. 657 [662 f.], der die essentielle Bedeutung des einheitlichen Eigentumsbegriffs anzweifelt. Er sieht in ihm – entgegen seiner eigentlichen Sicherungsfunktion – die Hauptursache für die Schwäche der Eigentumsgarantie gegenüber gesetzgeberischen Konkretisierungen insbesondere im Naturschutz- und Umweltrecht, weil sich die Dogmatik ausschließlich von der auf Grund und Boden bezogenen Problematik leiten lasse. Auf dem Eigentum an Grund und Boden werden alle Schlachten um das Eigentum zuerst ausgetragen, vgl. Leisner, DÖV 1991, 781. Die Ausführungen von Burmeister, a.a.O., können als Plädoyer für einen solchen Sonderstatus verstanden werden. In der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Oktober 1976, BGBl. I, 3017. BVerfGE 58, 300 [337] – Nassauskiesung: „Das Wasserhaushaltsgesetz schließt Eingriffe in das Grundwasser prinzipiell vom Inhalt des Grundeigentums aus. [...] Das Grundstückseigentum umfasst nicht die Befugnis zur Nutzung des Erdkörpers, die nur im Rahmen einer zulassungspflichtigen Grundwasserbenutzung verwirklicht werden kann.“
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anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden.“78 Auch wenn diese Ausführungen auf den ersten Blick zu überzeugen vermögen, wird sich im Verlauf der Untersuchung immer wieder die Frage stellen, ob dieser Sonderstatus verfassungsrechtlich haltbar ist und wo er bei der Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Freiheitsgewährleistung des Art. 14 GG zum Ausdruck kommen kann.
3. Der Konflikt als Problem auf einfachgesetzlicher Ebene Die beschriebene verfassungsrechtliche Spannungslage setzt sich auf der Ebene des einfachen Rechts fort. Das deutsche Umweltrecht hat – insbesondere seit Anfang der 1970er Jahre – eine wachsende Bedeutung erlangt79 und eine – entsprechend dem sich parallel herausbildenden Problembewusstsein – sektorale Entwicklung80 genommen: Die Umweltgesetze konzentrierten sich zunächst ausschließlich auf die einzelnen Umweltmedien (Wasser, Luft, Boden) und fanden erst in den 1990er Jahren – angestoßen vor allem durch europäische Entwicklungen – einen medienübergreifenden Ansatz. Konsequenz daraus war und ist, dass die Zusammenhänge und Verlagerungstendenzen zwischen den Umweltmedien außen vor bleiben und dass eine Vielfalt von zum Teil unabgestimmten Instrumenten zur Durchführung und Durchsetzung des Umweltschutzes bestehen.81 Exemplarisch für diese fehlende Systematik von Eingriffs- und Verletzungshand-
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BVerfGE 21, 73 [82 f.]: Der ländliche Grundstücksverkehr müsse nicht so frei sein, wie der Verkehr mit jedem anderen „Kapital“; kritisch zur Sonderstellung des Bodens wegen Unvermehrbarkeit und Unentbehrlichkeit Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 42. Die Entwicklung des deutschen Umweltrechts stellt Kloepfer, Umweltrecht, § 2, dar. Den Einfluss des europäischen auf das deutsche Umweltrecht am Beispiel des Umweltinformationsanspruchs behandelt Röger, in: Kluth, Europäische Union, S. 131 ff.; zur Entwicklung unter Berücksichtigung supra- und internationaler Umweltpolitik vgl. Schmidt-Preuß, JZ 2000, 581 ff. Ein Grund hierfür kann in der föderalen Struktur des GG gesehen werden: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes im Umweltbereich findet sich nicht in einem einheitlichen Kompetenztitel, sondern sie ist sektoral aufgeteilt, vgl. z.B. Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 (Kernenergie), Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 (Luftreinhaltung, Abfallwirtschaft), Nr. 29 (ehem. Art. 75; Naturschutz, Landschaftspflege) und Nr. 32 (Wasserhaushalt). Unter anderem mit dem Hinweis auf die mangelnde Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist auch das Projekt eines Umweltgesetzbuches bis dato gescheitert, vgl. Schmidt-Preuß, JZ 2000, 581 [582] m.w.N. Kloepfer, Umweltrecht, § 1, Rn. 43, sieht dagegen keine durchgreifenden Bedenken in kompetenzieller Hinsicht. Zum Entwurf eines Umweltgesetzbuches (UGB-KomE) vgl. Storm, NVwZ 1999, 35 ff. Zum ersten Aspekt König, Bodennutzung, S. 133; zum zweiten Gesichtspunkt Axer, DVBl. 1999, 1533 [1534].
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lungen ist die Gesetzeslage im Bereich der landwirtschaftlichen Bodennutzung.82 Ausfluss des beschriebenen Problems sind Kumulationseffekte, die sich in einer Vielzahl von Verhaltensanforderungen, Ge- und Verboten sowie Duldungspflichten für Grundstückseigentümer niederschlagen. Weder bei der Frage der Zulässigkeit einer eigentumsbeschränkenden Maßnahme, noch bei der Entscheidung über gegebenenfalls an den Eigentümer zu leistende Ausgleichszahlungen – auf die sich der Eigentumsschutz oft verengt – werden solche Kumulationen hinreichend berücksichtigt.83 Eine mit „Generalklauselrecht“ umschriebene Besonderheit lässt sich im Naturschutzrecht ausmachen: Hier findet sich ein bedenkliches Geflecht aus unbestimmten Rechtsbegriffen und echten Generalklauseln, die die Unterschutzstellung nahezu jeden Grundstückes in Deutschland rechtfertigen. 84 Hierin manifestiert sich der oben bereits angesprochene Steuerungsverlust des Gesetzes zugunsten des Tätigwerdens von Exekutive und Judikative, der darüber hinaus in rechtsstaatlich bedenklicher Weise die Grundsätze der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns berührt. Dies trifft ebenso zu auf die Tendenz, die Verfassungsgarantie zu unterlaufen durch Verlagerung des Eigentumsschutzes von abstrakt-generellen Festlegungen zu Einzelfallentscheidungen.85 So kann es nicht verwundern, dass sich bei Betrachtung der Rechtsprechung zum Umweltrecht der Eindruck aufdrängt, dass eine Gleichgewichtslage zwischen Eigentum und Umweltschutz nicht bestehe, vielmehr der Umweltschutz Vorrang genieße.86 In der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird häufig mit dem pauschalen Hinweis auf die Verfassungsnorm des Art. 20a GG der besondere und damit höhere Rang des Natur- und Landschaftsschutzes gegenüber Eigentümerinteressen begründet.87 Solche Allgemeinformeln führen zum Verdrängen einer wirklichen Abwägung der gegenseitigen Belange und lassen die Verhältnismäßigkeitsprüfung 82
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Axer, DVBl. 1999, 1533 [1534]. Zur Fülle das Grundeigentum treffender Vorschriften Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107 [108]. Vgl. König, Bodennutzung, S. 133. Zum Problem auch G. Kirchhof, NJW 2006, 732 ff. Leisner, DÖV 1991, 781 [783]. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [112 f.]. Exemplarisch zeigt dies die Kommentarliteratur zu Art. 14 GG, die sich teilweise allein an der Kasuistik orientieren muss, vgl. nur Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Abschnitt B.V. und Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Abschnitt A.IV.4. Axer, DVBl. 1999, 1533 [1543]. Für das Naturschutzrecht Breuer, NuR 1996, 537 und Leisner, DÖV 1991, 781 [785]. Vgl. insoweit BVerfG, NJW 1998, 36 [37]: „Der öffentliche Belang des Landschaftsschutzes überwiegt ... generell das Interesse an der Kiesausbeutung.“ VGH Mannheim, NVwZ-RR 2000, 772 [776]: „Naturschutzrechtliche Ver-, Gebote und Nutzungsbeschränkungen sind auf Grund des hohen Ranges des Natur- und Landschaftsschutzes, der sich insbesondere an seiner Aufnahme als Staatszielbestimmung in Art. 20a GG ablesen lässt, von betroffenen Grundstückseigentümern grundsätzlich hinzunehmen, weil sie lediglich eine dem Grundeigentum auf Grund seiner Lage, seines Zustandes und seiner „Einbettung“ in die Umgebung ohnehin anhaftende Sozialgebundenheit konkretisieren und deshalb einen Art. 14 Abs. 2 GG genügenden gerechten Ausgleich der berührten öffentlichen und privaten Interessen darstellen“.
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zu einem Wortritual erstarren.88 Allein eine stringente Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist insoweit geeignet, Abhilfe zu schaffen. Dies zu leisten ist vorrangig Aufgabe der Judikative, die zur Herstellung verfassungsgemäßer Zustände berufen ist. Hier ist an die Entwicklung eines speziell ausgeformten Verhältnismäßigkeitskonzepts für Art. 14 GG zu denken. Ein möglicher Ansatz soll im Laufe der Untersuchung vorgestellt werden.89
II. Ziel und Gang der Untersuchung Unter dogmatischer Aufbereitung des Verhältnisses von Art. 14 GG und Art. 20a GG sollen Vorschläge zur Auflösung des Konfliktes zwischen Eigentums- und Umweltschutz aufgezeigt werden. Ziel muss dabei sein, umweltstaatliche Elemente – in dem oben beschriebenen Sinne – in die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes einzufügen und damit einen Ausgleich zwischen beiden konfligierenden Gütern zu finden, der die Verwirklichung beider verfassungsrechtlicher Vorgaben sicherstellt. Nach der Untersuchung des Rangverhältnisses zwischen beiden Verfassungsrechtsgütern (B I.) folgt eine abstrakte Darstellung der Spezifika von Grundrecht und Staatszielbestimmung und ihrem Verhältnis zueinander (B II.). Die Verbindung der Verfassungsrechtsgüter Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen mit den vorgestellten Normtypen erfolgt in B III. Darauf aufbauend soll im Anschluss deren Verhältnis im Grundgesetz exemplarisch am Zusammenwirken von Eigentums- und Umweltschutz durch Art. 14 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 20a GG aufgezeigt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei naturgemäß bei der Lösung des Konfliktpotentials zwischen verfassungsrechtlichem Eigentums- und Umweltschutz, wobei sich zeigen wird, dass die entscheidenden Vorgaben hierfür aus der Wahl der Normkategorien durch den verfassungsgebenden bzw. verfassungsändernden Gesetzgeber folgen. Eine sich durch die gesamte Untersuchung ziehende Frage wird sein, in welcher Gestalt und Form der Inhalt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums von anderen grundgesetzlichen Wertungen beeinflusst wird bzw. abhängig ist. Dabei wird sich herausstellen, dass die Stärke des Eigentumsgrundrechts insbesondere davon abhängt, dass es als klare Grenze des Umweltschutzes fruchtbar gemacht wird: durch eine widerspruchsfreie Eigentumsdogmatik. Es kommt insoweit auf die abstrakt-generelle Herausarbeitung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Eigentumsschutz an, unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Umweltrecht. Der Aufbau der nachfolgenden Untersuchung orientiert sich an der grundrechtlichen Problematik im verfassungsrechtlichen Umweltschutz. Diese konzentriert sich auf die Positionen des privaten Umweltbelasteten, des privaten Umweltbelasters und des privaten Umweltschützers.90 Auf das hier interessierende Verhält88 89 90
Leisner, DÖV 1991, 781 [785]. Vgl. S. 120 ff. Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 4.
II. Ziel und Gang der Untersuchung
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nis zwischen verfassungsrechtlichem Eigentums- und Umweltschutz übertragen, lassen sich die Problemkreise danach wie folgt beschreiben: Der Eigentümer erscheint bei Inanspruchnahme seines Grundeigentums als privater Umweltbelaster. Zu untersuchen ist, welcher grundrechtliche Schutz ihm durch die Eigentumsgarantie zukommt und welchen staatlichen Beschränkungen er insoweit ausgesetzt ist (C I.). Der Eigentümer als privater Umweltbelasteter hat Interesse an staatlichen Maßnahmen zu seinem Schutz vor Umweltbelastungen durch andere (C II.). Für den Eigentümer als Umweltschützer geht das Interesse dahin, ungehindert durch staatliche Maßnahmen Umweltschutz betreiben zu können. (C III.)
B Grundlagen
I. Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen als Verfassungsrechtsgüter Das Eigentum und die natürlichen Lebensgrundlagen sind jeweils Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Norm des Grundgesetzes. Zwischen beiden treten schon rein tatsächlich häufig Kollisionen auf. Deshalb fragt sich, wie sie sich im verfassungsrechtlichen System zueinander verhalten, gab es doch bis in das Jahr 1994 auf verfassungsrechtlicher Ebene keine ausdrückliche Unterschutzstellung der natürlichen Lebensgrundlagen bzw. der Umwelt als solcher.1 Wo Kollisionen bestehen, treten notwendigerweise Rangfragen auf. Gibt es eine Hierarchie der Verfassungsrechtsgüter im Grundgesetz im Sinne einer Rangordnung, die konkrete Aussagen über die Relation der hinter Verfassungsnormen stehenden Güter möglich macht?
1. Güterhierarchie im Grundgesetz? Der wörtliche Befund des Grundgesetzes ist insoweit nicht sehr aufschlussreich. Ausdrücklich erklärt es jedenfalls kein Verfassungsrechtsgut zu dem „Höchstrangigen“ oder auch nur als höherrangig gegenüber anderen. Systematisch könnte die Stellung des Art. 1 Abs. 1 und 2 GG – der den Schutz der Menschenwürde und das Bekenntnis zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten enthält – als eine Hervorhebung gedacht sein, insoweit sie vor allen anderen, die staatliche Gewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 GG bindenden Grundrechten steht.2 Ebenso liegt der Schluss nahe, dass der Verfassungsgeber mit vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten – so z.B. Art. 4 Abs. 1 GG – den dahinter stehenden Schutzgü1
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Den Grundrechten können lediglich (Teil-)gewährleistungen entnommen werden; hierzu und zur Verankerung des Umweltschutzes im GG vor Aufnahme des Art. 20a GG vgl. nur Kloepfer, Grundrecht auf Umweltschutz, S. 11 in Fn. 21 mit zahlreichen Nachweisen und S. 27 ff. Als konkludente Aufgabennormen wurden bundesstaatliche Kompetenzvorschriften, so die Gesetzgebungskompetenzen, angesehen, vgl. Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 3. Dass sich der Staat der Aufgabe Umweltschutz annehmen durfte, war unbestritten. Dazu Stemmler, Das „Neminem-laedere-Gebot“, S. 210 ff.; Winkler, Kollisionen, S. 266.
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tern einen höheren Rang gegenüber den ausdrücklichen Schranken unterliegenden Grundrechten einräumen wollte.3 In Betracht kommt auch eine Sonderstellung der in Art. 79 Abs. 3 GG änderungsfest verankerten Grundsätze. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht schon früh festgestellt, dass das Grundgesetz nur als Einheit begriffen werden könne und daraus geschlossen: „ ..., dass auf der Ebene der Verfassung selbst ranghöhere und rangniederere Normen in dem Sinne, dass sie aneinander gemessen werden könnten, grundsätzlich nicht denkbar sind. Das hat nichts mit Bedeutung und innerem Gewicht der einzelnen Normen, insbesondere auch nichts damit zu tun, ob sie auf Grund eines Gesetzesvorbehaltes in gewissem Umfang der Disposition des einfachen Gesetzgebers unterliegen oder ob sie umgekehrt durch Art. 79 Abs. 3 GG einer Verfassungsänderung entzogen, also für unverbrüchlich erklärt worden sind“. 4 „Das Grundgesetz verwehrt dem Staat nicht schlechthin, verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter auf Kosten anderer Güter, deren Bestand ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgt ist, zu bewahren, mag es sich bei solchen Rechtsgütern um Grundrechte oder andere, verfassungsrechtlichen Schutz genießende Belange handeln. Diese Abwägung ist verfassungsrechtlich unausweichlich, wenn sonst die staatlichen Organe die ihnen nach dem Grundgesetz und der verfassungsmäßigen Ordnung obliegenden Aufgaben nicht mehr sachgerecht wahrnehmen können. Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, dass die verfassungsmäßige Ordnung ein Sinnganzes bildet, ein Widerstreit zwischen verfassungsrechtlich geschützten Belangen mithin nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertsystems zu lösen ist.“5 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht mit einzelnen Aussagen selbst immer wieder Zweifel an dieser eindeutigen Sicht genährt, so, wenn es gewisse verfassungsrechtliche Grundsätze und Grundentscheidungen anerkennt, denen die einzelnen Verfassungsbestimmungen untergeordnet seien6 oder indem es etwa in den Grundrechten grundsätzliche Wertentscheidungen und soziale Ordnungsprinzipien sieht, die eine Wertordnung bilden, die zugleich eine Wertrangordnung darstelle.7 Des Weiteren operiert es mit Begriffen wie „oberster Wert“8 und zieht den hohen Rang von Grundrechten dafür heran, die Abwägungsvorgänge im Zusammenhang mit der Einschränkung von Grundrechten vorzustrukturieren.9 Es hat auch eine Schutzpflicht des Staates für umso wichtiger eingestuft, je höher der
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Vgl. dazu ablehnend Bamberger, Verfassungswerte, S. 55 mit zahlreichen Nachweisen. BVerfGE 3, 225 [231 f.]. BVerfGE 49, 24 [55 f.]. BVerfGE 1, 14 [32]. BVerfGE 6, 32 [40 f.]; 7, 198 [215]. Zur Kritik an der Sicht als Wertordnung vgl. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 168 m.w.N. Die Würde des Menschen (BVerfGE 27, 1 [6]) bzw. die freie menschliche Persönlichkeit (BVerfGE 7, 377 [405]) als der „oberste Wert“; vgl. auch BVerfGE 39, 1 [42]: „Höchstwert“ oder BVerfG, NVwZ 1997, 159: „überragende Gemeinschaftsbelange“. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 67 mit Verweis auf BVerfGE 59, 231 [265].
I. Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen als Verfassungsrechtsgüter
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Rang des in Frage stehenden Rechtsgutes innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes anzusetzen sei.10 Dennoch wird in der Literatur zu Recht geschlossen, das Bundesverfassungsgericht sehe die im Grundgesetz angebrachten Schutzgüter und Interessen als verfassungsrechtlich gleichwertig an und habe keine konsequente Rangordnung aller verfassungsrechtlichen Werte aufgestellt.11 Denn es geht davon aus, dass Vorrangentscheidungen zwischen kollidierenden Verfassungsgehalten nur im Hinblick auf die jeweilige Problematik mit dem Mittel der Abwägung und dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz zu treffen seien. 12 Dem Bundesverfassungsgericht insoweit folgend lässt sich eine abstrakte Vorrangrelation, die einem Verfassungsgut schlechthin Vorrang vor einem anderen einräumt, dem Grundgesetz nicht entnehmen.13 Dies ist auch nicht Aufgabe der Verfassung, die eine normative Gesamtordnung des politischen Gemeinwesens auch für die Zukunft aufstellt. Den angesprochenen Staatsorganen teilt sie die Aufgabe zu, jedes der verfassungsrechtlichen Güter zur Geltung zu bringen und durch das einfache Recht die Entscheidung über eine Wertigkeit der Rechtsgüter zu treffen. Die Verfassung wäre schlechthin überfordert, würde an sie der Anspruch einer abstrakten Rangordnung gestellt. Aus der Verfassung ist im Hinblick auf ihre Weite und Offenheit eine Interpretation im Sinne der Erkenntnis eines vorgegebenen Inhalts nicht möglich.14 Eine solche abstrakte Wertrangordnung würde als in sich geschlossene Wertordnung zur „Tyrannei der Werte“ führen und wertlogisch bedeuten, „dass für den höchsten Wert der höchste Preis nicht zu hoch ist und gezahlt werden muss“.15 Darüber hinaus würde sie den Wertefluss und den Wertepluralismus verkennen.16 Dennoch wird zum Teil eine Bewertung der Schutzgüter für unerlässlich gehalten, da sich im Kollisionsfalle die Frage stelle, welches Gut den intensiveren Schutz verdiene. Die Verfassung selbst halte hierfür keine sonstigen Bewertungs-
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BVerfGE 39, 1 [42]. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 167 f.; Tsai, Umweltschutzpflicht, S. 91 f. Fn. 205 a.E. mit Hinweis auf BVerfGE 7, 198 [215], BVerfGE 81, 278 [292] und BVerfGE 88, 203 [253]; vgl. auch Dietlein, Schutzpflichten, S. 86 f.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 562 f. Differenzierend Schneider, Güterabwägung, S. 156 ff., 221 ff. Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 563 m.w.N. und der Darstellung der vom BVerfG benutzten Modelle. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 82, 520; Dreier, Dimensionen, S. 22; Michel, Staatszwecke, S. 284; bezogen auf das Verhältnis der Grundrechte untereinander zweifelnd und allenfalls für bestimmte Fundamentalgüter wie die Menschenwürde in Betracht ziehend Dietlein, Schutzpflichten, S. 61, 86 f. A.A. wohl Feldhaus, DÖV 1974, 613 [617]. So für die Grundrechte wegen ihrer nur fragmentarischen und bruchstückhaften normativ-begrifflichen Durchbildung Roßnagel, Zerfall, S. 20. Zum Ganzen grundsätzlich Hesse, Grundzüge, Rn. 16 ff. C. Schmitt, in: FS Forsthoff, S. 37 [60]. Michel, Staatszwecke, S. 249.
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kriterien bereit.17 Außerdem werden zum Teil absolute und relative Verfassungsgüter unterschieden, wobei erstere einer Abwägung nicht zugänglich sein sollen.18 Es bedarf aber keiner Bewertungskriterien für eine abstrakte Rangfolge in der Verfassung, weil aus dem tatsächlichen Vorhandensein verfassungsrechtlicher Schutzgüter noch nicht zwingend Kollisionslagen folgen, die gelöst werden müssten. Zunächst bestehen die Verfassungsrechtsgüter nebeneinander und insoweit auch isoliert voneinander – als gemeinsame Verfassungsbestandteile ein „Sinnganzes“19 bildend. Die Frage des Ranges innerhalb eines solchen Ganzen stellt sich überhaupt erst, wenn die Güter – wie in Kollisionsfällen – zueinander in Beziehung treten und ausgeglichen werden müssen. Dies rührt daher, dass die jeweilige Verfassungsnorm, in die die Schutzkonzeption für ein Gut eingepasst ist, potentiell weitergehende Rechtsfolgen vorsehen kann, als im Hinblick auf das jeweils durch den anderen Normtyp geschützte Verfassungsgut zu verwirklichen sind.20 Richtig gestellt lautet die Frage daher, ob es für den konkreten Konfliktfall eine Rangordnung gibt, die für die zueinander in Beziehung tretenden Verfassungsgüter Aussagen trifft. Einer solchen bedarf es aber dann nicht, wenn der Grundgesetzgeber mit dem gewählten Verfassungsnormtyp selbst die Entscheidung über die Art der Konfliktlösung getroffen hat. Ob der Verfassungsgesetzgeber beispielsweise ein Verfassungsrechtsgut in ein Grundrecht eingebettet und des Weiteren mit einer geschriebenen Schranke versehen hat, macht im Hinblick auf die Beziehung dieses Gutes zu einem anderen einen entscheidenden Unterschied im Vergleich zu der Verfassungsrechtslage, in der er keine ausdrückliche Schranke normiert hätte. In der Wahl eines bestimmten Normtyps durch den Verfassungsgeber liegt also schon eine Entscheidung gegen eine abstrakte Rangfolge der Verfassungsrechtsgüter. Eine Kollision soll mit Hilfe der verfassungsrechtlich vorgesehenen Mechanismen gelöst werden, was eine davon unabhängig bestehende abstrakte Rangfolge notwendig ausschließt. Gleichzeitig hat der Verfassungsgeber damit nämlich auch ausdrücklich festgelegt, wer in der grundgesetzlichen Ordnung zur Umsetzung des jeweiligen Schutzbekenntnisses berufen sein soll: der demokratisch legitimierte Gesetzgeber.21 Diese Festlegung des Verfassungsgebers würde ignoriert, wenn aus dem Grundgesetz eine das jeweilig angesprochene Organ bindende Rangfolge abgeleitet würde. Aus der wesensmäßigen Eigenschaft einer Verfassung als auch in die Zukunft gerichtete Gesamtordnung ist ihr Geltungsanspruch nicht realisierbar, würde sie als „ideelle Ordnung“ begriffen werden.22
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Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 170. Uhle, JuS 1996, 96, der meint, als absolut könne nur die Menschenwürde angesehen werden. Allerdings wird auch in Bezug auf diese neuerdings ein „differenziertes Schutzprogramm“ vorgeschlagen, vgl. die Neukommentierung von Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1. Zur Kontroverse, die diese Kommentierung auslöste vgl. Schmidt-Jortzig, in: FS Isensee, S. 491 [496]. BVerfGE 49, 24 [55 f.]. Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 269. So auch H.H. Klein, DVBl. 1991, 729 [733]. Wienholtz, Normative Verfassung, S. 22.
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Damit lässt sich zunächst festhalten, dass es eine Hierarchie von Verfassungsrechtsgütern im Sinne einer abstrakten Rangfolge im grundgesetzlichen System nicht gibt.23 Um die im Konfliktfall potentiell weitergehenden Rechtsfolgen einer Verfassungsnorm im Hinblick auf die einer anderen in den Griff zu bekommen, bedarf es anderer Vorgaben als einer bloßen abstrakten Rangfolge. Solche sieht die Verfassung in Form von Lösungsmechanismen vor, die sich unter anderem und hauptsächlich dem gewählten Typus der normativen Festlegung entnehmen lassen.
2. Verschiebung der verfassungsrechtlichen Bedeutungsgehalte beider Verfassungsrechtsgüter a) Bedeutungszunahme des Umweltschutzes im verfassungsrechtlichen System Im Hinblick auf den enormen Bedeutungszuwachs, den der Schutz der Umwelt in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, ist begleitend zur Aufnahme des Art. 20a GG – der dies wörtlich auch im Grundgesetz zum Ausdruck bringt – eine Diskussion um den Vorrang des Umweltschutzes vor anderen Verfassungsgütern entstanden. Diese ist freilich vor dem Hintergrund der eben erfolgten Feststellung, dass das Grundgesetz gerade keine Güter höheren oder niederen Ranges kennt, verfehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat Teilbereiche des Umweltschutzes – wie die Erhaltung der Artenvielfalt und Naturschönheit – nicht nur als einen gewichtigen öffentlichen Belang angesehen, sondern als ein Gemeinschaftsgut von überragender Bedeutung bezeichnet.24 Das Eigentum dagegen hat es als „elementares Grundrecht“ eingestuft, das Bekenntnis zu ihm als Wertentscheidung des Grundgesetzes von besonderer Bedeutung“.25 Freilich lässt sich aus diesen Worten im Hinblick auf ein abstraktes Rangverhältnis beider Güter kein Gewinn ziehen, da es sich um bloße wörtliche Beschreibungen handelt, deren Inhalt nicht zueinander in Beziehung gesetzt wurde. Wenn sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Verhältnis von Eigentum und Umweltschutz zu befassen hatte, so hob es stets den hohen Rang des Naturund Landschaftsschutzes bzw. des Artenschutzes hervor – der insbesondere durch das neue Staatsziel in Art. 20a GG deutlich werde – und begründete damit die Zulässigkeit von Eigentumsbeschränkungen.26 In einem Verfahren zur Altlastensanierung heißt es des Weiteren, Art. 20a GG betreffe hochrangige Gemeinwohlbelange, die den gesetzgeberischen Auftrag aus Art. 14 GG verstärken und das grundrechtlich geschützte Interesse des Eigentümers, in der privatnützigen Ver23
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Ähnlich F. Müller, Juristische Methodik, S. 171 f.: Die größere oder geringere Bedeutung von Verfassungsnormen oder deren unterschiedliches Gewicht hängt von Umfang und Art der Normbereiche sowie von der Richtung und Aussage der Normprogramme ab, was mit der Frage einer Ranghierarchie nichts zu tun hat. Vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 82. BVerfGE 61, 291 [312]: überragendes Interesse an der Erhaltung. BVerfGE 14, 263, [277]. BVerfG, NVwZ 1997, 159; BVerfG, NJW 1998, 367 [368].
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wendung seines Grundstücks nicht beschränkt zu werden, überwiegen.27 Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich die Tendenz beobachten, dem Natur- und Landschaftsschutz generell oder im Zweifel Vorrang vor den Eigentümerinteressen zukommen zu lassen.28 Im Schrifttum wird verschiedentlich Vorrang des Umweltschutzes vor anderen Gütern angenommen.29 Lässt sich insoweit doch zu Lasten des Eigentums eine Höherbewertung der natürlichen Lebensgrundlagen konstatieren, und ließe sich dies unter der Geltung des Grundgesetzes begründen? Wegen der engen Verbindung des Umweltschutzes mit der Menschenwürde wird aus der Schutzverpflichtung des Staates für letztere ein höherer Wert des Umweltschutzes herzuleiten versucht.30 Unstreitig ist dabei, dass zu einem menschenwürdigen Leben eine gewisse Qualität der natürlichen Lebensgrundlagen gehört. Dafür sollte aber nicht die Garantie der Menschenwürde herangezogen werden, die sich einer Relativierung zu versagen hat und im Übrigen für den Großteil der Eingriffe in die Umwelt nicht einschlägig ist.31 Andererseits wird die Eigentumsgewährleistung als ein Menschenrecht für höherrangig gehalten, weil sie zum Kerngehalt einer rechtsstaatlichen Verfassung gehöre und sich der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in diesen „ökologisch und sozialen Rechtsstaat“ einzupassen habe.32 Keiner der Begründungsansätze vermag die These zu belegen, dass zwischen Eigentum und natürlichen Lebensgrundlagen verfassungsrechtlich ein Rangverhältnis besteht. Auch gibt die höchstrichterliche Rechtsprechung dafür keinen Anhaltspunkt. Kritisch zu bewerten ist zwar insoweit der irreführende Wortlaut mancher Entscheidungen, die zum Teil den Anschein erwecken, Aussagen zum Verhältnis beider Güter seien im abstrakten Sinne zu verstehen. Außerhalb einer konkreten Abwägung im Einzelfall den besonderen an Art. 20a GG erkennbaren Wert des Umweltschutzes hervorzuheben, ist verfehlt. Die Bedeutung von Umweltschutz ist allseits anerkannt. Dieser wurde auch vor Einfügung des Art. 20a GG verfassungsrechtlich zulässig betrieben. Daran zeigt sich nur, dass die Umwelt sich als schützenswertes Gut etabliert hat. Nicht überzeugen kann aber vor diesem 27 28
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BVerfGE 102, 1 [18]. BVerwGE 67, 93 [95]: Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes sind regelmäßig verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhaltsbestimmungen des Eigentums. Dem erteilt Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2. Aufl., § 149, Rn. 142, eine klare Absage. Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 20a GG, Rn. 59, meint, dass die Betroffenheit des Schutzgutes so stark sein könne, dass auch ein Vorrang vor anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern in Betracht käme. Absoluten Vorrang soll Umweltschutz haben, wenn Lebensgrundlagen vor irreversibler Zerstörung stehen, so Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 [55], was zu der Konsequenz führen würde, dass eine verfassungsrechtliche Garantie bestünde, dass keine Art ausstirbt. Habel, NuR 1995, 165 [166, 168]. Ablehnend Ule, DVBl. 1972, 437 [438]. Vgl. aber auch Wolf, KritV 1997, 280 [303], der in einem fundamentalen Sinne die ökologischen Kollektivgüter allen anderen Werten für logisch vorgeordnet hält. Hoppe, in: FS Kriele, S. 219 [224 f.]. Sommermann, Staatsziele, S. 221.
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Hintergrund, dass der Umweltschutz – um ihm Durchsetzungskraft zu verschaffen – gegenüber anderen Verfassungsgütern nachgerade „mit Worten in den Himmel gehoben“ wird. Durch die Einbindung in die Verfassung ist er zu einer Staatsaufgabe unter vielen anderen geworden, die sich in die bestehenden Strukturen einzupassen hat. Diese geben eindeutig vor, dass ein Vorrang des Umweltschutzes nicht gerechtfertigt ist. Umgekehrt lässt sich allerdings auch aus der Tatsache, dass der Umweltschutz gerade nicht als Grundrecht in das Grundgesetz Eingang gefunden hat, kein weiterführender Schluss ziehen. Ein Umweltgrundrecht war aus verschiedensten Gründen im Zuge der Verfassungsänderung nicht mehrheitsfähig.33 Als problematisch wurde dabei insbesondere die Einklagbarkeit eines Rechts angesehen, das in Anbetracht eines solch wenig präzisen Begriffes wie dem der natürlichen Lebensgrundlagen bzw. dem der Umwelt nicht in die Verfassung einer parlamentarischen Demokratie passe. Über die Bedeutung des Umweltschutzes an sich war man sich dagegen einig. Ausschlaggebend war deshalb gerade nicht der Rang des Umweltschutzes im Verfassungssystem.
b) Staatstheoretische Implikationen: Umweltschutz als Staatszweck Auch eine staatstheoretische Argumentation wird in diesem Zusammenhang bemüht: Art. 20a GG habe dem Umweltschutz in positiv-rechtlicher Form den Rang zugewiesen, der ihm staatstheoretisch als einem nicht zur Disposition des Gesetzgebers stehenden Verfassungsprinzip ohnehin gebühre.34 Der Umweltschutz stelle in der heutigen Zeit einen Staatszweck von fundamentalem Charakter dar und sei als verfassungsrechtliches Staatsziel auch ohne ausdrückliche Nennung im Grundgesetz Bestandteil desselben.35 Daraus leite sich ein relativer Vorrang des Umweltschutzes gegenüber anderen Staatszielen und -aufgaben her. Darüber hinaus habe der Umweltschutz an der Unabänderlichkeitsgarantie des Verfassungskerns teil, so dass der verfassungsändernde Gesetzgeber mit Art. 20a GG nur eine ausdrückliche Klarstellung aussprechen, das bereits geltende – verfassungsrechtliche – Staatsziel aber nicht einschränken konnte.36 Während gegen den Ausgangspunkt dieser These, den Umweltschutz als notwendigen Staatszweck zu betrachten, hier keine weiteren Bedenken vorgebracht werden sollen, geht der Schluss aus dieser staatstheoretischen Einordnung auf die verfassungsrechtliche Bedeutung fehl. Insoweit ist den grundsätzlichen Bedenken37, die Verfassung würde zur Disposition der Verfassungstheoretiker gestellt, weil deren Postulate zusammen mit subjektiven Wertvorstellungen einfließen könnten, beizupflichten. Zwar sollen diese auszuräumen sein, weil die Staatszwecke mit den Strukturprinzipien des modernen Staates korrelieren würden. Aber auch fundamental neue Herausforderungen für den Staat können nicht durch ihre 33 34 35
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Vgl. nur Robert, Umweltschutz und Grundgesetz, S. 34 ff. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [223]. So noch vor Einfügung des Art. 20a in das GG Murswiek, Umweltschutz als Staatszweck, S. 76. Zum Vorstehenden vgl. Murswiek, Umweltschutz als Staatszweck, S. 76. Diese führt Murswiek selbst a.a.O. an.
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Anerkennung als notwendige Staatszwecke Gegenstand der geltenden Verfassungsrechtslage werden. Wie ein solcher in das verfassungsrechtliche System einzupassen ist, ist in erster Linie eine verfassungspolitische Frage, auf die im demokratischen Rechtsstaat mit den notwendigen verfassungsändernden Mehrheiten reagiert werden muss. Hier sind entsprechend den obigen Feststellungen Vorentscheidungen für auftretende Konfliktlagen mit bereits vorhandenen Verfassungsgütern durch Wahl eines entsprechenden Normtypus‘ zu treffen. Wer dies nach geltendem Verfassungsrecht entscheidet, ergibt sich allein aus dem Grundgesetz: der verfassungsändernde Gesetzgeber mit seinen durch die Verfassung selbst festgelegten Bindungen.38
c) Bedeutungsverlust des Eigentums mit verfassungsrechtlichen Folgen? Dem Siegeszug des Umweltschutzes scheint ein Bedeutungsverlust des Eigentums gegenüber zu stehen. Tatsächlich hat sich die Bedeutung des Eigentums für den Einzelnen und im gesellschaftlichen Gefüge im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung und auch unter der Geltung des Grundgesetzes gewandelt.39 So hat sich im Zuge der ökonomischen Entwicklung eine Bedeutungsverschiebung von den klassischen Formen vermögenswerter Rechte hin zu öffentlich-rechtlichen Positionen vollzogen. Darüber hinaus hat der Bewusstseinswandel im Hinblick auf einen verstärkten Umweltschutz das Grundeigentum als Quelle vieler Umweltbelastungen ausgemacht und will es für deren Bekämpfung in die Pflicht nehmen. Staatliche Eingriffsbefugnisse erscheinen erforderlich, will der Staat seiner Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und den aus den Grundrechten folgenden Schutzpflichten nachkommen. In anderer Hinsicht ist es allerdings auch zu einer Bedeutungszunahme des Eigentums in der Hand des Eigentümers gekommen: Durch den technischen Fortschritt hat dieser einen erheblichen Machtzuwachs erfahren, Eigentumsinhalte wurden immer weiter gezogen und mit immer mehr Fähigkeiten angereichert, ohne dass dies ein Vorgang von Gesetzes- oder Verfassungsänderung gewesen wäre.40 Im Übrigen wird ein 38
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Ähnlich wegen Widerspruches zum Demokratieprinzip Lepsius, EuGRZ 2004, 370 [373]: dies führte staatstheoretisch „zu einem Nachzeichnen vorgelagerter materieller Grundentscheidungen.“ Vgl. auch die Darstellung von Sendler, DÖV 1974, 73 ff., wie sich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg die Änderung der politischen, wirtschaftlichen und soziologischen – mithin außerrechtlicher – Umstände auf die Auffassung von Eigentum in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung ausgewirkt hat. Ein grundlegender Wandel des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs war die Reaktion auf die erweiterten Eingriffsambitionen des Staates im Sinne einer Schrankensetzung. Zugleich kam es zur Beschränkung des schrankensetzend erweiterten Eigentums durch dessen Sozialpflichtigkeit, weil staatliche Eingriffsnotwendigkeiten als unabwendbar erkannt wurden. Hier vollzog sich mithin ein fundamentaler Sinneswandel der Eigentumsgarantie insgesamt, ohne dass ein Wort der Verfassung geändert worden wäre. Vgl. auch Andersen, Wandlung, S. 69 ff. und Thormann, Abstufungen, S. 169 ff. Berg, in: FS Stern, S. 421 [436]; Schulte, NuR 1988, 131 [133].
I. Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen als Verfassungsrechtsgüter
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Funktionswandel des Eigentums hauptsächlich damit begründet, dass sich die tatsächliche Bedeutung privaten Sacheigentums vermindert habe.41 Daraus wiederum folge, dass sich zum einen der Zusammenhang zwischen Eigentum und personaler Freiheit gelockert habe und zum anderen eine Differenzierung zwischen freiheitsförderndem und freiheitsbedrohendem Eigentum notwendig sei.42 Offen ist, welche Auswirkungen solche Veränderungen auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz haben. Es wird vertreten, dass die soziale Bedeutung des Eigentumsgegenstandes im Zusammenhang mit Umweltmaßnahmen gewachsen sei und sich so die Bestands- und Vermögensgarantie des Art. 14 GG vermindert habe.43 Es ist jedoch kurzschlüssig, ohne weiteres eine Schwächung des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes anzunehmen.44 Vielmehr müssten sich die Eigentums-Wert-Vorstellungen der Verfassung selbst geändert haben.45 Denn zwischen Stabilität und Dynamik der Verfassung und Stabilität und Dynamik der Gesellschaft besteht keine eindeutige Beziehung. 46 Gesellschaftliche Veränderungen wirken deshalb nicht unmittelbar auf die Verfassung ein. Umgekehrt steuert die Verfassung selbst den Vorgang der Rechtsfortbildung, der substantiell durch die Gesetzgebung bestimmt und in prüfender, kontrollierender, maßstabsgebundener Weise durch das Verfassungsgericht zum Ausdruck gebracht wird.47 Neben der Möglichkeit der ausdrücklichen Änderung des Grundgesetztextes unter Einhaltung insbesondere der formellen Voraussetzungen des Art. 79 GG könnte sich auch eine andere auftun: ein stiller und unbemerkter Wandel des Verfassungsrechts durch eine allmähliche und permanente Bedeutungsänderung, da auch die zu regelnde Wirklichkeit geschichtlichen Veränderungen unterliegt.48 Insoweit konstatiert auch das Bundesverfassungsgericht, dass eine Verfassungsbestimmung „einen Bedeutungswandel erfahren [könne], wenn in ihrem Bereich neue, nicht vorausgesehene Tatbestände auftauchen oder bekannte Tatbestände durch ihre Einordnung in den Gesamtablauf einer Entwicklung in neuer Bezie-
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Hesse, Grundzüge, Rn. 443 f.; Andersen, Wandlung, S. 108 ff. m.w.N. Vgl. auch Meyer-Abich, Schutzzweck, S. 69 ff. Mayer-Abich, in: Hamm-Brücher/Schreiber, Die aufgeklärte Republik, S. 255 [260]. Sellmann, in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 41 [54]. Kimminich, in: Dolzer, BK, GG, Art. 14, Rn. 15; Wipfelder, in: FS Küchenhoff, S. 747 [760 f.]. Leisner, DÖV 1991, 781 [782]; Sendler, DÖV 1974, 73 [75]. Vgl. auch Böckenförde, in: FS Lerche, S. 3 [7 f.]: sich in gesetzgeberischen Änderungen widerspiegelnde politische Wandlungen ziehen keinen Wandel der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie nach sich. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 222. Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 38. Roßnagel, Zerfall, S. 19. Grundlegend Böckenförde, in: FS Lerche, S. 3 ff., und Bryde, Verfassungsentwicklung. Zur historischen Entwicklung vgl. Andersen, Wandlung, S. 77 ff. Zum Begriff ‚Verfassungswandel’ Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 38 und Voßkuhle, in: Der Staat 43 (2004), S. 450 ff.
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hung oder Bedeutung erscheinen“.49 Auch die Grundrechte können und müssen sich in ihrem Inhalt verändern, wollen sie ihre Aufgabe im sozialen und politischen Wandel erfüllen.50 Eine konsentierte Ansicht über Notwendigkeit und Voraussetzungen von Verfassungswandel als eigenständige Lehre besteht nicht.51 Ob dem Verfassungswandel neben der Verfassungsinterpretation überhaupt eine Daseinsberechtigung zukommt, ist streitig.52 Dieser Frage soll im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen werden. Es spricht sogar einiges dafür, den Begriff des Verfassungswandels als Oberbegriff für jegliche Veränderung – ob textlich oder interpretativ – anzusehen und ihm damit seine Daseinsberechtigung in der Verfassungslehre gänzlich abzusprechen. Letztendlich kommt es entscheidend darauf an zu erkennen, wo die jeweiligen Grenzen liegen. Weder die Verfassungsinterpretation53 noch eine Lehre vom Verfassungswandel darf zu einem Hebel der Umgehung der Maßstäbe und Garantien der Verfassung degenerieren.54 In Rechtsprechung und Literatur zu Art. 14 GG spiegelt sich die tatsächliche Entwicklung, die das Eigentum und die Auffassung von ihm genommen haben, recht prägnant wider. Kaum ein anderes Grundrecht ist in dogmatischer Hinsicht einer solchen Erschütterung unterzogen worden wie das Eigentumsgrundrecht, insbesondere durch die Nassauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts.55 Exemplarisch sind außerdem die Aufgabe des an das Zivilrecht angelehnten einheitlichen Eigentumsbegriffs56 sowie die Eröffnung des Schutzbereiches für öffentlich-rechtliche Rechtspositionen durch das Bundesverfassungsgericht.57 Auch die Abstufung des Eigentumsschutzes nach der jeweiligen sozialen Funktion 49
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BVerfGE 2, 380 [401]. Exemplarisch lässt sich Art. 68 GG – die Vorschrift über die Auflösung des Bundestages – anführen. Im Zuge der Vorgänge zur Abkürzung der 15. Legislaturperiode ist ein grundgesetzlich nicht vorgesehenes Selbstauflösungsrecht des Bundestages praktisch über diese Vorschrift etabliert worden. Vgl. dazu BVerfG, NJW 2005, 2669 ff. Roßnagel, Zerfall, S. 22, mit Hinweis auf die unterschiedlichen Aufgaben, die nach der jeweils vertretenen Theorie den Grundrechten zukommen. Voßkuhle, in: Der Staat 43 (2004), S. 450 ff. Dagegen Häberle, ZfP 21 (1974), S. 111 [129 f.]. Dafür Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 21 und jüngst Voßkuhle, in: Der Staat 43 (2004), S. 450 [455]: die Fälle, in denen eine bestimmte abstrakte Interpretation einer Norm erhalten bleibt, müssten unterschieden werden von denen, wo von ihr abgewichen wird. Letzterer plädiert gleichwohl für Vorsicht im Umgang mit Verfassungswandel. Vgl. dazu grundlegend Hesse, Grundzüge, Rn. 49 ff. Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 38. Ähnlich wie hier im Ergebnis Andersen, Wandlung, S. 86 ff.: da eine Bestimmung der Grenzen des Verfassungswandels kaum möglich ist, kann die Existenzberechtigung des Begriffs angezweifelt werden; die Grenze ist bei jeder Norm jeweils im Einzelfall im Wege der Auslegung zu ermitteln. BVerfGE 58, 300 ff. Aus der unübersehbaren Literatur hierzu vgl. nur Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 160 ff, 203 ff. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [134 f.]. BVerfGE 53, 257 [289 ff.].
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des Eigentums durch das Bundesverfassungsgericht58 bedeutet ein Einfallstor für veränderte soziale Wirklichkeiten. Zuletzt ist am Eigentumsgrundrecht auch Wandel durch die einfachen Gesetze festzustellen: Der Gesetzgeber als Erstinterpret des Grundgesetzes59 gestaltet mit jedem Gesetz, das die Konkretisierung des Gemeinwohls im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 GG anstrebt, dieses Grundrecht aus und entwickelt es in kleinen Einzelschritten weiter. Auch die Rolle des Richters in Bezug auf das Grundeigentum hat sich geändert: Er ist nicht mehr auf den Eigentumsschutz beschränkt, sondern wird insbesondere in Fragen der Eigentumsgestaltung tätig.60 An alldem zeigt sich, dass das Eigentumsgrundrecht zeitbezogen ist. Die Bedeutung der Zeit für Inhalts- und Schrankenbestimmungen zeigt sich zum Beispiel besonders am Bestandsschutz für bauliche Anlagen61: Dieser wird um so schwächer, je mehr sich im Zuge der Entwicklung die Situationsprägung gegen einen Bestand wendet.62 Im Gegensatz zu anderen Grundrechten zeigt sich die grundgesetzliche Eigentumsgarantie schon ihrer Konstruktion nach deutlich offener gegenüber Veränderungen: Der Gesetzgeber hat bei der Hervorbringung der Eigentumsordnung durch Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG einen sehr großen Gestaltungsspielraum.63 Die gesellschaftlichen Anschauungen seiner Zeit kann und muss er in seine Gestaltung einfließen lassen und aufeinander abstimmen.64 Dem entspricht, dass bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen Änderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse zwingend zu berücksichtigen sind.65 Hierdurch ist eine auch tief greifende Umgestaltung der Eigentumsverfassung insbesondere im Interesse der Sozialgestaltung verfassungskonform möglich.66 Dabei enthält Art. 14 GG einerseits den Handlungsmaßstab für den Gesetzgeber als Erstinterpreten der Verfassung und andererseits den Kontrollmaßstab für das Bundesverfassungsgericht als letztentscheidender Instanz; die Bindungen des Handelnden gehen dabei weiter als die des Kontrollierenden.67 Grenzen für den Gesetzgeber ergeben sich in gewisser Weise aus der Tradition des Eigentumsbegriffes und aus dem freiheitlichen Gesamtzusammenhang der Grundrechte. Es kommt entscheidend darauf an, dass die stets zu erneuernde Vorstellung von personaler, ökonomischer und soziologischer Funktion des Eigentums mit der Zielsetzung der Eigentumsgarantie abgestimmt wird.68 Gleichzeitig darf allerdings die Wandlungsfähig58 59 60 61 62
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BVerfGE 52, 1 [32]. BVerfGE 101, 158 [236]. Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107 [108]. Vgl. dazu Fickert, in: FS Weyreuther, S. 319 ff. Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 172. Zum Zeitfaktor Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 84 und umfassend Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf. Vgl. dazu BVerfGE 8, 71 [80]. Sendler, UPR 1983, 33 [42]. BVerfGE 52, 1 [30, 33 f.]. Sendler, DÖV 1974, 73 [80]. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 307 m.w.N. So für das schweizerische Verfassungsrecht Saladin, Grundrechte im Wandel, S. 123.
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keit der Verfassung gegenüber ihrer statischen und insoweit vor allem sichernden Funktion nicht überbetont werden. Die Konstruktion des Eigentumsgrundrechts trägt der Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser Maßgaben und damit einem „Funktionswandel“ des Eigentums ausreichend Rechnung. Hier zeigt sich, dass gesellschaftlicher Wandel durch eine Verfassung nicht nur aufgefangen werden kann durch eigenen Wandel, sondern auch dadurch, dass insbesondere ihre Stabilität Wandel erlaubt und ermöglicht.69 Bereits der Verfassungsgeber hat die Möglichkeit des Wandels der sozialen und gesellschaftlichen Bedeutung des Eigentums erkannt und in Gestalt der „Gemeinwohlklausel“ in Art. 14 Abs. 2 GG einfließen lassen. Gerade an der Nassauskiesungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts70 zeigt sich, wie weite Auslegungsspielräume die Eigentumsgarantie den angesprochenen Verfassungsakteuren bietet: Selbst die Abspaltung von mit dem Grundeigentum untrennbar verbundenen tatsächlichen Möglichkeiten lässt sich laut Bundesverfassungsgericht dem geltenden Verfassungsrecht gemäß begründen. Wie stark die gemeinwohldienende Funktion des Eigentums zur Geltung gebracht werden kann, ohne dass der Eigentümer dem unter Berufung auf das Eigentumsgrundrecht viel entgegensetzen könnte, zeigt exemplarisch die Entwicklung im Umweltschutzrecht. Den Eigentumsbegriff in freiheitsförderndes und freiheitsbedrohendes Eigentum aufzusplitten oder den fundamentalen Zusammenhang von Eigentum und personaler Freiheit preiszugeben, ist somit zur Verwirklichung des Gemeinwohls gar nicht erforderlich.71 Demgegenüber erscheint ein Erstarken des Eigentumsgrundrechts in der Verfassungsordnung notwendig: Wenn es seine weitere Funktion – als Grundlage der Wirtschaftsordnung – erfüllen soll, müssen insbesondere die Grenzen deutlich gemacht werden, die Art. 14 GG der staatlichen Gewalt setzt. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Betrachtung des verfassungspolitischen Vorschlags, nach dem eine ausdrückliche Ökologiepflichtigkeit des Eigentums im Wortlaut des Art. 14 GG verankert werden sollte. Dies konnte sich aber nicht durchsetzen.72 Auch wird beispielsweise ein ökologiegerechter Eigentumsbegriff vorgeschlagen73: Eigentum an der Natur müsse ausgeschlossen werden; der Eigentümer könne die Früchte von Land, Pflanzen usw. verwenden, 69 70 71 72
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Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 222 f. BVerfGE 58, 300 ff. So auch Kimminich, in: Dolzer, BK, GG, Art. 14, Rn. 17. Die GRÜNEN schlugen im Rahmen der Diskussion um die Einfügung des Umweltschutzes in das GG für Art. 14 Abs. 2 GG folgenden Wortlaut vor: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen dienen.“; ähnlich der Vorschlag des Landes Niedersachsen: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen, das den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen umfasst.“; beides zitiert nach Robert, Umweltschutz und Grundgesetz, S. 29, 79. Walter, Grundgesetzliche Betrachtungen, S. 113, meint, da Sozialbindung ein Verbot der Umweltschädigung durch Eigentum beinhalte, wäre der Umweltschutz verfassungsrechtlich richtigerweise in Art. 14 verankert worden und nicht im wirkungslosen Art. 20a GG. Bosselmann, in: Baumeister, Wege zum ökologischen Rechtsstaat, S. 53 [65] und ders., Im Namen der Natur, S. 211 ff.
I. Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen als Verfassungsrechtsgüter
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dürfe aber das natürliche Kapital nicht antasten. Dem liegt eine Unterscheidung zwischen dem verfügbaren Gebrauchswert der Sache und der nicht verfügbaren Substanz zugrunde. Aus der Tatsache, dass der Verfassungsgeber diese sog. „Ökologiepflichtigkeit“ gerade nicht verankert hat, folgt, dass ein ökologischer Eigentumsbegriff unter dem Grundgesetz keine Geltung beanspruchen kann. Er darf auch nicht über Umwege durch in diese Richtung gehende Interpretation der Eigentumsgarantie eingeführt werden. Hier zeigt sich die Funktion des Wortsinnes als Grenze74, die eine Interpretation nicht überschreiten darf. Jedenfalls für das Eigentumsgrundrecht lässt sich nach dem Gesagten eine solche Rechtfertigung nicht außerhalb der normierten Instrumente des Art. 14 GG finden. Ein Versuch, die auf Verfassungsebene nicht verwirklichte „Umweltpflichtigkeit“ oder „Ökologiepflichtigkeit“ des Eigentums durch einfaches Gesetz zu verwirklichen, findet sich in § 10 Abs. 1 S. 1 UGB-KomE.75 Danach würde der Gesetzgeber den Eigentumsinhalt folgendermaßen bestimmen: „Eigentum berechtigt zur Nutzung von Naturgütern und zu Eingriffen in Natur und Landschaft nur insoweit, als die in den umweltrechtlichen Vorschriften festgelegten Voraussetzungen für eine dauerhafte Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen erfüllt werden.“ Im Verbund mit der Ablehnung eines verfassungsrechtlichen oder natürlichen Eigentums(begriffes) führt ein solcher Vorschlag zur Wertlosigkeit der Eigentumsgarantie: Nur durch einfaches Gesetz vermittelte Eigentumsrechte bedürfen eines verfassungsrechtlichen Schutzes in Wahrheit gar nicht. Der Gesetzgeber kann die umweltrechtlichen Vorschriften ändern, ohne verfassungsrechtlich gebunden zu sein. Dies wird dem Eigentumsgrundrecht nicht gerecht. Festzuhalten bleibt, dass das Eigentum als Schutzgut tatsächlich Bedeutungsänderungen erfahren hat. Dies zeitigt aber keine unmittelbaren verfassungsrechtlichen Konsequenzen: Das Eigentumsgrundrecht verhält sich neuen Auslegungen gegenüber offen und gewährt dem Verfassungsinterpreten wie dem Gesetzgeber einen erheblichen Spielraum, diesen Wandel der Rechtswirklichkeit anzupassen. Wenn Dynamik und Stabilität der Verfassung hierbei nicht in Ausgleich gebracht werden, ist die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes gefährdet. Eine pauschale Abwertung des Eigentums als Verfassungsgut verbietet sich. Jedenfalls ein grundsätzlicher Funktions- und Strukturwandel des Eigentumsgrundrechts auf Verfassungsebene muss im Ergebnis dem verfassungsändernden Gesetzgeber obliegen: Richtet sich die Eigentumsgewährleistung auf eine grundlegend neue Idee, verliert die Eigentumsgarantie an konstitutiver Kraft und kann sich aktueller Bedrohung nicht mehr erwehren.76 Die Wandelbarkeit kann nur soweit gehen, wie eine Anpassung zur Verwirklichung der feststehenden verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen notwendig ist.77 Die entscheidende Frage lautet deshalb, welche tat74 75
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Vgl. dazu grundlegend Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze. Unabhängige Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch, in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit [Hrsg.], UGB-KomE. Für das schweizerische Verfassungsrecht Saladin, Grundrechte im Wandel, S. 399. Vgl. auch Papier, Wandel, S. 11 f.: durch die Einbeziehung von subjektiven öffentlichen Rechten in die Eigentumsgarantie wird Art. 14 partiell zu einem Teilhaberecht; dadurch geht die klare Struktur als Abwehr- und Freiheitsrecht verloren. Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 70.
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sächlichen Änderungen im Regelungsbereich von Art. 14 GG eine Änderung des Sinnes der Vorschrift rechtfertigen bzw. zu einer solchen führen sollen und welche nicht. Im Verlaufe der weiteren Untersuchung sollen derlei Entwicklungen der Eigentumsgarantie in Bezug auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen beobachtet und verfassungsrechtlich bewertet werden.
3. Fazit: Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen als gleichrangige Verfassungsrechtsgüter Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen sind nach alledem gleichrangige Verfassungsrechtsgüter innerhalb des grundgesetzlichen Systems. Eine abstrakte Rangfolge kennt das Grundgesetz nicht. Keinem der beiden Güter kommt in der grundgesetzlichen Ordnung per se eine höhere Bedeutung zu. Bedeutungsverschiebungen in der Rechtswirklichkeit haben keine relevanten verfassungsrechtlichen Folgen. Durch Art. 20a GG wurde der Umweltschutz verfassungsrechtlich zum normierten Verfassungsgut neben anderen. Dies sah auch die Gemeinsame Verfassungskommission so, die den Umweltschutz als hochrangige und grundlegende Aufgabe bezeichnete und ihr gleichen Rang und Gewicht wie den in Art. 20 Abs. 1 GG Staatszielen und Strukturprinzipien zuordnete.78
II. Die verfassungsrechtlichen Normtypen ‚Grundrecht‘ und ‚Staatszielbestimmung‘ Während es im vorangegangenen Abschnitt um die hinter Art. 14 GG und Art. 20a GG stehenden Rechtsgüter ging, soll sich der kommende Abschnitt mit dem Grundrecht und der Staatszielbestimmung als bestimmte Form verfassungsrechtlicher Normierung befassen. Die Grundrechtsqualität des Art. 14 GG und die des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung sind unbestritten. Durch die Konzentration auf diese zwei Normtypen wird der Inhalt des dann folgenden Teiles (III.) in gewisser Weise schon vorweggenommen, denn erst dort soll die Verbindung zwischen den Verfassungsrechtsgütern und den Normtypen hergestellt werden. Gleichwohl erscheint es geboten, vor der Zuordnung von Eigentum und natürlichen Lebensgrundlagen zu Grundrecht und Staatszielbestimmung diese Normtypen und ihr Verhältnis zueinander kurz vorzustellen.
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BT-Drs. 12/6000, S. 67. Vgl. für die überwiegende Meinung im Schrifttum, die von prinzipieller Gleichordnung und einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung ausgeht: Kloepfer, in: Dolzer, BK, GG, Art. 20a, Rn. 26; Stern, in: Bitburger Gespräche 1995, S. 1 [16]; Uhle, JuS 1996, 96 [102]. Aus der Rechtsprechung BVerwG, NVwZ-RR 2003, 171.
II. Die verfassungsrechtlichen Normtypen ‚Grundrecht‘ und ‚Staatszielbestimmung‘
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1. Beschreibung der Normtypen a) Staatszielbestimmungen Der Normkategorie Staatszielbestimmung79 hat sich schon der Verfassungsgeber bedient.80 Eine allgemein anerkannte Definition der Staatszielbestimmung81 fehlte aber lange Zeit. Eine eigens zum Thema „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“ eingesetzte Sachverständigenkommission hat unter Aufarbeitung der vielfältigen Deutungsversuche dieses Begriffes zu folgender Definition gefunden82: „Staatszielbestimmungen sind Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben – sachlich umschriebener Ziele – vorschreiben. Sie umreißen ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit und sind dadurch eine Richtlinie oder Direktive für das staatliche Handeln, auch für die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften.“ Merkmal einer Staatszielbestimmung ist danach in Abgrenzung zu den Grundrechten, die individuelle Rechte Einzelner statuieren, die nur objektiv-rechtliche
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Die Begriffe Staatsziel und Staatszielbestimmung werden oft synonym gebraucht. Im folgenden soll – insoweit zunächst unabhängig von einer inhaltlichen Bestimmung – in Abgrenzung zum Begriff des Staatszieles unter Staatszielbestimmung die verfassungsrechtliche Normkategorie verstanden werden, aus der sich Staatsaufgaben und/oder Staatsziele entnehmen lassen; Staatsziele ergeben sich nicht zwingend und nur aus Staatszielbestimmungen, sondern auch aus anderen verfassungsrechtlichen Normsätzen, vgl. zum Ganzen Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 31; Michel, Staatszwecke, S. 108 ff.; Tsai, Umweltschutzpflicht, S. 33 f.; Sommermann, Staatsziele, S. 482. Staatsziele wiederum sind von den Staatszwecken zu unterscheiden: Erstere können erreicht werden (vgl. das vormals in der Präambel des Grundgesetzes genannte Ziel, „die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden“), letztere dagegen sind dauernde Staatsfunktionen im Sinne der Staatszwecklehre. Zum Verhältnis der Staatszwecklehre zu den Staatszielbestimmungen im positiven Verfassungsrecht Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325 [340 ff.]. Vgl. auch jüngst Herzog, in: FS Scholz, S. 219 ff. Vgl. die Aufzählung der Beispiele bei Bernsdorff, NuR 1997, 328 [329 f.], Merten, DÖV 1993, 368 [372] und Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325 [328]. Schmidt-Jortzig, in: FS Isensee, S. 491 [503], bezeichnet Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG als Paradebeispiel für eine Staatszielbestimmung. Der Begriff geht zurück auf H. P. Ipsen, Über das Grundgesetz, S. 14. Vgl. grundlegend auch Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325 [335 ff.] und Lerche, in: AÖR 90 (1965), S. 341 ff. Zur Veränderung der verfassungsrechtlichen Bedeutung von Staatszielbestimmungen und Grundrechten nach der WRV vgl. Brohm, JZ 1994, 213 [214 f.]. Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 7. Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325 [330 ff.], grenzt Staatszielbestimmungen von Grundrechten, institutionellen Gewährleistungen und Gesetzgebungsaufträgen ab. Merten, DÖV 1993, 368 [369 f.] behandelt darüber hinaus noch das Verhältnis zu Staatsstrukturbestimmungen und Kompetenzen. Vgl. auch Sommermann, Staatsziele.
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Wirkung.83 Des Weiteren nehmen sie keine konkrete Tätigkeit in Bezug, sondern weisen vielmehr nur Richtung durch verbindliche Vorgabe eines Zieles; die Art und Weise der Aktivität im einzelnen, also das „Ob“ und „wie“ und „wann“ bleibt dagegen dem Gestaltungsspielraum des Adressaten überlassen.84 Insofern geben Staatszielbestimmungen eine allgemeine Rechtfertigung für Gesetze, die ihren Regelungsbereich betreffen und unterstreichen dadurch die politische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.85 Obwohl ihre Finalverpflichtung dem Vorbehalt der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit unterliegt, wird ihr rechtsnormativer Gehalt dadurch nicht in Frage gestellt: Sie können verhindern, dass mit gleichsam der Verfassung vorgegebenen Fundamentalwerten argumentiert werden muss.86 Die Verfassung selbst erkennt durch Konstituierung von Staatszielbestimmungen als Optimierungsgebote an, dass das Ziel im Spannungsverhältnis zu anderen Verfassungsprinzipien stehen kann; es bedarf einer Abwägung im Einzelfall unter Beachtung der Gesamtverfassungsordnung und mit dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz.87 Unter den Oberbegriff der Verfassungsprinzipien geordnet sind Staatszielbestimmungen wegen ihrer fehlenden individualrechtlichen Ausprägung nicht etwa entbehrlich in der Verfassung: Für die Geltung und Durchsetzung verfassungsrechtlicher Gebote werden objektive Verfassungsaussagen ebenso wie Grundrechte von Bedeutung als Regeln der Auslegung wie als richtunggebende Weisung, die zur Unwirksamkeit entgegenstehender Normen führen können.88 Abweichend von dieser abstrakten Beschreibung von Staatszielbestimmungen wird auch die Ansicht vertreten, dass unmittelbar aus einer Staatszielbestimmung konkrete Ansprüche abgeleitet werden könnten.89 In diese Richtung hat auch das Bundesverfassungsgericht judiziert: dem Einzelnen könne aus einer Staatszielbestimmung ein mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbarer Anspruch erwachsen, wenn der Staat ihm insoweit übertragene Aufgaben willkürlich versäume.90
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Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 5. Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 60; Michel, Staatszwecke, S. 132; Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325 [339 f.]; Wienholtz, Normative Verfassung, S. 45 ff., der nicht den Begriff Staatszielbestimmungen, sondern den der verfassungsrechtlichen Leitgrundsätze benutzt. So für das Sozialstaatsprinzip Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 29. Tietje, DVBl. 2003, 1081 [1087]. Tietje, DVBl. 2003, 1081 [1087]. Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325 [332]. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 306: Der Richter dürfe bei Untätigbleiben des Gesetzgebers aus dem Sozialstaatsprinzip einen zahlenmäßig spezifizierten Mindestsatz der Sozialhilfe ableiten, unter Hinweis auf BVerfGE 38, 175 [185] und 43, 154 [168]. BVerfGE 1, 97 [104 f.]. Dem wird hier nicht gefolgt, vgl. dazu S. 43 ff. und 171 f.
II. Die verfassungsrechtlichen Normtypen ‚Grundrecht‘ und ‚Staatszielbestimmung‘
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b) Grundrechte Grundrechte91 enthalten rechtlich erhebliche Festlegungen über Aufgaben und Tätigkeit des Staates und können insoweit Grundsatznormen für einen bestimmten Sach- und Freiheitsbereich sein, Schutzaufträge verteilen, Pflichtenbindungen festschreiben oder mittels eines Gesetzesvorbehaltes Regelungen über Grenzen des Freiheitsgebrauches zulassen.92 Wesentliches Merkmal der Grundrechte des Grundgesetzes ist die Bindung aller Gewalten als unmittelbares Recht gemäß Art. 1 Abs. 3 GG und die Gewährung bestimmter subjektiv öffentlicher Rechte.93 Grundrechten kommen neben dem klassischen Abwehrgehalt94 weitere Funktionen zu, die aus deren objektivrechtlichen Gehalt abgeleitet werden: Ausstrahlungswirkung, Beeinflussung von Organisation und Verfahren, die Gewährung von Teilhabe- und Leistungsrechten sowie als Grundlage von staatlichen Schutzpflichten95, wobei es sowohl im Grundsätzlichen als auch im Detail umfangreiche Streitigkeiten gibt.96 c) Zusammenfassender Vergleich Hinsichtlich des Rechtscharakters – der Frage nach der rechtlichen Verbindlichkeit der Norm – bestehen mithin zwischen beiden Normtypen keine Unterschiede. Anders als Grundrechte haben Staatszielbestimmungen allein objektiv-rechtliche Wirkungen, stellen eine Direktive für politisches Handeln dar und sind nicht unmittelbar verfassungsrechtlicher Maßstab für den Richter. Letztere dagegen enthalten subjektive Abwehrrechte, haben daneben aber auch einen objektivrechtlichen Gehalt. Dies leitet unmittelbar zum nächsten Gliederungspunkt über.
2. Grundrechte als Staatszielbestimmungen Während der Grundrechtscharakter einer Norm durch die Gewährung subjektiver Rechte ohne weiteres festzustellen ist und eine Staatszielbestimmung mit rein objektiver Wirkung nicht dieser Normkategorie zugeordnet werden kann, werden auch Grundrechte immer wieder als Staatszielbestimmungen bezeichnet.97 Diese Ähnlichkeit beruht vor allem auf der zur Staatszielbestimmung parallelen Funkti-
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Grundlegend zu Idee, Entwicklung und Dogmatik der Grundrechte Stern, Staatsrecht, Bd. III/1. Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 3. Anders noch die Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung, vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., GG I, Art. 1, Rn. 146. Zur historischen Perspektive, die eine alleinige Ausrichtung auf den Abwehrgehalt nicht belegt, Dreier, Dimensionen, S. 27 ff. Vgl. zum Überblick Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 923 ff. Soweit für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung, wird auf diese Dimensionen der Grundrechte und ihr Verhältnis zueinander unten näher eingegangen, vgl. S. 147 ff. Brohm, JZ 1994, 213 [217]; Michel, Staatszwecke, S. 264.
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on der Grundrechte als objektive Wertordnung.98 Sie dient dem Bundesverfassungsgericht als Begründung für die Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten.99 Grundrechte sollen in die Reichweite von Staatszielbestimmungen rücken, weil sie als objektive Wertordnung Zielgehalte vorgeben.100 Dies gelte insbesondere, soweit die Grundrechte Verbote ihrer Beeinträchtigung statuieren sowie Förderungs- und Schutzpflichten enthalten, weil sie dann in vergleichbarer Weise wie Staatszielbestimmungen Direktiven für staatliches Handeln geben.101 Eng damit verbunden ist auch die Aussage, Grundrechte erfüllten praktisch die Funktion von Staatszielen.102 Gleichwohl führt die Bezeichnung der Grundrechte als Staatszielbestimmungen nicht weiter und sollte aufgegeben werden. Dieser Sichtweise liegt eine fehlerhafte Verquickung zweier Ebenen zugrunde: Welcher Zielgehalt hinter Verfassungsnormen steht, betrifft eine staatstheoretische Frage, die von der rechtsnormativen – und damit der normtheoretischen nach dem gewählten Normtypus – zwingend zu unterscheiden ist.103 Jedenfalls die Sicht der Grundrechte als Staatszielbestimmungen – um die es hier konkret geht – bringt keinen weiterführenden Erkenntnisgewinn. Das spezielle Merkmal der Grundrechte – ihr individualrechtlicher Charakter – grenzt sie von Staatszielbestimmungen ab, selbst wenn ihnen auch objektivrechtliche Aussagen zu entnehmen sind. Insoweit ist die Qualifikation als Staatszielbestimmung als durch die Grundrechtsqualität überlagert anzusehen, auch wenn diese nicht ausschließt, dass neben das individuelle Abwehrrecht eine objektiv-rechtliche Grundrechtsdimension tritt. Im Begriff der Staatszielbestimmung schwingt der Charakter dieses Normtyps als Zielnorm mit: Den verpflichteten Staatsorganen wird ein bestimmtes Ziel aufgegeben, an dem sich deren Tätigkeit zu orientieren hat. Unter einem Ziel ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Endpunkt eines Weges zu verstehen. Herkömmlich wird damit verbunden, dass es erreichbar ist. Der Inhalt des Art. 20a GG lässt sich in diesem Sinne allerdings nicht erreichen104: Der Wortlaut gibt mit dem Verb „schützen“ eine dauerhafte Tätigkeit auf, ohne gleichzeitig zu benennen, wohin der Schutz führen soll. Durch die fortlaufende und für den Menschen auch unverzichtbare Umweltnutzung ist das, was „schützen“ bedeutet, ständig neu zu bestimmen, weil sich die Rahmendaten ändern. Insoweit unterscheidet sich Art. 20a GG grundlegend von älteren Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes. So beschreibt beispielsweise die klassische Staatszielbestimmung „Sozialstaat“ im Unterschied zu den Staatsstrukturprinzipien einen noch nicht verwirklichten Zustand, der, wenn er erreicht ist, in eine Staatsstrukturbestimmung umschlagen 98
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Müller-Bromley, Staatszielbestimmung, S. 138. Zu Grundrechten als Werteordnung und Kritik an dieser Sicht Di Fabio, JZ 2004, 1 ff.; Michel, Staatszwecke, S. 243 ff.; des Weiteren Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 915 ff. Vgl. auch BVerfGE 7, 198 [205]. Vgl. dazu ausführlich S. 136 ff. Vgl. hierzu ausführlich Michel, Staatszwecke, S. 212 ff. Lücke, in: AöR 107 (1982), S. 15 [32 f.]; Müller-Bromley, Staatszielbestimmung, S. 57 Brohm, JZ 1994, 213 [218]; H.H. Klein, DVBl. 1991, 729 [734]. Vgl. dazu Sommermann, Staatsziele, S. 482. Auch Murswiek ist der Meinung, dass Art. 20a GG kein Ziel, sondern ein Schutzgut normiert, NVwZ 1996, 222 [227].
II. Die verfassungsrechtlichen Normtypen ‚Grundrecht‘ und ‚Staatszielbestimmung‘
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kann.105 Bei Inkrafttreten war der angestrebte Zustand noch nicht eingetreten, sollte vielmehr durch politische Gestaltung erst herbeigeführt werden.106 Die natürlichen Lebensgrundlagen sind dagegen ein vorhandenes, nicht vom Menschen oder der Politik zu schaffendes Gut,107 auch wenn dem Gesetzgeber eine Definitionsbefugnis hinsichtlich dieses verfassungsrechtlichen Begriffes zusteht. 108 Das Ziel bezieht sich hier nicht unmittelbar auf den Regelungsgegenstand – die natürlichen Lebensgrundlagen als Rechtsgut –, sondern liegt in dem „Wie“ der Tätigkeit der Adressaten des Art. 20a GG. Es geht um die Vermeidung von Umweltbeeinträchtigungen und -zerstörungen und damit um die Abwehr von Eingriffen. In Bezug hierauf gleicht die Struktur des Art. 20a GG eher den Grundrechten als anderen Staatszielbestimmungen.109 Unter anderem aus dieser ähnlichen Struktur folgt die Vergleichbarkeit der Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten mit der einer Staatszielbestimmung.110 Allerdings berechtigt auch dies nicht zu einer Bezeichnung der Grundrechte als Staatszielbestimmungen, weil ein entscheidender Unterschied nicht eingeebnet werden darf: die Anbindung an das Individualrechtsgut beim Grundrecht gegenüber der bei einer Staatszielbestimmung nicht erforderlichen Gefährdung eines Einzelnen.111 Abstrakt gesehen erweist sich der Zielgehalt für staatliches Handeln als gemeinsames Charakteristikum von Staatszielbestimmung und Grundrecht. Darüber hinaus gibt es aber wichtige Merkmale, die eine Differenzierung beider Normtypen zwingend erfordern und die Bezeichnung eines Grundrechts als Staatszielbestimmung verbieten. Verfassungsrechtlich relevante Vorgaben lassen sich aus dem Zielgehalt einer Norm auch nicht abstrakt, sondern nur aus der in den jeweiligen Normtyp eingebetteten Verfassungsnorm ableiten.
3. Das Verhältnis von Grundrechten und Staatszielbestimmungen im Grundgesetz Die einzelnen Normen einer Verfassung stehen nicht beziehungslos zueinander, sondern treten – insbesondere wenn der angesprochene staatliche Funktionsträger sich der dahinter stehenden Aufgabe annimmt – zueinander in Beziehung. Speziell im Verhältnis von Staatszielbestimmungen und Grundrechten treten Friktionen und Zielkonflikte auf, die daher rühren, dass beide Normkategorien in ihren jewei105 106
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Müller-Bromley, Staatszielbestimmung, S. 69. Insoweit beispielhaft: das Sozialstaatsprinzip oder das Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [224]. Vgl. dazu sogleich S. 49 ff. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [224], der daraus allerdings den Schluss zieht, Eingriffe in die Integrität der Schutzgüter seien rechtfertigungsbedürftig und müssten anhand der Notwendigkeit zur Verwirklichung privater Freiheit legitimiert werden. Damit gesteht er Art. 20a GG faktisch Grundrechtscharakter ohne Anspruchsqualität zu. Vgl. S. 161 ff. Müller-Bromley, Staatszielbestimmung, S. 152 ff., 156. Im Ergebnis ebenso Steiger, Mensch und Umwelt, S. 66.
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ligen Schutzkonzeptionen potentiell weitergehende Rechtsfolgen vorsehen können, als im Hinblick auf das jeweils durch den anderen Normtyp geschützte Verfassungsgut zu verwirklichen sind.112 Insofern bedarf es für den Konfliktfall bestimmter Lösungsmechanismen. Der Fall, dass ein grundrechtliches Schutzgut gegen ein anderes Verfassungsrechtsgut steht, wird auch als unechte Grundrechtskollision bezeichnet, wobei das spezifische dieser Situation ist, dass ein Individualrechtsgut auf ein Gemeinschaftsgut trifft und damit widersprüchliche Verfassungsaussagen zum Ausgleich gebracht werden müssen.113 Genau diese Konstellation liegt auch bei Betrachtung von Art. 14 GG und Art. 20a GG vor: Eigentum als Individualgut gegen die natürlichen Lebensgrundlagen als Gemeinschafts- bzw. kollektives Gut. Freilich wird – soweit ersichtlich – dies nur für vorbehaltlose Grundrechte diskutiert und das nicht-grundrechtliche Verfassungsgut zur Begrenzung ohne Berücksichtigung dessen, in welchen Normtypus es eingebettet ist, herangezogen. 114 Eine solche Betrachtungsweise ignoriert die grundlegende Entscheidung des Verfassungsgebers bzw. verfassungsändernden Gesetzgebers für die Einbettung eines Gutes in einen bestimmten Normtyp.
a) Normtypenhierarchie im Grundgesetz? Unter dem Stichwort Normenhierarchie wird bezogen auf den Aufbau der Rechtsordnung die Zuordnung verschiedener normativer Ebenen zueinander verstanden. Dabei geht es vor allem um das Verhältnis einfachen Gesetzesrechts und Verordnungsrechts zueinander und zu Normen des Grundgesetzes. Desgleichen wird der Begriff für das Verhältnis von Völkerrecht zum Grundgesetz gebraucht.115 Vorliegend interessiert die Frage, ob es auch für das Zusammenwirken unterschiedlicher Arten von Normen in derselben Verfassung – hier: dem Grundgesetz – eine Hierarchie geben kann und ob sich daraus Ergebnisse für das Verhältnis von Grundrechten zu Staatszielbestimmungen gewinnen lassen. Allein der Verweis auf Art. 79 Abs. 3 GG führt das Problem keiner Lösung zu. Den Verfassungsnormen, die wegen ihrer Bedeutung sogar durch den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht abgeschafft werden können, liegen fundamentale Prinzipien oder Verfassungsgüter zugrunde, die den Verfassungsgeber zur Einbeziehung in die Ewigkeitsgarantie veranlasst haben. Nicht aber ist der Normtypus entscheidend. Ob er dieses Gut in eine Staatsstrukturbestimmung wie in Art. 112 113 114
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Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 269. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 657. Vgl. zum Heranziehen von Kompetenznormen als Begrenzungsnormen für Grundrechte BVerfGE 69, 1 ff. und insb. S. 60 die Sondervoten von Mahrenholz und Böckenförde; zum Zusammenhang von Grundrechten und Kompetenzen Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53 [89 ff.]; Fielenbach, Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz, S. 149 ff. Vgl. dazu – veranlasst durch die Entscheidungen des EGMR, NJW 2004, 2647 – Caroline von Hannover – und BVerfGE 111, 307 ff. – die jüngste Diskussion um das Verhältnis beider Gerichte zueinander. Ausführlich hierzu Mückl, in: Der Staat 44 (2005), S. 403 ff.
II. Die verfassungsrechtlichen Normtypen ‚Grundrecht‘ und ‚Staatszielbestimmung‘
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20 GG oder in ein Grundrecht einpasst, ist insoweit irrelevant. Im Falle der in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Artikel 1 GG und 20 GG gibt für ersteren die notwendige Anbindung an das Individuum den Grundrechtscharakter116 vor und für letzteren die Tatsache, dass es sich um Staatsorganisations- bzw. -strukturnormen handelt. Entscheidend ist nur die Bedeutung für den vom Grundgesetz verfassten Staat. Deshalb haben auch die Grundrechte als Normkategorie keine Vorrangstellung gegenüber anderen Verfassungsnormen. Ihre hervorgehobene Bedeutung ist nicht auf die besondere Form ´Grundrecht´ als Normtyp zurückzuführen, sondern gründet in der Wichtigkeit der durch sie gewährleisteten Freiheitsbereiche, die ein besonderes Merkmal eines freiheitlichen Verfassungsstaates darstellen. Gerade der letzte Gedanke zeigt exemplarisch, dass es eine Normenhierarchie nicht geben kann: Trotz ihrer herausgehobenen Bedeutung unterliegen selbst die Grundrechte Beschränkungen, die sich aus den ausdrücklich normierten Schranken oder immanenten Grenzen ergeben können. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Normtypen lässt sich somit nicht abstrakt im Sinne einer Rangfolge erklären. Es kommt vielmehr auf die in dem jeweiligen Normtyp niedergelegten Lösungsmechanismen an. Eine abstrakte Normenhierarchie im Grundgesetz besteht nicht.
b) Unmittelbare Wirkungen von Staatszielbestimmungen auf Grundrechte Lässt sich keine allgemeine auf eine Hierarchie gestützte Aussage zum Verhältnis von Grundrechten und Staatszielbestimmungen treffen, muss deren konkretes Zusammenwirken beleuchtet werden. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner zum Sozialstaatsprinzip117 ergangenen Rechtsprechung darlegt, ist eine Staatszielbestimmung nicht geeignet, Grundrechte ohne nähere Konkretisierung durch den Gesetzgeber, also unmittelbar, zu beschränken.118 Eine Staatszielbestimmung bedarf wegen ihrer Eigenart einer Konkretisierung der enthaltenen Zielvorgaben durch den Gesetzgeber.119 Diese Offenheit einer Staatszielbestimmung im Hinblick auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers ist der Grund, dass eine unmittelbare Schrankenziehung gegenüber Grundrechten ausscheidet. Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird auch in der Literatur befürwortet120 und grundsätzlich auf alle Staatszielbestimmungen jedenfalls in ihrer Beziehung zu Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt übertragen. Staatszielbe116
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Ob Art. 1 Abs. 1 ein Grundrecht ist, war lange streitig; ablehnend Dürig, in: Maunz/ders., GG, Art. 1, Erstkommentierung, Rn. 4; anders die ganz herrschende Meinung, vgl. anstatt aller Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., GG I, Art. 1, Rn. 28. Zur Einbindung des Sozialstaatsprinzips in die Grundrechtsdogmatik vgl. Neumann, DVBl. 1997, 92 ff. BVerfGE 52, 283 [298]; 59, 231 [262]. Vgl. auch schon S. 9 f. Vgl. soeben 1.a). Vgl. statt aller Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 578 mit zahlreichen Nachweisen. Bei Auslegung von Art. 20a GG bietet sich dieselbe Argumentation wie bei Auslegung des Sozialstaatsprinzips an, vgl. Uhle, JuS 1996, 96 [99]. Speziell zum Sozialstaatsprinzip Bamberger, Verfassungswerte, S. 112.
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B Grundlagen
stimmungen sei zum einen gemeinsam, dass ihre Realisierung nicht durch ein detailliertes Zielprogramm bereits vorgegeben sei und das Ziel dementsprechend zunächst der konkreten Bestimmung durch den Gesetzgeber bedürfe. Zum anderen stellten gerade die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte verfassungsrechtliche Kautelen für die Einschränkbarkeit der Grundrechte auf, die nicht leer laufen dürften.121 Gleichzeitig kann das Bundesverfassungsgericht aber auch so verstanden werden, dass es unter Umständen eine unmittelbare Begrenzung anzunehmen bereit ist. Es meint nämlich, dass eine solche unmittelbare Begrenzung voraussetzen würde, dass die Staatszielbestimmung „einen konkreten und verbindlichen Auftrag enthielte“.122 Damit erkennt es diesen Fall immerhin im Grundsätzlichen an. In diese Richtung gehen auch die weiteren Aussagen, dass aus dem Sozialstaatsprinzip regelmäßig keine unmittelbaren Handlungsanweisungen folgen würden und dass es richterlicher Inhaltsbestimmung weniger zugänglich sei als die Grundrechte.123 Erheblich weitergehend werden Staatszielbestimmungen entgegen der überwiegenden Ansicht auch zur Legitimierung von Freiheitseinschränkungen herangezogen: als verfassungsimmanente Grundrechtsschranke.124 Wenn es an einer gesetzlichen Konkretisierung der Staatszielbestimmung fehle, aber eine eindeutig nicht zu rechtfertigende sozialschädliche Verhaltensweise vorliege, käme einer Staatszielbestimmung ausnahmsweise unmittelbare Wirkung auf Grundrechte zu.125 Darüber hinaus findet sich auch die Ansicht, dass unmittelbar aus einer Staatszielbestimmung konkrete Ansprüche abgeleitet werden könnten. 126 In diese Richtung hatte anfangs auch das Bundesverfassungsgericht judiziert, wenn es als möglich ansah, dass dem Einzelnen aus einer Staatszielbestimmung ein mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbarer Anspruch erwachsen könne, wenn der Staat ihm insoweit übertragene Aufgaben willkürlich versäume.127
c) Sonstige Wirkungen Die wohl maßgebliche und wirkkräftigste Funktion von Staatszielbestimmungen in ihrem Verhältnis zu Grundrechten ist die als Auslegungsdirektive.128 Hier kann 121 122 123 124
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Michel, Staatszwecke, S. 287 f. BVerfGE 59, 231 [263]. BVerfGE 65, 182 [193]. Was zur punktuellen Umkehrung des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips führt, H.H. Klein, DVBl. 1991, 729 [733]. Kittner, in: Alternativkommentar, GG, Bd. 1, Art. 20 Abs. 1-3, IV Rn. 56, bejaht unmittelbare Grundrechtseinschränkung durch Sozialstaatsprinzip. Bock, Umweltschutz, S. 298. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 306: Der Richter dürfe bei Untätigbleiben des Gesetzgebers aus dem Sozialstaatsprinzip einen zahlenmäßig spezifizierten Mindestsatz der Sozialhilfe ableiten, unter Hinweis auf BVerfGE 38, 175 [185] und 43, 154 [168]. BVerfGE 1, 97 [104 f.]. Vgl. ablehnend hierzu S. 171 f. Da sich diese Funktion weniger auf das Handeln des inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgebers als auf Exekutive und Judikative bezieht, soll ihr im Rahmen der vor-
II. Die verfassungsrechtlichen Normtypen ‚Grundrecht‘ und ‚Staatszielbestimmung‘
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es zur Verkürzung der Grundrechtssubstanz und zur gegenseitigen Neutralisierung kommen, und oftmals drängt sich der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit im Abwägungsprozess auf.129 Deshalb bestehen erhebliche Bedenken gegen pauschale Aussagen, wie die, dass eine objektive Staatszielbestimmung, die in keinem direkten Zusammenhang mit individuellen Grundrechtspositionen steht, sondern vielmehr eine staatliche Aufgabe regelt, im Rahmen der Abwägung zwischen den Belangen des Eigentümers und der Allgemeinheit die Gewichte zu Lasten des Betroffenen verschieben könne.130 Andererseits soll die verfassungskräftige Niederlegung eines Belanges in einer Staatszielbestimmung zu einem stärkeren Gewicht desselben bei Auslegung von Grundrechten im Rahmen der Gesetzgebung und beim Gesetzesvollzug führen.131 Wie dies dogmatisch zu begründen ist und welche konkreten Auswirkungen dies zeitigt, bleibt allerdings offen. Insoweit bedarf es einer genauen Untersuchung, welche Wirkungen in Bezug auf ein konkretes Grundrecht bestehen. Konkretere Vorschläge gehen dahin, Staatszielbestimmungen Bedeutung bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen zuzuschreiben132 bzw. deren Eignung zur „Neujustierung“ der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bejahen.133 Auch den Grundrechten wird umgekehrt eine prägende Wirkung auf Staatszielbestimmungen nachgesagt, weil jegliches staatliches Handeln nach dem Grundgesetz auf die Wahrung, Beachtung und Förderung der grundrechtlichen Positionen der Bürger auszurichten sei.134 Aus der zur Staatszielbestimmung parallelen Funktion der Grundrechte als objektive Wertordnung wird abgeleitet, dass bei Konflikten zwischen Staatszielbestimmungen und Grundrechten nach der grundrechtlichen Dimension differenziert werden muss, die betroffen ist135: Sei die subjektivrechtliche, d.h. die klassische abwehrrechtliche Seite des Grundrechtes einschlägig, komme es allein auf die ausdifferenzierte Schrankensystematik an. Werde dagegen die den Staatszielbestimmungen parallele Funktion der Grundrechte als objektive Wertordnung – die Schutzpflichtdimension – aktiviert, müsse es zu einer allgemeinen Grundsätzen entsprechenden Abwägung zwischen den betroffenen Verfassungsbelangen kommen. Das Zusammenspiel von Staatszielbestimmung und Grundrechten wird auch so beschrieben, dass Staatszielbestimmungen subjektiv-rechtliche Gehalte der Grundrechte anreichern könnten.136 Dies zeigt sich beispielsweise in der Annahme des Bundesverfassungsgerichts, Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozial-
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liegenden Untersuchung keine gesonderte Aufmerksamkeit zukommen. Vgl. dazu z.B. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [229]. Herdegen, JZ 2004, 873 [876]. Dies soll sich laut Sellmann, NVwZ 2003, 1417 [1418], aus BVerfG, NJW 2000, 798 [799] – Telekommunikation – ergeben, wo es um Art. 87f Abs. 1 GG ging. Bernsdorff, NuR 1997, 328 [334]; Kloepfer, DVBl. 1996, 73 [78]; Peters, NVwZ 1995, 555 [557]. Sommermann, Staatsziele, S. 426. Sellmann, NVwZ 2003, 1417 [1418]. Michel, Staatszwecke, S. 282 f. Sommermann, Staatsziele, S. 421 ff.; Wolf, KritV 1997, 280 [298]. Caspar/Schröter, Staatsziel, S. 18.
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B Grundlagen
staatsprinzip garantiere das (materielle) Existenzminimum.137 Die Heranziehung des Art. 20a GG in ähnlicher Weise ließ nicht lange auf sich warten: Bei existentieller Bedrohung oder Gefährdung der ökologischen Bedingungen für Leben oder körperliche Unversehrtheit gewährleiste die Verfassung gemäß Art. 20a GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein ökologisches Existenzminimum.138 Damit ist man allerdings schon bei der Frage nach dem materiellen Schutzniveau des Art. 20a GG.139
4. Zusammenfassung Die Normtypen Grundrecht und Staatszielbestimmung lassen sich eindeutig voneinander abgrenzen. Gemeinsam ist beiden die rechtliche Verbindlichkeit. Darüber hinaus hat aber eine Staatszielbestimmung rein objektiven Charakter, während ein Grundrecht subjektive Rechte gewährt. Das Meinungsbild zum Verhältnis von Grundrechten und Staatszielbestimmungen im Grundgesetz ist durchaus zwiespältig. Wird überwiegend eine unmittelbare Wirkung einer Staatszielbestimmung auf ein Grundrecht abgelehnt, soll unter gewissen Voraussetzungen aus ihr eine unmittelbare Grundrechtsbegrenzung folgen können und eine richterliche Bestimmung der Inhalte einer Staatszielbestimmung zulässig sein. Die Gefahr der Relativierung der Freiheitsrechte lässt sich dann nicht ohne weiteres von der Hand weisen: Staatszielbestimmungen können in verfassungsrechtlichen Abwägungsprozessen wirken und so als Schranke der Freiheitsgrundrechte instrumentalisiert werden.140 Verfassungsunmittelbare Wirkungen widersprechen der Natur einer Staatszielbestimmung, die primär vom Gesetzgeber umzusetzen ist. Ihre wirkkräftigste Funktion ist die als Abwägungsdirektive für Exekutive und Judikative. Eine abstrakte Beschreibung des Verhältnisses von Grundrechten und Staatszielbestimmungen allein führt nicht weiter. Wie die Lösung eines konkreten Konflikts auszusehen hat, hängt von den konkret involvierten Verfassungsnormen ab, die es nunmehr zu untersuchen gilt.
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BVerfGE 40, 121 [133]; 82, 60 [85]. Vgl. dazu S. 52. Vgl. dazu ausführlich S. 49 ff. Sommermann, in: Der Staat 32 (1993), S. 430 [440].
III. Eigentums- und Umweltschutz durch Grundrecht und Staatszielbestimmung
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III. Einbettung des Eigentums- und Umweltschutzes in die verfassungsrechtlichen Normtypen Das Grundgesetz bekennt sich zum Schutz sowohl der natürlichen Lebensgrundlagen als auch des Eigentums explizit mit jeweils einer eigenen Verfassungsnorm: Gemäß Art. 20a GG schützt der Staat „auch in der Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“. Das „Eigentum wird gewährleistet“, heißt es in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG; Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Gesetzgeber. In Art. 14 Abs. 2 GG ist geregelt, dass „Eigentum verpflichtet“ und sein Gebrauch zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll. Während Art. 14 GG als klassisches Grundrecht in seiner primären Funktion Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat begründet, handelt es sich bei Art. 20a GG um eine Staatszielbestimmung. Die Art der Normierung im Grundgesetz kann eine nähere Aussage über die staatlicherseits erforderliche Erfüllung der Aufgabe in sich tragen, so z.B. hinsichtlich der Ausdehnung des Aufgabenbereichs und damit auch der Grenzen, hinsichtlich der Verpflichtungswirkung und des eventuell bestehenden Gestaltungsspielraumes oder in Bezug auf den angesprochenen Funktionsträger.
1. Art. 20a GG als Staatszielbestimmung und Gesetzgebungsauftrag a) Zuordnung zum Normtypus aa) Art. 20a GG als Staatszielbestimmung Art. 20a GG141 ist vom verfassungsändernden Gesetzgeber als Staatszielbestimmung konzipiert und gewollt.142 Jedoch kommt es nicht allein auf den Willen des 141
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Vgl. hierzu aus der umfangreichen Aufsatzliteratur Becker, DVBl. 1995, 713 ff.; Behrends, KJ 2000, 376 ff.; Bernsdorff, NuR 1997, 328 ff.; Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 ff.; Heinz, NuR 1994, 1 ff.; Henneke, NuR 1995, 325 ff.; Kloepfer, DVBl. 1996, 73 ff.; Murswiek, NVwZ 1996, 222 ff.; Peters, NVwZ 1995, 555 ff.; Schink, DÖV 1997, 221 ff.; Steinberg, NJW 1996, 1985 ff.; Uhle, JuS 1996, 96 ff.; ders., DÖV 1993, 947 ff.; Vitzthum/Geddert-Steinacher, JURA 1996, 42 ff.; Waechter, NuR 1996, 321 ff; Westphal, JuS 2000, 339 ff.; Wolf, KritV 1997, 280 ff. Vgl. des Weiteren Birkedal, Implementation; Brönneke, Umweltverfassungsrecht; Hahn, Staatsziel Umweltschutz; Söhnlein, Landnutzung im Umweltstaat; Tsai, Umweltschutzpflicht. Siehe auch die einschlägige Kommentarliteratur, insbesondere Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20a; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20a. Vgl. zu den gesetzgeberischen Motiven Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP BT-Drs. 12/6633, S. 6 f. und zum Gang der Diskussion BT-Drs. 12/6000, S. 65 ff. Soweit ersichtlich, wird die Meinung, Art. 20a GG sei keine Staatszielbestimmung, nicht vertreten, was nichts daran ändert, dass ihm im Wege der Ausle-
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B Grundlagen
Verfassungsgesetzgebers an. Auch nicht die Theorie der Staatszielbestimmung entscheidet darüber, ob Art. 20a GG tatsächlich Staatszielbestimmung ist oder Elemente anderer verfassungsrechtlicher Grundnormen enthält. Abzustellen ist vielmehr vor allem auf die durch Interpretation des Art. 20a GG zu gewinnende Aussage des Verfassungsartikels.143 Aus der Positionierung des Art. 20a GG im Anschluss an die Staatsstrukturbestimmungen des Art. 20 GG folgt, dass er kein Grundrecht enthält, auch wenn sich in der Verfassung Grundrechte außerhalb des Grundrechtskataloges finden lassen.144 Es fehlt aber sowohl die Bezeichnung als Grundrecht, wie sie Art. 1 Abs. 3 GG für die nachfolgenden Grundrechte aufnimmt, als auch die Ausgestaltung des Art. 20a GG als „Recht“. Gegen die Gewährung konkreter individueller Abwehrrechte als entscheidendes Merkmal für die Grundrechtsqualität spricht auch die Unbestimmtheit des in Bezug genommenen Sachbereichs der natürlichen Lebensgrundlagen.145 Damit zeigt sich, dass die Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers, der mit Art. 20a GG gerade kein Grundrecht schaffen wollte, in das Grundgesetz Eingang gefunden hat.146 Mit der Ablehnung der Grundrechtsqualität des Art. 20a GG ist aber noch keine positive Aussage über seine Einordnung in die verfassungsrechtlichen Normkategorien gemacht. Im Rahmen der Beratung der Gemeinsamen Verfassungskommission wurde immer wieder betont, dass der Primat des Gesetzgebers bei der Konkretisierung des Staatsziels Umweltschutz hinreichend gesichert werden müsse.147 Die Bedenken richteten sich insoweit vor allem auf eine Verschiebung des „parlamentarischen Gesetzgebungsstaat(es) ein Stück weiter zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat“.148 Infolgedessen kam es zu der jetzt vorliegenden gewun-
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gung unterschiedliche Bedeutungsgehalte zugesprochen werden können, Kloepfer, DVBl. 1996, 73 [74]. Wolf, KritV 1997, 280 [305] mit Hinweis auf Kloepfer, DVBl. 1996, 73 [74]. Gegen eine Überbetonung des Willens des Gesetzgebers auch BVerfGE 62, 1 [45]. Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 1 verweist z.B. auf Art. 20 Abs. 4, 33, 38 GG. Eine Unbestimmtheit der Schutzbereichsdefinition führt allein allerdings nicht zwingend zur Ablehnung der Grundrechtseigenschaft, wie sich an Art. 2 Abs. 1 GG zeigt, der die freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt, vgl. dazu Haddenhorst, Umweltnutzungsfreiheit, S. 17. Allerdings wurde die Schwierigkeit der Definierbarkeit in der Diskussion als ein Argument gegen ein Umweltgrundrecht angeführt, Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 412 ff.; Kloepfer, Grundrecht auf Umweltschutz, S. 11 ff.; Steiger, Mensch und Umwelt, S. 17 f. Zur Diskussion um die Einfügung eines Umweltgrundrechts in den 1970er und 80er Jahren vgl. Dellmann, DÖV 1975, 588 ff.; Karpen, JuS 1987, 593 [595 f.]; Kloepfer, Grundrecht auf Umweltschutz, S. 11 in Fn. 22 m.w.N. und S. 31 ff.; Külz, DVBl. 1975, 189 f.; Robert, Umweltschutz und Grundgesetz, S. 9 ff.; Sailer, DVBl. 1976, 521 ff.; Soell, NuR 1985, 205 ff.; Stober, JZ 1988, 426 ff. BT-Drs. 12/6000, S. 67. Böckenförde, in: Der Staat 29 (1990), S. 1 [25] bzw. die Formulierung von Rüthers, FAZ v. 2.2.2005, Seite 7, als Kritik an der fehlenden Methodenstrenge des BVerfG:
III. Eigentums- und Umweltschutz durch Grundrecht und Staatszielbestimmung
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denen Formulierung in Art. 20a GG, „der Staat schützt ... im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“. Hier wird letztlich nur das wiederholt, was bereits Art. 20 Abs. 3 GG anordnet. 149 Dies verdeutlicht wohl das Misstrauen des Verfassungsgesetzgebers gegenüber dem von ihm selbst gewählten Normtyp der Staatszielbestimmung. bb) Art. 20a GG als Gesetzgebungsauftrag Diese Bedenken waren und sind allerdings fehl am Platz. Auch ohne diese ausdrückliche Niederlegung im Wortlaut des Art. 20a GG hätte kein Zweifel daran bestanden, dass primär und allein der Gesetzgeber Schutzqualität und -quantität in Bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen festzulegen hat. Dies folgt nicht nur aus der Offenheit dieser Verfassungsbestimmung, die im demokratischen Verfassungsstaat des Grundgesetzes nur der Gesetzgeber konkretisieren kann, auch wenn dies nicht ausschließt, dass die anderen Gewalten durch eine solche Verfassungsbestimmung rechtlich gebunden sind. Dies verdeutlicht darüber hinaus auch eine Sichtweise des Art. 20a GG, die in diesem nicht nur eine Staatszielbestimmung, sondern auch einen Gesetzgebungsauftrag sieht.150 Letztere sind „Verfassungsnormen, die dem Gesetzgeber die Regelung oder die bestimmte Regelung einzelner Vorhaben oder in einzelnen Sozialbereichen vorschreiben, sei es überhaupt, sei es mit Bindung auch in zeitlicher Hinsicht. Sie verpflichten den Gesetzgeber und können auch so ausgestaltetet sein, dass einer begünstigten Gruppe Individualansprüche auf Tätigwerden des Gesetzgebers zugewiesen werden (...) Es ist weiter möglich, dass eine Staatszielbestimmung mit einem Gesetzgebungsauftrag gekoppelt ist.“151 Gemeinsam ist beiden Normtypen danach die bereits oben angesprochene grundsätzlich nur objektivrechtliche Wirkung in Abgrenzung zu den individualrechtliche Ansprüche gewährenden Grundrechten. Im Hinblick auf die durch Art. 20a GG angesprochenen drei Gewalten liegt es allerdings nicht auf der Hand, neben der Einstufung als Staatszielbestimmung auch noch einen Gesetzgebungsauftrag anzunehmen. Es ist ja gerade spezifisches
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„auf dem Weg vom demokratischen Gesetzesstaat zum oligarchischen Richterstaat“. Kritisch zu letzterem Hirsch, JZ 2007, 853 ff. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [223]: Diese Formulierung – als „Angstklausel“ bezeichnet – führe nicht zu einem Handlungsspielraum des Gesetzgebers, der gegen richterliche Kontrolle immun wäre: „Die scheinbar beschränkenden Kautelen des Art. 20a GG sind ohne juristische Funktion.“ So auch Ossenbühl, NuR 1996, 53 [57]. So im Ergebnis auch Bamberger, Verfassungswerte, S. 60, 114 ff. Teilweise wird von Gesetzgebungsvorbehalt gesprochen: Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20a, Rn. 46. Ob das grundsätzlich für alle Staatszielbestimmungen gilt, kann hier offen bleiben; vgl. auch Sommermann, DVBl. 1991, 34 [35]: durch die Klausel „nach Maßgabe der Gesetze“ wird der Bereich der Staatszielbestimmung verlassen und zum Gesetzgebungsauftrag übergegangen. Abwägend Steiger, Mensch und Umwelt, S. 68. Bericht der Sachverständigenkommission, in: Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz, Rn. 8. Nach Sommermann, Staatsziele, S. 381 f., 435, handelt es sich dann um qualifizierte Staatszielbestimmungen.
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Merkmal der Staatszielbestimmung in Abgrenzung zum Gesetzgebungsauftrag, alle Staatsorgane in die Pflicht nehmen zu wollen.152 Diese rein formale Sichtweise der Unterscheidung lediglich in Bezug auf den Adressaten greift allerdings zu kurz. Differenzierungsmerkmal ist darüber hinaus auch die unterschiedliche Intensität der jeweils begründeten Auftragsstärke: Gesetzgebungsaufträge verpflichten zur Erfüllung, weil erst der ausgestaltende Akt der Gesetzgebung die normative Verfassung zur wirklichen Verfassung werden lässt, soweit sie dessen zu ihrer Aktualisierung und Konkretisierung bedarf.153 Staatszielbestimmungen erfüllen die ihnen von der Verfassung zugedachten Ordnungs- und Gestaltungsfunktionen dagegen auch ohne ausdrückliche Wahrnehmung durch den Gesetzgeber, weil sie von der Verfassung getroffene Wertentscheidungen enthalten, die auf Verwirklichung in allen Tätigkeitsbereichen gerichtet sind, mithin nicht nur den Gesetzgeber ansprechen.154 Soweit durch sie Exekutive und Judikative in die Pflicht genommen werden, haben diese jedoch den Primat des Gesetzgebers zu beachten. Auch wenn Art. 20a GG seinem ausdrücklichen Wortlaut nach alle drei Gewalten in die Pflicht nimmt, schließt dies die Interpretation dieser Verfassungsnorm als Gesetzgebungsauftrag nicht aus. Ebenso wenig scheitert eine solche Sichtweise daran, dass auch eine Staatszielbestimmung – wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes der Verfassung – die Festlegung auf den Primat des Gesetzgebers in sich trägt.155 Wegen der gewundenen Formulierung des Art. 20a GG ist seine Aussage so eindeutig nicht. Vielmehr folgt aus dem Wortlaut der Norm, dass der an erster Stelle angesprochene Akteur der Gesetzgeber sein soll. Diese textliche Form wäre bei einer reinen Staatszielbestimmung überflüssig156, da sich dies aus der Normkategorie selbst ergibt. Nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers sollte vor allem der Verwaltungsvollzug und die Jurisdiktion am Gesetz vorbei mit der Wahl des richtigen Normtyps ausgeschlossen werden. Genau dies ist Konsequenz aus dem Verständnis des Art. 20a GG als mit einer Staatszielbestimmung kombinierten Gesetzgebungsauftrag. Während bei Untätigkeit des Gesetzgebers im Rahmen einer Staatszielbestimmung der Normbefehl der Verfassungsnorm an Judikative und Exekutive auch Tätigwerden ohne gesetzgeberische Umsetzung der Zielvorgaben bedeutete, weil sonst die normative, rechtlich-bindende Kraft einer Verfassungsnorm ignoriert würde, fordert die Kombination beider Normtypen zwingend ein zeitlich vorrangiges Tätigwerden des Gesetzgebers. Insoweit sich Art. 20a GG an den Gesetzgeber wendet, kommt allein der Legislative nach der Formulierung der Verfassungsnorm die Aufgabe zu, in politischer Auseinandersetzung das staatliche Umweltschutzniveau festzulegen und damit den Boden für das Tätigwerden von Judikative und Exekutive überhaupt erst zu bereiten. Staatliches Handeln basierend auf einer Staatszielbestimmung bedarf einer gesetzlichen Grundlage nicht nur wegen der damit einhergehenden Beschränkungen von Grundrechten, sondern insbesondere auch deshalb, weil dem Gesetzgeber bei Umsetzung von Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wer152 153 154 155 156
Murswiek, NVwZ 1996, 222 [223]. Wienholtz, Normative Verfassung, S. 45. Ebd. Vitzthum/Geddert-Steinacher, JURA 1996, 42 [43]. Vgl. statt vieler Murswiek, NVwZ 1996, 222 f.
III. Eigentums- und Umweltschutz durch Grundrecht und Staatszielbestimmung
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tungs- und Gestaltungsbereich zusteht.157 Ohne gesetzgeberische Vermittlung können die anderen Gewalten der durch Art. 20a GG an sie gerichteten Aufgabe wegen der dem Grundgesetz zugrunde liegenden Funktionenteilung der Gewalten gar nicht gerecht werden. Dies wäre allerdings der einzig überzeugende Schluss aus der Interpretation als reine Staatszielbestimmung: Durch diese Normkategorie werden alle Funktionsträger im Staat entsprechend ihren Aufgaben rechtlich gebunden. Fehlt die gesetzgeberische Umsetzung als Grundlage für exekutivisches und judikatives Handeln, wären sie wegen der rechtlichen Verbindlichkeit der Staatszielbestimmung zu Tätigwerden aus eigener Macht verpflichtet. Sie könnten und müssten somit bei verfassungswidrigem Unterlassen des Gesetzgebers Ansprüche ohne gesetzliche Grundlage zugestehen.158 Genau dies wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber mit Art. 20a GG ausschließen, weshalb er mit den Worten „nach Maßgabe von Gesetz und Recht“ eine einem Gesetzes- bzw. Gesetzgebungsvorbehalt ähnelnde Formulierung aufgenommen hat.159 Bei Interpretation der gesetzgeberischen Aufgabe des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen als Gesetzgebungsauftrag ist diese dagegen zu ihrer vollen von der Verfassung intendierten Verwirklichung auf den gesetzgeberischen Akt angewiesen. Erst dann existiert die rechtlich verbindliche Aufgabe für Exekutive und Judikative. Konsequenz dieser Betrachtung ist, dass Art. 20a GG den Gesetzgeber zur Erfüllung verpflichtet. Enthielte er lediglich einen „einfachen“ Gesetzgebungsauftrag, könnte dieser durch einen Legislativakt „vollzogen“ werden und sich damit erledigen. Bei Art. 20a GG rückt aber an die Stelle des durch Legislativakt „erfüllten“ Gesetzgebungsauftrages sozusagen ersatzweise die Wirkung der Staatszielbestimmung: Sie ist dauerhafte Pflicht zur Überwachung, Kontrolle und gegebenenfalls Nachbesserung und geht insoweit über einen Gesetzgebungsauftrag hinaus. Mit der Festlegung auf einen Gesetzgebungsauftrag wird auch klar, welcher Gesetzgeber von Art. 20a GG angesprochen wird: ausschließlich der formelle und damit der parlamentarische Gesetzgeber. Wird die Exekutive als materieller Gesetzgeber im Wege der Verordnung tätig, so gilt hierfür Art. 20a GG nur mit der Maßgabe, dass bereits parlamentarisch-gesetzgeberisches Handeln vorliegt, auf welches sich die Exekutive zurück beziehen kann. cc) Prozessuale Auswirkungen dieser Kombination Eine wichtige Folge der Betrachtung des Art. 20a GG – auch – als Gesetzgebungsauftrag bezieht sich auf die Frage der Eröffnung der Verfassungsbeschwerde wegen der Verletzung eines subjektiven Rechts des Einzelnen auf Tätigwerden 157 158
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BVerfGE 77, 170 [214 f.] zu grundrechtlichen Schutzpflichten. So Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 306: Der Richter dürfe bei Untätigbleiben des Gesetzgebers aus dem Sozialstaatsprinzip einen zahlenmäßig spezifizierten Mindestsatz der Sozialhilfe ableiten, unter Hinweis auf BVerfGE 38, 175 [185] und 43, 154 [168]. Überwiegend wird die Aufnahme dieses Vorbehaltes als funktionslos angesehen, weil sich das, was geregelt wird, schon aus der Natur der Staatszielbestimmung ergebe: Sommermann, DVBl. 1991, 34 [35], bzw. aus Art. 20 Abs. 3 GG Murswiek, NVwZ 1996, 222 [223].
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des Staates. Zwar hat der Einzelne grundsätzlich keinen Anspruch auf Handeln des Gesetzgebers; etwas anderes gilt aber nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, „wenn sich der Beschwerdeführer auf einen dahingehenden ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes berufen kann, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen bestimmt“.160 Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, bezogen auf einen Auftrag aus grundrechtlichen Schutzpflichten, gelten auch für einen konkreten Gesetzgebungsauftrag des Grundgesetzes. Die Parallele zwischen beiden Konstruktionen liegt nämlich im Schutzaspekt als Auftrag an die Staatsgewalten. Dies bildet den Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Aussage, nicht dagegen die subjektive Einbindung und damit Einklagbarkeit grundrechtlicher Schutzpflichten, die im Übrigen nicht unumstritten ist.161 Von wenigen Ausnahmen162 abgesehen, sieht das Grundgesetz keine ausdrücklichen Schutzaufträge vor, werden grundrechtliche Schutzpflichten erst interpretatorisch abgeleitet.163 Insoweit stellt Art. 20a GG auch ein Novum im Verfassungstext dar, weil er in einer objektivrechtlichen Norm ein Schutzgut regelt. Ist der geforderte Schutz der Anknüpfungspunkt für die Vergleichbarkeit, ist verfassungsrechtlich entscheidend, dass der Gesetzgeber dieser Anforderung nachkommt und zwar als primärer Adressat. Aufgabe der Judikative ist hier wie da, das Mindestmaß an verfassungsrechtlich erforderlichem Schutz durch Kontrolle des Gesetzgebers sicherzustellen. Lässt sich dem Art. 20a GG ein ausdrücklicher Auftrag entnehmen, so ist dieser prozessual mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbar. Dies liegt für einen Gesetzgebungsauftrag – im Gegensatz zu einer reinen Staatszielbestimmung – auch nahe, denn dieser kann sehr spezifisch und konkret sein und in der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde zum Anspruch des Beschwerdeführers auf Ergreifen eines einzigen Mittels führen: den Erlass eines Gesetzes. Für die Staatszielbestimmung liegt dies aber anders, weil ihrer Natur nach dem verpflichteten Staatsorgan Gestaltungsfreiheit bei der Wahl der Mittel zur Erfüllung des Zieles eingeräumt ist. Da es bei einer bloßen Zielvorgabe vielfältige Mittel gibt, erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass sich – auch bei Feststellung der evidenten Verletzung der gesetzgeberischen Pflicht aus der Staatszielbestimmung164 – ein konkreter Anspruch des Beschwerdeführers ergeben könnte. Art. 20a GG repräsentiert als Staatszielbestimmung mit Gesetzgebungsauftrag im Ergebnis zwei objektivrecht160
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BVerfGE 56, 54 [70] – Fluglärm – zu einem Verfassungsbeschwerdeverfahren wegen gesetzgeberischen Unterlassens. Ein solches Recht des Einzelnen wurde später von BVerfGE 77, 170 [212 ff.] – in Bezug auf (grundrechtliche) Schutzpflichten – an die Voraussetzung der völligen gesetzgeberischen Untätigkeit oder völligen Ungeeignetheit oder Unzulänglichkeit der getroffenen Maßnahme geknüpft. Kritisch hierzu wegen der Belastung der Zulässigkeitsprüfung mit Begründetheitserwägungen Haddenhorst, Umweltnutzungsfreiheit, S. 7. Vgl. dazu noch S. 139 ff. Vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 GG. Vgl. ausführlich S. 136 ff. Hierauf beschränkt das BVerfG seine Kontrolle, siehe S. 161 ff. Ob die Vorgaben einer Staatszielbestimmung eingehalten worden sind, prüft das BVerfG aber bei jedem grundrechtseinschränkenden Gesetz, vgl. dazu noch S. 108.
III. Eigentums- und Umweltschutz durch Grundrecht und Staatszielbestimmung
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liche Normtypen, die sich in der prozessualen Durchsetzung deutlich unterscheiden.
b) Inhaltliche Aussagen des Art. 20a GG aa) Schutzgegenstand Über den Begriff des Schutzgegenstandes in Art. 20a GG – die natürlichen Lebensgrundlagen – herrscht keine Einigkeit. Vielfach werden sie als Synonym für den Begriff Umwelt verstanden, wobei auch dieser weit davon entfernt ist, genau definitorisch erfasst zu sein.165 Gewisse Übereinstimmung besteht darüber, dass die einzelnen Umweltmedien Boden, Wasser und die Atmosphäre (sowie die tierischen und pflanzlichen Lebewesen) dazugehören. Auch deren genaue Bestimmung und Abgrenzung ist aber wiederum nicht zweifelsfrei.166 Daraus folgt, dass schon bezüglich des Schutzgegenstandes des Art. 20a GG eine legislative Definitionskompetenz und Definitionspflicht besteht. Auch im Übrigen unterscheiden sich die natürlichen Lebensgrundlagen von anderen Verfassungsrechtsgütern. Die natürlichen Lebensgrundlagen werden nicht als eigenes Verfassungsrechtsgut um ihrer selbst willen geschützt, sondern – wie sich schon aus dem Begriff ergibt – als Grundlage des Lebens.167 Sie sind im Kontext individueller grundrechtlicher Positionen und den damit einhergehenden Rechtsschutzmöglichkeiten jeweils mitgeschützt. Sie sind aber im engeren Sinne nicht selbst Ziel des Schutzkonzeptes.168 Dies entspricht auch der herrschenden Meinung, die von einer anthropozentrischen Ausrichtung des Art. 20a GG ausgeht.169 Gleichwohl gehen die durch Art. 20a GG eingeräumten verfassungsrechtlichen Schutzmöglichkeiten weiter: Der Gesetzgeber darf die natürlichen Lebensgrundlagen sehr wohl um ihrer selbst willen schützen; die alleinige Orientierung am Menschen ist verfassungsrechtlich nicht explizit vorgegeben. Dies widerspricht auch nicht der herrschenden Meinung, nach der Art. 20a GG eine anthropozentrische Richtung aufweist. Jede umweltschützende Maßnahme lässt sich zugleich auch als dem Menschen dienlich begründen; für die nachfolgenden Generationen, die Art. 20a GG ausdrücklich in Bezug nimmt, gilt dies in hervorragen165
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168
169
Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 11 f. und zu den verschiedenen Umweltbegriffen § 1, Rn. 14 ff. Caspar/Schröter, Staatsziel, S. 29 m.w.N. Damit können sie nur als Grundlage des menschlichen Lebens gemeint sein, was allerdings nicht in den Wortlaut des Art. 20a GG eingegangen ist, vgl. dazu Murswiek, NVwZ 1996, 222 [224]; Kuhlmann, NuR 1995, 1 [3]. Ob der Umwelt neben dem Menschen ein verfassungsrechtlicher Eigenwert zukommen solle, also ein Schutz um ihrer selbst willen anzuordnen sei, war lange Zeit umstritten, vgl. Bernsdorff, NuR 1997, 328; Waechter, NuR 1996, 321 [324] m.w.N. Letzterer meint, Art. 20a GG lasse seinem Wortlaut nach diese Frage offen; sie dürfe auch nicht im Sinne eines strikten Gegensatzes zwischen beiden Positionen verstanden werden, im Zweifel setze sich wegen Art. 1 GG das Interesse des Menschen durch. Vgl. nur Uhle, DÖV 1993, 947 [953]; Meyer-Teschendorf, ZRP 1994, 73 [77]. A.A., da es nicht „natürliche Lebensgrundlagen des Menschen“ heiße, Murswiek, NVwZ 1996, 222 [224]; Kuhlmann, NuR 1995, 1 [3].
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B Grundlagen
der Weise. Allerdings wird die politische Umsetzung des Art. 20a GG durch einfaches Recht im Hinblick auf einen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen um ihrer selbst willen an den entsprechenden Mehrheiten scheitern. bb) Konkretisierung der Schutzpflicht Neben der Definitionspflicht hinsichtlich des Begriffes treffen den Gesetzgeber verbindliche Handlungs- und Rechtsetzungspflichten.170 Der Begriff des Schutzes beinhaltet, Schädigungen durch Dritte abzuwehren, Schädigungen durch staatliches Handeln zu unterlassen sowie positives Handeln zur Beseitigung bereits eingetretener Schäden.171 Problematisch ist jedoch, wie viel Schutz Art. 20a GG vom Gesetzgeber verlangt, welches Schutzniveau er fordert. Dies ist letztlich die Frage danach, wann eine Verletzung der Staatszielbestimmung anzunehmen ist.172 Da es der Natur der Staatszielbestimmung entspricht, dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zu gewähren,173 zielt die Frage nach dem Schutzniveau bzw. danach, wann eine Verletzung der Staatszielbestimmung vorliegt, auf die Grenzen eben dieser gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. Sie markieren das verfassungsrechtlich Zulässige im Rahmen von Art. 20a GG.174 (1) Ausgangspunkt: Rechtliche Verbindlichkeit der Norm Zu vage bleiben Vorschläge, nach denen ein Verstoß nur bei krassem Abwägungsmangel, völliger Untätigkeit oder grober Missachtung der Staatszielbestimmung vorliegt.175 Bei völliger Untätigkeit muss ein Verstoß gegen die Staatszielbestimmung vorliegen – dies ist schon Ausfluss ihrer rechtlichen Verbindlichkeit für alle Staatsorgane. Ginge man über diese Anforderung nicht hinaus, enthielte Art. 20a GG allerdings überhaupt keine materiellen Vorgaben, weil der Gesetzgeber dann nur irgendetwas – von ihm selbst zu bestimmendes – tun müsste. Dann 170
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Angesichts der bereits vorhandenen Umweltschutzlegislatur sollen sich konkrete Gesetzgebungspflichten nicht ableiten lassen, Murswiek, NVwZ 1996, 222 [229]. Das kann sich aber aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse durchaus ändern. Soweit Murswiek a.a.O. meint, es bestehe eine Pflicht, Entschädigungsregelungen für Waldeigentümer zu schaffen, überdehnt dies den Anwendungsbereich von Art. 20a GG: In seinem Kontext geht es um den Schutz des Waldes als natürliche Lebensgrundlage – nicht aber um die Kostenverteilung über bereits an diesem entstandene Schäden. Zur Verankerung des Verursacherprinzips als Kostenzurechnungsprinzip in Art. 20a GG vgl. noch S. 184 f. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [225]. Ausführlich zum Begriff des Schutzes Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 114 ff. An dieser Stelle ist auf eine notwendige Differenzierung hinzuweisen: Hier geht es um das von Art. 20a GG geforderte materielle Schutzniveau. Die Frage des Kontrollmaßstabes des BVerfG, das sich allein zur Feststellung von evidenten Verletzungen befugt sieht, ist davon zu trennen. Vgl. dazu noch S. 161 ff. Vgl. schon S. 33 ff. In diese Richtung auch Wolf, KritV 1997, 280 [302]. Kloepfer, DVBl. 1996, 75 f.; kritisch hierzu Steinberg, NJW 1996, 1985 [1991]. Michel, Staatszwecke, S. 132: „Schädlichkeitsgrenze verläuft da, wo die Ermessensausübung faktisch zur Negation der Zielverfolgungspflicht wird.“
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stünde der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen vollständig zur Disposition des Gesetzgebers – als verfassungsrechtliche Pflicht für ihn liefe sie dagegen leer.176 Dies gilt auch, wenn allein eine existenzielle Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen zum Bezugspunkt für einen Verstoß gegen die Staatszielbestimmung gemacht würde.177 Dies kann nur die äußerste Grenze des Spielraums im Rahmen des Art. 20a GG markieren. (2) Verschlechterungsverbot Einen Versuch der Grenzziehung stellt das aus Art. 20a GG abgeleitete Verschlechterungsverbot dar. Art. 20a GG lege fest, dass das zum Zeitpunkt der Verfassungsänderung vorhandene Niveau des Umweltschutzes nicht verschlechtert werden dürfe.178 Die Begründung dafür, dies entspreche dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers, die Situation der Umwelt insgesamt zu verbessern, verfängt allerdings nicht. Der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers ist nur insoweit erheblich, als er im Wortlaut zum Ausdruck kommt; Art. 20a GG betreffend würde das bei seiner Einfügung ins Grundgesetz erreichte Umweltschutzniveau ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung der Verfassungsnorm. Dies ist für sich schon problematisch, weil eine tatsächliche Sachlage, die unterschiedlicher Bewertung unterliegen würde, Verfassungsvoraussetzung würde. Im Übrigen ist es wegen der Verlagerungstendenzen zwischen einzelnen Umweltmedien und der fehlenden Quantifizierbarkeit von Umweltschutz gar nicht möglich, das damalige Umweltschutzniveau exakt festzustellen.179 (3) Rückschrittsverbot Bedenken bestehen auch dagegen, Art. 20a GG ein dauerndes Rückschrittsverbot zu entnehmen. Die Staatszielbestimmung kann nicht verhindern, dass der Gesetzgeber hinter einem einmal erreichten normativen Schutzniveau zurückbleibt180, weil es keinen absoluten Bestandsschutz für bestehende Schutzgesetze gibt.181 Art. 20a GG selbst zementiert kein erreichtes Niveau, weil er als Staatszielbestimmung handlungsbezogen zu verstehen ist. Seine bestandswahrende Komponente bezieht sich lediglich auf sein Schutzgut, die natürlichen Lebensgrundlagen, die es zu 176 177
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181
Murswiek, NVwZ 1996, 222 [226]. Nach Wolf, KritV 1997, 280 [303], ist der gesetzgeberische Spielraum in diesem Fall auf Null reduziert. So VG Frankfurt, NVwZ-RR 1997, 92 [95], aufgehoben durch VGH Kassel, ZuR 1998, 251; vgl. diesem folgend BVerwGE 109, 29 ff. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [226]: Umweltsituation im Jahre 1994 als Referenzlage; Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 25; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20a, Rn. 44; Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20a, Rn. 65. Teilweise wird auch von einem in Art. 20a GG enthaltenen Gebot der Verbesserung des Umweltschutzes ausgegangen, was die Konservierung von Vorhandenem zwingend voraussetzt, vgl. Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 m.w.N. Zweifelnd auch Sommermann, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 20a, Rn. 27. Zu einem solchen legislativen Rückschritt durch die Atomgesetznovelle 2002 Degenhart, DVBl. 2006, 1125 [1129]. Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111 Rn. 159 f.
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B Grundlagen
erhalten gilt. Die von ihm geforderte Tätigkeit des Schutzes spiegelt die dynamische Seite dieser Verfassungsvorschrift wider. Die Entscheidung über das Wie dieses Schutzes fällt in den Gestaltungsspielraum der angesprochenen Adressaten. Dazu gehört auch die Frage über ein Zurückbleiben hinter bereits erreichten Schutzstandards.182 Verfassungsrechtlich problematisch wird ein solcher Rückschritt erst, wenn das gebotene Mindestmaß an Schutz nicht mehr gewährleistet ist.183 Zur Bestimmung eben dieses Maßes kann ein solches Rückschrittsverbot dagegen nichts beitragen. (4) Ökologisches Existenzminimum Als weitere Grenze wird dem Gesetzgeber die Pflicht zur Garantie eines ökologischen Existenzminimums abverlangt.184 Was dieser Begriff genau besagt, bleibt allerdings offen. Seine Aussagekraft für die Bestimmung gesetzgeberischer Grenzen ist deshalb zu bezweifeln.185 Der Begriff ist in Anlehnung an das vom Bundesverfassungsgericht vorausgesetzte materielle Existenzminimum 186 gedacht, kann mit diesem aber nicht ohne weiteres verglichen werden. Während das materiell Notwendige sich auf ein Individuum und einen konkreten Zeitpunkt bezogen ohne weiteres feststellen lässt, ist dies für das ökologische Existenzminimum gerade nicht möglich. Ein weiteres kommt hinzu: Der anthropozentrischen Ausrichtung des Art. 20a GG entsprechende Sicherungen des ökologischen Existenzminimums sind über die Schutzpflichten für Leben und Gesundheit vorhanden. Für die Garantie des ökologischen Existenzminimums bedurfte es deshalb der Einfügung des Art. 20a GG in das Grundgesetz gar nicht, weil dieses bereits aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 GG herzuleiten war.187 Dieser bereits gegebene verfassungsrechtliche Schutz bleibt von Art. 20a GG unberührt, denn die Einfügung des Art. 20a GG sollte den bereits vorhandenen Schutz, der als nicht hinreichend angesehen wurde, ergänzen.188 Aufgrund der grundrechtlichen Anbindung geht dieser Schutz sogar weiter, weil er mit einem 182
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Für Staatszielbestimmungen ist deshalb die Ansicht abzulehnen, dass in einem solchen Fall eine besondere Rechtfertigung notwendig sei, so aber Degenhart, DVBl. 2006, 1125 [1129]. Ein grundsätzliches Rückschrittsverbot bejahend, im einzelnen aber vorsichtig Kloepfer, in: Dolzer, BK, GG, Art. 20a, Rn. 47. Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111 Rn. 159 f. Vgl. auch ders. a.a.O. zum ähnlichen Problem bei Grundrechten: die Theorie, dass der schutznormaufhebende Gesetzgeber wie bei Grundrechtsbeschränkungen den abwehrrechtlichen Kautelen unterworfen sei, ist nicht haltbar. Damit läuft die Lösung dieses Problems bei Staatszielbestimmung und Grundrecht parallel. Zur vergleichbaren Dogmatik bei grundrechtlichen Schutzpflichten und Staatszielbestimmung S. 161 ff. Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 [510]; Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 25, 43; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20a, Rn. 8; Waechter, NuR 1996, 321. Kritisch: Söhnlein, Landnutzung im Umweltstaat, S. 87 f.; Uhle, JuS 1996, 96 [100]. Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20a, Rn. 61. Vgl. schon S. 41 f. Rauschning, in: VVDStRL 38 (1980), S. 167 [179]. Vgl. auch Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 300 m.w.N. So schon die Gemeinsame Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 65.
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subjektiven Anspruch verbunden ist.189 Der Begriff des ökologischen Existenzminimums ist jedenfalls untauglich dafür, eine Verletzung der Staatszielbestimmung zu beschreiben. (5) Eingriffsrechtliche Interpretation des Art. 20a GG Darüber hinaus wird auch vertreten, dass bereits jede vermeidbare Umweltbeeinträchtigung einen Verstoß gegen Art. 20a GG darstelle.190 Basis für diese Ansicht bildet die Annahme, jeder Eingriff in ein Schutzgut des Art. 20a GG sei rechtfertigungsbedürftig.191 Sei ein Eingriff vermeidbar, müsse er mit einem anderen Gemeinwohlzweck gerechtfertigt werden. Schon die Prämisse, Eingriffe in die natürlichen Lebensgrundlagen seien nach geltender Verfassungsrechtslage rechtfertigungsbedürftig, geht fehl. Der „Eingriffsbegriff“ ist notwendig auf einen Rechtsträger bezogen; Grundrechte als individuell zugewiesene Abwehrrechte kennen einen solchen. Einen Rechtsträger in Bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen gibt es dagegen nicht. Auch wenn die Staatszielbestimmung nicht ausschließlich ein Ziel, sondern ein Schutzgut regelt, führt dies nicht zur Rechtfertigungsbedürftigkeit jeden Eingriffs. Das Grundgesetz geht nicht davon aus, dass jeder Eingriff in ein Schutzgut rechtfertigungsbedürftig sei. Dass dies bezogen auf die Grundrechte so ist, basiert nicht darauf, dass sie Schutzgüter regeln, sondern darauf, dass eine rechtsstaatliche Verfassung die Freiheit der Bürger als grundsätzlich unbegrenzt und die staatliche Zuständigkeit als begrenzt anerkennt. Ist dem Staat ein nicht-grundrechtliches Schutzgut überantwortet, so ist er bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe an die grundgesetzliche Ordnung gebunden, nicht aber generell rechtfertigungsbedürftig. (6) Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums Um der Bestimmung des Schutzniveaus näher zu kommen, bietet sich an, nach dem maximal und minimal zulässigen und erforderlichen Schutz zu fragen. So gesehen ist die obere und untere Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit im Rahmen des Art. 20a GG herauszuarbeiten. (a) Obere Grenze – maximaler Schutz? Maximaler – gleichgesetzt einem idealen – Schutz kann von Art. 20a GG nicht gefordert sein. Dies ergibt sich schon aus seiner Einbettung in die verfassungsrechtliche Ordnung und die daraus folgende Bindung des Staates bei Umsetzung des Auftrages aus der Staatszielbestimmung. Sie stellt die Beachtung insbesondere rechtstaatlicher Elemente sicher und fungiert so als obere Grenze des gesetzgeberischen Spielraumes. Vor allem die Grundrechte spielen dabei als Abwehrrechte eine hervorragende Rolle. Deshalb sind die natürlichen Lebensgrundlagen so gut 189
190 191
Murswiek, NVwZ 1996, 222 [224]. Dort liegt aber auch die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich im Wege des Individualrechtsschutzes einklagbar erscheint: Wolf, KritV 1997, 280 [298]. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [227]. So auch Roller, in: Roßnagel/ders., Beendigung der Kernenergienutzung, S. 98. Gegen eine abwehrrechtliche Struktur des Art. 20a GG Faller, Staatsziel, S. 142 ff.
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zu schützen, wie dies rechtlich und faktisch möglich ist, ohne die Verwirklichung anderer öffentlicher Aufgaben unmöglich zu machen.192 (b) Untere Grenze (aa) Untermaßverbot Schwieriger gestaltet sich die Festlegung einer unteren Grenze gesetzgeberischer Freiheit. Teilweise wird angenommen, sie sei durch das Untermaßverbot193 markiert.194 Darin komme vor allem zum Ausdruck, dass die Einfügung des Art. 20a GG in die Verfassung durch die von ihm vorgesehene Schutzpflicht zur Effektivität des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen beitragen solle.195 Anleihe wird insoweit bei den Ausführungen genommen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner zweiten Abtreibungsentscheidung196 zu den grundrechtlichen Schutzpflichten gemacht hat: „Notwendig ist ein ... angemessener Schutz; entscheidend ist, dass er als solcher wirksam ist. Die Vorkehrungen, die der Gesetzgeber trifft, müssen für einen angemessenen und wirksamen Schutz ausreichend sein und zudem auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen.“197 „Soweit seinen Entscheidungen zugleich Prognosen über tatsächliche Entwicklungen, insbesondere die Wirkungen seiner Regelung zugrunde liegen, müssen diese Prognosen verlässlich sein.“198 Außerdem ist der Gesetzgeber gehalten, sein Schutzkonzept im Auge zu behalten, und wenn eine Anpassung der Gesetze an neue wissenschaftliche Erkenntnisse verlangt sei, seiner Nachbesserungspflicht nachzukommen.199 192
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Murswiek, NVwZ 1996, 222 [226]. Was dies konkret in Bezug auf das Eigentumsgrundrecht bedeutet, gilt es im Teil C zu untersuchen. Grundsätzlich Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rdn. 165. Zur Entwicklung des Untermaßverbots O. Klein, JuS 2006, 960 [961]; Krings, Grund und Grenzen, S. 297 f. Vgl. auch Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 272 ff. und Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 322 ff. zum Untermaßverbot als verfassungsgerichtlichem Kontrollmaßstab und S. 451 ff. Das Verhältnis von Übermaß- und Untermaßverbot zueinander beleuchten Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 456 ff., Gellermann, Grundrechte, S. 342 ff. und Krings, Grund und Grenzen, S. 301. Gänzlich gegen das Untermaßverbot Hain, DVBl. 1993, 982 [983 f.]. In diesem Sinne Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 240; Steinberg, NJW 1996, 1985 [1988, 1991 f.]; Tsai, Umweltschutzpflicht, S. 159. Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20a, Rn. 64. BVerfGE 88, 203 ff. BVerfGE 88, 203 [254]. BVerfGE 88, 203 [262]. BVerfGE 88, 203 [269]; Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 26; Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20a, Rn. 65. Dies lasse sich ohne weiteres auf Staatszielbestimmungen und auch konkret auf Art. 20a GG übertragen: Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 233 ff.; Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 116; Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 28 (1995), 425 [426]; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20a, Rn. 10, 49. A.A. Sommermann, Staatsziele, S. 439 ff. Zu den grundrechtlichen Schutzpflichten vgl. S. 136 ff.
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Aber auch dem Untermaßverbot als verfassungsrechtlichem Maßstab lassen sich keine exakten Begrenzungen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes entnehmen.200 Vor allem ist es nicht gelungen, dem Untermaßverbot eine dem Übermaßverbot vergleichbare und handhabbare Kontur zu geben. So ist insbesondere für die grundrechtlichen Schutzpflichten dargelegt worden, dass das Erforderlichkeitskriterium allein auf die einfach-gesetzliche Zweck-Mittel-Relation bezogen bleibe und deshalb keine Aussagekraft für die Erfüllung verfassungsrechtlicher Zielvorgaben vorweise.201 Gerade beim Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen kommt es für den materiellen Schutz durch die Staatszielbestimmung auf die Festlegung von genauen Grenzwerten an, die das Untermaßverbot nicht leisten kann.202 (bb) Problem: Verfassung als bloße Rahmenordnung Die Schwierigkeit der Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes ist Konsequenz der Verfassung als rechtliche Grundordnung. Sie soll wesensgemäß nur einen Rahmen für die Gestaltung der einfachen Gesetze bereithalten. Dies gilt in besonderer Weise für Art. 20a GG, der keine konkreten Vorgaben für den Gesetzgeber enthält. Nur ein Blick auf die legislative Funktion des Gesetzgebers im Funktionengefüge der staatlichen Gewalten kann deshalb zur Bestimmung der unteren Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes im Rahmen des Art. 20a GG Erfolg versprechen.203 Diese wird insbesondere durch die Form des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung determiniert. Die Schutzaufgabe des Gesetzgebers als primär Verantwortlichem besteht insoweit vor allem darin, der vollziehenden Gewalt die normativen Instrumente zur Verfügung zu stellen, die diese zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht im Einzelfall benötigt.204 Dies entspricht der Funktion des Grundgesetzes als Verfassung, die insbesondere die Möglichkeiten garantieren soll, auf eintretende Gefährdungslagen zu reagieren. (cc) Lösung: Übertragung des Maßstabs der grundrechtlichen Schutzpflichten Die Grenze zum Verstoß gegen Art. 20a GG kann deshalb nur dort liegen, wo dem Gesetzgeber eine unabdingbare Pflicht zum Handeln zufällt. Eine solche kann nur bestehen, wenn der Staat entweder überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen hat oder offensichtlich gänzlich ungeeignete oder völlig unzulängliche Regelun200
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Selbst die Befürworter geben zu, dass sich diesem nur beschränkt materielle Vorgaben entnehmen lassen; seine Wirkung soll es aber durch im wesentlichen prozedurale Bindungen entfalten: Steinberg, NJW 1996, 1985 [1991]; Wolf, KritV 1997, 280 [304]. Dietlein, Schutzpflichten, S. III. Kritisch deshalb Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 162. Ablehnend auch Faller, Staatsziel, S. 171, weil es nichts hergebe, was nicht unmittelbar schon aus der Staatszielbestimmung selbst folge. Ausdrücklich für ein Festhalten am Untermaßverbot O. Klein, JuS 2006, 960 ff., der allerdings auf dessen Bedeutung für die gerichtliche Kontrolle der Schutzpflichterfüllung und nicht als materiellen Handlungsmaßstab abstellt [insb. 962]. So für die grundrechtlichen Schutzpflichten Dietlein, Schutzpflichten, S. 112. Dietlein, Schutzpflichten, S. 113.
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gen oder Maßnahmen ergriffen hat, um das Schutzziel zu erreichen.205 Dieser, und kein weitergehender Maßstab, ist deshalb verfassungsrechtlich geboten, weil nur er die Natur der Staatszielbestimmung berücksichtigt und die legislative Funktion im Verfassungsgefüge des Grundgesetzes bewahrt. 206 cc) Umweltrechtliche Prinzipien in Art. 20a GG Bei seinem Tätigwerden im Rahmen des Art. 20a GG muss sich der Staat an verschiedenen Teilprinzipien des Umweltrechts orientieren. Diese sollen den Inhalt der Staatszielbestimmung konkretisieren und für die angesprochenen Akteure rechtlich verbindlich sein.207 Herausragende Bedeutung hat hier das Vorsorgeprinzip.208 Verfassungsrechtlich niedergelegt – weil in diesem enthalten – sind damit der Ressourcenschutz und die Risikominimierung209, die unter dem Aspekt der Berücksichtigung der Langzeitfolgen in Art. 20a GG durch die Worte „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen“ ausdrücklich Eingang gefunden haben.210 Weiterhin werden das Verursacher- und das Kooperationsprinzip genannt.211 Die Nennung dieser Prinzipien im Zusammenhang mit Art. 20a GG führt aber nicht dazu, dass aus ihnen ohne weiteres relevante Rechtsfolgen abgeleitet werden könnten. Es bedarf hierzu einer Anbindung an die Verfassungsbestimmung und des Nachweises einer verfassungsrechtlichen Geltungsberechtigung des entsprechenden Prinzips. Andernfalls kann aus dem Prinzip an sich nicht mehr herausgelesen werden, als sich nicht schon aus der Interpretation des Art. 20a GG selbst ohnehin ergibt.212
2. Das Eigentumsgrundrecht in Art. 14 GG Ähnlich wie bei Art. 20a GG wird bei Art. 14 Abs. 1 GG – der einen normgeprägten Schutzbereich213 aufweist – ein Gestaltungsspielraum schon für den Regelungsgegenstand selbst wirksam. Das ergibt sich aus der Verschränkung seiner Funktion als Teil objektiver Wertordnung mit derjenigen als Institutsgarantie unter gleichzeitiger Berücksichtigung dessen, dass ihm auf der subjektiven Abwehrseite 205 206
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213
So für die grundrechtlichen Schutzpflichten BVerfGE 56, 54 [80 f.]; 79, 174 [202]. Für die grundrechtlichen Schutzpflichten ebenso Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 162 ff. Caspar/Schröter, Staatsziel, S. 35. Vgl. statt aller Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rn. 8 ff. und BVerwGE 72, 300 [315 f.]. Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 20a, Rn. 8. Zum verfassungsrechtlichen Schutz zukünftiger Generationen ausführlich v. Bubnoff, Schutz, S. 46 ff. Bezüglich des Verursacherprinzips strittig, vgl. Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 20a, Rn. 34 f., m.w.N.; ablehnend: Söhnlein, Landnutzung im Umweltstaat, S. 156 f. Zu Verursacher- und Kooperationsprinzip vgl. S. 184 f., 188 ff. Im Übrigen werden, soweit sich im Verlaufe der Untersuchung die mit Umweltprinzipien zusammenhängenden Fragen in Bezug auf Art. 14 stellen, diese im jeweiligen Kontext angesprochen. Vgl. dazu statt aller Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 209 ff.
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ein Gesetzesvorbehalt beigegeben ist. 214 Allerdings ist das Eigentum in seiner Bestimmung weit weniger tatsächlich vorgegeben, als der Begriff der natürlichen Lebensgrundlagen. Dies gründet darin, dass es kein natürliches Eigentum, keinen Eigentumsbegriff kraft Natur der Sache, gibt, weil es aufgrund seiner Rechtsgeprägtheit zwingend gesetzlicher Bestimmung bedarf.215 Art. 14 GG statuiert ein unmittelbar verbindliches Individualrecht.216 In dieser Absolutheit lässt sich das Recht allerdings nicht verwirklichen, da es notwendigerweise dort an seine Grenzen stößt, wo es mit anderen Rechten kollidiert und insoweit eines Ausgleichs bedarf.217 Für die klassisch liberalen Abwehrrechte hat der Verfassungsgesetzgeber mit den Schranken ein Instrumentarium bereitgestellt, das es ermöglicht, diese Konflikte zu lösen. Der durch das Grundrecht gewährleistete Schutzbereich bedeutet zunächst die Anerkennung einer grundrechtlich verbürgten individuellen Freiheit – bei Art. 14 GG die Eigentumsfreiheit. Diese nach dem klassischen liberalen Grundrechtsverständnis zunächst einmal unbegrenzte Freiheit kann durch rechtfertigungsbedürftige staatliche Eingriffe im Rahmen des Systems der Grundrechtsschranken eingeschränkt werden. Auf dieser Schrankenebene können somit konfligierende Verfassungsgüter zur Geltung kommen. Hier kann der Konflikt zwischen Eigentums- und Umweltschutz eine Lösung finden.218 Auch in Bezug auf Art. 14 GG wird der Begriff der Staatszielbestimmung gebraucht.219 Eine solche Sichtweise basiert auf einem oberflächlichen Umgang mit verfassungsrechtlichen Normkategorien und deren Abgrenzung gegeneinander.220 Noch dazu lässt sich aus einer solchen Interpretation kein Erkenntnisgewinn erzielen. Grundrechte sind in ihrer traditionellen Funktion Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. In dieser Funktion bleibt kein Platz für eine etwaige Einordnung als Staatszielbestimmung, weil wegen der diametral entgegengesetzten Wirkweise eine Norm entweder nur Grundrecht oder nur Staatszielbestimmung sein kann. Als weitere Funktion wird die Wirkung der Grundrechte als Elemente objektiver Ordnung im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung hervorgehoben und daraus
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Müller-Bromley, Staatszielbestimmung, S. 157 f.: Es bleibe aber der Unterschied, dass das Eigentum Individualrechtsgut sei. Vgl. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [157 f.]. Vgl. auch Dietlein, in: Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, S. 2127. Vgl. statt aller Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2. Aufl., § 149, Rn. 3. Zum grundrechtlichen Eigentumsschutz im EU-Recht vgl. Jarass, NVwZ 2006, 1089 ff. Brohm, JZ 1994, 213 [215]. Eingebettet in die Darstellung der Eigentumsdogmatik sollen im folgenden Teil C (S. 61 ff.) Ansätze vorgestellt und kritisch analysiert werden, die entgegen der herkömmlichen Grundrechtsdogmatik Gemeinwohlbelange und gegensätzliche Verfassungsgüter bereits auf Schutzbereichsebene in Form sog. immanenter Schranken zur Geltung bringen wollen. Brohm, JZ 1994, 213 [217], stuft die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in Art. 14 Abs. 2 GG als Staatszielbestimmung ein. Vgl. dazu bereits S. 33 ff. Auch Michel, Staatszwecke, S. 264, meint, Grundrechte seien als Staatszielbestimmungen anzusehen, sie hätten darüber hinaus aber noch weitere Dimensionen.
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B Grundlagen
geschlossen, dass sie damit praktisch die Funktion von Staatszielen einnähmen.221 Ob ein solcher Zielcharakter den Grundrechten tatsächlich zu entnehmen ist, ist zweifelhaft. Jedenfalls muss insoweit vor der solchen Aussagen zugrunde liegenden Vermischung der Begriffe Staatsziel und Staatszielbestimmung gewarnt werden, weil nur die klare Zuordnung einer Verfassungsnorm zu einer Kategorie geeignet ist, ihren Bedeutungsgehalt zweifelsfrei zu erschließen. Insoweit ist Art. 14 GG einzig und allein Grundrecht.
3. Zusammenfassung Verfassungsrechtlich sind der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Eigentumsschutz durch Art. 20a GG und Art. 14 GG in die Hände des Gesetzgebers gelegt. Art. 20a GG enthält eine mit einem Gesetzgebungsauftrag kombinierte Staatszielbestimmung und gewährt keine subjektiven Rechte. Gleichwohl kann gestützt auf den Gesetzgebungsauftrag aus Art. 20a GG bei Darlegung eines ausdrücklichen Auftrages an den Gesetzgeber in Form der Verfassungsbeschwerde verfassungsgerichtlich vorgegangen werden. Art. 20a GG enthält eine klare Aussage über die Intensität und Reihenfolge der angesprochenen Adressaten: Soweit Art. 20a GG Gesetzgebungsauftrag ist, ist er ausschließlich an den Gesetzgeber adressiert. Entfaltet Art. 20a GG seine Wirkung als Staatszielbestimmung, mithin nach Erfüllung des Legislativauftrages, sind Exekutive und Judikative zur Umsetzung der gesetzgeberischen Vorgaben berufen. Schutzgegenstand und Schutzniveau sind wegen der Qualität der Verfassung als Rahmenordnung in besonderem Maße der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überantwortet. Ein Verstoß des Gesetzgebers gegen seine Pflichten aus Art. 20a GG ist nur gegeben, wenn er entweder überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen hat oder offensichtlich gänzlich ungeeignete oder völlig unzulängliche Regelungen oder Maßnahmen ergriffen hat, um das Schutzziel zu erreichen. Mit dem Eigentumsgrundrecht und der Staatszielbestimmung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen treffen zwei Verfassungsbestandteile aufeinander, die jeweils unterschiedliche Charaktere des Grundgesetzes repräsentieren. Während Art. 14 GG als Grundrecht eher eine statische Funktion in Richtung auf die Bewahrung individueller Rechtspositionen vor staatlichem Zugriff zukommt, zeichnet Art. 20a GG die dynamische Seite der Verfassung nach. Gleichwohl weichen Art. 14 GG und Art. 20a GG trotz eindeutiger Charakterisierung als Grundrecht und Staatszielbestimmung als in der Regel gegensätzlich ausgerichtete Verfassungsnormtypen von der Normallage ab. Das typische Kennzeichen einer Staatszielbestimmung als dynamischer, offener Verfassungsbestandteil wird bei Art. 20a GG wegen des aufgegebenen Schutzes durch eine Bewahrungs- und Bestandserhaltungskomponente ergänzt. Bestandsbewahrung und -sicherung ist andererseits typisches Merkmal der Grundrechte. Hier weicht aber auch Art. 14 GG 221
Brohm, a.a.O. 218. Zu den anderen Grundrechtsdimensionen und ihrem Verhältnis zueinander vgl. S. 147 ff.
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vom Normalfall ab. Er repräsentiert zwar ebenso die statische Seite der Verfassung. Trotzdem ist die Eigentumsordnung und damit das Eigentumsgrundrecht ständiger Gestaltung durch den Gesetzgeber überantwortet und insoweit den Staatszielbestimmungen vergleichbar ein dynamischer Verfassungsbestandteil. Diese Besonderheiten müssen bei der nun folgenden Untersuchung der Konfliktlösung zwischen beiden Verfassungsnormen beachtet werden.
C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
I. Konfliktlösung zwischen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG Nachdem das Verhältnis von Staatszielbestimmungen und Grundrechten im Grundgesetz bereits beschrieben worden ist1, soll nunmehr das konkrete Verhältnis von Art. 14 GG und Art. 20a GG beleuchtet werden. In Bezug auf die Konflikte zwischen beiden Verfassungsgütern und -normen ist zu untersuchen, welche Lösungsmechanismen die Verfassung bereitstellt. Lassen sich solche auffinden, so gehen sie als ausdrückliche Regelung einer allgemeinen Abwägung zwischen den Verfassungsgütern vor.2 Die Untersuchung greift dabei zahlreiche Probleme auf: Art. 14 GG ist ein normgeprägtes3 Grundrecht, in dessen Geltungsbereich sich komplizierte dogmatische Fragen stellen. Art. 20a GG mit seiner noch relativ kurzen Lebensdauer 4 fehlt es an einer gesicherten dogmatischen Durchdringung und Etablierung in der Praxis. Aus grundrechtlicher Perspektive fragt sich, ob Schutzbereichsinterpretationen für die inhaltliche Bestimmung der Pflichten aus einer Staatszielbestimmung relevant sind. Umgekehrt könnten interpretatorische Auswirkungen für den grundrechtlichen Schutzbereich von der Staatszielbestimmung im Sinne einer immanenten Beschränkung ausgehen. (1.) Der besonderen Struktur des Art. 14 GG entspricht es, dass der Inhalt des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG durch den Gesetzgeber bestimmt wird, wobei die für diesen bei Inhaltsbestimmungen – die von den den Eigentümer beeinträchtigenden Schrankenbestimmungen streng abzugrenzen sind – bestehenden Grenzen im Bereich des Umweltschutzes herauszuarbeiten sind. (2.) Des Weiteren ist das Verhältnis der gesetzgeberischen Schrankenbestimmungen zur Staatszielbestimmung zu untersuchen. (3.) Letztendlich ist zu klären, ob Art. 20a GG die Ausgleichspflichtigkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen beeinflusst. (4.)
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Vgl. S. 37 ff. Ähnlich Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 269. Vgl. statt aller Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 209 ff. Zwischenbilanz nach einem Jahrzehnt Staatsziel Umweltschutz zieht in Bezug auf exekutivisches Handeln Große Hündfeld, in: FS Kutscheidt, S. 153 ff.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
1. Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie und Art. 20a GG a) Interpretative Verkürzung der Eigentümerfreiheit unter Umweltschutzgesichtspunkten Das Grundgesetz überlässt mit seinem Wortlaut, das Eigentum sei gewährleistet, die Bestimmung des Schutzbereiches der Eigentumsgarantie dem Verfassungsinterpreten, der im Wege der Verfassungsauslegung den Inhalt der Gewährleistung bestimmen muss. Hinter jeder Auslegung durch den Verfassungsinterpreten verbirgt sich eine Grundrechtstheorie, deren Erkenntnisse wiederum im Gesamtzusammenhang mit der Staatsauffassung bzw. Verfassungstheorie (des Interpreten) stehen.5 Unter dem Grundgesetz ist herrschende die liberale Grundrechtstheorie, der das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip zugrunde liegt. Danach ist der eigentumsbeschränkende Staat gegenüber dem voraus liegenden Recht des Eigentümers rechtfertigungsbedürftig.6 Ihr liberales Freiheitsverständnis ist gekennzeichnet durch eine individuelle, vorstaatliche Freiheitssphäre, die dem Staat voraus liegt, „staatsfrei“ und damit prinzipiell unbegrenzt ist.7 Jeder kann von der Freiheit egal zu welchen Zwecken Gebrauch machen, soweit er sich im Rahmen allgemein festgelegter Verträglichkeitsgrenzen bewegt8; grundrechtliche Schutzbereiche sind danach zunächst weit auszulegen. Auch der Grundrechtsschutz für umweltbelastendes Handeln kann dementsprechend nicht generell abgelehnt werden.9 Ein „Recht auf Umweltverschmutzung“ gilt allgemein als stillschweigend mit dem Eigentum verbunden10 und die Bestandsgarantie des Eigentums gewährt ein Recht 5 6 7
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Böckenförde, NJW 1974, 1529. Dazu Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 28. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 126 f., 158 f.; Schlink, EuGRZ 1984, 457 [467]. Grundlegend zu Grundrechtstheorie und -interpretation Böckenförde, NJW 1974, 1529 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 510 f.; Bethge, in: VVDStRL 57 (1998), S. 7 ff. Dazu, dass die Leistungsfähigkeit der Grundrechtstheorie mitunter überspannt wird, wodurch ihr Kern – der individuelle Freiheitsschutz – wegen der notwendigen Abwägung mit objektiven Gemeinwohlbelangen ins Hintertreffen gerät, Lepsius, EuGRZ 2004, 370 [380]. Böckenförde, NJW 1974, 1529 [1530]. Die Bestimmung dieser Verträglichkeitsgrenzen ist allerdings problematisch. Kloepfer, in: Dolde, Umweltrecht, S. 745 [759]. Umweltmedien sind „freie Güter“ und als solche seit jeher eigentumsfrei, Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rn. 308. Die Luft als eigenständiges entziehungsfähiges Gut zu sehen, scheidet schon der Natur der Sache nach aus, weil es undenkbar ist, dass sie nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Einzelnen privat zugeordnet ist, BVerwGE 124, 47 [59]. Dies ändert allerdings nichts an der grundsätzlich auch auf sie bezogenen und vom Grundrechtsschutz umfassten Nutzungsbefugnis des Grundeigentümers, so auch Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [217 ff.]. Siehe auch Friauf, WiVerw. 1986, S. 87 [102], der für ein „Recht zur genehmigungskonformen Luftbenutzung“ als „notwendige(r) Bestandteil des Eigentums an einer genehmigten Anlage“ plädiert. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 332; Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie, S. 3 [4 ff.] m.w.N.; Leisner, in: Isensee, Leisner, Rechtsschranken des Umweltschutzes, S. 414 [422]; Murswiek, JZ 1988, 985; R. Schmidt, in:
I. Konfliktlösung zwischen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
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auf Nutzung der Umweltmedien.11 Diesem weiten Schutzbereichsverständnis sind aber auch immer wieder engere Interpretationen gegenübergestellt worden. Neben verschiedenen engen Tatbestandstheorien12 wurde jüngst konstatiert, dass auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Tendenz festzustellen sei, an die Stelle einer weiten Schutzbereichsauslegung die Bestimmung eines engeren Gewährleistungsgehaltes des Grundrechts zu setzen. Dies basiert darauf, dass der vom Grundrecht umfasste Lebensbereich nicht zwingend dem Schutzbereich und schon gar nicht dem Schutzumfang entsprechen müsse.13 Art. 14 GG stellt freilich einen Sonderfall dar, weil er einen normgeprägten Schutzbereich aufweist. Heißt es in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, der Gesetzgeber bestimme den Inhalt des Eigentums, so kommt – möglicherweise ausschließlich – diesem die Freiheit zur Ausgestaltung des Grundrechts zu. Dann liegt es eigentlich nahe, das Problem der Schutzbereichsbestimmung des Eigentumsgrundrechts allein auf die Frage zu komprimieren, ob und welche Grenzen der Gesetzgeber bei Inhaltsbestimmungen zu beachten hat. Dies verkennt aber die Struktur der Eigentumsgarantie. Zu trennen sind die Begriffe des Schutzbereiches der Eigentumsgarantie, der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff und gesetzgeberische Inhaltsbestimmungen des Eigentums.14 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff dient insoweit zur Bestimmung des Schutzbereiches, als er festlegt, was im Sinne der Verfassung unter Eigentum zu verstehen ist. Er soll die verfassungsrechtlich erforderliche Qualität der einfachrechtlich zugewiesenen Rechtsposition vorgeben,
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FS Zacher, S. 947 [949]: „allgemeine Umweltverschmutzungsfreiheit“; ausführlich Haddenhorst, Umweltnutzungsfreiheit, der die Grundlage der allgemeinen Umweltnutzungsfreiheit vor allem in Art. 2 Abs. 1 GG sieht: „Die umweltbelastende Freiheitsverwirklichung ist grundrechtlich geschützt, denn die Inanspruchnahme der natürlichen Umweltgüter ist als schlichte Freiheitsausübung Bestandteil des jeweils einschlägigen Schutzbereichs“, a.a.O. S. 179. Nach Sendler gibt Art. 14 kein Recht auf Umweltverschmutzung, weil die Befugnisse des Grundstückseigentümers an der Grundstücksgrenze enden, ders., UPR 1983, 33 [41]. Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [216 ff.]. Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 280 ff.; unter dem Stichwort „ungeschriebene Grundrechtsbegrenzungen“ siehe auch Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 525 f. Zum Zusammenhang der weiten Tatbestandstheorie mit immanenten Grenzen sowie zur nicht immer eindeutigen Positionierung des BVerfG betreffend enge und weite Tatbestandstheorie Stemmler, Das „Neminem-laedere-Gebot“, S. 84 ff. und 103 ff. Kahl, in: Der Staat 43 (2004), S. 167 [175 f.]. Kritisch zu dieser Fundamentalkritik Hoffmann-Riem, in: Der Staat 43 (2004), S. 203 ff. Für einen engen Gewährleistungsgehalt, der zum Sach- und Lebensbereich hinzutritt und deshalb für dreigliedrige Grundrechtsprüfung Böckenförde, in: Der Staat 42 (2003), 165 [174]. Diese jüngere Diskussion zusammenfassend Wenger, in: AöR 130 (2005), S. 618 ff. Zur Zuordnung der Rechtsprechung des BVerfG zu enger und weiter Tatbestandstheorie Stemmler, Das „Neminem-laedere-Gebot“, S. 103 ff. Ebenso Sieckmann, Modelle, S. 114.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
die nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht.15 Das Inhaltsbestimmungsrecht des Gesetzgebers ist Ausfluss der Normprägung des Schutzbereiches: Da es kein natürliches Eigentum gibt, bedarf es zum Funktionieren der Eigentumsordnung zwingend des Tätigwerdens des Gesetzgebers.16 Inhaltsbestimmungen gestalten deshalb den Schutzbereich der Eigentumsgarantie mit, schaffen ihn aber nicht. Denn was unter den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fällt, ist auch eine Frage nach der Funktion der Eigentumsgarantie in der Ordnung des Grundgesetzes. Nach ihm richtet sich, welche Eigentümerpositionen den Schutz des Art. 14 GG genießen und verfassungsrechtlich zulässig beschränkt werden können. Der Schutzbereich gibt auch den Umfang des Eigentumsschutzes vor: Bestandsschutz, Nutzungsschutz und Verfahrensschutz.17 Im Folgenden sollen Versuche dargestellt werden, den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit und den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff interpretativ einzugrenzen. Grundrechtsdogmatische Konsequenz ist, dass das Feld von Kollisionen, die über die Grundrechtsschranken gelöst werden müssten, um so kleiner wird, je mehr Beschränkungen bereits im Schutzbereich, insbesondere in den Eigentumsbegriff, selbst eingegangen und damit dem Eigentum als Grenzen immanent sind.18 Im Hinblick auf die in ihren Ergebnissen oft nicht absehbare Handhabung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei Art. 14 GG, die vielfach zu einer Art Generalabwägung ohne strukturierende Vorgabe gerät, erscheint eine Schutzbereichsreduktion auf den ersten Blick recht viel versprechend. aa) Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff und Art. 20a GG (1) Grundsatz: Keine Wandlungsfähigkeit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes Die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 14 GG wäre für den Eigentümer sinnlos, stünde sie zur vollen Disposition des Gesetzgebers, der gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den Inhalt des Eigentums bestimmen soll.19 Deshalb muss der Verfassung selbst eine Idee von dem von ihr geschützten Eigentum zugrunde liegen. Seinen Ausdruck findet dies im verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff. Aus der Konstruktion des Art. 14 GG, der einerseits Eigentum gewährleistet, andererseits jedoch dem Gesetzgeber die Bestimmung des Inhalts des Eigentums auferlegt, wird abgeleitet, es gebe keinen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff, vielmehr liege Art. 14 GG ein Eigentumsverständnis dergestalt zugrunde, dass nur das vom Gesetzgeber zum entsprechenden Zeitpunkt einfach-gesetzlich
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Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 33. Zur Funktion des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs als Vorgabe für den inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgeber vgl. S. 97 ff. und 111 ff. Zu den Inhaltsbestimmungen S. 92 ff. Zu diesen drei Punkten vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 912 ff. Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 13, der das Problem der immanenten Beschränkung als solches der Begriffsbildung im Recht ansieht. Zu den Inhaltsbestimmungen S. 92 ff.
I. Konfliktlösung zwischen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
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festgelegte Eigentum solches im Sinne der Verfassung sei.20 Konsequenz hiervon wäre, dass das Grundrecht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stünde. Das kann nicht Zweck der Eigentumsgarantie sein. Art. 14 GG ist vielmehr so zu verstehen, dass er einen vorgegebenen, den einfachen Gesetzgeber bindenden Eigentumsbegriff beinhaltet, der vom inhaltsbestimmenden Gesetzgeber nicht berührt wird, ja zwingend beachtet werden muss.21 „Das Grundgesetz enthält allerdings keine Definition des Eigentumsbegriffs im verfassungsrechtlichen Sinn. Bei Beantwortung der Frage, welche vermögenswerten Güter als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG anzusehen sind, muss daher auf den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung zurückgegriffen werden ... Ihr kommt unter anderem die Aufgabe zu, die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen.“22 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff soll die verfassungsrechtlich erforderliche Qualität der einfachrechtlich zugewiesenen Rechtspositionen vorgeben, die nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht.23 Das Bundesverfassungsgericht versteht unter diesem Begriff die Zuordnung einer umfassenden Herrschaftsposition an einen Rechtsträger, gekennzeichnet durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis sowie die Gewährleistung der Substanz des Eigentumsgegenstandes.24 Über diese Grundsätze besteht weitgehend Einigkeit. Die Frage der Wandelbarkeit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs ist dagegen nicht unstreitig. Der konkrete Inhalt der Eigentumsgewährleistung ist zeitbezogen und wandelbar.25 Fraglich ist, ob dies gerade über die Flexibilität des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes zur Geltung kommen darf. 20
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So BVerfGE 24, 367 [396]; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn. 25 ff.; Sendler, DÖV 1974, 73 ff. Zur Diskussion dieses Problems ausführlich Appel, Entstehungsschwäche, S. 32; Bierlein, Ausgleich, S. 34 ff.; Grochtmann, Art. 14, S. 105 ff.; Kempen, Eingriff, S. 4 m.w.N. Insbesondere das BVerfG hat mit missverständlichen Aussagen mal der einen, mal der anderen Ansicht zugeneigt, wenn es einerseits betont, dass der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums aus der Verfassung selbst gewonnen werden müsse (BVerfGE 58, 300 [335]), andererseits in derselben Entscheidung betont, Eigentum im Sinne des Verfassungsrechts seien allein die einem Eigentümer in einem bestimmten Zeitpunkt gesetzlich zustehenden Befugnisse (BVerfGE 58, 300 [336]; dazu Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 37). Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [ 158 f.]. BVerfGE 42, 263 [293]. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 33. Diese „Qualifikationsfunktion“ anhand der Rechtsprechung des BVerfG nachweisend: Appel, Entstehungsschwäche, S. 77 ff. BVerfGE 37, 132 [140] und 58, 300 [345]: durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis ausgezeichnet; 52, 1 [30 f.]: Erhaltung der Substanz des Eigentums; Verfügungsbefugnis, die, wenn beschränkt, die Substanz des grundrechtlich garantierten Eigentums berühren kann. Vgl. auch BVerfGE 98, 17 [35]; 100, 289 [301]; 101, 54 [75]. Ausführlich Appel, Entstehungsschwäche, S. 41 ff. Zur Frage der Wandelbarkeit der Eigentumsgarantie an sich bereits S. 26 ff. Für eine Wandelbarkeit des Eigentumsbegriffes Andersen, Wandlung, S. 69 ff.; Hesse, Grund-
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Da an den durch Art. 20a GG nunmehr verfassungsrechtlich geschützten natürlichen Lebensgrundlagen Eigentumsrechte und -nutzungsbefugnisse denkbar sind, fragt sich, ob der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff unter Berücksichtigung der Verfassungsvorschrift des Art. 20a GG einer Neuinterpretation zugeführt werden kann oder muss. Die Eigentumsgarantie ist bereits als zwar statischer Verfassungsbestandteil vorgestellt worden. Gleichzeitig ist aber auch deren Anpassungsfähigkeit an geänderte gesellschaftliche Gegebenheiten dargelegt worden. Unter diesen Umständen erscheint es auf den ersten Blick nicht abwegig, dass sich auch der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff mit der Aufnahme des Art. 20a GG in die Verfassung in Anbetracht der – bereits beschriebenen – tatsächlichen Verbindung der natürlichen Lebensgrundlagen mit dem Grundeigentum gewandelt haben könnte.26 Dies entspricht auch der Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass Verfassungsvorschriften aus ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung heraus auszulegen seien.27 Gerade der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff lässt sich dem Art. 14 GG nur durch Interpretation entnehmen. Auf die Lehre vom Verfassungswandel – soweit man bereit ist, diese als Lehre anzuerkennen28 – kann nicht zurückgegriffen werden. Soweit ersichtlich wird der hier vorliegende Fall, dass eine interpretationsfähige Grundgesetznorm nach einer textlichen Änderung des Grundgesetzes an anderer Stelle einer Neuinterpretation zugeführt werden soll, nicht dem Begriff des Verfassungswandels zugeordnet. Wortlaut- und historische Auslegung legen nahe, dass der Eigentumsbegriff von einer Verfassungsänderung in Form des Art. 20a GG unberührt bleiben muss. Der Wortlaut von Art. 14 GG und Art. 20a GG stellt überhaupt keinen Zusammenhang zwischen beiden Normen und den dahinter stehenden Sachbereichen her. Betrachtet man den Prozess der Verfassungsänderung, der zur Aufnahme des Art. 20a GG führte, fällt auf, dass dieser tatsächliche Konflikt gesehen wurde und in vereinzelten Änderungsvorschlägen in Bezug auf Art. 14 GG selbst seinen Ausdruck fand.29 Da die Umsetzung solcher Vorschläge jedoch keinen Eingang in das Grundgesetz gefunden hat, kann dies nicht durch entsprechende Interpretation hineingedeutet werden. Die geänderte gesellschaftliche Bewertung von Umweltschutzfragen hat gerade nicht explizit auf den Sachbereich der Eigentumsgarantie durchschlagen können.
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züge, Rn. 442 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 153; Saladin, Grundrechte im Wandel, S. 391 ff.; Schoch, JURA 1989, 113 [115]; Stein, in: FS Gebhard Müller, S. 503 [504 f.]. A.A. Grochtmann, Art. 14, S. 251 f.; Schwerdtfeger, dogmatische Struktur, S. 16: die Vorstellung, „es gehe um Verfassungswandel, um einen Wandel des verfassungsrechtlichen Eigentumsinhalts, muss nach der neuen Rechtsprechung des BVerfG zur konstitutiven Zuständigkeit des inhaltsbestimmenden Gesetzgebers aufgegeben werden.“ Im Ergebnis ablehnend, allerdings ohne Begründung, Führ, NuR 1998, 6 [11]. BVerfGE 30, 1 [19]; 19, 206 [220]. Vgl. dazu schon S. 26 ff. Siehe bereits S. 30 Fn. 72.
I. Konfliktlösung zwischen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
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Allein in systematischer Hinsicht könnte mit dem Prinzip der „Einheit der Verfassung“30 etwas anderes gelten. Danach steht kein Verfassungswert isoliert und kann ohne Rücksicht auf das Verfassungsganze interpretiert werden. Freilich lässt sich aus dem Prinzip der „Einheit der Verfassung“ ein weitergehender normativer Gewinn nicht ziehen, denn das Ganze der Verfassung als solches ist nicht von normativer Kontur oder normativer Qualität.31 Es besteht auch die Gefahr einer Überbetonung der integrativen Sicht der Verfassung als „Sinnganzes“. Den Schwerpunkt auf die Systematik in der Verfassungsinterpretation zu legen bedeutete, die Abwägung zu ihrem zentralen Gegenstand zu machen und damit den unmittelbaren Normkontext zu verlassen.32 Problematisch an einer solchen integrativen Sichtweise ist aber vor allem, dass Einzelaussagen der Verfassung durch die Herstellung künstlicher Verbindungen innerhalb des Verfassungsgefüges in ihrem Bedeutungsgehalt reduziert würden. Im Gegensatz zu der von der Verfassung vorgesehenen Konfliktlösung über die gesetzgeberische Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des Eigentums bedeutete dies eine unzulässige interpretative Vorverlagerung von Entscheidungen. Auch die Konzeption des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung lässt für eine solche interpretative Einflussnahme keinen Raum. Ohne gesetzgeberische Konkretisierung enthält Art. 20a GG nur die Aufgabe, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. In welcher Form bei Wahrnehmung dieser Aufgabe auf die Eigentumsordnung eingewirkt werden kann und darf, ist von dieser Verfassungsnorm nicht präjudiziert. Die gesellschaftlichen Wandlungen und zeitbedingten Veränderungen zur Geltung zu bringen, ist Aufgabe der Legislative, wobei ein darüber hinausgehender Anpassungsbedarf nicht besteht.33 Im verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff kulminieren die absoluten und damit unantastbaren Grundprinzipien der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie überhaupt. Deshalb kann er im Ergebnis einem Wandel überhaupt nicht unterliegen.34 Die in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG enthaltene Zuständigkeit des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums lässt es auch als unnötig erscheinen, den verfassungsrechtlichen Eigen-
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Die „Einheit der Verfassung“ ist als Prinzip der Verfassungsinterpretation bedeutsam und wird vom BVerfG als Grundlage der Konfliktlösung bei uneinschränkbaren Grundrechten herangezogen, vgl. m.w.N. Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 550 ff., 560 f.; Hesse, Grundzüge, Rn. 71. F. Müller, Juristische Methodik, S. 172; kritisch auch Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 561; Ossenbühl, DÖV 1965, 649 [655]: stellt eine Interpretationsrichtlinie dar. A.A. wohl Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 127, der meint, mit Stichworten wie „Praktische Konkordanz“ und „Einheit der Verfassung“ ließen sich Staatszielbestimmungen in ein in sich logisches und folgerichtiges Norm- und Zielgefüge, insb. bei Lösung von Zielkonflikten, bringen. Herdegen, JZ 2004, 873 [876]. Grochtmann, Art. 14, S. 254 in Fn. 1183. So auch Grochtmann, Art. 14, S. 254 in Fn. 1183 und Schwerdtfeger, dogmatische Struktur, S. 16.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
tumsbegriff für wandelbar zu halten, weil er in diesem Rahmen auf Veränderungen angemessen reagieren kann.35 (2) Ausnahme: Wandlungsfähigkeit durch Sonderstatus des Grundeigentums? Das Leitbild verfassungsrechtlichen Eigentums differenziert nicht zwischen verschiedenen Arten von Eigentumsrechten und Eigentumsgegenständen. Gerade dem Grundeigentum wird aber ein Sonderstatus zugeteilt.36 Als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt wird Art. 15 GG in die Diskussion eingebracht und als Argument für einen Sonderstatus des Eigentums an Grund und Boden angeführt. Er eröffnet unter anderem für Grund und Boden die Möglichkeit der Überführung in Gemeineigentum. Unter Verweis darauf wird dessen besondere Gemeinwichtigkeit von Verfassungs wegen anerkannt und eine besondere Sozialpflichtigkeit statuiert.37 Welchen Einfluss dies auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz durch Art. 14 GG hat, ist nicht zweifelsfrei. Einerseits kann man argumentieren, dass der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz des Art. 14 GG für die durch Art. 15 GG benannten Eigentumskategorien relativiert ist, weil wegen der besonders herausgehobenen Gemeinwohlfunktionen der Gesetzgeber dieses Eigentum in besonderem Maße in Anspruch nehmen dürfe.38 Andererseits soll die Übernahme der Junktimklausel und der Entschädigungsregelungen des Art. 14 Abs. 3 GG in Art. 15 GG zeigen, dass die Möglichkeit einer Vergemeinschaftung gerade keine Einschränkung des durch Art. 14 GG gewährleisteten Eigentumsschutzes herbeiführen sollte und die Aufzählung der vergemeinschaftungsfähigen Güter in Art. 15 GG keine Differenzierung im Hinblick auf den Eigentumsbegriff bedeute.39 Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG legt ein einheitliches Begriffsverständnis unabhängig vom Eigentumsgegenstand nahe. Art. 15 GG ist für sich gesehen aufgrund seiner Aufzählung nicht geeignet, an diesem Verständnis etwas zu ändern. Denn er setzt den durch Art. 14 GG statuierten Eigentumsschutz voraus und erlaubt lediglich für die genannten Eigentumsarten einen speziell geregelten Eigentumseingriff. Die über Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG in Inhalts- und Schrankenbestimmungen zum Tragen kommende Sozialpflichtigkeit könnte jedoch tatsächlich Abstufungen je nach Bedeutung des Sachbereiches zulassen. Hier kann es zur Beachtlichkeit des zu regelnden Eigentumsgegenstandes und zu einer Differenzierung hinsichtlich dessen Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit kommen. Hier – aber auch nur hier – kann die in Art. 15 GG niedergelegte Wertung des Grundgesetzgebers Bedeutung erlangen. Grundrechtsdogmatisch bedeutet dies, dass eine Differenzie-
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In diesem Sinne auch Kutschera, Bestandsschutz, S. 21. Vgl. dazu schon S. 13. Breuer, Bodennutzung, S. 43 m.w.N. Thormann, Abstufungen, S. 54. Kimminich, in: Dolzer, BK, GG, Art. 14, Rn. 16. Nach Andersen, Wandlung, S. 138, besteht kein geringerer verfassungsrechtlicher Schutz der in Art. 15 aufgezählten Objekte.
I. Konfliktlösung zwischen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
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rung im Hinblick auf den Schutzbereich ausscheidet, aber auf der Schrankenebene zur Geltung kommen könnte.40 bb) Immanente Begrenzung des Schutzbereiches Unter immanenten Bindungen werden solche verstanden, die dem Grundrecht „wesensgemäß“, „notwendigerweise“ oder gemäß „Natur der Sache“ anhaften, also nicht von außen – beispielsweise durch Tätigwerden gestützt auf einen Gesetzesvorbehalt –, sondern durch Interpretation des grundrechtlichen Schutzgegenstandes gewonnen werden.41 (1) Interpretative Einschränkung des Eigentümerrechts an Grund und Boden In der Nassauskiesungsentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht42 eine solche einschränkende Schutzbereichsauslegung vorgenommen.43 Dort heißt es, die Eigentumsgarantie schließe nicht die Befugnis zur Nutzung des Grundwassers ein, die Nutzung und Verfügung über das Grundwasser sei somit kein Bestandteil des Eigentümerrechts am Grundeigentum.44 Konsequenz ist, dass für das Grundwasser eine vom Grundeigentum losgelöste öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung besteht. Ausgangspunkt der Beurteilung einer solchen Herausdefinierung von Nutzungsbefugnissen aus dem grundrechtlichen Schutzbereich muss die Frage sein, inwieweit die Eigentumsgarantie Nutzungen überhaupt verfassungsrechtlichen Schutz gewährt.
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Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 52; Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2. Aufl., § 149, Rn. 53: Das Eigentumsgrundrecht ist ein Abwehrrecht mit einheitlichem Schutzbereich. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 661. Vgl. auch Stemmler, Das „Neminem-laedereGebot“, S. 41 f.; Winkler, Kollisionen, S. 25 f.; durchgehend kritisch Nieuwland, Grundrechtsschranken. BVerfGE 58, 300 [338 f.]. Wie hier Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 58, der von einer a-limine-Begrenzung des Grundrechtstatbestandes spricht. Diese Rechtslage wurde durch das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) vom 16.10.1976, BGBl. I, S. 3017, geschaffen. Die Nassauskiesungsentscheidung des BVerfG erklärt dies für mit Art. 14 vereinbar; in Bezug auf die aus dem Schutzbereich sowieso heraus fallenden Nutzungsmöglichkeiten am Grundwasser war die gesetzliche Regelung allerdings nur deklaratorisch. Die Entscheidung war Gegenstand ausführlicher Erörterung im Schrifttum, vgl. zustimmend Salzwedel, ZfW 1983, 13 ff.; Soell, DVBl. 1983, 241 [243]; Wahl, NVwZ 1984, 401 [404 ff.]. A.A. Baur, NJW 1982, 1734 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 336; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 429; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 211 ff.
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(a) Umfassender eigentumsgrundrechtlicher Schutz von Nutzungen und Nutzungsmöglichkeiten Welchen Nutzungen in welcher Form Eigentumsschutz zukommt, kann als nicht eindeutig geklärt betrachtet werden. Problematisch ist, ob eine prinzipiell umfassende Nutzungs- und Verfügungsbefugnis und somit ein Recht auf optimale Nutzung verfassungsrechtlich geschützt ist.45 Insbesondere in der höchstrichterlichen Rechtsprechung finden sich widersprüchliche Aussagen zum Eigentumsschutz nicht verwirklichter Nutzungen sowie unterschiedlichste Abstufungen zwischen Nutzungen und der Intensität ihres Schutzes.46 Die engste Sichtweise geht so weit, dass die Nutzung des Eigentums an sich schon nicht zum verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff und dem Schutzbereich des Art. 14 GG gehört. Dieser schütze nur die abstrakte Rechtsinhaberschaft und gebe dem Eigentümer insoweit lediglich ein Verbotsrecht gegenüber Dritten. Jegliche Nutzung sei den Schutzbereichen anderer – spezieller – Grundrechte zuzuordnen.47 Eine solche Interpretation macht die Eigentumsgarantie wertlos. Gerade die Möglichkeit der Nutzung des Eigentumsgegenstandes ist es, was ihn für den Eigentümer interessant macht. Eine solche Auslegung widerspricht nicht nur dem eindeutigen Verfassungswortlaut, der gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG den Gebrauch – und damit Nutzung – voraussetzt, die zum „Eigentumskern“ gehört.48 Der Verfassungsinterpret würde außerdem den Gesetzgeber als den Verantwortlichen für die Eigentumsordnung entmachten, weil es der Inhalts- und Schrankenbestimmungen zur Hervorbringung der gemeinwohldienenden Funktion des Eigentums nicht mehr bedürfte. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff beinhaltet die essentiellen Merkmale Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis. Ihre nähere Betrachtung soll Aufschluss über die Frage des Nutzungsschutzes geben. Welchem dieser beiden Merkmale dabei die Frage der Nutzungsbeschränkungen zuzuordnen ist, ist nicht ganz zweifelsfrei. Deutlich wird dieses Problem bei Betrachtung der 45
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Dafür König, Bodennutzung, S. 36 ff.; Leisner, BB 1992, 73 [78 f.]; Leisner, Sozialbindung, S. 196 f.; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 248 ff.; dagegen Appel, NuR 2005, 427 ff. Ebenso dagegen: Böhmer, NJW 1988, 2561 [2571 f.]; Grochtmann, Art. 14, S. 115 ff.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 66: Eigentum berechtigt von Verfassungs wegen nicht zu einer Nutzung, die die Umwelt belastet. Vgl. auch Schönfeld, BayVBl. 1996, 721 [724], Sieckmann, Modelle, S. 205 und die Differenzierungsversuche bei Knauber, Struktur, S. 174 f., Maiwald, BayVBl. 1991, 101 ff. und Peter, Grundeigentum, S. 83. BVerfGE 58, 300 [336]: Nutzungs- und Verfügungsrechte werden durch die jeweils geltenden rechtlichen Regelungen bestimmt. Der BGH stellt darauf ab, ob sich eine Nutzung objektiv anbietet, BGHZ 90, 17 [25]. Das BVerwG hat berücksichtigt, ob die Verkehrsauffassung die Nutzung geradezu vermisst, BVerwGE 67, 84 [92]; 67, 93 [96 f.]. Vgl. auch Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 35 f. mit vielen Rechtsprechungsnachweisen. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 268 f. Ähnlich auch Aicher, Eigentum als subjektives Recht, S. 77 f. Wie hier auch Ossenbühl, in: FS Leisner, S. 689 [690 f.]: Art. 14 verbürgt eine Nutzungsgarantie, die den gleichen Rang wie die Bestandsgarantie hat.
I. Konfliktlösung zwischen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
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typischen gesetzgeberischen Maßnahme zur Einschränkung der Verfügungsbefugnis – dem Veräußerungsverbot. Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff des Veräußerungsverbotes so weit gezogen, dass darunter auch starke Nutzungsbeschränkungen fallen können. Denn es meint, es könne „nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob durch eine ausdrückliche Norm ein Veräußerungsverbot statuiert wird oder sich dieses im praktischen Ergebnis aus einer anderen Regelung zwangsläufig ergibt.“49 Konsequenz ist, dass der Anwendungsbereich des Merkmals Verfügungsbefugnis zu lasten der Privatnützigkeit ausgedehnt wird, obwohl Privatnützigkeit das Problem der Nutzungen bereits im Begriff trägt. Dementsprechend zeigen andere bundesverfassungsgerichtliche Entscheidungen, dass die Frage des Schutzes von Nutzungen zur Privatnützigkeit gezählt wird.50 Hier versteht das Bundesverfassungsgericht unter Privatnützigkeit die Befugnisse, die die unmittelbare Nutzung des Eigentumsgegenstandes gewährleisten, wie das Recht zur Selbstnutzung. Die Verfügungsbefugnis betrifft dagegen die Rechte, die eine mittelbare Nutzung absichern, indem sie dem Eigentümer die Möglichkeit bieten, durch Veräußerung bzw. Belastung des Eigentumsgegenstandes für diesen ein Surrogat zu erhalten.51 Auch wenn danach die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts suggerieren, es gebe einen fließenden Übergang bei der Subsumtion unter die verschiedenen Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs, erscheint es angebracht, diese strikt auseinander zu halten. Dies verstärkt die Klarheit der Eigentumsdogmatik ebenso, wie es das Wirksamwerden dieser Merkmale zum Schutz des Eigentümers sicherstellt.52 Verfassungsrechtlicher Schutz von Nutzungen und Nutzungsmöglichkeiten findet somit in dem Merkmal der Privatnützigkeit seinen Ausdruck. Eigentum soll in der Hand des Eigentümers „... als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse ‚von Nutzen‘ sein“.53 Wie noch zu zeigen sein wird, ist Privatnützigkeit aber nicht nur Qualifikationsmerkmal einer verfassungsrechtlichen Eigentumsposition, sondern auch Rechtmäßigkeitskriterium im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung.54 Eigentum als Grundlage privater Initiative setzt aber nicht voraus, dass sich aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie ein „Anspruch auf Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeit herleiten [lässt], die dem Eigentümer den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspricht“.55 Bloß faktische Positionen, Chancen und Erwerbsaussichten sind gerade nicht vom Eigentumsschutz erfasst.56 49 50 51 52
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BVerfGE 52, 1 [31 f.]. BVerfGE 101, 54 [75]. Vgl. hierzu Appel, Entstehungsschwäche, S. 45. Teilweise a.A. Appel, Entstehungsschwäche, S. 75, der das Kriterium der Verfügungsbefugnis als Definitionsmerkmal aufgeben und nur bei der Eigentumsrechtfertigung verwendet wissen will. BVerfGE 50, 290 [339]. Appel, Entstehungsschwäche, S. 73. Zu den Merkmalen des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs als Grenze gesetzgeberischer Inhalts- und Schrankenbestimmungen vgl. im Folgenden S. 97 ff. und 111 ff. BVerfGE 58, 300 [345]. BVerfGE 68, 193 [222]; 74, 129 [148].
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Im Übrigen differenziert das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes zwischen Nutzungsmöglichkeiten, die nicht verwirklicht bzw. ins Werk gesetzt sind und solchen, von denen bereits Gebrauch gemacht wurde. Was die zweite Gruppe betrifft – die ausgeübten Nutzungen –, kommt diesen Eigentumsschutz zu.57 Schwieriger ist die Lage bezüglich der ersten Gruppe. Dazu heißt es, durch in die Zukunft gerichtetes objektives Recht, das derartige Befugnisse nehme, erfolge kein Entzug derselben. Dabei muss das Bundesverfassungsgericht mit seiner Aussage, dies führe „nicht zum Entzug einer konkreten, der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterliegenden Rechtsposition“58, nicht zwingend so verstanden werden, dass schon der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht eröffnet wäre. Dies kann auch so gedeutet werden, dass lediglich keine enteignungsfähige Rechtsposition vorliege. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle nicht ins Werk gesetzte Nutzungen als nicht von der Eigentumsgarantie erfasst angesehen.59 Anders ist es aber wiederum mit der Aussage zu verstehen, eine Enteignung läge nicht vor, wenn der Gesetzgeber das Entstehen von – bisher möglichen – Rechten für die Zukunft ausschließe, denn damit setzt es indirekt deren Eigentumsschutz voraus.60 Es widerspricht deshalb nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, einen gestuften eigentumsgrundrechtlichen Schutz schon auf Schutzbereichsebene abzulehnen. Nach der Konzeption der Eigentumsgarantie ist gemäß Art. 14 Abs. 2 GG gleichermaßen jeder Gebrauch eigentumsrechtlich relevant und geschützt. Für eine Differenzierung sind keine Gründe ersichtlich. Es entspricht dem Freiheitsverständnis unserer Verfassung, dass der grundrechtliche Schutzbereich weit zu verstehen und eine umfängliche Gewährung der Nutzungsfreiheit anzunehmen ist. Auch der Begriff verfassungsrechtlichen Eigentums gibt mit dem Merkmal der grundsätzlichen Nutzungs- und Verfügungsbefugnis einen wichtigen Anhaltspunkt. Insbesondere ist dem Gesetzgeber mit der Befugnis zur Schranken57
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Dass die Nutzungsbefugnis von Art. 14 geschützt wird, ergibt sich aus zahlreichen Entscheidungen, vgl. BVerfGE 21, 229 [239]; 81, 29 [33]; 88, 366 [377]; 98, 17 [35]; 101, 54 [75]. A.A. allerdings Appel, Entstehungsschwäche, S. 144 ff., der meint, das BVerfG beziehe sich auf Nutzungen immer nur zur Qualifikation einer einfachgesetzlichen Rechtsposition als Eigentum; insb. BVerfGE 21, 229 [239] widerlegt dies aber. Zweifelhaft ist allerdings, ob bei Entzug solcher Positionen von einer Enteignung auszugehen ist. Dies hat BVerfGE 58, 300 [338, 349] offen gehalten; es sei jedenfalls mit Art. 14 nicht vereinbar, wenn Grundstücksnutzungen, mit denen erheblicher Arbeitsund Kapitaleinsatz einhergegangen sei, abrupt und ohne Überleitung unterbunden würden. Daraus schließt Leisner, in: Isensee, Leisner, Rechtsschranken des Umweltschutzes, S. 414 [433], dass das BVerfG nur intensiv ausgeübten Nutzungen Eigentumsschutz gegen Enteignung zukommen lässt. Gänzlich gegen eine Interpretation des BVerfG dahingehend, dass Nutzungsmöglichkeiten verfassungsunmittelbaren Schutz des Art. 14 genössen, Appel, NuR 2005, 427 [430 f.], der allerdings von einer strengen Gesetzesabhängigkeit des Eigentums ausgeht. Im letzteren Sinne auch Grochtmann, Art. 14, S. 115 ff. BVerfGE 58, 300 [338]. BVerfGE 89, 1 ff. BVerfGE 31, 270 [274]; 83, 201 [211 f.]. Ähnlich Schönfeld, BayVBl. 1996, 673 [679].
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ziehung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG die Möglichkeit an die Hand gegeben, aus dem Gemeinwohl dienlichen Gründen Nutzungen zu reglementieren oder zu untersagen. Art. 14 Abs. 2 GG gibt insoweit eindeutig die Richtschnur vor, nach der der Gebrauch des Eigentums auch dem Allgemeinwohl dienen soll. Das setzt aber grundsätzlich voraus, dass alle Nutzungen Eigentumsschutz genießen. Auch lässt sich eine gesetzgeberische Festlegung von Nutzungsrechten, die die Einschränkung von Nutzungsbefugnissen als Sozialbindung rechtfertigt, nur rechtlich prüfen, wenn die Nutzungsmöglichkeiten a priori umfänglich sind. 61 Abstufungen in der Intensität des Schutzes kommen auf der Ebene der Beschränkungen der Eigentümerfreiheit zur Geltung. So genießen zum Beispiel verwirklichte Nutzungen den Schutz des durch eigene Leistung Erworbenen. Dies begründet ein besonderes Gewicht des Eigentumsschutzes.62 Dies ist allerdings erst eine Frage der Rechtfertigung der Beschränkung, insbesondere in der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, kommt dagegen nicht schon bei der grundsätzlichen Frage nach dem „Ob“ des verfassungsrechtlichen Schutzes zur Geltung.63 (b) Ausnahme des grundsätzlichen Nutzungsschutzes im Umweltschutzrecht? Auch wenn man den grundsätzlichen Schutz der Nutzungsbefugnisse im Rahmen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes bejaht, schließt dies Ausnahmen in einzelnen Bereichen nicht aus. So drängt sich gerade für das Eigentum an Grund und Boden eine Ausnahme auf, da sein Gegenstand selbst natürliche Lebensgrundlage ist. Das Bundesverfassungsgericht führt dafür, dass das Grundeigentum nicht zur Nutzung des Grundwassers berechtige, die überragende Bedeutung des Wassers und einer geordneten Wasserwirtschaft als Lebensgrundlage des Menschen an.64 Grundlage dieser besonderen Behandlung war aber auch eine spezielle in Bezug auf das Wasser bestehende Rechtslage, die nicht unbedingt verallgemeinerungsfähig und nicht ohne weiteres auf andere Umweltgüter übertragbar ist.65 Gleichwohl haben auch andere Umweltmedien als Lebensgrundlage für den Menschen überragende Bedeutung. Da die Umwelt ein komplexes System ist, innerhalb dessen sich die Umweltmedien gegenseitig beeinflussen und sauberes Wasser allein nicht das Überleben des Menschen sichert, erscheint es einzig überzeugend, die Argumentation für das Wasser grundsätzlich auf andere Umweltmedien zu übertragen. Dem vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Nassauskiesung beschrittenen Weg wird hier aber nicht gefolgt. Die interpretatorische Herausnahme der Nutzungsmöglichkeiten am Grundwasser ist nicht mit dem Eigentumsgrundrecht vereinbar. Dessen Vorgabe lautet, dass das Grundwasser von Verfassungs wegen dem Grundeigentum rechtlich zugeordnet sein muss. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff. Eine andere Sichtweise führt zur 61 62 63 64 65
Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 329. BVerfGE 50, 290 [340]; 58, 137 [150]. So auch Sieckmann, Modelle, S. 193 in Fn. 37. BVerfGE 58, 300 [341]. Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 59.
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Aushöhlung des grundrechtlichen Schutzes. Denn in der Folge ließe sich jede Herausnahme der Nutzungsmöglichkeiten an Umweltmedien begründen, weil unstreitig alle Ressourcen begrenzt und in ihrer Bedeutung für den Menschen überragend sind. Die Schwerpunktlegung auf die Knappheit des Wassers erscheint deshalb verfehlt.66 Über die dem Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG eingeräumte Möglichkeit der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums kann dem Problem ohne weiteres Rechnung getragen werden.67 Letztlich kreiert das Bundesverfassungsgericht hier einen Sonderstatus des Grundeigentums, der verfassungsrechtlich in dieser Gestalt keinen Halt findet. Zu bemerken ist noch, dass sich die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in der Nassauskiesungsentscheidung nicht auf einen verfassungsrechtlichen Schutz des Wassers stützen konnte, weil es einen solchen damals noch nicht gab. Nach der nunmehr geltenden Verfassungsrechtslage kann sich die vorgestellte Argumentation des Bundesverfassungsgerichts auf Art. 20a GG beziehen. Für die Frage des Eigentumsschutzes von Nutzungen an den natürlichen Lebensgrundlagen trifft Art. 20a GG freilich keine Aussage. Er enthält in erster Linie einen gesetzgeberischen Schutzauftrag. Unmittelbar – also ohne gesetzgeberische Vermittlung – kann er als ein mit einer Staatszielbestimmung kombinierter Gesetzgebungsauftrag grundrechtliche Schutzbereiche nicht beeinflussen. Nach der geltenden Verfassungsrechtslage unterfallen deshalb auch Nutzungen an natürlichen Lebensgrundlagen dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG.68 Eine Sonderbehandlung des Grundeigentums im Umweltschutz auf tatbestandlicher Ebene ist deshalb verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. (2) Der Streit um die Rechtsnatur des Art. 14 Abs. 2 GG Speziell für das Eigentumsgrundrecht wird die Tatsache, dass es wegen Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in seiner Ausübung unter dem Vorbehalt verfassungsmäßiger Wahrnehmung stehe, für eine immanente Begrenzung der Eigentumsgarantie angeführt.69 Auch wird damit der unmittelbare Einfluss einer Staatszielbestimmung auf den grundrechtlichen Schutzbereich zu begründen versucht: Verhaltensweisen, die die Zielkonzeptionen des Umweltschutzes konterkarierten, seien vom Schutz der Eigentumsgarantie nicht erfasst.70 Rechtsdogmatisch soll die darin 66 67 68
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Zur „Knappheit“ bezogen auf das Grundeigentum siehe auch BVerfGE 21, 73 [82 f.]. Vgl. unter S. 97 ff. und 106 ff. So auch König, Bodennutzung, S. 31 ff. Über die hiesige Fragestellung hinaus geht die Frage nach der Nutzung öffentlicher Sachen, die nicht als Ausübung grundrechtlicher Freiheit anzusehen ist, sondern staatlicher Zulassung bedarf, vgl. Lorenz, NVwZ 1989, 812 [818], weil der Begründung einer öffentlichen Sache eine gesetzgeberische Entscheidung vorausgeht. Inwieweit Umweltmedien als öffentliche Sachen festgelegt werden dürfen, ist an späterer Stelle zu erörtern, vgl. S. 103 ff. Chlosta, Wesensgehalt, S. 24: nach Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG gibt es grundsätzlich kein ungebundenes Eigentum; Schneider, Güterabwägung, S. 95: „Art. 14 Abs. 2 GG positiviert eine immanente Grenze des Art. 14 Abs. 1 GG.“; dagegen Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 232 ff. Michel, Staatszwecke, S. 288. Art. 20a GG als taugliche Grundlage für eine unmittelbare Beschränkung von Art. 14 befürwortet Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 194.
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liegende (verfassungsrechtliche) ökologische Grundpflicht als immanente Schutzbereichsgrenze wegen der Normprägung des Schutzbereiches von Art. 14 GG herangezogen werden können.71 Weiterhin wird aus Art. 14 Abs. 2 GG geschlussfolgert, dass Eigentumsnutzungen, die dem Gemeinwohl zuwiderliefen, von vornherein der Eigentumsgarantie nicht unterfielen, er also unmittelbar bestimmte Nutzungen aus dem Schutzbereich ausschließen könne.72 Im Verbund damit wird aus Art. 20a GG eine gesteigerte Sozialpflichtigkeit im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG hergeleitet, soweit Grundstücke mit Bedeutung für den Umweltschutz betroffen sind.73 Auch das Bundesverwaltungsgericht zieht Art. 14 Abs. 2 GG als immanente Begrenzung der Eigentumsgarantie heran.74 Für eine immanente Einwirkung auf das Eigentumsgrundrecht dient Art. 14 Abs. 2 GG damit in zweierlei Hinsicht: als Schutzbereichsbegrenzung und als unmittelbare Begründung konkreter Eigentumsbeschränkungen.75 Gegen die immanente Begrenzung des Schutzbereichs bestehen erhebliche Bedenken. Zunächst spricht der an den Gesetzgeber gerichtete Auftrag zur Eigentumsinhaltsbestimmung in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dagegen, der umgangen würde, weil mit der Interpretationskompetenz der anderen Gewalten in die Normsetzungskompetenz der Legislative eingegriffen würde.76 Zum anderen setzt die von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG eingeräumte Möglichkeit der Inhaltsbestimmung und Grenzziehung voraus, dass Eigentum überhaupt betroffen ist – was Eigentum ist, dazu verhält sich Art. 14 Abs. 2 GG aber gar nicht.77 Bestätigt wird dies auch bei einem Blick auf Art. 20a GG. Ein immanent durch Umweltschutzbelange begrenzter Schutzbereich bedeutete unmittelbare Einwirkung einer Staatszielbestimmung auf ein Grundrecht. Denn „Eigentum verpflichtet“ bedeutet, dem Allgemeinwohl verpflichtet. Dieser Begriff umfasst auch den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als explizites Verfassungsgut. Weder lässt sich eine solche unmittelbare Wirkung von Staatszielbestimmungen auf Grundrechte begründen, noch würde dies der grundgesetzlichen Kompetenzordnung – ausgeformt durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 20a GG – entsprechen, nach der die Legislative primär verpflichtet und berechtigt ist. Die Gemein- und Umweltnützigkeit des Eigentümerhandelns ist damit gerade nicht Legitimationsbedingung privater Verfügungsbefugnis, sondern Auftrag an
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So zusammenfassend Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 997, 1019. Czybulka, NuR 1988, 214 [216]; Maiwald, BayVBl. 1991, 101 [102 f.]; Parodi, Eigentumsbindung, S. 94; vgl. auch die Nachweise bei Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 293 in Fn. 20. Anders z.B. König, Bodennutzung, S. 30: alle vom Gesetzgeber nicht ausgeschlossenen Nutzungsmöglichkeiten gehören zum Eigentum. Zu diesem Themenkomplex auch soeben unter (1)(a). Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 194: der Eigentümer habe eine höhere Darlegungslast, warum sein Eigentum nicht entschädigungslos beschränkt werden dürfe. BVerwGE 94, 1 [4]; 84, 361 [371]. Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 292 ff. Auf letzteres wird erst auf S. 175 ff. zurückzukommen sein. Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 101. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 293.
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den Gesetzgeber, diese zur Geltung zu bringen.78 Damit trägt Art. 14 Abs. 2 GG zur Bestimmung des Schutzbereiches der Eigentumsgarantie nichts bei, schon gar nicht kann er ihn unmittelbar – d.h. ohne gesetzgeberisches Tätigwerden – eingrenzen.79 (3) Umweltstaatliche Immanenzlehre (a) Ursprünge, Entwicklung, Begriffsklärung Hinter der Idee der umweltstaatlichen Immanenzlehre80 steckt ein Gedanke, den das Bundesverwaltungsgericht schon sehr früh formuliert hat und der als „Gemeinschaftsvorbehalt“ bezeichnet wird: Es gehöre „zum Inbegriff der Grundrechte, [...] dass sie nicht in Anspruch genommen werden dürfen, wenn dadurch die für den Bestand der Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet werden; denn das Grundrecht setzt den Bestand der staatlichen Gemeinschaft voraus, durch die es gewährleistet ist. Solche Schranken sind dem Grundrecht immanent.“81 Immanente Grundrechtsgrenzen wurden für vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte entwickelt.82 Auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte sollten im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht ohne Berücksichtigung anderen kollidierenden Verfassungsrechts in Anspruch genommen werden dürfen. So bezog sich auch die eingangs zitierte bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung auf ein vorbehaltloses Grundrecht. Sie kann deshalb nicht ohne weiteres auf Art. 14 GG übertragen werden. Allerdings werden vermehrt auch bei mit Gesetzesvorbehalt versehenen Grundrechten immanente Grenzen zu begründen versucht.83 Ein Beispiel hierfür ist die Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte.84 Der Begriff der immanenten Schranken suggeriert die Zuordnung deren Prüfung zur Schranken- und nicht zur Schutzbereichsebene, obwohl dadurch verschleiert wird, dass tatsächlich eine begrenzende Interpretation der Weite der
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Kersting, in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2004/1, S. 43 [44]. So auch König, Bodennutzung, S. 30. Begriff übernommen von R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [952]. BVerwGE 2, 295 [300] (zu Art. 12 GG). In der jüngeren Rechtsprechung findet sich diese Sichtweise nicht mehr, vgl. bspw. BVerwG DVBl. 2005, 1455 [1458]: Der Geltungsgehalt einer Norm darf nur insoweit immanent beschränkt werden, wie das logisch und systematisch zwingend erscheint; die Aufgabe, widerstreitende Belange auszugleichen, obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber. Dass jede Freiheit ihre Schranken bereits in ihrem Begriff trage, ist auch Grundlage der konservativen Grundrechtstheorie; vgl. zu dieser Depenheuer, in: Merten/Papier, HbGr I, § 11, Rn 32 ff. Beispielhaft BVerfGE 28, 243 [260 f.]; BVerwGE 37, 265 [267 f.]; ausführlich Bamberger, Verfassungswerte, S. 52 ff.; Nieuwland, Grundrechtsschranken, S. 90 ff.; Winkler, Kollisionen, S. 47 f. Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 47; Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 524 ff. Dazu sogleich unter (b).
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grundrechtlichen Gewährleistung in Rede steht. Hier wird im Folgenden von immanenten Grenzen der Grundrechte gesprochen.85 (b) Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte als Ausformung dieser Lehre Die Berechtigung solcher immanenter Begrenzung wird mit Blick darauf begründet, dass Sinn und Zweck eines Grundrechts auf Grenzen schließen lassen können, die im Wortlaut gar nicht oder nur ungenügend zum Ausdruck kommen.86 Methodisch liegt darin eine teleologische Reduktion des Grundrechtstatbestandes.87 Umweltstaatlich weiterentwickelt führt diese These dazu, dass umweltbeeinträchtigendes bzw. -gefährdendes Verhalten aus dem grundrechtlichen Schutzbereich heraus fiele.88 Schlagwortartig kommt dies auch im Begriff der allgemeinen Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte89 zum Ausdruck.90 Ökologiepflichtigkeit des Art. 14 GG würde bedeuten, die absolute, grundsätzlich unbeschränkte Eigentümerfreiheit im Namen des Umweltschutzes schon auf Tatbestandsebene einzugrenzen. Darin läge ein Bruch mit dem freiheitlichen Grundrechtsverständnis, wonach es Grundrechtsschutz auch für private Umweltbelaster gibt.91 (c) Ablehnung der Ökologiepflichtigkeit des Eigentumsgrundrechts An diesem Grundrechtsverständnis hat sich durch die Aufnahme des Art. 20a GG in die Verfassung nichts geändert. Das Grundeigentum umfasst für den Eigentümer das Recht des Zugriffes auf die verschiedenen Umweltmedien. Art. 20a GG ist nicht zur Begründung einer staatlichen Rechtsposition an den natürlichen Lebensgrundlagen geeignet.92 Art. 20a GG enthält einen Gestaltungsspielraum für 85 86 87 88 89 90
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So auch Stemmler, Das „Neminem-laedere-Gebot“, S. 29 ff. Lerche, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 121, Rn. 12. R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [953]. R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [953]. Zum Begriff vgl. bereits S. 5 f. Kloepfer/Vierhaus, in: Kloepfer, Anthropozentrik, S. 29 [32]; R. Schmidt, a.a.O. Bosselmann, Im Namen der Natur, S. 211 ff., plädiert für die „Ökologiepflichtigkeit des Eigentums“. Es sei ein ökologisch erweiterter Eigentumsbegriff zugrunde zu legen, nach dem die Abwägung bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen nicht mehr auf einseitig anthropozentrischer Grundlage vorgenommen werden dürfe, ders., Ökologische Grundrechte, S. 124. Insoweit wohl auch von der liberalen als der herrschenden Grundrechtstheorie abweichend Suhr, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 38 (1979), S. 351; Weber DVBl. 1971, 806 [807]; Rupp, JZ 1971, 401 [402]. Vgl. dazu schon S. 62 ff. So auch Stoll, Sicherheit, S. 376. Vgl. zur öffentlichen Sache als Instrument des Umweltschutzes Lorenz, NVwZ 1989, 812 ff. Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 57, zieht allerdings Art. 20a GG in Betracht zur Begründung einer a-limine-Begrenzung des grundrechtlichen Schutzbereiches und spricht von einem neuartigen Spannungsverhältnis in der Verfassung zwischen Art. 14 und Art. 20a GG. Gänzlich gegen eine tatbestandliche Begrenzung Bamberger, in: Der Staat 39 (2000), S. 355 [372]: als taugliche allgemeine, bereits auf Tatbestandsebene angesiedelte Grenzen grundrechtlicher Freiheit erweisen sich allein kollidierende Grundrechte Dritter.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
den Gesetzgeber.93 Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen durch den Gesetzgeber setzt nicht zwingend voraus, dass der Staat Inhaber der Rechtspositionen daran ist, weil er verschiedene Möglichkeiten hat, auf private Inhaber derartiger Rechtspositionen einzuwirken und mit diesen seinen Schutzauftrag aus Art. 20a GG zu erfüllen. Natürliche Lebensgrundlagen im jeweiligen Fall dem Staat als Rechtsposition zuzuweisen, ist dabei für den Gesetzgeber eine Möglichkeit von vielen, seinen Gestaltungsspielraum auszunutzen. Welchen Bindungen er als der primär von Art. 20a GG angesprochene Akteur dabei unterliegt, ist eine andere Frage. Hierfür ist Art. 20a GG keine Aussage zu entnehmen. Auch die neue Staatszielbestimmung ist nicht isoliert für sich, sondern im Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes zu sehen. Schutzmaßnahmen für die Umwelt haben deshalb insbesondere beim Tangieren von Grundrechten deren Vorgaben zu beachten. Eine Verfassungsvorschrift mit dem beschriebenen Inhalt würde auch der prinzipiell marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes widersprechen, die im wesentlichen auf dem Prinzip der Freiheit und damit dem des Privateigentums gerade an Grund und Boden gründet. Gänzlich unvertretbar erscheint diese Ansicht bei Betrachtung der Vorschrift des Art. 15 GG. Dieser wurde geschaffen, weil im Parlamentarischen Rat einheitlich davon ausgegangen wurde, dass Art. 14 GG nicht alle erforderlichen Eingriffe in das Eigentum ermöglichen könne.94 Die Überführung von Grund und Boden in Gemeineigentum fand deshalb Eingang in Art. 15 GG. Die pauschale Herleitung staatlicher Rechtspositionen an den natürlichen Lebensgrundlagen aus Art. 20a GG widerspricht dem und ist verfassungsrechtlich nicht haltbar. Der Gesetzgeber ist bei Konkretisierung von Staatszielbestimmungen in spezifischer Weise grundrechtlich gebunden, nämlich im System des Gesetzesvorbehaltes. Gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber bestimmt. Der die natürlichen Lebensgrundlagen schützende Gesetzgeber ist allerdings bei Betroffenheit von Eigentumspositionen darüber hinaus in einer speziellen Situation: Er ist gleichzeitig auch Gesetzgeber im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und insoweit überhaupt erst zur Bestimmung des Inhalts des – in Anspruch zu nehmenden – Eigentums berechtigt und verpflichtet. Trifft er zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gesetzgeberische Maßnahmen, kann er Eigentum anders als bisher definieren, damit auch aus dem Schutzbereich „herausdefinieren“, und sich so im Grundrechtssystem bestehender Bindungen entziehen. Es stellt sich mithin die Frage, was durch das Eigentumsgrundrecht geschützt ist und vom Gesetzgeber zu beachten ist. Eine wesentliche Vorgabe stellt der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff dar. Grundrechtsinterpretation darf nicht ohne Blick auf die gesamte Verfassungsordnung stattfinden, weil gerade die Grundrechte durch ihre Stellung und Bedeutung in der Verfassung auch die Funktion sachlicher Inhaltsbestimmung der übrigen Verfassungsordnung übernehmen.95 Insoweit ist die Wertentscheidung des
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Vgl. aus der Rechtsprechung BVerwG, DVBl. 2007, 821 [831]. Matz, JöR n.F. Band 1 (1951), S. 154 ff. Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325 [339].
I. Konfliktlösung zwischen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
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Art. 20a GG zunächst einmal grundsätzlich geeignet, auf den grundrechtlichen Eigentumsschutz Einfluss zu nehmen.96 Die Verfassungsgüter Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen stehen im Grundgesetz gleichwertig nebeneinander.97 Eine Betrachtung im Hinblick auf die Wertigkeit beider Güter bringt mithin keine Erkenntnisse. Deshalb kann die bloße Aufnahme des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in das verfassungsrechtliche System nicht ohne weiteres Einfluss auf den Eigentumsschutz haben. Bei der Interpretation der Verfassungsnormen muss zwar der Blick auf die gesamte Verfassungsordnung gerichtet werden, so dass Eigentumsschutz nicht „blind“ betrieben werden darf. Für Kollisionsfälle hat der Grundgesetzgeber jedoch durch die Wahl der Normtypen den entscheidenden Lösungsweg vorgegeben: Staatliches Handeln zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – geleitet durch die Staatszielbestimmung – unterliegt, soweit es grundrechtsrelevant ist, dem grundrechtlichen Schrankensystem und ist rechtfertigungsbedürftig. Nur hier werden Gemeinwohlinteressen relevant. Ihnen Geltung zu verschaffen ist im Rahmen des Eigentumsgrundrechts Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers. Eine immanente Schutzbereichsbegrenzung lässt dieses Kollisionslösungssystem des Grundgesetzes außer Betracht und hebelt es letztendlich aus, weil das Konfliktpotential zwischen Eigentümerfreiheit und Umweltschutz auf Schutzbereichsebene bereits so gut wie aufgehoben würde.98 Auch eine solche Schutzbereichsreduktion – egal in welcher Gestalt – ist nie kollisions- bzw. wertungs- und abwägungsfrei zu erreichen.99 Vielmehr setzt sich dieser – bisher auf die Rechtfertigungsebene zielende – Vorwurf in derselben Gestalt bei der Schutzbereichsreduzierung fort, führt hier aber zu einer rechtsstaatlich in höherem Maße bedenklichen Entwicklung: dem Freiheitsverlust in Raten. Dem hat der Verfassungsgeber selbst ausdrücklich entgegengewirkt, indem er – jedenfalls in Bezug auf das Verhältnis der natürlichen Lebensgrundlagen zum Eigentum – die Zuweisung der Problemlösung an die Rechtfertigungsebene vorgenommen hat100: Außerhalb der am Wohl der Allgemeinheit orientierten gesetzgeberischen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ist das Eigentum voraussetzungsfrei gewährleistet, so dass sich eine unmittelbare, nicht gesetzlich vermittelte Reduzierung der Garantie verbietet. Dies bestätigt auch ein Blick auf das Eigentumsgrundrecht selbst, dessen Grenzen allein durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG in Form von gesetzgeberischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen festgelegt werden. Mit der Ge96
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So auch Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a, Rn. 13; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 20a, Rn. 17. Zu den Auswirkungen auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff vgl. schon S. 64. Vgl. dazu S. 19 ff. Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 13: „Das kann in letzter Zuspitzung zu einem schlechterdings leeren Rechtstitel führen, wenn und weil alles, was ihm an Inhalt zuzukommen scheint, durch begriffsimmanente Schranken wieder ausgeschieden wird“. Ebenso Kahl, in: Der Staat 43 (2004), S. 167 [192], bei seiner Kritik an der Lehre vom engen Gewährleistungsgehalt der Grundrechte. Vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 288 ff.; v. Arnauld, Die Freiheitsrechte, S. 83; Haddenhorst, Umweltnutzungsfreiheit, S. 77. A.A. Hoffmann-Riem, in: Der Staat 43 (2004), S. 203 [205].
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
währleistung des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG hat der Verfassungsgeber dem vorgelagert einen zunächst unbegrenzten Freiheitsbereich geschaffen. Insoweit bleibt kein Raum für eine davon unabhängige interpretative Schutzbereichsverkürzung. Des Weiteren sprechen auch grundrechtsdogmatische und rechtsstaatliche Argumente gegen die umweltstaatliche Immanenzlehre. Eine Übertragung der ursprünglich für vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte entwickelten immanenten Grenzen auf schrankenunterworfene Grundrechte scheidet aus. Die Argumente die dort dagegen sprechen, greifen hier umso stärker: Begrifflich wenig präzise, verkürzen sie verfassungsrechtlich garantierte Freiheiten in Vorgriff auf die Beschränkungsnotwendigkeit und hebeln die ausdifferenzierte Schrankendogmatik aus.101 Die Schutzbereichsdefinition hat begriffslogisch vor der Schrankenziehung methodischen Vorrang.102 Eine Verlagerung der Problematik von den Schranken in den Schutzbereich ist dabei nicht geeignet, die Grenze grundrechtlichen Handelns zu bestimmen.103 Insbesondere verfängt nicht der Erst-recht-Schluss, dass vorbehaltlose Grundrechte sonst stärker relativiert werden könnten als Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt.104 Die Fragwürdigkeit der Anerkennung immanenter Grenzen bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten schließt aus, sie auch noch auf Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt zu übertragen. Über diese grundsätzlichen Bedenken hinaus ist die Annahme immanenter Grenzen des Eigentumsgrundrechts auch aus sonstigen Gründen und insbesondere im Bereich des Umweltschutzes verfassungsrechtlich unzulässig. Die Immanenzlehre ist auch deshalb abzulehnen, weil sie das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip in sein Gegenteil verkehrt105 und das vertikale verfassungsrechtliche Kompetenzgefüge verschiebt. Wer außer dem Gesetzgeber sollte die Ökologiepflichtigkeit des Eigentums wirksam werden lassen? Nach der Immanenzlehre ist dies der Verfassungsinterpret, in der Rechtswirklichkeit die Dritte Gewalt. Damit beschreitet man den Weg zum „oligarchischen Richterstaat“106. Mit der Aufnahme des Art. 20a GG in die Verfassung in Form einer Staatszielbestimmung sollte eben dies verhindert werden, dass Umweltschutz am Gesetz vorbei durch die Rechtsprechung betrieben wird.107 Nach der jetzigen Verfassungslage bedeutet diese Konsequenz der Immanenzlehre eine Gefährdung des demokratischen Prinzips. Gerade die Bekämpfung der – insbesondere in die Zukunft – unabsehbaren Entwicklungen und Gefahren für die natürlichen Lebensgrundlagen bedarf ständiger Absicherung durch das Volk, von dem gemäß Art. 20 Abs. 2 GG 101
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Kloepfer, in: Dolde, Umweltrecht, S. 745 [761]; Bamberger, Verfassungswerte, S. 50 f., der z.B. missbräuchliches Handeln oder Bagatellfälle als Ausnahme nennt. F. Müller, Juristische Methodik, S. 51 f. Bamberger, Verfassungswerte, S. 52. A.A. z.B. Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 133 f., 160. So aber Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 47; Stemmler, Das „Neminem-laedere-Gebot“, S. 119; wie hier Bamberger, Verfassungswerte, S. 109. So R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [953], als Vertreter dieser Lehre, der gerade diesen Paradigmenwechsel als reizvoll ansieht. Zu diesem Begriff vgl. Rüthers, in: FAZ v. 2. Februar 2005, S. 7. S.o. S. 43 ff.
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alle Staatsgewalt ausgehen soll. Deshalb kann sich dieser Aufgabe nur der dieses Volk unmittelbar repräsentierende Gesetzgeber annehmen.108 Abschließend ist noch auf eine weitere, verfassungsrechtlich nicht haltbare Konsequenz der umweltstaatlichen Immanenzlehre hinzuweisen. Es ist derselbe Gesetzgeber, der Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt und die natürlichen Lebensgrundlagen schützt. Wird der Schutzbereich des Art. 14 GG dem Verfassungsinterpreten und damit im Ergebnis richterlicher Bestimmung überlassen, bedeutet das für Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Umweltbereich dasselbe: Das Betreiben von Umweltschutz und damit die Erfüllung der Pflicht aus der Staatszielbestimmung würde dem Richter überlassen. Art. 20a GG wendet sich aber gerade primär an den Gesetzgeber und erst sekundär an den Richter.109 Hierin zeigt sich die kanalisierende Wirkung der Aufnahme des Art. 20a GG in das Grundgesetz: Er hat den Umweltschutz in geordnete verfassungsrechtliche Bahnen gelenkt. Die Staatszielbestimmung unterstellt politische und gesellschaftliche Prozesse im betroffenen Sachbereich umfassend dem Grundgesetz. Der vor der Verfassungsänderung praktizierten Wertüberhöhung des Umweltschutzes und der dadurch erfolgten „Entgesetzlichung“ des Umweltschutzes hat der verfassungsändernde Gesetzgeber eine unmissverständliche Absage erteilt: Art. 20a GG hat den „Umweltschutz [...] auf die Ebene des ´Parlamentsgesetzes´ herunter geholt“.110 Letztlich hilft auch der Verweis auf das dem Grundgesetz zugrunde liegende Freiheitsverständnis nicht weiter. Das Grundgesetz findet mit seinem Freiheitsbegriff eine vermittelnde Position, betrachtet nicht das selbstherrliche Individuum, sondern eine in der Gemeinschaft stehende Persönlichkeit.111 Daraus lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Gemeinwohlbindung grundrechtlich geschützte Freiheit schon tatbestandlich determinieren muss. Das materielle Freiheitsverständnis fordert umgekehrt – um Freiheit garantieren zu können – im Ausgangspunkt eine weite Tatbestandsinterpretation der Grundrechte, denn die auch vom Freiheitsbegriff umfasste Gemeinbindung kann demokratisch und rechtsstaatlich über die Schranken zur Geltung gebracht werden.112
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Vgl. auch Böckenförde, in: Der Staat 42 (2003), S. 165 [169 f.]: Immanente Schranken führen zur Marginalisierung der ausdrücklichen Gesetzesvorbehalte bei verstärkter Betonung eines „Richtervorbehaltes“. Vgl. dazu schon S. 43 ff. Lepsius, Sachherrschaft, S. 424, 443. Auf die begrenzende Wirkung einer Staatszielbestimmung weist auch Scheuner, FS Forsthoff, S. 325 [339], hin. BVerfGE 12, 45 [51]. Vgl. z.B. von Arnauld, Die Freiheitsrechte, S. 27 ff., 78; Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 22 ff.; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte, S. 98. Stemmler, Das „Neminem-laedere-Gebot“, S. 152, meint, das materielle Freiheitsverständnis sage für die Zulässigkeit von Grundrechtsbegrenzungen nichts aus. Dazu, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob Schutz gegen gesetzeswidrige Eingriffe grundrechtlich oder nur über den objektiv-rechtlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes vermittelt wird, sehr deutlich Lübbe-Wolff, Die Grundrechte, S. 88.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
(d) Das Evidenzkriterium als spezielle Ausprägung der Immanenzlehre Erwähnt werden soll noch eine eingeschränkte Form der Immanenzlehre, die sich an einem „Evidenzkriterium“ orientiert. Entsprechend diesem vom Bundesverfassungsgericht für Schutz- und Handlungspflichten des Gesetzgebers entwickelten Kriterium sei evident umweltschädliches Verhalten vom Schutzbereich der Freiheitsrechte auszunehmen. Aus dem Schutzbereich ausgeschieden werden soll der Eigentumsschutz für Nutzungen, die sich auf Umweltbelange grob negativ auswirken bzw. wo der Eigentumsgebrauch gemeinschädlich, gemeingefährlich, störend oder aggressiv ist.113 Darin liege, weil auf Extremfälle begrenzt, nur eine Schutzbereichskorrektur und keine substantielle Schutzbereichsverengung, die dazu führe, dass solche Aktivitäten ohne Rechtfertigungslast verboten werden könnten.114 Parallel dazu wird auch für Art. 20a GG die Ansicht vertreten, zwar sei zuvörderst der Gesetzgeber Adressat der Staatszielbestimmung, bleibe dieser untätig, dürften jedoch auch Exekutive und Judikative in Sachen Umweltschutz einschreiten.115 Ein solches Kriterium ist allerdings unpraktikabel, weil eine Bestimmung dessen, was evident ist, fehlt. Durch das „Evidenzkriterium“ wird vielmehr für beide Verfassungsnormen auf Kosten der Zurückdrängung der originären Zuständigkeit des Gesetzgebers ein Richtervorbehalt geschaffen. Darüber hinaus führt es dazu, dass die Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen schlicht ihrer Belastung gleichgestellt wird. Zwischen beiden ist allerdings zu trennen und diese Trennung kann nur Aufgabe des Gesetzgebers sein. Deshalb ist weder die Einschränkung des grundrechtlichen Schutzbereiches noch die Aushebelung des Gesetzgebungsauftrages des Art. 20a GG verfassungsgemäß. Seit Aufnahme des Art. 20a GG in das Grundgesetz muss zunächst der Gesetzgeber zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen tätig werden. Ein evident umweltschädliches Handeln kann er ohne weiteres mit einem verfassungsgemäßen Schrankengesetz verbieten116; die Verhältnismäßigkeit ist gerade in den evidenten Fällen unproblematisch zu bejahen. Praktisch erheblich wäre diese Ansicht nur, wenn die Exekutive ohne gesetzgeberische Grundlage rechtfertigungsfrei eingreifen könnte. Dies widerspräche aber dem vom Verfassungsgeber gewählten Wortlaut des Art. 20a GG, der gerade dies ausdrücklich verhindern wollte, sowie dem Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.
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Knauber, Struktur, S. 266; Parodi, Eigentumsbindung, S. 94 f. R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [956]. Ähnlich Czybulka, NuR 1988, 214 [216] und Maiwald, BayVBl. 1991, 101 [103]. Ausdrücklich Kloepfer, DVBl. 1996, 73 [75]. Insoweit zumindest missverständlich Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20a, Rn. 96. Dies widerspricht der Natur einer Staatszielbestimmung ebenso wie der hier vertretenen Ansicht, dass Art. 20a GG eine Kombination aus Gesetzgebungsauftrag und Staatszielbestimmung ist. Im Ergebnis ebenso Leisner, in: Isensee, Leisner, Eigentum, S. 21 [31 f.]; Huber, Politische Studien 1/2000, S. 45 [48].
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(4) Situationsgebundenheit als immanente Schutzbereichsgrenze (a) Begriffsklärung Im Zusammenhang mit immanenten Schutzbereichsgrenzen wird auch der Begriff Situationsgebundenheit genannt. Diesem Topos wird der Vorwurf einer unzulässigen, immanenten Begrenzung des Grundeigentums gemacht.117 Inhaltlich meint Situationsgebundenheit die einem Grundstück immanente, d.h. wegen seiner natürlichen Gegebenheiten anhaftende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse; das einfache Gesetz solle diese Beschränkungen lediglich zu Rechtspflichten verdichten bzw. nachzeichnen.118 Der Begriff hat seit seiner Etablierung durch den Bundesgerichtshof119 verschiedene Funktionen zu erfüllen gehabt. Zunächst wurde er für die Abgrenzung der Enteignung von der Inhalts- und Schrankenbestimmung fruchtbar gemacht und zur Rechtfertigung der Entschädigungslosigkeit von Eigentumseingriffen herangezogen. Mit der Neuorientierung in der Eigentumsdogmatik nach der Entscheidung zur Nassauskiesung kommt er – wegen der Verlagerung der Abgrenzungsproblematik auf entschädigungspflichtige/ausgleichslose Inhalts- und Schrankenbestimmungen – bei deren Abgrenzung zur Anwendung bzw. wird bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen herangezogen. Auch Bundesverfassungsgericht120 und Bundesverwaltungsgericht121 bedienen sich dieser Begrifflichkeit – nicht nur zur Begründung eines (weiten) Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bei Beschränkung von Eigentümerbefugnissen, sondern im Einzelfall zur Annahme einer gesteigerten Sozialbindung, der das entsprechende Eigentum unterliege und das deshalb entschädigungslos beschränkt werden könne.122 (b) Dogmatische Verortung der Situationsgebundenheit Auch wenn die sog. Situationsgebundenheit von der Rechtsprechung in der Verhältnismäßigkeitsprüfung bzw. zur Beurteilung der Ausgleichspflichtigkeit herangezogen wird, so kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anwendung dieses Begriffes teilweise zu immanenten Schutzbereichsgrenzen im hier gemeinten Sinne führt. Deutlich wird dies insbesondere bei Betrachtung der Rechtsprechung zum Eigentumsschutz für Nutzungsmöglichkeiten. Der Bundesgerichtshof bejaht Eigentumsschutz, wenn Nutzungsmöglichkeiten innerhalb der Schranken liegen, welche die Sozialbindung zieht, was durch Abwägung festzustellen sei. Dabei sei die Situationsgebundenheit zu beachten, also vor allem, ob sich die 117
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Leisner, DÖV 1991, 781 [787]; Kloepfer, Beilage I Agrarrecht 1986, 3 [14]; Parodi, Eigentumsbindung, S. 46. BGHZ 23, 30 [33]; BVerwGE 94, 1 [4]. BGHZ 23, 30 [32 f.]. BVerfGE 100, 226 [242]. BVerwGE 94, 1 [4]. Zum Vorstehenden und zur Kritik an diesem Begriff vgl. Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 [1481]; Gassner, NVwZ 1982, 165 [166 f.]; Parodi, Eigentumsbindung, S. 44 ff.; Rozek, Eigentumsbindung, S. 84, 261, 268 ff.; Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 179 ff. m.w.N.
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Nutzung objektiv anbiete, sie der normale Geschäftsverkehr mit dem Grundstück verbinde.123 Hier kommt also schon bei der Frage der Einschlägigkeit des Schutzbereiches der Eigentumsgarantie der Topos zum Einsatz. Darüber hinaus sei die Situationsgebundenheit geeignet, gewissen Nutzungen die Eigentumsqualität zu versagen.124 Das Bundesverwaltungsgericht unterstellt eine nicht ausgeübte Nutzungsmöglichkeit nur dann dem Eigentumsschutz, wenn die Nutzung „in der Situation des Grundstücks in einer Weise angelegt war, dass sie sich der Verkehrsauffassung als angemessen aufdrängte, dass die Verkehrsauffassung die Nutzung geradezu vermisste“.125 Letztlich steckt dahinter der Versuch, die in Art. 14 Abs. 2 GG benannte Sozialpflichtigkeit bzw. Sozialgebundenheit des Eigentums zu konkretisieren und tatsächliche Gegebenheiten normativ zur Geltung zu bringen. Dabei werden aber grundrechtlich maßgebliche Anforderungen übergangen: Nutzungsbeschränkungen des Grundeigentums lassen sich gerade nicht aus der objektiven Faktizität einer Grundstückssituation rechtfertigen, sondern verlangen einen fachgesetzlich konstituierten spezifischen Gemeinwohlbelang und dessen verhältnismäßigen Ausgleich mit der individuell konkreten Privatnützigkeit des betroffenen Eigentums.126 Über die Situationsgebundenheit wird auf eine Verkehrsauffassung abgestellt, aus der sich keine rechtlich verbindliche Verhaltensanweisung ableiten lässt.127 Eigentümerpflichten zu bestimmen ist gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG allein Sache des Gesetzgebers. Auch er kann sich nicht nur an einer aus der faktischen, objektivierten Situation heraus bestimmten Sozialpflichtigkeit orientieren. Andernfalls würde er verfassungswidrig handeln, da er durch Art. 14 GG verpflichtet ist, neben dem Sozialgebot auch die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums zu beachten.128 Noch weniger darf dies die Judikative. Konträr hierzu dient das Argumentationsmuster der „Situationsgebundenheit“ zur Korrektur der gesetzlichen Wertung.129 Diese Begrifflichkeit missachtet nicht nur die vom Grundgesetz vorgesehene Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Exekutive, sondern ihr mangelt es auch an Aussagekraft.130 Aus dem Gesichtspunkt der Natur der Sache – auf den Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht abstellen – kann eine Pflicht im Rechtssinne nicht ableitet werden.131 Die Sozialpflichtigkeit eines Grundstücks muss in erster Linie von den gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums her und den darin zum Ausdruck gekommenen gesetzesimmanenten Wertungen bestimmt werden; die Situa-
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BGHZ 90, 17 [25]. BGHZ 60, 145 [148]. BVerwGE 67, 84 [92]; 67, 93 [96]. Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 [1481]. Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 25. BVerfGE 37, 132 [140]. Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 102; Schönfeld, BayVBl. 1996, 673 [674]. Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 122; Peter, Grundeigentum, S. 119 ff. Schink, DVBl. 1990, 1375 [1382].
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tionsgebundenheit ist dabei nur insoweit von Bedeutung, als sie dazu dient, „Sachfakten in Rechtsgehalt“ umzuprägen.132 Das durch die Verfassung selbst hergestellte Korrespondenzverhältnis zwischen Eigentumsgewährleistung und Sozialpflichtigkeit verbietet es auch, aus der „Situation“ eines Grundstücks nur die Konsequenz einer „Gebundenheit“ zu ziehen. Denn wenn diese Situation geeignet sein soll, Bindungen zu begründen, müssen sich aus ihr ebenso Berechtigungen ergeben können.133 Eine „Situationsberechtigung“ mit eigentumsrechtlich relevanten Rechtsfolgen lässt sich aber in der Rechtsprechung nicht ausmachen.134 Auch der Bestandsschutz, der verwirklichten Nutzungen zugestanden wird, ist insoweit nicht als „Situationsberechtigung“ anzusehen.135 Grund dieses Bestandsschutzes ist die grundgesetzliche Vorgabe, die Privatnützigkeit des Eigentums zur Geltung zu bringen. In verwirklichter Nutzung stecken vor allem Eigenleistung und Investition des Eigentümers, die den Eigentumsschutz begründen. Nebensächlich ist dabei, dass eine solche Nutzung dann auch die tatsächliche Situation des Grundstückes prägt. Ein Äquivalent für die aus der „Situationsgebundenheit“ des Eigentums fließenden Pflichten besteht nicht. Dies alles führt nicht nur zu einer Privilegierung der „Eingriffskategorie Umweltschutz-Maßnahme“, weil in der Praxis bei Eigentumsneugestaltungen aus Umweltschutzgründen ein a priori Vorrang der öffentlichen vor den Eigentümerinteressen festzustellen ist.136 Damit einher geht auch ein Sonderstatus des Eigentums an Grund und Boden, weil sich der Begriff der Situationsgebundenheit ausschließlich hierauf bezieht und damit faktisch Sonderrecht für diesen Eigentumsgegenstand schafft, welches verfassungsrechtlich keine Rechtfertigung findet. Im Ergebnis ist deshalb der Begriff der Situationsgebundenheit, so wie ihn die Rechtsprechung verwendet, nämlich als neben einfachen Gesetzen bestehende Beschränkungsmöglichkeit für Eigentümerbefugnisse, abzulehnen.137 (5) Kollidierendes Verfassungsrecht als Schutzbereichsgrenze Als Grundrechtsbegrenzung auf Schutzbereichsebene wird auch objektives Verfassungsrecht in Betracht gezogen, weil die Reichweite grundrechtlicher Freiheit durch sonstiges Verfassungsrecht begrenzt sei. 138 Art. 20a GG könnte so als kolli132
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Schink, DVBl. 1990, 1375 [1382] mit Verweis auf Schmidt-Aßmann, DVBl. 1987, 216 [217]. Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 120. Der Begriff „Situationsberechtigung“ findet sich aber immerhin bei BVerwGE 32, 173 [179]: ein Grundstück könne durch seine Einbettung in die entsprechende Situation auch angereichert werden. Vgl. auch BVerwGE 50, 49 [56]. So aber Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 172. Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 70. So auch Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 186; Tsai, Umweltschutzpflicht, S. 138. Erichsen, JURA 1992, 142 [144]; ablehnend Espinoza-Rausseo, Naturschutz, S. 41 ff. m.w.N. Aus der Rechtsprechung bspw. BVerfGE 47, 327 [369], wobei oft die dogmati-
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dierendes, objektives Verfassungsrecht eine Schutzbereichsgrenze des Art. 14 GG markieren.139 Dies zu bejahen, bedeutete, sich der umweltstaatlichen Immanenzlehre anzuschließen.140 Art. 20a GG kann aber ebenso wenig wie die anderen Strukturprinzipien der Verfassung zu unmittelbaren Grundrechtsbegrenzungen führen. Dem widerspricht die hohe Abstraktionsstufe solcher allgemeinen Verfassungsentscheidungen141 ebenso wie die gesamte Grundrechtsdogmatik.142 (6) Grundrechte anderer als Schutzbereichsgrenze Eine Begrenzung von Grundrechten durch Rechte anderer ist normativ im Grundgesetz festgeschrieben nur als Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG. Hier bringt das Grundgesetz zum Ausdruck, dass die Freiheit des einen an der Freiheit des anderen endet, unter dem Grundgesetz mithin das Gebot des „neminem laedere“ gilt.143 Die Übertragung dieser Aussage auf die immanente Begrenzung der Grundrechte durch Rechte anderer ist nicht unproblematisch.144 Bei der Frage einer Begrenzung grundrechtlicher Schutzbereiche durch andere Grundrechte tun sich Probleme insbesondere im Hinblick auf grundrechtsdogmatische Fragen auf.145 Speziell in Bezug auf das Verhältnis von Art. 14 GG und Art. 20a GG lässt sich eine Beschränkung durch kollidierende Rechte anderer aller-
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sche Verortung im Schutzbereich oder auf Schrankenebene nicht klar zu Tage tritt. Einen Überblick bietet Stemmler, Das „Neminem-laedere-Gebot“, S. 177 ff., 228 ff. Vgl. auch Murswiek, in: Der Staat 45 (2006), S. 473 [495], der das allgemeine Gewaltverbot als Gewährleistungsgrenze benennt. Zu der von der Verfassung vorausgesetzten Güterordnung als Gewährleistungsgrenze spezieller Freiheitsrechte Murswiek, in: Der Staat 45 (2006), S. 473 [496 ff.]. Art. 20a GG enthält aber keine Festlegungen hinsichtlich der Zuordnung der natürlichen Lebensgrundlagen zu einzelnen Rechtsträgern, vgl. dazu oben S. 77 ff. und 103 ff. Diese ist bereits ausführlich erörtert und abgelehnt worden, vgl. S. 76 ff. Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 574. Vgl. auch die Darstellung des Verhältnisses von Staatszielbestimmungen und Grundrechten zueinander auf S. 32 ff. sowie des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung und Gesetzgebungsauftrag S. 43 ff. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 44. Rechtsausübungen mit Gefahren/Störungen zu Lasten Dritter sind nicht geschützt, Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, S. 348; R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [960]. Umfassend Stemmler, Das „Neminem-laedere-Gebot“, S. 210 ff. Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Vorb. Art. 1, Rn. 45 ff.: Aushebelung ausdrücklicher Gesetzesvorbehalte; Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 306 ff., 601 ff. Haddenhorst, Umweltnutzungsfreiheit, S. 117 ff., meint, aus dem Gebot der wertungsfreien Schutzbereichsbestimmung folge, dass Grundrechte nicht unter dem Vorbehalt der Achtung allgemeiner Freiheit anderer stünden. Bamberger, Verfassungswerte, S. 50, schließt missbräuchliche oder unfriedliche Grundrechtsausübung bzw. Bagatellfälle aus, Beschränkungen durch kollidierende Grundrechte Dritter nennt er Gegenseitigkeitsvorbehalt a.a.O. S. 52 ff. Vgl. auch Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 57 in Fn. 318, S. 120. Grundrechtsmissbrauch als immanente Grenze ablehnend, weil er nicht vom Grundrechtsgebrauch exakt abzugrenzen sei, Nieuwland, Grundrechtsschranken, S. 76 ff.; vgl. auch Winkler, Kollisionen, S. 231 ff.
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dings bereits aus anderen Gründen ablehnen. Art. 20a GG beinhaltet gerade kein Grundrecht, gewährt demnach anderen keine Individualrechte auf Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Unmittelbar aus Art. 20a GG lassen sich danach keine die Eigentümerfreiheit eingrenzenden Drittrechte ableiten. Umweltbezogene Grundrechtsgewährleistungen werden allerdings in den Grundrechten auf Menschenwürde und Leben (Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) verortet, die ein subjektives Recht auf eine menschenwürdige Umwelt geben sollen.146 Begrenzungen durch grundrechtliche Gewährleistungen der Art. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG sind aber eine Frage von Grundrechtskollisionen und überschreiten deshalb die hier zu bearbeitende Aufgabenstellung. Die lediglich objektiv ausgerichtete Bestimmung des Art. 20a GG kann – auch im Verbund mit solchen Gewährleistungen – den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nicht beeinflussen.147 cc) Das Eigentumsgrundrecht als Teilhaberecht (1) Die Teilhabethese Als eine weitere Form interpretativer Schutzbereichsverengung ist die These vom Eigentumsgrundrecht als Teilhabegrundrecht anzusehen. Auch danach kommt es zum Ausschluss der Eröffnung – insbesondere des eigentumsgrundrechtlichen – Schutzbereiches bei Beeinträchtigung der natürlichen Lebensgrundlagen.148 Ihr Ausgangspunkt liegt darin, dass zwischen Freiheitsgebrauch und Teilhabe an der Nutzung öffentlicher Güter (insbesondere den Umweltmedien) zu differenzieren ist.149 Da niemandem öffentliche Güter kraft der Grundrechte zustünden, herrsche bezüglich der Verteilung von Nutzungsbefugnissen hinsichtlich öffentlicher Umweltgüter das Prinzip der gleichen Teilhabe. Der Freiheitsausübung liege der Gedanke der Teilhabe zugrunde, so dass sie von der Gewährung von Teilhabeansprüchen durch das Grundgesetz abhänge. Die Konsequenz dieser Ansicht zeigt sich bei Betrachtung des grundsätzlichen Unterschiedes zwischen Freiheit und Teilhabe: Während staatliche Einschränkungen der grundrechtlichen Freiheit rechtfertigungsbedürftig und nur begrenzt zulässig sind, ist Teilhabe schon prinzipiell begrenzt und grundsätzlich von staatlicher Regelung abhängig. Nach der Teilhabethese ist Umweltinanspruchnahme und -verschmutzung nicht mehr in die Schrankensystematik der Grundrechte eingebunden, sondern als Teilhabe nur noch den Voraussetzungen des Art. 3 GG unterworfen.150 Gerade am Beispiel der Eigentumsgarantie zeigt sich, dass diese Ansicht mit dem Grundgesetz nicht in Einklang steht. Ausfluss der tatsächlichen Verbindung des Grundeigentums mit den verschiedenen Umweltmedien ist, dass die Verfassungsgarantie nur bei gleichzeitiger Gewährung der Inanspruchnahme natürlicher Lebensgrundlagen sinnvoll ist. Sonst stünde schon infrage, ob das Betreten des 146 147
148 149 150
Söhnlein, Landnutzung im Umweltstaat, S. 41 ff. Vgl. aber das Problem der subjektiven Anreicherung einer Staatszielbestimmung durch Grundrechtsbestimmungen, das auf S. 163 ff. behandelt wird. Kahl, in: Der Staat 43 (2004), S. 167 [168], ordnet sie als enge Tatbestandstheorie ein. Murswiek, DVBl. 1994, 77 [81]. Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 112, Rn. 66 ff. Grundlegend zur teilhaberechtlichen Sicht der Grundrechte Haverkate, Rechtsfragen, S. 63 ff.
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Bodens auf dem eigenen Grundstück bzw. das Atmen der Luft über dem Grundstück Ausübung grundrechtlicher Freiheit wäre. Die Übertragung der Teilhabethese auf das Grundeigentum bedeutete die Abschaffung des grundrechtlichen Schutzes desselben. Denn der Teilhabeanspruch setzt notwendig die gesetzgeberische Gewährung des entsprechenden Gutes voraus, an dem Teilhabe eingeräumt werden soll. Wenn die Grundrechte dabei selbst nur teilhaberechtlich wirkten, wäre der Gesetzgeber bei der Gewährung grundrechtlich überhaupt nicht gebunden.151 Ein weiterer Einwand gegen diese These liegt darin, dass sich Freiheitsausübung und Teilhabe gar nicht scharf voneinander trennen lassen: Es ist keine Freiheitsbetätigung ohne Teilhabe an Umweltgütern denkbar.152 An dem Beispiel der Nutzung der Luft als Atemluft zeigt sich, dass auch diese These nicht ohne die Heranziehung einer Art Bagatellklausel auskommt. Gewisse Betätigungen sollen weiterhin grundrechtlich geschützt sein. Damit zieht sie aber die gleichen Bedenken auf sich, wie ein Evidenzkriterium im Rahmen der umweltstaatlichen Immanenzlehre.153 (2) Die teilhaberechtliche Umgestaltung des Eigentumsgrundrechts durch das Bundesverfassungsgericht Das Eigentumsgrundrecht hat allerdings in anderer Hinsicht durch die Rechtsprechung154 eine teilhaberechtliche Umgestaltung erfahren. Ein positives Teilhaberecht gewährt Art. 14 GG mit der Anerkennung des sozialversicherungsrechtlichen Eigentums, weil diese Rechtspositionen von der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft abhängen.155 Der zunächst solchen Positionen zukommende Schutz der Eigentumsgarantie erscheint mit dieser Konsequenz als erheblich relativiert, weil er durch die teilhaberechtlichen Voraussetzungen entwertet wird. Damit erfährt auch die Eigentumsgarantie als solche eine Entwertung, weil die Eröffnung des Schutzbereiches nicht mehr zwingend zum vollen Grundrechtsschutz führt, die Schutzmechanismen des Abwehrcharakters des Grundrechtes vielmehr versagen. Schließlich gerät das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip außen vor und wird der Boden der liberalen Grundrechtstheorie verlassen.156 (3) Übertragung der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung auf natürliche Ressourcen Aus der Öffnung des Eigentumsgrundrechts für Teilhabekonstruktionen durch das Bundesverfassungsgericht könnten aber in Bezug auf hiesige Fragestellung Konsequenzen folgen. Gerät es nicht widersprüchlich, wenn das Teilhabeverständnis 151
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155 156
Vgl. Kloepfer/Vierhaus, in: Kloepfer, Anthropozentrik, S. 34 ff., zur Baufreiheit: „Schleuse zur Erosion der Grundrechte“. Ähnlich auch Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 56. R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [954]. Dazu bereits S. 82 ff. Vgl. nur BVerfGE 53, 257 ff. Zum Aspekt der Teilhabe auch: BVerfGE 33, 303 [331 ff.]. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [ 176]. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [ 176].
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in Bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen verneint wird? Müsste nicht auch insoweit eine teilhaberechtliche Umgestaltung des Grundrechtes vorgenommen werden? Die vergleichbaren Umstände beider Fallgruppen erschöpfen sich freilich darin, dass wegen nur beschränkt zuteilbarer Ressourcen kein grundrechtlicher Anspruch an sich, sondern nur Teilhabe gewährt werden soll. Während bei Schaffung von Art. 14 GG die natürlichen Lebensgrundlagen vom Grundeigentum nicht getrennt gedacht wurden und die Inanspruchnahme dieser zweifellos zur grundrechtlichen Freiheit gehörte, handelt es sich bei den genannten sozialversicherungsrechtlichen Rechtspositionen um öffentlich-rechtliche Rechtspositionen, denen erst durch das Bundesverfassungsgericht überhaupt Eigentumsschutz zugesprochen wurde – als Konsequenz aus einer erheblichen Ausweitung des Eigentumsbegriffes.157 Auch hinsichtlich des Bezugspunktes der Teilhabe bestehen erhebliche Unterschiede: Die dogmatische Konstruktion der Teilhabe ist für staatlich gewährleistete Institutionen und Angebote entwickelt worden. Trifft dies auf die Sozialversicherung zu, so gilt dies für die natürlich gegebenen und vom Staat vorgefundenen Lebensgrundlagen nicht.158 Er kann sie allenfalls schützen, selbst schaffen kann er sie nicht. Daran ändert auch Art. 20a GG nichts, der den Schutz derselben zwar als staatliche Aufgabe festlegt, aber diese Güter nicht zu öffentlichen, vom Staat zu gewährenden, macht.159 Aus der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes Teilhaberechte gewährt, folgt somit nicht, dass dies auf die natürlichen Lebensgrundlagen zu übertragen wäre.160 (4) Staatszielbestimmung als „Mutator“ zum Teilhaberecht Ein anderer Begründungsstrang baut auf der Natur des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung auf. In Rechtsprechung161 und Literatur162 wird dem Sozialstaatsprinzip als Prototyp einer Staatszielbestimmung die Funktion eines „Mutators“ der Grundrechte zu Teilhaberechten zugewiesen. Ihm soll eine limitierende Wirkung für die Ausübung persönlicher Freiheit im Sinne einer Gemeinschaftsgebundenheit und Gemeinschaftsbezogenheit der Person zukommen.163 Dieses Bewirken einer leistungs- bzw. teilhaberechtlichen Wandlung der Grundrechte könne von jeder Staatszielbestimmung mit gesellschaftsgestaltendem Gehalt ausgehen.164 Hierin liegt allerdings eine Verkennung der Natur einer Staatszielbestimmung und eine Überinterpretation ihrer verfassungsrechtlichen Wirkungen. Sie stellt dem Staat zuvörderst eine Aufgabe und legt den Gesetzgeber als primären Adressaten 157 158 159 160
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Vgl. hierzu ausführlich Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [ 176]. So auch Tsai, Umweltschutzpflicht, S. 143. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 278. So wie hier mit ausführlicher Argumentation auch Haddenhorst, Umweltnutzungsfreiheit, S. 127 ff. BVerfGE 33, 303 [329 ff.]. Häberle, in: VVDStRL 30 (1972), S. 43 [95]; Friauf, DVBl. 1971, 674 [675]; Kratzmann, Grundrechte, S. 118; Leisner, DÖV 1975, 73 ff. Ablehnend Ossenbühl, NJW 1976, 2100 [2104 f.]. BVerfGE 33, 303 [334]. So Michel, Staatszwecke, S. 292, 314.
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fest. Speziell das Umweltstaatsziel in Art. 20a GG lässt das „Wie“ der Erfüllung dieser Aufgabe und des Gesetzgebungsauftrages im Besonderen offen. Deshalb wäre es verfehlt, dieser Norm die Vorgabe einer teilhaberechtlichen Interpretation des Eigentumsgrundrechts zu entnehmen. Die Bedeutung der Staatszielbestimmung würde dadurch über die des Grundrechtes gestellt. Bei einer thematischen Überlappung von Grundrecht und Staatszielbestimmung käme es auf die Aussage des speziellen Grundrechts gar nicht mehr an, weil die Staatszielbestimmung bereits die Aussage zum Teilhabecharakter getroffen hätte.
b) Abschließende Stellungnahme Alle dargestellten Versuche interpretativer Schutzbereichsbegrenzung des Eigentumsgrundrechts sind mit unterschiedlicher Begründung ablehnt worden. Die Gründe lassen sich trotz jeweils unterschiedlicher Gestalt wie folgt systematisieren: Ein Begründungsstrang stützt sich auf die wesentlichen Staatsstrukturbestimmungen des Art. 20 GG, Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie das Wesen der Grundrechte. Eine zweite Säule für die Argumentation bilden die behandelten Verfassungsbestimmungen der Art. 14 GG und Art. 20a GG selbst, da ihre Wirkung in der verfassungsrechtlichen Ordnung in erster Linie von der Wirkkraft der jeweiligen Normkategorie abhängt. Hinter den dargestellten Versuchen, den Tatbestand des Eigentumsgrundrechts – im Wege immanenter Begrenzung – einzuzäunen, verbirgt sich letztlich nichts anderes als der Versuch der Etablierung einer umweltstaatlichen Grundrechtstheorie. Eine solche ist aber unter der Geltung des Grundgesetzes abzulehnen. Ihm liegt im Grundsatz eine liberale Rechtsauffassung, mithin eine rechtsstaatliche, auf dem Verteilungsprinzip beruhende Freiheitsgewährleistung zugrunde. 165 Blind für die realen Freiheitsvoraussetzungen ist das Grundgesetz dennoch nicht: So wie in Art. 20 Abs. 1 GG dem Rechtsstaatsprinzip das Sozialstaatsprinzip zur Seite gestellt wurde, bekennt es sich nunmehr mit Art. 20a GG zu einem Schutzauftrag für die natürlichen Lebensgrundlagen, die insoweit auch den Grundstein für die Ausübung grundrechtlicher Freiheit bilden. Dieser verfassungsrechtliche Umweltstaatsgedanke tritt ergänzend in die grundgesetzliche Ordnung, ohne dass ihm eine Vorrangstellung in Form einer Über- oder Unterordnung zu anderen Strukturvorgaben zukäme. Somit ist er auch nicht geeignet, die das Grundgesetz kennzeichnende liberale Idee zu verdrängen. Dem Staat kommt daher von Verfassungs wegen die Aufgabe und Pflicht zu, die ökologisch zwingenden Voraussetzungen grundrechtlicher Freiheit zu schaffen, ohne dass er sich dabei seiner grundsätzlichen Rechtfertigungspflicht für Grundrechtseingriffe entziehen könnte. Noch ein anderer Gedanke zeigt die Unhaltbarkeit solcher Interpretationen. Während zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen die Herausnahme von Positionen aus der privaten Eigentumsordnung befürwortet wird166, erscheint die komplementäre Sichtweise, nämlich, dass verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum per definitionem keine natürliche Lebensgrundlage im Sinne von Art. 20a GG darstellt, regelrecht absurd. Jedenfalls wird sie, soweit ersichtlich, nicht vertreten. 165 166
Vgl. nur Böckenförde, NJW 1974, 1529 [1538]. Vgl. die Entscheidung zur Nassauskiesung, BVerfGE 58, 300 ff.
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Dabei spricht bei einer solchen rein auf den Schutzbereich beschränkten Betrachtungsweise schon die banale Tatsache, dass Art. 14 GG älterer Verfassungsbestandteil ist, dafür, dass das Eigentum eine vergleichsweise starke, interpretativen Verkürzungen nicht ohne weiteres zugängliche Rechtsposition verleiht. Gleichwohl widerspräche es der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, verfassungsrechtliches Eigentum per se dem Anwendungsbereich des Art. 20a GG zu entziehen. An der bereits oben beschriebenen, tatsächlich konfliktträchtigen Verbindung von (Grund-)Eigentum und natürlichen Lebensgrundlagen kommen weder der Verfassungsgeber noch der einfache Gesetzgeber, der die Eigentumsordnung zu schaffen hat, vorbei. Auch die Grundrechte sind nicht blind für ihre tatsächlichen Voraussetzungen. Art. 14 GG gibt vor, dass der Konflikt nicht über etwaige Schutzbereichsinterpretationen, sondern über die Schranken zu lösen ist. Dort ist zu berücksichtigen, dass die Verfassungsgüter im Grundgesetz nicht isoliert voneinander, sondern in Beziehung zueinander stehen. Wenn Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden, wie es in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG heißt, besagt dies auch noch ein weiteres: Gesetze erlässt der Gesetzgeber – im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist dies der einfache Gesetzgeber, würde doch sonst das Grundgesetz als spezielles (Verfassungs-)Gesetz gesondert erwähnt. Demnach ist der verfassungsändernde Gesetzgeber gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht explizit berufen, das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Sozialmodell zu verwirklichen, mithin die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zur Geltung zu bringen.167 Vielmehr wird hier allein der einfache Gesetzgeber angesprochen. Daraus folgt, dass eine Verfassungsänderung außerhalb des Art. 14 GG auf die inhaltliche Eigentumsausgestaltung keinen Einfluss haben kann, weil die Verfassung selbst einen solchen Einfluss ablehnt. Wohl kann der Verfassungsgeber den Art. 14 GG selbst ändern168, hat dies aber bei der Verankerung des Umweltschutzes nicht getan. Der durch Art. 20a GG in den Verfassungstext eingegangene Umweltschutzgedanke ist somit nicht geeignet, den Schutzbereich der Eigentumsgarantie in irgendeiner Weise zu determinieren oder zu verändern, insbesondere nicht immanent, also ganz ohne gesetzgeberisches Tätigwerden. In diesem Zusammenhang soll noch auf eine Entscheidung des VGH Kassel aus dem Jahr 1989 eingegangen werden, die allgemein auf Ablehnung gestoßen ist.169 Das Gericht entschied, dass gentechnische Anlagen nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung über die Nutzung der Gentechnologie errichtet und betrieben werden dürften. Ein solches Gesetz lag zum damaligen Zeitpunkt nicht vor. Damit hatte die Entscheidung zur Konsequenz, dass die Ausübung grundrechtlicher Freiheit (durch den Betreiber) einem Genehmigungsvorbehalt unterlag, der das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip in sein Gegenteil verkehrt und
167 168 169
A.A. wohl Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 189. Dies wurde vor Einfügung von Art. 20a GG auch diskutiert, vgl. S. 30 in Fn. 72. NVwZ 1990, 276 ff. Dazu Enders, AöR 115 (1990), S. 610 ff.; Gersdorf, DÖV 1990, 514 ff.; Scholz, in: FS Sendler, S. 93 ff.; Sendler, NVwZ 1990, 231 ff.; zustimmend: Eiberle-Herm, NuR 1990, 204 ff.
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zu einem „Richtervorbehalt“ für die Beantwortung der Frage führt, was erlaubt ist und was nicht.170
c) Ergebnis Verfassungsunmittelbare, d.h. von gesetzlichen Regelungen unabhängige, tatbestandliche Begrenzungen der Eigentümerfreiheit gehen von der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG nicht aus. Die Konflikte, die zwischen Umwelt- und Eigentumsschutz entstehen, sind vom Gesetzgeber zu lösen. Auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff, der die verfassungsrechtlich erforderliche Qualität einfachrechtlich zu schaffender Rechtspositionen vorgibt, hat die Aufnahme von Art. 20a GG in die Verfassung keine Auswirkungen. Bei Tätigwerden der Staatsgewalten in Erfüllung des Umweltstaatszieles ist dieser Eigentumsbegriff zu beachten, soweit Eigentum in irgendeiner Form in Anspruch genommen wird. Wie weit Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse zugunsten des Umweltschutzes zurückgedrängt werden dürfen, ist dabei keine Frage, die sich bei der Reichweite des grundrechtlichen Schutzbereiches der Eigentumsgarantie stellt. Wegen der geschilderten Normprägung des Schutzbereiches des Art. 14 GG spitzt sich die zu klärende Frage darauf zu, wie weit die Dispositionsmacht des Gesetzgebers bei Inhaltsbestimmung des Eigentums geht bzw. welchen Bindungen er dabei unterliegt.
2. Grenzen der Ausgestaltungsbefugnis des inhaltsbestimmenden Gesetzgebers im Umweltschutz a) Formelle Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Die Inhaltsbestimmung des Eigentums obliegt gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber. Damit ist keinesfalls gemeint, dass Inhaltsbestimmungen in diesem Sinne überhaupt erst den Schutzbereich der Eigentumsgarantie konstituieren.171 Auch wenn sich hier eine Nähe zur Bestimmung des Schutzbereichs auftut, sie diesen mitgestalten, steht er keinesfalls zur Disposition des inhaltsbestimmenden Gesetzgebers, bedeutet Inhaltsbestimmung nicht das gleiche wie Schutzbereichsdefinition.172 Dennoch wird sich in Folge zeigen, dass Inhaltsbestimmungen einen gewissen Anteil an der Formung des Tatbestandes der Eigentumsgarantie haben. Kennzeichnend für das Inhaltsbestimmungsrecht des Gesetzgebers ist die Befugnis zur Ausgestaltung. Insoweit wird auch von einem Ausgestaltungsvorbehalt gesprochen.173 Für das Eigentum besteht ein solcher Ausgestaltungsvorbehalt, weil
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Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 70. Zum Vorbehalt des Gesetzes und seinem Verhältnis zum Richtervorbehalt Sendler, NVwZ 1990, 231 ff. So auch Haddenhorst, Umweltnutzungsfreiheit, S. 77. A.A. Grochtmann, Art. 14, S. 111; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 899. Vgl. dazu schon S. 63. Hierzu ausführlich Bumke, Grundrechtsvorbehalt. Zum Problem der Grundrechtsausgestaltung umfassend Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte; Gellermann, Grund-
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es durch eine besondere Rechtsgeprägtheit ausgezeichnet ist und es kein natürliches Eigentum gibt. Ohne Normen des Eigentumsrechts wäre die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums sinnlos. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bedeutet deshalb, dass der Gesetzgeber „natürlich“ abgegrenztes Eigentum anerkennen, abgrenzungsbedürftiges abgrenzen und „natürlich nicht vorgegebene Güter“ durch Inhaltsbestimmung eigentumsfähig machen muss.174 Hier zeigt sich auch ein anderer rechtlicher Gehalt des Ausgestaltungsauftrages: Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gibt dem Gesetzgeber nicht nur den Auftrag, sondern statuiert eine staatliche Pflicht, eine funktionsfähige Privatrechtsordnung zur Verfügung zu stellen.175 Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG überträgt dem Gesetzgeber des Weiteren die Bestimmung der Schranken des Eigentums. Der Wortlaut der Verfassungsnorm enthält damit eine ausdrückliche Differenzierung zwischen Inhaltsbestimmung auf der einen und Schrankenbestimmung auf der anderen Seite. Vielfach wird allerdings davon ausgegangen, dass zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen nicht zu trennen sei.176 Das Bundesverfassungsgericht definiert die Inhaltsbestimmung als „generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind. Sie ist auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form bestimmen.“177 Freilich versteht das Bundesverfassungsgericht diese Definition eher als auf die Abgrenzung zur Enteignung als auf die zur Schrankenbestimmung bezogen. 178 Eindeutige Aussagen in Bezug auf die Differenzierung zwischen beiden finden sich in der Rechtsprechung nicht. Deshalb wird überwiegend davon ausgegangen, das Bundesverfassungsgericht trenne nicht zwischen Inhaltsbestimmung einerseits und Schrankenbestimmung andererseits.179
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rechte. Ausgestaltung wird als Gegenbegriff zur Grundrechtsbeschränkung verstanden, vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 300 ff. Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2. Aufl., § 149, Rn. 60 ff.; ähnlich Kempen, Eingriff, Rn. 115 f.: Inhaltsbestimmung als die Herstellung neuer Eigentumsrechte. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [149 f.]. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 51; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn. 128; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 307; Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 160 ff. A.A. mit jeweils eigenen Abgrenzungsvorschlägen: Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [225]; Chlosta, Wesensgehalt, S. 31; Kempen, Eingriff, Rn. 115 f.; Kutschera, Bestandsschutz, S. 72 ff.; Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2. Aufl., § 149, Rn. 63; Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 69 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 405; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 55 ff. Vgl. auch die ausführliche Streitdarstellung bei Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 105 ff., Lee, Eigentumsgarantie, S. 86 ff. und Parodi, Eigentumsbindung, S. 68 ff. Vgl. nur BVerfGE 52, 1 [27]. BVerfGE 52, 1 [27]. Vgl. nur Appel, Entstehungsschwäche, S. 269; Gellermann, Grundrechte, S. 274 m.w.N.; Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107 [115] m.w.N.
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Der Ansicht, dass Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung nur eine einheitliche Handlungsmöglichkeit des Gesetzgebers vorsehe, ist nicht zu folgen. Dem widerspricht neben dem eindeutigen Wortlaut auch die unterschiedliche Rechtsqualität von Ausgestaltungsvorbehalt und Schrankenvorbehalt, die sich beide in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG wiederfinden. Die rechtsstaatliche Bedeutung des Gesetzesvorbehaltes liegt darin, der Exekutive eine gesetzliche Handlungsermächtigung zur Seite zu stellen und sie damit normativ zu binden. Dies gilt nicht gleichermaßen für die Ausgestaltung. Obwohl ein struktureller Unterschied zwischen Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen in der allgemeinen Grundrechtsdogmatik in Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur angenommen wird,180 findet dies bei Art. 14 GG keine Anerkennung. Im Allgemeinen wird der Gesetzgeber ausgestaltend tätig durch Inhaltsbestimmungen, schrankensetzend durch Schrankenbestimmungen. Dagegen wird im Rahmen des Art. 14 GG überwiegend zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen überhaupt nicht differenziert. Worauf sich das Recht zur Ausgestaltung bezieht, ist von entscheidender Bedeutung, denn was Ausgestaltung eines Grundrechts ist, bedarf grundsätzlich gegenüber demselben Grundrecht keiner Begründung mehr.181 Hier offenbart sich ein Dilemma, das für das Eigentumsgrundrecht treffend beschrieben wurde182: „wenn sich der Inhalt des Eigentums ... aus den Normen der einfachen Gesetze [ergibt], wie kann die Verfassungsmäßigkeit des einfachen Gesetzes an den Normen der einfachen Gesetze gemessen werden?“ Der Gesetzgeber kann nicht gleichzeitig die Eigentumsgarantie frei ausgestalten dürfen und andererseits durch sie gebunden sein. Hier kann es leicht zur Verkürzung verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutzes kommen, je nachdem, wie der Ausgestaltungsbegriff definiert wird. Im Grundrechtssystem des Grundgesetzes kann allein ein enger Ausgestaltungsbegriff überzeugen. Ausgestaltung liege nur dann vor, wenn die Beseitigung einer Kompetenz nicht die Realisierung eines grundrechtlichen Prinzips hemmt.183 Das hier in Rede stehende grundrechtliche Prinzip ist das des Privateigentums. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht gemeint, wenn es ausführt, der Gesetzgeber müsse „im Rahmen privatrechtlicher Normierungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ... beiden Elementen des im Grundgesetz angelegten dialektischen Verhältnisses von verfassungsrechtlich garantierter Freiheit ... und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise Rechnung tragen und die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen“.184 Wenn wegen einer Kollisionslage zwischen Eigentümer- und anderen Interessen eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip
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Zum Ausgestaltungsvorbehalt und seiner Abgrenzung zum Begrenzungsvorbehalt Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 180 ff.; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 180 ff.; Haddenhorst, Umweltnutzungsfreiheit, S. 76; enger Lübbe-Wolff, Die Grundrechte, S. 59 ff. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 306. Baur, NJW 1982, 1734 [1735]. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 305 f. BVerfGE 37, 132 [140].
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orientierte Abwägung nötig ist, kann somit keine Ausgestaltung vorliegen, weil sonst das grundrechtliche Prinzip der Eigentumsgarantie unbeachtet bliebe. Die Bestätigung dieser Abgrenzung findet sich auch dann, wenn man einen anderen Ausgangspunkt wählt. Eine Beschränkung ist nur dort möglich, wo ein zu beschränkender Inhalt vorliegt, die Inhaltsbestimmung ist somit logisch erste Stufe, der die Beschränkung erst auf der zweiten Stufe folgen kann.185 Für die Abgrenzung kommt es deshalb entscheidend darauf an, ob eine gesetzliche Regelung eine Änderung der Rechtslage in Bezug auf das zu diesem Zeitpunkt bestehende Eigentum eines Berechtigten hat: Wenn die Regelung für (mindestens) einen Eigentümer eine Schmälerung seiner bisherigen Rechtspositionen zur Folge hat, liegt eine Schrankenbestimmung vor; wenn nicht, handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung.186 Auch in dieser Abgrenzung kommt ein enger Ausgestaltungsbegriff zum Vorschein. Eine solche Differenzierung hat für sich, dass sie insbesondere den Abwehrcharakter des Eigentumsgrundrechts stärkt. Wenn eine gesetzliche Regelung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zur Beeinträchtigung von individuellen Rechtspositionen führen kann, so bedarf es eines Ausgleichs zwischen diesen und dem Eigentümerinteresse. Dem trägt die vorgenommene Abgrenzung besonders Rechnung. An den unterschiedlichen Bindungen, denen der Gesetzgeber bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen jeweils unterliegt, wird im Anschluss noch zu zeigen sein, welche Bedeutung der enge Ausgestaltungsbegriff hat. Eigentumsbegrenzende gesetzgeberische Regelungen sind als Schranken im Sinne der herkömmlichen Grundrechtsdogmatik rechtfertigungsbedürftig, so dass der Staat darlegen muss, warum der Eingriff in seiner konkreten Intensität erforderlich ist.187 Für Inhaltsbestimmungen gelten dagegen weniger strenge Voraussetzungen.188 Die hier dargestellte Abgrenzung wird diesem Unterschied in besonderem Maße gerecht. Die Abwehrwirkung des Grundrechts greift gerade dort, wo sie 185
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Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 408. So auch Depenheuer, v. Danwitz, Bericht, S. 111 [168 f.]. Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 408. Ähnlich Hammann, Eigentum, S. 23 f.; Ramsauer, DVBl. 1980, 539 [540], der zwischen dem Institut Eigentum, das durch Inhaltsbestimmungen ausgeformt werde, und dem Individualrecht, welches durch Schrankenbestimmungen begrenzt werde, differenziert, und Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 148 f. Mit eigenem Abgrenzungsvorschlag – Inhaltsbestimmung als Ausgestaltung der Institutsgarantie – Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 258 f. Ähnlich wie hier auch Appel, Entstehungsschwäche, S. 177: er trennt zwischen Ausgestaltung und Umgestaltung, hält seine Unterscheidung aber nicht für kongruent mit der hiesigen Differenzierung zwischen Inhaltsbestimmungen und Schrankenbestimmungen, S. 177 ff., 271 f. Das BVerfG hat in E 58, 300 [337 f.] davon gesprochen, dass auf der Ebene des objektiven Rechts der Inhalt des Grundeigentums für die Zukunft neu bestimmt wird, weshalb eine konkrete, der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs.1 S. 1 unterliegende Rechtsposition nicht betroffen sei. Im dortigen Zusammenhang begründet es damit allerdings die Abgrenzung zur Enteignung. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [ 155]. So auch Hammann, Eigentum, S. 25; Parodi, Eigentumsbindung, S. 80.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
nötig ist: bei Beeinträchtigungen von Rechtspositionen eines Eigentümers, mithin bei freiheitsgefährdenden Schrankenbestimmungen.189 Häufig wird einer Differenzierung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen schon grundsätzlich entgegengehalten, dass sie sich rechtstechnisch gar nicht trennen ließen, gesetzliche Regelungen vielmehr oft Doppelcharakter als Inhalts- und Schrankenbestimmung aufwiesen.190 Dem tritt die hier vorgestellte Abgrenzungsmöglichkeit dadurch entgegen, dass sie eine eindeutige Abgrenzung beider Formen möglich macht und bei Betroffenheit einer individuellen Rechtsposition zwingend die Einhaltung der engeren Voraussetzungen einer Schrankenbestimmung vorschreibt, auch wenn im übrigen Ausgestaltung und damit eine Inhaltsbestimmung vorliegt.191 Teilweise wird einer Differenzierung auch die praktische Relevanz abgestritten.192 Dem Wortsinn nach wird der Inhalt von Eigentum auch durch Schrankenbestimmung gestaltet. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen ganze Rechtsgebiete neu geordnet und öffentlicher Herrschaft unterstellt werden unter Inanspruchnahme bestehender Eigentumspositionen.193 Dies ist notwendige Konsequenz der hier vorgenommenen Abgrenzung und dafür in Kauf zu nehmen, dass die Abgrenzung stringent ist und zu einer Stärkung des Abwehrrechts aus Art. 14 GG führt. Es ist somit entgegen der überwiegenden Meinung von der Trennung der Inhalts- von der Schrankenbestimmung und in deren Folge von einem engen Ausgestaltungsbegriff auszugehen, der dazu führt, dass nur in seltenen Fällen tatsächlich eine Eigentumsinhaltsbestimmung vorliegt. Eine solche Inhaltsbestimmung ist nur dann gegeben, wenn die gesetzliche Regelung für keinen Eigentümer eine Schmälerung seiner bisherigen Rechtspositionen zur Folge hat. Damit ist der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen der Gesetzgeber Inhaltsbestimmungen erlassen darf. Noch nicht gesagt ist dadurch, wie weit der Spielraum des ausgestaltenden Gesetzgebers innerhalb dieses Rahmens ist und ob er hier Bindungen unterliegt.
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Vor allem findet die Differenzierung zwischen Neu- und Altregelungen besondere Berücksichtigung. Bei Neuregelungen kann sich die typisch eingriffsrechtliche Wirkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht entfalten, bei Änderungen alter Rechte hat es dagegen eine ganz spezifische Bedeutung, Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107 [117]. Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 56; Hammann, Eigentum, S. 24. Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 410. Diesen Aspekt aufgreifend und entkräftend Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 262 ff., der insbesondere die deutlichere Klarheit für die Abgrenzung zur Enteignung als praktisch bedeutsam anführt. Für dogmatisch erforderlich halten eine Differenzierung auch Grochtmann, Art. 14, S. 284 und Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 150 ff. und 158 ff. Vgl. exemplarisch den der Nassauskiesungsentscheidung des BVerfGE 58, 300 ff. zugrunde liegenden Fall.
I. Konfliktlösung zwischen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
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b) Verfassungsrechtliche Bindungen des inhaltsbestimmenden Gesetzgebers Neben der formalen Vorgabe der Trennung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG lassen sich diesem auf den ersten Blick keine materiellen Vorgaben für Inhaltsbestimmungen entnehmen. Da der Begriff der Ausgestaltung schon an sich gegen weitergehende Bindungen spricht, weil Ausgestaltung notwendig Gestaltungsfreiheit voraussetzt, ist ein solcher Inhaltsbestimmungs- bzw. Ausgestaltungsvorbehalt für den Gesetzgeber ein besonderes Mandat zur Verfassungskonkretisierung.194 Aber auch der ausgestaltende Gesetzgeber ist nicht von Bindungen frei, sondern grundrechtsgebunden. Den grundlegenden Gehalt der Eigentumsgarantie muss er jedenfalls wahren.195 Anders als bei Schrankenbestimmungen ist der Gesetzgeber bei Inhaltsbestimmungen weder an die Wesensgehaltsgarantie196 noch an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz197 gebunden und auch das Gebot der Sozialnützigkeit in Art. 14 Abs. 2 GG findet keine Anwendung.198 Vor dem Hintergrund, dass nach hier vertretener Meinung eine Inhaltsbestimmung wesensgemäß keine individuellen Rechtspositionen beeinträchtigen kann, erscheint dies konsequent. aa) Institutsgarantie und verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff als Vorgabe an den Gesetzgeber Mit Art. 14 GG setzt das Grundgesetz das Vorhandensein des Instituts Eigentum zwingend voraus. Ausdruck findet dies in der These der Institutsgarantie. 199 Sie wurde entwickelt, um die Schwäche der Eigentumsgarantie zu beheben, die aus der Anerkennung von immanenten Schranken und gleichzeitiger gesetzgeberi-
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Kloepfer, Umweltrecht, § 13, Rn. 57. BVerfGE 37, 132 [140]. Ob Art. 19 Abs. 2 GG für die Eigentumsgarantie überhaupt gilt, ist strittig. Vgl. Hammann, Eigentum, S. 29 m.w.N. Keine Anwendung findet sie bei Ausgestaltungsgesetzgebung, vgl. Gellermann, Grundrechte, S. 213; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 277 ff. Nach hier vertretener Auffassung geht sie in Art. 14 auf, wenn die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Inhalts- und Schrankenbestimmungen eingehalten wurden. Ähnlich auch BVerfGE 58, 300 [348]: Die Wesensgehaltsgarantie ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber die aus Instituts- und Bestandsgarantie folgenden Grenzen einhält. Speziell zum unübersichtlichen Meinungsstand in Bezug auf dessen Geltung für den Ausgestaltungsgesetzgeber Gellermann, Grundrechte, S. 332 ff. mit zahlreichen Nachweisen, der selbst eine modifizierte Anwendung dieses Grundsatzes vorschlägt. Für dessen Anwendbarkeit Grochtmann, Art. 14, S. 35 ff., 90, und Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 900 sowie eingeschränkt auf Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 280 ff. sowie ders., in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 57. Hammann, Eigentum, S. 28 f.; Parodi, Eigentumsbindung, S. 81 f. Für Bindung an die Institutsgarantie, Schutz- und Leistungspflichten sowie Verfahrenskomponente Gellermann, Grundrechte, S. 290. Ursprünglich entwickelt von Wolff, FG für Kahl, S. 3 [5].
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scher Kompetenz zur Inhalts- und Schrankenbestimmung folgt.200 Die Institutsgarantie wird weithin als Grenze für den inhaltsbestimmenden Gesetzgeber gesehen.201 Allerdings sind Inhalt und Aussagen der Institutsgarantie wenig konturiert, weshalb sie als Grenze für den Gesetzgeber immer wieder angezweifelt worden ist. Vor allem gibt es im Rahmen des Art. 14 GG keine einheitliche Institutsgarantie mehr: Angesichts der strukturell verschiedenen, Art. 14 GG unterfallenden Rechtspositionen – wie beispielsweise Grundeigentum, Urheber- und Forderungsrechte, Anwartschaften – fehlt eine vereinheitlichende Basis für das Auffinden der einheitlichen Institutsgarantie.202 Gegen die Institutsgarantie spricht auch, dass sie nicht plausibel verfassungsrechtlich begründet und vor allem nicht verfassungsgerichtlich anerkannt ist.203 Einerseits lässt die starke Betonung der gesetzgeberischen Ausgestaltungsbefugnis der Eigentumsgewährleistung durch das Bundesverfassungsgericht die Funktion der Institutsgarantie als Grenze des Gesetzgebers fraglich erscheinen.204 Andererseits lässt sich beobachten, dass die eigentumskonstituierende Funktion des Gesetzgebers an Gewicht verliert und das Bundesverfassungsgericht im Wege der Abwägung untersucht, ob Inhaltsbestimmungen Privateigentum und Sozialpflichtigkeit in Ausgleich bringen. 205 Die Institutsgarantie bringt das Bundesverfassungsgericht dagegen in jüngster Zeit mit der gesetzgeberischen Inhaltsbestimmung kaum mehr in Verbindung.206 Gleichwohl kristallisieren sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts absolute Grenzen der Ausgestaltungsbefugnis heraus. Als solche nennt es 200 201
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Sieckmann, Modelle, S. 222. BVerfGE 24, 367 [389]; 58, 300 [348]; Herleitung einer Pflicht zur Zuweisung eines Vermögenswertes aus eigener Leistung: BVerfGE 31, 229 [240 f.]; 51, 193 [217]; BVerfG NJW 2001, [1783] 1784. Hammann, Eigentum, S. 25; Parodi, Eigentumsbindung, S. 81 f.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 408 f.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 57; ders., Eigentum und Gesetzgebung, S. 185. Dagegen im Ergebnis Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 71 ff. Als Schranke für den inhaltsund schrankenbestimmenden Gesetzgeber hat sie praktisch kaum Bedeutung erlangt, so Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 534 f. und Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 223. Gänzlich für deren Abschaffung als „dogmatisches Fossil“ Waechter, Die Verwaltung 29 (1996), S. 47 ff. Papier, Wandel, S. 21: Es geht also um verschiedene Rechtsinstitutsgarantien im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Sieckmann, Modelle, S. 224 ff., der ein Abwägungsmodell vorschlägt, um sie inhaltlich zu bestimmen; zu sonstigen Ansätzen, insb. traditioneller und funktionaler Art, S. 225 ff. Zweifelnd auch Kutschera, Bestandsschutz, S. 123; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 39. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 39. So die Feststellung von Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 252. BVerfGE 91, 294 [308]; 104, 1 [11]. Ausdrücklich gegen eine Aufspaltung des Art. 14 Abs. 1 in einen abwehrrechtlichen Gehalt – bezogen auf den vom Gesetzgeber geschaffenen Bestand – und die Bindung an die Institutsgarantie, Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 271 ff. Vgl. aber Schoch, JURA 1989, 113 [118], der die gesetzgeberische Definitionsbefugnis nur auf die Bestands- und nicht auf die Institutsgarantie bezieht.
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die Erhaltung des Zuordnungsverhältnisses und der Substanz des Eigentums.207 Als wichtige Grenze zeigt es auch die Privatnützigkeit, die die Veräußerungsbefugnis und die Möglichkeit, wirtschaftlichen Nutzen aus dem Eigentum zu erzielen, umschließt, auf.208 In der Definition des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs durch das Bundesverfassungsgericht – Zuordnung einer umfassenden Herrschaftsposition an einen Rechtsträger, gekennzeichnet durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis sowie die Gewährleistung der Substanz des Eigentumsgegenstandes209 – lassen sich eben diese Merkmale finden. Das Bundesverfassungsgericht aktiviert mithin einzelne Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes als Grenze gesetzgeberischer Ausgestaltung.210 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff dient somit als Grenze gesetzgeberischer Gestaltung bei Inhaltsbestimmungen des Eigentums. In dieser Gestalt kann er besonders seiner Funktion gerecht werden, die verfassungsrechtlich erforderliche Qualität der einfachrechtlich zugewiesenen Rechtspositionen vorzugeben, die nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht.211 Ob ein und wenn ja welcher Zusammenhang zwischen dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff und der Institutsgarantie besteht, ist zweifelhaft und umstritten. Teilweise werden der Institutsgarantie grundlegende Gestaltungsdirektiven für die Ausgestaltung des Instituts entnommen. Diese sollen den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff umreißen, so dass die Institutsgarantie die elementaren Strukturmerkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs (Substanz, Privatnützigkeit, Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand) sichert.212 Bei Zugrundelegung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erscheint diese Sichtweise als zwingend, weil es die Einzelmerkmale des verfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriffs sowohl bei Qualifikation einer Rechtsposition als Eigentum als auch bei der Rechtfertigung von Eingriffen in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie einsetzt.213 Wird die Ansicht, nach der die Nutzung des Grundwassers vom Grundeigentum abgespalten ist, den Vorgaben des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes 207 208 209 210
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BVerfGE 50, 290 [341]. BVerfGE 24, 367 [389]; 38, 348 [370 f.]. Vgl. schon S. 65 in Fn. 24. A.A. Grochtmann, Art. 14, S. 24, der meint, das BVerfG messe diesem allein als Abgrenzungskriterium für zu schützende Rechtspositionen Bedeutsamkeit zu. Vgl. dazu Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 33. In diesem Sinne für eine Gleichsetzung beider Chlosta, Wesensgehalt, S. 19; Gellermann, Grundrechte, S. 98; Wahl, NVwZ 1984, 401 [404 ff., 406]; Schoch, in: FS Boujong, S. 655 [659]. Zweifelnd Kutschera, Bestandsschutz, S. 22; dagegen Appel, Entstehungsschwäche, S. 82 f. und Grochtmann, Art. 14, S. 258 f. Vgl. dazu oben S. 63 f. sowie sogleich S. 111 ff. Dies verkennt Appel, Entstehungsschwäche, S. 82 f.: Er weist – entgegen seiner Annahme a.a.O., der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff habe nur die Qualifikationsfunktion für Rechtspositionen und die Institutsgarantie nur die Funktion als Rechtsmäßigkeitsmaßstab im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Bedeutung – auf Seiten 68, 70 ff. nach, dass die Strukturmerkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs auch bei der Eingriffsrechtfertigung zur Anwendung kommen. Dies entspricht auch hiesigem Verständnis, vgl. noch S. 111 ff.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
gerecht? Das Merkmal der Zuordnung einer umfassenden Herrschaftsposition an einen Rechtsträger erscheint nicht umfänglich gewahrt, weil ein natürlich mit dem Grundeigentum verbundener Teil ausgespart ist. In diesem Merkmal des Eigentumsbegriffes kommt die Funktion des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes zum Ausdruck, die Einheit des Eigentumsbegriffs sicherzustellen. Eigentum besteht nicht aus verschiedenen Einzelberechtigungen, sondern ist als umfassendes Ganzes, also umfassende Herrschaft über den Eigentumsgegenstand, zu verstehen.214 Diese Vorgabe des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes bedeutet für den eigentumsinhaltsbestimmenden Gesetzgeber, dass er nur einheitliches Eigentum statuieren und nicht einzelne Berechtigungen abspalten darf. Neben der Rechtsprechung zu den sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen als Eigentum215 wird auch im Umweltrecht von der Aufspaltung einheitlichen Eigentums gesprochen.216 Im Hinblick auf das Grundeigentum wird die Abspaltung einzelner Berechtigungen in Bezug auf die Umweltmedien Boden, Wasser und Luft diskutiert.217 Nun liegt dem Ausschluss des Zugriffs auf Umweltmedien durch den Grundeigentümer aber etwas anderes zugrunde als der Gedanke des einheitlichen Eigentums im Sinne des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs. Dort geht es darum, dass Eigentum als „der umfassende Begriff für die vielfältig denkbaren sachenrechtlichen Beziehungen“218 zu verstehen ist. Gemeint ist ein absolutes Recht an dem zugeordneten Gegenstand und nicht die Aufteilung einzelner Befugnisse auf verschiedene Rechtsträger in Bezug auf denselben Gegenstand.219 Hier geht es dagegen allein um die tatsächliche und – bildlich gesprochen – eine horizontale Sichtweise, nämlich die Frage, wie der Grundeigentümer in die Luft und in den Boden grundrechtlich abgesichert natürliche Lebensgrundlagen in Anspruch nehmen kann; Befugnisse Anderer sollen daran gar nicht geschaffen werden.220 Dies zu regeln, ist der Gesetzgeber durch Inhaltsbestimmung berufen. Angesichts des hier gewählten engen Ausgestaltungsbegriffs ist es nur folgerichtig, den gesetzgeberischen Spielraum innerhalb des Ausgestaltungsrahmens besonders weit zu verstehen. Die Verfassungsnormen Art. 14 GG und Art. 20a GG legen dies für das Grundeigentum auch nahe. Wegen der engen Verbindung von Grundeigentum und natürlichen Lebensgrundlagen muss Ausgestaltung auch so weit gehen dürfen, dass eine verfassungsgemäße Eigentumsdefinition unter Ausspa214 215 216
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Zum Vorstehenden Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [ 134]. BVerfGE 53, 257 [289 ff.]; 76, 256 [301]. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 24 f. mit zahlreichen Nachweisen. Kategorisch gegen eine Aufspaltung des Eigentumsbegriffes in Einzelbefugnisse, die verfassungswidrig sei, auch speziell im Hinblick auf das Grundeigentum: Leisner, Sozialbindung, S. 197 f. Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [220] m.N. BVerfGE 24, 367 [389 f.] und ausführlich Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [167]. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [ 134 f.]. A.A. speziell zur Nassauskiesungsentscheidung: Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 225: das geeignete Instrument wäre die Schrankenbestimmung in Form des Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt, S. 228.
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rung der Möglichkeit der Nutzung von Umweltmedien getroffen werden kann.221 Der gemäß Art. 20a GG an den Gesetzgeber gerichtete Auftrag enthält die Befugnis, den zu schützenden Gegenstand überhaupt zu definieren. Da es in Art. 20a GG um die Regelung einer konkret benannten Sachmaterie geht, umfasst diese Regelungskompetenz alles, was mit dieser Materie zusammenhängt und auf sie bezogen ist und was das Grundgesetz über sie nicht schon selbst aussagt.222 Im Grundgesetz findet sich keine Vorgabe des Begriffes der natürlichen Lebensgrundlagen. Der Gesetzgeber ist zunächst frei in dessen Ausgestaltung. Allerdings ist sein Auftrag bestimmt und begrenzt durch die normativen Grundentscheidungen der Verfassung auf den konkreten der jeweiligen Verfassungsnorm angesprochenen Gebieten der verfassungsrechtlichen Gesamtordnung.223 Diese wird im Hinblick auf die Rechte an den natürlichen Lebensgrundlagen nicht nur durch Art. 20a GG, sondern auch durch die Eigentumsgarantie bestimmt, so dass der Gesetzgeber bereits bei der Definition der natürlichen Lebensgrundlagen die Eigentumsgarantie im Blick behalten muss. Einer Definition des Grundeigentums unter Aussparung der Umweltmedien steht der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff nicht entgegen. Freilich trifft ein solches gesetzgeberisches Unterfangen auf die Grenze der definitorischen Machbarkeit. Gesetzlich niedergelegt werden kann nur etwas Bestimmbares. Im Hinblick auf das Grundeigentum und die Umweltmedien erweist sich eine räumliche Definition in horizontaler Sicht ohne weiteres als möglich. Schwieriger, wenn nicht gar unmöglich, stellt sich dagegen die Definition der Natur an sich bzw. das Abstellen auf Auswirkungen auf einzelne Umweltmedien durch Eigentümerhandeln dar.224 Für den der Nassauskiesungsentscheidung225 zugrunde liegenden Fall bedeutet dies: Nach dem hier vertretenen engen Ausgestaltungsbegriff und dem damit ebenso engen Begriff der Inhaltsbestimmung waren die der Nassauskiesungsentscheidung zugrunde liegenden Regelungen des WHG nur insoweit Inhaltsbestimmungen, als sie keine individuellen Rechtspositionen betrafen. Dies gilt für die Grundstücke, auf denen bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WHG keine Grundwassernutzungen verwirklicht wurden.226 Hier kann der inhaltsbestimmende Gesetzgeber durch Neudefinition bestehende Eigentumsrechte um- und neu gestal-
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Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 202, 224, der dies als legislative „Bestimmung unverfügbarer Naturgüter“ bezeichnet. BVerfGE 15, 126 [138]. Wienholtz, Normative Verfassung, S. 81. Zum Problem der Definierbarkeit bzw. rechtssprachlicher Nichtfassbarkeit Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 220. BVerfGE 58, 300 ff. Bis zum Zeitpunkt der gesetzgeberischen Regelung zählten die betreffenden Nutzungsbefugnisse zum Grundeigentum. Betroffen in einer individuellen Rechtsposition sind nur die Eigentümer, die die Nutzung verwirklicht hatten. Dort stellte sich dann die Frage, ob durch Schrankenbestimmung oder Enteignung vorgegangen werden musste. Diese Abgrenzung überschreitet hiesige Aufgabenstellung, vgl. deshalb statt aller Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 253 ff. mit zahlreichen Nachweisen.
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ten.227 Das betrifft insbesondere die bis dahin grundsätzlich möglichen und von der Eigentumsgarantie umfassten Grundwassernutzungen. Weitergehenden Bindungen ist der Gesetzgeber dabei nicht unterworfen. Allerdings muss er sich am Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums orientieren und die neu gestalteten Rechtspositionen mit diesem in Einklang halten. Nach dem Gesagten ist der ausgestaltende Gesetzgeber frei in seinem Handeln, darf allerdings – wie jede staatliche Macht – nicht willkürlich agieren. Für die Inhaltsbestimmung bedeutet dies, dass er das Leitbild verfassungsrechtlichen Eigentums vor Augen mit einem sachlichen Grund Eigentumsrechte ausgestalten darf. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages für die natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG hat der Gesetzgeber regelmäßig einen solchen sachlichen Grund, wenn er umweltschützend tätig wird. Es gilt somit festzuhalten, dass der Gesetzgeber bei Inhaltsbestimmungen des Eigentums den Schutzauftrag aus Art. 20a GG ebenso beachten muss wie die Vorgaben der Eigentumsgarantie bei Erfüllung seines Schutzauftrages aus Art. 20a GG. Orientiert er sich dabei am verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff, ist er allerdings nicht gehindert, den uneingeschränkten Zugriff auf die natürlichen Lebensgrundlagen durch den Grundeigentümer durch Inhaltsbestimmung zu reglementieren. Der Schutzauftrag des Art. 20a GG ermöglicht auch, dass der Gesetzgeber die natürlichen Lebensgrundlagen aus dem Grundeigentum ausspart, „wegdefiniert“ bzw. „unverfügbar stellt“228 – unter Berücksichtigung des engen Begriffs der Inhaltsbestimmung freilich eine eher theoretische Option. Aus Art. 20a GG die Anforderung abzuleiten, der Gesetzgeber habe jede bestandsgefährdende Individualzuordnung von Naturgütern zu unterlassen, er habe darüber hinaus nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich die Unverfügbarkeit im eigentumsrechtlichen Sinne anzuordnen229, geht freilich zu weit. Auch wenn dies nur als eine Zielorientierung bei der Eigentumsausgestaltung verstanden würde, die andere Vorgehensweisen nicht ausschließe, geht eine solche Interpretation des Art. 20a GG fehl. Zum einen überdehnt sie den Normbefehl, nach dem das „Wie“ der Ausübung des Auftrages der Legislative überlassen ist. Auch im Falle der Bestandsgefährdung für Naturgüter hat der Gesetzgeber noch einen Gestaltungsspielraum im Rahmen des Art. 20a GG, ist allenfalls verpflichtet, überhaupt irgendeine effektive Maßnahme zu ergreifen. Sein konkretes Vorgehen hängt im Besonderen von der politischen Durchsetzbarkeit der jeweiligen Maßnahme ab. Auf die Unverfügbarstellung als Maßnahme ist er jedenfalls nicht reduziert. Zum anderen widerspricht die Ableitung der Unverfügbarkeit von Naturgütern – verstanden in dem Sinne, dass ein Naturgut durch Eigentumsrecht nicht individuell zuweisbar ist – aus Art. 20a GG der Eigentumsgarantie. Zwar ist es richtig, dass 227
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Erheblich weitergehend – aufgrund eines weiten Inhaltsbestimmungsbegriffes – Kloepfer, Umweltrecht, § 13, Rn. 57 ff., der in § 1a Abs. 4 WHG, nach dem das Grundeigentum nicht zur Benutzung des Grundwassers berechtigt, eine gebietsspezifische Formulierung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums sieht, die dem Inhaltsbestimmungsrecht des Gesetzgebers und dem dadurch bestehenden gesetzgeberischen Mandat zur Verfassungskonkretisierung im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG entspreche. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 268 ff. So Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 276.
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der Eigentumsgegenstand legislativ gestaltbar ist, die legislative „Bestimmung unverfügbarer Naturgüter“ auch als Instrument des eigentumsausgestaltenden Gesetzgebers in Betracht kommt.230 Allerdings muss der Gesetzgeber dabei die Vorgaben der Eigentumsgarantie beachten. Die Unverfügbarstellung von Naturgütern stößt aufgrund der engen tatsächlichen Verbindung derselben mit dem Grundeigentum an definitorische Grenzen. Die Freiheitsausübung durch den Grundeigentümer ist ohne Inanspruchnahme der Umweltmedien überhaupt nicht denkbar. Das Recht kann gegenüber dieser untrennbaren Verbindung des Grundeigentums mit Wasser, Boden und Luft nicht blind sein. Dies würde auch ignorieren, dass nicht zwingend der Staat der bessere Umweltschützer ist, sondern Eigentumsgarantie auch Recht und Pflicht des Eigentümers zum Umweltschutz bedeutet.231 bb) Natürliche Lebensgrundlagen als öffentliche Sachen: Art. 20a GG als Vorgabe an den inhaltsbestimmenden Gesetzgeber Eine Inhaltsbestimmung, nach der das Grundeigentum nicht zum Zugriff auf die Umweltmedien berechtigt, bedeutet allerdings nicht dasselbe wie die Schaffung einer öffentlichen Sache im Sinne des öffentlichen Sachenrechts.232 Während die Tatsache, dass ein Umweltmedium öffentliches Gemeingut ist, nicht zum Ausschluss grundrechtlichen Schutzes bei Inanspruchnahme desselben führt, ist das Recht zur Benutzung öffentlicher Sachen nicht grundrechtlich – auch nicht durch die Eigentumsgarantie – legitimiert.233 Definiert der Staat in Gestalt des eigentumsinhaltsbestimmenden Gesetzgebers umweltrelevante Güter als öffentliche Sachen und nimmt er sie dadurch aus der privatrechtlichen Verfügungsbefugnis heraus, hat er ein weit reichendes Instrument, die Knappheit der Umweltgüter auch verfassungsrechtlich adäquat zu verarbeiten.234 Ein solches gesetzgeberisches Vorgehen wird für zulässig gehalten, weil lediglich die sich aus der Funktion der Grundrechte ergebenden Grenzen konkretisiert würden. Zwar läge ein intensiver Eingriff vor, der der Rechtfertigung bedürfe. Diese sei aber unproblematisch gegeben, weil es sich um knappe Güter handele.235 Auch wird auf die Gewährleis-
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Insoweit ist Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 202, beizupflichten. Vgl. dazu im einzelnen S. 172 ff. Vgl. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 231 ff. Letzteres setzt eine Widmung als Kreationsakt voraus, hierzu grundlegend Axer, Widmung als Schlüsselbegriff, S. 30 ff. Vgl. im übrigen Papier, Recht der öffentlichen Sachen. A.A. dagegen Peine, JZ 2006, 593 [604], der in Bezug auf das Regelungsregime des WHG von einer öffentlichen Sache im Sondergebrauch ausgeht. R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [961]. „Öffentliches Eigentum“ an natürlichen Lebensgrundlagen impliziert die Annahme eines Teilhaberechts an diesen, Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 239. Vgl. schon S. 87 ff. sowie Murswiek, JZ 1988, 985 ff. und DVBl. 1994, 77 ff. Die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung – wie durch das WHG – führt allerdings zum Ausschluss des Grundrechtsschutzes, so BVerfGE 58, 300 [328]. R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [961 f.]; Lorenz, NVwZ 1989, 813 [818]. R. Schmidt, in: FS Zacher, S. 947 [962].
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tungsfunktion der Umweltgüter hingewiesen, die wegen existentieller Bedeutung in Staatshand monopolisiert werden könnten.236 Art. 20a GG enthält dazu keine weiterführenden Aussagen. Aus der von der Staatszielbestimmung vorgesehenen Gestaltungsfreiheit ergibt sich, dass der Gesetzgeber den natürlichen Lebensgrundlagen grundsätzlich den Status einer öffentlichen Sache zuordnen darf. Die Voraussetzungen, denen ein solches Vorgehen unterliegt, ergeben sich aber nicht selbst und vor allem nicht ausschließlich aus Art. 20a GG, sondern aus anderen Grundgesetzvorschriften. Im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht ist bei der Beurteilung der Frage der Zulässigkeit dieser gesetzgeberischen Maßnahme allerdings Vorsicht geboten. Nach der hier zugrunde gelegten Definition der Eigentumsinhaltsbestimmung können durch sie wesensgemäß keine individuellen Rechtspositionen verkürzt werden. Daher können öffentliche Umweltgüter grundsätzlich zu öffentlichen Sachen erklärt werden.237 Wird dagegen der weite von der herrschenden Meinung bevorzugte Begriff der Inhaltsbestimmung zugrunde gelegt, ergibt sich zum einen das Abgrenzungsproblem der Inhaltsbestimmung zur Enteignung.238 Zum anderen unterliegt die Frage der Zulässigkeit der Statuierung öffentlicher Sachen durch Inhaltsbestimmung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.239 Hier bedarf es, weil es um intensivstes Einwirken staatlicher Umweltschutzaktivität geht, einer strengen Überprüfung der Erforderlichkeit.240 Die Widmung von Sachen für einen öffentlichen Zweck unterliegt unter diesem Gesichtspunkt verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die gebotene Ordnung eines Sachbereichs auch über öffentlich-rechtliche Schrankenziehung erreicht werden könnte.241 Die Zulässigkeit solcher Eigentumsbegrenzungen setzt danach voraus, dass sie zum Schutz überragender und wichtiger Gemeinschaftsgüter unerlässlich sind, bzw., dass bei Unterlassen hochgradigen öffentlichen Belangen mit Sicherheit oder höchst wahrscheinlich schwere Nachteile drohen.242 Damit wird freilich die vielfach vertretene Auffassung, bei Inhaltsbestimmungen sei der Gesetzgeber nur an die Institutsgarantie und nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, hinfällig. Werden Inhalts- und Schrankenbestimmungen jeweils denselben Anforderungen unterstellt, insbesondere eben der Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ist eine Trennung beider tatsächlich nicht mehr sinnvoll und damit obsolet.
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Lorenz, NVwZ 1989, 813 [818]. Zu den Anforderungen soeben aa). Vgl. statt aller Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 253 mit zahlreichen Nachweisen. Zur Zulässigkeit der Schaffung öffentlichen Eigentums an Hochwasserschutzanlagen durch Legalenteignung vgl. BVerfGE 24, 367 ff. Zur Diskussion betreffend die Luft als Umweltmedium Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [221]. Weil die herrschende Meinung nicht zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung trennt, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz immer anzuwenden. Anders die hier vertretene Meinung, vgl. oben S. 92 ff. Lorenz, NVwZ 1989, 813 [819]. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 19. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 320.
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Weiterhin sieht sich diese herrschend vertretene Meinung dem Problem der Bestimmung der überragenden und wichtigen Gemeinschaftsgüter bzw. der hochgradigen öffentlichen Belange ausgesetzt. Die Verfassungsnorm des Art. 20a GG zeigt, dass es sich bei den natürlichen Lebensgrundlagen um wichtige, ja überragende – allerdings nicht im Sinne von im Rang höher stehende – Güter handelt. Freilich ist damit noch nicht deren Gewicht gegenüber anderen Verfassungsgütern, insbesondere dem Eigentum, bestimmt. Deshalb kann allein der Hinweis auf Art. 20a GG im Einzelfall keine Eigentumsbeschränkungen rechtfertigen. Denkbar ist allerdings, dass Art. 20a GG geradezu umgekehrt interpretiert wird und ihm ein Verbot der Statuierung einer öffentlichen Sache entnommen wird. Dies liegt in dem Fall nahe, dass die Widmung einer Sache zu öffentlichen Zwecken dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen abträglich ist. So bedeutet beispielsweise die Widmung eines Flussabschnittes als Bundeswasserstraße die Herstellung der Schiffbarkeit und damit die Zulässigkeit von Ausbaumaßnahmen, Schiffsverkehr sowie der Einleitung von Stoffen. Dies wirkt sich nachteilig auf die natürlichen Lebensgrundlagen aus.243 Dennoch geht eine solche Interpretation des Art. 20a GG zu weit, weil sie die Rechtsnatur des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung ignoriert und seine Aussagekraft überdehnt. Über die konkrete Zulässigkeit von staatlichen Maßnahmen lässt sich diesem Verfassungsartikel nichts entnehmen. Diese ist anhand der gesamten grundgesetzlichen Ordnung zu prüfen, in die der Umweltschutz eingebettet ist.
c) Ergebnis „Der Gesetzgeber, der Eigentum inhaltlich bestimmt, kann auf einer logisch ersten Stufe nur entweder Eigentum im Sinne eines absoluten Herrschafts- und Verfügungsrechts zuordnen oder aber gar nicht. Eigentum in diesem Sinne ist also grundsätzlich ein verfassungsrechtlich freies, unbeschränktes und absolutes Recht; denn nur unter dieser Voraussetzung ist es dem Berechtigten ebenso ausschließlich „wie das Eigentum an einer Sache“[244] zugeordnet. Erst auf einer logisch zweiten Stufe kann der einfache Gesetzgeber – gegebenenfalls uno actu mit der Rechtszuweisung – gemeinschaftsdienliche Beschränkungen des Eigentums statuieren, die gegenüber dem Eigentümer rechtfertigungsbedürftig sind“.245 In diesem Sinne sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen streng voneinander zu trennen. Eine Regelung ist Schrankenbestimmung, wenn sie für (mindestens)
243
244 245
Hier zeigt sich eine weitere Konsequenz der bereits abgelehnten Ansicht, Art. 20a GG enthalte die Festschreibung eines Umweltschutzniveaus entsprechend dem, das bei seiner Aufnahme in das Grundgesetz bestand (dazu schon S. 51). Dies würde bedeuten, dass für jede staatliche Maßnahme, die die natürlichen Lebensgrundlagen in Anspruch nimmt, ein verfassungsrechtliches Kompensationsgebot gilt. Auf einfachgesetzlicher Ebene ist ein Verschlechterungsverbot bspw. normiert in § 19 BNatSchG. Umfassend zu den verschiedenen Kompensationsregelungen und dem Kompensationsprinzip an sich Voßkuhle, Kompensationsprinzip. BVerfGE 78, 58 [71]. Depenheuer, v. Danwitz, Bericht, S. 111 [168 f.].
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einen Eigentümer die Schmälerung seiner bisherigen Rechtspositionen bedeutet; ist dies nicht der Fall, handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung. Trotz des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei Wahrnehmung seines Inhaltsbestimmungsrechts unterliegt er gewissen Bindungen: Es bedarf eines sachlichen Grundes für sein Tätigwerden – er darf nicht willkürlich handeln – und muss das Leitbild des verfassungsrechtlichen Eigentums in Gestalt des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes vor Augen haben. In diesen Voraussetzungen geht insbesondere die Wesensgehaltsgarantie auf, weil der Gesetzgeber dieser schon nachkommt, wenn er den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff beachtet. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beansprucht dagegen bei der reinen Inhaltsbestimmung keine Geltung. Der inhaltsbestimmende Gesetzgeber im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG hat bei Wahrnehmung seines Rechts die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 20a GG zu beachten. Art. 20a GG hat auf den legislativen Spielraum bei Inhaltsbestimmungen keinen Einfluss.246 Die verfassungsrechtliche Beurteilung gesetzgeberischen Tätigwerdens hängt nicht davon ab, ob der gleichermaßen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Inhaltsbestimmung des Eigentums berufene Gesetzgeber aufgrund von Art. 20a GG oder aus Art. 14 GG tätig wird. Er hat unter Beachtung des jeweils anderen Verfassungsguts zu handeln. Weil das Grundgesetz die Beachtung beider vorschreibt, würde es sich sonst zu sich selbst in Widerspruch setzen.
3. Schrankenbestimmungen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Soweit Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu Schrankenbestimmungen ermächtigt, erfüllt er als Gesetzesvorbehalt zwei wichtige Funktionen: Er ist Ermächtigung zu Eingriffen in den Schutzbereich des Art. 14 GG und legt fest, dass diese Einschränkungen nur der Gesetzgeber vornehmen darf.247 Fraglich ist, zu welchen Eingriffen in das Grundeigentum zu Zwecken des Umweltschutzes der Gesetzgeber befugt ist und welchen Grenzen er dabei unterliegt. Ein festes Gefüge verfassungsrechtlicher Maßstäbe für die Kontrolle von Schrankenbestimmungen lässt sich dabei nicht erkennen, weil das Bundesverfassungsgericht je nach Sachlage verschiedene Aspekte als verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab betont und den speziellen eigentumsgrundrechtlichen allgemeine Verfassungsrechtssätze ergänzend zur Seite stellt.248
a) Inhalt des Auftrages zur Schrankenbestimmung Das Bundesverfassungsgericht leitet die eigentumsgrundrechtlichen Anforderungen an Schrankenbestimmungen aus einer Gesamtschau des Art. 14 GG her. Es 246 247 248
Anders für das Staatsziel Tierschutz: Caspar/Schröter, Staatsziel, S. 62 ff. Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 286 f. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 167: Gleichheitssatz, Vertrauensschutzprinzip, Bestimmtheitsgrundsatz.
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geht davon aus, dass die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, der Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und die Sozialpflichtigkeit gemäß Art. 14 Abs. 2 GG in einem unauflösbaren Zusammenhang stehen. Es dürfe keiner dieser Faktoren über Gebühr verkürzt werden, sie müssten vielmehr zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden.249 Der Gesetzgeber hat demnach ein „Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und andererseits aus der verbindlichen Richtschnur des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben.“250 Er soll eine „Eigentumsordnung [...] schaffen, die sowohl den privaten Interessen des Einzelnen als auch denen der Allgemeinheit gerecht wird.“251 Damit ist das Wohl der Allgemeinheit zugleich Grund als auch Grenze von Schrankenbestimmungen.252 Als ein solches Interesse der Allgemeinheit hat der schrankenbestimmende Gesetzgeber den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu beachten. Die obige Untersuchung des Verhältnisses des Schutzbereiches des Art. 14 GG zu Art. 20a GG hat ein Ergebnis hervorgebracht, das als eine inhaltliche Festlegung des schrankenbestimmenden Gesetzgebers dienen kann: Der Konflikt zwischen Eigentum und Umweltschutz muss erstens vom Gesetzgeber und zweitens insbesondere durch Schrankenbestimmungen behandelt und gelöst werden.
b) Verfassungsrechtliche Vorgaben an den schrankenbestimmenden Gesetzgeber Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche Anforderungen an schrankenbestimmende Gesetze bezüglich des Grundeigentums unter Umweltgesichtspunkten beachtlich sind. Dabei soll zwischen umweltspezifischen und eigentumsspezifischen Anforderungen253 differenziert werden. aa) Umweltschutzspezifische Vorgaben (1) Bestimmtheit Ein besonderes Problemfeld im Umweltschutzrecht ist die Bestimmtheit254 gesetzlicher Vorschriften. Von großer praktischer Relevanz ist diese Anforderung freilich nicht, weil es ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht, dass die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes aus Gründen seiner Unbestimmtheit „grundsätzlich ... nur ausnahmsweise festgestellt werden“ kann.255
249 250 251 252 253 254
255
BVerfGE 50, 290 [340]. BVerfGE 37, 132 [140]. BVerfGE 58, 300 [335]. BVerfGE 52, 1 [29]. Zu den allgemeinen Voraussetzungen vgl. v. Arnauld, Die Freiheitsrechte, S. 141 ff. Vgl. dazu allgemein v. Arnauld, Die Freiheitsrechte, 170 ff.; Denninger, Normsetzung, S. 160 ff. BVerfGE 17, 67 [82]. Einen Fall von Verfassungswidrigkeit wegen Unbestimmtheit behandelt z.B. OVG Münster, NuR 1995, 301 [305 f.].
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Gleichwohl werden immer wieder Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit umweltschutzrechtlicher Regelungen angebracht.256 Dabei gerät insbesondere die generalklauselartige Normierung des Naturschutzrechtes regelmäßig ins Blickfeld.257 So können beispielsweise Gebiete wegen ihrer „besonderen Eigenart“ oder „hervorragenden Schönheit“ gemäß § 23 Abs. 1 BNatSchG als Naturschutzgebiete oder wegen der „Vielfalt, Eigenart und Schönheit“ der Landschaft gemäß § 26 Abs. 1 BNatSchG als Landschaftsschutzgebiete festgesetzt werden. 258 Verwehrt ist dem Gesetzgeber die Verwendung von unbestimmten, der Auslegung bedürftigen Gesetzesbegriffen grundsätzlich zwar nicht. Er muss Normen aber so formulieren, dass die von ihnen Betroffenen die Rechtslage eindeutig erkennen können. Es muss ihnen möglich sein, in zumutbarer Weise festzustellen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen.259 Vor diesem Hintergrund ist die umweltpolitische Praxis kritisch zu sehen, nach der in aller Regel die Konkretisierungen erst durch Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften erfolgen. Insoweit stellt sich der Gesetzgeber im Umweltschutzrecht nur als „scheinbar stark“ dar.260 Im Hinblick auf die technische Durchdringung und schnelllebige technische Entwicklung sowie die Notwendigkeit normativer Weite und Flexibilität ergeben sich hier aber auch Grenzen der tatsächlichen Machbarkeit. Verfassungsrechtlich betrachtet ist durch Art. 20a GG und Art. 14 GG jedenfalls der Gesetzgeber der „starke“ Umweltschützer. (2) Art. 20a GG als Staatszielbestimmung So wie jede Grundrechtsschranke mit sonstigem formellen und materiellen Verfassungsrecht in Einklang stehen muss, darf auch ein eigentumsbeschränkendes Gesetz nicht der Verfassungsnorm des Art. 20a GG zuwiderlaufen. Über die Abwehrdimension des Grundrechts wird so eine Verbindung des Eigentumsgrundrechts mit Art. 20a GG hergestellt. Grundlage dafür bietet die Elfes-Entscheidung261 des Bundesverfassungsgerichts. Die dortigen, auf das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG bezogenen Ausführungen, führen zu einem Grundrecht auf Verfassungsmäßigkeit der gesamten Staatstätigkeit, weil eine verfassungswidrige Einschränkung des Art. 2 Abs. 1 GG auch dann vorliegt, wenn das einschränkende
256 257 258
259 260
261
Kloepfer, Umweltschutzrecht, § 3, Rn. 71 ff. Vgl. schon S. 15. Vgl. auch die Beispiele bei Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 17. Die tatsächliche Lage sieht freilich anders aus; vgl. die Angaben des Bundesamtes für Naturschutz auf seiner Internetseite. Danach lag im Dezember 2005 in Deutschland der Anteil der Naturschutzgebiete an der gesamten Landesfläche bei 3,3%. Zum Vorstehenden BVerfGE 37, 132 [142]. Vgl. dazu Erbguth, Raumbedeutsames Umweltrecht, S. 436. Hier tut sich auch ein Problem mit dem Parlamentsvorbehalt auf, der bei grundrechtsrelevanten Maßnahmen eine gesetzgeberische Entscheidung erfordert, vgl. die Wesentlichkeitsrechtsprechung: BVerfGE 34, 165 [192]; 40, 237 [248 ff.]; 68, 1 [108 f.]. BVerfGE 6, 32 ff.
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Gesetz gegen objektive Verfassungsgrundsätze verstößt.262 Hier kommt Art. 20a GG als neuer Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung zum Tragen. Er entfaltet als (objektive) Staatszielbestimmung seine Wirkung, wenn ein Grundrechtsträger sich gegen ein ihn beschränkendes Gesetz wehrt. Auch bei der Prüfung eines Gesetzes im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist mithin eine Verletzung des Freiheitsrechtes anzunehmen, wenn sich dessen Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen objektive Aussagen des Art. 20a GG erwiese.263 Der Eigentümer bekommt darüber die Möglichkeit, ein ihn in seinem Eigentumsgrundrecht beeinträchtigendes Gesetz auf seine Vereinbarkeit mit Art. 20a GG durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen264, obwohl es sich dabei lediglich um objektives Verfassungsrecht handelt.265 Allerdings lässt sich ein Verstoß des schrankenbestimmenden Gesetzgebers gegen Art. 20a GG nur schwer vorstellen. Denkbar ist, dass dem Gesetzgeber der Auftrag aus der Staatszielbestimmung beim Erlass des Rechtsaktes überhaupt nicht bewusst war oder er gezielt umweltfeindliche Legislation betreibt. Dann liegt allerdings auch ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 GG vor, weil der Gesetzgeber einen wichtigen – nämlich den in Art. 20a GG niedergelegten – Gemeinwohlbelang nicht berücksichtigt hat.266 Wann im Übrigen ein Verstoß gegen Art. 20a GG anzunehmen ist, richtet sich danach, welche zwingenden Vorgaben dieser für den Gesetzgeber vorsieht. Als untere Grenze gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit sind überhaupt fehlende Schutzvorkehrungen bzw. offensichtlich gänzlich ungeeignete oder völlig unzulängliche Maßnahmen ausgemacht worden; die obere Grenze bildet die gesamte Verfassungsordnung und demnach auch das Eigentumsgrundrecht.267 Der Eigentümer kann insoweit ein „Zuviel“ an Umweltschutz abwehren. In diesem Fall greift Art. 20a GG aber nicht losgelöst als Staatszielbe262
263
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265
266 267
BVerfGE 6, 32 [41]. Michel, Staatszwecke, S. 290; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rn. 212 f.; Scholz, AöR 100 (1975), S. 80 [84]. Vgl. auch Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 419 ff., der diesen Begründungsansatz am Beispiel des von Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 260 ff., entwickelten Grundrechts widerlegt. Murswiek, NVwZ 1996, 222 [230]; Steinberg, NJW 1996, 1985 [1992]. Es ist allgemein anerkannt, dass die Elfes-Doktrin nicht als Spezifikum ausschließlich bei Art. 2 Abs. 1 GG Anwendung findet, sondern auch für die anderen speziellen Freiheitsgrundrechte einschlägig ist, Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 418. Die Behauptung, ein den Eigentümer beeinträchtigendes Gesetz verletze auch Art. 20a GG, wird im Regelfall nur aufgestellt werden, wenn Eigentums- und Umweltschutzinteressen parallel laufen und gegen ein anderes – der entsprechenden Maßnahme zugrunde liegendes – staatliches Interesse gerichtet sind. Deshalb handelt es sich eigentlich um nichtkollidierendes Zusammenwirken von Eigentums- und Umweltschutz, das ab S. 136 ff. näher untersucht werden soll. Die gliederungsmäßige Einpassung hier ergibt sich aber zwingend aus der umfassend vorzunehmenden Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Schrankenbestimmung, die Art. 20a GG einzubeziehen hat. Dies führt allerdings nicht zu einer Subjektivierung und Prozessualisierung objektiven Verfassungsrechts, weil vom Erfordernis der persönlichen Betroffenheit (Beschwer) nicht befreit wird, vgl. zum Ganzen jüngst Bethge, in: FS Isensee, 2007, S. 613 ff. Dazu sogleich S. 118. Siehe schon S. 50 ff.
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stimmung, sondern nur durch seine vom Eigentumsgrundrecht kanalisierte Wirkung als Gemeinwohlbelang in Art. 14 Abs. 2 GG und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit.268 Nur eine solche Sichtweise berücksichtigt die speziellen Konfliktlösungsmechanismen zwischen dem Eigentumsgrundrecht und Art. 20a GG. (3) Art. 20a GG als Differenzierungsgrund im Rahmen von eigentumsbeschränkenden Gesetzen Entsprechend ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber bei eigentumsrelevanten Regelungen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen.269 Dabei fällt auf, dass das Gericht die Prüfung des Art. 3 GG mitunter vollständig in Art. 14 GG aufgehen lässt, ihn quasi inkorporiert.270 Das Ziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen ist jedenfalls abstrakt geeignet, den sachlichen Grund für differenzierende Regelungen zu bilden.271 Fraglich ist allerdings, wann eine Differenzierung durch das Heranziehen einer Staatszielbestimmung sachlich gerechtfertigt werden kann: Reicht die Möglichkeit des Verweises auf einen betroffenen Umweltbelang, der durch Art. 20a GG Schutz genießt, oder muss eine zwingende (gesetzgeberische) Handlungspflicht aus Art. 20a GG bestehen? Insoweit kommt es auch darauf an, welche staatliche Gewalt im konkreten Fall die Differenzierung vornimmt. Exekutive und Judikative ist die Beachtung des gesetzgeberischen Primats durch die Staatszielbestimmung aufgegeben. Sie dürfen nicht selbst differenzieren, sondern nur die gesetzgeberische Entscheidung vollziehen bzw. auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen.272 Der Gesetzgeber selbst darf jeden Belang im Rahmen des Aufgabenbereichs von Art. 20a GG als sachlichen Grund für Differenzierungen heranziehen. Dies beruht zum einen darauf, dass er schon die Definitionskompetenz über den Begriff der natürlichen Lebensgrundlagen innehat. Zum anderen obliegt ihm aber auch die Bestimmung des Gewichtes der Belange innerhalb der Rechtsordnung und damit auch ihres Verhältnisses zu einer Eigentümerposition. Will er solche beschränken und dabei zwischen verschiedenen Eigentümerpositionen differenzieren, gibt ihm Art. 20a GG keine Einschränkungen vor. In diese Richtung geht auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts273, der Normgeber habe auch bei auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse nur zu befürchtender Umweltschädigung einen sachlichen Grund, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könne. Hierin zeigt 268
269 270
271 272
273
Beide sind eigentumsspezifische Voraussetzungen und werden sogleich unter bb) erörtert. Vgl. nur BVerfGE 14, 263 [278]; 34, 139 [146]. Obwohl es dies auch nicht durchgängig beibehält, vgl. BVerfGE 18, 121 [124], wo Art. 3 GG isoliert geprüft wird. Zur geringen Bedeutung der Gleichheitswidrigkeit, weil regelmäßig gleichzeitig Unverhältnismäßigkeit vorliegt, Kischel, JZ 2003, 604 [613]. So auch Uhle, JuS 1996, 96 [99]; Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 [51]. Die Pflichten von Exekutive und Judikative aus Art. 20a GG sind nicht Gegenstand vorliegender Untersuchung, vgl. hierzu z.B. Steinberg, NJW 1996, 1985 [1992]. NVwZ 1998, 952.
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sich die enorme Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 20a GG, der auch Vorfeldschutz abdeckt und dadurch zur verfassungsrechtlichen Grundlage vorbeugenden Handelns wird. Seiner Schutzrichtung entsprechend ist dies zwingend, denn im Bereich des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen kann dem Gesetzgeber nicht aufgegeben sein abzuwarten, bis sich eine Gefahr nach wissenschaftlich einheitlicher Meinung bejahen oder ausschließen lässt.274 Dies ist auch aus grundrechtlicher Sicht unbedenklich, weil es hier nicht um die Beurteilung eines Grundrechtseingriffes an sich geht, sondern „lediglich“ um die Rechtfertigung differenzierender Regelungen. Es zeigt sich somit, dass Art. 20a GG schon für sich die Sachlichkeit eines Belangs als Differenzierungskriterium vorsieht, auch wenn dies ohne gesetzgeberische Definition keine Bedeutung erlangt. bb) Eigentumsspezifische Vorgaben (1) Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff Von besonderer Bedeutung bei der Bestimmung der Grenzen des schrankenbestimmenden Gesetzgebers sind die spezifischen eigentumsgrundrechtlichen. Ließen sich solche nicht aufzeigen, liefe das Eigentumsgrundrecht leer. Gibt das Eigentumsgrundrecht nämlich keinen speziellen verfassungsrechtlichen Schutz, so kann schon dahingestellt bleiben, ob überhaupt der Schutzbereich eröffnet ist.275 Denn das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG griffe in jedem Falle ein, und es folgte eine „normale“ Verhältnismäßigkeitsprüfung dergestalt, dass die Schrankenbestimmung – wie jede staatliche Maßnahme – geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist. In diesem Sinne muss die Zulässigkeit einer Schrankenbestimmung auch vom Eigentumsbegriff selbst her bestimmt werden, denn er ist Bestandteil der Gesamtsicht der Art. 14 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GG sowie Abs. 2, anhand derer das Bundesverfassungsgericht eine Schrankenbestimmung auf ihre Verfassungsmäßigkeit beurteilt.276 Dieser Eigentumsbegriff ist durch Art. 20a GG kein anderer gewor-
274 275
276
BVerwG a.a.O. So tatsächlich das BVerfG in einer Entscheidung, ZOV 2000, 23 f.: Hier überprüfte es Vorschriften des VermRÄndG nicht anhand von Art. 14, sondern an Art. 2 Abs. 1 GG; problematisch war insbesondere die Einhaltung der Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Mit der Prüfung des Art. 2 GG entzog sich das BVerfG den besonderen Anforderungen des Vertrauensschutzes in Art. 14. Vgl. auch Sendler, UPR 1983, 33 [34, 37]: Im Wasserrecht gibt es nur äußerst beschränkten Eigentumsschutz, weil nur Verfassungsgebote zur Anwendung kommen, die außerhalb des Art. 14 wurzeln, wie bspw. der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dem kann allerdings auch entgegengewirkt werden, wenn dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen des Art. 14 eine spezielle Struktur gegeben wird, dazu S. 120 ff. Da das BVerfG nicht in der hier vertretenen Form zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen trennt, werden die vom BVerfG an beide gestellten Anforderungen hier nur auf die Schrankenbestimmungen bezogen. Grochtmann, Art. 14, S. 102 f., meint, das BVerfG habe eine durchgängig wirksame eigentumsgrundrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung entwickelt, so dass jede Grenze abgesehen von Art. 14 Abs. 2 GG – also
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den.277 Die Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs sind im Folgenden als Grenze des Schrankenbestimmungsrechts zu untersuchen. (a) Umfassende Herrschaftsposition Dieses Merkmal ist wesentlich für die Sicherstellung der Einheitlichkeit des Eigentumsbegriffs.278 Diese wiederum ist für die Wirksamkeit des Eigentumsgrundrechts als Abwehrrecht von essentieller Bedeutung, weil der Eigentümer sich auf Dauer staatlicher Zugriffsmaßnahmen auf sein Eigentum nur wirksam erwehren kann, wenn seine Herrschaftsposition daran vollumfänglich besteht. Werden dieser nach und nach verschiedene Einzelbefugnisse entzogen, so kann jede dieser Maßnahmen für sich rechtmäßig und insbesondere verhältnismäßig sein, ohne dass es darauf ankäme, dass sich in der Person des Eigentümers bereits zahlreiche Eingriffe kumulieren. In letzter Konsequenz kann eine Rechtsposition übrig bleiben, die für den Eigentümer sinnlos, weil entleert ist. Dem kann das Abwehrrecht aus Art. 14 GG nur effektiv entgegenwirken, wenn es eine umfassende Herrschaftsposition sichert.279 Die Einheitlichkeit des Eigentumsbegriffes aufzuheben bedeutete danach, die Abwehrfunktion des Eigentumsgrundrechts ganz entscheidend zu schwächen und ihm die vom Verfassungsgeber zugeteilte Funktion als Abwehrrecht faktisch zu nehmen. Im Umweltrecht – insbesondere bei der Herausnahme von Gütern aus der Privatrechtsordnung – geht es aber nicht um eigentliche Abspaltungen aus einem einheitlichen Eigentum, sondern dies ist nur tatsächliche Nebenfolge einer gesetzgeberischen Definition des Grundeigentums.280 Ein solches Vorgehen lag im Falle des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vom 16.10.1976 vor, das das Bundesverfassungsgericht in der Nassauskiesungsentscheidung für verfassungsgemäß erklärte, weil das Grundeigentum nicht das Recht zur Verfügung und Nutzung in Bezug auf das Grundwasser beinhalte.281 Solche gesetzgeberischen Definitionen des Eigentumsgegenstandes Grund und Boden berühren das Merkmal der umfassenden Herrschaftsposition – als absolute Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsbefugnis – nicht. Das insoweit geforderte umfassende Zuordnungsverhältnis eines Eigentumsgegenstandes zum Inhaber der Rechtsposition bleibt als solches erhalten, nur der Eigentumsgegenstand wird definitorisch verkürzt. Hier muss der Eigentumsbegriff mit anderen Begriffsmerkmalen Grenzen setzen. (b) Grundsätzliche Verfügungsbefugnis Die „Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern und aus seiner Vermietung den Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für eine eigenverantwortliche
277 278 279 280 281
insbesondere Institutsgarantie oder verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff – ohne Bedeutung seien. Vgl. oben S. 64 ff. Dazu schon S. 97 ff. So auch Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [ 135]. Vgl. dazu schon S. 97 ff. BGBl. I S. 3017 und BVerfGE 58, 300 ff.
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Lebensgestaltung beiträgt“, ist wichtiger Bestandteil des Eigentumsbegriffes.282 Verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum ist deshalb gekennzeichnet durch grundsätzliche Verfügungsbefugnis.283 Im Bereich des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen liegt der Schwerpunkt nicht auf der Verfügungs-, sondern auf der Nutzungsbefugnis. Ihr soll im Folgenden nachgegangen werden: (c) Privatnützigkeit Privatnützigkeit bedeutet die Zuordnung eines Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse „von Nutzen“ sein soll.284 Sozialgebunden kann Eigentum nur sein, wenn es prinzipiell privatnützig ist; insoweit besteht ein zwingender logischer Vorrang.285 Um dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Eigentumsbegriff zu entsprechen, muss der Gesetzgeber eine im Grundsatz privatnützige Position schaffen.286 Soll ein Eigentumsobjekt zu Eigenverantwortlichkeit und privater Initiative genutzt werden, muss der Eigentümer in erster Linie über umfassende Nutzungsbefugnisse verfügen. Je mehr er darin eingeschränkt ist, desto weniger taugt das Objekt als Grundlage für Eigenverantwortlichkeit, desto mehr ist die Garantie des Privateigentums gefährdet. Der Schutzbereich des Art. 14 GG deckt grundsätzlich auch die Nutzung von natürlichen Lebensgrundlagen durch den Eigentümer. 287 Fraglich ist, wie der schrankenbestimmende Gesetzgeber diese einschränken bzw. nehmen darf. Er ist zu einer auch tief greifenden Neu- und Umgestaltung der Eigentumsordnung befugt und nicht daran gebunden, eine einmal ausgeübte Eigentümernutzung verfassungsrechtlich für alle Zukunft uneingeschränkt zu erhalten.288 Er darf deshalb auch Nutzungsmöglichkeiten aus dem Eigentum herauslösen. Problematisch ist dabei aber der Weg, auf dem der Gesetzgeber verfassungsrechtlich zulässig vorgehen kann. Die Eigentumsgarantie bietet ihm zwei Wege an: den der Schrankenbestimmungen und den der Enteignung. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass sich Nutzungsbeschränkungen jeder Art durch Schrankenbestimmungen verwirklichen ließen.289 Für den Eigentü282 283
284 285 286 287 288
289
BVerfGE 79, 292 [304]. BVerfGE 50, 290 [339]. Zur Differenzierung zwischen den beiden Merkmalen Verfügungsbefugnis und Privatnützigkeit schon S. 70 ff. Veräußerungsverbote sind im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgebotes nur in extremen Ausnahmefällen zulässig, vgl. etwa BVerfGE 26, 215 [222]. Ausführlich zum Kriterium der Verfügungsbefugnis Appel, Entstehungsschwäche, S. 43. BVerfGE 50, 290 [339]. Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 70. BVerfGE 37, 132 [140]; 53, 257 [290]. Vgl. schon S. 62 ff. Sendler, DÖV 1974, 73 [85]. Vgl. auch BVerfGE 45, 297 [332], 58, 300 [350 f.] und S. 26 ff. BVerfGE 58, 300 ff. Vgl. auch die Nachweise bei Ossenbühl, in: FS Leisner, S. 689 [692 in Fn. 13]; Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 60 f. So wird in der Praxis davon ausgegangen, Regelungen im Natur- und Landschaftsschutz stellten regelmäßig keine Enteignung, sondern eine konkrete Ausgestaltung der Sozialgebundenheit des Ei-
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mer hat dies Auswirkungen in zweierlei Richtung. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG gehen erheblich weiter, als die an Schrankenbestimmungen. Insbesondere erhält der Eigentümer bei einer Enteignung vollen Wertersatz, während bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung allenfalls eine davon grundlegend wesensverschiedene Ausgleichspflicht in Betracht kommt.290 Zum anderen ist die Eigentumsgarantie gegenüber Maßnahmen zukünftiger Um- und Neugestaltung nahezu beliebig disponibel. Anhand der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur Nassauskiesung wird dies anschaulich. Zwar ist es richtig, dass dem Grundeigentum nicht deshalb die Merkmale Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis abgesprochen werden können, weil dem Eigentümer die grundsätzliche Einwirkung auf das Grundwasser versagt ist: In aller Regel hängt die wirtschaftlich sinnvolle Verwendung eines Grundstückes nicht von der Grundwasserbenutzung ab. Auch die herausragende Bedeutung des Wasserhaushaltes für das Gemeinwohl ist nicht zu leugnen. Diese Allgemeinaussagen verdecken aber, dass mit eben dieser Argumentation die Nutzung aller Umweltmedien aus dem Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts herausgenommen und einer öffentlich-rechtlichen Herrschaft unterstellt werden könnten. Hier kann mit dem Hinweis auf Art. 20a GG der hohe verfassungsrechtliche Wert begründet werden, der zu schützen ist. In Bezug auf Art. 14 GG führt dies aber zu einer „Substanzentleerung des Grundeigentums“. Eine solche hatte das Bundesverfassungsgericht in dem der Nassauskiesungsentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt in Bezug auf das Grundwasser abgelehnt. Gleichwohl hat es mit dieser Entscheidung den Weg für die Erosion des Grundrechtsschutzes für Eigentum an Grund und Boden geebnet. Hat der Gesetzgeber einmal in zulässiger Weise Nutzungen ausgegliedert, spielt bei weiteren Beschränkungen die Eigentumsgarantie keine Rolle mehr.291 Das Bundesverfassungsgericht macht den Gesetzgeber damit zum „Herren“ über das Grundrecht: „Welche Befugnisse einem Eigentümer in einem bestimmten Zeitpunkt konkret zustehen, ergibt sich [...] aus der Zusammenschau aller in diesem Zeitpunkt geltenden [...] gesetzlichen Vorschriften. Ergibt sich [...], dass der Eigentümer eine bestimmte Befugnis nicht hat, so gehört diese nicht zu seinem Eigentumsrecht. Wie der Gesetzgeber ihren Ausschluss herbeiführt, ist lediglich eine Frage der Gesetzestechnik.“292 Das Dilemma wird darin gesehen, dass im Gewährleistungsgehalt der Eigentumsgarantie nichts festgemacht ist, was sich als essentielles Attribut oder begriffsprägendes Element von Eigentum bezeichnen ließe und als solches von vornherein dem gesetzgeberischen Zugriff entzogen wäre.293 Wenn dem Gesetzgeber nicht die volle Disposition über das Eigentumsgrundrecht überlassen werden soll, muss er also bei der Herauslösung solcher Nutzungsrechte aus dem Ei-
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gentums und damit Inhalts- und Schrankenbestimmungen dar, vgl. etwa BVerwGE 94, 1 ff [5]. Anders wohl BVerwGE 84, 361 ff. [367]. Ossenbühl, in: FS Leisner, S. 689 [697]. Zur Einwirkung des Art. 20a GG auf Ausgleichspflichten bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen auf S. 130 ff. König, Bodennutzung, S. 26 ff. BVerfGE 58, 300 [336]. Burmeister, in: FS Leisner, S. 657 [661].
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gentum in besonderer Weise gebunden sein. Das ist er nur, wenn er gemäß Art. 14 Abs. 3 GG, also in Form der Enteignung vorgehen muss. Damit kristallisiert sich heraus, dass das Merkmal der Privatnützigkeit die äußerste Grenze gesetzgeberischer Bestimmung von Schranken darstellt: Eigentum darf nicht zum „nudum ius“ degradiert werden. Dies wird insbesondere an dem speziellen Fall der sog. De-facto-Enteignung deutlich.294 Sie liegt vor, wenn sich durch eine (Inhalts- und) Schrankenbestimmung die Rechtsposition des Betroffenen einer Lage annähert, in der sie den Namen „Eigentum“ nicht mehr verdient.295 Sie ist Ausfluss dessen, dass es nach herrschender Meinung für die Frage der Abgrenzung von Inhalts-/Schrankenbestimmungen und Enteignung nicht auf die Intensität des Eingriffs ankommen soll. Entscheidend soll allein der Fortbestand des individuellen Zuordnungsverhältnisses zwischen dem Rechtsträger und der Sache sein.296 Dies führt aber dazu, dass das Eigentum durch Schrankenbestimmung zum „nudum ius“ degenerieren und das Recht damit völlig entwerten kann.297 In einem solchen Falle noch an der streng formalen Abgrenzung zwischen Schrankenbestimmung und Enteignung festzuhalten, hieße, den Schutzzweck des Art. 14 GG zu verkennen.298 Jüngst hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Bezug auf die Eigentumsgarantie entschieden, dass Rechte zu garantieren seien, die praktisch und wirksam seien. Ein Eingriff müsse deshalb immer darauf geprüft werden, ob er einer De-facto-Enteignung gleichkomme.299 Die Frage der Einordnung von Nutzungsbeschränkungen in die Eigentumsdogmatik ist freilich für den Eigentümer sekundär. Entscheidend ist allein, ob die konkrete Maßnahme in der vom Gesetzgeber gewählten Art verfassungsrechtlich zulässig erlassen werden konnte. Der Gesetzgeber darf nicht unter dem „Etikett“ einer Inhaltsbestimmung etwas regeln, was nach herkömmlichem Verständnis Enteignung wäre.300 Bei dieser Entscheidung kommt es auf die materiellen Wirkungen, mithin die Intensität des Eingriffs an. Ist eine bestimmte Grenze überschritten, so ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten, mittels Enteignung vorzugehen, unterliegt im Prinzip einer Art Formzwang.301 Eine etwaige Inhalts294
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Früher war die Bezeichnung Aufopferungsenteignung gebräuchlich; gemeint war damit die Aufhebung oder Beschränkung eigentumsrechtlicher Positionen ohne Übertragung des Eigentumsobjektes, vgl. Peter, Grundeigentum, S. 79. BVerfGE 100, 226 [243]. BVerfGE 100, 226 [240]: kein Entzug konkreter Eigentumspositionen; BVerwG, BayVBl. 1997, 249 f.; Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 62. Offengelassen von BVerfGE 79, 174 [192]; vgl. auch Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 62 ff. Ossenbühl, in: FS Leisner, S. 689 [699]. EGMR, NJW 2004, 923 [924]. Zur De-facto-Enteignung in der Rechtsprechung des EuGH Jarass, NVwZ 2006, 1089 [1092]. BVerfGE 42, 263 [295]. Ähnlich Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 63, und Roller, NJW 2001, 1003 [1007]. Zum Problem des Wahlrechts des Gesetzgebers auch Nolden, Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 129 f. Ähnlich für das Denkmalschutzrecht auch BVerfGE 100, 226 [243]: wenn aus dem Recht eine Last wird, die der Eigentümer
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und Schrankenbestimmung ist dann verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG, weil der Gesetzgeber seine Befugnis zur Inhaltsund Schrankenbestimmung überschritten und die strengen Voraussetzungen der Enteignung nicht eingehalten hat. Schließt der Gesetzgeber im Rahmen von Um- und Neuordnungen einzelner Rechtsbereiche das Entstehen von nach altem Recht möglichen Rechten aus, so liegt darin nach der hier gewählten Differenzierung eine zulässige Inhaltsbestimmung und keine Enteignung.302 Anders zu beurteilen ist aber unter Umständen der Fall, dass nach altem Recht begründete Rechtspositionen angeglichen und dadurch bestehende und verwirklichte Befugnisse und Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt werden.303 Hier muss der Gesetzgeber regelmäßig in Form der Enteignung vorgehen. Eine formale Abgrenzung zwischen Inhalts-/Schrankenbestimmungen und Enteignung lässt sich nicht strikt durchhalten. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht sie verfolgt, neigt es dazu, Art. 14 Abs. 3 GG bei Inhaltsund Schrankenbestimmungen heranzuziehen.304 Eine solche Vorgehensweise begegnet Bedenken, denn das Eigentumsgrundrecht regelt einerseits Inhalts- und Schrankenbestimmungen und andererseits Enteignung getrennt und knüpft sie an jeweils eigene – ausschließliche – Voraussetzungen. Die Privatnützigkeit als wichtiges Merkmal verfassungsrechtlichen Eigentums stellt sich nach dem Gesagten als wichtiges Kriterium für den schrankenbestimmenden Gesetzgeber dar. Diesem Merkmal kommt eine bedeutende Funktion für die eigenverantwortliche Lebensführung im finanziellen Bereich zu. Der schrankenbestimmende Gesetzgeber muss die grundsätzliche Nutzungsbefugnis des Eigentümers an natürlichen Lebensgrundlagen aufrechterhalten. Eine Entziehung kann er nach der verfassungsrechtlichen Konzeption der Eigentumsgarantie in Art. 14 GG nur über den Weg der Enteignung nach Absatz 3 verwirklichen. In diesem Rahmen ist das Gesetz zum Ausstieg aus der Kernenergie305 zu erwähnen. Gemäß dem geänderten § 7 Abs. 1a S. 1 AtG erlöschen bis dahin unbefristet erteilte Genehmigungen für Atomkraftwerke. Nach der hier vorgestellten Dogmatik liegen darin Schrankenbestimmungen, weil bis zur Gesetzesänderung
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allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne selbst private Nutzung genießen zu können, kann die Erhaltung des entsprechenden Kulturdenkmals nur durch Enteignung erreicht werden. So auch BVerfGE 31, 270 [274]; Schönfeld, BayVBl. 1996, 673 [679]. Vgl. dazu die Ausführungen S. 97 ff. So in BVerfGE 58, 300 ff. aber für verfassungsgemäß erklärt; offen gelassen von BVerfG, NJW 1989, 1271 [1272], für den Fall, dass die Nutzung des geschützten Rechts praktisch schlechthin unmöglich gemacht und das Recht damit völlig entwertet würde. So Schönfeld, BayVBl. 1996, 673 [681] unter Bezugnahme auf BVerfGE 83, 201. Auch nimmt es immer wieder materielle Kriterien in Bezug, so z.B. in BVerfGE 100, 226 [243]. Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität v. 22.4.2002, BGBl. I, 1351.
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eingeräumte Befugnisse einzelner Eigentümer entzogen werden.306 Ein solches Vorgehen durch Schrankenbestimmung verstößt gegen das Eigentumsgrundrecht. Richtigerweise musste der Gesetzgeber hier den Weg über die Enteignung wählen.307 Der Betrieb der Anlage ist eine geschützte Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG, die durch das angesprochene Gesetz so reduziert wird, dass insbesondere von Nutzungsbefugnissen praktisch nichts mehr übrig bleibt.308 In dem vom Bundesverfassungsgericht beschriebenen Sozialmodell, das die Verwirklichung der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und die Beachtung der verbindlichen Richtschnur des Art. 14 Abs. 2 GG gleichermaßen voraussetzt309, schlägt sich die Privatnützigkeit als Merkmal verfassungsrechtlichen Eigentums auf der Seite der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums nieder. Sie ist hier der entscheidende Gegenpol zum Allgemeinwohl, das über Art. 14 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommt. (d) Gewährleistung der Substanz des Eigentumsgegenstandes Absolute Grenze gesetzgeberischer Gestaltungsmacht bei Schrankenbestimmungen ist die Substanz des Eigentums.310 Welche Aussagekraft dieses Merkmal hat, ist bei Betrachtung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht ganz eindeutig. Einerseits hat es die Substanz des Rechts mit dem Zuordnungsverhältnis Eigentümer – Eigentumsgegenstand an sich in Verbindung gebracht, indem es meint, es dürfte nicht unter dem Etikett einer Inhaltsbestimmung enteignet werden.311 Andererseits hat es den Substanzschutz des Eigentums als zugehörig zu Schutzfunktionen angesehen, die bereits von anderen Merkmalen erfüllt werden: die Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern und aus seiner Vermietung Ertrag zu ziehen ebenso, wie die Freiheit, diesen selbst zu nutzen.312 Letztlich kristallisiert sich heraus, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem Verbot einer Substanzbeeinträchtigung vor allem in Bezug auf Nutzungsbeschränkungen agiert: dem Gesetzgeber sei es durch die Eigentumsgarantie verwehrt, lediglich das „nackte“ (formale) Zuordnungsverhältnis aufrecht zu erhalten, aber
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Die in diesem Rahmen vorgesehenen Strommengenbegrenzungen sind eine gesetzlich angeordnete zeitliche Begrenzung der Eigentumsnutzung, die der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt: Ossenbühl, in: FS Kutscheidt, S. 213 [216]. Eine Enteignung bejahen auch Di Fabio, Der Ausstieg, S. 36 f.; v. Komorowski, JURA 2001, 17 [19]; Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1 [29 ff.]. A.A. Denninger, Verfassungsrechtliche Fragen des Ausstiegs, S. 51 ff.; Roßnagel/Roller, Beendigung der Kernenergienutzung, S. 34, 86 ff.; Stüer/Loges, NVwZ 2000, 9 [13]. Der Fall des § 7 Abs. 1 S. 2 AtG – dem Verbot der Erteilung neuer Genehmigungen – ist als zulässige Inhaltsbestimmung einzuordnen, vgl. nur Kloepfer, Umweltrecht, § 15, Rn. 54. Vgl. auch die Diskussion um die Zulässigkeit des Emissionshandels vor dem Hintergrund des Art. 14 GG: Roller, in: FS Rehbinder, S. 87 [93 ff.]. Vgl. ausführlich Ossenbühl, AöR 124 (1999), S. 1 [8, 26]. BVerfGE 37, 132 [140]. BVerfGE 100, 226 [244]; 79, 174 [198]; 52, 1 [29 f.]; 42, 263 [295]. So in BVerfGE 42, 263 [295]. BVerfGE 79, 292 [304].
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aller Nutzungsbefugnisse zu entkleiden.313 Damit zeigt sich eine Überschneidung der Anwendungsbereiche von Privatnützigkeits- und Substanzerhaltungskriterium. Es kommt darauf an, dass und welche Nutzungsbefugnisse dem Eigentümer verbleiben, sowohl für die Entscheidung, ob noch eine privatnützige Position vorliegt, als auch, ob die Substanz schon verletzt ist. Eine sinnvolle Abgrenzung beider Merkmale lässt sich deshalb nur dergestalt vornehmen, dass das Substanzkriterium erst bei Aufhebung sämtlicher Nutzungsbefugnisse greift – tatsächlich also nur noch das bloße Zuordnungsverhältnis besteht. Ob bei verbleibenden Nutzungsmöglichkeiten diese verfassungsrechtlich erheblich sind und dazu berechtigen, noch von einer privatnützigen Position zu sprechen, entscheidet sich anhand des Privatnützigkeitskriteriums. Die Frage nach Erhaltung der Substanz stellt sozusagen die letzte „Bastion“ dar. Auch diese Sicht kann aber nicht verdecken, dass gerade bei den weitgehenden Nutzungsbeschränkungen, die das Recht zum „nudum ius“ degenerieren lassen können, beide Merkmale quasi untrennbar ineinander übergehen. (e) Fazit Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff setzt dem umweltschützenden Gesetzgeber bei Schrankenbestimmungen Grenzen. Bei gesetzgeberischem Entzug von Eigentumspositionen, die vorher zulässige Nutzungen waren und vom Eigentümer durch eigene Leistung verwirklicht wurden, muss der Gesetzgeber in der Regel in Form der Enteignung vorgehen. Das ist Ausfluss dessen, dass in jedem der einzelnen Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs die freiheitssichernde Funktion des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes zum Ausdruck kommt.314 (2) Das Wohl der Allgemeinheit Art. 14 Abs. 2 GG fordert, dass der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit315 dienen soll. Dahinter verbirgt sich ein unbestimmter Verfassungsbegriff, der auf Konkretisierung angewiesen ist. Im demokratischen Verfassungsstaat stellt sich das Definieren des Gemeinwohls in erheblichem Maße als Kompetenz- und Verfahrensproblem dar, weil entscheidend ist, wer die Konkretisierung vornimmt.316 Im Kontext des Art. 14 GG ist eindeutig der Gesetzgeber berufen, diese Konkretisierung vorzunehmen, und zwar durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Bei der Gestaltung der Eigentumsordnung hat sich der Gesetzgeber an der gemeinwichtigen Funktion des Eigentums zu orientieren und diese zur Geltung zu bringen. Dies ist nicht etwa überflüssig, weil der Staat schon aus rechtsstaatlichen 313 314
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Appel, Entstehungsschwäche, S. 259. Vgl. dazu und zum Zusammenhang von Eigentum und Freiheit bereits S. 6 f. Als Strukturmerkmal des Eigentumsbegriffes wird das Wurzeln in eigener Leistung von Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 133, bezeichnet. Grundsätzlich zum Gemeinwohlbegriff Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 76 ff. und Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR IV, 3. Aufl., § 71, Rn. 7 ff. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 79.
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Gründen auf das Gemeinwohl verpflichtet ist.317 Hierin kommt vielmehr die besondere Bedeutung des Eigentums nicht nur für den Grundrechtsträger, sondern für das gesamte Gemeinwesen zur Geltung. Art. 14 Abs. 2 GG bietet den tragenden verfassungsrechtlichen Grund für gesetzliche Eigentumsbeschränkungen.318 Gleichzeitig ist er nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch „Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen“.319 Bei gänzlichem Fehlen von solchen das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG ausdrückenden Interessen sind Einschränkungen von Eigentümerrechten verfassungsrechtlich gänzlich ausgeschlossen.320 Freilich lässt sich daraus keine konkrete Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit entnehmen, weil Art. 14 Abs. 2 GG selbst offen ist und der Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedarf. Versuche, den Gesetzgeber dennoch weitergehend durch Art. 14 Abs. 2 GG zu binden, gehen ins Leere. Hierzu zählt etwa die Ansicht, es müsse ein Sachbezug zum zu regelnden Zuordnungsverhältnis verlangt werden und bloße globale Zielsetzungen zum Wohle der Allgemeinheit reichten nicht aus.321 Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, den Art. 20a GG fordert, ist ein zu berücksichtigender Allgemeinwohlbelang im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 GG. Ohne gesetzgeberisches Tätigwerden enthält er aber auch nur einen globalen Belang. Was im Konkreten für den Gemeinwohlbelang „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ getan wird, ist gesetzgeberische Entscheidung. Gleichwohl ist Art. 20a GG eine den gesetzgeberischen Spielraum im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 GG begrenzende Verfassungsnorm: Er gebietet verfassungsrechtlich zwingend die Berücksichtigung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen als wichtigem Gemeinwohlbelang.322 Das Wohl der Allgemeinheit, dem der Eigentumsgebrauch dienen soll, wird durch die Verpflichtung des Staates auf die natürlichen Lebensgrundlagen verbindlich konkretisiert; Sozialpflichtigkeit heißt damit auch Pflichtigkeit für die natürlichen Lebensgrundlagen.323 Art. 20a GG strahlt auf die Auslegung des Gemeinwohlbegriffes im Sinne einer generationenübergreifenden Umweltpflichtigkeit aus.324 Wenn das Wohl der Allgemeinheit Grenze von Schrankenbestimmungen ist, lassen sich gesetzgeberische Maßnahmen zugunsten der natürlichen Lebensgrundlagen vor dem Eigentumsgrundrecht nicht – nur – um ihrer selbst willen rechtfertigen. Ökozentrischer Umweltschutz 317
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So aber Sieckmann, Modelle, S. 391 f., unter Hinweis auf den fehlenden normativen Gehalt von Art. 14 Abs. 2 GG. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 225. BVerfGE 100, 226 [241]. Grochtmann, Art. 14, S. 12. So Grochtmann, Art. 14, S. 16 f. Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 299 ff.; Huber, Politische Studien 1/2000, S. 45 [51]; Rill, Politische Studien 1/2000, S. 6. Ob man deshalb – wie Huber – von einem ökologischen Vorbehalt des Art. 14 bzw. – wie Brönneke – von Ökologiepflichtigkeit des Eigentums sprechen sollte, erscheint allerdings zweifelhaft, weil diese Begrifflichkeit unergiebig ist. Ähnlich Huber, Politische Studien 1/2000, S. 45 [59]. Henneke, NuR 1995, 325 [332].
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kann aber auf verfassungsrechtlich gesicherter Basis betrieben werden, weil und soweit er anthropozentrisch ausgerichtet ist – dies besagt gerade Art. 20a GG durch seine Bezugnahme auf die künftigen Generationen, denen jeglicher Umweltschutz zugute kommt.325 (3) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (a) Spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Art. 14 GG Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit326 stellt sich als eigentumsspezifische Anforderung dar, weil ihm im Rahmen des Art. 14 GG eine Besonderheit eigen ist, die auch durch das Bundesverfassungsgericht327 anerkannt ist. Gerade die Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG gibt diesem Grundsatz im Rahmen des Eigentumsgrundrechtes eine besondere Prägung.328 Gegen einzelgrundrechtliche Konkretisierungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes spricht nicht, dass damit seine Funktion als einheitliche Formel zur Lösung des Schrankenproblems in Frage gestellt wird. Diese grundsätzliche Funktion erfüllt er über die alle Grundrechte betreffenden einheitlichen Aussagen dieses Grundsatzes. Gerade die Flexibilität der Grundrechte erfordert aber eine jeweilige Anpassung an den speziellen Grundrechtsbereich. Insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt eine speziell auf das Eigentumsgrundrecht abstellende Verhältnismäßigkeitsprüfung erkennen. Eine Besonderheit in der Verhältnismäßigkeitsprüfung liegt in ihrer Orientierung an personalem bzw. sozialem Bezug des Eigentumsgegenstandes und seiner Nutzung.329 Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen, dass sich die Frage, wie weit der Gesetzgeber Inhalt und Schranken einer unter die Eigentumsgarantie fallenden Position bestimmen darf, nicht unabhängig davon beantworten lässt, aus welchen Gründen der Eigentümer eine solche
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Vgl. bereits S. 49. Vgl. dazu statt aller Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 279 ff. BVerfGE 50, 290 [340 f.]; 52, 1 [32]. So die herrschende Meinung: Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 62; Grochtmann, Art. 14, S. 43 ff.; Heintzen, DVBl. 2004, 721 [722], der auf die Enteignungstheorien abstellt; Jochum/Durner, JuS 2005, 320 [321]; König, Bodennutzung, S. 78 f.; eine besondere Struktur bejahend Thormann, Abstufungen, S. 210; Wieland, in: Dreier, GG I, Art. 14, Rn. 127; bei Sellmann, in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 41 [53], bezeichnet als eigentumsrechtliche „Stufentheorie“. Dagegen Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 226, 256: es besitze keine besondere Struktur, die Abgrenzungstheorien zwischen Enteignung und Inhaltsbestimmung seien sachbereichsspezifische Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips; Papier, in: v. Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 38. Vgl. auch den Vorschlag von Peter, Grundeigentum, S. 156 ff.: „abgestuftes Sozialmodell“ dergestalt, dass sich die Verhältnismäßigkeitsanforderungen an einer Skala entlang bewegen, von Eigentumsobjekten mit existenzsichernder Funktion bis hin zu rein ästhetischen Belangen und Erholungsfunktion. BVerfGE 50, 290 [340 f.]; 52, 1 [32]. Vgl. dazu Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 169, der dies als „gleitende Sozialbindung“ bezeichnet.
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Position erworben hat.330 Der personale Bezug erlangt also insbesondere Wirkkraft bei Erwerb des Eigentums durch eigene Leistung und durch die Funktion des Eigentums als Mittel zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung.331 Der soziale Bezug orientiert sich daran, wie stark die Interessen der Allgemeinheit an dem Eigentumsgegenstand sind. Entscheidend für die Einstufung des personalen und sozialen Bezuges des Eigentumsgegenstandes sind das Übergreifen der Eigentumsnutzung über die Sphäre des Eigentümers hinaus, die Eröffnung des Zugriffs durch Dritte auf den Eigentumsgegenstand und das Angewiesensein Dritter auf den Eigentumsgegenstand.332 Grundgedanke und Schutzzweck der Eigentumsgarantie sind mithin stets Orientierungspunkte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Je stärker der Bezug des Eigentumsrechts zur persönlichen Freiheit, desto ausgeprägter der Schutz. Wenn Nutzung und Verfügung innerhalb der Eigentümersphäre verbleiben, bestehen engere Grenzen für den Gesetzgeber, weil sich ein außerhalb dieser liegender Zweck schwerer finden lassen wird. Der Gestaltungsbereich des Gesetzgebers ist bei sozialem Bezug und sozialer Funktion des Eigentums dagegen relativ weit. Die Grenzen der damit umrissenen Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers sind nicht für alle Sachbereiche gleich. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird insbesondere durch die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse beeinflusst, in denen Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt werden. 333 (b) Die Einzelkomponenten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und ihre Bedeutung im Umweltschutzrecht Am Anfang jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung334 steht die Bestimmung des Zieles der betreffenden staatlichen Maßnahme, auf das sich alle weiteren Prüfungspunkte beziehen. Der Gesetzgeber darf nur verfassungsrechtlich zulässige Ziele verfolgen.335 Allerdings ist das Feld solcher Ziele denkbar weit. Die hier untersuchten 330
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BVerfGE 53, 257 [292]; 102, 1 [17] st. Rspr. Vgl. aber Wieland, in: FAZ v. 19. Juli 2006, S. 21 – unter Bezugnahme auf BVerfGE 115, 205 ff.: Eine besondere Sozialpflichtigkeit der Eigentümer früherer Staatsbetriebe und damit eingeschränkter Grundrechtsschutz gegenüber Regulierungsmaßnahmen ist nicht ohne weiteres gerechtfertigt, die Berücksichtigungsfähigkeit der Art des Eigentumserwerbs insoweit eingeschränkt. Sieckmann, Modelle, S. 365 f. Kritisch zu diesem Kriterium Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 354 ff. Sieckmann, Modelle, S. 369. BVerfGE 101, 54 [76]. Welche Determinanten im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Ausführungen des BVerfGE 58, 300 [348], die gesetzgeberischen Grenzen ergäben sich unmittelbar aus der Instituts- und Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, deuten darauf hin, dass Art. 14 Abs. 2 GG im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Platz findet. Grochtmann, Art. 14, S. 29, will Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis – Begriffsmerkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs bzw. der Institutsgarantie – in die Verhältnismäßigkeit eingliedern. Auch Vertrauensschutzerwägungen werden hier eingestellt, vgl. König, Bodennutzung, S. 81 f. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 279.
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Verfassungsnormen gehen davon aus, dass es sich um eine im Kern politische Entscheidung handelt. Der Spielraum des Gesetzgebers bei der Bestimmung der von ihm verfolgten Gemeinschaftsziele ist erst dann überschritten, wenn er die Freiheitsgewährleistung in einer Weise unterminiert, dass „ein Leben in menschlicher Würde nicht möglich ist“.336 Die für die Zielverwirklichung gewählte Maßnahme muss des Weiteren geeignet und erforderlich sein, um das gesetzte Ziel zu erreichen.337 Geeignetheits- und Erforderlichkeitsprüfung sind aber im Umweltschutzrecht wenig effektiv, weil im Hinblick auf ein so grenzenlos definiertes Schutzgut wie das des Art. 20a GG nahezu jede Maßnahme dienlich sein kann.338 Tatsächlich ist der Eigentümer hier in dem Nachteil, das notwendige Wissen für die Einschätzung nicht verfügbar zu haben, ob eine Maßnahme geeignet ist und es andere gleich wirksame Mittel gibt. Hinzu kommt der dem Staat bei dieser Einschätzung zustehende Spielraum. (c) Konfliktlösung durch Abwägung – Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Entscheidendes Gewicht bei der Beurteilung von Schrankenbestimmungen hat das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne: Die bewirkten Belastungen dürfen nicht außer Verhältnis zum erstrebten Ziel stehen.339 Der Gesetzgeber hat dabei die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.340 Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit der verfassungsrechtlichen Vorstellung eines sozial gebundenen Privateigentums nicht in Einklang.341 Dem widerspricht es, wenn in der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf das Eigentum immer nur gefragt wird, ob noch irgendetwas übrig bleibt von der Rechtsposition; dem kann kein gleichgewichtiger Ausgleich zugrunde liegen.342 Die Prüfung, ob das Mittel im angemessenen Verhältnis zum angestrebten Umweltschutzzweck steht, setzt vor allem voraus, dass Vor- und Nachteile, Ertrag und Aufwand, Grad der Betroffenheit der tangierten Rechtspositionen und Umfang der Förderung des Umweltschutzes oder anderer Rechtsgüter, Eingriffsschaden und durch den Eingriff verhüteter Schaden in die Überlegungen eingestellt werden.343 336 337
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Führ, Eigen-Verantwortung, S. 359. Vgl. aus der Rechtsprechung z.B. BVerfGE 70, 278 [286]; 72, 9 [23]. Aus der Literatur vgl. statt aller Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 279 ff. In diese Richtung auch Leisner, DÖV 1991, 781 [785]. BVerfGE 92, 262 [273]; 87, 114 [138]. BVerfGE 87, 114 [138]. Angestrebt werden muss dabei, dass jedes Verfassungsprinzip seine größtmögliche Wirksamkeit entfaltet, auch umschrieben als „der nach beiden Seiten hin schonendste Ausgleich“, „Harmonisierung“, „Optimierung“ bzw. die Herstellung „praktischer Konkordanz“, so die vom BVerfG verwandten Begrifflichkeiten, zitiert bei Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 929. BVerfGE 101, 239 [259]; 104, 1 [10] st. Rspr. Leisner, DÖV 1991, 781. Gleichwohl kommt es auch darauf an, welche Nutzungsrechte dem Betroffenen verbleiben: Sellmann, in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 41 [53]. Sellmann, in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 41 [53]. Dies erfordert ausreichende Sachverhaltsermittlung, eine sachlich vertretbare Einschätzung
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Diese umfassende materielle Abwägung der Privatnützigkeitsinteressen des Eigentümers mit den Belangen der Allgemeinheit bedarf gewisser Kriterien, an denen sie sich orientieren kann. Die von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Sozialbindungsklauseln können im Einzelfall nicht deren Ergebnis vorwegnehmen.344 Welche Rechtspositionen zueinander in Beziehung zu setzen sind und welches Gewicht ihnen beizumessen ist, lässt sich letztlich nur anhand des Einzelfalles entscheiden.345 Dies entbindet den Gesetzgeber freilich nicht davon, seine Vorstellungen von einer gerechten Eigentumsordnung in einer dem Bestimmtheitsgrundsatz genügenden Form gesetzlich niederzulegen. (aa) Sozialer Bezug Insbesondere muss der Gesetzgeber die öffentlichen Gemeinwohlbelange in ihrer Wichtigkeit bewerten, denn das Wohl der Allgemeinheit ist Grund und Grenze für die Beschränkungen des Eigentümers.346 Insoweit muss er den Auftrag aus der Staatszielbestimmung aktualisieren, indem er Zielbereich und Zielverwirklichung mit Blick auf die verfassungsrechtlichen, insbesondere die durch das Eigentumsgrundrecht gezogenen Grenzen, genauer fasst und zur Lösung von Zielkonflikten Abwägungskriterien und vollziehbare Rechtsnormen entwickelt; er muss Verfahren vorsehen, in denen die Belange umfassend gegeneinander abgewogen werden, so dass ein möglichst hohes Maß an rationaler Konfliktbewältigung gewährleistet ist.347 Auch wenn die natürlichen Lebensgrundlagen durch ihre verfassungsrechtliche Erwähnung per se den Rang als Gemeinwohlinteresse haben, muss der Gesetzgeber diese spezifizieren bzw. auch untereinander in Beziehung setzen. In diese Richtung geht etwa die Wertung, dem Schutz des Grundwassers komme größeres Gewicht zu als ästhetischen oder Erholungsbelangen, die auch als Schutzgüter des Art. 20a GG in Betracht kommen.348 Im Rahmen der sozialen Funktion des Eigentumsgegenstandes erlangt auch der Topos der Situationsgebundenheit seine Berechtigung.349 Über diesen gewinnen Eigenart, Lage und Beschaffenheit des konkreten Grundstücks an Wirkkraft. So kann sich eine Vorprägung der Grundstückssituation – insbesondere durch vom Eigentümer bereits realisierte Nutzungen – sowohl vorteilhaft als auch nachteil-
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und einen angemessenen bzw. verhältnismäßigen Ausgleich. Vgl. auch BVerfGE 77, 240 [255]. Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [226]. König, Bodennutzung, S. 79. BVerfGE 25, 112 [118]; 50, 290 [340]. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 127. Allerdings ist zu bezweifeln, dass die Gesetzgebung in jedem Falle das richtige Forum ist und die Abwägung in diesem Sinne optimale Problemlösungen hervorbringt. Prämisse hierfür ist, dass der Staat das beste Wissen für Wahrscheinlichkeitsannahmen bzw. die Möglichkeit, dieses zu beschaffen, hat. Dies geht aber in Bezug auf den modernen Interventionsstaat fehl, so Ladeur, Kritik der Abwägung, S. 16 f. Vgl. König, Bodennutzung, S. 80. Als immanente Grenze des Schutzbereiches wurde er dagegen abgelehnt, s.o. S. 83 ff.
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haft für den Grundeigentümer erweisen.350 Entscheidend ist darüber hinaus auch, wie stark die Nutzung von Grund und Boden auf den Naturhaushalt wirkt. Einen wichtigen sozialen Bezug hat über diese im konkreten Einzelfall bestehende Lage hinaus aber jedes Eigentum an Grund und Boden, basierend auf der allgemeinen Erkenntnis der Unvermehrbarkeit und Unentbehrlichkeit des Grund und Bodens, der von existentieller Bedeutung – vor allem, aber nicht nur – für den landwirtschaftlichen Bodenverkehr ist. Ein Sonderstatus des Grundeigentums lässt sich mithin im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von gesetzgeberischen Schrankenbestimmungen begründen, auch wenn die Eigentumsgarantie nicht nach dem Eigentum an Grund und Boden und anderen Eigentumsgegenständen trennt. Deshalb räumt auch das Bundesverfassungsgericht dem Grundeigentum eine Sonderstellung ein: Seine Nutzung kann nicht dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig überlassen werden.351 Diese Begründung trägt weitgehende Schrankenbestimmungen, die die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG zur Geltung bringen. Sie enthält einen Gesichtspunkt, der in der Verhältnismäßigkeitsprüfung zwingend einzustellen ist. Dies führt zur Zulässigkeit auch empfindlicher Beschränkungen der Grundeigentümerfreiheit. (bb) Personaler Bezug Bei Berücksichtigung der personalen Komponente innerhalb der Abwägung kommt es auf Qualität und Quantität der eigentumsrechtlichen Position des Eigentümers an und darauf, wie stark sie beeinträchtigt wird.352 Soll die Eigentumsgarantie eine eigenverantwortliche Lebensführung sicherstellen, ist der Bezug des Grundeigentums zur privaten Lebensführung in die Abwägung einzustellen – insoweit als Gegenpol zum Sonderstatus des Eigentums an Grund und Boden. Bei Funktion des Eigentums als „Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen“ besteht ein besonders ausgeprägter Schutz.353 Hier kommt auch die eigene Leistung als besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition zum Tragen.354 Je geringer die Bedeutung für die private Lebensführung des Eigentümers
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Vgl. dazu König, Bodennutzung, S. 89. BVerfGE 21, 73 [82 f.]. Sellmann, in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 41 [53]. Auch wenn Wertschutz an sich kein eigenständiges Prinzip in der verfassungsrechtlichen Abwägung ist, weil primär der Bestand des Eigentumsrecht gewährleistet ist, ist die Wertminderung ein Kriterium für das Maß der Beeinträchtigung von Eigentumsrechten in der Verhältnismäßigkeitsprüfung: Sieckmann, Modelle, S. 382. Vgl. BVerfGE 50, 290 [340]. Das Merkmal der Eigenleistung wird vom BVerfG besonders bei der Frage des Eigentumsschutzes öffentlich-rechtlicher Positionen herangezogen, vgl. hierzu ausführlich Appel, Entstehungsschwäche, S. 56 ff. Darüber hinaus hat es aber auch bei der Eingriffsrechtfertigung bezogen auf privatrechtliche Positionen Bedeutung: BVerfGE 31, 229 [240 f., 243]; 77, 263 [271].
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ist, umso mehr darf der Staat den rein privatnützigen Gebrauch des Eigentums zugunsten des Allgemeinwohls zurückdrängen.355 Auf der personalen Seite müssen vor allem Vertrauensschutzerwägungen platziert werden.356 Die Eigentümerposition als solche ist schon kraft Verfassungsrechts ein besonderer Vertrauenstatbestand.357 Vertrauensschutz des Eigentümers findet so in Art. 14 GG eine eigene Ausprägung. 358 Dieser Vertrauensschutz basiert auf der Funktion der Eigentumsgarantie, den Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und geleistete Arbeit und investiertes Kapital zu berücksichtigen – mithin Planungs- und Dispositionssicherheit zu schaffen.359 Die Eigentumsgarantie schützt „vor allem den durch Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen“.360 Das Vertrauen in die Kontinuität staatlichen Handelns wird vor allem durch rückwirkende Gesetze unterlaufen.361 Durch den Einbezug der Vertrauensschutzerwägungen in die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist diese auch der richtige Platz dafür, eine verfassungsrechtlich zulässige Differenzierung zwischen ausgeübten und noch nicht ausgeübten Nutzungen anzubringen.362 (cc) Bedeutung des Art. 20a GG in der Abwägung Verfassungsunmittelbar hat Art. 20a GG keine Auswirkungen. Seine Aufnahme in das Grundgesetz ist deshalb lediglich deklaratorische Klarstellung: Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen hat eine verfassungskräftige Bestätigung erlangt, ist 355
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Söhnlein, Landnutzung im Umweltstaat, S. 180. Beispielsweise für den Fall der gesetzlichen Beendigung der Kernenergienutzung wird vertreten, dass das „personale Element bis zur Bedeutungslosigkeit“ zurückgeht: Roller, in: Roßnagel/ders., Beendigung der Kernenergienutzung, S. 96. So auch Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 172. Auch das BVerfG nimmt keine erkennbare Trennung zwischen Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz vor, Grochtmann, Art. 14, S. 51 mit Nachweisen. A.A. Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 451. Leisner, Sozialbindung, S. 215. BVerfGE 58, 81 [120]; 64, 87 [104]. Weitere Nachweise bei Grochtmann, Art. 14, S. 44, Fn. 189 und 190. König, Bodennutzung, S. 82 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 51 f. BVerfGE 31, 229 [239]; 50, 290 [340]; Sieckmann, Modelle, S. 193 in Fn. 37. Zur Rückwirkungsproblematik vgl. nur Grochtmann, Art. 14, S. 48 ff.; Kutschera, Bestandsschutz, S. 163 ff. Problematisch ist insoweit beispielsweise § 4 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 BBodSchG, der die Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers bzw. eine nachwirkende Sanierungsverantwortlichkeit früherer Grundstückseigentümer regelt. BVerwG, NVwZ 2006, 928 ff. lehnt eine Rückwirkung dieser Norm gänzlich ab; vgl. die Urteilsbesprechung von Palme, NVwZ 2006, 1130 ff. Zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 BBodSchG Grzeszick, NVwZ 2001, 721 ff. und die Nachweise von Duesmann, Verantwortlichkeit für schädliche Bodenveränderungen, S. 154 ff. in Fn. 502, der die Vorschrift selbst aber für verfassungsgemäß hält. Zusammenfassend Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 68 und § 12, Rn. 170 ff. In diese Richtung auch Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 [229] und Thormann, Abstufungen, S. 146.
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aber in das grundgesetzliche System eingegliedert und damit den anderen Verfassungsgütern gleichgestellt worden. Mittelbare Auswirkungen in Gestalt von verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Gesetzgeber sind dagegen zwingend aus dem rechtlich verbindlichen Charakter des Art. 20a GG zu entnehmen.363 Vor dem Hintergrund der bisherigen Untersuchung erscheint die Annahme verfehlt, Art. 20a GG führe zu einer „Neujustierung“ der Verhältnismäßigkeit, weil er das Niveau der Sozialpflichtigkeit des Eigentums erhöht und gleichzeitig Bestands- und Vermögensgarantie des Art. 14 GG vermindert habe.364 In diese Richtung geht auch die Annahme, der Spielraum des Gesetzgebers bei Einschränkung von Grundrechten zum Schutz der Umwelt sei durch Art. 20a GG erweitert worden, so dass dem Umweltschutz dienende belastende Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit leichter zu rechtfertigen seien. 365 Weit verbreitet ist auch die Annahme, die Aufnahme von Art. 20a GG in das Grundgesetz habe das Gewicht des Umweltschutzes in der Abwägung erhöht.366 Diese Aussagen könnten dahingehend missverstanden werden, dass Art. 20a GG allein durch seine bloße Anwesenheit in der Verfassung zu Einschränkungen der Eigentümerfreiheit geführt habe. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie die Betrachtung der Wirkungen von Grundrecht und Staatszielbestimmung aufeinander belegt.367 Klarzustellen gilt es vielmehr, dass der Belang des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Schrankenbestimmungen des Eigentums zwingend einzustellen ist. Wegen der Weite des Verfassungsgutes bedarf es hier vor allem genauer gesetzgeberischer Festlegung des konkreten Zieles. Darüber hinausgehend beeinflusst Art. 20a GG die Abwägung nur insoweit, als er vom Gesetzgeber die Gewichtung des jeweiligen Belangs anhand seiner sachlichen Funktion im jeweiligen Konfliktfall fordert. Dem widerspricht auch nicht die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass eine objektive Staatszielbestimmung, die in keinem direkten Zusammenhang mit individuellen Grundrechtspositionen stehe und nur eine staatliche Aufgabe regele, im Rahmen der Abwägung die Gewichte zu lasten des Betroffenen verschieben könne. 368 Nur wenn der Gesetzgeber dem Belang dieses Gewicht im Rahmen der Erfüllung seines Auftrages aus der Staatszielbestimmung verleiht, ist dies tatsächlich der Fall, ohne dieses aber nicht.
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Beispielsweise werden umweltschützende Ziele der einfachen Gesetzgebung im Nachhinein zu Verfassungskonkretisierungen: Kloepfer, DVBl. 1996, 73 [80]. So Sellmann, in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 41 [54]. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 194; Sommermann, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 20a, Rn. 28, 35. Grzeszick, Agrarrecht 2003, 165 [166]: Gewichte in der Abwägung zwischen Eigentümer- und Umweltschutz werden verschoben; Kloepfer, DVBl. 1996, 73 [78]; Sellmann, NVwZ 2003, 1417 [1419]. A.A. Murswiek, in: Gesellschaft für Umweltrecht, S. 40 [67]. Vgl. bereits S. 37 ff. So Sellmann, NVwZ 2003, 1417 [1419] unter Hinweis auf BVerfG NJW 2000, 798 [799] im Telekommunikationsrecht. Fraglich ist allerdings schon, ob Art. 87f GG eine Staatszielbestimmung in diesem Sinne darstellt.
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Bei Erlass von Schrankenbestimmungen des Eigentums muss der Gesetzgeber die Staatszielbestimmung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen beachten, ebenso wie umgekehrt der Gesetzgeber bei Umweltschutzmaßnahmen die Eigentumsordnung nicht aus dem Blick verlieren darf. Vor diesem auf der neuen Verfassungslage beruhenden Hintergrund erscheint insbesondere das Vorgehen des Gesetzgebers im Naturschutzrecht bedenklich. Naturschutzgesetzgebung hat sich von Anfang an nicht als Eigentumsordnung verstanden.369 Faktisch enthält das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) zahlreiche Schrankenbestimmungen und damit Vorschriften der Eigentumsordnung, ohne dass dem Gesetzgeber dabei bewusst gewesen wäre, dass er zur Konfliktlösung zwischen Art. 14 GG und Art. 20a GG verpflichtet ist. Exemplarisch hierfür lässt das BNatSchG 2002 – basierend auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers – eine „allgemeine Abwägungsklausel“ seiner Ziele mit den Eigentümerbelangen vermissen. Dies widerspricht nach dem Dargestellten sowohl der geltenden Verfassungsrechtslage als auch der vom Bundesverfassungsgericht in der Denkmalschutzentscheidung370 bekräftigten Eigentumsdogmatik.371 (d) Beispiel: Anschluss- und Benutzungszwang aus Umweltschutzgründen In mehreren aktuellen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts taucht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Korrektiv bei der Zulässigkeitsbewertung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an die Fernwärmeversorgung auf.372 Im gemeindlichen Zwang, Grundstücke an eine öffentliche Einrichtung anzuschließen und diese zu benutzen, liegt eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums, gerechtfertigt durch dessen Sozialbindung.373 Als Grundrechtseingriff insbesondere in Art. 14 GG374 muss der Anschluss- und Benutzungszwang verhältnismäßig sein. In Verbindung mit Art. 20a GG stellt sich als zentrales Problem die Frage, ob eine Gemeinde allein aus Gründen des globalen Umweltschutzes einen Anschlussund Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung375 vorsehen darf, obwohl sie 369 370 371
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Bartlsperger, DVBl. 2003, 1473 in Fn. 4. BVerfGE 100, 226 [241]. Zur Übertragbarkeit dieser verfassungsgerichtlichen Ausführungen auf das Umweltschutzrecht sogleich S. 130 ff. Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Schmidt-Aßmann, ZHR 170 (2006), 489 ff. Für eine Entwässerungseinrichtung BVerwG NVwZ 1998, 1080 [1081]. BVerwG NVwZ 1998, 1080 [1081]; Schmidt-Aßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rn. 116; Hünnekens/Kröcher, NWVBl. 2004, 88 [89]; Faber, Der kommunale Anschluss- und Benutzungszwang, S. 134; Wagener, Anschluss- und Benutzungszwang, S. 92 ff. A.A. – bezogen auf Betriebseigentum – Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 138, 361; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 2, Rn. 141. Vgl. auch BVerwG NVwZ 2006, 690 [692], das auf Art. 2 Abs. 1 GG abstellt: Art. 14 GG scheide von vornherein aus, weil das klägerische Grundstück bereits vor dem Erwerb durch die Klägerin dem Anschlussund Benutzungszwang unterlegen hätte. Zu den Anforderungen an die Satzung, die den Anschluss- und Benutzungszwang festlegt, vgl. Wagener, Anschluss- und Benutzungszwang, S. 39 ff.
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im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 GG auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt ist. Trotz der Beschränkung in ihrem Wirkungskreis sind die Gemeinden aber auch Adressaten der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG.376 Durch das Betreiben globalen Umweltschutzes kommen sie der daraus folgenden Pflicht zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nach. Ob sie dafür das Mittel des Anschluss- und Benutzungszwanges einsetzen dürfen, ist vor diesem Hintergrund eine Frage des Zusammenwirkens von Art. 14 GG und Art. 20a GG. (aa) Auslegung des Begriffes „öffentliches Bedürfnis“ Die Regelung eines Anschluss- und Benutzungszwanges durch Gemeinden setzt nach den Gemeindeordnungen in der Regel ein „öffentliches Bedürfnis“ voraus.377 Ein öffentliches Bedürfnis ist anzunehmen, wenn nach objektiven Maßstäben das Wohl der Gemeindebewohner gefördert wird.378 Dieser Rechtsbegriff ist auch unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung des Art. 20a GG auszulegen. 379 Ob gezielter überörtlicher, globaler Umweltschutz diese Anforderung erfüllt, ist nicht eindeutig. Für das OVG Schleswig380 kommt es nicht darauf an, ob die zentrale Fernwärmeversorgung auch vor Ort zur Luftreinhaltung beiträgt, wenn es nur an anderer Stelle zu einer beachtlichen Verringerung von Schadstoffausstoß kommt, weil dort Kraftwerksleistungen erspart werden. Unter Hinweis auf Art. 20a GG nahm das Gericht eine weite Auslegung des Begriffes des „öffentlichen Bedürfnisses“ vor. Der VGH Baden-Württemberg hält dagegen den Umstand, dass die Fernwärmeversorgung bei überörtlicher Betrachtung unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistungen an anderer Stelle zu einer erheblichen Verringerung der Schadstoffbelastung führt, nicht für ausreichend, um den Anschluss- und Benutzungszwang zu rechtfertigen.381 Dass durch Einsparungen bei den globalen Gesamtemissionen außerhalb eines Gemeindegebietes auch die entsprechenden Gemeindebewohner einen Vorteil haben, sei als nur mittelbare Förderung des Wohls der Gemeinde nicht geeignet, einen hinreichenden örtlichen Bezug herzustellen.382 Das Bundesverwaltungsgericht sieht – letzterer Ansicht folgend – das Recht auf kommunales Tätigwerden zum globalen Klimaschutz als beschränkt an. 383 Auch Art. 20a GG eröffnet einer Gemeinde nicht die Möglichkeit, Umweltschutzmaßnahmen losgelöst von ihrem Kompetenzbereich an sich zu ziehen oder ihnen einen 376 377
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Vgl. S. 33 ff. Z.B. § 9 GO NW, § 11 Abs. 1 GO BW; Art. 24 Bay GO: „aus Gründen des öffentlichen Wohls“. In Bezug auf Schleswig-Holstein: BVerwG NVwZ 2006, 690 [691]. BVerwG DVBl. 2006, 779 [780]. Faber, Der kommunale Anschluss- und Benutzungszwang, S. 79. NuR 2003, 55 ff. VBlBW 2004, 337 [339]. VGH BW VBlBW 2004, 337 [339]. Dass. DVBl. 2006, 779. Zu Auswirkungen kommunaler Privatisierungsaktionen auf den Anschluss- und Benutzungszwang und die dabei bestehenden grundrechtlichen Bindungen vgl. BVerwG NVwZ 2005, 963 und 1072 sowie Schmidt-Aßmann, ZHR 170 (2006), 489 [490 ff.].
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absoluten Vorrang einzuräumen mit der Konsequenz, dass Grundrechtseinschränkungen im Bereich des Umweltschutzes immer zu tolerieren wären.384 Ein „öffentliches Bedürfnis“ für einen Anschluss- und Benutzungszwang besteht deshalb regelmäßig nur, wenn das Ziel verfolgt wird, die lokale Umweltsituation zu verbessern.385 Dies folgt zwingend aus der Natur des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung. Über die Regelung seines Sachbereiches hinaus enthält er keine Kompetenzzuweisung an den Staat. Die zu erfüllende Aufgabe kann nur im Rahmen der im übrigen bestehenden Kompetenzordnung wahrgenommen werden. Gleichwohl darf dem Dilemma des Satzungsgebers – Pflicht zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als globales Schutzgut unter gleichzeitiger Bindung an den örtlich beschränkten Wirkungskreis – nicht ausgewichen werden. Dies bedeutet, dass den Gemeinden die rechtliche Möglichkeit eingeräumt werden muss, ihrer Verpflichtung aus der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG nachkommen zu können. Art. 20a GG ist deshalb eine Pflicht des Landesgesetzgebers zu entnehmen, in den Gemeindeordnungen den Satzungsgebern die Möglichkeit überörtlichen Klimaschutzes einzuräumen.386 Ein örtlicher Bezug besteht insoweit immer, denn mittelbar wird das Wohl der Gemeindebewohner auch durch globalen Umweltschutz gefördert. (bb) Verhältnismäßigkeit des Anschluss- und Benutzungszwanges Über diese globalen Aktivitäten einer Gemeinde dürfen allerdings nicht die Grundrechte der vom Anschluss- und Benutzungszwang Betroffenen vergessen werden. Gerade im Einzelfall muss dieser dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.387 Verhältnismäßigkeit setzt dabei die Eignung der Maßnahme voraus, den angestrebten Zweck zu fördern. Insofern muss sich eine Gemeinde an den von ihr selbst gesteckten Zielen festhalten lassen. „Die Eignung der Maßnahme, irgendeinen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck zu fördern, genügt nicht. Auch wenn dieser Zweck als Teil des in Art. 20a GG genannten Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen Verfassungsrang hat, gilt nichts anderes“.388 Besonderen Ausnahmefällen, in denen die Ausübung des Anschluss- und Benut384 385
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BVerwG, DVBl. 2006, 779 [781]. A.A. dagegen Faber, Der kommunale Anschluss- und Benutzungszwang, S. 80: Die Ausstrahlungswirkung des Art. 20a GG geht weiter als die der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und erfasst umfassend alle relevanten Umweltschutzaspekte unabhängig von ihrer örtlichen Verankerung. Zur Zulässigkeit dessen: BVerwG NVwZ 2006, 690 ff. Z.B. § 17 Abs. 2 SchlH GO wurde vom Landesgesetzgeber dergestalt ergänzt, dass die Gemeinden auch zum Zwecke des Schutzes der natürlichen Grundlagen des Lebens tätig werden können. Vgl. auch § 14 GO Sachsen: „… dem öffentlichen Wohl, insbesondere dem Umweltschutz dienende Einrichtungen“. Vgl. dazu ausführlich Wagener, Anschluss- und Benutzungszwang, S. 123 f. BVerwG NVwZ 2004, 1131. In diesem Fall musste sich eine Gemeinde an dem selbstgesetzten Zweck, konkrete Verbesserungen des Immissionsschutzes auf ihrem Gebiet zu erzielen, festhalten lassen.
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zungszwanges mit Blick auf Art. 14 GG und das Verhältnismäßigkeitsgebot zu unbilligen Härten führen würde, kann durch die Möglichkeit der Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang Rechnung getragen werden.389 Besondere Bedeutung erlangt dies beispielsweise, wenn durch einen nachträglich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang der Wertverlust einer gefahrenrechtlich einwandfrei arbeitenden Anlage in Rede steht.390 (e) Ergebnis Es hat sich gezeigt, dass gerade der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf der Rechtfertigungsebene ein strukturiertes und handhabbares Instrumentarium zur Konfliktbewältigung bereitstellt, das bei bereichsspezifischer Differenzierung Rechtssicherheit schaffen kann. Hierin liegt ein weiteres Argument gegen immanente Schutzbereichslehren.391 Auch sie müssen auf Abwägung und Wertung zurückgreifen. Dies ist ihnen mit einer Lösung auf Schrankenebene gemein. Gleichzeitig wird durch sie aber der Preis der Freiheitsaufgabe bezahlt. Das Potential, flexibel und anpassungsfähig auf neue Entwicklungen zu reagieren und die Verfassung nicht in bestimmter Form erstarren zu lassen, liegt auch in einer Lösung auf der Rechtfertigungsebene. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung erweist sich damit – gerade auch in Bezug auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – als Nahtstelle zwischen verfassungsrechtlich gebotener Anpassung des Eigentumsgrundrechts an sich ändernde tatsächliche Verhältnisse und dem schützenswerten Fortbestandsinteresse des Eigentümers.392
4. Einfluss des Art. 20a GG auf Ausgleichspflichten im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen Welchen Einfluss Art. 20a GG auf Ausgleichspflichten im Rahmen von Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG393 hat, wird nur vereinzelt erörtert.394 Unmittelbare verfassungsrechtliche Wirkungen scheiden aufgrund der Natur des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung aus. In Betracht kommen aber aus Art. 20a GG abzuleitende Vorgaben an den Gesetzgeber. Im Folgenden 389 390
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BVerwG NVwZ 1998, 1080 [1081]. Schmidt-Aßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rn. 116. Vgl. noch den S. 192 f. zu besprechenden Fall. Angeknüpft wird an die obigen Ausführungen auf S. 62 ff. So auch Grochtmann, Art. 14, S. 35. Nach der hier vertretenen Trennungsthese scheidet eine ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung schon begrifflich aus, weil sie ihrer Definition nach keine Eigentümerrechte verletzen und deshalb auch nicht ausgleichspflichtig sein kann, vgl. oben S. 92 ff. Da die herrschende Meinung insoweit abweichend nicht zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung trennt und die zu untersuchende Problematik unterschiedslos für beide Ansichten gilt, soll im Folgenden der herrschend verwandte Begriff – die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung – benutzt werden. Vgl. Nolden, Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 121 und Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 194.
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bedarf es zunächst einer zusammenfassenden Darstellung der Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung. Ausgleichsleistungen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG haben die Funktion, gewisse unzumutbare Auswirkungen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zu verhindern. Sie sind gleichwohl kein generell verfassungsrechtlich zulässiges Mittel hierzu.395 Wenn auch vom Bundesverfassungsgericht eingeführt, anerkannt und weiterentwickelt, sind kritische Stimmen nicht verstummt.396 Zulässig sind sie nur in Ausnahmefällen – um unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen zu verhindern –, mithin als letztes Mittel nach Ausschöpfung der Möglichkeit von Übergangsregelungen, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften sowie des Einsatzes sonstiger administrativer und technischer Vorkehrungen.397 Auch die Fragen, welche inhaltlichen Anforderungen398 an ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu stellen sind und an welchen Kriterien die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit von Ausgleichsleistungen zu orientieren ist, sind nicht zweifelsfrei geklärt. So wird insbesondere die Anwendung der Maßstäbe des Art. 14 Abs. 3 GG gefordert, weil Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche gleichermaßen ihren Grund in der Kompensation von Eigentumswertverlust hätten.399 Bei der Frage des „Ob“ einer Ausgleichsleistung wird darüber gestritten, ob die „alten“ materiellen Kriterien, die ursprünglich zur Abgrenzung der Enteignung von der Inhaltsbestimmung verwandt wurden, für die Abgrenzung ausgleichsfreier und ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmungen heranzuziehen seien.400 Unstreitig ist aber unter Zugrundelegung der Rechtsprechung 395
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Zuletzt BVerfGE 100, 226 [244]. Vgl. allgemein Kischel, JZ 2003, 604 ff.; Kleinlein, DVBl. 1991, 365 ff.; Ossenbühl, in: FS Friauf, S. 391 ff. Zur Einordnung der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung in das Staatshaftungsrecht Kischel, VerwArch 2006, 450 ff. Bedenken gegen Ausgleichspflichten im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen ergeben sich unter dem Blickwinkel von Bestands- und Wertgarantie im Rahmen des Eigentumsgrundrechts. Der individualschützende Aspekt des Eigentumsgrundrechts ist auf die Abwehr von Eingriffen in den geschützten Freiheitsbereich gerichtet, nicht aber auf deren Zulassung unter Gewährung von Ausgleich. In diesem Sinne kritisch zu dieser Rechtsfigur: König, DVBl. 1999, 954 [958]; Kempen, Eingriff, S. 96 f.: „Abkauf von Grundrechtsschutz“; Axer, DVBl. 1999, 1533 [1538]: „als Schlupfloch wird sie zum Umgehungsgeschäft“ der Enteignung. Kritisch auch Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 346 ff. Gänzlich für deren Aufgabe: Ekey, Verminderung, S. 272 ff.; Eschenbach, JURA 1998, 401 ff BVerfGE 100, 226 [245 f.]. Vgl. z.B. Papier, DVBl. 2000, 1398 [1403]. Nolden, Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 113 m.w.N. Für den Fall der Aufhebung jeglicher Privatnützigkeit auch de Witt, DVBl. 1995, 107 [108]. Dagegen wird die Vielgestaltigkeit der Fälle vorgebracht, durch die der Gesetzgeber rein praktisch überfordert sein könnte, Ausgleichspflichten nach den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 zu normieren: Nolden, Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 113 f. Vgl. dazu König, Bodennutzung, S. 92 ff. Gegen die Heranziehung der alten „Schwellenkriterien“ Kischel, JZ 2003, 604 ff. Für eine grundsätzliche Orientierung der – ent-
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des Bundesverfassungsgerichts, dass bei Prüfung der Erforderlichkeit einer Ausgleichspflicht die strikte Trennung zweier voneinander unabhängiger Fragen zu beachten ist: Zunächst muss die Schutzmaßnahme an sich verfassungsgemäß sein401 und daran anschließend fragt sich, ob sie ohne Entschädigung zulässig ist.402 Den angesprochenen, im Einzelnen umstrittenen Fragen im Rahmen der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen kann im Folgenden nicht nachgegangen werden. Hier interessiert allein die Frage, ob sich aus Art. 20a GG Rückwirkungen auf die Ausgleichsleistungen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG ergeben können. Da das Bundesverfassungsgericht seine letzte grundlegende Entscheidung zur ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung403 bezogen auf das Denkmalschutzrecht getroffen hat, wird die Frage erörtert, ob die Ausführungen des Gerichts auf das Umweltschutzrecht überhaupt übertragbar seien. Unter Hinweis darauf, dass durch Art. 20a GG dem Umweltschutz Verfassungsrang zukomme, den der Denkmalschutz nicht habe, wird dies differenziert betrachtet.404 Die Bedenken, die gegen eine Übertragung auf das Umweltschutzrecht vorgetragen werden, greifen jedoch nicht durch. Insbesondere kommt dem Hinweis auf die verfassungsrechtliche Stellung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen gegenüber dem Denkmalschutz keine Bedeutung in der Diskussion zu, weil die Dogmatik der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung vom Bundesverfassungsgericht anhand der Vorgaben des Art. 14 GG entwickelt worden ist und hier insbesondere die Wahrung der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG und der Verhältnismäßigkeit gesetzgeberischer Einschränkungen sicherstellen soll. Welches Gemeinwohlinteresse – und damit auch die Frage, ob dieses Verfassungsrang hat – hinter dem jeweiligen Eigentumseingriff steht, ist dabei zunächst unerheblich. In jedem Falle soll sich der Gesetzgeber bewusst sein, dass Ausgleichsleistungen im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nur ausnahmsweise dem Art. 14 Abs. 1 GG entsprechen. Soll der Gesetzgeber Übergangsregelungen und Ausnahmevorschriften zur realen Verhinderung der Härte vorrangig vor Ausgleichsansprüchen vorsehen, so fragt sich, wie dies mit der Schutzvorgabe in Bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen durch Art. 20a GG überein zu bringen ist. Durch die primär vorzuse-
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schädigungslosen – Sozialbindung an rein quantitativen Grenzen Leisner, Sozialbindung, S. 234 ff., der aber Inhalts- und Schrankenbestimmungen von der Enteignung allein durch die geringere Eingriffstiefe unterschieden wissen will. Aus Gleichheitsgesichtspunkten ist die Orientierung an Wertgrenzen durchaus eine erwägenswerte Vorstellung. Insbesondere die Substanz des Eigentums wahren und dem Gleichheitsgebot entsprechen: BVerfGE 100, 226 [244]. König, DVBl. 1999, 954 [958]; Leisner, DÖV 1991, 781 [786]. Zu Art und Inhalt von Ausgleichsleistungen umfassend Nolden, Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 132 ff. BVerfGE 100, 226 ff. Für das Naturschutzrecht ausdrücklich eine Übertragung bejahend Grzeszick, Agrarrecht 2003, 165 [166]; Hönes, NuR 2002, 324 [332]; einschränkend im Detail Roller, NJW 2001, 1003 [1008 f.].
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henden Ausnahmevorschriften wird das gesetzgeberische Ziel des Schutzes ein Stück weit aufgegeben, die natürlichen Lebensgrundlagen gerade nicht oder jedenfalls nicht im angestrebten Maße geschützt. Unter Umständen wird das gesetzgeberische Ziel sogar konterkariert. Die Schutzpflicht des Staates aus Art. 20a GG könnte hier sogar als Argument für eine großzügigere Ausdehnung finanzieller Ausgleichsleistungen gegenüber Ausnahmen und Dispensen streiten, weil damit eine Inanspruchnahme der natürlichen Lebensgrundlagen verringert würde. Dagegen wird aus der Schaffung des Art. 20a GG als Aufgabennorm und des nunmehrigen verfassungsrechtlichen Ranges des Umweltschutzes gefolgert, dass der Eigentümer mit der Möglichkeit einer stärkeren – d.h. häufig ausgleichslosen – Inanspruchnahme seines Eigentums zu rechnen habe.405 Verortet wird diese Wirkung in der Verhältnismäßigkeit. Ausgleichsfreie Eigentumseingriffe, auch intensiver Art, ließen sich damit für den Gesetzgeber leichter rechtfertigen, weil die Bedeutung des dagegen vorgebrachten Gemeinwohlbelangs gestiegen sei. Im Verbund mit der Differenzierung nach der Regelungsmaterie im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ergeben sich damit insbesondere für das Grundeigentum Konsequenzen: Unvermehrbarkeit und Unentbehrlichkeit von Grund und Boden im Verbund mit dem Schutzauftrag aus Art. 20a GG führen zu einer besonders weitgehenden Möglichkeit der Inanspruchnahme der Grundeigentümer. Deshalb soll eine entschädigungslose Nutzungseinschränkung nur dann unverhältnismäßig sein, wenn die ausgeübte Nutzung auf längere Sicht zu keiner Verschlechterung der ökologischen Potentiale des Grundstückes führe. 406 Allerdings widersprechen beide Interpretationen des Art. 20a GG der verfassungsrechtlichen Lage. Gegen eine ausdehnende Anwendung von Ausgleichspflichten, um das Schutzziel des Art. 20a GG zu verfolgen, spricht Art. 14 GG, würde doch damit eine Verlagerung des Eigentumsschutzes von der Bestands- auf die Wertgarantie407 einhergehen. Dies ist ein Argument, das gegen die Anerkennung der Rechtsfigur der Ausgleichspflicht im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG schon grundsätzlich vorgebracht wird, jedenfalls aber zwingend für deren Ausnahmecharakter spricht. Auch läge darin eine Überdehnung des Normbefehls des Art. 20a GG, der dem Gesetzgeber die Freiheit lässt, von seinen Schutzmaßnahmen für die Umwelt Ausnahmen zuzulassen, soweit er damit seine Schutzpflicht nicht evident verletzt. Die Sichtweise, wegen Art. 20a GG habe der Eigentümer vermehrt ausgleichslose Eigentumseingriffe hinzunehmen, beinhaltet eine verengende Interpretation einer Verfassungsnorm, die aufgrund ihres Normtypus‘ offen und auf Gestaltung und Konkretisierung durch den Gesetzgeber angelegt ist. Dieser Intention läuft sie geradezu zuwider: Ob wegen Art. 20a GG Ausgleichsleistungen eher unterbleiben dürfen – oder aber er im Gegenteil sogar für die Ausdehnung von Ausgleichspflichten ins Feld geführt werden kann, weil aus seinem 405
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Nolden, Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 121; Sellmann, Nutzungsbeschränkungen, S. 194: der Eigentümer habe höhere Darlegungslast, warum sein Eigentum nicht entschädigungslos beschränkt werden dürfe; vgl. auch ders., in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 41 [55 ff.]. Söhnlein, Landnutzung im Umweltstaat, S. 76. Die Verwandlung der Eigentumsgarantie in eine bloße Wertgarantie ist nach Art. 14 ein Ausnahmefall, Ehlers, in: VVDStRL 51 (1992), S. 213 [233].
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Schutzauftrag folgend Maßnahmen zu ergreifen sind, die verfassungsgemäß nur mit Ausgleichspflicht vorgenommen werden dürfen wegen intensivster Inanspruchnahme des Grundeigentums – ist von der Norm nicht präjudiziert. Ob eine Ausgleichspflicht besteht, entscheidet sich allein gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. Innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind Maßnahmen, die zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ergriffen werden, gestützt auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Gemeinwohlbelang, als Eingriffe in das Eigentumsgrundrecht rechtfertigbar. Dem Schutzgut des Art. 20a GG kommt dabei per se kein verfassungsrechtlich höherer Rang zu. Weder bei der Frage, ob der Eingriff für sich gesehen verfassungsgemäß ist, noch dort, wo es um die Entscheidung über einen zu gewährenden Ausgleich geht, ist das Grundeigentum an sich ein weniger schützenswertes Verfassungsgut als andere Eigentumsgegenstände. Zu retten ist dagegen die These, die Anerkennung der Ausgleichspflicht im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG schränke die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit des umweltschützenden Gesetzgebers ein.408 Tatsächlich könnte sich der Gesetzgeber aufgrund drohender Ausgleichspflichten geneigt fühlen, ein umzusetzendes Umweltschutzprojekt zu unterlassen oder in seiner Wirksamkeit abzuschwächen, um Geld zu sparen. Hieran zeigt sich, dass sich hinter der Entscheidung über Ausgleichspflichten die grundsätzliche Frage verbirgt, wer den als notwendig anerkannten Umweltschutz zu bezahlen hat. Mit der Erkenntnis, dass Umweltschutz im Interesse aller ist, wird die Feststellung verbunden, dass der vom Umweltschutz Profitierende ihn auch bezahlen soll, mithin die Allgemeinheit.409 Dies führt im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG zu einem Ausgleichsanspruch des Grundeigentümers bei belastenden Maßnahmen, die eine bestimmte Grenze überschreiten. Dadurch kann auf den Staat eine kaum zu bewältigende Flut von Ausgleichspflichten zukommen. Dieser kann er nur entgehen, wenn er die umweltschützende Maßnahme gegen den Eigentümer unterlässt. Deshalb bedeutet die unter Umständen verfassungsrechtlich zwingend erforderliche Ausgleichspflicht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG eine Einschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes aus Art. 20a GG.
5. Zusammenfassung Die Konflikte, die zwischen Umwelt- und Eigentumsschutz entstehen, sind vom Gesetzgeber zu lösen. Dies verdeutlichen die entsprechenden Verfassungsnormen Art. 14 GG und Art. 20a GG. Verfassungsunmittelbare, d.h. von gesetzlichen Regelungen unabhängige, tatbestandliche Begrenzungen der Eigentümerfreiheit gehen von der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG nicht aus. Kritisch zu bewerten ist vor diesem Hintergrund die Nassauskiesungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der das Eigentumsgrundrecht nicht zur Nutzung des Grundwassers berechtigt. 408
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So als allgemeine Kritik an dieser Rechtsfigur – wegen der Zahl eventuell drohender Ausgleichsleistungen: Kimminich, NuR 1994, 261 [262]; Maiwald, BayVBl. 1991, 101 [104]. Schmitt Glaeser, AgrarR 1995, 161 [165].
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Dem Gesetzgeber sind mit Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zwei Instrumente zur Verfügung gestellt, um die Konflikte zwischen Eigentums- und Umweltschutz zu lösen. Entgegen der überwiegenden Meinung ist deshalb zwischen Inhaltsbestimmungen und Schrankenbestimmungen des Eigentums zu differenzieren. Schrankenbestimmung ist eine Regelung, wenn sie für (mindestens) einen Eigentümer die Schmälerung seiner bisherigen Rechtspositionen bedeutet; ist dies nicht der Fall, handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff gibt nicht nur die verfassungsrechtlich erforderliche Qualität einfachrechtlich zu schaffender Rechtspositionen vor und ist damit Grenze des Inhaltsbestimmungsrechts des Gesetzgebers. Er stellt ebenso eine Grenze des schrankenbestimmenden Gesetzgebers dar. Die Aufnahme von Art. 20a GG in die Verfassung hat auf diesen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff keine Auswirkungen. Essentielle Merkmale dieses Begriffes sind die Zuordnung einer umfassenden Herrschaftsposition an einen Rechtsträger, gekennzeichnet durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis sowie die Gewährleistung der Substanz des Eigentumsgegenstandes. Art. 20a GG selbst stellt keine spezielle Regelung für die Lösung eines Interessenkonflikts zwischen Eigentum und Umweltschutz zur Verfügung. Als Staatszielbestimmung kann er grundsätzlich nicht die Schrankensystematik der Grundrechte durchbrechen. Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen lässt sich dementsprechend nur in dem Maße verwirklichen, wie es nach den Grundrechtsgewährleistungen verfassungskonform ist. Die Zielstellung des Art. 20a GG ist jedoch bei jedem grundrechtseinschränkenden Gesetz zu beachten. Er konkretisiert das Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 2 GG dergestalt, dass er den Gesetzgeber zwingend auf die Berücksichtigung der natürlichen Lebensgrundlagen festlegt. Bei der Prüfung eines Gesetzes im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist mithin eine Verletzung des Freiheitsrechtes anzunehmen, wenn sich dessen Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen objektive Aussagen des Art. 20a GG erweist. Der Eigentümer bekommt darüber die Möglichkeit, ein ihn in seinem Eigentumsgrundrecht beeinträchtigendes Gesetz auf seine Vereinbarkeit mit Art. 20a GG durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen, auch wenn es sich lediglich um objektives Verfassungsrecht handelt. Weitergehende Wirkungen hat Art. 20a GG auch nicht im Rahmen der speziellen Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 14 GG, die sich entscheidend am sozialen und personalen Bezug des Eigentumsobjekt zu orientieren hat. Nach gesetzgeberischer Umsetzung sind Belange des Art. 20a GG geeignet, Differenzierungen zwischen verschiedenen Eigentumspositionen zu rechtfertigen. Art. 20a GG führt für sich gesehen weder zu einer stärkeren – also häufiger ausgleichslosen – Inanspruchnahme von Eigentum, noch ist er Grundlage für eine Ausdehnung von Ausgleichspflichten. Praktisch kann er aber eine Einschränkung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Entscheidung über Ausgleichsleistungen bedeuten: dies dann, wenn der Gesetzgeber von gewissen Maßnahmen Abstand nimmt oder sie abmildert, weil er eine Flut von Ausgleichsleistungen befürchtet.
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II. Nichtkollidierendes Zusammenwirken von Art. 14 GG und Art. 20a GG Das Verhältnis von Staatszielbestimmungen und Grundrechten auf Konfliktfälle zu reduzieren, wird dem tatsächlichen Zusammenwirken auf Verfassungsebene nicht gerecht, da es auch zu anderen Wirkungen kommen kann, beispielsweise einer Verstärkung der jeweiligen Wirkkraft. Weil der tatsächlich beschriebene Konflikt zwischen Eigentum und Umweltschutz hier nicht auftritt, ist der Begriff des nichtkollidierenden Zusammenwirkens gewählt worden.
1. Problemaufriss Grundlage für staatliche Schutzpflichten im Bereich des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen ist nicht allein die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG. Auch Grundrechte kommen hierfür in Betracht. Ist der Staat gemäß Art. 14 Abs. 1 GG verpflichtet, Eigentum zu gewährleisten, so könnten für ihn auch Schutzpflichten für das Grundeigentum bestehen, soweit es selbst Bestandteil der natürlichen Lebensgrundlagen ist. Es ist deshalb eine staatliche Pflicht zum Umweltschutz auch aus Art. 14 GG denkbar. Konsequenz wäre, dass sich zwei Schutzkonzeptionen bezogen auf das Grundeigentum gegenüber stünden: die grundrechtliche und die aus der Staatszielbestimmung. Infolgedessen tut sich die Frage nach dem Verhältnis beider Schutzkonzeptionen auf. Im Folgenden sollen diese Schutzkonzeptionen auf ihre Überschneidungen, Vergleichbarkeit und Unterschiede hin untersucht werden und insbesondere die Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG einer kritischen Analyse unterworfen werden. Aus der Sicht des Grundrechtsberechtigten (Eigentümers) erscheinen diese Fragestellungen in zwei Konstellationen interessant: In der Schutzpflichtkonstellation kommt für den Grundrechtsberechtigten eine Verfassungsbeschwerde in Betracht, wenn ihm die geltenden Umweltschutzregelungen in Bezug auf sein Grundeigentum nicht als ausreichend erscheinen. (dazu 2. und 3.) Andererseits kann sich der Eigentümer im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde auf eine Beeinträchtigung seines Eigentumsgrundrechts berufen und in diesem Zusammenhang die Staatszielbestimmung als Maßstab für die Beurteilung der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs heranziehen (Abwehrkonstellation, 4.).410 Abschließend sollen die prozessualen Möglichkeiten des Grundeigentümers zusammengefasst werden.
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Vgl. dazu schon S. 108.
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2. Die Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts a) Allgemeine Grundlagen der Schutzpflichtdimension der Grundrechte Das Bundesverfassungsgericht leitet die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des jeweiligen Grundrechts her und nimmt hierfür Bezug auf die Grundrechte als Bestandteil der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes.411 Umfang und Weite des verfassungsrechtlich vorgegebenen Schutzes macht das Bundesverfassungsgericht von Art, Nähe und Ausmaß möglicher Gefahren sowie der Bedeutung des betroffenen Rechtsgutes abhängig, so dass die staatliche Schutzverpflichtung um so höher sein soll, je höher der Rang des in Frage stehenden Rechtsgutes innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes ist.412 Wie der Staat der Erfüllung seiner Schutzpflicht nachkommt, liegt grundsätzlich in der Entscheidung des Gesetzgebers, dem dabei ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt.413 Der Gesetzgeber hat bei der Entscheidung über den Schutzumfang einen Ausgleich zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen zu schaffen, wobei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist.414 Dogmatisch gliedert sich die Prüfung der Schutzpflichten in Tatbestand und Rechtsfolge.415 Welche tatbestandlichen Voraussetzungen für die Schutzpflicht bestehen, hängt von dem speziellen Freiheitsgrundrecht ab. Problematisch ist insoweit vor allem, welche Qualität oder Erheblichkeit die Rechtsverletzung bzw. die Gefahr für das Rechtsgut aufweisen muss, denn nicht jede kleinste Belästigung kann zu einer Verpflichtung des Staates führen.416 Auf der Rechtsfolgenseite wird auf Art und Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgutes abgestellt. Die Frage, ob mit der objektiven Schutzpflicht ein subjektiver, durchsetzbarer Anspruch verbunden ist, war lange Zeit streitig, weil die vom Bundesverfassungs411
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BVerfGE 39, 1 [41]. Die Rechtsprechung des BVerfG zu den Schutzpflichten hat sich u.a. wesentlich anhand umweltrelevanter Fälle entwickelt, vgl. BVerfGE 49, 89 [141 f.] – Kalkar; BVerfGE 53, 30 – Mülheim-Kärlich. Zur Übersicht der einschlägigen BVerfG-Entscheidungen Ruffert, Vorrang, S. 141 f. Allgemein zur Dogmatik der Schutzpflichten Dirnberger, Recht auf Naturgenuss, S. 98 ff., 119 ff.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz; Krings, Grund und Grenzen, S. 60 ff., 142 ff., 164 ff. Zu den zahlreichen Herleitungsversuchen im Schrifttum vgl. den Überblick bei Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 314 f. sowie S. 437 ff. mit Kritik an der verfassungsgerichtlichen Konzeption; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 43 ff.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 34 ff. Grundsätzlich kritisch zur Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten Preu, JZ 1991, 265 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 1, Rn. 193 ff.; Schenke, VersR 2006, 871 [874]: Aufladung grundrechtlicher Schutzpflichten führt zwangsläufig zur Veränderung des Verhältnisses von Verfassungs- und Fachgerichtsbarkeit. BVerfGE 39, 1 [42]; 49, 89 [142]. BVerfGE 39, 1 [44]. BVerfGE 39, 1 [47]. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 317 ff. Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 89, 106 ff.
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gericht aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt hergeleitete Pflicht erst wieder „resubjektiviert“ werden muss.417 Das Bundesverfassungsgericht gibt bei Verletzung von Schutzpflichten ein subjektives Recht auf Schutz, so dass bei (behaupteter) Vernachlässigung in Form der Verfassungsbeschwerde vorgegangen werden kann.418 Seinen eigenen Prüfungsumfang beschränkt das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich auf eine evidente Verletzung von Schutzpflichten. Eine solche sei nur dann feststellbar, wenn der Staat entweder überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen habe oder offensichtlich gänzlich ungeeignete oder völlig unzulängliche Regelungen oder Maßnahmen ergriffen habe, um das Schutzziel zu erreichen.419 Es sei regelmäßig eine höchst komplexe Frage, wie die staatliche Schutzund Handlungspflicht zu erfüllen sei, die selbst erst im Wege der Verfassungsinterpretation aus den in den Grundrechten verkörperten Grundentscheidungen hergeleitet werde. Hier bedürfe es einer Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse, der Festlegung konkreter Zielsetzungen sowie der Prüfung der Eignung verschiedener Lösungsansätze – Aufgaben, die zuvörderst dem Gesetzgeber übertragen seien.420 Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht auch schon das Untermaßverbot als Kontrollmaßstab herangezogen und einen angemessenen Schutz gefordert.421 Dieser setze sorgfältige Tatsachenermittlungen und verlässliche Einschätzungen voraus, und es bestehe eine Beobachtungs- und ggf. Nachbesserungspflicht im Hinblick auf das gesetzgeberische Schutzkonzept. Nach diesen Darlegungen offenbart sich bereits ein Spezifikum der Schutzpflichtkonzeption: Der Schutzpflicht als staatlicher Handlungsnorm für die Legis417
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Dirnberger, Recht auf Naturgenuss, S. 169 ff.; Dreier, in: ders., GG I, Vorb. vor Art. 1, Rn. 95; Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 8. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 414, begründet die Subjektivierung mit dem Prinzipiencharakter der Grundrechte: Nur eine solche werde dem ursprünglichen und bleibenden Sinn der Grundrechte als individuelle Rechte gerecht. Vgl. nur BVerfGE 77, 170 [214 f.]; 79, 174 [201 f.] und die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. dazu die Nachweise bei Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 316 in Fn. 415. Zum subjektiv-rechtlichen Geltungsgehalt ausführlich Dietlein, Schutzpflichten, S. 144 ff. und Krings, Grund und Grenzen, S. 234 ff. Kritisch zur Herleitung konkreter Leistungsansprüche Michel, Staatszwecke, S. 291; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 979 ff. BVerfGE 56, 54 [80 f.]; 79, 174 [202]. Dies ist nach Ansicht von Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 162 ff., sogar verfassungsrechtlich geboten. Das BVerfG hat aber auch schon sehr genaue Vorgaben an den Gesetzgeber aufgestellt, wie er zur Erfüllung einer Schutzpflicht ein Gesetz auszugestalten habe, so z.B. in der zweiten Abtreibungsentscheidung – BVerfGE 88, 203 ff., wo es sich als „Ersatzgesetzgeber“ betätigte. Zum letzten Aspekt ausführlich G. Blasberg, Verfassungsgerichte als Ersatzgesetzgeber. BVerfGE 56, 54 [81]. BVerfGE 88, 203 [254, 262]. Dieser Maßstab ist allerdings die Ausnahme geblieben; das BVerfG hat später wieder ausschließlich auf die Evidenzkontrolle abgestellt, so in JZ 1997, 897 und NJW 1998, 3264 [3265]. Kritisch dazu Steinberg, NJW 1996, 1985 [1988]. Zum Untermaßverbot vgl. schon S. 54.
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lative steht keine äquivalente Schutzpflicht als Kontrollnorm für das Bundesverfassungsgericht gegenüber.422 Diesen Gedanken gilt es bei der Untersuchung der Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG weiter zu verfolgen.
b) Die Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG im Besonderen aa) Begründung und Umfang der Schutzpflicht Auch am Eigentumsgrundrecht ist die Dogmatik der Schutzpflichten nicht vorbeigegangen. Allerdings fehlen hier – anders als bei anderen Grundrechten – über die bloße Feststellung, dass aus Art. 14 GG Schutzpflichten folgen, hinaus eingehendere Analysen dieser Grundrechtsdimension. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Herleitung von Schutzpflichten aus Art. 14 GG in der Entscheidung zu den Waldschäden befasst, ohne dort allerdings einen subjektiven Schutzanspruch zu bejahen.423 Es stellte auf die allgemeine Luftverunreinigung als Ursache für die geltend gemachten Waldschäden ab. Art. 14 GG schütze aber den Bestand des Eigentums grundsätzlich nicht gegenüber solchen Einwirkungen, die sich maßgeblich aus den grundrechtlichen Freiheiten anderer Bürger ergäben. Offen lässt das Bundesverfassungsgericht dagegen, wie genau eine Eigentumsbeeinträchtigung auszusehen habe, die eine Schutzpflicht auszulösen vermag. Hierzu stellt es die Erwägung an, jedenfalls Eigentumsbeeinträchtigungen, die in Form einer Inhaltsbestimmung hingenommen werden müssten, seien unerheblich.424 Im Ergebnis meint es, trotz der erheblichen Eigentümerschäden am Wald sei jedenfalls bisher der Kernbereich des Eigentums, mithin Privatnützigkeit, Verfügungsbefugnis und Substanzerhalt, noch gegeben. Hieran zeigt sich deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht den Kernbereich des Eigentumsgrundrechts über die Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs definiert und diesen als absolute Grenze staatlichen Handelns bzw. Nichthandelns offensichtlich auch im Falle der Schutzpflichten aktiviert. Allerdings lässt sich daran auch die Tendenz erkennen, eine Schutzpflicht erst bei einer Gefährdung des Kernbereiches der Eigentumsgarantie anzunehmen. Im Falle drohender Lärmbelästigung durch einen Militärflughafen hatte sich auch der VGH Kassel425 mit aus Art. 14 GG folgenden Schutzpflichten zu befassen und bejahte diese in seiner Entscheidung. Auf der Rechtsfolgenseite stellte das Gericht dann aber darauf ab, dass der Staat nicht in jedem Falle einschreiten müsse, sondern – wie im zu entscheidenden, die Außen- und Verteidigungspolitik
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Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 162. Einen Gleichlauf beider fordert aber Krings, Grund und Grenzen, S. 260. Vgl. auch O. Klein, JuS 2006, 960 [964], nach dem die Handlungsnorm auf optimalen Schutz ziele, die Kontrollnorm dagegen nur ein evidentes Verfehlen des Schutzzieles erfasse. NJW 1998, 3264 [3265 f.]. Vgl. auch BVerfGE 49, 252 [257], wo die Schutzpflichtdimension auf Art. 14 übertragen wird, allerdings nur bezogen auf den Rechtsschutz für Eigentümer. Offen gelassen wurde die Frage von BVerfG [Vorprüfungsausschuss], NJW 1983, 2931 [2932]. NJW 1998, 3264 [3265 f.]. NJW 1989, 470 [475].
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betreffenden Bereich – ein weites Ermessen habe, so dass nur ein Anspruch auf eine fehlerfrei vorzunehmende Abwägung angenommen werden könne. Im Schrifttum wird die Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG – zum Teil ohne gründliche Erörterung – als weitgehend anerkannt vorausgesetzt.426 Als Schutzgüter werden in diesem Zusammenhang das Grundeigentum sowie Pflanzen und Tiere als Sacheigentum genannt.427 Der Staat wird für verpflichtet gehalten, im Rahmen seiner Handlungspflicht Regelungen zu schaffen, die eine erhebliche Verminderung der Gesamtmenge an Schadstoffemissionen vorschreiben.428 Auch wird eine staatliche Pflicht angenommen, gegen Eigentumsschädigungen (polizeilich) vorzugehen bzw. strenge materielle Zulässigkeitsvoraussetzungen für risikobehaftete Vorhaben festzulegen.429 Hierin kommt zum Ausdruck, dass der Schutz intakter ökologischer Grundlagen des Eigentums Gegenstand des Schutzpflichtgehalts der Eigentumsgarantie sein soll.430 Dies lässt sich aber nicht unproblematisch zu einer staatlichen Schutzpflicht und aus dieser folgenden Handlungspflichten konkretisieren. Eine solche kann nämlich dann nicht angenommen werden, wenn der Einzelne nur als Teil der Allgemeinheit durch Schäden betroffen wird.431 Dann fehlt die zwingend erforderliche Rückbindung an das individuelle Grundrecht. Bei Betrachtung staatlicher Pflichten in Ansehung der natürlichen Lebensgrundlagen als Grundlage des Grundeigentums lässt sich eine Trennung zwischen dem Eigentümer als individuell Berechtigtem und als Teil der Allgemeinheit aber gerade wegen der anfangs aufgezeigten zwingenden natürlichen Verbindung von Grundeigentum und natürlichen Lebensgrundlagen nicht ohne weiteres durchführen. Dies kommt auch in der Waldschadensentscheidung zum Ausdruck, wenn das Bundesverfassungsgericht auf die allgemeine Luftverunreinigung als Ursache für die Waldschäden rekurriert. Es stuft – wenn auch nicht ausdrücklich – den Eigentümer damit faktisch als Teil der (von Umweltschäden betroffenen) Allgemeinheit ein und gerade nicht als Eigentümer im Sinne eines individuell Berechtigten. Für den Grundeigentümer erweist sich deshalb die natürliche Abhängigkeit des Grundeigentums vom Allgemeinzustand der Luft, des Klimas, von Flora und Fauna als verfassungsrechtlich nachteilig. Er ist mit seinem kleinen Stück Erdoberfläche von den global laufenden Prozessen abhängig und als Teil des Ganzen verfassungsrechtlich kaum individualisierbar. Dies zeigt sich auch daran, dass es über die allgemeinen Feststellungen hinaus, welche staatlichen Schutzpflichten sich aus dem Eigentumsgrundrechts herleiten 426
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Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 222; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 31; Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 317; Lühle, Beschränkungen, S. 125 ff.; Steinberg, NJW 1996, 1985 [1987 ff.]; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 237 ff.; Wieland, in: Dreier, GG I, Art. 14, Rn. 176. Steinberg, NJW 1996, 1985 [1987]; zum Schutz von Nutzpflanzen vor Straßenverkehrsabgasen Lühle, Beschränkungen, S. 125. So Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 227. Zum ersten Punkt Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 225; Gusy, Polizeirecht, Rn. 390 ff.; zum letzteren Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 47. So Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie, S. 3 [8]. So auch Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 228.
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ließen, kaum Erfolg versprechende Versuche gibt, abstrakte Kriterien für das Vorliegen einer Schutzpflicht zu finden. In diesen Kontext lässt sich die bereits angesprochene Erwägung des Bundesverfassungsgerichts einordnen, Eigentumsbeeinträchtigungen, die in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung hingenommen werden müssten, seien unerheblich.432 Dieser Erwägung ähnlich ist der Gedanke, das Bestehen einer Schutzpflicht anzunehmen, wenn der Gesetzgeber den bestehenden Zustand durch eine gesetzliche Regelung nicht verfassungsgemäß schaffen könnte.433 Allerdings ist fraglich, ob sich im jeweiligen Schutzpflichtfall die Frage beantworten lässt, ob eine entsprechende Eigentumsbeeinträchtigung durch Inhalts- und Schrankenbestimmung verfassungskonform hätte geregelt werden können. Derartige Sachverhalte zeichnen sich oftmals gerade durch schwere oder sogar mangelnde Normierbarkeit aus. An dieser Stelle tritt der entscheidende Unterschied zwischen Eigentumsgrundrecht und den Grundrechten, anhand derer die Schutzpflichtdogmatik entwickelt worden ist, zutage, der die Bestimmung grundrechtlicher Schutzpflichten aus der Eigentumsgarantie als schwierig erscheinen lässt: die Besonderheit des Eigentums, kein tatsächliches, sondern ein rechtliches Konstrukt und damit zwingend auf gesetzgeberische Vermittlung angewiesen zu sein. Als Konsequenz aus dieser Eigenart werden in der Literatur staatliche Schutzpflichten in Bezug auf Freiheitsrechte, deren Schutzbereich – wie der des Eigentumsgrundrechts – rechtlich konstituiert ist, gänzlich abgelehnt. 434 Speziell bei Art. 14 GG sei die Schutzpflicht identisch mit der gesetzgeberischen Ausgestaltungspflicht bzw. -befugnis gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.435 Demgegenüber wird vertreten, gesetzgeberische Ausgestaltung und Schutz des ausgestalteten Grundrechts sollten nicht in einer allgemeinen gesetzgeberischen Gestaltungsaufgabe aufgehen, der Gesetzgeber im Rahmen der Schutzdimension nicht völlig frei in der Ausformung des grundrechtlichen Schutzgutes sein.436 Freilich hat das Eine mit dem Anderen nicht zwingend etwas zu tun: Welche Grenzen der Gesetzgeber bei Aus432 433 434
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BVerfG, NJW 1998, 3264 [3265]. So Trute, Vorsorgestrukturen, S. 243. Gellermann, Grundrechte, S. 147; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 146.; in diese Richtung auch die Ausführungen von Thiele, DÖV 1979, 236 [239 f.]; Wasmuth, NVwZ 1988, 322 [323]. Ausdrücklich für eine Erstreckung auch auf diese Dirnberger, Recht auf Naturgenuss, S. 154 ff.; Heinrich, Formale Freiheit, S. 109 in Fn. 244; Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 93; einschränkend Krings, Grund und Grenzen, S. 181 und Ruffert, Vorrang, S. 186 ff., 336 f.: Intensität der Schutzpflicht des Gesetzgebers sei geringer als bei Grundrechten mit „natürlichen“ Schutzgütern. Praktische Bedeutung anzweifelnd und insgesamt kritisch hinsichtlich der Ausdehnung und Uminterpretation der Grundrechte: Schwabe Grundrechtsdogmatik, S. 240. Dietlein, Schutzpflichten, S. 78 f.: eigentumsgrundrechtliche Schutzpflicht nur nach Maßgabe des einfachen Rechts; Erichsen, JURA 1997, 85 [86], der aber Schutzpflicht für Exekutive und Judikative annimmt; Steinberg, NJW 1984, 457 [459], der bei Verfehlen des Schutzes durch den Gesetzgeber negatorischen Schutz gewährt sieht. Ruffert, Vorrang, S. 191 f., 337. Normgeprägte Schutzgüter als Gegenstand grundrechtlicher Schutzpflichten seien „schwieriger zu erfassen“, weshalb die Intensität der Schutzpflicht hier geringer sei als bei Grundrechten mit natürlichen Schutzgütern [336].
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
gestaltung – auch bezogen auf den Schutz – einzuhalten hat, lässt sich sehr wohl für Ausgestaltung und Schutz gemeinsam bestimmen. Die Frage der grundsätzlichen Anerkennung einer Schutzdimension neben der Gestaltungsaufgabe und damit auch deren Abgrenzung und vor allem Abgrenzbarkeit ist dem aber vorgelagert. Der Gesetzgeber muss bereits bei Ausgestaltung Gefährdungen des Verfassungsgutes durch Dritte berücksichtigen und stellt damit die Verbindung zur Schutzdimension her. Seinen Auftrag aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG würde er unvollständig wahrnehmen, wenn er Drittbeeinträchtigungen nicht beachten würde. Dann könnte er das von Art. 14 GG geforderte Sozialmodell bzw. den Ausgleich widerstreitender Interessen437 nämlich gar nicht verwirklichen. Fehlt der tatsächliche Ausgangspunkt wie beim Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, scheint es nahezu ausgeschlossen, auf Tatbestandsseite abstrakt grundrechtliche Schutzpflichten zu beschreiben oder festzulegen, wann eine Verletzung vorliegt. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass – soweit ersichtlich – erst in einem Fall überhaupt materieller Schutz über diese Grundrechtsdimension des Eigentumsgrundrechts anerkannt worden ist.438 Die Aufzählungen dessen, was als Schutzpflicht im Rahmen des Art. 14 GG anerkannt sein soll, erfassen im Umweltrecht folglich fast ausschließlich verfahrensrechtliche Sicherungen.439 Über die allgemeine Aussage hinaus, dass grundrechtlich geschütztes Eigentum intakte ökologische Grundlagen voraussetze und so für seinen
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Vgl. nur BVerfGE 37, 132 [140]. Zu kapitalbildenden Lebensversicherungen BVerfGE 114, 1 [37]. Danach muss der Gesetzgeber Vorsorge treffen, dass durch Prämienzahlung geschaffene Vermögenswerte erhalten bleiben und bei Bestandsübertragung von Lebensversicherungsverträgen ein angemessener Vermögensausgleich erfolgt. Eine Schutzpflicht wurde insb. hinsichtlich von im Werden begriffener Positionen hinsichtlich der Überschussbeteiligung angenommen. Vgl. auch BVerfGE 114, 73 ff.: Pflicht zur angemessenen Berücksichtigung von erbrachten Prämien bei Schlussüberschuss am Vertragsende. Diese das Versicherungsrecht betreffenden Schutzpflichten sind allerdings zum einen nur objektiv ausgerichtet und zum anderen so speziell formuliert, dass sich daraus keine abstrakten Schlüsse auf sonstige Schutzpflichten im Rahmen des Art. 14, insbesondere die umweltrelevanten Schutzpflichten, ziehen lassen. Vgl. zu letzteren auch Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 [262]. So zählt bspw. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 107, die Pflichten des Staates dazu, das Eigentum als Privatrechtsinstitut einzurichten und Abwehransprüche gegen Einwirkungen Dritter bereitzustellen. Aus der Rechtsprechung des BVerfG werden den Schutzpflichten zugeordnet die Bereitstellung einer funktionsfähigen Privatrechtsordnung (E 24, 367 [388 ff.]) sowie die Zurverfügungstellung verfahrensrechtlicher Vorschriften zur effektiven Durchsetzung materieller Rechtsansprüche (BVerfGE 37, 132 [148]; 46, 325 [334]; 49, 252 [257]). Vielen dieser Einordnungsversuche liegt aber eine fehlerhafte Vermischung von Institutsgarantie und Schutzpflichtdimension des Art. 14 zugrunde, vgl. dazu gleich S. 152 ff. bzw. wird man die Beispiele weniger der Schutzpflicht, als vielmehr einem eigenen Komplex zuzuordnen haben, nämlich dem des Grundrechtsschutzes durch Verfahren, vgl. dazu S. 155 ff. Ähnlich wie hier Ladeur, DÖV 1986, 445 [451].
II. Nichtkollidierendes Zusammenwirken von Art. 14 GG und Art. 20a GG
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Schutzbereich aktiven staatlichen Umweltschutz postuliere 440, läßt sich die Bedeutung dessen für den einzelnen Eigentümer nicht zu bestimmten staatlichen Pflichten konkretisieren. Weil die Schutzpflichtdimension Fälle der Beeinträchtigung von Eigentümerpositionen durch andere Grundrechtsberechtigte betrifft, bedarf es gerade beim Eigentumsgrundrecht – mehr als bei jedem anderen Grundrecht – des gesetzgeberischen Tätigwerdens in Form von Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Durch diese entscheidet der grundgesetzlich hierzu beauftragte und allein verantwortliche Gesetzgeber, ob der jeweilige Eigentümer die Beeinträchtigung hinzunehmen, mithin eine Duldungspflicht hat, oder abwehren kann. Staatliche Schutzpflichten im Rahmen des Eigentumsgrundrechts zu erfüllen, heißt deshalb, die Eigentumsordnung auszugestalten, mithin Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Eigentums zu schaffen.441 Die Ausgestaltung der Eigentumsordnung verlangt vom Gesetzgeber nicht nur, verschiedene Eigentümerpositionen miteinander in Ausgleich zu bringen, sondern die Verwirklichung der Gemeinwohlbindung des Eigentums, wofür er auch dessen Bezug zu anderen Freiheitsausübungen berücksichtigen muss. Damit bewegt man sich aber nicht in der Schutzpflicht-, sondern der Abwehrdimension des Art. 14 GG.442 Diese Ausführungen deuten darauf hin, dass im Rahmen des Eigentumsgrundrechts eine Schutzpflichtdimension überflüssig ist, jedenfalls, soweit sie zunächst rein objektiv-rechtlich betrachtet wird. Hat der Gesetzgeber durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen die Eigentumsordnung gestaltet und damit (angenommene) Schutzpflichten erkannt und geregelt, geht es um Abwehr bzw. gestaltende Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Hat er einen Ausgleich von Eigentumspositionen mit anderem Freiheitsgebrauch nicht geschaffen, dann hat er gegen seine objektiv-rechtliche Pflicht443 verstoßen, eigentumskonstituierende Regelungen als Erfüllung seines Eigentumsgestaltungsauftrages zu treffen, auch unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen.444 Der Gesetzgeber muss also dafür Sorge tragen, dass Eigentumsnutzung in Ansehung der natürlichen Lebensgrundlagen nicht an untragbaren Verhältnissen derselben scheitert, was aber eine grundrechtliche Schutzdimension nicht zwingend voraussetzt. bb) Subjektivierung der Schutzpflicht Die Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG ist aber nicht nur wegen der schwierigen inhaltlichen Bestimmung der Schutzpflicht problematisch. Vielmehr tritt bei ihr ganz besonders deutlich die fehlende Äquivalenz von Schutzpflicht als Hand440 441
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Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie, S. 3 [8]. Steinberg, NJW 1984, 457 [458]. Trute, Vorsorgestrukturen, S. 238, nimmt nur Teilidentität mit der Inhalts- und Schrankenbestimmungsbefugnis an. In diese Richtung auch Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 337. Ebenso Trute, Vorsorgestrukturen, S. 239, der sich aber selbst widerspricht, wenn er vorher nur Teilidentität angenommen hat, weil es auch Freiheitsgebrauch aus anderen Grundrechten zu berücksichtigen gäbe. Diese folgt schon aus der Institutsgarantie, vgl. dazu im Folgenden S. 152 ff. In diesem Sinne auch Gellermann, Grundrechte, S. 241.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
lungs- und Kontrollnorm zu Tage. Das Eigentum vermittelt dem Bürger nämlich keine der negatorischen Dimension vergleichbare subjektive Rechtsstellung, weil die staatlichen Schutzpflichten primär als objektiv-rechtliche Staatsaufgabe bestehen.445 Unter besonderen Voraussetzungen kann sich daraus zwar eine individuelle Rechtsposition ableiten lassen, die dem Eigentümer ein subjektives öffentliches Recht vermittelt. Hier bedarf es aber gesetzgeberischer Vermittlung, weil allein der Gesetzgeber das Instrumentarium für die Verwirklichung hat.446 Dies gilt besonders für das Eigentumsgrundrecht, in dessen Rahmen dem Gesetzgeber zur Gestaltung der Eigentumsordnung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ein weiter Ausgestaltungsspielraum zusteht. Die grundrechtliche Schutzpflicht ist ihrem Kern und Ursprung nach objektivrechtliche Verstärkung der grundrechtlichen – und damit subjektiven – Geltungskraft. Weil gerade beim Schutz elementarer Lebenspositionen zwangsläufig individuelle Belange konkreter Grundrechtsträger betroffen sind, lässt sich ein subjektives Schutzrecht schwerlich generell ablehnen. 447 Schwierig zu bestimmen ist nur die Grenze, ab derer ein solches zu bejahen ist. Ein entscheidender Anhaltspunkt hierfür kann die Komplementärfunktion der Schutzpflichtdimension sein: Das Nichthandeln des Staates muss danach qualitativ dem aktiven Eingriff in die grundrechtliche Gewährleistung „gleichkommen“.448 Allerdings lässt sich auch dies schwerlich abstrakt festlegen. Insoweit drängt sich nur die Möglichkeit auf, diese Grenze im jeweiligen Einzelfall festzulegen.449 Damit wird der Rechtsunsicherheit allerdings Tür und Tor geöffnet und eine Kompetenzverschiebung vom Gesetzgeber auf die Dritte Gewalt befördert. cc) Rechtsfolgen bei bestehender staatlicher Schutzpflicht Die Besonderheiten der Schutzpflichtdimension im Rahmen des Eigentumsgrundrechts setzen sich auch auf der Rechtsfolgenseite fort. Zwar werden die Aussagen zur Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG auf Art. 14 GG übertragen. Ebenso wie für dessen Schutzgüter – Leben und körperliche Unversehrtheit – ist demnach für das Grundeigentum nicht gänzlich ungeeigneter oder völlig unzulänglicher Schutz gefordert.450 Insoweit ist eine Gesetzgebungspflicht anzunehmen, mithin 445
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Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 97. Anders Trute, Vorsorgestrukturen, S. 238. Depenheuer, a.a.O.: Deshalb zielt ein solcher subjektiver Schutzanspruch des Eigentümers nur auf sachgerechte Ausübung des Ermessens. Dietlein, Schutzpflichten, S. 171. Dietlein, Schutzpflichten, S. 171 f. In diese Richtung geht auch die Erwägung des BVerfG, NJW 1998, 3264 [3265], Eigentumsbeeinträchtigungen, die in Form einer Inhaltsbestimmung hingenommen werden müssten, seien auch bei der Frage nach einer Schutzpflicht unerheblich. So Dietlein, Schutzpflichten, S. 172, der den von der Rechtsprechung aus Art. 14 abgeleiteten Anspruch des individuell betroffenen Nachbarn nennt, der gegen ein genehmigtes Bauvorhaben vorgehen können soll, wenn es seine Grundstückssituation nachhaltig verändert und ihn schwer und unzumutbar beeinträchtigt. Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 228; Steinberg, NJW 1996, 1985 [1988]. Dies setze aber eigentumsrechtlich fassbare Auswirkungen, wie Vermö-
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ein Anspruch gegen die Legislative auf Erlass schutzgewährender einfachgesetzlicher Normen.451 Wird im Rahmen einer konkreten Schutzpflicht nach den Rechtsfolgen gefragt, kommt es auf die Qualität des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgutes an. Dabei wird der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG ein vergleichsweise geringer Rang zugesprochen.452 Die Gleichordnung verfassungsrechtlicher Güter453 scheint eine solche Sichtweise zu verbieten. Zugrunde liegt dem aber ein entscheidender Unterschied zwischen den Grundrechtsgütern des Art. 2 Abs. 2 GG und des Art. 14 GG, der auch verfassungsrechtlich nicht ohne Berücksichtigung bleiben darf. Schäden an Grundrechtsgütern des Art. 2 Abs. 2 GG werden in der Regel irreversibel sein. Zwar ist auch Grundeigentum nicht vermehrbar. Es ist aber immerhin ersetzbar; für den Fall von Schäden oder Verlust gibt es die Möglichkeit der Monetaresierung.454 Gleichwohl ergeben sich auch in diesem Zusammenhang Bedenken gegen die Berechtigung der Schutzpflichtdimension im Rahmen des Art. 14 GG. Angesichts der ausufernden Gesetzgebungstätigkeit im Umweltrecht wird sich heute kaum mehr feststellen lassen, dass der Gesetzgeber Schutzvorkehrungen gegen bestimmte dem Grundeigentum bedrohlich werdende Umwelteinflüsse überhaupt nicht getroffen hat. Ebenso wenig erscheint es realistisch, dass das Bundesverfassungsgericht die gänzliche Ungeeignetheit oder völlige Unzulänglichkeit gesetzgeberischer Maßnahmen zur Schutzzielerreichung annehmen könnte. Die Komplexität der sich hier auftuenden Fragestellungen und der gleichzeitig vom Bundesverfassungsgericht für die Tatsachenbewertung angenommene Prognosespielraum der anderen Gewalten lassen seinen eigenen Kontrollspielraum derart schrumpfen, dass die Schutzpflichtkonzeption im Umweltschutzrecht in Bezug auf das Grundeigentum als ineffektiv und damit überflüssig erscheint.455 Auch hier schlägt sich die Diskrepanz zwischen der Schutzpflicht als Handlungs- und Kontrollnorm nieder.
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gensminderungen, sowie die Zurechnung der Belastungsursachen an den Staat voraus, so Hattenberger, Umweltschutz, S. 43. Hierzu und zu dessen gerichtlicher Geltendmachung Dietlein, Schutzpflichten, S. 175 ff. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 319; die Notwendigkeit einer Differenzierung prägnant aufzeichnend Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 141; Steinberg, NJW 1996, 1985 [1988]; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 239. Vgl. dazu bereits S. 19 ff. Trute, Vorsorgestrukturen, S. 239, der damit auch begründet, dass kein vergleichbar weiter Vorfeldschutz notwendig sei wie beim Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG. Würden Ersatzansprüche dagegen versagen, wie bei großräumig verursachten Eigentumsschäden, für die keine Gefahrenschwellen fixiert werden könnten, müssten Schutzpflichten in Form von Vorsorgepflichten bestehen [240]. Dies verkennt aber die grundgesetzliche Aufgabenteilung in diesem Zusammenhang: Wenn keine gesetzliche Fixierung möglich ist, treten zwingend die Gerichte ein und erkennen Schutzpflichten an, was wiederum dem Inhalts- und Schrankenbestimmungsrecht des Gesetzgebers gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG widerspricht. In diese Richtung auch Steinberg, NJW 1996, 1985 [1988].
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Aufgrund des Bewertungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers bei Behandlung seiner grundrechtlichen Schutzpflichten im Umweltschutzrecht kristallisiert sich auf der Rechtsfolgenseite weniger materieller als vielmehr prozeduraler Schutz für den Eigentümer heraus. In diesen Zusammenhang passt auch, dass keine Einigkeit darüber besteht, ob aus grundrechtlichen Schutzpflichten die Pflicht zur Beseitigung bereits eingetretener Schäden folgen kann.456 Das auf den Schutzpflichten beruhende Konzept soll begründete, nachvollziehbare und damit auch kontrollierbare Entscheidungen hervorbringen; gerade im Umweltschutzrecht, wo der Gesetzgeber vielfach Entscheidungen nicht selbst treffe, sondern an die Exekutive übertrage, bestehe die Pflicht, organisations- und verfahrensrechtliche Vorschriften so auszugestalten, dass Umweltschutzziele effektiv verfolgt werden könnten.457 Bei der in der Literatur zu findenden Auflistung von Schutzpflichten aus dem Eigentumsgrundrecht schlägt sich eben dies nieder: Staatliche Schutzpflichten für das Grundeigentum werden nahezu ausschließlich mit verfahrensrechtlichen Sicherungen in Verbindung gebracht.458 Die Betonung der prozeduralen und verfahrensrechtlichen Komponente des Art. 14 GG ist aber nicht nur ein Spezifikum seiner Schutzpflichtdimension, sondern ein allgemeines Problem der Eigentumsdogmatik. Auch im Rahmen des Abwehrrechts des Eigentümers ist die Verlagerung des Schwerpunktes vom materiellen Schutz zum prozeduralen zu beobachten. Zwar stellt das Bundesverfassungsgericht immer wieder in den Vordergrund, dass zunächst Dispensregelungen unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers verhindern müssten und erst an letzter Stelle ein Ausgleichsanspruch in Betracht komme. 459 Aus umweltschutzrechtlicher Sicht muss der Eigentümerschutz aber in der Regel auf Ausgleichsansprüche hinauslaufen, weil die Erteilung von Dispensen in der Regel das gesetzgeberische Schutzkonzept konterkarieren wird. Dies zeigt sich auch an der Waldschadensproblematik, die sich entscheidend auf die Frage der Entschädigungspflicht des Staates, also einem Unterlassen von Schutzmaßnahmen als eine die Entschädigung begründende Pflichtverletzung konzentrierte.460 Damit laufen staatliche Schutzpflichten in Ansehung des Grundeigentums als Bestandteil der natürlichen Lebensgrundlagen auf die Bereitstellung von Schadensersatz- und Ausgleichsansprüchen hinaus, als Schutzinstrument für die natürlichen Grundlagen des Grundeigentums dagegen leer.461 In materieller Hinsicht suggeriert die 456 457 458
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Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20a, Rn. 57 m.w.N. Steinberg, NJW 1996, 1985 [1989 f.]. Vgl. soeben S. 142. Eine solche Tendenz lässt sich in der Schutzpflichtdogmatik auch daran beobachten, dass die Subjektivierung von Schutzpflichten im organisations- und verfahrensrechtlichen Bereich am weitesten fortgeschritten ist, Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 986, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG. BVerfGE 100, 226 [245 f.]. Zu den ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmungen vgl. bereits S. 130 ff. So auch Lühle, Beschränkungen, S. 126. Zur Frage, ob aus Schutzpflichten überhaupt Ersatzansprüche für entstandene Schäden hergeleitet werden können, Trute, Vorsorgestrukturen, S. 243; ausdrücklich dafür Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 [259]. Verletzt der Staat das subjektive Schutzrecht bzw. unterlässt er Schutz und tritt dadurch ein Schaden ein, so besteht ein
II. Nichtkollidierendes Zusammenwirken von Art. 14 GG und Art. 20a GG
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Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts deshalb Schutz, der effektiv gar nicht besteht.462 dd) Das Verhältnis der Grundrechtsdimensionen des Art. 14 GG zueinander Rückschlüsse auf Bedeutung und Anwendungsbereich der grundrechtlichen Schutzpflicht aus dem Eigentumsgrundrecht verspricht auch eine Betrachtung der verschiedenen Grundrechtsdimensionen des Art. 14 GG. Im Vordergrund steht dabei das Verhältnis der Abwehrfunktion463 als klassische Grundrechtsfunktion zur Schutzpflichtdimension. (1) Darüber hinaus sollen das nicht eindeutig geklärte Verhältnis der Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG zur Institutsgarantie (2) und zum Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren beleuchtet werden. (3) (1) Das Verhältnis von Abwehr- und Schutzpflichtdimension Während das Abwehrrecht des Eigentümers der klassischen Grundrechtsfunktion des Art. 14 GG entspricht, sind gesetzgeberische Schutzpflichten erst später im Wege der Verfassungsinterpretation aus Art. 14 GG hergeleitet worden.464 Mit der Erweiterung der Gewährleistungen eines Grundrechts geht immer die Frage einher, ob und inwiefern sich die Rechtsposition des Grundrechtsberechtigten dadurch erweitert oder – weil es möglicherweise zu Friktionen kommt – sogar verengt. In der Anerkennung, dass Grundrechte auch Schutzpflichten des Staates
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Anspruch auf Schadensersatz bzw. Entschädigung, unter Hinweis auf die Amtshaftung bei polizeilicher Untätigkeit, Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 185. Dies wird auch unterlegt durch die Tatsache, dass es im Umweltbereich keine Gerichtsentscheidung gibt, die aus einer Schutzpflichtverletzung für den Eigentümer relevante Rechtsfolgen abgeleitet hätte; anders dagegen im Versicherungsrecht, vgl. schon Fn. 438. Vgl. dazu bereits S. 106 ff. Auch zwischen der Abwehrdimension des Art. 14 und der Gewährleistung des Instituts Eigentum durch Art. 14 (Institutsgarantie) sind Verschiebungen erkennbar. Aus der Tatsache, dass der Eingriff in eine konkrete Rechtsstellungsgarantie (Abwehrrecht des Eigentümers) der Wahrung des Rechtsinstituts selbst dienen könne (dazu Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 16), wird beispielsweise abgeleitet, dass im Interesse zukünftigen Eigentumsgebrauchs derzeitige Eigentumsnutzungen stärker beschränkt werden dürften: Trute, Vorsorgestrukturen, S. 240. Im verfassungsrechtlichen Umweltschutz kommt dieser Gedanke des Nachweltschutzes nunmehr ausdrücklich in Art. 20a GG mit der Bezugnahme auf die künftigen Generationen zum Vorschein. Was den Eigentumsschutz durch Umweltschutz angeht, erscheint die Berücksichtigung bei Art. 20a GG überzeugender, weil sich objektive und subjektive Grundrechtsdimension des Art. 14 so nicht gegeneinander ausspielen; vgl. dazu gleich S. 160. Zum historischen Aspekt (auch rechtsvergleichend) Krings, Grund und Grenzen, S. 87 ff. und im Übrigen grundsätzlich zum angesprochenen Verhältnis S. 102 ff., 124 ff. Zum Primat der Abwehrfunktion BVerfGE 7, 198 [204 f.]. Vgl. jüngst Ladeur, DÖV 2007, 1 ff., insb. zu Art. 12 GG.
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begründen, zeigt sich die Erkenntnis, dass die Grundrechte nicht mehr nur die ihnen ursprünglich zugedachte Rolle zwischen rechtsunterworfenen, grundrechtsberechtigten Bürger und Staat spielen, sondern die Grundrechtsausübung verschiedener Grundrechtsberechtigter miteinander in Konflikt tritt, der der Auflösung bedarf. Dem liegt die Differenzierung zwischen Eingriff und Schutz und damit zwischen Abwehr- und Schutzgehalt der Grundrechte zugrunde, die verfassungsrechtlich vorausgesetzt ist.465 Das Verhältnis dieser beiden Grundrechtsdimensionen zueinander wird allerdings kaum erörtert, obwohl sich tatsächlich immer wieder die Rangfrage stellt. Teilweise wird als Faustregel angenommen, dass die den Freiheitsrechten zu entnehmenden Schutzpflichten im Regelfall hinter dem durch die Abwehrfunktion begründeten Schutz zurückbleiben.466 Insbesondere das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz467 diesen Problembereich berührt. Danach kommt der aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 1 Abs. 1 GG folgenden gesetzgeberischen Schutzpflicht für die durch einen Absturz bedrohten Menschen am Boden geringere Bedeutung zu als dem in Art. 2 Abs. 2 GG statuierten Abwehrrecht der Passagiere in dem von Terroristen beherrschten Flugzeug.468 Ob man daraus den Grundsatz ableiten kann, dem Abwehrrecht komme ein höherer Rang zu als der Schutzpflicht, erscheint zweifelhaft, muss vorliegend allerdings nicht vertieft werden.469 Der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem es um Abwehrrecht und Schutzpflicht aus jeweils verschiedenen Grundrechten ging. Vorliegend interessiert aber die Frage, wie sich Schutzpflichtdimension und Abwehrrecht aus ein und demselben Grundrecht – hier Art. 14 GG – zueinander verhalten. Zunächst ist allerdings schon die Abgrenzung der beiden Grundrechtsdimensionen problematisch, denn ob Schutz oder Eingriff in Rede steht, ist so eindeutig nicht.470 Dies zeigen Stimmen in der Literatur, die versuchen, die Schwächen der einen durch Ausdehnung der anderen Grundrechtsdimension zu schließen. Ebenso lassen sich Konstruktionen finden, die den Anwendungsbereich der einen auf Kosten der anderen schmälern. Der Verdacht, dass sie sich im Einzelfall gegeneinander ausspielen, lässt sich deshalb nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Damit könnte sich die durch Interpretation gewonnene Grundrechtsdimension der Schutzpflicht in Art. 14 GG unter dem Strich als nachteilig für den Eigentümer erweisen. 465
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So die herrschende Meinung, vgl. nur Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 119; i.E. auch Hermes, Das Grundrecht auf Schutz, S. 93 ff. Schenke, VersR 2006, 871 [873]. BVerfGE 115, 118 ff. Dieses Ergebnis ergibt sich für das BVerfG insbesondere daraus, dass das Leben der Flugzeuginsassen wegen Art. 1 GG nicht zum Gegenstand einer Abwägungsentscheidung, insbesondere numerischer Art, gemacht werden darf. Eine Gleichwertigkeit von Schutzpflicht und Abwehrrecht wird wegen des Verletzungsverbots in Art. 2 Abs. 2 GG abgelehnt bei Höfling/Augsberg, JZ 2005, 1080 [1084] (zum Luftsicherheitsgesetz). Eine generelle Abgrenzbarkeit verneinend und auf den Einzelfall abstellend Dirnberger, Recht auf Naturgenuss, S. 205 ff.
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(a) Versagen des Abwehrrechts – Auffangfunktion der Schutzpflichtdimension im Umweltrecht Die Grenzen des Abwehrrechts aus Art. 14 GG werden insbesondere am Problem der Eingriffskumulationen deutlich.471 Zahllose unabgestimmte Eingriffe in das Eigentümerrecht summieren sich; deren Nebeneinander wird aber nicht berücksichtigt. Verfassungsrechtlich stellt sich eine solche Berücksichtigung als schwierig dar.472 Das Eigentumsgrundrecht als klassisches Abwehrrecht droht zu versagen, wenn kein bestimmter, dem Staat eindeutig zuzuordnender Eingriff das Eigentumsgrundrecht beeinträchtigt. Gerade im Umweltrecht ist aus verschiedensten Gründen die Ursache von Eigentumsschäden oft nicht auszumachen. Die globale Wirkung und Verkettung zahlreicher, langfristiger Faktoren sowie ungesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die entsprechenden Zusammenhänge kennzeichnen diese Situation. Der Eigentümer sieht sich vor dem Dilemma, dass er, wenn er um Rechtsschutz nachsucht, eine Eigentumsbeeinträchtigung substantiiert darlegen muss. Selbst das Bundesverfassungsgericht zweifelt, ob dies dem Eigentümer überhaupt möglich ist, wenn sich eine Eigentumsbeeinträchtigung nicht auf ein bestimmtes staatliches Handeln zurückführen lässt; mit der schwierigen Substantiierung einher geht auch die Frage, ob eine solche Situation überhaupt verfassungsgerichtlich beurteilt werden kann.473 Das Abwehrrecht muss hier versagen, denn es richtet sich gegen den Staat und muss sich deshalb an einem Eingriffsbegriff orientieren. Wo die Grenze dessen liegt, was dem Staat noch als Eingriff zurechenbar ist, ist nicht leicht zu bestimmen. Auch wenn – wie im Fall des Waldsterbens – die Eigentumsschäden zu einem großen Teil ursächlich auf der Grundrechtsausübung durch andere Bürger beruhen, ist nicht jeder Verursachungsbeitrag des Staates ausgeschlossen, denn er nimmt mittelbar erheblichen Einfluss auf privates Handeln.474 Anknüpfungspunkte für eine Zurechnung an den Staat lassen sich deshalb finden. Der Frage, was sich der Staat aus verfassungsrechtlichen Gründen zurechnen lassen muss, soll an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden.475 Hier erscheint allein interessant, dass die Schwäche des Abwehrrechts durch die Schutzpflichtdimension aufgefangen werden könnte. Dabei trifft man allerdings auf das Problem der Bestimmung der Schutzpflicht aus Art. 14 GG.476 Welches Ausmaß eine Eigentumsbeeinträchtigung angenommen haben muss, um eine bestimmte Schutzpflicht auszulösen, ist kaum abstrakt zu bestimmen. Zwar ist die Konstruktion grundrechtlicher Schutzpflichten grundsätzlich geeignet, die mit der Abwehrfunktion nicht zu bewältigenden Probleme der Eingriffskumulationen zu erfassen. Konkret beim Schutz des Grundeigentums durch Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen versagt aber auch diese Grundrechtsdimension. Hier stößt Grundrechtsschutz an menschliche Erkenntnisgrenzen 471 472
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Vgl. dazu einführend S. 14. Vgl. zur kumulativen Belastung durch staatliche Eingriffe G. Kirchhof, NJW 2006, 732 ff. So im Verfahren zum Waldsterben, NJW 1998, 3264. Vgl. hierzu die Ausführungen des BVerfG, ebd. Dazu sogleich noch sub (b). Vgl. oben S. 139 ff.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
bezüglich globaler Zusammenhänge und Ursachenketten, die sich verfassungsrechtlich schwer in den Griff bekommen lassen. Das Grundgesetz enthält insoweit allein die Vorgabe, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber im politischen Prozess eine Lösung findet. (b) Ausweitung der Abwehrdimension zulasten der Schutzpflichtdimension Genau umgekehrt gibt es Überlegungen, die Schutzpflichtfälle über die Ausweitung der Abwehrdimension zu erfassen.477 Speziell für die Waldschadensproblematik wurde ein Ansatz478 entwickelt, der wegen der Stärkung der Abwehrposition des Eigentümers die Heranziehung der Schutzpflichtdimension in eben diesen Fällen obsolet machen soll. Dies soll über den Gedanken der Zurechnung privaten Handelns an den Staat erreicht werden. Dadurch erscheinen die im Schwerpunkt durch private Immissionen verursachten Waldschäden als solche des Staates. Gegen einen solchen staatlichen Eingriff stünde dem Eigentümer das Abwehrrecht zur Seite. Grundlage der Zurechnung an den Staat ist, dass dieser durch die gesetzliche Festlegung des zulässigen Maßes an Immissionen solche ermögliche und den Eigentümer zur Duldung verpflichte, so dass dies als aktiver Eingriff des Staates in das Eigentumsgrundrecht erscheine. Danach stellt sich die Schutzpflichtverletzung als Kehrseite einer verfassungswidrigen staatlichen Grundrechtseinschränkung dar, verfassungsrechtlich kommt es allein auf die Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der Grundrechtseinschränkung an.479 Dagegen werden zunächst dogmatische Bedenken ins Feld geführt. Aus dem Gedanken des staatlichen Gewaltmonopols, das ein privates Selbsthilfeverbot statuiert, erwachse dem Bürger quasi kompensatorisch ein Anspruch auf staatlichen Schutz. Dieser beinhalte die Pflicht des Staates, Eingriffe in grundrechtliche Schutzgüter von Seiten anderer zu unterbinden, konkret: gegen Waldschädigungen durch Immissionen Privater vorzugehen. Der geschädigte Waldeigentümer wehrt sich also in diesen Fällen nicht gegen ein Handeln des Staates, sondern gegen Unterlassen. Dogmatisch sei es nicht haltbar, durch Annahme einer Duldungspflicht des Eigentümers diesen Ausgangspunkt in sein Gegenteil zu verkehren, also ein staatliches Unterlassen in aktives Tun umzuwandeln.480 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass verfassungsrechtlich nicht festgelegt ist, wie der Staat seiner Pflicht zum Schutz nachkommt. Die Schutzpflicht aus Grundrechten ist erst später als neue Grundrechtsdimension entwickelt worden, während die Grund477
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479 480
Zusammenfassend Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 83 ff. Vgl. auch die neuere Untersuchung von Poscher, Grundrechte, S. 100, 182, 193 ff., der die Grundrechtsfunktionen – vor allem die Schutzpflicht – auf die abwehrrechtliche Konzeption zurückführt, weil kein Bedarf für andere Grundrechtsfunktionen bestehe. Murswiek, WiVerw 1986, 179 [182 f.] und ders., Staatliche Verantwortung, S. 89 ff. in Anlehnung an Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 213 ff. In Weiterführung dieser Ansicht für eine im Grundsatz abwehrrechtliche Lösung umfassend Szczekalla, Schutzpflichten, S. 404 ff. Murswiek, a.a.O. Zum Vorstehenden Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 429; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 417 ff.
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rechte als klassische Abwehrrechte geschaffen wurden. Kann über die abwehrende Kraft der Grundrechte der verfassungsrechtlich erforderliche Schutz gewährt werden, so erscheint es überzeugend, die Schutzdimension als überflüssig anzusehen. Allerdings gerät durch diesen Ansatz der Eingriffsbegriff aus den Fugen, weil er extrem ausgedehnt und die Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen verwischt wird.481 Vor allem bestehen aber rechtsstaatliche Bedenken. Grundrechte entfalten keine unmittelbare Drittwirkung482; die Abgrenzung der individuellen Rechtssphären unterschiedlicher Grundrechtsträger, der Ausgleich kollidierender Grundrechtsgüter, bedarf gesetzgeberischer Entscheidung. Die insoweit geltenden rechtsstaatlichen Sicherungen des Vorbehaltes des Gesetzes, des Prinzips der Gewaltenteilung und des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips werden konterkariert: Die Annahme der staatlichen Ermöglichung der Immissionen und einer entsprechenden Duldungspflicht gründet auf der Prämisse, dass der Staat grundrechtliche Freiheit nicht als gegeben antreffe, sondern sie erst gewähre.483 Das verkehrt die rechtsstaatliche Verteilungsregel in ihr Gegenteil. (c) Fazit Allgemein lässt sich konstatieren, dass der Schutzpflichtdimension im Vergleich zur Abwehrfunktion eine relativ schwache Position zukommt. Die Ursachen liegen darin, dass die Schutzpflicht gesetzesmediatisiert ist, mithin gesetzgeberisches Tätigwerden voraussetzt, und der subjektiv-rechtlichen Abwehrdimension keine vergleichbare Rechtsstellung in Bezug auf staatliche Schutzpflichten korrespondiert.484 Im Dreiecksverhältnis von Staat – Betroffenen – Begünstigten führt dies aufgrund der rechtsstaatlichen Verteilungsregel zu einer vergleichsweise starken Stellung des Begünstigten – der aus seiner Grundrechtsposition staatliche Eingriffe abwehrt –, der der betroffene Schutzsuchende keine gleichwertige Rechtsposition entgegensetzen kann.485 Dennoch ist zwischen Abwehr- und Schutzpflichtdimension und infolgedessen zwischen Eingriff und Schutz eindeutig zu trennen. Eine Verschiebung zwischen beiden Dimensionen durch Ausdehnung der einen auf Kosten der anderen verbietet sich. Die Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts bezogen auf die natürlichen Grundlagen des Grundeigentums ist darüber hinaus von geringer Wirkkraft. Da sie sich tatbestandlich nicht beschreiben lässt, kann sie ihrer eigentlichen 481 482 483
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Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 430; Krings, Grund und Grenzen, S. 104 ff. BVerfGE 7, 198 ff. – Lüth. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 431; vgl. ders., a.a.O., zu ähnlicher Konstruktion im sog. Gentechnik-Beschluss des VGH Kassel (NVwZ 1990, 276 ff.), der die Nutzung der Gentechnologie ohne gesetzgeberische Zulassung als nicht von grundrechtlicher Freiheit umfasst ansah. Die Schutzpflicht als Handlungsnorm geht entscheidend weiter als die als Kontrollnorm. Zum großen Teil wird man dies auf die streitige dogmatische Herleitung und Grundlegung eines subjektiven Rechts auf staatlichen Schutz zurückführen können, vgl. dazu Dietlein, Schutzpflichten, S. 144 ff. So mit der Bezeichnung dieses Dreiecks als mehrpoliges Verfassungsrechtsverhältnis Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 410. Er plädiert für die dogmatische Gleichberechtigung beider Grundrechtsdimensionen, so jüngst in JZ 2006, 321 [327].
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Funktion, Schutz gegenüber Auswirkungen des Freiheitsgebrauchs anderer Grundrechtsberechtigter zu gewähren, nicht gerecht werden. (2) Schutzpflicht und Institutsgarantie Die Frage, in welchem Verhältnis grundrechtliche Schutzpflichten zur Institutsgarantie des Art. 14 GG stehen, wird nur vereinzelt erörtert, die Frage der Abgrenzbarkeit und -bedürftigkeit beider teilweise überhaupt nicht thematisiert.486 Im vorliegenden Zusammenhang ist es aber nicht unerheblich, wie Institutsgarantie des Eigentums und eigentumsgrundrechtliche Schutzpflichten zueinander stehen, denn nur auf dieser Grundlage lässt sich – der übergeordneten Aufgabenstellung entsprechend – das Verhältnis der grundrechtlichen Schutzpflichten zu Art. 20a GG untersuchen und beurteilen. Ausgangspunkt soll zunächst die Gegenüberstellung beider Schutzkonzeptionen sein. Die Schutzrichtung der Institutsgarantie wird – verkürzt gesagt – so verstanden, dass der Gesetzgeber das Institut Eigentum weder ganz abschaffen noch durch Regelungen die essentiellen Merkmale und damit den Typus an sich aushöhlen dürfe.487 Dazu gehört es, dass der Staat einen Grundbestand an Normen zur Verfügung stellen muss, die das Funktionieren der Eigentumsordnung sicherstellen. Soll die Eigentumsgarantie dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich sichern, so dient gerade diesem Zweck die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Privateigentums als Rechtseinrichtung und folgen aus diesem Verständnis der Institutsgarantie Regelungspflichten und -grenzen für den Gesetzgeber.488 Auch bei der Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht geht es um die Schaffung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums, also Normen, die die Eigentumsordnung so gestalten, dass die Freiheitsbereiche unterschiedlicher Grundrechtsberechtigter in Ausgleich gebracht werden. Beide setzen ein verfassungsrechtliches Schutzgut – vorliegend das Eigentum – voraus und verlangen von den Staatsgewalten, insbesondere aber vom Gesetzgeber, Konzepte zu dessen Schutz.489 Auf dieser Grundlage lässt sich – jedenfalls auf den ersten Blick – eine relativ einfache Abgrenzung vornehmen. Die Institutsgarantie sichert das Eigentum objektiv als Einrichtung des Privatrechts und verlangt insoweit vom Staat die Ge486
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Dieses Problem wird aber auch häufig im Zusammenhang mit der Frage der Anerkennung grundrechtlicher Schutzpflichten bei normgeprägten Grundrechten behandelt, vgl. dazu schon die Nachweise oben Fn. 434. Statt aller Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 855 und S. 756 ff. zu den Ursprüngen der Lehre von der Institutsgarantie. Böhmer, NJW 1988, 2561 [2563] m.w.N.; Gellermann, Grundrechte, S. 92 ff.; Stern Staatsrecht, Bd. III/1, S. 871 f.; a.A. Ruffert, Vorrang, S. 84 f. In diesem Zusammenhang kommt es oft zu Vermischungen zwischen Institutsgarantie und grundrechtlichen Schutzpflichten. Beispielsweise leitet Lerche, zitiert nach Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 230, aus grundrechtlichen Schutzpflichten ab, dass es eine Norm wie § 242 StGB geben müsse. Das Fehlen einer solchen Vorschrift würde aber auch die Institutsgarantie verletzen, denn das Eigentum, das nicht gegen rechtswidrigen Entzug durch Dritte geschützt ist, wäre als solches – auch als privatrechtliches Institut – gefährdet. Krings, Grund und Grenzen, S. 180.
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währleistung des rechtlichen Bestandes und gesetzliche Ausgestaltung.490 Der Staat hat von der Beseitigung des bestehenden Rechtsinstituts Abstand zu nehmen, er wurde vom Verfassungsgeber als der Gefährdende angesehen.491 In Schutzpflichtfällen geht es dagegen – primär – um Beeinträchtigungen und Freiheitsgefährdungen, die nicht vom Staat, sondern von anderen Grundrechtsberechtigten ausgehen, vom Staat allerdings zu verhindern sind.492 Hier ist der Staat zum Schutz eines institutionellen Grundrechtskerns aufgerufen, geht es um eine Handlungspflicht des Staates.493 Freilich wird diese auf den ersten Blick überzeugende Abgrenzung durch eine im Ergebnis starke Subjektivierung beider Schutzkonzeptionen nivelliert. Beide folgen zwar zunächst aus der objektiv-rechtlichen Dimension des Eigentumsgrundrechts. Gleichwohl oder gerade deshalb ist die subjektiv-rechtliche Seite der grundrechtlichen Schutzpflicht Gegenstand ausführlicher Kontroversen.494 Weil die Institutsgarantie subjektive Grundrechtsgehalte nicht schwächen, sondern stärken solle, wird auch deren Subjektivierung befürwortet.495 Dem Grundrechtsträger wird mithin jeweils gegen den Staat ein Anspruch auf Schutz verschafft. Damit rückt die Schutzpflichtdimension – die in der Regel in Verbindung mit der Abwehrfunktion genannt wird, neben diese treten und diese unterstützen soll – auch in Richtung der Institutsgarantie, was eine Abgrenzung beider erheblich erschwert. Ein weiteres kommt hinzu. Insbesondere in Bezug auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Gegenstand eigentumsgrundrechtlicher Schutzpflicht kann die Abgrenzung – Institutsgarantie schützt vor staatlichem, grundrechtliche Schutzpflicht vor Handeln anderer Grundrechtsberechtigter – nicht überzeugen. Ursachen und Wirkungszusammenhänge von Gefährdungen und Beeinträchtigungen des Grundeigentums in diesem Bereich sind diffus. Sie kommen gerade nicht – jedenfalls nicht ausschließlich – aus der Sphäre anderer Freiheitsberechtigter, sondern auch vom Staat. Emittiert er nicht selbst, so hat er über staatliche Rege490 491 492
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Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 111, Rn. 136. Ruffert, Vorrang, S. 189. Für eine deutliche Abgrenzung Dietlein, Schutzpflichten, S. 79 ff.; Dreier, in: ders., GG I, Vorb. vor Art. 1, Rn. 107. Ähnlich Trute, Vorsorgestrukturen, S. 238. Ruffert, Vorrang, S. 189, der die Trennung beider für dogmatisch zwingend notwendig hält. A.A. de Wall, in: Der Staat 38 (1999), S. 377 [397 in Fn. 80], der eine Verkürzung der Drittschutzrichtung des Eigentums als Eingriff in das Institut ansieht und deshalb das Zusammenfallen von Schutz- und Abwehraspekt annimmt. Vgl. bereits S. 143. Dürig, in: Maunz/ders., GG, Erstkommentierung Art. 1 Abs. 3, Rn. 98; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 875; de Wall, in: Der Staat 38 (1999), S. 377 ff. A.A. Ruffert, Vorrang, S. 86, nach dem aus der Institutsgarantie selbst – also ohne Einbettung in Abwehr- oder Schutzperspektive des Grundrechts – keine subjektiv-rechtlichen Gewährleistungen folgen. Verstöße gegen die Institutsgarantie (unzureichende gesetzliche Zuweisung von Eigentumsrechten) sollen verfassungsprozessual mit der Verfassungsbeschwerde – gestützt auf Art. 2 Abs. 1 GG – gerügt werden können, bzw. gestützt auf ein aus ihr selbst herzuleitendes subjektives Abwehrrecht, Appel, Entstehungsschwäche, S. 220 ff.
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lungen, insbesondere auch der Eigentumsordnung, jedenfalls Anteil an den Ursachen. Insbesondere die juristische Auseinandersetzung um das Waldsterben496 hat gezeigt, dass der Staat den eigentumsschädigenden Eigentumsgebrauch zumindest ermöglicht hat. Vermischen sich hier also die Problemlagen, stellt sich die Frage, welchen weitergehenden Anwendungsbereich eigentumsgrundrechtliche Schutzpflichten über die Institutsgarantie hinaus haben können und sollen, müsste man ihnen anderenfalls eine Existenzberechtigung absprechen.497 Die Institutsgarantie bei Art. 14 GG erfüllt Funktionen, die bei anderen Grundrechten aus Schutzpflichten abgeleitet werden.498 Die Kernelemente des verfassungsrechtlichen Eigentums – Privatnützigkeit, Verfügungsbefugnis und Substanzerhaltung – sollen durch die Institutsgarantie gesichert werden. Sie kommen aber auch mit gleicher Bedeutung bei der Frage, welches Ausmaß eine Eigentumsbeeinträchtigung haben muss, um eine Schutzpflicht auszulösen, zur Anwendung.499 Insoweit determiniert die Institutsgarantie die Tätigkeit des schutzpflichtenerfüllenden Gesetzgebers dergestalt, dass sie dem Gesetzgeber absolute Grenzen setzt.500 Beide Schutzkonzeptionen laufen mithin parallel, soweit die Institutsgarantie reicht: Die grundrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, den Freiheitsraum in dem Umfange, wie ihn die Institutsgarantie vorgibt, auch gegen Störungen Dritter zu schützen, geht hier in der Institutsgarantie auf.501 Daran anknüpfend wird der Eingriff Privater in ein verfassungsrechtlich nicht vorgegebenes – durch den Gesetzgeber erst zu schaffendes bzw. jedenfalls auszugestaltendes – Schutzgut teilweise für gar nicht möglich gehalten, grundrechtliche Schutzpflichten im herkömmlichen Sinne in diesem Bereich für ausgeschlossen gehalten.502 Tatsächlich geht mit dem Eigentumsgrundrecht die Schutzrichtung gegen Dritte einher; die Privatnützigkeit des Eigentums ist nicht nur gegenüber staatlichem Zugriff zu verteidigen, sondern gerade auch durch Ausschluss von Einwirkungen Dritter über das gesetzgeberische Recht aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums zu erlassen. Die den Gesetzgeber treffende Schutzaufgabe ist deshalb mit seiner Pflicht zur Gestaltung und Formung des Eigentums untrennbar verbunden.503 Sicherung der Privatnützigkeit des Eigentums 496 497
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Vgl. zum Beispiel Ladeur, DÖV 1986, 445 [452]. Eine genau umgekehrte Meinung, nämlich dass die Institutsgarantie wegen der Anerkennung der grundrechtlichen Schutzpflichten obsolet sei, vertritt Waechter, Die Verwaltung 29 (1996), S. 47 [55 f.]. O. Klein, JuS 2006, 960, hält grundrechtliche Einrichtungsgarantien für einen Unterfall der Schutzpflicht im weiteren Sinne. Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 222; Wieland, in: Dreier, GG I, Art. 14, Rn. 176. Siehe BVerfG NJW 1998, 3264 [3265]. Ruffert, Vorrang, S. 86. Ähnlich auch Trute, Vorsorgestrukturen, S. 238, der die Institutsgarantie als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Schutzpflicht heranzieht. Dagegen Ruffert, Vorrang, S. 186 ff. Dietlein, Schutzpflichten, S. 80 f.: auch „die institutionelle Gewährleistung“ als solche sei nicht Schutzgut, sondern erst das durch den einfachen Gesetzgeber geschaffene Institut. Vgl. auch schon die Diskussion des Problems, ob bei normgeprägten Grundrechten überhaupt Schutzpflichten anzuerkennen seien, s.o. Fn. 434. Dietlein, Schutzpflichten, S. 79; Gellermann, Grundrechte, S. 240.
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sowie Schutz vor unberechtigter Inanspruchnahme durch Dritte als subjektive Berechtigung sind Inhalt des Eigentums als Institut.504 Ob aus diesem Grund Schutzpflichten aus Art. 14 GG überhaupt abzulehnen sind, soll an dieser Stelle noch offen bleiben. Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass die Grenze zwischen Schutzpflichtdimension und Institutsgarantie im Bereich des Schutzes der natürlichen Grundlagen des Grundeigentums nicht eindeutig zu ziehen ist.505 Die aus grundrechtlicher Schutzpflicht und Institutsgarantie folgenden Bindungen des Gesetzgebers stimmen weitgehend überein. (3) Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren Zwischen grundrechtlichen Schutzpflichten und dem Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren506 besteht eine enge Verbindung. Während früher der Bezug zwischen Grundrechten auf der einen und Organisation und Verfahren auf der anderen Seite vielfach überhaupt nicht hergestellt wurde507, hat im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht die Bedeutung von Organisation und Verfahren die materielle Wirkung nahezu überrollt. Vielfach findet der Eigentümer grundrechtlichen Schutz nämlich nur noch über die verfahrensrechtliche Komponente.508 Der Grund für dieses Vordringen wird vor allem darin gesehen, dass die Notwendigkeit der Abgrenzung von einzelnen Bereichen menschlicher Freiheit und damit der Ausgleich kollidierender Grundrechtspositionen immer vordringlicher wurde.509 Mittlerweile ist Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren allgemein anerkannt.510
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De Wall, in: Der Staat 38 (1999), S. 377 [397]. Dass es aus der Schutzpflicht über Existenz- und Kernbereichsschutz der Institutsgarantie hinausgehende objektive Bindungen des Gesetzgebers gibt bejaht dagegen Ruffert, Vorrang, S. 82. Für eine Bedeutungserhöhung der Institutsgarantie: Windel, Der Staat 37 (1998), S. 385 [400]. Vgl. dazu allgemein Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 953 ff. und speziell zu Art. 14 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 93 ff. Aus der Rechtsprechung: BVerfGE 37, 132 [141, 148]; 46, 325 [334]; 53, 30 [65]; 65, 76 [94]. Vgl. insb. auch BVerfGE 24, 367 [401]: „Nach der grundgesetzlichen Konzeption ist … ein effektiver – den Bestand des Eigentums sichernder – Rechtsschutz ein wesentliches Element des Grundrechts selbst.“ Vgl. zu der Entwicklung Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 953 ff. Das Grundgesetz gestaltet in Art. 14 Abs. 3 in Bezug auf die Enteignung freilich schon selbst in ganz besonderer Weise grundrechtlichen Schutz durch Form und Verfahren aus. Teilweise sichern allein bestimmte organisatorische Strukturen die effektive Grundrechtsrealisierung: BVerfGE 57, 295 [320 ff.] (zur Rundfunkfreiheit). Kritisch zu einer solchen Entwicklung Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107 [123 f.]. Hesse, EuGRZ 1978, 427 [434]. Vgl. nur Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., GG I, Art. 1, Rn. 201 m.w.N.; Gellermann, Grundrechte, S. 255 ff.; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, speziell zu Art. 14 auf S. 121 ff.; Häberle, in: VVDStRL 30 (1972), 43 [81 ff., 90], der meint, im Leistungsstaat hänge der Umfang grundrechtlicher Freiheit nur noch teilweise von
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Gleichwohl muss der Gefahr entgegengetreten werden, dass – wie es in Bezug auf das Eigentumsgrundrecht zu beobachten ist – der materiell-rechtliche Grundrechtsgehalt teilweise völlig hinter den Aspekt grundrechtlicher Organisationsund Verfahrenssicherungen zurücktritt. Zum eigentlichen Ziel der Anerkennung der Verfahrenskomponente – nämlich der „Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition“ vorzubeugen511 – läuft dies konträr. Die Bestimmbarkeit der Eigentumsgrenzen, die die materiellen Vermögensrechte insbesondere durch die Betonung des Vorrangs des Gesetzgebers sichern sollen, wird durch die eigentumsgrundrechtliche Verfahrensrechtsprechung zumindest gefährdet. 512 Vor allem bei Betrachtung der Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechtes lässt sich allenfalls verfahrensmäßiger Schutz feststellen.513 Hier tritt eine Verbindung der grundrechtlichen Schutzpflichten und der Lehre vom Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren zutage, die es zu beleuchten gilt. Erschöpft sich der Zusammenhang zwischen beiden Grundrechtsfunktionen darin, dass der Staat seine Schutzpflichten mit organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen erfüllt? Aufschlussreich ist insoweit vor allem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall Mülheim-Kärlich514, in der es heißt, mit der staatlichen Auferlegung einer Genehmigungspflicht für Kernkraftwerke erfülle der Staat seine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG. Welche konkreten aus der Schutzpflicht folgenden Voraussetzungen bei der Genehmigungserteilung zu prüfen sind, ist auf der Rechtsfolgenseite gar nicht zur Sprache gekommen. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht die Verbindung von grundrechtlicher Schutzpflicht und Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren in der Brokdorf-Entscheidung515 aufgehoben. Dort ließ es das Vorliegen einer Schutzpflicht ausdrücklich dahinstehen, rekurrierte aber gleichwohl auf die Grundrechte als „Maßstäbe für eine den Grundrechtsschutz effektuierende Organisationsgestaltung“. Über diese durch die Rechtsprechung hergestellte Verbindung zwischen grundrechtlicher Schutzpflicht und Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren hinaus werden in der Literatur die objektiven Schutzpflichten des Staates sogar als maßgebliches Fundament für die Verfahrenskomponente herangezogen.516
511 512 513
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materiellen Normen ab, im Übrigen von einem vielgliedrigen Verfahren; J. Held, Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 175, 183 ff. So BVerfGE 63, 131 [143]. Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107 [124]. Vgl. die Ausführungen bei Rechtsfolgen von Schutzpflichten auf S. 144. In diese Richtung auch Dreier, Dimensionen, S. 46 in Fn. 176. Speziell hierzu und auch insgesamt kritisch zur Schutzpflicht Böckenförde, in: Der Staat 29 (1990), S. 1 [12 ff., 29 f.]. BVerfGE 53, 30 [57 ff.]. BVerfGE 69, 315 [355 f.]. Grimm, NVwZ 1985, 865 [867]; Badura, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 33, Rn. 31; R. Held, UPR 1999, 210. Teilweise wird die Verfahrenskomponente leistungsrechtlich im weiteren Sinne gedeutet, weil dem Staat die Pflicht auferlegt sei, grundrechtssichernde und -schützende Verfahrensstrukturen zu schaffen, vgl. Denninger, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 113, Rn. 4.
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Verbindungslinien zwischen beiden Grundrechtsfunktionen dürfen allerdings nicht zu einer Verquickung beider führen. Damit würde der entscheidende Unterschied eingeebnet: Kommen die Schutzpflichten bei Bedrohungen grundrechtlicher Güter aus der nichtstaatlichen Sphäre zum Tragen, sind grundrechtsschützende Verfahrensvorkehrungen auch bei staatlichen Eingriffen angezeigt, die Verfahrenskomponente mithin unabhängig von der Frage, ob es um Abwehr-, Leistungs- oder Schutzfunktion der Grundrechte geht, einschlägig.517 Dies findet seinen besonderen Ausdruck darin, dass die Verfahrenskomponente der Grundrechte als an die anderen Grundrechtsfunktionen ergänzend angelagert zu sehen ist.518 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Grundrechtsschutz durch Verfahren und Organisation auch über die Schutzpflichtdimension verwirklicht wird. Eine etwa bestehende Schutzpflicht kann insbesondere mit verfahrensrechtlichen Sicherungen erfüllt werden. Gleichwohl folgt die Vorgabe eines Grundrechtsschutzes durch Organisation und Verfahren nicht allein aus der Schutzpflichtdimension, sondern er ist in verschiedene Grundrechtsdimensionen eingebettet. ee) Grundrechtsvoraussetzungsschutz durch grundrechtliche Schutzpflichtdimension Das Grundeigentum ist wegen seiner Einbettung in die Umwelt von deren Zustand abhängig. Sind die natürlichen Grundlagen des Lebens gefährdet oder zerstört, kann dies auch die Grundrechtsausübung des Grundeigentümers beeinträchtigen. Der Grundeigentümer ist deshalb auf eine intakte Umwelt angewiesen. Die Voraussetzungen seiner Grundrechtsausübung müssen gewährleistet sein. Allgemein wird unter Grundrechtsvoraussetzungen „die Gesamtheit derjenigen Umstände, welche die grundrechtliche Tatbestandsmäßigkeit eines Lebenssachverhalts erst ermöglichen“ verstanden.519 Grundrechtsvoraussetzungsschutz ist im Zusammenhang mit einer vom Sozialstaatsgedanken getragenen Grundrechtsinterpretation zu sehen und wird wegen der Verbindung mit grundrechtlichen Leistungsansprüchen nur sehr eingeschränkt anerkannt.520 Das Bundesverfassungsgericht sieht beispielsweise das materielle Existenzminimum als Grenze sozialstaatlicher Gesetz517 518 519
520
Gellermann, Grundrechte, S. 265. Jarass, in: AöR 120 (1995), 345 [353]. Kloepfer, Entstehenssicherung, S. 16. Zu den Grundrechtsvoraussetzungen auch: Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 670; Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 115, Rn. 4. Gellermann, Grundrechte, S. 117, sieht die „Grundrechtsvoraussetzungen“ durch die Institutsgarantie gewährleistet, meint dabei aber wohl nur die normativen Grundbedingungen. Vgl. allgemein Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 511 ff.; Gellermann, Grundrechte, S. 243 ff.; unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe betrachtet von Haverkate, Rechtsfragen, S. 74 ff. Sehr weitgehend Häberle, in: VVDStRL 30 (1972), S. 43 [80 ff., 95], der Leistungsansprüche annimmt, und Sailer, DVBl. 1976, 521 [529], der ein subjektives Recht auf Umweltschutz und damit Gewährung der tatsächlichen Voraussetzungen der Grundrechtsausübung befürwortet. Ruffert, Vorrang, S. 265 f., hält nur zwei Leistungsansprüche durch BVerfG und Schrifttum für anerkannt: das materielle Existenzminimum und das Förderungsgebot für Privatschulen.
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gebung als Grundvoraussetzung zur Verwirklichung eines menschenwürdigen Lebens und zur Wahrnehmung aller Grundrechte an.521 Ebenso soll der Staat im Bereich der natürlichen Lebensgrundlagen die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schaffen müssen.522 Hier fragt sich, ob dies Ausfluss der grundrechtlichen Schutzpflichten ist oder ob es um Grundrechtsvoraussetzungsschutz geht. In Bezug auf die natürlichen Ressourcen ist der Staat nicht – zwingend – dazu berufen, die Güter zwischen Privaten (so aber die typische Schutzpflichtkonstellation) zu verteilen, sondern selbst die Voraussetzungen und mithin Schutz zu gewährleisten. Insoweit sind Grundrechtsvoraussetzungsschutz und grundrechtliche Schutzpflichten eindeutig abgrenzbar. Sie haben nur gemein, dass sie eine Pflicht des Staates zum positiven Handeln postulieren. Im Übrigen sind sie inhaltlich auf völlig unterschiedliche Gewährleistungen gerichtet: bei der Schutzpflichtdimension auf Schutz vor Rechtsgutverletzungen durch Private, beim Grundrechtsvoraussetzungsschutz auf Bereitstellung der hinreichenden Mittel zur Grundrechtswahrnehmung.523 Diese Abgrenzung läuft aber in Bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen, die die realen Voraussetzungen des Grundeigentums darstellen, leer. Die Anerkennung von (subjektiven) Schutzpflichten mit den entsprechenden Rechtsfolgen führt in Bezug auf das Grundeigentum zur Gewährung von Grundrechtsvoraussetzungsschutz im Sinne von grundrechtlichen Leistungspflichten. Wer die Schutzpflichtdimension einschließlich ihrer Subjektivierung anerkennt, bejaht damit grundrechtliche Leistungsansprüche. Dem ist aber nicht zu folgen. Vielmehr sind Grundrechtsvoraussetzungsschutz und damit auch staatliche Schutzpflichten aus der grundrechtlichen Schutzpflichtdimension in diesem Zusammenhang gänzlich abzulehnen. Denn die wesentlichen Gründe, aus denen verfassungsrechtlich garantierte soziale Leistungsansprüche abgelehnt werden, gelten auch in diesem Zusammenhang: begrenzte Leistungsfähigkeit des Staates und die Gefahr einer Kompetenzverschiebung bei grundrechtlich determinierter Sozialstaatsausgestaltung vom Gesetzgeber auf die Verfassungsgerichtsbarkeit.524 Vor allem aber sind mit einem solchen Verständnis Auswirkungen auf den verfassungsrechtlichen Freiheitsbegriff als solchen verbunden, denn der Staat unternimmt durch die Beeinflussung der faktischen Voraussetzungen von Grundrechtsausübung eine gewisse positive Steuerung von Freiheitsgebrauch.525 Bezogen auf die natürlichen Lebensgrundlagen zeigt aber die jetzige Verfassungslage durch Art. 20a GG, dass ein solcher Voraussetzungsschutz vom Staat verlangt wird, allerdings ausschließlich als objektive Verfassungsaussage in einer Staatszielbestimmung.526 Auch der 521 522 523
524 525 526
BVerfGE 82, 60 [80]. Wolf, KritV 1997, 280 [302 f.]. Ruffert, Vorrang, S. 267; in diese Richtung Isensee, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 57 (1998), S. 107 [111]. Vgl. zum Überblick Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 923 ff. Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 515. Dazu sogleich unter 3. Vgl. auch Wolf, in: Alternativkommentar, GG, Art. 20a, Rn. 16, der den „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ primär als „Grundrechtsvoraussetzungsschutz“ versteht, allerdings nicht mit den hier aus dieser Prämisse gezogenen Konsequenzen.
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Sozialstaatsauftrag des Grundgesetzes ist nicht nur Grundlage dafür, dass der Staat die grundrechtliche Freiheit des einen mit der gleichen rechtlichen Freiheit des anderen ausgleicht, sondern auch mit deren Realisierungsmöglichkeiten überhaupt kompatibel hält und ihrer Ausdehnung Maß und Grenze setzt.527 Nichts anderes gilt für die Staatszielbestimmung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Es ist somit festzuhalten, dass über die Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts in Bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen des Grundeigentums die tatsächlichen Voraussetzungen des Grundrechtsgebrauchs gesichert würden. Dies widerspricht der grundgesetzlichen Konzeption, der die Gewährung von Leistungsansprüchen fremd ist.
c) Zusammenfassung Die Schutzpflichtdimension hat sich im Bereich des Umweltschutzes und auch speziell für das Eigentumsgrundrecht ihren Weg gebahnt. Allerdings läßt sich bei Betrachten der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Fall feststellen, in dem das Unterschreiten eines Mindestschutzniveaus angenommen worden wäre. Für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen an sich stellt sich die Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG deshalb als wenig effektiv dar. Dies findet des Weiteren seinen Grund darin, dass sich die Schutzpflicht nicht abstrakt beschreiben und mit relevanten Rechtsfolgen verknüpfen lässt. 528 Darüber hinaus geht die Aufgabe des Schutzes durch den Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG auf. Vor allem die Institutsgarantie erfüllt teilweise dieselben Funktionen wie die Schutzpflichtdimension, weil ihre Vorgaben gleichzeitig auch die äußersten Grenzen des schutzpflichtenerfüllenden Gesetzgebers beschreiben. Die Anerkennung von eigentumsgrundrechtlichen Schutzpflichten für die natürlichen Lebensgrundlagen bedeutet Grundrechtsvoraussetzungsschutz. Damit werden die Grenzen verfassungsrechtlicher Auslegung überschritten, weil dies zu vom Grundgesetz nicht vorgesehenen Leistungsansprüchen führt. Dies entspricht der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, nach der Schutzpflichten – abgesehen von einzelnen explizit im Verfassungstext genannten Ausnahmen529 – „erst im Wege der Verfassungsinterpretation aus den in den Grundrechten verkörperten Grundentscheidungen herleitbar“ sind.530 Diese ergeben sich aber nach dem eindeutigen Verfassungswortlaut nunmehr aus Art. 20a GG, der trotz oder gerade
527 528
529 530
Böckenförde, NJW 1974, 1529 [1538]. In diese Richtung – gelöst von Art. 14 – geht auch die Fundamentalkritik von Böckenförde, in: Der Staat 29 (1990), S. 1 [18]: sie dirigiert „mögliche Vorkehrungen organisatorischer, verfahrensmäßiger oder stützender Art, entbehrt aber – notwendigerweise – der inhaltlichen Gewissheit, die die Ableitung konkret bestimmter Rechtfolgen erlaubt, und verliert so ihren (ausgrenzenden) Anspruchscharakter.“ Dazu Krings, Grund und Grenzen, S. 49 ff. Auf den Unterschied zwischen explizit genannten und erst interpretativ abgeleiteten Schutzpflichten hebt das BVerfG ab, indem es im Falle letzterer besonders strenge Anforderungen an die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde stellt, so in BVerfGE 56, 54 [71].
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wegen seiner bloß objektiven Wirkrichtung subjektiv-rechtliche Schutzpflichten in Bezug auf das Grundeigentum ausschließt. Dies wird nunmehr zu zeigen sein.
3. Das Verhältnis des Umweltschutzauftrages aus Art. 20a GG zur staatlichen Schutzpflicht aus Art. 14 GG a) Vergleichbare materielle Aussagegehalte der grundrechtlichen Schutzpflichtdimension und der Staatszielbestimmung Mit Art. 14 und 20a GG geht es um zwei vom Normaltypus des Grundrechts und der Staatszielbestimmung abweichende Verfassungsbestimmungen531: einerseits bestandsbewahrend, andererseits dynamisch, hat der Gesetzgeber bei der Schutzpflichterfüllung aus Art. 14 GG und Art. 20a GG einen weiten Gestaltungsspielraum. Dynamischer Rechtsgüterschutz heißt dabei in beiden Fällen Beobachtung und gegebenenfalls Nachbesserung.532 Bestandssicherung zielt auf die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen – auch als Grundlage des Grundeigentums. Schutzpflichten aus Grundrechten und Staatszielbestimmungen können parallel laufen. Das Bundesverfassungsgericht meint, dass eine verfassungsrechtliche „Schutzpflicht nicht nur gegenüber dem Einzelnen, sondern auch gegenüber der Gesamtheit aller Bürger“ bestehe.533 Die Aufnahme des Art. 20a GG in das Grundgesetz unterstreicht dies ganz besonders: Grundrechtlicher Individualschutz durch Art. 14 GG wird mit objektiv-rechtlichem Kollektivgüterschutz durch Art. 20a GG verknüpft. Offen ist dabei freilich, wie der über die Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG gewährte Kollektivgüterschutz – natürliche Lebensgrundlagen aller als Grundlage des Grundeigentums – mit der Verfassungsvorschrift des Art. 20a GG zu vereinbaren ist. Weitere Überschneidungen der Anwendungsbereiche zwischen Art. 20a GG und der Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG ergeben sich zum Beispiel bei einem Blick auf die zeitliche Dimension beider Schutzkonzeptionen. Während die Abwehrfunktion des Art. 14 GG eingriffsbezogen und damit zuvörderst gegenwartsorientiert greift, besteht bei der Schutzpflichtdimension aufgrund ihrer Ausrichtung auf Gefährdungen für Grundrechtsgüter und insofern auch auf „Vorfeldschutz“ Zukunftgerichtetheit.534 Bei Art. 20a GG hat dies mit der staatlichen Pflicht zur Berücksichtigung der Nachweltinteressen sogar ausdrücklich im Wortlaut Niederschlag gefunden. Des Weiteren haben grundrechtliche Schutzpflicht und objektiver Schutzauftrag aus der Staatszielbestimmung gemein, dass sie die Berücksichtigung von Kumulationen gebieten. Die nur auf den einzelnen staatlichen Eingriff abstellende 531 532
533 534
Vgl. dazu bereits S. 43 ff. Für die Schutzpflichten BVerfGE 49, 89 [140]; 77, 381 [404]. Für Art. 20a GG vgl. nur Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 26. BVerfGE 46, 160 [165]. Aufgrund der Anbindung der Schutzpflichtdimension an die Grundrechte lebender Grundrechtsberechtigter kann die Schutzwirkung in die Zukunft aber auch nur als Reflex betrachtet werden. Anders aber wohl Steinberg, NJW 1996, 1985 [1987].
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Abwehrfunktion des Eigentumsgrundrechts ist nicht geeignet, die Kumulation von Maßnahmen in Bezug auf das Grundeigentum zu erfassen. Anders dagegen gibt die Schutzdimension des Grundrechts – ebenso wie der Schutzauftrag aus der Staatszielbestimmung – dem Staat quasi eine allumfassende Beobachtungspflicht auf, damit er den nötigen Schutz erkennen und verwirklichen kann. Hier kommt er an einem ganzheitlichen Blick, der Gefährdungen unterschiedlichster Art und Ursache einbezieht, nicht vorbei.
b) Vergleichbarkeit der Dogmatik der Schutzpflichten mit der der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG Für die genauere Bestimmung des Verhältnisses beider Normen bietet sich ebenso an, die den beiden Schutzkonzepten zugrunde liegende Dogmatik zu vergleichen. Dabei zeigt sich, dass die Gemeinsamkeiten zwischen Grundrechten und Staatszielbestimmungen535 die Grundlage für die Übertragbarkeit der weithin konsentierten Ansicht über Tatbestand und Rechtsfolgen grundrechtlicher Schutzpflichten bilden.536 Tatbestandlich bestehen enge Verbindungen zwischen beiden Schutzkonzepten. Ihnen ist die Schwierigkeit der Bestimmung des vorgesehenen Schutzniveaus gemein. Je weniger konkret aber die Schutzpflicht an sich ist, desto schwerer fällt es zu bestimmen, wann eine Verletzung derselben vorliegt. Dies wiederum ist aber die Grundlage für die Annahme konkreter Rechtsfolgen. So hat sich die Ermittlung rechtlicher Maßstäbe für die gesetzgeberische Ausgestaltung und Konkretisierung bei Art. 20a GG und Art. 14 GG nahezu in gleichem Maße auf prozedurale Anforderungen konzentriert.537 Ebenso wie die materiellen grundrechtlichen Schutzpflichten in verfahrensrechtlicher Hinsicht Vorgaben enthalten, verlangt Art. 20a GG eine entsprechende, die materiellen Schutzanforderungen ergänzende Verfahrensausgestaltung.538 Auch bezogen auf die Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts lassen sich grundrechtliche Schutzpflichten und Staatszielbestimmungen vergleichen. Es erfolgt in beiden Fällen nur eine Evidenzkontrolle.539 Strukturell bestehen mithin erhebliche Gemeinsamkeiten; insbesondere laufen grundrechtliche Schutzpflicht und Staatszielbestimmung insofern parallel, als sie ein Schutzziel vorgeben und dem Gesetzgeber bei der Erfüllung einen weiten Einschätzung- und Wertungsspielraum einräumen.540 Bei der Bestimmung dessen, 535 536
537 538 539
540
Vgl. S. 32 ff. Ebenso Michel, Staatszwecke, S. 230; Müller-Bromley, Staatszielbestimmung, S. 57. Zur Übertragbarkeit der Schutzpflichtdogmatik auf die Staatszielbestimmung Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 233 ff. Steinberg, NJW 1996, 1985 [1991]. Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 [54]. Für die Schutzpflichten BVerfGE 56, 54 [80 f.]; 79, 174 [202]; für Staatszielbestimmungen Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a, Rn. 16; Sommermann, Staatsziele, S. 437. Zur Vergleichbarkeit der Rechtsfolgen aus grundrechtlichen Schutzpflichten und Staatszielbestimmungen Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 921 f. Sommermann, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 20a, Rn. 34.
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wo die Grenzen dieses Spielraumes liegen, kann es mit Blick auf die vergleichbare Dogmatik zwischen Art. 20a GG und Art. 14 GG in seiner Schutzpflichtdimension bezogen auf die natürlichen Lebensgrundlagen keinen Unterschied geben. Anderenfalls müsste im Hinblick auf die natürlichen Lebensgrundlagen als verfassungsrechtliches Schutzgut ein Widerspruch in der Verfassung konstatiert werden. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass die gegen die Einführung des Art. 20a GG im Hinblick auf die Einschränkung des gesetzgeberischen Handlungsspielraumes gehegten Vorbehalte nicht in gleichem Maße auf das Konzept der grundrechtlichen Schutzpflichten übertragen worden sind, obwohl unter Gewaltenteilungsgesichtspunkten gegen beide Schutzkonzeptionen dieselben Bedenken bestehen.541 Insbesondere soweit es um das „Wie“ des Schutzes geht, folgt aus der Schutzpflichtdimension der Grundrechte erheblicher Einfluss auf das gewaltenteilige Verfassungssystem. Denn ebenso wie bei der Konkretisierung einer Staatszielbestimmung durch die Dritte Gewalt kann die Annahme von Schutzpflichten durch die Rechtsprechung eine Entmachtung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers verstärken. Gerade die ordnende Funktion der Verfassung selbst ist für die Austarierung des Verhältnisses von Verfassungsgericht und Gesetzgebung verantwortlich. Dieses kann durch die Anerkennung von durchsetzbaren Schutzpflichtansprüchen empfindlich gestört werden.542 Als einziger, aber entscheidender Unterschied könnte sich damit der der staatlichen Schutzpflicht auf der Rechtsfolgenseite beigegebene subjektive Schutzanspruch des Individuums herausstellen.543 Bevor dazu in Folge Stellung genommen wird, soll festgehalten werden, dass aufgrund der eingeschränkten Justiziabilität von grundrechtlichen Schutzpflichten und Staatszielbestimmung beide kein wirkmächtiges juristisches Instrumentarium sind: Verfassung und Verfassungsrechtsprechung sind insoweit eher auf Begrenzung denn auf aktive Gestaltung angelegt.544 Die Befürchtungen, die mit der Aufnahme des Art. 20a GG in das Grundgesetz einher gingen, wegen der Bedeutung des Umweltschutzes für eine menschenwürdige Existenz werde bei einem Umweltstaatsziel die „Anspruchsschwelle“ schnell sinken und eher eine Subjektivierung erfolgen545, haben sich – jedenfalls bisher – nicht bewahrheitet. Selbst im Hinblick auf Verfahrensrechte bzw. Rechtsschutzmöglichkeiten – siehe die einhellige Ablehnung der Herleitung eines Verbandsklagerechts aus Art. 20a GG durch die Rechtsprechung546 – ist es nicht zu einer Subjektivierung gekommen. Im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten
541
542 543
544 545 546
Steinberg, NJW 1996, 1985 [1991], der als Hintergrund nicht das Problem der Annahme von Handlungspflichten an sich sieht, sondern die Frage, welchen Zielen sie gölten, wobei konkret im Umweltschutz Individualinteressen verfassungsrechtlich stärkeres Gewicht als Kollektivinteressen zugedacht werde. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., GG I, Art. 1, Rn. 194, 196. Vgl. dazu schon S. 143 ff. Grundlegend Dietlein, Schutzpflichten, S. 144 ff., sowie Krings, Grund und Grenzen, S. 234 ff. Lübbe-Wolff, in: Hansjürgens/dies., Symbolische Umweltpolitik, S. 217 [220 ff.]. So insbesondere Michel, Staatszwecke, S. 313. Siehe BVerwGE 101, 73 [83]; BVerfG NVwZ 2001, 1148 [1149]. Zur Verbandsklage vgl. Alleweldt, DÖV 2006, 621 ff.
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fragt sich aber, ob nicht über die Anerkennung der Schutzpflichtdimension in Art. 14 GG durch die Hintertür eine Versubjektivierung des Art. 20a GG stattfindet.
c) Aufgehen des grundrechtlichen Schutzauftrages im Auftrag aus der Staatszielbestimmung Nach diesen vielfältigen Überschneidungen fragt sich, ob die grundrechtliche Schutzpflicht neben Art. 20a GG überhaupt eine Existenzberechtigung hat. Der Hinweis auf unterschiedliche strukturelle oder verfassungsrechtliche Grundlagen kann kein Argument dafür sein, da sich gerade die weitgehende Vergleichbarkeit beider Schutzpflichtkonzeptionen herausgestellt hat.547 Warum sollte aus dem Grundrecht des Art. 14 GG subjektiver Schutz interpretativ herausgelesen werden, wo Grundrechtsvoraussetzungsschutz vom Grundgesetz gerade nicht vorgesehen ist und sich beim Grundeigentum sogar auf Kollektivgüter beziehen würde, die von Art. 20a GG nur objektiv geschützt sind? aa) Subjektivierung des Art. 20a GG durch die grundrechtliche Schutzpflicht Durch die Anerkennung der grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 14 GG in Bezug auf das Grundeigentum kommt es zu einer Subjektivierung der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG, weil dessen Schutzgüter auch von der grundrechtlichen Schutzpflicht erfasst werden und dort mit subjektiver Wirkung versehen sind. Über die grundrechtliche Schutzpflicht kommt es so zu einem (mittelbaren) Schutz von Allgemeingütern durch Individualrechtsschutz, was dem Grundgesetz zwar nicht fremd, aber jedenfalls atypisch ist.548 Diese Art von Wirkung einer grundrechtlichen Schutzpflicht auf eine Staatszielbestimmung wird in der wissenschaftlichen Diskussion nicht deutlich herausgestellt. Die Erörterung der Wirkungen zwischen beiden Normtypen geschieht insbesondere aus einer Richtung: Staatszielbestimmungen sollen grundrechtliche Schutzpflichten verstärken549, „verdichten“550 oder anreichern können.551 Dass umgekehrt grundrechtliche Schutzpflichten Staatszielbestimmungen beeinflussen, findet lediglich Ausdruck in dem Versuch, subjektive Rechte aus Staatszielbe547
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551
Anders aber – bezogen auf sozialstaatliche Schutz- und Förderaufträge und entsprechende grundrechtliche Schutzpflichten – Dietlein, Schutzpflichten, S. 105, der aber mit der damals noch wenig ausgereiften Dogmatik grundrechtlicher Schutzpflichten argumentiert. Grundsätzlich umfasst eine staatliche Pflicht zum Schutz der grundrechtlichen Individualrechtsgüter nicht den Schutz von Gemeinschaftsgütern, Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 225. Wolf, KritV 1997, 280 [298]. Für Art. 20a GG als Interpretationshilfe bei Bestimmung des Schutzumfanges des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Lühle, Beschränkungen, S. 115. Ablehnend VGH BW, NuR 2005, 37 [38]: keine Verdichtung zu einer Vorsorgepflicht. A.A., insbesondere für eine Verstärkung, Sommermann, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 20a, Rn. 34 und Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a, Rn. 13. So befürwortet Däubler, Grundrecht, S. 129 ff., für das Grundrecht auf Mitbestimmung eine Subjektivierung.
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stimmungen abzuleiten.552 Dass aber genau dieses Ergebnis bereits aus der Anerkennung der Subjektvierung von grundrechtlichen Schutzpflichten folgen kann, wird nicht gesehen. bb) Verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Subjektivierung des Art. 20a GG Eine dergestaltige Subjektivierung des Art. 20a GG ist abzulehnen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum materiellen Existenzminimum, das als Anspruch aus dem Sozialstaatsprinzip folge553, lässt sich auf Art. 20a GG nicht übertragen. Ein entscheidender Unterschied zwischen beiden Staatszielbestimmungen liegt darin, dass Art. 20a GG eine kollektivistische Schutzrichtung auf den umweltmäßigen Schutz der Allgemeinheit eignet, während das Sozialstaatsprinzip an die individuelle Leistungsunfähigkeit anknüpft.554 Zwar ist diese Sicht nicht zwingend: Das Sozialstaatsprinzip ist in Art. 20 GG allein durch das Wort „sozial“ verankert, seine Inhalte sind nach und nach durch die Rechtsprechung konkretisiert worden. Hierbei ist die Konzentration auf das Individuum entstanden, deren Berechtigung in der vorliegenden Diskussion gerade zur Debatte steht. Soll das kollektive Rechtsgut des Art. 20a GG mit Hilfe der Grundrechte versubjektiviert werden, steht der kollektive Charakter der natürlichen Lebensgrundlagen dem jedenfalls im Grundsatz nicht entgegen. Allerdings hat der kollektive Charakter des Schutzgutes des Art. 20a GG zu einer Umkehrung der verfassungsrechtlichen Umweltschutzinteressen geführt. Das Kollektivinteresse an den natürlichen Lebensgrundlagen ist durch die Schutzpflicht des Staates explizit und rein objektivrechtlich verankert. Dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Kollektivinteresse kommt damit verfassungsrechtlich eine höhere Bedeutung zu als dem Individualinteresse. Dies ist Folge des Willens des verfassungsändernden Gesetzgebers, der in Art. 20a GG seinen Ausdruck findet. Art. 20a GG ist deshalb primäre verfassungsrechtliche Grundlage staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen. Der anthropozentrischen Ausrichtung des Art. 20a GG entsprechende Sicherungen des ökologischen Existenzminimums sind über die Schutzpflichten für Leben und Gesundheit vorhanden. Dieser individualisierte Schutzgehalt zeigt die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich im Wege des 552
553
554
Lücke, in: AöR 107 (1982), S. 15 [48 f.] m.w.N. unter Hinweis auf BVerfGE 26, 66 [71]. Als Ausgangspunkt wird vielfach auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur staatlichen Schutz- und Fürsorgepflicht bei materieller Not (BVerfGE 1, 97 ff.) Bezug genommen. Die Ansicht, in BVerfGE 17, 337 [355] erkenne das BVerfG mittelbar an, dass die Herleitung individueller Berechtigungen aus dem Sozialstaatsprinzip nicht unmöglich sei (so Lücke, in: AöR 107 (1982), S. 15 [49]), ist aber eine Überdehnung der Aussagen des Gerichts. Das Existenzminimum stellt eine anerkannte materielle Grenze sozialstaatlich geprägter Gesetzgebung dar: Ruffert, Vorrang, S. 266 unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60 [80]. Die Kreierung neuer Grundrechte muss die „extreme Ausnahme“ bleiben: Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII, Rn. 49 ff. Uhle, JuS 1996, 96 [101].
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Individualrechtsschutzes einklagbar erscheint.555 Für das Grundeigentum ist dies dagegen nicht verfassungsrechtlich niedergelegt. Art. 14 GG ist nicht auf unersetzbare, absolute und personale Werte bezogen wie die Schutzgüter von Art. 1 GG und Art. 2 GG – Leben und Gesundheit. Anders als beim sozialen Existenzminimum lässt sich das für die ökologische Überlebensfähigkeit Notwendige in Bezug auf das Grundeigentum abstakt nicht bestimmen.556 Deshalb lässt sich auch die Annahme eines solchen Existenzminimums in Bezug auf das Grundeigentum verfassungsrechtlich nicht begründen. Der hier vertretenen Ansicht widerspricht auch nicht, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich das Nebeneinander von „objektiven Grundentscheidungen des Grundrechtsabschnitts“ und dem „grundgesetzliche(n) Sozialstaatsprinzip“ als Staatszielbestimmung betont und im Ergebnis auf das Grundrecht abstellt, weil dieses einen konkreteren Maßstab biete.557 Auf das Verhältnis von Art. 14 GG und Art. 20a GG lassen sich diese Aussagen in Anbetracht der Darlegungen zur Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts nicht übertragen. Das Argumentationspotential, das in Bezug auf das Sozialstaatsprinzip dessen deutliche Abgrenzung von grundrechtlichen Schutzpflichten fordert, kommt hier nicht zur Geltung. Die strukturellen und verfassungsrechtlichen Grundlagen, die im Hinblick auf grundrechtliche Schutzpflichten und Sozialstaatsprinzip verschiedenen Bewertungen unterliegen558, lassen in Bezug auf Art. 20a GG kaum Abweichungen erkennen.559 Auch das Argument, das Sozialstaatsprinzip sei für die Herleitung staatlicher Schutzpflichten ungeeignet560, trifft auf Art. 20a GG nicht zu, beinhaltet doch schon sein eindeutiger Wortlaut die staatliche Pflicht zum Schutz. Geradezu umgekehrt hat sich die grundrechtliche Schutzdimension des Art. 14 GG als ungeeignet erwiesen, den Bestand des Grundeigentums gegenüber solchen Einwirkungen zu schützen, die sich maßgeblich aus den grundrechtlichen Freiheiten anderer Bürger ergäben.561 Anders als beim Sozialstaatsprinzip kann Art. 20a GG in Bezug auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch als die konkretere Verfassungsvorschrift gegenüber dem Grundrecht des Art. 14 GG bezeichnet werden. Im Rahmen des Eigentumsgrundrechts soll der Gesetzgeber ein „Sozialmodell […] verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums ... und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben“.562 Nur in diesem Rahmen muss 555 556
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558 559 560 561 562
So auch Wolf, KritV 1997, 280 [298]. A.A. Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 [51]: subjektivrechtliche Gewährleistung in Form eines Leistungsrechts. So wie hier: Uhle, JuS 1996, 96 [101] und Söhnlein, Landnutzung im Umweltstaat, S. 87 f.: weder das Notwendige für den Einzelnen, noch das für die Gesellschaft ist bestimmbar. BVerfGE 97, 169 [185]. In diese Richtung bezogen auf Art. 20a GG Ossenbühl, NuR 1996, 53 [58]: enthält keine über die sich aus grundrechtlichen Schutzpflichten ergebenden hinausgehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dietlein, Schutzpflichten, S. 105. Siehe soeben a) und b). Ruffert, Vorrang, S. 165. So auch das BVerfG in der Entscheidung zum Waldsterben, NJW 1998, 3264 [3265 f.]. BVerfGE 52, 1 [29].
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er unter anderem auch den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen berücksichtigen. Ein expliziter Schutzauftrag wie in Art. 20a GG ergibt sich daraus nicht. Dies entspricht auch der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung zu den Waldschäden563: Art. 14 GG schützt den Bestand des Eigentums grundsätzlich nicht gegenüber solchen Einwirkungen, die sich maßgeblich aus den grundrechtlichen Freiheiten anderer Bürger ergäben. Wenn das Bundesverfassungsgericht eine Schutzpflicht allenfalls im Wege der Verfassungsinterpretation aus einer in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG enthaltenen Grundentscheidung herleitet, so ist dabei die gesamte Verfassungsordnung in den Blick zu nehmen. Mit Art. 20a GG gibt es einen klaren Auftrag an den Gesetzgeber zum Schutz – auch – der Grundrechtsvoraussetzungen des Grundeigentums, aber nur unter den Voraussetzungen des Art. 20a GG. Auch der Einwand, die Aufnahme des Art. 20a GG in das Grundgesetz sollte nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers den verfassungsrechtlichen Umweltschutz verbessern und nicht durch Verdrängung grundrechtlicher Inhalte abschwächen,564 greift nicht durch. Verfassungsrechtlich ist dieses Motiv des Gesetzgebers nur entscheidend, wenn es im Verfassungskontext seinen Ausdruck gefunden hat. Jedenfalls in Bezug auf die tatsächliche Umweltschutzsituation ist dies nicht niedergelegt, weil sich die Referenzlage, anhand derer sich Verbesserung oder Verschlechterung des Umweltschutzniveaus beurteilen ließe, nicht bestimmen lässt.565 Was die verfassungsrechtliche Umweltschutzsituation betrifft, konzentriert sich der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auf diese als Kollektivgüter in Art. 20a GG und als Lebens- und Gesundheitsschutz in Art. 2 Abs. 2 und 1 Abs. 1 GG. Vorgebeugt wird damit auch einer ausufernden Grundrechtsinterpretation: Grundrechte degenerieren von einer negativen zur positiven Kompetenznorm, wenn sie nicht nur den Staat ausgrenzende, einen Freiheitsbereich abschirmende Normen sind, sondern neben eigentlichen Staatsaufgabennormen – wie zum Beispiel Staatsstrukturbestimmungen, Staatszielbestimmungen oder Gesetzgebungskompetenzen – Staatsaufgaben festlegen.566 Damit wird auch ihre klassische Funktion als Abwehrrechte abgewertet. Die Ablehnung der Schutzpflichtdimension bedeutet deshalb eine Stärkung des Abwehrrechts.567 Des Weiteren illustriert sich 563 564
565
566 567
BVerfG, NJW 1998, 3264 [3265]. Murswiek, in: Gesellschaft für Umweltrecht, S. 40 [48]: Der verfassungsrechtliche Umweltschutz sollte nicht in Art. 20a GG monopolisiert werden, er könne deshalb auch nicht die staatlichen Umweltschutzpflichten, die sich aus Grundrechten ergäben, abschwächen. Vgl. dazu schon ablehnend S. 51. Daran ändert sich auch nichts, wenn man es auf den Zustand der natürlichen Lebensgrundlagen im Ganzen bezieht, so aber Ekardt, SächsVBl. 1998, 49 [55]. Die Einschätzung, dass der Gesamtzustand der Umwelt sich nicht verschlechtert, wenn ein Eingriff in sie an einer Stelle durch „Wiedergutmachen“ an anderer Stelle kompensiert wird, ist im Anblick der Komplexität der Umweltabläufe schlechterdings nicht vorstellbar. Dreier, Dimensionen, S. 49 f. Grundrechte haben ihre Bedeutung primär in der Sicherung der Distanz von Staat und Gesellschaft; insbesondere die ausdehnende Anerkennung von Schutzpflichten führt zur
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hieran die Bedeutung des Verhältnisses von Eigentumsgrundrecht und Staatszielbestimmung in der grundgesetzlichen Ordnung. Dem Grundrechtsträger aus dem Eigentumsgrundrecht einen Anspruch gegen den Staat auf Schutz des Grundeigentums in Form des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen zu gewähren, widerspricht der Funktion des Staates als Repräsentant der Allgemeinheit und des Gemeinwohls und zielt auf ein anderes Staatsverständnis.568 Es bedeutete mittelbar eine Versubjektivierung des Art. 20a GG, weil Umweltschutz für Eigentumsgüter verwirklicht würde.
d) Zusammenfassung Art. 20a GG bedeutet für den Grundeigentümer materiellen Schutz in Gestalt von Grundrechtsvoraussetzungsschutz, der allerdings nicht subjektiv angereichert ist. Die Verwirklichung des Schutzauftrages durch den Gesetzgeber trägt zur Sicherung der Voraussetzungen der Grundrechtsausübung bei. Dies ist lediglich Ausfluss der untrennbaren Verbindung des Grundeigentums mit der Natur und seines Charakters als natürliche Lebensgrundlage selbst. Was den natürlichen Lebensgrundlagen an Schutz durch Verwirklichung des Auftrages aus Art. 20a GG zugute kommt, wirkt deshalb unmittelbar auch für das Grundeigentum. Art. 20a GG führt zu einer verfassungsrechtlichen Stärkung der Kollektivinteressen an den natürlichen Lebensgrundlagen unter gleichzeitiger Zurückstellung der daran bestehenden Individualinteressen des Grundeigentümers. Die staatliche Pflicht zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen aufgrund von Art. 20a GG ist konkreter als die eigentumsgrundrechtliche Schutzpflicht. Dem korrespondiert kein subjektiver Anspruch des Grundrechtsberechtigten. Die Schutzpflichtdimension des Art. 14 GG ist überflüssig. Gleichwohl ist der Grundeigentümer nicht schutzlos. Institutsgarantie und Art. 20a GG gewähren Schutz. Im Übrigen ist im Rahmen des gesetzgeberischen Rechts und der Pflicht zur Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG die Beachtung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen gewährleistet.
4. Verstärkung des Abwehrgehalts der Eigentumsgarantie durch Art. 20a GG Das Eigentumsgrundrecht berechtigt seiner klassischen Funktion zufolge zur Abwehr von staatlichen Umweltbelastungen. Dem Staat gegenüber bedeutet ein solches Recht auf Abwehr von Umweltschäden oder -gefahren ein Eingriffsverbot – vorbehaltlich zulässiger Grundrechtseinschränkungen.569 Dieses Abwehrrecht steht mit Art. 20a GG in Verbindung570: Die Staatszielbestimmung ist vom schrankenbestimmenden Gesetzgeber zu beachten, ihrer Zielsetzung darf er nicht
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Negierung dieser Funktion und damit zu einer Aufweichung der Trennung von Staat und Gesellschaft: Ladeur, Kritik der Abwägung, S. 47. Brohm, JZ 1994, 213 [216]. Vgl. dazu schon S. 106 ff. Dazu bereits S. 108 ff.
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zuwiderhandeln. Weil es sich bei diesem Zusammenspiel zwischen Art. 14 GG und Art. 20a GG um ein nichtkollidierendes handelt, ist hier nochmals auf diese Konstellation zurückzukommen. Hinter ihr verbirgt sich eine Verstärkung des Abwehrrechts aus Art. 14 GG, weil er mit Art. 20a GG zusammen als Grenze staatlichen Handelns wirkt. Die Verstärkungswirkung ist dabei in zweierlei Hinsicht denkbar: Der Eigentümer wehrt eine ihn belastende Maßnahme nur zum Zweck des Schutzes seiner Eigentümerstellung ab, wobei mittelbar auch ein Gewinn für das Schutzgut des Art. 20a GG herausspringt. Als Beispiel bietet sich folgender Fall an571: Ein Grundstückseigentümer betreibt auf seinem Grundstück eine einwandfrei funktionierende Kläranlage, soll aber wegen des Anschluss- und Benutzungszwanges an öffentliche Entwässerungseinrichtungen diese aufgeben.572 Hier wehrt er sich gegen die Inhalts- und Schrankenbestimmung, die ihm den Anschluss- und Benutzungszwang und damit erhebliche über die bereits getätigten Kosten für die eigene Anlage hinausgehende Geldleistungen auferlegt. Ein mittelbarer Vorteil für die natürlichen Lebensgrundlagen kann darin liegen, dass eine private Anlage das auf dem Grundstück entzogene Wasser auch dort wieder dem Boden zuführt und nicht – wie bei öffentlichen Entwässerungsanlagen – in Flüsse oder Meere abgeleitet wird.573 Ein weiterer Fall belegt exemplarisch, wie Art. 14 GG und Art. 20a GG gemeinsam für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen streiten können. Ein Eigentümer brachte auf seinem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude Sonnenkollektoren zur Energiegewinnung an, deren Beseitigung die Bauaufsichtsbehörde anordnete. Beim OVG Lüneburg574 hatte der Eigentümer weder gestützt auf Art. 14 GG noch auf Art. 20a GG Erfolg. Die Funktion des Eigentums, als Grundlage privater Initiative von Nutzen zu sein, sah das Gericht als nicht gefährdet an. Trotz gestiegener Strom- und Gaspreise sei die Privatnützigkeit der Grundstücksnutzung nicht ausgeschlossen, weil der Grundeigentümer auch ohne Nutzung der anderen Energiegewinnungsmöglichkeit sein Auskommen finden könne. Art. 20a GG artikuliere nur ein bestimmtes öffentliches Interesse, ohne dass ihm damit ein eindeutiger Vorrang gegenüber dem Erhalt von Bauwerken zukomme. Er könne dem Gesichtspunkt der Energieeinsparung bei der Abwägung konkurrierender Interessen eine etwas verstärkte Durchsetzungsfähigkeit geben. Art. 14 GG oder Art. 20a GG garantierten aber dem Grundeigentümer keine größtmögliche Energieeinspar- oder Energiegewinnungsmöglichkeit. Anders als in den genannten zwei Beispielen kommt aber auch in Betracht, dass der Eigentümer aus altruistischen Gründen – also um gezielt Umweltschutz zu betreiben – sein Abwehrrecht aus Art. 14 GG geltend macht. Plastisch machen lässt sich dies insbesondere anhand der Rechtsstreitigkeiten unter Beteiligung von sog. Sperrgrundstücken. So hatte in einem Verfahren vor dem Bundesverwal571
572 573
574
Dieser Fall wird nochmals bei der verfassungsrechtlichen Eigenverantwortung des Grundeigentümers – unter einem anderen Gesichtspunkt – behandelt, vgl. S. 192 ff. Vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 1080. Vgl. dazu die Erwägungen im Verfahren vor dem OVG Frankfurt/O., Entscheidung v. 31.7.2003 – 2 A 316/02 – JURIS. Dass., ZuR 2006, 495 ff.
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tungsgericht575 ein eingetragener Verein, der sich die Schonung der Landschaft bei Straßenplanungen zum Ziel gesetzt hatte, aus Anlass eines Planfeststellungsverfahrens im Plangebiet ein Grundstück erworben. Im Verfahren machte er dann schwerwiegende Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch die Planung geltend. Als Grundeigentümer hat der Verein tatsächlich die Befugnis, nicht nur private, sondern auch solche öffentlichen Belange geltend zu machen, deren Missachtung seine Enteignung durch den Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig machen würden.576 Die genannten Fälle zeichnen sich alle dadurch aus, dass die beiden Verfassungsnormen Art. 14 GG und Art. 20a GG ihre Verfassungsrechtsgüter auf einer Seite der Waagschale vereinigen. Was bedeutet dies in der vorzunehmenden Abwägung? Wie ist dieses „verfassungsrechtliche Schwergewicht“ zu behandeln? Dies fragt sich insbesondere in Fällen, in denen auf der anderen Seite ein nicht verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut steht, so im Fall des Denkmalschutzes. Es bietet sich an, hier mit dem Begriff der Verstärkungswirkung zu operieren. Eine fundierte dogmatische Aufarbeitung und Begründung dieser Figur lässt sich allerdings nicht ausmachen. Ihr werden die unterschiedlichsten Konstellationen zugeordnet. In der Grundrechtsdogmatik wird die Verstärkungswirkung von Grundrechten untereinander behandelt. Neuerdings taucht das Problem unter verschiedenen Bezeichnungen in Rechtsprechung und Literatur auf. In Bezug auf Art. 14 GG wurde z.B. eine „Aufladung“ durch Art. 4 GG diskutiert, wenn der Grundeigentümer seinen Grund und Boden zugleich zu Zwecken nutzen möchte, die gewissensgeprägt sind.577 Das Bundesverfassungsgericht hat die Verstärkungswirkung in der Entscheidung zum Schächten578 benutzt, um die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in das Primärgrundrecht durch Heranziehung eines anderen Grundrechts als „bloßen Rechtsgedanken“ oder „grundlegende Wertentscheidung“ zu erhöhen. Da dem Beschwerdeführer als Nicht-Deutschem das Deutschenrecht aus Art. 12 GG nicht zustand, prüfte das Bundesverfassungsgericht Art. 2 Abs. 1 GG, in dessen Rahmen es den speziellen Freiheitsgehalt des Grundrechts der Religionsfreiheit zur Verstärkung heranzog. Nicht zweifelsfrei geklärt ist, nach welchen Kriterien die Bestimmung des verstärkenden bzw. verstärkten Grundrechts erfolgen soll.579 Das Problem der Grundrechtsdogmatik, welche Verfassungsnorm in welcher Position auf eine andere Norm trifft, stellt sich für das Verhältnis zwischen Grundrecht und Staatszielbestimmung nicht. Wird der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG tätig, kommt eine verstärkende Wirkung durch Art. 20a GG in Betracht, während umgekehrt bei umweltschützendem Tätigwerden der Gesetzgeber den Auftrag aus Art. 20a GG verwirklicht, so dass sich die Frage nach verstärkender Wirkung durch die Eigentumsgarantie stellt. Die Richtung der Verstärkungswirkung steht damit fest. 575 576 577 578
579
Vgl. z.B. dass. NVwZ 1991, 781. BVerwG a.a.O. S. 784. BVerwG DVBl. 2006, 60 [62]. BVerfGE 104, 337 ff. Vgl. die kritischen Urteilsbesprechungen hierzu: Spranger, NJW 2002, 2074 ff.; Sydow, JURA 2002, 615 ff.; Volkmann, DVBl. 2002, 332. Vgl. zum Vorstehenden Spielmann, JuS 2004, 371 ff.
170
C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Auch beim Zusammentreffen von Grundrecht und Staatszielbestimmung fragt sich aber nach dem Wert und der Daseinsberechtigung der Verstärkungswirkung als eigener Rechtsfigur. In den beispielhaft referierten Entscheidungen zu Art. 14 GG und Art. 20a GG lassen sich gar keine Ausführungen hierzu finden. Gerade der Fall der Sonnenkollektoren auf einem denkmalgeschützten Haus bietet sich als Paradefall an. Die Nutzung der Dachfläche zur „sauberen“ Energiegewinnung führt zu einer entsprechenden Einsparung anderer Energieträger. Aus der verwirklichten Privatnützigkeit des Grundeigentums wird in diesem Fall Gemein(wohl)nützigkeit. Seiner Schutzpflicht für die natürlichen Lebensgrundlagen aus Art. 20a GG kommt der Staat schon durch ein Gewährenlassen des Grundeigentümers nach. Zwar widerspräche es der Natur des Art. 20a GG als Staatszielbestimmung580, wenn man den Staat zum Gewährenlassen verpflichtet ansähe. Natürlich ist diese Option nicht die einzige, der verfassungsrechtlichen Pflicht aus Art. 20a GG nachzukommen. Es spricht aber immerhin eine Vermutung dafür, dass der Staat durch das Gewährenlassen des Grundeigentümers verfassungsgemäß handelt, weil er damit sowohl der Privatnützigkeit des Grundeigentümers als auch dem Gemeinwohlbelang des Umweltschutzes und damit zwei Verfassungsnormen auf einmal Geltung verschafft. Umgekehrt müssen für ein Aufhalten des Eigentümers ganz besondere Gründe sprechen. Ein nicht verfassungsrechtlich geschützter Belang wird insoweit nur ausnahmsweise ein Einschreiten des Staates rechtfertigen können. Abstrakt beschrieben werden kann die Verstärkungswirkung danach folgendermaßen: Fordern ein Grundrecht und eine Staatszielbestimmung im speziellen Fall dasselbe Ergebnis, spricht eine verfassungsrechtliche Vermutung dafür, dass dieses vom Grundgesetz gewollt ist. Ein nicht verfassungsrechtlich geschützter Belang kann sich dann nur ausnahmsweise durchsetzen.581 Darüber hinausgehende Festlegungen lassen sich der Rechtsfigur der Verstärkungswirkung nicht entnehmen.582 Wie auch die Untersuchung bislang gezeigt hat, sind die Wirkungen von Grundrechten und Staatszielbestimmungen aufeinander zu heterogen, als dass sie sich unabhängig vom jeweiligen Grundrecht und der entsprechenden Staatszielbestimmung abstrahieren ließen. Fest steht aber, dass die naheliegendste Möglichkeit der Verstärkungswirkung grundgesetzlich ausgeschlossen ist: die Subjektivierung einer Staatszielbestimmung durch Grundrechte.
580 581
582
Vgl. oben S. 33 ff. Deshalb ist das Ergebnis des OVG Lüneburg, ZUR 2006, 495 ff., abzulehnen, weil es Regel und Ausnahme umkehrt. Zwar nahm es eine Einzelfallabwägung vor und wies den Kläger darauf hin, dass auf der straßenabgewandten Seite der Anbringung von Kollektoren keine Denkmalschutzgründe entgegenstünden. Dem Gesichtspunkt, dass dort u.a. durch Verschattung geringere Gewinnungsmöglichkeiten bestehen, hat das OVG aber zu wenig Gewicht beigemessen. Ablehnend auch Faller, Staatsziel, S. 254 f., der von „Anreicherung und Ausdehnung“ spricht, aber die inhaltliche Verstärkung der Grundrechte durch eine Staatszielbestimmung meint.
II. Nichtkollidierendes Zusammenwirken von Art. 14 GG und Art. 20a GG
171
Dementsprechend lässt sich Art. 20a GG und damit auch dem Grundgesetz insgesamt kein Umweltgrundrecht entnehmen.583
5. Zusammenfassung und prozessuale Einkleidung Es hat sich gezeigt, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Teil des Grundeigentums verfassungsrechtlich nicht über eine Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts, sondern allein über Art. 20a GG gewährt ist. Dies hat folgende Auswirkungen auf die eingangs angesprochenen Fragen des Rechtsschutzes des Eigentümers: Wenn ihm geltendes Umweltschutzrecht nicht weit genug geht und er positives Handeln vom Staat fordert, ist die Schutzdimension betroffen; die Abwehrdimension ist dagegen angesprochen, wenn der Eigentümer Adressat belastender staatlicher Maßnahmen wird, die durch Umweltschutz motiviert sein können, aber nicht müssen. In der Abwehrposition ist eine Verfassungsbeschwerde gestützt auf Art. 14 GG als Grundrecht unproblematisch. Materielle Wirkung des Art. 20a GG ist hier – wie gezeigt – in Form der Verstärkung des Abwehrrechts denkbar. Eingriffe in das Schutzgut des Art. 20a GG sind dagegen nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Es mangelt hier an der Möglichkeit, im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG die Verletzung eines Grundrechts bzw. grundrechtsgleichen Rechts geltend zu machen. Sucht der Eigentümer Schutz vor Umweltbelastungen, die sein Grundeigentum angreifen, hat er keine vergleichbaren prozessualen Möglichkeiten. Eine Verfassungsbeschwerde kommt insoweit nur in Betracht, wenn er Schutz für Leben und Gesundheit vor Umweltbeeinträchtigungen begehrt – gestützt auf Art. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Die Verletzung legislativer Handlungspflichten aus einer Staatszielbestimmung ist dagegen nicht im Verfassungsbeschwerdeverfahren und damit gar nicht verfassungsprozessual verfolgbar.584 Ausnahmsweise kommt eine Verfassungsbeschwerde aber direkt gestützt auf Art. 20a GG in Betracht, wenn ein konkreter, aus dieser Verfassungsbestimmung abzuleitender Auftrag an den Gesetzgeber vorgebracht wird. Dies ist Ausfluss dessen, dass Art. 20a GG einen mit der Staatszielbestimmung kombinierten Gesetzgebungsauftrag enthält.585 Die Evidenz gesetzgeberischen Fehlhandelns, die bereits als Maßstab für die Verletzung einer Staatszielbestimmung herausgearbeitet wurde, kommt hier in dreierlei Gestalt zum Tragen: in der Zulässigkeit und der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde als auch als Maßstab verfassungsgerichtlicher Kontrolle.586 583
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Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 412 ff., zweifelt selbst die (rechtstechnische) Möglichkeit an, ein Umweltgrundrecht verfassungsrechtlich niederzulegen. Sähe man dies anders, könnte es – entsprechend BVerfGE 104, 337 [346 f.] – tatsächlich zu einer Verstärkungswirkung kommen, allerdings zwischen zwei Grundrechten, nämlich Art. 14 und dem Umweltgrundrecht. Sommermann, Staatsziele, S. 445. Vgl. auch jüngst Bethge, in: FS Isensee, 2007, S. 613 [617 ff.] und S. 48. Vgl. dazu schon S. 45 ff. In diesem Sinne auch Faller, Staatsziel, S. 192.
172 C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG _________________________________________________________________________
III. Verfassungsrechtliche Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen Das Verfassungsrecht deutet mit Art. 20a GG auf eine alleinige Zuweisung der Umweltschutzaufgabe an den Staat hin, Art. 14 GG spricht dagegen Staat und Eigentümer an. Ist der Eigentümer damit verfassungsrechtlich zum Betreiben von Umweltschutz nicht befugt, weil sich das verfassungsrechtlich Zulässige zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen allein in der neuen Staatszielbestimmung bündelt? Gegen ein solches Ergebnis spricht, dass man sich den Grundeigentümer in Ausübung seiner Nutzungsrechte ohne weiteres als Umweltschützer vorstellen kann. Wie stellt sich die Verteilung der Verantwortung in Bezug auf Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen verfassungsrechtlich dar? Bedarf es einer strikten Abgrenzung der Verantwortungsebenen oder ergeben sich Überschneidungen? Wessen Schutzkonzept setzt sich durch, wenn es zu widersprüchlichen Lösungsansätzen kommt? Den sich in diesem Kontext stellenden Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.
1. Begriffsklärung: Der zugrunde liegende Verantwortungsbegriff Was verfassungsrechtlich unter Verantwortung zu verstehen ist, ist nicht ohne weiteres klar. Dem Begriff kommt als staatsrechtlicher Kategorie kaum Bedeutung zu587, was auch auf die Mehrdeutigkeit des Verantwortungsbegriffes zurückzuführen ist.588 Gerade mit Art. 20a GG findet der Begriff auf grundgesetzlicher Ebene in einem neuen Zusammenhang Erwähnung, soll doch der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen“ schützen.589 Als Fremdkörper stellen sich die künftigen Generationen als Gegenüber der Verantwortung schon deswegen dar, weil in anderen einschlägigen Verfassungs-
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Scheuner, in: FS G. Müller, S. 379. Die Verantwortung als verfassungsrechtliche Kategorie nachweisend Michael, Rechtsetzende Gewalt, S. 294 ff. Zur Bürgerverantwortung vgl. auch Depenheuer, in: VVDStRL 55 (1996), S. 90 ff. Sachs, DVBl. 1995, 873 [874], der die unterschiedlichen Verwendungen des Begriffs im GG aufzeigt; Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 26. Zum Verantwortungsbegriff auch Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 39 ff.; Pestalozza, JuS 1975, 366 [371]; Voßkuhle, in: VVDStRL 62 (2003), S. 266 ff. Der Schöpfung von Begriffszusammensetzungen mit ´Verantwortung´ sind scheinbar keine Grenzen gesetzt: Verwaltungsverantwortung, Ergebnisverantwortung, Verfahrensverantwortung, Erfüllungsund Beratungs-, Überwachungs-, Organisations-, Einstandsverantwortung, Gewährleistungsverantwortung seien beispielhaft genannt, vgl. mit weiteren Beispielen und dem Versuch einer Systematisierung Michael, Rechtsetzende Gewalt, S. 296 ff. Dazu jüngst Mückl, in: FS Isensee, 2007, S. 183 ff.
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
173
vorschriften der Verantwortungsadressat oft gar nicht benannt wird.590 Darüber hinaus stellt das Grundgesetz nicht nur im Grundrechtsabschnitt auf den gegenwärtigen Grundrechtsträger ab, sondern enthält die verfassungsmäßige Ordnung für das Staatsvolk in seiner jeweiligen Zusammensetzung. Mag ihm der Zukunftsbezug nicht völlig fremd sein, primär ausgerichtet ist das Grundgesetz auf ihn jedenfalls nicht. Für die nachfolgenden Ausführungen bedarf es aber über diesen Kontext der ausdrücklichen Verwendung des Verantwortungsbegriffes in Art. 20a GG hinaus einer genaueren Begriffsklärung, die schon wegen der angesprochenen Mehrdeutigkeit des Verantwortungsbegriffes angezeigt ist.591 Als Träger der Verantwortung interessieren im Folgenden der Staat und der Grundrechtsträger des Art. 14 GG. Mit der gewählten Kapitelüberschrift wurde bereits der sachliche Bezugspunkt der Verantwortung umrissen. Es soll um die Verantwortung von Eigentümer und Staat für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen gehen. Als bedeutsam für die vorliegende Untersuchung wird sich dabei in erster Linie herausstellen, welche Wirkungsmöglichkeiten dem jeweiligen Verantwortungsträger durch die Verfassung eingeräumt sind. Staatsrechtlich ist damit die Brücke zu den Kompetenzen geschlagen. Freilich ist der Begriff der Kompetenz als Befugnis zur Wahrnehmung von Aufgaben auf den Staat bezogen. Dem Bürger werden durch das Grundgesetz keine in diesem Sinne zu verstehenden Kompetenzen eingeräumt. Gleichwohl lässt sich unter Betonung des Aspektes einer wahrzunehmenden Aufgabe auch von verfassungsrechtlicher Verantwortung des Bürgers/Eigentümers sprechen. Neben der Frage, welche Wirkungsmöglichkeiten das Grundgesetz dem Eigentümer und dem Staat einräumt, müssen die normativen Maßstäbe, die das Grundgesetz für die Wahrnehmung der Verantwortung vorgibt oder rechtlich in Bezug nimmt, im hiesigen Zusammenhang geklärt werden. Aus ihrer Offenlegung gilt es, die Lösung dafür zu gewinnen, in welches Verhältnis das Grundgesetz die jeweiligen Beiträge von Staat und Eigentümer zum Schutz des Eigentums als Bestandteil der natürlichen Lebensgrundlagen setzt. Der Begriff der Verantwortung ist mithin im Folgenden als die Frage nach den verfassungsrechtlich wahrnehmbaren oder – pflichtmäßig – wahrzunehmenden Aufgaben zu verstehen.592
590
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Sachs, DVBl. 1995, 873 [879], der die Bedeutung dieses Elements des Verantwortungsbegriffes für gering hält. Die haftungsrechtliche Seite des Verantwortungsbegriffs soll vorliegend außer Betracht bleiben, vgl. dazu Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 41 f. Zu den Strukturen des Verantwortungsbegriffs mit den Einzelelementen Trägerschaft, sachlicher Bezugspunkt, Maßstab, Adressaten, Sanktionierung, ausführlich Sachs, DVBl. 1995, 873 [876 ff.]. In diesem Sinne auch Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 77: Lehre von der Staats-Verantwortung ist notwendig eine Lehre der Staatsaufgaben.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
2. Staat und Eigentümer als Verantwortungsträger a) Verantwortung des Staates für die natürlichen Lebensgrundlagen und das Eigentum Aufgaben und Wirkungsmöglichkeiten des Staates im Rahmen des verfassungsrechtlichen Eigentums- und Umweltschutzes ergeben sich vor allem aus den Verfassungsnormen in Art. 14 GG und Art. 20a GG. Damit erschöpfen sich die Aussagen des Grundgesetzes zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen freilich keineswegs.593 Mit den gesetzgeberischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG hat der Staat ein Instrument, die Eigentumsordnung vor allem auch im Hinblick auf die Erfordernisse des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen angemessen zu gestalten.594 Zum Schutz des Grundeigentums als Bestandteil der natürlichen Lebensgrundlagen ist er dagegen zuvörderst durch Art. 20a GG aufgerufen und nicht durch eine Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts.595 Art. 20a GG ist die entscheidende Verfassungsnorm für materiellen Umweltschutz.596 Verfassungsrechtlich liegt damit auf den ersten Blick die Verantwortung für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen beim Staat. Es spricht einiges dafür, die Aufgabe des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen – auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit privaten Umweltschutzes – in staatliche Hand zu legen: wegen weitergreifender zeitlicher Perspektive und längerfristiger Verbindlichkeit staatlicher im Vergleich zu privater Umweltschutzplanung, wegen der existenzsichernden, freiheitserhaltenden und grundrechtsstärkenden Bedeutung der vorsorgenden Umweltschutzplanung und nicht zuletzt wegen der räumlich, gegenständlich und zeitlich begrenzten Planungsfähigkeit Privater.597 Darüber hinaus liegt eine Identifikation des Staates mit dieser Aufgabe auch deshalb nahe, weil die einzelnen Umweltgüter „öffentliche Güter“ sind, die nicht von sich aus individualisiert werden können.598 Aus diesen Gründen scheint es überzeugend, wenn das Grundgesetz dem Staat, dem die Sicherung des Gemeinwohls überantwortet ist, bei der Durchsetzung von Umweltschutzzielen ein deutliches Übergewicht gegenüber der Gesellschaft einräumt.599 Allerdings birgt eine totale Verantwortungsübernahme des Staates in diesem Aufgabenbereich auch Gefahren. Die Bezeichnung Umweltstaat könnte zu der Annahme verleiten, die Gesellschaft und 593
594 595
596 597 598 599
Zu sonstigen Normen des Umweltverfassungsrechts – so vor allem den Kompetenzvorschriften – Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 1; Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Kap. Rn. 35. Vgl. insb. S. 92 ff. und 106 ff. Vgl. insoweit S. 137 ff. A.A. Stoll, Sicherheit, S. 352, der allgemein den vorrangigen Grund staatlicher Verantwortung in den grundrechtlichen Schutzpflichten sieht. Zu diesem ausführlich S. 43 ff. Hoppe, in: VVDStRL 38 (1980), S. 211 [232]. Berg, in: FS Stern, S. 421 [438]. Gusy, ZUR 2001, 1 [5]: „Letztverantwortlichkeit des Staates“; Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, S. 39 [46].
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
175
damit auch der Einzelne seien ausgeklammert, der Staat könnte als unmittelbarer Verursacher von Umweltkatastrophen gelten.600 Verkannt würde damit vor allem das Potential, das im gesellschaftlichen Bereich steckt. Davor verschließt auch das Grundgesetz die Augen nicht, wie im folgenden auszuführen sein wird. Die staatliche Aufgabe beim Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist durch eine Doppelrolle gekennzeichnet. Er ist verantwortlich im obigen Sinne einerseits, soweit er selbst umweltbeeinflussend agiert, und andererseits als Verantwortungszuweisender, indem er durch staatliche Normsetzung umweltrelevante Gegebenheiten regelt.601 Soweit das letztere Wirkungsfeld angesprochen ist, kennt das Grundgesetz auch die Möglichkeit der Übernahme/Übergabe von Verantwortung und enthält damit die strukturelle Möglichkeit, Verantwortung umzuverteilen, sie anderen als den primär angesprochenen Trägern zuzuordnen.602 Dem Staat steht die Handlungsmöglichkeit offen, durch Gesetz den Privaten zur Ergreifung von Maßnahmen in die Pflicht zu nehmen. Thematisch ist die Untersuchung damit bei der Frage nach einer verfassungsrechtlich niedergelegten Verantwortung des Eigentümers angelangt.
b) Verantwortung des Eigentümers für die natürlichen Lebensgrundlagen Der ausdrückliche Textbefund des Grundgesetzes überantwortet mit Art. 20a GG den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen allein dem Staat, während gemäß Art. 14 Abs. 2 GG zwar niedergelegt ist, dass Eigentum verpflichtet, aber nicht, wozu es verpflichtet, und schon gar nicht wird ein Bezug zum Umweltschutz hergestellt. Tatsächlich finden sich Stellungnahmen, das Umweltverfassungsrecht gehe ausdrücklich allein vom Staat als verantwortlichem Subjekt aus.603 Die Bedeutung der Bürgerverantwortung als Pendant hierzu wird für gering gehalten. Dies solle allerdings nicht ausschließen, dass sie in speziellen Sachbereichen Gewicht erlangen könne, wenn klar abgegrenzte Befugnisse gebunden an rechtliche Maßstäbe mit festgelegten und staatlich durchgesetzten Sanktionen auf den Bürger übertragen würden.604 Damit wird aber die verfassungsrechtliche Ebene verlassen. Nach dem Grundgesetz bedarf konkrete Bürgerverantwortung des Tätigwerdens des einfachen Gesetzgebers. Dies entbindet allerdings nicht davon, Art. 14 GG als Grundlage einer besonderen Eigentümerverantwortung zu untersuchen. Der Eigentümer ist in Bezug auf sein Grundstück unter Umständen der bessere Umweltschützer; nicht nur, weil er aufgrund seiner Nähe dazu über schnellere und effektivere Zugriffsmöglichkeiten verfügt, sondern auch, weil er als Eigentümer ein ureigenes Interesse an der Erhaltung der natürlichen Grundlagen seines Eigentums hat. Für seine verfassungsrechtlichen Wirkungsmöglichkeiten im Kontext des Umweltschutzes gilt es nunmehr, Art. 14 GG fruchtbar zu machen. 600 601 602 603 604
Berg, in: FS Stern, S. 421 [438]. Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 210 f. Sachs, DVBl. 1995, 873 [881]. Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 210; Schink, DÖV 1997, 221 [223]. Sachs, DVBl. 1995, 873 [893 f.].
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
aa) Grundgesetzliche Umweltgrundpflicht – Pflichtenbindung des Grundrechtsgebrauchs Grundpflichten sind in der Verfassung ausgesprochene Pflichten oder Bindungen des Einzelnen, die in der staatlichen Vergemeinschaftung oder in wesentlichen Staatsaufgaben ihre Rechtfertigung finden und die Entscheidungs- oder Handlungsfreiheit des Einzelnen unmittelbar kraft einer Verfassungsnorm einschränken.605 Mit ausdrücklich statuierten Pflichten hält sich das Grundgesetz allerdings zurück. Interessant ist die Frage nach Grundpflichten im hiesigen Zusammenhang aber deshalb, weil es Funktion von Grundpflichten ist, die Pflichtenstellung im Hinblick auf eine vom Grundgesetz festgelegte Aufgabe jeweils speziell abzugrenzen. Als Umweltgrundpflicht wird eine Norm bezeichnet, die dem Rechtsunterworfenen ausdrücklich eine bestimmte Pflicht im Rahmen des Umweltschutzes zuweist und mit Verfassungsrang ausgestattet ist.606 „Ökologische Grundpflichten“ werden auch als das bürgerschaftliche Pendant zu den in allen Verfassungen mit gleicher Zielrichtung formulierten Staatszielbestimmungen bezeichnet und sollen nicht allein auf ein „Unterlassen“ gerichtet sein, sondern darüber hinaus ein positives Tun des Bürgers einfordern können. Auch wenn ihnen nur deklaratorischer Charakter zukäme, bildeten sie ein Gegengewicht zu der mit Art. 20a GG geschaffenen staatlichen Umweltverantwortlichkeit.607 Als eine Art Generalklausel für Grundpflichten ist das Sozialstaatsprinzip angesehen worden – im Sinne eines regulativen Hinweises auf die Sozialgebundenheit grundrechtlicher Freiheit.608 Dass Art. 20a GG und das Sozialstaatsprinzip jeweils als Staatszielbestimmung ausgestaltet sind, legt nahe, entsprechendes auch im Hinblick auf Art. 20a GG anzunehmen.609 Freilich führt hier wie da die inhaltliche Offenheit dieser Verfassungsnormen dazu, dass konkrete Pflichten nicht abgeleitet werden können, vielmehr der Gesetzgeber zur Konkretisierung aufgerufen ist. Vor allem aber richtet sich Art. 20a GG nicht an Private: Staatszielbestimmungen wenden sich an die staatlichen Organe, nicht an Grundrechtsberechtigte. 610 Verantwortliche Grundrechtsausübung ist – ebenso wenig wie ein inhaltlich determiniertes Grundrechtsverständnis – nicht von der Verfassung gefordert611, wird 605
606
607 608 609
610
611
Badura, DVBl. 1982, 861 [868]; Götz, in: VVDStRL 41 (1983), S. 7 [12]; vgl. auch Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 212 ff. Zur Herleitung Hofmann, in: VVDStRL 41 (1983), S. 42 [74 f.]. Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 306. Anders Führ, NuR 1998, 6 [8 f.], der abweichend von der h.M. auch gesetzlich festgelegte Verhaltenspflichten, mithin nicht nur verfassungsrechtliche, als Grundpflichten bezeichnet. Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 308. Badura, DVBl. 1982, 861 [869 f.]. In diese Richtung – „stillschweigend mitgeschriebene“ Grundpflichtenbegründung – vorsichtig Führ, NuR 1998, 6 [10]. Er entfaltet auch keine Drittwirkung: Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20a, Rn. 66. Winkler, Kollisionen, S. 219 f. Allgemein zu den Grundpflichten Badura, DVBl. 1982, 861 ff.; Bethge, JA 1985, 249 ff.; Hofmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 114; Luchterhandt, Grundpflichten.
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
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aber erwartet.612 Auch die Ansicht, grundrechtlich geschützte Freiheit sei nur die Freiheit der Person zu vernünftigem Handeln, ist nicht haltbar: Ein Bestehen auf solcherlei Verantwortung des Grundrechtsträgers suggeriert seine Inpflichtnahme für Zwecke der staatlichen Gemeinschaft.613 Der normativ nicht abschließend zu bestimmende, mithin nur verfassungsethische Gemeinwohlmaßstab ändert nichts am umfassenden tatbestandlichen Schutz des freien Grundrechtsbeliebens.614 Die Verantwortungsdimension der Grundrechte ist im verfassungsrechtlichen Sinne eine „lex imperfecta“, die nicht verfassungsunmittelbar, sondern nur über die Rechtsordnung vermittelt wirkt.615 Das Grundgesetz setzt dennoch darauf, dass Grundrechtsträger die Interessen der gesamten staatlichen Gemeinschaft, insbesondere aber die anderer Grundrechtsträger, bei ihrer Grundrechtsausübung beachten. Hiermit sind allerdings allenfalls mittelbare rechtliche Konsequenzen für den Grundrechtsträger und damit auch für den Eigentümer verbunden. So hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in der Brokdorf-Entscheidung616 eine Rücksichtnahmepflicht in Bezug auf die Interessen anderer Grundrechtsträger angenommen. Danach soll die Pflicht, bei Grundrechtsausübung die Beeinträchtigung von Drittinteressen zu minimalisieren, schon unmittelbar aus der Grundrechtsgewährleistung und der Notwendigkeit der Abstimmung auf die Grundrechte anderer folgen und durch die Gemeinschaftsbezogenheit der Grundrechtsausübung und die Verursacherverantwortung gerechtfertigt sein. „Auch ohne eine gesetzgeberische Präzisierung“ tue der Grundrechtsträger „gut daran“, die Minimalisierungsanforderung „möglichst von sich aus zu berücksichtigen“, denn: je mehr er dies tue, „desto höher rücke die Schwelle“ für ein hoheitliches Eingreifen. Hier zeigt sich auch die mittelbare Wirkung: Ein Verhalten unter Beachtung dieser Rücksichtnahmepflichten erübrigt unter Umständen staatliches Eingreifen.617 bb) Art. 14 Abs. 2 GG als Verfassungserwartung Art. 14 Abs. 2 GG wird nicht nur als immanente Begrenzung des eigentumsgrundrechtlichen Schutzbereiches instrumentalisiert618, sondern darüber hinaus auch als Schranke der Eigentümerfreiheit angesehen. Unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG – „Eigentum verpflichtet“ – wird Art. 14 GG als „Prototyp“ für die verfassungsrechtliche Pflichtgebundenheit eines Freiheitsrechts angesehen:
612 613 614 615
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618
Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [189 f.]. Sachs, DVBl. 1995, 873 [891 f.]; Winkler, Kollisionen, S. 219. Sachs, DVBl. 1995, 873 [889]. Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 213 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 1025, 1043 ff. Grundlegend Isensee, DÖV 1982, 609 ff. BVerfGE 69, 315 [356]. Führ, Eigen-Verantwortung, S. 122, zur damit einhergehenden Appellfunktion S. 192 ff. Hinsichtlich Grundlage und Funktion geht ders. von einer weitgehenden Übereinstimmung von Grundpflichten und Rücksichtnahmegebot aus, S. 208. Vgl. dazu bereits S. 74 ff.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Als Grundpflicht verpflichte er den Eigentümer unmittelbar619, ohne jedoch in dieser Funktion erzwingbar zu sein, aber auch die lex imperfecta sei lex.620 Diese Ansicht verkennt, dass die Sozialpflichtigkeit des Art. 14 Abs. 2 GG keine dem Eigentum „immanente“ Schranke ist, die der Verfassungsgeber gezogen hat. Sie bedarf der gesetzgeberischen Konstituierung.621 Die Verfassungsaussage „Eigentum verpflichtet“ ist viel zu wenig konkret, um den Einzelnen unmittelbar verpflichten zu können.622 Dies verkennen die Vertreter der genannten Ansicht, die zu einem a priori pflichtgebundenen Eigentum führt und insoweit die Geltung eines den Gesetzgeber bindenden verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes ablehnt. Ein pflichtgebundener Eigentumsbegriff stellt die Verfassung in Ansehung der Eigentumsgarantie aber unter das einfache Gesetz, weil der Gesetzgeber zum Herrn über das Eigentumsgrundrecht würde.623 Auch in rechtsstaatlicher Hinsicht ist diese Ansicht bedenklich, weil sie die Rechtfertigungsbedürftigkeit des Gesetzgebers vor den Freiheitsansprüchen des Eigentümers aufhebt.624 Das Bundesverfassungsgericht sprach zunächst von einer „dem Sacheigentum immanente(n) Sozialbindung ..., die sich auch ohne spezialgesetzliche Regelung unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG ergeben würde ...“625 bzw. die Norm beinhalte eine „Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers“626. Später stellte es dann aber ausdrücklich fest, die soziale Bindung des Eigentums bestimme der Gesetzgeber im Rahmen des Regelungsauftrages aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.627 Vor allem wäre es mit dem Regelungsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht vereinbar, wenn Richter gesetzesfrei Sozialpflichten des Eigentümers statuieren
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623 624 625 626
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Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, S. 341; Breuer, Bodennutzung, S. 42, der sich dann aber selbst widerspricht, wenn er meint, dass weder die Eigentumsgarantie aus sich heraus ein praktikables System subjektiver Rechte gewährleiste, noch die Sozialpflichtigkeit für sich allein ein durchgestaltetes System von Eigentümerpflichten schaffe; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 69; zuerst Dürig, JZ 1953, 193 [197]; Hofmann, in: Isensse/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 114, Rn. 18; Kimminich, JuS 1978, 217 [222]; ders., NuR 1979, 45 [46]; ders., in: Dolzer, BK, GG, Art. 14, Rn. 152 ff.; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn. 141; Stein, in: FS Gebhard Müller, S. 503 [523]; Wieland, in: Dreier, GG I, Art. 14, Rn. 90. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 69 m.w.N. Vgl. nur Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 297 f. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 201; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 306; Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 115, Rn. 172 ff.; Wolf, KritV 1997, 280 [300]. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [164]. Vgl. auch schon S. 64 ff. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [164]. BVerfGE 20, 351 [361]. BVerfGE 21, 73 [83], in der es aber gleichzeitig von Art. 14 Abs. 2 GG als Richtschnur für den Gesetzgeber ausgeht. BVerfGE 37, 132 [140]; 56, 249 [260]; ferner 21, 73 [83]; 58, 300 [338]; 70, 191 [200]; 95, 64 [84]. Zur Funktion des Art. 14 Abs. 2 GG als Richtschnur vgl. schon S. 118.
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
179
könnten.628 Dies wäre aber notwendige Konsequenz der genannten Ansicht. Es handelt sich bei dieser verfassungsrechtlichen Normierung der Gemeinwohlpflichtigkeit deshalb um eine allgemeine Grundrechtserwartung, um einen ethischen Appell.629 Auch wenn er keine unmittelbaren Eigentümerpflichten statuiert, trifft Art. 14 Abs. 2 GG eine Aussage über das von der Verfassung zugrunde gelegte Menschenbild, indem es die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne einer Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit630 speziell des Eigentümers zum Ausdruck bringt. Das Grundgesetz geht in 14 Abs. 2 GG nicht vom Primat der Duldungspflicht entschädigungsloser Sozialbindung des Eigentums aus, sondern es verankert dort die primäre Eigentümerverantwortung als Verfassungsgebot: Staatliche Eigentumsgestaltung hat den Bürger in erster Linie in seiner eigenen Verantwortung zu schützen und zu fördern, sie trägt Verantwortung im Sinne einer Autonomie- und Motivationsgarantie.631 Hier zeigen sich die Grundrechte (im Sinne der liberalen Grundrechtstheorie) als Normen der Kompetenzverteilung zwischen Individuen (Gesellschaft) und Staat, denn sie grenzen Bereiche der Zuständigkeit des Einzelnen vom Bereich herrschaftlich-politischer Verhaltensregulierung ab.632 Dies verdeutlicht – im vorgenannten Sinne – ganz besonders Art. 14 GG. Der Eigentümer kann unmittelbar aus Verfassungsrecht nicht für den Zustand der natürlichen Lebensgrundlagen verantwortlich gemacht werden, weil Mindestbedingung jeder Verantwortlichkeit ein eigenes kausales Verhalten ist.633 Zwar hat der Eigentümer das tatsächliche Potential, um im kausalen Sinne die natürlichen Lebensgrundlagen zu beeinflussen. Es ist aber kaum möglich, im komplexen Naturhaushalt diese eine ursächliche Handlung mit speziellen Auswirkungen zu verbinden. Der Eigentümer hat damit allenfalls mittelbar eine spezielle Verantwortlichkeit für das Schutzgut. Art. 14 Abs. 2 GG ist insoweit Anweisung für das 628
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Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 206; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 306; Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107 [115 f.]. Umfassend Thormann, Abstufungen, S. 132 ff. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 204. Gleichwohl könnte die Rechtsprechung den Art. 14 Abs. 2 GG mangels konkreter gesetzgeberischer Vorgaben einer unmittelbaren Anwendung im hier gemeinten Sinne zuführen. Darin wird eine gegenüber Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bestehende Eigenständigkeit des Art. 14 Abs. 2 GG gesehen, die in einem zwar eng begrenzten Umfang, aber dennoch unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber dem Einzelnen bedeuten kann, so Luchterhandt, Grundpflichten, S. 556. BVerfGE 33, 303 [334]. Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 73 f. Böckenförde, NJW 1974, 1529 [1530]. Anders im einfachen Recht: hier wird mit der Zustandsverantwortlichkeit lediglich an das Innehaben eines Rechts an einer Sache angeknüpft, wobei dem ursprünglich auch ein Verhalten zugrunde liegt. Völlig vom Kausalzusammenhang gelöst ist Verantwortlichkeit bei Inanspruchnahme eines Nichtstörers. Hier ist dann aber – aus verfassungsrechtlichen Gründen – eine Entschädigung zwingend, vgl. z.B. §§ 6, 67 PolG NRW i.V.m. §§ 39 ff. OBG.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Verhalten des Eigentümers; er kann von sich aus durch die Art und Weise des Eigentumsgebrauchs im verfassungsrechtlichen Sinne Gemeinwohl verwirklichen.634 Die Dienstbarmachung des Eigentums für das Gemeinwohl beginnt also nicht erst mit dem staatlichen Zugriff – der Staat hat vielmehr spontane Gemeinwohlverwirklichung zu berücksichtigen.635 Gleichwohl sind aufgrund der Einbettung jeglichen Grundeigentums in den Naturhaushalt die Möglichkeiten des Eigentümers gering, weil Einwirkungen naturgemäß nicht auf das Grundstück beschränkt bleiben und damit die Sphäre des Grundeigentümers verlassen wird. cc) Eigentumsgrundrecht und Eigentümerverantwortung Die von Isensee beschriebene „Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts könnte die Erwartung wecken, dass das Institut des Eigentums durch Umweltschutz nicht ernsthaft angetastet werden könne, denn, was auf der einen Seite als Eigentumspflichten vorgesehen werde, komme auf der anderen (auch) dem Eigentum wieder zugute. Doch Last und Gunst der Umweltmaßnahmen pendeln sich nicht von selbst zum Gleichgewicht ein. Der Grad an effektiver Freiheit ist nicht zuletzt eine Kompetenzfrage. Er hängt wesentlich davon ab, in welchem Maß die Realisierung des Umweltschutzes dem Staat oder den Privaten zukommt“.636 „Damit zeigt sich eine dritte ökologische Dimension des Eigentumsgrundrechts: nach der Grenze und nach der Pflichtenbasis staatlicher Maßnahmen des Umweltschutzes nun die Kompetenz für Maßnahmen des Eigentümers selbst. Das grundrechtlich gewährleistete Privateigentum erscheint nicht mehr als Quelle und nicht als Opfer der Umweltgefährdung, sondern als Grundlage, ihr zu begegnen. ... Die Eigentümerverantwortung präsentiert sich als Alternative zur staatlichen Umweltreglementierung“.637 Sich die Bedeutung der Eigentümerverantwortung bewusst zu machen, bedeutet auch, der Gefahr entgegenzuwirken, dass aufgrund der Ausdehnung staatlicher Aufgaben und Zuständigkeiten eine immer stärkere Zurückdrängung des Individuums aus dessen eigener Zuständigkeit erfolgt.638
c) Ergebnis Durch die Aufnahme des Art. 20a GG in das Grundgesetz ist dem Staat die Verantwortlichkeit für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zugewiesen worden. Durch diese Verlagerung insbesondere eingriffsintensiver Aufgabenbereiche auf den Staat kann es zu Auswirkungen auf das Staat-Bürger-Verhältnis kommen.639 Dies muss nach dem Gesagten nicht negativ beurteilt werden. Darin 634
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So z.B., wenn er gem. § 1 BWaldG die ordnungsgemäße Bewirtschaftung seines Waldes nachhaltig sichert. Elicker, NJW 2005, 2052 [2053]: d.h. auch, dass sozialnützliche Eigentumssubstanz aus verfassungsrechtlicher Sicht geschont werden muss als Umkehrschluss aus der stärkeren Inanspruchnahme von sozialschädlichem, gefährlichem Eigentum. Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie, S. 3 [17]. Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie, S. 3 [18]. Vgl. dazu Volkmann, JZ 2004, 696 [699]. Grundlegend zum Wandel der Staatsaufgaben Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, S. 613 ff. So die Prognose von Michel, Staatszwecke, S. 336.
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
181
liegt zunächst die Anerkennung der Tatsache, dass bei der zu bewältigenden Aufgabe der Erhaltung der ökologischen Existenzbedingungen des Menschen der Einzelne für sich gesehen kaum wirksame Einwirkungsmöglichkeiten hat. Gleichzeitig hält das Grundgesetz mit der Eigentümerverantwortung dem Eigentümer einen Freiheitsraum bereit, indem er selbst zu dieser globalen Aufgabe beitragen kann und verpflichtet den Staat, diese Wirkungsmöglichkeiten des Eigentümers zu beachten. Wie beide Verantwortungsbereiche aufeinander bezogen bzw. voneinander abzugrenzen sind, wird im Folgenden zu erörtern sein. Aus der Verantwortung als solcher lassen sich jedenfalls keine normativen Schlussfolgerungen ziehen.640 Individuelle Pflichtenbindungen lassen sich sowohl im Rahmen des Eigentumsgrundrechts als auch des Art. 20a GG als Gesetzgebungsauftrag und Staatszielbestimmung erst durch den einfachen Gesetzgeber statuieren.641
3. Verknüpfung der Verantwortungsebenen: Eigentümer und Staat als Umweltschutzakteure a) Verfassungsrechtliche Problematik geteilter Verantwortung Art. 14 GG enthält nicht nur verfassungsrechtliche Wirkmöglichkeiten des Eigentümers. Er repräsentiert auch die allgemeine Aussage der Grundrechte, dass Staats- und Bürgersphäre in einem fundamentalen Sinne als getrennt vorausgesetzt sind.642 Eine solche Distanz ist geradezu Voraussetzung von Freiheit.643 Grundrechte haben ihre Bedeutung primär in der Sicherung der Distanz von Staat und Gesellschaft – sie nehmen die strukturelle Besonderheit des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft auf der einen sowie der Staatsgewalt auf der anderen Seite auf.644
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So auch Führ, Eigen-Verantwortung, S. 50. Damit erweisen sich die Verfassungstechniken für eine selbständige Grundpflicht – ein im Grundrecht angesiedelter Pflichtenvorbehalt oder eine Staatszielbestimmung – als austauschbare Werkzeuge des Verfassungsgebers: Badura, DVBl. 1982, 861 [872]. Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, das dem hier gestellten Problem zugrunde liegt, ist im Detail höchst umstritten, vgl. dazu Depenheuer, in: Zöller, Betreuungsstaat, S. 19 ff.; Di Fabio, in: VVDStRL 56 (1997), S. 235 [253]. Zu der vom GG vorausgesetzten Unterscheidung von Staat und Gesellschaft vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, I Rn. 45, II Rn. 25 und Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 115, Rn. 131. Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 [1157]. Krings, Grund und Grenzen, S. 99. Insbesondere die ausdehnende Anerkennung von Schutzpflichten – vgl. dazu bereits S. 137 ff. – führt zur Negierung dieser Funktion und damit zu einer Aufweichung der Trennung von Staat und Gesellschaft: Ladeur, Kritik der Abwägung, S. 47. Gerade für das Eigentumsgrundrecht kann dies in besonderem Maße ein ausuferndes staatliches Auftreten auf Kosten des Eigentümers bedeuten, dessen eigene Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird.
182
C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Gleichwohl beinhaltet dies nicht eine strikte Trennung im Sinne einer Beziehungslosigkeit oder Unverbundenheit zwischen beiden.645 Vielmehr zeigt sich mit der Verantwortungsteilung ein Modus der Problembewältigung auf, dem es um planmäßige und gesetzesgeleitete eigenverantwortliche Beteiligung gesellschaftlicher Kräfte bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben geht.646 Grundrechte stehen einer Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft nicht grundsätzlich im Wege, können vielmehr umgekehrt sogar Kooperationspflichten enthalten, wenn für einen bestimmten Lebensbereich gemeinsame Verantwortlichkeiten bestehen.647 Dies ist für das Eigentum der Fall: Der Staat besitzt gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den Auftrag, Vorschriften für das Funktionieren der Eigentumsordnung zu schaffen, während dem Eigentümer aus dem Eigentumsgrundrecht die Möglichkeit erwächst, selbst Maßnahmen zum Schutz seines Eigentums zu treffen. Wenn Art. 20a GG die Zentrierung der Schutzverpflichtung für die natürlichen Lebensgrundlagen auf den Staat nahe legt, bedeutet dies nicht, dass sich das Grundgesetz von der Annahme verabschiede, Umweltschutz sei eine gemeinschaftliche Aufgabe von Staat und Gesellschaft.648 Denn Art. 20a GG enthält keinen Auftrag zur Selbstvornahme.649 Dies ist Ausfluss der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, weil die Adressierung einer Aufgabe an den Staat durch eine Staatszielbestimmung dem Staat die freie Formenwahl gestattet; sie sagt nichts darüber, wie er den Auftrag erfüllt, sondern verpflichtet ihn allein zur Bewirkung eines bestimmten Erfolges.650 Ob er selbst tätig wird oder die Aufgabe weitergibt, ist von Art. 20a GG nicht festgelegt. Die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG führt insoweit dogmatisch zur Anerkennung der Interessenparallelität von Bürger und Staat auf höchster Normebene, weil sich Staatszielbestimmungen jedenfalls auch an den Bürger der Demokratie wenden und sie im untrennbaren Zusammenhang mit dem (klassischen) Grundrechtskatalog stehend, „Grundrechts-Inhalte als Staatsorganisationsnormen bringen“.651 Weder Art. 14 GG noch Art. 20a GG sperren sich mithin gegen ein Zusammenwirken von Staat und Eigentümer zum Schutz der natürlichen Lebensgrundla645 646 647
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Ausführlich zum Ganzen Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 219. Voßkuhle, in: Schuppert, Privatisierung, S. 47 [49]. Kirchhof, Verwalten, S. 176: die Mitverantwortlichkeit des Staates wird im Bereich des Eigentumsgrundrechts insbesondere daran deutlich, dass die verbindliche Verfügung über Eigentum erst durch eine Rechtsordnung möglich ist bzw. Eigentum erst nach staatlicher Hilfe zur Vermögensbildung erworben werden kann. Kritisch Pietzcker, JZ 1985, 209: Geteilte Verantwortung ist unklare Verantwortung. Zum Begriff der Verantwortungsteilung Trute, in: Schuppert, Privatisierung, S. 13 ff. Zur Privatisierung als besonderer Form der Verantwortungsteilung Sanden, in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 87 ff. Berg, in: FS Stern, S. 421 [438]; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20a, Rn. 66: vielmehr wird die staatliche Letztverantwortung hervorgehoben; Kloepfer, DVBl. 1996, 73 [74]; Wolf, KritV 1997, 280 [305]. Sanden, in: Brandt/Smeddinck, Grundgesetz und Umweltschutz, S. 87 [97]. S. dazu schon ausführlich S. 33 ff. und S. 43 ff. Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 42.
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
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gen. Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass im Rahmen der gemeinsamen Umweltverantwortung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft der Ausgleich zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichen Bedürfnissen jeweils unter Mitwirkung der Betroffenen gefunden werden soll. 652 Gleichwohl gibt es verfassungsrechtliche Grenzen, die aus der grundsätzlichen Trennung der staatlichen von der Bürgersphäre folgen. Zwar spricht auch aus rechtsstaatlicher Sicht jedenfalls nichts gegen eine Verantwortungsteilung als solche.653 „Wenn der Rechtsstaat die für die individuelle Existenz unentbehrliche Ordnung schafft, gestaltet und gewährleistet, so schließt er ´freiheitliche Selbstentfaltung und Selbstgestaltung nicht aus, sondern ein´“.654 Deshalb bedarf es aber einer „rechtsstaatlichen Formung“ von Verantwortungskonstellationen und muss das Rechtsstaatsprinzip der gemäß Art. 20a GG grundsätzlich zulässigen Kooperation Grenzen setzen.655 Auch das Demokratieprinzip656, das Gleichheitsprinzip sowie Art. 20a GG selbst – als Norm staatlicher Letztverantwortung – kommen als Grenzen geteilter Verantwortung in Betracht. So gibt es gerade in grundrechtssensiblen Bereichen Grenzen für den (Teil-)Rückzug des Staates. Hier bedarf es verfassungsrechtlich einer Gewährleistungsverantwortung in Gestalt von Aufsichtsbefugnissen, die tatsächlich wahrgenommen werden müssen.657
b) Verfassungsrechtliche Determinanten für das Zusammenwirken von Eigentümer und Staat aa) Recht und Pflicht des Staates, dem Eigentümer Umweltschutzmaßnahmen aufzubürden Die Übertragung von Umweltschutzaufgaben an Private hat grundrechtliche Grenzen. Außerhalb des Eigentumsgrundrechts sind hier insbesondere die grundrechtlichen Schutzpflichten für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit von Grundrechtsträgern bedeutsam. In diesem Kernbereich darf der Staat die ihm verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben in ihrer Wahrnehmung nicht dem
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BVerfGE 98, 106 [121]. Ausführlich Trute, in: Schuppert, Privatisierung, S. 31 ff. Verschiedene Verantwortungskonstellationen hat das BVerfG geschaffen: Eine Mitverantwortung des Staates gibt es im Kernenergierecht. Diese komme ihm wegen seines finanziellen Engagements und der gesetzlichen Ermöglichung zu. Rechtsfolge ist, dass nicht weniger strenge Maßstäbe für die verfassungsrechtliche Beurteilung von Genehmigungen für Kernkraftwerke gölten, als bei staatlichen Eingriffsgesetzen (BVerfGE 53, 30 [57 f.]). Das Problem verbleibender Verantwortung des Staates wird für Bereiche diskutiert, in denen der Staat privatisiert oder jedenfalls Aufgaben überträgt. Zu finden sind hier – je nach Materie und abhängig vom Risikopotential – Begriffe wie Erfüllungs-, Gewährleistungs- und Auffangverantwortung, vgl. dazu Stoll, Sicherheit, S. 416 f. Trute, DVBl. 1996, 950 [956]. Kirchhof, Verwalten, S. 181. Kirchhof, Verwalten, S. 180; Trute, DVBl. 1996, 950 [956]. Vgl. auch Rengeling, Das Kooperationsprinzip, S. 82. Vgl. dazu Voßkuhle, in: Schuppert, Privatisierung, S. 47 [64 ff.]. Di Fabio, in: VVDStRL 56 (1997), S. 235 [262].
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Bürger überlassen.658 Dies gilt zum Beispiel für den Regelungsbereich der Kernenergie. Mit der Genehmigung eines Kernkraftwerkes übernimmt der Staat die Mitverantwortung über das in diesem verkörperte außerordentliche Gefährdungspotential für die Integrität Dritter, die diesbezüglich keine Beeinflussungs- oder Ausweichmöglichkeiten haben.659 Ein Zurückziehen des Staates aus der Überwachung der potentiellen Gefahren der Kernenergie wäre mit seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren. Auch das Eigentumsgrundrecht markiert Grenzen für den Staat, wenn er umweltschützende Maßnahmen dem Grundeigentümer auferlegen will. (1) Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Gesetzgebers gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Das Recht des Staates, dem Eigentümer Umweltschutzmaßnahmen zu überbürden und damit das Eigentümerrecht einzuschränken, ergibt sich aus seinem Gestaltungsauftrag gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Danach kann er nicht nur selbst Umweltschutzmaßnahmen ergreifen und den Eigentümer zur Duldung verpflichten. Er kann vielmehr auch dem Eigentümer selbst die Durchführung von umweltschützenden Maßnahmen auferlegen. Gleichzeitig gibt das Eigentumsgrundrecht die Grenzen vor, die der Staat hierbei zu beachten hat.660 Die Verlagerung von Erfüllungslasten durch den Staat auf die Gesellschaft ist demnach rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff und nicht deklaratorische Bestätigung von – in die Verfassung hineininterpretierten – Verantwortungszurechnungen, was Art. 20a GG im Bereich des Umweltschutzes klarstellt.661 Die Staatsentlastung darf bei der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs dabei nicht im Vordergrund stehen. Sie allein reicht als Rechtfertigungsgrund nicht aus: Öffentlicher Zweck und Grund von Eigenverantwortung müssen vielmehr im engen sachlichen Zusammenhang stehen.662 (2) Das Verursacherprinzip Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, den Eigentümer zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen heranzuziehen, scheint schwerer vorstellbar. Mit der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sowohl bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe aus Art. 20a GG als auch bei seinem Regelungsauftrag aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG lässt sich eine solche nur eingeschränkt vereinbaren. Gleichwohl ist der Versuch unternommen worden, und zwar in Gestalt des Verursacherprinzips als Kostenzurechnungsprinzip. Sieht man das Verursacher658
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Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, S. 39 [50], der diese Aussage auch auf das Eigentum überträgt. Dies widerspricht dem Ergebnis vorliegender Untersuchung unter II., weil Schutzpflichten aus Art. 14 gänzlich abzulehnen sind. Vgl. auch Murswiek, JZ 1988, 985 [987]. BVerfGE 53, 30 [58]. Vgl. hierzu ausführlich S. 92 ff. und S. 106 ff. Di Fabio, in: VVDStRL 56 (1997), S. 235 [258]. Ossenbühl, in: VVDStRL 29 (1971), S. 137 [181]: weil damit in der Regel Sonderbelastung einzelner oder einzelner Gruppen einhergehen.
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
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prinzip als verfassungsrechtlich niedergelegt an663, so wäre der Staat zur Heranziehung des Eigentümers jedenfalls als Kostenschuldner verpflichtet. Denn nur durch Auferlegung der durch Umweltinanspruchnahme entstehenden Kosten auf den Verursacher käme der Staat seiner verfassungsrechtlichen Pflicht nach, das Verursacherprinzip umzusetzen. Mittelbar lässt sich darüber effektiv der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen betreiben. Um den Kosten zu entgehen, wird sicher die ein oder andere Umweltbeeinträchtigung vermieden. Ohne weiteres lässt sich das Verursacherprinzip aber nicht aus dem Grundgesetz ableiten. Ein Begründungsansatz geht davon aus, dass aus Art. 20a GG für den Staat das Verbot der Förderung von Umweltbeeinträchtigungen folge, was sich notwendig aus dem Bestehen der Schutzpflicht bezüglich der natürlichen Lebensgrundlagen ergebe.664 Daraus sei weiter abzuleiten, dass Art. 20a GG die Verwirklichung des Verursacherprinzips als Kostenzurechnungsprinzip verfassungsrechtlich fordere.665 Eine unzulässige Förderung von Umweltbeeinträchtigungen liege nämlich darin, dass der Staat die Inanspruchnahme von Umweltgütern subventioniere. Dies tue er, wenn er den Verursachern von Umweltbeeinträchtigungen nicht die damit verbundenen Folgekosten anlaste. Das sonst geltende Gemeinlastprinzip sei in diesem Zusammenhang grundsätzlich verfassungswidrig, seine Geltung nur dann gerechtfertigt, wenn sich das Verursacherprinzip aus tatsächlichen Gründen nicht verwirklichen lasse. Argumentativ unterstützend für diese Ansicht ließe sich auch Art. 3 GG heranziehen: Gleicher Zugang zu Umweltgütern für alle Menschen würde zwingend die Umsetzung des Verursacherprinzips verlangen. Gegen eine derartige Ansiedlung des Verursacherprinzips in Art. 20a GG spricht, dass sie dessen Aussagekraft überdehnt und die Grenzen zulässiger verfassungsrechtlicher Interpretation sprengt. Aus der bloßen in Art. 20a GG niedergelegten Schutzverpflichtung geht nicht hervor, wie der Staat diese zu erfüllen hat. Deshalb geht eine solche Interpretation zu weit. Selbst die als Ausgangspunkt genommene Feststellung, Art. 20a GG enthalte ein Verbot der Förderung von Umweltbeeinträchtigungen, lässt sich kaum halten. Es fragt sich nämlich, welches Verhalten als Förderung zu verstehen wäre, unter Umständen zählte dazu sogar das Gewährenlassen. Weil sich die Inanspruchnahme der natürlichen Lebensgrundlagen als Ausübung grundrechtlicher Freiheit darstellen lässt666, ist der Staat nämlich umgekehrt sogar gezwungen, dies in gewissem Umfang zuzulassen. Des Weiteren folgt aus dem Bestehen der Schutzpflicht nicht notwendig das Förderungsverbot, weil die Belastung an einer Stelle durch Kompensation an anderer wieder ausgeglichen werden könnte. Außerdem ist die praktische Umsetzung dieser These unmöglich, ergäben sich doch Verfassungswidrigkeitsfolgen unüber-
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So jüngst Ekardt, UTR Band 90, S. 63 [66, 76 ff.]: der Staat muss dem Einzelnen eine Einstandspflicht für Folgen seiner frei gewählten Handlungen auferlegen. Murswiek, in: Gesellschaft für Umweltrecht, S. 40 [57]. Murswiek, in: Gesellschaft für Umweltrecht, S. 40 [58]. Vgl. auch die Begründung dess. in: Sachs, GG, Art. 20a, Rn. 34 f. Vgl. bereits S. 62 ff.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
sehbarer Dimension.667 Aufschlussreich erscheint auch eine Gegenüberstellung mit der Gegenthese, Art. 20a GG setze das Gemeinlastprinzip voraus, weil für Schäden und Risiken, deren Ursachen nicht oder noch nicht nachweisbar seien, die Allgemeinheit einzustehen habe. Diese lässt sich ebenso wenig widerlegen wie verfassungsrechtlich fundiert begründen. Zusammenfassend ist deshalb eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, den Eigentümer zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Anspruch zu nehmen, abzulehnen,668 weil dies mit dem Gestaltungsspielraum, den das Grundgesetz dem Gesetzgeber mit Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 20a GG einräumt, unvereinbar wäre. bb) Freiheit des Eigentümers zum Betreiben von Umweltschutz Über das aus Art. 14 Abs. 2 GG herleitbare Recht des Eigentümers hinaus, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu betreiben, kommen auch noch das Subsidiaritätsprinzip sowie eine verfassungsrechtliche Kooperationspflicht des Staates in Betracht, wenn es um die Freiheit des Eigentümers zum Betreiben von Umweltschutz geht. (1) Der Subsidiaritätsgedanke Der allgemeine Gedanke der Subsidiarität669 – Aufgabenwahrnehmung durch die jeweils kleinste Einheit – bedeutet übertragen auf den vorliegenden Zusammenhang, dass der Eigentümer Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für sein Grundeigentum selbst betreibt. Auch wenn die Verfassung die Ordnungsentscheidung für die Subsidiarität getroffen hat, gibt es unter dem Grundgesetz kein allgemeines Subsidiaritätsprinzip, das zur Lösung einzelner „Kompetenzkonflikte“ taugen könnte.670 Vielmehr wird der Gedanke als in den einzelnen Grundrechten verankert und seine Funktion als durch andere Direktiven miterfüllt angesehen. Dies findet sich insbesondere bei einem Blick auf das Eigentumsgrundrecht bestätigt. Art. 14 Abs. 2 GG enthält eine eigentumsgrundrechtliche Subsidiaritätsklausel671: In erster Linie obliegt es dem Eigentümer, durch seine Eigentumsnutzung auch die Interessen der Allgemeinheit zu wahren. Solange der Privateigentümer in diesem Sinne verantwortlich mit seinem Eigentum verfährt, besteht für staatliche Eigentumseingriffe ein besonderer Rechtfertigungsbedarf. Denn in diesem Fall stehen nicht Eigentümer- und Umweltschutzinteressen gegeneinander, sondern konkurrieren zwei äquivalente Gemeinwohlkonzeptionen miteinander: die des Eigentümers auf grundrechtlicher und die des Staates auf demokratischer 667
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Gaentzsch, in: Gesellschaft für Umweltrecht, S. 96 [100], in Zusammenfassung der Diskussion von Murswieks Referat. Ebenso Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, S. 39 [50], der es im Einzelfall allerdings für möglich hält, dass sich im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Grundrechten eine solche Pflicht ergeben kann. Vgl. dazu grundlegend Isensee, Subsidiaritätsprinzip. Vgl. dazu nur Isensee, Subsidiaritätsprinzip, insb. S. 318, 220 ff. Das BVerfG hat in E 58, 233 [253] offen gelassen, ob ihm Verfassungsrang zukommt. Vgl. bereits S. 175.
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
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Legitimationsbasis.672 Verfassungsrechtlich ist der Subsidiaritätsgedanke bezogen auf die vorliegende Problemlage allein im Eigentumsgrundrecht verankert und gibt nicht als allgemeine Vorgabe darüber hinaus weitere Direktiven für den Staat. Auch aus Art. 20a GG lässt sich insoweit nichts anderes entnehmen, denn er enthält kein allgemeines Subsidiaritätsprinzip.673 Ihm lässt sich aber auch kein Plädoyer gegen den Subsidiaritätsgedanken entnehmen. Seiner Einbettung in die Verfassungsordnung entsprechend gilt es zu berücksichtigen, dass es im Interesse der Freiheit des Eigentümers liegt, dass er trotz staatlichen Schutzes möglichst weit reichende Steuerungsmöglichkeiten behält.674 Der verfassungsrechtlich vom Staat geforderte Schutz muss deshalb dort enden, wo der Betroffene in der Lage ist, sich der Beeinträchtigung selbst zur Wehr zu setzen oder zu entziehen.675 Dementsprechend kommt der Subsidiaritätsgedanke im Rahmen der Grundrechtsbindung des umweltschützenden Gesetzgebers über das jeweilig betroffene Grundrecht zur Geltung. Die dem Eigentümer durch Art. 14 GG zugewiesenen Rechte in Bezug auf sein Grundeigentum sind vor staatlichem Zugriff nicht gefeit, die Aufhebung dieser ist eine Eingriffsform in den Schutzbereich des Art. 14 GG, geschieht mithin durch Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums.676 Der Gedanke der Subsidiarität staatlichen Handelns hat dabei über das Merkmal der Erforderlichkeit bzw. das Übermaßverbot im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffes durch den Gesetzgeber mit einzufließen.677 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Intensität staatlich gebotenen Schutzes mit abnehmender Selbsthilfemöglichkeit steigt678, dem Eigentümer Maßnahmen der Eigensicherung aufzugeben – im Gegensatz zum Schutz durch den Staat – aber beispielsweise der schonendere Eingriff in das Abwehrrecht sein kann. 679 Letztlich stellt sich die Frage nach dem zumutbaren Maß an Selbsthilfe und Eigenverantwortlichkeit für jeden Sachbereich separat und muss insoweit auch gesondert festgelegt werden.680 672
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Zum Vorstehenden Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 205 und Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 115, Rn. 175. Waechter, NuR 1996, 321 [322]. So im Grundsatz auch Krings, Grund und Grenzen, S. 280. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz, S. 245. Vgl. dazu Sieckmann, Modelle, S. 277. Als Beispiele der Aufhebung von Eigentümerkompetenzen nennt er die Erforderlichkeit einer Grundstücksverkehrsgenehmigung (wegen der Abhängigkeit von der Zustimmung der Behörden), die Aufhebung von Abwehrrechten gegenüber Dritten (BVerfGE 72, 66 ff.) sowie Enteignungen, weil das Verfügungsrecht beseitigt wird. Denninger, Normsetzung, S. 125; Waechter, NuR 1996, 321 [322]. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz, S. 246. In Anknüpfung an die obige Problemstellung des Verhältnisses von Abwehr- und Schutzdimension des Eigentumsgrundrechts Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 115, Rn. 142. Zu Begriffsklärung und verfassungsrechtlichen Problemen von Eigensicherungsmaßnahmen Ossenbühl, Eigensicherung, S. 17 ff., 52 ff. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz, S. 245. Zur Frage des Verhältnisses von privatem Schutz zu staatlichen Handlungspflichten aus Grundrechten vgl. Krings, Grund und Grenzen, S. 281, der die Herabsetzung staatlicher Pflichten ablehnt. Allein die Mög-
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips und damit die Überlassung der Umweltschutzaufgabe an den Eigentümer findet dort ihre verfassungsrechtliche Grenze, wo der Schutzauftrag des Art. 20a GG durch Maßnahmen des Eigentümers konterkariert wird. Insoweit darf der Gesetzgeber nicht ohne weiteres auf die Wirkung des Appells aus Art. 14 Abs. 2 GG vertrauen; er muss vielmehr die rechtlichen Rahmenbedingungen bereitstellen und intervenieren, wo die spontane Leistung den Erfordernissen des Gemeinwohls nicht genügt.681 Dazu gehört auch, dass er die tatsächlichen Auswirkungen von Eigentümerverhalten im Blick behält und gegebenenfalls nachsteuert.682 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass der in Erfüllung des Auftrages aus Art. 20a GG handelnde Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG den Subsidiaritätsgedanken im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen zu beachten hat. (2) Verfassungsrechtliche Kooperationspflicht des Staates (a) Kooperation als verfassungsrechtliche Vorgabe Inhalt des Kooperationsprinzips ist die Aufgabenwahrnehmung durch Staat und Gesellschaft unter Anerkennung dessen, dass ein Zusammenwirken aller betroffenen Kräfte erforderlich ist.683 Das Kooperationsprinzip als Folge des Verantwortungsprinzips wird dem Dogma der Trennung von Staat und Gesellschaft entgegengesetzt.684 In ihm kommt ein allgemeiner, nicht zwingend umweltspezifischer Gedanke zum Ausdruck. Auch das Bundesverfassungsgericht verschließt sich dem Gedanken der Kooperation nicht: „Das Zusammenwirken von öffentlicher und privater Hand betont die gemeinsame Verantwortung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, die von Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur die Beachtung des Rechts fordert ...“.685 Das Grundgesetz selbst trifft zu einer kooperativen Aufgabenerfüllung durch den Staat – jedenfalls ausdrücklich – keine Aussage. Dementsprechend wird die Qualität des Kooperationsprinzips als Rechtsprinzip angezweifelt686 und dessen
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lichkeit zum Selbstschutz soll die Intensität und Qualität staatlichen Schutzhandelns beeinflussen, nicht der tatsächlich erfolgende Selbstschutz. Letzterer befürwortet das Subsidiaritätsprinzip als Auswahlkriterium für Schutzinstrumente bei grundrechtlichen Schutzpflichten, a.a.O. S. 278 ff. Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR V, 2. Aufl., § 115, Rn. 175. Führ, Eigen-Verantwortung, S. 194. Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rn. 56; Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Kap. Rn. 18; Huber, DVBl. 1999, 489. Vgl. auch Depenheuer, in: Huber, Kooperationsprinzip, S. 17 ff.; Rengeling, Das Kooperationsprinzip, S. 13 und allgemein zu Formen von Kooperation a.a.O. S. 58 ff. Kritisch zum Kooperationsprinzip als politischem und rechtlichem Prinzip Murswiek, ZUR 2001, 7 ff. Michael, Rechtsetzende Gewalt, S. 315. BVerfGE 98, 106 [121] – kommunale Verpackungssteuer; vgl. auch BVerfGE 98, 83 – landesrechtliche Abfallabgabe. Murswiek, ZUR 2001, 7 [12 f.]. Kloepfer, DVBl. 1996, 73 [74], sieht es allerdings als Grundprinzip der Umweltpolitik an. A.A., ausdrücklich für Qualität als Rechtsprinzip: Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 [1156 f.].
III. Verantwortung für Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen
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Verfassungsrang mehrheitlich abgelehnt.687 Gleichwohl erlauben und verlangen Staatszielbestimmungen und Grundrechte Kooperation, setzen ihr aber auch Grenzen.688 Insbesondere der allgemeine aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Gesetzesvorbehalt und grundrechtliche Gesetzesvorbehalte sowie rechtsstaatliche Gebote wie Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und die Wettbewerbsneutralität des Staates stellen solche Grenzen kooperativen Umweltschutzes dar.689 Problematisch an Kooperation ist des Weiteren, dass der Staat das Gemeinwohl zu sichern hat, das institutionelle Geflecht, das staatliche Aufgabenerfüllung in Bezug auf das Gemeinwohl sichert, aber durch sie aus den Fugen geraten kann; die klare Kompetenzordnung der staatlichen Verwaltungsorganisation wird verlassen, Verantwortlichkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns werden undurchsichtig.690 Art. 20a GG enthält nach überwiegender Meinung keinen Anhaltspunkt für die verfassungsrechtliche Niederlegung des Kooperationsprinzips, denn er legt den Staat nur auf das Ziel, nicht aber bei der Wahl der zu ergreifenden Mittel fest.691 Er beinhaltet weder ein generelles Verbot des Erlasses ordnungsrechtlicher Maßnahmen noch zwingt er zur Ergreifung kooperativer Maßnahmen, verschließt sich deren Zulässigkeit aber auch nicht.692 Ein Zwang zur Kooperation besteht mithin verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht.693 (b) Kooperation zwischen Staat und Eigentümer Für das Verhältnis von Staat und Eigentümer könnte die Frage nach einer Kooperationspflicht möglicherweise anders beantwortet werden, findet sich mit Art. 14 GG – insbesondere dessen Abs. 2 – doch die einzige Norm im Grundgesetz, die ausdrücklich einen Grundrechtsträger als Verantwortlichen benennt. Tatsächlich wird erwogen, das Kooperationsprinzip an Art. 14 Abs. 2 GG anzubinden.694 Eine eingehende Begründung dafür wird aber nicht gegeben. Sie lässt sich auch nicht finden, denn für das Verhältnis von Grundeigentums- und Schutz der natürlichen 687
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Gusy, ZUR 2001, 1 [5]: Kooperationsverhältnisse sind gesetzlich begründungs- und ausgestaltungsbedürftig. Siehe auch Murswiek, ZUR 2001, 7 [12 f.]. Rengeling, Das Kooperationsprinzip, S. V. Insbesondere können sich Verhaltensweisen von Grundrechtsträgern im Rahmen von Kooperation als Ausübung grundrechtlicher Freiheit darstellen, Kirchhof, Verwalten, S. 208. Zur „Kooperationsfunktion der Grundrechte“ im Leistungsrecht vgl. Hill, in: VVDStRL 47 (1988), S. 172 [194]. Vgl. Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 [1157]; Rengeling, Das Kooperationsprinzip, S. 84 f. Trute, UTR Band 48, S. 13 [20], der vor allem anzweifelt, ob die staatliche Letztverantwortung als Sicherung der Gemeinwohlerfüllung ausreicht. Murswiek, ZUR 2001, 7 [12], der dies aber für Verursacher- und Vorsorgeprinzip anders sieht, weil die Orientierung an diesen Prinzipien für einen effektiven Umweltschutz unerlässlich sei; Sommermann, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 20a, Rn. 13; Waechter, NuR 1996, 321 [322]; Wolf, KritV 1997, 280 [305]. Gusy, ZUR 2001, 1 [5]. A.A. Koch/Laskowski, ZUR 1997, 182 [184], die es wegen Art. 20a GG ausschließen, dass der Schutzauftrag auf Private übertragen werden kann. Ausnahmsweise soll er dann bestehen, wenn sich durch Kooperation ein Rechtsproblem vollständig und auf Dauer lösen lässt, eine Prognose freilich, die im Einzelfall schwer zu treffen sein wird: Trute, UTR Band 48, S. 13 [18 in Fn. 23]. Waechter, NuR 1996, 321 [322].
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Lebensgrundlagen schließen Art. 14 GG und Art. 20a GG eine Kooperationspflicht des Staates aus. Der Staat ist auf das Gemeinwohl verpflichtet. Zu dessen Sicherung hat er von Art. 14 GG und Art. 20a GG einen Gestaltungsspielraum erhalten, der Kooperation ermöglicht, aber gerade nicht zwingend vorschreibt. Denkbar wäre allenfalls, dass der Staat mit den ihm eingeräumten verfassungsrechtlichen Mitteln die Wahrnehmung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen nicht ausreichend sichern kann. Dann kommt das Kooperationsprinzip als Grenze der Sozialgebundenheit in Betracht.695 Denn der Staat darf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu Lasten des Eigentums nicht beliebig weit betreiben. Stößt er an die Grenzen seiner Gestaltungsmacht bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums696, kann er dem weitergehenden Schutzauftrag aus Art. 20a GG nur durch Wahrnehmung von Kooperationschancen mit den jeweiligen Eigentümern nachkommen. Nur in diesem Sinne lässt sich von einer Art Kooperationspflicht des Staates aus verfassungsrechtlichen Gründen sprechen. Eine andere Frage ist, welchen Pflichten der Staat bei eingegangenen Kooperationsverhältnissen unterliegt. Dazu nimmt insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur kommunalen Verpackungssteuer Stellung. 697 Aus verfassungsrechtlichen Gründen bestehen insoweit Rechtspflichten gesetzgebender Instanzen, das Kooperationsverhältnis konterkarierende Maßnahmen solange zu unterlassen, wie das Kooperationsverhältnis währt. Dementsprechend steht dem im Kooperationsverhältnis stehenden Privatsubjekt ein Abwehranspruch gegenüber kooperationsfremden staatlichen Maßnahmen zu.698 (3) Verortung der Eigentümerverantwortung im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Lassen sich allgemeine verfassungsrechtliche Grundsätze wie das Subsidiaritätsund das Kooperationsprinzip für das Verhältnis staatlichen Umweltschutzes zur Eigentümerverantwortung nicht gewinnbringend fruchtbar machen, müssen andere geeignete Instrumente gefunden werden.699 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit drängt sich zur Problemlösung auf.700 Er gebietet dem Staat die Überprüfung seiner den Grundrechtsträger betreffenden Maßnahmen auf Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit. Er greift somit erst ein, wenn die Entscheidung des Staates für ein eigenes Handeln, hier: grundrechtseinschränkende Maßnahmen, schon getroffen ist. Die Entscheidung, ob er überhaupt selbst handelt (und hierzu die Kompetenz hat) oder ob der Eigentümer handeln darf/soll, ist dem
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So auch Huber, Politische Studien 1/2000, S. 45 [58]. Dazu ausführlich S. 106 ff. BVerfGE 98, 106 ff. Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 [1156]. Vgl. auch Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 366: Der grundrechtliche Rechtfertigungszwang sichert den Vorrang des privaten vor staatlichem Handeln; die Anforderungen der Grundrechte sind durchwegs konkreter und differenzierter. Dies ist schon angeklungen im Rahmen der Prüfung des Subsidiaritätsgedankens, vgl. unter (1).
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vorgelagert.701 Gleichwohl ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der richtige Ort, an dem der Staat die Eigentümerverantwortung zur Geltung bringen kann und muss. So, wie sich im Rahmen von Verwaltungsentscheidungen die Verwaltung unter Betätigung ihres Entschließungsermessens Gedanken darüber machen muss, ob sie tätig wird, hat der umweltschützende Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zu entscheiden, ob staatliche Maßnahmen überhaupt angezeigt sind. Dabei sind die verschiedenen Möglichkeiten des Gesetzgebers auszuloten und im jeweiligen Entscheidungsverfahren zu erwägen. Neben der Unterstützung der Eigentümerverantwortung durch ordnungsrechtlich begleitende Gesetzgebung bieten sich verschiedenste Kooperationsformen an.702 Dafür, dass staatliche umweltschützende Maßnahmen denen der Eigentümer überlegen sind, trägt in diesem Zusammenhang der Staat die Darlegungs- und Rechtfertigungslast.703 Verantwortungsteilung kann sich auch als ein milderes Mittel staatlichen Handelns herausstellen und deshalb aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar geboten sein. Insbesondere die Abwägung der konfligierenden Interessen im Rahmen der Angemessenheit der Maßnahme kann als geeignetes Instrument zum Schutz von Eigentümerverantwortung angesehen werden.704 Die Wahl der jeweiligen Option muss die optimale Befriedigung der verschiedenen umweltbezogenen Interessen im Auge behalten. Insoweit kommt es auf einen dafür angemessenen Entscheidungsprozess an, dessen Ergebnis möglichst gute Verwirklichungschancen für die verschiedenen betroffenen Interessen belässt; dabei darf die Wichtigkeit insbesondere prozeduraler Vorkehrungen nicht unterschätzt werden, deren rechtliche Steuerungskraft möglicherweise sogar größer ist als die des materiellen Gehalts von Art. 20a GG.705 Diese prozeduralen Voraussetzungen schaffen kann allein der Gesetzgeber. Auch hierin zeigt sich seine hervorragende Rolle im Eigentums- und Umweltschutz. (4) Flankierende staatliche Pflichten Wirkungsvolles Zusammenwirken im Umweltschutz zwischen Staat und Gesellschaft setzt Umweltbewusstsein der Bevölkerung voraus. Deshalb umfasst die Schutzpflicht aus Art. 20a GG als staatliche Aufgabe auch die Beeinflussung durch staatliche Information und Aufklärungsarbeit.706 Information über Entwicklungen in diesem Bereich ist auch aus anderem Grund von besonderer Wichtigkeit: Voraussetzung jeder Selbstbestimmung zur Wahrnehmung von Interessen durch den Grundrechtsträger und damit auch von Eigentümerverantwortung ist die
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So auch Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 376 f. Zur Rolle des Rechts für die Strukturierung der Kooperation Schuppert, Die Verwaltung 31 (1998), 415 [435 ff.]. Depenheuer, in: v. Danwitz, Bericht, S. 111 [154]. In diesem Sinne auch Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 76 f. Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 28 (1995), 425 [427]. Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, S. 39 [46].
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Möglichkeit, eine informierte Entscheidung zu treffen.707 Der Staat muss sich dabei seiner informierenden Rolle bewusst sein, denn auch mit Informationspolitik kann er Einfluss auf den zur Selbstbestimmung berechtigten Grundrechtsträger nehmen. Dies ist ihm aber in dem Umfang verwehrt, als er auf die grundrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsmöglichkeiten trifft. Art. 20a GG fordert vom Staat, gesellschaftliche Kräfte zu stützen und zu stärken, damit sie Umweltschutz in gesellschaftlicher Verantwortung verwirklichen.708 Argumentativ lässt sich dies allerdings nicht darauf stützen, dass die Risiken vom Staat selbst nur zu einem geringen Anteil in eigener Regie verursacht werden und der Staat deshalb nur begrenzt in der Lage sei, die Risiken zu vermeiden oder zu verringern.709 Im Gegenteil: Auf die Verursachung der Gefahren oder Schäden kommt es in diesem Zusammenhang gar nicht an. Aus Art. 20a GG ist der Staat unabhängig davon verpflichtet, wo die Ursachen für die Probleme der natürlichen Lebensgrundlagen liegen. Selbst wenn sie aus dem Ausland hereintransportiert werden, ist er aus der Staatszielbestimmung zum Schutz verpflichtet. Für das Verhältnis von umweltschützender auf Art. 20a GG basierender Gesetzgebung zur Eigentümerverantwortung ergibt sich eine solche Pflicht aber aus dem Zusammenhang von Art. 20a GG und Art. 14 GG. Der umweltschützende grundrechtsgebundene Gesetzgeber hat der in Art. 14 Abs. 2 GG niedergelegten Eigentümerverantwortung Gestalt zu geben. Diese setzt zwingend einen informierten und unterstützten Eigentümer voraus, weil nur ein solcher seiner Verantwortung in Bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen seines Grundeigentums nachkommen kann.
c) Die Behandlung sich widersprechender Schutzkonzepte am konkreten Beispiel Als praktisches Beispiel sich widersprechender Schutzkonzepte von Staat und Eigentümer soll die Rechtsprechung zum Anspruch auf Befreiung vom Anschlussund Benutzungszwang an öffentliche Entwässerungseinrichtungen vorgestellt werden.710 Betroffen sind Grundstückseigentümer, die auf ihrem Grundstück eine private Kläranlage errichtet haben und betreiben, die einwandfrei arbeitet. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Eigentumsrecht des Grundeigentümers von vornherein dahin eingeschränkt ist, dass er seine private Kläranlage nur solange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis zur Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwanges Gebrauch macht.711 Darin liegt eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die durch dessen Sozialbindung gerecht707
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So für die Gesundheit Stoll, Sicherheit, S. 356 ff. Der Gedanke ist ohne weiteres auch auf Eigentümerinteressen übertragbar. Von einer Motivationsgarantie, die dem Staat gegenüber Eigentümer und Allgemeinheit obliegt, spricht Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 74. So aber Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 28 (1995), 425 [430]. Zur jüngeren Rechtsprechung des BVerwG zum Anschluss- und Benutzungszwang vgl. bereits S. 127 ff. BVerwG, NVwZ 1998, 1080 [1081].
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fertigt ist.712 Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit derartiger Maßnahmen ist es wegen Art. 14 GG erforderlich, dass die Gemeinde die Möglichkeit einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang in der Satzung vorsieht. Bei der Entscheidung darüber, ob eine solche Befreiung dem Grundstückseigentümer einer einwandfrei funktionierenden privaten Kläranlage zu erteilen ist, ist für die Gemeinde die Beachtung des Art. 20a GG zwingend, denn nach ihm unterfällt auch das Wasser dem Schutzgebot. Aus dieser Beachtenspflicht folgt aber kein Anspruch des Eigentümers auf eine solche Befreiung, weil Art. 20a GG als Staatszielbestimmung keinen subjektiv-rechtlichen Anspruchstatbestand enthält.713 Gleichwohl erscheint die vom Bundesverwaltungsgericht gewählte Argumentation dafür, dass die Gemeinde aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Pflicht zur Befreiung hat, zweifelhaft. Das Bundesverwaltungsgericht stellt dort darauf ab, dass die Gemeinde bei der Wahl des Anschluss- und Benutzungszwanges die Wirtschaftlichkeit ihrer öffentlichen Einrichtung und damit auch berücksichtigen darf, dass diese grundsätzlich nur bei Anschluss möglichst aller Grundstücke sinnvoll ist. Deshalb muss auch die Dimensionierung einer zentralen Entwässerungsanlage entsprechend aller im Einzugsbereich gelegenen Grundstücke erfolgen.714 Gleichwohl ist dieses Argument allein zur Begründung des allgemeinen Anschluss- und Benutzungszwanges tauglich, nicht jedoch für die Frage, ob eine Befreiung hiervon zu erteilen ist.715 Aus Gründen der verfassungsrechtlich vorgesehenen Eigentümerverantwortung kommt es vielmehr bei der Entscheidung über die zu ergreifende staatliche Maßnahme darauf an, dass der Eigentümer mit dem Bau und Betrieb einer funktionierenden Kläranlage seiner Verantwortung im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG nachgekommen ist und dauerhaft nachkommt. Dann stellt sich die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang unter Erteilung von Auflagen – wie etwa die dauerhafte Überwachung und/oder regelmäßige sachverständige Begutachtung auf Kosten des Eigentümers – als das mildere Mittel im Rahmen der Verhältnismäßigkeit dar. Darüber hinaus streitet für den Zwang in der Abwägung nicht das Schutzgut des Art. 20a GG – die Reinhaltung der Gewässer –, denn diese ist auch durch den privaten Betrieb gewährleistet,716 sondern das rein fiskalische Interesse an der Auslastung der öffentlichen Entwässerungsanlage. Dieses Interesse ist aber nicht geeignet, in der Abwägung die Eigentümerverantwortung zu verdrängen. So hat derselbe Senat des Bundesverwaltungsgerichts betreffend den Anschluss- und 712 713 714 715
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Vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1990, 96 m.w.N. BVerwG, NVwZ 1998, 1080 [1081]. BVerwG a.a.O. So auch Koch, BayVBl. 2002, 9 [10]. Vgl. auch OVG NRW, NWVBl. 2003, 380 [381]: Anschluss- und Benutzungszwang darf nicht aus gebührenrechtlichen Gründen angeordnet werden. A.A. die wohl herrschende Meinung, z.B. VGH BW VBlBW 2004, 337 [339] und Gruber, BayVBl. 2000, 453 ff. in Fn. 8 m.w.N. Unter Umständen kann die private Anlage sogar einen besseren Standard der natürlichen Lebensgrundlagen vor Ort gewährleisten, weil das auf dem Grundstück entzogene Wasser auch dort wieder dem Boden zugeführt und nicht in Flüsse und Meer abgeleitet wird. Vgl. dazu die Erwägungen im Verfahren vor dem OVG Frankfurt/O., Entscheidung v. 31.7.2003 – 2 A 316/02 – JURIS.
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C Zusammenwirken von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20a GG
Benutzungszwang zur Fernwärmeversorgung entschieden, dass eine solche Maßnahme nur verhältnismäßig sei, wenn Zweck des Zwanges der Klimaschutz sei; die Eignung der Maßnahme, irgendeinen öffentlichen Zweck zu fördern, genüge nicht.717
4. Zusammenfassung Der Staat ist durch Art. 20a GG, der zuvörderst den Gesetzgeber anspricht, zum – insbesondere – materiellen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch – als Bestandteil dessen – des Grundeigentums verpflichtet, während der Eigentümer verfassungsrechtlich keine Pflichten hat, sondern Adressat der Verfassungserwartung des Art. 14 Abs. 2 GG ist, verantwortlich mit seinem Eigentum umzugehen. Art. 14 GG geht von einer Eigentümerverantwortung aus, die der Staat zu schützen und zu fördern hat. Verfassungsrechtlich bestehen keine Bedenken gegen ein Zusammenwirken von Staat und Eigentümer zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Grundeigentums. Der Staat hat ein Recht, aber keine Pflicht, vom Eigentümer Umweltschutz einzufordern. Aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Prinzipien, wie dem Subsidiaritätsprinzip oder dem Kooperationsprinzip ist der Staat auch nicht verpflichtet, den Eigentümer selbst die natürlichen Lebensgrundlagen seines Grund und Bodens schützen zu lassen. Die in Art. 14 Abs. 2 GG niedergelegte Eigentümerverantwortung zwingt den Staat aber, diese im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen in die Eigentümerfreiheit zur Geltung zu bringen.
717
BVerwG, NVwZ 2004, 1131. Anders zu beurteilen ist allerdings der Fall, dass ein bereits an die Fernwärmeversorgung angeschlossener Grundstückseigentümer eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang beantragt, vgl. BVerwG NVwZ 2006, 690 ff. – dann ist davon auszugehen, dass kein Anspruch auf Befreiung besteht. Vgl. dazu schon S. 127 ff.
Zusammenfassung in Thesen
1. Die Aufgabe des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen muss freiheitswahrend innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung umgesetzt werden. Zum Schutz der Eigentümerfreiheit kommt es entscheidend auf eine widerspruchsfreie Eigentumsdogmatik an. Der Gesetzgeber hat im Eigentums- und Umweltschutz eine hervorragende Rolle. Eigentums- und Umweltgesetzgebung bedeutet immer zweierlei: Zum einen setzt das Funktionieren der Eigentumsordnung und die Ermöglichung von Umweltschutz die Schaffung eines geeigneten normativen Rahmens für die Bewältigung der jeweiligen Sachprobleme voraus. Zum anderen ist in besonderem Maße im Wege des Ausgleichs konkurrierender und konfligierender Interessen das Übereinbringen von Eigentums- und Umweltnutzungsinteressen erforderlich. Dem Gesetzgeber ist hierbei durch das Verfassungsrecht ein großer Gestaltungsspielraum eingeräumt. 2. Eine Hierarchie der Verfassungsrechtsgüter im Sinne einer abstrakten Rangfolge gibt es ebenso wenig wie eine Hierarchie von Verfassungsnormtypen. Eigentum und natürliche Lebensgrundlagen sind gleichrangige Verfassungsrechtsgüter, Grundrecht und Staatszielbestimmung gleichrangige Verfassungsnormtypen. 3. Art. 20a GG enthält einen Gesetzgebungsauftrag, der der gesetzgeberischen Aufgabe aus der Staatszielbestimmung vorgelagert ist und den gesetzgeberischen Primat beim Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen stützt. 4. Art. 20a GG mangelt es an konkreten Vorgaben, wo der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum an seine Grenzen stößt. Art. 20a GG kann seine Berechtigung im Verfassungssystem deshalb nur erlangen und wird die ihm zugedachte Funktion nur erfüllen können, wenn sich der Gesetzgeber des dahinter stehenden Schutzauftrages annimmt. 5. Das Verfassungsrecht spiegelt die tatsächlichen Wechselwirkungen zwischen Grundeigentum und natürlichen Lebensgrundlagen wider. Dementsprechend kommt es zwischen Art. 20a GG und Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 GG zu kollidierendem und nichtkollidierendem Zusammenwirken. 5.a. Im Kollisionsfalle wehrt sich der Eigentümer gegen Schrankenbestimmungen des Eigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und aktiviert dabei das Eigentumsgrundrecht als klassisches Abwehrrecht. Gleichzeitig kann er im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gestützt auf Art. 14 GG auch eine Verlet-
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Zusammenfassung in Thesen
zung des Art. 20a GG rügen und damit objektives Verfassungsrecht zur Überprüfung bringen. 5.b. Anknüpfungspunkt für nichtkollidierendes Zusammenwirken ist die Tatsache, dass Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch gleichzeitig Schutz der Grundlagen des Grundeigentums bedeutet – Umweltschutz- und Eigentümerinteressen mithin gleichlaufen. Dieser Schutz des Grundeigentums wird verfassungsrechtlich ausschließlich über Art. 20a GG gewährleistet. Eine Schutzpflichtdimension des Eigentumsgrundrechts dergestalt ist abzulehnen. Darüber hinaus kann es zwischen Art. 20a GG und Art. 14 GG zu einer Verstärkungswirkung mit verfassungsrechtlichen Folgen kommen: Wenn das Eigentumsgrundrecht und Art. 20a GG in einem speziellen Fall dasselbe Ergebnis fordern, spricht eine verfassungsrechtliche Vermutung dafür, dass dieses vom Grundgesetz gewollt ist. Ein nicht verfassungsrechtlich geschützter Belang kann sich dann nur ausnahmsweise durchsetzen. 6. Das Grundgesetz legt die Erfüllung der Aufgabe des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in die Hände von Staat und Eigentümer. Eigentümerverantwortung findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 14 Abs. 2 GG, ohne dass aus ihr normative Schlussfolgerungen gezogen werden können. Der Gesetzgeber ist aber verpflichtet, sie im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen zur Geltung zu bringen.
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Sachverzeichnis
Abwehrdimension - Verhältnis zur Schutzpflichtdimension 147 ff. - Verstärkung 167 ff. Abwägung 123 Anreicherung von Grundrechten 41 Anschluss- und Benutzungszwang 127, 168 - Befreiung 193 Anthropozentrik 49 f. Atomgesetz 116 f. Ausgestaltung des grundrechtlichen Schutzbereichs 92 ff. Ausgleichspflichten bei Inhalts- und Schrankenbestimmung 130 ff. Bestimmtheit 107 f. Bürgerverantwortung 175 ff. Denkmalschutzrecht 132 Eigentümerverantwortung 12, 175 ff. - und Verhältnismäßigkeit 190 f. Eigentum - Bedeutungsverlust 26 ff. - und Freiheit 6 ff. - und natürliche Lebensgrundlagen 24 - natürliches 64, 93 - Ökologiepflichtigkeit 10 - personaler Bezug 124 - sozialer Bezug 123 - Substanz des 117 - als Verfassungsrechtsgut 19 ff., 26 ff. - und Verfassungswandel 27 ff. Eigentumsbegriff
- einheitlicher 13, 99, 111 - Ökologischer 30 - verfassungsrechtlicher 63, 64 ff., 70 f., 97 ff., 110 ff. Eigentumsgarantie - Schutzbereich der 62 ff. - Wandelbarkeit der 26 ff. Eigentumsgrundrecht 56 f. - Abwehrrecht 11 - Ambivalenz 11 - Ausgestaltung 92 ff. - und Eigentümerverantwortung 180 - Funktionswandel 26 ff. - und Gleichheitsverstoß 110 - Ökologiepflichtigkeit 30 f., 77 ff. - Schrankenbestimmung 106 ff. - Schutzpflichtdimension 11, 137 ff. - als Teilhaberecht 87 ff. - Verfahrensrechtliche Sicherung des 155 ff. - Zeitbezogenheit 29 Eigentumsschutz - für Nutzungen 11 f., 70 ff. - verfassungsrechtlicher 10 ff. Eingriff 53 Eingriffsbegriff 151 Enteignung 113 ff. Erforderlichkeit 122 Evidenzkriterium 82 Existenzminimum - materielles 42 - ökologisches 42, 52 f. Freiheit und Umweltschutz 6 ff. Geeignetheit 122 Gemeinwohl 118 Gesetzgebungsauftrag 43 ff.
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Sachverzeichnis
Gestaltungsspielraum 53 ff. - und Staatszielbestimmung 47 Gleichheitsgrundsatz 110 Grund und Boden - Sonderstatus 13 f., 68, 124 Grundpflicht - ökologische 75 - verfassungsrechtliche 176 ff. Grundrecht(e) 35 - als Leistungsrecht 158 - auf Umweltverschmutzung 7, 62 - ökologische Reduzierung 9 - und Schutzpflicht 136 ff. - prozessuale Durchsetzung von Schutzpflichten 48 - als Staatszielbestimmungen 35 ff. - und Staatszielbestimmung 9 f., 37 ff. Grundrechtsdimensionen 147 ff. Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren 155 ff. Grundrechtstheorie - liberale 62 - umweltstaatliche 90 Grundrechtsvoraussetzungsschutz 157 ff. Hierarchie - von Verfassungsrechtsgütern 19 ff. - von Normtypen 38 f. Immanente Begrenzung 69 Immanenzlehre - umweltstaatliche 76 ff. Inhaltsbestimmung des Eigentums 92 ff., 184 - Abgrenzung zur Schrankenbestimmung 93 ff. - und Ausgleichspflicht 130 ff. - und Institutsgarantie 97 ff. - und Verhältnismäßigkeitsprinzip 97 Institutsgarantie - und Inhaltsbestimmung 97 - und grundrechtliche Schutzpflicht 152 ff.
Kernenergienutzung 116 Klimaschutz 128 Kollidierendes Verfassungsrecht 85 f. Kommunale Aufgabe - Klimaschutz als 128 f. Kooperation als Pflicht des Staates 188 ff. Kooperationsprinzip 56, 182 - verfassungsrechtliche Verankerung des 188 f. Kulturlandschaft 1, 3 Kumulation 9, 15, 149 Landschaftspflege 1 Nassauskiesungsentscheidung 28, 69, 73, 101, 112 Natürliche Lebensgrundlagen 49 ff. - als Gemeinwohlbelang 119 - als Verfassungsrechtsgut 19 ff. - und Eigentum 24 - als öffentliche Sachen 103 ff. Naturschutz 1, 108, 127 Neminem laedere 86 Normkategorien 9 f., 32 ff. - Hierarchie 38 f. Nutzungen - Beschränkung von – als Enteignung 113 f. - Eigentumsschutz 11 f., 70 ff. Öffentliche Sache - Natürliche Lebensgrundlagen als 103 ff. Ökologiepflichtigkeit des Eigentums 10, 30 f., 77 ff. Ökologiepflichtigkeit der Grundrechte 5 ff., 77 Ökologisierung der Verfassungsordnung 5 ff. Organisation - Grundrechtsschutz durch 155 ff. Personaler Bezug - des Eigentums 124 Privatnützigkeit 70 ff., 113 ff.
Sachverzeichnis
Rangordnung - von Verfassungsrechtsgütern 19 ff. Recht auf Umweltschutz 4 Rechtsstaat 3 ff. - ökologischer 5 Rechtsstaatliches Verteilungsprinzip 80 Rückschrittsverbot 51 f. Schrankenbestimmung 106 ff., 184 - Abgrenzung zur Inhaltsbestimmung 93 ff. - und Ausgleichspflicht 130 ff. - und Staatszielbestimmung 108 ff. - und Wohl der Allgemeinheit 118 ff. Schutzbereich - Begrenzung durch Grundrechte Anderer 86 - des Eigentumsgrundrechts 62 ff. - immanente Begrenzung 69 ff. - und Inhaltsbestimmung 63 - und kollidierendes Verfassungsrecht 85 f. - normgeprägter 63 Schutzgegenstand des Art. 20a GG 49 Schutzniveau 50 ff. Schutzpflicht - und Abwehrdimension 147 ff. - grundrechtliche 55, 136 ff. - und Grundrechtsvoraussetzungsschutz 157 ff. - und Institutsgarantie 152 ff. - und Staatszielbestimmung 50 ff., 160 ff. - und Subjektivierung 143 f. Situationsberechtigung 85 Situationsgebundenheit 83 ff., 123 Sonderstatus von Grund und Boden 13 f., 68 Sozialer Bezug des Eigentums 123 Sozialpflichtigkeit 68, 118 ff., 126, 178 Sozialstaatsprinzip 9, 89, 165 Staatszielbestimmung 3, 33 ff., 43 ff.
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- Gestaltungsspielraum 47 - und Grundrechte 9 f., 37 ff. - Grundrechte als 35 ff. - als Grundrechtsschranke 40 - und Kommune 127 f. - Rechtfertigungsbedürftigkeit eines Eingriffs in 53 - und Schrankenbestimmung 108 ff. - und Schutzpflicht 50 ff., 160 ff. - und Subjektivierung 164 ff. - und Teilhaberecht 89 - und Verhältnismäßigkeit 126 Staatszweck Umweltschutz 25 f. Subsidiaritätsprinzip 186 ff. Substanzentleerung 114 Tatbestandstheorie 63 Teilhaberecht und Staatszielbestimmung 87 ff. Umweltgrundrecht 25 Umweltgrundpflicht 176 Umweltnutzungsfreiheit 8 Umweltpflichtigkeit der Grundrechte 31 Umweltschutz - Bedeutung im verfassungsrechtlichen System 23 ff. - und Freiheit 6 ff. - und Menschenwürde 24 - als Staatszweck 25 f. Umweltstaat 3 ff. Umweltstaatliche Immanenzlehre 76 ff. Umweltvorsorgestaat 5 Untermaßverbot 54 f. Veräußerungsverbot 71 Verantwortung - verfassungsrechtliche 172 ff. Verbandsklage 162 Verfahren - Grundrechtsschutz durch 155 ff. Verfassungsbeschwerde und Art. 20a GG 48 Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff 64 ff.
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Sachverzeichnis
- und Inhaltsbestimmung 97 ff. - und Institutsgarantie 97 ff. - und Schrankenbestimmung 111 ff. Verfassungsrechtsgüter 19 ff. - absolute und relative 22 Verfassungsstaat - ökologischer 5 Verfassungswandel 27 ff., 66 Verfügungsbefugnis 70 ff., 112 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 106, 120 ff. - und Eigentümerverantwortung 190 f. - Neujustierung durch Art. 20a GG 126 - und Staatszielbestimmung 126
Verschlechterungsverbot 51 Verstärkungswirkung zwischen Staatszielbestimmung und Abwehrgrundrecht 167 ff. Verteilungsprinzip - rechtsstaatliches 80 Vertrauensschutz des Eigentümers 125 Verursacherprinzip 56, 185 f. Vorsorgeprinzip 56 Waldschadenproblematik 139, 150 Wertordnung im Grundgesetz 20 Wesensgehaltsgarantie 97, 106 Wohl der Allgemeinheit 118 ff.