Im Bann der Bestie von A. F. Morland
Der Schrei der blonden Frau ging mir durch Mark und Bein. Ich mußte der Verzweife...
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Im Bann der Bestie von A. F. Morland
Der Schrei der blonden Frau ging mir durch Mark und Bein. Ich mußte der Verzweifelten beistehen! Blitzschnell rammte ich meinen leergeschossenen Colt Diamondback in die Schulterhalfter und holte den magischen Flammenwerfer aus der Tasche. Größte Eile war geboten. Es ging um Sekunden. Auf dem Fahrstuhldach wimmelte es von grauenerregenden Horror-Viechern. Es waren krabbenähnliche Tiere, so groß wie zwei zusammengelegte Männerfäuste. Ihre Körper glänzten, und sie hatten ein Maul mit gefährlich riesigen Zähnen.
Die Liftkabine, in der sich die Frau befand, steckte zwischen dem dritten und vierten Stock. Ich befand mich im vierten Stock, hatte die Tür geöffnet, so daß ich in den Schacht sehen konnte, und was sich mir dort bot, krampfte mir den Magen zusammen. Die Biester hatten die Einstiegsluke geöffnet. Sechs von ihnen hatte ich mit geweihten Silberkugeln vernichten können … Ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein, denn es gab von diesen Krabben um ein Vielfaches mehr. Zu viele! Als ich in den Schacht stieg und zum Fahrstuhl hinunterkletterte, bäumten sich einige Krabben aggressiv auf. Sie drückten ihre widerlichen Körper hoch und zeigten mir die Zähne. Die Frau im Aufzug gebärdete sich wie toll. Sie schlug um sich, warf sich gegen die Wand, kreischte so lange, bis ihre Stimme versagte. Jetzt stürzte sie auf den Boden, wälzte sich und kämpfte mit schwindenden Kräften gegen die Krabbe, die sie an der Schulter verletzt hatte. Die nächste Krabbe ließ sich in die Kabine fallen – und noch eine … Ich kletterte an schmutzigen Sprossen, die aus der Schachtwand ragten, hinunter. Vorhin war ich vier Etagen hochgehetzt, so schnell ich konnte. Das spürte ich immer noch, aber es ging um das Leben dieser jungen Frau. Wenn ich ihr nicht beistand, war sie verloren. Bevor ich meinen Fuß auf das Kabinendach setzte, kickte ich mehrere Biester fort. Sie klatschten gegen die graue Betonwand und fielen neben dem Aufzug in die Tiefe. Gegen die anderen Krabben setzte ich den Flammenwerfer ein. Wenn das Feuer sie traf, verschmorten sie, schrumpften zu häßli-
chen Kugeln zusammen und verdampften. Jetzt hatte ich das Kabinendach unter den Füßen. Ich stützte mich mit beiden Händen am Lukenrand ab und sank durch die Öffnung nach unten. Die Frau nahm mich nicht wahr. Ihre geschwächte Stimme jagte mir eiskalte Schauer über den Rücken. Ich schlug die ekelerregenden Tiere von ihrem zuckenden, sich windenden Körper und »erstach« ein Biest nach dem anderen mit der meterlangen Feuerlohe. Plötzlich setzte sich der Aufzug, den die Krabben gestoppt hatten, in Bewegung. Das war Mr. Silver, der sich in den Keller begeben hatte, um entweder den Defekt zu beheben oder die Kabine mit der Notkurbel hochzudrehen. Wir erreichten die offene Tür im vierten Stock. Als ich die Frau berührte, um ihr auf die Beine zu helfen, schrie sie wieder und wehrte sich gegen mich. Sie schlug meine Hände zur Seite und starrte mich mit dem Blick einer Verrückten an. Sie war geistig abwesend, begriff nicht, daß ich ihr helfen wollte. Ich sagte es ihr, doch sie verstand mich nicht. Es nützte nichts, die Worte zu hören; sie begriff sie nicht. Ich machte kurzen Prozeß, setzte mich gegen ihre lahme Abwehr durch, riß sie hoch, preßte ihren schlanken Körper an mich und verließ mit ihr die Kabine. Sie machte keinen einzigen Schritt. Ihre Füße schliffen über den Boden, und als ich sie in einiger Entfernung vom Aufzug losließ, sank sie sofort in sich zusammen. Sie hatte keine Kraft mehr, war restlos erledigt. Verstört schaute sie mich an, und mir war, als bestünde ich für sie aus Glas. Ich hatte den Eindruck, sie würde durch mich hindurchsehen. Ich hatte lange noch nicht alle Krabben vernichtet. Einige von ihnen krochen jetzt aus dem Lift. Sie hatten sich durch die Luke in die Kabine fallen lassen. Ich stellte mich breitbeinig vor die Frau, um sie zu schützen. Keine
dieser Kreaturen sollte an sie herankommen. Ich hielt den magischen Flammenwerfer in der Hand und wartete mit verkniffenen Zügen, auf denen Schweiß glänzte. Ich sah es in dem Spiegel, der sich an der Fahrstuhlrückwand befand. Die Biester fächerten auseinander. Sie kratzten mit ihren krummen Beinen über den Kunststoffboden. Wenn ihre Körper damit in Berührung kamen, gab es ein patschendes Geräusch. Sie gaben nicht auf, schienen aufs Töten programmiert zu sein. Zwei von ihnen wagten einen Vorstoß. Die anderen warteten kurz ab. Ich drückte auf den Knopf, und die armlange Lohe leckte den Biestern entgegen. Sie wichen zurück, und jene an den Flanken versuchten an mir vorbeizukommen. Doch ich war auf der Hut. Nicht mit mir! dachte ich und schoß die Angreifer ab; und dann wartete ich nicht mehr, sondern griff die gefährlichen Gegner an. Ich zog das magische Feuer über ihre harten Schalenrücken. Eine Kreatur nach der anderen verschmorte. Endlich gab es eine kleine Kampfpause, in der ich mich um die blonde Frau kümmern konnte. Ich wandte mich um. Sie hatte gesehen, was ich getan hatte. Ihr Blick war klarer geworden. Sie schien begriffen zu haben, daß sie sich vor mir nicht zu fürchten brauchte. »Wer sind Sie?« fragte sie. Ihre Stimme tat mir bis in die Seele hinein weh. Deutlich konnte ich all das Grauen und die Angst heraushören, die ihr das Schicksal beschert hatte. »Mein Name ist Tony Ballard«, sagte ich. »Ich bin Privatdetektiv. Wissen Sie, wer Noel Bannister ist?« Die junge Frau nickte. »Ich unterstütze ihn. Und wer sind Sie?« Ich erfuhr, daß sie Dr. Kate Maddock hieß und hier in diesem Gerichtsmedizinischen Institut arbeitete. Nachdem das UFO im Central Park gelandet war, hatte es zwei Todesfälle gegeben: Der Polizist George MacReady und der Bankbo-
te Roger Soskin hatten ihr Leben verloren, weil sie sich zu nahe an das Raumschiff herangewagt hatten.* Magie hatte sie in Monster verwandelt; sie waren erschossen und in dieses Institut gebracht worden, wo sie sich der Gerichtsmediziner Dr. Jack Ireland ansehen sollte. Und Dr. Kate Maddock hatte ihm dabei assistiert. »Wir öffneten die Monsterkörper und fanden kein einziges menschliches Organ«, erzählte die junge Gerichtsmedizinerin. »Wo ist Dr. Ireland?« wollte ich wissen. Kate Maddock schüttelte den Kopf. »Er … er lebt nicht mehr«, antwortete sie stockend. »Wir machten eine halbe Stunde Pause, gingen kurz weg, weil Jack Hunger hatte. Nach unserer Rückkehr wollten wir die Köpfe der Wesen öffnen, doch dazu kam es nicht mehr. Die Augen der Monster glühten, und ein Wirbelsturm brach los. Er richtete ein schreckliches Chaos an, schleuderte Gegenstände herum …; darunter auch ein Skalpell. Es schnitt … Jacks … Kehle … durch …« Die blonde Frau schluchzte. Ich gab ihr mein Taschentuch, damit sie sich die Nase putzen und die Tränen abwischen konnte. Sie sagte, sie habe Dr. Ireland von Anfang an gern gehabt. Ich merkte, daß es zwischen den beiden so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gegeben hatte. Doch ihr Glück war nur von ganz kurzer Dauer gewesen. Nur ein paar Stunden waren ihnen vergönnt gewesen, dann hatte das grausame Schicksal sie auseinandergerissen. Dr. Jack Ireland, der Experte, den Noel Bannister extra von Washington mitgebracht hatte, lebte nicht mehr. Das wird Noel an die Nieren gehen, dachte ich, während ich mir anhörte, auf welche Weise diese gefährlichen Killerkrabben entstanden waren. Schleim war aus den Monsterleichen gekrochen und zu Boden getropft. Und aus jedem Tropfen war so ein schreckliches Tier gewor*siehe Tony Ballard 117: »Die Monster aus dem All«
den. Wir mußten dafür sorgen, daß keine weitere Krabben mehr produziert werden konnten! Das Glühen ihrer Augen verriet mir, daß sie noch nicht ganz erledigt war. Wenn so geheimnisvolle Kräfte wie diese Weltraummagie, mit der wir es diesmal zu tun hatten, im Spiel waren, konnte es zu solchen unangenehmen Überraschungen kommen. Vielleicht bestand zwischen den Ungeheuern und dem UFO eine magische Verbindung, die wir schnellstens durchtrennen mußten. Zum Glück befand ich mich nicht allein im Haus. Mr. Silver, die Hexe Cuca und deren Sohn Metal waren mitgekommen. Wo sich Cuca und Metal befanden, wußte ich im Augenblick nicht. Ich hoffte, daß sie sich in diesem Moment um die beiden Monster kümmerten. Lange Zeit waren sie auf Grund ihres Neutralitätsstatus zur Untätigkeit verdammt gewesen. Sie hatten sich weder für das Gute noch für das Böse stark gemacht, wollten von beiden Seiten nichts wissen – waren eben neutral gewesen. Doch dieser Zustand hatte ihnen nicht behagt. Vor allem Metal haßte es, untätig zu sein. Er war ein Kämpfer, deshalb war er froh, daß es diesmal gegen einen Feind ging, der weder der guten noch der bösen Seite angehörte. Aliens bedrohten die Welt! Diesen Kampf konnte Metal, der Silberdämon, mitmachen, ohne den Neutralitätsstatus zu verletzen. Ich hörte Schritte auf der Treppe, und gleich darauf erschienen Mr. Silver, Cuca und Metal. Ich half der jungen Medizinerin auf die Beine. Cuca und Metal hatten den toten Dr. Ireland entdeckt. Ich sagte, man müsse etwas gegen die Monster unternehmen, doch Metal schüttelte den Kopf. »Das ist nicht mehr nötig, Tony«, sagte er. »Die habe ich bereits erledigt.«
»Aber wir haben noch nicht alle Krabben vernichtet«, sagte Mr. Silver. »Sie sind überall. Die meisten befinden sich im Liftschacht.« »Ihr müßt sie unschädlich machen«, sagte ich. »Alle. Keine einzige Krabbe darf am Leben bleiben. Wir wissen nicht, wie viele Möglichkeiten es für sie gibt, sich zu vermehren. Stöbert sie in ihren Verstecken auf. Säubert dieses Institut von der gefährlichen Krabbenbrut, damit wir ruhigen Gewissens zu Noel Bannister zurückkehren können. Ich bringe Dr. Maddock nach Hause. Auf dem Rückweg hole ich euch ab. Ich hoffe, ihr könnt mich dann mit einer Erfolgsmeldung erfreuen.« »Keine Sorge, Tony«, sagte Mr. Silver zuversichtlich. »Wir kriegen sie alle. Wir sind ein verdammt starkes Team.« Das waren sie unbestritten. Ich hätte es begrüßt, wenn sich Luca und Metal immer auf unserer Seite befunden hätten, doch nach diesem Kampf gegen die Außerirdischen würden sie sich wieder von uns zurückziehen. Das kam so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich hatte Dr. Kate Ireland die ganze Zeit gestützt, stützte sie immer noch. Sie lehnte an mir, und ich merkte, wie geschafft sie war. Aber sie würde bald wieder zu Kräften kommen. In diesem Moment zog sie die Luft scharf ein, und dann stieß sie einen heiseren Warnschrei aus. Metal wirbelte herum, sah eine Krabbe, die sich an ihn herangeschlichen hatte, rammte den Fuß auf sie, und sie war erledigt. »Wenn du zurückkommst, wird dieses Institut so sauber sein, als wäre es eben erst erbaut worden«, sagte Mr. Silver. »Es wird keine Killerkrabben mehr geben.« Ich wußte, daß ich mich auf ihn, Cuca und Metal verlassen konnte. Sie würden hier Nägel mit Köpfen machen. Ich wandte mich an die Medizinerin. »Gehen wir?« »Okay«, sagte sie leise. Ich ließ sie nicht los, denn soweit war sie noch nicht. »Bis später«,
sagte ich zu Cuca, Mr. Silver und Metal, dann führte ich Dr. Maddock zur Treppe. Den Fahrstuhl würde sie wohl lange nicht mehr benützen. Sie würde immer an das schreckliche Erlebnis denken, das sie darin gehabt hatte. Kate Maddock rutschte schon auf der ersten Stufe ab. Sie wäre gestürzt, wenn ich sie nicht gehalten hätte. »Langsam«, sagte ich besänftigend. »Wir haben es nicht eilig.« »Ich komme mir so gebrechlich vor wie eine alte Frau«, sagte die Medizinerin verlegen. »Als wäre ich meine eigene Urgroßmutter.« »Das wundert mich nicht«, gab ich verständnisvoll zurück. »Sie haben ja auch eine Menge Aufregungen hinter sich.« »Wenn Sie mich näher kennen würden, wüßten Sie, daß das für mich Selbstverständlichkeiten sind. Ich betrachte es als meine Pflicht, jedem, der Hilfe braucht, beizustehen.« »Riskieren Sie dabei immer Ihr Leben?« »Häufig, aber daran gewöhnt man sich. Man denkt darüber gar nicht mehr groß nach, sondern handelt sofort.« »Und wenn Sie mal zuviel wagen?« Ich lächelte. »Wir wollen uns darüber lieber nicht den Kopf zerbrechen, ja?« Obwohl ich mit Kate Maddock redete, war ich auf der Hut. Im zweiten Stock versperrten uns fünf Killerkrabben den Weg. Ich erledigte sie mit dem magischen Flammenwerfer. Es gab keinen weiteren Zwischenfall mehr. Wir erreichten das Erdgeschoß und verließen das Gerichtsmedizinische Institut, in dem sie beinahe ein Opfer der Weltraummagie geworden wäre. Ich fragte mich, wie die Dinge momentan im Central Park standen. Die Aliens hatten auf die Funksprüche nicht geantwortet und waren nicht aus ihrem Raumschiff gekommen. Noel Bannister hatte alles versucht, um mit den Außerirdischen in Verbindung zu treten. Sie taten so, als wären sie nicht vorhanden. Doch wir ließen uns nicht täuschen.
Wir waren davon überzeugt, daß es sie gab, und wir wollten wissen, was sie ausheckten, wie viele sie waren, wie sie aussahen … Nur einem einzigen von uns war es möglich, unbemerkt und relativ gefahrlos in das UFO zu gelangen: Boram. Deshalb hatte ich den Nessel-Vampir losgeschickt. Er sollte das magische Nervenzentrum des Raumschiffs lahmlegen oder zerstören, damit die Alien-Magie keinem Menschen mehr gefährlich werden konnte. Wie es Boram inzwischen ergangen war, ob er es geschafft hatte, seinen Auftrag auszuführen, entzog sich meiner Kenntnis. Ich war schon sehr gespannt auf seinen Bericht. Wenn wir Glück hatten, lieferte der weiße Vampir auch gleich einen Plan mit, wie wir die gefährliche Situation entschärfen konnten. Zur Zeit war sie eingefroren, aber das war keine Dauerlösung. Das UFO konnte nicht bis in alle Ewigkeit im, Central Park liegen bleiben, umgeben von einem Armee- und einem Polizeiring. Die Sache mußte gelöst werden. Das erwartete man von Noel Bannister, deshalb hatte man ihm den Oberbefehl übertragen. Er besaß zur Zeit fast ebenso viele Vollmachten wie der Präsident der Vereinigten Staaten. Dafür erwartete man von ihm aber einen durchschlagenden Erfolg, und wir waren nach New York gekommen, um ihn bei seiner schwierigsten Aufgabe zu unterstützen. Ich war mit einer Riesenmannschaft eingetroffen, hatte nicht nur Mr. Silver, Cuca und Metal sowie Boram mitgebracht, sondern auch Lance Selby und den gesamten »Weißen Kreis«. Lance und der »Weiße Kreis« waren bei Noel Bannister geblieben, um ihn, wenn es nötig sein sollte, sofort unterstützen zu können. Im Moment operierten die Außerirdischen gewissermaßen aus dem Hinterhalt – ohne sich zu zeigen. Wir mußten ihnen das abstellen. Ereignisse wie jene, die sich im Gerichtsmedizinischen Institut abgespielt hatten, durften sich nicht wiederholen.
Ich führte Dr. Kate Maddock zu dem Wagen, den mir Noel Bannister zur Verfügung stellen ließ. Zwei Kampfhubschrauber knatterten über uns hinweg. Das Land befand sich im Kriegszustand. Aber man hatte es mit keinen irdischen Feinden zu tun, und die Aliens waren unberechenbar. Niemand wußte, wie stark sie waren und was sie vorhatten. Ehrlich gesagt, mir bereitete ihre Weltraummagie Magenkrämpfe, weil ich keine Ahnung hatte, was sie damit alles anstellen konnten. Ich schloß die Tür auf und ließ die blonde Ärztin einsteigen. »Wo wohnen Sie?« fragte ich, als ich neben ihr saß. »Kennen Sie sich in New York aus?« »Ich hatte hier mal einen Freund, den ich hin und wieder besuchte«, antwortete ich. Ich meinte Frank Esslin, der inzwischen auf der anderen Seite Karriere gemacht hatte. Er war heute mein Todfeind. Wir überquerten den East River auf der Queensboro Bridge. Woodside, wo Dr. Maddock wohnte, befand sich zwischen dem Northern und dem Queens Boulevard. Keine besonders attraktive Wohngegend, stellte ich bei mir fest, aber ich sprach es nicht aus. Doch Kate Maddock schien Gedanken lesen zu können. »Keine Nobelgegend, wie? Ich habe auch nicht vor, hier alt zu werden. Ich spare auf ein kleines Häuschen am Long Island Sound. Das war immer schon mein Traum. In ein paar Jahren kann ich ihn mir erfüllen, ohne mich in hohe Schulden stürzen zu müssen. Ich glaube nicht, daß ich dann noch einmal hierher kommen werde. Es gibt hier nichts, woran ich hänge.« »Keine Freunde, nette Nachbarn?« »Meine Freunde wohnen woanders. Und die Nachbarn …« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Man lebt nebeneinander, ist froh, nicht belästigt zu werden. Die Leute wollen ihre Ruhe haben.« Das Haus, in dem Kate Maddock wohnte, befand sich in der 53. Straße. Ein grauer Block, unansehnlich, schmucklos. Eine Feuerleiter
lief im Zickzack nach oben. Im ersten Stock wurde sie als Wäschetrockner mißbraucht. Ich parkte den Wagen und stieg mit der Ärztin aus. Es ging ihr schon besser. Ich brauchte sie nicht mehr zu stützen. Dennoch begleitete ich sie nach oben. Sie wohnte im dritten Stock. Drei Etagen befanden sich noch darüber. Kate Maddock nahm mich mit in ihr persönliches Reich, und ich war angenehm überrascht. Die Wohnung war geschmackvoll und mit sehr viel Liebe zum Detail eingerichtet. Die Farben harmonierten, und ich fühlte mich auf Anhieb wohl. Kate Maddock bot mir Platz an. »Ich habe wenig Zeit«, sagte ich. »Wir nehmen einen Drink, dann dürfen Sie gehen, einverstanden?« Nach dem, was ich mir im Gerichtsmedizinischen Institut abverlangt hatte, war ich einem stärkenden Drink nicht abgeneigt. Danach wollte ich aber Cuca, Mr. Silver und Metal abholen und zu Noel Bannister ins Büro des Krisenstabs zurückkehren. Jetzt erst beachtete ich Kates Kleid, das an der Schulter zerrissen und blutig war. Ich erinnerte mich an die Situation im Aufzug. Die Killerkrabbe hatte sich auf die Ärztin fallen lassen und sie gebissen. »Sie sind verletzt«, sagte ich beunruhigt. »Es schmerzt kaum.« »Soll ich …« »Ich bin Ärztin«, sagte Kate Maddock. »Was ich jetzt dringend nötig habe, ist ein heißes Bad. Danach versorge ich die Wunde … Ich mach’ ganz schnell. Bereiten Sie inzwischen die Drinks.« Sie wies auf die Hausbar aus weißem Schleiflack. »Was möchten Sie haben?« fragte ich. »Ich nehme das gleiche wie Sie. Vielleicht finden Sie Ihr Lieblingsgetränk.« »Pernod?«
»Den führt dieses Lokal leider nicht.« »Ich werd’s überleben«, sagte ich schmunzelnd. »Darf ich telefonieren?« »Selbstverständlich. Fühlen Sie sich wie zu Hause, Mr. Ballard. Entschuldigen Sie mich.« Ich nickte, und Kate verschwand im Bad. Ich hörte, wie das Wasser in die Wanne rauschte, streifte die Hausbar mit einem kurzen Blick, begab mich jedoch nicht zu ihr, sondern zum Telefon, um Noel Bannister anzurufen. Ich setzte mich und wählte, aber ich kam nicht durch. Zu viele Leute versuchten gleichzeitig mit mir das Hauptquartier des Krisenstabes zu erreichen – Politiker, Journalisten, Neugierige … Ich mußte warten, nützte die Zeit, um meinen Colt Diamondback nachzuladen, versuchte es dann noch einmal und kam durch. Eine Männerstimme meldete sich. Ich merkte ihr den Streß an, unter dem der Mann stand. Als ich sagte, ich wolle mit Noel Bannister sprechen, erwiderte er: »Das möchte jeder, Sir. Leider ist das nicht möglich. Kann ich Ihnen helfen?« »Ich bin Tony Ballard.« »Oh, entschuldigen Sie, Mr. Ballard, aber Sie müssen verstehen …« »Ist schon in Ordnung«, sagte ich. Augenblicke später hatte ich meinen Freund an der Strippe. »Hat sich die Fahrt zum Gerichtsmedizinischen Institut gelohnt, Tony?« fragte der CIA-Agent. »Kann man wohl sagen«, gab ich zurück und lieferte ihm einen lückenlosen Bericht. Als er hörte, daß Dr. Jack Ireland nicht mehr lebte, zog er die Luft zischend ein. »Verdammt!« entfuhr es ihm. »Wie geht es Dr. Maddock? Ist sie wenigstens okay?« »Abgesehen von einer Verletzung an der Schulter, die sie selbst versorgen kann, ist sie in Ordnung. Ich befinde mich in ihrer Woh-
nung. Mr. Silver, Cuca und Metal sind im Gerichtsmedizinischen Institut mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt. Sie verlassen das Gebäude erst, wenn die letzte Killerkrabbe vernichtet ist.« »Sie sollten zur Sicherheit auch die beiden Monster-Kadaver zerstören«, sagte Noel Bannister. »Das werden sie tun. Und was gibt es an der Front Neues?« »Ach, frag mich lieber nicht.« »Hat sich Boram inzwischen zurückgemeldet?« wollte ich wissen. »Nein, er befindet sich noch bei den Aliens.« »Hoffentlich ist nichts schiefgelaufen.« »Seit ihr das Hauptquartier verlassen habt, ist eine ganze Menge verkehrt gelaufen«, erwiderte Noel Bannister. Meine Kopfhaut spannte sich. »Was zum Beispiel? Gingen die Außerirdischen in die Offensive?« »Ich hatte striktes Feuerverbot gegeben, aber die Armee hat sich nicht daran gehalten.« »Wahnsinn! Was ist passiert?« fragte ich erschrocken. »Ein gewisser Lieutenant Nicholas Potts setzte sich über alle Kompetenzen hinweg und gab Feuerbefehl. Die Armee schoß sofort aus allen Rohren. Ich konnte es nicht verhindern.« »Boram war noch an Bord?« »Ja.« »Und?« fragte ich. Kalter Schweiß brach mir aus allen Poren. Was würde mir mein Freund weiter berichten? Daß es nicht nur die Aliens, sondern auch den Nessel-Vampir erwischt hatte? »Die Außerirdischen wehrten sich nicht«, sagte Noel Bannister. »Sie taten überhaupt nichts, ließen die schwersten Kaliber auf sich niederprasseln. Ihr Schutz ist perfekt. Wir konnten ihnen mit unseren Geschützen nichts anhaben. Nach zwanzig Minuten Dauerfeuer wies das UFO nicht den kleinsten Kratzer auf. Ich ließ Lieutenant Potts einsperren …« »Man sollte ihn vor Gericht stellen und hart bestrafen!« sagte ich
wütend. »Wie stehen die Dinge im Augenblick?« »Die Menge tobt. Sie fordert meinen Kopf.« »Wieso?« »Weil ich Nicholas Potts nicht freilasse«, antwortete Noel Bannister. »Hör mal, der Mann hat doch …« »Potts ist ihr Held, denn kurz nach dem Beschuß verschwand das Raumschiff«, sagte Noel. »Was? Die sind gestartet?« »Nicht gestartet. Verschwunden! Man sieht sie nicht mehr, und die Leute denken, sie wären vernichtet, aber das ist ein Irrtum. Sie sind noch da! Man kann sie im Moment nur nicht sehen.« »Befürchtest du einen Gegenschlag?« fragte ich mit belegter Stimme. »Ich glaube, damit müssen wir rechnen.«
* Kate Maddock warf ihr Kleid achtlos in eine Ecke des Badezimmers. Aus dem Wasserhahn gurgelte und plätscherte heißes Wasser. Noch nie hatte sich Kate so sehr nach einem Bad gesehnt. Sie fühlte sich auf eine Weise schmutzig, die sie nicht erklären konnte – weil sie mit diesen ekeligen Killerkrabben mehrfach in Berührung gekommen war. Ein Glück, daß Tony Ballard rechtzeitig zur Stelle gewesen war, dachte die junge Medizinerin dankbar. Sonst wäre es aus gewesen. Was für ein sympathischer, unerschrockener Mann. Dampf stieg aus der Wanne hoch und füllte das Bad. Der große Spiegel beschlug, so daß sich Kate nicht mehr sehen konnte. Zwei Handtücher hingen auf chromblitzenden Haltern. Kate nahm eines und wischte damit über den Spiegel. Die Bißwunde an ihrer Schulter sah nicht schön aus. Die Ränder waren gerötet und zu
einem kleinen Wulst angeschwollen. Jeder einzelne Zahn hatte eine häßliche Spur hinterlassen. Sogar die vorsichtigste Berührung war schmerzhaft. Kate stöhnte leise auf und zog die Hand sofort wieder zurück. Die Verletzung war schlimmer, als sie gedacht hatte. Als Ärztin hatte sie natürlich alles im Haus, was sie brauchte, um die Wunde optimal zu versorgen. Sie beugte sich vor, um die Verletzung besser in Augenschein nehmen zu können. Kreisrund und etwas größer als ihre Handfläche war die Bißwunde. Das gibt bestimmt eine häßliche Narbe, überlegte Kate Maddock. Da kann wahrscheinlich nur die plastische Chirurgie helfen. Dr. Henderson fiel ihr ein. Er hatte sich auf dieses Gebiet spezialisiert und es mit Fleiß, Ausdauer und Können weit gebracht. Er war eine Zeitlang hinter Kate hergewesen. Sie hatte damals noch studiert und sich nicht reif gefühlt für eine Bindung, wie sie Dr. Jim Henderson vorschwebte, deshalb hatte er sich von Kate zurückgezogen und einer attraktiven Journalistin den Hof gemacht. Heute war er mit Peggy Martin verheiratet. Daß sie Millionen besaß, hatte er nicht gewußt. Er baute mit ihrem Geld seine eigene Klinik in Westchester und war seither ein gemachter Mann. Kate nahm sich vor, ihn in den nächsten Tagen anzurufen. Wir sind immer noch Freunde, dachte Kate, aber sie fand es etwas beschämend, daß sie erst wieder an Jim dachte, wenn sie seine Hilfe brauchte. Die Wanne war voll. Kate drehte das Wasser ab, entledigte sich ihres winzigen schwarzen Slips und tauchte die Zehen vorsichtig ein. Es war nicht gesund, so heiß zu baden, weil es Herz und Kreislauf zu sehr belastete – wer hätte das besser wissen müssen als eine Ärztin? Aber Kate badete am liebsten so, und sie hatte nicht vor, lange in der Wanne zu bleiben. Sobald sie sich an die hohe Wassertemperatur gewöhnt hatte,
tauchte sie komplett ein. Sie sank zurück und legte den Kopf auf den abgerundeten Wannenrand. Sie schloß die Augen und wünschte sich weit fort. Es wäre herrlich gewesen, wenn all die schrecklichen Dinge nie passiert wären, wenn sie nur einem Alptraum angehört hätten. Nicht denken … Sich treiben lassen … Träumen … Kates Gedanken verließen das enge Badezimmer. Sie schwebten davon, frei von allen Zwängen. Allmählich begann sich Kate wohlzufühlen. Sie stellte sich vor, nicht mehr in ihrer Wanne zu liegen, sondern in einem großen, warmen See zu schwimmen. Das Wasser umschmeichelte ihren nackten Körper, und wunderschöne Seerosen umgaben sie. Obwohl ihre Augen geschlossen waren, »sah« sie. Sie blickte in diese stille, friedliche Traumwelt, beobachtete ein Mädchen, dessen Körper hell im Wasser schimmerte, und sie wußte, daß sie selbst dieses Mädchen war. Zwischen den Rosen schwamm ein scharlachrotes Tuch. Es hatte den Anschein, als habe sich diese andere Kate Maddock erst im Wasser ihres Kleides entledigt. Zufriedenheit spiegelte sich im entspannten Gesicht des Mädchens. Völlig ruhig lag es im Wasser. Und plötzlich kam das Grauen aus der Tiefe! Als der erste geschmeidige Fangarm auftauchte und sich weit aus dem Wasser hob, riß Kate entsetzt die Augen auf. Der Traum war zum Alptraum geworden. Und der Alptraum schien wahr geworden zu sein!
* Kate blickte sich verstört um. Wieso befand sie sich nicht mehr in ihrem Badezimmer? Was hatte die junge Medizinerin fortgeholt, ohne daß sie es merkte?
Was passiert mit mir? fragte sie sich verdattert. Sie befand sich tatsächlich in diesem See, war wirklich umgeben von diesen schönen weißen Seerosen. Auch der scharlachrote Stoff war da. Wenn sie sich bewegte, drohte sie sich darin zu verstricken, und er klebte sich immer wieder unangenehm an ihren Körper. Jetzt mußte sie schwimmen, um nicht unterzugehen, doch sehr viel würde es ihr nicht nützen, denn ein zweiter und ein dritter Fangarm durchstießen die Wasseroberfläche. Die braunen Tentakel schwangen auf sie zu. Überdeutlich sah sie die runden Saugnäpfe. Ein Krake, ein Seeungeheuer griff sie an. Kate versuchte sich schwimmend zu retten, doch die Mühe hätte sie sich sparen können. Sie kam kaum vom Fleck. Himmel, wo war das Ufer? Kate drehte sich. Es gibt keines! stellte sie entsetzt fest. Etwas wand sich um ihren Knöchel. Sie schrie auf und versuchte sich loszureißen, doch der Oktopus packte auch den anderen Knöchel, und ein weiterer Fangarm schlang sich um ihre Leibesmitte. Sie schrie wie auf der Folter. Das Ungeheuer zerrte sie unter Wasser. Sie glaubte zu ertrinken, zu ersticken. Ein Wasserschwall stürzte in ihren Mund, und sie kämpfte sich verzweifelt an die Oberfläche, spuckte, hustete, schrie im Hilfe. Sie schrie so lange, bis sich ein weiterer Tentakel um ihren Hals schlang und sie zum Verstummen brachte. Und abermals wurde Kate brutal in die Tiefe gerissen … Da begriff sie, daß es keine Rettung mehr für sie gab.
* Ich gab Noel Bannister die Nummer, unter der er mich in der nächsten halben Stunde erreichen konnte. Länger wollte ich nicht bei Kate Maddock bleiben, denn ich war der Meinung, daß ich im Haupt-
quartier des Krisenstabes dringender gebraucht wurde. Ob Boram noch existierte, wußte niemand. Wir konnten nur hoffen, daß wir ihn nicht verloren hatten. Wenn es ihn noch gab, würde es ihm gelingen, sich zu Noel Bannister durchzuschlagen, und ich war begierig zu erfahren, was er dann berichtete. Nur der Nessel-Vampir konnte uns sagen, wie unsere Chancen standen. Ich drückte ihm im Geist die Daumen und begab mich zur Hausbar, die gut bestückt war. Sie hatte nur einen Schönheitsfehler: daß auf keiner der Flaschen PERNOD stand. Aber darüber sah ich großzügig hinweg, griff nach zwei Gläsern, stellte sie vor mich hin und drehte den Schraubverschluß einer Bourbonflasche. Ich füllte die Gläser mit der gleichen Menge und stellte die Flasche an ihren Platz zurück. Dann wartete ich auf Kate. Sie hatte gesagt, sie würde nur kurz baden, doch sie kam nicht aus dem Bad. Ich hörte sie planschen … aber daraus wurde mehr. Jetzt schlug sie schon um sich, und Wasser schwappte aus der Wanne und klatschte auf den Boden. Was war da los? Ich machte mir sofort wieder Sorgen um Kate. So wie sie badete man nicht. Es sei denn, man wurde von einem Anfall überrascht. Ich trat aus dem Wohnzimmer. »Kate! Ist irgend etwas nicht in Ordnung?« Sie antwortete nicht. Unter der Tür rann Wasser in die Diele. »Kate?« Auf einmal schrie sie um Hilfe, so laut und verzweifelt wie im Fahrstuhl. Verdammt noch mal, was war denn nun schon wieder los? Ich war mit drei Schritten an der Badezimmertür. Kate hatte sich eingeschlossen, wohl aus Gewohnheit. Sie hätte es diesmal nicht tun sollen, denn dadurch war ich gezwungen, die Tür aufzubrechen. Ich warf mich mehrmals mit der Schulter gegen die Tür. Als das
nichts nützte, trat ich in Klinkenhöhe gegen das Holz. Kate Maddocks Schrei verstummte. Das machte mich rasend. Mit dem nächsten Tritt schaffte ich die Tür. Krachend splitterte das Holz. Die Tür schwang zur Seite und knallte gegen die Kacheln. Jetzt sah ich Kate. Sie kämpfte mit einem unsichtbaren Feind. Das Badezimmer war überschwemmt, und Kates Körper bewegte sich in der Wanne wild auf und ab. Dadurch drückte sie einen Wasserschwall nach dem anderen über den Wannenrand. Meine Schuhe patschten durch das Wasser. »Kate!« Sie war wieder geistig völlig weggetreten; mehr noch als beim erstenmal. Ihre Züge wirkten verkrampft. Sie schien keine Luft zu bekommen. Was hatte diesen schrecklichen Anfall ausgelöst? Ich beugte mich über den Wannenrand, schob meine Arme unter den nackten Körper und hob ihn aus dem Wasser. Ein Faustschlag traf mein Gesicht. Ich taumelte. Dem nächsten Faustschlag wich ich aus. Schwer atmend trug ich die junge Medizinerin aus dem Bad. Mir kam vor, als müßte ich sie vor irgend etwas in Sicherheit bringen. Wo befand sich das Schlafzimmer? Ich kannte mich in Kates Wohnung nicht aus. Auf gut Glück stieß ich mit dem Fuß eine angelehnte Tür auf und sah Kates Bett. Darauf ließ ich sie fallen, und dann warf ich die Tagesdecke über sie. Das brachte sie zur Besinnung. Ihr Blick flackerte nicht mehr. Sie keuchte und strich sich mit zitternden Fingern das klatschnasse Haar aus dem Gesicht. »Tony …«, flüsterte sie. »Alles okay?« fragte ich. »Was … was war das?« »Können Sie darüber sprechen?« fragte ich.
»Da … war ein … See«, sagte Kate, sich erinnernd. »Still und friedlich, mit weißen Seerosen … Ein Mädchen schwamm darin, und … dieses Mädchen war ich.« »Sie hatten eine Halluzination«, sagte ich. »Was Sie im Gerichtsmedizinischen Institut erlebten, griff Ihre Nerven an. Sie spielten Ihnen nun einen Streich. Es war eine Art Entladung.« »Der See wurde für mich plötzlich zur tödlichen Falle … Alles war so schrecklich realistisch. Ich sah diese grauenerregenden Fangarme, spürte, wie sie mich packten und in die Tiefe zogen …« Ein Weinkrampf schüttelte die junge Ärztin. Ich legte meine Hand auf ihre Wange. »Beruhigen Sie sich, Kate. Es ist vorbei – und in Wirklichkeit hatten Sie nichts zu befürchten. Sie waren keine Sekunde tatsächlich in Gefahr.« »Sind Sie sicher?« »Absolut sicher«, antwortete ich und wollte meine Hand zurückziehen, doch Kate hielt sie fest. »Ich mußte die Tür aufbrechen, weil Sie sich eingeschlossen hatten«, sagte ich. »Das macht nichts.« »Ich hole die Drinks.« »Gehen Sie nicht weg«, flehte die Ärztin. »Ich bin gleich wieder bei Ihnen.« Ich verließ das Schlafzimmer und begab mich in den Livingroom, wo die Gläser bereitstanden. Als ich danach griff, merkte ich, daß mir Kate gefolgt war. Sie trug die Tagesdecke wie eine Tunika. Ich war damit nicht einverstanden, daß sie aufgestanden war. »Sie sollten eine Weile liegen bleiben, sich ausruhen«, sagte ich. »Sie müssen erst wieder zu Kräften kommen.« Sie lehnte sich an die Wand. »Marsch ins Bett!« kommandierte ich streng. »Es geht mir schon besser, Tony«, sagte die Ärztin matt. »Ich möchte im Augenblick nicht liegen. Ich lege mich später hin, wenn
Sie gegangen sind. Geben Sie mir jetzt etwas zu trinken?« »Natürlich.« Ich gab ihr ein Glas. Sie nahm einen Schluck vom Bourbon. »Wer ist Carrsh?« fragte sie. »Keine Ahnung. Woher haben Sie den Namen?« fragte ich. Sie zuckte mit den Schultern. »Er war plötzlich in mir.« Ich wußte mit diesem Namen nichts anzufangen, leerte mein Glas auf einen Zug und stellte es neben eine üppig wuchernde Topfpflanze. Kates verletzte Schulter war stark gerötet. Innerhalb des Bißkreises war das Fleisch dick angeschwollen. Es wölbte sich mir wie eine runde Beule entgegen. »Iiih«, sagte ich und verzog das Gesicht. »Das sieht aber nicht gut aus; hat sich ziemlich rasch entzündet. Sie sollten schleunigst etwas dagegen tun. Einer Ärztin brauche ich nicht zu sagen, wie schnell es zu einer Blutvergiftung kommen kann. Möchten Sie, daß ich die Wunde versorge?« Sie antwortete nicht. Ihr Atem ging auf einmal wieder schneller, und ihr Blick wurde starr. Er war nicht auf mich gerichtet. Kate schaute an mir vorbei, als stünde jemand hinter mir. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Ich wandte rasch den Kopf und stellte erleichtert fest, daß niemand da war. »Carrsh …«, flüsterte Kate. »Carrsh …« »Kommen Sie, wir gehen ins Bad«, sagte ich. Über Kates Nasenwurzel schwoll eine Ader an. »Carrsh …«, sagte sie wieder; lauter, aggressiver. »Carrsh!« Ich dachte, sie würde wieder halluzinieren, aber als ich sie berührte, wurde ich eines Besseren belehrt. »C-a-r-r-s-h-!« brüllte sie, und im selben Moment öffnete sich die Beule. Etwas Rotes zuckte auf mich zu. Eine Hand mit nur drei Fingern. »Das ist Carrsh!« brüllte Kate Maddock mit einer Stimme, die
sich veränderte, die lauter und tiefer wurde. In meinen Ohren dröhnte keine Frauenstimme mehr, sondern eine Männerstimme. »Ich bin Carrsh!« Und diese dreifingrige Klaue drückte mir die Kehle zu!
* Carrsh war ein äußerst wandlungsfähiges Ungeheuer. Dieser Alptraum-Polyp mußte Carrsh gewesen sein. Jene beiden Monster und die Killerkrabben auch. Hieß die Weltraummagie so? Es bestand eine gefährliche Verbindung zwischen ihr und den Monstern, die sie geschaffen hatte. Und Dr. Kate Maddock war davon angesteckt worden. Dieses verfluchte Weltraumgift hatte sie infiziert. Ich hatte sie gerettet, doch es hatte nichts genützt, denn das Gift hatte sich bereits in ihrem Körper befunden. Es breitete sich in ihm aus, ohne daß es mir auffiel, und nun war es aus ihr hervorgebrochen. Kate hatte eine Maske getragen – vielleicht, ohne es selbst zu wissen. Kate verlor mehr und mehr ihr menschliches Aussehen. Carrsh trat immer mehr hervor. Er drängte sich in den Vordergrund, verformte Kopf und Körper der Ärztin. Das Weltraummonster bekam einen zweiten Kopf, und ich sah fingerlange Zähne in seinem schleimigen Maul. Weitere dreifingrige Hände entwuchsen dem Ungeheuer, das nicht einmal mehr entfernt einem Menschen ähnelte. Das war nicht mehr Kate Maddock. Die Frau war tot – für immer verloren. Der Druck an meiner Kehle war mörderisch. Ich unternahm alles, um mich von diesem Würgegriff zu befreien, doch je wilder ich um mich schlug, desto mehr Hände wuchsen der Bestie, um mich festzuhalten. Bald hatte mich Carrsh so fest im Griff, daß ich mich kaum noch
bewegen konnte. Ich kam nicht an meine Waffen, konnte den Revolver nicht einsetze, erreichte den magischen Flammenwerfer ebensowenig wie die drei silbernen Wurfsterne, die ich bei mir trug, und auch der Dämonendiskus war für mich unerreichbar. Mir blieb nur noch eines; mit meinem Leben abzuschließen! Schon drohte mir schwarz vor den Augen zu werden, und die akute Atemnot versetzte mich in Panik, doch ich konnte nichts mehr tun! Ich sackte zusammen.
* Plötzlich läutete das Telefon. Carrsh schien dieses Geräusch zu irritieren. Aus seinen beiden Mäulern kam ein doppelstimmiges Wutgeheul. Er stieß mich zornig von sich. Ich knallte gegen einen Schrank, während Carrsh sich auf das Telefon stürzte, es mit seinen eigenartigen Händen packte, das Kabel aus der Wand riß und den Apparat gegen die Wand schleuderte. Ich fühlte mich miserabel, begriff aber, daß ich nach dieser Chance keine mehr haben würde. Wenn ich sie nicht nützte, konnte ich mein Testament machen. Mein Blick war getrübt, mein Hals schmerzte höllisch, und ich stand auf schwankenden Beinen. Immer wieder drohten sie wegzuknicken. Und dieses gefährliche Ungeheuer bewegte sich schon wieder auf mich zu! Automatisch griff meine Rechte zum Revolver. Als ich den Colt Diamondback herausriß, stoppte die Bestie, und dann zeigte sie mir, wie unwahrscheinlich schnell sie sein konnte. Sie sauste zum Fenster, drückte das Glas mit ihrem unförmigen Körper aus dem Rahmen und sprang auf die Feuerleiter, ehe ich auch nur eine einzige Kugel abfeuern konnte. Ich wischte mir mit der Linken über die Augen, schüttelte den Kopf, um wieder einigermaßen klarzukommen. Ich durfte das
Monster nicht entkommen lassen. Ich mußte es stellen und vernichten, sonst fiel es über andere Menschen her. Ich hatte nicht das Gefühl, Kate Maddock zu jagen. Sie war nicht das Wesen, das ich zur Strecke bringen mußte. Es gab Dr. Kate Maddock nicht mehr. Es hatte ein magischer Tausch stattgefunden. An ihrer Stelle gab es jetzt diese Bestie. Ich hätte viel darum gegeben, wenn es nicht so gewesen wäre. Kates Schicksal ging mir hart an die Nerven. Die Wut verlieh mir neue Kräfte, die ich dringend brauchte, wenn ich dem Weltraumkiller auf den Fersen bleiben wollte. Schon auf etwas sichereren Beinen lief ich durch das Wohnzimmer. Ich sah Carrsh in der Dunkelheit kaum, aber ich hörte ihn. Er war in Richtung Dach unterwegs. Ich stieg aus dem Fenster und sah nach oben. Carrsh fauchte aggressiv, doch davon ließ ich mich nicht abschrecken. Er war eine große Gefahr für die Menschen, die in dieser Stadt lebten. Ich mußte ihn vernichten, koste es, was es wolle. Vorsichtig stieg ich die Stufen hinauf, den Colt Diamondback ständig schußbereit in der Hand. Die erstbeste Gelegenheit würde ich nützen, aber Carrsh machte mir nicht die Freude, sich ungeschützt zu präsentieren. Zwischen ihm und mir befand sich immer irgendwelches Gestänge. Das würde sich erst oben auf dem Dach ändern. Carrsh erreichte es und verschwand völlig aus meinem Blickfeld. Ich forcierte mein Tempo, damit er mich nicht abhängen konnte. Erst als ich den Dachrand erreichte, stoppte ich, um nicht in ein offenes Messer zu rennen. Langsam legte ich die restlichen Stufen zurück. Carrsh verzichtete darauf, mich anzugreifen. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses befand sich eine Lichtreklame. Jeder Buchstabe war zweimal so groß wie ein Mann, und das Licht, das die Schrift herübersandte, war mir sehr willkom-
men, denn es erhellte die Nacht. Auf dem Dach gab es nur eine einzige Möglichkeit, sich zu verstecken: ein grauer Betonsockel, ein Aufbau mit einer Metalltür, die geschlossen war. Dahinter mußte sich mein gefährlicher Gegner befinden. Ich näherte mich dem Aufbau mit vibrierenden Nerven. Wie schnell Carrsh sein konnte, hatte ich gesehen. Er durfte mich nicht überrumpeln. Ich mußte mit dem Revolver auf jeden Fall schneller sein! Mir stand der Schweiß auf der Stirn, und mein Herz hämmerte kräftig. Ich erreichte den Aufbau, federte vorwärts und ging in CombatStellung, doch mein Diamondback zielte ins Leere. Also weiter. An der nächsten Ecke wiederholte sich dieses Spiel. Wieder nichts … Doch dann war Carrsh urplötzlich da! Er kam von oben. Schleimglänzende Zungen leckten mir entgegen. Carrsh hatte jetzt mindestens sieben Köpfe und war mehr breit als hoch. Ich sprang nicht nur zurück, sondern warf mich gleichzeitig zur Seite, landete hart auf dem Dach und rollte mich auf den Rücken. Nun wuchs Carrsh hoch. Er wollte sich abstoßen und auf mich stürzen, doch da war noch mein Colt Diamondback! Ich drückte ab, ohne mir die Zeit zu nehmen, noch zu zielen. Ich traf den Gegner irgendwo. Er kreischte auf, zuckte zurück und fiel auf der anderen Seite vom Aufbau herunter. Ich war sofort wieder auf den Beinen und folgte der Bestie. Sie war schwerer verletzt, als ich angenommen hatte. Mit fünf, sechs Beinen stemmte sie sich hoch, und der ganze Körper nahm die Form eines riesigen Hundeschädels an. Mordgierige Lichter funkelten mich an, und aus dem Maul kam ein Knurren, das so laut war, daß das Dach vibrierte. Carrsh wollte mich einschüchtern, aber da war er bei mir an der falschen Adresse. Eiskalt hob ich die Waffe. Carrsh torkelte zurück. Diesmal nahm ich mir die Zeit für einen Präzisionsschuß, und dann drückte ich
zum zweitenmal ab. Das geweihte Silbergeschoß fegte die Bestie vom Dach. Einen Moment sah es so aus, als würden dem Ungeheuer Stacheln wachsen, aber dann sah ich, daß auf diese Weise eine letzte magische Entladung stattfand. Die Kraft, die dieses Wesen belebt hatte, verpuffte nach allen Seiten. Der unförmige Körper stürzte nicht ab – er löste sich auf. Nun gab es ihn und Dr. Kate Maddock nicht mehr.
* Mann, war ich geschlaucht. Ich war so fertig, daß ich mich nicht einmal über diesen schwer errungenen Erfolg freuen konnte. Freude wäre aber auch fehl am Platz gewesen – nach dem, was Kate Maddock zugestoßen war. Jetzt erst merkte ich, wie erledigt ich war. Mir kam vor, als würde ich Schuhe mit dicken Bleisohlen tragen. Mit schleppenden Schritten kehrte ich zur Feuerleiter zurück. Ich setzte mich auf die oberste Stufe und nahm den Kopf zwischen die Hände. So saß ich vielleicht fünf Minuten, dann ging es mir wieder besser. Ich stand auf und suchte über die Feuerleiter Kates Wohnung auf. Das Schicksal der jungen Ärztin ging mir nahe. Ich werde wohl nie so abgebrüht sein, daß mir das nichts mehr ausmacht, egal, wieviel noch auf mich zukommt. Ich nahm mir noch einen Drink. Ein lästiges Würgen saß in meiner Kehle, als ich in das Badezimmer schaute. Um die Überschwemmung kümmerte ich mich nicht. Ich hatte Wichtigeres zu tun. Betroffen verließ ich die Wohnung der schönen Medizinerin. Diese verdammte Weltraummagie – wir mußten so bald wie möglich etwas gegen sie unternehmen.
Egal, wer bei Kate das Telefon klingeln ließ – ob Noel Bannister oder irgend jemand anderes … er hatte mir das Leben gerettet, ohne es zu wissen. Ich stieg in den Wagen. Meine Hände krampften sich um das Lenkrad. Verflucht, alles erinnerte mich an Kate! Es war noch nicht lange her, da hatte sie in diesem Auto neben mir gesessen. Ich atmete tief ein und drehte den Startschlüssel. Ich verließ Queens und kehrte nach Manhattan zurück, wo Cuca, Mr. Silver und Metal inzwischen im Gerichtsmedizinischen Institut reinen Tisch gemacht hatten. »Du warst lange fort«, sagte der Ex-Dämon grinsend. »Aber keine Sorge, ich behalt’s für mich. Vicky wird es nicht von mir erfahren.« Er hatte auch schon mal anders gesprochen. Damals hatte er behauptet, er habe Vicky viel zu gern, um ihr so etwas verheimlichen zu können. Mir war nicht nach Scherzen zumute, und das sah mir Mr. Silver nun auch an. Er wurde ernst. »Du siehst abgekämpft aus. Es hat Schwierigkeiten gegeben, nicht wahr?« »Und zwar gewaltige«, sagte ich rauh. »Und Kate? Hat sie’s überstanden?« Ich schüttelte den Kopf. »Ist sie … tot?« fragte Mr. Silver. »Mehr noch. Es gibt sie nicht mehr.« Ich berichtete von meinem furchtbaren Erlebnis. »Seid ihr hier fertig?« fragte ich dann. Mr. Silver nickte. »Wir haben keine Killerkrabben übersehen.« »Ich möchte, daß ihr auch die beiden Monster-Kadaver zerstört«, sagte ich grimmig. »Wir müssen so gründlich wie möglich vorgehen.« Sie begaben sich mit mir in den Saal, und sie zerstörten mit ihrer Silbermagie die beiden Ungeheuer. Nichts blieb von ihnen übrig. Auf mein Verlangen testeten sie den toten Gerichtsmediziner.
Der Tote war »in Ordnung« – man möge mir diesen Ausdruck verzeihen. Es bedeutete, daß von Dr. Jack Ireland nichts zu befürchten war. An seinem Zustand würde sich nichts ändern. »Und nun zurück zu Noel«, sagte ich.
* Die Menge tobte, brüllte nach Lieutenant Potts, und man versuchte, das Apartmenthaus zu stürmen. Ein paar besonders Verrückte wollten Noel Bannister zwingen, Nicholas Potts freizulassen. Die Polizei ließ niemanden durch. Sie hatte in Dreierreihe Aufstellung genommen, und jene, die es besonders toll trieben, wurden mit Schlagstöcken zur Vernunft gebracht. Die Tumultszenen wurden von Fernsehkameras eingefangen und übertragen. Wenn Menschen den Verstand verlieren, dann tut sich was! Es war erschreckend. Im Central Park ergoß sich die Lichtflut der Scheinwerfer immer noch dorthin, wo sich das UFO befunden hatte. Das besiegte UFO, wie die Leute dachten. Aber wenn Noel Bannister der Meinung war, daß die Außerirdischen noch da waren, dann hatte das seinen Grund. Doch wer hätte das diesen schreienden, Fäuste schüttelnden, zornigen Menschen klarmachen sollen? Mr. Silver und Metal durchbrachen die Polizeiblockade. Cuca und ich folgten den beiden, und wenig später betraten wir das Krisenbüro, in dem der Rauch so dicht wie der gefürchtete Londoner Nebel war. »Fast wie zu Hause«, brummte ich, als wir eintraten. Selbst in diesem Büro wurden Stimmen laut, die Lieutenant Potts’ Freilassung forderten. »Verdammt noch mal, Bannister, so seien Sie doch nicht so stur! Geben Sie den Leuten ihren Helden!« »Kommt nicht in Frage!« schrie Noel. »Der Mann bleibt, wo er ist!«
»Die Menge wird Sie lynchen, wenn sie ihren Willen nicht bekommt.« »Potts bleibt im Gefängnis! Das ist mein letztes Wort! Ich will zu diesem Thema nichts mehr hören!« Ein Wurfgeschoß zertrümmerte die Fensterscheibe. »Treiben Sie’s nicht auf die Spitze, Bannister!« riet man ihm. »Ich? Gehen Sie lieber hinunter und bringen Sie diese Wahnsinnigen zur Vernunft, anstatt mir auf die Nerven zu gehen, Mann!« Noel Bannister bemerkte uns und kam auf uns zu. »Dort unten tut sich was, wie? Wie können die Leute nur so blind sein? Ich werde beweisen, daß die Aliens noch da sind!« knirschte er. »Wie war’s im Gerichtsmedizinischen Institut? Kann man das Gebäude wieder gefahrlos betreten?« »Es gibt keine Killerkrabben mehr«, antwortete ich. »Und die Monster-Kadaver?« »Sind zerstört.« »Ich sorge dafür, daß Dr. Ireland ein Staatsbegräbnis bekommt. Das ist das mindeste, was dieses Land für ihn tun kann. Kommt mit nach nebenan. Ich will alles noch einmal hören, und zwar so ausführlich wie möglich.« »Hat sich Boram zurückgemeldet?« fragte ich. »Leider nein.« Wir verließen den Raum, der einem Bienenstock glich, der soeben ausgeräuchert wird. Lance Selby und die Mitglieder des »Weißen Kreises« empfingen uns mit neugierigen Gesichtern. Die Pupillen des Parapsychologen schienen in diesem Moment zu dunklen Fragezeichen zu werden. Noel Bannister drückte mir einen Drink in die Hand, nachdem ich mich gesetzt hatte. Einen Pernod. »Sehr aufmerksam«, sagte ich. Nachdem ich den ersten Schluck gemacht hatte, berichtete ich über unser Erlebnis in allen Einzelheiten. Mr. Silver, Cuca und Metal fügten hinzu, was ich nicht wußte.
Noel Bannister rieb sich die Hände, als wir geendet hatten. Er schüttelte langsam den Kopf und wies auf die Tür. »Verdammt, Freunde, dort draußen spiele ich den wilden, selbstsicheren Mann, aber zu euch will ich ehrlich sein: Ich weiß nicht weiter.« Er schaute uns der Reihe nach an, erhoffte sich von uns einen Rat. »Vielleicht sollten wir die Außerirdischen provozieren«, sagte Mr. Silver. »Wenn ich mich mit Metal noch einmal in den Park begebe, unternehmen die Aliens unter Umständen etwas gegen uns. Dann hat die Menge den Beweis, daß die Schlacht noch nicht gewonnen ist.« »Ich möchte nicht, daß ihr wegen dieser verrückten Meute euer Leben aufs Spiel setzt«, sagte Noel. »Möglicherweise holen uns die Außerirdischen an Bord«, sagte Mr. Silver. Noel Bannister kräuselte die Nase. »Also das gefällt mir schon gar nicht, muß ich ehrlich sagen.« »Was könnte Besseres passieren, als daß zwei von uns in das UFO gelangten?« meinte Mr. Silver. »Bei der Gelegenheit könnten wir gleich sehen, wie es Boram geht.« »Du tust ja so, als würden euch die Aliens zum Tee einladen«, sagte Noel Bannister. »Wenn die euch an Bord holen, dann nur, um euch in eure Bestandteile zu zerlegen.« Der Ex-Dämon grinste. »Das sollen sie getrost versuchen.« »Sei nicht so sicher, daß sie euch nichts anhaben können«, sagte Noel. »Vielleicht kennen sie einen Trick, euren Silberschutz auszuschalten. Was dann?« »Das wäre Pech«, sagte Mr. Silver. »Ja, und ich hätt’s auf dem Gewissen.« Nebenan ging es plötzlich rund. Schreie, Gepolter, Stühle wurden umgestoßen. Die Polizeisperre schien nicht gehalten zu haben. Was war das bloß für eine irre Situation? Wir mußten nicht nur gegen Aliens, sondern auch gegen die Men-
schen kämpfen, denen wir helfen wollten! Noel Bannister eilte zur Tür. Ich sprang auf und folgte ihm. Der CIA-Agent riß die Tür auf … und erstarrte.
* Auch für mich war das, was ich erblickte, eine äußerst unangenehme Überraschung. Alle Männer lagen auf dem Boden. Einige waren ohnmächtig, andere stöhnten. Und jene, die dafür verantwortlich waren, standen mitten im Raum. Stark, bedrohlich, unbezwingbar wirkten sie. In dieser Machtkonzentration waren sie wohl noch nie aufgetreten. Mir stockte der Atem. Auch das noch, dachte ich grimmig. Nicht die Aliens waren in das Hauptquartier des Krisenstabes eingedrungen, sondern … Höllenstreiter: Atax, die Seele des Teufels, Phorkys, der Vater der Ungeheuer, Mago, der Schwarzmagier und Jäger der abtrünnigen Hexen – angeführt von Loxagon, dem Teufelssohn! Furchterregende Schauergestalten – abgesehen von Loxagon, der aussah wie ein kraftstrotzender junger Krieger. Aber Atax: sein transparenter Körper war von violett schillernden Adern durchzogen. Und Mago: hager, mit granitgrauer Haut, spitzen Ohren und einer schwarzen, gespaltenen Zunge. Doch am schrecklichsten sah Phorkys aus: Von jedem Ungeheuer, das er schuf, hatte er selbst etwas an sich – die geschuppte Haut des Drachen, die Zähne des Ghouls, die Schnauze des Werwolfs, das Schlangenhaar der Gorgonen, die Krallen des Wertigers … An seinem warzenübersäten, schleimglänzenden Kinn zitterte ein dünner Vollbart, und in seinen Augen züngelten kleine rote Flammen. Es lag noch nicht lange zurück, daß wir ihm und Atax im brasilianischen Urwald begegnet waren. Ich erinnerte mich mit Schaudern daran, denn dieses Zusammentreffen hätte mich fast das Leben ge-
kostet. Ich hörte, wie Mr. Silver hinter mir die Luft geräuschvoll ausstieß. Loxagon und seine Begleiter waren eingehüllt in diesen blauen Zigarettenrauch. Reglos standen sie da, fast wie leblose Figuren. Jeder einzelne war brandgefährlich. Sie zusammen zu sehen, war für uns ein Schock. War es Loxagon gelungen, sie zu vereinen? Normalerweise waren sich Atax und Mago seit langem nicht »grün«. Sie gingen einander tunlichst aus dem Weg. Jeder verfolgte seine eigenen Ziele und versuchte die Kreise des anderen nicht zu stören. Atax hatte gefährliche Ambitionen. Er wollte sich zum schwarzen Gott machen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Loxagon das zulassen würde. Die Ohnmächtigen kamen zu sich und krochen ängstlich zur Wand. Niemand hatte sein Leben verloren. Bedeutete das, daß die Höllenstreiter »in Frieden« gekommen waren? Wir betraten den Raum, und ich merkte, wie sich meine Nervenstränge strafften. Mr. Silver baute sich neben mir auf und zog das Höllenschwert aus der ledernen Rückenscheide – jene Waffe, die einst für Loxagon auf dem Amboß des Grauens geschmiedet worden war. Als Loxagon sein Schwert sah, blitzte es kurz in seinen Augen. Er wollte es wiederhaben, das war für mich klar, aber Mr. Silver würde es sich nicht so einfach wegnehmen lassen. »Was wollt ihr hier?« fragte Noel Bannister eisig. Cuca, Metal, Lance Selby und der »Weiße Kreis« gesellten sich zu uns. Was hätten wir erreicht, wenn wir alle über unsere Feinde hergefallen wären? »Ihr seid in Schwierigkeiten. Wir wollen euch helfen«, sagte Loxagon. »Ich hör’ wohl nicht richtig. Ihr wollt uns helfen?« fragte Noel Bannister ungläubig. »Je größer unsere Schwierigkeiten sind, desto lieber ist es euch doch. Ihr seid ja sogar zumeist dafür verantwortlich!«
»Diesmal nicht«, erklärte Loxagon. »Diesmal droht die Gefahr von einer anderen Seite. Die Welt gehört den Menschen …« »Ist ja ganz etwas Neues, was du da sagst.« »Eines Tages werden wir sie beherrschen. Das Böse wird sich über den gesamten Erdball ausbreiten. Die Erde wird sich dann unserem Befehl beugen …« »Das ist ein Ziel, das ihr nie erreichen werdet!« behauptete Noel Bannister trotzig. »Das denkt ihr, aber wir wissen, daß ihr uns nicht aufhalten könnt. Wir befinden uns auf dem Vormarsch. Eure kleinen Siege stören uns nicht. Der Tag, an dem diese Welt uns gehört, ist nicht mehr fern. Deshalb dulden wir es nicht, daß Dritte auf diese Welt einen Anspruch erheben.« »Haben das die Aliens vor?« fragte ich. Loxagon sah mich durchdringend an. »Ich weiß, woher sie kommen. Ihr Heimatplanet heißt Vyppon, und sie haben einen gefährlichen Mutanten an Bord. Ein Bündel aus Kraft und Magie, selbst von den Außerirdischen nur sehr schwer unter Kontrolle zu halten. Sie haben ihn von einem fernen Planeten geholt. Es gibt dort kein Leben mehr, denn der Mutant hat alles ausgelöscht.« »Wenn er freikommt … Passiert dann dasselbe mit der Erde?« fragte ich. »Die Aliens werden ihn nicht freilassen. Er soll auf Vyppon ihr Götze sein. Mit seiner Hilfe wollen sie das Universum beherrschen.« »Die Pläne der Hölle hören sich ähnlich an.« »Was die Aliens im fernen All vorhaben, kümmert uns nicht«, behauptete Loxagon. »Solange sie sich nicht unseren Interessen entgegentreten, scheren wir uns nicht um sie.« »Diesmal kam es aber zu einer solchen Einmischung«, sagte ich. »Der Mutant könnte sich befreien«, sagte Loxagon. »In diesem Fall kämen die Aliens von hier nicht mehr fort.« »Wer ist denn nun gefährlicher? Der Mutant oder die Aliens?«
wollte ich wissen. »Auf jeden Fall der Mutant, denn er ist ein absoluter Vernichter. Wohin er kommt, hinterläßt er Chaos, Grauen und Tod.« »Dann haben sich die Aliens auf ein gefährliches Spiel eingelassen«, sagte ich. »Wenn ihnen der Mutant über den Kopf wächst, sind sie genauso dran wie wir.« »Noch haben sie ihn unter Kontrolle. Aber seine Kraft hat bereits zwei Ableger ausgestreut: die beiden Monster, die die Abwehrmagie des Raumschiffs schuf! Die Aliens nützen einen Teil seiner Kraft, um sich zu schützen. Ihr habt erlebt, was daraus wurde.« Loxagon war verdammt gut im Bilde. Er und seine »Freunde« schienen uns schon eine Weile zugesehen zu haben. Wahrscheinlich wollten sie uns Gelegenheit geben, mit unserem Problem selbst fertig zu werden. Daß sie sich nicht gern für uns einsetzten, war klar, aber in diesem Fall brauchten wir Hilfe. So etwas hatte es noch nie gegeben: Wir – Seite an Seite mit diesem Höllenadel. So etwas würde sich wohl auch kaum jemals wiederholen. Carrsh hieß unser gemeinsamer Feind, und ich hatte bereits mit einem Teil seiner Kraft zu tun gehabt. Wenn ich daran dachte, was diese Kraft aus Kate Maddock gemacht hatte, krampfte sich mein Magen zusammen. Loxagon sagte, daß möglicherweise auch noch Yora, die Totenpriesterin, zu ihnen stoßen würde, und wenn das noch nicht reichen sollte, würden sie auch noch Professor Mortimer Kull, Terence Pasquanell, Frank Esslin, den Mord-Magier, und dessen Begleiter Kayba heranziehen. Angeblich waren sie alle in der Nähe und warteten nur auf Loxagons Ruf. »Wir haben Boram im Raumschiff«, sagte ich. »Er soll die magische Abwehr ausschalten und uns Informationen über die Aliens besorgen. Sobald er zurück ist, werden wir einen Plan schmieden.«
»Wenn sich diese verfluchten Kretins nur endlich melden würden!« stieß Noel Bannister wütend hervor. »Sie werden auf euren Funkspruch reagieren«, behauptete Loxagon. »Seit ich hier bin, versuche ich Kontakt mit ihnen aufzunehmen«, sagte Noel Bannister. »Es klappt einfach nicht.« »Ich werde sie zwingen zu antworten«, sagte Loxagon. »Und wie, wenn man fragen darf?« »Ich kann eine magische Brücke zwischen Carrsh und mir schaffen und den Mutanten gegen sie aufhetzen.« »Sie werden nicht glauben, daß du das kannst«, sagte Noel Bannister. »Wenn ich ehrlich sein soll … Ich glaub’s auch nicht.« Loxagon lächelte kalt. »Ich werde es zu gegebener Zeit beweisen.«
* Greifen wir in die Speichen und drehen wir das Rad der Zeit ein Stück zurück … Boram befand sich in Schwierigkeiten! Tony Ballard hatte ihn losgeschickt, und er war sofort darangegangen, seine Mission zu erfüllen. Unsichtbar hatte er sich dem Raumschiff genähert, als es noch zu sehen gewesen war. Die Sensoren hatten auf den Nessel-Vampir nicht angesprochen, und es war ihm leichtgefallen, in das UFO einzusickern. Aber dann war er von einem Alien überlistet worden. Der Außerirdische hatte erkannt, womit man die Dampfgestalt vernichten konnte: mit Feuer! Blitzschnell schuf er mit einem Flammenwerfer in einer der Kammern einen Brand, schloß die Panzertür und überließ Boram seinem Schicksal. Aber der weiße Vampir hatte überlebt. Er war mit dem Rauch durch einen Luftschacht abgezogen und hatte sich einen anderen Außerirdischen geholt, der ihm den Weg zum magischen Nerven-
zentrum des Raumschiffs zeigen mußte. Doch bevor Boram die magische Abwehrautomatik blockieren oder zerstören konnte, stellte ihn der Kommandant des Raumschiffs: Japa, eine Frau, das einzige weibliche Wesen an Bord. Die Nummer eins hatte den Verräter mit ihrem Laserschwert getötet, und nun sollte es Boram an den Dampf-Kragen gehen. Der Nessel-Vampir wehrte sich mit dem Laserschwert, das er erbeutet hatte. Die Klingen bestanden allerdings nicht nur aus Licht, sie waren außerdem mit Magie, angereichert, wodurch Kraftfelder entstanden, die man nicht durchschlagen konnte. Wenn die leuchtenden Klingen aufeinandertrafen, gab es einen knirschenden Laut, und dunkelgrüne Funken sprühten. Japa verstand die Waffe besser zu führen als Boram. Sie war groß und breitschultrig. Ihr mächtiger Schädel saß – ohne Hals – direkt auf ihrem Rumpf, der von einem zotteligen Fell bedeckt war, ihre Hände glichen denen eines Gorillas. Aus ihrem großen Maul, in dem riesige Zähne schimmerten, drang immer wieder ein aggressives Knurren, während sie auf den NesselVampir einstach. Seine Wendigkeit bewahrte ihn vor Verletzungen. Er wirbelte durch den Raum, dessen Wände wie dunkelgrüne, fast schwarze Wolken ständig in Bewegung waren, auf- und niederwallten. Er parierte einen Hieb und leitete mit seiner Waffe gleich darauf einen Stich ab, doch es war jedesmal Glück dabei. Japa war einfach besser. Sie kämpfte zorniger, bissiger. Ihre Brust war voller Wut, weil es Boram geschafft hatte, in das Raumschiff zu gelangen. Er war ein Feind, und Feinde pflegte Japa zu vernichten. Noch nie hatte sie einem Feind das Leben geschenkt. Sie machte im Kampf keine Gefangenen. Sie kannte kein Mitleid, und sie würde mit Boram so verfahren, wie er es ihrer Ansicht nach verdiente. Der weiße Vampir war gezwungen, sich zurückzuziehen.
Er duckte sich, und Japas Laserschwert sauste knapp über seinen Kopf hinweg. Die Dampfgestalt versuchte alles, um aus der Defensive zu kommen, doch Japa ließ es nicht zu. Wieder stach sie auf ihn ein. Boram sprang zurück. Japa drehte ihr Schwert, so daß sich die beiden Lichtklingen knirschend aneinander rieben. Die Drehungen kamen aus Japas Handgelenk. Gedankenschnell vollführten sie sie, und einen Augenblick später stand Boram ohne Waffe da. Sie war ihm aus der Hand gerissen worden. »Jetzt stirbst du!« knurrte das Weltraummonster. »Sage mir deinen Namen, damit ich weiß, wen ich töte!« »Boram«, antwortete der Nessel-Vampir hohl und rasselnd. Japa setzte ihm die Klinge an die Kehle. »Auf die Knie, Boram!« Er gehorchte, und Japa holte mit dem Laserschwert aus.
* Im selben Moment gab Lieutenant Nicholas Potts draußen den Feuerbefehl. Ohne es zu wissen, rettete er dem weißen Vampir damit das Leben. Kanonen, Panzer, Granat- und Raketenwerfer legten los. Ein mörderischer Stahlhagel ging auf das Raumschiff nieder. Es wurde so heftig geschüttelt, daß Japa beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Sie brüllte vor Wut. »Um dich kümmere ich mich später, Boram!« fauchte sie. Und dann kam etwas aus ihrem Maul, das sich wie »CASCA-DER!« anhörte. Es mußte sich um eine magische Wortverbindung handeln, denn plötzlich kniete Boram in einem grünen Kreis, den er nicht verlassen konnte. Japa fuhr herum und stürmte davon. Sie eilte einen goldenen Gang entlang, kletterte eine Goldleiter hoch und schrie nach Ugun,
dem Wesen, das dafür verantwortlich war, daß ihre Befehle ausgeführt wurden. Nach wie vor wurde das UFO heftig geschüttelt. Japa wurde gegen die Wand geworfen. Sie stieß sich davon ab und rannte weiter. Zwei Aliens kamen ihr entgegen. »Ugun soll sofort zu mir in den Kommandostand kommen!« schrie sie und lief weiter. Als sie dort ankam, traf auch Ugun ein. »Sie wagen es!« schrie Japa außer sich vor Zorn. »Diese niedrigen, unterentwickelten Kreaturen wagen es, uns anzugreifen!« »Keine Sorge, Nummer eins. Sie können uns mit ihren Waffen nichts anhaben. Unser Schutz ist perfekt«, beruhigte Ugun sie. »Begreifst du nicht, worum es hier geht, Ugun? Sie haben die Frechheit, uns den Krieg zu erklären! Das lasse ich mir nicht bieten!« »Du solltest dich zu keiner Unbesonnenheit hinreißen lassen, Nummer eins. Du weißt, wie schlecht es um unsere Energiereserven bestellt ist.« »Willst du mir schon wieder sagen, was ich zu tun habe?« herrschte Japa ihren Untergebenen an. »Es war nur ein Rat«, verteidigte sich Ugun. »Wir benötigen die vorhandene Energie für den Start, sobald die Reparaturarbeiten abgeschlossen sind.« »Wir werden uns die erforderliche Energie beschaffen – wenn wir sie brauchen. Die Menschen wollen den Krieg. Sie können ihn haben. Niemand greift mich ungestraft an, das lasse ich mir nicht gefallen!« Ugun war mit Japas Entschluß nicht einverstanden, aber er hatte nicht den Mut, ihr zu widersprechen. Immer noch krepierten Granaten, heulten Raketen. Japa verlangte, daß alle ihre Gefechtspositionen einnahmen. Ugun befürchtete, daß sie mit Carrsh Schwierigkeiten bekommen könnten. Der Mutant entwickelte sich ständig weiter. Die Erdatmosphäre be-
günstigte das. Wenn man die Kontrolle über ihn behalten wollte, mußte man ihn mit sehr viel Energie unter Druck setzen. Ugun hielt nichts davon, kostbare Kraft an die Menschen zu verschwenden, die ihnen ja doch nicht gefährlich werden konnten. Aber er war auf diesem Raumschiff nicht die Nummer eins, folglich mußte er Japa gehorchen. Nach zwanzig Minuten stellte die Armee das Feuer ein. Japa trat an eines der Fenster und blickte durch das schwarze Glas. »Gönnen wir ihnen zunächst einen kurzen Siegestaumel. Wiegen wir sie erst einmal in Sicherheit. Um so größer wird hinterher der Schock für sie sein.« Sie drückte auf große rote Knöpfe, schaltete damit das Anti-Reflexionssystem ein, und die Menschen konnten das UFO nicht mehr sehen. Ein unbeschreiblicher Jubel brandete gegen das unsichtbare Raumschiff. »Sieh nur, wie sich diese Narren freuen. Sie wissen nicht, was ihnen bevorsteht.« »Könnten wir uns damit nicht begnügen?« fragte Ugun. Da griff Japa nach ihrem Laserschwert. Sie ließ die Leuchtklinge ausfahren und setzte sie Ugun an die Brust. »Noch so ein Wort, und ich töte dich!« »Verzeih, Nummer eins«, sagte Ugun unterwürfig. »Bereite alles für den Konterschlag vor!« befahl ihm Japa. »Wir werden denen zeigen, mit wem sie es zu tun haben.« »Wir sind in wenigen Augenblicken soweit, Nummer eins.« »Ich bestimme den Zeitpunkt!« Ugun legte seine Faust an die Brust und zog sich zurück.
* Boram saß fest, er konnte sich nicht erheben, konnte sich kaum bewegen. Das Donnern, Blitzen und Krachen hatte aufgehört. Irgend etwas mußte draußen schiefgegangen sein. Boram nahm
an, daß man einen Befehl von Noel Bannister falsch verstanden hatte. Niemals konnte der CIA-Agent der Armee diesen Feuerbefehl gegeben haben. Bannister wußte nicht, welche Folgen ein Angriff hatte. Niemand wußte es, und Boram war davon überzeugt, daß ihn der PentagonMann niemals einer unbekannten Gefahr ausgesetzt hätte. Der Angriff mußte ein Irrtum gewesen sein – und er hatte nichts eingebracht. Das Raumschiff und seine Besatzung waren nicht zu Schaden gekommen. Boram widersetzte sich der magischen Kraft, die ihn hier festhalten sollte – so lange festhalten, bis Japa wieder Zeit für ihn hatte. Dann würde sie wiederkommen und ihm mit ihrem Laserschwert den Kopf abschlagen. Er durfte nicht mehr hier sein, wenn sie zurückkam. Verbissen quälte er sich hoch. Die feindliche Kraft verhinderte, daß er die eigene Kraft voll entfalten konnte. Er blähte seinen Oberkörper auf, dehnte, streckte sich, achtete aber darauf, daß er mit dem magischen Kreis, dieser dunkelgrünen Linie, nicht in Berührung kam, denn das wäre ihm mit Sicherheit schlecht bekommen. Es gelang ihm schließlich unter Aufbietung all seiner Kraft, sich soweit auszudehnen, daß man ihn nicht mehr sehen konnte, und nun bot er der feindlichen Magie keine Angriffsfläche mehr. Er überwand den grünen Ring und verdichtete den Dampf gleich darauf wieder. Dann hob er das erbeutete Laserschwert auf und zerstörte damit jene Apparaturen, die für das automatische Magie-Abwehrsystem verantwortlich waren. Er ging dabei so gründlich vor, daß die Geräte nicht mehr instandzusetzen waren. Endlich durfte er seine Aufgabe als ausgeführt betrachten. Nun mußte er das Raumschiff verlassen und zu Tony Ballard und den anderen zurückkehren. Unsichtbar verließ er das magische Ab-
wehrzentrum. Er schlug denselben Weg ein, den er gekommen war. Das Laserschwert mußte er zurücklassen. Er brachte es nicht durch die Öffnungen, durch die er in das UFO gelangt war.
* Als das Raumschiff wieder sichtbar wurde, reagierten die Menschen mit Entsetzen und Kopflosigkeit. Plötzlich schrie niemand mehr nach Lieutenant Nicholas Potts, dem Helden, den man feiern wollte. Angst und Panik griffen um sich. Am Raumschiff hatte sich nichts verändert. Mit den schwersten Geschützen hatte man dem UFO nichts anhaben können. Was nun? Das UFO war wieder da, und den Menschen stockte vor Schreck der Atem. Viele von ihnen rechneten mit einem Gegenschlag der Außerirdischen, und er ließ auch nicht mehr länger auf sich warten. Ein grelles Strahlenfeld bildete sich über dem Flugobjekt, und gleißende Bündel stachen in alle Richtungen. Sie hieben gegen Kanonen und zerstörten sie, trafen Panzer, vernichteten Granatwerfer. Die Strahlen rissen große Lücken in den dichten Armeering. Keinem fiel mehr ein, auf das UFO zu schießen. Die mutigsten Männer sprangen von ihren Geschützen und ergriffen die Flucht. Nicht alle kamen mit dem Leben davon. Es war eine erschreckende Machtdemonstration der Aliens. Die Außerirdischen zeigten den Menschen, wie lächerlich schwach sie waren. Die Panik griff immer mehr um sich. Jedermann suchte sein Heil in der Flucht. Zurück blieben unbemannte Geschütze, leere Tanks, verlassene Stellungen. Es herrschte das absolute Chaos. Man hatte die Aliens herausgefordert, und diejenigen, die vor kurzem noch Lieutenant Potts als Helden feiern wollten, schrien jetzt, man solle ihn erschießen.
Der Strahlenzauber dauerte nur wenige Minuten. Die Wirkung war verheerend, das Ergebnis erschreckend. In taumelnder Ohnmacht standen die Menschen diesem übermächtigen Feind aus dem All gegenüber. Wie sollte es weitergehen? Wie würde das Ende aussehen? Mit ihren starken Strahlenwaffen konnten die Aliens New York vernichten. Vielleicht waren sie sogar in der Lage, ganz Amerika auszulöschen. Oder die ganze Welt? Das Strahlenfeld erlosch, und lähmende Angst kroch den Menschen in die Seele. Gab es wirklich keine Möglichkeit, die Außerirdischen loszuwerden?
* Als die Verlustmeldungen eingingen, hieb Noel Bannister mit der Faust auf den Tisch. »Verdammt, das haben wir alles diesem Idioten zu verdanken. Wenn Potts sich nicht über meine Befehle hinweggesetzt hätte, wäre uns das erspart geblieben. Was machen wir? Verflucht noch mal, was machen wir denn nun?« »Herr.« Mich riß es förmlich herum. Es gab nur einen, der mich »Herr« nannte, und noch dazu mit dieser hohlen, rasselnden Stimme: Boram! Ich hätte ihn vor Freude am liebsten umarmt. Boram war wieder da! Meine Güte, war das eine angenehme Überraschung, nach all den schrecklichen Dingen, die wir erlebt hatten. Er sah Loxagon und die anderen Mitglieder des Höllenclans und zuckte merklich zusammen. Doch bevor er sich auf Mago oder Phorkys stürzte, die in seiner Nähe standen, erklärte ich ihm die außergewöhnliche Situation. »Wir stehen dieses eine Mal auf derselben Seite.« »Sie sind unsere Freunde?« »Verbündete«, schränkte ich ein. Freunde … das war etwas ganz anderes. »Wieso warst du so lange weg?« fragte ich den weißen
Vampir. »Wie erging es dir im Raumschiff? Du warst doch drinnen, nicht wahr?« »Ja, Herr.« »Wie viele sind es? Aus wie vielen Aliens besteht die Mannschaft?« erkundigte ich mich. »Ich kann nur schätzen, Herr … Etwa vierzig. Sie arbeiten mit Hochdruck an der Behebung der Schäden im Inneren, denn sie möchten die Erde so schnell wie möglich verlassen.« »Niemand hat etwas dagegen«, meldete sich Noel Bannister. »Wieso antworten sie auf meine Funksprüche nicht? Verstehen sie nicht, was ich sage?« »Doch, sie sind der menschlichen Sprache mächtig«, antwortete Boram. »Sie antworten nicht, weil Japa, die Nummer eins, es unter ihrer Würde findet, mit einem Menschen zu sprechen.« »Dieses aufgeblasene, arrogante Wesen!« empörte sich Noel Bannister. »Was bilden die sich ein? Was denken sie, wer sie sind?« »In kriegerischer Hinsicht haben sie auf jeden Fall mehr auf dem Kasten als wir, das haben sie bewiesen«, sagte ich. »Wir sind mit unserem Latein noch nicht am Ende!« tönte Noel Bannister zornig. Vor wenigen Augenblicken hatte er noch anders gesprochen. »Sie haben Energieprobleme«, berichtete Boram. »Undichte Leitungen zwangen sie, ihren Kurs zu ändern und auf der Erde notzulanden. Sie haben so viel Treibstoff verloren, daß sie beim Start möglicherweise die Anziehungskraft der Erde nicht überwinden können. Deshalb haben sie so lange nichts unternommen – weil sie mit der vorhandenen Energie haushalten mußten.« »Nun haben sie aber doch zuge …«, begann Noel Bannister. Plötzlich unterbrach er sich, und er schaute Boram mit großen Augen an. »Moment, heißt das, daß sie ihre Energie verschleudert haben und nun nicht mehr starten können? Verdammt, wollen die etwa bis zum Jüngsten Tag hierbleiben?«
»Sie verwenden für den Antrieb ein Treibstoff-Magie-Gemisch. Die Magie leiten sie von Carrsh ab …« »Dem Mutanten«, sagte ich. »Du hast von ihm erfahren, Herr?« fragte mich Boram. Ich erzählte ihm mit knappen Worten, was sich während seiner Abwesenheit zugetragen hatte. »Japa hat den Mutanten überlistet und gefangengenommen. Sie war mit ihm zu ihrem Heimatplaneten Vyppon unterwegs, als der Defekt in der Leitung auftrat«, erzählte Boram. »Hast du Carrsh gesehen?« wollte ich wissen. »Nein, Herr.« »Konntest du die magische Abwehrautomatik ausschalten?« »Ja, Herr, das ist mir gelungen. Nachdem die Aliens ihre Energie für diesen Konterschlag verschwendet haben, sind sie gezwungen, ihre Tanks aufzufüllen.« »Womit?« fragte Noel Bannister. »Womit betreiben sie ihre Antriebsaggregate?« »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß es diesen Stoff auf der Erde gibt.« »Sie werden ihn von uns verlangen«, sagte Noel Bannister. »Und ich bin bereit, ihre Tanks damit zu füllen, wenn sie nur schnell genug abhauen.« »Sie verwenden eine spezielle Aminosäure-Verbindung«, meldete sich Atax, die Seele des Teufels, zu Wort. »Diese ist nur in organischen Substanzen zu finden. Die Form, die sie bevorzugen, befindet sich nur in euch …« »Du meinst … in uns Menschen? Sie werden Menschen verlangen, um ihre Treibstofftanks zu füllen? Großer Gott.«
* Es war so still, daß man eine Stecknadel zu Boden fallen gehört hät-
te. Das Grauen schnürte uns die Kehle zu. Es kam nicht in Frage, daß wir Menschen opferten, damit die Aliens abfliegen konnten. Es mußte eine andere Möglichkeit geben, die Außerirdischen loszuwerden. Ich bat Boram, weiterzuerzählen. Sein Bericht war äußerst nüchtern und präzise, ohne jedes überflüssige Beiwerk. Daß man ihn zweimal beinahe vernichtet hätte, überging er mit oberflächlichen Worten. Ich ließ ihn das Innere des Raumschiffs beschreiben, bat Noel Bannister, Bleistift und Papier zu besorgen, und dann mußte Boram Detailskizzen sowie einen Querschnitt durch das UFO zeichnen. Anhand der Skizzen konnten wir uns alle ein genaueres Bild machen. Wir sahen, wo sich der Kommandostand befand, wo das magische Abwehrzentrum war. »Und wo befindet sich Carrsh?« wollte Noel Bannister wissen. »Das kann ich nur vermuten«, antwortete Boram, und dann wies sein grauer Dampffinger auf einen bestimmten Punkt. »Wenn sie bleiben, wird der Mutant entarten«, sagte Boram. »Und sie können nicht weg, weil sie ihre Energie für diesen Konterschlag verschwendet haben«, sagte der CIA-Agent. »Himmel, wann gibst du mir die Erleuchtung? Ich kann keine Menschen in den Tod schicken, damit die Welt bestehen bleibt.« Metal war dafür, die Außerirdischen anzugreifen. »Wie kommen wir hinein?« fragte Bannister. »Wir könnten noch einmal Boram vorschicken. Er öffnet für uns die Einstiege, und wir fallen über die Aliens her.« »Und was machen wir mit Carrsh? Wie werden wir mit dem fertig?« »Es wird sich ein Weg finden, sobald wir die Aliens besiegt haben«, sagte Metal, doch sein kriegerischer Vorschlag stieß auf wenig Gegenliebe. Das Risiko ließ sich dabei nicht abschätzen.
*
Japa war stolz und zufrieden. Sie hatte Ugun zu sich beordert. »Denen haben wir es gezeigt. Die wagen es nicht noch einmal, auf uns zu schießen. Hast du die Skalen abgelesen?« »Ja, Nummer eins.« »Wieviel Energie hat uns der Konterschlag gekostet? Ich habe ihn kurz gehalten.« »Ich fürchte dennoch, daß wir den unteren Grenzbereich überschritten haben, Nummer eins.« »Dann müssen wir eben mehr Magie beimengen. Davon ist genug vorhanden.« »Wenn das Gemisch zu dünn wird, bringen die Aggregate nicht die volle Leistung, Nummer eins.« »Denkst du, das mußt du mir sagen?« herrschte ihn Japa an. »Ich bin imstande, dieses Raumschiff ganz allein zu fliegen. Du wirst dafür sorgen, daß wir mit der vorhandenen Energie starten können. Ich weiß, daß es möglich ist. Man muß nur das nötige Feingefühl dafür haben. Wenn wir den Kraftstoff genau richtig dosieren, überwinden wir die Anziehungskraft dieses Planeten, und sind wir erst im All, gleiten wir im Minimalantrieb nach Hause. Auf Vyppon wartet ein Tempel auf Carrsh. Wir wollen doch nicht, daß er leer bleibt.« »Natürlich nicht, Nummer eins«, sagte Ugun. Japa hob den Kopf. »Ich werde mit Carrshs Hilfe und mit seiner Kraft das Universum beherrschen. Ruhm und Macht wird mir die Zukunft bescheren. Sobald wir diese Welt verlassen haben, kann das keiner mehr verhindern!« »Ich werde tun, was ich kann, um dir zu helfen, Nummer eins«, sagte Ugun. »Denn nur du bist würdig, diese Macht in deine Hände zu bekommen.«
*
Noel Bannister befahl der Armee, sich zurückzuziehen. Auch die Polizei sollte vom Raumschiff abrücken. Der Ring vergrößerte sich, wurde zu einem beachtlichen Respektabstand, damit sich die Aliens sicher fühlten. Danach versuchte der CIA-Agent wieder ohne viel Hoffnung, einen Funkkontakt mit den Außerirdischen herzustellen. Wie nicht anders zu erwarten, meldete sich niemand. Auch dann nicht, als sich Noel Bannister direkt an Japa, die Nummer eins, wandte. »Jetzt platzt mir bald der Kragen!« schrie Bannister ins Mikrophon. »Wie lange willst du mich noch hinhalten, Japa? Ich weiß, daß du mich hörst, und ich weiß auch, daß du mich verstehst. Verdammt noch mal, steig endlich herunter von deinem hohen Roß und sprich mit mir!« Sie ließ ihn zappeln. Er konnte sie nicht aus der Reserve locken. Japa wollte die Dinge bestimmen, das Geschehen diktieren. Sie ließ sich kein Gespräch aufzwingen. Nur wenn sie reden wollte, würde sie es tun. »Dieses Weib macht mich fertig«, knirschte Noel Bannister. »Wenn es eine Möglichkeit gäbe, sie auf den Mond zu schießen, würde ich es tun.« »Das wäre nicht weit genug«, sagte ich. »Japa ist andere Entfernungen gewöhnt.« Loxagon wollte mit Japa reden. Noel Bannister überließ ihm das Mikrophon. Der Teufelssohn rief die Nummer eins der Aliens, wie es Noel getan hatte. Es hätte mich gewundert, wenn Japa ihm geantwortet hätte. Sie blieb weiterhin stumm. »Es ist Loxagon, Asmodis’ Sohn, der mit dir spricht!« sagte er scharf. »Ich befehle dir, mir zu antworten.« Das war mit Sicherheit der falsche Ton, denn Japa ließ sich nichts befehlen. Immerhin war sie auf dem Weg, Herrscherin des Universums zu werden. Hatte sie es da nötig, mit einem Teufelssohn zu reden?
»Ich weiß, daß du mir zuhörst«, sagte Loxagon. »Du denkst, dir von mir nichts sagen lassen zu müssen, doch das ist ein Irrtum, den du bereuen wirst. Ihr habt den Fehler gemacht, auf der Erde zu landen. Nach diesem Planeten hat die Hölle die Hand ausgestreckt, und wir sind nicht bereit, diese Welt mit euch zu teilen, deshalb solltet ihr schnellstens von hier verschwinden. Mir ist bekannt, daß das für euch nicht einfach ist. Vielleicht können wir helfen. Solltest du die Hand, die ich dir entgegenstrecke, mißachten, gibt es wieder Krieg, doch dann bekämpfen wir euch mit anderen Waffen. Wir setzen nicht Kanonen, nicht Panzer und Raketen gegen euch ein, sondern konzentrierte Höllenkraft. Du kannst sicher sein, daß das keiner von euch überlebt. Überlege dir deine Entscheidung gut, aber laß dir nicht zu lange Zeit, denn ich werde eine magische Brücke zu Carrsh schlagen und Einfluß auf ihn nehmen. Ich werde verderbliche Kräfte in ihm wecken; Kräfte, die sich gegen euch richten werden, wenn du dich meinem Willen nicht beugst. Dann wird der Mutant nicht länger in seinem Gefängnis zu halten sein. Er wird ausbrechen, das Raumschiff zerstören und euch alle vernichten – bevor wir ihn töten.« Aus dem Lautsprecher tropfte Stille – sonst nichts.
* Gedroht! Man hatte ihr gedroht! Japa tobte. Beinahe hätte sie sich zu einer Antwort hinreißen lassen, doch sie preßte die Kiefer wütend zusammen und schwieg. Man befahl ihr nicht, man gehorchte! Und wer ihr drohte, mußte sterben! Loxagon! Sie wollte sich diesen Namen gut merken. Seine Abstammung war ihr egal. Nicht einmal der Teufel persönlich durfte so mit ihr reden. Wenn sie diese Welt verließen, wollte Japa Loxagon an Bord haben. Er hatte damit geprahlt, auf Carrsh Einfluß nehmen zu können.
Nun, sie würde ihm diese Gelegenheit bieten: Er durfte den Hunger des Mutanten stillen. Sie wollte Loxagon an Carrsh verfüttern! Die Dampfgestalt fiel ihr ein. Sie verließ die Kommandozentrale und begab sich in den magischen Raum. Die Laserklinge fuhr aus, doch das wäre nicht nötig gewesen. Das Dampfwesen befand sich nicht mehr in dem Kreis, aus dem kein Alien entkommen wäre. Japa fluchte in der Sprache von Vyppon, und sie tobte abermals, als sie sah, was Boram angerichtet hatte. Der Schaden war irreparabel. Das bedeutete, daß das Raumschiff einen wichtigen Schutz verloren hatte. Wußte Loxagon davon? Würde er diese Schwäche nützen? Japa löschte den magischen Ring mit einem einzigen Wort. Sie verließ den magischen Raum und bestimmte vier Wesen, die den Schaden wenigstens provisorisch zu beheben versuchen sollten. Sie hatte jedoch wenig Hoffnung, daß dem Versuch ein Erfolg beschieden sein würde. Ugun erschien, und er war sehr erregt: »Nummer eins, Carrsh will ausbrechen!« meldete er. »Dafür ist Loxagon verantwortlich. Es ist ihm tatsächlich gelungen, mit dem Mutanten in Verbindung zu treten.« Japa folgte Ugun. Er eilte vor ihr her, und sie erreichten jenen Teil des Raumschiffs, den nur Ausgewählte betreten durften. Die Wesen, die Carrsh bewachten, hatte Japa selbst ausgesucht. Sie trugen Strahlenwaffen und Laserschwerter, und sie waren bereit, für Japa ihr Leben zu geben. Sie waren Japas Elite! Carrsh befand sich hinter den dicken goldenen Wänden eines eigens für ihn gebauten Gefängnisses, in einem Behälter, aus dem er nicht hätte entkommen können, wenn der Flug nach Vyppon nicht unterbrochen worden wäre.
Es gab ein rechteckiges Fenster – strahlensicher –, durch das man den Mutanten sehen konnte. Als man ihn gefangen und eingekerkert hatte, war er nur halb so groß gewesen. Nun füllte er schon den ganzen Raum aus. Fortwährend veränderte er Form und Farbe. Hier wuchsen Krallen, dort ein Tentakel. Es gab abstruse Schädelgebilde, die aufsprangen wie Knospen und seltsame Gewächse freigaben. Irgend etwas hämmerte gegen die dicke Wand, und der Kerker war von einem wilden Heulen erfüllt. »Bereitet die Laserschneider vor!« verlangte Japa. »Was hast du vor, Nummer eins?« fragte Ugun. »Er wuchert zu schnell. Ich schneide weg, was zuviel ist.« »Das kostet uns abermals Energie, Nummer eins.« »Schaltet die Laserschneider ein!« schrie Japa, ohne sich um Uguns Einwand zu kümmern. »Energie für die Laserschneider!« Ein riesiges Maul saugte sich am Fenster fest, und eine gelbe Zunge schnellte wie eine Stahlfeder dagegen. Carrsh tobte so heftig, daß das Raumschiff bebte. Und das verschraubte und vernietete Metall knackte. Japa hatte vor, sich den Mutanten »zurechtzustutzen«. Eine Flügeltür wurde geöffnet. Die Geräte standen bereits unter Spannung. Carrsh bestand aus einem Kern und unzähligen Extremitäten. Er versuchte unentwegt, das Glas mit seiner immer wieder vorschnellenden Zunge zu zertrümmern. Japa blickte auf die vier Monitore, die sich vor ihr befanden. Sie zeigten ihr Carrshs ganze Scheußlichkeit aus vier verschiedenen Perspektiven. Japa schob ihre schwarzen Finger in die Öffnungen von Metallgreifern und schaltete die Schneider ein. Auf den Bildschirmen wurden vier Laserstrahlen sichtbar. Jeweils zwei bewegten sich aufeinander zu, wenn es Japa wollte. Auf diese Weise bediente die Nummer eins zwei Laserscheren, und sie schnitt von Carrsh ab, was zuviel war. Natürlich würde er
nachwuchern, doch das würde einige Zeit dauern. Sehr oft konnte man diesen Vorgang nicht wiederholen, denn Carrsh wurde dadurch immer kräftiger. Diesbezüglich konnte man den Mutanten mit einer Pflanze vergleichen. Je mehr man sie stutzt, desto besser und dichter wird sie, und man kräftigt sie außerdem auch noch. Carrsh versuchte, sich vor den Strahlenschenkeln in Sicherheit zu bringen, doch der Behälter war zu klein. Carrsh konnte nicht ausweichen. Immer wieder kam Japa zu einem neuen Schnitt. Was von Carrsh abfiel, trocknete in Sekundenbruchteilen und zerfiel zu Staub. Bald bestand Carrsh nur noch aus einem klumpigen Körper ohne Extremitäten. Dann erst ließ Japa von ihm ab. Davon mußte sich der Mutant erst einmal erholen. Japa zog die Finger aus den Öffnungen und trat zurück. »Abschalten!« befahl sie. Ugun brauchte nichts zu sagen. Japa wußte auch so, was er dachte. »Damit haben wir die Chance für einen erfolgreichen Start völlig vertan, das meinst du doch, oder?« »Es steht mir nicht zu, dich zu kritisieren, Nummer eins«, sagte Ugun unterwürfig. »Aber mit dem vorhandenen Treibstoff brauchen wir den Start nicht einmal zu versuchen. Er kann nicht gelingen.« »Dann ist es Zeit, daß ich mit den Menschen rede«, sagte Japa. »Ich werde meine Forderungen stellen, und sie müssen sie erfüllen.«
* Wir hatten uns zurückgezogen, um Kriegsrat zu halten. Mittlerweile war auch noch Yora, die Totenpriesterin, eingetroffen. Sie war eine rothaarige Schönheit mit grünen Augen. Niemand sah ihr an, wie gefährlich sie war. Sie wirkte sanft und
schutzbedürftig, aber das war sie nicht. Sie trug ihren mit schwarzmagischen Zeichen bestickten Blutornat, unter dem sie einen ganz besonderen Dolch verbarg. Damit konnte sie Menschen zu Zombies machen – sie schnitt ihnen einfach die Seele aus dem Leib. Ich war im Umgang mit ihr immer sehr vorsichtig, schließlich war sie eine Dämonin, und es wäre ein verhängnisvoller Fehler gewesen, in ihrer Nähe arglos zu sein. Einst hatte Yora eine Zwillingsschwester gehabt; die weiße Hexe Oda, deren Geist sich nun in Lance Selbys Körper befand. Es hätte zu Spannungen geführt, wenn Lance neben Yora gesessen hätte, deshalb nahm Mr. Silver zwischen ihnen Platz. Atax hatte Yora informiert, und sie war bereit, die Welt mit uns zu verteidigen – für die Hölle. Es lag auch in ihrem Interesse, daß sich keine dritte Macht auf der Erde festsetzte. Loxagon war davon überzeugt, daß sich Japa bald melden würde. Er hatte diese magische Brücke zu Carrsh nicht lange aufrechterhalten können, aber er war sicher, den Mutanten zum Toben gebracht zu haben. Der farbige Sergeant Baker riß die Tür auf und rief nach Noel Bannister. Er trat nicht ein, denn die Ansammlung zwielichtiger Höllengestalten war ihm nicht geheuer. Noel sprang auf. »Was ist, Sergeant?« »Japa!« Noel warf mir einen aufgeregten Blick zu. Ich verließ mit ihm den Raum. Die anderen folgten uns langsam. Noel Bannister stürzte sich auf das Funkgerät. »Hier spricht Japa!« kam die synthetisch klingende Stimme der Nummer eins aus dem Lautsprecher. »Die Königin der Magie – und bald auch Königin des Universums! Ihr habt es gewagt, uns anzugreifen! Wir haben euch dafür bestraft, und wenn wir wollten, könnten wir alle eure Waffen vernichten, aber das ist uns zu unwichtig. Ihr habt es ferner gewagt, mir Befehle erteilen zu wollen. Auch das
wird eine Strafe nach sich ziehen. Ihr seid zu klein, zu schwach, zu unscheinbar, um euch ernsthaft mit uns messen zu können. Ihr müßt vor uns im Staub kriechen, und mein Wille ist für euch Gesetz. Wenn ihr es verletzt, verliert ihr euer Leben!« »Die nimmt ihr Maul ziemlich voll«, knurrte Noel Bannister. »Können wir nicht in einem etwas freundschaftlicheren Ton miteinander reden, Japa?« fragte ich. Sie wollte wissen, wer gesprochen hatte. Ich nannte meinen Namen, und sie ließ mich wissen, daß es zwischen den hochentwickelten Aliens und uns, den niedrigen Kreaturen, niemals eine Freundschaft geben würde. »Ich bin Noel Bannister, der Einsatzleiter, derzeitiger Oberbefehlshaber sämtlicher Streitkräfte …«, begann mein Freund. Japa unterbrach ihn mit einem lauten Fauchen. »Streitkräfte? Du nennst dieses jämmerliche Pack Streitkräfte? Hast du nicht gesehen, was wir mit deinen Streitkräften gemacht haben?« »Ihr braucht etwas von uns, sonst hättest du dich nicht nach so langem trotzigem – oder hochmütigem – Schweigen gemeldet«, sagte Noel Bannister frostig. »Was können wir dazu beitragen, daß ihr so bald wie möglich startet? Wie ich hörte, habt ihr Energieprobleme.« »Ich sehe, euer Spion ist zu euch zurückgekehrt«, sagte Japa bissig. »Nun denkt ihr, über uns Bescheid zu wissen. Vielleicht glaubt ihr sogar, eine Chance gegen uns zu haben …« »Es hat Tote gegeben, Japa«, sagte ich. »Dennoch möchten wir das Problem auf friedliche Weise lösen.« »Weil ihr müßt. Schwächlinge können dem Feind keinen Kampf aufzwingen, deshalb streben sie nach einer friedlichen Lösung!« sagte Japa großspurig. »Ich befinde mich in der Position des Stärkeren, deshalb kann ich die Bedingungen stellen!« »Und wie lauten die?« fragte Noel Bannister. »Ich will Menschen!«
Mir war, als hätte man mich mit Eiswasser übergossen. Die ganze Zeit schon hatte ich befürchtet, daß sie das sagen würde. Nun war es heraus, und ich zuckte nervös zusammen und wechselte mit Noel Bannister einen raschen Blick. »Arbeiter?« fragte Noel – eigentlich ohne Hoffnung. »Mechaniker? Techniker? Elektroniker?« »Ihre Berufe interessieren mich nicht. Ich fordere sie nicht an, damit sie uns bei den Reparaturarbeiten helfen«, sagte Japa. »Die sind bald abgeschlossen.« Noel Bannister schluckte trocken, und ich sah, wie seine Stirn anfing zu glänzen. Er kannte die Antwort. Dennoch fragte er: »Wozu brauchst du Menschen?« Japa war nicht bereit, darüber Auskunft zu geben. »Du wirst sie mir zur Verfügung stellen!« sagte sie hart. »Sie würden sterben.« Das gab Japa zu. »Menschen!« wiederholte sie. »Fünfzig Menschen! Beschaff sie schnell, Noel Bannister!« »Ich überlasse euch keinen einzigen!« schrie mein Freund zornig. »Leben ist etwas Kostbares …« »Du hast die Wahl«, unterbrach ihn Japa. »Entweder erfüllst du meine Forderung, und fünfzig Menschen verlieren ihr Leben, oder wir vernichten euch alle … die ganze Welt! Wir rotten die gesamte Menschheit aus! Was ist dir lieber?« »Ich opfere keinen einzigen Mann«, knirschte Noel Bannister. »Das ist nicht dein letztes Wort.« »O doch. Dieses Blutgeschäft mache ich nicht mit euch!« Sie war so großzügig, ihm Bedenkzeit zu geben. Sie empfahl ihm, sich seine Entscheidung gründlich zu überlegen. Es lag bei ihm, ob fünfzig oder alle Menschen sterben würden. Noel Bannister schaltete das Mikro ab und trat zurück. Wütend schüttelte er den Kopf. »Sie kriegt nicht, was sie verlangt, da kann sie sich auf den Kopf stellen!«
Yora wäre bereit gewesen, den Aliens fünfzig Menschen zu opfern. Natürlich, sie gehörte nicht zu uns, und ein Menschenleben war nichts Besonderes für sie. »Wenn du auf ihre Forderung eingehst, rettest du die Welt«, sagte die Dämonin. »Kommt nicht in Frage!« lehnte Noel entschieden ab. »Darüber diskutiere ich nicht mit einer Dämonin!« »Willst du wirklich das Leben von vier Milliarden Menschen aufs Spiel setzen?« fragte Yora. »Die Aliens können nicht die ganze Menschheit ausrotten, so stark sind sie nicht. Sie bluffen.« »Sie haben Carrsh an Bord«, sagte Yora. »Und er ist sehr wohl imstande, alles Leben auf diesem Planeten auszulöschen. Wie viele Menschen sterben auf dieser Welt in sinnlosen Kriegen? Wie viele Menschen verlieren bei Unfällen und Katastrophen ihr Leben? Kommt es da auf fünfzig weitere Todesopfer an?« »Ja!« herrschte Noel Bannister die Totenpriesterin an. »Spar dir deinen Atem. Du kriegst mich nicht herum. Ich schicke keine fünfzig Menschen in den Tod. Es muß eine andere Lösung geben – und die werden wir finden.« »Und wenn nicht?« Noel Bannister bleckte die Zähne. »Wir haben doch euch. Nun zeigt mal, was ihr könnt. Wenn die Aliens unsere Welt zerstören, ist sie auch für euch verloren. Das wollt ihr doch nicht. Also strengt euch an, damit es nicht dazu kommt.«
* Fünfzig Menschen! Fünfzig Opfer! Für Randolph Albritton war das ein Preis, den man seiner Ansicht nach unbedingt bezahlen sollte. Er war Journalist, war von seiner Zeitung, dem »New York Chronicle«, zum Central Park geschickt
worden, und er hatte seiner Redaktion per Autotelefon übermittelt, was sich bisher zugetragen hatte. Da sich nun schon seit geraumer Zeit nichts mehr getan hatte, hatte sich Albritton mit seinem leistungsstarken Funkgerät, das sich in seinem Wagen befand, gewissermaßen auf den Wellen auf die Lauer gelegt, und das hatte sich gelohnt, denn so war er Zeuge des Gesprächs zwischen Japa und Noel Bannister geworden. Fünfzig Menschen nur … und die Welt war gerettet! Randolph Albritton konnte Bannister nicht verstehen. Wenn er an der Stelle des Pentagon-Mannes gewesen wäre, hätte er das Geschäft mit den Außerirdischen gemacht. Fünfzig Menschen – was ist das schon? dachte Albritton. Selbstverständlich dachte er dabei nicht an sich selbst, nein, er fühlte sich noch zu gut, um sich als Opfer zur Verfügung zu stellen, aber es gab auch andere, denen es dreckig ging, die mit ihrem Leben sowieso nichts anzufangen wußten. Endlich hätten sie etwas Sinnvolles tun können. In Amerika, diesem großen Menschenreservoir, mußten sich doch fünfzig Personen auftreiben lassen, die sich für diese tödliche Mission freiwillig zur Verfügung stellten. Idealisten, die bereit waren, ihr Leben für die Rettung der Welt zu geben. Albritton dachte an die Mitglieder von Todesbrigaden, denen es nichts ausmachte, für ihre Idee zu sterben. Teufel noch mal, dieses Problem mußte doch zu lösen sein. Man mußte die Leute nur richtig packen und aufrütteln. Als sein Plan einigermaßen Fuß und Kopf hatte, nahm Albritton den Hörer des Autotelefons aus der Halterung und wählte die Nummer seiner Zeitung. Eine piepsende Mädchenstimme meldete sich. Er nannte seinen Namen und verlangte den Chef vom Dienst. »Pryor!« meldete sich ein Mann mit schnarrendem Organ. »Gibt’s was Neues, Randolph?«
»Klar, und zwar ‘nen echten Hammer, den nur der ›Chronicle‹ bringen wird.« »Die Aliens haben eine Footballmannschaft aufgestellt, die gegen unsere Young Boys antreten will. Verlieren sie, ziehen sie kampflos ab. Ich bin zwar kein begeisterter Sportfan, aber zu diesem Match komme ich.« »Hör zu, Christopher, wir können mit einer echten Sensation aufwarten. Was hast du auf der ersten Seite?« »Alles, was du berichtet hast«, antwortete Christopher Pryor. »Das muß auf Seite zwei.« »Die steht schon.« »Schmeiß sie weg, Chris! Glaub mir, was ich auf Lager habe, war noch nie da. Damit müssen wir ganz groß rauskommen. Allerdings überschreitet meine Idee deine Befugnisse. Dafür brauchen wir Mr. Banks’ Einverständnis. Ist er im Haus?« »Klar. Wer schläft denn heute nacht?« »Bereite ihn auf unseren Besuch vor, und mach die erste Seite frei.« »Junge, du kennst Jonathan Banks«, sagte der Chef vom Dienst. »Zu dem kann man nicht mit leeren Händen kommen.« »Sag ihm, daß er mehr Exemplare als je zuvor verkaufen wird.« »Und wieso?« »Staatsgeheimnis«, antwortete Randolph Albritton grinsend. »Zu wichtig, um es am Telefon auszuplaudern. Ich bin in fünfzehn Minuten in der Redaktion.«
* Albritton betrat Christopher Pryors Büro. Der Chef vom Dienst war ein schlanker, grauhaariger Mann mit listigen Augen. Er trug eine randlose schmale Lesebrille, über die er Albritton anschaute. »Na, du Geheimniskrämer«, begrüßte er ihn.
»Hast du mit Mr. Banks gesprochen?« fragte Randolph Albritton. Er war jung, schwarzhaarig und dynamisch. Seine Reportagen hatten Biß, trafen den Nerv, gingen unter die Haut. Man behauptete, er würde – bevor er jemanden aufs Korn nahm – seine Schreibmaschine in Salzsäure tauchen. »Du hast Mr. Banks neugierig gemacht«, sagte Pryor lächelnd. »Genau wie mich. Sind die Aliens noch da?« »An der Situation im Central Park hat sich nichts geändert.« »Dennoch hast du einen Knüller, der so hochkarätig ist, daß du ihn unbedingt auf der ersten Seite sehen willst.« Albritton grinste. »Gib dir keine Mühe, Chris. Ich laß mir die Würmer von dir nicht aus der Nase ziehen. Du erfährst alles, sobald wir bei Mr. Banks sind.« Der Chef vom Dienst schnippte mit dem Finger. »Ich hab’s! Der Start der Aliens steht kurz bevor, und du hast mit ihnen ausgehandelt, daß sie dich mitnehmen, damit du live aus dem Weltall berichten kannst.« »Ich bin zwar verrückt und nehme für eine Bombenstory so manches in Kauf, mein Lieber, aber so meschugge bin ich nun auch wieder nicht. Ich bin viel zu gern auf dieser Welt, als daß ich sie verlassen würde. Es gibt tausend Gründe, hierzubleiben. Einer davon heißt Molly Bannings.« Albritton sprach nie über Molly, ohne dabei die Hände zu Hilfe zu nehmen und ihre gigantische Oberweite in die Luft zu zeichnen. »Der Chef wartet«, erinnerte ihn Christopher Pryor, bevor sich Albritton weiter über dieses Thema auslassen konnte. Sie verließen Pryors Büro, das von Glaswänden umgeben war. Ein Fahrstuhl brachte sie hinauf zur Chefetage. Das Chronicle Building überragte viele andere Wolkenkratzer, was dem Besitzer das Gefühl vermittelte, auf New York hinunterzusehen. Jonathan Banks war ein kleiner Mann mit kurzen Beinen. Ein großer kleiner Mann, dem man im harten Zeitungsgeschäft kein X
für ein U vormachen konnte. Er hatte sich von ganz unten hochgearbeitet. In seinem riesigen Büro wirkte Banks noch kleiner. Er begrüßte seine Mitarbeiter und bot ihnen Platz an. Die Havanna drängte er ihnen förmlich auf. Er gab sich cool, aber Randolph Albritton wußte, daß der Mann an der Spitze des »New York Chronicle« in diesem Augenblick ziemlich unter Strom stand. Mich kann er nicht täuschen. Er ist so sensationshungrig wie wir alle, aber er versteht es gut zu verbergen. Das Wichtigste wird in seiner Gegenwart beinahe zur Nebensächlichkeit. Albritton war bekannt, daß ihn Banks für einen tüchtigen Mann hielt, und Banks, der Millionär, achtete und schätzte tüchtige Menschen. »Sie haben etwas ganz Besonderes?« fragte Jonathan Banks wie beiläufig. Es hörte sich an, als hätte er gefragt: »Wie wird das Wetter morgen?« Albritton zog an der Zigarre. »Etwas Einmaliges, noch nie Dagewesenes.« »Verdammt, Randolph, wie lange willst du Mr. Banks und mich noch auf die Folter spannen?« fragte Christopher Pryor ungeduldig. »Die Aliens haben sich endlich gemeldet«, ließ Albritton die Katze aus dem Sack. »Ich habe mitgehört.« »Das ist die ganze Sensation?« fragte Pryor enttäuscht. »Dafür mußte ich die erste Seite frei machen?« »Bitte, Mr. Pryor«, sagte Jonathan Banks. »Entschuldigung, Sir«, erwiderte Christopher Pryor und schwieg. »Sie werden von einem weiblichen Wesen angeführt, das Japa heißt«, berichtete Albritton. »Sie hält sich für die Größte, scheint von Größenwahn befallen zu sein. Japa hat eine Forderung gestellt, die Noel Bannister nicht erfüllen will. Ich blicke nicht genau durch, aber offenbar haben die Außerirdischen Energieprobleme, die sie an-
scheinend nur auf eine Weise lösen können: Sie brauchen fünfzig Menschen.« »Hat Japa das verlangt? Fünfzig Menschen?« fragte Christopher Pryor aufgewühlt. »Sie muß tatsächlich übergeschnappt sein. Wenn ich an Bannisters Stelle gewesen wäre, hätte ich diese Forderung auch abgelehnt.« »Fünfzig Menschen … und die Aliens würden starten«, sagte Albritton. Er wog jedes seiner Worte genau ab. »Ja, aber Bannister kann doch nicht fünfzig Menschen zum Tod verurteilen«, sagte Pryor. »Japa droht mit der Vernichtung der gesamten Menschheit, wenn ihre Forderung nicht erfüllt wird«, berichtete Albritton. »Natürlich kann Bannister die Opfer nicht bestimmen, deshalb müssen wir ihm die Verantwortung abnehmen.« Albritton richtete das Wort nun nur an Jonathan Banks. »Wir bringen auf der ersten Seite einen Aufruf. ›Wer rettet die Welt vor dem Untergang?‹ In diesem Land gibt es so viele Wirrköpfe, die nicht wissen, wozu sie gut sind. Junkies, die daran denken, endlich Schluß zu machen, für immer auszusteigen; es gibt potentielle Selbstmörder, unheilbar Kranke, zum Tod Verurteilte, die seit Jahren auf ihre Hinrichtung warten. Ich meine, es muß doch fünfzig Menschen geben, die bereit sind, sich für die Welt, für den Weiterbestand der Menschheit zu opfern. Zum ersten- und zum letztenmal in ihrem Leben könnten sie etwas Nützliches, etwas Heroisches tun. Ihre Namen würden niemals in Vergessenheit geraten, sie würden Unsterblichkeit erlangen. Nur fünfzig Menschen, und die Welt kann weiterbestehen. Der ›Chronicle‹ wird für die Angehörigen dieser selbstlosen Retter sorgen. Die Summe, die diese Leute von uns kriegen, müssen Sie bestimmen, Mr. Banks. Was halten Sie von dieser Idee? Genau genommen sind wir, sind Sie es, von dem die Welt gerettet wird.« Jonathan Banks lehnte sich zurück und hüllte sich in Rauch ein. Wie eine mystische Figur sah er aus. Er verlieh sich gern dieses Flair. Was Albritton gesagt hatte, gefiel ihm.
Er und sein »Chronicle« konnten die Welt retten. Wenn man das geschickt ausschlachtete, kam ein Vielfaches von dem herein, was er den Familien der »Opfer« bezahlen würde. Banks war ein cleverer Kaufmann und ein eiskalter Rechner. Er schaute zuerst, was unter dem Strich herauskam, bevor er sich entschied. Wenn der in Aussicht stehende Profit hoch genug war, entschied er sich niemals dagegen. Man würde auch ihn feiern. Daß ihn nicht Herzenswärme und Nächstenliebe dazu bewogen hatten, sich mit Albrittons Vorschlag einverstanden zu erklären, sondern reines Macht- und Profitdenken, würde niemand erfahren. Die Entscheidung, Albritton grünes Licht zu geben, fiel ihm noch leichter, als ihm bewußt wurde, daß er die Welt damit auch für sich selbst rettete. Die Welt … und sein Leben. Wer hätte bei diesen Aussichten noch gezögert? »Ich finde Ihre Idee gut«, sagte Jonathan Banks. Er findet sie genial, dachte Albritton, aber das gibt er nicht zu. Erstens, weil sie nicht auf seinem Mist gewachsen ist, und zweitens, weil ich dafür eine Sonderprämie verlangen könnte. O du verdammt schlaues Kerlchen! »Wieviel soll man den Angehörigen geben?« fragte Christopher Pryor. »Ich will Mr. Banks keine Summe vorschreiben, aber der Betrag müßte schon stattlich sein«, sagte Randolph Albritton. »Mit einem Almosen kann man diese Leute nicht abspeisen. Ich denke, der ›Chronicle‹ streckt das Geld erst mal vor, und später sehen wir zu, daß wir uns einen Großteil wiederholen können.« »Eine Million«, sagte Jonathan Banks spontan. »Wir zahlen jedem Freiwilligen eine Million Dollar, und er kann verfügen, was damit geschehen soll.« »Fünfzig, Millionen«, stöhnte Christopher Pryor. »Findest du nicht, daß die Welt mehr wert ist als lächerliche fünf-
zig Millionen?« sagte Albritton grinsend. Er sprang tatendurstig auf. »Entschuldigen Sie uns, Mr. Banks. Wir haben jetzt eine Menge zu erledigen. Komm mit, Chris, und spuck dir ordentlich in die Hände.«
* Seit drei Jahren saß Cliff Belford in der Todeszelle; das waren mehr als tausend Tage, und jeder konnte der letzte sein. Sein Anwalt war durch alle Instanzen gegangen. Mehrmals war das Verfahren gegen Belford wiederaufgenommen und das vorhergehende Urteil bestätigt worden: Schuldig des Mordes an Mary Belford – eines besonders abscheulichen Mordes. Es nützte Cliff Belford nichts, daß er immer wieder beteuerte: »Ich bin unschuldig! Ich habe meine Frau nicht umgebracht! Das war ein anderer, und er läuft frei herum! Ihr dürft keinen Unschuldigen in die Gaskammer schicken! Wie könnt ihr das denn vor eurem Gewissen verantworten? Wenn ihr mich verurteilt, seid ihr Mörder!« Er konnte die Geschworenen nicht überzeugen; die Indizien waren erdrückend. »Wir werden ein Gnadengesuch einreichen«, sagte sein Anwalt. »Anläßlich der Wiederwahl des Gouverneurs. Er wird die Todesstrafe erst einmal in eine lebenslängliche Haftstrafe umwandeln. Dann haben wir Zeit. Sie dürfen den Mut nicht aufgeben, Cliff, und Sie dürfen den Glauben an die Gerechtigkeit nicht verlieren. Ich bin von Ihrer Unschuld überzeugt, und ich werde nicht aufhören, um Sie zu kämpfen.« Schöne Worte, doch sie brachten nichts ein. Der Gouverneur lehnte das Gnadengesuch ab, und Cliff Belford blieb in der Todeszelle. Demnächst würde man ihm den Tag seiner Hinrichtung bekanntgeben. Dann war alles verloren. Der Staat würde einem Unschuldigen – auf Grund von schwer be-
lastenden Beweisen – das Leben nehmen. Und jeder würde davon überzeugt sein, einen Mörder seiner gerechten Strafe zugeführt zu haben. Dustin Forbes, wegen bewaffneten Raubes zu fünfzehn Jahren Freiheitsentzug verdonnert, brachte Belford wie jeden Morgen das Frühstück, und er lieferte gratis die Sensation mit, die ihm zu Ohren gekommen war. Zunächst glaubte ihm Belford nicht, daß in New York ein UFO gelandet war. »Warum glaubst du’s nicht? Denkst du, der Mensch ist so etwas Einmaliges?« fragte Forbes, beinahe beleidigt. Er fuhr sich mit der Hand über die lange Nase. »Wenn du mal gründlich nachdenkst, müßte dir doch einleuchten, daß wir unmöglich weit und breit die einzigen Lebewesen sein können. Es muß einfach auch andere geben, in anderen Sonnensystemen. Und jetzt sind sie hier auf der Erde! Zeitungen, Fernsehen, Radio berichten ständig davon. Die Außerirdischen bauten eine Bruchlandung, können nicht mehr starten …« Je länger Dustin Forbes sprach, um so mehr begann ihm Belford zu glauben. Er war begierig, mehr zu erfahren, und zwangsläufig kam das Gespräch auch auf die Forderung der Aliens. »Sie brauchen fünfzig Menschen, um starten zu können«, sagte Dustin Forbes. »Nehmen sie die mit? Was geschieht mit diesen Leuten?« Forbes senkte den Blick. »Sie werden sterben.« Er erwähnte den Aufruf des »New York Chronicle«. Man war bereit, jedem dieser fünfzig Retter eine Million Dollar zu bezahlen. Geld, das sie einem Zweck zuführen konnten, den sie allein bestimmten. »Ich melde mich bestimmt nicht für so einen Wahnsinn«, sagte Forbes. »Ich muß weiter.« Er verließ die Todeszelle und ließ Cliff Belford allein. Belford rührte das Frühstück nicht an. In seinem Kopf überschlugen sich die Ge-
danken. Was er von Forbes erfahren hatte, ließ ihn nicht mehr los, nahm ihn restlos gefangen, faszinierte ihn. Umbringen wollt ihr mich? dachte er in einem Anflug von Galgenhumor. Dabei werden alle sterben, wenn sich keine fünfzig Menschen finden, die bereit sind, sich zu opfern. Es gibt doch noch eine Gerechtigkeit. Ich bin unschuldig, ihr seid unschuldig. Dennoch werden wir unser Leben verlieren. Alle zusammen! Er legte sich aufs Bett, war schrecklich aufgeregt. Die ganze Welt, dachte er. Nicht nur ich, nein, alle … Auch Philip, mein Bruder. Ich habe Mutter auf dem Totenbett versprochen, mich um ihn zu kümmern, auf ihn aufzupassen, ihn zu beschützen. Er ist so schwach, so hilflos. Und ich sitze hier in dieser verfluchten Zelle und kann nichts für ihn tun … Es wird sogar noch schlimmer kommen. Bald schon. Und wenn er sich melden würde … Diese Welt ist nicht wert, von mir gerettet zu werden, dachte Cliff Belford zornig. Sie schickt mich in die Gaskammer. Er hätte seinem Henker ein Schnippchen geschlagen, wenn er sich gemeldet hätte. Und sein Bruder war wert, von ihm gerettet zu werden. Und da war auch noch die Million … für Philip. Dann hätte ich doch noch gut für ihn gesorgt, überlegte Belford. Ob ich in der Gaskammer sterbe oder im Raumschiff der Aliens, da ist kein Unterschied. In beiden Fällen werde ich mein Leben verlieren. Gehe ich in die Gaskammer, bekommt Philip nichts. Gehe ich zu den Aliens, mache ich ihn zum Millionär, und er kann stolz auf mich sein, denn ich werde jener kleinen Gruppe von Menschen angehören, die die Welt gerettet hat. Er sprang auf, schlug mit den Fäusten gegen die Tür und brüllte nach dem Aufseher. Als der Mann kam, verlangte er, dem Gefängnisdirektor vorgeführt zu werden.
Im Büro des Direktors lief ein Fernsehapparat. Das Raumschiff war zu sehen. Ein Beweis dafür, daß Dustin Forbes die Wahrheit gesagt hatte. Simon Noack, der Direktor, schüttelte betrübt den Kopf. »Niemand weiß, was das für ein Ende nehmen wird.« »Die Aliens werden unseren Planeten verlassen«, sagte Belford. »Wenn sie dazu in der Lage wären, hätten sie das schon längst getan. Sie haben nicht genug Energie für den Start. Weshalb möchten Sie mich sprechen? Was wollen Sie, Belford?« »Ich möchte mir eine Million Dollar verdienen, Sir.« Noack riß die Augen auf. »Setzen Sie sich, Belford.« Der Gefangene nahm Platz. Simon Noack bot ihm eine Zigarette an und schenkte ihm den Rest der Packung. Er schaltete den Ton des Fernsehgeräts ab und fragte: »Sie melden sich freiwillig?« »Ja, Sir.« »Haben Sie sich das auch gut überlegt?« »In einigen Wochen führen Sie mich in die Gaskammer. Was habe ich zu verlieren? Ich kann nur gewinnen – und zwar genau eine Million Dollar, steuerfrei … für meinen Bruder Philip.« »Okay«, sagte Simon Noack. »Okay, Belford, Sie sollen Ihren Willen haben.« Ergriff zum Telefon. Eine Stunde später brachte ein Hubschrauber Cliff Belford nach New York.
* Der Helikopter landete auf dem Dach des Chronicle Building, und man führte Cliff Belford in Jonathan Banks’ Büro, wo ihm der Besitzer des »Chronicle« persönlich die Hand drückte. »Wir machen Sie berühmt, Mr. Belford«, sagte der kleine Zeitungszar. »Ihr Name wird in die Geschichte eingehen. Man wird Ihnen
und den anderen ein Denkmal setzen …« »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten, Sir?« fragte Belford. »Selbstverständlich. Was haben Sie auf dem Herzen?« »Ich möchte, daß die ganze Welt erfährt, daß ich kein Mörder bin, daß man mich zum Tod verurteilt hat, obwohl ich unschuldig bin. Ich möchte, daß mir Gerechtigkeit widerfährt – auch wenn ich nicht mehr lebe. Werden Sie dafür sorgen?« Das gab zusätzliche Stories und somit höhere Verkaufszahlen, deshalb antwortete Jonathan Banks: »Der ›Chronicle‹ wird Ihren Namen reinwaschen, Mr. Belford, das verspreche ich Ihnen. Darf ich Sie nun an Mr. Randolph Albritton und Mr. Christopher Pryor weiterreichen? Sie sind die Initiatoren dieses heroischen Unternehmens. Mr. Albritton hatte die Idee. Wir sind ihm alle sehr zu Dank verpflichtet. Ihnen natürlich auch, Mr. Belford. Ihnen vor allem.« Cliff Belford schüttelte die Hände von Albritton und Pryor. Man hatte Vertragsformulare vorbereitet. Es war nur noch einzusetzen, was mit der Million geschehen sollte. »Ich möchte, daß mein Bruder Philip sie bekommt«, sagte Cliff Belford. Eine Sekretärin spannte das Vertragsformular in ihre Schreibmaschine und hielt Philip Belfords Daten fest. Dann legte man Cliff Belford das Schriftstück vor, und er unterschrieb. Das Geschäft war perfekt. Er hatte sein Leben verkauft … für eine Million Dollar. »Wie viele Leute haben Sie schon?« fragte Belford. »Zweiundvierzig«, antwortete Randolph Albritton. »Sie sind der dreiundvierzigste.« Mehr wurden es nicht. Eine Stunde später waren es immer noch dreiundvierzig Personen, die sich bereitgefunden hatten, die Welt zu retten – 19 Frauen, 24 Männer. »Vielleicht begnügt sich Japa auch mit weniger«, sagte Randolph Albritton. »Mal sehen, was sie dazu sagt.«
* Zunächst einmal sagte Noel Bannister nein. Nicht einmal diese dreiundvierzig Freiwilligen wollte er opfern, obwohl sie alle bestätigten, die Welt aus freien Stücken retten zu wollen. Ich konnte Noel verstehen. Auch ich wollte den Außerirdischen kein einziges Leben überlassen, aber der Druck der Öffentlichkeit würde uns zur Kapitulation zwingen. Noch hatte Noel Bannister das Sagen, aber wenn er nicht so handelte, wie es die Masse verlangte, würde man ihn seines Amtes entheben. Davor konnte ihn auch General Mayne nicht bewahren. Und sobald Noel entmachtet war, würden die Aliens kriegen, was sie verlangten. Wir mußten uns diesem Druck, der von Minute zu Minute größer wurde, beugen. Als ich das dem CIA-Agenten riet, sah er mich wütend an. »Fällst du mir in den Rücken? Ich habe dich nicht hierher geholt, damit du mir so einen Rat gibst, Tony!« Ich verlangte, ihn unter vier Augen zu sprechen. »Hör zu, Noel, wir haben keine Wahl. Wenn du dich dem Willen von Millionen Menschen widersetzt, jagen sie dich zum Teufel und nehmen die Sache selbst in die Hand. Wir müssen versuchen, das Beste aus dieser Situation zu machen. Du kannst mir glauben, daß mir das alles genausowenig behagt wie dir.« »Wir sind stark, wir haben zum erstenmal auch Höllenreiter auf unserer Seite, und du willst kapitulieren? Ich verstehe dich nicht, Tony!« Die Nacht war vorüber, draußen schien die Sonne, ich war müde, aber ich wollte mich erst ausruhen, wenn wir mit diesem Schrecken aus dem All fertig geworden waren. »Wir sind eine schlagkräftige Truppe, Noel, das stimmt«, sagte ich. »Dämonen, Hexen, Männer aus der Welt des Guten gehören ihr an,
und ich bin nicht zu feige, um diesen Aliens die Stirn zu bieten, aber überleg mal ganz scharf: Wir können gegen Japa und ihre All-Kreaturen nichts untenehmen, solange sie sich im Raumschiff befinden und wir draußen sind. Wir müssen zu ihnen hinein! Bisher hat das nur einer von uns geschafft: Boram. Wenn wir in dieses UFO wollen, müssen uns die Aliens die Türe öffnen. Erst dann haben wir eine echte Chance. Erst dann können wir sie bekämpfen. Japa hat fünfzig Menschen gefordert. Sie soll sie kriegen.« »Es sind nur dreiundvierzig Freiwillige.« Ich lächelte. »Ich denke, daß ich ein paar unserer Freunde dazu überreden kann, diese Lücke zu schließen. Und ich melde mich zuerst.« Noel kniff die Augen zusammen. »Du willst dich in dieses Raumschiff begeben?« »Sag mir, wie ich anders hineinkomme.« Noel Bannister seufzte. »Ich weiß es nicht, Tony. Wenn ich es wüßte, wären wir schon längst drinnen – und dieser Alptraum wäre ausgestanden.« Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Wir kriegen sie, Noel. Wir werden mit ihnen fertig.« »Dein Wort in Gottes Ohr.« »Geh und sag ihnen, daß wir kommen.«
* Ich sprach mit den anderen Freunden und legte fest, wer mitkommen sollte: Lance Selby, Mr. Silver, Metal, Daryl Crenna, Mason Marchand, Brian Colley, Anthony Ballard. Der Hexenhenker lehnte es ab, sich wie ein »normaler Mensch« zu kleiden, doch ich konnte ihn von dieser Notwendigkeit überzeugen. Er nahm die rote Kapuze ab – eine Seltenheit. Noel Bannister besorgte die passende Kleidung für ihn.
Völlig fremd wirkte er im grauen Anzug, mit weißem Hemd und Krawatte. Von seinem Beil trennte er sich nicht. Loxagon wollte ebenfalls mitkommen. »Wir sind bereits überkomplett«, sagte ich. »Mit mir sind wir einundfünfzig.« »Dann bleibt eben einer der Freiwilligen hier«, sagte Loxagon. »Keine Sorge, eure Zeit kommt noch«, erwiderte ich. »Ihr seid gewissermaßen die zweite Welle. Erst mal tricksen wir die Aliens aus, und dann kommt ihr und überrollt sie.« Noel Bannister rief Japa. Er fuhr sich mit der Hand über die müden, brennenden, geröteten Augen. Japa ließ uns zappeln. Die Nummer eins der Aliens spannte uns ganz schön auf die Folter. »Sie trampelt gehörig auf unseren Nerven herum«, sagte Lance Selby. »Sie möchte nicht als Bittstellerin dastehen. Sie braucht uns, aber das würde sie niemals zugeben.« Ich wandte mich an Boram. »Ich möchte, daß du ebenfalls mitkommst. Du bist der einzige, der sich im UFO auskennt.« Wir hatten uns selbstverständlich die von Boram angefertigten Skizzen angesehen und uns bemüht, uns jedes Detail einzuprägen. Aber mit Boram würden wir es im Raumschiff ein klein wenig leichter haben. »Du wirst unsichtbar sein, wenn wir an Bord gehen«, sagte ich. »Ja, Herr, und ich werde mich in deiner Nähe aufhalten.« Ich grinste. »Ein zweiter Schutzengel kann diesmal nicht schaden.« Wieder rief Noel Bannister die Nummer eins der Aliens. Ich massierte gespannt mein Kinn und spürte, daß ich eine Rasur nötig gehabt hätte. Später. Und schlafen würde ich auch – später. Vorausgesetzt, es gab ein Später für uns. »Dieses Weib macht mich wahnsinnig!« schrie Noel Bannister. »Die schafft es spielend, mich zur Weißglut zu bringen! … Was tun wir?«
»Versuch’s weiter«, empfahl ich ihm. Er rief Japa erneut, und endlich bequemte sie sich zu antworten. »Wir sind bereit, deine Forderung zu erfüllen«, sagte Noel Bannister. »Fünfzig Menschen?« »Sogar einundfünfzig«, sagte Noel. »Um so besser.« »Wann wollt ihr sie haben?« »Sofort«, antwortete Japa. Bannister nickte. »Gut. Ich schicke sie rüber.« »Ihr solltet nicht versuchen, uns zu überlisten«, warnte Japa. »Das würde euch schlecht bekommen.« »Du hast eine Forderung gestellt, und wir erfüllen sie, das ist alles«, sagte Noel Bannister. Dann schaltete er das Mikro ab und wandte sich schwer ausatmend um. »Wenn du wüßtest, wie es jetzt in mir aussieht, Tony.« »Ich kann es mir vorstellen.« »Warum gehe ich eigentlich nicht mit euch?« »Weil du hier gebraucht wirst. Du mußt die ganze Geschichte doch koordinieren.« »Ich will nicht, daß ihr denkt, ich würde mich drücken.« »Ich weiß, daß du den Mut hättest, ganz allein hinüberzugehen, Noel, und die anderen wissen das auch. Was soll der Blödsinn?« »Macht es gut und … haut ihnen die Hucke voll.« »Machen wir.« »Und noch etwas«, sagte Noel mit düsterer Miene. »Bleibt am Leben – und zwar alle!«
* Der Mann, der neben mir ging, hieß Cliff Belford. Ich hatte kurz Ge-
legenheit gehabt, mit ihm – und mit einigen anderen Freiwilligen – zu sprechen. Ich kannte den Grund, weshalb er sein Leben verkauft hatte, und ich glaubte ihm, daß er kein Mörder war. Ich spürte, daß dieser junge Mann ein guter Mensch war. Sollten wir das alles hier heil überstehen, würde auch ich versuchen, ihm zu helfen. Er durfte nicht sterben – weder hier noch im Raumschiff. Als ich ihm Hoffnung zu machen versuchte, sagte er: »Es macht mir nichts aus zu sterben, Mr. Ballard. Drei Jahre Todeszelle brechen den stärksten Lebenswillen. Ich bin froh, nicht mehr warten zu müssen. Das Warten ist das schlimmste. Es macht einen mürbe. Daran geht man nervlich und seelisch zugrunde. Außerdem … ich muß sterben.« »Wieso müssen Sie?« »Weil ich mit dem ›Chronicle‹ dieses Geschäft gemacht habe. Es gibt einen Vertrag. Man erwartet von mir, daß ich mich opfere.« »Dieses Opfer wird hoffentlich nicht nötig sein.« »Was gewinne ich dabei? Man wird mich in die Gaskammer stecken, und Philip bekommt keine Million.« »Ich denke, der ›Chronicle‹ wird trotzdem bezahlen, und Sie können sich die Million mit Ihrem Bruder teilen. Lassen Sie mich nur machen.« »Glauben Sie im Ernst, eine Chance gegen die zu haben?« »Denken Sie, ich würde sonst mit Ihnen und den anderen rübergehen? Wir haben eine Chance, Cliff. Wir alle.« Wir passierten eine Schleuse, die sich hinter uns schloß. Man hatte die Scheinwerfer bei Tagesanbruch abgeschaltet, und warmes Sonnenlicht bestrahlte das Raumschiff, in dem nach wie vor diese gefährliche Zeitbombe namens Carrsh tickte. Wenn er entartete, sah es schlecht für uns alle aus. Auch für die Aliens, denn er war auch eine Gefahr für sie. Die Lage war fatal. Da-
mit die Zeitbombe nicht hochging, hätten die Aliens unseren Planeten verlassen müssen, denn unsere Atmosphäre ließ ihn bedrohlich wuchern. Für den Start hätten die Außerirdischen Menschen benötigt. Wir aber waren nicht bereit, ihnen auch nur einen einzigen zu überlassen. Das bedeutete, daß die Aliens von hier nicht wegkamen. Und das wiederum würde zur Folge haben, daß Carrsh sein Gefängnis sprengte, daß er ausbrach, die Aliens tötete und alles Leben auf unserem Planeten vernichtete. Wenn wir den Außerirdischen nicht halfen, unterschrieben wir damit unser eigenes Todesurteil. Aber, verdammt, es mußte noch eine weitere Lösung geben, und die mußten wir finden. Die glatte glänzende Oberfläche des Raumschiffs reflektierte das Sonnenlicht. In Kürze würden wir Japa und ihren Untergebenen gegenüberstehen. Meine Kopfhaut prickelte. Wir reizten in diesem Spiel verflucht hoch. Sieg und Niederlage hatten selten so dicht nebeneinander gelegen. Vor der Raumschiffschnauze nahmen wir Aufstellung. Ein Wesen erschien am Fenster. War das Japa? Mr. Silver kniff die perlmuttfarbenen Augen zusammen. »Wenn wir drinnen sind, muß ich mich hundertprozentig auf dich verlassen können«, sagte er zu seinem Sohn. »Das kannst du«, versicherte ihm Metal. »Es geht nicht gegen Höllenwesen.« »Warum kehrst du der schwarzen Macht nicht vollends den Rücken?« »Vielleicht tue ich es eines Tages«, sagte Metal. »Aber es nützt nichts, mich zu drängen. Diese Entscheidung muß in mir reifen. Das braucht Zeit, Vater. Wer so lange wie ich auf der Seite des Bösen stand, kann sich nicht von heute auf morgen entscheiden.« »Ich bin zufrieden, wenn du heute neben mir kämpfst«, sagte Mr.
Silver. »Wer weiß, vielleicht findest du Gefallen daran und möchtest es öfter tun.« »Die nehmen uns gründlich in Augenschein«, raunte mir Lance Selby zu. »Verdammt, warum können es nicht kleine grüne Männchen sein, denen wir haushoch überlegen sind?« »Es sind große, zottelige Männchen«, gab ich zurück. »Und wir werden beweisen, daß wir auch ihnen überlegen sind.« Meine Nerven vibrierten. Endlich drang ein leise summendes Geräusch an mein Ohr, und ich sah, daß sich eine der Einstiegsluken öffnete. Aus dieser Öffnung wuchs eine goldene Knicktreppe hoch. Sie bewegte sich wie ein Kranarm auf uns zu, senkte sich, und ihr Ende setzte wenige Schritte vor mir auf dem Boden auf. Lange hatten wir darauf warten müssen, doch nun war es soweit; die Nuß war offen. Wenn wir erst mal drinnen waren, mußten wir für uns das Maximum an Chancen herausholen. Von Boram wußten wir, daß die Aliens nicht besonders widerstandsfähig waren. Boram hatte uns aber auch von ihren Strahlenpistolen und den Laserschwertern berichtet. Letzteres sollte Japa ganz vorzüglich handhaben. Wenn es möglich war, würde ich Japa mit ihrem Laserschwert nicht auf Reichweite an mich heranlassen, sondern sie rechtzeitig mit dem Colt Diamondback ausschalten. Die goldene Treppe befand sich vor uns – eine stumme Einladung. Sollte ich den Anfang machen? Sollte ich als erster meinen Fuß auf die Treppe setzen und die Stufen hochsteigen? Als ich mich in Bewegung setzen wollte, tauchte oben ein Außerirdischer auf. Er hielt eine maschinenpistolenähnliche Waffe in seinen schwarzen Gorillahänden. Genauso hatte Boram die Waffe beschrieben. Boram … war er mitgekommen? Ich bemerkte ihn nicht. Aber wenn er gesagt hatte, er würde in meiner Nähe sein, dann konnte ich mich darauf verlassen. Der Außerirdische kam die Treppe herunter. Ein zweites Monster
folgte ihm. Sie hielten uns mit ihren Waffen in Schach. Wir gaben uns betont friedlich und eingeschüchtert. Ich rechnete damit, daß nun Japa in Erscheinung treten würde, doch etwas anderes geschah … Etwas, womit keiner rechnete; weder wir noch die Aliens. Carrsh brach aus!
* Sie hatten ihn ringsherum beschnitten und damit stärker und widerstandsfähiger gemacht. Ugun befürchtete, daß das strahlensichere Glas dem Mutanten nicht standhalten würde. Man konnte es abschotten, und das wollte Ugun tun. Ein mächtiger Stoßzahn sauste gegen das Glas, in dem sich dünne Sprünge bildeten. Größte Eile war geboten. Carrsh hämmerte seinen Stoßzahn zum zweitenmal mit ungeheurer Wucht gegen das Glas. Einen dritten Rammstoß würde es nicht aushalten, das stand für Ugun fest. Er streckte die Hand nach dem Knopf aus, der das dicke Schott niedersausen ließ. Gleichzeitig brach das Glas unter dem dritten fürchterlichen Stoß. Die Splitter flogen an Ugun vorbei, weit in den Gang hinein, und ein Teil von Carrsh drängte durch die Öffnung. Das herabsausende schwere Schott wurde zum Fallbeil. Es trennte jenen Körperteil, der aus der Luke schoß, ab. Hätte es sich um dünne Extremitäten gehandelt, wären sie abgefallen und eingetrocknet. Dieses Körperstück jedoch war lebensfähig! Es klatschte auf den Boden. Ein Schädel wuchs hoch; ein schreckliches Gesicht wandte sich Ugun zu. Die Fratze hatte nur ein Auge, keine Nase, dafür aber ein riesiges Maul, in dem sich keine Zunge, sondern eine achtfingrige Hand be-
fand. Sie streckte sich Ugun jäh entgegen, wollte ihn packen, doch Ugun griff nach seinem Laserschwert, nachdem er zurückgesprungen war. Im Kerker brüllte und tobte der Haupt-Carrsh. Doch auch der Neben-Mutant war gefährlich. Das Leben der gesamten Raumschiffbesatzung stand auf dem Spiel. In Freiheit würde Carrsh II rascher wuchern als Carrsh I. Bald würde dieses Wesen ebenso groß und ebenso stark sein wie der Stamm-Mutant. All das wußte Ugun. All das mußte er verhindern. Japa erwartete es von ihm. Er war für die Sicherheit der Besatzung verantwortlich. So griff Ugun den Sekundär-Mutanten todesmutig an. Er drang mit dem Laserschwert auf das Wesen, das sich ständig verformte, pausenlos eine andere Gestalt annahm, wild ein. Carrsh II wich zurück. Ugun folgte ihm, doch Carrsh II ließ sich diesen Kampf nicht aufzwingen. Die Freiheit lockte ihn. Er spürte, daß die Raumschiffluke offen war. Das war das Ende der Gefangenschaft – wenigstens für einen Teil von Carrsh. Dort ging es hinaus aus dem Raumschiff! Der Weg in eine andere Welt war frei, und es gab auf diesem Planeten soviel Nahrung für Carrsh II. Das alles spürte er, und dieser Verlockung wollte er nicht widerstehen, deshalb ließ er sich von Ugun nicht stellen. Der im Augenblick gallertartige Körper dehnte sich und schnellte eine Treppe hoch. Ugun schlug Alarm, doch er konnte Carrshs Flucht nicht mehr verhindern. Unvorstellbar schnell bewegte sich Carrsh II auf die offene Luke zu. Ugun hetzte hinter ihm her. Er riß einem bewaffneten Wesen die Strahlenpistole aus den Händen und schoß dem Mutanten nach, doch er verfehlte das Wesen, und einen Moment später schnellte Carrsh II durch die Luke … Carrsh I, seines Volumens um einiges verringert, sank zu Boden
und leckte sich mit einer breiten, rauhen Zunge die große Wunde. Der Mutant wußte, wer ihm das angetan hatte. Uguns Name prägte sich in jedes seiner Gene ein. Nie würde er diesen Namen vergessen. Und der Tag seiner Rache würde kommen …
* Ein unförmiges Gebilde – es sah aus, als bestünde es aus Kautschuk – sauste aus dem Raumschiff und flog über uns hinweg. Ich duckte mich instinktiv, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Carrsh! schoß es mir durch den Kopf, und ich wirbelte gedankenschnell herum. Kaum war das Wesen gelandet, wurde es zur dicken Riesenraupe, die sich auf eines der Geschütze zubewegte. Ein Soldat stellte sich Carrsh mit einem Schnellfeuergewehr entgegen. Ich schrie, er solle sich in Sicherheit bringen, doch er hörte es nicht. Die Feuerstöße schüttelten ihn. Es ging alles so entsetzlich schnell. Die Weltraum-Raupe sprang. Kugeln trafen sie. Prallte sie gegen den Soldaten? Es war von meiner Warte aus nicht zu sehen. Sie zerplatzte. Das schien eine Druckwelle zu geben, die den Soldaten umwarf. Sein Gewehr flog in hohem Bogen durch die Luft, und seine Kameraden stießen Jubelschreie aus, weil er die Raupe zerstört hatte. Aber der Mann stand nicht mehr auf. Er schien seinen Wagemut mit dem Leben bezahlt zu haben. Die Jubelschreie verstummten sehr schnell. »Den hat’s erwischt«, sagte Lance Selby mit belegter Stimme. Weitere Soldaten erschienen. Sie nahmen ihrem Kameraden den Helm ab und riefen die Sanitäter. Zwei Männer eilten mit einer Bahre herbei, und über Funk wurde ein Sanitäts-Hubschrauber gerufen. Das bedeutete, daß der Mann noch lebte. Vielleicht hatte ihn der
Schock niedergestreckt. »Hoffentlich kommt er durch«, sagte Lance Selby. Man legte den Bewußtlosen vorsichtig auf die Bahre, schnallte ihn fest. Wir hörten das Knattern des Helikopters, und dann tauchte das Flugzeug über den Baumkronen auf. Es landete in der Nähe der Soldaten. Sie trugen den Mann zur Maschine und hoben ihn hinein, und schon verlor der Hubschrauber wieder den Bodenkontakt. Man würde den Soldaten in ein Armeehospital bringen und für ihn tun, was möglich war. Während ich dem steigenden Hubschrauber nachschaute, stieß Mr. Silver mich mit dem Ellenbogen an. Ich drehte mich um – und erblickte ein weibliches Monster am oberen Ende der Treppe … Japa, die Nummer eins! Obwohl sie keine Waffe in ihren schwarzen Händen hielt, wirkte sie gefährlicher als die anderen Aliens. Sie schien ihnen an Kraft und Intelligenz überlegen zu sein. Auf Vyppon schienen die Rollen anders verteilt.
* Sally Jones – klein, zierlich und dunkelhaarig – stockte der Atem, als sie Japa erblickte. Sally war eine der Todeskandidatinnen. Sie hatte sich in einem Zustand tiefster Depression gemeldet. Das Leben hatte für sie keinen Sinn mehr, seit Jake Kerr sie wegen einer anderen verlassen hatte. Seit einem Jahr war Sally nur noch auf ihn fixiert gewesen. Jake, Jake, Jake … Kein anderer Name hatte in ihrem Kopf und in ihrem Herzen Platz gehabt. Und plötzlich hatte Jake ohne Vorwarnung zu ihr gesagt: »Es ist aus, Baby. Wir werden uns nicht wiedersehen. Ich gehe nach Boston!« Er war Verkaufsrepräsentant einer kleinen Ölfirma, war viel unterwegs. Sally hatte gedacht, die Ölgesellschaft hätte ihn nach Boston
versetzt. Es hätte ihr nichts ausgemacht, mitzukommen. Als Modezeichnerin war sie unabhängig. Sie konnte auch in Boston arbeiten, doch Jake sagte ihr eiskalt ins Gesicht, er habe in Boston keine Verwendung mehr für sie. Keine Verwendung mehr … So gefühllos mußte man erst einmal sein, um das auf diese gemeine Weise herauszubringen. Sally war für ihn nur ein Spielzeug gewesen. Er hatte genug davon, hatte keine Freude mehr damit, hatte keine Verwendung mehr für sie! Das hatte sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Sie hatte das Gefühl gehabt, Jake würde ihr brutal den Boden unter den Füßen wegziehen. Ihr war, als würde sie in eine unendliche Tiefe stürzen; und die Welt krachte in sich zusammen. Und in dieser Trümmerwelt wollte sie nicht leben … allein. Sie hatte nicht die Kraft, Ordnung zu schaffen, neu anzufangen, wieder aufzubauen. Sie war entschlossen, den einfachsten Weg zu gehen. Den Weg in den Tod. Die Frage war nur noch, wie sie es angehen sollte, denn es sollte sicher sein. Sie wollte nicht leiden. Sally hatte im Medikamentenschrank nachgesehen und festgestellt, daß sie nur noch vier Schlaftabletten hatte – zu wenig für das, was sie vorhatte. Mit weichen Knien verließ sie die Wohnung, um neue zu holen, und auf dem Weg zum Drugstore kam sie an einem Kiosk vorbei. Als sie den Aufruf des »New York Chronicle« sah, kaufte sie sich die Zeitung, und fünf Minuten später disponierte sie um. Sie meldete sich bei Randolph Albritton und verkaufte ihr Leben. Die Million sollte ihre Mutter bekommen, die nach Dallas gezogen war und dort mit einem Grundstücksmakler lebte. Er war nicht besonders geschäftstüchtig, befand sich immer in Geldschwierigkeiten. Die Million würde ihm helfen; und vielleicht
schaffte er es, seine Firma nach Begleichung aller Schulden auf gesunde Beine zu stellen. Sally wollte dieses gute Werk tun. Sie bat Albritton, sich von ihrer Mutter telefonisch verabschieden zu dürfen. Ihre Kehle war dann aber so zugeschnürt, daß sie kaum einen Ton herausbrachte. Sie war nicht einmal sicher, ob ihre Mutter sie verstanden hatte. Egal – es war nicht mehr wichtig. Nichts war mehr wichtig. Die Würfel waren gefallen, es gab kein Zurück mehr. Dort oben stand dieses weibliche Ungeheuer und starrte gnadenlos zu den Todeskandidaten herunter. Neben Sally – zu ihrer Linken – stand Cliff Belford, der Mann aus der Todeszelle. Sally kannte seine Geschichte, und sie glaubte ihm, daß er unschuldig war. Sie hatte Cliff Belford im Krisenbüro ihre Geschichte erzählt, und er hatte gemeint: »Dieser Jake Kerr hat Ihre Liebe nicht verdient, Sally. Sie hätten sich nicht zu diesem Verzweiflungsschritt hinreißen lassen sollen. Sie sind viel zu schön und viel zu jung, um zu sterben.« Er hatte mit diesen Worten in ihr eine Saite zum Schwingen gebracht, von der sie nicht wußte, daß sie existierte. Er hatte damit ein winziges Flämmchen angezündet, und mit einemmal lehnte sich etwas in ihr gegen diesen schrecklichen Unsinn auf, zu dem sie sich entschlossen hatte. Sie wünschte sich mit einemmal mit jeder Faser ihres Herzens, weiterzuleben. Aber für eine Umkehr war es zu spät. Diese grauenerregenden Aliens würden sie an Bord holen – und sie würden alle in diesem UFO sterben. Sie, die sich aus den verschiedensten Gründen dazu entschlossen hatten, die Welt zu retten. »Verdammt«, knurrte Cliff Belford. »Dieser Tony Ballard brachte mich gehörig ins Wanken. Ich war so felsenfest davon überzeugt, das Richtige zu tun. Ohne Angst wollte ich mein Schicksal tragen; und nun stehe ich hier, und mir schlottern die Knie.«
»Mir auch«, flüsterte Sally Jones. »Ich habe es mir einfacher vorgestellt.« »Hinzu kommt, daß mir Tony Ballard einen Floh ins Ohr gesetzt hat … Er will mir helfen. Es ist ein Strohhalm, an den ich mich plötzlich wie ein Ertrinkender klammere … Drei Jahre lebe ich ohne Hoffnung in der Todeszelle, und jetzt, wo ich mit einem Bein schon im Grab stehe, tritt dieser Mann in mein Leben und behauptet, er würde verhindern, daß ich mein Leben verliere … Ballard will die Außerirdischen austricksen. Wenn ihm das gelingt, dürfen wir unser Leben und das Geld behalten. Auch das will Ballard regeln. Leben … Ich fange an, damit zu spekulieren … Und Sie, Sally … Wir beide … Es ist nicht mehr viel Zeit, es Ihnen zu sagen, aber ich möchte, daß Sie es wissen: Sie sind mir ungemein sympathisch. Sollten wir das alles tatsächlich heil überstehen, würde ich Sie gern wiedersehen. Glauben Sie, daß Sie das auch möchten?« Sallys Augen schwammen in Tränen. »Ja, Cliff«, sagte sie kaum hörbar. »Ja, ich glaube schon …« Japa wies auf die Todeskandidaten und befahl ihnen, an Bord zu kommen, und sie wollte nicht, daß Tony Ballard den Anfang machte, sondern das andere Ende der Schlange. Sally Jones und Cliff Belford, die in dieser grauenvollen Situation zusammengefunden hatten, versuchten zuversichtlich zu sein. Sie setzten ihr Vertrauen in Tony Ballard. Aber er enttäuschte sie, entpuppte sich als Feigling. Große Worte – nichts dahinter! Er ließ sie im Stich, kam nicht mit an Bord. Anscheinend hatte ihn der Mut verlassen, deshalb überließ er sie ihrem Schicksal. Sally Jones und Cliff Belford fühlten sich von Tony Ballard verkauft und verraten …
*
Es mußte so aussehen, als hätte mich die totale Feigheit übermannt, aber ich konnte nicht an Bord gehen. Ein schrecklicher Gedanke war mir gekommen, eine entsetzliche Befürchtung. Wenn sie stimmte, hatte New York ein neues Problem! Vielleicht hatte der Soldat Carrsh doch nicht erschossen. Vielleicht war Carrsh nicht zerplatzt. Vielleicht gab es ihn noch – und zwar in diesem Soldaten. Es war durchaus nicht verrückt zu befürchten, daß sich der Mutant in diesem Mann versteckt hatte. Transportierte der Sanitätshubschrauber keinen Menschen, sondern ein Ungeheuer? Ich durfte die Sache nicht auf sich beruhen lassen, deshalb schickte ich die Silberdämonen und die Männer aus der Welt des Guten mit den anderen Freiwilligen in das Raumschiff, Lance Selby und den Hexenhenker aber forderte ich auf, mitzukommen. Ich sah Cliff Belford. Er wandte sich auf der Treppe um, und sein Blick tat mir weh. Der Mann glaubte, ich würde ihn verraten. Ich hatte keine Zeit für Erklärungen, außerdem wäre das, was ich zu sagen gehabt hätte, nicht für Japas Ohren bestimmt gewesen. Wir setzten uns ab. Für Cliff Belford mußte das so schlimm sein, als hätte ich ihm Freiheit und Leben zugesichert und ihn dann in die Gaskammer gestoßen. Sein Glaube an die Menschheit war in diesem Augenblick wohl ganz dahin. Er konnte nicht wissen, daß ich ihn nicht schutzlos den Aliens überließ. Seine Miene zeigte Verachtung für mich; dann wandte er sich entschlossen um und stieg die Stufen weiter hinauf … ein Mann, der jegliche Hoffnung fahren ließ. Auch in Japas Augen waren wir mit Sicherheit Feiglinge, doch das kümmerte uns nicht. Ich hoffte, daß sie ihren Untergebenen nicht befahl, uns mit den Strahlenwaffen zu erledigen. Zum Glück blieb ein solcher Befehl aus. Wir erreichten die Geschütze. Ich sah die Soldaten und schrie nach einem Funkgerät. Man
gab mir eines, und ich setzte mich mit Noel Bannister in Verbindung. »Was war das, was da aus dem UFO sauste, Tony?« wollte der CIA-Agent wissen. »Das war Carrsh«, antwortete ich. »Ich dachte, dieses Biest wäre furchtbar gefährlich – und dann bringt es dieser Soldat mit ein paar gewöhnlichen Gewehrkugeln zum Platzen. Ein Feuerstoß genügte, und mit Carrsh war es vorbei.« »So sieht es aus.« »Bist du anderer Meinung?« fragte Noel Bannister aufhorchend. »Hör zu, Noel, der Mann kann Carrsh in sich haben …« »Verdammt, Tony, das ist der schlechteste Witz, den du je gemacht hast!« »Ich muß hinterher«, sagte ich. »Ich brauche ganz schnell einen Hubschrauber.« »Kriegst du«, versprach Noel Bannister. »Meine Güte, Tony, hoffentlich irrst du dich.« »In welches Hospital bringen sie den Mann?« Noel sagte es mir. »Gib dem Piloten durch, er soll sich vorsehen«, verlangte ich. »Okay. Was kann ich sonst noch tun?« »Nichts mehr«, sagte ich und gab das Funkgerät zurück. Zwei Minuten später tauchte der Kampfhubschrauber auf – erdbraun gefleckt. Wir stürmten in den Rotorwind und sprangen in die Maschine, kaum daß sie das Gras berührte. Die stählerne Libelle hob sofort wieder ab. Noch nie hatte auch ich so sehr gehofft, daß ich mich irrte.
* Sally Jones schleppte sich an Japa vorbei. Als sie das UFO betrat,
schloß sie mit ihrem Leben ab. Obwohl es ihr freier Wille gewesen war, aus dem Leben zu scheiden, hatte sie vorhin gehofft, daß ihr dieses grauenvolle Schicksal doch erspart bleiben würde. Aber dieser Schritt ins Raumschiff hatte etwas Endgültiges, Unwiderrufliches an sich. Du bist verloren, raunte ihr eine innere Stimme zu. Aber das wolltest du ja. Oder etwa nicht? Nicht mehr? Weil du Cliff kennengelernt hast? Er suchte ihre Hand und drückte sie fest. »Hab keine Angst«, flüsterte er. »Ich bin bei dir.« Er duzte sie, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie mochte. Sie hatten nicht die Zeit, die Dinge langsam reifen zu lassen. Es mußte schnell gehen … sonst war es zu spät. Ein Außerirdischer stieß sie vorwärts. Sie ließ Cliffs Hand nicht los. Das war das einzige, was sie jetzt noch hatte. Einem dieser Weltraumwesen gefiel es, Mr. Silver zu erschrecken. Das Monster schoß einen grellen Strahl aus seiner Waffe ab – haarscharf an Mr. Silvers Kopf vorbei. Der Ex-Dämon und sein Sohn sahen, wie das Gold der Raumschiffwandung schmolz. Jene widerstandsfähige Goldlegierung, die sogar den schwersten Beschuß unbeschadet überstanden hatte! Mr. Silver konnte sich nur mühsam beherrschen. »Diese Strahlenkanonen sind gefährlicher, als ich dachte«, knurrte er. »Dagegen wird unser Silberschutz wenig nützen.« »Wir werden uns vorsehen und auf den richtigen Moment warten«, entgegnete Metal. »Ich habe keine Angst vor diesen Wesen. Ich weiß, daß wir ihnen gemeinsam überlegen sind, Vater.« Japa zitierte Ugun zu sich und ließ sich von ihm berichten, was geschehen war. Auf diese Weise erfuhren auch die Silberdämonen und die Mitglieder des »Weißen Kreises«, daß das Raumschiff nur ein Ableger von Carrsh verlassen hatte. Triumph glitzerte in Japas Augen. Sie haßte die Menschen, deshalb war ihr diese Entwicklung willkommen. »Carrsh II wird wach-
sen und wuchern!« sagte die Nummer eins laut. »Ihr opfert euch umsonst. Euer Planet ist dem Untergang geweiht. Während wir nach Vyppon zurückkehren, wird Carrsh II darangehen, alles Leben auf der Erde zu vernichten. Ihr habt Glück, denn euch bleibt dieses Schicksal, von Carrsh getötet zu werden, erspart. Ihr werdet euer Leben in unseren Destillationskammern verlieren. Das ist ein unvergleichlich angenehmeres Ende. Ihr werdet es kaum merken. Ihr solltet nicht versuchen, euch dagegen aufzulehnen. Wer es doch tut, stirbt auf der Stelle. Wir brauchen euch nicht unbedingt alle; vierzig von euch reichen uns.« Die Aliens richteten ihre Strahlenwaffen auf die Opfer. Es war der ungünstigste Moment, etwas gegen sie zu unternehmen. Mr. Silver fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Er befürchtete, ihm könnten die Felle davonschwimmen. Japa schickte die Opfer zu den Destillationskammern. Spätestens dort würden die Aliens merken, daß sie zwei Schwarzblütler und drei Männer aus der Welt des Guten an Bord hatten – also keine Menschen. Sie würden sie mit ihren Strahlenkanonen fertigmachen – und die restlichen Opfer würden noch für einen baldigen Start reichen. Das waren Aussichten, die Mr. Silver ganz und gar nicht behagten. Metal sah nicht so schwarz wie sein Vater. Ihn beherrschte jugendlicher Optimismus. Metal war zwar ein hervorragender Kämpfer, aber er verfügte nicht über Mr. Silvers Erfahrung, deshalb konnte sein Vater eine Situation besser einschätzen. Und die Lage, in die sie sich freiwillig begeben hatten, sah im Moment für keinen von ihnen rosig aus. »Ich werde versuchen, die Destillationskammern unbrauchbar zu machen«, raunte Mason Marchand seinem Freund Daryl Crenna, der vor ihm ging, zu. Er, der auch Fystanat genannt wurde, war imstande, ein magisches Elmsfeuer zu schaffen. Damit schützte er sich in gefährlichen Situationen, damit griff er aber auch an.
Er vermochte mit diesem kalten Feuer eine Menge Schaden anzurichten, das wußte Daryl Crenna. Dennoch riet er Fystanat, vorläufig nichts zu unternehmen und abzuwarten. »Worauf soll ich warten?« fragte Mason Marchand ärgerlich. »Wir müssen das, was wir tun, mit dem koordinieren, was Mr. Silver und Metal vorhaben. Je breiter die Basis, auf der wir losschlagen, desto größer sind unsere Erfolgschancen.« »Im Moment wäre es töricht, etwas zu unternehmen«, meldete sich Brian Colley. »Solange sie mit ihren Strahlenwaffen auf uns zielen, können wir überhaupt nichts tun.« »Die werden ihre Waffen nie absetzen«, sagte Fystanat. »Vielleicht kann ich sie mit meiner Schnelligkeit verwirren«, meinte Brian Colley, auch Thar-pex genannt. »Fest steht jedenfalls, daß wir bei allem, was wir tun, höllisch aufpassen müssen«, sagte Pakka-dee. »Schließlich sind wir für das Leben von dreiundvierzig Menschen verantwortlich.« »Still!« herrschte ihn ein Außerirdischer an, und ein Faustschlag traf sein Gesicht. Er fiel gegen Fystanat. Der Freund fing ihn auf, und Thar-pex fiel auf, daß Fystanat die Beherrschung zu verlieren drohte. »Nicht!« raunte er ihm deshalb hastig zu. »Weiter!« schnauzte das Monster, und Pakka-dee setzte seinen Weg fort. Ein schweres Goldschott wurde geöffnet, und dann sahen die Opfer die Destillationskammern. Es handelte sich um zylindrische Glasbehälter, die links und rechts an der Wand standen – je dreißig. Einer der Außerirdischen drückte auf einen Knopf, und die Glasbehälter öffneten sich. Den Opfern wurde befohlen, sich in die Zylinder zu stellen. Cliff Belford hielt immer noch Sally Jones’ Hand. Die Aliens rissen die beiden brutal auseinander. Sally schluchzte, und Cliff verabschiedete sich von ihr mit den Worten: »Ich liebe dich, Sally. Egal,
was sie uns antun werden, meiner Liebe können sie nichts anhaben.« Auch ihn brachte ein Faustschlag zum Schweigen. Sally zuckte zusammen, als hätte der Schlag auch sie getroffen. Mit tränennassen Augen stellte sie sich in die Glaskammer, und Cliff wurde in den Zylinder gestoßen, der sich daneben befand. Dann schlossen sich ihre Behälter, und sie konnten nicht mehr miteinander sprechen. Aber sie konnten sich ansehen, und einer verstand den Blick des anderen. Es waren keine Worte nötig. Als sie Metal in den Zylinder stießen, wollte er losschlagen, aber es wiesen gleich zwei Strahlenwaffen auf ihn. Eine schnelle Bewegung, und er wäre erledigt gewesen. Zähneknirschend fügte er sich, und das gebogene Glas schloß sich vor ihm. Drüben wurde sein Vater eingeschlossen. Dann kam Daryl Crenna an die Reihe. Die Aliens hatten das Geschehen fest im Griff. Und es hatte nicht den Anschein, daß sich daran etwas ändern würde.
* Im Sanitätshubschrauber kam Ronald Buttons, der Soldat, der Carrsh »erschossen« hatte, zu sich. Er schlug die Augen auf und sah zwei Männer, einen Arzt und einen Sanitäter. »Er ist wieder da, Doc«, sagte der Sanitäter grinsend. »O Mann, er ist wieder da.« »Wo bin ich?« wollte Buttons wissen. »In unserer guten alten Sanitätsmühle«, sagte der Sanitäter. »Wir bringen dich ins Hospital der Army.« »Wozu?« »Scherzbold. Weil’s dich umgehauen hat. Du hast einen Schock erlitten. Bist’n verdammt mutiger Typ, Ronnie-Boy. Wir sind mächtig
stolz auf dich. Nicht wahr, Doc, das sind wir.« »Unbedingt«, bestätigte der Arzt. »War ganz große Klasse, wie du mit diesem … diesem Ding fertig geworden bist. Ich hab’s zwar nicht selbst gesehen, aber man hat es mir erzählt. Ehrlich, ich hätte nicht die Courage aufgebracht, dieser Riesenraupe mit der Knarre entgegenzutreten. Dafür kriegst du bestimmt einen Orden.« Der Arzt untersuchte Buttons und stellte ihm ein paar Fragen, die sein Befinden betrafen. »Also wenn es nach mir ginge, brauchten wir nicht ins Armee-Hospital zu fliegen«, sagte Ronald Buttons. »Ich fühle mich bestens. Wir könnten in den Central Park zurückkehren.« »Unsinn«, sagte der Sanitäter. »Du machst dir ein paar schöne dienstfreie Tage, läßt es dir so richtig gutgehen. Die werden dich im Krankenhaus als Held feiern und dich nach allen Regeln der Kunst verwöhnen. Und die hübschesten Schwestern werden sich darum reißen, dich pflegen zu dürfen. Das darfst du dir auf keinen Fall entgehen lassen, Kamerad.« Buttons atmete tief ein, und als er ausatmete, staunte Red Linley, der Sanitäter. Sein Sommersprossengesicht nahm einen verblüfften Ausdruck an. »He, sag mal, Kumpel, rauchst du heimlich?« fragte Linley. Dunkelgrüner Rauch stieg aus Buttons’ Nasenlöchern. »Was is’n das für eine komische Marke?« fragte Red Linley. »Halten Sie mal die Luft an, Linley«, verlangte der Arzt. Zu Buttons gewandt, fragte er: »Im Moment fühlen Sie sich schlecht, nicht wahr?« Ronald Buttons antwortete nicht. Er verdrehte die Augen und verzerrte das Gesicht, als würden ihn schreckliche Schmerzen peinigen. Sein Atem ging schneller, der Brustkorb hob und senkte sich rasch. Buttons wälzte sich hin und her; Krämpfe befielen ihn, und er stieß heisere Schreie aus. Red Linley war verdattert. Er warf dem
Doktor einen nervösen Blick zu. »Eben war er doch noch quietschvergnügt, Doc. Was hat er auf einmal?« »Vielleicht ist das die Reaktion auf den Schock?« »Können wir nichts tun?« fragte Linley. »Halten Sie ihn fest. Ich gebe ihm eine Spritze, damit er sich beruhigt.« Buttons wollte sich aufbäumen, doch Linley drückte mit beiden Händen gegen die Schultern des Mannes. »Ruhig, Kamerad. Ganz ruhig. Entspann dich. Es ist ja alles in Ordnung. Du hast diese Monsterraupe gekillt. Es ist alles in Butter.« Der Arzt zog das Serum in die Spritze. »Den linken Ärmel hoch, Linley, schnell.« »Hoffentlich erschrecken Sie ihn mit der Injektion nicht so sehr, daß er aus dem Hubschrauber springt.« Red Linley schob Buttons’ Uniformärmel hoch. Der Doktor reinigte hastig die Einstichstelle mit Wundbenzin und gab dem Mann dann die Spritze. Es zuckte kaum merklich in Buttons’ Gesicht, und dann wurde er allmählich ruhig. Red Linley wartete einige Augenblicke, bevor er Buttons losließ. »Armer Teufel«, sagte er. »Jetzt beneide ich ihn schon viel weniger. Er muß im Park doch etwas abbekommen haben.« Buttons entspannte sich. Er war geistig wieder da. »Tut mir leid, euch erschreckt zu haben.« »Das machst du uns nicht noch mal!« sagte Red Linley mit drohend erhobenem Zeigefinger. »Ich habe nämlich keine besonders stabilen Nerven. Soll ich dir was Ulkiges verraten? Vorhin war mir, als würde dunkelgrüner Rauch aus deinen Nasenlöchern steigen. Dunkelgrün …« »Etwa so?« fragte Ronald Buttons – und dann blies er eine dichte Wolke aus. »Ja«, entfuhr es Linley überrascht. »Wie machst du das?«
»Es ist ganz einfach.« »Da ist ein Trick dabei, den mußt du mir verraten.« »Ich habe ein dunkelgrünes Feuer in mir«, behauptete Ronald Buttons. »Natürlich«, sagte Red Linley. Kein Wort glaubte er. »Sonst noch was?« Er wandte sich an den Arzt und machte heimlich ein Zeichen. ›Er ist übergeschnappt‹, sollte das heißen. Aber schon im nächsten Moment zweifelte Red Linley an seinem eigenen Verstand, denn was er sah, konnte es unmöglich wirklich geben: Buttons’ Hals wurde weich wie Kautschuk; er zerrann, wurde schleimig. »Ich spinne!« schrie Red Linley. »Ich bin übergeschnappt!« Buttons Körper verformte sich. Auch der Arzt konnte sich das nicht erklären. Er beugte sich über den Mann. Da schoß von unten plötzlich ein gelber Stachel hoch und traf den Doktor …
* Die Verbindung war denkbar schlecht. Noel Bannister mußte alles mehrmals wiederholen, war dann aber immer noch nicht sicher, ob ihn der Pilot des Sanitätshubschraubers richtig verstanden hatte. Alarmstufe I! Vermutlich Monster an Bord! Höchste Vorsicht geboten! Ziel schnellstens anfliegen und landen! Und dann raus aus dem Hubschrauber! Das war in etwa der Kern dessen, was Noel Bannister dem Piloten zu übermitteln versuchte. Ob es auch richtig ankam, wußte er nicht. War Carrsh für diese miserable Funkverbindung verantwortlich? Noel Bannister hoffte, daß der Pilot begriffen hatte, worum es ging, in welcher Gefahr er, der Sanitäter und der Arzt schwebten. Im Central Park hatten die Aliens inzwischen die Opfer ins Raumschiff geholt. Der CIA-Agent hätte viel darum gegeben, wenn er hätte sehen können, was sich im UFO zutrug.
Diese Ungewißheit nagte wie eine hungrige Ratte an seinen Nerven. Nachdem auch der zweite Hubschrauber – mit Tony Ballard, Lance Selby und Anthony Ballard an Bord – gestartet war, wollte Loxagon in das Geschehen eingreifen. »Hoffentlich verderbt ihr die Geschichte nicht«, sagte Noel Bannister unsicher. »Wir haben lange genug gewartet«, knurrte der Teufelssohn. »Nun ist es an der Zeit, mit den Aliens aufzuräumen.« »Ich hätte nie gedacht, daß ich euch mal viel Glück wünschen würde«, sagte Noel, »aber diesmal tu ich’s« Loxagon wandte sich an Atax, Phorkys, Mago und Yora. »Kommt! Folgt mir! Schaffen wir Verhältnisse, wie sie der Hölle genehm sind!«
* Cliff Belfords Gesicht war totenbleich. Verbissen kämpfte er um Haltung; Er wollte Sally Jones ein Vorbild sein, aber das war nicht leicht. Eingeschlossen in diesen Glaszylinder, machte er Entsetzliches mit. Natürlich nicht nur er. Alle, die sich entschlossen hatten, die Welt zu retten. Einige begriffen nun, daß sie sich zuviel zugemutet hatten. Sie schrien in den Glaskammern und schlugen mit den Fäusten verzweifelt gegen die Wandung. Man hörte ihre Schreie nicht, und niemand beachtete sie. Für die Aliens waren sie »Treibstoff«, mit dessen Hilfe ihnen der Start gelingen würde. Die wichtige Aminosäureverbindung würde die Tanks füllen, und dem Raumschiff würde jene Energie zur Verfügung stehen, die es ihm ermöglichte, die Erdanziehungskraft zu überwinden. Der Heimkehr nach Vyppon stand nichts mehr im Wege. Sally sackte zusammen. Ihre Knie knickten ein und stießen gegen
die Glaswand. Umfallen konnte das Mädchen nicht. Große glitzernde Tränen rannen ihr über das fahle Gesicht. Es ist einfacher, sich den Tod zu wünschen, als ihn dann tatsächlich unausweichlich vor Augen zu haben. Und Cliff Belford bedauerte, daß er dem Mädchen nichts mehr sagen, für sie nichts mehr tun konnte. Er verfluchte Tony Ballard, der eine falsche Hoffnung in ihm geweckt hatte. Wir haben alle eine Chance, hatte er gesagt. In Wahrheit aber hatten nur drei diese Chance: Ballard und die zwei, die sich mit ihm aus dem Staub machten. Fast alle Opfer befanden sich bereits in den Zylindern. Es fehlten nur noch Fystanat und Thar-pex. Fystanat bereitete sich auf die Zerstörung der Destillationskammer vor, in die sie ihn nun steckten. Er hoffte, daß das Elmsfeuer auf die anderen Kammern übergreifen und sie funktionsunfähig machen würde. Mit verschlossener Miene ließ er sich einsperren. Nun war nur noch Brian »Speedy« Colley frei …
* Ich saß wie auf Nadeln, und ich brauchte nur Lance Selby anzusehen, um zu wissen, daß es ihm genauso erging. Anthony Ballard hingegen war die Ruhe in Person. Er hielt sein Henkersbeil in seinen kräftigen Händen, und seine Züge wirkten grimmig. Unser Helikopter war kleiner und schneller als der Sanitätshubschrauber. Wir hatten gute Aussichten, den Hubschrauber, in dem sich Ronald Buttons befand, bald einzuholen. Im Moment sahen wir den Copter noch nicht, aber wir kannten sein Ziel und wußten, welche Strecke er fliegen würde. Unter uns lag Manhattan. Wie gewaltige Monolithen stachen manche Wolkenkratzer zu uns hoch, und in den tiefen Schluchten bewegten sich Ameisen-Menschen.
Carrsh konnte jeden Augenblick in Erscheinung treten. Es bestand die Gefahr, daß er den Hubschrauber zum Absturz brachte. »Tony!« rief Lance Selby. Er wies nach vorn, zeigte auf den Copter, hinter dem wir her waren. Ich nickte, und meine Hände krampften sich zusammen. Wir holten auf, flogen nach Norden, also Richtung Bronx. Was konnten wir tun, wenn wir den Sani-Copter eingeholt hatten? Eigentlich so gut wie nichts. Wir konnten den anderen Piloten nur auffordern zu landen. Erst danach konnten wir aktiv werden. Die Distanz schrumpfte deutlich sichtbar zusammen, und ich drückte der Besatzung des Sanitätshubschraubers kräftig die Daumen. Aber würde das nützen?
* Red Linley war kreidebleich geworden. Fassungslos blickte er auf den toten Arzt. Ronald Buttons hatte ihn umgebracht! Mit einem gelben Stachel! Wahnsinn! Buttons? Nein, das war nicht mehr Buttons. Der Körper hatte zahlreiche Höcker, die Beine schrumpften, und auch die Arme des Soldaten wurden ständig kürzer. Dafür wuchsen aus den Höckern schnabelähnliche Gebilde, die sofort nach Linley hackten. Linley fiel gegen die Wand. Das Monster erhob sich auf stämmige Beine. Linley versuchte, sich den Mutanten mit Fußtritten vom Leib zu halten. Er traf einen weichen Körper. Es gab ein schmatzendes Geräusch, und als der Sanitäter das Bein entsetzt zurückriß, blieb sein Schuh in Carrshs Leib stecken. Ronald Buttons Kopf verschwand unter den Höckern, tauchte an einer anderen Stelle auf, verschwand aber gleich wieder. Red Linley stieß sich von der Wand ab und wollte sich zum Piloten vorkämpfen. Eine Krallenhand versperrte ihm den Weg. Der schreckliche Kör-
per des Mutanten bog sich im Halbkreis um Linley herum, und in der nächsten Sekunde tötete ihn ein Schnabelhieb. Der Pilot bekam endlich mit, was hinter ihm geschah. Er wollte sofort landen, aber da packten ihn zwei Zangenklauen, die eine an der Schulter, die andere legte sich um seinen Hals. Er erstarrte und hätte beinahe die Kontrolle über den Sani-Copter verloren. »Weiterfliegen!« hechelte der Mutant, »Weiterfliegen!« Der Pilot nickte aufgeregt, und Carrsh sagte ihm, wohin er fliegen sollte. Ihr Ziel war nicht mehr die Bronx. Carrsh wartete, bis sie den East River unter sich hatten, dann riß er die Tür auf und warf die beiden Toten hinaus. Dabei bemerkte er den zweiten, kleineren Hubschrauber, der ihnen folgte. Er rammte die Tür zu und stieß ein aggressives Knurren aus. Carl Addams, der Pilot, machte in diesen Minuten Grauenvolles mit. Jetzt erst begriff er Noel Bannisters Worte, die nur schlecht und bruchstückhaft zu verstehen gewesen waren. Sein Leben hing an einem seidenen Faden. Wenn er nicht gehorchte, mußte er auf der Stelle sterben, doch selbst bei bedingungslosem Gehorsam war nicht garantiert, daß er am Leben bleiben durfte. Er überflog Queens. Sie erreichten Brooklyn, und Carl Addams schien sich in Schweiß aufzulösen. Er war zwar Soldat, aber er hatte dem Tod noch nie ins Auge gesehen. Das faltige Etwas, das einmal Buttons gewesen war, plumpste auf den Co-Pilotensitz. Mit bambusähnlichen Gliedmaßen stützte sich das scheußliche Wesen ab. Es veränderte fortwährend sein Aussehen. Kaum hatte sich der Pilot an eine Scheußlichkeit gewöhnt, präsentierte ihm Carrsh schon die nächste. Damit versetzte der Mutant den Piloten ständig aufs neue in Angst und Schrecken. Carl Addams war einem Zusammenbruch nahe. Dicke Schweißtropfen fielen von seinem Kinn. Seine Hände zitterten; er war noch nie so miserabel geflogen. Er hatte aber auch noch
nie so panische Angst gehabt. Er hatte nie Soldat werden wollen. Sein Vater hatte ihn dazu gezwungen. Der Sohn eines Air Force Generals konnte nicht Taxifahrer oder Briefträger werden. In diesen Augenblicken verwünschte Carl Addams seinen ehrgeizigen Vater, der es nicht zugelassen hatte, daß er in die Werbung ging. Eine Vielzahl von Gedanken wirbelte Addams durch den Kopf. Wenn es ihm gelang, gleich nach der Landung – oder einige Sekundenbruchteile vorher – aus der Kanzel zu springen, wenn er dann loshetzte, als wäre der Teufel hinter seiner Seele her … hatte er vielleicht noch eine minimale Chance. Der Sani-Copter knatterte über die U.S. Government Reservation im Süden von Brooklyn. Rechts spannte sich die Verrazano-Narrows Bridge nach Staten Island hinüber. Selbstverständlich hatte auch Carl Addams bereits mitbekommen, daß ihnen ein Army-Hubschrauber folgte. Vielleicht war das Hilfe … die Rettung. Aber Addams wagte es kaum zu hoffen. Er fragte sich, wohin dieses Scheusal eigentlich wollte. Wenn sie diesen Kurs beibehielten, flogen sie auf den Atlantik hinaus. Irgendwann würde der Sprit alle sein. Dann würden sie vom Himmel fallen wie ein Stein – und absaufen, denn der Sani-Copter hatte keine Schwimmkufen. Zwischen zwei breiigen Höckern der Bestie tauchte Ronald Buttons’ Kopf auf. Mit einem überlangen Krallenfinger wies er nach unten, auf ein riesiges Frachtschiff, das New York vor kurzem verlassen hatte. »Landen!« befahl der Mutant mit einer Stimme, die sich grauenvoll anhörte. »Auf diesem Frachter?« »Ja, landen!« Addams ließ die stählerne Libelle sinken; sie flapperte auf das
Frachtschiff zu, und der Pilot überlegte, ob er aus dem Hubschrauber springen sollte, bevor sie den Frachter erreichten. Je tiefer sie kamen, desto mehr festigte sich in Carl Addams der Entschluß, es zu wagen, doch Carrsh durchschaute ihn, und ein langer gelber Stachel wuchs aus seinem unförmigen Körper. Carrsh setzte dem Mann den Stachel an die Rippen, und Carl Addams fiel seelisch wie eine leere Hülle in sich zusammen. Er wußte, daß ihm dieses Horrorwesen aus dem All nicht die geringste Chance lassen würde. Den Sprung ins Wasser konnte er vergessen.
* Als der Sani-Copter vor uns schaukelte und tanzte, nahm ich an, daß darin ein Kampf tobte. Verdammt, Carrsh wartete nicht bis zur Landung! In dem Moment, wo der Hubschrauber den Kurs erheblich änderte, war mir klar, daß Carrsh nicht in das Armee-Hospital gebracht werden wollte. Er schien geeignete Maßnahmen getroffen zu haben, um das zu verhindern. Mir schnürte der Haß die Kehle zu, als ich den Arzt und den Sanitäter in den East River fallen sah. »Nun lebt nur noch der Pilot«, bemerkte ich heiser. »Und auch der nicht mehr lange, wenn wir ihm nicht beistehen«, sagte Lance Selby ernst. »Wenn es bloß eine Möglichkeit gäbe, während des Fluges umzusteigen.« »Wohin will Carrsh?« Ich rief unserem Piloten zu, dranzubleiben. Wir flogen knapp hinter dem Sani-Copter. Jetzt zog unser Pilot die Maschine ein Stück seitlich vor, und wir sahen ein widerliches Ding neben dem Piloten des anderen Hubschraubers.
»Was würde passieren, wenn wir versuchten, den Sani-Copter zur Landung zu zwingen?« fragte Lance. »Wir dürfen nichts unternehmen, was das Leben des Piloten zusätzlich gefährdet«, antwortete ich dem Parapsychologen. »Wir können nur warten, bis der Sanitätshubschrauber gelandet ist … und hoffen, daß der Pilot dann genug Glück hat, um mit heiler Haut davonzukommen. Sobald der Sani-Copter aufsetzt, müssen wir Carrsh ablenken. Reizt ihn bis zur Weißglut, damit der Mann dort drüben seine Chance bekommt.« »Wir werden Carrsh vernichten«, knurrte der Hexenhenker überzeugt. Seine Knöchel schimmerten weiß durch die Haut. Mit festem Griff umschloß er den Stiel des Beils. Ich hätte seine Zuversicht gern geteilt. Der Sani-Copter flog über Süd-Brooklyn hinaus. »Was hat er denn vor?« fragte Lance Selby beunruhigt. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Der Sanitätshubschrauber sank tiefer und näherte sich einem riesigen Frachtschiff. Das bedeutete für die Mannschaft, daß das Grauen zu ihr an Bord kam. Würde es Carrsh gelingen, den Frachter in seine Gewalt zu bringen?
* Der Kapitän des Frachters, ein Seemann von echtem Schrot und Korn, der auf allen Weltmeeren zu Hause war, nahm seine Mütze ab und kratzte sich den Hinterkopf. Er hieß Gene Neame, hatte einen grauen Vollbart und helle, stechende Augen. Es gefiel ihm, über sein Schiff zu herrschen, aber er war niemals ungerecht. Zucht und Ordnung waren ihm auf seinem Frachter das Wichtigste. Wer gehorchte, ohne zu murren, hatte unter Kapitän Neames Kommando ein angenehmes Leben.
Nur die Unbeugsamen – jene, die meinten, alles besser zu wissen, die mit dem Kopf durch die Wand wollten – bog sich Kapitän Neame während einer langen Fahrt mit stählerner Härte zurecht. Und wenn sie sich nicht biegen lassen wollten, mußten sie eben brechen. Es gab nur einen Willen auf diesem Schiff, und das war der des Kapitäns. Als der Sani-Copter der Armee auf den Frachter zukam, rief Gene Neame den Ersten Offizier zu sich. »Was hat das zu bedeuten, Mr. Stevens?« Ernest Stevens zuckte überfragt die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, Kapitän.« »Hat der Funker nichts gemeldet?« »Nein, Sir.« »Ich habe nichts dagegen, wenn die Army auf meinem Schiff landet, falls sie in Schwierigkeiten ist, aber – verdammt noch mal – ich will vorher gefragt werden!« »Soll unser Funker mit dem Hubschrauber Kontakt aufnehmen, Sir?« »Was hat das jetzt noch für einen Zweck? Die sind ja schon fast an Bord.« »Dahinter ist noch ein Helikopter«, bemerkte der Erste Offizier. »Also so geht’s nun wirklich nicht. Dies ist mein Schiff!« sagte der Kapitän ärgerlich. »Gehen Sie hinunter, und holen Sie die Soldaten zu mir auf die Brücke, damit ich ihnen das klarmachen kann. Die Sache wird ein Nachspiel haben. Ich werde mich bei den Vorgesetzten dieser Leute beschweren. Wir befinden uns schließlich nicht im Krieg.« Der Erste Offizier verließ die Brücke. Der Sani-Copter setzte auf. Das Grauen war da … ENDE des zweiten Teils
Das Ultimatum der Aliens von A. F. Morland Die Menschheit in Gefahr! Noch nie stand für das Ballard-Team so viel auf dem Spiel. Ein Ableger von Carrsh, dem Mutanten, ist entkommen und beginnt sein furchtbares Zerstörungswerk. Und immer noch sind die dreiundvierzig Freiwilligen, die den Start des UFOs mit ihrem Leben bezahlen sollen, an Bord des Raumschiffes. Doch Tony Ballard und seine Freunde haben Hilfe von einer Seite erhalten, mit der niemand gerechnet hat – die Hölle schickt ihre besten Streiter, um den Menschen beizustehen. Kann man den Botschaftern des Bösen trauen? Gibt es eine Hoffnung für die Eingeschlossenen? Was kann die Welt noch vor dem ständig wachsenden Mutanten retten?