Frank Jochum (Hrsg.) Infusionstherapie und Diätetik in der Pädiatrie
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Infusionstherapie und Diät...
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Frank Jochum (Hrsg.) Infusionstherapie und Diätetik in der Pädiatrie
Frank Jochum (Hrsg.)
Infusionstherapie und Diätetik in der Pädiatrie Mit 26 Abbildungen und 82 Tabellen
123
Dr. Frank Jochum Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin Stadtrandstr. 555 13589 Berlin
ISBN-10 3-540-21195-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg ISBN-13 978-3-540-21195-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschlandvom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in Germany Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Renate Scheddin Projektmanagement: Gisela Zech-Willenbacher Lektorat: Petra Rand, Münster SPIN 10979556 Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier 2126/SM – 5 4 3 2 1 0
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Geleitwort Kinder unterscheiden sich in ihrer Physiologie und Biochemie fundamental von Erwachsenen. Körperliches Wachstum und der Entwicklungsstand von Organfunktionen erfordern individuelle, an das Lebensalter angepasste Therapieansätze. Ganz besonders werden diese Änderungen beim Flüssigkeitshaushalt und bei der Ernährung deutlich. Altersabhängig kommt es zu dramatischen Veränderungen des Flüssigkeits- und Elektrolytumsatzes. Zum Beispiel hat ein Neugeborenes im Vergleich zum Erwachsenen einen rund siebenmal höheren Flüssigkeitsumsatz. Und um ihm Wachstum und Entwicklung zu ermöglichen, benötigt es eine ausgewogene, kalorisch angepasste Ernährung, die aber auch seine noch eingeschränkte Verdauungsfunktion berücksichtigen muss. Nicht zufällig haben sich deshalb in der Kinder- und Jugendmedizin die Ernährungslehre und die Lehre über den Wasser- und Mineralhaushalt als zentrale Spezialgebiete entwickelt, die von übergreifender Bedeutung für das gesamte Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin sind. Ernährungsfragen begleiten Kinder- und Jugendärzte täglich bei ihrer Arbeit in Klinik und Praxis. Erkrankungen stellen den Arzt vor zusätzliche Probleme bei der Ernährung eines Kindes. Dies kann von bilanzierter, enteraler Ernährung bis zum vollständigen Ersatz einer enteralen Ernährung durch eine parenterale Ernährung gehen, unter Umständen sogar für einen langen Zeitraum. Hier kommt es wesentlich auf die Zusammensetzung einer solchen künstlichen Ernährung und auf die Überwachung an, um dem Kind ein normales Gedeihen zu sichern und Organschäden zu vermeiden. Eine unausgewogene, nichtangepasste parenterale Ernährung kann einem kranken Kind durchaus zusätzlichen Schaden zufügen. Das vorliegende Buch fasst unser derzeitiges Wissen über enterale und parenterale Ernährung sowie den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt in übersichtlicher, praxisorientierter Form zusammen und geht dabei auch auf spezielle pädiatrische Krankheitsbilder ein, deren Behandlung besonders häufig mit Ernährungsfragen verknüpft ist. Dieses Buch eröffnet auch kooperierenden Fachdisziplinen die Möglichkeit, sich über kindgerechte Ernährung und Infusionstherapie nach modernen pädiatrischen Gesichtspunkten im Interesse unserer gemeinsamen Patienten zu informieren.
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Geleitwort
Den Autoren wünsche ich, dass dieses Buch intensiv genutzt wird und vielen Lesern eine Hilfe bei einer kindgerechten Behandlung ihrer Patienten sein wird. Prof. Dr. Erik Harms Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
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Geleitwort Seit langem ist bekannt, dass gerade im Bereich der Pädiatrie eine adäquate, dem Bedarf angepasste Ernährung unabdingbarer Bestandteil präventiver bzw. therapeutischer Maßnahmen ist. Diese Wertung ergibt sich aus der besonderen Situation des wachsenden Organismus. Beim Erwachsenen muss die Nährstoffzufuhr lediglich den so genannten Erhaltungsbedarf zur Unterstützung von Organfunktionen, körperlicher und mentaler Arbeit abdecken; bei Kleinkindern und Jugendlichen müssen zusätzlich das rasche Körperwachstum sowie die Differenzierung der Gewebe und Organe durch eine optimale Verfügbarkeit an Energie, unentbehrlichen und bedingt unentbehrlichen Nährstoffen gewährleistet werden. Aufgrund der geringen Nährstoffspeicher nach der Geburt und einer individuell unterschiedlichen »Unreife« metabolischer Funktionen kann eine ungenügende Ernährung innerhalb kurzer Zeit zu klinisch relevanten Mangelerscheinungen führen. Sofern Neugeborene mit Muttermilch ernährt werden können, ist das Risiko für eine Unterversorgung minimiert: Die Muttermilch liefert die große Mehrzahl der lebensnotwendigen Nährstoffe in optimaler Qualität und Quantität. Für den klinisch tätigen Pädiater ist eine medizinisch indizierte künstliche Ernährung bei Kleinkindern und Jugendlichen dagegen immer noch eine Herausforderung: Art, Menge und möglicherweise Zufuhrweg von Nährsubstraten können kurz- und langfristige Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung ausüben und bei akut bzw. chronisch Kranken den Krankheitsverlauf und damit die Prognose beeinflussen. Zudem scheint die Ernährung im Kleinkindalter mit dem Risiko für bestimmte chronische Erkrankungen im weiteren Lebensverlauf verknüpft zu sein. Es ist der Autorengemeinschaft unter Federführung von Herrn Dr. med. Frank Jochum zu verdanken, dass mit diesem Klinikleitfaden erstmals ein umfassendes, praxisnahes Werk zur pädiatrischen Infusionstherapie und Diätetik vorgelegt wird. Den größten Teil des Buches nehmen die Grundlagen ein. Besonderer Wert wurde hierbei auf die Darstellung der ernährungsphysiologischen Zusammenhänge zwischen Reife bzw. Lebensalter der Kleinkinder sowie der pädiatrischen Patienten und dem jeweiligen Nährstoffbedarf gelegt. Bisher waren Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr bei Kleinkindern das Ergebnis von Extrapolationen aus Studien an Älteren. Hier versuchen die Autoren erstmals, eine wünschenswerte Zufuhr anhand aktueller Erkenntnisse
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Geleitwort
über die jeweilige besondere metabolische Situation abzuleiten. Diese Betrachtungen liefern die Grundlage für praxisorientierte Exkurse, in denen wertvolle Hinweise zur Durchführung einer klinischen Ernährung bei verschiedenen akuten und chronischen Krankheitsbildern, wie z. B. angeborene Stoffwechselstörungen, onkologische Erkrankungen und postoperative Situationen, geliefert werden. Nicht fehlen darf natürlich das aktuelle Thema Adipositas: In einem eigenen Kapitel werden hierzu praktikable Präventionsund Therapiemaßnahmen besprochen. Im zweiten Abschnitt des Buches werden in ansprechender Form und in kompetenter Weise Zahlenwerke und zusammengefasste Informationen für die schnelle Umsetzung in der Praxis geliefert. Nützliche Adressen von Organisationen, Verbänden und deren »websites« im Anhang ergänzen dieses Informationspaket. Der vorliegende Klinikleitfaden ist eine wegweisende Verknüpfung von ernährungsphysiologischen Grundlagen und ernährungsmedizinischen Erkenntnissen, von wissenschaftlichem, auf Evidenz basiertem Wissen und alltagsorientierten Hinweisen, von fundierten Informationen für den klinisch tätigen Pädiater und den niedergelassenen Kinder- und Jugendarzt. Für Studierende der Medizin, Ernährungswissenschaft und angrenzender naturwissenschaftlicher Fachgebiete kann das Werk eine offensichtliche Lücke in der »Lehrbuchsammlung« schließen. Die zu erwartende hohe Akzeptanz wird diese Einschätzung sicherlich bestätigen. Bonn, 8. März 2005 Prof. Dr. Peter Stehle Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften – Ernährungsphysiologie Universität Bonn
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Vorwort Diätetik bzw. Ernährung ist ein zentraler Baustein pädiatrischer Therapie. Bei weit mehr als der Hälfte der im Krankenhaus behandelten Kinder werden Therapiemaßnahmen aus diesem Bereich durchgeführt. Dabei umspannt Diätetik/Ernährung ein Gebiet, dass von der »Stillphysiologie« über »parenterale Ernährung« bis zur diätetischen Therapie von Stoffwechselerkrankungen oder langfristigen Auswirkungen von Ernährung, den »Food-programming-Effekten« reichen kann. Im Vergleich zur »Erwachsenenmedizin« stellen der reife- und altersabhängige Nährstoffbedarf und die sich durch Wachstum und Entwicklung ändernde Physiologie der Kinder besondere Anforderungen an den Behandler. Zusätzlich ist für eine zeitgemäße Ernährungstherapie der rasche Fortschritt der Ernährungsforschung zu berücksichtigen.Wegen der stürmischen Entwicklung in diesem Forschungsbereich ist die pädiatrische Diätetik/Ernährung gegenwärtig in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Sie konnte in den letzten Jahren zu signifikanten Verbesserungen von Behandlung und Krankheitsverläufen in verschiedenen Bereichen der Pädiatrie beitragen. Im Gegensatz zu der Dynamik des Gebietes und seinem Stellenwert bei der Behandlung von Kindern ist die Ausbildung der medizinisch-orientierten Berufsgruppen oft unsystematisch und findet als »Anhängsel« verschiedener Disziplinen verteilt statt. Ökotrophologen und Ernährungswissenschaftler sind im klinischen Bereich nur selten tätig. Mangels fundierter Ausbildung und Orientierungsmöglichkeiten werden häufig Handlungsalgorithmen aus dem Ernährungsbereich von Mitarbeiter zu Mitarbeiter weitergegeben. So entwickeln sich zentrumsabhängige »Besonderheiten«, die nicht immer einer kritischen Prüfung standhalten. Der vorliegende Leitfaden fasst die ernährungsphysiologischen Grundlagen evidenzbasiert zusammen, gibt aktuelle Therapieansätze und Empfehlungen systematisch wieder. Ziel ist es, die Orientierung im Bereich der pädiatrischen Ernährung/Diätetik zu erleichtern und aktuelle Therapieansätze zu vermitteln. Das Buch richtet sich an alle Fachkreise, die mit dem Themengebiet Kinderernährung in Kontakt kommen, wie Kinderärzte, Kinderchirurgen, Anästhesisten, Rettungsmediziner, Hebammen, Kinderkrankenschwestern, Ökotrophologen, Ernährungswissenschaftler und andere.
X
Vorwort
Bei der derzeitigen rasanten Entwicklung in der Ernährungsforschung wird es notwendig sein, den Leitfaden häufig zu aktualisieren. Ich freue mich über Zuschriften, die zu einer Diskussion beitragen und helfen, das Buch für die Zukunft zu verbessern. Das Büchlein möge seiner Funktion als »Leitfaden« auch dadurch gerecht werden und sich zu einem Kristallisationspunkt für die Diskussion um pädiatrische Diätetik und Ernährung entwickeln. Ich danke allen Autoren und Mitwirkenden für die Unterstützung dieses Projektes. Dank gebührt auch Herrn Prof. Stehle vom Institut für Ernährungswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und den Mitarbeiterinnen des Springer-Verlages, Frau Kröning, Frau Rand, Frau Scheddin, Frau Schulz und Frau Seeker, für die stets gute Zusammenarbeit. Berlin, Januar 2005 Frank Jochum
XI
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch, F. Jochum
1
1
9
1.1 1.2 1.3
2
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6
Basisinformationen . . . . . . . . . F. Jochum Bilanzierte Ernährung . . . . . . . . . Regulation der Nahrungsaufnahme Enterale und parenterale Ernährung Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10 11 12 18
Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Besonderheiten des Wasser-, Elektrolyt- und Nährstoffbedarfes pädiatrischer Patienten F. Jochum Körperwassergehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flüssigkeitsumsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Anpassung nach der Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . Verteilungsräume der Körperflüssigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Regulationsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten des Energie- und Nährstoffbedarfes . . . . . . Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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20 22 24 25 26 26 27 29
Nahrungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Jochum Zusammensetzung von Nahrungsmitteln . . . Einzelne Nährstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Einflüsse auf den Flüssigkeitshaushalt Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteine/Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . Lipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrolyte (Mengenelemente, Mineralstoffe) . Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Colling
32 33 33 34 37 38 40 41 44
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XII
Inhaltsverzeichnis
3.2.7
Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . S. Colling 3.2.8 Nukleotide und Ganglioside . . . . . . 3.2.9 Probiotika, Präbiotika und Synbiotika 3.2.10 Ballaststoffe (Nahrungsfasern) . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 4.1 4.1.1
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47
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53 55 58 59
Empfehlung für die Nährstoffzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Jochum Flüssigkeitzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Früh- und Reifgeborene in der Anpassungsund Stabilisierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Reduktion der Flüssigkeitsverluste bei Neugeborenen Früh- und Reifgeborene in der stabilen Wachstumsphase, ältere pädiatrische und erwachsene Patienten . . . . . . . . . . . Energiezufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Energiegehalt einzelner Substrate . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Energiemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung . . . . . . . . . . . . . Makronährstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrolyte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Hyperkaliämie bei Früh- und Neugeborenen . . . . . . . Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Colling Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Colling Umgang mit Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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67 70
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72 73 74 74 75 75 78 80 83
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87
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90 91
5
Organisation und Verordnungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2
F. Jochum Bilanzierte Ernährung . . . Standardisierung . . . . . . Hygiene . . . . . . . . . . . Praktische Organisation . . Qualitätssicherung . . . . . Anleitung zur Verordnung
4.1.2 4.2
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4
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98 98 98 99 100 100
XIII Inhaltsverzeichnis
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6
6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5. 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.4.1 6.4.2
7 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2
Enterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Ernährung des Neugeborenen und Säuglings . . . . M. Krawinkel Bildung und Zusammensetzung von Muttermilch, Milchfluss . . . . Milchaufnahme des Säuglings, Stillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Effekte von Muttermilch im kindlichen Organismus Psychosoziale Effekte des Stillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaffung der Voraussetzungen für erfolgreiches Stillen . . . . . . . Stillhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Formulaernährung und Nahrungszusätze . . . . . . . . . . . U. Alexy, M. Kersting Ernährung des Kleinkinds und Schulkinds . . . . . . . . . . . . . . . . M. Krawinkel Beikost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abstillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empfehlung für eine bedarfsgerechte Kinderernährung . . . . . . . Flüssigkeitszufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensmittelauswahl von Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . Spezielle Kostformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Krawinkel Vegetarismus, Veganismus, Rohköstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trennkost nach Hay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sondenernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Razeghi, R. Behrens Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 106 107 108 109 113 114 115 121 133 133 134 135 136 138 140 140 141 141 142 142 143 150
(Teil-)parenterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
F. Jochum Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei-Stufen-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Parenterale Kalziumsupplementation . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei Früh- und Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . Anpassungs- und Stabilisierungsphase nach der Geburt (Phase I/II) Phase des kontinuierlichen Wachstums (Phase III) . . . . . . . . . . .
154 154 155 157 157 158
XIV
Inhaltsverzeichnis
7.4 7.4.1 7.4.2
Wahl der Infusionslösungen und Zusätze . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrolyte, Vitamine, Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Jochum, S. Colling Weitere Supplemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reduktion von Nebenwirkungen einer parenteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minimale enterale Ernährung »gut feeding« . . . . . . . . . . . . . . Nichtnutritives Saugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mischbarkeit von Ernährungslösungen und/oder Medikamenten Physikalische Inkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische oder larvierte (verborgene) Inkompatibilität . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4.3 7.5 7.5.1 7.5.2 7.6 7.6.1 7.6.2
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159 159 161
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163
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164 164 164 165 165 165 166
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8
Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen . . . . . .
8.1 8.1.1
Perioperative Infusionstherapie und Ernährung . . . . . . . . . . . . Präoperative Ernährung/Infusionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . G. Klaunik Intraoperative Infusionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Hermsen Postoperative Infusionstherapie und Aufbau der enteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Klaunik Physiologie des Postaggressionsstoffwechsels . . . . . . . . . . . . M. Hermsen Exkurs: Postaggressionsstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Aspekte der Ernährung Frühgeborener . . . . . . . . . . F. Jochum Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh- und reifen Neugeborenen . . Nahrungssupplementation bei VLBW- und ELBW-Frühgeborenen Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie . . . . . . . . . . . . . . . Eisensupplementation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitamin- und Spurenelementsupplementation bei Neu- und Frühgeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Colling Frühgeborenenhyperkaliämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Jochum
8.1.2 8.1.3
8.1.4
8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5
8.2.6
. .
169 172 172
.
175
.
181
.
188
. .
191 192
. . .
192 194 197 206
.
208
.
217
XV Inhaltsverzeichnis
8.3
Häufige Ernährungsprobleme des Neugeborenen/Säuglings . . . H. Kalhoff 8.3.1 Dyspepsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Der spuckende Säugling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Gedeihstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4 Akuttherapie von Hypoglykämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Infusionstherapie und Ernährung bei angeborenen Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Mönch 8.4.1 Biotinidasemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Galaktosämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Phenylketonurie/Hyperphenylalaninämie und maternale Phenylketonurie/Phenylalaninembryopathie . . . . . . . . . . . . . 8.4.4 Ahornsirupkrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.5 Mittelketten-CoA-Dehydrogenase-Defekt . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.6 Glutaracidurie Typ I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.7 Isovalerianacidämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.8 Ornithintranscarbamylasemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.9 Umgang mit komatösen Patienten bei Verdacht auf Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.10 Medikamente zur Behandlung der beschriebenen Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schröder 8.6 Anorexia nervosa und Bulimie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schröder 8.7 Ernährungssituation und Ernährungsmöglichkeiten krebserkrankter Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J.F. Beck 8.8 Besonderheiten bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen . . J.P. Haas 8.8.1 Eliminationsdiäten und Heilfasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.2 Substitutionsdiäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.3 Diätetische Prävention von Sekundärschäden . . . . . . . . . . . . . 8.9 Besonderheiten bei Kindern mit atopischen Erkrankungen . . . . C. Binder, K. Beyer, B. Niggemann 8.9.1 Diätformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
219
. . . .
219 221 223 225
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227
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228 230
. . . . . .
237 245 253 258 264 270
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278
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280 280
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290
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298
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304
. . . .
305 306 306 308
.
308
XVI
8.9.2 8.10
Inhaltsverzeichnis
Diätfolgen . . . . . . . . . . . . . . . Ernährung und (Leistungs-)Sport . S. Kluge, G. Strobel 8.10.1 Ernährung und Sport . . . . . . . . 8.10.2 Energiebedarf und -bereitstellung 8.10.3 Praktische Hinweise . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320 320
. . . .
. . . .
320 321 326 332
Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
9.1 9.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10
F. Jochum Dehydratation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volumenmangelschock . . . . . . . . . . . . . . Häufige Elektrolytimbalanzen . . . . . . . . . . Natriumhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaliumhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hyperchlorämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalziumhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypomagnesämie . . . . . . . . . . . . . . . . . Säure-Basen-Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . Akute Niereninsuffizienz, Anurie und Oligurie Coma diabeticum . . . . . . . . . . . . . . . . . Acetonämisches Erbrechen . . . . . . . . . . . Hypoglykämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion . . Verbrennungen/Verbrühungen . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
348 356 359 361 362 365 366 368 369 372 375 378 379 381 385 388
10
Störungen des Gastrointestinaltrakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389 390
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
394
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
399
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
400 402
9
10.1
Chronische Obstipation . . . . . . . . S. Razeghi, R. Behrens 10.2 Infektiöse Enteritis . . . . . . . . . . . S. Razeghi, R. Behrens 10.3 Nahrungsmittelunverträglichkeiten S. Razeghi, R. Behrens 10.3.1 Nahrungsmittelallergie . . . . . . . . 10.3.2 Nahrungsmittelintoleranzen . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . .
XVII Inhaltsverzeichnis
10.4 10.5 10.6
11
Gastroösophagealer Reflux . . S. Razeghi, R. Behrens Colitis ulcerosa, Morbus Crohn S. Razeghi, R. Behrens Kurzdarmsyndrom . . . . . . . . M. Krawinkel Literatur . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
409
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
413
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
420
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
428
Monitoring bei (teil-)parenteraler Ernährung . . . . . . . . . . . .
431
F. Jochum
12
Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
12.1
Bodymass-Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Hautfaltendicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Bioimpedanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Stabile Isotope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Dual-X-ray-Absorptiometrie . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Methoden aus der Forschung . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Methoden zur Beurteilung von oxidativem Stress H. Topp Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
435 436
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437
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438
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439
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441
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441
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446
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448
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451
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452 455 457
14
Ethische und rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
459
14.1 14.2
A. Dörries Ethische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
460 463 467
12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7
13 13.1 13.2
Materialien zur Ernährungstherapie . . . P. Thul Intravenöser Zugang (peripher und zentral) Ernährungssonden . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVIII
Inhaltsverzeichnis
15
Programmiert die frühkindliche Ernährung die langfristige Gesundheit und das spätere Adipositasrisiko? . . . . . . . . . . .
15.1 15.2 15.3 15.4 15.5
B. Koletzko, D. Oberle, A.M. Toschke, R. von Kries Frühkindliche metabolische Programmierung des Adipositasrisikos im späteren Lebensalter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse epidemiologischer Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probleme epidemiologischer Studien zu Auswirkungen der Säuglingsernährung auf die spätere Adipositas . . . . . . . . . . Biologische Plausibilität des postulierten Zusammenhangs zwischen Übergewicht bzw. Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
469
472 473 482 484 485 487
491
F. Jochum Übersichtstabellen zur Nährstoffzufuhr A.1 Empfehlungen für die enterale/parenterale Ernährung . . . . . . A.1.1 Flüssigkeitszufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1.2 Energiezufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1.3 Nährstoffzufuhr (Glukose, Aminosäuren, Lipide) . . . . . . . . . . A.1.4 Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh- und reifen Neugeborenen . A.1.5 Supplementation der enteralen Nahrung von VLBWund ELBW-Frühgeborenen in der Phase des stabilen Wachstums (Phase III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersichtstabellen zum Nahrungsaufbau A.2 Empfehlungen für den Nahrungsaufbau und/oder die intermittierende (teil-)parenterale Ernährung . . . . A.2.1 Für Frühgeborene 1.500 g Geburtsgewicht und kranke Reifgeborene . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.2.4 Für Kleinkinder, Jugendliche und Erwachsene . . . . . . A.3 Zusammenfassung: Nahrungsaufbau Früh- und kranke Reifgeborene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
493 493 496 497 500
. .
501
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
503 503 506
. . . . . . . . . . . . . . . .
509 512
. . . . . . . .
514
XIX
B C
. . . . . . . . . . . . . .
516 518
. . . . . . .
527
. . . . . . .
529
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
539
D E
Verordnungsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Schmitt Hilfreiche Formeln und Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . M. Schmitt Adressensammlung zum Thema Diätetik und Ernährung M. Lange
XXI
Autorenverzeichnis Alexy, U., Dr. med.
Dörries, A., Dr. med.
Forschungsinstitut für Kinderernährung, Heinstück 11, 44225 Dortmund
Zentrum für Gesundheitsethik, Evangelische Akademie Loccum, Knochenhauer Str. 33, 30159 Hannover
Beck, J.F., Prof. Dr. med. Abteilung für pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Fusch, C., Prof. Dr. med. Abteilung für Neonatologie und pädiatrische Intensivtherapie, Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Behrens, R., Prof. Dr. med. Kliniken für Kinder und Jugendliche, Klinikum Süd, Breslauer Str. 201, 90471 Nürnberg
Beyer, K., Dr. med. Pädiatrische Pneumologie und Immunologie, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Binder, C., Diätassistentin Pädiatrische Pneumologie und Immunologie, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Colling, S., Dr. med. Epilepsiezentrum Bethel, Krankenhaus Mara gGmbH, Maraweg 21, 33617 Bielefeld
Haas, J.P., PD Dr. med. Abteilung für Neonatologie und pädiatrische Intensivtherapie, Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Hermsen, M., Dr. med. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universität Greifswald, Friedrich-Löffler-Str. 23b, 17487 Greifswald
XXII
Autorenverzeichnis
Jochum, F., Dr. med.
Krawinkel, M., Prof. Dr. med.
Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau, Stadtrandstr. 555, 13589 Berlin, und Abteilung für Neonatologie und pädiatrische Intensivtherapie, Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Institut für Ernährungswissenschaft und Zentrum für Kinderheilkunde, Justus-Liebig-Universität, Wilhelmstr. 20, 35392 Gießen
Kries R. von, Prof. Dr. med. Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität, Heiglhofstr. 63, 81337 München
Kalhoff, H., Prof. Dr. med. Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Westfälisches Kinderzentrum, Beurhausstr. 40, 44137 Dortmund
Lange, M., Dr. med.
Kersting, M., PD Dr. med.
Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau, Stadtrandstr. 555, 13589 Berlin
Forschungsinstitut für Kinderernährung, Heinstück 11, 44225 Dortmund
Mönch, E., Prof. Dr. med.
Klaunik, G., Dr. med. Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, Universität Greifswald, Friedrich Sauerbruchstraße, Bettenhaus 1, 17487 Greifswald
Kluge, S., Dr. med. Deutsches Institut für Ernährungsforschung, Arthur-Scheunert-Allee 114–116, 14558 Bergholz-Rehbrücke
AG Stoffwechsel, Klinik für allgemeine Pädiatrie, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Niggemann, B., Prof. Dr. med. Pädiatrische Pneumologie und Immunologie, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Oberle D., Dr. med. Dr. v. Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität, Lindwurmstr. 4, 80337 München
Koletzko, B., Prof. Dr. med. Dr. v. Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität, Lindwurmstr. 4, 80337 München
Razeghi, S., Dr. med. Kinderklinik Dritter Orden, Franz-Schrank-Str. 8, 80638 München
XXIII Autorenverzeichnis
Schmitt, M., Dr. med. Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau, Stadtrandstr. 555, 13589 Berlin
Schröder, C., Dr. med. Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Strobel, G., PD Dr. med. Institut für Sportmedizin, Campus Benjamin Franklin, Arnimallee 22, 14195 Berlin
Thul, P., Prof. Dr. med. Klinik für Allgemein-, Visceral-, Gefäß- und Toraxchirurgie, Campus Charité Mitte, Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin
Topp, H., Dr. rer. nat. Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald Fresenius Kabi Deutschland GmbH, Else-Kröhner-Str. 1, 61352 Bad Homburg
Toschke, A.M., Dr. med. Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität, Heiglhofstr. 63, 81337 München
1 Basisinformationen F. Jochum
1.1
Bilanzierte Ernährung
1.2
Regulation der Nahrungsaufnahme – 11
1.3
Enterale und parenterale Ernährung – 12 Literatur
– 18
– 10
10
1
Kapitel 1 · Basisinformationen
Imbalanzen des Wasser-, Elektrolyt- und weiteren Nährstoffhaushalts treten bei Kindern häufig auf. Gründe hierfür sind die Unreife der Regulation, die besondere Physiologie und die schnellen Änderungen des Nährstoffbedarfes im Verlauf des Säuglings-, Kleinkindes-, Jugend- bis zum Erreichen des Erwachsenenalters. Diese Altersabhängigkeit spiegelt sich auch in der Anzahl der veröffentlichten experimentellen Forschungsarbeiten bezüglich des Wasser-, Elektrolyt- und weiteren Nährstoffbedarfes von Kindern wider. Für ältere pädiatrische Patienten liegen nur wenig experimentelle Daten vor. Die von deutschen oder internationalen Gesellschaften publizierten »Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr« oder zu diesem Thema veröffentlichte Lehrbücher arbeiten darum mit extrapolierten Daten. Die vielen verfügbaren Informationen über Neugeborene und die im Vergleich wenigen Daten über ältere pädiatrische Patienten finden auch in der Ausführlichkeit der Empfehlungen für die verschiedenen Altersgruppen ihren Niederschlag.
1.1
Bilanzierte Ernährung
Im Laufe der Entwicklungsgeschichte hat sich der Mensch an die ihm zur Verfügung stehende Nahrung angepasst. Entsprechend des persönlichen Bedarfes wird beim Gesunden eine adäquate Nahrungszufuhr durch Hunger und Durst erreicht. Dabei ist die Nahrungsaufnahme, neben persönlichen Vorlieben, nicht frei von familiären, kulturellen und geographisch-meteorologischen Einflüssen. Schnelle Änderungen des Nahrungsangebots, des individuellen Energieverbrauches oder der Möglichkeit Nahrung aufzunehmen (wie z. B. bei Krankheit oder therapeutischen Maßnahmen) können die komplexe Eigenregulation, die in der Empfindung von Hunger, Durst und Sättigung mündet, stören. So kommt es zu einer Nahrungsaufnahme, die nicht dem Bedarf entspricht. Vielfältige Gründe können es notwendig machen, die Regulation der Nahrungsaufnahme rational zu steuern oder außer Kraft zu setzen und die Zufuhr extern zu regeln (Krankheiten, Frühgeborenenernährung über Magensonde, perioperative (teil-)parenterale Ernährung). Muss in die Regulation der Nahrungszufuhr eingegriffen werden, so ist es auch notwendig, den Nährstoffbedarf und den -gehalt der ausgewählten Nahrungsmittel
11 1.2 · Regulation der Nahrungsaufnahme
1
zu kennen und deren angepasste Zufuhr – also eine bilanzierte Ernährung – zu organisieren. Für die Kinder- und Jugendmedizin stellen die verschiedenen Maßnahmen der Diätetik eine zentrale therapeutische Möglichkeit dar, die im stationären Bereich häufig eingesetzt werden muss. Dies liegt an den besonderen physiologischen Verhältnissen bei Kindern, die, leichter als bei Erwachsenen, zu einer Imbalanz des Flüssigkeits-, Elektrolyt- oder weiteren Nährstoffhaushalts führen. Die Durchführung einer bilanzierten Ernährung ist hier besonders schwierig, weil die behandelten Kinder sehr unterschiedlich sind (z. B. Körpergewicht: von 100 kg) und der Nährstoffbedarf stark alters- und wachstumsabhängig ist. Zusätzlich sind die physiologischen Besonderheiten von Früh- und Reifgeborenen und die Anpassungsvorgänge nach der Geburt eine besondere Herausforderung, um eine angepasste Nahrungszufuhr zu gewährleisten. Die Genauigkeit der Bilanzierung von Ernährung hängt, neben anderen Faktoren, maßgeblich von der Dauer, z. B. einer parenteralen Ernährung, ab. Im klinischen Alltag einer Kinderklinik ist eine Dauer von wenigen Tagen bis Wochen die Regel (ausgenommen die lebenslangen semisynthetischen Diäten bei angeborenen Stoffwechselstörungen). An diesen Standardsituationen orientiert sich dieser Leitfaden, um für den üblichen klinischen Alltag eine schnelle Orientierung und optimale Behandlungsqualität zu erreichen. Spezialsituationen, wie z. B. eine lebenslange parenterale Ernährung beim Kurzdarmsyndrom, werden nur kurz, im Bezug auf die Akutversorgung der Patienten, dargestellt. Hierzu wird auf Fachpublikationen bezüglich der Spezialthemen verwiesen.
1.2
Regulation der Nahrungsaufnahme
Die Regulationsmechanismen, die zu einem angepassten Hunger-, Durst- und Sättigungsgefühl führen, sind bis heute nur in Ansätzen geklärt. Es wurden in den letzten Jahren mehrere hypothalamische und periphere »Signalstoffe« entdeckt, die eine Kommunikation zwischen Nahrungszufuhr/-speicherung, Grundumsatz, Lipolyse, Stoffwechsel und der endokrinen Kontrolle von Wachstum, Reproduktion und Wohlbefinden ermöglichen. Das überwiegend in Fettzellen gebildete Leptin nimmt hierbei in Verbindung mit dem Leptinrezeptor eine zentrale Stellung ein, denn niedrige Spiegel führen im Tierversuch und beim Menschen zu überschießender Nahrungsaufnahme.
12
1
Kapitel 1 · Basisinformationen
Leptinspiegel korrelieren mit den Fettvorräten. Leptin entfaltet seine Wirkung über verschiedene Neuropeptide, die z. T. in Neuronen des Hypothalamus gebildet werden [Neuropeptid Y (NPY), »agouti-related peptide« (AGRP), Proopiomelanocortin (POMC), »cocaine-and-amphetamine-related transcript« (CART) und andere; Forbes et al. 2001]. Als Gegenspieler des Leptins, das in seiner Hauptwirkung anorexigen wirkt, ist ein 28 Aminosäuren langes, im Magen gebildetes Peptid, das Ghrelin, identifiziert worden. Ghrelin gehört zur Gruppe der Wachstumshormon-freisetzenden Peptide und entfaltet seine Wirkung an einem eigenen Rezeptor im Hypothalamus (GHS-Rezeptor). Seine orektische Wirkung ist unabhängig von der Freisetzung von Wachstumhormon (Tschop et al. 2004). Ghrelin steigt beim nüchternen Menschen im Plasma schnell an und fällt nach Nahrungsaufnahme schnell wieder ab (Horvath et al. 2001; Tschop et al. 2004). Die Infusion von Ghrelin steigert beim Menschen die Nahrungsaufnahme (Horvath et al. 2001). In welchem Gestationsalter die »Justierung« der Regelkreise zur Regulation der Nahrungsaufnahme stattfindet, ist weit gehend unklar. Es gibt erste Evidenz dafür, dass die Ernährung bei Früh- und Reifgeborenen langfristig die Entstehung einer Adipositas begünstigen kann, also unphysiologische Ernährung in dieser scheinbar vulnerablen Phase langfristige Auswirkungen (»food programming«) haben könnte (Metges 2001; Toschke et al. 2002). Das hier nur orientierend dargestellte komplexe Regulationssystem wird im klinischen Alltag einer Kinderklinik häufig und durch einfachste Maßnahmen, wie eine Magensonde oder parenterale Flüssigkeitszufuhr, außer Kraft gesetzt. Die Regulationsfunktion dieses Systems muss dann durch den Arzt übernommen werden, der mit Zufuhrempfehlungen für Nahrung, in Verbindung mit Wissen über die Physiologie des Patienten, über die Pathophysiologie der Erkrankung und über die Informationen aus dem Patientenmonitoring die Nährstoffzufuhr individuell festlegen muss.
1.3
Enterale und parenterale Ernährung
Die Entscheidung zwischen den einzelnen Formen der Nahrungszufuhr sollte jeweils nach medizinischer Indikation unter dem Leitgedanken »so wenig invasiv wie möglich« getroffen werden. Dieses Vorgehen begünstigt niedrige Komplikationsraten.
13 1.3 · Enterale und parenterale Ernährung
1
Orale Ernährung bietet die Möglichkeit der eigenständigen kortikalen Kontrolle der Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr ( Abschn. 1.2). Bei enteraler Ernährung, über z. B. eine Magen- oder perkutane endoskopische Gastrostomie- (PEG-)Sonde, sind diese Kontrollmechanismen bereits ausgeschaltet, und es bleibt nur für einen Teil der Nährstoffe die Möglichkeit einer beschränkten Regulation über verminderte oder vermehrte Absorption. Bei parenteraler Ernährung ist auch dieser Regulationsmechanismus ausgeschaltet. Ist es nicht möglich, eine komplette orale oder enterale Nährstoffzufuhr zu gewährleisten, so ist zu entscheiden, ob eine ▬ partielle parenterale Ernährung (PPE) oder ▬ totale parenterale Ernährung (TPE) erforderlich ist. ! Cave Mit der Ausschaltung der physiologischen Regulationsmöglichkeiten durch »aggressivere« Zufuhrwege ist eine akzidentelle Imbalanz von Nährstoffen durch den Organismus immer schwieriger auszugleichen. Bei der TPE sind darum an eine bedarfsgerechte Zufuhr und die hierfür notwendigen Kontrollen die höchsten Anforderungen zu stellen.
Neben dem Zugangsweg spielen aber auch das Lebensalter des Patienten (damit verbunden unreife Regulationsmechanismen, Größe der Nährstoffspeicher) und die Dauer einer bilanzierten Ernährung für die Entwicklung von Imbalanzen eine wichtige Rolle. > Die Entscheidung zwischen oraler, enteraler Nahrungszufuhr, PPE oder TPE sollte jeweils nach medizinischer Indikation unter dem Leitgedanken »so wenig invasiv wie möglich« getroffen werden. Dieses Vorgehen begünstigt niedrige Komplikationsraten (Brown et al. 1989; Long u. Keyserling 1985; Sohn et al. 2001; Vaidya et al. 1991). Wenn immer möglich und von ihrem Anteil so hoch wie möglich, sollte die Nahrung darum oral zugeführt werden. Wenn dies nicht möglich ist, ist der enterale und, nur wenn beides nicht möglich ist, der (teil-)parenterale Weg zu wählen (Suchner et al. 1996).
14
1
Kapitel 1 · Basisinformationen
Verdauung und Absorption Durch Oberflächenvergrößerung das Darmes (Fältelung und Schleimhautzotten) in Verbindung mit den Verdauungssekreten entsteht ein äußerst effektives System zur Nahrungsaufnahme. Zur Verdauung der Nahrung ist neben den anatomischen Voraussetzungen ein Zusammenspiel physikalischer und chemisch-enzymatischer Prozesse notwendig, die einer hormonellen und auch nervalen Kontrolle unterliegen. Beim Transport des Chymus durch die verschiedenen Bereiche des Verdauungssystems wird durch die Verdauungssekrete die Fermentierung der Nahrung und die Aufspaltung in die einzelnen Nährstoffe bewirkt, die der Absorption vorausgehen muss. Die Absorption der einzelnen Nahrungsbestandteile ist an bestimmte Lokalisationen gebunden (Proteinbausteine: Magen, Duodenum, Jejunum; Kohlenhydrate/Lipide: Duodenum und Jejunum; Elektrolyte und Spurenelemente: Duodenum; Vitamine: unterschiedliche Lokalisationen). Die Aufnahme kann durch verschiedene Transportmechanismen [z. B. aktiver Transport (carriervermittelt, Pinozytose), passiver Transport (Diffusion)] in gewissen Grenzen reguliert werden. Kohlenhydrate werden durch Speichel, später durch die Pankreasamylase an den α-1,1-Bindungen zu Oligosacchariden gespalten. An der Bürstensaummembran des Dünndarms erfolgt die weitere Aufspaltung. Kohlenhydrate werden in Form von Monosacchariden resorbiert. Einige Kohlenhydrate (höhermolekular, z. B. Zellulose, oder niedermolekular, z. B. Raffinose, Laktulose) sind unverdaulich. Auch prinzipiell abbaubare Kohlenhydrate können sich der Verdauung entziehen (resistente Stärke – sterische Unzugänglichkeit für die Verdauungsenzyme). Mangel an Verdauungsenzymen (wie z. B. Laktasemangel) führt zu unverdauten Kohlenhydraten im Kolon. Diese werden durch bakterielle Hydrolyse in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt. Bei stärkerer Zunahme (vermehrter Zufuhr von Ballaststoffen, Fruktose, Xylit oder Resorptionsstörungen verschiedener Ursache) treten Blähungen und Diarrhöen durch bakteriellen Abbau von Kohlenhydraten auf. Proteine: Die Proteolyse beginnt bereits im Magen (Sekrete, Pepsin), wird durch Pankreasenzyme (Trypsin, Chymotrypsin, Elastase, Carboxypeptidasen) und schließlich durch Dipeptidasen an der Bürstensaummembran fortgesetzt. Die Aufnahme erfolgt als aktiver Transport bevorzugt als Aminosäure und Dipeptid. Triglyzeride werden zu einem kleinen Teil im Magen (Magenlipase), hauptsächlich aber von der Pankreaslipase, in freie Fettsäuren und 2-Monoglyzeride gespalten, die zusammen mit Cholesterin und konjugierten Gallensäuren (als Mizellen) passiv oder pro-
15 1.3 · Enterale und parenterale Ernährung
1
teinvermittelt vom Dünndarm aufgenommen werden können. Nach der intrazellulären Reveresterung werden sie an Apolipoproteine gebunden und erreichen über die Lymphe den Ductus thoracicus. Die konjugierten Gallensäuren werden im terminalen Ileum rückresorbiert. Mittelkettige Fettsäuren (MCT) können enterozytär direkt aufgenommen werden. Bei Frühgeborenen und bei reifen Säuglingen ist der Gastrointestinaltrakt bezüglich eines Teils der oben orientierend dargestellten Funktionen unreif. Das betrifft einerseits die nervale und strukturelle Reife, aber auch die Kapazität der zur Verdauung notwendigen Enzyme (Auricchio et al. 1965). Bei Termingeborenen steht mit der Muttermilch eine an diese Verhältnisse adaptierte Nahrung zur Verfügung. Die Unreife Frühgeborener ist aber so ausgeprägt, dass eine langsame Gewöhnung des Gastrointestinaltrakts an enterale Ernährung erfolgen muss. In dieser Zeit muss die Nährstoffzufuhr durch (teil-)parenterale Ernährung gesichert werden. Auch bei älteren Kindern kann die Resorption durch Krankheit signifikant beeinträchtigt sein.
Bemerkungen über Zufuhrempfehlungen Zufuhrempfehlungen unterliegen Veränderungen durch wissenschaftlichen Fortschritt und Gesundheitspolitik. Die genaue Antwort auf die Frage »Bedarf?« lässt sich nur unter Zuhilfenahme der Frage »Wofür?« beantworten. Beim praktischen Umgang mit Zufuhrempfehlungen ist zu berücksichtigen, dass diese üblicherweise keine Angaben zu: ▬ Bioverfügbarkeit, ▬ biochemischen Form, ▬ qualitativen Zusammensetzung der Ernährungssubstrate und ▬ Veränderungen des Bedarfes bei Krankheit machen. Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr verschiedener Gesellschaften oder Organisationen sind nicht immer einheitlich. Teilweise lassen sich diese Unterschiede durch die Weiterentwicklung, wie z. B. die Aufnahme neuer wissenschaftlicher Ergebnisse, erklären. Im Weiteren sind, neben geographisch-meteorologischen sowie kulturellen Unterschieden, die verschiedenen Ziele der einzelnen Empfehlungen zu berücksichtigen. Während in der Vergangenheit der Antrieb zur Beschäftigung mit der Nahrungszufuhr oft die Vermeidung von Mangelerkrankungen war, ist in den letzten Jahren ein zunehmender »Wertewandel« hin zur Verbesserung der Gesundheit wahrzunehmen. Bei-
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Kapitel 1 · Basisinformationen
spiel hierzu ist die Empfehlung einer Fluoridsupplementierung zur Senkung der Kariesinzidenz. Bei Verwendung von Ernährungsempfehlungen für Kranke oder zur Berechnung einer bilanzierten Ernährung sind die im Folgenden aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen. Veränderter Bedarf. Ernährungsempfehlungen basieren üblicherweise auf dem »Bedarf eines gesunden Menschen«. Veränderungen des Bedarfes durch Krankheit sind nicht berücksichtigt. Beispiel Veränderter Bedarf Vermehrter Flüssigkeitsbedarf, z. B. bei Fieber: +10–20% vom Grundumsatz (Hammarlund et al. 1979; Wu u. Hodgman 1974).
Einfluss der biochemischen Form des Nahrungssubstrats (Speziation). Üb-
licherweise werden in den Ernährungsempfehlungen lediglich Angaben über die empfohlene Zufuhr der verschiedenen Substrate gemacht. Die chemische Form, in der das Substrat zugeführt wird, und die Matrix können aber Aufnahme und Verteilung auf verschiedene Körperkompartimente signifikant beeinflussen. Beispiel Biochemische Form des Nahrungssubstrats Phenylketonurie- (PKU-)Patienten der deutschen PKU-Verbundstudie hatten einen niedrigen Selen- (Se-)Status (n=24, Kinder) und wurden mit 25 µg/m2 KOF Se für 9 Monate supplementiert (entweder mit Selenomethionin oder Natriumselenit). Die Vollblut-Se-Spiegel waren nach 9-monatiger Selenomethioningabe beinahe 3-mal so hoch (162±62 ng Se/ml Vollblut) wie in der mit anorganischem Se supplementierten Gruppe (57±13 ng Se/ml Vollblut), obwohl beide Gruppen die gleiche Dosis erhalten hatten (Jochum et al. 1999).
Einfluss der Bioverfügbarkeit. In Ernährungsempfehlungen kann die Bioverfügbarkeit von Nahrungssubstraten nur für die »Standardsituation« berücksichtigt werden. Die Bioverfügbarkeit kann aber die Aufnahme beeinflussen.
17 1.3 · Enterale und parenterale Ernährung
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Beispiel Bioverfügbarkeit Wir fanden bei 128 Säuglingen, die 4 Monate lang ausschließlich jeweils mit Muttermilch, Kuhmilchformula oder teilhydrolisierter Formula ernährt wurden, gleiche Plasma-Zink-(Zn-)Spiegel (im physiologischen Bereich). Der Zn-Gehalt betrug in der Muttermilch im Mittel 1,4±0,09 mg/l, in der Kuhmilchformula 2,1±0,1 mg/l und war in der teilhydrolisierten Formula mit 5,7±0,2 mg/l mehr als 4-mal so hoch wie in Muttermilch. Die Bioverfügbarkeit für Zn aus Muttermilch ist in verschieden zusammengesetzter Nahrung unterschiedlich (Jochum et al. 1995). Sie muss zur Gewährleistung einer adäquaten Zufuhr berücksichtigt werden.
Einfluss der Qualität der in der Nahrung enthaltenen Substrate. In Ernäh-
rungsempfehlungen kann auf die Qualität der verwendeten Substrate nur beschränkt eingegangen werden. Die Qualität der Substrate kann aber einen starken Einfluss auf den Stoffwechsel ausüben. Beispiel Qualität der verwendeten Substrate Nach der Implantation einer Aortenklappe wurden 25 erwachsene Patienten in 2 Gruppen geteilt und mit jeweils einer Fettlösung (strukturierte Triglyzeride, STG, oder einer Emulsion aus mittel- und langkettigen Fettsäuren, M-LCT) gemäß den üblichen Empfehlungen parenteral ernährt. Die mit STG ernährten Patienten hatten eine kumulative Stickstoffbilanz von –7 g/Tag, die M-LCT-Gruppe eine von –21 g/Tag (Kruimel et al. 2001).
Auch nichtnutritive Effekte von Nahrung (»food programming«, »Pharmakonutrition«) sind in üblichen Ernährungsempfehlungen nicht berücksichtigt ( Kap. 15). > Beim praktischen Umgang mit Zufuhrempfehlungen muss berücksichtigt werden, dass Bioverfügbarkeit, chemische Form, Matrix, Qualität der Nährstoffe und krankheitsbedingte Veränderungen des Bedarfes signifikante Auswirkungen auf den Nährstoffhaushalt haben können. Im ▼
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Kapitel 1 · Basisinformationen
Zweifel muss durch angepasstes Monitoring gemessen werden, ob die Nährstoffspiegel bei Patienten, die eine bilanzierte Ernährung auf der Grundlage einer Bedarfsempfehlung erhalten, im physiologischen Bereich liegen.
Literatur Auricchio S, Rubino A, Murset G (1965) Intestinal glycosidase activities in the human embryo, fetus, and newborn. Pediatrics 35: 944–954 Brown MR, Thunberg BJ, Golub L, Maniscalco WM, Cox C, Shapiro DL (1989) Decreased cholestasis with enteral instead of intravenous protein in the very low-birth-weight infant. J Pediatr Gastroenterol Nutr 9: 21–27 Forbes S, Bui S, Robinson B, Hochgeschwender U, Brennan M (2001) Integrated control of appetite and fat metabolism by the leptin-proopiomelanocortin pathway. Proc Natl Acad Sci U S A 98: 4233–4237 Hammarlund K, Nilsson GE, Oberg PA, Sedin G (1979) Transepidermal water loss in newborn infants. II. Relation to activity and body temperature. Acta Paediatr Scand 68: 371–376 Horvath T, Diano S, Sotonyi P, Heiman M, Tschop M (2001) Minireview: ghrelin and the regulation of energy balance – a hypothalamic perspective. Endocrinology 142: 4163–4169 Jochum F, Fuchs A, Cser A, Menzel H, Lombeck I (1995) Trace mineral status of full-term infants fed human milk, milk-based formula or partially hydrolysed whey protein formula. Analyst 120: 905–909 Jochum F, Terwolbeck K, Meinhold H, Behne D, Menzel H, Lombeck I (1999) Is there any health risk of low dietary selenium supply in PKU-children. Nutr Res 19: 221–226 Kruimel J, Naber T, Vliet J van der, Carneheim C, Katan M-B, Jansen J (2001) Parenteral structured triglyceride emulsion improves nitrogen balance and is cleared faster from the blood in moderately catabolic patients. JPEN J Parenter Enteral Nutr 25: 237–244 Long JG, Keyserling HL (1985) Catheter-related infection in infants due to an unusual lipophilic yeast – Malassezia furfur. Pediatrics 76: 896–900 Metges CC (2001) Does dietary protein in early life affect the development of adiposity in mammals? J Nutr 131: 2062–2066 Sohn AH, Garrett DO, Sinkowitz-Cochran RL et al. (2001) Prevalence of nosocomial infections in neonatal intensive care unit patients: results from the first national point-prevalence survey. J Pediatr 139: 821–827 Suchner U, Senftleben U, Eckart T et al. (1996) Enteral versus parenteral nutrition: effects on gastrointestinal function and metabolism. Nutrition 12: 13–22 Toschke AM, Vignerova J, Lhotska L, Osancova K, Koletzko B, Kries R von (2002) Overweight and obesity in 6- to 14-year-old Czech children in 1991: protective effect of breast-feeding. J Pediatr 141: 764–769 Tschop M, Smiley D, Heiman M (2004) Ghrelin induces adiposity in rodents. Nature 407: 908–913 Vaidya UV, Hegde VM, Bhave SA, Pandit AN (1991) Reduction in parenteral nutrition related complications in the newborn. Indian Pediatr 28: 477–484 Wu PY, Hodgman JE (1974) Insensible water loss in preterm infants: changes with postnatal development and non-ionizing radiant energy. Pediatrics 54: 704–712
2 Physiologie Besonderheiten des Wasser-, Elektrolyt- und Nährstoffbedarfes pädiatrischer Patienten F. Jochum
2.1
Körperwassergehalt – 20
2.2
Flüssigkeitsumsatz – 22 Exkurs: Anpassung nach der Geburt
– 24
2.3
Verteilungsräume der Körperflüssigkeit – 25
2.4
Regulationsmechanismen
2.5
Besonderheiten des Energie- und Nährstoffbedarfes – 26
2.6
Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten – 27 Literatur
– 29
– 26
20
Kapitel 2 · Physiologie
2
Kontrolle und Regulation der Körperwasserspeicher bei Kindern sind im Vergleich zu Erwachsenen erschwert, weil ein höherer Wasseranteil/kg KG und Tag reguliert werden muss. Zusätzlich ist der Wasserumsatz/kg KG (bis zu 5-mal) höher als bei Erwachsenen. Unter anderem wegen des Körperwachstums ist der Nährstoffbedarf/ kg KG von Kindern höher als der von Erwachsenen. Auch die Regulation des Elektrolyt- und weiteren Nährstoffhaushalts ist durch altersabhängige Besonderheiten limitiert. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Flüssigkeits-, Elektrolyt- und weitere Nährstoffzufuhr eng an den mit zunehmendem Lebensalter sinkenden Bedarf anzupassen. Bei gesunden älteren Kindern hat die Physiologie scheinbar geringere Bedeutung. Belastung des Wasser-, Elektrolyt- oder sonstigen Stoffwechsels führt bei ihnen schneller an die Grenzen als bei Erwachsenen (mit reifen Regulationsmechanismen) und großen Körperspeichern. Darum sind auch die im Vergleich zu Erwachsenen nicht so offensichtlichen Besonderheiten älterer pädiatrischer Patienten für den klinischen Alltag wichtig und keinesfalls zu vernachlässigen.
Die Strategien für die (parenterale) Ernährung von pädiatrischen Patienten unterscheiden sich signifikant vom Vorgehen bei Erwachsenen. Das besondere Vorgehen bei Kindern ergibt sich aus den physiologischen Besonderheiten dieses Lebensabschnitts. Wissen über altersabhängige Veränderungen der Ernährungsphysiologie bei Kindern ist darum notwendig, um die bedarfsgerechte und sichere Nährstoffzufuhr bei pädiatrischen Patienten zu gewährleisten. Zum besseren Verständnis der Ernährungsstrategien für Kinder erscheint es hier sinnvoll, die physiologischen Besonderheiten voranzustellen.
2.1
Körperwassergehalt
Der Wassergehalt des Körpers ist altersabhängig und nimmt von ca. 90% bei einem Frühgeborenen mit 24 Schwangerschaftswochen im Verlauf des Kleinkind- und Jugendalters bis auf unter 60% beim Erwachsenen mit zuneh-
21 2.1 · Körperwassergehalt
2
⊡ Abb. 2.1. Wassergehalt und Verteilung auf die verschiedenen Körperkompartimente in Abhängigkeit von Lebensalter und Geschlecht. (Aus Friis-Hansen 1961)
mendem Lebensalter ab (Friis-Hansen 1961; Widdowson 1981; ⊡ Abb. 2.1). Während des Wachstums kommt die Abnahme des Körperwassergehaltes maßgeblich durch den Aufbau von Körpergewebe zustande (Strukturproteine, Vergrößerung der Muskel-/Organmasse und des Fettanteils). Hierdurch kommt es zu einer relativen Verminderung der Wasseranteils an der Körpermasse. Nach der Pubertät lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede der Körperzusammensetzung und des Körperwassergehaltes messen. Hierbei fällt bei Mädchen/Frauen im Vergleich zu Jungen/Männern ein höherer Körperfettanteil auf, der zu einem im Vergleich geringeren Körperwassergehalt führt ( Abschn. 2.3).
2
22
Kapitel 2 · Physiologie
2.2
Flüssigkeitsumsatz
Auch der Flüssigkeitsumsatz/kg KG ist beim Frühgeborenen, Säugling, Kleinkind und Jugendlichen höher als beim Erwachsenen (Fusch et al. 1993; ⊡ Abb. 2.2). Hierzu tragen die Unreife der Epidermis (⊡ Abb. 2.3), die große Körperoberfläche im Vergleich zum Körpervolumen mit daraus resultierender hoher Perspiratio insensibilis (Costarino u. Baumgart 1998), die Unreife der Niere [verminderte Konzentrierungsfähigkeit (Spitzer 1978), dadurch größeres Urinvolumen; ⊡ Abb. 2.4 unten] und der höhere Energieumsatz/kg KG bei (bis zu 3-mal so hoch wie beim Erwachsenen: Metabolisierung von 100 kcal benötigt ca. 100 ml Wasser). Die Regulationsmechanismen des Wasser- und Elektrolythaushalts sind bei der unreifen Niere in ihrer Effektivität noch eingeschränkt. Neben der geringeren Konzentrierungsfähigkeit (⊡ Abb. 2.4) sind auch die glomeruläre Filtrationsfähigkeit, die tubuläre Rückresorption und die H+-Ionen-Elimination im Vergleich zum Erwachsenen geringer (Aperia et al. 1981; Fawer et al. 1979).
⊡ Abb. 2.2. Wasserumsatz/kg KG und Tag in verschiedenen Lebensaltern. (Fusch et al. 1993)
23 2.2 · Flüssigkeitsumsatz
⊡ Abb. 2.3. Transdermaler Wasserverlust (»transepidermal water loss«, TEWL) bei Frühgeborenen verschiedener Reifegrade unter verschiedener Luftfeuchtigkeit. (Mod. nach Hammarlund u. Sedin 1979)
⊡ Abb. 2.4. Entwicklung der Konzentrierungsfähigkeit der Neugeborenenniere im ersten Lebensjahr. (Aus Pol’acek et al. 1965)
> Bei pädiatrischen Patienten müssen im Vergleich zu Erwachsenen ein größeres Flüssigkeitsvolumen/kg KG und ein höherer Flüssigkeitsumsatz/kg KG mit einem schwächeren Regulationsmechanismus kontrolliert werden (⊡ Abb. 2.1 und 2.2). Eine bedarfsnahe Zufuhr von Wasser und Elektrolyten ist notwendig, um die Körperhomöostase zu gewährleisten.
2
24
Kapitel 2 · Physiologie
Exkurs Anpassung nach der Geburt
2
Mit der Geburt des Feten wird eine Reihe physiologischer Adaptationsmechanismen eingeleitet. Hierbei sind kurzfristige Veränderungen (Unterbrechung der plazentaren Filterfunktion und Versorgung, Beginn insensibler Wasserverluste, eigenständige Thermoregulation) von langsamen Anpassungsvorgängen (autonome renale Regulation des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts, Beginn der oralen, selbstgesteuerten Aufnahme von Nahrung) abzugrenzen. Die langfristigen Adaptationsvorgänge benötigen Zeit, um den schnellen Veränderungen nach Geburt entgegenzusteuern. Dieser Anpassungszeitraum kann in die 3 im Folgenden beschriebenen Abschnitte gegliedert werden.
Phase I/Veränderung. Die Phase direkt nach der Geburt beginnt mit einer relativen Oligurie (Modi 1988). Es folgt eine diuretische Phase, in der das Volumen der Kompartimente neu justiert wird [isotonische oder hypertonische (hypernatriämisch und hyperchlorämisch) Kontraktion; Dauer: Stunden bis Tage]. Auslöser sind die hohen insensiblen Wasserverluste über die unreife Haut in Verbindung mit der initalen Natriurese (wie in der Fetalperiode; Modi u. Hutton 1990). Das Ende der ersten Phase ist mit dem Erreichen des maximalen Gewichtsverlustes markiert. Phase II. Die Zwischenphase wird durch abnehmende insensible Wasserverluste (parallel zur zunehmenden Verhornung der Epidermis), eine Verminderung der renalen Ausscheidung auf weniger als 1–2 ml/kg KG und Stunde und eine niedrige Natriumausscheidung charakterisiert.
Phase III. Die Phase des stabilen Wachstums zeichnet sich durch eine kontinuierliche Gewichtszunahme in Verbindung mit einer positiven Nettobilanz für Stickstoff und Natrium aus.
25 2.3 · Verteilungsräume der Körperflüssigkeit
2.3
2
Verteilungsräume der Körperflüssigkeit
Wegen des unterschiedlichen physiologischen Verhaltens lässt sich der menschliche Körper in 2 virtuelle Kompartimente unterteilen: die Fettmasse (FM) und die fettfreie Körpermasse (»lean body mass«, LBM). Die FM hat wegen ihrer hydrophoben Eigenschaft einen im Vergleich zur LBM geringeren Wasseranteil. Der Hauptanteil der wasser- und energieabhängigen Stoffwechselvorgänge spielt sich in der LBM ab. Bei Frühgeborenen sind die Fettspeicher im Vergleich zu Reifgeborenen klein. Dies führt zu einem höheren Anteil an LBM und Wasser ( Abschn. 2.1). Unter klinisch-physiologisch praktischen Gesichtspunkten lässt sich der Wassergehalt realen, abgrenzbaren Räumen des menschlichen Körpers zuordnen, die eine besondere Physiologie aufweisen. So lassen sich ▬ Intrazellularraum und ▬ Extrazellularraum abgrenzen. Letzterer ist weiter in ▬ Intravasal- und ▬ Extravasalraum zu unterteilen. Flüssigkeiten in präformierten Höhlen (Pleuraerguss, Aszites, Urin in der Blase) werden als Flüssigkeit im dritten Raum bezeichnet. Wie in ⊡ Abb. 2.1 zu erkennen, wird die Körperflüssigkeit altersabhängig auf die verschiedenen Kompartimente verteilt und ist nach der Pubertät auch geschlechtsabhängig. Parallel zur Abnahme des Gesamtkörperwassergehaltes kommt es zu einer Flüssigkeitsabnahme im extrazellulären Kompartiment und zur gleichzeitigen Zunahme im intrazellulären Raum. Hieraus lässt sich ableiten, dass Neugeborene (Frühgeborene) über höhere Körperspeicher für Natrium, Chlorid und geringere Speicher für Kalium im Vergleich zu älteren pädiatrischen Patienten oder Erwachsenen verfügen ( Abschn. 2.6). Während des Kleinkind- und Jugendalters kommt es zum Aufbau von Körpermasse, zu einer Erhöhung der FM und dadurch zu einer Verringerung des relativen Körperwassergehaltes. Mit Beginn der Pubertät sinkt wegen der Zunahme der FM bei Mädchen ihr relativer Wassergehalt/kg KG im Vergleich zu Jungen (⊡ Abb 2.1).
2
26
Kapitel 2 · Physiologie
2.4
Regulationsmechanismen
Der Wasserhaushalt wird bei Kindern durch eine Vielzahl von Mechanismen reguliert. Von diesen sind einige zunächst unreif, andere weisen spezielle altersassoziierte Einschränkungen ihrer Effektivität auf. Es ist wichtig, auch die Physiologie und die Einschränkungen der verschiedenen Regulationsmechanismen zu kennen, um kritische klinische Situationen einschätzen und beherrschen zu können. Nieren: Die für die Filtration zur Verfügung stehende glomeruläre Oberfläche ist bei Früh- und Reifgeborenen im Vergleich zu älteren pädiatrischen Patienten kleiner (Knutson et al. 1978). Bei Reifgeborenen steigt die glomeruläre Filtrationsrate in der ersten Lebenswoche an (Aperia et al. 1979; Fawer et al. 1979; Guignard et al. 1976; Sertel u. Scopes 1973) und erreicht nach etwa 2 Lebensjahren Erwachsenenwerte (Andersson 1977; Spitzer 1978). Die Unreife des distalen Nephrons reduziert die Konzentrierungsfähigkeit (anatomisch kurze Henle-Schleife; Edelmann u. Barnett 1960; Edelmann et al. 1959; Speller u. Moffat 1977). Es kann eine maximale Urinkonzentrierung von bis zu 550 mosmol/l bei Früh-, 700 mosmol/l bei Reifgeborenen im Vergleich zu 1.200 mosmol/l bei Erwachsenen erreicht werden (Chevalier 1996; Rees et al. 1984). Neugeborene haben darum ein erhöhtes Risiko eines Volumenverlustes mit dem Urin, wenn ein Missverhältnis zwischen der Molenlast und der Konzentrierungsfähigkeit der Niere auftritt. Der distale Tubulus spricht zusätzlich weniger auf »arginine vasopressin« (AVP) an (Edelmann u. Barnett 1960; Imbert-Teboul et al. 1984; Robillard u. Weitzman 1980; Robillard et al. 1979). Hormonelle Faktoren: Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), und Arginin (AVP), Vasopressin (antidiuretisches Hormon, ADH) sind bereits im frühen Gestationsalter reif. Über die Reife des Artrialen-Natriuretischen-Peptid- (ANP-)Systems nach Frühgeburt ist wenig bekannt. Der limitierende Faktor für alle oben beschriebenen Regulationsmechanismen ist die Unreife der Nieren (Aperia et al. 1979; Haycock u. Aperia 1991).
2.5
Besonderheiten des Energieund Nährstoffbedarfes
Der Energie- und Nährstoffbedarf von Kindern ist bezogen auf das Körpergewicht höher als beim Erwachsenen. Dies resultiert aus der vermehrten
27 2.6 · Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten
2
(Stoffwechsel-)Aktivität und dem Körperwachstum (Bernardi et al. 2003), die auch zu einem höheren Bedarf an bestimmten Nahrungssubstraten führen (American Academy of Pediatrics 1977; Butte et al. 1991; Picaud et al. 1994; Putet et al. 1987). (Stoffwechsel-)Aktivität und Wachstumsgeschwindigkeit nehmen vom Frühgeborenen, über das Reifgeborene, das Kleinkind, den Jugendlichen bis zum Erwachsenen ab. Dies entspricht dem Verlauf der Nährstoffbedarfskurve. Neben den bekannten nutritiven Effekten gibt es zunehmende Evidenz für langfristige Beeinflussung des Stoffwechsels durch die Ernährung in der frühen Kindheit (»food programming«, Kap. 15; Lucas 1991; Metges 2001). Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich bei der Neonatalperiode um eine Lebensphase mit besonderer Vulnerabilität für ernährungsbedingte Langzeiteffekte handeln könnte, wie sie in anderen Lebensphasen bei älteren Kindern und Erwachsenen nicht vorkommt. So ist bei Neonaten eine bedarfsnähere Zufuhr von Nährstoffen sicherzustellen als bei älteren pädiatrischen Patienten oder Erwachsenen, da Langzeiteffekte bei nichtangepasster Zufuhr nicht sicher ausgeschlossen werden können. Wie beschrieben, ist der Nährstoffbedarf altersabhängig, und es stehen bei Kindern weniger effektive Regulationsmechanismen zur Wahrung der Körperhomöostase im Vergleich zu Erwachsenen zur Verfügung. Darum können keinesfalls Zufuhrempfehlungen für Erwachsene auf das Gewicht von Neonaten umgerechnet angewandt werden.
2.6
Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten
Flüssigkeitsverteilung zwischen intra- und extrazellulärem Kompartiment erfolgt durch Ionengradienten, die durch energieabhängigen Transport autoregulatorisch auf zellulärer Ebene aufgebaut werden. Die Flüssigkeit verteilt sich passiv nach den Ionengradienten zwischen den Kompartimenten. Im Zentrum dieser Regulation steht die Natrium-Kalium- (Na-K-)-ATPase (⊡ Abb. 2.5). Hierdurch wird in einem sauerstoff-, temperatur- und energieabhängigen Prozess die Homoöstase des intra- und extrazellulären Kompartiments (das durch eine semipermeable Membran abgegrenzt wird) sichergestellt. Es lässt sich ableiten, dass diese Grundfunktion aller Körperzellen bei pädiatrischen Patienten besonders vulnerabel ist, da Kinder über eine eingeschränkte Temperaturregulation, kleine Sauerstoff- und Energiespei-
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Kapitel 2 · Physiologie
2
⊡ Abb. 2.5. Regulation der Verteilung von Natrium, Kalium und Chlorid zwischen intra- und extrazellulärem Kompartiment. (Na+ Natriumionen, K+ Kaliumionen, Cl– Chlorionen). (Fusch u. Jochum 2004)
cher (bei höherem Energieumsatz) verfügen. Aus diesem Grund tritt bei Kindern (besonders bei Säuglingen und Kleinkindern) häufiger als bei Erwachsenen ein peripheres Ödem als Zeichen einer Störung dieses Systems auf. Allein eine Hypothermie, wie sie bei Früh- und Neugeborenen schnell entsteht, kann zu einer signifikanten Hemmung der Aktivität der Na-K-ATPase führen. Bei Frühgeborenen ist der Austausch zwischen intra- und extravaskulärer Flüssigkeit im Vergleich zu Reifgeborenen und Erwachsenen erhöht (Friis-Hansen 1961). Grund dafür ist ein reduzierter intravaskulärer onkotischer Druck in Verbindung mit der erhöhten Permeabilität der Kapillaren. Dadurch ist der Flux von intravasal in das interstitielle Kompartiment und zurück erhöht. Unter pathologischen Bedingungen, wie z. B. einer Sepsis, kommt es zu einer weiteren Zunahme der Durchlässigkeit der Kapillaren (Jobe et al. 1985). Die Regulation der Homöostase des extrazellulären Kompartiments erfolgt weit gehend über die renale Ausscheidung – und in geringerem Maße über die Anpassung der Aufnahme von Nährstoffen aus dem Gastrointes-
29 Literatur
2
tinaltrakt. Wie bei der Regulation des intrazellulären Kompartiments sind auch bei der Niere viele zentrale Regulationsprozesse autoregulatorisch, sowie energie-, sauerstoff- und temperaturabhängig.
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2
Kapitel 2 · Physiologie
Jobe A, Jacobs H, Ikegami M, Berry D (1985) Lung protein leaks in ventilated lambs: effects of gestational age. J Appl Physiol 58: 1246–1251 Knutson DW, Chieu F, Bennett CM, Glassock RJ (1978) Estimation of relative glomerular capillary surface area in normal and hypertrophic rat kidneys. Kidney Int 14: 437–443 Lucas A (1991) Programming by early nutrition in man. Ciba Found Symp 156: 38–50 Metges CC (2001) Does dietary protein in early life affect the development of adiposity in mammals? J Nutr 131: 2062–2066 Modi N (1988) Development of renal function. Br Med Bull 44: 935–956 Modi N, Hutton JL (1990) The influence of postnatal respiratory adaptation on sodium handling in preterm neonates. Early Hum Dev 21: 11–20 Picaud JC, Putet G, Rigo J, Salle BL, Senterre J (1994) Metabolic and energy balance in smalland appropriate-for-gestational-age, very low-birth-weight infants. Acta Paediatr Suppl 405: 54–59 Pol’acek E, Vocel J, Neugebauerov’a L, Sebkov’a M, Vechetov’a E (1965) The osmotic concentrating ability in healthy infants and children. Arch Dis Child 40: 291–295 Putet G, Senterre J, Rigo J, Salle B (1987) Energy balance and composition of body weight. Biol Neonate 52 [Suppl 1]: 17–24 Rees L, Brook CG, Shaw JC, Forsling ML (1984) Hyponatraemia in the first week of life in preterm infants. Part I. Arginine vasopressin secretion. Arch Dis Child 59: 414–422 Robillard JE, Weitzman RE (1980) Developmental aspects of the fetal renal response to exogenous arginine vasopressin. Am J Physiol 238: F407–414 Robillard JE, Matson JR, Sessions C, Smith FG (1979) Developmental aspects of renal tubular reabsorption of water in the lamb fetus. Pediatr Res 13: 1172–1176 Sertel H, Scopes J (1973) Rates of creatinine clearance in babies less than one week of age. Arch Dis Child 48: 717–720 Speller AM, Moffat DB (1977) Tubulo-vascular relationships in the developing kidney. J Anat 123: 487–500 Spitzer A (1978) Renal physiology and function development. In: Edelmann CM (ed) The kidney and urinary tract. Little Brown, Boston, pp 25–128 Widdowson E (1981) Changes of body composition during growth. In: Davis J, Dobbing J (eds) Scientific foundations of paediatrics. Heinemann, London, pp 330–342
3 Nahrungsbestandteile F. Jochum
3.1
Zusammensetzung von Nahrungsmitteln – 32
3.2 3.2.1
Einzelne Nährstoffe – 33 Wasser – 33 Exkurs: Einflüsse auf den Flüssigkeitshaushalt – 34 Kohlenhydrate – 37 Proteine/Aminosäuren – 38 Lipide – 40 Elektrolyte (Mengenelemente, Mineralstoffe) – 41 Vitamine – 44 S. Colling Spurenelemente – 47 S. Colling Nukleotide und Ganglioside – 53 Probiotika, Präbiotika und Synbiotika – 55 Ballaststoffe (Nahrungsfasern) – 58
3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10
Literatur
– 59
32
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Nahrung ist aus verschiedenen Bestandteilen (Hauptbestandteile: Wasser, Kohlenhydrate, Proteine, Lipide, Elektrolyte, Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe) zusammengesetzt. Bedingt durch die verfügbaren Lebensmittel, stehen Kohlenhydrate, Proteine, Lipide in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis ist in gewissen Grenzen individuell, kultur- und altersabhängig. Das Wasser weist die größten Schwankungen aller Nährstoffe auf. Zur Stabilisierung sind verschiedene physikalische Maßnahmen effektiv. Glukose ist das bevorzugte Kohlenhydrat für parenterale Ernährung im Kindesalter. Bei parenteraler Ernährung muss die Proteinzufuhr (als Aminosäurelösung) dem speziellen altersabhängigen Bedarf des Patienten auch qualitativ entsprechen. Bei Säuglingen sind verschiedene Stoffwechselwege noch unreif. Dadurch werden einige üblicherweise nichtessenzielle Aminosäuren in diesem Alter zu konditionell unentbehrlichen Aminosäuren, die bei ungenügender Zufuhr niedrige Plasmaspiegel aufweisen. Lipide haben auf kleinem Volumen einen hohen Energiegehalt, sind Bausteine für die Entwicklung des Zentralnervensystems (ZNS) sowie von Zellmembranen und zeigen, je nach Zusammensetzung unterschiedliche Wirkung auf das Immunsystem. Elektrolyte sind für die Flüssigkeitsverteilung auf die verschiedenen Körperkompartimente, als anorganischer Baustoff sowie zum Aufbau und zur Kontrolle der Membranpotenziale notwendig. Viele Spurenelemente und Vitamine sind essenziell und erfüllen verschiedenste Funktionen, z. B. als Koenzym, prosthetische Gruppe oder als Substrat für den Stoffwechsel. Ballaststoffe haben keinen nutritiven Effekt, entfalten aber vielfältige Wirkung, wie z. B. die Veränderung der Resorptionsgeschwindigkeit, der Stuhlkonsistenz und der Darmflora.
3
3.1
Zusammensetzung von Nahrungsmitteln
Nahrungsmittel bestehen aus folgenden Nährstoffen: ▬ Wasser, ▬ Kohlenhydrate, ▬ Proteine, ▬ Lipide, ▬ Elektrolyte (Mengenelemente),
33
3.2 · Einzelne Nährstoffe
3
⊡ Tabelle 3.1. Richtwerte für das Verhältnis zwischen Kohlenhydraten, Proteinen und Lipiden im Vergleich zu reifer Muttermilch (nach Prozent des Energiegehaltes). (Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, DGE, 1991)
Anteile
Zufuhrempfehlung
Muttermilch reif
Kohlenhydrate
(35)–50–60%
43%
Proteine
(5)–15–20%
Lipidea
30–(50)%°
a
7% 50%
Der Lipidanteil nimmt von 45–50% bei Neugeborenen in den ersten 4 Lebensmonaten kontinuierlich bis auf 30–35% bei Kleinkindern ab dem 4. Lebensjahr ab. (Nach Schmidt 1981)
▬ Vitamine, ▬ Spurenelemente, ▬ Ballaststoffe. Die Hauptbausteine (Kohlenhydrate, Proteine, Lipide) stehen bei adäquater Ernährung in einem wünschenswerten Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis ist abhängig von Ernährungsgewohnheiten, kulturellen Einflüssen und der im jeweiligen Lebensalter bevorzugt zugeführten Kost (z. B. Neonatalperiode – Muttermilch; ⊡ Tabelle 3.1). An die relative Zusammensetzung der Hauptnahrungsbestandteile mit ihren typischen Veränderungen in den verschiedenen Lebensaltern haben sich der Gastrointestinaltrakt und der Stoffwechsel nach dem Darwin-Prinzip optimiert. Ohne wichtigen Grund und ohne klinische Kontrolle sollte das übliche Verhältnis der einzelnen Anteile nicht langfristig verschoben werden.
3.2
Einzelne Nährstoffe
3.2.1
Wasser
Wasser ist der Hauptbestandteil des menschlichen Körpers (50–90% des Körpergewichts; Abschn. 2.1). Wasser ist gleichzeitig der Hauptbestandteil der enteralen und parenteralen Ernährung (Friis-Hansen 1982) und die Basis
34
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
aller Lebensfunktionen. Wasser transportiert Nährstoffe zu den Körperzellen, befördert Abfallprodukte, Atemgase sowie Wärme und schafft das physikalisch-chemische Milieu, ohne das kein Zellstoffwechsel möglich ist. Der Wassermetabolismus zeigt dabei die größte Variabilität im Vergleich zu allen anderen Nährstoffen. Bei Kindern tritt durch Reifung und Wachstum eine zusätzliche, altersabhängige Änderung ein. Wegen der engen Verbindungen zwischen Wasser und Natrium, Chlorid sowie Kalium müssen die Verhältnisse z. T. im Zusammenhang dargestellt werden. Imbalanzen im Wasserstoffwechsel treten besonders leicht bei Kindern auf ( Abschn. 2.1–2.3).Wegen der zentralen Rolle im Stoffwechsel führen Flüssigkeitsimbalanzen schnell zu einer übergreifenden Störung verschiedenster Funktionen des Stoffwechsels (renale Clearance, Säure-Basen-Status, Temperaturregulation, Energiebereitstellung). Der hohe Flüssigkeitsumsatz in Verbindung mit unreifen Regulationsmechanismen führt bei Verlusten oder inadäquater Zufuhr von Flüssigkeit schnell zum Entgleisen des Stoffwechsels bei Kindern. Besonders bei Säuglingen und Kleinkindern kann Erbrechen, Diarrhö oder Fieber in kurzer Zeit eine lebensbedrohliche Dehydratation mit Entgleisung des Säure-Basen-Status (Acidose) oder übermäßige Wasserzufuhr zur Wasserintoxikation führen. Exkurs Einflüsse auf den Flüssigkeitshaushalt Im folgenden Abschnitt werden verschiedene Einflussgrößen auf den Flüssigkeitshaushalt von Kindern beschrieben (⊡ Abb. 3.1): Die Flüssigkeitsaufnahme über die Atemluft und die Haut ist wahrscheinlich für die Behandlung von Patienten nicht relevant. (Es gibt aber hierzu keine publizierten Daten.) Wegen der hohen Stoffwechselaktivität (in Verbindung mit dem Wachstum) entsteht bei pädiatrischen Patienten im Vergleich zu Erwachsenen pro
▼
⊡ Abb. 3.1a,b. Flüssigkeitsverluste und die dazu beitragenden Faktoren bei Kindern in Relation zu Reife bzw. Alter. a 1. Lebenstag; b Phase des stabilen Wachstums. Für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht Zur Infusionstherapie sollte in der Kinderheilkunde nur Glukose eingesetzt werden (da bei Verwendung von Glukoseaustauschstoffen und Bestehen einer Fruktoseintoleranz eine Stoffwechselentgleisung mit Lebensgefahr entstehen kann).
Glukose ist auch bei Neonaten das für die parenterale Ernährung am häufigsten verwendete Kohlenhydrat, da Glukose sofort vom ZNS verstoffwechselt werden kann und keine akut lebensgefährlichen angeborenen Erkrankungen des Glukosestoffwechsels bekannt sind. Die Osmolarität einer Glukoselösung steigt mit zunehmender Konzentration signifikant von 255 mosmol/l bei einer 5%igen Glukoselösung auf 1.020 mosmol/l bei einer 20%igen Glukoselösung. Über eine periphere Venenverweilkanüle werden Glukosekonzentrationen bis 12,5% auch langfristig gut vertragen (abhängig vom venösen Fluss im punktierten Gefäß und der Flussgeschwindigkeit der Infusionslösung). In der Anpassungs- und Stabilisierungsphase treten bei Frühgeborenen häufig Schwankungen des Blutzuckerspiegels auf, die u. a. durch kleine Nahrungsspeicher (Hypoglykämie) oder durch Insulinresistenz der Hepatozyten (Hyperglykämie) ausgelöst sein können (Cowett et al. 1988; Farrag et al. 1997; Pildes u. Pyati 1986). Die Definition von Hypo- oder Hyperglykämie oder die Einschätzung der klinischen Signifikanz variiert je nach Zentrum, wie auch die Interventionsstrategien. Weit verbreitet scheinen als untere Grenze ein Blutzuckerspiegel von 1,9 mmol/l (35 mg/dl) und ein oberer Blutzuckerspiegel von 8,3 mmol/l (150 mg/dl). Die Inzidenz von Hyperglykämien steigt mit abnehmendem Gestationsalter (Dweck u. Cassady 1974; Louik et al. 1985). Neuere experimentelle Daten sprechen eher für die Festlegung einer höheren Grenze (2,6 mmol/l, 46 mg/dl) zur Definition von Hyoglykämie auch bei neonatalen Patienten. Bei asymptomatischen Säuglingen mit intermittieren-
38
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
den Blutzuckerspiegeln unter 2,6 mmol/l (46 mg/dl) wurde in experimentellen Studien ein negativer Einfluss auf das neurologische Outcome bzw. auf die Funktion des ZNS bei Blutzuckerspiegeln unter 2,6 mmol/l (46 mg/dl) im Vergleich zu Säuglingen mit durchweg höhren Blutzuckerspiegeln gefunden (Koh et al. 1988; Lucas et al. 1988). Diskutiert wird die frühe Intervention bei einer Hyperglykämie bei Frühgeborenen (Binder et al. 1989), aber auch bei älteren Intensivpatienten durch intravenöse Insulinsupplementation mit dem Ziel, schneller eine positive Stickstoffbilanz zu erreichen. Dieser Vorteil ist den potenziellen Komplikationen dieser Therapie gegenüberzustellen. Kontrollierte Studien bezüglich der Vor- und Nachteile einer frühen Insulintherapie bei Kindern liegen nicht vor. Ebenfalls diskutiert wird eine Hyperglykämieprophylaxe durch Zufuhr von 2–3 g Protein/kg KG und Tag bereits ab dem ersten Lebenstag (oder dem ersten postoperativen Tag bei älteren Patienten). Hierdurch können die endogene Insulinsekretion stimuliert sowie die Häufigkeit und das Ausmaß von neonatalen Hyperglykämien vermindert werden (Thureen et al. 2003). Vor einer generellen Empfehlung sollten auch hier weitere kontrollierte Studien abgewartet werden.
3.2.3
Proteine/Aminosäuren
▬ Dienen als Baustein beim Körperwachstum (endogene Proteinsynthese) und als Ausgangssubstrate für die Bildung wichtiger Metaboliten. ▬ Wegen der Aufgaben beim wachsenden Kind ist die Einbeziehung der »Proteinkalorien« in die Energiebilanz umstritten. ▬ Die Zusammensetzung der Aminosäurelösungen muss den Anforderungen der jeweiligen Altersgruppe entsprechen. (Je nach Wachstumsgeschwindigkeit und Reife des Stoffwechsels ist ein unterschiedlicher Anteil an essenziellen und nichtessenziellen Aminosäuren notwendig.) ▬ Der Bedarf an essenziellen Aminosäuren bei Frühgeborenen ist höher als bei älteren Kindern oder Erwachsenen (Kleinman 1998). ▬ Verschiedene Stoffwechselwege zur Metabolisierung von Aminosäuren sind bei Neonaten unreif (Phenylalaninhydroxylase, Tyrosinaminotransferase, Cystathionase; Gaull et al. 1972; Raiha 1974). Hierdurch werden ei-
3.2 · Einzelne Nährstoffe
39
3
nige bei Erwachsenen nichtessenzielle Aminosäuren zu »konditionell« unentbehrlichen Aminosäuren (z. B. Cystein, Tyrosin, Histidin, Taurin, Arginin, Glutamin; Holt 1967; Rigo u. Senterre 1977). Andere erreichen schnell hohe Spiegel (Methionin), weil Schlüsselenzyme unreif sind. In bestimmten Situationen können Aminosäuren (z. B. Glutamin, Arginin) bei Kindern auch bedingt unentbehrlich sein. Eine Verbesserung der Infektionsinzidenz durch Supplementation in bestimmten Situationen wird diskutiert (»functional food«; Kap. 15). Durch die Unreife des neonatalen Stoffwechsels entstehen schneller als bei Erwachsenen oder älteren Kindern Aminosäureimbalanzen im Plasma. Diese können im Extremfall toxisch sein und Organe schädigen (Olney et al. 1973). Trotz umfangreicher Bemühungen, »optimale Aminosäuremischungen« für Kinder herzustellen, unterscheiden sich die Plasma-Aminosäure-Spiegel parenteral- oder mit Muttermilch ernährter Säuglinge und parenteral oder enteral ernährter älterer Kinder (Brunton et al. 2000; van Goudoever et al. 1994; Poindexter et al. 2003). Dies liegt z. T. an der schlechten Löslichkeit oder Stabilität verschiedener Aminosäuren (z. B. Glutamin, Tyrosin, Cystein u. a.), so dass nicht jede beliebige Mischung konservierbar ist. Eine Alternative bietet die Verwendung von Peptiden zur Stabilisierung einzelner Aminosäuren (Furst et al. 1997). Von der Zusammensetzung der Aminosäurelösungen wird die Stickstoffbilanz nicht signifikant beeinflusst (Duffy et al. 1981; Rigo u. Senterre 1987). Stickstoffbalanzstudien bei Frühgeborenen zeigen übereinstimmend, dass bei einer Zufuhr von 530 mg etwa 380 mg (70%) proteingebunden werden – ähnlich den Verhältnissen bei enteraler Ernährung – (Chessex et al. 1985; Kovar et al. 1989). Aminosäureimbalanzen bei parenteraler Ernährung werden auch bei Kindern als ein Faktor für die Entstehung einer Cholestase (häufige Nebenwirkung einer langfristigen parenteralen Ernährung) verantwortlich gemacht (Beath et al. 1996; Brown et al. 1989; Heird et al. 1987). Bis zu 50% der langfristig parenteral ernährten Frühgeborenen mit extrem niedrigem Geburtsgewicht (ELBW, »extremely low birth weight«) entwickeln eine Cholestase (Beale et al. 1979). Als Therapie haben sich die Reduktion der Proteinzufuhr (auf 2 g/kg KG und Tag) und der Einsatz von Ursodesoxycholsäure bewährt (Levine et al. 1999). Auf den Glutamin-/Arginineinsatz in der pädiatrischen Intensivmedizin wird im Abschn. 7.4.3 eingegangen.
40
3.2.4
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Lipide
▬ Dienen als Baustein u. a. bei der ZNS-Entwicklung und von Zellmembranen. ▬ Dienen wegen ihres im Vergleich zu Kohlenhydraten höheren Energiegehaltes/Volumen als Energielieferant [besonders die leicht verstoffwechselbaren mittelkettigen Fettsäuren (»medium chain triglycerides«, MCT)]. ▬ Durch Optimierung der Zusammensetzung der Fettemulsionen (»polyunsaturated fatty acids«, PUFA; n3/n6 usw.) wurden verschiedene positive Effekte bei Kindern und Erwachsenen beobachtet (Senkung der Infektionsinzidenz, verbesserte neurologische Entwicklung usw.; Functional food). ▬ Lipidemulsionen weisen eine niedrige Osmolarität auf (z. B. Intralipid, 20%ig, 285 mosmol/l). Durch Fettzusatz zu einer Infusionslösung wird in der Regel die Gesamtosmolarität der Lösung gesenkt und dadurch die Lebensdauer von peripheren Venenzugängen verlängert. Intravenöse Fettemulsionen sind wichtige Bestandteile einer parenteralen Ernährung, da Lipide einerseits als kompakte Energiequelle dienen (hoher Energiegehalt auf geringem Volumen), andererseits die Versorgung mit essenziellen Fettsäuren sicherstellen. Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion ist derzeit die Qualität der verwendeten parenteralen Fettemulsionen. Die klassischen Fettemulsionen zur intravenösen Anwendung werden aus Sojabohnenöl [hoher Anteil an essenziellen langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (»long chain polyunsaturated fatty acids«, LCPUFA)], hergestellt. Später kamen auch aus Olivenöl hergestellte Fettemulsionen auf den Markt (hoher Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren, dadurch weniger Peroxidation an Doppelbindungen). MCT-Fette können durch ihre im Vergleich zu »long chain fatty acids« (LCFA) unterschiedliche Metabolisation schneller verstoffwechselt werden, enthalten aber keine LCPUFA. »Fischöle« zeichnen sich durch einen hohen Gehalt an LCPUFA der w3-Serie mit antiinflammatorischen Eigenschaften aus. Im Weiteren zeigen »maßgeschneiderte, synthetische Triglyzeride« (mit unterschiedlichen Fettsäuren, die Glycerol gebunden sind) günstige metabolische Eigenschaften. Durch die sinnvolle Kombination von Fettemulsionen verschiedenen Ursprungs sollte eine verbesserte Versorgung pädiatrischer Patienten möglich sein. Zur Vermeidung eines Mangels an essenziellen Fettsäuren reicht eine Zufuhr von 0,5–1 g Fett/kg KG und
3.2 · Einzelne Nährstoffe
41
3
Tag durch eine geeignete Fettemulsion (Koletzko u. Sinclair 1999). Parenterale Ernährung mit 20%igen Fettemulsionen führen wegen ihres geringeren Phospholipidgehaltes zu physiologischeren Phospholipid- und Cholesterolspiegeln im Vergleich zur parenteralen Ernährung mit 10%igen Fettemulsionen (Haumont et a. 1989). Gleichzeitig ist aber auch der Anteil an LCPUFA niedriger (Teil der Phospholipidfraktion). Langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind für Frühgeborene »konditionell« essenziell. Ein Mangel kann zu Fehlentwicklungen von Retina und ZNS führen (Koletzko et al. 2001; Uauy et al. 2001). Zur Zeit werden neue Lipidemulsionen verfügbar gemacht, die durch Mischung verschiedener Komponenten eine Zusammensetzung erhalten sollen, die dem Bedarf von Kindern besser entspricht. Vor einer Empfehlung sollten die Ergebnisse kontrollierter Studien abgewartet werden. Die Reduktion der Fettzufuhr bei Infektionen oder anderer schwerer Krankheit senkt die Morbidität auch bei Frühgeborenen (Hammerman u. Aramburo 1988). Der Einsatz von Carnitin bei pädiatrischen Patienten wird im Abschn. 7.4.3 behandelt.
3.2.5
Elektrolyte (Mengenelemente, Mineralstoffe)
Natrium (Na+). Natrium ist das dominierende Kation des Extrazellularraumes
und damit von entscheidender Bedeutung für die Osmolarität und das Flüssigkeitvolumen dieses Kompartiments. Die Na+-Zufuhr kann zur Steuerung des Flüssigkeitsvolumens des extrazellulären Kompartiments genutzt werden. Ein Kilogramm Körpergewicht enthält ca. 60 mmol Na+, davon befinden sich ca. 55% extrazellulär, 30% im Knochen und maximal 5% im Intrazellularraum. Kalium [K+]. Kalium ist das wichtigste intrazelluläre Kation und bestimmt
dort die Elektroneutralität und die Osmolarität. Ein physiologischer intrazellulärer Kaliumgehalt ist für die strukturelle und funktionelle Integrität der Zellen von entscheidender Bedeutung. Die Erregbarkeit von Muskel und Nerv wird durch die Potenzialdifferenz über der Zellmembran zwischen Intra- und Extrazellularraum gesichert. Bei einer klinisch relevanten Kaliumimbalanz tritt auch eine Beeinträchtigung der Elektrophysiologie auf. Typische Veränderungen können mit dem Elektrokardiogramm (EKG) am Herzmuskel beobachtet werden (⊡ Abb. 3.2).
42
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
⊡ Abb. 3.2. EKG-Veränderungen bei (a) Normo-, (b) Hypo-, und (c) Hyperkaliämie. (Nach Böhles 1991)
3
Ein Kilogramm Körpergewicht enthält ca. 50 mmol K+, davon befinden sich ca. 98% intrazellulär und ca. 2% im extrazellulären Kompartiment. Der Kaliumspiegel im Extrazellularraum korreliert mit den intrazellulären Kaliumsspeichern. Diese Korrelation ist aber nicht immer eng. Trotzdem kann aus einem Plasma-Kalium-Spiegel 10 mmol/l) Atemlähmung und Herzstillstand. Eisen (Fe++). Der größte Teil des Eisenbestandes des Menschen (50–65 mg/
kg KG) findet sich an Hämoglobin (>65%) und an Myoglobin (ca. 12%) gebunden. Etwa 20% sind im sog. labilen Pool (Serumeisen, Speicherformen) oder an Metalloenzyme (ca. 0,2%) gebunden. Schon lange vor der Möglichkeit einer genauen Quantifizierung wurde die wichtige Bedeutung des Eisens für den menschlichen Organismus erkannt. Neben den wohl bekanntesten Aufgaben (Sicherstellung des Sauerstofftransports in Verbindung mit Hämoglobin, Bereitstellung von Sauerstoff für die quergestreifte Muskulatur in Verbindung mit Myoglobin) sind seine physiologischen Funktionen als Koenzym vieler Metalloenzyme (insbesonders im Bereich elektronenübetragender Enzymsysteme) weniger bekannt. Bei ausgeglichener Mischkost wird eine Absorptionsquote von etwa 10% der zugeführten Eisenmenge angegeben. Phytate führen zu einer signifikanten Reduktion, Eisenmangel zu einer vermehrten Absorption (10–30%) des mit der Nahrung zugeführten Eisens aus
44
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
dem Gastrointestinaltrakt. Extremer Eisenmangel, so wie er in Mitteleuropa kaum mehr vorkommt, äußert sich klinisch durch Antriebsschwäche, Müdigkeit und resultiert in einer mikrozytären Anämie.
3
3.2.6
Vitamine
S. Colling
Definition Als Vitamine werden organische Verbindungen bezeichnet, die der Mensch mit der Nahrung zuführen muss, weil er sie mit seinem Stoffwechsel nicht (oder in zu geringem Maße) synthetisieren kann, sie aber für seinen Stoffwechsel benötigt.
Einteilung, Charakteristika und Funktion Es wird zwischen wasser- und fettlöslichen Vitaminen unterschieden: ▬ Fettlösliche Vitamine: A (Retinoide), D (z. B. Calciferole), E (z. B.Tocopherol), K (z. B. Phyllochinon/Vitamin K1). ▬ Wasserlösliche Vitamine: B1 (Thiamin), B2 (Riboflavin), B6 (Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin), B12 (Cobalamin), Biotin, Niacin (Nicotinamid), C (Ascorbinsäure), Folsäure/Folate, Pantothensäure.
Fettlösliche Vitamine Vitamin A. Unter dieser Sammelbezeichnung werden alle Substanzen mit re-
tinolähnlicher Wirksamkeit (Retinoide) zusammengefasst. 11-cis-Retinal ist über seine Wirkung im Rhodopsinzyklus maßgeblich am Hell-Dunkel-Sehen beteiligt (Olson 2001).
3.2 · Einzelne Nährstoffe
45
3
Retinsäure beeinflusst über Retinsäurerezeptoren und deren Bindung anspezifische Desoxyribonukleinsäure- (DNS-)Sequenzen Wachstum und Differenzierung von Zellen. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass Vitamin A v. a. für die regelrechte Differenzierung der Respirationsschleimhaut wichtig ist (Chytil 1992) Vitamin D. Wichtigste Vertreter des Vitamin D (Calciferole) sind das pflanzliche Ergocalciferol (Vitamin D2) und das tierische Cholecalciferol (Vitamin D3). Mehr als 50% des täglichen Bedarfes werden durch endogene Synthese der Vitamin D3-Vorläufersubstanz 7-Dehydrocholesterol gebildet (Jacobs 2002). Nach Hydroxylierung zu 25-(OH)-Vitamin D3 in der Leber und 1,25-(OH)Vitamin D3 in der Niere reguliert es zusammen mit Parathormon und Kalzitonin die Kalzium-Phosphat-Homöostase im Körper. Vitamin E. Dazu gehören alle Substanzen mit demselben biologischen Wirkspektrum (qualitativ) wie α-Tocopherol. Ihre größte Bedeutung erhalten sie durch ihre Wirkung als Antioxidanzien durch Reduktion von freien O2-Radikalen. Sie schützen Membranlipide, Lipoproteine und Depotfette vor Lipidperoxidation (Burton u. Traber 1990). Vitamin K. Vitamin K gehört chemisch zu den Naphtochinonen. Verschiedene Derivate sind bekannt, dabei wird Phyllochinon (Vitamin K1) aus der Nahrung aufgenommen, Menachinon/Farnochinon (Vitamin K2) wird von Darmbakterien produziert. Wichtigste Funktion ist seine Rolle als Koenzym bei der Carboxylierung Vitamin-K-abhängiger Proteine, die dadurch funktionstüchtig werden. Dazu gehören im Wesentlichen die Proteine der Hämostase, des Knochenstoffwechsels (»bone gla protein«, »matrix gla protein) und der Wachstumsregulation (»growth arrest-specific gene«; Berkner 2000; Shearer 2000).
Wasserlösliche Vitamine Vitamin B1. Vitamin B1 findet sich in höchsten Konzentrationen (>50%) im
Skelettmuskel, daneben ebenfalls im Herzmuskel, in Leber, Gehirn und Nieren. Es gibt keine Speicherkapazität über einen längeren Zeitraum. Es fungiert als Koenzym in Reaktionen zur zellulären Energiegewinnung [z. B. Pyruvatdehydrogenase (Behal et al. 1993), α-Ketoglutaratdehydrogenase].
46
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Vitamin B2. Vitamin B2 kommt in fast allen Nahrungsmitteln vor. Seine wich-
3
tigste Funktion ist es, als Vorläufersubstanz von Flavinmononukleotid und Flavinadenindinukleotid zur Verfügung zu stehen, die als Koenzyme in der Atmungskette an der Energiegewinnung beteiligt sind. Als Koenzym der Glutathionreduktase fungiert es auch als Antioxidans. Vitamin B6. Es tritt in 3 verschiedenen Formen auf: Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin. Nach Aufnahme aus der Nahrung werden sie zu Pyridoxalphosphat und Pyridoxaminphosphat umgewandelt, die als Koenzym im Aminosäurestoffwechsel von zentraler Bedeutung sind. Ebenso hat Vitamin B6 Einfluss auf das Immunsystem (Beisel et al. 1981; Talbott et al. 1987), die Häm- und auf die Neurotransmittersynthese. Vitamin B12. Resorption von Vitamin B12 in Gegenwart von »intrinsic factor« im Ileum. In der Leber (ca. 60%) wird das Vitamin mit einer Halbwertszeit von 1–4 Jahren gespeichert, ca. 30% werden in der Muskulatur gespeichert (Frank 2002). Seine bedeutendste Funktion ist die als Kofaktor bei der Remethylierung von Homocystein zu Methionin, einem wichtigen Methylgruppendonator; damit ist Vitamin B12 auch an der Hämatopoese beteiligt. Vitamin C. Ascorbinsäure ist ubiquitär verbreitet. Nach Aufnahme erfolgt keine
Speicherung. Seine Bedeutung liegt u. a. in seiner Funktion als Antioxidans im Intermediärstoffwechsel sowie in seiner Beteiligung an der Kollagenbiosynthese über die Katalyse der Hydroxylierung von Prolin und Lysin und über die Stimulation der Genexpression von Kollagen. (Mechanismus noch nicht genau geklärt.) Diskutiert wird ein protektiver Effekt bei kardiovaskulären Erkrankungen (Fotherby et al. 2000). Für Vitamin C gibt es erste Evidenz, dass eine unphysiologisch hohe Zufuhr auch negative Auswirkungen haben könnte (Lee et al. 2001). Niacin. Unter Niacin werden Nicotinamid und Nicotinsäure zusammenge-
fasst. Nach Resorption im Dünndarm wird v. a. Nicotinsäure von der Leber aufgenommen und zu NAD(P) metabolisiert. Damit dient es v. a. in der Atmungskette als Wasserstoffüberträger. Außerdem wird eine lipidsenkende Wirkung berichtet (Lorenzen et al. 2001). Biotin. Biotin ist sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Produkten weit
verbreitet. Die Aufnahme erfolgt im Dünndarm. Im Kolon wird Biotin durch
3.2 · Einzelne Nährstoffe
47
3
die dort vorhandenen Mikroorganismen gebildet. Der Anteil dieser Biotinsynthese am Biotinstoffwechsel ist nicht genau bekannt, bei einer Mangelversorgung werden jedoch keine klinischen Symptome berichtet (Innis u. Allardyce 1983). Bedeutsam ist Biotin als prosthetische Gruppe bei entscheidenden Enzymen zur Energiegewinnung (Pyruvatcarboxylase) und der Lipogenese (Acetyl-CoA-Carboxylase). Folsäure. Chemisch handelt es sich um Pteroylmonoglutamat. Nach Resorption unterliegt Folsäure einem enterohepatischen Kreislauf, bevor es zu den Zielzellen transportiert wird. Folsäure dient als Methylgruppendonator im Rahmen der Hämatopoese, der Purin- und Pyrimidinsynthese, des Phosphatidylstoffwechsels und im Aminosäurenstoffwechsel. Pantothensäure. Pantothensäure liegt in der Natur überwiegend als Coen-
zym A und als 4-Phosphopantethein vor. Es sind keine Speicherorgane bekannt. Pantothensäure wird nach Resorption rasch in Coenzym A und Fettsäuresynthetase eingebaut. In dieser Form spielt es eine übergreifende Rolle im Intermediärstoffwechsel.
3.2.7
Spurenelemente
S. Colling
Definition Elemente, die in sehr geringer Konzentration im menschlichen Körper vorkommen, werden über ▬ den Anteil an der Körpermasse 2 mg F/l Trinkwasser Schmelzflecken, >5–8 mg/l Knochenfluorose, >20 mg/l Wachstumsstörungen.
Weiterführende Literatur Siehe DACH 2000; German Nutrition Society (2002); Greene et al. (1988); Tsang et al. (1993).
3.2.8
Nukleotide und Ganglioside
Definition Nukleotide. Sind niedermolekulare Substanzen und bestehen aus 3 Komponenten: eine stickstoffhaltige Base (Purin- oder Pyrimidinbase), ein Monosaccharid- (Pentose-)Rest und eine oder mehrere Phosphatgruppen. Bekannte Vertreter dieser Substanzklasse sind die »energiereichen Phosphate«: Adenosinphosphate [Adenosintriphosphat (ATP), Adenosindiphosphat (ADP), Adenosinmonophosphat (AMP), zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP)]. Die Funktion der Nukleotide scheint eng mit der Energiebereitstellung und dem Immunsystem verbunden. Niedrige Nukleotidspiegel können beim Menschen zu Dysfunktionen der zellulären und humoralen Immunantwort führen (Cosgrove 1998). Abgesehen von den Wirkungen auf das Immunsystem stimulieren durch Nahrung zugeführte Nukleotide das Wachstum von Bifidobakterien. Weiter werden durch Zufuhr von Nukleotiden stressinduzierte Läsionen im Gastrointestinaltrakt (Mikroverletzungen) vermindert sowie Wachstum und Länge der Darmzotten gesteigert (Tanaka u. Mutai 1980; Uauy 1994). Im Tierversuch (Maus) konnte gezeigt werden, dass die adäquate Zufuhr von Nukleotiden die Integrität des Darmes gegenüber Verletzungen verbessert und die Resistenz gegenüber pathogenen Bakterien und Pilzen erhöht (Adjei u. Yamamoto 1995). Bis vor wenigen Jahren wurde angenommen, dass für die exogene Zufuhr von Nukleotiden keine Notwendigkeit besteht, da die endogene Synthese in allen Stoffwechselsituationen ausreicht. Bei Kindern mit Phasen von hoher Wachstumsgeschwindigkeit, Situationen mit möglicherweise hohem Bedarf an Nukleotiden (Infektionen, große Verletzungen, operatives Trauma) scheint heute fraglich, ob die Eigensynthese ausreicht, um den erhöhten Bedarf zu decken. Parenterale Ernährungslösungen sowie die Mehrzahl der enteralen
54
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Diäten enthalten keine Nukleotide. Muttermilch enthält einen signifikanten Anteil an Nukleotiden (2–5% des nichtproteingebundenen Stickstoffs; Cosgrove 1998). Muttermilchernährte Säuglinge sollten daher eine adäquate Zufuhr aufweisen. Bei Verwendung von Formulanahrung ohne Nukleotidzusatz wurde eine verminderte humorale Immunantwort bei Reif- und Frühgeborenen gemessen (Martinez-Augustin et al. 1997a,b; Pickering et al. 1998). Ganglioside. Gehören zur Gruppe der Glykosphingolipide und bestehen aus einem hydrophoben Ceramid (N-acetylsphingosin) und einem hydrophilen Oligosaccharidadanteil (enthält: Glukose, Galaktose, N-Acetylglukosamin, N-acetylgalaktosamin). Ganglioside wurden ursprünglich im Nervengewebe entdeckt, sie sind aber in nahezu allen Körpergeweben (Bestandteil von Zellmembranen) und Körperflüssigkeiten zu finden. Sie sind an der neuronalen Zellkommunikation und an der Regulation des Zellwachstums, der Apoptose und des Immunsystems sowie auch (als Kofaktor) an der Modulation der Aktivität von verschiedenen Proteinrezeptoren beteiligt (Berry-Kravis u. Dawson 1985; Ferrari et al. 1995; Prokazova u. Bergelson 1994; Spiegel u. Merrill 1996; Willinger u. Schachner 1980; Yuasa et al. 1990). Muttermilch enthält stark polare Ganglioside (GD3) in hoher Konzentration (Rueda et al. 1995), die auch in sich entwickelnden Geweben (Cheng u. Johnson 1985; Rosner 1982; Taki et al. 1988) und biologischen Flüssigkeiten, wie z. B. Amnionflüssigkeit (Rueda et al. 1993), gefunden werden. Ihre Funktion auf den Stoffwechsel ist weit gehend unklar. Neben den systemischen Wirkungen wurden auch lokale Effekte von Gangliosiden auf die Mikroflora des Gastrointestinaltrakts nachgewiesen. Sie inhibieren E. coli sowie Vibro-cholerae-Enterotoxine (Otnaess et al. 1983) und führen zu einer schnelleren und bifidogenen Besiedelung des Gastrointestinaltrakts bei Früh- und Reifgeborenen, wenn sie Formulanahrungen zugesetzt sind (Idota u. Kawakami 1995). Der Mechanismus wird noch diskutiert. Es wird eine Reduktion der Infektiosität durch bakterielle Adhäsion (Rezeptoranalogie) vermutet. Der Nachweis einer Verbesserung des Outcomes bei Neonaten (schnellerer Nahrungsaufbau, Senkung der Inzidenz einer nekrotisierenden Enterokolitis), der Senkung der Inzidenz von klinisch signifikanten Gastroenteritiden bei Kleinkindern oder der Reduktion von nosokomialen Infektionen bei Intensivpatienten steht aus.
3.2 · Einzelne Nährstoffe
3.2.9
55
3
Probiotika, Präbiotika und Synbiotika
Probiotika Definition Unter Probiotika werden lebende Mikroorganismen verstanden, die einen günstigen Effekt auf die Mikroflora des Wirtes ausüben (Fuller 1991; Gibson u. Roberfroid 1995).
Physiologie Diese günstigen Effekte können durch unterschiedliche Wirkmechanismen erklärt werden (Synthese antimikrobialer Substanzen; Kompetition um Nährstoffe, die Pathogene zum Wachstum benötigen; kompetitive Inhibition der Adhäsion; Modifikation von Toxin oder Toxinrezeptoren; immunstimulatorische Effekte). Der tatsächliche Wirkmechanismus der als Probiotika angewandten Substanzen ist oft nicht geklärt. Die z. Z. häufigsten Einsatzgebiete sind Prävention und Behandlung der akuten infektiösen Diarrhö bei Kindern. Ein systematisches Review bezüglich kontrollierter doppelblinder, randomisierter Untersuchungen konnte eine signifikant niedrigere Inzidenz und eine Abkürzung des Krankheitsverlaufes bei der infektiösen Diarrhö von >3 Tagen feststellen. Der Effekt zeigte sich besonders deutlich, wenn die Diarrhö durch Rotaviren verursacht war. Beim Einsatz von Lactobacillus GG war der Effekt besonders konstant nachweisbar, aber auch andere Probiotika waren effektiv (Lactobacillus reuteri, Saccharomyces boulardii, Streptococcus thermophilus). Die Verkürzung der Erkrankung um mehr als 3 Tage bei einer infektiösen Diarrhö wurde erzielt, wenn die Probiotikatherapie am ersten Tag der Erkrankung begonnen wurde. In den Untersuchungen wurden keine Nebenwirkungen der Therapie festgestellt. Die recht moderate Wirkung auf eine selbstlimitierende Erkrankung lässt den regelmäßigen Einsatz von Probiotika z. Z. noch als zweifelhaft erscheinen. Die Verkürzung des Krankheitsverlaufes ergab sich nur beim Einsatz der Probiotika am ersten Tag der Erkrankung, so dass mit einem noch geringeren Effekt zu rechnen ist, will man Kinder mit einem prolongierten oder besonders schweren Verlauf therapieren. Über den Einsatz bei Risikogruppen (Frühgeborene, onkologische Patienten, Patienten mit Immundefekt) wurden nur wenige Untersuchungen, mit z. T. widersprüchlichen Ergebnissen, publiziert (Szajewska u. Mrukowicz 2001).
56
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Vor dem Einsatz von Probiotika bei speziellen Patientengruppen ist sicherzustellen, dass nicht durch das Probiotikum selbst negative Effekt ausgelöst werden (z. B. Triggerung einer nekrotisierenden Enterokolitis bei Frühgeborenen durch Penetration der Darmwand). Der prophylaktische Einsatz bei Risikogruppen (wie z. B. bei Frühgeborenen zur Senkung der Inzidenz der nekrotisierenden Enterokolitis; Dai u. Walker 1998; Hoyos 1999) wird diskutiert. Eine Studie von Lin et al. (2005) zeigte eine Senkung der Inzidenz der nekrotisierenden Enterokolitis ( Abschn. 8.2).
…Therapie oder Prophylaxe mit Probiotika Moderater, aber signifikanter Effekt bei Prophylaxe und Therapie der infektösen Diarrhö nachgewiesen (+ bei Rotaviren). Unter dem Kosten-NutzenGesichtspunkt scheint ein Einsatz als Standardtherapie nach der jetzigen Datenlage fragwürdig. Sinn könnte der Einsatz bei Risikogruppen machen. (Hierüber liegen aber keine Untersuchungen zum Nutzen oder Nebenwirkungen vor. z. B. Frühgeborene.) Bei Einsatz von Lactobacillus GG war im Vergleich zu anderen Probiotika der konstanteste positive Effekt zu erzielen (Szajewska u. Mrukowicz 2001). > Um den Effekt der Abkürzung der Erkrankungsdauer von >3 Tagen zu erzielen, muss mit der Therapie an Tag 1 der Erkrankung begonnen werden. Bei späterem Beginn ist mit geringerem positiven Effekt zu rechnen.
Präbiotika Definition Die z. Z. meist verwandte Definition klassifiziert Präbiotika als unverdauliche Nahrungsbestandteile, die durch Wachstumsstimulation einer (oder einer limitierten Anzahl von) Bakterienspezies im Kolon eine günstige Wirkung auf den Wirt haben (Gibson u. Roberfroid 1995).
Ziel des Einsatzes von Präbiotika Verschiedene Autoren geben als das Ziel ein großes Spektrum von potenziellen Wirkungen an: ▬ Immunstimulation ↑, ▬ Bioverfügbarkeit für Spuren- und Mengenelemente ↑, ▬ Hyperlipidämie ↓,
3.2 · Einzelne Nährstoffe
▬ ▬ ▬ ▬ ▬
57
3
Diarrhö ↓, Verstopfung ↓, Osteoporose ↓, Arteriosklerose ↓, Neoplasien ↓.
Eingesetzte Substanzen Als Präbiotika werden z. Z. am häufigsten auf Inulin/Oligofruktose basierende Polymere eingesetzt.
Physiologie Die natürlichen Oligosaccharide der Muttermilch gelten als der Prototyp der Präbiotika, weil sie das Wachstum der Bifidobakterien und Laktobakterien im Kolon fördern. Die Erwartungen über positive Effekte von artifiziellen Präbiotika sind groß. In-vitro- und Tierexperimente konnten einige der erhofften Wirkungen belegen (bessere Ca-Aufnahme, verschiedene antikarzinogene Effekte, hypotriglyzerider Effekt, besseres Wachstum von Bifiduslaktobakterien, antiinflammatorischer Effekt bei experimenteller nekrotisierender Enterokolitis). Beim Menschen und insbesondere bei Kindern ist nur eine geringe Anzahl von Untersuchungen mit einer geringen Probandenzahl und mit widersprüchlichen Ergebnissen publiziert. Lediglich ein »bifidogener Effekt« beim Erwachsenen ist durch verschiedene Untersuchungen bestätigt (Fruktose, Oligosaccharide). Studien über die Konsistenz dieses Effektes bei dauerhafter Einnahme von Präbiotika oder nach deren Absetzen liegen nicht vor.
…Therapie mit Präbiotika Aufgrund der vorliegenden Daten kann der Einsatz von Präbiotika z. Z. nicht empfohlen werden. Die ersten Ansätze erscheinen viel versprechend. Es sind vor dem Routineeinsatz als Nahrungszusatz, z. B. in Formulanahrung, weitere Daten notwendig.
Weitere Einsatzgebiete In Europa und Japan werden Präbiotika bereits genutzt, um Ballaststoffe ohne Erhöhung der Viskosität in industriell gefertigten Lebensmitteln zuzusetzen. (Inulin und Oligofruktose bilden Mikrokristalle mit Milch. Sie bewirken eine fettähnliche, cremige Konsistenz ohne Kalorienzusatz.)
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Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Forschungsansätze
3
Forschungsbedarf besteht in Bezug auf den Einsatz bei Risikogruppen, wie Frühgeborenen (Vermeidung nekrotisierender Enterokolitis), Säuglingen (Schutz z. B. vor Rotavireninfektionen), Kindern unter Chemotherapie/Intensivpatienten (Senkung der Inzidenz von nosokomialen Infektionen durch Translokation von Darmbakterien; Duggan et al. 2002).
Synbiotika Definition Unter Synbiotika werden Kompositionen zusammengefasst, die aus einer sich ergänzenden Mischung von Prä- und Probiotika bestehen.
Ziel Ziel des Einsatzes ist das Herbeiführen von synergistischen Effekten, die über die Einzelwirkung der verwendeten Substanzen hinausgehen. Die Datenlage für pädiatrische Patienten ist schwach. In In-vitro- und Tierexperimenten konnten positive Effekte gemessen werden, die über die Einzelwirkungen der Prä-/Probiotika hinausgingen.
3.2.10
Ballaststoffe (Nahrungsfasern)
Definition Unter Ballaststoffen werden Nahrungsbestandteile verstanden, die keinen nutritiven Stoffwechseleffekt erfüllen und vom menschlichen Gastrointestinaltrakt nicht verstoffwechselt werden können. Sie werden darum im Dünndarm nicht absorbiert, sondern gelangen in den Dickdarm und werden dort durch Darmbakterien verwertet oder ausgeschieden. Ballaststoffe (Pektine, Zellulose, resistente Stärke) sind überwiegend aus Monosacchariden (Glukose, Galaktose, Fruktose, Arabinose, Ribose) zusammengesetzte Polymere, die aufgrund ihrer Molekülgröße den menschlichen Verdauungsenzymen nicht zugänglich sind. Die Definition für Ballaststoffe trifft auch auf neue meist synthetisch hergestellte Produkte, wie z. B. Polyole, oder Fettersatzstoffe zu. Die Wirkung der Ballaststoffe ist vielfältig: hohe Wasserbindung, langsamere Magenentleerung, höheres Sättigungsgefühl, Verkürzung der Transitzeit, Veränderung der Resorptionsgeschwindigkeit, der Stuhlkonsistenz und der Darmflora.
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Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
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4 Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr F. Jochum
4.1 Flüssigkeitzufuhr – 66 4.1.1 Früh- und Reifgeborene in der Anpassungsund Stabilisierungsphase – 67 Exkurs: Reduktion der Flüssigkeitsverluste bei Neugeborenen – 70 4.1.2 Früh- und Reifgeborene in der stabilen Wachstumsphase, ältere pädiatrische und erwachsene Patienten – 72 4.2
Energiezufuhr – 73 Exkurs: Energiegehalt einzelner Substrate Exkurs: Energiemangel – 74
– 74
4.3 Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung – 75 4.3.1 Makronährstoffe – 75 4.3.2 Elektrolyte – 78 Exkurs: Hyperkaliämie bei Früh- und Neugeborenen – 80 4.3.3 Vitamine – 83 S. Colling 4.3.4 Spurenelemente – 87 S. Colling 4.4
Umgang mit Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr – 90 Literatur
– 91
66
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Im Folgenden werden, abgeleitet aus der Physiologie ( Kap. 2) und dem vermuteten Bedarf von Kindern, Empfehlungen für die Zufuhr angegeben. Die Angaben bezüglich der Flüssigkeits- und der Energiezufuhr gelten für alle Formen der Nahrungszufuhr (enteral/parenteral). Weitere Angaben sind auf parenterale Nährstoffzufuhr ausgerichtet. Je nach Resorption des jeweiligen Nahrungssubstrats kann bei enteraler Ernährung eine höhere Zufuhr notwendig sein. Hierbei kann für den Klinikalltag in der Pädiatrie häufig davon ausgegangen werden, dass der Bedarf bei physiologischer altersentsprechender enteraler Ernährung gedeckt wird. Bei einer teilparenteralen Ernährung mit einem Nahrungsanteil von z. B. 50% müssen näherungsweise 50% des angegebenen Bedarfes vom parenteralen Anteil abgezogen werden (weil dieser Anteil ja enteral zugeführt wird). Bei längerfristiger bilanzierter Ernährung (wie z. B. bei angeborenen Stoffwechselstörungen, Kurzdarmsyndrom) oder in besonderen Situationen mit Relevanz für eine exakte Bilanzierung (bei der die Körperspeicher und Regulationsmechanismen nicht ausreichen könnten, um Imbalanzen zu kompensieren) sollte die Zufuhr exakt ermittelt werden ( Kap. 6).
4
4.1
Flüssigkeitzufuhr
Für eine optimale Flüssigkeitszufuhr sind die in Kap. 2 bereits beschriebenen Phasen der Adaptation von Neugeborenen zu berücksichtigen. Hierbei sind die Anpassungs- und Stabilisierungsphase in der Physiologie so unterschiedlich von älteren Patienten oder von Neugeborenen in der Phase des stabilen Wachstums, dass diese Phasen im Folgenden getrennt betrachtet werden. Die einzelnen Phasen werden wie folgt definiert: ▬ Phase I/Anpassung: 1.–5. Lebenstag. Perspiratio ↑. Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten aus dem Extrazellularraum. Das Ende wird durch den Zeitpunkt mit dem maximalen Gewichtsverlust charakterisiert. ▬ Phase II/Stabilisation: 5.–7. Lebenstag. Die Kontraktion des Extrazellularraumes ist beendet. Die Nieren produzieren zunehmend konzentrierten Urin. ▬ Phase III/stabiles Wachstum: ab ca. 8. Lebenstag. Komplette enterale Nahrung wird toleriert. Ziel ist das Erreichen von Wachstum in annähernd intrauterinen Wachstumsraten.
67 4.1 · Flüssigkeitzufuhr
4
Ziele der Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr Phase I Kontraktion des Extrazellularraumes zulassen (ohne Beeinträchtigung des intravasalen Flüssigkeitsvolumens oder der kardiovaskulären Funktion) Negative Nettobilanz für Natrium (Na+) von 2–5 mmol/kg KG und Tag für die ersten postnatalen Lebenstage Erhaltung normaler Plasma-Elektrolyt-Spiegel Ausreichende Diurese (Vermeidung einer Oligurie; 200 ml/kg KG und Tag können die meisten »Extremely-low-birthweight- (ELBW-)Frühgeborenen« unabhängig von der Höhe der Na-Zufuhr ihre Na-Bilanz nicht ausgleichen. Physiologische Na-Spiegel wurden bei Neugeborenen mit einer Na-Zufuhr zwischen 1,1 mmol/kg KG und Tag und 3,0 mmol/kg KG und Tag und einer Flüssigkeitszufuhr zwischen 140 ml/kg KG und Tag und 170 ml/kg KG und Tag gefunden (Babson u. Bramhall 1969; Lucas et al. 1990; Polberger et al. 1989; Raiha et al. 1976). In allen Untersuchungen korrelierte die Wachstumsgeschwindigkeit nicht mit der Na-Zufuhr. Flüssigkeitszufuhr Geburtsgewicht) Nach Tsang et al. (1993) Nach DAKE/ÖAKE (1987) Expertenmeinung
70
▬ ▬ ▬ ▬
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Zusätze/Abzüge: +20% bei Mangelgeburt (»small for gestational age«, SGA), +20% bei Phototherapie, nur wenn Körpergewicht 2, periventrikuläre Leukomalazie, Retinopathia praematurorum >°2, Odds ratio 0,1; p1.500 g Geburtsgewicht oder Reifgeborenen gewählt werden, die häufig bereits in der Anpassungsphase eine größere Glukosetoleranz aufweisen. Im Zweifel mit den niedrigeren Empfehlungen der Zufuhrempfehlung beginnen.Anpassung der Zuckerzufuhr nach Blutzuckerspiegeln. Die Zufuhr sollte in der Phase des stabilen Wachstums zwischen 4–15(–18) mg/kg KG/min liegen.
Lipide Reduktion der Fettzufuhr auf 1 g/kg KG und Tag im Postagressionsstoffwechsel und bei Infektionen (Phototherapie).
77 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
Fertige Nährstofflösungen Bevorzugt zu verwendende Lösungen zur Deckung des Nährstoffbedarfes bei pädiatrischen Patienten sind: ▬ Aminosäuren: 10%ig. ▬ Fettemulsionen: 20%ig (wegen des geringeren Glycinanteils sollten möglichst 20%ige Fettlösungen verwendet werden). ▬ Zucker: Glukose 5- bis 60%ig.
Andere Altersgruppen pädiatrischer Patienten Nach ähnlichem Muster sollte auch der Aufbau einer längerfristigen (teil)parenteralen Ernährung für andere Altersgruppen pädiatrischer Patienten erfolgen, wenn diese Kohlenhydrate, Lipide und Aminosäuren enthalten muss (⊡ Tabelle 4.7). Die Substratzufuhr sollte üblicherweise nur bis in den in ⊡ Tabelle 4.5 angegebenen Bedarfsbereich gesteigert und der individuellen Bedarf anhand des Monitorings geprüft werden. Wie beschrieben, kann sich der individuelle Bedarf jedes Nährstoffes stark von den an der gesunden Grundgesamtheit erhobenen Zufuhr unterscheiden. Die ⊡ Tabelle 4.7 zeigt ein Beispiel für den Beginn einer (teil-)parenteralen Ernährung. Das Vorgehen muss je nach den individuellen Umständen modifiziert werden (z. B. niedrigere Substratzufuhr im Postaggressionsstoffwechsel).
⊡ Tabelle 4.7. Aufbau einer (teil-)parenteralen Ernährung bei pädiatrischen Patienten jenseits der Neonatalperiode
(Teil-)parenterale Kohlenhydrate Ernährung am (Glukose) [g/kg KG und Tag]
Aminosäuren Lipide [g/kg KG und Tag] [g/kg KG und Tag]
1. Tag
5–10
1,0
1,0
2. Tag
6–12
2,0
2,0
3. Tag
6–15
2,5
3,0
4. Tag
6–15 (-18)
2,5
3,5
Steigerung nur bis zur maximalen Zufuhr für das entsprechende Patientenalters (⊡ Tabelle 4.6). Jeweils mit niedrigen Werten der Empfehlung beginnen und nach Stoffwechsel ( Abschn. 5.2) steigern
78
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
4.3.2 Elektrolyte Ziel und Behandlungsstrategie
4
Bei Früh- und Reifgeborenen kommt es zu den oben beschriebenen Anpassungsvorgängen des Wasser- und Elektrolythaushalts ( Abschn. 4.1 und Exkurs im Kap. 2). Wegen des engen Zusammenspiels zwischen Wasser-, Natrium-, Chlorid- und Kaliumhaushalt sind im Bezug auf die Zufuhr dieser Elektrolyte 3 Phasen zu unterscheiden. Für Magnesium, Kalzium und Phosphat liegen wenig experimentelle Daten vor, so dass hier über postnatale Veränderungen weniger bekannt ist und darum eine solche Einteilung nicht vorgenommen werden kann. Die Behandlungsstrategie während der Anpassungs- und Stabilisierungsphase (Phase I/II) besteht im: ▬ Zulassen der Abnahme des Körpergewichtes (solange keine Imbalanz des Säure-Basen-Gleichgewichts und der Elektrolyte entsteht) während der ersten 3–5(–7) Tage nach der Geburt. ▬ Stabilisieren »normaler« Plasma-Elektrolyt-Spiegel: Natrium: 135–145 mmol/l, Kalium: 3,5–5,0 mmol/l, Chlorid: 98–108 mmol/l. ▬ Vermeiden einer Oligurie: 1 (adaptiertes Protein). ▬ Folgenahrung ist als flüssiger Anteil einer mehr und mehr abwechslungsreichen Ernährung von Säuglingen ab dem 5. Monat geeignet aber nicht zwingend. Seit einiger Zeit gibt es auch Folgenahrung, die zum Einsatz »ab 8. Monat« oder »ab 10. Monat« deklariert ist. Nährstoffzusammensetzung. Die Zusammensetzung von Säuglingsanfangsnahrung ist für mehr als 25 Nährstoffe und Nahrungsenergie spezifiziert (⊡ Tabelle 6.3). Als Proteinträger sind neben Kuhmilchprotein und
▼
⊡ Tabelle 6.3. Auszüge aus Richtlinien der EU über die Zusammensetzung von Säuglingsanfangsnahrung (91/321/EWG; 96/4/EG) im Vergleich zu Nährstoffgehalten in der Muttermilch
Säuglingsanfangsnahrung pro 100 ga
Muttermilch pro 100 g Durchschnitt (Variationsbreite)
60–75
71
Protein [g]
1,3–2,1b
1,13 (1,03–1,43)
Fett [g]
3,1–4,6c
4,03 (3,50–4,62)
Kohlenhydrate [g]
5–10
7,0
Energie [kcal] Makronährstoffe
123 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
⊡ Tabelle 6.3 (Fortsetzung)
Laktose [g] Modifizierte Stärke Maltose, Saccharose, Maltodextrine, Glukosesirup Saccharose
Säuglingsanfangsnahrung pro 100 ga
Muttermilch pro 100 g Durchschnitt (Variationsbreite)
≤2,5 ≤2 g/100 ml oder ≤30% der Kohlenhydrate Möglich
7,0 – –
≤20% der Kohlenhydrate
–
Elektrolyte und Spurenelemente Natrium [mg] 14–42 Kalium [mg] 42–102 Kalzium [mg] ≥35 Phosphor [mg] 18–63 Magnesium [mg] 3,5–10,5 Eisen [mg] 0,35–1,05d Zink [mg] 0,35–1,05 Kupfer [µg] 14–56 Jod [µg] ≥3,5 Vitamine 42–126 Vitamin Ae [µg] Vitamin Ef [µg] ≥0,5/g mehrfach ungesättigte Fettsäuren Vitamin C [mg] ≥5,6 ≥28 Vitamin B1 [µg] ≥42 Vitamin B2 [µg] ≥25 Vitamin B6 [µg] Niacin [mg] ≥0,6g Folsäure [µg] ≥2,8 a b c
d e f g
13 (12–19) 47 (46–64) 32 (25–41) 15 (12–17) 3,1 (2,9–5,0 0,058 (0,026-0,058) 0,148 (0,120–0,390) 72 (24–77) 6,3 (4,3–9,0) 69 (52–73) 0,28 (0,15–0,54) 4,4 (3,5–5,5) 15 (13–17) 38 (30–44) 14 (9–17) 0,17 (0,13–0,20) 8,5 (–)
Angaben pro 100 kcal wurden umgerechnet unter der Annahme von 67 kcal/100 g Kuhmilchproteine Linolsäure 0,3–1,2 mg/100 kcal; Laurin- und Myristinsäure Manche starke Hydrolysate enthalten im Gegensatz zu Säuglingsanfangsnahrungen einen Zusatz von Fluorid, der bei der Durchführung der Kariesprophylaxe berücksichtigt werden muss. Aminosäuremischungen. In Säuglingsnahrungen auf Basis von Aminosäuremischungen (⊡ Tabelle 6.5) wurde der Proteinanteil vollständig durch Aminosäuren ersetzt. Sie gelten wie die starken Hydrolysate als bilanzierte Diäten. Aminosäuremischungen schmecken neutral und sind nur in Apotheken erhältlich. Neben Kuhmilchproteinallergien sind sie je nach Zusammensetzung auch zur Ernährung bei z. B. Laktoseintoleranz, Galaktosämie etc. geeignet. Da sie völlig allergenfrei sind, beeinträchtigen sie möglicherweise die erwünschte Entwicklung einer Toleranz gegen Fremdproteine. Säuglingsnahrungen für Säuglinge mit milden Verdauungsstörungen. In Drogerien und Supermärkten und teilweise in Apotheken werden auch Nahrungen für Säuglinge mit Spucken, Blähungen und milden Verdauungsstörungen angeboten. Obwohl sie wie Säuglingsanfangsnahrungen oder Folgenahrungen aufgemacht sind, entsprechen sie nicht den Vorschriften für die Zusammensetzung solcher Nahrungen (⊡ Tabelle 6.3). Statt dessen handelt es sich bei diesen Produkten um bilanzierte Diäten. Bilanzierte
▼
6
130
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Diäten sind aber zum Einsatz bei spezifischen Erkrankungen gedacht und sollen nur unter medizinischer Überwachung eingesetzt werden. Da außerdem die Wirkungsversprechen dieser Produkte nicht begründet scheinen, wird die Verwendung nicht empfohlen (⊡ Tabelle 6.5).
6
Heilnahrungen. Als Heilnahrungen wird eine heterogene Gruppe von Präparaten bezeichnet, die nach Herstellerangaben für verschiedene Indikationen eingesetzt werden sollen, vorwiegend bei Durchfallerkrankungen (⊡ Tabelle 6.5). Dabei ist die Bezeichnung »Heilnahrung« irreführend, denn sie soll und kann nicht heilen, sondern nach einem heute nicht mehr empfohlenen Therapiekonzept für den langsamen Nahrungsaufbau nach einer Nahrungskarenz Verwendung finden. In modernen Therapiekonzepten werden diese Nahrungen allerdings nicht mehr eingesetzt, da jetzt neben der Rehydratation mit Glukose-Elektrolyt-Lösungen ein frühzeitiger rascher Nahrungsaufbau mit einer kompletten Nahrung empfohlen werden. Zubereitung von Säuglingsflaschennahrung Zubereitete und erwärmte Säuglingsnahrung ist ein guter Nährboden für Enterobacter und andere Keime. Bei der Zubereitung und Aufbewahrung sollten daher folgende Punkte berücksichtigt werden: ▬ Wasser (Trinkwasser, Mineral- oder Babywasser) vor der Zubereitung abkochen. Mineralwasser oder Babywasser nach dem Öffnen im Kühlschrank aufbewahren. ▬ Dosierungsempfehlungen auf der Verpackung genau einhalten, Messlöffel mit einem Messerrücken abstreichen. ▬ Angebrochene Packungen des Milchpulvers verschlossen aufbewahren. ▬ Zubereitete Säuglingsnahrung nicht länger als 4 h bei Raumtemperatur aufbewahren. ▬ Gespülte Säuglingsflaschen und Sauger sterilisieren, z. B. durch auskochen (3 min) oder in einem Vaporisator. Unter Klinikbedingungen sollte für Neu- und Frühgeborene die Verwendung von sterilen, trinkfertigen portionierten Flüssignahrungen erwogen werden.
▼
131 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
Wasser für Säuglingsnahrungen Für die Zubereitung von Säuglingsnahrung sollte frisch aus der Kaltwasserleitung entnommenes Trinkwasser eingesetzt werden. In der Leitung über Nacht abgestandenes Wasser sollte so lange abgelaufen werden lassen, bis fühlbar kälteres Wasser erscheint. Leitungen aus Kupfer für Trinkwasser sind in der Regel unbedenklich [Ausnahme: frisch installierte Rohre oder pH-Wert des Trinkwassers Die hier vorgeschlagenen Häufigkeiten für klinische Untersuchungen und Laborkontrollen können nur einer groben Orientierung dienen. Sie sind für den einzelnen Patienten nach Klinik, Krankheit und individuellem Krankheitsverlauf festzulegen.
Sicherheitshinweis Die vorliegenden Empfehlungen für eine bilanzierte Ernährung von pädiatrischen Patienten orientieren sich an dem Bedarf von gesunden Früh- und Reifgeborenen sowie gesunden pädiatrischen Patienten nach der Neonatal-
434
Kapitel 11 · Monitoring bei (teil-)parenteraler Ernährung
periode. Krankheiten können zu signifikanten Änderungen des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und sonstigen Nährstoffbedarfes führen. Bilanzierte Ernährung, insbesondere parenterale Ernährung, muss kontinuierlich an die spezifischen Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepasst werden. Der Flüssigkeits- und Elektrolytstoffwechsel unterliegt großen individuellen und krankheitsbedingten Veränderungen. Erkrankungen können im Einzelfall eine spezielle Behandlung zur Stabilisierung des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalts notwendig machen, die von den beschriebenen Therapiegrundsätzen abweicht. Unangepasste Flüssigkeits-, Elektrolyt- und sonstige Nährstoffzufuhr kann zu schweren und dauerhaften gesundheitlichen Schäden bis zum Tod führen.
11
12 Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus 12.1
Bodymass-Index – 436 C. Fusch
12.2
Hautfaltendicke C. Fusch
12.3
Bioimpedanzanalyse C. Fusch
12.4
Stabile Isotope C. Fusch
12.5
Dual-X-ray-Absorptiometrie C. Fusch
12.6
Methoden aus der Forschung – 441 C. Fusch
12.7
Methoden zur Beurteilung von oxidativem Stress – 446 H. Topp Literatur
– 448
– 437
– 438
– 439
– 441
436
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
Mit der im Kap. 11 »Monitoring« beschriebenen Überwachung ist es möglich, den aktuellen Stoffwechsel und Hydratationszustand der Patienten zu beurteilen. In der klinischen Routine und Forschung ist es manchmal wünschenswert, den Ernährungsstatus (z. B. Über- oder Unterernährung, Adipositas) zu erfassen. Dies kann durch die Messung der Körperzusammensetzung bzw. der Größe der verschiedenen Körperkompartimente ( Kap. 2) geschehen. Hierzu sind verschiedene, mehr oder weniger invasive und präzise Methoden verfügbar, die sich grundsätzlich unterteilen lassen in: ▬ Pars-pro-toto-Methoden: Von einem gemessenen Teil(Aspekt) wird auf das »Ganze« (Kompartiment) geschlossen). ▬ Komplettmessmethoden: Der gesamte Körper wird bei der Messung erfasst. Jede Methode geht von unterschiedlichen Grundannahmen aus, die z. T. nur für bestimmte Situationen validiert worden sind. Bei der Untersuchung von Kindern ist neben Aspekten, wie Genauigkeit, Aufwand und Praktikabilität, für den klinischen Alltag auch die kindliche Kooperationsbereitschaft/-fähigkeit in den verschiedenen Altersstufen zu berücksichtigen.
12
12.1
Bodymass-Index
C. Fusch Der Bodymass-Index (BMI), angegeben als [kg/m2], ist eine Verhältniszahl von Gewicht und (quadrierter) Körperlänge. Der BMI wurde als Näherungsmaß eingeführt, um den Ernährungszustand unabhängig von der Körpergröße einschätzen zu können. Er beschreibt jedoch kein Körperkompartiment im eigentlichen Sinne. ▬ Als Normalwert für Erwachsene gilt ein BMI zwischen 32) kg/m2. Wegen der einfachen Ermittlung unter klinischen Bedingungen (es sind nur Körperhöhe bzw. Länge, das Körpergewicht, ein Nomogramm und ein Ta-
437 12.2 · Hautfaltendicke
12
schenrechner notwendig) hat der BMI eine weite Verbreitung in Klinik und Routine bekommen; seine Aussagekraft darf aber nicht überstrapaziert werden (Lazarus et al. 1996; Rolland-Cachera et al. 1991). Zwei Personen unterschiedlicher Größe können sich trotz identischem BMI in ihrer Fettmasse sowohl relativ als auch absolut erheblich unterscheiden (Konstitution); der BMI bildet daher das individuelle Risiko im Einzelfall nicht sicher ab. Im Kindes- und Jugendalter ist die Benutzung des BMI wegen der zunehmenden Körperlänge kritisch zu sehen. Es existieren zwar alters- und geschlechtsgematchte Perzentilenkurven (Kromeyer-Hauschild et al. 2001) und ein Methodenvergleich (BMI-Perzentile vs. DXA-%FM; Abschn. 12.5). Bei gesunden Kindern (n=198; Pietrobelli et al. 1998) fand sich eine gute Übereinstimmung. Bei kranken Kindern (n=400, Wiedenhöft et al. 1999) zeigte sich jedoch, dass die individuelle Einschätzung des Ernährungszustands mithilfe des BMI im Einzelfall erhebliche Fehler aufweisen kann. Berücksichtigt man diese Einschränkungen, so kann der BMI, zwar nicht zur absoluten Beurteilung des Ernährungszustands, wohl aber zur Verlaufsbeurteilung einzelner Patienten eine wertvolle Hilfe leisten.
12.2
Hautfaltendicke
C. Fusch Die Messung der Hautfaltendicke ist eine einfache, nichtinvasive «BedsideMethode», die mit einem Minimum an Kooperation auch bei Kindern, sogar bei Neugeborenen durchgeführt werden kann (Schmelzle u. Fusch 2002). Mit einem speziellen Kaliper, das unabhängig von seiner Auslenkung einen konstanten Anpressdruck von 10 g/mm2 generiert, wird die Dicke der subkutanen Fettschicht an verschiedenen Körperstellen (n=3 oder n=4) standardisiert gemessen (üblicherweise Bizeps, Trizeps, subskapular und iliakal). Über Regressionsgleichungen kann dann das Körperfett berechnet werden (Brook 1971; Deurenberg et al. 1990; Durnin u. Rahaman 1967; Johnston et al. 1988; Reiley et al. 1995; Slaughter et al. 1988). Um mit der Methode reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen, muss die untersuchende Person zuvor gut trainiert werden. Die Methode ist eine klassische »Pars-pro-toto-Methode«, d. h. sie nimmt die Messung der Hautfaltendicke an den 3 bzw. 4 Körperstellen als repräsen-
438
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
tativ und extrapoliert auf das Ganzkörperfett. Die Methode berücksichtigt nicht eine konstitutionsbedingte, unterschiedliche interindividuelle Fettverteilung und auch nicht das intraabdominelle Fett.
12.3
Bioimpedanzanalyse
C. Fusch
12
Die Bioimpedanzanalyse (BIA) misst den Körperwiderstand (»resistance«) für einen schwachen Wechselstrom, der zwischen den Händen und Füßen angelegt wird. Die BIA ist in erster Linie ein Verfahren für die Schätzung des Körperwassers, da die Leitung von Strom durch Wasser in Verbindung mit den Elektrolyten erfolgt. Im Übrigen gilt das Ohm-Gesetz: Der Widerstand ist proportional zur Länge des Leiters (Körpergröße) und umgekehrt proportional zum Leitungsquerschnitt (Körperwasser). Mithilfe einer Formel, die vorgibt, die spezielle Physiologie des zu messenden Patienten zu erfassen (Alter, Geschlecht, Körpermaße), wird aus dem Messwert das Körperwasser errechnet. Dieses Modell hat in der Praxis jedoch seine Limitationen (Hydratationszustand, unterschiedliche Arm bzw. Beinlänge, Elektrolytgehalt usw.). In der Praxis wurde versucht, die Korrelation von Resistance-Index (i.e. Körperlänge2/Resistance) und Körperwasser unter Berücksichtigung anderer Einflussgrößen gegen andere Methoden zu validieren. Die BIA-Messung eignet sich als Bedside-Methode auch für den Einsatz bei Kindern; vorausgesetzt sie halten still. Eine Vielzahl von kommerziell erhältlichen BIA-Geräten wurde in den letzten Jahren auf den Markt gebracht, v. a. um im Rahmen der zunehmenden Fitnesswelle individuelle Körperfettmessungen zu ermöglichen. In diesen Geräten werden jedoch Algorithmen benutzt, die »Firmengeheimnis« bleiben. Neuere Geräte dehnen die BIA-Messung von den üblichen 50 kHz auf mehrere Frequenzen zwischen 100 Hz–100 kHz aus, weil sich der Beitrag der einzelnen Wasserkompartimente durch differenzielle Messung besser erfassen lassen soll. Gute Kontrollstudien im Vergleich zu »Goldstandardmethoden« bei Kindern wären wünschenswert. Vergleichsmessungen zwischen verschiedenen Geräten und gegen andere Methoden haben gezeigt, dass die BIA-Körperfettmessung mit einem beträchtlichen zufälligen, aber auch systematischen Fehler behaftet sein können.
439 12.4 · Stabile Isotope
12
Zusammengefasst kann mit dem Resistance-Index nichtinvasiv direkt am Patienten (bedside) das Körperwasser geschätzt werden. Die Methode eignet sich für Gruppenvergleiche unter Feldstudienbedingungen (Wabitsch et al. 1996; Wuehl et al. 1996). Exakte Messungen der Körperzusammensetzung, v. a. der Fettmasse, überfordern die Methode und sind am einzelnen Indivduum mit den z. Z. vorhandenen Geräten nur in wenigen Situationen genau.
12.4
Stabile Isotope
C. Fusch Die stabilen Isotope gelten als Goldstandard für die Messung des Körperwassers. Die Methode differenziert aber nicht zwischen den verschiedenen Wasserkompartimenten (intrazellulär, extrazellulär: intravasal, extravasal). Die Technik basiert auf einer Verdünnungsmethode, bei dem in das Körperwasser eine definierte Menge stabil-isotopen-markiertes (D2O oder H218O) Wasser oral oder intravenös eingebracht wird. Aus der Konzentration, die sich nach konstanter und gleichmäßiger Verteilung (ca. 3–6 h) in allen Körperflüssigkeiten (auch im Urin) einstellt, kann die Größe des Verteilungsraums berechnet werden. Der zufällige Fehler der Traceranalyse mit Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie (IR-MS) oder Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT-IR) liegt weit unter 1%, der der gesamten Methode bei ca. 1% (Fusch et al. 1993a). Im Vergleich zur Messung mit dem extrem teuren H218O wird mit 2H2O das tatsächliche Körperwasser um ca. 3% systematisch unterschätzt, weil der Austausch der H-Ionen nicht nur an Wasser, sondern auch an N-H, S-H und Nicht-Wasser-OH-Gruppen stattfindet. Die Methode eignet sich wegen der fehlenden Strahlenbelastung für die Anwendung in der Pädiatrie. Unter Annahme einer konstanten Hydratation der fettfreien Masse (FFM, Abschn. 2.3) können aus dem Gesamtkörperwasser auch die FFM und Fettmasse (FM) berechnet werden. Für die Hydratation werden zwar altersabhängige Durchschnittswerte angegeben. Sie können aber im individuellen Fall stark abweichen und damit die Richtigkeit der Berechnung von FFM und FM beeinträchtigen. ⊡ Tabelle 12.1 gibt Normalwerte für »total body water« (TBW) (sowie FFM und FM) aus einer Querschnittsstudie an 180 Kinder im Alter von 6 Wochen bis 15 Jahre (Fusch et al. 1993b).
12
0,621 0,065
0,779 0,081
0,221 0,081 20
– –
–
0,841 0,071
0,160 0,070 5
– –
–
Bis 6 Monate
0,678 0,057
Bis 3 Monate
0,171 0,096 0,203 0,086 24 / 22
0,141 0,041 0,190 0,072 23 / 22
–
–
–
0,163 0,076 30
– –
0,133 0,043 27
– –
0,211 0,110 17
– –
0,837 0,076
0,632 0,057
Bis 9 Jahre
0,160 0,080 19
0,867 0,043
0,666 0,033
Bis 6 Jahre
0,171 0,085 13
0,657 0,060
Bis 3 Jahre
0,844 0,077
0,655 0,067
Bis 12 Monate
0,829 0,085
0,789 0,110
0,625 0,087
Bis 9 Monate
0,227 0,074 24 / 23
0,235 0,096
0,163 0,063 18
0,837 0,063
0,616 0,047
Bis 12 Jahre
0,282 0,077 25 / 22
0,169 0,104
0,187 0,057 16
0,813 0,057
0,598 0,042
Bis 15 Jahre
TBW-Daten gemessen mit der Deuteriumverdünnungmethode, FFM und FM berechnet mit alters- und geschlechtsspezifischen Faktoren für die Hydratation der FFM (Fusch 1993b). DXA-Fettmasse (%) nach (Lazarus et al. 1996)
TBW/BW Mittelwert SD FFM/BW Mittelwert SD FM/BW Mittelwert SD n FMDXA/BW Jungen Mittelwert SD Mädchen Mittelwert SD n
Alter
⊡ Tabelle 12.1. Angaben (Mittelwert und Standardabweichung, SD) zu Körperwasser (TBW), fettfreier Körpermasse (FFM) und Fettmasse (FM) bezogen auf das Körpergewicht (BW) für verschiedene Altersklassen
440 Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
441 12.6 · Methoden aus der Forschung
12.5
12
Dual-X-ray-Absorptiometrie
C. Fusch Die Dual-X-ray-Absorptiometrie (DXA) misst im Körper Punkt für Punkt die differenzielle Absorption eines sehr schwachen Röntgenstrahlers, der zwischen 2 Energieniveaus pulst. In den Bildpunkten, die Knochen enthalten, findet die Differenzierung (und Quantifizierung) zwischen Knochen und Weichteilgewebe statt. In den knochenfreien Bildpunkten wird zwischen Mager- und Fettmasse differenziert und quantifiziert. Die DXA-Methode macht dabei die Annahme, dass sich die Zusammensetzung des Weichteilgewebes in den knochenfreien Bildpunkten von den knochenenthaltenden nicht unterscheidet. Ein Ganzkörperscan dauert abhängig vom verwendeten Gerät zwischen 2 min und 15 min. Die Messung erfolgt berührungslos, ist aber empfindlich gegen Bewegungsartefakte. Der Patient muss daher kooperativ sein oder schlafen. Die DXA gilt z. Z. als der In-vivo-Goldstandard zur Messung von Mineralsalzgehalt sowie Fett- und Magermasse. Sie wurde in aufwändigen tierexperimentellen Studien für einen Gewichtsbereich von 800 g bis 120 kg gegen die chemische Carcass-Analyse validiert (Fusch et al. 1999; Mitchell et al. 1998a,b, 2000). Altersabhängige Normalwerte für das Körperfett (in %KG) liegen zwischen 14,1±4,1 und 23,5±9,6 (Jungen) und 19,0±7,2 und 28,2±7,7% (Mädchen; Lazarus et al. 1996). Die Indikation zur Anwendung der DXA im Kindesalter muss wegen der Anwendung von Röntgenstrahlen sorgfältig gestellt werden. Vor dem Hintergrund der niedrigen Dosisexposition ( Von den oben dargestellten Methoden zur Messung der Körperzusammensetzungen ist jeweils diejenige auszuwählen, die der individuellen Situation (Klinik, Forschung) gerecht wird und das Zielkompartiment mit ausreichender Genauigkeit messen kann. Da die Methoden häufig an »gesunden« Erwachsenen validiert wurden, kann das Messergebnis bei Kindern fehlerhaft sein. Es darf nur unter Kenntnis und Prüfung der Modellannahmen geschehen. Häufig wird es daher sogar sinnvoll sein, für die Messung mehrerer Kompartimente auch mehrere Methoden zu verwenden, statt sie unter nichtsicheren Annahmen aus einer zu berechnen. Für die Fragestellungen in der Pädiatrie sind nur wenige Methoden geeignet. In fallender Präzision: DXA, stabile Isotope, Hautfaltendicke, BIA und BMI.
446
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
12.7
Methoden zur Beurteilung von oxidativem Stress
H. Topp
12
Schädigende Wirkungen von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS, z. B. Superoxidanionradikal, Hydroxylradikal) auf den Organismus werden mit der Genese und dem Verlauf von zahlreichen Krankheiten in Zusammenhang gebracht (z. B. Atherosklerose, zystische Fibrose, chronische Polyarthritis, Enteritis regionales Crohn, Alzheimer-Krankheit, Ischämie-ReperfusionsSchädigungen, Retinopathia praematurorum, bronchopulmonale Dysplasie, Entstehung von Krebs). Reaktive Sauerstoffspezies werden ständig beim aeroben Stoffwechsel des Organismus gebildet (z. B. in der mitochondrialen Atmungskette; durch enzymatische Reaktionen, polymorphkernige Leukozyten, Makrophagen, exogene Einflüsse). Demgegenüber verfügt der Organismus über ein komplexes antioxidatives Schutzsystem, das die ROS weit gehend zu entgiften vermag: antioxidativ wirksame Enzyme (z. B. Superoxiddismutasen, Katalase, Glutathionperoxidasen, DNS-Reparaturenzyme), endogene Stoffwechselprodukte (z. B. Transferrin, Ferritin, Ceruloplasmin; Harnsäure; Bilirubin; Glutathion, Coenzym Q10) sowie Nahrungskomponenten (z. B. Vitamine E, C; Lycopin, phenolische Pflanzeninhaltsstoffe). Der normale aerobe Stoffwechsel befindet sich in einem annähernden Fließgleichgewicht zwischen Bildung und Entgiftung von ROS. Oxidativer Stress liegt vor bei einem verstärkten Ungleichgewicht zwischen Bildung und Entgiftung von ROS aufgrund erhöhter Bildung und/oder verminderter Entgiftung von ROS. Die Folgen von oxidativem Stress sind erhöhte Schädigungen von Makromolekülen, wie der Lipide, Proteine und DNS. Besonders Frühgeborene können oxidativem Stress ausgesetzt sein, aufgrund der potenziellen Unreife ihres eigenen antioxidativen Schutzsystems (z. B. geringe Gehalte antioxidativ wirksamer Enzyme sowie des Eisen- (Fe-)transportproteins Transferrin) und/oder aufgrund potenziell prooxidativ-wirksamer exogener Faktoren (z. B. Beatmung, Gabe von Fe, Vitamin C, mehrfach ungesättigten Fettsäuren). Zur Prävention möglicher (Spät-)folgen von oxidativem Stress bei Frühgeborenen ist eine Beurteilung der Belastung mit ROS notwendig. Die Belastung des Organismus mit ROS lässt sich nicht direkt bestimmen. Im Folgenden werden einige Methoden zusammengefasst, die zur Beurtei-
447 12.7 · Beurteilung von oxidativem Stress
12
lung von oxidativem Stress Anwendung finden. Diese Methoden basieren darauf, dass endogen durch den Angriff von ROS an Lipiden, Proteinen sowie der DNS spezifische Abbau-/Reparaturprodukte dieser Makromoleküle entstehen, die sich in Urin, Plasma oder der Atemluft quantifizieren lassen. Die Bestimmung von Malondialdehyd (MDA) in Urin und/oder Plasma wird häufig als Indikator für Lipidperoxidation verwendet. Malondialdehyd entsteht als ein Produkt der Oxidation von »polyunsaturated fatty acids« (PUFAs) (hauptsächlich Arachidonsäure und Docosahexaensäure). Malondialdehyd kann verhältnismäßig einfach mithilfe der »high performance liquid chromatography« (HPLC) bestimmt werden (Draper et al. 1984). Bei der Interpretation von Befunden ist Vorsicht geboten, da MDA teilweise endogen verstoffwechselt wird und mit der Nahrung zugeführte PUFAs sowie zugeführtes MDA die Gesamtausscheidung von MDA direkt beeinflussen können (Draper u. Hadley 1990; Draper et al. 1984). Als weiterer potenzieller Indikator für Lipidperoxidation lässt sich 4-Hydroxynonenal (HNE), das bei der Oxidation von n-6 PUFAs (Linolsäure und Arachidonsäure) entsteht, im Plasma mit der HPLC bestimmen. Auch im Fall von HNE muss die teilweise endogene Verstoffwechselung dieser Verbindung mit in Betracht gezogen werden. F2-Isoprostane entstehen aus Arachidonsäure durch Angriff von ROS. F2-Isoprostane bzw. ihre Derivate wurden in Plasma bzw. Urin mit der Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC/MS) in mehreren Studien als Indikatoren für die Lipidperoxidation gemessen (Fam u. Morrow 2003; Roberts u. Morrow 2000). Als weitere Indikatoren für Lipidperoxidation kann die Exspiration von Ethan (Herkunft n-3 PUFAs) bzw. Pentan (Herkunft n-6 PUFAs) mit der GC bestimmt werden. Ethan wird im Vergleich zu Pentan endogen geringer verstoffwechselt und ist gering löslich in Gewebe. Daher dürfte die Bestimmung von Ethan gegenüber Pentan vorteilhaft sein (Kritzler et al. 1998). O-Tyrosin entsteht durch ROS aus dem Proteingrundbaustein Phenylalanin. Mit dem Urin ausgeschiedenes o-Tyrosin lässt sich mit der HPLC quantifizieren und gilt als Marker für die Oxidation von Proteinen und freiem Phenylalanin (Lubec et al. 1997). Als weitere Indikatoren für oxidative Schädigungen von Proteinen können Proteincarbonyle in Plasma spektrophotometrisch oder mithilfe des »enzyme-linked-immunosorbent assay« (ELISA) bestimmt werden (Jacob et al. 2003). In der DNS kann 8-Oxo-7,8-dihydro-2′desoxyguanosin (oxo8dG) durch ROS aus dem Grundbaustein Desoxyguanosin gebildet werden. 8-Oxo-7,8-dihydro-2′-desoxyguanosin wird aus der DNS
448
12
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
durch enzymatische Reparatur eliminiert. Mit dem Urin ausgeschiedenes oxo8dG lässt sich mit der HPLC quantifizieren und gilt als Marker für die oxidative Belastung der DNS mit freien Sauerstoffradikalen (Topp et al. 2002). 8-Oxo-7,8-dihydro-2′-desoxyguanosin ist in eingefrorenen (–20°C) Urinproben stabil. Obwohl die frühzeitige Erkennung von oxidativem Stress sowie dessen Verlaufsbeurteilung unter gezielt eingesetzten antioxidativ-wirksamen Gegenmaßnahmen eine wichtige Aufgabe der Forschung darstellt, lässt sich die Frage nach der besten Methode zur Bestimmung von oxidativem Stress für die klinische Praxis z. Z. noch nicht beantworten. Gleichzeitige Bestimmungen von Abbau-/Reparaturprodukten aus Lipiden, Proteinen und DNS wären wünschenswert, weil dadurch eine umfassende Beurteilung der Belastung von verschiedenen Zellbestandteilen und Kompartimenten mit ROS möglich ist. Die dazu notwendigen Methoden ( oben) erfordern sehr gut ausgestattete Laboratorien sowie ausreichend und hochqualifiziertes Personal. Alternativ ist durch Kooperationen die Möglichkeit gegeben, die in bestimmten Arbeitsgruppen etablierten speziellen Methoden zur komplexen Untersuchung von oxidativem Stress einzusetzen. Bestimmungen von spezifischen Kataboliten im Urin, wie z. B. das oxo8dG, haben den Vorteil, dass die Proben nichtinvasiv gewonnen werden und im eingefrorenen Zustand leicht transportiert werden können. Falls die quantitaive Sammlung von Urinproben über längere Zeiträume, z. B. 24 h, nicht möglich ist, lassen sich in unterschiedlich konzentrierten Spontanurinproben die Marker für oxidativen Stress durch Bezug auf Kreatinin (klassisch) oder möglicherweise auf bestimmte RNS-Kataboliten (neu) normieren (Topp et al. 2002, 2003).
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450
12
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
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13 Materialien zur Ernährungstherapie P. Thul
13.1
Intravenöser Zugang (peripher und zentral) – 452
13.2
Ernährungssonden – 455 Literatur
– 457
452
Kapitel 13 · Materialien zur Ernährungstherapie
Die Wahl eines geeigneten Zugangs zum Gefäßsystem oder zum Magen-DarmTrakt erspart dem kranken Kind Leid, wenn es gelingt mit einer einzigen Punktion das gewünschte Ziel zu erreichen. Die Entscheidung für ein bestimmtes Kathetersystem darf sich nicht nur an den aktuellen Bedürfnissen orientieren; sie muss sich nach längerfristigen Zielen richten. Ist eine langfristige Therapie, z. B. eine heimparenterale Ernährung oder eine Chemotherapie, erforderlich, sollte ein dauerhafter Zugang, z. B. ein BroviacKatheter, implantiert werden. Dies erleichtert die Pflege und erspart dem Kind immer wieder auftretende Schmerzen bei der Punktion einer Vene oder eines Portsystems. Ähnlich ist die Situation beim Zugang zum Magen-Darm-Trakt. Wird das Kind in einer anderen Einrichtung weiterversorgt, sind die Erfahrungen dieser Institution bei den in Betracht kommenden Sondensystemen mitzuberücksichtigen.
13.1
13
Intravenöser Zugang (peripher und zentral)
Der Zugang richtet sich nach der geplanten Dauer und der Art der Infusionstherapie. Bei einer kurzfristigen Dauer wird man eher einen peripheren Zugang wählen; die Nutzung dieses Weges ist jedoch durch die Osmolalität der Infusionslösungen eingeschränkt. Bei einer Osmolalität über 800 mosmol/kg und langfristiger Infusion wird man einen zentralen Zugang wählen.
Kathetermaterial Zur Katheterisierung der Nabelschnur werden ein- und zweilumige Katheter aus Polyurethan mit einem Durchmesser von 2,5–8 F angeboten. Für die parenterale Ernährung und Langzeittherapie mit intravenös zu applizierenden Medikamenten werden Katheter mit einem Außendurchmesser von 0,3 mm (1 F) und Längen von 8–50 cm offeriert (Premicath). Für Neugeborene über 1.000 g KG sind unter Umständen Flussraten erforderlich, die von diesen Kathetern nicht erreicht werden. Für Neugeborene über 1 kg KG stehen Katheter aus Silikon bzw. Polyurethan mit einem Außendurchmesser von 0,6 mm mit Flussraten von 4–8 ml/ min zur Verfügung (Epicutaneo-Cava-Katheter).
453 13.1 · Intravenöser Zugang (peripher und zentral)
13
Im Bereich der Neonatologie werden periphere Venenverweilkatheter aus Polyurethan mit einem Durchmesser von 0,6 mm (2 F) und einer Länge von 15 cm bzw. 30 cm angeboten (Nutriline Vygon). Zur parenteralen Ernährung und Langzeittherapie ist ein ähnlicher Katheter aus Silikon erhältlich, der bei gleichem Durchmesser eine mehr als doppelt so hohe Durchflussrate hat (Epicutaneo Vygon). Diese Katheter für neonatale Patienten können elegant über eine periphere Venenverweilkanüle (gelb/24 G) von peripheren Venen in zentrale Position vorgeschoben werden. Wird ein peripherer Zugang bei Kindern, älter als ein Jahr, erforderlich, kann dies mit einem 3-F-Polyurethan-Katheter erfolgen, der durch eine spaltbare Stahl- oder Kunststoffkanüle eingeführt wird. Zur simultanen Verabreichung von nichtkompatiblen Medikamenten oder von Lösungen mit unterschiedlichen Durchflussraten stehen zwei- bzw. dreilumige Katheter zur Verfügung. In den letzten Jahren sind Katheter auf den Markt gebracht worden, deren Wand antimikrobiell beschichtet oder z. B. mit Silber dotiert ist, das langsam freigesetzt wird. Das gesamte Schlauchsystem soll vor Bakterienkolonisation geschützt werden (Olimpicc). Mit solchen Kathetern konnten geringfügig längere Verweildauern im Vergleich zu unbehandelten Kathetern erreicht werden.
Kathetersysteme Ist eine langfristige Infusionstherapie erforderlich, stehen prinzipiell 2 verschiedene Kathetersysteme zur Verfügung. Es sind Katheter mit einem externen Segment und einem subkutanen Tunnel bis zum Gefäßeintritt (System Broviac, Groshong, Hickman) sowie das vollkommen subkutan liegende Portsystem. Broviac-Katheter. Je jünger das Kind ist, desto eher wird man sich für ein getunneltes System entscheiden. Der Broviac-Katheter aus Silikon ist mit einer Dacron-Manschette, die kurz vor dem Eintritt in das Gefäßsystem positioniert wird, armiert. Die Dacron-Manschette dient der Verhinderung von aufsteigenden Infektionen und der festen Fixierung des Kathetersystems mit dem Unterhautgewebe. Über einen einige Zentimeter langen subkutanen Tunnel führt der Katheter zur Hautoberfläche. Das externe Segment mit Katheterkonus ist ausreichend lang, um eine einfache Handhabung für die pflegende Person zu gewährleisten.
454
Kapitel 13 · Materialien zur Ernährungstherapie
Hickman-Katheter. Das Kathetersystem nach Hickman hat 2 Dacron-Man-
schetten, deren Abstand konstruktionsbedingt fest vorgegeben ist; die Lage des Kathetersystems im Unterhautgewebe ist somit von vornherein festgelegt. Das System ist in Deutschland nicht auf dem Markt. Groshong-Katheter. Der Katheter nach Groshong gleicht dem Broviac-System. Die Katheterspitze ist abgerundet. Kurz vor der Spitze ist ein Ventil konstruiert, das im Ruhezustand geschlossen ist, jedoch bei Druck oder Sog öffnet. Da das Kathetersystem am proximalen Ende nicht gekürzt werden kann, ist der Abstand zwischen Katheterspitze und Dacron-Manschette für den in Europa üblichen Gebrauch zu lang. Es wird nur in wenigen Einrichtungen in Europa verwendet. Der Broviac-Katheter, z. B. Lifecath (Fa. Vygon) steht mit Außendurchmessern von 1 mm, 1,4 mm, 1,7 mm und 2,2 mm zur Verfügung. Quinton bietet einen Katheter mit einem Außendurchmesser von 1,3 mm an. Für spezielle Zwecke scheint das Füllvolumen von Bedeutung zu sein. Beim vorgenannten Katheter beträgt das Füllvolumen/cm Katheterlänge 0,0047 ml. Die von den Herstellern angegebenen Durchflussraten beziehen sich stets auf den gesamten Katheter, der mit intravasalen Längen von ca. 50 cm geliefert wird. Durch das Kürzen des sog. Segmentes auf eine übliche Länge, beim Kind deutlich weniger als 20 cm, ergeben sich weit höhere Durchflussraten als die deklarierten.
13
Portsystem. Das vollständig subkutan versenkte Portsystem bietet auf den ersten Blick scheinbare Vorteile, die sich jedoch in der Klinik nicht verwirklichen. Ein Nachteil des Portsystems ist, dass zu jeder Benutzung die Haut mit einer speziellen Nadel durchstochen werden muss. Die Punktionen sind für das Kind schmerzhaft. Die Konnexion des Portsystems mit einer Infusionsleitung ist wesentlich unsicherer als die eines Broviac-Systems. Bei dauerhafter Benutzung bietet das Portsystem entgegen der häufig geäußerten Meinung keinen kosmetischen Vorteil. Aus psychologischen Gründen kann sich bei Schulkindern ein Vorteil ergeben, wenn das System, z. B. beim Sport, nicht sichtbar ist. Wird die Nadel mit anhängendem ca. 15 cm langem Schlauch nicht bei jedem Anschluss gewechselt, was aus Gründen der Schmerzzuführung und der hohen Kosten in der Regel der Fall sein wird, ist der externe Teil des Katheters deutlicher sichtbarer als beim Broviac-Katheter.
455 13.2 · Ernährungssonden
13
Gravierender als die kosmetischen Nachteile sind die weit höheren Infektionsraten des Portsystems im Vergleich zum Broviac-System. Im Erwachsenenbereich liegen multizentrische Untersuchungen aus Europa vor, die eine eindeutige Überlegenheit des Broviac-Systems zeigen. Infizierte getunnelte Systeme sind in der Regel sanierbar, während infizierte Portsysteme selten erhalten werden können. Erfahrungen aus dem onkologischen Bereich bei Erwachsenen können nicht auf die Situation bei Kindern, die heimparenteral ernährt werden, übertragen werden. Die Portsysteme unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Größe und das Material des Portgehäuses. Bei korrekter Handhabung ist die Form der Portkammer ohne Bedeutung. Die dazugehörigen Kathetersysteme haben Außendurchmesser zwischen 1,3 mm und 2,2 mm und einen Innendurchmesser von 0,8 mm bzw. 1,1 mm. Portsysteme mit einem Durchmesser von 20 mm und einer Höhe von 8 mm eignen sich besonders für Kinder oder die periphere Platzierung. Das Modell Micro-Sitimplant wiegt lediglich 3 g und ist bei einem Portgehäuse aus Titan nicht störend bei Magnetresonanz- und Computertomographieuntersuchungen. Zur Punktion der Portsysteme sind spezielle Nadeln mit einem sog. Huber-Schliff erforderlich, die eine Punktion des Portseptums ohne Ausstanzung ermöglichen. Gerade oder 90° abgewinkelte Nadeln von 0,7- bis 0,9mm-Durchmesser stehen zur Verfügung, ebenso Nadeln mit angeschweißtem Polyurethanschlauch zur längerfristigen Infusionstherapie. Die Implantation von Portsystemen erfolgt über das Freilegen einer Vene und Einführen des Portkatheters bzw. durch blinde Punktion bevorzugt der V. subclavia und Einführung eines Seldinger-Drahtes mit nachfolgender Dilatation des Eintritts in die Vene und Vorschieben des Katheters durch ein »Pull-apart-« oder »Break-away-Besteck«.
13.2
Ernährungssonden
Die Zugangswege für die enterale Ernährung des Kindes sind prinzipiell die Gleichen wie beim Erwachsenen. Die Wahl des enteralen Zugangs richtet sich nach der zu applizierenden Sondennahrung und der mutmaßlichen Dauer der Zufuhr ( Abschn. 6.4). Sonden für eine enterale Ernährung sind aus Polyurethan oder Silikon gefertigt. Sonden aus Polyvinylchlorid enthalten Weichmacher, der aus der
456
Kapitel 13 · Materialien zur Ernährungstherapie
Sonde diffundiert; dies hat eine Verhärtung der Sonden und Drucknekrosen zur Folge. Diese Sonden sollten bei Kindern nicht verwandt werden. Sie sind lediglich kuzzeitig als Magenablaufsonden geeignet.
Nasogastrale Sonden Ist eine kurzzeitige Ernährung über eine Sonde erforderlich, ist eine nasogastrale Sonde indiziert. Voraussetzung ist eine geordnete Magenentleerung. Die Nährstoffapplikation kann physiologischerweise als Bolus erfolgen. Bei kontinuierlicher Zufuhr wird das Risiko einer Aspiration minimiert. Nasogastrale Sonden werden typischerweise blind vorgeschoben. Je dünner die Sonde ist, um so wahrscheinlicher ist die Fehllage. Bei Armierung der Sonde mit einem Draht ist das Risiko einer Fehlplatzierung erhöht. Vor jeder Applikation von Sondennahrung ist die korrekte Lage zu überprüfen, z. B. durch Insufflation von Luft und Auskultation oder/und Aspiration von Magensaft und pH-Wert-Bestimmung. Im Einzelfall ist eine radiologische Dokumentation erforderlich.
Nasojejunale Sonden
13
Bei kritisch kranken Patienten ist eine jejunale Nährstoffzufuhr einer gastralen Applikation vorzuziehen, da Magenentleerungsstörungen häufig sind und das Aspirationsrisiko geringer ist. Nasojejunale Sonden lassen sich selten durch blindes Vorschieben platzieren. Die Platzierung erfolgt durch spontane Migration; nach einem Tag ist bei 86% der Patienten eine Passage des Pylorus zu erwarten. Die Beschwerung der Sondenspitze mit einem Wolframgewicht oder die Armierung mit einem Zugballon erbringt keine wesentlich besseren Ergebnisse. Alternative Methoden zur spontanen Migration sind die endoskopische Platzierung und die Positionierung unter Durchleuchtung. Beide Verfahren erscheinen jedoch beim Kind nicht indiziert. Die Führung der Sonde, an deren Spitze sich ein Magnet befindet, durch einen äußeren Magneten, hat sich nicht durchgesetzt. Die Gabe von Prokinetika kann eine Passage über den Pylorus erleichtern. Jejunale Sonden lassen sich mit dem Endoskop bis in den Dünndarm vorschleppen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Platzierung der Sonde über einen endoskopisch in den Dünndarm vorgebrachten Seldinger-Draht, der jedoch von oral nach nasal gewendet werden muss. Vorteilhaft sind Sonden, deren Spitze offen ist. Bei Fehllage, jedoch noch im Darmtrakt, kann die Sonde leicht über einen eingelegten Seldinger-Draht ausgetauscht werden.
457 Literatur
13
Nasojejunale Sonden sind für eine Bolusgabe nicht geeignet. Hier ist die kontinuierliche pumpengesteuerte Zufuhr erforderlich.
Gastrostomie Soll eine Ernährung über einen Zeitraum von mehr als 3 Wochen durchgeführt werden, ist eine perkutane Applikation zu erwägen. In Betracht kommen endoskopische Verfahren und die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) im Rahmen einer Laparotomie. Ist eine langfristige Sondenernährung evtl. über Jahre erforderlich, ist die perkutane Gastrostomie das Verfahren der Wahl. Vorteile der perkutanen Gastrostomie sind die geringe Komplikationsrate, leichte Handhabung und der kosmetische Vorteil gegenüber einer für die Umgebung sichtbaren Sonde. Zur perkutanen endoskopisch kontrollierten Gastrostomie stehen prinzipiell 3 Methoden zur Verfügung: ▬ Fadendurchzugsmethode (Pull-Technik), ▬ Direktpunktion (Introducer-Technik), ▬ Durchschubverfahren (Push-Technik). Die Kathetersysteme sind vielfältig, mit geringen Variationen von Hersteller zu Hersteller. Der Trend geht zu großlumigeren Sonden, obwohl bei kleinlumigen Sonden die Komplikationsrate niedriger war. Bei normaler Pflege tritt selbst bei 9-Charr starken Sonden keine Okklusion auf. Großlumige Sonden werden in anderen Ländern genutzt, um pürierte Speisen einzugeben. Dieses Vorgehen ist in Deutschland aus hygienischen Gründen und auch aus Kostengründen unbedeutend. > Keiner Implantationstechnik ist ein klarer Vorzug zu geben; die Entscheidung ist individuell.
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14 Ethische und rechtliche Aspekte A. Dörries
14.1
Ethische Aspekte
14.2
Rechtliche Aspekte Literatur
– 467
– 460 – 463
460
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
Kinder stehen unter einem besonderen Schutz, den Eltern, Ärzte und auch der Staat gewährleisten müssen. Die Sorge um das Kindeswohl (»best interest standard«) ist handlungsleitendes Prinzip bei medizinischen Behandlungen. Neben der Beachtung des Kindeswohls wird heutzutage verstärkt der Kindeswille berücksichtigt. Jede ärztliche Maßnahme bedarf der Aufklärung und Zustimmung des einwilligungsfähigen Patienten oder seines Sorgeberechtigten (Eltern, Betreuer). Die Beachtung des Kindeswohls (aber auch des Willens einwilligungsfähiger Kinder) kann es notwendig erscheinen lassen, eine Therapie aufgrund der Aussichtslosigkeit oder sehr großer Belastungen für das Kind nicht weiterzuführen. Ethisch und rechtlich umstritten ist bisher, ob die langfristige Ernährung durch eine Magensonde als Basisversorgung eines Patienten zu bewerten ist oder ob sie eine therapeutische Maßnahme darstellt, die unter bestimmten Bedingungen eingestellt werden darf. Bei einer Änderung des Therapieziels von der kurativen zur palliativen Versorgung eines Kindes sind in jedem Fall eine adäquate Schmerztherapie, gute Pflege sowie soziale, emotionale und kulturell sensible Unterstützung von Kind und Familie zu gewährleisten.
14.1
Ethische Aspekte
Kindeswohl
14
Das Kindeswohl basiert auf dem tradierten Prinzip der Fürsorge für schutzbedürftige Minderjährige (»best interest standard«). Kinder stehen unter einem besonderen Schutz, den Eltern, Ärzte und auch der Staat beachten und gewährleisten müssen. Die Sorge um das Kindeswohl ist handlungsleitendes Prinzip bei medizinischen Behandlungen. In die Abwägung des Kindeswohls fließen in der konkreten klinischen Situation medizinisch-physiologische Befunde des Kindes und langfristige Folgen der Entscheidungen für das Kind ein. Aber auch familiäre Belange und gesellschaftliche Aspekte spielen eine Rolle. Das Kindeswohl ist individuell für eine konkrete Situation zu bestimmen und kann sich im Laufe einer Behandlung ändern. Die Interessen und Belastungen anderer Personen (Eltern, Geschwister, Gesellschaft) sind einzubeziehen, stehen aber hinter dem Kindeswohl zurück. Ökonomische Aspekte
461 14.1 · Ethische Aspekte
14
dürfen in individuellen Entscheidungsprozessen keine Rolle spielen. Bei der Bestimmung des Kindeswohls wirken üblicherweise Eltern, Arzt und ggf. weitere Mitglieder des Behandlungsteams zusammen. Bei einem komplexen Entscheidungsverfahren oder bei Dissens kann – falls vorhanden – ein klinischer Ethikberater bzw. ein klinisches Ethikkomitee hinzugezogen werden.
Kindeswille Neben der Beachtung des Kindeswohls findet heutzutage verstärkt die selbstbestimmte Entscheidung von Kindern und Jugendlichen, der Kindeswille, Berücksichtigung. In der klinischen Praxis hat sich bewährt, Kinder jeden Alters in angemessenem und entwicklungsmäßig gerechtem Umfang zu informieren und ihre Ablehnung einer medizinischen Maßnahme ernst zu nehmen. Grundsätzlich gilt: Je notwendiger die Behandlung, desto eher können kindliche Bedenken übergangen werden; je mehr es sich um einen elektiven Eingriff handelt, desto wichtiger ist die kindliche Beteiligung. An den jeweiligen Extremen kann die Entscheidung einerseits dem (einwilligungsfähigen) Jugendlichen überlassen werden oder andererseits vollständig bei den Eltern liegen. Im ersten Fall sind die Schweigepflicht des Arztes gegenüber dem Jugendlichen und das Informationsinteresse bzw. die Fürsorgepflicht der Eltern sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Im zweiten Fall ist sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes im Mittelpunkt steht. Dazwischen gibt es verschiedene Grade der Einbeziehung des Kindes oder Jugendlichen, die von dessen Verständnis und auch von der Art und Schwere des Eingriffs abhängig sind. Hier bietet sich eine Vielzahl von Gestaltungsspielräumen zwischen Arzt, Kind und Eltern. Stellungnahme zum »informed consent«: American Academy of Pediatrics (1995).
Achtung der Würde eines Patienten Therapiemaßnahmen sind in einem Rahmen vorzunehmen, der die Würde des Kindes respektiert. Dabei ist die Autonomie des Kindes zu achten. Aller Voraussicht nach erfolglose Therapiemaßnahmen (»futile treatment«) sollten nach dem Nichtschadensprinzip sorgfältig bezüglich Nutzen und Schaden überdacht werden (z. B. bei anhaltendem Wachstumsstillstand eines Kindes mit Kurzdarmsyndrom). In den Entscheidungsprozessen sind die gegenwärtige und voraussichtliche intrapersonale Lebensqualität des Kindes (z. B. bei
462
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
vollständiger künstlicher Ernährung) und die Prognose nach einer anderen medizinischen Maßnahme (z. B. nach Dünndarmtransplantation) zu berücksichtigen. Für die Diskussion über Behandlungen bei Anorexia nervosa wird auf entsprechende kinderpsychiatrische Fachbücher verwiesen.
Therapiebegrenzung
14
Die Beachtung des Kindeswohls (aber auch die Beachtung des Willens einwilligungsfähiger Kinder) kann es notwendig erscheinen lassen, dass eine Diagnostik oder Therapie aufgrund der Aussichtslosigkeit oder sehr großer Belastungen für das Kind nicht weitergeführt wird. Ethisch ist das Absetzen einer Therapiemaßnahme gleichzusetzen mit der primären Nichtaufnahme einer Therapie, auch wenn dies häufig intuitiv aus Gründen der Kausalität anders beurteilt wird. Ob künstliche Ernährung zur Basisversorgung eines Patienten (und damit nicht absetzbar) oder zur Therapie (und damit ggf. absetzbar) zu rechnen ist, ist ethisch umstritten und sollte individuell nach dem Kindeswohl entschieden werden. Entscheidungen gegen Reanimationsmaßnahmen müssen gemeinsam mit dem Kind (soweit möglich), Eltern und Behandlungsteam getroffen und dokumentiert werden. Bei einer evtl. Änderung des Therapieziels von der kurativen zur palliativen Versorgung eines Kindes sind in jedem Fall eine adäquate Schmerztherapie, gute Pflege sowie soziale, emotionale und kulturell sensible Unterstützung von Kind und Familie zu gewährleisten. Berufsethische Empfehlungen liegen mit den »Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung« der Bundesärztekammer (2004) vor (http://www. bundesaerztekammer.de/). Stellungnahmen pädiatrischer Fachgesellschaften zur Therapiebegrenzung: American Academy of Pediatrics (1994, 2000); Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (1999); Kurz (2001); Royal College of Paediatrics and Child Health (1997).
Arzt-Kind-Eltern-Verhältnis Für die Versorgung des Kindes und einen guten Kontakt zu dessen Eltern sind Verschwiegenheit, Wahrhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit notwendige vertrauensbildende ärztliche Tugenden. Entscheidungsprozesse sollten gemeinsam mit Eltern und – soweit möglich dem Kind – erfolgen (»shared decision making«). Elterliche Forderungen finden ihre Grenzen
463 14.2 · Rechtliche Aspekte
14
durch rechtliche Vorgaben und berufsethische Standards; u. a. wenn Ärzte zu Maßnahmen gezwungen werden sollen, die ihrem beruflichen Selbstverständnis zuwiderlaufen.
Qualitätssicherung Krankenhäuser und ihre Mitarbeiter sind ethisch und rechtlich zur Qualitätssicherung bei der Patientenversorgung verpflichtet. (Spezielle rechtliche Vorgaben zum Qualitätsmanagement für die Ernährung von Kindern liegen derzeit nicht vor.) Krankenhäuser können folgend der Innocenti-Deklaration von WHO/ UNICEF (1990) unter bestimmten personellen, räumlichen, sozialen und psychologischen Voraussetzungen den Titel »stillfreundliches Krankenhaus« erwerben. Die Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung und -kommunikation gibt regelmäßig Empfehlungen zum Stillen und zur Stillförderung heraus (http://www.bfr.bund.de/). Eine angemessene und altersentsprechende Ernährung der kindlichen Patienten während des stationären Aufenthalts sollte gewährleistet sein. Für die Ernährungsberatung adipöser Kinder und entsprechende Schulungsprogramme aktuelle Literatur. Für industriell hergestellte Säuglingsnahrung (Flaschennahrung, Beikost) gilt aufgrund des besonderen Schutzbedürfnisses des Säuglings nach dem Nichtschadensprinzip eine spezielle Sorgfaltspflicht. Für Empfehlungen und Stellungnahmen zur Ernährung Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (http:// www.dgkj.de/), Forschungsinstitut für Ernährung (http://www.fke-do.de/) und European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition, Committee on Nutrition (ESPGHAN; http://www.meb.uni-bonn.de/esphan).
14.2
Rechtliche Aspekte
Lebensmittel Nahrungsmittel unterliegen dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG; http://www.bundesrecht.juris.de/). Lebensmittel sind Stoffe, die in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt werden. Kennzeichnend ist die Magenpassage. Zum Gesundheitsschutz werden an Lebensmittel besondere Anforderungen bezüg-
464
14
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
lich Gewinnung, Herstellung, Zubereitung, Vertrieb und Inverkehrbringen gestellt. Lebensmittel müssen nicht zugelassen werden, werden aber durch die zuständigen Landesbehörden überwacht und an das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) übermittelt. Die Kosten für Lebensmittel werden – außer bei bestimmten medizinischen Indikationen – nicht durch die gesetzliche Krankenkasse übernommen. Diätetische Lebensmittel entsprechen besonderen Ernährungserfordernissen bestimmter Personengruppen (z. B. Säuglinge, Patienten mit Stoffwechselstörungen) und unterscheiden sich für den angegebenen Zweck deutlich von allgemeinen Lebensmitteln (Diätverordnung, DiätV, http://www. bundesrecht.juris.de/). Bestimmte diätetische Lebensmittel unterliegen der Anzeigepflicht beim Bundesamt für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Säuglingsnahrungen (industriell hergestellte Flaschennahrung und Beikost) sind diätetische Lebensmittel, für die besondere gesetzliche Regeln für Zusammensetzung, Zusatzstoffe, bakteriologische Anforderungen und Schadstoffgrenzwerte bestehen (§ 14 Diät V). Es gilt zusätzlich das Säuglingsnahrungswerbegesetz (SNG). Vollständige und ergänzende bilanzierte Diäten (z. B. Sondennahrung, Säuglingsspezialnahrung, Nahrung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen) sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Sie müssen beim Bundesinstitut für Risikobewertung und -kommunikation unter Angabe der Erkrankungsindikation angezeigt werden und dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden (Diätverordnung, http://www. bundesrecht.juris.de/; auch http://www.dgkj.de/Stellungnahmen). Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die einen oder mehrere Nährstoffe in konzentrierter Form (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente) enthalten und eine lebensmitteluntypische Form (z. B. Kapseln) aufweisen. Wenn sie einem bestimmten diätetischen Zweck dienen, gilt neben dem LMBG die Diätverordnung mit Anzeigepflicht. Die Kosten von Vitaminpräparaten werden nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen. Derzeitige Ausnahmen lt. ArzneimittelRichtlinien (AMR; http://www.g-ba.de/) sind die Gabe von Vitaminen bei therapeutisch verursachtem Mehrbedarf, irreversiblem Malassimilationssyndrom, bei parenteraler Ernährung und Sondenernährung sowie bei länger andauernder Infusionstherapie.
465 14.2 · Rechtliche Aspekte
14
Sondennahrung, Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate und Elementardiäten sind nach den Arzneimittel-Richtlinien (AMR; http://www. g-ba.de/) bei bestimmten Erkrankungen medizinisch indiziert und werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Die Abgrenzung zwischen Arznei- und Lebensmitteln kann im Einzelfall rechtlich strittig sein. Für die langfristige Heimernährung wird auf entsprechende Fachbücher bzw. Stellungnahmen der Fachgesellschaften verwiesen. Für europäische Institutionen und Richtlinien Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft bzw. European Food Safety Authority (EFSA; http://www. efsa.eu.int/). Für internationale Vereinbarungen Codex-Alimentarius-Kommission (CAC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Welternährungsorganisation (FAO; http://www.bfr.bund.de/ oder http://www.codexalimentarius.net).
Arzneimittel Arzneimittel unterliegen dem Arzneimittelgesetz (AMG; http://www.bundesrecht.juris.de/). Das Arzneimittelrecht richtet sich nach EU-Richtlinien. Arzneimittel werden in Deutschland i. Allg. vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen. Im Sozialgesetzbuch (§ 31 SGB V) ist die Arzneimittelversorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung geregelt. Gesundheitsreformgesetze regeln die jeweiligen Änderungen. Ausführungsbestimmungen legt der gemeinsame Bundesausschuss fest (http://www.g-ba.de/); die Genehmigung erfolgt durch das Bundesministerium für Gesundheit. Infusionen sind Arzneimittel. Die Anordung und ordnungsgemäße Durchführung von Infusionen sowie die Auswahl und Überwachung von Hilfskräften gehören zum Verantwortungsbereich des Arztes (Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 16.2.1974). Die Ausführung kann nach sorgfältiger Prüfung auf ausreichend ausgebildete Pflegekräfte übertragen werden. Die Durchführungsverantwortung trägt dann das Pflegepersonal. Die Leitung des Krankenhauses haftet für mangelhafte Organisation. Für aktualisierte Empfehlungen Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (http://www.rki.de/).
Medizinprodukte Medizinprodukte sind Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus anderen Stoffen oder andere Gegenstände, die beim
466
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
Menschen u. a. zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten und der Ersetzung oder Veränderung eines physiologischen Vorgangs bestimmt sind [z. B. Infusionssysteme, perkutane endoskopische Gastrostomie- (PEG-)Sonden]. Sie unterliegen dem Medizinproduktegesetz (MPG; http://www.bundesrecht.juris.de/). Siehe auch Stellungnahme der Ernährungskommission der DGKJ vom 17.4.2002 zu Infusionssystemen (http://www.dgkj.de/Stellungnahmen).
Aufklärung und Einwilligung (»informed consent«)
14
Jede ärztliche Maßnahme bedarf der Aufklärung und Zustimmung des einwilligungsfähigen Patienten oder seines Sorgeberechtigten (Eltern, Betreuer). Grundlage dafür sind der Heilauftrag des Arztes und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Grundsätzlich sind beide Elternteile sorgeberechtigt; ein Elternteil kann aber den anderen zu Entscheidungen ermächtigen. Ausnahme sind besonders eingreifende und schwer wiegende Eingriffe. Ein Missbrauch des Sorgerechts liegt bei einer Gefährdung des Kindeswohls vor und erfordert die Einbeziehung des Vormundschaftsgerichts. Nach geltender deutscher Rechtsprechung sollen Jugendliche an sie betreffende Entscheidungen beteiligt werden; hierbei ersetzt mit zunehmender Reife des Jugendlichen das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen allmählich das elterliche Personensorgerecht. Rechtlich entscheidendes Kriterium für eine selbstbestimmte Entscheidung eines Minderjährigen bei medizinischen Maßnahmen ist die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit, d. h. der Urteils- und Einsichtsfähigkeit. Obwohl es primär um die Anerkennung von individuell gewachsener Selbstständigkeit und Selbstbestimmung geht, wird in der Regel eine Altersgrenze bei 14 Jahren, sicher aber bei 16 Jahren, angesetzt. Es besteht in Deutschland ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit bezüglich der Einwilligungsfähigkeit Jugendlicher, das in der Praxis sowohl die Behandlung Jugendlicher ohne Wissen der Eltern als auch das Haftungsrisiko des Arztes betrifft. Es ist zwischen Einwilligung und Zustimmung zu unterscheiden. Liegt Einwilligungsfähigkeit vor, kann der Jugendliche in der Regel selbstverantwortlich über bestimmte medizinische Maßnahmen entscheiden; dem Arzt obliegen aber weit reichende Aufklärungspflichten. Liegt keine Einwilligungsfähigkeit vor, ist die Entscheidung der Eltern ausschlaggebend, aber die Zustimmung (»assent«) oder das Veto des Kindes oder Jugendlichen sind zu berücksichtigen. Chronisch-kranke Kinder können i. Allg. auch altersunab-
467 Literatur
14
hängig stärker in Entscheidungen einbezogen werden, da sie meistens sehr gut über ihre Erkrankungen informiert sind, ihre körperlichen und psychischen Reaktionen kennen und ohne ihre Mitwirkung eine aussichtsreiche Therapie nicht möglich ist. Die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit bei medizinischen Entscheidungen erfolgt i. Allg. durch den behandelnden Arzt. Wichtige Kriterien sind dabei in Deutschland das Verständnis von Wesen, Bedeutung und Tragweite der Maßnahme durch den Jugendlichen. Der Arzt hat in jedem Einzelfall die Einsichtsfähigkeit des Kindes in die beabsichtigte konkrete Maßnahme, logisches Denkvermögen, Kenntnisse der Konsequenzen der Entscheidung, Fähigkeit zur Entscheidung und Freiwilligkeit zu berücksichtigen.
Therapiebegrenzung Eine Therapiebegrenzung im Sinne einer passiven bzw. indirekten Sterbehilfe ist bei Zustimmung des einwilligungsfähigen Patienten bzw. im Falle des nichteinwilligungsfähigen Kindes seiner Eltern keine »unterlassene Hilfeleistung« (§ 323c StGB). Die Entscheidungsfindung ist sorgfältig zu dokumentieren. In den seltenen Fällen eines unüberbrückbaren Dissenses zwischen Arzt und Patient/Eltern, z. B. bei offensichtlichem Missbrauch des elterlichen Sorgerechts, ist die Einbeziehung eines Vormundschaftsgerichts erforderlich. Aktive Sterbehilfe, d. h. Tötung auf Verlangen, ist verboten (§ 216 StGB), desgleichen ärztlich begleiteter Suizid. Rechtlich umstritten ist bisher, ob die langfristige Ernährung durch eine Magensonde als Basisversorgung eines Patienten zu bewerten ist, oder ob sie eine therapeutische Maßnahme darstellt, die unter bestimmten Bedingungen eingestellt werden dürfte. Deshalb ist auch das Absetzen von Medikamenten, wie z. B. Antibiotika oder Katecholamine, rechtlich nicht ohne weiteres mit dem Absetzen von Sonden- oder parenteraler Ernährung gleichzusetzen.
Literatur American Academy of Pediatrics (1994) Guidelines on forgoing life-sustaining medical treatment. http://www.aap.org/. Cited März 2004 American Academy of Pediatrics (1995) Informed consent, parental permission, and assent in pediatric practice. http://www.aap.org/. Gesehen März 2004 American Academy of Pediatrics (2000) Palliative care for children. http://www.aap.org/. Cited März 2004
468
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
British Medical Association (2001) Consent, rights and choices in health care for children and young people. BMJ Books, London Deutsch E (1999) Medizinrecht, 4. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Bundesärztekammer (2004) Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. http://www.bundesaerztekammer.de/. Gesehen März 2004 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (1999) Frühgeburt an der Grenze der Lebensfähigkeit des Kindes. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, AWMF-Reg.-Nr. 024/019 Glover JJ, Caniano DA, Balint J (2001) Ethical challenges in the care of infants with intestinal failure and lifelong total parenteral nutrition. Semin Pediatr Surg 10: 230–236 Kurz R (2001) Decision making in extreme situations involving children: withholding or withdrawal of life supporting treatment in paediatric care. Statement of the ethics working group of the Confederation of the European Specialists of Paediatrics (CESP). Eur J Pediatr 160: 214–216 Nelson LJ, Rushton CH, Cranford RE, Nelson RM, Glover JJ, Truog RD (1995) Forgoing medically provided nutrition and hydration in pediatric patients. J Law Med Ethics 23: 33–46 Royal College of Paediatrics and Child Health (1997) Withholding or withdrawing life saving treatment in children. A framework for practice. http://www.rcpch.ac.uk/. Cited März 2004 Wiesemann C, Dörries A, Wolfslast G, Simon A (Hrsg) (2003) Das Kind als Patient. Ethische Konflikte zwischen Kindeswohl und Kindeswille. Campus, Frankfurt New York
14
15 Programmiert die frühkindliche Ernährung die langfristige Gesundheit und das spätere Adipositasrisiko? B. Koletzko, D. Oberle, A. M. Toschke, R. von Kries
15.1
Frühkindliche metabolische Programmierung des Adipositasrisikos im späteren Lebensalter? – 472
15.2
Ergebnisse epidemiologischer Studien – 473
15.3
Probleme epidemiologischer Studien zu Auswirkungen der Säuglingsernährung auf die spätere Adipositas – 482
15.4
Biologische Plausibilität des postulierten Zusammenhangs zwischen Übergewicht bzw. Adipositas – 484
15.5
Schlussfolgerungen – 485 Literatur
– 487
470
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
15
Zu kaum einem anderen Zeitpunkt sind Zufuhr und Utilisation der Nahrung von größerer biologischer Bedeutung als während der frühen kindlichen Entwicklung (Koletzko 2004). Während die Nährstoffzufuhr beim Erwachsenen lediglich den Erhaltungsbedarf für die Organfunktionen und den zusätzlichen Bedarf für körperliche Arbeit decken muss, kommt beim Kind der hohe Energie- und Substratbedarf für das Körperwachstum hinzu. Das enorm rasche Wachstum, mit einer Verdopplung des Körpergewichtes reifer Neugeborener in nur 4–5 Monaten nach der Geburt (bei Frühgeborenen sogar in nur ca. 6 Wochen) und auch die rasante Differenzierung der Gewebe und Organe hängen von einer sehr hohen Nährstoffzufuhr pro kg KG ab. Ein junger Säugling benötigt v. a. aufgrund seiner hohen Wachstumsgeschwindigkeit im Vergleich zum Erwachsenen pro kg KG fast die dreifache Energiezufuhr. Eine marginale oder im Verhältnis verschiedener Nährstoffe untereinander unausgewogene Substratzufuhr ist bei einem wachsenden, sich entwickelnden Organismus sehr viel kritischer als bei Erwachsenen in einer Gleichgewichtssituation, zumal Säuglinge nur sehr begrenzte Kompensationsmöglichkeiten haben: Einerseits sind nur geringe körpereigene Nährstoffreserven vorhanden, andererseits besteht eine Unreife verschiedener Stoffwechselwege (z. B. Aminosäurestoffwechsel: Cystein kann im frühen Lebensalter nicht endogen synthetisiert werden und wird zur essenziellen Aminosäure) und physiologischer Homöostasemechanismen (z. B.Nierenfunktion:Die geringe Fähigkeit zur Urinkonzentrierung bei jungen Säuglingen führt zu hoher Anfälligkeit gegen niedrige Wasser- bzw. hohe Salzzufuhr). Entsprechend treten bei gesunden, aber auch bei chronisch kranken Kindern sehr rasch klinisch offensichtliche Auswirkungen einer unausgewogenen Ernährung auf, deutlich erkennbar z. B. durch eine gestörte Gewichts- und Längenzunahme. Die Qualität der Ernährung beeinflusst zudem Wachstum, Differenzierung und Funktionen einzelner Organsysteme, wie z. B. des Nervensystems.
Neben den unmittelbaren und oft direkt erfassbaren Auswirkungen der frühkindlichen Ernährung, wie z. B. der kindlichen Gewichts- und Längenzunahme, erhalten besonders die langfristigen Auswirkungen der frühen Substratzufuhr auf die spätere Gesundheit und Entwicklung in jüngerer Zeit
471 Prägung durch frühkindliche Ernährung
15
große Aufmerksamkeit (Koletzko et al. 2005). Schon in den 1960er- und 1970er-Jahren beobachteten McCance und Widdowson, dass bei verschiedenen Tierspezies eine Unterernährung während begrenzter, sensibler Phasen der prä- und postnatalen Entwicklung einen dauerhaften Effekt auf das Gewicht der Tiere im Erwachsenenalter hat, während eine Phase der Unterernährung nach diesem empfindlichen Zeitfenster ohne Langzeitwirkung blieb (McCance u. Widdowson 1974). Für dieses physiologische Phänomen prägte G. Dörner vom Institut für Experimentelle Endokrinologie der Humboldt-Universität Berlin Mitte der 1970er-Jahre den Begriff der »Prä-Programmierung« aufgrund klinischer und experimenteller Beobachtungen, dass Hormone, Metabolite und der Neurotransmitter in kritischen, empfindlichen Zeitphasen der frühen Entwicklung lebenslange Auswirkungen auf Regulationssysteme und Funktionen des Organismus haben (Dörner 1975). In der Folgezeit wurde diese Hypothese durch zahlreiche experimentelle und epidemiologische Studien gestützt und die Begriffe »Programmierung durch frühkindliche Ernährung« (Lucas 1991) sowie »metabolische Prägung« (Waterland u. Garza 1999) etabliert. Bei Tieren führen kurz dauernde Veränderungen der Nahrungszufuhr im Säuglingsalter bzw. in der Fetalzeit zu programmierenden Effekten auf physiologische Endpunkte im Erwachsenenalter, wie z. B. Blutlipidkonzentrationen, Blutdruck, Diabetesrisiko, Körperfettgehalt und Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen, Verhalten und Lernfähigkeit sowie Lebensdauer (Waterland u. Garza 1999). Bei Menschen zeigen Observationsstudien Langzeiteffekte der intrauterinen und der postnatalen Nährstoffzufuhr und des frühkindlichen Wachstums auf die spätere Prävalenz der Adipositas (von Kries et al. 1999), Diabetes (Virtanen u. Knip 2003), Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, koronare Herzkrankheit und anderer Erkrankungen im Erwachsenenalter (Barker 2004). So zeigten beispielsweise Studien in Großbritannien einen signifkanten Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht im Alter von 1 Jahr und der späteren Sterblichkeitsrate an koronarer Herzerkrankung bis zum Alter von 65 Jahren (⊡ Abb. 15.1; Barker 1994).
472
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
⊡ Abb. 15.1. Beispiel für eine mögliche metabolische Programmierung der Gesundheit im Erwachsenenalter durch die frühkindliche Ernährungsweise: Das Körpergewicht mit 1 Lebensjahr, das von der Säuglingsernährung abhängt, ist ein signifikanter Prädiktor der Sterblichkeitsrate an koronarer Herzerkrankung bis zum Alter von 65 Jahren bei 10.141 in den 1910er- bis 1930er-Jahren in England geborenen Männern. (Nach Daten von Barker 1994)
15.1
15
Frühkindliche metabolische Programmierung des Adipositasrisikos im späteren Lebensalter?
In Deutschland und anderen Industrieländern hat die Prävalenz von Übergewicht bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in den letzten 4 Jahrzehnten sehr stark zugenommen (Koletzko et al. 2002a). Adipositas in der Adoleszenz ist assoziiert mit erhöhten kardiovaskulären Risikofaktoren (Freedman et al. 1999; Dyslipidämie, Glukoseintoleranz, Bluthochdruck), beeinträchtigtem Selbstwertgefühl (French et al. 1995) und negativen sozioökonomischen Auswirkungen im frühen Erwachsenenalter (Gortmaker et al. 1993). Als Folge der raschen Zunahme extremer Adipositasformen wurde auch von einem alarmierenden Anstieg der Fälle von Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen berichtet (Pinhas-Hamiel et al. 1996). Das individuelle Adipositasrisiko wird durch die genetische Disposition und durch Lebensstilfaktoren beeinflusst. Entscheidend für die Entwicklung einer Adipositas ist eine chronisch-positive Energiebilanz, d. h. ein Übermaß an Energiezufuhr im Vergleich zum Energieverbrauch. Die steigende Adipositasprävalenz wurde mit
473 15.2 · Ergebnisse epidemiologischer Studien
15
einer verstärkt sitzenden Lebensweise mit geringer körperlicher Aktivität sowie Veränderungen des Essverhaltens in Verbindung gebracht (Kalies et al. 2001; Koletzko et al. 2002a; Fisberg et al. 2004). Die Erfolge der verfügbaren Therapieansätze bei kindlicher Adipositas sind alles andere als zufrieden stellend. Deshalb kommt der Entwicklung von Strategien für eine wirksame Prävention große Bedeutung zu, und die Möglichkeit einer langfristigen Prägung des späteren Adipositasrisikos durch die frühkindliche Ernährungsweise gewinnt zunehmendes Interesse. Tierversuche zeigen, dass die Substratzufuhr in der Postnatalperiode dauerhafte Effekte im späteren Leben haben kann (Metges 2001). In einer 1999 veröffentlichten Querschnittstudie fand unsere Arbeitsgruppe bei in den ersten Lebensmonaten gestillten Kinder ein deutlich geringeres Risiko für das Auftreten von Übergewicht und Adipositas im späteren Schulalter als bei nach der Geburt nichtgestillten Kindern (von Kries et al.1999). Eine Bestätigung eines solchen präventiven Effektes des Stillens wäre von großem Wert, denn eine wirksame Prävention durch Stillen könnte ohne Nachteile und kostengünstig umgesetzt werden. Deshalb soll hier ein Überblick über die Studien gegeben werden, die einen Zusammenhang zwischen Stillen und späterem Übergewicht gefunden haben. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen kritisch beleuchtet und das Potenzial für mögliche Präventionsstrategien abgeschätzt werden.
15.2
Ergebnisse epidemiologischer Studien
Im Jahre 2003 führten wir eine elektronische Literatursuche in der National Library of Medicine, Bethesda, MD, USA (Medline/PubMed) durch, um epidemiologische Studien zum Zusammenhang zwischen der Ernährung im Säuglingsalter und dem späteren Adipositasrisiko zu identifizieren (⊡ Tabelle 15.1; Oberle et al. 2003). Schon im Jahr 1981 wurde im Rahmen einer kleinen Fall-Kontroll-Studie an 12–18 Jahre alten Jugendlichen (639 Fälle/533 Kontrollen) der Zusammenhang zwischen frühkindlicher Ernährung und Adipositas postuliert (Kramer 1981). Die Analyse der Daten zeigte ein signifikant erhöhtes relatives Risiko für Adipositas bei Jugendlichen, die als Baby nicht gestillt wurden. Dabei war das Risiko für Adipositas umso größer, je kürzer die Kinder gestillt worden waren.
15
2.656
2.126
677
32.200
33.768
918
USA
Deutschland
Neuseelanda
Schottland
Tschechische Republik
Deutschlanda
Referenzgruppe: nichtgestillte Kinder a Prospektive Studien
15.341
6
6–14 0,53 (0,31–0,89)
0,80 (0,71–0,90)
–
3
0.66 (0.52–0.87) 0,71 (0,44–1,14)
9–10 3
0,63 (0,41–0,96)
0,78 (0,66–0,91)
3–5
9–14
0,79 (0,68–0,93)
5–6
USA
0,85
12–18
517
9.357
Kanada
b Üergew icht R(9 O 5% -KI)
lAter [a J hre]
tSichprobengröß e (n)
Deutschland
Land
0,46 (0,23–0,92)
0,80 (0,66–0,96)
0,70 (0,61–0,80)
–
–
0,84 (0,62–1,13)
–
0,75 (0,57–0,98)
0,57
d Aipositas
–
Ja, nur Übergewicht
–
Ja
Ja
–
Ja
Ja
Ja
D osis-W irkungsBeziehung
Bergmann et al. 2003
Toschke et al. 2002
Armstrong u. Reilly 2002
Poulton u. Williams 2001
Liese et al. 2001
Hediger et al. 2001
Gillman et al. 2001
Von Kries et al. 1999
Kramer 1981
u Ator/a J hr
⊡ Tabelle 15.1. Für Störfaktoren adjustierte Odd-Ratio (AOR) und 95%-Konfidenzintervalle (KI) für Übergewicht und/oder Adipositas
474 Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
475 15.2 · Ergebnisse epidemiologischer Studien
15
⊡ Abb. 15.2. Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei in Bayern eingeschulten Kindern in Abhängigkeit von der Stilldauer. (Nach von Kries et al. 1999)
Die erste große Studie zum Zusammenhang zwischen Stillen und Übergewichtsrisiko untersuchte die Daten der in Bayern im Jahre 1997 durchgeführten obligatorischen Einschulungsuntersuchungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst (von Kries et al. 1999). Aus den Messwerten von Körpergröße und -gewicht aller 134.577 im Einschulungsjahrgang 1997 untersuchten Kinder wurden die Werte für den Bodymass-Index (BMI) erhoben und die Perzentilverteilung berechnet. Als Kriterium für Übergewicht wurde ein BMI >90. Perzentile, für Adipositas ein BMI >97. Perzentile gewählt. In einer Subgruppe von 13.345 Kindern wurden von den Eltern auf freiwilliger Basis Fragebögen zu frühkindlicher Ernährung, jetzigen Essgewohnheiten und Lebensstilfaktoren ausgefüllt. Die Analyse der Daten wurde auf 9.357 Kinder im Alter von 5 Jahren und 6 Jahren mit deutscher Nationalität beschränkt. Die Ergebnisse zeigten eine Adipositasprävalenz von 4,5% bei Kindern, die niemals gestillt worden waren, aber nur von 2,8% bei zuvor gestillten Kindern. Dabei konnte ein klarer Dosis-Wirkungs-Effekt der Stilldauer auf die Adipositasprävalenz beobachtet werden (⊡ Abb. 15.2). Bei bis zu 2 Monaten gestillten Kindern lag die Adipositasprävalenz bei 3,8%, bei einer Stilldauer von 3–5 Monaten bei 2,3%, bei 6–12 Monaten bei 1,7% und bei mehr als 12 Monaten bei 0,8%. Ein vergleichbarer Dosis-Wirkungs-Effekt fand sich auch für die Prävalenz von Übergewicht (⊡ Abb. 15.2). Der protektive Effekt des Stillens war nicht auf Unterschiede im sozioökonomischen Status oder im Lebensstil
476
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
⊡ Abb. 15.3. Für Störfaktoren adjustierte Odd-Ratio (AOR) für Übergewicht und Adipositas bei 9.357 in Bayern eingeschulten Kindern in Abhängigkeit von der Stilldauer. (Nach von Kries et al. 1999)
15
zurückzuführen. Auch nach Adjustierung für mögliche Störfaktoren (»confounding«) erwies sich ausschließliches Stillen als unabhängiger protektiver Faktor gegen die Entwicklung von Adipositas (Odd-Ratio 0,75, 95%-KI 0,57– 0,98) und Übergewicht (Odd-Ratio 0,79, 95%-KI 0,68–0,93), wiederum mit einer deutlichen Dosis-Wirkungs-Beziehung (⊡ Abb. 15.3). Aus diesen Ergebnissen ist zu folgern, dass ein mehrmonatiges Stillen in industrialisierten Ländern die Adipositasprävalenz in der Kindheit senken kann. Da adipöse Kinder ein hohes Risiko tragen, auch im Erwachsenenalter ihre Adipositas zu behalten, könnten solche präventiven Maßnahmen zur Reduktion der Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen und anderer langfristig mit Adipositas assoziierter Störungen beitragen. Die Stärken dieser bayerischen Studie liegen in dem großen Kollektiv untersuchter Kinder (n=9.357) und im Nachweis einer Dosis-Wirkungs-Beziehung, die einen kausalen Zusammenhang plausibel macht. Allerdings wurden die Daten retrospektiv erfasst. Hierbei können immer Unschärfen auftreten, beispielsweise eine unsichere Erinnerung der Mütter an die Stilldauer im ersten Lebensjahr. Auch kann die Möglichkeit einer »umgekehrten Kausalität« (»reverse causality«) nicht sicher ausgeschlossen werden: Man kann nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass Kinder mit von vornherein geringerem Adipositasrisiko, z. B. durch niedrigeres Gewicht bei der Geburt, beson-
477 15.2 · Ergebnisse epidemiologischer Studien
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ders lange gestillt wurden. Dieser Einwand lässt sich nur im Rahmen einer prospektiven Studie ausräumen. Nach der Publikation unserer Daten der bayerischen Kinder ist eine Reihe anderer Arbeitsgruppen der Frage eines möglichen protektiven Effektes des Stillens nachgegangen. In den Vereinigten Staaten untersuchten Gillman et al., welchen Einfluss die Qualität der frühkindlichen Ernährung (Stillen vs. Flaschenmilch) und die Stilldauer auf die Prävalenz von Übergewicht im Jugendalter haben (Gillman et al. 2001). Analysiert wurden Daten von 8.186 Mädchen und 7.155 Jungen im Alter zwischen 9 Jahren und 14 Jahren, die an der »Growing Up Today Study« teilnahmen, einer nationalen Kohortenstudie zu Ernährung, Aktivität und Wachstum bei den Kindern der Teilnehmerinnen der »Nurses’ Health Study«. Im Herbst 1996 wurde jedem der Teilnehmer ein Fragebogen zugeschickt, und im Frühjahr 1997 erhielten die Mütter einen ergänzenden Fragebogen. Hauptzielkriterium dieser Studie war Übergewicht, definiert als BMI >95. Perzentile auf der Basis nationaler, nach Alter und Geschlecht stratifizierter US-Daten. Die Auswertung der Daten zeigte, dass in den ersten 6 Lebensmonaten 9.553 Kinder (62%) ausschließlich oder überwiegend Muttermilch erhielten, nur 4.744 (31%) wurden ausschließlich oder überwiegend mit der Flasche ernährt. Insgesamt 7.186 Kinder (48%) wurden mindestens 7 Monate lang gestillt, während 4.613 (31%) Kinder 3 Monate oder kürzer gestillt wurden. Im Alter von 9–14 Jahren waren 404 Mädchen (5%) und 635 Jungen (9%) übergewichtig. Die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht war bei zuvor gestillten Jugendlichen deutlich niedriger als bei zuvor nichtgestillten Adoleszenten: Bei früher gestillten lag die Odd-Ratio für Übergewicht bei 0,78 (95%-KI: 0,66–0,91) nach Adjustierung für Alter, Geschlecht, sexuelle Reife, Energiezufuhr, Fernsehdauer, körperlicher Aktivität, mütterlichem BMI, Sozialstatus und anderen Lebensstilfaktoren. Verglichen mit bis zu 3 Monate lang gestillten Individuen hatten früher 7 Monate und mehr gestillte Jugendliche eine adjustierte Odd-Ratio (AOR) für Übergewicht von 0,80 (95%-KI: 0,67–0,96; ⊡ Abb. 15.4). Der Zeitpunkt der Einführung fester Nahrung, von Formel- oder Kuhmilch war nicht mit einem Risiko für Übergewicht assoziiert. Die Autoren zogen den Schluss, dass Kinder, die Muttermilch erhielten bzw. die über längere Zeit gestillt wurden, ein signifikant geringeres Risiko für Übergewicht in der Adoleszenz hatten. Die Stärken dieser Studie liegen im großen Umfang des Analysekollektivs, der Erhebung und Adjustierung für nahezu alle relevanten Störfaktoren sowie der Untersuchung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Allerdings sind die Daten der für diese
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Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
⊡ Abb. 15.4. Für Störfaktoren adjustierte Odd-Ratio (AOR) für Übergewicht bei 15.341 amerikanischen Kindern (9–14 Jahre) in Abhängigkeit von der Stilldauer. (Nach Gillman et al. 2001)
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Studie rekrutierten Teilnehmer von 2 verschiedenen Kohortenstudien keine prospektiven Daten, sondern unterliegen allen Limitationen der Daten einer Querschnittstudie. Zur Prüfung der gleichen Fragestellung wurden auch Daten zu frühkindlicher Ernährung und Übergewicht von 2.685 in den Vereinigten Staaten geborenen Kindern im Alter zwischen 3 Jahren und 5 Jahren untersucht, die in der dritten National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES III) erhoben wurden, einer Querschnittstudie mit Datenerhebung von 1988–1994 (Hediger et al. 2001). Ein BMI zwischen der 85. Perzentile und der 94. Perzentile wurde als Übergewicht und ein BMI≥ der 95. Perzentile als Adipositas angesehen. Nach Adjustierung für mögliche Störfaktoren zeigte sich auch in dieser Studie ein reduziertes Risiko für Übergewicht bei ehemals gestillten Kindern (AOR 0,63; 95%-KI 0,41–0,96) im Vergleich zu niemals gestillten Kindern. Für die Zielvariable Adipositas zeigte sich ein ähnlicher, aber statistisch nicht signifikanter Trend (AOR 0,84; 95%-KI: 0,62–1,13). Die Autoren fanden keine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Dauer des Vollstillens und späterem Übergewicht oder Adipositas und auch keinen Schwelleneffekt. Der stärkste Prädiktor für Übergewicht war das aktuelle Körpergewicht der Mutter. Bei mütterlichem Übergewicht war der Anteil übergewichtiger Kinder nahezu dreimal so groß wie bei Kindern mit normalgewichtigen Müttern (BMI 25,0–29,9 kg/m2; AOR 2,95; 95%-KI: 1,35–6,42). Die Prävalenz übergewichtiger Kinder vervierfachte sich gar in der Gruppe von Kindern, deren Mütter Adipositas hatten (BM≥30,0 kg/m2; AOR 4,34; 95%-KI: 2,50–7,54). Wei-
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terhin zeigte sich in der Studie ein deutlicher Unterschied im Stillverhalten von Müttern unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit: Schwarze Kinder nichthispanischer Abstammung waren nur zu 26,8% überhaupt gestillt worden, während der Anteil bei den weißen Kindern nichthispanischer Abstammung 61,5% und bei den Kindern mexikanischer Abstammung 52,2% betrug. Auch bei der Stilldauer zeigten sich deutliche ethnische Unterschiede: Mütter weißer Hautfarbe stillten am längsten (zu 12,8% 9 Monate oder länger), gefolgt von Frauen mexikanischer Abstammung (7,8%) und Frauen schwarzer Hautfarbe (2,2%). Eine Limitation dieser Studie liegt im sehr niedrigen Alter der untersuchten Kinder von 3–5 Jahren, d. h. die Kinder wurden überwiegend vor dem kritischen Wiederanstieg des BMI im Vorschulalter (»obesity rebound«) untersucht. Somit könnte diese Studie von Hediger et al. den protektiven Effekt des Stillens unterschätzt haben. An einem deutschen Kollektiv von 9–10 Jahre alten Kindern, die 1995/1996 in Dresden (n=1046) und in München (n=1062) die vierte Klasse besuchten, wurde im Rahmen einer großen Querschnittstudie über Allergien im Kindesalter (ISAAC-Study) auch eine Analyse zum Zusammenhang zwischen Stillen und Übergewicht durchgeführt (Liese et al. 2001). Übergewicht wurde definiert als BMI ≥ der 90. alters- und geschlechtspezifischen Perzentile deutscher Referenzwerte. Der Anteil übergewichtiger Kinder war in Dresden deutlich niedriger (Mädchen 9,1%, Jungen 12,5%) als in München (beide 17%). In beiden Städten beobachteten die Autoren eine deutlich geringere Prävalenz an Übergewicht bei gestillten im Vergleich zu nichtgestillten Kindern. Nach Adjustierung für Alter, Geschlecht und Ort (Dresden/München) betrug die Odd-Ratio für Übergewicht im Alter von 9–10 Jahren bei ehemals gestillten Kinder 0,55 (95%-KI 0,41–0,74). Die Ergebnisse fielen nach Kontrolle für Nationalität, sozioökonomischen Status, Geschwisterzahl und Rauchen der Eltern etwas moderater aus mit einem OR von 0,66 (95%-KI 0,52–0,87). Eine längere Gesamtdauer und die Dauer ausschließlichen Stillens waren signifikant mit einer sinkenden Übergewichtsprävalenz assoziiert. In Dunedin, Neuseeland untersuchten Poulton u. Williams (2001) eine Kohorte von 1.037 in den Jahren 1972 und 1973 geborenen Kindern im Rahmen einer prospektiven Studie zu Gesundheit und Entwicklung. Anthropometrische Daten wurden bei der Geburt und im Alter von 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 18, 21 und 26 Jahren erhoben. Informationen zur Stilldauer wurde von den Müttern erfragt, als die Kinder 3 Jahre alt waren. In ⊡ Tabelle 15.1 sind nur die OR für
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Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
Kinder im Alter von 3 Jahren dargestellt; an dieser Untersuchung nahmen 677 Kinder teil. Es wurde nicht erhoben, wie lange die Mütter ausschließlich gestillt haben. Die Autoren fanden eine leichte, im Gesamtkollektiv nach Adjustierung für Störfaktoren allerdings nichtsignifikante Reduktion des Risikos für Übergewicht. Es zeigte sich auch ein Schwelleneffekt, d. h. ab einer Stilldauer von >6 Monaten war eine signifikante Risikominderung im Vergleich zu nichtgestillten Kindern festzustellen. Limitierend an dieser prospektiven Studie ist, dass der wichtige Parameter der Stilldauer nicht zeitnah erfragt wurde. In einer schottischen Querschnittstudie zu Adipositas bei Kleinkindern im Alter von 39–42 Monaten mit sehr großen Fallzahlen (n=32.200) war die Adipositasprävalenz nach Adjustierung für mögliche Störfaktoren (sozioökonomischer Status, Geburtsgewicht, und Geschlecht) signifikant niedriger bei gestillten als bei nichtgestillten Kindern (Armstrong u. Reilly 2002). Die AOR für Adipositas (BMI ≥98. Perzentile) war 0,70 (95%-KI 0,61–0,80). Die besondere Stärke dieser Studie ist das große Analysekollektiv von über 30.000 Kindern. Um die Frage zu prüfen, ob die in den zitierten Studien gefundene Assoziation von Stillen und reduziertem Adipositasrisiko durch mit dem Stillen verbundene westliche Lebenstilfaktoren bedingt sein könnten, untersuchte unsere Arbeitsgruppe die Ergebnisse einer Querschnittstudie in einer osteuropäischen, sozialistisch geprägten Gesellschaft (Toschke et al. 2002). Eine sehr große Population von 33.768 Schulkindern wurde in der Tschechischen Republik im Jahre 1991 im Alter von 6–14 Jahren untersucht. Diese Kinder waren in einer Gesellschaft aufgewachsen, die sich durch geringe Unterschiede im sozioökonomischen Status und vergleichsweise homogene Lebensstilfaktoren auszeichnete. Hauptzielkriterien waren die Prävalenz von Übergewicht, definiert als BMI >90. Perzentile, und von Adipositas, definiert als BMI >97. Perzentile. Die Prävalenz von Übergewicht war wiederum bei gestillten Kindern deutlich niedriger (9,3%; 95%-KI: 8,9–9,6) als bei niemals gestillten Kindern (12,4%; 95%-KI: 11,3–13,6). Ebenso war die Prävalenz der Adipositas bei ehemals gestillten Kindern geringer (3,2%; 95%-KI: 3,0–3,4 gegenüber 4,4%; 95%-KI: 3,7–5,2). Besonders bemerkenswert ist, dass der Effekt des Stillens auf Übergewicht und Adipositas mit zunehmendem Alter bis zu 14 Jahren nicht geringer wurde. Auch konnten potenzielle Störfaktoren, wie elterliche Bildung, Adipositas bei den Eltern, Rauchen der Mutter, hohes Geburtsgewicht, Fernsehen, Zahl der Geschwister und körperliche Aktivität den
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Schutz durch das Stillen nicht erklären. Die AORs bei ehemals gestillten Kindern waren für Übergewicht 0,80 (95%-KI: 0,71–0,90) und für Adipositas 0,80 (95%-KI: 0,66–0,96). Diese Ergebnisse zeigen, dass der protektive Effekt des Stillens nicht durch den sozioökonomischen Status und westliche Lebensstilfaktoren erklärt werden kann. Retrospektive Querschnittstudien sind hilfreich, um Hypothesen zu generieren, aber sie bergen die Gefahr der Vertauschung von Ursache und Wirkung (»reverse causality«), da zeitliche Abläufe nicht berücksichtigt werden können. Dieses Problem besteht nicht in der Auswertung einer prospektiven Kohortenstudie zur Stillen und Adipositas mit 1.314 ab Geburt untersuchten Kindern, die primär mit dem Ziel der Identifikation von Risiken allergischer Erkrankungen untersucht wurden (Bergmann et al. 2003). Aus dieser Kohorte konnten 918 Kinder bis zum Alter von 6 Jahren nachverfolgt werden. In regelmäßigen Abständen wurden Größe, Gewicht und Hautfaltendicke gemessen. Als Kriterien für Übergewicht und Adipositas wurden die 90. Perzentile und die 97. Perzentile des BMI und der Hautfaltendickenmessungen herangezogen. Eltern mit einem BMI ≥90. Perzentile (≥27 kg/m2) wurden als übergewichtig angesehen. Kinder, die von der Geburt an Flaschennahrung bekamen oder weniger als 3 Monate gestillt wurden, wurden als mit der Flasche ernährte Gruppe klassifiziert, und mindestens 3 Monate lang Muttermilch ernährte Kinder als gestillt angesehen. Bei der Geburt war der mittlere BMI in beiden Gruppen nahezu gleich. Im Alter von 3 Monaten hatten mit der Flasche ernährte Kinder bereits einen signifikant höheren BMI und eine stärkere Hautfaltendicke als gestillte Kinder. Vom 6. Monat an gab es in der mit der Flasche ernährten Gruppe von Kindern einen drastisch höheren Anteil von übergewichtigen und adipösen Kindern, verglichen mit der gestillten Gruppe. Zwischen dem 4. und 5. bzw. 6. Lebensjahr verdoppelte bzw. verdreifachte sich die Adipositasprävalenz nahezu (⊡ Abb. 15.5). Der protektive Effekt des Stillens wurde also nach dem Alter des Obesity rebound im Vorschulalter besonders deutlich. Mit 6 Jahren war die AOR für Übergewicht (BMI ≥90. Perzentile) in der Gruppe der früher gestillten Kinder bei 0,53 (95%-KI: 0,31–0,89), für Adipositas (BMI ≥ 97. Perzentile) bei 0,46 (95%-KI: 0,23–0,92). Diese prospektiv erhobenen Daten verdeutlichen, dass Übergewicht der Mutter, Rauchen während der Schwangerschaft, Ernährung mit der Flasche und ein niedriger sozioökonomischer Status zu den wichtigsten Risikofaktoren für Übergewicht und Adipositas im Alter von 6 Jahren gehören. Frühes Zufüttern von Flaschennahrung begünstigt ein höheres Ausmaß des BMI-Wieder-
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Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
⊡ Abb. 15.5. Altersabhängige Prävalenz von Übergewicht bei Kindern, die an der prospektiven multizentrischen Allergiestudie (MAS) teilnahmen. Ab dem Alter von 5 Jahren zeigt sich deutlich häufiger Übergewicht bei Kindern, die nie oder nur kurz gestillt wurden, als bei Kindern mit einer Stilldauer von mindestens 2 Monaten. (Nach Bergmann et al. 2003)
anstiegs im Alter von 5–6 Jahren (Obesity rebound), der als zuverlässiger Prädiktor für das Adipositasrisiko im Erwachsenenalter angesehen wird (Koletzko et al. 2002a).
15.3
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Probleme epidemiologischer Studien zu Auswirkungen der Säuglingsernährung auf die spätere Adipositas
Querschnittuntersuchungen unterliegen der Gefahr von Fehlern bei der retrospektiven Datenerhebung, denn ein gewisses Maß an Fehleinschätzungen bei rückwirkenden Angaben zur Stilldauer durch die befragten Eltern ist wahrscheinlich. Allerdings kann angenommen werden, dass eine solche mögliche Fehleinschätzung wahrscheinlich nicht zur systematischen Beeinflussung des Studienergebnisses zugunsten eines protektiven Stilleffektes führt, wenn die Fragestellung eines Zusammenhanges mit der späteren Adipositas den Studienteilnehmern nicht bewusst ist, wie es offenbar bei allen hier zitierten retrospektiven Erhebungen der Fall war. Auch bei der Messung von Länge und Gewicht in großen Kohortenstudien ist eine begrenzte Präzision einzuräumen, da nicht immer standardisierte anthropometrische Messungen eingesetzt
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wurden; auch hier ist keine systematische Beeinflussung des Studienergebnisses zugunsten eines protektiven Stilleffektes anzunehmen. Das als wichtiger Prädiktor für Übergewicht und Adipositas angesehene Ausmaß körperlicher Aktivität (Koletzko et al. 2002a) ist nur schwer zu erfassen. Die beispielsweise mit Fragebogen zu erhebende Zeitdauer des Spielens im Freien ist kein zuverlässiger Marker für das Ausmaß körperlicher Aktivität insgesamt. In einigen Studien fand sich eine Assoziation des Stillens mit Indikatoren der Familienstruktur und des Lebensstils, Frühgeburtlichkeit, niedrigem Geburtsgewicht sowie aktuellen Ernährungsgewohnheiten. Oft wurden mögliche relevante Einflussfaktoren nicht erhoben. Damit nimmt man ein erhebliches Risiko für unkontrollierbares Confounding in Kauf. Fragen zur aktuellen Ernährungsweise sind in den Fragebögen oft auf eine semiquantitative Erfassung der Verzehrshäufigkeit beschränkt. In retrospektiven Studien kann man naturgemäß nicht differenzieren, welche Faktoren ursächlich mit Übergewicht zusammenhängen, und welche Aspekte der Nahrungsgewohnheiten von den Kindern und ihren Familien als Folge des Übergewichtes mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion gewählt worden sind. Zum Teil stehen keine Angaben zum Gewicht oder BMI der Eltern zur Verfügung, einem Indikator für ein familiäres Risiko und einem wichtigen Einflussfaktor auf die Wahrscheinlichkeit für kindliches Übergewicht. Elterliches Übergewicht ist ein wichtiger Indikator für das genetische Risiko für Übergewicht und Adipositas bei ihren Kindern, und übergewichtige Mütter weisen im Mittel eine geringere Stillhäufigkeit und -dauer auf (Hilson et al. 1997). Prospektive longitudinale Beobachtungsstudien vermeiden das Problem einer möglichen Vertauschung von Ursache und Wirkung, da man die Veränderung von Zielkriterien zu festgelegten Zeitpunkten bestimmen kann. Dennoch erlauben auch die Ergebnisse solcher Studien nicht den sicheren Nachweis eines Kausalzusammenhanges. Da die Zugehörigkeit zur jeweiligen Gruppe (Stillen vs. Flaschennahrung) aufgrund aktiver mütterlicher Entscheidung bestimmt ist, könnte sich trotz Kontrolle für mögliche Confounder ein grundlegender Unterschied zwischen den Gruppen mit Auswirkung auf das Zielkriterium ergeben. Dieses Problem ist nur durch Randomisierung (zufällige Zuteilung der teilnehmenden Mütter auf die Studiengruppen) zu lösen; dies ist aus ethischen und praktischen Gründen für das Stillen natürlich nicht realisierbar. Auch muss diskutiert werden, dass das Studienpersonal. z. B. bei Interviews, unbewusst auf Studienergebnisse Einfluss nehmen könnte, d. h. Teilnehmerinnen der einen Gruppe würden anders behandelt als die Teilneh-
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Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
merinnen der anderen Gruppe. Diesem Problem kann man durch Verblindung der Säuglingsnahrung begegnen; im Falle des Vergleiches des Stillens mit der Flaschenernährung ist dies nicht praktikabel. Die verlässlichsten Ergebnisse liefern doppelblinde (weder der Arzt noch der Patient weiß, ob der Patient Verum oder Placebo erhält) randomisierte (zufällige Zuteilung zu einer Studiengruppe) prospektive (Kontrolle des Zeitverlaufs) Studien, die bei der Arzneimittelzulassung zwingend vorgeschrieben sind, während ein solches Vorgehen in der epidemiologschen Forschung meist nicht realisiert werden kann.
15.4
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Biologische Plausibilität des postulierten Zusammenhangs zwischen Übergewicht bzw. Adipositas
Die mögliche Risikominderung für Übergewicht und Adipositas könnte durch denkbare Auswirkungen der mit dem Stillen verbundenen, von der Flaschenernährung deutlich unterschiedlichen Fütterungsweise auf das spätere Trink- und Essverhalten oder aber durch metabolisch prägende Wirkungen von Bestandteilen der Muttermilch bedingt sein. Inhaltsstoffe der Muttermilch, die hier eine Bedeutung haben könnten, sind beispielsweise bioaktive Faktoren und Hormone mit dem Potenzial der Modulation von Gewebewachstum und -differenzierung (Kunz et al. 1999; Rodriguez et al. 1999). So enthält Muttermilch für biologische Wirkungen ausreichende Konzentrationen an »epidermal growth factor« und an »tumor necrosis factor α«, die in vitro die Differenzierung von Adipozyten hemmen können. Denkbar sind auch Effekte unterschiedlicher Zufuhren an Makronährstoffen. Die für das Kind nutzbare Energie- und Proteinzufuhr ist nach neueren Analysen bei Muttermilchernährung deutlich niedriger als in der Vergangenheit angenommen wurde, u. a. aufgrund der Berücksichtigung nichtresorbierter Anteile der Frauenmilch, und wesentlich geringer als die mittlere Zufuhr in Populationen flaschenernährter Säuglinge (Kunz et al. 1999). In der DONALD-Studie des Dortmunder Forschungsinstitutes für Kinderernährung fand sich bei flaschenernährten Kindern im ersten Lebenshalbjahr eine 1,6- bis 1,8fach höhere Gesamteiweißzufuhr pro kg KG und Tag als bei gestillten Säuglingen (Alexy et al. 1999). Es erscheint möglich, dass diese großen Unterschiede in der frühkindlichen Nährstoffzufuhr Langzeiteffekte auf den späteren Substratstoffwechsel ausüben könnten.
485 15.5 · Schlussfolgerungen
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In Longitudinaluntersuchungen zeigten Rolland Cachera et al. eine signifikante Beziehung der Proteinzufuhr im Alter von 10 Monaten mit dem BMI und der Körperfettverteilung im Schulalter (Rolland Cachera et al. 1995, Parizkova et al. 1997). Ein früher Wiederanstieg der nach dem ersten Lebensjahr abfallenden BMI-Kurve, der Obesity rebound, gilt als zuverlässiger Prädiktor eines hohen Adipositasrisikos im Erwachsenenalter (Rolland Cachera et al. 1984). Ein früher Obesity rebound war in einer Studie mit einer hohen Proteinzufuhr mit 2 Jahren, nicht aber die Zufuhr an Energie, Fett oder Kohlenhydraten korreliert (Parizkova et al. 1997). Rolland Cachera et al. postulieren vor dem Hintergrund dieser Befunde, dass eine hohe, den metabolischen Bedarf deutlich überschreitende Proteinzufuhr im frühen Kindesalter zu einer späteren Adipositas prädisponiert. In Übereinstimmung mit dieser Hypothese zeigen Beobachtungen bei Tieren, dass die Proteinzufuhr während der fetalen und postnatalen Entwicklung langfristig prägende Effekte auf den Glukosestoffwechsel und die Körperzusammensetzung im Erwachsenenalter ausübt (Metges 2001). Eine sehr hohe Proteinzufuhr kann die Sekretion von Insulin und Insulin-ähnlichem Wachstumsfaktor 1 (IGF 1) stimulieren. Tatsächlich wurden bei flaschenernährten Säuglingen signifikant höhere Insulinkonzentrationen im Plasma beobachtet als bei gestillten Kindern (Lucas et al. 1980, 1981). Eine vermehrte Insulinausschüttung fördert die Fettdeposition und könnte die frühe Adipozytenentwicklung beeinflussen, das Längenwachstum besonders während der ersten beiden Lebensjahre fördern (Karlberg et al.1994) sowie die adipogene Aktivität und die Adipozytendifferenzierung steigern (Wabitsch et al.1995). Diese Hypothesen eines langfristig prägenden Effektes der frühen Proteinzufuhr oder anderer Charakteristika der Frauenmilch, die von großer praktischer Relevanz sind, können allerdings auf der Grundlage der bisher vorliegenden Daten nicht schlüssig überprüft werden. Hierzu sind gezielte Untersuchungen mit an diesen Hypothesen orientiertem Studiendesign erforderlich.
15.5
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse einiger Querschnittstudien und von 2 prospektiven Longitudinalstudien zeigen, dass früher gestillte Kinder eine in den meisten Studien um 20–35% niedrigere Wahrscheinlichkeit für Übergewicht aufweisen als früher nichtgestillte Kinder. Damit sprechen diese Ergebnisse für einen wei-
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Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
teren, programmierenden Langzeiteffekt der frühkindlichen Ernährung auf die langfristige Gesundheit. Dieser mit dem Stillen assoziierte Effekt ist nicht durch einen schon bei der Geburt manifesten Unterschied des BMI-Mittelwerts bedingt. Ebenso wenig spielt die Veränderung des BMI-Mittelwerts über die Zeit eine Rolle, sondern der Effekt wird durch einen höheren Anteil von früher nichtgestillten Kindern am oberen Ende der BMI-Verteilung hervorgerufen. Es gibt biologisch plausible Argumente für die Hypothese, dass das verminderte Adipositasrisiko gestillter Kinder mit Eigenschaften der Muttermilch zusammenhängen könnte. Allerdings können wir derzeit nicht ausschließen, dass andere mit dem Stillen assoziierte Confoundingfaktoren, wie z. B. das elterliche Gewicht, sozioökonomische Faktoren und mütterliches Rauchen in der Schwangerschaft, einen Einfluss haben. Obwohl die vorliegenden Daten für die Möglichkeit eines wichtigen protektiven Effektes des Stillens auch in den Industrieländern sprechen, sind andere Studienansätze notwendig, um die wissenschaftlich und praktisch wichtige Frage der programmierenden Langzeiteffekte durch den frühkindlichen Substratstoffwechsel zu überprüfen. Experimentelle Studien mit randomisierten, möglichst doppelblinden Studien sind von essenzieller Bedeutung, um sicher zu belegen, dass spezifische nutritionelle Interventionen im Säuglingsalter gesundheitsfördernde Langzeiteffekte haben. Angesichts der möglichen enorm wichtigen Auswirkungen für die Gesundheit der Bevölkerung sind solche Studien von enorm großer Relevanz, um eine evidenzbasierte Praxis der Säuglingsernährung zu etablieren. Zahlreiche Studien zur Effektivität und Sicherheit von Ernährungsinterventionen bei früh- und reifgeborenen Säuglingen sind auf der Grundlage des Modells moderner pharmazeutischer Untersuchungen als randomisierte kontrollierte Studien nach den Regeln guter klinischer Praxis durchgeführt worden (Koletzko et al. 2002b). So wird derzeit mit Unterstützung der europäischen Kommission eine multizentrische Studie an 1.250 gesunden Säuglingen in 5 europäischen Ländern durchgeführt, um die Frage zu prüfen, ob eine unterschiedliche Proteinzufuhr im Säuglingsalter Auswirkungen auf das spätere Adipositasrisiko hat (www.childhood-obesity.org). Neben einer Referenzgruppe gestillter Säuglinge werden flaschenernährte Kinder aufgenommen und doppelblind randomisiert der Ernährung mit Formelnahrungen mit unterschiedlichem Proteingehalt zugeordnet. Nachdem Kinder aus 5 europäischen Ländern mit ganz unterschiedlichen Beikosttraditionen und damit auch einem breiten Spektrum an Proteinzufuhren mit der Beikost eingeschlossen werden, sollte
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durch die Analyse dieser Daten eine zusätzliche externe Validierung der »Protein-Hypothese« möglich sein. Es ist vorgesehen, dass die an dieser Studie teilnehmenden Kinder bis zum Alter von 8 Jahren prospektiv verfolgt werden. Viele weitere prospektive, kontrollierte Studien sind notwendig, um eine sorgfältige wissenschaftliche Überprüfung der vorliegenden Hypothesen zur frühkindlichen metabolischen Programmierung der langfristigen Gesundheit zu ermöglichen und damit das Potenzial einer sehr langzeitigen Gesundheitsprävention durch eine optimale Ernährung im frühen Lebensalter zu nutzen. Danksagung. Die dargestellten Untersuchungen der Autoren wurden in Teilen
finanziell gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz, München, die Europäische Kommission, Generaldirektorat Forschung, Brüssel (QLK1–2001–00389), das Ministerium für Gesundheit der Tschechischen Republik, Prag, und die Stiftung Kindergesundheit, München (www.kindergesundheit.de).
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Anhang F. Jochum
Übersichtstabellen zur Nährstoffzufuhr A.1 A.1.1 A.1.2 A.1.3 A.1.4 A.1.5
Empfehlungen für die enterale/parenterale Ernährung – 493 Flüssigkeitszufuhr – 493 Energiezufuhr – 496 Nährstoffzufuhr (Glukose, Aminosäuren, Lipide) – 497 Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh- und reifen Neugeborenen – 500 Supplementation der enteralen Nahrung von VLBWund ELBW-Frühgeborenen in der Phase des stabilen Wachstums (Phase III) – 501
Übersichtstabellen zum Nahrungsaufbau A.2 A.2.1 A.2.2 A.2.3 A.2.4
Empfehlungen für den Nahrungsaufbau und/oder die intermittierende (teil-)parenterale Ernährung – 503 Für Frühgeborene 1.500 g Geburtsgewicht und kranke Reifgeborene – 509 Für Kleinkinder, Jugendliche und Erwachsene – 512
A.3
Zusammenfassung: Nahrungsaufbau Früh- und kranke Reifgeborene – 514
B
Verordnungsbogen
– 516
C
Referenzwerte M. Schmitt
– 518
D
Hilfreiche Formeln und Tabellen M. Schmitt
E
Adressensammlung zum Thema Diätetik und Ernährung – 529 M. Lange
– 527
493 A.1 · Empfehlungen für die Ernährung
Empfehlungen für die enterale/parenterale Ernährung
A.1
Sicherheitshinweis: Die vorliegenden Empfehlungen für eine bilanzierte Ernährung von pädiatrischen Patienten sind an den Bedarf von gesunden Früh- und Reifgeborenen und gesunden pädiatrischen Patienten orientiert. Krankheiten können zu signifikanten Änderungen des Flüssigkeits-Elektrolyt und sonstigen Nährstoffbedarfs führen. Bilanzierte Ernährung, insbesondere parenterale Ernährung muss kontinuierlich an die spezifischen Bedürfnisse des individuellen Patienten angepasst werden. Der Flüssigkeits- und Elektrolytstoffwechsel unterliegt großen individuellen und krankheitsbedingten Veränderungen. Erkrankungen können im Einzelfall eine spezielle Behandlung zur Stabilisierung des Elektrolyt und Flüssigkeitshaushalts notwendig machen, die von den beschriebenen Therapiegrundsätzen abweicht. Unangepasste Flüssigkeits-, Elektrolyt- und sonstige Nährstoffzufuhr kann zu schweren und dauerhaften gesundheitlichen Schäden bis zum Tod führen.
A.1.1 Flüssigkeitszufuhr a) Empfehlungen für die Flüssigkeitszufuhr für Früh- und Reifgeborene in der Anpassungs-, bzw. Stabilisationsphase (Lebenstage 1-7) Flüssigkeitszufuhr [ml/kgKG/Tag]
Lebensalter in Tagen (LT) 1. LT
2. LT
3. LT
4. LT
5. LT
6./7. LT
1.500 ga,b
60
80
100
120
140d
160d
Frühgeborene
c
Reife Neugeborene a b c d
Geburtsgewicht (Berechnungsgrundlage bis aktuelles Gewicht > Geburtsgewicht) Nach Tsang et al. (1993) Nach DAKE/ÖAKE (1987) Expertenmeinung
494
Anhang
Definitionen: ▬ Phase I/Anpassung: 3.–5. Lebenstag. Perspiratio ↑. Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten von dem Extrazellularraum. Das Ende wird durch den Zeitpunkt mit dem maximalen Gewichtsverlust charakterisiert. ▬ Phase II/Stabilisation: 5.–7. Lebenstag. Die Kontraktion des Extrazellularraumes ist beendet. Die Konzentrationsfähigkeit der Nieren ermöglicht zunehmend konzentrierten Urin. ▬ Phase III/Stabiles Wachstum: Komplette enterale Nahrung wird toleriert. Ziel ist das Erreichen von Wachstum nahe intrauteriner Wachstumsraten. Ziele für Phase I (Anpassung): ▬ Lasse die Kontraktion des extrazellulären Kompartimentes zu (ohne Beeinträchtigung des kardiovaskulären Systems). ▬ Lasse eine negative Na und K Bilanz zu aber erhalte normale Elektrolyt– Plasma-Spiegel. ▬ Vermeide die Entwicklung einer Oligurie ( 50%
Nicht indiziert.
6x Steigerung um 15–30 ml/kgKG und Tag bis auf 10–20 160 ml/kgKG und Tag
80
1 2 3 Aufbauphase
6 mg/kgKG und Tag
Multibionta 1 Gt/500 g KG/Tag, ab Ende parenterale Vit. Gabe
510 Anhang
g/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
*
*
*
g/kgKG und Tag
NaCl
KCl
Mg
Ca
P
Wasserl. Vitaminea
a
Lipided
Spurenelementea
Glukose, 10%ig (12,5%ig)
Parenteral
1–3
1–3c 1–3
2–5
1
1
1–3
2–5
1
2
X
X
X
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
2
2,5
X
X
X
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
3
2,5
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
3,5
2,5
Ende wenn oraler Nahrungsanteil > 50%
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
3,5
2,5
–
–
–
1–3
2–5
–
–
1–3
2–5
3,5
2,5
X
X
X
1
(1)a
0,3
1–3
2–5
3,5
2,5
4–15
X
X
X
(1)
(1)a
(0,1-0,5)
1–3
2–5
3,5
2,5
Vitamin D 500 IU/Tag ab ende Vitaminsupplementation parenterl (ca. 50% enteraler Nahrungsaufbau)
Nach Errechnung des Volumens der anderen Substrate (inkl. Medikamente) Restflüssigkeit als Glukose 10 (12,5) %
2–5
1
1
2–5
1
1
Vit K (Konakion) 1 mg sc/(iv) an Tag 1/7/28
Inzolen oder Peditrace, 1 ml/kgKG und Tag, Text
Vitalipid 1 ml/kgKG und Tag; Text
Soluvit N 1 ml /kgKG und Tag; Text
Na-Glycero-P 1 ml = 2 mmol Na; 1 mmol P (31 mg)
Ca-Gluconat, 10%ig 1 ml = 0,22 mmolCa (9 mg)
Mg-Verla, 10%ig 1 ml = 0,315 mmol (7,7 mg)
KCl, 7,45%ig 1 ml = 1 mmol: K; 1 mmol Cl
NaCl, 5,85%ig 1 ml = 1 mmol; Na; 1 mmol Cl
Angaben in {} bei sinkenden Plasmaspiegeln im Normalbereich Zufuhr beginnen. Angaben in () nur bei langfristiger parenteraler Ernährung (>7 Tage), oder langfristiger teilparenteraler Ernährung mit einem Nahrungsanteil von 15% ZVK-Anlage erwägen.
Inzolen oder Peditrace, 1ml/kgKG und Tag, (max. 10ml) Text
Vitalipid 1ml/kgKG und Tag; (max. 10 ml) Text
Soluvit N 1ml /kgKG und Tag; (max. 10 ml) Text
Na-Glycero-P
Ca-Gluconat, 10%ig
Mg-Verla, 10%ig
KCl, 7,45%ig
NaCl, 5,85%ig
Als 20%ige Fettlösung. Mit 1g/kgKG und Tag beginnen und in 1g/kgKG und Tag Schritten auf die max. Dosierung für das Lebensalter steigern.
Als 10%iger Aminosärelösung. Mit 1g/kgKG und Tag beginnen und in 1g/kgKG und Tag Schritten auf die max. Dosierung für das Lebensalter steigern.
Mit 10%iger Glukoselösung beginnen und Zufuhr langsam nach Blutzuckserspiegeln in den Zielbereich steigern.
Zusätze, die nur bei langfristiger (teil-)parenteraler Ernährung (>7 Tage) verwandt werden, sind grau unterlegt (bei enteralem Nahrungsanteil